Das Erfolgsrisiko des Verkäufers: Zur Risikoverteilung beim Sachkauf bei Lieferung mangelhafter Ware unter besonderer Berücksichtigung der Verteilung ... Nacherfüllung 3161550587, 9783161550584

Tim Kasper untersucht die Entwicklung der Gefahrtragung im Vertragsvollzug. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie be

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German Pages 758 Year 2017

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Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Die Verteilung der Gefahr des zufälligen Untergangsund der zufälligen Verschlechterung beim Kauf
C. Schluss
Anhänge
Nachwort
Literatur
Sachregister
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Das Erfolgsrisiko des Verkäufers: Zur Risikoverteilung beim Sachkauf bei Lieferung mangelhafter Ware unter besonderer Berücksichtigung der Verteilung ... Nacherfüllung
 3161550587, 9783161550584

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Studien zum Privatrecht Band 68

Tim Kasper

Das Erfolgsrisiko des Verkäufers Zur Risikoverteilung beim Sachkauf bei Lieferung mangelhafter Ware unter besonderer Berücksichtigung der Verteilung der Leistungsgefahr im Rahmen der Nacherfüllung

Mohr Siebeck

Tim Kasper, geboren 1983, Studium der Rechtswissenschaften in Düsseldorf und Kapstadt; 2009 Erste Prüfung; wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Gewerblichen Rechtsschutz der Universität Düsseldorf; Referendariat im Bezirk des OLG Düsseldorf; 2014 Zweite Staatsprüfung; 2016 Promotion; derzeit rheinischer Notarassessor.

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT. D 61 ISBN 978-3-16-155058-4 ISSN 1867-4275 (Studien zum Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver­wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Neuffen gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Das vorliegende Werk stimmt im Wesentlichen mit der Dissertation überein, aufgrund derer ich nach Disputation am 21. September 2016 an der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf promoviert wurde. Literatur und Rechtsprechung wurden bis zum 25. August 2015 (Tag der Einreichung der Dissertation) berücksichtigt. Soweit die Arbeit der Projektgruppe „Gewährleistung und Garantie“ seitdem vorangeschritten ist, gehe ich hierauf gesondert im Nachwort ein. Vorausschicken möchte ich der Lektüre folgendes: Wer wie ich seine rechtswissenschaftliche Ausbildung nach dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes begonnen hat, dem begegnen das „alte“ Schuldrecht, insbesondere dessen Allgemeiner Teil und das Kaufrecht, in weiten Teilen wie eine vergangene, fremde Rechtsordnung. Von diesem Standpunkt aus muss vieles, was älteren Juristengenerationen selbstverständlich erscheinen mag, zunächst mühsam erschlossen werden. Deshalb habe ich die Entstehungs- und Auslegungsgeschichte der im Mittelpunkt der Betrachtung stehenden schuldrechtlichen Regelungen und Regelungszusammenhänge in einer Ausführlichkeit und Tiefe untersucht und dargestellt, die dem noch zum „alten“ Schuldrecht ausgebildeten Juristen mitunter übertrieben oder sogar überflüssig vorkommen mag. Es darf allerdings bezweifelt werden, dass jeder, der das „alte“ Schuldrecht noch selbst gelernt und praktiziert hat, sich über das „Woher“ und „Warum“ der hier relevanten Regelungen und Regelungszusammenhänge wirklich im Klaren ist. Die Vorstellung, dass das Schuldrecht einer umfassenden „Modernisierung“ bedürfe, beruhte immerhin auch darauf, dass manches, was den Verfassern des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch selbstverständlich gewesen war, nach dem Inkrafttreten des Gesetzes mehr und mehr in Vergessenheit geriet und am Ende des vorigen Jahrhunderts gerade nicht mehr (richtig) verstanden wurde.1 Für den jüngeren Zivilrechtlicher ist eine umfangreiche und vertiefte Untersuchung des alten Schuldrechts auf jeden Fall ein Gewinn. Denn soweit der Reformgesetzgeber darum bemüht war, alte Streitfragen endlich eindeutig zu beantworten, setzt sich in vielen Zusammenhängen heute alter Streit fort.2 Insoweit sind aktuelle Diskussionen nicht ohne Kenntnis 1  Man denke nur an den Begriff der Unmöglichkeit der Leistung, die Abhängigkeit der Leistungsbefreiung des Schuldners von der Zufälligkeit der Unmöglichkeit und den Zusammenhang zwischen Unmöglichkeit und Verzug. 2 Das liegt entweder daran, dass Neuregelungen unzureichend gefasst sind oder dass diejenigen, die schon vor der Reform anderer Ansicht waren, immer noch meinen, die besseren Argumente auf ihrer Seite zu haben.

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Vorwort

der alten Rechtslage zu verstehen. Grundlagenkenntnis braucht es aber auch zur Bewältigung neuen Streitstoffs, den es zunächst einmal überhaupt zu erkennen gilt. Ihn liefern „echte“ Neuregelungen, mit denen der Gesetzgeber die Ziele einer „Modernisierung“ des Gesetzes – im Sinne der Kodifizierung bestimmter dogmatischer (Weiter-)Entwicklungen des Schuldrechts sowie der Anpassung seiner gesetzlichen Regelung an Veränderungen der Rechtspraxis – und der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben vor allem zum Zwecke des Verbraucherschutzes angestrebt hat. In Anbetracht dieser verschiedenen Zielrichtungen hilft es allerdings nicht immer weiter und ist mitunter sogar hinderlich, die „modernisierten“ Regelungen konsequent vom Standpunkt des „alten“ Schuldrechts aus erklären zu wollen. So sehr dies auch zu bedauern sein mag, hat die Reform nämlich gerade vor dem Hintergrund europäischer Vorgaben zum Verbraucherschutz beim Kauf auch Neuerungen gebracht, die sich in die hergebrachte Dogmatik gerade nicht bruchlos einfügen wollen.3 Auch soweit der Reformgesetzgeber aus eigenem Gestaltungswillen tiefgreifende Neuregelungen geschaffen hat, etwa durch die Bestimmung, dass der Verkäufer stets auch die Freiheit (und Beseitigung) von Sachmängeln als Leistung schuldet, und die konsequente Integration der „Mängelrechte“ des Käufers in das allgemeine Leistungsstörungsrecht, erfordert die Beantwortung vieler Fragen einen „Aufbruch zu neuem Denken“4, der demjenigen, der nicht vom alten Schuldrecht5 geprägt wurde, möglicherweise leichter fällt.6 Gerade aus der Abgrenzung zum alten Schuldrecht lassen sich hierfür Argumente ableiten. Wer dagegen im „alten Denken“ verharrt, wird manche Veränderungen übersehen. So erfordert es die Erweiterung der Verkäuferleistung und die Verknüpfung des Kaufrechts mit dem allgemeinen Schuldrecht, das hergebrachte Verständnis auch solcher gesetzlicher Regelungen des Kaufrechts, die von der Reform zumindest „äußerlich“ unberührt geblieben sind, zu hinterfragen. Hierzu gehört insbesondere die Verteilung der Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung des zur Erfüllung eingesetzten Stücks beim Sachkauf nach Maßgabe von § 446. Denn für eine Regelung, nach welcher der Verkäufer vor der eigentlichen Erfüllung ab einem bestimmten Stadium der Vertragsabwicklung, namentlich von 3  Man denke nur an die Diskussion über die Voraussetzungen, unter denen beim Kauf Ersatzlieferung verlangt werden kann, sowie über die Reichweite der Ersatzlieferungspflicht des Verkäufers, falls der Käufer die mangelhafte Sache eingebaut hat, und die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH, die den BGH das Mittel der „europarechtskonformen Rechtsfortbildung“ des § 439 Abs. 3 ergreifen ließ. 4  So der Untertitel des Aufsatzes von Bitter ZIP 2007, 1881 ff. zum „Nachlieferungsanspruch beim Stück-, Vorrats- und Gattungskauf in Sachmängelfällen sowie beim Untergang der Sache“. 5  Insbesondere vom Recht der Sachmängel beim Kauf als echter Sondermaterie gegenüber dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht und der unterschiedlichen Behandlung von Stück- und Gattungsschuld im Rahmen des Kaufrechts. 6  Wenn dagegen mehr als zehn Jahre nach der Reform verbreitet immer noch vom Gewährleistungsrecht die Rede ist, erschwert dies von vorneherein den Blick darauf, dass es beim Vorliegen eines Sachmangels beim Kauf im Wesentlichen um einen Fall der Nichterfüllung geht (was wiederum durch den Zentralbegriff der Pflichtverletzung im reformierten Leistungsstörungsrecht verschleiert wird).



Vorwort

VII

der Übergabe der verkauften Sache an, so behandelt wird, als habe er die ihm obliegende Leistung bereits erfüllt und die Gegenleistung deshalb endgültig verdient, kann es nicht ohne Auswirkungen bleiben, dass die dem Verkäufer obliegende Leistung sich seit der Reform nicht mehr in der Übergabe (und Übereignung) eines bestimmten Stücks erschöpft, sondern nunmehr auch die Herstellung einer bestimmten Sachqualität einschließt. Davon abgesehen, dass die Veränderung ihrer systematischen Rahmenbedingungen die Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen der zentralen kaufrechtlichen Gefahrtragungsnorm entscheidend beeinflusst, auch wenn die Reform ihren Wortlaut weitgehend unverändert gelassen hat, darf nicht übersehen werden, dass das Thema der Zuweisung der Nachteile infolge des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung des zur Erfüllung eingesetzten Stücks durch die Erweiterung der Verkäuferleistung und die konsequente Normierung der Nacherfüllungspflicht eine neue, zusätzliche Facette erhalten hat, die das Gesetz überhaupt nicht gesondert regelt: Soweit Verschlechterung und Untergang zulasten des Verkäufers gehen, haben sie nämlich nicht mehr ausschließlich eine Verringerung oder den Ausschluss der Kaufpreisschuld des Käufers zur Folge (Preisgefahr), ipso iure oder vermittelt durch die Mängelrechte, sondern vorrangig eine Erhöhung des Aufwandes zur Erfüllung der Leistungspflicht des Verkäufers. Diese (Neu-)Verteilung der Leistungsgefahr erschließt sich jedoch nur indirekt aus den Vorschriften über die Nacherfüllung und aus deren Zusammenspiel mit den hergebrachten (ausdrücklichen) (Preis-)Gefahrtragungsregeln einerseits sowie andererseits den gesetzlichen Regelungen der „klassischen“ Mängelrechte (Minderung und Rücktritt, vormals Wandelung), die ihrerseits auch die Preisgefahr indirekt verteilen. Um neue Regelungsthemen beschreiben und Lösungsvorschläge entwickeln zu können, muss das Alte bekannt sein. Hierzu wollte ich aber nicht bei einer Gegenüberstellung von altem und neuem Schuldrecht stehen bleiben. Denn das alte Schuldrecht in seiner kodifizierten Form ist ohne seine historischen Hintergründe kaum zu verstehen. Hinzu kommt, dass manche „Brüche“ zwischen dem alten und neuen Schuldrecht sich auch als Stufen einer kontinuierlichen Entwicklung begreifen lassen, wenn man den Blick weiter in die Vergangenheit richtet. Mir ist hierbei bewusst geworden, welchen Wert rechtshistorische Forschung hat und wo ich als Zivilrechtler an die Grenzen eigenen Könnens stoße. Bei der Darstellung rechtshistorischer Entwicklungen habe ich mich deshalb hauptsächlich auf Sekundärliteratur gestützt. Herrn Professor Dr. Busche danke ich außer für die Erstellung des Erstgutachtens vor allem für die Freiheit, die er mir zum Anfertigen meiner Dissertation gelassen hat, solange ich an seinem Lehrstuhl beschäftigt war. Herrn Professor Dr. Looschelders danke ich für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens. Besonderer Dank gilt Herrn RiOLG Michael Liepin. Als ich auf die Existenz und Aufgabe der Projektgruppe „Gewährleistung und Garantie“ aufmerksam

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Vorwort

wurde, war meine Arbeit bereits weit vorangeschritten. Deshalb war ich froh, mit Herrn Liepin beim Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen einen hilfsbereiten, engagierten und interessierten Gesprächspartner zu haben. Der Austausch über die Arbeit der Projektgruppe hat meine Dissertation sehr bereichert und vor allem dabei geholfen, einen Schlusspunkt zu setzen. Der Studienstiftung des Deutschen Volkes gilt mein Dank für die Förderung, die sie mir auch während meines Promotionsstudiums hat zuteilwerden lassen. Dem Freundeskreis der Düsseldorfer Juristischen Fakultät e.V. danke ich für die Zuerkennung seines Promotionspreises. Schließlich danke ich dem Verlag Mohr Siebeck für die Aufnahme dieses Werks in die Schriftenreihe „Studien zum Privatrecht“ und dem Förderungsfonds Wissenschaft der VG Wort für die Gewährung einer großzügigen Druckkostenzuschusses. Bei vielen weiteren Menschen, vor allem aus dem Familien- und Freundeskreis, möchte ich mich herzlich dafür bedanken, dass sie mich beim Erarbeiten meiner Dissertation persönlich begleitet und unterstützt haben und viel Nachsicht mit mir hatten. Dies soll jedoch privaten Worten vorbehalten bleiben. Düsseldorf, im Frühjahr 2017

Tim Kasper

Inhaltsübersicht A. Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Allgemeines zur Gefahr­tragung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2. Casum sentit dominus / res perit domino  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3. Gefahr­tragung im Schuldverhältnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

B. Die Verteilung der Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung beim Kauf  . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Historischer Hintergrund: periculum est emptoris  . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Inhalt, Bedeutung und Reichweite der periculum emptoris-Regel  . . . . . . . 33 2. Die periculum est emptoris-Regel im gemeinen Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3. Kritik an der periculum est emptoris-Regel in der Theorie des Vernunftrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4. Zum Problem der Anwendung der gemeinrechtlichen periculum est emptoris-Regel beim Gattungskauf  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 5. Die Abkehr von der periculum est emptoris-Regel durch die moderne Gesetzgebung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

II. Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900  . . . . . . . . . . . . . 110 1. Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip  . . . 112 2. „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“ im Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Übergang der Preisgefahr  . . . . . . . . . . . . . . 206 3. Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.  . . . . . . . . . . . . 247 4. Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung beim Kauf unter dem BGB von 1900  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 5. Zwischenergebnis zu den Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung beim Kauf nach dem BGB von 1900  . . . . . . . . . . 421

X

Inhaltsübersicht

III. Veränderungen der Gefahr­tragung beim Kauf durch die Schuldrechtsreform 2002  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 1. Erweiterung der Anforderungen an den Gefahrübergang infolge der Erweiterung des Leistungsbegriffs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 2. Nacherfüllungspflicht und Leistungsgefahr („Nacherfüllungsgefahr“)  . . . 444 3. Zäsur-Momente für die Feststellung der Mangelhaftigkeit und die Befreiung des Verkäufers von dem Risiko nicht mangelbedingter Zufallsverschlechterungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 4. Folgerungen und Thesen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 5. Sachliche Veränderungen des Rücktrittsfolgenrechts im Zuge der Schuldrechtsreform  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 6. Ersatzlieferungsgefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 7. Nachbesserungsgefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 8. Zuweisung der mit der Nachbesserung als solcher verbundenen Risiken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 9. Abwendung des Übergangs jeglicher Gefahr durch Zurückweisung mangelhafter Ware  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665

C. Schluss  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675 Anhänge  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 Nachwort  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 Literatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697 Sachregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Allgemeines zur Gefahr­tragung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2. Casum sentit dominus / res perit domino  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3. Gefahr­tragung im Schuldverhältnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

a) Leistungsgefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 i) Definition der Leistungsgefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 ii) Regelung der Befreiung des Schuldners  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 iii) Sach(leistungs)gefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 b) Gegenleistungsgefahr, insbesondere Preisgefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 i) Definition der Gegenleistungsgefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 ii) Rückabwicklungsgefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 c) Regelungstechnik der Risikoverteilung, insb. zum „Übergang“ der Gefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 d) Grundsatz der Schuldnergefahrtragung im Austauschvertrag als Verwirklichung des synallagmatischen Prinzips  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 i) Ausnahmsweise Gefahrübergang mit Eintritt des Annahmeverzugs  . . . 23 ii) Im Allgemeinen reicht Vornahme der notwendigen Leistungshandlungen für Gefahrübergang nicht aus; Schuldner trägt Erfolgsrisiko  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 iii) Austausch von Leistungen aufgrund des Austauschs von Leistungsversprechen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

B. Die Verteilung der Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung beim Kauf  . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Historischer Hintergrund: periculum est emptoris  . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Inhalt, Bedeutung und Reichweite der periculum emptoris-Regel  . . . . . . . 33

a) Das „Kaufleitbild“ des römischen Rechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 i) Kauf als realer Austausch „Ware gegen Geld“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 ii) Kauf als Konsensualvertrag (emptio venditio)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Bedeutung und Reichweite der Käufergefahrtragung  . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 i) Gefahr­tragung des Käufers erst mit Kaufperfektion  . . . . . . . . . . . . . . . 41

XII

Inhaltsverzeichnis

ii) Beschränkung der Käufergefahrtragung auf das periculum vis maioris durch die objektive custodia-Haftung des Verkäufers (custodia venditoris)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 iii) Ausnahmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 c) Die ratio der periculum emptoris-Regel   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 i) Historische Erklärungsversuche, Theorie von der „Barkauf-Nachwirkung“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 ii) „Entäußerungstheorie“ und Begründung der periculum emptorisRegel mit dem Prinzip casum sentit dominus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 iii) „Theorie von der wechselseitigen Unabhängigkeit der Obligationen bei gegenseitigen Verträgen“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 iv) „Theorie der fingierten Erfüllung“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 v) „Verschuldenstheorie“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 vi) „Marktkauf-These“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 vii) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

2. Die periculum est emptoris-Regel im gemeinen Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3. Kritik an der periculum est emptoris-Regel in der Theorie des Vernunftrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

a) Maxime: Res perit domino  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Das synallagmatische Gefahr­tragungsprinzip  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 i) Entwicklung der Innominatrealkontrakte im römischen Recht  . . . . . . . 75 1) Vorläufer im klassischen römischen Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2) Nachklassische Entwicklungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 ii) Vertragslehren der Kanonisten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 iii) Auseinandersetzung mit der Gefahr­tragung bei den Innominalkontrakten in der Legistik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 iv) Theoretische Begründung der Gefahr­tragung des Schuldners bei den Innominatkontrakten durch Donellus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 v) Vernunftrechtliche Theorien zu Rücktrittsrecht und Gefahr­tragung beim Austauschvertrag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 vi) Einfluss des vernunftrechtlichen Synallagma-Denkens auf das positive Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

4. Zum Problem der Anwendung der gemeinrechtlichen periculum est emptoris-Regel beim Gattungskauf  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

a) Anerkennung des Gattungskaufs: Subordination des Gattungskaufs unter das Recht der emptio venditio durch die mittelalterliche Rechtswissenschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Theorie und Praxis des gemeinen Rechts zur Gefahr­tragung ­ beim Gattungskauf  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 c) Gefahr­tragung beim Gattungskauf im jüngeren gemeinen Recht: Kontroverse zwischen der Ausscheidungs- und Lieferungstheorie  . . . . . . . 101 i) Thöls Ausscheidungstheorie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 ii) v. Jherings Lieferungstheorie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102



Inhaltsverzeichnis

XIII

d) Auswirkungen der Annahme mangelhafter Ware auf die Gefahrverteilung nach v. Jherings Lieferungstheorie?  . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

5. Die Abkehr von der periculum est emptoris-Regel durch die moderne Gesetzgebung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

II. Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900  . . . . . . . . . . . . . 110 1. Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip  . . . 112

a) Die Entscheidung für die Grundregel der Schuldnergefahrtragung beim Austauschvertrag (synallagmatisches Gefahr­tragungsprinzip)  . . . . . . . . . . 112 b) Verpflichtung des Verkäufers zur Übergabe und Übereignung der verkauften Sache  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 i) Übergang vom Eviktions- zum Eigentumsverschaffungsprinzip  . . . . . . 116 ii) Beibehaltung der Leistungspflicht zur Übergabe der verkauften Sache auch nach Übergang zum Rechtsverschaffungsprinzip  . . . . . . . . 121 c) Die Beratung über die Gefahr­tragung beim Kauf  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 i) Erste Kommission  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1) Vorlage v. Kübels (Nr. 7, 1876)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (a) Begründung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (b) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2) Vorlage Nr. 32 zum Teilentwurf Obligationenrecht und Erster Entwurf    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (a) Begründung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (b) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 ii) Vorkommission des Reichsjustizamtes und Zweite Kommission  . . . . . 142 1) Begründung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 iii) Topoi der Gefahrverteilung nach dem BGB von 1900  . . . . . . . . . . . . . . 146 1) Unmaßgeblichkeit der Eigentumslage als solcher  . . . . . . . . . . . . . . . 146 2) Maßgeblichkeit der Erfüllung der Leistungspflichten des Verkäufers: Eigentumsverschaffung und Übergabe  . . . . . . . . . . . . . . 147 (a) Beim Grundstückskauf sei aufgrund des regelmäßigen Parteiwillens ausnahmsweise die Eigentumsübertragung ausreichend  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (b) In jedem Fall müsse aus Billigkeitsgründen die Übergabe ausreichen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (c) Prinzipiell kommt es aber auf die Erfüllung der jeweiligen Leistungspflicht an  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3) Übergabe-Prinzip als Kompromisslösung zwischen periculum est emptoris und casum sentit dominus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 4) Rechtfertigung der kaufspezifischen Kompromisslösung im allgemeinen System der Gefahrverteilung beim gegenseitigen Vertrag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (a) Wirtschaftliche Betrachtungsweise  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

XIV

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(b) Billigkeitserwägungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (c) Regelmäßiger Parteiwille  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (i) Maßgeblichkeit des typischen Parteiwillens für den Inhalt abstrakt-genereller dispositiver Regeln oder für die Abweichung hiervon?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (ii) Bedeutung der Gefahr­tragungsregeln zur Begrenzung des privatautonomen Leistungsversprechens  . . . . . . . . . . . . 156 (d) Ordnungsvorstellungen des Gesetzgebers, insbesondere Praktikabilitätserwägungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 5) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 d) Voraussetzung für die Realisierung der Preisgefahr beim Verkäufer: Keine Verpflichtung zur sachmangelfreien Leistung bzw. Mangelbeseitigung im Falle zufälliger Verschlechterung  . . . . . . . . . . . . . . 162 i) Beim Stückkauf: Belastung des Käufers mit der Leistungsgefahr ab Vertragsschluss  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1) Beweggründe der Verfasser des BGB von 1900 unklar  . . . . . . . . . . . 163 2) Ablehnung einer Nachbesserungspflicht als Folge der vertragsanfänglichen Belastung des Käufers mit der Leistungsgefahr?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3) Vertragsanfängliche Belastung des Käufers mit der Leistungsgefahr als Folge des Fehlens einer Nachbesserungspflicht des Verkäufers?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 ii) Beim Gattungskauf: Anknüpfung des Übergangs der Leistungsgefahr an den Übergang der Preisgefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1) Dogmatisch zwingend: Übergang der Leistungsgefahr spätestens zur Zeit des Übergangs der Preisgefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2) Regelungsabsicht des historischen Gesetzgebers: Gemeinsamer Übergang von Leistungs- und Preisgefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (a) Anknüpfung nicht an die gesetzlichen Anordnungen des Übergangs der Preisgefahr, sondern an die tatbestandlichen Voraussetzungen derselben  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (b) Zum Nebeneinander der Anordnung des Gefahrübergangs bei Annahmeverzug und der allgemeinen Regelung der Konkretisierung bei der Gattungsschuld  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (c) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (d) Bewertung dieser Regelung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3) Insbesondere zur Transmutation der Gattungs- zur Stückschuld als theoretische Grundlage des Übergangs der Leistungsgefahr  . . . . 186 (a) Verwandlung zur Stückschuld als Voraussetzung der Unmöglichkeit der Leistung bei Untergang eines speziellen Stücks  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187



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XV

(b) Bindung an Erfüllung mit konkretem Stück im Interesse des Gläubigers als Folge des Gefahrübergangs auf den Gläubiger (Ausgleich für Gefahrentlastung des Schuldners)  . . . . . . . . . . . . 188 (i) Versendungskauf  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (ii) Annahmeverzug  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (c) Beschränkung des Schuldverhältnisses mit Blick auf die Gefahr­tragung und Haftung ohne Verwandlung der Gattungsin eine Stückschuld  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (i) Annahmeverzug  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (ii) Versendungskauf  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (iii) v. Kübels Vorentwurf: „Fixierung der Obligation“ aus Zweckmäßigkeitserwägungen nur bei der Schickschuld, Gefahrübergang bei Annahmeverzug ohne Konkretisierung  192 (iv) Umdeutung der „Fixierung“ in ein allgemein notwendiges Korrelat und schließlich in eine notwendige Voraussetzung des Gefahrübergangs bei der Gattungsschuld  . . . . . . . . . . . . 194 (v) Späte Einsicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (d) Folgerungen für die Regelungstechnik des Übergangs der Leistungsgefahr: Keine „Verwandlung“ der Gattungszur Stückschuld  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (i) Unmöglichkeit ohne vorherige Verwandlung zur Stückschuld  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (ii) Vorzugswürdig: Einrede-Lösung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (e) Zwischenergebnis: Beschränkung der Gattungsschuld auf bestimmte Sache nur in Ansehung der Gefahr­tragung und Haftung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 4) Folgerungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (a) Maßgebliche Wertungskriterien für den Gefahr(en)übergang  . . . 203 (b) Dogmatik der Primärpflichtmodifikation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

2. „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“ im Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Übergang der Preisgefahr  . . . . . . . . . . . . . . 206

a) Regelungsbedürftigkeit der vom Gläubiger zu vertretenden Unmöglichkeit infolge der Verschiebung des Gefahrübergangs vom Vertragsschluss zur Übergabe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Erweiterung der Gewährleistungspflicht des Verkäufers bis zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs durch Erfassung nachträglicher Zufallsverschlechterungen der verkauften Sache als Sachmangel  . . . . . . . . 209 i) Für nachträgliche Zufallsverschlechterungen wurde im Rahmen der Gewährleistung ausschließlich die Preisgefahrtragung des Verkäufers ausgeformt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 ii) Nichterfüllungshaftung wie nach gemeinem Recht auf die Sachbeschaffenheit bei Vertragsschluss bezogen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 c) Auseinandersetzung der frühen Literatur mit der Bezugnahme des § 459 Abs. 1 S. 1 a. F. auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs  . . . . . . . . . . . . . . . 216

XVI

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d) Unterschiedliche Risiken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 i) Vertragsanfängliche Sachmängel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 ii) Nachträgliche Sachmängel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 e) Insbesondere zum Gattungskauf  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 i) Zur Statthaftigkeit der Anwendung der ädilizischen Rechtsbehelfe auf den Gattungskauf   im Allgemeinen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 1) „Kompromisslösung“ des § 480 Abs. 1 S. 1 a. F.  . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (a) Regelungsvorschlag des Redaktors v. Kübel  . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (b) Beratungen der Ersten Kommission  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (c) Beratungen der Vorkommission des Reichsjustizamts und der Zweiten Kommission  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (d) Regelung im BGB von 1900  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2) Transmutation zur Stückschuld als Grundlage der Anwendung der ädilizischen Rechtsbehelfe beim Gattungskauf  . . . . . . . . . . . . . . 227 3) Rechtsnatur des Ersatzlieferungsanspruchs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 ii) Zur Bedeutung des Zeitpunkts des Gefahrübergangs als Prüfzeitpunkt für die Sachmängelfreiheit beim Gattungskauf    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 iii) Zum Verhältnis des Fehlerbegriffs zum Gattungsbegriff sowie der mangelhaften Leistung zur Nichterfüllung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 1) Von der Bildung von Gattungen nach der Verkehrsanschauung zum „parteiautonomen“ Gattungsbegriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 2) Vom objektiven zum subjektiven Fehlerbegriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 3) Zum Verhältnis der Gattungsvereinbarung zur Beschaffenheitsvereinbarung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (a) Verschiedene Qualitätsstufen innerhalb einer Gattung: grundsätzliches Erfordernis der Einhaltung des mittleren Qualitätsstandards  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (b) Mangelhaftigkeit, Vertragswidrigkeit und Erfüllungsuntauglichkeit der Ware trotz Einhaltung des mittleren Qualitätsstandards der vereinbarten Gattung  . . . . . . . . 236 (c) Unterscheidung von aliud- und peius-Lieferung  . . . . . . . . . . . . . 239 iv) Beschränkung der Sachmängelhaftung und Gefahr­tragung des Verkäufers durch Anwendbarkeit der ädilizischen Gewährleistung auch beim Gattungskauf  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1) Bei der Gattungsschuld stehen Sachmängel dem Übergang sowohl der Leistungs- als auch der Preisgefahr eigentlich entgegen  . . . . . . . 240 2) Begründung der Nichterfüllungshaftung und der Gewährleistungspflicht des Verkäufers erst im Zeitpunkt des (hypothetischen) Gefahrübergangs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 3) Entlastung des Verkäufers von der Leistungsgefahr und Beschränkung seiner Preisgefahrtragung durch Anwendung der ädilizischen Gefahrleistungsrechte beim Gattungskauf  . . . . . . . . 243 4) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 f) Folgerungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246



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XVII

3. Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.  . . . . . . . . . . . . 247

a) Überblick über das Meinungsspektrum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 b) Rechtfertigung mit dem synallagmatischen Prinzip („Austauschgedanke“)  253 i) „Wirtschaftliche Erfüllung“ oder Befriedigung des typischen Käuferinteresses mit Übergabe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 ii) Erfüllungstheorien zum Verhältnis von § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. zu § 323 Abs. 1 a. F.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 1) Heck’sche Erfüllungstheorie: § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. als Durchführung des § 323 Abs. 1 a. F.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2) Filios: Abweichung des § 446 a. F. von § 323 Abs. 1 a. F. (nur) in Ansehung der Eigentumsverschaffungspflicht  . . . . . . . . . . . 260 3) Erfüllungshandlungstheorien (Oertmann, Schilcher)  . . . . . . . . . . . . 261 iii) Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 c) Rechtfertigung mit dem Prinzip casum sentit dominus  . . . . . . . . . . . . . . . . 269 i) Käufer als „Vermögensherr“ der übergebenen Sache vom Zufall betroffen?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 ii) Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 d) Zwischenergebnis: Schlussfolgerungen aus einem Vergleich mit der Rechtfertigung der römisch-rechtlichen Käufergefahrtragung  . . . . . . . . . . . 275 i) Parallele zwischen der Rechtfertigung des periculum emptoris mit der quasi-dinglichen Wirkung der emptio venditio und der Rechtfertigung des § 446 (a. F.) als Ausdruck von casum sentit dominus  . . . . . . . . . . . . 275 ii) Parallele zwischen der Rechtfertigung des periculum emptoris mit der quasi-dinglichen Wirkung der emptio venditio und der erfüllungstheoretischen Begründung des § 446 (a. F.)  . . . . . . . . . . . . . . 276 iii) Schlussfolgerung: Bei gleichbleibendem Inhalt der Verkäuferleistung hat sich der Anknüpfungspunkt, nicht aber die Rechtfertigung des Gefahrübergangs verändert  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 iv) Schlussfolgerung: Die Vermögensverschiebung allein vermag den Gefahrübergang nicht zu rechtfertigen, wenn die Sachübertragung nicht mehr die Hauptsache der Verkäuferleistung ausmacht  . . . . . . . . . 278 e) Rechtfertigung mit der Möglichkeit der Gefahrenabwehr  . . . . . . . . . . . . . . 280 i) Beherrschbare Gefahren (abwendbare Schadensereignisse)  . . . . . . . . . 281 1) § 446 (a. F.) hätte neben § 324 Abs. 1 a. F. einen eigenständigen Regelungsbereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 2) Die Begründung der Schadenszuweisung mit der versäumten Möglichkeit der Schadensvermeidung schlösse „Zufall“ auch nicht in jedem Fall aus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 3) Mit der Möglichkeit der Schadensprävention allein ist eine Obliegenheit des Käufers zum optimalen Schutz der Ware aber nicht überzeugend zu begründen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 ii) Unbeherrschbare Gefahren (nicht abwendbare Schadensereignisse)  . . . 284

XVIII

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iii) Legitimation für die Zuweisung beherrschbarer Gefahren ohne Rücksicht auf den notwendigen Aufwand und für die Zuweisung unbeherrschbarer Gefahren?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 1) Risikosphären nach dem Beherrschbarkeitsprinzip und ergänzenden Kriterien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 (a) Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 (b) Prinzip der Absorbierbarkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 (c) Prinzip der arbeitsteiligen Veranlassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 2) Anwendung dieser Prinzipien auf den Kaufvertrag  . . . . . . . . . . . . . . 290 3) Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 (a) Überhöhung rechtsökonomischer Erwägungen im Kernbereich der Privatautonomie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 (b) Begrenzter Erklärungswert des Prinzips der Absorbierbarkeit und des Prinzips der arbeitsteiligen Veranlassung  . . . . . . . . . . . . 293 (i) Versicherbarkeit richtet sich nach der Risikozuweisung, nicht umgekehrt; außerdem ist nicht jeder Zufallsschaden ein Versicherungsfall  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (ii) Prinzip der arbeitsteiligen Veranlassung im Widerspruch zu dem Zweck des gegenseitigen Vertrages?  . . . . . . . . . . . . 295 (c) Widersprüche im Zusammenspiel der verschiedenen Kriterien  . 296 f) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296

4. Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung beim Kauf unter dem BGB von 1900  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

a) Mangelfreiheit als Voraussetzung der Gefahr­tragung des Käufers gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 i) Die Gefahr gehe bei Vorliegen von Sachmängeln trotz Übergabe nicht über  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 1) Wie beim Gattungskauf verdiene auch beim Stückkauf nur der vertragstreue Verkäufer den Gefahrübergang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 2) Kein Gefahrübergang bei Vorliegen von Sachmängeln, die den Vertragszweck vereiteln und die „Rückabwicklungsreife“ des Vertrages begründen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 3) Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 ii) Die Gefahr gehe auch bei Vorliegen von Sachmängeln mit der Übergabe über, könne aber auf den Verkäufer zurückspringen  . . . . . . . 306 1) Strikte Trennung zwischen Gewährleistung und Gefahr­tragung, „Zurückspringen“ der Gefahr als gewährleistungsrechtlicher Reflex  306 2) Gefahr­tragung zunächst „in der Schwebe“, Wandelung beende die Schwebelage zulasten des Verkäufers  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 3) Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 iii) Die Gefahr gehe mit der Übergabe grundsätzlich ohne Rücksicht auf das Vorliegen von Sachmängeln endgültig über  . . . . . . . . . . . . . . . . 309 1) Gefahr­tragung des Käufers auch im Rahmen der Wandelung  . . . . . . 309



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2) Ausgleich der Gefahr­tragung des Verkäufers bei der Wandelung über das Bereicherungsrecht („Lehre von der vermögensmäßigen Entscheidung“)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 3) Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 iv) Zwischenergebnis: Auswirkungen von Sachmängeln auf den erfüllungstheoretisch begründeten Gefahrübergang beim Stückkauf unter dem BGB von 1900  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 b) Zu der Möglichkeit, bei Vorliegen eines Sachmangels den Gefahrübergang durch Annahmeverweigerung zu verhindern  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 i) Unterscheide: Befugnis zur Annahmeverweigerung und rechtmäßige Zurückweisung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 ii) Rechtmäßigkeit der Annahmeverweigerung bei Begründetheit von Rechtsbehelfen, deren Geltendmachung nach der Annahme ohnehin die Sachrückgabe zur Folge hätte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 iii) Abwehr des Gefahrübergangs durch Zurückweisung der mangelhaften Waren auch noch nach körperlicher Entgegennahme derselben?  . . . . . . 318 1) Zeitpunkt der körperlichen Entgegennahme maßgeblich für Zurückweisung, Mängelvorbehalt und Gefahrübergang  . . . . . . . . . . 319 2) Zurückweisung ausnahmsweise auch nach körperlicher Entgegennahme noch zulässig  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 3) Vermeidung des Gefahrübergangs trotz körperlicher Entgegennahme nur bei Annahme „aus Kulanz“ zwecks Nachbesserung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 iv) Folgerungen: Bei Vorliegen von Sachmängeln erforderte der Gefahrübergang über die Übergabe hinaus auch den (konkludenten) Verzicht des Käufers auf die sofortige Zurückweisung der Ware  . . . . . 321 1) Jedenfalls Gefahrübergang bei Übergabe mangelfreier Ware  . . . . . . 321 2) Keinesfalls Gefahrübergang bei Verweigerung der körperlichen Entgegennahme mangelhafter Ware  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 3) Geringe praktische Relevanz des Aufschubs des Gefahrübergangs  . 323 4) In theoretischer Hinsicht ein weiterer Beleg für die „indirekte Wirkung“ von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung beim Stückkauf unter dem BGB von 1900  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 5) Wirksam zurückgewiesene Ware steht außerhalb des Synallagmas  . 324 c) Zum „Zurückspringen“ der Gefahr bei der Wandelung  . . . . . . . . . . . . . . . . 326 i) Unterschiedliche Voraussetzungen für die Rückabwicklung des Vertrages bei Wandelung und Rücktritt wegen Nichterfüllung  . . . . . . . 326 1) Römisch-rechtlicher Ursprung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 (a) Strukturelle und inhaltliche Gestaltung der actio redhibitoria geprägt von klarer Rollenverteilung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 (b) Abgehen vom Vertrag und Rückabwicklung des Leistungsaustauschs als untypische Reaktion auf eine Vertragsstörung im römischen Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331

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(c) Konkurrenzverhältnis zwischen der ädilizischen Sachmängelgewährleistung und der Haftung des Verkäufers im Rahmen der actio empti  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 2) Kanonistischer und naturrechtlicher Einfluss: Rücktritt zur Befreiung von der Bindung an das eigene Leistungsversprechen  . . . 334 3) Rücktrittsfeindliche Grundhaltung des gemeinen Rechts, bei den Pandektisten „Rücktritt“ nur als Mittel der Schadensausgleichung  . 335 4) Ausformung des Rücktritts im ADHGB: Vertragsaufhebender Rücktritt zur Wiedererlangung der Dispositionsfreiheit  . . . . . . . . . . 337 5) Entwicklung des gesetzlichen Rücktrittsrechts wegen Nichterfüllung in den Beratungen der Verfasser des BGB von 1900: Rücktritt als selbstständiger Rechtsbehelf zur Rückabwicklung des Leistungsaustauschs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (a) Zeitlicher Ablauf der Beratungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .341 (b) Entscheidung für ein selbstständiges Rücktrittsrecht  . . . . . . . . . 343 (c) Auseinandersetzung mit der Reichweite der (Gestaltungs-)Wirkung des Rücktritts und der Rechtsnatur der Rückgewähransprüche  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 (d) Gesetzliches Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung und Wandelung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 ii) Einheitliche gesetzliche Regelung der Rückabwicklung  . . . . . . . . . . . . 353 1) Systematik des Wandelungs- und Rücktrittsfolgenrechts im BGB von 1900  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 2) Vereinheitlichung der Folgen der Ausübung des gesetzlichen und des vertraglichen Rücktrittsrechts und der Wandelung in den Beratungen der Ersten BGB-Kommission  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 (a) Bildung einer selbstständigen Kategorie „Vorbehaltenes Rücktrittsrecht“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 (b) Beratung der Folgen der Wandelung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 (c) Beratung über die Folgen der Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 (d) Gesamtdebatte über das Rücktrittsrecht im Allgemeinen  . . . . . . 359 (e) Streichung der „Einheitsformel“ durch die Zweite Kommission  361 3) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 4) Mortuus redhibetur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 (a) Fiktion der Redhibition als Voraussetzung der actio redhibitoria 363 (b) Zweck: effektiver Käuferschutz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 (c) Anwendungsbereich der Fiktion: Beschränkung auf mangelbedingten Untergang?  . . . . . . . . . . . . 367 (d) Folgen des vom Käufer verschuldeten Untergangs der mangelhaften Kaufsache  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 5) Gefahrverteilung bei der Wandelung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 (a) Beratungen der Gesetzesverfasser  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 (i) Vorentwurf v. Kübel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372



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(ii) Erste Kommission und Erster Entwurf  . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 (iii) Zweite Kommission und Zweiter Entwurf  . . . . . . . . . . . . . . 377 (b) Rechtslage nach dem BGB von 1900  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 6) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 iii) Diskussion über die Sachgerechtigkeit der Gefahrverteilung bei Rücktritt und Wandelung in der rechtswissenschaftlichen Literatur zum BGB von 1900  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 1) Korrektur- und Umgehungsversuche der Regelung der §§ 350, 351 a. F.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 (a) Ausdehnung des Verschuldensbegriffs im Rahmen von § 351 a. F.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 (b) Einengung der Regelung des § 350 a. F.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 (c) „Ausgleichslösungen“ außerhalb der §§ 350, 351 a. F.  . . . . . . . . 390 2) Befürworter der gesetzlichen Regelung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 (a) Rechtfertigung der Gefahrbelastung des Verkäufers  . . . . . . . . . . 392 (b) Auslegung des Verschuldens-Begriffs in § 351 a. F.  . . . . . . . . . . 394 3) Bundesgerichtshof  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 4) Evaluation des Streits über die Sachgerechtigkeit und rechtspolitische Angemessenheit der Gefahrbelastung des Verkäufers bei der Wandelung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 (a) Historische Gründe für vermeintliche Wertungswidersprüche  . . 396 (b) Gefahr­tragung des mangelhaft leistenden Verkäufers im Rahmen der Wandelung dogmatisch konsequent  . . . . . . . . . . . . 398 (i) Kein Widerspruch zum Prinzip der Schuldnergefahrtragung im Austauschvertrag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 (ii) Kein Widerspruch zur Zuweisung der Sachgefahr nach dem Satz casum sentit dominus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 (iii) Zuweisung der Sachgefahr (Wertgefahr) zum Verkäufer hängt insbesondere nicht von Verschulden des Verkäufers ab  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 (c) Unter dem ökonomischen Aspekt rechtfertigt das „Näher-dran-Sein“ des Käufers allenfalls eine Beweislastumkehr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 (d) Widerspruch zu „pragmatischen Erfordernissen einer vernünftigen Gefahr­tragungsordnung“ allein rechtfertigt keine Gefahrbelastung des Käufers  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 iv) Zwischenergebnis zur Gefahr­tragung des Verkäufers im Rahmen der Wandelung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .403 1) Ausfall der Leistung und Isolation der gelieferten mangelhaften Sache von der vertraglichen Gefahrverteilung infolge nachträglicher Zurückweisung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 2) Risiko des Ausschlusses der Wandelung bei Verschulden von Sachuntergang und -verschlechterung infolge der Annahme der mangelhaften Sache  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404

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3) Fortdauernde Gefahr­tragung des mangelhaft leistenden Verkäufers, jedoch ausschließlich nach Maßgabe des Gewährleistungsrechts  . . . 405 v) Folgerungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 1) Begrenzung der vom Verkäufer zu tragenden Gefahr durch „Verschulden“ des Käufers  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 (a) Historische Auslegung nicht ergiebig  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 (b) Herleitung der Sorgfaltspflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 (c) Leitgedanken zur Bestimmung des Inhalts der gem. § 351 a. F. vom Käufer einzuhaltenden Sorgfalt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 2) „Wesentliche Gleichheit der in Betracht kommenden Verhältnisse“ mit Blick auf die Rückabwicklung der mangelhaften Leistung bei Wandelung und Ersatzlieferung?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 (a) Ausscheiden der zuerst gelieferten Sache aus dem Leistungsaustausch und Ablösung von der vertraglichen Risikoverteilung  . . . . . . . . 414 (b) Aufrechterhaltung der Ersatzlieferungspflicht trotz zufälliger Beschädigung oder Zerstörung der zuerst gelieferten Sache als Voraussetzung effektiver Sachmängelhaftung (§§ 480 Abs. 1 S. 2, 467 S. 1, 350 a. F.)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 (c) Ausschluss des Ersatzlieferungsanspruchs bei Verschulden des Käufers (§§ 480 Abs. 1 S. 2, 467 S. 1, 351 a. F.)  . . . . . . . . . . . . . . 417 (d) Zwischenergebnis: Isolation der mangelhaften Sache von der vertraglichen Risikoverteilung bei der Ersatzlieferung ohne Auswirkungen auf die Preisgefahr und mit allenfalls indirekten Auswirkungen auf die Leistungsgefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419

5. Zwischenergebnis zu den Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung beim Kauf nach dem BGB von 1900  . . . . . . . . . . 421

III. Veränderungen der Gefahr­tragung beim Kauf durch die Schuldrechtsreform 2002  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 1. Erweiterung der Anforderungen an den Gefahrübergang infolge der Erweiterung des Leistungsbegriffs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425

a) Keine Veränderung des „äußeren“ Regelungsgehalts: Gefahrübergang mit Übergabe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 b) Veränderung des „inneren“ Regelungsgehalts: Gefahrübergang mit Übergabe der verkauften – d. h. der vertragsgemäß beschaffenen (§ 433 Abs. 1 S. 2) – Sache  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 c) Veränderung des Kaufleitbildes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 i) Zum alten Kaufleitbild, §§ 433, 459 ff., 480 a. F.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 1) Ausrichtung am Stückkauf: Verpflichtung zur Verschaffung von Eigentum und Besitz an bestimmtem Gegenstand und zur Gewährleistung bei Vorliegen von Sachmängeln  . . . . . . . . . . . . . . . 432



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2) Gefahrübergang mit Übergabe, weil Sachverschaffung weitgehend abgeschlossen und geschuldete Leistung im Wesentlichen bewirkt  . 432 3) Subordination des Gattungskaufs, bei dem die Sachqualität maßgeblich für die Bestimmung des zu verschaffenden Gegenstandes ist, unter dieses Modell  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 ii) Zum neuen Kaufleitbild, §§ 433 Abs. 1 S. 2, 434, 437 ff., 439 Abs. 1  . . .434 1) Annäherung von Stück- und Gattungskauf sowie Annäherung des Kaufs an den Werkvertrag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 2) Den klassischen Stückkauf als reines Abgabegeschäft sieht das Gesetz nicht mehr vor  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 3) Neuer gesetzlicher Regelfall ist ein Kaufvertrag, der zwischen den herkömmlichen Kategorien Stück- und Gattungskauf steht  . . . . 437 4) Auch beim Stückkauf ist nunmehr die „Soll-Beschaffenheit“ (mit-)bestimmend für den Schuldgegenstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 (a) Unmöglichkeit der Gesamtleistung des Stückverkäufers bei Vorliegen eines unbehebbaren Mangels?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 (b) Das Bestehen einer Erfüllungspflicht gem. § 433 Abs. 1 S. 2 bzw. § 439 Abs. 1 ist keine notwendige Anwendungsvoraussetzung des Sachmängelrechts  . . . . . . . . . . . 442 (c) Individualisierungsabrede berechtigt den Käufer dazu, das mangelhafte Stück zu fordern  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 5) Klassische Gewährleistung nur noch nachrangig, bei Unmöglichkeit oder Ausbleiben der Nacherfüllung  . . . . . . . . . . . . . 443

2. Nacherfüllungspflicht und Leistungsgefahr („Nacherfüllungsgefahr“)  . . . 444

a) Legitimationsgrund für die Belastung des Verkäufers mit der Leistungsgefahr kraft Verpflichtung zur Nacherfüllung fraglich  . . . . . . . . . 445 b) Unterschiedliche Reichweite und Wirkung von Nachbesserung und Ersatzlieferung hinsichtlich den (weiteren) zufälligen Verschlechterung der mangelhaften Sache  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 i) Nachbesserung: „Beseitigung des Mangels“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 ii) Ersatzlieferung: „Lieferung einer [anderen] mangelfreien Sache“  . . . . 449 iii) Fragestellungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451

3. Zäsur-Momente für die Feststellung der Mangelhaftigkeit und die Befreiung des Verkäufers von dem Risiko nicht mangelbedingter Zufallsverschlechterungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453

a) Bedeutung des gem. §§ 446, 447 maßgeblichen Zeitpunkts für die Mängelrechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 i) Zeitpunkt der Leistungserbringung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 ii) Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 iii) Mangelhaftigkeit der Leistung kann aber auch schon vor ihrer Erbringung feststehen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 b) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beschränkung der Leistungspflicht des Verkäufers auf die Beseitigung des Mangels (Nachbesserung)  . . . . . . . 458

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i) Zeitpunkt der „Verwandlung“ des Erfüllungsanspruchs zum Nacherfüllungsanspruch umstritten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 ii) Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs ungeeignet zur Bestimmung der Reichweite der Nachbesserungspflicht  . . . . . . . . . 459 1) Nichtannahme mangelhafter Ware („hypothetischer Annahmeverzug“)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 2) Absenden mangelhafter Ware beim Versendungskauf  . . . . . . . . . . . . 462 iii) Zwischenergebnis: Eigenständiger Zeitpunkt zur Bestimmung der Beschränkung der Leistungspflicht des Verkäufers  . . . . . . . . . . . . . . . . 463 iv) Zeitpunkt der vorbehaltlosen Entgegennahme des mangelhaften Stücks  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 1) Käufer akzeptiert die mangelhafte Sache zumindest als „Anleistung“ des Verkäufers  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 2) Käufer übernimmt das „allgemeine Lebensrisiko“ in Bezug auf die mangelhafte Sache, die bis zur Erreichung der Erfüllungstauglichkeit aber noch Leistungsgegenstand ist  . . . . . . . . 468 3) Abhängigkeit des Gefahr(en)übergangs davon, dass der Käufer die entgegengenommene Sache behält (d.h sie nicht nachträglich wirksam als Erfüllungsgegenstand zurückweist)  . . . . . . . . . . . . . . . . 469

4. Folgerungen und Thesen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 5. Sachliche Veränderungen des Rücktrittsfolgenrechts im Zuge der Schuldrechtsreform  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473

a) Neuregelung der Gefahr­tragung beim Rücktritt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 i) Systematischer Grundsatz: Gefahrbelastung des Rücktrittsberechtigten (§§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Halbs. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 2)  . . . . . . . . . . . . . . . . 476 ii) Systematische Ausnahme: Belastung des Rücktrittsgegner mit der Gefahr des Zufalls (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 iii) Verweisung auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht und das Bereicherungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 b) Begründung der Gefahrverteilung beim Rücktritt nach dem „Wertersatz-Modell“ durch den Reformgesetzgeber  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 c) Auseinandersetzung mit diesem Regelungskomplex und seiner Begründung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 i) Verteilung der Leistungsgefahr im Rückgewährschuldverhältnis  . . . . . 481 ii) Kritik an der Systematik der Befreiungstatbestände  . . . . . . . . . . . . . . . 482 iii) Kritik an Form und Sachgehalt der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3  483 1) Unsicherheit über den Inhalt des Sorgfaltsmaßstabs  . . . . . . . . . . . . . 484 2) Zweifelhafte Begründung des Sorgfaltsprivilegs  . . . . . . . . . . . . . . . . 486 (a) Gefahr des Zufalls  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 (b) Gefahr der eigenüblichen Fahrlässigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 iv) Versuche zur Korrektur und Umgehung der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 1) Anwendung der Regelung nur bei Rücktritt wegen eines vom Verkäufer zu vertretenden Sachmangels?  . . . . . . . . . . . . . . . . . 494



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2) Keine Anwendung der Regelung bei Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen des Rücktrittsrechts?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 3) Korrektur der „überschießenden“ Gefahrbelastung des Verkäufers durch Rückgriff auf das Bereicherungsrecht?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 (a) Gegen eine bereicherungsrechtliche Korrektur der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 (b) Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 (i) Entscheidung des Käufers, sich an den Vertrag zu binden und der mit ihm verbundenen Gefahr­tragungsordnung zu unterwerfen, steht unter der Bedingung der Mangelfreiheit  . 503 (ii) Unzulässige Auslegung contra legem  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 (iii) Bei Bereicherungsausgleich keine eigenständige Bedeutung des Rücktritts neben der Minderung  . . . . . . . . . .506 (iv) Bereicherungsausgleich vereitelt Zweck des Rücktritts: Gläubiger darf Schlechtleistung als Nichterfüllung behandeln und sich wegen Ausbleibens der Leistung von der Verpflichtung zur Gegenleistung befreien  . . . . . . . . 507 v) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 d) Ausschlussgründe („Rücktrittssperren“)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 i) Rücktrittsausschluss gem. §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 6 Alt. 1  . . . . . . . . . . 511 ii) Rücktrittsausschluss gem. § 323 Abs. 5 S. 2  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 e) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522

6. Ersatzlieferungsgefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524

a) Anwendungsbereich der Ersatzlieferungsgefahr, insbesondere zu der Frage der Ersatzlieferung beim Stückkauf  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 i) Problemstellung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 ii) Das „Ob“ der Ersatzlieferung – zur Ersetzbarkeit/Austauschbarkeit des Leistungsgegenstandes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 1) Beliebigkeit der Kaufsache aufgrund ihrer Sacheigenschaften  . . . . . 533 2) Bedeutung der Individualität der Kaufsache (Individualisierungsinteresse/-abrede), insbesondere im Verhältnis zur „Soll-Beschaffenheit“ derselben  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 (a) Beschaffenheitsvereinbarung allein konstituierend für den Schuldgegenstand (Kaufsache), beim Stückkauf: Individualität als Beschaffenheitsmerkmal?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 (b) Soll-Beschaffenheit lediglich maßgeblich dafür, wie ein – ggf. anderweitig bestimmtes – konkretes Stück beschaffen sein muss, um sich als „die Kaufsache“ zu qualifizieren  . . . . . . . 538 (c) Bestimmung eines konkreten Leistungsgegenstandes durch separate Individualisierungsabrede  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 3) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 iii) Das „Wie“ der Ersatzlieferung – zur Bestimmung des zumutbaren Beschaffungsaufwandes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545

XXVI

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1) „Mehraufwand“ bis zur Grenze der §§ 439 Abs. 3, 275 Abs. 2 kraft Gesetzes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 2) Begrenzung des Nacherfüllungsaufwandes allein durch den Vertrag  547 3) Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 (a) Keine allgemeine Geltung des Prinzips der Zufallsbefreiung im reformierten Schuldrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 (b) Ein gewisses Maß an Mehraufwand ist für die Nacherfüllung gesetzlich angeordnet  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 (c) Mehraufwand im Einzelfall mit Rücksicht auf die Frage des Vertretenmüssens und das Frustrationsrisiko zu bestimmen  . . . . 555 4) Bereitschaft des Käufers zur Übernahme übermäßiger Nacherfüllungskosten schließt die Möglichkeit des Verkäufers zur Verweigerung der Ersatzlieferung aus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 iv) Konsequenzen für die Behandlung des Untergangs der beim Vertragsschluss individualisierten Kaufsache vor dem realen Gefahrenübergang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .559 1) Wertungswiderspruch bei unterschiedlicher Behandlung von Sachverschlechterung (Ersatzlieferung) und Sachuntergang (Leistungsbefreiung) zwischen Vertragsschluss und Lieferung?  . . . . 559 2) Ersatzlieferung hängt weder von der Intensität des Störungsereignisses („bloße“ Verschlechterung oder vollständiger Untergang) noch von dessen rechtlicher Qualfikation (Sachmangel oder Unmöglichkeit) ab  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 3) Auch insoweit ist der (hypothetische) Parteiwille maßgebend  . . . . . 562 4) Es bedarf keiner Analogie zu § 439, insbesondere ist § 439 Abs. 3 auch im Falle des Untergangs des vorläufig individualisierten Stücks vor der Lieferung direkt anwendbar  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 v) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 b) Diskussion über Anwendung und Reichweite der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 im Rahmen der Ersatzlieferung (§ 439 Abs. 4)  . . . . . 568 i) Kritik an der Zuweisung des Risikos nicht-mangelbedingter zufälliger sowie durch eigenübliche Sorgfalt des Käufers verursachter Schäden an der mangelhaften Sache zum Verkäufer  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 1) Unterschiedliche Zielsetzung von Rücktritt und Ersatzlieferung  . . . 569 2) Keine Risikobeschränkung zugunsten des Verkäufers durch die Ausschlussregelungen des Rücktrittsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 ii) Korrektur- und Umgehungsversuche  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 1) Übertragung der Kritik am Rücktrittsfolgenrecht auf die Ersatzlieferung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 2) Eigenständige Kritik: Keine Anwendung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 im Rahmen der Ersatzlieferung (außer beim Verbrauchsgüterkauf)  . 572 iii) Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 c) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577

7. Nachbesserungsgefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578



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XXVII

a) Dogmatische Begründung der Unterschiede zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung hinsichtlich des Leistungsumfangs und der Verteilung des Risikos der Verschlechterung der empfangenen mangelhaften Ware  . . 580 i) Argumente für einen einheitlichen Leistungsumfang  . . . . . . . . . . . . . . .581 ii) Argumente für einen unterschiedlichen Leistungsumfang  . . . . . . . . . . . 582 iii) Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 1) Nachbesserungsanspruch als Ausschnitt des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs (Konkretisierung)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 (a) Keine, auch keine Teil-Erfüllung des Primäranspruchs bei Lieferung mangelhafter Ware  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 (b) Nachbesserung als „Restleistung“, die auf bereits angenommene Teilleistung aufbaut  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586 (c) Beschränkung der Erfüllungspflicht im Rahmen der Nachbesserung (Primärpflichtmodifikation)  . . . . . . . . . . . . . . . . 588 2) Rechtfertigung des unterschiedlichen Leistungsumfangs der beiden Nacherfüllungsvarianten mit autonomer Entscheidung des Käufers  . 589 (a) Ob bei Lieferung mangelhafter Ware alternativ zur Nachbesserung eine Ersatzlieferung in Betracht kommt, ist nicht dem Zufall überlassen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 (b) Auch wenn nur Nacherfüllung durch Nachbesserung in Betracht kommt, steht es dem Käufer frei, die Annahme zu verweigern  . . 591 (c) Die ökonomischen Folgen einer „unklugen“ Ausübung seiner Wahlmöglichkeit(en) hat der Käufer zu tragen  . . . . . . . . . . . . . . 591 iv) Zwischenergebnis zu den dogmatischen Erwägungen  . . . . . . . . . . . . . . 592 b) Anpassung der Nachbesserung an die Ersatzlieferung wenigstens beim Verbrauchsgüterkauf aufgrund europarechtlicher Vorgaben für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes (durch Nacherfüllung)?  . . . . . 592 i) Anspruch auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes nicht als (Nach-)Erfüllungsanspruch konzipiert  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 ii) Besonderes Sekundärrecht mit inhaltlicher Tendenz zu einer verschuldensunabhängigen Verpflichtung zur Naturalrestitution  . . . . . . 593 iii) Maximale Belastung des Verkäufers mit dem Risiko, Zufallsverschlechterungen des vertragswidrigen Verbrauchsguts durch Reparatur beseitigen zu müssen, als Gebot des Verbraucherschutzes?  . 595 1) Keine Vorgaben zur Rückabwicklung der vertragswidrigen Leistung bei Rücktritt und Ersatzlieferung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 2) Vorgaben an die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes durch Nachbesserung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 (a) Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 (b) Gewährleistung eines einheitlich hohen Verbraucherschutzniveaus bei Nachbesserung und Ersatzlieferung  . . . . . . . . . . . . . 598 (c) Ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher  . . . . 600

XXVIII

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(d) Exkurs: Zur Vereinbarkeit einer „Kostenbeteiligung“ des Käufers im Rahmen der Nacherfüllung mit dem Richtliniengebot der Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602 iv) Zwischenergebnis zu den Richtlinienvorgaben für die Reichweite der Nachbesserung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 c) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 d) Fallgruppen der Erstreckung der Nachbesserung auf nach der Entgegennahme der mangelhaften Sache an derselben auftretende Verschlechterungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 i) Intensivierung/Verschlimmerung des Ursprungsmangels  . . . . . . . . . . . 608 1) Reichweite der Ersatzlieferung und Wortlaut der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht maßgebend  . . . . . . . . . . . . . . . . 608 2) Ob „Mangelidentität“ anzunehmen ist, ist stets eine Wertungsfrage  . 609 ii) Weiterfressender Mangel (auch: „additiv entstandener Mangel“)  . . . . . 610 1) Kompensation auch des Weiterfresser-Schadens an der gelieferten Sache durch Nachbesserung (Beeinträchtigung des Äquivalenzinteresses)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 2) Weiterfresser-Schaden nur (bei Vertreten-müssen) im Wege des Schadenersatzes neben der Leistung zu ersetzen (Beeinträchtigung des Integritätsinteresses)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 3) Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616 (a) Vergleich zur Ersatzlieferung und Verweis auf den Wortlaut der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie helfen (auch hier) nicht weiter  . . 616 (b) Rechtsnatur des Nacherfüllungsanspruchs nach dem BGB im Regelungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht maßgebend  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 (c) Wertende Bestimmung des Mangelunwerts  . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 (i) Stoffgleichheit als Kriterium zur Abgrenzung der beim Verkäufer verbliebenen Leistung(sgefahr) von der vom Käufer übernommenen Sachgefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620 (ii) Leistungsbezogenes Integritätsinteresse  . . . . . . . . . . . . . . . . 622 (iii) Eigentumsübertragung hat Gefahrübergang nicht zur Folge, wenn und soweit die Leistung mit und an der übereigneten Sache noch nicht bewirkt ist  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 (iv) Kein Widerspruch zur Erfassung des WeiterfresserSchadens (auch) über § 823 Abs. 1  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 4) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 iii) Mangelunabhängige Schäden an der gelieferten Sache  . . . . . . . . . . . . . 625 iv) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628

8. Zuweisung der mit der Nachbesserung als solcher verbundenen Risiken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 a) Einschlägige Rechtsprechung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630 i) OLG Saarbrücken, Urt. v. 23.07.2007 (1. Senat)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630



Inhaltsverzeichnis

XXIX

ii) OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.04.2013 (4. Senat)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 iii) „Dackel-Urteil“ des BGH  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 632 b) Der zweifelhafte Wille des Reformgesetzgebers  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633 c) Gemeinsame Projektgruppe „Gewährleistung und Garantie“ der Verbraucherschutzministerkonferenz und der Justizministerkonferenz  . . . . 635 d) Einheitliche Behandlung der „bloßen Beschädigung“ und der „völligen Zerstörung“ der Kaufsache während der Nachbesserung?  . . . . . . . . . . . . . . 637 i) Zum Verständnis des Satzes, dass der Verkäufer während der Nachbesserung die Gefahr (des zufälligen Untergangs) trage  . . . . . . . . 638 1) „Während der Nachbesserung“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638 2) „Gefahr“ (des zufälligen Untergangs)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 ii) „Besserstellung“ des Käufers bei Untergang während der Nachbesserung im Vergleich zur Beschädigung?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640 iii) Keine „Schlechterstellung“ des Käufers bei „bloßer Beschädigung“ im Vergleich zur „vollständigen“ Zerstörung“, weil Verschlechterung und Untergang nicht in einem Stufenverhältnis stehen  . . . . . . . . . . . . . 641 e) Rückgabe zu Nachbesserungszwecken als actus contrarius zur Übergabe gem. § 446 S. 1  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643 f) Ableitung aus § 439 Abs. 2  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644 i) Unklare Bedeutung der Bezugnahme auf § 439 Abs. 2 in der Kommentarliteratur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644 ii) Richtlinienvorgabe: Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher  . . . . . . . . . . 645 g) Herleitung aus der Leistungspflicht zur sachmangelfreien Lieferung bzw. zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes  . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 h) Ähnlichkeit mit Weiterfresser-Mangel – „quasi-mangelbedingter Schaden“ 648 i) kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Mangel(-unwert) und späterem Schaden, Schaden beruhe nur auf Schutzpflichtverletzung  . . 649 ii) wertungsmäßiger Unterschied zur Beschädigung anderer Gegenstände des Käufers im Zuge der Nachbesserung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650 iii) „Mangelfreier“ Teil der Kaufsache steht einer anderen Sache des Käufers nicht gleich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650 iv) Verkäufer steht der nachzubessernden Sache nicht wie beliebiger Dritter gegenüber  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 v) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 i) Zusammenhang mit dem (Nach-)Erfüllungshandeln und nachbesserungstypische Risiken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .653 i) Differenzierung geboten: Beschädigungen „bei Gelegenheit der Nachbesserung“ vs. „Beschädigungen bei der Nachbesserung“ oder „durch die Nachbesserung“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653 ii) Beschädigung durch Nachbesserung nur bei haftungsrechtlichem Vertreten-müssen des Verkäufers als Sachmangel zu erfassen?  . . . . . . . 655 iii) Verursachung durch (Nach-)Erfüllungshandeln notwendig, aber auch ausreichend  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656

XXX

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1) Nachbesserungsspezifischer Risikozusammenhang  . . . . . . . . . . . . . 656 2) Insbesondere: Transportrisiken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659 iv) Nicht vom Verkäufer zu vertretende Beschädigungen bei Gelegenheit der Nachbesserung fallen dagegen dem Käufer zur Last  . . . . . . . . . . . . 663 j) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664

9. Abwendung des Übergangs jeglicher Gefahr durch Zurückweisung mangelhafter Ware  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665

a) Bedeutung des Zurückweisungsrechts bei Anspruch auf Ersatzlieferung und sofortigem Rücktrittsrecht wegen Vorliegens eines erheblichen unbehebbaren Mangels  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666 b) Vorliegen eines behebbaren erheblichen Sachmangels bei Ausscheiden der Ersatzlieferung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667 c) Vorliegen eines behebbaren unerheblichen Sachmangels bei Ausscheiden der Ersatzlieferung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 671 d) Vorliegen eines unerheblichen unbehebbaren Mangels bei Ausscheiden der Ersatzlieferung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672 e) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674

C. Schluss  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675 Anhänge  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 1. Beschluss der 9. Verbraucherschutzministerkonferenz  . . . . . . . . . . . . . . . . .683 2. Beschluss der 84. Justizministerkonferenz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685 3. Arbeitspapier der Projektgruppe „Gewährleistung und Garantie“ (Auszug „Gefahr­tragung während der Nacherfüllung“)  . . . . . . . . . . . . . . . 686 Nachwort  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 Literatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697 Sachregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723

A. Einleitung1 Das Thema der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung der Gefahr­tragung im Vertragsvollzug, genauer: die Frage, wie beim Kauf die Gefahr des zufälligen Untergangs und die Gefahr einer zufälligen Verschlechterung nach Lieferung mangelhafter Ware, insbesondere während der Nacherfüllung, zwischen dem Verkäufer und dem Käufer verteilt sind, je nachdem, wie der Käufer auf den Mangel reagiert. Auch wenn dies nicht der Anlass der vorliegenden Arbeit war, erlangt diese Fragestellung besondere Aktualität, weil eine Gesetzesänderung vorbereitet wird, nach welcher der Verkäufer im Rahmen der Nachbesserung ausdrücklich (wieder) die Gefahr zu tragen haben soll.2 Den Anlass dazu, die Gefahr­tragung beim Kauf im Zusammenspiel mit den Mängelrechten des Käufers neu zu durchdenken, haben jedoch die Veränderungen gegeben, welche die Schuldrechtsreform für das Kaufrecht mit sich gebracht hat (insbesondere die Annäherung von Stück- und Gattungskauf in einem neuen Kaufleitbild, das geprägt ist von der Primärpflicht des Verkäufers zur Herstellung einer bestimmten Beschaffenheit). Die Hauptthese der vorliegenden Arbeit ist, dass schon de lege lata die Übergabe mangelhafter Ware nicht unbedingt und nicht in vollem Umfang die Gefahr auf den Käufer übergehen lässt, sondern gewisse Risiken beim Verkäufer verbleiben, so dass sich das weitere Sachschicksal auf die Reichweite seiner (Nach-)Erfüllungspflicht (Leistungsgefahr) bzw. die Höhe seines Kaufpreisanspruchs (Preisgefahr) auswirken kann. Diese These zu bestätigen und zu erarbeiten, welche Risiken dies sind und unter welchen Umständen sie sich für den Verkäufer realisieren, ist das Anliegen dieser Arbeit. Sie fußt auf der Annahme, dass der Gefahrübergang beim Kauf prinzipiell erfüllungstheoretisch zu begründen ist und dass der Umstand, dass mangelhafte Ware nicht erfüllungstauglich ist, deshalb Konsequenzen für den Gefahr(en)übergang hat. Demgegenüber muss die Bedeutung des Arguments, dass die Sachlage, die durch die Übergabe hergestellt wird, der tragende Grund dafür sei, den Käufer mit der Gefahr zu belasten, und es nicht zulasse, weiterhin den Verkäufer zu belasten, relativiert werden. Die körperliche Sachübergabe durch den Verkäufer ist nur (noch) notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung des Gefahrübergangs und kann für sich allein genommen den Gefahrübergang nicht 1  Im

Interesse der Lesbarkeit wird im Rahmen der Einleitung noch auf Zitate verzichtet; die Schritte, die zu den einleitend dargestellten Ergebnissen geführt haben, sind im Hauptteil umfassend mit Fundstellenangaben und Nachweisen belegt. 2  Darauf ist später ausführlich einzugehen: B.III.8.c).

2

A. Einleitung

(in vollem Umfang) bewirken, seit die Verkäuferleistung sich nicht mehr in der Verschaffung eines bestimmten Stücks erschöpft, sondern generell auch die Herstellung einer bestimmten Sachqualität einschließt. Bevor diese Thesen zur Risikoverteilung beim Kauf näher beschrieben werden und die Einleitung damit fortgesetzt wird,3 soll zum besseren Verständnis ein Überblick über die Gefahr­tragung im Allgemeinen und zu den relevanten Begriffen vorausgeschickt werden.

1.  Allgemeines zur Gefahr­tragung Im Zivilrecht stellt sich die Frage der Gefahr­tragung in einem weiteren, untechnischen Sinne immer dann, wenn ein Sachschaden (Sachverschlechterung oder -untergang) auftritt, für den niemand unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten einzustehen hat (Zufall). In jedem Fall geht es um den Sachschaden und den damit verbundenen Wertverlust und Rechtsverlust als solchen.4 Weitere Fragen der Nachteilszuweisung ergeben sich, wenn die betroffene Sache als Erfüllungsobjekt einer Sachleistungsschuld vorgesehen, also in ein Schuldverhältnis eingebunden war.5 Erstens muss entschieden werden, ob der Schuldner, der mit dem Sacheigentümer nicht identisch sein muss, von seiner Verpflichtung zur Sachleistung frei wird; dies ist das Regelungsthema der sog. Leistungsgefahr.6 Wird er daran festgehalten, die versprochene Leistung – durch Reparatur des beschädigten Stücks oder unter Einsatz einer Ersatzsache – zu erbringen, stellt sich die weitergehende Frage, welcher Aufwand ihm zur Reparatur oder Ersatzbeschaffung zuzumuten ist. Wird er von der Verpflichtung zur Sachleistung frei, muss (nur) dann, wenn die Sachleistung mit einer Gegenleistung (typischerweise einer Geldleistung) vergütet werden sollte, ferner entschieden werden, ob die Verpflichtung zur Gegenleistung aufrechterhalten oder ausgeschlossen wird; dies ist die Frage nach der Gegenleistungs- oder Preisgefahr, der Gefahr im engeren, technischen Sinne.7 Diese Zusammenhänge werden im Folgenden näher beleuchtet. Ein anderes Thema als die Zuweisung von Nachteilen, die sich aus der schädlichen Einwirkung auf eine bestimmte Sache ergeben, ist die (verschuldensunabhängige) Zuweisung der Verantwortlichkeit für Beeinträchtigungen, die von einer Sache ausgehen. Um sie geht es bei der zivilrechtlichen Störer-Haftung (zum Schutz privater, absolut geschützter Rechte), aber auch im öffentlichen Gefahrenabwehrrecht (Lastenverteilung zwischen dem Einzelnen und der Allgemeinheit). Dies ist in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht zu vertiefen. Bemer3 

Dazu unten: B. Dazu unten: A.2. 5  Dazu unten: A.3. 6  Dazu unten: A.3.a). 7  Dazu unten: A.3.b). 4 



2.  Casum sentit dominus / res perit domino

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kenswert ist aber, dass die Verpflichtung des Sacheigentümers in diesem Kontext ggf. (auch) mit dem Gedanken der Beherrschbarkeit der Gefahr (im Sinne der Gefahrenquelle) und der Erwägung, dass demjenigen, der die Vorteile der Sache genießt, billigerweise auch die mit der Sache verbundenen (von ihr ausgehenden) Risiken zur Last fallen sollen (Gleichlauf von Vor- und Nachteilen), begründet wird. Diese Kriterien spielen auch bei der zivilrechtlichen Gefahrverteilung eine Rolle, wie im weiteren Verlauf der Arbeit ausführlich zu zeigen sein wird.

2.  Casum sentit dominus / res perit domino Unsere Zivilrechtsordnung fußt auf dem Gedanken, dass jedes Rechtssubjekt für die ihm zugeordneten Rechtsobjekte grundsätzlich allein verantwortlich ist. Seit der Erforschung der im Mittelalter wiederentdeckten Rechtsquellen des Corpus Iuris  Civilis hat sich zur Beschreibung dieser Maxime, die bereits im klassischen römischen Recht Anklänge findet („res perit domino“)8, die Parömie casum sentit dominus etabliert.9 Ihre Grundlage findet sie in der „oft betrübende[n], aber als Verhüterin einer allgemeinen Erstarrung für die Fortentwicklung notwendige[n] Tatsache, daß alle wirtschaftlichen Güter einmal zugrunde gehen müssen“.10 Dass der Eigentümer als derjenige, dem das wirtschaftliche Gut ausschließlich zugeordnet ist, dies ertragen muss, kann man als die Kehrseite seiner in § 903 S. 1 beschriebenen Befugnis bezeichnen:11 Ebenso wie er, soweit nicht das Gesetz etwas anderes vorsieht oder Rechte Dritter entgegenstehen, „mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen“ kann, hat er allein, soweit nicht etwas anderes gesetzlich angeordnet oder vertraglich vereinbart ist, auch den Verlust zu tragen, wenn seine Sache beschädigt wird oder untergeht.12

8 Dazu Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 127, 129 und Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 229 (§ 41.20) mit Verweis auf C. 4, 24, 9. 9  Ihren „Gegenpol“ bildet das allgemeine Schädigungsverbot, die Maxime „neminem laedere“, vgl. Wacke in: FS Hübner (1984), 669 (671). 10  Stern (1910) – Gefahr­tragung, S. 4 11  Coester-Waltjen Jura 2006, 829 (830). 12  Hierin zeichnet sich zugleich eine wichtige Einschränkung der „Regelgefahrtragung“ des Eigentümers ab: „Casum sentit dominus gilt [nur], soweit der Eigentümer die Sache in seiner Verfügungsgewalt hat oder sie sich mit seinem Willen bei einem anderen befindet und der andere die Grenzen seines Besitzrechts einhält. Bei schuldhafter Vorenthaltung der Sache (Verzug), vorsätzlichem (insb. strafbarem) Angriff auf das Eigentum (fur semper in mora, etc.) sowie schließlich bei schuldhafter Überschreitung des Gebrauchsrechts durch Fremdbesitz (versari in re illicita) wird dem Eigentümer das Zufallsrisiko abgenommen und auf die anderen Besitzer verlagert“; Wacke in: FS Hübner (1984), 669 (694 f.).

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A. Einleitung

Beim Untergang der Sache äußert sich dies darin, dass das Eigentum an der Sache erlischt.13 Deshalb wird die Sachgefahr (periculum rei)14 auch als Gefahr des (dinglichen) „Rechts an sich“ (periculum iuris) bezeichnet15 oder von „dinglicher Gefahr­tragung“ gesprochen.16 Außerdem verliert der an der Sache dinglich Berechtigte den wirtschaftlichen Wert, den das Recht an der Sache in seinem Vermögen ausmachte17 (insoweit ist von der Gefahr des Wertes, dem periculum aestimationis die Rede).18 Eine bloße Verschlechterung lässt dingliche Rechte an der Sache zwar formal unberührt und mindert lediglich den wirtschaftlichen Sachwert,19 dadurch wird aber auch das Recht (an der Sache) „gleichsam ausgehöhlt und in seinem Wert verringert“20. Als Beschreibung eines tatsächlichen Sachverhalts verstanden, besagt casum sentit dominus daher eine Selbstverständlichkeit. Denn es liegt in der „Natur der Sache“, dass derjenige den Verlust spürt, dem etwas verloren geht,21 so dass man insoweit allenfalls22 „von einer natürlichen Gefahr­tragung sprechen [kann], die durch den Satz … nicht statuiert, sondern nur als bereits naturgegebenes Axiom umschrieben wird“23. Darüber hinaus hat der Satz aber auch einen normativen Gehalt, sofern er die tatsächliche Ausgangslage, dass der Schaden bei dem an der beschädigten Sache Berechtigten entstanden ist, bestätigt.24 Gemeinhin wird dies so beschrieben, „daß 13 

Stern (1910) – Gefahr­ tragung, S. 4; Wismeyer (1910) – Gefahrübergang, S. 1 f.; FiGefahr­tragung, S. 2: Verlust des Rechtes als „Ausfluß des Wegfalls des Gegenstandes“; v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 41; Biederbeck (1982) – Gefahrübergang, S. 4; Reinhardt  (1998)  – Gefahr­tragung, S.  71; ders. JR 1998, 446 (450); ders. in: FS Ehmann (2006), 135 (138). 14  Schlesinger (1912) – Gefahr­ tragung, S. 3  f.; Schilcher JBl 1964, 395 (396); Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 2; Biederbeck (1982) – Gefahrübergang, S. 4. 15  Filios (1964) – Gefagrtragung, S.  2  f.; Reinhardt (1998) – Gefahr­ tragung, S. 71.; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 4. 16  Stern (1910) – Gefahr­tragung, S. 3; Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 2. 17  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 72, 80; vgl. v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 41. 18 Zur Unterscheidung von periculum iuris und periculum aestimationis im Rahmen tragung, S. 4 f.; Vollmer (1932) – Übergabe, S. 3; der Sachgefahr: Stern (1910) – Gefahr­ v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 81; Filios (1964) – Gefahr­ tragung, S. 2 f. mit Fn. 11; Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 70 ff.; ders. JR 1998, 446 (450); ders. in: FS Ehmann (2006), 135 (138 f.); vgl. Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 22 ff. 19  Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 2 mit Fn. 7 mit Verweis auf Wismeyer (1910) – Gefahrübergang, S. 2. 20  v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 80; vgl. Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 72, 78. 21  Stern (1910) – Gefahr­tragung, S. 4; Vollmer (1932) – Übergabe, S. 2; Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 2 m. w. N.; Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 196; Looschelders (1999) – Mitverantwortlichkeit, S. 121: als Beschreibung eines tatsächlichen Sachverhalts verstanden, besage casum sentit dominus eine Selbstverständlichkeit; Wacke in: FS Hübner (1984), 669 (670 f.). 22 Vgl. Schlosser Jura 1985, 479 (479): Der Satz sei „so selbstverständlich, daß man insoweit gar nicht von einer Gefahr­tragungsregel spricht“; Hofmann (1870) – Periculum, S. 48 spricht von einer „hohlen Schulregel“. 23  v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 41, 80 f. mit dem Zitat auf S. 80. 24 Dazu Looschelders (1999) – Mitverantwortlichkeit, S. 122 f. lios  (1964)  –



2.  Casum sentit dominus / res perit domino

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dem Eigentümer ohne besonderen Grund kein Dritter für einen Schaden aufkommen muß“25. Der zufällige Schaden bleibt also beim Eigentümer. Unter diesem Aspekt wird der Gerechtigkeitsgehalt des casum sentit dominus-Satzes mit dem Argument in Frage gestellt, dass sich durchaus nicht von selbst verstehe, warum der Geschädigte seinen Schaden selbst tragen müsse, wenn dieser doch gerade zufällig eingetreten sei, so dass (auch) der Geschädigte nichts dafür könne.26 Dieses Argument geht aber fehl, wenn man bedenkt, dass casum sentit dominus ein Problem nicht der distributiven, sondern der kommutativen Gerechtigkeit betrifft und es insofern durchaus ungerecht wäre, wenn der zufällige Schaden an einem Rechtsgut von dessen „Herrn“ ohne besonderen Zurechnungsgrund auf ein anderes Privatrechtssubjekt verlagert würde.27 Ein besonderer Grund in diesem Sinne ist gegeben, wenn die Voraussetzungen einer Haftungsnorm erfüllt sind,28 aber auch dann, wenn das Schadensereignis einen Versicherungsfall darstellt29. Dies ändert zwar nichts daran, dass der Eigentümer beim Untergang seiner Sache das Eigentumsrecht verliert; er verliert aber nicht den wirtschaftlichen Wert, weil er insoweit einen Ersatz erhält, der den Wertverlust ausgleicht. Das periculum iuris und das periculum aestimationis gehen also ausnahmsweise nicht Hand in Hand. Die Aufgabe der Rechtsordnung vor diesem Hintergrund kann man kaum treffender beschreiben, als v. Schenck es getan hat: Sie besteht darin, „die Fälle festzulegen, wo es bei diesem Satz nicht verbleiben und der Geschädigte seinen Schaden von einem anderen ersetzt bekommen soll. Der Satz [casum sentit dominus] bildet gleichsam nur das ultimum refugium der Rechtsordnung, die Konsequenz ihres Nichteingreifens, ihrer Resignation. Wann und warum aber weicht die Rechtsordnung von ihm ab? Mit Recht ist diese Frage als ‚Schicksalsfrage jeden Rechts‘ bezeichnet worden.“30

25 

Schilcher JBl 1964, 395 (396); vgl. Rabel (1958) – Warenkauf II, S. 293; ReinGefahr­tragung, S. 68: „… daß als zufällig erscheinende Beeinträchtigungen kompensationslos bei der Person verbleiben, die sie treffen.“; Rabl  (2002) – Gefahr­tragung, S. 4; Wacke in: FS Hübner (1984), 669 (670); Westermann JA 1978, 481 (481). 26  Dazu m. w. N.: Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 79; Looschelders (1999) – Mitverantwortlichkeit, S. 123; Makowsky (2013) – Versicherungsschutz, S. 12. 27 Ausführlich dazu: Looschelders (1999) – Mitverantwortlichkeit, S.  122 f.; Makowsky (2013) – Versicherungsschutz, S. 13. Vgl. zur haftungsbegrenzenden Funktion des Satzes casum sentit dominus im Zusammenspiel mit dem Verschuldensprinzip: v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 82 f.; Schlosser Jura 1985, 479 (479); Meder (1993) – Schuld, Zufall, Risiko, S. 20– 22; Lorenz in: Karlsruher Forum (2006), S. 2 f. 28  Zu den gesetzlichen Haftungsnormen „als Grundlage der Korrektur und Konkretisierung des Satzes ‚casum sentit dominus‘“: v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 82 ff. 29  Stern (1910) – Gefahr­tragung, S. 5 – Abwälzung des periculum aestimationis durch Abschluss eines Versicherungsvertrages, so dass der Eigentümer ausnahmsweise alleine das periculum iuris zu tragen habe. 30  v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 81 mit Zitaten von Rümelin und Lange, Nachweise siehe dort. hardt (1998) –

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A. Einleitung

Dabei hatte v. Schenck vor allem die Regelung der Schadenersatzhaftung im Sinn, namentlich die gesetzlichen Tatbestände der Verschuldenshaftung31 und der „außergeschäftlichen Gefahr­tragung“32. Mit letzterem war nicht die obligatorische („geschäftliche“) Gefahr­tragung im technischen Sinne33 gemeint,34 gemeint waren vielmehr „diejenigen gesetzlichen [Haftungs-]Tatbestände, die schon ihrer Formulierung nach vom Verschuldensgrundsatz losgelöst sind und bei denen das Gesetz selbst ganz offen vom Verschuldensgrundsatz abrückt“35. Soweit die Rechtsordnung eingreife und die Haftung eines anderen anordne, werde „der Grundsatz casum sentit dominus hinsichtlich des periculum aestimationis außer Kraft gesetzt“36;37 im Übrigen erstrecke sich die Wirkung des Satzes aber notwendig „auch auf die mit der Rechtsgefahr von Natur aus verbundene Wertgefahr“.38 Auch in der allgemeinen Regelung der Gegenleistungsgefahr beim Austauschvertrag (Wegfall der Gegenleistung bei Unmöglichkeit der Leistung, § 323 a. F.)39 sah v. Schenck jedoch – zumindest im Ergebnis – eine „(zwar nicht geborene, aber gekorene) Erscheinungsform“ des casum sentit dominus-Grundsatzes, weil die entsprechenden Regeln „für die Zurechnung der Gegenleistungsgefahr zumindest die gleiche Funktion, die in anderen Fällen der Schadenszurechnung von dem Satz [casum sentit dominus] wahrgenommen wird“, erfüllten.40 Denn der Gläubiger verliere beim zufälligen Untergang des Leistungsgegenstandes zwar seinen Anspruch auf denselben (darin realisiere sich die Gefahr des Rechts); wenn er (deshalb) kraft Gesetzes von der Gegenleistung befreit werde, habe er aber ausnahmsweise nicht den Wertverlust zu tragen (sei die Wertgefahr also außer Kraft gesetzt)41. 31  v. Schenck (1950) – 32  v. Schenck (1950) – 33 

Sphäre, S. 82 ff. Sphäre, S. 109 ff.

Dazu sogleich: A.3. Diese wird separat behandelt bei v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 183 ff. 35  v. Schenck gliederte die so verstandene Gefahr­tragung weiter auf in eine „bedingte Gefahr­ tragung“, die in Form einer Beweislastumkehr und in Form einer Billigkeitshaftung vorkomme, sowie eine „unbedingte Gefahr­tragung“ i. S. einer unbedingten Zufalls-, d. h. echten verschuldensunabhängigen Haftung; ähnlich Schlosser Jura 1985, 479 (479) mit Verweis auf Wolfs Konzept der „Gefahr­tragungshaftung“, dazu Wolf (1978) – SchuldR AT, § 3.D (S. 120–132). 36  v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 81. 37  v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 82 spricht insoweit von „gekorener Gefahr­tragung“: Indem Normen gesetzt würden, nach denen ein anderer als der Eigntümer den Schaden zu tragen habe, werde insoweit „die natürliche Gefahr­tragung hinsichtlich des periculum aestimationis in eine künstliche, in eine gesetzliche Gefahr­tragung um[gewandelt].“ 38  v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 81. 39  Zum synallagmatischen Gefahr­tragungsprinzip unten: A.3.d). 40  v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 191 ff. mit dem Zitat auf S. 194. Nach v. Schenck ist „Schadenszurechnung“ der Komplementärbegriff zu „Gefahr­tragung“, weil es in beiden Fällen um die Zuweisung eines materiellen Nachteils aufgrund vertraglicher Vereinbarung oder gesetzlicher Bestimmung gehe; a. a. O. S. 73, 75 ff. 41  Dies trifft freilich nur mit der Einschränkung zu, dass dem Gläubiger der Schaden eines entgangenen Gewinns, den er etwa bei der Weiterveräußerung der ihm geschuldeten Sache erzielt haben würde, ggf. verbleibt; dazu auch v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 191 mit Fn. 23; vgl. Möller in: FS Bötticher (1969), 261 (265 f. mit Fn. 19). 34 



2.  Casum sentit dominus / res perit domino

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Wenn man so argumentiert, kann man das periculum aestimationis hinsichtlich eines Gegenstandes, der als Leistungsgegenstand in ein Austauschverhältnis eingebunden ist, auch gleich mit dem periculum obligationis identifizieren.42 Damit ist aber bereits ein anderes Regelungsthema angesprochen.43 Nicht als „natürliche“ Folge des Satzes casum sentit dominus, sondern aufgrund gesetzlicher Bestimmung oder vertraglicher Vereinbarung ergibt sich nämlich die Verteilung des wirtschaftlichen Risikos im gegenseitigen Vertrag.44 Entgegen einer vor allem im Zeitalter des rationalistischen Naturrechts und unter dem Einfluss der Kodifikationen jener Epoche auch heute noch verbreiteten Ansicht45 (hier ist vor allem an den französischen Code Civil zu denken) spielt die Eigentumslage als solche46 für die Dogmatik der (obligatorischen) Gefahr­tragung überhaupt keine Rolle. Denn „[d]ie Eigentumsfrage wird immer nur im Verhältnis zu Dritten relevant. Die Gefahr­tragung dagegen ist ausschließlich die Angelegenheit der Vertragsparteien. Es geht dabei um die Beziehung von Leistung und Gegenleistung. Hier liegt das eigentliche dogmatische Problem.“47

42  Dazu m. w. N. Reinhardt (1998) – Gefahr­ tragung, S. 73, 76. Für den Eigentümer, der seinem Vertragspartner die Übereignung seiner Sache schuldet, verwirklicht sich beim Untergang der Sache vor ihrer Übereignung zwar die Gefahr des Rechts, weil er sein Eigentum an der Sache verliert; sofern sein Vertragspartner gleichwohl zur Gegenleistung verpflichtet bleibt, etwa weil er selbst für den Untergang verantwortlich ist (vgl. § 324 Abs. 1 a. F., § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1), spürt der Eigentümer den Wertverlust freilich nicht, ist so gesehen ein „besonderer Grund“ gegeben, weshalb ihm ein anderer einen „Ersatz“ schuldet. Spiegelbildlich dazu verliert der Käufer, bei dem die Kaufsache nach ihrer Übergabe und Übereignung durch Zufall untergeht, insoweit zwar sein Eigentum; wenn er wegen eines Mangels der Sache zurücktritt und den Kaufpreis zurückverlangen kann, ohne zum Wertersatz verpflichtet zu sein (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, vgl. §§ 467 S. 1, 350 a. F.), spürt er diesen Verlust aber ausnahmsweise nicht wirtschaftlich. Auch in den Regelungen des Rücktrittsfolgenrechts liegt also ein „besonderer Grund“ als Ausnahme zu casum sentit dominus; a. A.  Reinhardt a. a. O. S. 99 ff., nach dessen Ansicht die entsprechenden Regeln ihre Rechtfertigung gerade in diesem Prinzip fänden. 43  Dazu sogleich: A.3. 44  A. A. für den Kaufvertrag Reinhardt, ausführlich dazu unten: B.II.3.c)i). 45 Zur Ausrichtung auch der obligatorischen Gefahr­ tragung nach der Eigentumslage: Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 13–15; Schilcher JBl 1964, 395 (398 f.); Hager (1982) – Gefahr­ tragung, S. 39 ff.; Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 446 Rn. 13; Reinhardt (1998) – Gefahr­ tragung, S. 23 f.; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 31; Ewert (2007) – Gefahr­tragung, S. 7–10. 46  Wenn durch die Übereignung einer bestimmten Sache die Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung erfüllt wird, kann der Übergang der Gefahr freilich nach dem synallagmatischen Prinzip unter dem Gesichtspunkt der Erfüllung gerechtfertigt sein. 47  Bauer  (1998)  – Periculum emptoris, S. 196; vgl. Schlesinger (1912) – Gefahr­ tragung, S. 4 f.; Palleske (1933) – Gefahrübergang, S. 17: die Eigentumslage sei für die vertragliche Gefahr­tragung „ohne jede Bedeutung“; Hager  (1982) – Gefahr­tragung, S. 67, 69; Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 446 Rn. 16, 18; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 4.

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A. Einleitung

3.  Gefahr­tragung im Schuldverhältnis Während es bei der Sachgefahr im soeben beschriebenen Sinne um die Zuordnung des (Vermögens-)Schadens infolge des Untergangs oder der Verschlechterung einer Sache außerhalb einer schuldrechtlichen Beziehung, also gerade ungeachtet der „Einbindung“ der Sache in ein Schuldverhältnis geht,48 besteht das Regelungsziel der Gefahr­tragung im Recht der Schuldverhältnisse darin, die Folgen der Verschlechterung oder des Untergangs einer geschuldeten Leistung (bzw. eines als Erfüllungsobjekt vorgesehenen Gegenstandes), speziell beim Kauf: der Kaufsache, „in das System der Rechte und Pflichten von Gläubiger und Schuldner [einzuordnen]“.49 Es geht also nicht (zumindest nicht direkt)50 um die Sachbeschädigung oder -zerstörung als solche, sondern um ihre Auswirkungen auf und die Verteilung ihrer wirtschaftlichen Verlustfolgen durch das Schuldverhältnis. Sofern die beschädigte oder zerstörte Sache als Objekt einer Leistung betroffen wurde,51 kann demnach außer dem Sacheigentümer (der mit dem Sachleistungsschuldner nicht identisch sein muss) auch der Sachleistungsgläubiger einen Nachteil erleiden, indem er den Anspruch auf die Sachleistung (ersatzlos) verliert (Leistungsgefahr).52 Das Ergebnis, dass nach dem Satz casum sentit dominus alle auf zufälligem Verlust oder zufälliger Beschädigung beruhende Vermögenseinbußen grundsätzlich den Sacheigentümer treffen müssen, kann in einem Austauschvertrag durch die Gegenleistungsgefahr auch dahin beeinflusst werden, dass der Eigentümer den Verlust seiner Sache praktisch nicht spürt, weil er „als Ausgleich“ (trotz der Befreiung von der Sachleistungspflicht) die Gegenleistung verlangen kann (Gegenleistungsgefahr)53.54 48  Stern (1910) – Gefahr­tragung, S. 3 („Gefahr­tragung außerhalb von Schuldverhältnissen“); Filios  (1964)  – Gefahr­tragung, S. 3 („‚periculum rei‘ als außervertragliche Erscheinung“); v. Schenck  (1950)  – Sphäre, S. 183 („außergeschäftliche Gefahr­tragung“); vgl. Schilcher JBl 1964, 395 (396). 49  Westermann JA 1978, 481 (481); vgl. ders. in: MüKo (1995) – BGB, § 446 Rn. 1 mit Verweis auf Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 53 f.: Die „dogmatische Funktion“ des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. bestehe darin, „die Übergabe der Kaufsache vor einer durch sie bewirkten vollständigen Erfüllung des Kaufvertrages in das Gefüge des Schuldverhältnisses zwischen Verkäufer und Käufer einzuordnen und dabei das das BGB beherrschende Traditionsprinzip zur Geltung zu bringen“. 50  Zum Zusammenhang von Sach- und Preisgefahr beim Kauf unter dem Aspekt der Frustration der Aufwendung des Kaufpreises infolge des zufälligen Sachschadens noch unten: B (bei Fn. 2). 51  Zum Begriff der „Sachgefahr“ in diesem Zusammenhang unten in Fn. 69 sowie bei und nach Fn. 97. 52 Vgl. v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 185 f., 260, der nicht nur den Sachverlust des Eigentümers, sondern auch den Verlust des Anspruchs des Sachleistungsgläubigers auf den Satz casum sentit dominus zurückführt. Der Gläubiger habe „als Herr des Leistungsanspruchs“ bzw. „als dominus das periculum iuris seinen Anspruchs natürlicherweise zu tragen“; so auch Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 71. 53 Vgl. Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 19. 54  Dazu bereits bei und in Fn. 42.



3.  Gefahr­tragung im Schuldverhältnis

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Dies ist der Grund, warum in den Fällen der „obligatorischen Gefahrentlastung“ die Anwendung der Drittschadensliquidation diskutiert wird. Wird beim Versendungskauf die (mangelfrei) abgeschickte Sache auf dem Transportweg zerstört, hat der Verkäufer, sofern die Ware in seinem Eigentum stand, zwar dem Grunde nach einen Anspruch gegen den Schädiger. Bei wirtschaftlicher Betrachtung hat er aber keinen Schaden, weil er als „Ersatz“ gem. §§ 433 Abs. 2, 447 den Kaufpreis vom Käufer erhält.

Allein die obligatorische Gefahr­tragung ist Gefahr­tragung „im technischen Sinne“.55 Ihre Grundvoraussetzungen sind das Bestehen einer wirksamen Leistungspflicht sowie ein zufälliges Ereignis, das bei der Abwicklung der Leistungspflicht, also zwischen deren Entstehung und planmäßigen Erlöschen durch Erfüllung,56 auftritt und die Leistung stört, indem es die Erfüllung entweder erschwert (den Erfüllungsaufwand erhöht) oder ganz oder teilweise ausschließt. Dabei muss es sich nicht um ein Ereignis „höherer Gewalt“ handeln, das von außen einwirkt und auch durch die äußerst zumutbare Sorgfalt weder abgewendet noch unschädlich gemacht werden kann. Zufällig tritt ein Ereignis vielmehr bereits dann auf, wenn keine der an dem Schuldverhältnis beteiligten Parteien nach dem jeweils einschlägigen Maßstab (einschließlich etwaiger Milderungen und Verschärfungen der Sorgfaltsanforderungen) dafür verantwortlich ist. Regelungsgegenstand der (obligatorischen) Gefahr­tragung ist die Frage, welche Partei die wirtschaftlichen Folgen dieser Störung tragen muss. Im Ergebnis ist die Regelung eine „clear cut decision“, d. h. der Nachteil wird nicht zwischen den Parteien aufgeteilt, sondern eine der beiden Parteien muss ihn in vollem Umfang tragen.57 Das rechtliche Instrumentarium des Fortfalls oder der Aufrechterhaltung der Leistungspflicht (bzw. der gegenseitigen Leistungspflichten)58 ist deshalb auf „entweder/oder“, „Alles oder Nichts“ angelegt und erlaubt damit grundsätzlich keine graduelle Risikoverteilung, keine Abstufungen. Es erfordert vielmehr eine einseitige Entscheidung, die vor allem in einem auf Leistungsaustausch angelegten zweiseitigen Schuldverhältnis eine Extrementscheidung sein muss. Dass eine andere Regelungstechnik durchaus in Betracht kommt, zeigt § 645 Abs. 1 S. 1 BGB, dessen Rechtsfolge eine Aufteilung der Vergütungsgefahr ist.59 Diese Vorschrift regelt allerdings den besonderen Fall, dass beide Vertragsparteien bei der Leistungserbringung zusammenwirken und (mit-)verantwortlich für die 55  Froelich (1906) – Gefahrübergang, S. 13 mit Fn. 2; Stern (1910) – Gefahr­tragung, S. 5; Palleske (1933) – Gefahrübergang, S. 52; v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 73 f.; Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 3; vgl. Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 196; Leenen JuS 2008, 577 (581) zur Regelungstechnik der Gefahrverteilung im Schuldverhältnis. 56 Daraus folgt, dass ein Übergang der Gefahr auf den Gläubiger (dazu sogleich: A.3.c)) frühestens mit dem Vertragsschluss und spätestens mit der Erfüllung der Leistungspflicht erfolgt. 57  Vgl. die Erwägungen der Ersten BGB Kommission zur Regelung des E I § 368, Mot. II, S. 207: „Die Gefahr zwischen den Vertragsschließenden zu theilen, … hieße einen jeder juristischen Grundlage entbehrenden Satz annehmen…“; dazu auch Dubischar in: FS Raiser (1974), 99 (105) und Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 10. 58  Zur Regelungstechnik sogleich: A.3.c). 59 Dazu Busche in: MüKo (2012) – BGB, § 645 Rn. 1.

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A. Einleitung

Leistungsstörung sind60 (und ist dazu den speziellen Umständen des Werkvertrags geschuldet61). Dagegen liegt das Dilemma der Gefahr­tragung im Allgemeinen gerade darin, dass es in einer Situation, in der feststeht, dass keine der an dem Schuldverhältnis beteiligten Parteien für die (zufälligen) Umstände, welche die Leistungsstörung begründen, verantwortlich ist, keine „apriorisch ‚richtige‘ Lösung“62 gibt; es kann also nur darum gehen, derjenigen Partei den (ganzen) Nachteil zuzuweisen, bei der dies am ehesten sachgerecht bzw. weniger sachwidrig erscheint.63 Der „neuralgische Punkt“ in der Diskussion ist die Frage, welche Sachkriterien die „richtigen“ sind. Man kann sich nämlich an dogmatischen (systemorientierte, deduktive Begründungsweise), pragmatischen (außersystematische

60  Der Verantwortungsbeitrag des Bestellers liegt darin, dass „das Werk vor der Abnahme infolge eines Mangels des von [ihm] gelieferten Stoffes oder infolge einer von [ihm] für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden“ ist. Aufseiten des Unternehmers ist nicht vorausgesetzt, dass ihm ein konkreter Beitrag, der für die Verschlechterung oder den Untergang des Werks mitursächlich geworden ist, zugerechnet werden müsste. Die Vorschrift setzt gerade voraus, dass die Verschlechterung bzw. der Untergang eingetreten ist, „ohne dass ein Umstand mitgewirkt hat, den der Unternehmer zu vertreten hat“, wobei das Vertreten-müssen in diesem Sinne schon unterhalb der Schwelle des Verschuldens anzunehmen ist (dazu Voit in: BeckOK (Stand: 01.02.2013) – BGB, § 645 Rn. 12). Allerdings ist der Unternehmer gem. § 644 BGB bis zur Abnahme in einem abstrakten Sinne stets mitverantwortlich. 61  Dazu sogleich in Fn. 63. 62  Zur Gefahrverteilung im Rückgewährschuldverhältnis: Glass (1959) – Rücktritt, S. 28; so auch: Flume NJW 1970, 1161 (1165); Flessner NJW 1972, 1777 (1980); Diesselhorst (1968) – Natur der Sache, S. 76; Janssen in: MüKo (2001) – BGB, § 350 Rn. 5; Komossa (2007) – Rückabwicklung, S. 79. Vgl. auch Leser (1975) – Rücktritt, S. 43 zur Gefahrverteilung bei der actio redhibitoria nach römisch-gemeinem Recht: „Wiederherstellung des früheren Zustandes bei Käufer und Verkäufer zugleich, ohne besonderes Opfer einer Seite, stellt sich, sobald die Kaufsache beeinträchtigt ist, als Quadratur des Zirkels dar“. 63  Deshalb ist bei Erwägungen, die Rechtsfolge des § 645 bzw. die dahinter stehende „Sphärentheorie“ auf andere Fälle zu übertragen, in denen die Zuweisung der (gesamten) Gefahr an eine der beiden Parteien irgendwie als ungerecht empfunden wird, Zurückhaltung geboten. Dazu: Busche in: MüKo (2012) – BGB, § 645 Rn. 2; Voit in: BeckOK (Stand: 01.02.2013) – BGB, § 644 Rn. 17 ff. Notwendige Bedingung ist stets eine im Wesentlichen vergleichbare Fallgestaltung. Das versteht sich von selbst, soweit eine Analogie erwogen wird, und darf auch nicht dadurch umgangen werden, dass eine entsprechende Rechtsfolge nicht in analoger Anwendung der Norm, sondern direkt aus einem derselben übergeordneten „Sphärengedanken“ hergeleitet wird. Vorausgesetzt ist also, dass die eine Partei kraft Gesetzes oder aufgrund vertraglicher Vereinbarung in einem abstrakten Sinne die Gefahr zu tragen hat und die andere Partei durch eine konkrete Mitwirkung bei der Herstellung der Leistung eine Störung (mit-)verursacht, die noch in diesen Gefahrbereich fällt, d. h. dass der Verursachungsbeitrag nicht bereits die Zufälligkeit der Leistungsstörung insgesamt ausschließen darf. Die „Sphärentheorie“ eignet sich damit nicht als deus ex machina, mit dem sich eine gesetzgeberische Wertentscheidung, nach welcher der einen oder der anderen Partei die Gefahr zugewiesen ist, beliebig „korrigieren“ ließe. Stets sind die Besonderheiten des Werkvertrages im Auge zu behalten. Er zeichnet sich, auch wenn das BGB den einmaligen Leistungsaustausch „hergestelltes Werk gegen Werklohn“ in den Mittelpunkt rückt, gerade dadurch aus, dass Besteller und Unternehmer auf dem Weg dorthin bei der Herstellung des Werks ein gemeinsames Projekt verfolgen, und hat regelmäßig „Langzeitcharakter“, obwohl es sich nicht um ein Dauerschuldverhältis handelt (Peters/Jacoby in: Eckpfeiler (2014/15), S. 1107, 1121 (Q. 4, Q. 62)).



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„Richtigkeitskriterien“, induktive Begründungsweise) und ökonomischen (Funktionstüchtigkeit im aktuellen Rechtsstreit) Kriterien orientieren.64 Die obligatorische Gefahr­tragung begegnet unter zwei Aspekten („Doppelseitigkeit des Begriffs der Gefahr“)65, dem der Leistungs- und, beim gegenseitigen Vertrag, dem der Gegenleistungsgefahr.

a) Leistungsgefahr Die Frage der Leistungsgefahr stellt sich in allen Schuldverhältnissen, die für mindestens eine Partei eine Leistungspflicht begründen. Bei einseitigen Schuldverhältnissen geht es ausschließlich um die Leistungsgefahr. Bei Austauschverträgen ist die Verteilung der Leistungsgefahr gewissermaßen als „Vorfrage“ für die Verteilung der Preisgefahr relevant.

i)  Definition der Leistungsgefahr Der Begriff der Leistungsgefahr stammt aus dem Kontext der Gattungsschuld.66 Man fragt traditionell danach, ob der Schuldner bei Untergang eines speziellen Stücks, das er zur Erfüllung seiner Verpflichtung vorgesehen hatte, zur Leistung verpflichtet bleibt, so dass er mit einem anderen Stück erfüllen muss (und sonst – wegen des übernommenen Beschaffungsrisikos – wegen Nichterfüllung haftet).67 Dass ihn der zufällige Verlust des untergegangenen Stücks trifft, falls er dessen Eigentümer war, folgt aus dem Prinzip casum sentit dominus.68 Das spezifische Risiko der Leistungsgefahr, das ihn als Schuldner der Sachleistung trifft,69 liegt 64 Dazu

Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 66 ff. Westermann JA 1978, 481 (481); vgl. Heck (1929) – SchuldR, S. 258 (§ 83.2) – „Doppelbedeutung“. Zu den Ursprüngen der Aufspaltung des Gefahrbegriffs: Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 98 ff., insb. 102. 66  Kritisch zu dieser Begriffsbildung Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 280–285 Rn. 79, § 326 Rn. 2. 67 Vgl. Westermann JA 1978, 481 (481); Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 446 Rn. 6; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 3, 5 f.; Coester-Waltjen Jura 2006, 829 (830 ff.); Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 9 ff.; Leenen JuS 2008, 577 (583); Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 18; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 446 Rn. 11; Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 275 Rn. 25 ff.; Schmidt (2011) – Versendungskauf, S. 17. 68  Dazu oben: A.2. Heck (1929) – SchuldR, S. 29 (§ 9.3) spricht von der „Speziesgefahr“, die bei Gattungsschulden der Schuldner tragen müsse; Möller in: FS Bötticher (1969), 261 (264): Der den Gattungsschuldner „primär treffende Schaden“ liege in dem Verlust seiner für die Leistung vorgesehenen Sache. 69  Sofern die Leistung eine Sache zum Gegenstand hat, es sich wie insbesondere bei der dem Verkäufer obliegenden Leistung um eine Sachleistung handelt, ist auch von der „Sachgefahr“ die Rede; so etwa Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 142; vgl. Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 446 Rn. 6. Allerdings wird dieser Begriff unscharf gebraucht. Meistens ist mit „Sachgefahr“ das Risiko der zufälligen Beschädigung oder Zerstörung einer Sache gerade ungeachtet ihrer Bedeutung als Leistungsgegenstand und damit abseits der Verteilung des wirtschaftlichen Verlustets durch das Zusammenspiel von Leistung- und Gegenleistung gemeint, das nach dem Prinzip casum sentit dominus bzw. res perit dominio typischerweise den Sacheigentümer trifft (dazu oben: 65 

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A. Einleitung

dagegen in dem Mehraufwand, den er zur Erfüllung (mit einem anderen Stück) tätigen muss, insbesondere – namentlich bei der marktbezogenen/unbeschränkten Gattungsschuld – darin, dass er ggf. ein anderes Stück aus derselben Gattung zu gestiegenen Marktpreisen beschaffen muss. Heck hat dies – überaus plastisch, wenn auch dogmatisch ungenau70  – als „Gefahr der eigenen ‚Doppelleistung‘“ bezeichnet71 (die freilich nur einfach vergütet wird). Entsprechendes gilt für die Verschlechterung des zur Erfüllung vorgesehenen Stücks (nach Vertragsschluss)72, wenn der Gläubiger diesen Leistungsgegenstand wegen seiner minderen Qualität als Erfüllungsgegenstand ablehnt und die Lieferung einer anderen (vertragsgemäßen) Sache verlangt. So gesehen stellt die Verschlechterung ein Minus zum Untergang, einen partiellen Untergang dar bzw. kann der Untergang als maximale Verschlechterung beschrieben werden. Dazu passt, dass Rabl als Entsprechung zum „Beschaffungsrisiko“ den Begriff „Instandsetzungsrisikos“ für den Fall verwendet, dass der Schuldner wegen einer Verschlechterung oder des Untergangs nicht eine andere Sache beschaffen und liefern, sondern die Verschlechterung an der gelieferten Sache beseitigen muss.73 Denn auch wenn der zu leistende Gegenstand bei der Begründung des Schuldverhältnisses bereits konkret-individuell festgelegt ist (so bei der Stückschuld), kann der Begriff der Leistungsgefahr eine Rolle spielen. Soweit der Schuldner kraft Gesetzes oder aufgrund vertraglicher Vereinbarung zufällige Verschlechterungen, die der Leistungsgegenstand zwischen dem Vertragsschluss und der Erfüllung erleidet, auf eigene Kosten beseitigen muss, liegt darin nämlich zumindest ein Ausschnitt der Leistungsgefahr („Nachbesserungsgefahr“).74 Wenn man ungeachtet einer bereits anfänglichen individuellen Bestimmtheit des Leistungsgegenstandes im Fall der Verschlechterung oder des Untergangs desselben den Schuldner für zur Ersatzlieferung verpflichtet hält,75 trägt er die Leistungsgefahr sogar in vollem Umfang („Ersatzlieferungsgefahr“).76 Beide Aspekte kann man unter dem Begriff der „Nacherfüllungsgefahr“ zusammenfassen.77 A.2 sowie noch bei und nach Fn. 97.); Coester-Waltjen Jura 2006, 829 (830); Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 278 mit Fn. 1076. 70  Hätte der Schuldner schon einmal (erfolgreich) geleistet, wäre die Gefahr nämlich bereits auf den Gläubiger übergegangen, so dass der Schuldner auf keinen Fall ein zweites Mal leisten müsste; vgl. Möller in: FS Bötticher (1969), 261 (263 f.) bzgl. Gefahr des „Nochmalleistenmüssens“: „Rechtlich ist diese Betrachtungsweise nicht genau, da der Schuldner seine Leistungshandlungen noch nicht abgeschlossen, vielleicht noch gar nicht begonnen hatte, und da jedenfalls der Leistungserfolg nicht eingetreten war.“ 71  Heck (1929) – SchuldR, S. 258 (§ 83.2). 72  Wies das jeweilige Stück die erforderliche Qualität schon zur Zeit des Vertragsschlusses nicht auf, handelt es sich um einen „reinen“ Gewährleistungsfall, der mit der Gefahr­tragung nichts zu tun hat. 73  Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 6. 74  Ungenau daher Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 446 Rn. 6. 75  Dazu unten: B.III.6.a). 76  Dazu unten: B.III.6 und B.III.7. 77  Ausführlich dazu unten: B.III.2.



3.  Gefahr­tragung im Schuldverhältnis

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Der Gläubiger trägt die Leistungsgefahr, wenn er beim zufälligen Verlust des Leistungsgegenstandes (gemeint ist der Sachverlust in einem weiteren Sinne, der auch Qualitätseinbußen aufgrund einer Sachverschlechterung einschließt) seinen Anspruch auf den Leistungsgegenstand (ersatzlos)78 einbüßt. Dagegen ist der Schuldner mit der Leistungsgefahr belastet, wenn und soweit er ungeachtet des Verlusts zur Herbeiführung des Leistungserfolges verpflichtet bleibt und also für den „Verlust“ Ersatz beschaffen muss („Ersatzbeschaffung“ ebenfalls in einem weiteren Sinne gemeint als „Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes“)79. Die Leistungsgefahr wird also aus Sicht des Schuldners über den Wegfall oder die Aufrechterhaltung der Verpflichtung zur Leistung, aus Sicht des Gläubigers über den Wegfall oder die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Leistung reguliert.

ii)  Regelung der Befreiung des Schuldners Der Wegfall der Leistungspflicht kann ausdrücklich angeordnet werden, wie insbesondere bei Unmöglichkeit der Leistung.80 Die Befreiung des Schuldners von der Primärleistung kann sich aber auch indirekt daraus ergeben, dass das Gesetz anstelle des (Nach-)Erfüllungsanspruchs eine andere Rechtsfolge anordnet. So nahm das Kaufrecht vor der Schuldrechtsreform dem Verkäufer das Risiko, eine nachträgliche Zufallsverschlechterung des verkauften Stücks beheben zu müssen, dadurch ab, dass es diesen Störungsfall gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. systematisch der Preisgefahr81 zuordnete und ausschließlich mit den Mitteln des Gewährleistungsrechts (Wandelung oder Minderung) bewältigte82. Eine ganz andere Verteilung der Leistungsgefahr ergibt sich seit der Reform des Kaufrechts daraus, dass der Verkäufer nunmehr (vorrangig) zur Nacherfüllung verpflichtet ist, wenn der Sachmangel nur nicht unbehebbar, d. h. die Nacherfüllung (faktisch) unmöglich, ist.83 Eine andere Regelungsvariante zur Verteilung der Leistungsgefahr besteht darin, das Schuldverhältnis  – in einem engeren Sinne: die Leistungspflicht des Schuldners – unter gewissen Voraussetzungen zu beschränken. Dies ist insbesondere bei der Gattungsschuld nach der Konkretisierung der Fall (vgl. § 243 Abs. 2).84 Durch die Konkretisierung wird der Gattungsschuldner zwar nicht von seiner Leistungspflicht befreit, aber die Leistungspflicht wird auf ein bestimmtes 78  Dass er grundsätzlich auch nicht statt der Leistung Schadenersatz verlangen kann, ergibt sich aus dem Verschuldenserfordernis der Schadenersatzhaftung wegen Pflichtverletzung (vgl. § 280 Abs. 1 S. 2). 79  Vgl. dazu soeben bei Fn. 73. 80  Dazu sogleich nach Fn. 88. 81  Dazu sogleich: A.3.b). 82  Dazu: B.II.2. – Beim Gattungskauf konnte der Käufer freilich gem. § 480 Abs. 1 S. 1 a. F. anstelle von Minderung und Wandelung auch Ersatzlieferung verlangen, wobei sich die nachträgliche zufällige Beschädigung oder Zerstörung der verkauften Sache ausnahmsweise nicht im Rahmen der Preisgefahr realisierte. 83 Vgl. Coester-Waltjen Jura 2006, 829 (832). Dazu unten: B.III.2. 84  Nach hier vertretener Ansicht bedarf es nicht nur nicht der „Verwandlung“ der Gattungs- zur

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A. Einleitung

Stück konzentriert, so dass er von dem Risiko befreit wird, beim Verlust dieses Stücks weitere erfüllungstaugliche Ware (nach-)beschaffen und liefern zu müssen.85 Auch im Rahmen der Nacherfüllung ist die Leistungsgefahr, wie zu zeigen sein wird,86 auf ähnliche Weise verteilt, je nachdem, ob sie durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung zu bewirken ist.87 Wie bereits angedeutet wurde,88 ist der schillernde Begriff der Unmöglichkeit von zentraler Bedeutung für die Verteilung der Leistungsgefahr.89 Lange Zeit herrschte ein normatives Verständnis vor, das auch Fälle der nicht vom Schuldner zu vertretenden Leistungserschwerung in sich aufnehmen konnte90 – etwa: wenn die Herbeiführung des Leistungserfolges infolge einer zufälligen Leistungserschwerung einen (zusätzlichen) Aufwand erfordert, zu dem der Schuldner nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses nicht verpflichtet ist, sei dem Schuldner die Erfüllung (mit den geschuldeten Mitteln) unmöglich, weshalb er weder leisten müsse noch wegen Nichterfüllung haftbar sei, wenn und weil die Leistung ausbleibt – vgl. casus a nulla praestantur. Demgegenüber dominiert heute eine faktisch-naturalistische Sichtweise, wonach primär das Leistungshindernis in den Blick genommen und danach gefragt wird, ob dieses an sich überwindbar ist – z. B. die Beschädigung des Leistungsgegenstandes beseitigt werden kann – (vgl. impossibilium nulla est obligatio). Dabei macht es auf der „Primärebene“ gemäß § 275 Abs. 1 keinen Unterschied, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat oder nicht (auf einem anderen Blatt steht, ob er statt der – primären – Naturalleistung – sekundär – Schadenersatz leisten muss, vgl. § 275 Abs. 4). Die Verallgemeinerung der Unmöglichkeit zu dem (neben dem Verzug) zentralen Störungstatbestand des allgemeinen Schuldrechts,91 die vor allem Mommsen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts betrieben hatte, brachte es mit sich, dass im Kontext der Befreiung des Schuldners bei Auftreten eines nachträglichen Stückschuld, um die Gefahr sachgerecht verteilen zu können, sondern auch nicht des „Umwegs“ über das Unmöglichkeitsrecht; dazu unten: B.II.1.d)ii)3), insb. B.II.1.d)ii)3)(d). 85  In einem ersten Schritt wird der Gattungsschuldner also von der Beschaffungslast befreit, in einem zweiten Schritt von der Pflicht, die Schuld mit einem bestimmten Stück zu erfüllen. 86  Dazu unten: B.III.3.b)iii), B.III.3.b)iv) und B.III.7.a). 87  Dazu unten: B.III.7.a). 88  Oben bei Fn. 80. 89  Ausführlich zum historischen Hintergrund des Prinzips der Leistungsbefreiung bei Zufall und zur dogmengeschichtlichen Entwicklung des Unmöglichkeitsbegriffs die Arbeiten von Jakobs  (1969)  – Unmöglichkeit und Nichterfüllung (insb. 2. und 3.  Kapitel) und Wollschläger  (1970)  – Unmöglichkeitslehre sowie die Kommentierung zu § 275  von Schermaier in: HKK (2007) – BGB; außerdem im Überblick: Huber (1999) – Leistungsstörungen I, S. 74 ff.; Harke in: JbjZR (2001), 29 (45 ff.); ders. (2010) – SchuldR I, Rn. 207–211. 90 Unter der Geltung des BGB von 1900 konnte daher eine Abgrenzung zwischen § 275 Abs. 1  a. F. (objektive Unmöglichkeit) und § 275 Abs. 2  a. F. (Unvermögen) unterbleiben; Huber (1999) – Leistungsstörungen I, S. 66. 91  Zu den unterschiedlichen Regelungsproblemen, welche die gesetzlichen Regeln der Unmöglichkeit nach dem BGB von 1900 betrafen: Huber (1999)  – Leistungsstörungen I, § 4 (S. 96 ff.).



3.  Gefahr­tragung im Schuldverhältnis

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Leistungshindernisses der Zufall (casus) als der eigentliche Grund der Leistungsbefreiung gewissermaßen „vor die Klammer“ gezogen wurde (casuelle Unmöglichkeit). Deshalb machte auch § 275 a. F. die Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit davon abhängig, dass der Schuldner das Leistungshindernis nicht zu vertreten habe. Das Verständnis dafür ging vielen mit der Zeit verloren.92 Zuletzt wurde im Zuge der Schuldrechtsreform die (primär) leistungsbefreiende Wirkung der Unmöglichkeit von der Voraussetzung fehlender Verantwortlichkeit des Schuldners abgekoppelt. Während sich aber die Frage des Leistenkönnens zumindest mit Blick auf die Naturalleistung im Fall der objektiven Unmöglichkeit (z. B. bei Untergang oder irreparabler Verschlechterung des einzig geschuldeten Stücks) durchaus ohne Rücksicht auf die Verantwortlichkeit des Schuldners beantworten lässt, stellt sie sich im Fall einer Leistungserschwerung zwangsläufig als solche des Leistensollens.93 Seit der innere Zusammenhang zwischen der Leistungserschwerung und der darauf bezogenen Verantwortlichkeit verloren gegangen ist, wird der Schuldner bis zur Ausreizung einer auch nach heteronomen Kriterien zu bestimmenden „Opfergrenze“ (insoweit kommt es freilich unter anderem auf die Frage des Vertretensmüssens an, vgl. § 275 Abs. 2 S. 2) an der ihm obliegenden Leistung festgehalten. Soweit die Erreichung des Leistungserfolges durch Überwindung des Leistungshindernisses nach diesem Maßstab noch möglich ist, wird dem Schuldner kraft Gesetzes zugemutet, das Notwendige zu tun.94 Die Rechtfertigung dieses Mehraufwandes, der dem „schuldlosen“ Schuldner im Allgemeinen gem. § 275 Abs. 2 und speziell dem Verkäufer durch die Nacherfüllungspflicht bis zur Grenze des § 439 Abs. 3 aufgebürdet wird, bietet sowohl unter dogmatischen als auch unter rechtspolitischen Gesichtspunkten einigen Anlass zur Diskussion, worauf im weiteren Verlauf dieser Arbeit zurückzukommen sein wird.95

iii) Sach(leistungs)gefahr Zur begrifflichen Klarstellung sei noch darauf hingewiesen, dass in Bezug auf die Leistungsgefahr – so wie die Gegenleistungsgefahr als „Preisgefahr“ bezeichnet 92 Dazu: Ernst JZ 1994, 801 (805); Wieling in: FS Sturm II (1999), 1135 ff.; Wilhelm/Deeg JZ 2001, 223 (225–229); Knütel JR 2001, 353 ff. 93 Vgl. Ernst JZ 1994, 801 (804) zur Regelung der Unmöglichkeit im Vorschlag der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts von 1992: Die beiden Formeln „Was der Schuldner nicht leisten kann, das schuldet er auch nicht“ und „daß der Schuldner auch schon bei überobligationsmäßiger Leistungserschwerung von der Leistungspflicht frei sein soll“ beruhten auf zwei unvereinbaren Schulrichtungen. Die Ausweiterung der Unmöglichkeit auf die Leistungserschwerung sei nur unter der Voraussetzung sinnvoll, dass der Schuldner für die eingetretene Leistungserschwerung und damit für die Nichterbringung der Leistung keine Verantwortung trägt. 94 Vgl. Schlüter ZGS 2003, 346 (347): In vereinfachender Überspitzung lasse sich der Grundsatz des Vertragsrechts nach der Reform formulieren: „Verträge sind zu erfüllen, soweit dem Schuldner eine Vertragserfüllung zumutbar ist.“; vgl. auch Schulze/Ebers JuS 2004, 265 (265 f.). 95  Dazu unten: B.III.2.a) und B.III.6.a)iii).

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wird, wenn und weil die Gegenleistung in einer Geldzahlung besteht96 – auch von der „Sachgefahr“ die Rede ist, wenn und weil die Leistung in einer Sachleistung besteht97. Dies ist insbesondere beim Kaufvertrag der Fall.98 Überwiegend wird der Begriff „Sachgefahr“ indes verwendet, um den wirtschaftlichen Verlust infolge der zufälligen Beschädigung oder Zerstörung einer Sache gerade ungeachtet der Verlagerung der Schadensfolgen aufgrund der Einbindung der Sache in eine Leistungs-/Austauschbeziehung zu beschreiben. Dieser Verlust trifft im Regelfall den Eigentümer (casum sentit dominus).99 Auch dann, wenn der Gläubiger trotz einer bei ihm aufgetretenen zufälligen Verschlechterung oder des bei ihm eingetretenen zufälligen Untergangs der empfangenen Sache Rechte ausüben darf, im Zuge derer er die empfangene Sache an den Schuldner zurückzugewähren hat (Ersatzlieferung, Rücktritt, (großer) Schadenersatz statt der Leistung), geht es mit Blick auf den Sachschaden allein um die Verteilung der Sachgefahr.100 Die zurück zu gewährende Sache ist nämlich gerade nicht (mehr) Erfüllungsobjekt der Verpflichtung zur Sachleistung. Die Sachgefahr wird in dieser Situation atypisch verteilt, wenn der Rücktritt wegen eines Sachmangels erfolgt, weil sie dem Verkäufer/Rücktrittsgegner zugewiesen wird, auch wenn er zum Zeitpunkt des Schadensereignisses nicht Sacheigentümer war (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3). Ansonsten wird die Sachgefahr durch die Verpflichtung zum Wertersatz dem Rücktrittsberechtigten zugewiesen (§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Halbs. 1).101 Wird der Wertersatz dabei nicht nach dem objektiven Sachwert, sondern nach der vereinbarten Gegenleistung bemessen (§ 346 Abs. 2 S. 2), führt dies im Ergebnis aber dazu, dass die Belastung des Rücktrittsberechtigten mit der Gefahr der Gegenleistung102 neutralisiert wird, weshalb auch vom „Zurückspringen der Preisgefahr“ die Rede ist.103

Der Begriff der Sachgefahr sollte vor diesem Hintergrund beim Kauf besser nicht synonym mit „Leistungsgefahr“ verwendet werden, um Missverständnisse zu vermeiden.104 Darüber hinaus hängt man auch dem „alten“ Kaufleitbild nach, 96 

Dazu sogleich bei Fn. 111. etwa Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 142; Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 446 Rn. 6; vgl. auch Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 5 f. 98  Dazu einleitend unter B. 99  Dazu oben: A.2. Aber auch wenn die Sache Leistungsgegenstand ist, kann ihr Verlust sich gerade nach dem Satz casum sentit dominus bei ihrem Eigentümer realisieren. So bleibt etwa der Vermieter oder Verleiher auf einem Schaden an der vermieteten bzw. verliehenen Sache, den weder der Mieter bzw. Entleiher noch sonst jemand zu vertreten hat, sitzen. Dass der Vermieter den Schaden reparieren (bspw. die abgebrannte Wohnung renovieren) muss, betrifft die Leistungsgefahr; dass der Mieter keine Miete zahlen muss, solange das nicht geschehen ist, die Preisgefahr. 100  Die Preis- oder Gegenleistungsgefahr dagegen ist unter dem Aspekt betroffen, dass der Schuldner beim Rücktritt als Folge des Ausbleibens seiner Leistung (diese weist der Gläubiger ja gerade zurück) den Anspruch auf die Gegenleistung verliert und ggf. die bereits empfangene Gegenleistung deshalb erstatten muss. Dazu noch unten: A.3.b)ii). 101 Vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (215); dazu noch unten: A.3.b)ii) bei Fn. 119. 102  Vgl. dazu in Fn. 100. 103  Näher dazu unten: A.3.b)ii). 104  So auch Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 278 mit Fn. 1076. 97  So



3.  Gefahr­tragung im Schuldverhältnis

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wenn man die Leistungspflicht des Verkäufers auf die Sachleistung i. S. d. der Verschaffung des Eigentums an einer bestimmten Sache reduziert (§ 433 Abs. 1 a. F., § 433 Abs. 1 S. 1 n. F.). Nach dem Leitbild des reformierten Kaufrechts ist der Kauf dagegen nicht mehr nur Sachgegenstandsschuld, sondern (auch) Sacheigenschaftsschuld,105 schuldet der Verkäufer nicht mehr nur die Verschaffung einer bestimmten Sache, sondern (auch) die Herstellung einer bestimmten Qualität (§§ 433 Abs. 1 S. 2, 439 Abs. 1).106 Es ist immerhin eine der zentralen Thesen der vorliegenden Arbeit, dass man bei der Anwendung der (unveränderten) Regel „Gefahrübergang mit Übergabe der verkauften Sache“ darauf achten muss, dass § 433 Abs. 1 das seitens des Verkäufers Geschuldete seit der Schuldrechtsreform wesentlich weiter und abstrakter fasst107. Eine Gemeinsamkeit zwischen der Verteilung der dinglichen Sachgefahr nach dem Satz casum sentit dominus und der Verteilung der obligatorischen Leistungsgefahr gem. § 275 besteht freilich, wenn man den Anspruch auf die Leistung als Vermögensobjekt des Gläubigers betrachtet, wie es bei der naturrechtlichen Vorstellung der Zuwendung eines Leistungsversprechens an den Gläubiger als Veräußerung eines Teils der persönlichen Freiheit des Schuldners besonders plastisch wird108: Der Schaden (Erlöschen des Anspruchs) trifft den Rechtsinhaber (den Gläubiger), bleibt also dort, wo er entsteht, wenn nicht ein anderer (der Schuldner) ihn zu vertreten hat.109 Dies stand hinter der Regelung des § 275 Abs. 1 a. F., wonach der Schuldner von der Verpflichtung zur Leistung nur frei wurde, „soweit die Leistung infolge eines nach der Entstehung des Schuldverhältnisses eintretenden Umstandes, den er nicht zu vertreten hat, unmöglich“ wurde, und steht hinter der heutigen Regelung der §§ 275, 283, wonach die – wie auch immer zu bestimmende – Unmöglichkeit zwar in jedem Fall zum Ausschluss der Primärleistung führt, der Schuldner aber  – statt der (Primär-)Leistung  – Schadenersatz leisten muss, wenn er die Gründe, die zum Ausschluss der Leistung geführt haben, zu vertreten hat.110 Wenn nicht gerade der einzige Gegenstand, mit dem die Leistungspflicht 105  Zu dieser Unterscheidung: Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 20, 25, 88, 91, 39 f., 98 f. und öfter. 106  Dazu unten: B.III.1.c)ii). 107  Dazu noch unten: B.III.1.c)ii)4). 108  Näher dazu Thier in: HKK (2007) – BGB, § 311 I Rn. 19. 109 Vgl. Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 280–285 Rn. 79: „casum sentit emptor (oder creditor)“. 110 Vgl. Huber (1999) – Leistungsstörungen I, S. 63 f. zu § 275 a. F.: Die Befreiung des Schuldners im Falle der von ihm nicht zu vertretenden Unmöglichkeit bedeute zweierlei: „Erstens entfällt der Anspruch des Gläubigers auf Erfüllung in Natur, also darauf, daß der Schuldner die Leistung so, wie vertraglich vereinbart oder gesetzlich vorgesehen, bewirkt. Zweitens ist der Schuldner keinen Ansprüchen des Gläubigers auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung, wegen verspäteter Erfüllung oder wegen mangelhafter Erfüllung ausgesetzt. Die Befreiung des Schuldners, der nachträglich auf ein nicht zu vertretendes äußeres Leistungshindernis stößt, bezieht sich also sowohl auf die ‚primäre‘ Leistungspflicht als auch auf die ‚sekundäre‘ Pflicht, wegen Nichterfüllung Schadenersatz zu leisten.“, sowie bei S. 99 f.: Die Regel des § 275 a. F. sei „ein Gebot juristischer Konsequenz, wenn man nur von der Voraussetzung ausgeht, daß den Schuldner keine schlechthin

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hätte erfüllt werden können, vernichtet oder irreparabel beschädigt worden ist, beantwortet sich die Frage, ob die Leistung infolge eines bestimmten Ereignisses vom Schuldner (mit dem geschuldeten Aufwand) weiterhin zu erbringen ist, aber durchaus nicht von selbst (faktisch), sondern aus dem Inhalt des Schuldverhältnisses oder nach gesetzlicher Anordnung. Vertrag und Gesetz sind auch maßgebend dafür, ob der Schuldner die Umstände, aufgrund derer ihm die Leistung unmöglich geworden ist, zu vertreten hat.

b)  Gegenleistungsgefahr, insbesondere Preisgefahr Die Frage der Gegenleistungsgefahr stellt sich nur in gegenseitigen Schuldverhältnissen, die auf den Leistungsaustausch zwischen den Parteien gerichtet sind. Sie kann sich erst stellen, wenn die (Vor-)Frage nach der Verteilung der Leistungsgefahr beantwortet ist.

i)  Definition der Gegenleistungsgefahr Muss der Schuldner nicht mehr leisten, nachdem der ursprünglich von ihm zu leistende oder für die Erfüllung vorgesehene Gegenstand vom Zufall nachteilig betroffen worden ist, stellt sich beim gegenseitigen Vertrag die Frage nach dem Schicksal der Gegenleistung. Dies ist das Regelungsthema der Gegenleistungsgefahr, die, sofern die Gegenleistung in einer Geldzahlung besteht, auch als „Preisgefahr“ oder „Vergütungsgefahr“ bezeichnet wird.111 Aus diesem Zusammenhang folgt erstens, dass die Regelung der Preisgefahr dem Übergang der Leistungsgefahr nachgeschaltet ist, weil sich die weitergehende Frage nach dem Schicksal der Gegenleistung unter dem Aspekt der Gefahr­tragung nur und erst dann stellt, wenn feststeht, dass die Leistung nach dem Zufallsereignis nicht mehr geschuldet ist. Es folgt daraus zweitens, dass das Problem der Gegenuneingeschränkte Garantiehaftung trifft, sondern daß es nachträgliche Leistungshindernisse gibt, die er nicht zu vertreten hat und die ihn daher entlasten. Denn ließe man den Schuldner, obwohl er das nachträgliche Leistungshindernis nicht zu vertreten hat, in irgendeiner Weise haften, sei es auf Erfüllung, sei es auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung, so hätte er die Nichterfüllung eben doch ‚zu vertreten‘, indem er dafür haftbar gemacht wird. Dies wäre ein absurdes, in sich widersprüchliches Ergebnis. Die Rechtsfolgenanordnung des § 275 [a. F.], die Befreiung des Schuldners, kann also im Ergebnis gar nicht anders getroffen werden, als es in § 275 [a. F.] geschehen ist, wie immer man den Tatbestand des nachträglichen entlastenden Leistungshindernisses umschreiben mag…“. 111 Dazu: Eisser  (1927)  – Gefahr­ tragung, S. 3 f.; Vollmer (1932) – Übergabe, S. 6 f.; Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 3, 5–7; Schilcher JBl 1964, 395 (395 f.); Sailer (1966) – Gefahrund Eigentumsübergang, S. 4, 18; Möller in: FS Bötticher (1969), 261 (265); Brox JuS 1975, 1 (1); Westermann JA 1978, 481 (481 f.); Biederbeck (1982) – Gefahrübergang, S. 5; Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 446 Rn. 4; Schlosser Jura 1985, 479 (479); Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S.  28; Raab (1999) – Austauschverträge, S. 314; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 6; Ewert (2007) – Gefahr­tragung, S. 1; Coester-Waltjen Jura 2007, 110 ff.; Leenen JuS 2008, 577 (582); Schmidt (2011) – Versendungskauf, S. 17; Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 275 Rn. 30; ders. in: HKK (2013) – BGB, §§ 446, 447 Rn. 1.



3.  Gefahr­tragung im Schuldverhältnis

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leistungs-/Preisgefahr sich  – anders als das der Leistungsgefahr  – naturgemäß ausschließlich bei gegenseitigen („entgeltlichen“) Schuldverhältnissen stellen kann. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Leistung und Gegenleistung in einem Austauschverhältnis stehen und daher miteinander stehen und fallen sollen. Die Verteilung der Gefahr der Gegenleistung unter dieser Voraussetzung ist einer der Kernbereiche des synallagmatischen Prinzips, das unter diesem Aspekt112 seine allgemeine positiv-rechtliche Ausformung im „alten“ Schuldrecht in den §§ 323 Abs. 1, 324 a. F. und im reformierten Schuldrecht in § 326 gefunden hat.113 Das besondere Schuldrecht sieht außerdem spezielle Regeln über die Verteilung der Preisgefahr vor, die manche als Durchbrechungen des synallagmatischen Gefahrtragungsprinzips, andere als dessen (konkretisierende oder modifizierende) Durchführung für spezielle Vertragstypen begreifen. Dazu zählen die §§ 446, 447 für den Kaufvertrag.114 Die Rechtsfolge der Belastung mit der Preisgefahr im Einzelfall besteht für den Schuldner darin, den Anspruch auf die Gegenleistung zu verlieren, soweit er von der Leistungspflicht befreit ist;115 für den Gläubiger folgt daraus, dass er die Gegenleistung erbringen muss, obgleich er die Leistung nicht erhält (beim Kauf: „Abstraktion der Kaufpreisschuld vom Sachschicksal“116).

ii) Rückabwicklungsgefahr Im engen Zusammenhang mit der Verteilung der Gefahr der Gegenleistung steht beim Austauschvertrag die Verteilung der Risiken im Zusammenhang der Rückabwicklung („Rückabwicklungsgefahr“). Denn  – am Beispiel des Kaufvertrags 112  Auch die Vorschriften über den Rücktritt vom Vertrag wegen Nichterfüllung sind Ausdruck des (konditionellen) Synallagmas. Sofern sie nicht (wie etwa § 326 Abs. 5) an den Wegfall der Leistungspflicht, sondern an die Nichterfüllung der (möglichen und daher geschuldeten) Leistungspflicht anküpfen (§ 323 Abs. 1), geht es aber systematisch nicht im engeren Sinne um Gefahr­ tragung. Zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Befreiung von der Gegenleistung durch Rücktritt wegen Nichterfüllung einerseits und wegen Unmöglichkeit der Leistung andererseits siehe auch: B. I. 3.b) und B.II.4.c)i). 113  Dazu sogleich: A.3.d). 114  Zur Bedeutung der §§ 446, 447 als Regelung der Preisgefahr: Westermann JA 1978, 481 (484 f.); Schlosser Jura 1985, 479 (481 f.); Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 446 Rn. 10, § 446 Rn. 1, § 447 Rn. 1; Leenen JuS 2008, 577 (581–583); Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 446 Rn. 4–8, § 447 Rn. 2; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 446 Rn. 12, 14–16, § 447 Rn. 1; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 446 Rn. 1, § 447 Rn. 1; CoesterWaltjen Jura 2007, 110 (112 f.). 115 Dass er neben dem Sachschaden an dem Leistungsgegenstand, den er als Eigentümer desselben tragen muss, auch den Anspruch auf die Gegenleistung verliert, bedeutet wirtschaftlich keine „Verdoppelung“ des Schadens, da für die Gegenleistung die Leistung erbracht (die Sache also ohnehin aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden) worden wäre; Möller in: FS Bötticher (1969), 261 (265 mit Fn. 19). 116  Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 446, 447 Rn. 1; vgl. auch Schilcher JBl 1964, 395 (396): Die Gefahr­tragungslehre stelle, „dogmatisch gesehen, die Einwirkung der zufälligen, nachträglichen (Teil)unmöglichkeit der Sachleistung auf die Geldleistung dar“.

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A. Einleitung

ausgedrückt – in der Beantwortung der Frage, ob es dem Käufer gestattet ist, im Rahmen des Rücktritts den noch nicht gezahlten Kaufpreis einzubehalten (Vertragsauflösung) bzw. den bereits gezahlten Kaufpreis zurückzuverlangen (Rückabwicklung), obwohl er selbst infolge eines zufälligen Schadensereignisses außerstande ist,117 die empfangene Sache (unversehrt) zurückzugeben, setzt sich die Verteilung der Gegenleistungsgefahr fort. Die Belastung des Käufers mit der Preisgefahr lässt sich in dieser Situation ggf. dadurch verwirklichen, dass man ihm den Rücktritt versagt („Ausschlusslösung“). Steht das Sachschicksal dem Rücktritt nicht entgegen, ist meist von dem „Zurückspringen“ der Preisgefahr auf den Verkäufer die Rede.118 Denn er „verliert“ ggf. den Kaufpreis. Sofern man den Rücktritt zulässt, die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises aber durch eine Verpflichtung zur Zahlung von Wertersatz ersetzt („Wertersatzlösung“), geht es dagegen „um etwas anderes als die eigentliche Preisgefahr“, namentlich darum, den Käufer an der Sachgefahr teilhaben zu lassen.119 Man kann zwar sagen, der Rücktrittsgegner bleibe auch dann mit der Preisgefahr belastet bzw. springe diese auf ihn zurück, wenn der Rücktrittsberechtigte bei zufallsbedingter Beschädigung der gelieferten Sache (statt des Kaufpreises) Wertersatz leisten muss120. Die Sachgefahr ist dann aber dem Rücktrittsberechtigten zugewiesen, und wenn dem Wertersatz die vertraglich vereinbarte Gegenleistung zugrunde gelegt wird (§ 346 Abs. 2 S. 2 Halbs. 1), wird dadurch die Belastung des Verkäufers mit der Preisgefahr neutralisiert. Im praktischen Ergebnis trägt der Verkäufer die Preisgefahr daher nicht, soweit der Käufer wertersatzpflichtig ist.121 Muss der Käufer dagegen weder die empfangene Sache (im Lieferzustand) zurückgeben noch Wertersatz leisten, bedeutet dies, dass neben der Preisgefahr auch die Sachgefahr dem Verkäufer zugewiesen ist, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ihm die gelieferte Sache zum Zeitpunkt des zufälligen Schadensereignisses gehörte (Sacheigentümer wird in dieser Situation regelmäßig der Käufer gewesen sein). Dies steht nicht im Widerspruch zu dem Satz casum sentit dominus. Es fallen hier lediglich die Gefahr des Rechts und die Gefahr des Wertes auseinander.122 117  Wenn dies die regelrechte Unmöglichkeit der Rückgewähr des empfangenen Gegenstandes im „Lieferzustand“ voraussetzt, so dass der Übergang von der Restitutionspflicht (in natura) zur Wertersatzpflicht voraussetzt, dass der Rückgewährschuldner eine eingetretene Verschlechterung nicht (mit zumutbarem Aufwand) beseitigen, bei Untergang nicht (mit zumutbarem Aufwand) Ersatz beschaffen kann, ist auch im Rückgewährschuldverhältnis die Frage der Leistungsgefahr derjenigen der Preisgefahr vorgeschaltet. Dazu noch unten: B.III.5.c)i). 118  Dazu unten: B.II.4.a)ii) und B.II.4.c). 119  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (215); vgl. auch Palleske (1933) – Gefahrübergang, S. 30 f.; vgl. zum Zusammenhang mit der Sachgefahr bereits oben: Fn. 42. 120  Dies ist außerhalb des Regelungsbereichs des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 (gesetzliches Rücktrittsrecht wegen vertragswidriger Leistung) grundsätzlich der Fall, vgl. §§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 1 Nr. 2. 121  Dazu bereits: A.3.a)iii) bei Fn. 103. 122 Zur Unterscheidung von periculum iuris und periculum aestimationis im Rahmen des Satzes casum sentit dominus siehe: A.2 und B.II.3.c)i).



3.  Gefahr­tragung im Schuldverhältnis

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c)  Regelungstechnik der Risikoverteilung, insb. zum „Übergang“ der Gefahr In genau der Form, wie die Leistungs- bzw. Preisgefahr auf der einen Partei lastet, kann sie nicht auf die andere übergehen.123 Denn – um dies am Beispiel des Kaufvertrages zu verdeutlichen – das Risiko, trotz Untergang oder Verschlechterung einer konkreten Sache zur Leistung verpflichtet zu bleiben (Leistungsgefahr) bzw. ggf. bei Befreiung von der Leistung den Anspruch auf den Kaufpreis zu verlieren (Preisgefahr), kann naturgemäß allein den Verkäufer treffen. Das Risiko, die Kaufsache nicht (im vertragsgemäßen Zustand) zu erhalten (Leistungsgefahr), aber gleichwohl in voller Höhe vergüten zu müssen (Preisgefahr), betrifft dagegen ausschließlich den Käufer. Es gibt also jeweils eine Leistungs- und Preisgefahr des Verkäufers und des Käufers, und der Übergang „der“ Gefahr besteht darin, dass unter dem einen oder anderen Aspekt die Gefahr­tragung des einen ausgeschaltet und die des anderen im selben Moment aktiviert wird, wenn die Vertragsabwicklung ein bestimmtes Stadium erreicht.124 Was dadurch übergeht, ist eigentlich das Risiko des wirtschaftlichen Verlustes infolge eines bestimmen Ereignisses, etwa der zufälligen Verschlechterung oder des zufälligen Untergangs der verkauften Sache (§ 446 S. 1), und die Verlagerung dieses wirtschaftlichen Risikos geschieht regelungstechnisch mit Hilfe der beiden vertraglichen Erfüllungsansprüche, namentlich durch deren Fortfall und Aufrechterhaltung infolge des Zufallsereignisses.125 Für das Zusammentreffen von Leistungs- und Preisgefahr (beim Austauschvertrag) gilt: Einer Partei kann das Risiko der Leistung zeitlich vor dem Risiko der Gegenleistung abgenommen werden. Es ist allerdings ausgeschlossen, dass umgekehrt die Gegenleistungsgefahr vor der Leistungsgefahr „übergeht“.126 Denn die Preisgefahr realisiert sich aus Sicht des Schuldners gerade darin, dass infolge des Ausschlusses der Leistungspflicht auch der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt, bzw. aus Sicht des Gläubigers darin, dass die Gegenleistung erbracht werden muss, obwohl die Leistung ausgeschlossen ist. Die Leistungsgefahr muss einer Partei deshalb spätestens gemeinsam mit der Preisgefahr abgenommen werden. Daraus ergibt sich, dass eine Regelung, die den Übergang der Preisgefahr anordnet, implizit bestimmt, dass (spätestens) im selben Moment auch die Leistungsgefahr „übergeht“.127 123  Zum Folgenden: Wirtz (1927) – §§ 446, 447, S. 4; Westermann JA 1978, 481 (482); Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 446 Rn. 7–9; Leenen JuS 2008, 577 (582). 124  Leenen JuS 2008, 577 (582 – Preisgefahr, 583 – Leistungsgefahr). 125  Leenen JuS 2008, 577 (582); vgl. Coester-Waltjen Jura 2007, 110 (112); Raab (1999) – Austauschverträge, S. 313 f.; Crome (1902) – System II.1, S. 170 sprach in Bezug auf das periculum obligationis von der „Gefahr des ganzen Vertragsverhältnisses“. 126  Hager (1982) – Gefahr­ tragung, S. 225; Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor  § 446 Rn. 9; Rieble JZ 1997, 485 (486 mit Fn. 15); Reinhardt (1982) – Gefahr­tragung, S. 28; Esser/ Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 64; Raab (1999) – Austauschverträge, S. 314, 332; Esser/ Schmidt (2000) – SchuldR I. 2, S. 20; Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 13; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 446 Rn. 13; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 446 Rn. 10; vgl. Schlosser Jura 1985, 479 (479). 127  Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 446 Rn. 9.

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A. Einleitung

d)  Grundsatz der Schuldnergefahrtragung im Austauschvertrag als Verwirklichung des synallagmatischen Prinzips Die Gefahr der Gegenleistung kann frühestens mit dem Vertragsschluss und spätestens mit der Erfüllung des Vertrages auf den Vertragspartner übergehen.128 So gesehen geht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch die Gefahr der Gegenleistung grundsätzlich im spätest möglichen Zeitpunkt über. Denn aus den §§ 275, 326 Abs. 1 folgt als allgemeine Regelung des gegenseitigen Vertrages, dass jede Partei die Gefahr der Gegenleistung so lange zu tragen hat, bis die ihr obliegende Leistung nicht mehr unmöglich werden kann (vgl. §§ 275, 326 Abs. 1, §§ 275, 323 a. F.), und dieses Stadium ist erst und nur mit Bewirken der Leistung, also mit Eintritt des Leistungserfolges, erreicht, weil die Leistungspflicht in diesem Moment durch Erfüllung erlischt129 (§ 362 Abs. 1). Wird die Leistungspflicht vorher ausgeschlossen, fällt auch die Gegenleistung automatisch (ipso iure) weg; wird die Gegenleistung an sich (gem. § 275) ausgeschlossen, nachdem die Leistung schon erbracht war, kann die Leistung kondiziert werden (§ 326 Abs. 4, § 323 Abs. 3 a. F.). Der Grundsatz lautet also: Im gegenseitigen Vertrag trägt jede Partei die Gefahr der Gegenleistung bis zur Erfüllung der ihr obliegenden Leistung.130 Zwar sind die §§ 275, 326 Abs. 1 anders als die §§ 275, 323  a. F. keine „reinen“ Gefahr­ tragungsregeln mehr, weil sie keine zufallsbedingte Leistungsbefreiung des Schuldners voraussetzen.131 Weil der Schuldner aber gem. § 275 Abs. 4 i. V. m. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 auf Schadenersatz statt der Leistung (wegen Pflichtverletzung) haftet, wenn und weil er die Umstände, die zum (nachträglichen)132 Unmöglichwerden und damit zur Nichtleistung geführt haben, zu vertreten hat, findet eine Leistungsbefreiung wegen Unmöglichkeit auf der Primär- und Sekundärebene auch im reformierten Schuldrecht nur bei nicht vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit statt (nach § 275 Abs. 1  a. F. blieb der Schuldner dagegen dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet, wenn er die Unmöglichkeit zu vertreten hatte, 128 

Dazu bereits bei und in Fn. 56. Frage der Gefahr der Gegenleistung stellt sich nach diesem Zeitpunkt nicht, weil die Leistung nicht mehr unmöglich werden kann. Heck (1929) – SchuldR, S. 131 (§ 43.3.b): „Eine bereits erfüllte Pflicht kann nicht unmöglich werden, die gebotene Interessebefriedigung hat ja schon stattgefunden.“; vgl. auch Vollmer (1932) – Übergabe, S. 6 f.; Westermann JA 1978, 481 (482): „Regelungen über Gefahr­tragung und den Gefahrübergang bereffen notwendig Vorgänge der Nichterfüllung.“ 130  Froelich (1906) – Gefahrübergang, S. 13–15; Stern (1910) – Gefahr­ tragung, S. 57– 59; Schlesinger (1912) – Gefahr­ tragung, S. 26 f.; Eisser (1927) – Gefahr­ tragung, S. 3 f.; Wirtz (1927) – §§ 446, 447, S. 1 f.; Heck (1929) – SchuldR, S. 126 ff. (§ 42.2 ff.); Vollmer (1932) – Übergabe, S. 6 f.; v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 191–196; Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 6 f., 8–11; Möller in: FS Bötticher (1969), 261 (265 ff.); Westermann JA 1978, 481 (482); Biederbeck (1982) – Gefahr­tragung, S. 6; Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 68 f.; Schlosser Jura 1985; 479 (480); Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 446 Rn. 14; ders. (1999) – Leistungsstörungen I, S. 9, 106 f., 110 f.; Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 27, 64 f.; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 40; Coester-Waltjen Jura 2007, 110 (110 f.); Wolff (1998) – Zuwendungsrisiko, S. 116 ff. 131  Coester-Waltjen Jura 2007, 110 (110); vgl. Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 275 Rn. 8, 25, § 326 Rn. 5; Unberath in: BeckOK (Stand: 01.03.2011) – BGB, § 275 Rn. 64. 132  Für den Fall der anfänglichen Unmöglichkeit der Leistung folgt die Schadenersatzhaftung, ohne Anknüpfung an eine Pflichtverletzung des Schuldners, aus § 275 Abs. 4 i. V. m. § 311a Abs. 2. 129  Die



3.  Gefahr­tragung im Schuldverhältnis

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und haftete deshalb, wenn die Leistung ausblieb, wegen Nichterfüllung, vgl. §§ 280, 283, 325 a. F.).

i)  Ausnahmsweise Gefahrübergang mit Eintritt des Annahmeverzugs Aus § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 (§ 324 Abs. 2 a. F.) folgt als einzige133 (allgemeine)134 Ausnahme zu diesem Grundsatz, dass die Gefahr bereits mit dem Eintritt des Annahmeverzugs vom Schuldner auf den Gläubiger übergeht135. Der Schuldner, der von der ihm obliegenden Leistung gem. § 275 befreit wird, behält deshalb den Anspruch auf die Gegenleistung, wenn „seine“ Leistung aufgrund von Zufall136 zu einer Zeit unmöglich wird, zu der sich der Gläubiger mit der Annahme der Leistung im Verzug befindet. Der Grund dafür ist unmittelbar einleuchtend und wertungsmäßig bestätigt hier die Ausnahme den Grundsatz: Der Annahmeverzug setzt voraus, dass der Schuldner dem Gläubiger die Leistung „so, wie sie zu bewirken ist“, angeboten hat (vgl. §§ 293, 294). Hätte der Gläubiger die Leistung angenommen, wäre der Leistungserfolg deshalb eingetreten und der Schuldner hätte „kraft Erfüllung“ seinen Anspruch auf die Gegenleistung endgültig gesichert, weil die ihm obliegende Leistung nach ihrer Erfüllung nicht mehr unmöglich werden kann. Wenn es allein am Gläubiger liegt, dass es dazu (noch) nicht gekommen ist, soll dies dem Schuldner nicht zum Nachteil gereichen.

ii)  Im Allgemeinen reicht Vornahme der notwendigen Leistungshandlungen für Gefahrübergang nicht aus; Schuldner trägt Erfolgsrisiko Davon abgesehen ist der Schuldner aber nach dem Grundsatz der §§ 275, 326 Abs. 1 bis zum Eintritt des Erfolges der ihm obliegenden Leistung mit der Gefahr der Gegenleistung belastet.137 Was den Gefahrübergang bei Annahmeverzug auszeichnet, ist auch nicht, dass der Schuldner die ihm obliegenden Leistungshand133  Dass der Gläubiger zur Erbringung der ihm obliegenden Leistung auch dann verpflichtet bleibt, wenn er allein oder überwiegend dafür verantwortlich ist, dass die Gegenleistung ausgeschlossen ist (§ 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1, § 324 Abs. 1 a. F.), bedeutet nicht, dass er unter diesem Umständen ausnahmsweise die Gefahr der Gegenleistung tragen müsse. Denn wenn der Gläubiger verantwortlich ist, beruht der Ausschluss der Leistung nicht auf Zufall, so dass es an einer notwendigen Voraussetzung der Gefahr­tragung fehlt; vgl. Heiliger (1899) – Gefahr­tragung, S. 39. Die Verantwortlichkeit des Gläubigers in diesem Sinne wird nicht dadurch begründet, dass ihm aufgrund vertraglicher Vereinbarung oder gesetzlicher Anordnung die Gefahr ausnahmsweise bereits vor der Erfüllung zugewiesen ist. Zur Einschränkung der dem Schuldner zugewiesenen Gefahr (Begrenzung des Zufalls) hat sie vielmehr eigenständige Bedeutung. 134  Spezielle Ausnahmen stellen die Gefahr­tragungsregeln des besonderen Schuldrechts, für den Kauf die §§ 446, 447 dar. 135  Nur insoweit geht es um eigentlich um einen „Übergang“ der Gefahr. Denn nach der Erfüllung stellt sich die Frage der Gefahr­tragung nicht mehr. 136  Er darf die Umstände, aufgrund derer er nicht zu leisten braucht, nicht zu vertreten haben, wobei freilich die Haftungsmilderung im Annahmeverzug gem. § 300 Abs. 1 zu beachten ist. 137  So ausdrücklich Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.05.2013) – BGB, § 326 Rn. 1.

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A. Einleitung

lungen erbringt138; entscheidend kommt hinzu, dass es am Gläubiger liegt, dass noch keine Erfüllung eingetreten ist, obwohl der Schuldner alles seinerseits dazu Erforderliche getan hat. Das Risiko, dass die Leistung in dem Zeitraum zwischen der Vornahme der Leistungshandlung und dem Eintritt des Leistungserfolges gestört wird, trifft also grundsätzlich den jeweiligen Schuldner. Was und wie viel er tun muss, welche Mittel und Anstrengungen er nach dem Vertrag schuldet, um den Leistungserfolg herbeizuführen, ist maßgeblich für die Beantwortung der Frage, ob er wegen Nichterfüllung bzw. statt der Leistung haftet, wenn der Leistungserfolg ausbleibt. Mit Blick auf die Gefahr­tragung, also die Frage, ob der Gläubiger die Gegenleistung erbringen muss, wenn die Leistung ausfällt, ist dagegen allein maßgeblich, ob der Leistungserfolg eintritt. Denn dafür, und nicht für das bloße Bemühen des Schuldners, hat der Gläubiger seine Gegenleistung versprochen.

iii)  Austausch von Leistungen aufgrund des Austauschs von Leistungsversprechen Dies folgt aus dem Prinzip des do ut des. Im Laufe der rechtsgeschichtlichen Entwicklung hat sich die Bedeutung dieser Formel verändert. Als die Bindungswirkung (Klagbarkeit) des formlosen Parteikonsenses außerhalb eines Katalogs bestimmter (benannter) Vertragstypen (Nominatkontrakte) noch nicht anerkannt war, konnte immerhin eine schwache Vorstufe vertraglicher Bindung139 durch die Erbringung einer (Vor-)Leistung in der Erwartung, dass der Leistungsempfänger eine bestimmte Gegenleistung erbringen werde, erreicht werden. Die Annahme dieser Leistung verpflichtete ihren Empfänger zwar nicht zur Vornahme einer Gegenleistung. Wenn die erwartete Gegenleistung ausblieb, konnte die Vorleistung aber grundsätzlich wegen Verfehlung des Leistungszwecks zurückverlangt werden.140 Wurde die Gegenleistung erbracht, war eine Rückforderung der Vorleistung dagegen ausgeschlossen und beide Parteien hatten aufgrund ihrer Übereinkunft eine causa als Behaltegrund für die jeweils empfangene Leistung. Nur und erst durch den realen Leistungsaustausch wurde der Innominatkontrakt also verbindlich im Sinne einer Naturalobligation. Diese Konstruktion warf Fragestellungen141 auf, deren Diskussion den Ursprung der Entwicklung 138  Darauf stellen die sog. Erfüllungshandlungstheorien zur Begründung des kaufrechtlichen Gefahrübergangs mit Übergabe im Einklang mit dem synallagmatischen Gefahr­tragungsprinzip ab, dazu unten: B.II.3.b)ii)3). 139  Leser (1975) – Rücktritt, S. 3 hat diese Gestaltung des klassischen römischen Rechts als „Vorstufe für ein synallagmatisches Verhältnis der beiden Leistungen auf der Kondiktionenebene“ bezeichnet. 140 Hier hat die Zweckverfehlungskondiktion ihren ursprünglichen Anwendungsbereich. Später ließ der Prätor auch Klagen auf das Interesse an der Gegenleistung zu. Damit war ein wichtiger Schritt in die Richtung der Anerkennung der Verpflichtungswirkung im Bereich der Innominatkontrakte getan, die erst die Kanonisten zum Abschluss brachten, als sie Jahrhunderte später zu dem Prinzip pacta sunt servanda vordrangen. Dazu unten bei und in Fn. 322, 393, 1236. 141  Dazu unten: B. I. 3.b)i).



3.  Gefahr­tragung im Schuldverhältnis

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einer allgemeinen Theorie der Gefahr­tragung im gegenseitigen Vertrag markiert142 und die sich in der mit Anerkennung der Verpflichtungswirkung des Parteikonsenses drängend werdenden Fragestellung, unter welchen Umständen man ausnahmsweise selber vom Vertrag abgehen dürfe, wenn und weil der Vertragspartner nicht gemäß seinem Versprechen leistet (quasi: Rücktritt wegen Nichterfüllung), fortsetzten. Die „historische Verbindung“ zwischen Rücktritt und Gefahr­tragung ist das sog. konditionelle Synallagma.143 Nach dem modernen Vertragsverständnis, dem der formlose Parteikonsens für eine wechselseitige Verpflichtung zur Leistungserbringung grundsätzlich ausreicht, erbringt jede Vertragspartei die ihr obliegende Leistung, weil sie vertraglich dazu verpflichtet ist und diese Verpflichtung erfüllen will (solvendi causa). Diese Bindung geht sie beim gegenseitigen Vertrag freilich nur deshalb ein, weil auch der Vertragspartner sich entsprechend bindet und daher erwartet werden darf, dass dieser sich ebenfalls vertragstreu verhalten werde. Die Formel vom „do ut des“ bezieht sich heute also nicht mehr unmittelbar auf den realen Leistungsaustausch, sondern auf die ihm vorgelagerte gegenseitige Hingabe der Leistungsversprechen, mit denen der Vertrag als gegenseitige Verpflichtungsgrundlage erschaffen wird. Auch wenn die Leistungen jeweils in der Erwartung erbracht werden, dass der Vertragspartner die Gegenleistung erbringen werde, rechtfertigt diese Erwartung, wenn sie enttäuscht wird, nicht unmittelbar die Rückforderung der Leistung, solange der Vertrag fortbesteht. Auf den Fortbestand der Bindung des Gläubigers hat es allerdings Auswirkungen, wenn die Erwartung enttäuscht wird. Denn je nach dem Grund des Ausbleibens der Gegenleistung wird der Gläubiger möglicherweise bereits kraft Gesetzes aus seinem Leistungsversprechen entlassen oder es ist ihm ausnahmsweise gestattet, wegen des Ausbleibens der Gegenleistung vom Vertrag abzugehen, um die ihm obliegende Leistung nicht erbringen zu müssen bzw. eine bereits erbrachte Leistung zurückfordern zu dürfen. Dem liegt der Gedanke einer der Vertragsbindung immanenten Beschränkung, der impliziten Bedingtheit der Bindung an das eigene, zum Zwecke des Leistungsaustauschs abgegebene Leistungsversprechen durch den Erfolg der Gegenleistung zugrunde. Willenstheoretisch ist dies in der rechtsgeschichtlichen Entwicklung immer wieder mit der Vorstellung einer stillschweigenden (auflösenden) Bedingung, die den Leistungsversprechen beim Austauschvertrag inhärent sei, einer conditio tacita, begründet worden.144 Dementsprechend schreibt 142  Für die benannten Vertragstypen, von denen manche, insbesondere der Kauf, ihrer Natur nach auf einen Leistungsaustausch angelegt waren, gaben die Quellen des römischen Rechts seit jeher spezielle, recht unterschiedliche Gefahr­tragungsregeln vor. Dies machte die Nominatkontrakte lange Zeit regelrecht „immun“ gegen den durch Abstraktion und Verallgemeinerung der für die Innominatkontrakte entwickelten Regeln gewonnenen Synallagmagedanken; vgl. Leser (1975) – Rücktritt, S. 4; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 6, 12 f. 143  Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8 ff., 12, 14, dazu noch unten: B. I. 3.b). 144 Dazu: Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (142 ff.); Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 1, 6, 8. Zur Verbreitung und Ausformung des Gedankens des Synallagmas in der rechtshistorischen Entwicklung: Betti SZ Rom 82 (1962), 1 ff.; Benöhr (1965) – Synallagma; Rückert ZNR 1984, 40 ff. sowie unten: B. I. 3.b).

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A. Einleitung

man die Funktion, die Abhängigkeit der ausgetauschten Leistungen bei der Durchführung und Abwicklung des Vertrages sicherzustellen, dem sog. konditionellen Synallagma zu.145 Im BGB ist der Wegfall (auch) der Gegenleistung bei (zufälliger) Unmöglichkeit der Leistung allerdings ohne die Konstruktion solch einer in den Austauschvertrag hineingelesenen stillschweigenden (auflösenden) Bedingung der Parteien konstruiert, stattdessen ist die Unmöglichkeit als solche als gesetzlicher Aufhebungstatbestand konzipiert.146

Ohne an dieser Stelle tiefer in die dogmatische Diskussion, warum und wie genau die wechselseitigen Leistungspflichten beim vollkommenen gegenseitigen Vertrag miteinander verflochten sind, einzusteigen,147 lässt sich festhalten, dass das konditionelle Synallagma als „Schutznorm der Entgeltlichkeit“148 fungiert.

145  Emmerich in: MüKo (2012) – BGB, Vorbemerkung §§ 323–327 Rn. 15; Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.05.2013) – BGB, § 320 Rn. 6; Otto in: Staudinger (2009) – BGB, § 326 Rn. A.1, A4, ders./Schwarze a. a. O.Vorbem. zu §§ 320–326 Rn. 20, 30. 146  Dazu unten: B.II.1.a) (bei Fn. 29). 147  Ausführlich dazu m. w. N.: van den Daelen (1968) – Gegenseitiger Vertrag, S. 15 ff.; Schmidt-Rimpler (1968) – Gegenseitigkeit, S. 55 ff.; Dubischar in: FS Raiser (1974), 99 (101 ff.); Koller (1979) – Risikozuweisung, S. 9 ff.; Wolff (1998) – Zuwendungsrisiko, S. 108 ff. 148  Dubischar in: FS  Raiser (1974), 99 (112 ff.), auch: „Garantie des Entgelts (113); vgl. Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 7 mit Verweis auf Heck (1929) – SchuldR, S. 130 (§ 43.1): Vereitelung ungerechtfertigter Vermögensvorteile.

B.  Die Verteilung der Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung beim Kauf Der Kauf als praktisch wichtigster Anwendungsfall des Austauschvertrages zeichnet sich durch ein komplexes Zusammenspiel der Prinzipien der obligatorischen Gefahr­tragung und der Sachgefahrtragung aus. Die Preisgefahr, die für den Käufer darin besteht, dass im Falle einer zufälligen Sachverschlechterung oder des zufälligen Sachuntergangs der bereits bezahlte bzw. nun unbedingt zu zahlende Kaufpreis zur frustrierten Aufwendung wird, weil er keine (unversehrte) Ware erhält,1 ist der Sachgefahr stark angenähert. Denn man könnte den Schaden statt in der Frustrierung des Kaufpreises auch in der Sachbeeinträchtigung selbst sehen.2 Das liegt daran, dass die dem Verkäufer obliegende Leistung eine Sachleistung ist und gerade der diesbezügliche „Zuordnungswechsel das ‚Programm‘ des Kaufvertrages ausmacht“3. Von der Erfüllung der Sachverschaffungspflicht an hat der Käufer die Gefahr der verschafften Sache (=  des Leistungsgegenstandes) nach dem Prinzip casum sentit dominus zu tragen. Es kommt zu einem prinzipiellen Gleichlauf der obligatorischen Gefahr­tragung und der Gefahr der Sache, wenn sich die Leistung des Verkäufers in der Sachverschaffung erschöpft.4 So war der Kauf im antiken römischen Recht konzipiert, was prägend auch für das gemeine Recht war: Der Verkäufer schuldete lediglich die Übertragung eines speziellen Stücks in das Vermögen des Käufers. Zwischen den Parteien wurde die Vermögensverschiebung im Wesentlichen wohl bereits durch den Kaufabschluss bewirkt, und das dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass die (Preis-)Gefahr in diesem Moment überging (periculum est emptoris). In Bezug auf die nachträgliche Verschlechterung und den nachträglichen Untergang des verkauften Stücks ging es im Grunde darum, dem Verkäufer die Sachgefahr abzunehmen, obwohl er (bis zur Übergabe) noch Sacheigentümer war, und sie dem Käufer zuzuweisen, 1  Dass der Kaufpreis gezahlt werden muss, ergibt sich bereits aus dem Kaufvertrag und ist nicht die Folge des Schadensereignisses. Angesichts des zufälligen Sachuntergangs oder der zufälligen Sachverschlechterung wird die Zahlung aber ohne äquivalente Verkäuferleistung erbracht (wenn der Verkäufer von der Leistung frei wird), ist deshalb gleichsam „umsonst“ geschuldet, als Aufwendung „frustriert“; vgl. Möller in: FS Bötticher (1969), 261 (266). 2  Möller in: FS Bötticher (1969), 261 (266 f.). 3  Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 446, 447 Rn. 1. 4  Im Unterschied zu der gewöhnlichen Sachgefahrtragung des Eigentümers wird der Wertverlust beim Sachuntergang im Rahmen des Kaufverhältnisses aber nicht nach dem objektiven Sachwert, sondern nach der Parteivereinbarung – der Kaufpreisabrede – bemessen. Diese berücksichtigt außer den (subjektiven) Wert der Kaufsache auch den Leistungsaufwand des Verkäufers.

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B.  Die Verteilung der Gefahr beim Kauf

obwohl er das Sacheigentum noch nicht erworben hatte. Der Fortbestand der Kaufpreiszahlungspflicht (in voller Höhe) trotz Untergang oder Verschlechterung des verkauften Stücks war das Mittel zu diesem Zweck. In diesem Konzept betrafen Verschlechterung und Untergang die verkaufte Sache gar nicht mehr als „Leistungsgegenstand“, sondern bereits als Vermögensgegenstand des Käufers; sie beeinträchtigten deshalb auch nicht mehr die eigentliche Leistung des Verkäufers. Die reale Übergabe war nach diesem Verständnis nämlich weniger Erfüllungshandlung als vielmehr Herausgabe des Stücks, das dem Käufer bereits seit dem Vertragsabschluss vermögensmäßig zugeordnet war. Sie verschaffte dem Käufer regelmäßig das Sacheigentum, so dass ihm auch im Verhältnis zu Dritten uneingeschränkt und umfassend die Berechtigung an der verkauften Sache zugewiesen war. Die Eigentumsverschaffung als solche schuldete der Verkäufer aber nicht. Auch die Sachqualität war nicht Gegenstand seiner Leistung. Gegenstand der Erfüllung war mit Blick auf die Warenqualität allein die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses real gegebene Beschaffenheit. Wenn diese nicht der Beschaffenheit entsprach, die der Käufer aufgrund der Ankündigungen des Verkäufers oder nach dem Marktstandard erwarten durfte, konnte der Käufer unter bestimmten Voraussetzungen Minderung oder Rückzahlung des Kaufpreises verlangen (und nur bei Arglist oder Nichteinhaltung einer Garantiezusage auch auf das volle Interesse klagen); keinesfalls schuldete der Verkäufer aber die „Herstellung“ der vertragsgemäßen Qualität (hierher kommt das Verständnis der Gewährleistung als „Haftung“ wegen Ausbleibens eines an sich nicht geschuldeten Erfolges). In seiner Abhängigkeit von der Bewirkung der Leistung des Verkäufers konnte der Gefahrübergang deshalb prinzipiell nicht durch das Vorliegen von Sachmängeln verhindert werden. Sachmängel standen der Erfüllung nicht entgegen und daher auch nicht dem Gefahrübergang. Unter Umständen hatte allerdings die Erhebung der wegen des bei Vertragsschluss vorliegenden Mangels statthaften actio redhibitoria zur Folge, dass dem Gefahrübergang nachträglich seine Wirkung genommen wurde, weil der Verkäufer den Kaufpreis auch dann in voller Höhe zu erstatten hatte, wenn die verkaufte Sache nach dem Vertragsschluss zufallsbedingt beschädigt oder zerstört worden war. Auch das Kaufleitbild des BGB von 1900 sah noch ganz ähnlich aus: der Kauf als Geschäft über die Abgabe/Verschaffung eines individuell bestimmten Stücks gegen Zahlung des Kaufpreises mit einer lediglich auf die Anpassung des Kaufpreises gerichteten Gewährleistungspflicht im „Mangelfall“ statt eines (Nach-) Erfüllungsanspruchs des Käufers auf Sachmangelfreiheit. Im Unterschied zum römischen Recht schafft der Abschluss des Kaufvertrages nach der schuld- und sachenrechtlichen Systematik des BGB aber ausschließlich einen Anspruch auf die Sachlieferung. Die eigentliche „Verschiebung“ der verkauften Sache in das Vermögen des Käufers erfolgt – auch und gerade mit Wirkung zwischen den Parteien – grundsätzlich erst mit der zur Erfüllung des Kaufvertrages vorgenommenen Übergabe. Ihr kommt also in etwa die sachzuordnende Wirkung zu, die im antiken



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römischen Recht mutmaßlich schon der Abschluss des Vertrages hatte. Wegen der Beziehung, die sie zwischen der verkauften Sache und dem Käufer im Verhältnis zum Verkäufer schafft, konnte die Übergabe im BGB von 1900 als der (auch) für die Verteilung der obligatorischen Gefahr­tragung zwischen den Vertragsparteien wesentliche Erfüllungsakt angesehen werden, obgleich die Verkäuferleistung seither auch die Verschaffung des Sacheigentums einschließt. Diese Bedeutung der Übergabe wurde auch bei Vorliegen von Sachmängeln nicht in Frage gestellt. Denn auch dem Kaufrecht unter dem BGB von 1900 war die Vorstellung, dass der Verkäufer die verkaufte Sache in einer anderen als der bei Vertragsschluss real gegebenen Beschaffenheit zu leisten habe, noch fremd. Zwar ergibt sich daraus im Zusammenhang mit dem „Hinausschieben“ des für die Erfüllung und den Gefahrübergang maßgeblichen Zeitpunkts (bis zur Übergabe), dass es seine Erfüllungstauglichkeit eigentlich beeinträchtigte, wenn das verkaufte Stück die vertragsanfängliche Beschaffenheit wegen einer nachträglichen Verschlechterung (zwischen Vertragsschluss und Übergabe) verlor. Auch zur (Wieder-)Herstellung der geschuldeten (vertragsanfänglichen) Beschaffenheit, war der Verkäufer aber nach dem Gesetz nicht verpflichtet. Stattdessen wurden solche Störungsfälle schlechthin als Thema der Preisgefahrtragung erfasst (durch „Hinausschieben“ auch des für die Gewährleistung maßgeblichen Zeitpunkts bis zur Übergabe) und mit dem Instrumentarium des Gewährleistungsrechts bewältigt, soweit sie noch dem Verkäufer zur Last fielen. Indem sie ggf. als gewöhnliche Sachmängel behandelt wurden, wurden sie in den Bereich der „Haftung“ des Verkäufers wegen Ausbleibens eines an sich nicht geschuldeten Erfolges abgedrängt. Das täuschte darüber hinweg, dass es insoweit eigentlich um Erfüllungshindernisse ging, die den Übergang der Preisgefahr beeinträchtigen müssten, weil dessen Mindestvoraussetzung die Erbringung der erfüllungstauglichen Leistung ist. Dass demnach weiterhin allein die Verschiebung eines bestimmten Stücks in das Käufervermögen (die Erfüllung der Übergabe-Pflicht zur Verschaffung der „faktischen Herrschaftsbefugnis“) als für den Gefahrübergang maßgeblich angesehen wurde, hatte die Aufrechterhaltung des Gleichlaufs von obligatorischer Gefahr und Sachgefahr zur Folge. Es blieb aber dabei, dass die Ausübung der „Kaufpreiserstattungsbefugnis“ (nunmehr als Wandelungsanspruch ausgestaltet) die Wirkungen des Gefahrübergangs neutralisierte. Dies wurde überwiegend als „Zurückspringen“ der Preisgefahr beschrieben. Die Integration des Gattungskaufs in dieses Konzept musste dogmatische Probleme bereiten. Denn beim Gattungskauf erschöpft die Verkäuferleistung sich naturgemäß nicht in der Verschaffung von Eigentum und Besitz an einem realkörperlich bestimmten Stück. Welches konkrete Stück die Kaufsache ist, steht im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht fest; vielmehr ist der Leistungsgegenstand zunächst nur nach qualitativen Merkmalen beschrieben. Gerade die Herstellung/Lieferung dieser Beschaffenheit ist der Gegenstand der Verkäuferleistung. Entspricht das Stück, das der Verkäufer durch die Sachübergabe in das Vermögen des Käufers verschiebt, nicht der vertraglichen Spezifikation, kann nicht die Rede

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B.  Die Verteilung der Gefahr beim Kauf

davon sein, dass der Verkäufer durch die Übergabe seine Leistung im Wesentlichen bewirkt habe. Unter diesen Umständen behält der Käufer grundsätzlich seinen Anspruch auf Lieferung vertragsgemäßer Ware und der Verkäufer dementsprechend seinen Anspruch auf den Kaufpreis (so war und ist es im Rahmen der Ersatzlieferung, wenn also der Gattungskauf im Mangelfall nach den Sachgesetzlichkeiten der Gattungsschuld und nicht wie eine Stückschuld behandelt wird). Unabhängig von der Verteilung der Sachgefahr in Bezug auf das gelieferte vertragswidrige Stück in dieser Situation ändert sich an der ursprünglichen Verteilung der obligatorischen Gefahr jedenfalls nichts. Denn das vertragswidrige Stück ist nicht Erfüllungsobjekt und daher auch nicht Bezugspunkt der obligatorischen Gefahr­tragung. So zeigte sich bereits unter dem BGB von 1900 am Gattungskauf deutlich, dass die Sachübergabe nur dann eine Veränderung der obligatorischen Gefahr­tragung bewirkt, wenn sich das Stück, das Gegenstand der Übergabe ist, als Erfüllungsobjekt qualifiziert (die §§ 446, 447 sprechen immerhin von der Übergabe bzw. Versendung der „verkauften Sache“). Dazu muss es vertragsgemäß beschaffen sein, wenn die vertragsgemäße Beschaffenheit zum Inhalt der Erfüllungspflicht gehört. Deshalb kann es nicht ohne Auswirkungen auf die Risikoverteilung beim Kauf geblieben sein, dass das BGB seit der Schuldrechtsreform die Erfüllungspflicht des Verkäufers in jedem Fall auch auf die Sachmangelfreiheit bezieht und für den Käufer vorzugweise einen Nacherfüllungsanspruch, sonst die Rechte des allgemeinen Leistungsstörungsrechts (wegen Nichterfüllung  – modifiziert und ergänzt durch kaufrechtliche Sonderregeln, ein Gewährleistungsrecht i. S. der „Haftung“ des Verkäufers wegen Ausbleibens eines an sich nicht geschuldeten Erfolges gibt es aber nicht mehr) vorsieht, falls der Verkäufer diese Pflicht verletzt. Der Stückkauf steht nicht mehr im Mittelpunkt des Kaufrechts. So wie ihn das BGB von 1900 ausgestaltet hat, rechnet das Gesetz überhaupt nicht mehr mit ihm. Denn wenigstens unter dem Aspekt, eine zufallsbedingte (reparable) Verschlechterung der verkauften Sache durch Nachbesserung beseitigen zu müssen, liegt nunmehr in jedem Fall die Leistungsgefahr beim Verkäufer. Das Leitbild des reformierten Kaufrechts kennt auch die kategorische Unterscheidung zwischen Stückkauf und Gattungskauf nicht mehr. Es vereint vielmehr Merkmaler beider Kaufvarianten, auch wenn es zwischen den Schuldtypen natürlich nach wie vor Unterschiede gibt. Der wichtigste Unterschied besteht darin, dass das Erfüllungsobjekt beim Stückkauf nicht ausschließlich durch die Beschreibung der (Soll-)Beschaffenheit, sondern auch individuell bestimmt ist (ob das Kaufrecht den darin liegenden Unterschied, dass beim Stückkauf kein anderes als das bei Vertragsschluss individualisierte Stück als Erfüllungsobjekt in Betracht kommt, eingeebnet hat, ist allerdings umstritten). Obgleich das Erfüllungsobjekt beim Stückkauf auch realkörperlich individualisiert ist (und selbst wenn im Mangelfall grundsätzlich nicht ersatzweise ein anderes Stück als Erfüllungsobjekt in Frage kommt), qualifiziert sich das Stück, das im maßgeblichen Zeitpunkt nicht mangelfrei ist, jedenfalls nicht ohne Weiteres als das Erfüllungsobjekt, selbst wenn die Parteien dieses Stück bei Vertragsschluss



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ausgewählt haben. Denn geschuldet ist nicht die ausgewählte Sache, wie sie ist, sondern die ausgewählte Sache, wie sie zu sein hat. Eine mangelhafte Sache ist nicht erfüllungstauglich. Zur Erfüllung eignet sie sich nur dann, wenn der Verkäufer die Erfüllungstauglichkeit (durch Nachbesserung) herstellt oder wenn der Käufer sich mit dem mangelhaften Stück (gegen Minderung des Kaufpreises) zufriedengibt. Gegenstand der Verkäuferleistung ist nunmehr also auch beim Stückkauf nicht mehr nur die Verschiebung eines bestimmten Stücks vom Vermögen des Verkäufers in das Vermögen des Käufers, sondern auch die Herstellung einer bestimmten Sachbeschaffenheit an und mit diesem Stück. Deshalb kann auch die Übergabe im Falle der Lieferung mangelhafter Ware mit Blick auf den Gefahrübergang und die weitere Verteilung des Risikos der zufälligen Verschlechterung und des zufälligen Untergangs des übergebenen Stücks nicht dieselbe Wirkung haben wie im Falle der Lieferung mangelfreier Ware. Es ist das Anliegen dieser Arbeit, die Frage zu untersuchen, welche Konsequenzen es für die Verteilung der Preisgefahr (§§ 446, 447) insbesondere in ihrer die Leistungsgefahr (§§ 433 Abs. 1 S. 2, 434 Abs. 1, 437 Nr. 1, 439 Abs. 1) begrenzenden Funktion sowie für die Reichweite der Nacherfüllungspflicht, in der die Belastung des Verkäufers mit der Leistungsgefahr aufgelöst ist, hat, wenn das Stück, das der Verkäufer bei einem Erfüllungsversuch einsetzt, mangelhaft beschaffen ist. Dieser Untersuchung soll zunächst die Grundlage bereitet werden, indem der historische Hintergrund der Gefahr­tragung beim Kauf nachvollzogen wird und insbesondere die Verteilung der Preisgefahr im BGB von 1900 in ihrem Zusammenspiel mit dem Gewährleistungsrecht näher analysiert wird.

I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris Die vorliegende Arbeit beruht auf der Annahme der heute herrschenden Meinung in der Romanistik, dass die Regel periculum est emptoris klassischen Ursprungs ist1 und dass es sich dabei auch nicht nur um eine kasuistische, sondern – mit aller gebotenen Vorsicht2 – um die generelle3 Gefahr­tragungsregel beim Kauf, wie ihn die Römer kannten, handelte4. Es ist zwar Rabel darin zuzustimmen, dass so manche ratio für die Anerkennung dieser Regel erst nachträglich von den Gelehrten ersonnen worden ist;5 aber gerade darauf kommt es bei der Untersuchung des historischen Hintergrundes der modernen Gefahr­tragungsregeln an. Denn die Entwicklung der Gefahr­tragungsregeln in den kontinentalen Rechtsordnungen ist von der Auseinandersetzung mit periculum est emptoris gekennzeichnet.6 Deshalb bedarf es hier auch keiner näheren Aus-

1 Insbesondere entgegen Haymann SZ Rom 41 (1920), 44 (172  ff.); ders. SZ Rom 48 (1928), 314 ff.; vgl. auch Betti SZ Rom 82 (1965), 1 (12.). Im Überblick dazu: Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 ff.; Vollmer (1932) – Übergabe, S. 9 ff.; Schilcher JBl 1964, 395 (397); Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 38 f.; Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 16 (Fn. 57); Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 20 (Fn. 1); Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 26 f.; Mayer-Maly (1999) – Röm. Recht, S. 139; Ewert (2007) – Gefahr­tragung, S. 5. 2 Dazu Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 26 f.: „Die verschiedenen Lehren der Gefahr­ tragung können nicht abstrakt diskutiert werden. Ebensowenig ist es möglich, das klassische Recht der Gefahr­tragung darzustellen, indem man von einem allgemeinen Prinzip ausgehend zur Lösung besonderer Fallkonstellationen schreitet. Dem klassischen Recht waren theoretische Abhandlungen über juristische Konzepte fremd; die Konzepte kristallisierten sich erst aus einer Vielzahl von Einzelfallentscheidungen in Form von Erfahrungssätzen heraus.“ 3  D. h. für den unbedingten Kauf über individuell bestimmte Ware. Zwar mag für bestimmte Varianten der emptio venditio ein anderes gegolten haben, so insbesondere für den bedingten Kauf, den Kauf einer bestimmten Menge vertretbarer Sachen aus vorhandenem Vorrat, den Kauf mit Preisbestimmung ad mensuram; dazu Bauer (1998)  – Periculum emptoris, S. 31–59. Die vorliegende Arbeit beruht aber – ebenfalls mit der heute ganz herrschenden Meinung in der Romanistik – auf der Annahme, dass die periculum emptoris-Regel der Ausdruck eines Kaufverständnisses ist, dem ein „Gattungskauf“ fremd gewesen sein muss. 4  Insbesondere entgegen Rabel SZ Rom 42 (1921), 543 (555); ders. (1958) – Warenkauf II, S. 299 ff.; zu ihm, Vertretern derselben oder ähnlichen Ansichten: Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 39; Schilcher JBl 1964, 395 (397); Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 26 f. 5  Rabel (1958) – Warenkauf II, S. 302. Filios (1964) – Gefahr­ tragung, S. 11 f. bezeichnet die Bemühungen der gemeinrechtlichen Theorie, dogmatische und den berechtigten Interessen entsprechende Grundlagen des Prinzips periculum est emptoris zu entwicklen, als „Meisterwerke der Begriffsjurisprudenz“. 6 Vgl. Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 39.



1.  Inhalt, Bedeutung und Reichweite der periculum emptoris-Regel

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einandersetzung mit der Auffassung Hofmanns7. Er war der Meinung, dass es gar nicht sinnvoll sei, periculum est emptoris zu hinterfragen und sachlich begründen zu wollen, weil der Satz bereits mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des klassischen römischen Rechts nicht in Einklang zu bringen und insofern „singulär“ gewesen sei. Denn selbst wenn die Käufergefahrtragung im klassischen römischen Recht eine nur historisch zu erklärende8 Singularität gewesen sein sollte, würde dies doch nichts daran ändern, dass sie von den Anfängen der mittelalterlichen Rechtswissenschaft bis zur Theorie des jüngeren gemeinen Rechts, insbesondere in der deutschen Pandektenwissenschaft9 mit Begründungen „unterfüttert“ wurde, welche die moderne Gesetzgebung auf die eine oder andere Weise beeinflusst haben.10 Es ist außerdem mit der heute wohl ebenfalls herrschenden Meinung davon auszugehen, dass das antike römische Recht keinen (reinen) Gattungskauf als solchen gekannt hat, dass die emptio venditio also auch als obligatorischer Konsensualkontrakt des klassischen Rechts (wahrscheinlich wegen der unmittelbar objektzuordnenden Wirkung des Kaufkonsenses)11 noch auf den Stückkauf beschränkt war, und dass das gesamte Recht der emptio venditio exklusiv auf diesen Typus zugeschnitten war.12

1.  Inhalt, Bedeutung und Reichweite der periculum emptoris-Regel Im römischen Recht ging die Gefahr bereits mit dem Abschluss des Kaufvertrages auf den Käufer über. Der Sinn dieser Regelung erschließt sich daraus, wie der Kauf tatsächlich vorkam, also was verkauft wurde und wie es verkauft wurde, sowie aus den rechtlichen Wirkungen, die dem Kaufabschluss vor diesem Hintergrund 7 

Hofmann (1870) – Periculum, S. 21–28 (§§ 9 f.). Hofmann (1870) – Periculum, S. 22 f. sowie Beilage II ging davon aus, dass die Regel aus dem griechischen Recht stamme und von dort bereits in das römische Zwölftafelgesetz Eingang gefunden habe. 9 Dazu Pennitz (2000) – Periculum rei venditae, S. 8 ff. 10 Nach Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 48 sind in den gemeinrechtlichen Abhandlungen zur Begründung der periculum est emptoris-Regel zwei Hauptrichtungen auszumachen: „Die ältere Gemeinrechtswissenschaft bemühte sich vor allem darum, die Regel … in das allgemeine System der Gefahrverteilung bei der Obligation einzuordnen. Die jüngere Gemeinrechtswissenschaft versuchte dagegen, die Gefahrbelastung des Käufers aus den Besonderheiten des Kaufvertrages zu erklären“. 11  Dazu unten: B. I. 1.a)ii). 12  Dazu mit überzeugender Begründung und Widerlegung der in der Vergangenheit geäußerten Gegenansichten: Bechmann (1884) – System des Kaufs I, S. 331 f.; Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (121 ff.); Bauer (1998)  – Periculum emptoris, S. 38, 98 f.; Ernst in: GS KnobbeKeuk (1997), 49 (51 ff.); ders. SZ Rom 114 (1997), 272 ff.; ders. ZEuP 1999, 583 (590–606); Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 97–113; Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 45–52; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 236 ff. Ein neuerer Vertreter der Gegenansicht ist Bessenyö in: Kaufen nach römischem Recht (2008), 1 ff. 8 

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

beigemessen wurden. Durch die Anforderungen, die an den Abschluss des Kaufvertrages sowie an die Haftung des Verkäufers für Schäden, die an der verkauften Sache noch in seiner Obhut auftraten, gestellt wurden, erfuhr die vermeintlich harsche Regelung der Gefahr­tragung eine erhebliche Abmilderung.

a)  Das „Kaufleitbild“ des römischen Rechts13 Die Ursprünge des Kaufs liegen naturgemäß und deshalb nicht nur im alten Rom, sondern überall, in der persönlichen Bedarfsdeckung mittels des Austauschs von Sachleistungen. Um diesen Vorgang zu flexibilisieren und regelrechten (Tausch-) Handel zu ermöglichen, kam man bald auf die Idee, eine der beiden Sachleistungen durch ein allgemein akzeptiertes Wertäquivalent zu ersetzen. Die Ursprünge des Kaufs fallen also mit der „Erfindung“ des Geldes zusammen.14 Dass pecunia, das lateinische Wort für Geld, sich von pecus (= Vieh, Kleinvieh) ableitet, mag daran liegen, dass tatsächlich einmal mit Viehstücken bezahlt wurde, bevor Barrengeld und schließlich Münzgeld aufkam.15 Zwischen dem Tausch „Ware gegen Ware“ und dem Kauf „Ware gegen Geld“ liegt jedenfalls eine Übergangsphase, während der Waren gegen sog. Natural-, Waren- oder Nutzgeld „getauscht“ wurden.

i)  Kauf als realer Austausch „Ware gegen Geld“ In seiner primitivsten Frühform war der Kauf stets Natural- oder Realkauf16, d. h. Geschäftsabschluss und -vollzug fielen praktisch zusammen: Käufer und Verkäufer trafen sich, und sobald man sich einig war, entrichtete der Käufer den Kaufpreis (so gesehen: Barkauf) und der Verkäufer überließ ihm die Ware (so gesehen: Handkauf). Deshalb war es weder notwendig noch sinnvoll, gedanklich zwischen dem Verpflichtungsmoment und der Verfügung zu trennen. Der Kauf erschien als wechselseitige Verfügung und der ihr zugrundeliegende Konsens war zunächst nur insofern von Interesse, als er die causa dafür bildete, dass der Käufer die Ware und der Verkäufer das Geld behalten durfte. Die Annahme, dass seinerzeit eine dem realen Austausch „Ware gegen Geld“ vorausgehende Verabredung der Parteien ggf. nicht selbst als Teil des Kaufs erfasst 13  Die folgende Kurzdarstellung der frühen historischen Entwicklung des Kaufs und des Kaufrechts orientiert sich vor allem an Ernst ZEuP 1999, 583 (590–597) und Yaron 2 RLT (2004), 59 ff. Übersichtliche Darstellung m. w. N. auch bei Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 94–113; Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 33–53. Für eine detaillierte Darstellung sei verwiesen auf Bechmann (1876) – Geschichte des Kaufs. 14  Dazu m. w. N.Vollmer (1932) – Übergabe, S. 8 f. 15  Möglicherweise diente Vieh auch nur als Symbol für das Vermögen. 16  „Realkauf“ meint hier nur das Phänomen, dass der Kauf(konsens) ursprünglich wohl immer von beiden Seiten sofort vollzogen wurde. Es soll nicht implizieren, dass der Kauf in seiner Entwicklung zu einem Konsensualvertrag das Durchgangsstadium eines Realkontrakts durchlaufen habe, bei dem der Verkäufer durch die effektive Warenleistung den Käufer zur Kaufpreiszahlung (in bar) verpflichtet habe. Gegen die Realvertrag-Theorie vom Kauf, mit der persönlich vor allem Alfred Pernice in Verbindung gebracht wird: Ernst ZEuP 1999, 583 (593 f.); Bessenyö in: Kaufen nach röm. Recht (2008), 1 (3); Bechmann (1876) – Geschichte des Kaufs, S. 17 f.



1.  Inhalt, Bedeutung und Reichweite der periculum emptoris-Regel

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wurde, findet Bestätigung auch in der überlieferten Form der Manzipation.17 Diese war tatsächlich ein Kauf gewesen, bevor sie zu einem abstrakten Übereignungsgeschäft umfunktioniert wurde, das einen Kauf nur noch symbolisierte.18 Auch bei der Manzipation fielen nicht einfach vertragliche Verpflichtung und Vollzug derselben zeitlich zusammen. Denn eine Verpflichtung, die hätte erfüllt werden können (und zu diesem Zweck dem Vollzug mindestens eine „juristische Sekunde“ hätte vorausgehen müssen), gab es dabei nicht.19 Das Einigsein über den Austausch bildete auch hier nur den Grund dafür, dass der Käufer die übergebene Sache im Verhältnis zum Verkäufer dauerhaft behalten20 durfte und zu Eigentum erwerben21 konnte. Die Vorstellung, durch den Kaufakt Leistungspflichten zu erzeugen, wird den Römern dieser Zeit dagegen noch fremd gewesen sein.22 Dies entspricht der rechtlichen Behandlung der Handschenkung nach § 516, bei der es sich auch nicht um ein Rechtsverhältnis, das sofort vollzogen wird, handelt, sondern um einen Rechtsakt, bei dem Zuwendung und Einigung über die Unentgeltlichkeit zusammenfallen.23 Der Kauf wird also ursprünglich ein „nicht-promissorischer objektbezogener Zuordnungsakt“24 gewesen sein. In dieser Form konnte der Kauf nur als, wie wir heute sagen, „Platzhandel“ vorkommen, d. h. als Geschäft zwischen Anwesenden über präsente Ware, und der Handelsplatz war in aller Regel das forum, der Marktplatz. Da die Ware unmittelbar vorlag, hatte der Käufer die Gelegenheit, ihre Qualität zumindest äußerlich zu prüfen25 und, falls sie ihm zusagte und es 17  Jörs/Kunkel/Wenger (1987) – Röm. Recht, S. 304; vgl. Bechmann (1876) – Geschichte des Kaufs, S. 8, 14 f. 18 Auch dieser Manzipationskauf war Realkauf, d. h. der unmittelbare Austausch der Ware (in diesem Fall: res mancipi) gegen das Kaufgeld (pretium), allerdings musste sich der Austausch hierbei in einer bestimmten Form vollziehen (deshalb auch „Formalkauf“, Jörs/Kunkel/ Wenger (1987) – Röm. Recht, S. 304), dazu: Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 47 (§ 7.2), 223 (§ 41.1); Honsell  (2010) – Röm. Recht, S. 33, 123; Harke  (2008) – Röm. Recht, S. 241 f. (§ 14.21–23). 19  Vgl. zum Realkauf nach deutschem Recht v. Gierke (1917) – Deutsches PrivatR III, S. 437 f. (§ 192): „Die Annahme, dass auch hier [beim Realkauf] stets ein zur Veräußerung verpflichtender Schuldvertrag zugrunde liege, der nur eben mit seiner Erfüllung zusammenfalle, ist eine dem Lebensvorgang widersprechende Fiktion. Vielmehr erfogt die Veräußerung selbst kaufweise.“ 20 Zur causa als „Behaltegrund“ Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 35 (Fn. 26). 21  Das quiritische Eigentum an res mancipi wurde allein durch die formgerechte Durchführung des Rituals vom Berechtigten erworben; bei nicht-förmlicher Übergabe oder bei Manzipation durch den Nichtberechtigten konnte Eigentum an res mancipi nur durch Ersitzung erworben werden. 22  Ernst ZEuP  1999, 583 (592 ff.); Dieckmann  (2007) – Nacherfüllung, S. 34  f.; Honsell (2010) – Röm. Recht, S. 123. 23  Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 192 f., 248. 24  Ernst ZEuP 1999, 583 (592, 594); ders. in: FS Mayer-Maly (2002), 159 (165 f.), ders. in: FG Flume (1998), 1 (37 f.). 25  Das ist der Hintergrund des „caveat emptor“-Gedankens; dazu: Zimmermann (1996) – Obligations, S. 307 f., 311; Hausmaninger/Selb (2001) – Röm. PrivatR, S. 242 f.; kritischer dogmengeschichtlicher Beitrag: Hamilton 40 YLJ (1931), 1133 ff. Zugleich erklärt sich daraus, warum eine vorvertragliche Fahrlässigkeitshaftung wie die moderne culpa in contrahendo den Römern fremd war; vgl. dazu Giaro – C. i. c., in: Das BGB und seine Richter (2000), 113 (114); Zimmermann (1996) – Obligations, S. 603 f.; kurz und knapp zur Entwicklung der „c. i. c.“: Bucher

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

zum Kauf kam, die Ware sogleich an sich zu nehmen. Angesichts der damaligen Handelsware (handwerkliche oder landwirtschaftliche Erzeugnisse, Sklaven, Vieh etc.) und des Standes der Technik dürfte den Römern die Vorstellung geradezu absurd vorgekommen sein, dass Ware in einer anderen Beschaffenheit als in derjenigen, in der sie beim Kaufabschluss tatsächlich vorlag, zu leisten und deshalb etwa Nachbesserung geschuldet sein könnte, falls sie nicht der Qualitätserwartung des Käufers entsprach.26 Die „Sachmangelhaftung“ war deshalb auch ursprünglich eine (Schadenersatz-)Haftung des Verkäufers für arglistiges Verhalten oder für die Verletzung garantiemäßiger Zusagen.27   Zu dem Bild des Platzhandels über verfügbare Ware, die realkörperlich feilgeboten wird, passen auch weder ein „Leerverkauf“, wobei der Verkäufer sich zur Übergabe von Ware verpflichtet, die er noch nicht hat und deshalb zunächst beschaffen oder herstellen muss,28 noch ein „Termingeschäft“, wobei zwischen Geschäftsabschluss und Geschäftsvollzug planmäßig eine bestimmte zeitliche Verzögerung liegt29.30 All dies spricht dafür, dass ein „Lieferungskauf“, insbesondere ein solcher über Sachen, die nicht individuell, sondern nur nach generischen Merkmalen bestimmt waren (also ein Gattungskauf mit regelrecht abstraktem Schuldgegenstand)31,32 „inkommensurabel“33 war mit der römischen Vorstellung in: FS Huwiler (2007), 137 (154 f.). Vgl. auch den Grundsatz „Wer den Beutel autut, tue die Augen auf, man kauft die Sache eben, wie sie ist“, dazu Rabel (1955) – Grundzüge, S. 109. 26  Zum „Grundsatz vom verkäufersässigen Kaufobjekt” Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (137); dazu: Ernst SZ  Rom  114 (1997), 272 (327). Zur „verkäufereigenen Qualität“ Bucher (1988) – ORBT, S. 59; insb. zu den Gründen, warum die Römer keine Nachbesserung kannten („technischer Fatalismus“): Ders. in: FS Welser (2004), 93 (101) sowie in: FS Huwiler (2007), 137, (151). 27  Denn sofern der Käufer die Ware nicht selbst überprüfen konnte, war er darauf angewiesen, dem Verkäufer vertrauen zu können. Davon abgesehen war es durchaus üblich, dass der Verkäufer garantiemäßige Erklärungen über das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften oder die Abwesenheit von Fehlern abgab. 28  Die Warenbeschaffung/-herstellung ging dem Kauf also ggf. als Vorbereitungshandlung voraus, war selbst nicht Teil des Geschäfts. 29  Der Verkäufer war immerhin erfüllungsbereit und daran interessiert, die Ware, die er anbot, ohne Verzögerung abzusetzen, denn „nur wer eine Sache sofort loswerden will, schafft sie von auswärts her auf den Markt“; Bucher in FS Huwiler (2007), 138 (141 f.); vgl. bereits ders. ZSR 1970, 281 (291 ff.); dazu noch unten: B. I. 1.c)vi). 30 Vgl. Ernst ZEuP 1999, 583 (588 f., 620). 31  Dagegen kannte das römische Recht den Kauf vertretbarer Sachen (res, quae pondere numero mensura constant) aus einem vorhandenen Vorrat als solchen, die sog. emptio ad mensuram oder emptio pondere numero mensura; dazu: Ernst (1981) – Periculum emptoris, S. 61–66; ders. in: GS Knobbe-Keuk (1997), 40 (54–57); ders. SZ Rom 114 (1997), 272 (303–319); ders. ZEuP 1999, 583 (597–600); Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 38–41; Pennitz (2000) – Periculum rei venditae, S. 279 ff. vgl. Rüfner (2000) – Vertretbare Sachen, S. 49–52. Bei dem Akt der Ausscheidung der verkauften Ware aus dem verkäufereigenen Vorrat (mensura) ging es allerdings anders als beim modernen Gattungskauf, der ja auch als „Vorratskauf“ („beschränkter Gattungskauf“) vorkommt, nicht um die „Konkretisierung“ eines zunächst abstrakt, nur nach qualitativen Merkmalen beschriebenen Schuldobjekts, sondern lediglich um die richtige Mengenabmessung der bereits ausgewählten Ware. Auf die Warenbeschaffenheit kam es dabei nicht mehr an, weil es sich um vertretbare Sachen aus einem Vorrat handelte, der vom Käufer im Ganzen bereits bei Vertragsschluss als erfüllungstauglich „gebilligt“ worden war; dazu Ernst ZEuP 1999, 583 (599 f., 624 f.). 32  Zum Begriffsverständnis „Gattungskauf/Lieferungskauf”: Ernst SZ Rom 114 (1997), 272 (272–275). 33  Flume (1990) – Rechtsakt und Rechtsverhältnis, S. 57 (Fn. 14).



1.  Inhalt, Bedeutung und Reichweite der periculum emptoris-Regel

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vom Kauf,34 die geprägt war von der Abgabe vorrätiger Ware35. Angesichts der mannigfachen „Ersatzformen“, mittels derer Geschäfte über die Beschaffung und Lieferung von individuell zunächst noch unbestimmter Ware verbindlich gestaltet werden konnten,36 dürfte es den praktischen Bedürfnissen des Handels allerdings nicht zuwidergelaufen sein, dass solche Geschäfte nicht gerade als Kauf abgeschlossen werden konnten. Schließlich spricht das Modell des Platzhandels auch dafür, dass der Kauf nach seiner Leistungstätigkeit eine Holschuld war, es also keinen Distanz-/Versendungskauf mit, wie wir heute sagen, Bringoder Schickschuldcharakter gab.37

ii)  Kauf als Konsensualvertrag (emptio venditio) Im Laufe der Zeit wurde aus dem konsensualen „Kern“, der bereits dem Realkauf innewohnte,38 die Vorstellung von einem gegenseitig verpflichtenden Kaufvertrag entwickelt, der Grund für Klagen auf Kaufpreiszahlung (actio venditi) bzw. Warenübergabe (actio empti) sei. Dies geschah, indem wohl zuerst die reale Kaufpreiszahlung, bald auch die Warenübergabe vom Kaufabschluss getrennt wurden:

34 Dazu Zimmermann  (1996)  – Obligations, S. 236 ff., insb. 238: „[I]n a system where the parties get together on the marketplace and exchange their performances on the spot, it is evident that the objects of the sale are those specific items which the vendor has actually brought along. A generic sale, under these circumstances, is a logical impossibility.”, vgl. Bucher in: FS Huwiler (2007), 137 (150 ff.). Siehe außerdem, die Exklusivität des Stückkauf-Modells noch zu Zeiten des obligatorisch wirkenden Konsensualkaufs mit der unmittelbar objektzuordnenden Wirkung des Kaufkonsenses begründend: Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (51); ders. SZ Rom 114 (1997), 272 (275 f., 300); ders. 1999 ZEuP, 583 (585, 591 ff., 597 ff.); Flume (1990) – Rechtsakt und Rechtsverhältnis, S. 57 („inkommensurabel“, Fn. 14); Bauer  (1998) – Periculum emptoris, S. 18, 29, 28, 98 f.; Seckel/Levy SZ Rom 41 (1927), 117 ff.; Harke (2008) – Röm. Recht, S. 123 f. (§ 8.10); Dieckmann 2007 – Nacherfüllung, S. 45 ff.; Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 25 m. w. N. Bei Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 185, 224 (§ 34.22, § 41.8) wird der Verkauf einer Sachmenge aus vorhandenem Vorrat als „beschränkter Gattungskauf“ bezeichnet, freilich nicht ohne die sachlichen Unterschiede zum reinen Gattungskauf über die Vorratsbeschränkung hinaus zu unterstreichen. 35 Zur Unterscheidung von Abgabe- und Beschaffungsschulden: Heck (1929) – SchuldR, S. 86 f. (§ 28.3/4). 36 Ausführlich dazu: Ernst SZ Rom 114 (1997), 272 (276–291); ders. in: GS KnobbeKeuk (1997), 49 (51 f.); ders. ZEuP 1999, 583 (585–588, 600–606); vgl. Schürholz (2005) – Nacherfüllung, 109 ff. 37  Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (140 ff.). Der Handel im römischen Reich war offenbar „ganz überwiegend kein Bestellhandel“, sondern „Absatzhandel, bei dem die Ware jeweils in Spotgeschäften auf die nächst niedrigere Handelsstufe weitergegeben wurde“; Ernst ZEuP 1999, 583 (588, 606, 608 Fn. 92); vgl. dazu auch Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 50 f. 38  Ernst beschreibt dies als die Übereinkunft darüber, „daß eine bislang vom Verkäufer bestimmte Sache gegen die Zahlung des Kaufgeldes der Bestimmung des Käufers unterliegen soll“ (ZEuP  1999, 583 (592)), dass sie verkauft ist. Der konsensuale Kern des alten Realkaufs war „nicht-promissorisch“, erzeugte also „keinerlei Leistungsprogramm“. Er bewirkte allein die mit Geld erkaufte verbindliche Zuordnung der Kaufsache zum Käufervermögen; vgl. a. a. O. (592, 594), und diese Wirkung behielt der Kauf offenbar auch als Konsensualvertrag; ders. in: FG Flume (1998), 1 (37 f.); ders. (2000) – Einrede, S. 52 ff.; Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 75 ff.; Michaels (2000) – Sachzuordnung, S. 61, 70 f.

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

Zunächst wurde anerkannt, dass die Kaufpreiszahlung, die eigentlich notwendige Voraussetzung des Kaufakts war, auch durch das stipulationsförmliche (und daher klagbare) Versprechen der Kaufpreiszahlung ersetzt werden könne.39 Später erblickte man den Grund für die Klage auf den (kreditierten) Kaufpreis in dem Kaufkonsens selbst (also nicht mehr in einer separaten Stipulation). Von dort aus lag die Annahme nicht mehr fern, dass kraft des Kaufkonsens auch das Versprechen der Warenübergabe genau so viel wert sei wie die reale Warenübergabe, dass die Ware eigentlich schon kraft des Kaufkonsenses dem Käufer gehöre. Die Anerkennung der Verpflichtungswirkung des nicht-förmlichen Konsenses sowie die Trennung von verpflichtendem und vollziehendem Rechtsakt brachte es aber mit sich, dass das römische Kaufrecht die sachzuordnende Wirkung des Kaufvertrages auf das Verhältnis der Parteien zueinander beschränkte.40 Diese unmittelbar sachzuordnende Wirkung des Kauf(konsense)s war vermutlich der Grund der Käuferklage, bevor ein allgemeines Institut des Konsensualvertrages entwickelt wurde.41 Mit der Annahme, dass die emptio venditio bis mindestens in die klassische Epoche des römischen Rechts hinein diese unmittelbar sachzuordnende Wirkung behalten, dass sie zumindest „ein bisschen“ dinglich gewirkt habe, steht und fällt angesichts des sachenrechtlichen Spezialitätsprinzips auch die Exklusivität des Stückkauf-Modells des antiken römischen Kaufrechts (d. h. kein „reiner“ Gattungskauf)42, von der wiederum Reichweite und Bedeutung des Satzes periculum est emptoris sowie die Nachvollziehbarkeit desselben als die Gefahr­tragungsregel des klassischen römischen (Kauf-)Rechts abhängen.43 Die These ist, dass bei der klassischen emptio venditio an die Stelle der sofortigen realen Warenleistung der endgültige Konsens darüber getreten war, dass der Käufer fortan (zumindest im Verhältnis zum Verkäufer) wie ein Eigentümer über die Sache bestimmen können soll, dass es also angesichts der unmittelbar sachzuordnenden Wirkung des Kaufkonsenses dabei blieb, dass die wesentliche Austauschwirkung bereits mit dem Abschluss des Kaufakts eintrat.44

39  Diese Entwicklung hat ihren Ursprung vermutlich beim Manzipationskauf, dessen ritualisierter Ablauf bereits nach der Überlieferung des Zwölftafelgesetzes nicht mehr die reale Kaufpreiszahlung, sondern nur noch die symbolische Kaufpreiszahlung mit kleiner Münze vorsah, die wahrscheinlich von einer außerhalb des Rituals abgegebenen „Kaufpreis-Stipulation“ flankiert wurde. 40 Vgl. Michaels  (2000)  – Sachzuordnung, S. 101 f.: „[D]er Kaufvertrag verlor zwar nicht seine sachzuordnende Funktion, aber diese Sachzuordnung konnte kein Eigentum mehr sein“. 41  Dazu auch Michaels (1998) – Sachzuordnung, S. 70 f. 42 Dazu Ernst ZEuP 1999, 583 (584–590). 43  Dazu jeweils m. w. N.: Jahr SZ Rom 80 (1963), 141 (169); Ernst  (1981)  – Periculum emptoris, S. 75–77;  ders. in: GS Knobe-Keuk (1997), 49 (51); ders. SZ Rom 114 (1997), 272 (335); ders. ZEuP (1999), 583 (592); Zimmermann (1996) – Obligations, S. 239 f., 271 f., 278 f., 290 f.; Flume (1990) – Rechtsakt und Rechtsverhältnis, S. 57; Peters in: FS Kaser (1986), 221 (223 f.); Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 75 ff.; Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 22, 93; Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 100–103, Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 41– 44, Harke (2008) – Röm. Recht, S. 122–124 (§ 8.7–10); Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 224 (§ 41.8), 229 (§ 41.21). 44 Vgl. Ernst ZEuP 1999, 583 (596).



1.  Inhalt, Bedeutung und Reichweite der periculum emptoris-Regel

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Erst seitdem beiden Kaufparteien auf der Grundlage des bloßen Kaufkonsenses klagbare Ansprüche (actiones) gewährt wurden, pflegt man den römisch-rechtlichen Kauf als emptio venditio zu bezeichnen.45 Die emptio venditio gilt im Spektrum des römischen Obligationenrechts als der erste Konsensualkontrakt überhaupt; ihre Entwicklung, also die Gewährung der Klagen aufgrund des bloßen Konsenses, muss vor allem im Zusammenhang mit den Bedürfnissen des florierenden Handels zwischen römischen Bürgern und Nichtbürgern gesehen werden.46 Dieser war im besonderen Maße von der bona fides bestimmt, während Formerfordernisse als Hemmnis empfunden worden sein müssen. Weil die actiones aus dem Kauf nicht strengrechtlich (stricti iuris) klagbar waren, sondern der bonae fidei iudicia unterlagen, konnten sie kraft der Gerichtsgewalt des Prätors weiter mit rechtlichem Inhalt aufgeladen werden.47 Denn dem Prätor war ein gewisser Deutungsspielraum in der Festlegung eröffnet, was nach „Treu und Glauben“ jeweils geschuldet sei. Obgleich der Kauf „unter dem Einfluß der bona fides zunehmend auch den Gehalt eines Verpflichtungsgeschäfts“ annahm, blieb seine herkömmliche Zuordnungswirkung offenbar noch im Kaufrechtsverständnis der hoch- und spätklassischen Zeit erhalten.48 Deshalb war die reale Warenlieferung durch traditio, obwohl sie nunmehr durchaus auch als Erfüllungshandlung (und nicht mehr allein als „Herausgabe“ wegen der durch den Kaufakt bewirkten Zuordnung der Kaufsache zum Käufervermögen) begriffen wurde, als solche zumindest mit Blick auf den Gefahrübergang nach wie vor von untergeordneter Bedeutung.49 45  Als

Konsensualkontrakt ist der Kauf vermutlich seit dem 2. Jhd. v. Chr. anerkannt; dazu Kaser/Knütel (2008) – Römisches PrivatR, S. 223 (§ 41.2). 46  Zum formfreien Kauf mit und unter Peregrinen: Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 38–40 m. w. N. 47  Bald war anerkannt, dass der Verkäufer nicht nur Übergabe schuldete, sondern auch für bestimmte Mängel im Rahmen der actio empti haftbar war. Denn die actio empti nahm in sich den Inhalt von entsprechenden Stipulationsversprechen auf, deren Vereinbarung neben dem eigentlichen Kaufakt in der Geschäftspraxis derart üblich geworden war, dass sie bald als integraler Bestandteil des Kaufkonsenses angesehen wurden. Die zweite Entwicklungslinie der Sachmängelgewährleistung hat ihren Ursprung in dem Edikt, das die kurulischen Ädilen – Beamte mit marktpolizeilicher Befugnis und Gerichtsgewalt über Marktstreitigkeiten – wohl vor allem zum „Verbraucherschutz“ erließen. Hierher kommen die besonderen Rechtsbehelfe der Minderung (actio quanti minoris) und der Wandelung (actio redhibitoria), die auch die weitere inhaltliche Entwicklung der actio empti prägte. Zur Entwicklung der Sachmängehaftung im römischen Recht: B.II.4.c)i)1). 48  Ernst (2000) – Einrede, S. 61. Näher zur mutmaßlichen objektzuordnenden Wirkung der klassischen emptio venditio als tragender Grund (auch) der Käufergefahrtragung: B. I. 1.c)ii). 49  Vgl. auch Ernst in: FG Flume (1998), 1 (38): Die Traditionspflicht habe nicht zum „aktstypischen Inhalt des Kaufs gehört“, weshalb das – durchaus zu diesem Inhalt zählende – Recht des Verkäufers, die als Kaufpreis vereinbarte Summe zu erhalten, auch keine Einschränkung dahingehend habe erleiden könne, „daß der Vekäufer diese Geldsumme nur erhalten soll, wenn die Kaufsache tradiert oder offeriert ist“; vgl. auch ders, ZEuP  1999, 583 (593 mit Fn. 29); ders. (2000) – Einrede, S. 55; Michaels (2000) – Sachzuordnung, S. 71. – Davon abgesehen, dass die Übergabe nur hinzutreten musste, um den Erwerb auch Dritten gegenüber zu komplettieren, die mit der Verteilung des wirtschaftlichen Risikos zwischen den Kaufparteien nichts zu tun hatten (dazu unten: B. I. 1.c)ii) bei und nach Fn. 147), war es regelmäßig auch am Käufer, die Übergabe herbeizuführen, indem er die Sache an sich nahm. Diese Gedanken liegen, unterschiedlich

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

b)  Bedeutung und Reichweite der Käufergefahrtragung Die Entwicklungsstufe, dass der Kaufvertrag als Grundlage gegenseitiger Erfüllungsansprüche anerkannt wird, die jeweils durch einen separaten, zeitlich verzögerten Vollzugsakt (Kaufpreiszahlung bzw. Warenübergabe) erfüllt werden, ist nach unserem modernen Verständnis die Grundvoraussetzung dafür, dass die Frage der obligatorischen Gefahr­ tragung sich überhaupt stellt. Denn es geht darum, die wirtschaftlichen Folgen eines Zufallsereignisses, das die Erfüllung eines der beiden Ansprüche nachträglich – zwischen seiner Entstehung und der Erfüllung – ausschließt, einer Vertragspartei zuzuweisen, indem entweder der eine die Gegenleistung erbringen muss, obwohl sein Anspruch auf die Leistung wegen des Zufalls ausgeschlossen ist, oder der andere, der die Leistung wegen des Zufalls nicht erbringen muss, auch den Anspruch auf die Gegenleistung verliert. Ob dies das theoretische Problemverständnis der römischen Juristen war, ist sehr fraglich. Stellt man sich auf den Standpunkt, dass die Gefahr deshalb mit dem Vertragsschluss übergehen sollte, weil die verkaufte Sache wenigstens mit Wirkung gegenüber dem Verkäufer vom Vertragsschluss an dem Käufer gehört habe, ging es den römischen Juristen eigentlich nicht um die Verteilung der obligatorischen (Preis-)Gefahr, wie wir sie heute verstehen, sondern eher um eine den besonderen Wirkungen des Kaufs Rechnung tragende Zuweisung der Sachgefahr. Dies ist ein Gedanke, der in verschiedenen Versuchen zur theoretischen Rechtfertigung des periculum emptoris mehr oder weniger deutlich hervortritt.50 Auch nachdem anerkannt war, dass der Kaufabschluss den Käufer dazu berechtige, auf die Übergabe der verkauften Ware zu klagen, wurde die Übergabe möglicherweise nicht im engeren Sinne als das Erfüllungsgeschäft angesehen, durch das die entsprechende kraft des Kaufabschlusses erzeugte Leistungspflicht zum Erlöschen gebracht werde, sondern als realer Nachvollzug dessen, was eigentlich schon der Kaufabschluss selbst bewirkt habe.51 So gesehen konnte während der zeitlichen Verzögerung zwischen Kaufabschluss und Übergabe zwar die Übergabe unmöglich werden, aber dies ließ eigentlich die Erfüllung unberührt, wenn die Leistung im Wesentlichen bereits mit und durch den Vertragsschluss bewirkt war.

Das beschriebene Problem wurde jedenfalls durch die Anwendung der periculum est emptoris-Regel gelöst. Nach ihr hatte der Käufer die Gefahr vom Vertragsschluss an zu tragen. Dem Erfolg der Kaufpreisklage (actio venditi) stand es nicht entgegen, wenn der Verkäufer infolge eines nach Vertragsschluss auftretenden Zufalls außerstande war, dem Käufer die Ware zu übergeben (und die actio empti des Käufers deshalb keine Aussicht auf Erfolg hatte).52 Von unserem heutigen Verständnis aus betrachtet, musste der Käufer die Gefahr vom frühest möglichen akzentuiert, insbesondere der „Entäußerungstheorie“, der „Verschuldenstheorie“ und der „Marktkauf-These“ zugrunde. Dazu unten: B. I. 1.c). Zu den Wirkungen des Lieferverzugs des Verkäufers auf die Gefahrverteilung: B. I. 1.b)iii). 50  Dazu noch unten: B. I. 1.c)ii). 51  Vgl. dazu bereits bei Fn. 49 sowie: B. I. 1.b)i). 52  Dementsprechend war auch die Sachmängelhaftung des Verkäufers auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogen, so dass der Verkäufer auch für danach auftretende Verschlechterungen grundsätzlich nicht haftete.



1.  Inhalt, Bedeutung und Reichweite der periculum emptoris-Regel

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Zeitpunkt an tragen.53 Den Verkäufer betraf die „Kaufpreisgefahr“ als solche dagegen offenbar überhaupt nicht; bis zu dem Moment, ab dem die Gefahr­tragung des Käufers vertraglich begründet war, war er als Eigentümer lediglich mit der Sachgefahr belastet („casum sentit dominus“).54 Von einem Übergang der Preisgefahr kann deshalb eigentlich auch nur hinsichtlich dieser Sachgefahr die Rede sein.55 Diese – wie es vom Standpunkt der Austauschgerechtigkeit aus betrachtet zunächst scheint – äußerst „unfaire“ Gefahrbelastung des Käufers wurde in doppelter Hinsicht relativiert: erstens bedurfte es über die bloße Einigung hinaus bestimmter weiterer Voraussetzungen, damit der Kauf mit Blick auf die Gefahr­tragung des Käufers als vollwirksam angesehen werden konnte; zweitens war der Verkäufer vor dem Vollzug des Kaufs (entweder nicht-förmlich durch traditio oder förmlich durch mancipatio) einer besonders strengen, objektiven Haftung für Beschädigungen der verkauften Sache ausgesetzt.

i)  Gefahr­tragung des Käufers erst mit Kaufperfektion Perfecta emptione periculum ad emptorem respicet – die Gefahr hatte der Käufer erst und nur mit der Perfektion des Kaufakts zu tragen. Für die emptio perfecta war mit der Einigung der Parteien (emptio contracta) eine notwendige Voraussetzung erfüllt; darüber hinaus war aber erforderlich, dass der Kauf unbedingt geschlossen, die Ware individualisiert (res certa) und das Kaufgeld (pretium) der Höhe nach festgelegt war.56 – Der Leitgedanke war offenbar, dass der Kaufakt erst und nur dann perfekt sei,57 wenn er nur noch um die Übergabe ergänzt zu werden brauchte, um vollends vollzogen zu sein.58 Insofern ging es bei der Perfektion um das Moment der „Vollziehbarkeit“59; durch die Bestimmung des Kaufpreises 53 Vgl.

Ewert (2007) – Gefahr­tragung, 6. Vgl. dazu Fn. 57. 55  Zum Zusammenhang von Sach- und Preisgefahr bei der emptio venditio siehe insb. Flume (1990) – Rechtsakt und Rechtsverhältnis, S. 111 f.; dazu noch unten: B. I. 1.c)ii) (bei Fn. 153); zur Regelungstechnik des Gefahrübergangs siehe oben: A.3.c). 56 Vgl. Paul. D. 18, 6, 8 pr., dazu: Bauer  (1998)  – Periculum emptoris, S. 27 ff.; MayerMaly (1999) – Röm. Recht, S. 139. 57  Deshalb bestand die Gefahr­tragung des Verkäufers zwischen emptio contracta und emptio perfecta (von der custodia-Haftung für „niederen Zufall“ abgesehen, dazu sogleich) darin, dass der „Käufer“, solange der Kaufakt noch nicht perfekt war, bei Untergang oder Verlust der beim Verkäufer vorrätigen, der Kaufvereinbarung aber noch nicht zugeordneten Ware diesbezüglich selbstverständlich nicht zur Zahlung verpflichtet war. Der Verlust gereichte stattdessen allein dem „Verkäufer“ (als Eigentümer) zum Schaden – casum sentit dominus; vgl. Ernst SZ Rom 114 (1997), 272 (307); Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 229 (§ 41.20 a. E.). 58 Vgl. Peters in: FG Kaser (1986), 221 (224 f.). Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (149 ff.) haben emptio perfecta begrifflich mit „Abholungsreife“ gleichgestellt, vgl. zu diesem Gedanken die sog. Verschuldenstheorie: B. I. 1c)v), insb. bei und in Fn. 202. 59  Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (152). Raab  (1999) – Austauschverträge, S. 332 sieht darin einen Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes, dass die Preisgefahr nicht vor 54 

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

war die Perfektion dagegen wohl allein zwecks Bezifferbarkeit des Käuferrisikos (quasi) bedingt. Diese Voraussetzungen waren im „Normalfall“, d. h. beim unbedingten Kauf einer von vorneherein individuell bestimmten Sache zu einem bestimmten Preis, ohne weiteres erfüllt und die Gefahr­tragung in diesem Zusammenhang angesichts dessen kaum der Rede wert.60 Die nur fragmentarisch überlieferte Kasuistik des klassischen römischen Rechts zur emptio perfecta bzw. zum Gefahrübergang behandelt daher vor allem besondere Variationen des (Stück-)Kaufmodells61 wie den Kauf einer noch auszuscheidenden Teilmenge (vertretbarer Sachen) aus einem verkäufereigenen Vorrat62, den Kauf einer allein zwecks Preisbestimmung noch abzumessenden Gesamtmenge vertretbarer Sachen (Kaufsache zwar bestimmt, aber Preisbestimmung ad mensuram)63, den Wahlkauf64 und den suspensiv bedingten Kauf65. Dass die Fragmente zur Gefahr­tragung häufig den Weinkauf zum Gegenstand haben, liegt nicht daran, dass Besonderheiten für bestimmte Warenarten, etwa für Wein, gegolten hätten; vielmehr ist dies dem Umstand geschuldet, dass Wein typischerweise bereits während des Produktionsprozesses verkauft wurde oder dass der verkaufte Wein noch für eine gewisse Zeit in Fässern beim Verkäufer lagern sollte, so dass die Kaufsache noch nicht genau bestimmt war.66 Außerdem war der Weinhandel im alten Rom von erheblicher wirtschaftlicher

der Leistungsgefahr übergehen kann, der Übergang der Leistungsgefahr aber die individuelle Bestimmtheit des Leistungsgegenstandes voraussetzt. 60 Vgl. Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (153). 61 Dazu: Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 18, 27–59; Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 229 ff. (§ 41.21 ff.); Hausmaninger/Selb (2001) – Röm. PrivatR, S. 237–239; Peters in: FG Kaser (1986), 221 (225 ff.); Ernst ZEuP 1999, 583 (591 ff.). 62  Dazu bereits: B. I. 1.a)i) (in Fn. 31). 63 Dazu: Ernst (1981) – Periculum emptoris, S. 66–70; Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 41–46. 64 Dazu: Bauer  (1998)  – Periculum emptoris, S. 46–48; Pennitz  (2000)  – Periculum rei venditae, S. 268 ff. 65 Dazu: Ernst (1981) – Periculum emptoris, S. 35–61; Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 31–37; Pennitz (2000) – Periculum rei venditae, S. 185 ff. 66  Peters in: FG Kaser (1986), 221 (225 ff.). Die Gefahr­tragung beim Weinkauf ließ sich, sofern die Gefahr nicht schon mit dem Vertragsschluss übergehen konnte, grundsätzlich mit den Regeln für den Kauf aus konkretem Vorrat und den Kauf mit Preisbestimmung ad mensuram erfassen. Eine Besonderheit bestand beim Kauf von Fasswein allerdings darin, dass das Risiko des Schimmelns und Sauerwerdens des Weins (periculum acoris et mucoris) erst mit der degustatio auf den Käufer überging, wenn die Parteien dies vereinbart hatten. Der Degustationsvorbehalt wurde immer nur dann relevant, wenn der Käufer nicht bereits durch eine (perfektionshindernde) mensura vor dem Gefahrübergang „geschützt“ war. Hatte der Verkäufer ausnahmsweise auf unbestimmte Zeit die Gefahr übernommen, gab die Vereinbarung eines Degustationsvorbehalts ihm die Möglichkeit, einen Termin für den Gefahrübergang (vor der traditio) festzusetzen. Die rechtliche Einordnung des Degustationsvorbehalts hing ggf. vom Parteiwillen ab (Rücktrittsvorbehalt, Suspensiv-/Resolutivbedingung); im Zweifel wirkte der Degustationsvorbehalt schlicht perfektionshindernd. Versäumte der Käufer den Degustationstermin, ging die Gefahr unter Umständen trotzdem auf ihn über. Später galt solch ein Vorbehalt beim Fassweinverkauf „ab Hof“ als stillschweigend vereinbart; dazu Kaser (1971) – RP I, S. 553, Fn. 68; Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (206); Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 48 ff. Der Degustationsvorbehalt wurde als spezielle Vereinbarung über den Übergang der Verschlechterungsgefahr im gemeinen Recht auf den Kauf anderer vertretbarer Sachen ausgedehnt; dazu Bauer a. a. O. S. 162 ff.



1.  Inhalt, Bedeutung und Reichweite der periculum emptoris-Regel

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Bedeutung und es handelt es sich bei Wein um eine leicht verderbliche Ware, so dass die Rechtsfolgen von Verschlechterung und Untergang praktisch häufig der Klärung bedurften.67   Über eine flexible Handhabung des Perfektionsmoments gelang es im Mittelalter auch die hergebrachte periculum est emptoris-Regel auch auf den Gattungskauf anzuwenden, der im antiken römischen Recht als solcher noch nicht anerkannt gewesen war.68

ii)  Beschränkung der Käufergefahrtragung auf das periculum vis maioris durch die objektive custodia-Haftung des Verkäufers (custodia venditoris)69 Materiell begrenzt wurde das Käuferrisiko durch die custodia-Haftung des Verkäufers.70 Nach der klassischen Konzeption71 handelte es sich dabei um eine objektive Haftung für typisiertes Verschulden, die auch den „niederen Zufall“ (casus) einschloss.72 Damit trug der Käufer nur das Risiko des auf höherer Gewalt beruhenden „höheren Zufalls“ (fortuitus),73 das periculum vis maioris.74 Diese Haftung des Verkäufers erstreckte sich von der Perfektion des Kaufs bis zur Übergabe der Ware, ihr zeitlicher Anwendungsbereich war also derselbe wie derjenige der Käufergefahrtragung. Ihr tragender Grund war der Gedanke der Gefahrenbeherrschung.75 Für die Haftung des Verkäufers war es nämlich ausreichend, 67  Jörs/Kunkel/Wenger (1987) – Röm. Recht, S. 310; Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (204 ff.). 68  Ausführlich dazu: Ernst ZEuP 1999, 583 (624 ff.); Kaser (1971) – RP I, S. 548. 69 Dazu: Bauer  (1998)  – Periculum emptoris, S. 59 ff.; Schulz  (1951) – Classical Roman Law, S. 533; Harke (2008) – Röm. Recht, S. 121 f. (§ 8.5–7). 70 Dazu: Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (121 f., 148 f., 247 ff.); Ernst (1981) – Periculum emptoris, S. 73; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 287; Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 59–63; Pennitz (2000) – Periculum rei venditae, S. 380 ff.; Harke (2008) – Röm. Recht, S. 121 f. (§ 8.5–7); Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 229 (§ 41.21); vgl. Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 276–278 Rn. 18. 71 Bald, bereits im iustinanischen Zeitalter, wurde sie jedoch zu einer Haftung für die schuldhafte Verletzung von Obhutspflichten weiterentwickelt. Dies schloss die Verantwortlichkeit des Verkäufers für (niederen) Zufall wieder aus. Dazu: Ewert (2007) – Die Gefahr­tragung beim Kaufvertrag, S. 6; Harke (2008) – Röm. Recht, S. 124 (§ 8.10); Ernst (1981) – Periculum emptoris, S. 2 f.; Kaser (1975) – RP II, S. 353 f.; vgl. Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 81 ff.; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 276–278 Rn. 18 a. E., 26. Eine „Garantiecustodia“ galt für den Verkäufer demnach nur noch, wenn er diese ausdrücklich übernommen hatte. Aus Gründen des Wettbewerbs war dies möglicherweise die Regel; vgl. Bruckner (1889) – Custodia, S. 151 (Anm. 2), 165, 169, 170, 172, 181 (Anm. 1), 291. 72  Ernst (1981) – Periculum emptoris, S. 2; Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 59–63; Ewert (2007) – Gefahr­tragung, S. 6. 73  Ewert (2007) – Gefahr­tragung, S. 6 nennt als (haftungsbefreiende) Fälle höherer Gewalt: Feuer, Überschwemmung und Diebstahl. 74  Auch im Rahmen seiner Haftung, die eigentlich bei vis maior ausgeschlossen war, hatte der Verkäufer übrigens für den Untergang der Kaufsache durch „höhere Gewalt“ dann einzustehen, wenn er zuvor die custodia gebrochen und die Kaufsache dadurch erst dem Risiko der höheren Gewalt ausgesetzt hatte, vgl. Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (246 f.) mit Verweis auf Alfen. D.18, 6, 15 pr.; Bruckner (1889) – Custodia, S. 257 ff., 267 (Haftung für culpa in faciendo wegen Herbeiführung der vis maior). 75  Dazu m. w. N. Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 61.

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

dass sich eine Gefahr verwirklichte, die (typischerweise) beherrschbar war; darauf, ob der Verkäufer persönlich im Einzelfall in der Lage war, das Schadensereignis abzuwenden, kam es (ursprünglich) nicht an. Das periculum emptoris beruhte dagegen gerade nicht auf dem Beherrschbarkeitsgedanken. Denn der Käufer hatte den Nachteil gerade dann, wenn feststand, dass niemand (insbesondere nicht typischerweise der Verkäufer) den Schadenseintritt hätte verhindern können. Solange die custodia-Haftung des Verkäufers unabhängig von einem subjektiven Verschulden konzipiert war, stellten Untergang oder Verschlechterung des Kaufobjekts sich auch dann als zufällig dar, wenn die custodia-Haftung des Verkäufers begründet war. Deshalb konnte der gefahrbelastete Käufer den Kaufpreis nicht verweigern oder den gezahlten Kaufpreis zurückfordern; es stand ihm aber – wenn auch nicht mit der actio empti – ein Ersatzanspruch gegen den Verkäufer zu, der mit der Kaufpreisforderung saldiert werden konnte.76 Damit trat zu der eigentlichen Gefahr­tragung des Käufers in den (nicht von der custodia abgedeckten) Fällen der höheren Gewalt das eigenartige Risiko hinzu, dass der durch (niederen) Zufall verursachte, vom Verkäufer nach den Grundsätzen der custodia zu ersetzende Schaden geringer war als der zu zahlende Kaufpreis (negativer Saldo).77 Letzteres war nur dann der Fall, wenn der Käufer sich auf ein „schlechtes Geschäft“ eingelassen hatte.78

iii) Ausnahmen Abgesehen von dieser zeitlichen und sachlichen „tatbestandlichen“ Begrenzung des periculum emptoris bildete der Lieferverzug (Leistungsverzug)79 des Verkäufers eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Käufer ab emptio perfecta die Gefahr zu tragen habe.80 Das leuchtet ein, wenn die Perfektion des Kaufver76 Vgl. Schulz (1951) – Classcial Roman Law, S. 533; Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 63, 67 f.; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 287; Harder in: FS Kaser (1976), 351 (353); Ernst (1981) – Periculum emptoris, S. 20 f.; vgl. ders. in: FG Flume (1998), 1 (40), wonach der zufällige Untergang der Kaufsache auf die actio venditi keinerlei Einfluss gehabt haben könne, der Käufer die actio empti aber nicht mehr habe erheben können. A. A.: Thielmann SZ Rom 106 (1989), 292 (309); vgl. auch Seckel/Levy SZ 47 Rom. (1927), 117 (147), „periculum custodiae“. 77  Thielmann SZ Rom 106 (1989), 292 (309 ff., 325) bringt das periculum emptoris unter dem Aspekt, dass der Verkäufer wegen der Haftung für culpa und custodia in Fällen des niederen Zufalls regelmäßig nicht von der Leistung befreit wurde (immerhin trat an die Stelle der Leistung der Schadenersatz), auch mit der Leistungsgefahr in Verbindung. Die eigentliche Preisgefahr­ tragung des Käufers habe sich auf die Fälle höherer Gewalt beschränkt, in denen der Verkäufer den Kaufpreis verlangen durfte, ohne selbst etwas (die Kaufsache oder statt ihrer Schadenersatz) leisten zu müssen. 78 Vgl. Thielmann SZ Rom 106 (1989), 292 (309). 79  Dagegen war der Geldannahmeverzug für die Gefahr­tragung ohne Belang; Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (257). 80 Dazu: Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 64; Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (258 ff.). Nach Peters in: FG Kaser (1986), 221 (232) begründete der Lieferverzug keinen „Rückfall der Gefahr“ auf den Verkäufer, sondern eine Verschärfung seiner (eigentlich auf den niederen Zufall begrenzten) custodia-Haftung und damit des „periculum venditoris“.



1.  Inhalt, Bedeutung und Reichweite der periculum emptoris-Regel

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trages zumindest hinsichtlich des Gefahrübergangs direkt von der Vollziehbarkeit des Geschäfts abhing. Es ist aber auch dann nachvollziehbar, wenn man die Perfektion mit der unmittelbar sachzuordnenden Wirkung des (Ver-)Kaufs, die wiederum der tragende Grund der Käufergefahrtragung gewesen sein mag, in Verbindung bringt; denn so gesehen stellte der Lieferverzug eine rechtswidrige Vorenthaltung der (inter partes) bereits dem Käufer gehörenden Sache durch den Verkäufer dar. Auch der Annahmeverzug wirkte sich auf die Gefahrverteilung aus, zulasten des Käufers.81 Dies deutet aber nicht darauf hin, dass die Gefahr grundsätzlich erst mit der Übergabe oder eben mit deren Versäumnis übergegangen wäre.82 Der Annahmeverzug hatte nämlich nur indirekte, gleichsam reflexive Auswirkungen auf die Gefahr­tragung: Während der Verkäufer im Rahmen der custodia ab emptio perfecta – als Gegengewicht zur Gefahr­tragung des Käufers – grundsätzlich nur bei vis maior-Ereignissen nicht haftbar war,83 haftete er während des Annahmeverzugs des Käufers nur noch für dolus,84 d. h. der Käufer hatte bereits bei casus minor und selbst bei culpa des Verkäufers keinen Ersatzanspruch, den er der Kaufpreisforderung des Verkäufers hätte entgegenhalten können.85 Vereitelte der Käufer durch sein Verhalten bereits die Perfektion des Kaufs und damit das Entstehen seiner Kaufpreisgefahr („Perfektionsverzug“), konnte er sich zumindest im Rahmen der bona fides nicht auf das Ausstehen der Perfektion berufen, wenn die Sache dem Verkäufer unterging.86 Denn eine auf die Herbeiführung der Perfektion gerichtete Obliegenheit folgte schon aus dem imperfekten Kauf. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Gefahrübergangs im Perfektionsverzug war zu unterscheiden zwischen solchen Handlungen, für welche die Mitwirkung des Käufers notwendig war, und solchen, die auch ohne die Teilnahme des Käufers vorgenommen werden konnten: Beim Weinkauf etwa wurde die degustatio fingiert, wenn der Käufer diese nicht zum vereinbarten Termin vornahm; dies führte zum Übergang 81 Dazu: Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 64 ff.; Ernst (1981) – Periculum emptoris, S. 20 ff. 82  Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (248). 83  Bei dem „periculum“ venditoris ging es freilich um die Haftung des Verkäufers, nicht um dessen Gefahr­tragung im technischen Sinne. Im Rahmen der strengen Haftung, die eigentlich nur bei vis maior ausgeschlossen war, hatte der Verkäufer für den Untergang der Kaufsache durch „höhere Gewalt“ allerdings dann einzustehen, wenn er zuvor die custodia gebrochen und die Kaufsache dadurch erst dem Risiko der höheren Gewalt ausgesetzt hatte, dazu bereits m. w. N. in Fn. 74. Obwohl „periculum“ begrifflich sowohl die Gefahr des niederen wie die des höheren Zufalls erfasste, so dass – wenn der Käufer sich nicht im Annahmeverzug befand – beide Parteien ein periculum zu tragen hatten, war technisch nur hinsichtlich der Gefahr­tragung des Käufers vom „periculum“ die Rede, wohingegen das „periculum“ des Verkäufers in dessen custodia-Haftung aufging; Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (249 f.). 84  Im Annahmeverzug ging also das „periculum culpae sive custodia“, das Risiko des Wegfalls der strengen Verkäuferhaftung, auf den Käufer über; dazu unten: B. I. 1.b)iii). 85  Im klassischen Recht, vor der Einführung des Verschuldensprinzips, war die culpa-Haftung, soweit sie neben oder anstelle der custodia im Vertragsrecht eine Rolle spielte, allerdings noch objektiv konzipiert, so dass es auf ein individuell vorwerfbares Fehlverhalten nicht ankam. Dazu: Kunkel SZ Rom 45 (1925), 266 (337 ff.); vgl auch: Wieacker SZ Rom 54 (1934), 35 ff.; Kaser (1971) – RP I, S. 477, 502 ff.; ders. (1975) – RP II, S. 346; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 786; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 276–278 Rn. 10 ff. 86  Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (254 f.).

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der Verschlechterungs- und Untergangsgefahr.87 Perfektion herbeiführende Handlungen, die eine Mitwirkung des Käufers nicht zwingend erforderten, durfte der Verkäufer im Verzug auch ohne Teilnahme des Käufers selbst vornehmen, so insbesondere das admetiri, d. h. es durfte ausnahmsweise die Ware allein durch den Verkäufer abgezählt (adnumerare) oder zugemessen (adpendere) werden, so dass die Gefahr auf den Käufer überging.88

Bemerkenswert ist schließlich die Auslegung von Ulp. D. 21, 1, 59 pr.89, wonach ein bei Vertragsschluss vorliegender erheblicher Sachmangel der verkauften Sache nach dem Edikt der kurulischen Ädilen den Gefahrübergang gehindert habe.90 Nach dieser Auslegung verblieb die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung mangels Perfektion beim Verkäufer, und zwar auch nach der Übergabe, solange der Käufer mit der actio redhibitoria wegen des Mangels Erstattung des Kaufpreises verlangen konnte (sechs Monate).91 Ernst hat es allerdings scharf kritisiert, dass dieses Fragment mit periculum emptoris in Zusammenhang gebracht worden ist: „Ob der Untergang einer mangelhaften Kaufsache eine etwaige actio redhibitoria hindern konnte, ist eine ganz andere Frage – mit der … Gefahr­tragung hat sie nichts zu tun.“92

Darauf wird an anderer Stelle zurückzukommen sein.93 Aus Afr.  D. 19, 2, 3394 ist schließlich gefolgert worden, dass der Kaufvertrag auch dann nicht perfekt gewesen sei und also der Käufer das periculum nicht habe 87 

Peters in: FG Kaser (1986), 221 (232); Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 50 f.; SeSZ Rom 47 (1927), 117 (255). Die degustatio wurde freilich nicht fingiert, wenn sie durch den Verzug des Verkäufers vereitelt wurde. 88 Dazu: Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (256 f.). 89  Ulpianus libro septuagesimo quarto ad edictum: Cum in ea causa est venditium mancipium, ut redhiberi debeat, iniquum est venditorem premium redhibendae rei consequi. (dt. „Ulpian im 74. Buch zum Edikt: Wenn ein verkaufter Sklave so beschaffen ist, daß er zurückgenommen werden muß, ist es unbillig, daß der Verkäufer erst noch den Preis für die Sache erhält, die zurückgegeben werden muß.“; Knütel/Kupisch/Seiler/Behrends (2005) – Corpus Iuris IV, S. 46). 90  Dazu: Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (237 ff.); Kaser (1971) – RP I, S. 553; Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 58. 91  Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (238). 92  Ernst (1981) – Periculum emptoris, S. 55. Gegen diese Auslegung auch Benöhr (1965) – Synallagma, S. 60 ff., 116 mit Fn. 24. Letzterer behandelt den Fall nicht im Zusammenhang mit dem konditionellen Synallagma unter dem Aspekt der Gefahr­tragung, sondern als einen mit dem funktionellen Synallagma verwandten, jedoch nicht damit identischen Problemkreis der Gewährshaftung des Verkäufers. Nicht auf der Nichterfüllung des Vertrages habe die (Wandelungs-)Einrede des Käufers in diesem Fall beruht, weil die Mangelfreiheit kein Bestandteil der Leistungspflicht des Verkäufers gewesen sei, sondern auf dem Gedanken, dass der Käufer gar nicht erst zur Zahlung des Kaufpreises habe angehalten werden sollen, wenn der Verkäufer den Kaufpreis im Rahmen der Wandelung sogleich wieder zu erstatten hatte. Dies ist das Verständnis, das auch wenigstens unter dem BGB von 1900 noch für das Verhältnis von Gefahr­tragung und Gewährleistung maßgebend war. Dazu unten: B.II.4. 93  Dazu: B.II.4.c)ii)4)(c). 94  Si fundus quem mihi locaveris publicatus sit, teneri te actione ex conducto, ut mihi frui liceat, quamvis per te non stet, quominus id praestes: quemadmodum, inquit, si insulam aedificandam locasses et solum corruisset, nihilo minus teneberis. Nam et si vendideris mihi fundum isque priusquam vacuus traderetur publicatus fuerit, tenearis ex empto: quod hactenus verum erit, ut ckel/Levy



1.  Inhalt, Bedeutung und Reichweite der periculum emptoris-Regel

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tragen müssen, solange der Verkäufer nicht in der Lage war, seine Pflichten aus dem Kaufvertrag  – Einräumung ungestörten Besitzes durch Übergabe (vacuam possessionem tradi) zur Erhaltung des Käufers in ungestörtem Besitzes und Genuss der Sache (uti frui habere possidereque licere) – zu erfüllen, so etwa, wenn ein Grundstück verkauft wurde, das im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch von einem Dritten besetzt war und später, jedoch noch vor der Übergabe an den Käufer durch staatlichen Zugriff entzogen wurde.95 Demnach konnte keine Perfektion vor dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der Verkäufer erstmals zur Erfüllung seiner Pflichten in der Lage und dem Käufer dies auch bekannt war.96 Andere deuten dieses Fragment allerdings als Hinweis auf eine Besonderheit in der rechtlichen Behandlung hoheitlicher Eingriffe. Diskutiert wird darüber, ob der Sachentzug durch Hoheitsakt die custodia-Haftung des Verkäufers auslöste (haftungsbefreiende vis maior?) oder ob für diesen Fall ausnahmsweise ein periculum venditoris galt.97 Letzteres lässt die Schlussfolgerung, dass der Kauf generell nicht perfekt war, solange der Verkäufer nicht leistungsfähig war, nicht zu.

c)  Die ratio der periculum emptoris-Regel 98 Wenn man allein die custodia des Verkäufers in ihrer Konzeption einer objektiven Haftung für typisiertes Verschulden als sorgfältig austariertes Gegengewicht zu pretium restituas, non ut etiam id praestes, si quid pluris mea intersit eum vacuum mihi tradi… („Wenn ein Landgut, das Du mir verpachtet hast, enteignet worden ist, haftest Du mir [wie Julian sagt] mit der Klage aus Pacht auf mein Interesse, daß ich das Landgut nutzen kann, obwohl es nicht an dir liegt, daß du mir die Nutzung nicht gewährst, so wie du, sagt er, zum Beispiel auch dann haftest, wenn du den Bau eines Mietshauses in Auftrag gegeben hast und ein Erdrutsch den Baugrund wegreißt. Denn auch wenn du mir ein Landgut verkauft hast und das Landgut, bevor es mir frei von Rechten Dritter übergeben wurde, enteignet worden ist, haftest du mir mit der Klage aus Kauf. Das ist insoweit richtig, als du den Kaufpreis zurückzahlen musst; nicht richtig ist aber insoweit, als du auch haften sollst, wenn mein Interesse an der Übergabe frei von Rechten Dritter größer ist…“, Übersetzung: Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler (1999) – Corpus Iuris Civilis III, S. 579 f.). 95  Bauer  (1998)  – Periculum emptoris, S. 55 ff., insb. 57 f. m. w. N.; so auch schon Kaser (1971) – RP I, S. 553; Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (219 ff.). 96  Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (225, 228 ff.). Ein Rechtsmangel hinderte die Perfektion des Kaufes dagegen grundsätzlich nicht; dazu Seckel/Levy a. a. O. (236). 97  Zum Meinungsspektrum: Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 56 f. m. w. N. Ernst (19 81) – Periculum emptoris, S. 7 ff., 17 f., 25, deutet das Fragment als den „klassischen Beleg eines „periculum venditoris“, der aber eine ganz von ihrer Entstehung geprägte Verlegenheitslösung [darstellt], die denn insoweit auch keine Nachfolger gefunden zu haben scheint“. Die allgemeine Geltung von periculum emptoris als klassische Gefahrtragungsregel werde davon nicht in Frage gestellt. 98  Siehe dazu die Zusammenstellung durch v. Kübel in der Begründung seines Vorschlags zur Regelung der Gefahr­ tragung beim Kauf im BGB-Vorentwurf Schuldrecht, abgedruckt bei Schubert  (1980) – Vorlagen SchuldR III, S. 1041–1048. Einen reichhaltigen Überblick bieten außerdem: Froelich (1906) – Gefahr­tragung, S. 10; Wismeyer (1910) – Gefahr­tragung, S. 4–24; Palleske (1933) – Gefahrübergang, S. 15 f.; Vollmer (1932) – Übergabe, S. 7–27; Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 12 f. m. w. N. in Fn. 17; Ernst (1981)  – Periculum emptoris, S. 73–80; Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 48–50; Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 446

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der Gefahr­tragung des Käufers in Betracht zieht sowie (zunächst ohne diesen Befund mit Gedanken des Verschuldens oder der Vermögensverschiebung in einen dogmatischen Zusammenhang bringen zu wollen)99 ­zur Kenntnis nimmt, dass die Gefahr überhaupt nur und erst dann auf den Käufer überging, wenn der Kauf vollziehbar und es daher am Käufer war, das gekaufte Stück an sich zu nehmen, ist die periculum est emptoris-Regel bei weitem nicht so „unfair“, wie sie auf den ersten Blick erscheint.100 Dabei ist auch zu bedenken, dass die Regelung der Gefahr­ tragung ohnehin niemals eine vollkommen faire Lösung erreichen kann, weil der wirtschaftliche Verlust zwischen den Parteien in einer Situation aufgeteilt werden muss, in der feststeht, dass keiner von beiden „schuld“ ist.101 In dieser Situation traf das klassische römische Recht offenbar zumindest hinsichtlich des (Rest-) Risikos der höheren Gewalt eine „clear cut decision“ zulasten des Käufers.102 Dass das periculum emptoris im klassischen Recht eine sinnvolle und sachgerechte Regel gewesen sein mag, muss freilich nicht heißen, dass es sich um eine schlechthin befriedigende und überzeitlich autoritative Gefahr­tragungsregel für den Kauf handelt. Seine Fragwürdigkeit dürfte der Satz vor allem dem Umstand verdanken, dass angesichts der Autorität der Überlieferung des iustinanischen Rechts vom Mittelalter bis ins jüngere gemeine Recht hinein ohne Rücksicht darauf an ihm festgehalten wurde, dass die tatsächlichen und rechtlichen „Rahmenbedingungen“, auf welche die Regel sorgfältig abgestimmt war, sich grundlegend verändert hatten.103 Vor allem durch zwei Entwicklungen des nachklassischen Rechts wurde das ausgewogene Gefahr­tragungskonzept des klassischen römischen Rechts aus dem Gleichgewicht gebracht:  Erstens104, während im klassischen Recht die Bestimmung der Reichweite der custodiaHaftung des Verkäufers über eine typologische Bildung haftungsbegründender Fallgruppen in Abgrenzung zu haftungsbefreienden Fällen (vis maior) erfolgte, wurde die custodia in nachklassischer Zeit unter dem Einfluss der oströmischen Rechtsschulen und infolgedessen Rn. 12; Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 16–39; Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 20– 23; Pennitz  (2000)  – Periculum rei venditae, S. 10–48; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 29 f.; Yaron 2 RLT (2004), 59 (70 ff.); Ewert  (2007) – Gefahr­tragung, S. 5–8 und schließlich (sehr knapper Überblick) Schilcher JBl 1964, 395 (397 f.). 99  Zu diesen und anderen Theorien zur Begründung des periculum emptoris siehe sogleich. 100 Vgl. Bauer  (1998)  – Periculum emptoris, S. 71–79; Schulz  (1951) – Classical Roman Law, S. 533: „The rule in the classical context, so far from being unjustified, is an ideal solution of the problem“. 101  Dazu bereits: A.3 nach Fn. 58. 102  Yaron 2 RLT (2004), 59 (74–76): „The concrete periculum emptoris, and its shadowy negative, periculum venditoris, were both bad solutions for the narrow case here under discussion. They were bad because they both envisaged equally one-sided, extreme answers, in what was in essence a bilateral relationship.“ 103  Dazu noch unten: B. I. 2 (bei und nach Fn. 232). 104 Vgl. zum Folgenden: Bauer  (1998)  – Periculum emptoris, S. 59 ff., 81 ff., 86 ff.; Kaser  (1971)  – RP  I, S. 477 f., 506 ff., ders.  (1975)  – RP  II, S. 352 ff.; Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (148 f.); Doll (1989) – Vis maior, S. 47 f., 54 f., 56 ff.; Dilcher (1960) – Leistungsstörungen, S. 53 ff.; Bruckner (1889) – Custodia, S. 177 ff., skeptisch zu der Annahme, es habe eine rein objektive custodia-Haftung gegeben: S. 253 ff.



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von den iustinianischen Kompilatoren in eine Verschuldenshaftung umgedeutet (culpa in custodiendo; diligentia in custodiendo)105 und in den Bereich spezieller Vertragsklauseln (Haftungsübernahme) abgeschoben106. Der Verkäufer haftete danach grundsätzlich nur noch für dolus und culpa – ausschlaggebend dafür war das Utilitätsprinzip, wonach der Kauf als ein beiderseitig nützliches Geschäft einzustufen war. Da es „die“ Fahrlässigkeitshaftung im römischen Recht nicht gab und die Quellentexte zur ursprünglichen custodia-Haftung nicht mit der Vorstellung der Haftung des Verkäufers nach Verschuldens- und Utilitätsaspekten in Einklang zu bringen waren, war die (culpa-)Haftung des Verkäufers allerdings einem stetigen Anschauungswandel hinsichtlich des Sorgfaltsmaßstabs unterworfen (diligens paterfamilias; diligentia exactissima; diligentissimus), bis endlich die mittelalterlichen Juristen eine einheitliche Terminologie subjektiver Haftungsmaßstäbe entwickelten. Sie vollzogen schließlich auch materiell den Wandel der Haftung für (niederen) Zufall hin zu einer Haftung für die Nichtanwendung äußerster Sorgfalt.107   Zweitens, es gab bereits in hoch- und spätklassischer Zeit die Tendenz, die sofortige objektzuordnende Wirkung des Kaufakts hinter seiner obligatorischen Wirkung zurücktreten zu lassen.108 Das deutet darauf hin, dass das Verständnis für die unmittelbar objektzuordnende Wirkung des Kaufkonsenses, deretwegen die emptio venditio auf den Stückkauf beschränkt gewesen war, mit der Zeit verloren ging. Dadurch könnte es bedingt gewesen sein, 105 Dazu: Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 81 ff., 90 ff.; Kaser (1975) – RP II, S. 325, 351 ff. Aus dieser – zunächst – nur begrifflichen Entwicklung gewannen die mittelalterlichen Juristen die Verschuldensstufe „culpa levissima“, die das dreigliedrige Utilitätsprinzip (Haftung für dolus und culpa lata, für culpa levis oder für culpa levissima, je nachdem ob der Vertrag zum alleinigen Nutzen der einen, zum beiderseitigen Nutzen oder zum Nutzen allein der anderen Partei war) abrundete. Die überlieferte Haftung des Verkäufers für culpa levissima fügte sich allerdings materiell gerade nicht in dieses Schema ein. Der Rechtfertigung bedurfte es, dass der Verkäufer genau so streng wie ein Entleiher zu haften haben sollte. Dazu: Bauer a. a. O. S. 107 ff.; Jansen (2003) – Haftungsrecht, S. 266 ff., 285 f. Zum Utilitätsprinzip: Nörr SZ Rom 73 (1956), 68 ff.; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 198 ff.; Kaser (1971) – RP I, S. 512; ders. (1975) – RP II, S. 346 f.; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 276–278 Rn. 13, 19. 106  Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 98. 107  Wenn aber ein subjektives Verschulden seitens des Verkäufers angenommen wurde, war kein Raum mehr für die gleichzeitige Annahme eines Zufalls, so dass der Käufer ggf. schon den Kaufpreis nicht (mehr) schuldete bzw. der Verkäufer diesen erstatten musste. Und daneben haftete der Verkäufer auf das Interesse, vgl. Bruckner (1889) – Custodia, S. 255: „… casus d. i. ein nicht vertretbarer Unfall (…), wenn der in Frage stehenden Person keinerlei culpa zur Last fällt. Sonach ist die Frage, ob ein schädigendes Ereignis casus sei oder nicht, identisch mit der Frage nach der Schuld.“; vgl. auch Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (146 f.). Zwar führte, auch nachdem durch Berücksichtigung des Verschuldensprinzips die materielle Schuldfrage als unveräußerliche, notwendige Bedingung für die Haftung erkannt worden war, das Anlegen eines äußerst strengen Sorgfaltsmaßstabs regelmäßig zu einer Haftung des Verkäufers für culpa in non faciendo, wenn nicht das Schadensereignis ausnahmsweise ein ganz und gar unwiderstehliches war (vis maior, damnum fatale). Damit war aber die Schuldfrage zu einem Thema der Beweisverteilung geworden: Gelang der Nachweis der vis maior, war jedenfalls culpa in non faciendo ausgeschlossen, den Unschuldsbeweis musste der Schuldner nur noch hinsichtlich culpa in faciendo erbringen (keine Herbeiführung der vis maior, keine Risikoerhöhung). Vgl. Bruckner a. a. O. S. 261 ff. Anders bei der Garantiecustodia, bei welcher – ohne Rücksicht auf ein Verschulden – gehaftet wurde, wenn nicht vis maior erfolgreich einredeweise geltend gemacht werden konnte, Bruckner  a. a. O. S. 270 ff. („modifizierte unbedingte Haftung“). Der „Garantiecustodia“ gegenüber konnte daher bloß vis maior als casus (fortuitus) gelten, weil sonst immer ein Verschulden anzunehmen war (S. 276). 108  Ernst ZEuP 1999, 583 (614).

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

dass in der iustinanischen Kompilation gewisse „Gattungskauf-Ersatzgeschäfte“ dem Recht der emptio venditio unterstellt wurden.109

Obgleich die Literatur, in der die römische Käufergefahrtragung nachträglich zu begründen versucht wurde, inzwischen ganze Bibliotheken füllt,110 besteht immer noch keine Einigkeit darüber, welche Motive in der Antike wirklich hinter der römischen Käufergefahrtragung standen. Gewissheit ist vor allem deshalb nicht zu erlangen, weil abstrakte, theoretische Begründungen der römischen Juristen nicht überliefert sind. Die unterschiedlichen Erklärungsmodelle, die nachträglich ersonnen wurden, hatten aber ohnehin einen größeren Einfluss auf die moderne Rechtsbildung als der Gegenstand, den sie erklären sollen.111 Denn sie sind, was die Verfasser des BGB von 1900 dazu bewog, mit der Tradition des römisch-gemeinen Rechts zu brechen und den Gefahrübergang bis zur Übergabe der verkauften Sache hinauszuschieben. Im Folgenden werden die gängigsten Erklärungsversuche in Kürze vorgestellt. Es wird sich zeigen, dass manche vermeintlich gegensätzliche Begründungen tatsächlich recht nahe beieinander liegen oder gar „zwei Seiten derselben Medaille“ sind. Die Kenntnis der unterschiedlichen Versuche zur Erklärung des periculum emptoris ist außerdem wichtig, weil so später gezeigt werden kann, dass bei Zugrundelegung mancher dieser Erklärungsversuche die Anordnung des Gefahrübergangs mit Übergabe im BGB von 1900 trotz des drastischen Unterschieds in der Form noch weitgehend von denselben materiellen Erwägungen getragen wurde wie die römisch-gemeinrechtliche Regel, weil es auch beim Kauf im BGB von 1900 zumindest im gesetzlichen Regelfall immer noch ausschließlich um die Verschiebung eines konkreten, bislang der Bestimmung des Verkäufers unterliegenden Stücks in das Vermögen des Käufers ging.

i)  Historische Erklärungsversuche, Theorie von der „Barkauf-Nachwirkung“ Die Behauptung, „daß auch noch die klassische emptio venditio in ihrer Grundstruktur Barkauf“ gewesen sei112, legt nahe, dass die vertragsanfängliche Käufergefahrtragung nichts weiter als eine bloße „Nachwirkung des Barkaufs“113 gewesen sein soll. Es ist Weyand darin zuzustimmen, dass die These, die Klassiker, welche die Vorstellung von vollkommen obligatorisch wirkenden Geschäften längst ent109 

Dazu noch: B. I. 4.a) (bei Fn. 413). So bereits vor mehr als 50 Jahren: Schilcher JBl 1964, 395 (395). 111  Dazu schon einleitend: B. I. 112 So Wolf TR 45 (1977), 1 (13); vgl. Rabel (1955) – Grundzüge, S. 107: „So unerschütterlich ist diese Grundfigur [Barkauf] in den Vorstellungen, daß sie im östlichen und westlichen Mittelalter zähe festgehalten wurde, trotzdem die Römer längst darüber hinaus zum reinen schuldrechtlichen Vertrag gedrungen waren.“ 113  Vgl. zu diesem Argument auch: Hausmaninger/Selb (2001)  – Röm. PrivatR, S. 237 f.; Honsell (2010) – Röm. Recht, S. 128. 110 



1.  Inhalt, Bedeutung und Reichweite der periculum emptoris-Regel

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wickelt hatten,114 hätten sich nicht von dem archaischen Vorbild des Kaufs in seiner primitivsten Erscheinungsform115 lösen können und seien nur beim Kauf und insoweit auch nur hinsichtlich der Sachleistung des Verkäufers nicht in der Lage gewesen, das Verpflichtungs- vom Verfügungsgeschäft zu trennen, „äußerst fragwürdig“ erscheint.116 Genauso sicher, wie der historische Ursprung des Geschäfts beim Barkauf in vielerlei Hinsicht prägend für die weitere Entwicklung des Kaufrechts gewesen sein wird, war jener nicht das dogmatische „Struktur-Modell“ des entwickelten Konsensual(kauf)vertrages.117 Die periculum emptoris-Regel hat die Entwicklung des Kaufs vom Bargeschäft zum Verpflichtungsgeschäft nicht einfach überlebt, sie ist keine bloße „Nachwirkung“ des Barkaufgedankens.118 Es lässt sich freilich nicht leugnen, dass die Frage, wie der Kauf in der Praxis vorkam, nämlich als sofort vollzogenes Platzgeschäft, von großer Bedeutung auch für die Gefahr­ tragung gewesen sein wird. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht sachgerecht, jedem, der – meist im Zusammenhang mit der periculum emptoris-Regel – mit dem „Barkauf-Modell“ argumentiert, die Behauptung zu unterstellen, dass die am Barkauf entwickelte Gefahr­ tragungsregel nur hartnäckig den Wandel der Zeit überdauert und als „lebendiges Fossil“ noch das klassische Kaufrecht bestimmt habe.119 Denn es liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen der Behauptung, dass das periculum emptoris eine „bloße Nachwirkung“ des alten Barkaufs gewesen sei, und der Aussage, dass die Risikoverteilung, die sich beim Barkauf naturgemäß ergab, auch in klassischer Zeit noch gegolten habe, weil der Barkauf auch dann noch „die Regel“ (und eine Verzögerung der Übergabe insofern „regelwidrig“) gewesen120 bzw. als „Normalfall“ angesehen worden121 sei. Auch wer meint, dass der Käufer die Gefahr 114  Als Beispiel aus dem Recht der emptio venditio nennt Weyand die Ausbildung des Kaufs hinsichtlich der Käuferverpflichtung als rein obligatorisch wirkendes Geschäft, außerdem den Umgang mit der streng obligatorisch wirkenden stipulatio; TR 51 (1983), 225 (255 Fn. 150); vgl. auch Flume (1990) – Rechtsakt und Rechtsverhältnis, S. 57. Kein gutes Beispiel ist indessen der Hoffnungskauf, weil dabei keine körperliche Sache, sondern  – wie beim Forderungskauf  – die unkörperliche spes zugeordnet wird. 115  Dazu oben: B. I. 1.a)i). 116  Weyand TR 51 (1983), 225 (227, 248, 255 Fn. 150); dem zustimmend: Flume (1990) – Rechtsakt und Rechtsverhältnis, S. 112 (Fn. 73); Bauer  (1998)  – Periculum emptoris, S. 74 f.; ähnlich: Bucher in: FS Huwiler (2007), 137 (140, 142): „Wenn nun die romanistische Lehre zur Erklärung der (…) periculum emptoris-Regel das Verhaftetsein der damaligen Juristenschaft in überlebten Vorstellungen („Modell des Barkaufs“ usw.) anführt, liegt darin eine Herabsetzung der damals Verantwortlichen, die in dieser Frage entgegen dem sonst Geleisteten plötzlich versagt haben sollen, d. h. sich nicht von überkommenen Atavismen trennen konnten“. 117 Vgl. Weyand TR 51 (1983), 225 (226). 118  Bauer  (1998)  – Periculum emptoris, S. 74 f.; Yaron 2 RLT (2004), 59 (71): “… [P] ericulum emptoris is in no fashion rooted in earlier times, … it came into being as an answer to a problem that had, unrelated to any Barkaufgedanken, arisen in the wake of consensual sale”. 119  So aber Yaron 2 RLT (2004), 59 (71): „History ist the preferred escape route whenever understanding and/or justification are beyond reach“ – Diese Äußerung wird den in Bezug genommenen Aussagen von Kaser, Honsell und Hausmaninger/Selb nicht gerecht. 120  Jörs/Kunkel/Wenger  (1987)  – Röm. Recht, S. 310 = Honsell  (2010)  – Röm. Recht, S. 128, ähnlich Hausmaninger/Selb (2001) – Röm. PrivatR, S. 237. 121  Kaser (1971) – RP I, S. 552. Vgl. dazu auch Zimmermann (1996) – Obligations, S. 290: „While the transfer of the object (and with it the final act necessary for the transfer of ownership) could be postponed to a later date, one continued to think in terms of the cash sale pattern in some

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deshalb vom Vertragsschluss an zu tragen gehabt habe, weil ihm die Sache wegen der auch quasi-dinglichen Wirkung des Kaufvertrages von diesem Zeitpunkt an inter partes gehört habe, argumentiert mit dem „Sofort-Vollzug“ des Kaufs und damit in Anlehnung an den Barkauf-Gedanken.122

Zur sachlichen Begründung von periculum emptoris kann diese „Survival theory“123 ohnehin nichts beitragen, weil die „kritische Zwischenzeit“ (zwischen Vertragsschluss und Übergabe der verkauften Sache) beim sofort vollzogenen Kauf naturgemäß nicht vorkommt.124 Das (historische)125 Barkauf-Argument ist also schon deshalb nicht plausibel, weil ihm zufolge die Zuweisung der Gefahr der verkauften Sache an den Käufer ein Problem lösen sollte, das es in den alten Naturalkauf-Zeiten gar nicht geben konnte.126 Im Übrigen leuchtet nicht ein, warum die römischen Juristen in der Situation des zeitlichen Auseinanderfallens von Vertragsschluss und Übergabe, wenn sie sich schon am Barkauf orientierten, nicht das andere Element des Barkaufs, die Übergabe, für ausschlaggebend hielten.127

ii)  „Entäußerungstheorie“ und Begründung der periculum emptoris-Regel mit dem Prinzip casum sentit dominus Die heute wohl herrschende Meinung in der Romanistik geht davon aus, dass die Regelung periculum est emptoris nur die kaufspezifische Verwirklichung des Prinzips casum sentit dominus gewesen sei. So kommt etwa Bauer in seiner dogmengeschichtlichen Untersuchung zu folgendem Ergebnis: „Die gesamte Konzeption der emptio venditio beruhte auf dem Grundgedanken, dass die Kaufsache ab emptio perfecta Teil des Vermögens des Käufers geworden ist. Periculum est emptoris ist kein juristisches Kuriosum, sondern logische Konsequenz dieser Struktur des klassischen Kaufs. Ihre Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit erhält die other respects, for instance with regard to the question of risk. But this does not mean that, we are here dealing, as far as classical law is concerned, with an inappropriate atavism. Periculum est emptoris is a reasonable solution to the difficult problem of risk allocation corresponding entirely to the underlying economic interest structure…“ Zur Erklärung der Käufergefahrtragung mit der „Marktüblichkeit“ der sofortigen Geschäftsabwicklung auch: B. I. 1.c)vi). 122 Vgl. Flume (1992) – Rechtsakt und Rechtsverhältnis, S. 112 (Fn. 73); Ernst (2000) – Einrede, S. 56. 123  Yaron 2 RLT (2004), 58 (70). 124  Honsell (2010) – Röm. Recht, S. 128. 125  Wichtiger als das historische Barkauf-Vorbild, also der Umstand, dass es in ältester Zeit nur den Real-/Naturalkauf gab, ist für das Verständnis der römischen Käufergefahrtragung das ökonomische Barkauf-Modell, also die Frage, warum der Kauf in der Praxis auch dann noch regelmäßig in dieser Form vorkam, als die Verpflichtungswirkung des Kaufs schon voll ausgebildet war und der Kauf daher auch als Termingeschäft hätte durchgeführt werden können: Warum hatte der Barkauf Modell-Charakter, obwohl er die Struktur der klassischen emptio venditio gerade nicht mehr prägte? Diese Frage versucht vor allem die „Marktkauf-These“ unter Berücksichtigung der praktischen Lebensgewohnheiten und der Wirtschafts- und Handelsbedingungen Roms zu beantworten, dazu unten: B. I. 1.c)vi). 126  Dazu m. w. N. Yaron 2 RLT (2004), 59 (72). 127  Peters in: FG Kaser (1986), 221 (223); Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 75.



1.  Inhalt, Bedeutung und Reichweite der periculum emptoris-Regel

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Regel durch ihren Gegenpol, die custodia-Haftung.“128 Und „[w]enn nun mit wirksamen Kaufabschluss der wichtigste Teilakt der Übereignung [durch traditio ex iusta causa (emptionis)]129 bereits vollzogen ist, so erscheint die Regel periculum est emptoris weniger als Abweichung von dem allgemeinen Prinzip casum sentit dominus, denn als kaufspezifische Ausformung dieses Grundsatzes.“130

Dabei macht es im Grunde keinen Unterschied, ob man die custodia-Haftung des Verkäufers als Ausgleich („Korrektiv“) der Gefahr­tragung des Käufers ab Vertragsschluss sieht oder umgekehrt die Gefahr­tragung des Käufers als „Belohnung“ für den Verkäufer, der die verkaufte Sache bis zur Übergabe für den Käufer sorgfältig(st) behüten muss131. Bauer spricht von der „schuldrechtlichen Zurechnungswirkung der Kaufabrede“ und verweist auf Windscheid132, der dieser Eigenheit des römischen Rechts „dogmatische Konturen“ gegeben habe.133 Diese sehen folgendermaßen aus: „Man muss sagen: Der Abschluss des Kaufvertrages ist die Erfüllung… Was heißt verkaufen? Verkaufen heißt erklären, dass ein Anderer meine Sache haben soll. Verkaufen heißt nicht, versprechen, einem Andern seine Sache geben zu wollen. Wer verkauft, übernimmt nicht die Verpflichtung sich der Sache entäußern zu wollen, er entäußert sich ihrer. Daraus allein [durch die in der emptio venditio liegende Entäußerungserklärung] freilich hat der Käufer (nach römischem Recht) von der Sache noch gar nichts, nicht factisch, da der Verkäufer sie noch in Händen hat, nicht rechtlich, da der bloße Entäußerungsvertrag kein Recht überträgt; er hat daraus nur eine Forderung darauf, daß der Verkäufer zu der zu seinen Gunsten abgegebenen Erklärung stehe: aber deswegen ist es doch nicht weniger wahr, daß der Entäußerungsvertrag bereits im Kaufvertrage abgeschlossen worden ist. … Sobald der Kaufvertrag perfect ist, hat er [der Käufer, der auch die Gefahr tragen muss] sie [die verkaufte Sache] bereits in seinem Vermögen.“134

Windscheid selbst räumte ein, dass diese Auffassung „durchaus unjuristisch“ sei, weil nicht der Kaufvertrag, sondern die Übergabe das Eigentum übertrage; aber 128 

Bauer (1998) – 129  Anm. d. Verf.

Periculum emptoris, S. 79.

130  Bauer (1998)  – Periculum emptoris, S. 77 f.; für die Begründung von periculum est emptoris mit dem Gedanken von casum sentit dominus auch Ernst (1981) – Periculum emptoris, S. 76 (Fn. 199); Peters in: FG Kaser (1986), 221 (224); Flume (1990) – Rechtsakt und Rechtsverhältnis, S. 111–113 (allerdings kritisch zu Peters Begründung in Fn. 73). 131 So Schulz (1951) – Classical Roman Law, S. 533: The seller had bound himself to treat the thing belongig to the buyer; he owed the fruits of the thing to the buyer and had taken over a liability for culpa and custodia. For all this he deserved a recompense, and this he received in the form of the price. The rule [perfecta emptione periculum est emptoris] in the classical context, so far from being unjustified, is an ideal solution for the problem.”; dazu Yaron in: 2 RLT (2004), 59 (74). 132  Windscheid in: Kritische Zeitschrift 2 (1855), 106 (136 f.); ders. (1906) – Pandekten II, S. 330 f. (§ 321.3), S. 660 (§ 390); dazu: Ernst  (1981)  – Periculum emptoris, S. 75 ff.; Pennitz (2000) – Periculum rei venditae, S. 19 ff. 133  Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 75; vgl. auch Ernst (1981) – Periculum emptoris, S. 79 f.; ders. ZEuP 1999, 583 (592 ff.). Zu den theoretischen Vorläufern der sog. Entäußerungstheorie, als deren Begründer Windscheid gilt: Bessenyö in: Kaufen nach römischem Recht (2008), 1 (44); Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 22–24. 134  Windscheid in: Kritische Zeitschift 2 (1855), 106 (136 f.), Anm. d. Verf.

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eine andere Frage sei es, „ob nicht das Leben allerdings den Kaufvertrag als den entscheidenden Moment für die Vermögensveränderung ansieht.“135 In seinem Pandektenlehrbuch136 rückte er später allerdings von der Annahme ab, dass die Kaufsache mit dem Kaufabschluss tatsächlich in das Vermögen des Käufers übertragen worden sei, und ging stattdessen von einer Fiktion des Vermögensübergangs aus.137 Gleichwohl fand seine frühere Auffassung (tatsächliche, „echte“ Vermögensübertragung mit Kaufabschluss) eine große Anhängerschaft.138 Gegen diese Begründung von periculum emptoris wird eingewendet, dass nicht klar sei, was man sich unter der allein durch den Kaufabschluss begründeten Berechtigung des Käufers, die stärker als eine Forderung, aber schwächer als ein dingliches Recht gewesen sein soll, vorzustellen habe.139 In der Tat ist – zumindest aus heutiger Sicht – nicht unmittelbar einleuchtend, was ein Eigentumsrecht des Käufers allein im Verhältnis zum Verkäufer anderes sein soll als ein Forderungsrecht bezüglich der verkauften Sache.140 Stand hinter der Objektzuordnungswirkung des Kaufakts eigentlich nicht mehr als ein bloßes Forderungsrecht des Käufers, würde dies die Begründung der Käufergefahrtragung mit der „quasi-dinglichen“ Wirkung der emptio venditio erheblich entwerten, sofern diese nahelegt, (auch) nach klassischem römischen Recht habe der Gefahrübergang irgendwie mit der Eigentumsübertragung zusammengehangen141. Darauf, dass die durch den Kaufabschluss geschaffene Beziehung zwischen dem Käufer und der Kaufsache – nach unserem heutigen Verständnis – nicht rein obligatorischer Natur war, deutet außer der Gefahr­tragung des Käufers allerdings auch die custodia-Haftung hin, welcher der Verkäufer vom Vertragsschluss an ausgesetzt war. Denn diese bedeutete, dass der Verkäufer die bei ihm verbleibende 135 

Windscheid in: Kritische Zeitschift 2 (1855), 106 (137). Windscheid (1870) – Pandekten II, S. 423 (Anm. 3). 137 Dazu Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 24 f. 138  Dazu m. w. N. Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 25–29, der u. a. verweist auf: Goose, Stintzing, Bernhöft, Mommsen, Lenel, v. Keller, Römer, Krückmann. 139  So neuerdings die Kritik an der Annahme vom Verfügungscharakter der emptio venditio, mit der die These, dass das römische Recht wegen des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes keinen „Gattungskauf“ habe anerkennen können, steht und fällt, von Bessenyö in: Kaufen nach röm. Recht  (2008), 1 (43 ff.). Er bezeichnet die Entäußerungstheorie als „verhängnisvolle Vermengung“ von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft (S. 51). Zu der bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an der Unbestimmtheit der „Entäußerungstheorie“ geübten Kritik durch Hofmann, Flatau, Soehngen, Koeppen und Puntschart im Überblick siehe Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 30 f. 140  Bauer  (1998)  – Periculum emptoris, S. 75 spricht von der „schuldrechtlichen Zurechnungswirkung der Kaufabrede“, Betti SZ Rom 82 (1965), 1 (22) von einem zur Anwartschaft gesteigerten Forderungsrecht, das die traditio zu dessen bloßen Ausführungsakt herabsetzt habe; dazu Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 22 (Fn. 84). 141 Vgl. Bucher in: FS Huwiler (2007), 138 (140 bei und in Fn. 3): Dass die Doktrin zur Erklärung der Käufergefahrtragung das „Weiterwirken von Vertragskonsens und Eigentumsübergang, welche wenigstens inter partes wirkt und den Käufer damit als Eigentümer fingiert“, betone, impliziere die „Behauptung faktischer Infragestellung der Unterscheidung von Verpflichtung und Verfügung“. 136 



1.  Inhalt, Bedeutung und Reichweite der periculum emptoris-Regel

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verkaufte Sache wie eine fremde (entliehene) Sache behüten musste.142 Als Hinweis auf die unmittelbar objektzuordnende Wirkung der klassischen emptio venditio ist ferner zu deuten, dass der Verkäufer, der vor der Übergabe durch eine Disposition über die verkaufte Sache einen Gewinn lukrierte, dem Käufer nicht nur für die Nichterfüllung seiner Sachleistungspflicht haftete, sondern überdies den Gewinn herauszugeben hatte; die Disposition wurde also offenbar als Eingriff in das Käufervermögen gewertet.143 Außerdem erklärt das wertzuweisende Kaufverständnis des römischen Rechts auch die Zuweisung der commoda und incommoda zum Käufer ab Vertragsschluss.144 All diese Regelungen geben der „quasi-dinglichen“ Zuordnungswirkung des Kaufs durchaus scharfe Konturen. Es zeigt sich deutlich, inwiefern die Wertzuweisung durch den Kaufabschluss über ein bloßes Forderungsrecht hinausging. Dass der Käufer mit dem Vertragsschluss noch kein „echtes“ Eigentum erwarb, dürfte auch daran gelegen haben, dass dies für den Verkäufer „zu gefährlich gewesen [wäre], insbesondere im Hinblick darauf, dass [er] die Ware als Sicherheit für die Kaufpreiszahlung retinieren können muss…“145. Wenn er noch nicht Sacheigentümer war, konnte der Käufer die traditio vom Verkäufer nur mit der actio empti verlangen, und im Rahmen dieser Klage war jedenfalls seit der Hochklassik eine Rechtsbefugnis des Verkäufers zur retentio anerkannt, solange der Kaufpreis nicht gezahlt war.146 Davon abgesehen war der „echte“ dingliche Eigentumserwerb allein für die Zuordnung der verkauften Sache zum Käufer im Verhältnis zu Dritten von Bedeutung.147 Ihnen gegenüber war der (prozessuale) Schutz des Käufers zunächst unvollständig.148

Eine Grundsatz-Kritik an der wertzuweisenden Wirkung des Kaufkonsenses, wie sie Bessenyö149 kürzlich geübt hat, dürfte auch unserer modernen Dogmatik (Unterscheidung von relativen und absoluten Rechten, Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft sowie Schuld- und Sachenrecht) verhaftet sein und am juristischen Denken der Römer vorbeigehen. Denn die römischen Juristen „dachten“ nicht in Rechtsverhältnissen, aus denen (klagbare) Ansprüche (actiones) 142 Dazu: Harke (2008) – Röm. Recht, S. 122 (§ 8.7); Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 62: wegen der wertzuweisenden Wirkung des Kaufs sei der Käufer ab emptio perfecta wie der „wirtschaftliche Eigentümer“, der Verkäufer „wie ein Fremdbesitzer“ der verkauften Sache behandelt worden; vgl. auch Kaser/Knütel  (2008)  – Röm. PrivatR, S. 229 (§ 41.21). Nach Bruckner 1889 – Custodia, insb. S. 139 ff. folgte allerdings allein aus dem Vorhandensein des (formellen) dominium beim Verkäufer (vor traditio) wenigstens noch ein „natürliches Schutzinteresse“ desselben (S. 141, Anm. 1, S. 171 f.). 143  Weyand TR 51 (1983), 225 (255 ff.). 144 Dazu: Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 68 ff., Weyand TR 51 (1983), 225 (228 ff.); Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 23. 145  Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 24 Fn. 91. 146  Ernst (2000) – Einrede, S. 60. 147 Vgl. Ernst (1981) – Periculum emptoris, S. 77, 79 f.; ders. ZEuP 1999, 583 (592); ders. (2000) – Einrede, S. 53; Peters in: FG Kaser (1986), 221 (223). 148 Dazu Michaels (2000) – Sachzuordnung, S. 72–74, 103. 149  Bessenyö – Gattungskauf, in: Kaufen nach röm. Recht (2008), 1 (43 ff.); siehe bereits in Fn. 139.

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

je nachdem resultierten, welches Stadium im dynamischen Vollzug zwischen Begründung und Erfüllung der gegenseitigen Leistungspflichten erreicht war, sondern in Rechtsakten.150 Demnach zeitigte etwa die Begründung des Kaufakts als solche unmittelbare „Rechtsfolgen“, namentlich soll mit der Kaufperfektion endgültig festgestanden haben, dass die – notwendig individuell bestimmte – Kaufsache nunmehr dem Käufer gehöre151 (und der Verkäufer sie bis zur Übergabe behüten und nach Übergabe bei Eviktion des Käufers haften muss) und der Käufer sie deshalb vom Verkäufer herausverlangen könne, aber auch den Kaufpreis zu zahlen habe. Es habe die actio venditi des Verkäufers deshalb genau so wenig berührt, wenn die verkaufte Sache vor ihrer Übergabe unterging, wie wenn sie danach untergegangen wäre, weil allein durch den Kaufabschluss die Sache dem Käufer vermögensmäßig bereits übertragen war152. Nach Flume ist es daher eigentlich schon verfehlt, den Satz periculum est emptoris als Regelung der Preisgefahr aufzufassen; vielmehr sei damit gemeint gewesen, dass der Käufer ab emptio perpecta die Sachgefahr habe tragen müssen: „Der Kaufabschluß und die zu ihm gehörende Existenz der Kaufsache sind die Voraussetzungen dafür, daß aufgrund der emptio perfecta der Käufer wie der Eigentümer nach dem Satz casum sentit dominus die Gefahr des Verlustes der Kaufsache trägt.“153

So gesehen ging es eigentlich nicht darum, den Käufer in einer Situation, in welcher der Verkäufer die ihm obliegende Verpflichtung zur Verschaffung der Kaufsache nicht erfüllen konnte, an der Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung festzuhalten.154 Vielmehr musste der Käufer den Kaufpreis nur zahlen, wenn und weil er bereits mit der Perfektion des Kaufvertrages im Wesentlichen erhalten hatte, was der Verkäufer ihm schuldete.155 Denn nach dem Rechtsakt-Verständnis war seine unbedingte und endgültige Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung ebenso eine unmittelbare Wirkung der Kaufperfektion156 wie die endgültige und unbedingte Zuordnung der verkauften Sache zu seinem Vermögen157.158 Dem Umstand, dass 150 

Grundlegend dazu Flume (1990) – Rechtsakt und Rechtsverhältnis. Flume (1990) – Rechtsakt und Rechtsverhältnis, S. 57, 111 f. 152 Vgl. Flume (1990) – Rechtsakt und Rechtsverhältnis, S. 112 f. (bei und in Fn. 73). 153  Flume (1990) – Rechtsakt und Rechtsverhältnis, S. 111, Hervorhebung d. Verf. 154  Dazu oben: B. I. 1.b). 155 Vgl. Ernst (2000) – Einrede, S. 52 f.: Bereits der perfekte Abschluss der emptio venditio habe „rechtliche Leistungswirkungen“ gezeitigt. Auf der Grundlage dieses Verständnisses steht die periculum est emptoris-Regel nicht einmal im Widerspruch zum Gedanken der „Austauschgerechtigkeit“. Vgl. auch die „Theorie der fingierten Erfüllung“: B. I. 1.c)iv). 156  Schließlich war es eine notwendige Perfektionsvoraussetzung, dass der Kaufpreis der Höhe nach feststand und die Parteien ihre Vereinbarung (auch) diesbezüglich unbedingt schlossen. Dazu oben: B. I. 1.b)i). 157  Wegen dieser „quasi-dinglichen“ Wirkung zählte es zu den notwendigen Perfektionsvoraussetzungen, dass die Kaufsache individuell bestimmt war und die Vereinbarung der Parteien, dass diese Sache an den Käufer verkauft sei, unbedingt geschlossen wurde. Auch dazu oben: B. I. 1.b)i). 158 Vgl. Flume (1990) – Rechtsakt und Rechtsverhältnis, S. 111 f.: (nur) im Ergebnis sei es bei dem Gefahr­tragungsproblem darum gegangen, ob der Käufer den Kaufpreis zahlen muss: „Nur im 151 



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er aus den genannten Gründen den Kaufpreis auch dann zahlen musste, wenn der Verkäufer infolge des zufälligen Untergangs der verkaufte Sache außerstande war, diese zu übergeben, entsprach die fehlende Koordinierung der aus dem Rechtsakt der emptio venditio entspringenden beiderseitigen Klagebefugnisse des Verkäufers und des Käufers.159

iii)  „Theorie von der wechselseitigen Unabhängigkeit der Obligationen bei gegenseitigen Verträgen“160 Auch ohne Rücksicht auf sachliche Besonderheiten des Kaufakts (unmittelbar objektzuordnende Wirkung des Kaufkonsenses) und die Funktionsweise des Formularprozesses ist angenommen worden, dass die beiden durch den Kaufabschluss einmal entstandenen Verpflichtungen in Bestand und Durchsetzbarkeit voneinander völlig unabhängig gewesen seien. Demnach hätten sie sich eigentlich – außer bei ihrer Entstehung – als zwei einseitige Obligationen gegenüber gestanden, und die periculum emptoris-Regel wäre deshalb nur ein Anwendungsfall der allgemeinen römisch-rechtlichen Grundsätze gewesen, nach denen bei einer einseitigen Obligation der Zufall (casus) den Schuldner befreit, also der Gläubiger die „Leistungsgefahr“ trägt.161 Dies ist der Grundgedanke der „Theorie von der wechselseitigen Unabhängigkeit der Obligationen bei gegenseitigen Verträgen“, die mit im Detail unterschiedlichen Begründungen vertreten wurde.162 Gegen diese Meinungen spricht vor allem, dass sie zirkulär sind.163 Denn die Römer verstanden (nachträgliche) „Unmöglichkeit“ nicht gegenständlich, sondern normativ164 und „Zufall“ war ihnen nicht das, was der Schuldner nicht zu vertreten Fall des periculum emptoris, d. h. wenn der Käufer wie ein Eigentümer die Sachgefahr trägt, muß er den Kaufpreis zahlen, während, wenn der Kauf wegen Nichtexistenz der Kaufsache gar nicht zustande kommt, selbstverständlich keine Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung entsteht.“; so auch Ernst in: FG Flume (1998), 1 (37–40); ders. (2000) – Einrede, S. 52 ff. 159 Vgl. Ernst in: FS Mayer-Maly (2002), 159 (165 f.); ders. (2000) – Einrede, S. 51 ff., 57. Aufgrund der speziellen Funktionsweise des Formularprozesses („independence of actions“, „verblüffender Mangel an Parität“) habe die Käufergefahrtragung sich seinerzeit von selbst verstanden. Nach Abschaffung des Formularprozesses habe sie im iustinanischen Recht nur noch kraft positivistischen Ausspruchs fortgegolten und sei fortan vor allem materiell-rechtlich mit dem Gleichlauf von periculum und commodum erklärt worden (FS Mayer-Maly (2002), 159 (171)). 160  Bezeichnung von Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 17. 161  Wächter AcP 15 (1832), 97 ff. (120 ff.), ders. AcP (1832), 188 (189–192); dazu Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 17. 162  Ausführlich dazu m. w. N. Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 17–19; vgl. auch Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 12. 163 So Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 19. 164 Mit dem Verzug des Stipulationsschuldners, der Verschaffung einer bestimmten Sache schuldete, wurde dessen Obligation etwa „verewigt“, so dass sie auch ungeachtet des Untergangs der geschuldeten Sache fortbestand und er also wegen Nichterfüllung haftete, wenn seine Leistung infolge des Sachuntergangs ausblieb. Gegen das faktisch-gegenständliche Begriffsverständnis von Unmöglichkeit, wie es dem heutigen § 275 Abs. 1 zugrunde liegt, spricht bereits, dass eine Real-/ Naturalvollstreckung dem römischen Recht fremd war; stattdessen galt das Prinzip der Geldkon-

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hat, sondern der Schuldner hatte andersherum all das zu vertreten, was nicht als Zufall galt. Man dreht sich deshalb im Kreis, wenn man sagt, dass der Käufer die Gefahr habe tragen müsse, wenn der Verkäufer infolge des Satzes „impossibilium nulla obligatio“ oder „casus a nulla praestantur“ von seiner Leistungspflicht frei wurde, weil das Freiwerden des Schuldners (Verkäufers) gerade voraussetzte, dass er die Gefahr nicht zu tragen hatte.165 Anders als die „Entäußerungstheorien“166 vermag die „Unabhängigkeitstheorie“ auch allenfalls zu erklären, warum der Verkäufer ggf. (ersatzlos) frei wird (also die „Leistungsgefahr“ trägt), nicht aber, warum der Käufer an seiner Obligation festgehalten wird, also die „Gegenleistungsgefahr“ tragen muss.167 Es steht offensichtlich im Widerspruch zur bona fides, die (Verpflichtungs-) Grundlage der emptio venditio war,168 den Kauf in einer Weise aufzuspalten, als hätten die Übergabe der Ware und die Bezahlung des Kaufpreises nichts miteinander zu tun; denn es geht gerade um den Austausch „Ware gegen Geld“.169

iv)  „Theorie der fingierten Erfüllung“170 Offenbar um die periculum est emptoris-Regel „technisch“ mit dem (modernen) Verständnis vom Synallagma171 in Einklang zu bringen, ist auch vertreten worden, dass mit der Kaufperfektion der Kaufvertrag sogleich als erfüllt gegolten habe und die Leistung des Verkäufers deshalb nicht mehr habe unmöglich werden können.172 Sofern diese Erfüllungsfiktion auch wertend begründet worden ist, weisen die Begründungsversuche in die Richtung der „Verschuldenstheorie“173: Die Unmöglichkeit habe der Erfüllung zugunsten des Schuldners billigerweise gleichgestanden, wenn es nicht am Schuldner lag, dass seine Verpflichtung nicht wirklich erfüllt wurde.174 Oder: Da die Perfektion des Kaufakts die Erfüllungsbereitschaft aufseidemnation. Die Frage nach dem Fortbestand der Obligation bei Untergang des Leistungsgegenstandes war also die Frage nach der (Ersatz-)Haftung des Schuldners. In dieser Tradition stehend machte noch § 275 Abs. 1 a. F. die Leistungsbefreiung des Schuldners davon abhängig, dass „die Leistung infolge eines nach der Entstehung des Schuldverhältnisses eintretenden Umstandes, den er nicht zu vertreten hat, unmöglich wird“. War die Leistung demnach unmöglich, stand damit fest, dass der Schuldner weder die Leistung noch Schadenersatz schuldete. Die Regel impossibilium nulla obligatio galt nach römischem Recht im Übrigen nur für den Fall der, wie wir heute sagen, anfänglichen Unmöglichkeit. Vgl. zu diesen Zusammenhängen bereits: A.3.a)ii). 165  Dazu m. w. N. Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 19. 166  Soeben: B. I. 1.c)ii). 167 Vgl. Fuchs AcP 34 (1851), 106 (107); dazu Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 19. 168  Dazu: B. I. 1.a)ii). 169  Siehe die Darstellung der Kritik an der „Unabhängikeitstheorie“ (u. a. durch Fuchs, Mommsen, Hofmann, Windscheid) m. w. N. bei Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 19–22. 170  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1042; Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 31. 171  Dazu: A.3.d) und: B. I. 3.b). 172  Dazu m. w. N. Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 31–33; Ewert  (2007) – Gefahr­ tragung, S. 6. 173  Dazu sogleich: B. I. 1.c)v). 174 So Fuchs AcP 34 (1851), 224 ff., der außerdem argumentierte, dass der Käufer deshalb die Gefahr habe tragen müssen, weil der Verkäufer sich mit dem Kaufabschluss der freien Disposition



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ten des Verkäufers vorausgesetzt habe (Vollziehbarkeit), habe dieser so behandelt werden müssen, als sei auch sogleich erfüllt (vollzogen) worden; die Gefahr­tragung des Verkäufers dürfe nicht dem (im untechnischen Sinne) Zufall überlassen bleiben, ob der Käufer die Ware schon an sich genommen hat oder nicht.175 Auch auf der Grundlage der Entäußerungstheorie ist das schon ähnlich formuliert worden.176 Besonders Windscheid, der freilich keine Bedenken hatte, eine Fiktion der Vermögensverschiebung anzunehmen,177 lehnte eine Fiktion der Erfüllung jedoch ausdrücklich ab, weil diese vor allem dann nicht überzeuge, wenn die Erfüllung vereinbarungsgemäß aufgeschoben sei.178 Gleiches galt für v. Jhering179, der selbst allerdings hinsichtlich des Verschuldens des Käufers mit einer Fiktion arbeitete. Der Gedanke der fingierten Erfüllung beschreibt  – zumindest von einem modernen Standpunkt aus – zwar sehr treffend die Wirkungsweise der Käufergefahrtragung. Denn wenn man von dem Grundsatz der Schuldnergefahrtragung ausgeht, wonach im gegenseitigen Vertrag jeder Vertragspartner seinen Anspruch auf die Gegenleistung nur und erst dann sicherstellt, wenn er den Erfolg der ihm obliegenden Leistung bewirkt hat,180 bedeutet die Anordnung eines „vorzeitigen“ Gefahrübergangs in der Tat, den Schuldner mit Blick auf die Gegenleistung so zu stellen, als habe er bereits erfüllt. Davon abgesehen, dass zu bezweifeln ist, dass dies die Herangehensweise der römischen Juristen war,181 bleibt aber fraglich, warum die Erfüllung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausgerechnet zulasten des Käufers fingiert worden sein sollte. über die Sache begeben und deshalb nicht durch anderweitige Veräußerung den Schadenseintritt habe verhindern können; dazu Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 31. Ähnlich argumentierte Wächter AcP 15 (1832), 188; dazu: Ewert (2007) – Gefahr­tragung, S. 7. Dieses Argument weist in die Richtung der „Verschuldenstheorie“, dazu sogleich im Text. Wenn die Zuordnung der Ware zum Käufer ab Vertragsschluss unter dem Aspekt gesehen wird, dass der Verkäufer nicht mehr über sie habe disponieren dürfen und ihm dadurch die Möglichkeit genommen worden sei, den Zufall von sich abzuwenden, dann ist die Zuordnung der Ware zum Verkäufer jedenfalls nicht dahin angesprochen, dass die Ware eigentlich schon dem Käufer gehört habe und er deshalb die Gefahr habe tragen müssen (vgl. die Entäußerungstheorie, siehe oben). Auch v. Jhering argumentierte schließlich mit der „Entziehung der weiteren Verkaufsbefugnis“, die für den Verkäufer eine Einbuße, für den Käufer dagegen ein Vorteil gewesen sei; v. Jhering JherJb 3 (1859), 449 (465 f.). 175 Vgl. Ude AcP  48 (1865), 246 ff.  (309 f.) und 366 ff.; Vangerow (1869)  – Pandekten III, S. 204 ff. (211); Puchta (1877) – Pandekten, S. 462; Koch (1858) – Recht der Forderungen I, S. 198 ff., insb. 204, Thöl (1879) – HandelsR I, S. 875; dazu Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 32 f. 176  Ernst (1981)  – Periculum emptors, S. 80 mit Verweis auf Savigny. Siehe auch schon: B. I. 1.c)ii) (in Fn. 155). 177  Dazu oben: B. I. 1.c)ii). 178  Windscheid in: Kritische Zeitschrift 2 (1855), 106 (136 f.), dazu sowie m. w. N. zur Kritik an der „Theorie der fingierten Erfüllung“: Cortesi (1996) – Kaufpreisgefar, S. 33, wonach insbesondere Windscheids Kritik Mommsen, der anfangs ein Vertreter der Erfüllungstheorie war, veranlasste, diesen Standpunkt aufzugeben und sich der „Veräußerungstheorie“ anzuschließen; vgl. dazu auch a. a. O. S. 26. 179  v. Jhering JherJb 3 (1859), 449 (462 f., 485 f.); dazu auch noch bei und in Fn. 193. 180  Dazu oben: A.3.d)ii). 181  Dazu bereits: B. I. 1.b).

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Insofern kommt die „Theorie der fingierten Erfüllung“ nicht ohne einen Rückgriff auf die anderen Begründungsansätze aus, etwa dass es der Erfüllung (durch Übergabe) gleichgestanden habe, – dass der Käufer bereits durch den Kaufabschluss mit Wirkung zumindest gegenüber dem Verkäufer wie der Eigentümer der verkauften Sache behandelt worden sei,182 – dass der Schuldner auch bei einseitigen Verpflichtungen im Falle der unverschuldeten Unmöglichkeit ebenso wie durch die Erfüllung frei werde,183 oder – dass es dem erfüllungsbereiten Schuldner (Verkäufer) nicht zum Nachteil gereichen dürfe, wenn es ausschließlich am Gläubiger (Käufer) liegt, dass sich die Erfüllung (durch Übergabe/Ansichnahme der verkauften Sache) verzögert184.

v) „Verschuldenstheorie“ v. Jhering185 sah den Grund für die Gefahrbelastung des Käufers ab Vertragsschluss darin, dass der Käufer von diesem Moment an die Ware habe an sich nehmen dürfen und – in etwa entsprechend einer Obliegenheit im heutigen Sinne – auch habe an sich nehmen müssen. Wenn er die Ware gleichwohl in der Obhut des Verkäufers belassen habe und sie dort auf eine Weise zu Schaden gekommen sei, die nicht die (ohnehin recht strenge) custodia-Haftung des Verkäufers begründete, sei dies dem Käufer „anzulasten“ gewesen. Deshalb habe dieser auch den Verlust verschmerzen müssen. Dieser Gedanke ist unter dem Schlagwort der „Verschuldenstheorie“ bekannt geworden. Er lässt an die heutige Rechtfertigung des Gefahrübergangs mit Annahmeverzug des Käufers denken. Denn auch dessen Grund wird darin gesehen, dass der Verkäufer die Gefahr nicht tragen soll, wenn es allein am Käufer liegt, dass die (erfüllungstaugliche) Ware noch nicht übergeben wurde und es infolgedessen nicht bereits zum (regulären) Gefahrübergang gekommen ist. v. Jhering selbst hat diesen Gedanken im Rahmen seiner Lieferungstheorie entfaltet.186

Die Bezeichnung „Verschuldenstheorie“ ist allerdings wenig treffend. Denn obwohl v. Jherings theoretischer Ausgangspunkt der culpa-Begriff des römischen Rechts war,187 lag der rechtfertigende Grund der Käufergefahrtragung seiner Ansicht nach weder notwendig im Annahmeverzug („mora accipiendi“)188 noch überhaupt in einem „Verschulden“ des Käufers, sondern vielmehr darin, dass der Leistungsaufschub in der Rechtspraxis seinerzeit regelmäßig allein im Interesse des Käufers erfolgt sei.189 v. Jhering meinte, vor allem aus diesem Grund habe das 182 

Dazu: B. I. 1.c)ii) (in Fn. 155). Vgl. dazu: B. I. 1.c)iii). 184  Dazu: B. I. 1.c)v) und: B. I. 1.c)vi). 185  v. Jhering JherJb 3 (1859), 449 (464 ff.). 186  Dazu unten: B. I. 4.c)ii). 187 Dazu Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 33 f. 188  Zu den Auswirkungen des Annahmeverzugs des Käufers auf den Haftungsmaßstab des Verkäufers siehe oben: B. I. 1.b)iii). 189  Immerhin setzte die Perfektion des Kaufabschlusses, an welche die Käufergefahrtragung anknüpfte, die „Vollziehbarkeit“ des Geschäfts voraus. Dazu oben: B. I. 1.b)i). 183 



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römische Recht den Käufer pauschal mit der Gefahr belastet, sein Verschulden schlechthin fingiert.190 Sekundär verwies auch er darauf, dass dies jedenfalls gerechter sei, als den Verkäufer zu belasten. Denn wenn nicht der Käufer sie bereits gekauft hätte, hätte der Verkäufer seine Ware anderweitig absetzen und auf diese Weise den Schadenseintritt verhindern können.191 Vergleicht man v. Jherings Argument mit dem Erklärungsversuch, der auf die sachzuordnende Wirkung des Kaufkonsenses abstellt192, erscheint sie im Grunde wie die „Kehrseite der Medaille“: Man kann den „Verschuldensgedanken“ nämlich auch so ausdrücken, dass der Käufer sich bei Sachverschlechterung/-verlust vor Übergabe so habe behandeln lassen müssen, als sei ihm die Sache bereits übergeben worden, weil ihm die Sache bereits gehörte und er deshalb gehalten war, sie an sich zu nehmen (und dem Verkäufer die Sachgefahr abzunehmen). Zwar hat v. Jhering nicht von einer Übergabe-Fiktion gesprochen,193 aber auch er ging davon aus, dass der Zufall den Käufer treffen müsse, sobald die Ware ihm zugeordnet sei. Deshalb ist anzunehmen, dass der Unterschied zwischen v. Jherings „Verschuldenstheorie“ und Windscheids „Entäußerungstheorie“ in den Augen ihrer Begründer geringer als in den Augen nachfolgender Juristengenerationen war194. Die „Spiegelbildlichkeit“ von Verschuldens- und Entäußerungstheorie zeigt sich auch in Folgendem: Nach v. Jherings und ähnlichen Begründungsversuchen muss der Verlust eigentlich den Verkäufer als Eigentümer treffen und wird nur deshalb auf den Käufer abgewälzt, weil dieser vom Verlust betroffen sein würde, wenn die Übergabe nicht seinetwegen unterblieben wäre.195 Dagegen muss nach Windscheids Argument (zumindest nach seiner zuerst formulierten These der tatsächlich durch den Kaufabschluss bewirkten Vermögensverschiebung) der Käufer den Verlust deshalb verschmerzen, weil er bereits der unmittelbar Betroffene ist.196 Im Übrigen unterscheiden sich Verschuldens- und Entäußerungstheorie darin, dass sich nach dieser der Gleichlauf in der Zuweisung von commoda und incommoda von selbst versteht,197 während nach jener die Zuweisung der Vorteile und Nutzungen der Sache zum Käufer nur als „Risikoprämie“ dafür begriffen werden kann, dass er auch zu

190  Dazu Ewert  (2007) – Gefahr­tragung, S. 6 f. Vgl. Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 72 zu dem ökonomischen Aspekt der streitvermeidenden und -schlichtenden Funktion von Gefahr­ tragungsregeln. 191  v. Jhering JherJb 3 (1859), 449 (465 f.); so z. T. auch schon die Vertreter der „Theorie der fingierten Erfüllung“, siehe oben, dazu: Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 34. 192  Dazu: B. I. 1.c)ii). 193  Wohl aber behalf sich v. Jhering vereinzelt insofern mit einer Fiktion, als nach ihm der Erfüllungsaufschub auch dort als im Interesse des Käufers galt, wo dies tatsächlich nicht der Fall war. Dass v. Jhering selbst nicht ohne das Instrument der Fiktion auskam, ist vor allem deshalb kritisch zu sehen, weil er dasselbe in seiner Kritik an den Erfüllungsfiktionstheorien bekämpft hatte, so Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 35. 194  Ernst  (1981)  – Periculum emptoris, S. 77 f.: Der Unterschied zwischen der „Verschuldenstheorie“ und den Feststellungen Windscheids erweise sich als „bloße Frage des Ausdrucks“; so auch Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 73 (Fn. 282). 195 Vgl. Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 73; Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 37 f. 196  Vgl. zur Rechtfertigung von § 446 (a. F.): B.II.3.c)i). 197  Vgl. dazu Weyand TR 51 (1983), 225 (228 ff.).

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seinen Lasten, nämlich im Hinblick auf die Gefahr­tragung, bereits wie der Eigentümer behandelt wird198.199   Genau zwischen den beiden Theorien positionierte sich Soehngen200. Seine Begründung ähnelte derjenigen Jherings; allerdings gelangte er zu dem Ergebnis, das Prinzip casum sentit dominus werde durch die Käufergefahrtragung nur scheinbar durchbrochen, weil der Käufer im Annahmeverzug wie der Eigentümer, der Verkäufer wie ein Verwahrer stehe. Nach der Regel periculum est emptoris sei lediglich der Annahmeverzug (widerleglich) vermutet worden.201

In ähnlicher Weise wie v. Jhering haben andere auch mit der „Initiative zum Vollzuge des Vertrages“, die wegen des (vermuteten) Holschuldcharakters der emptio venditio beim Käufer gelegen habe,202 oder mit der „effektiven Traditionsbereitschaft des Verkäufers“ argumentiert, die dem Gefahrübergang ebenso genüge wie die wirkliche Tradition, wenn der Erfüllungsaufschub im Einzelfall am Käufer lag203.204

vi) „Marktkauf-These“ Ein wenig von alledem liegt der Theorie zugrunde, die Bucher vertritt205 und die eine schlüssige, rechtsökonomische Erklärung dafür liefert, warum die Gefahr­ tragung bei der klassischen emptio venditio noch am Modell des Barkaufs orientiert gewesen sein sollte, ohne zu unterstellen, dass die römischen Juristen einfach unüberlegt in diesem historischen Bild verharrt seien. Außerdem macht sie den 198  Vgl. zum Begriff der „Risiko-Prämie” vgl. Schulz (1951) – Classical Roman Law, S. 533 („recompense“ – allerdings umgekehrt, in Bezug auf das periculum emptoris als Ausgleich für die strenge custodia-Haftung des Verkäufers, dazu bereits bei und in Fn. 131) sowie Kaser (1971) – RP  I, S. 553 zur Zuweisung der commoda und incommoda unter Geltung von periculum est emptoris im klassischen römischen Recht. Pennitz  (2000)  – Periculum rei venditae  S. 145 ff. sieht in der vertragsanfänglichen Zuweisung der commoda und incommoda zum Käufer eine „materiellrechtliche Konsequenz“ der ihm aufgebürdeten, von Pennitz als „Prozessrisiko“ formell gedeutete Untergangsgefahr über die bona fides Klausel des Kaufvertrages; kritisch dazu: Ernst SZ Rom 121 (2004), 363 (364 f., 371 f., 376). 199  Zu den Vorzügen der Veräußerungs- gegenüber der Verschuldenstheorie (allerdings vor allem bzgl. der Begründung der Käufergefahrtragung im heutigen schweizerischen Recht): Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 60 ff. 200  Soehngen (1901) – Gefahrsnormierung beim Kauf, S. 96 ff., 116 f. 201  Ausführlich dazu Cortesi (1996) – Gefahr­tragung, S. 38 f. 202 Vgl. Bechmann (1884) – System des Kaufs I, S.  101 ff.; vgl. auch Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (149 ff.), wonach das periculum emptoris darin begründet sei, dass „die (durch die custodia-Pflicht des Verkäufers ergänzte und so in vernünftigen Grenzen gehaltene) Gefahr derjenige trägt, dem die Initiative zum Vollzug der Vereinbarung offensteht und obliegt und dem so die beliebige Abkürzung der ihn von der Herrschaftserlangung trennenden Zwischenzeit allein in die Hand gegeben ist.“ 203 Vgl. Puntschart (1885) – Fundamentale Rechtsverhältnisse, S. 215 ff. 204 Dazu Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 36 f. 205 Einen Vorläufer hat Bucher in Krückmann SZ Rom 60 (1940), 1 (3); dazu Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 40; vgl. auch Zimmermann (1996) – Obligations, S. 237: „In all the ancient laws, sale was essentially a market transaction.“ Dazu bereits in Fn. 34.



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gedanklichen Zusammenhang, der, wie angedeutet, zwischen der „Verschuldenstheorie“206 und der „Entäußerungstheorie“ besteht, fruchtbar. Nach diesem Erklärungsversuch war der Verkäufer stets erfüllungsbereit und daran interessiert, die Ware, die er feilbot, ohne Verzögerung abzusetzen. Denn „nur wer eine Sache sofort loswerden will, schafft sie von auswärts her auf den Markt“, wo der römische Handel lokal zentriert war.207 Deshalb sei verkaufte Ware in aller Regel auch sofort übergeben worden. Die Ansichnahme der Kaufsache war danach allein Angelegenheit des Käufers,208 zumindest dann, wenn die Ware „abholungsreif“ war.209 Verblieb die verkaufte Ware zunächst beim Verkäufer, dann verwahrte dieser sie regelmäßig auf Wunsch und im Interesse des Käufers.210 Um den Verkäufer zu entlasten, der nur Nachteile davon gehabt habe, Ware aufbewahren und behüten zu müssen, die er nicht mehr (weiter)verkaufen kann, sei es sachgerecht gewesen, den Kauf hinsichtlich der Gefahr­tragung auch dann wie einen Barkauf zu behandeln, wenn er gerade nicht als Barkauf abgewickelt wurde.211 Dieser Gedanke weist in die Richtung der sog. „Verschuldenstheorie“212, er speist aber ebenso die sog. „Entäußerungstheorie“. Jene Theorie begründet die Gefahr­tragung des Käufers ab Vertragsschluss nämlich damit, dass der Käufer bereits im Moment des Vertragsschlusses Eigentümer geworden wäre und als solcher 206  Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 40, 55 f., 60 bezeichnet Buchers Marktkauf-These als „Verfeinerung“ und „Ergänzung“ der Verschuldenstheorie; vgl. auch Hager (1982) – Gefahr­ tragung, S. 50. 207  Bucher in: FS Huwiler (2007), 138 (141 f.); vgl. bereits ders. ZSR 1970, 281 (291 ff.); ders. in: FS Schmidlin (1998), 407 (422 mit Fn. 31); ders. ZEuP 1998, 615 (651 mit Fn. 98). Dazu bereits in Fn. 29. 208 Vgl. Bechmann (1884) – System des Kaufs I, S. 101 f.; Rabel SZ Rom 42 (1921), 543 (562 f.); Jörs/Kunkel/Wenger (1987) – Röm. Recht, S. 310 = Honsell  (2010) – Röm. Recht, S. 128: Es sei die Regel gewesen, dass Obligation und Vollzug zusammenfielen. „War es ausnahmsweise einmal anders, so trug eben grundsätzlich der Käufer die Gefahr, der sich auf die regelwidrige spätere Übergabe der Sache ja nicht einzulassen brauchte“, Hervorhebung d. Verf. 209  Seckel/Levy SZ  Rom  47 (1927), 117 (149 ff.) haben „emptio perfecta“, also den Zeitpunkt, in dem der Kaufakt als wirksam angesehen wurde und damit die Gefahr auf den Käufer überging, begrifflich schlechthin mit „Abholungsreife“ gleichgesetzt. Die Gefahr habe derjenige tragen müssen, „dem die Initiative zum Vollzug der Vereinbarung offensteht und obliegt und dem so die beliebige Abkürzung der ihn von der Herrschafserlangung trennenden Zwischenzeit allein in die Hand gegeben ist“; dazu bereits bei und nach Fn. 58. Vgl. Peters in: FG Kaser (1986), 221 (222 ff.), der sich zwar gegen den Begriff der „Abholungsreife“ und die „Verschuldenstheorie“ verwahrt, aber zu dem Ergebnis kommt: „Er [der Kauf, angesprochen primär in seiner dinglichen Funktion] ist perfekt dann, wenn er nur noch um die Übergabe ergänzt zu werden braucht, damit der Käufer (endgültig) Eigentümer ist“. Kritisch dazu Flume (1990) – Rechtsakt und Rechtsverhältnis, S. 112 f. (Fn. 73). 210  Bucher in: FS Huwiler (2007), 137 (141 f.). 211  Bucher in: FS Huwiler (2007), 138 (141 f.); ders. ZSR 1970, 281 (293). 212  Vor allem konkretisiert die „Marktkauf-These“ die typische Interessenlage der Kaufparteien, erklärt, warum der Aufschub der Erfüllung in aller Regel zumindest nicht im Interesse des Verkäufers war, während v. Jhering, dessens Ausgangspunkt ja der culpa-Begriff war, sich auf die Behauptung zurückzog, dass der Erfüllungsaufschub regelmäßig am Käufer liege und der Einfachheit halber daher stets davon ausgegangen worden sei, dass es dem Käufer anzulasten sei, wenn die Ware nicht sogleich übergeben wurde; vgl. dazu Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 56.

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

die Gefahr hätte tragen müssen, wenn er die Abholung der verkauften Sache nicht unterlassen (m. a. W. den Übergang der Gefahr nicht „vereitelt“) hätte. Diese geht davon aus, dass der Käufer ab Vertragsschluss „wie ein Eigentümer“ zu behandeln gewesen sei, weil ihm die Sache von da an gehört habe und es also an ihm gewesen sei, sie an sich zu nehmen oder sonst über sie zu disponieren. Das MarktkaufModell bietet also eine Erklärung dafür, warum die „Verschuldens-“ und die „Entäußerungstheorie“ bei genauer Betrachtung nicht in einem scharfen Gegensatz zueinander stehen.213 Ein Vorzug der „Marktkauf-Theorie“ liegt darin, dass sie sich nicht auf die äußerliche Beschreibung des Kaufs in seiner primitivsten Form beschränkt und unterstellt, dass dieses Modell das Kaufrecht kontinuierlich bestimmt habe, allein weil es den Kauf in dieser Form immer schon gegeben hat und er auch in klassischer Zeit noch regelmäßig so vorkam.214 Sie vermag diese Verkehrssitte vielmehr mit der typischen Interessenlage der Parteien angesichts der Wirtschaftsstruktur des römischen Reichs sachlich überzeugend – eben damit, was marktüblich war  – zu begründen. Es handelt sich, wenn man so will, um eine ökonomische Analyse des antiken römischen Kaufrechts.215 Diese Theorie ist geeignet, zu erklären, warum der Kauf auch dann gewissen am Barkauf orientierten Regeln folgte, wenn er tatsächlich nicht als Barkauf vollzogen wurde, was uns heute zum Teil unangemessen oder gar ungerecht vorkommt. Denn im Rahmen der iudicia bonae fidei kam es darauf an, was der Prätor damals für interessengerecht und verkehrsüblich gehalten hat. Es darf vermutet werden, dass in dem Kaufkonsens eine Entäußerungserklärung gesehen wurde, die bereits unmittelbar objektzuordnende Wirkung inter partes entfaltete, bevor die Sache übergeben wurde, weil dies damals der Interessenlage der Parteien entsprach. Es handelt sich also um eine bewusste Wertentscheidung und nicht um ein stures, unreflektiertes Beharren in Barkauf-Kategorien.

vii) Zwischenergebnis Es kommt hier nicht darauf an, einer bestimmten Theorie zur Erklärung der römisch-rechtlichen Käufergefahrtragung den Vorzug vor den anderen zu geben. Denn es geht nicht um die Entscheidung eines „Theorienstreits“, sondern darum, einen Überblick über das Meinungsbild zu gewinnen und Argumentationsstrukturen und Zusammenhänge zu erkennen, um die Auseinandersetzung mit der Regelung der Gefahr­tragung im Bürgerlichen Gesetzbuch vorzubereiten.

213 

Dazu bereits: Fn. 194. Dazu oben: B. I. 1.c)i) (bei Fn. 121). 215  Mit der Annahme, dass die Regel den damaligen „commercial needs” entsprochen haben müsse, weil sie offenbar nicht angezweifelt worden sei, begründet auch Buckland (2007) – Roman Law, S. 487 die Regel periculum est emptoris; (kritisch) dazu Yaron 2 RLT (2004), 49 (73). Flatau (1880) – Gefahr­tragung beim Genuskauf, S. 53 ff. verglich die römisch-rechtliche mit der deutsch-rechtlichen Gefahrtragunsregel und sah diese als Ausdruck eines „Bauernrechts“, jene als Ausdruck eines die gewerbsmäßigen Verkäufer bevorzugenden städtischen Handelsrechts; dazu Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 74 f. (Fn. 312). 214 



1.  Inhalt, Bedeutung und Reichweite der periculum emptoris-Regel

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Im Hinblick darauf lohnt es sich, festzuhalten, dass diejenigen Theorien, die am plausibelsten erscheinen,216 sich darum drehen, dass die verkaufte Sache bereits durch die Kaufperfektion in das Vermögen des Käufers gelangt sei oder dass es jedenfalls am Käufer gewesen wäre, sie unmittelbar nach dem Kaufabschluss an sich zu nehmen und in sein Vermögen zu übernehmen. Unter beiden Aspekten wird dem Verkäufer die Gefahr in dem Moment abgenommen, in dem er die Bestimmung über die Sache aufgibt. Der Unterschied liegt lediglich darin, ob man die Gefahr­tragung des Käufers dadurch aktiviert sieht, dass die verkaufte Sache sofort in sein Vermögen gelangte, oder dadurch, dass er die Möglichkeit erwarb, sie sofort in sein Vermögen zu übernehmen. Jedenfalls liegt dieser Argumentation die Vorstellung zugrunde, dass die – mit Blick auf die Gefahr­tragung wesentliche – Leistung des Verkäufers sich darin erschöpfe, ein individuell bestimmtes Stück aus seinem Vermögen in das Vermögen des Käufers zu übertragen. Der Kauf war demnach eine reine Sachgegenstandsschuld, begründete die Verpflichtung zur Verfügung über ein bestimmtes Stück, wenn er nicht sogar selbst (auch) zu einem gewissen Grad Sachverfügung war. Hält man diese Erwägungen auch dann weiterhin für maßgebend, wenn die dogmatischen und praktischen „Rahmenbedingungen“ des Kaufs sich dahin ändern, dass der für die Verfügung (inter partes) wesentliche Akt sachlich von dem Kaufabschluss getrennt wird und der Vollzug dieses Akts sich in der Rechtspraxis durchaus häufig planmäßig verzögert, ist es geradezu zwingend, den Gefahrübergang „hinauszuschieben“. Diese These schlägt eine Brücke von dem römischrechtlichen periculum emptoris zu der Anordnung des Gefahrübergangs mit Übergabe (oder Annahmeverzug) im BGB von 1900. Zugleich lässt sich als weitere These formulieren, dass diese Anordnung fragwürdig werden muss, wenn der Kauf sich nicht mehr – wie nach römischem Recht – in der Verpflichtung zur Verfügung über ein individuell bestimmtes Stück erschöpft, sondern die „Herstellung“ einer bestimmten Sachqualität in die Verkäuferleistung einschließt, wie es bereits unter dem BGB von 1900 beim Gattungskauf der Fall war und seit der Schuldrechtsreform 2002 der gesetzliche Regelfall ist. Um die erste These näher zu untersuchen, bedarf es zunächst eines Blicks auf die Kritik, der die römisch-rechtliche Gefahr­tragungsregel im weiteren Verlauf der Rechtsentwicklung ausgesetzt war und welche die Verfasser des BGB von 1900 schließlich dazu bewogen hat, mit der gemeinrechtlichen Tradition zu brechen.

216  Das gilt für die „Entäußerungstheorie“, die „Verschuldenstheorie“ sowie die „MarktkaufThese“. Warum die anderen Theorien (für sich allein genommen) weniger überzeugend erscheinen, geht aus den Stellungnahmen zu den jeweiligen Erklärungsversuchen hervor.

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

2. Die periculum est emptoris-Regel im gemeinen Recht Die überlieferte periculum est emptoris-Regel war seit jüngster Zeit Bestandteil des römisch-gemeinen Rechts.217 Auch fand sie früh Eingang in manche deutsche Rechtsaufzeichnungen.218 Hofmann war sich allerdings sicher, dass niemand, „der mit dem Einfluß in Italien creirter Doctoren auf die deutsche Gesetzgebung bekannt ist, … sich hierdurch irreführen lassen“ werde.219 Gemeint war damit die unkritische Haltung der Legisten gegenüber den (wiederentdeckten) Überlieferungen des iustinanischen Rechts, die sie als überzeitlich-autoritativ begriffen und allenfalls erklärend kommentierten. Die Glossatoren griffen im 11. Jahrhundert die theoretische, akademische Auseinandersetzung mit dem römischen Recht auf.220 Ihr Denken war wie das Denken aller mittelalterlichen Menschen nicht kritisch-geschichtlich, sondern autoritär gebunden.221 Wissenschaftstheoretisch gründeten die Legisten ebenso wie die Kanonisten auf der Scholastik.222 Diese hatte in Abhängigkeit von der Theologie eine deduktive Methode der Beweisführung hervorgebracht, die dem Zweck diente, das kirchliche Dogmensystem vernunftmäßig zu begründen.223 Dementsprechend sahen die Legisten der italienischen Rechtsschulen ihre Aufgabe vor allem darin, die überlieferten Texte des Corpus Iuris Civilis argumentativ zu bekräftigen und (vermeintliche) Widersprüche durch eine harmonisierende Auslegung aufzulösen.224 Für den mos italicus war das römische Recht in seiner überlieferten (Text-)Form eine „Rechtsoffenbarung“, die kraft Tradition und Autorität zu einem bestimmten Denken zwang und die Glossatoren und Kommentatoren „autoritative Lehrgebäude“ errichten ließ.225

Eine Vielzahl deutscher Partikularrechte übernahm die periculum emptoris-Regel nicht,226 sondern sah vor, dass die Gefahr beim Kauf mit der Übergabe der Ware übergehe. Beide Rechtsansichten verteilten sich „wie ein bunter Flickenteppich“ auf die deutschen Stadt- und Landrechte.227 217 Dazu v. Gierke (1917) – Deutsches PrivatR III, S. 447; Coing (1985) – Europ. PrivatR I, S. 453; Hager  (1982) – Gefahr­tragung, S. 48; Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 21; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 29, Ewert (2007) – Gefahr­tragung, S. 6. 218  Siehe dazu m. w. N.: Hofmann (1870) – Periculum, S. 28 f.; v. Gierke (1917) – Deutsches PrivatR III, S. 447; Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1038 f., 1054–1056; Scherner in: HRG II (2012) – Art. „Kauf“, S. 1675. 219  Hofmann (1870) – Periculum, S. 28 f. Vgl. bereits: B. I (bei und nach Fn. 7). 220  Zur Entstehung der Rechtsschule von Bologna gegen Ende des 11. Jahrhunderts und ihrem Einfluss auf die Entstehung der ersten Universitäten siehe Meder  (2008) – Rechtsgeschichte, S. 172 ff. 221  Koschaker (1966) Röm. Recht, S. 48 f., 62, 91, 109, 153, dazu Meyer-Cording (1973) – Dogmatik, S. 22. 222  Zur wechselseitigen Beeinflussung von Legistik und Kanonistik siehe Meder (2008) – Rechtsgeschichte, S. 138; Wieacker (1967) – Privatrechtsgeschichte, S. 79 f. 223  Meder (2008) – Rechtsgeschichte, S. 194; Meyer-Cording (1973) – Dogmatik, S. 21 f. 224  Meder (2008) – Rechtsgeschichte, S. 194; Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 97, 113. 225  Meyer-Cording (1973) – Dogmatik, S. 22 f. m. w. N. 226  Siehe dazu die Nachweise bei Hofmann (1870) – Periculum, S. 29 ff.; Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1039 f. 227  Brand Jura 2010, 90 (92).



2.  Die periculum est emptoris-Regel im gemeinen Recht

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Die Regel „Gefahrübergang mit Übergabe“ kam vermutlich daher, dass nach den althergebrachten Grundsätzen des deutschen Vertragsrechts zur endgültigen Verbindlichkeit des Kaufvertrages auch die Übergabe der Ware gehörte und deshalb mit dem Kaufvertrag regelmäßig auch das Eigentum und (vermutlich auch deshalb) die Gefahr überging.228 Insofern hatte die Rezeption des römischen Rechts, auch soweit die periculum emptoris-Regel nicht übernommen wurde, vor allem zwei Auswirkungen: Erstens setzte sich spätestens jetzt durch, dass (zumindest) der Kaufvertrag durch bloßen Parteikonsens verbindlich zustande komme;229 zweitens konnte der Kaufvertrag nicht mehr eigentumstranslativ wirken230, da „non nudis pactis, sed traditionibus dominia transferatur“231.

Bauer, der die Rezeption der periculum est emptoris-Regel in einer dogmengeschichtlichen Untersuchung ausführlich beschrieben hat,232 ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Tatsache, dass periculum emptoris das Mittelalter überdauern und bis in die frühe Neuzeit hinein in Wissenschaft und Praxis weiterleben konnte, vor allem dem Konservativismus der Juristen und der Trägheit der gewaltigen Rechtsmasse des Corpus Iuris geschuldet sei.233 Eine schlüssige dogmatische Rechtfertigung der ursprünglich auf die unmittelbar objektzuordnende Wirkung der emptio venditio zugeschnittenen periculum emptoris-Regel sei in einem modernen Haftungs- und Vertragsrecht, das zwischen der Begründung einer Verpflichtung und der Erfüllung derselben durch einen Vollzugsakt konsequent trennt, nämlich schlichtweg nicht möglich.234 Umso erstaunlicher ist es, dass die periculum est emptoris-Regel (noch) heute grundsätzlich für die Gefahr­tragung beim Kauf nach schweizerischem Obligationenrecht und südafrikanischem Vertragsrecht sowie im BGB immerhin für den Erbschaftskauf maßgebend ist.235 Im schweizerischen Obligationenrecht zeugt die Anordnung der Käufergefahrtragung (Art. 185 Abs. 1 OR) als Ausnahme (Art. 119 Abs. 3 OR) von der allgemeinen Regelung der Schuldnergefahrtragung im Austauschvertrag (Art. 119 Abs. 2 OR) allerdings nicht von einer bewussten romanistisch-gemeinrechtlichen Tradition. Sie beruht vielmehr auf einem „unglücklichen kodifikatorischen Kompromiss“, in dessen Rahmen hinsichtlich der Gefahr­ tragung beim Kauf Anleihen beim franz. Code civil genommen wurden (dies betrifft mit Art. 204 OR a. F. bereits die Vorgängernorm zur Art. 185 OR), ohne aber (auch) hinsichtlich der rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung das Konsens- und Einheitsprinzip zu über-

228 

Hofmann (1870)  – Periculum, S. 30 f. Flatau (1880) – Gefahr­tragung beim Genuskauf, S. 53 ff. sah die Unterschiede in der Gefahr­tragung dagegen in den unterschiedlichen Wirtschaftsbedingungen des römischen Reichs einerseits und der germanischen Gebiete andererseits begründet. Dazu im Überblick: Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 74 f. (Fn. 312). 229  Hofmann (1870) – Periculum, S. 31. 230 Vgl. Michaels (2000) – Sachzuordnung, S. 9 ff., 102. 231  C. 2, 3, 20. 232  Bauer (1998) – Periculum emptoris. S. 93 ff. 233  Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 120. 234  Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 261; vgl. auch Ernst ZEuP 1999, 583 (634). 235  Dazu, welche modernen Rechtsordnungen sonst noch das periculum emptoris kodifiziert haben, siehe die Nachweise bei Schilcher JBl 1964, 395 (398); Reinhardt (1998) – Gefahr­ tragung, S. 20 (Fn. 2); Eisser (1927) – Gefahr­tragung, S. 7.

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

nehmen.236 Der Anwendungsbereich des Art. 185 Abs. 1 OR wird in der Praxis allerdings durch die Annahme „besonderer Verhältnisse“ oder einer (stillschweigenden) abweichenden Parteiabrede stark eingeschränkt.237 Auch in der Systematik des südafrikanischen Vertragsrechts stellt die Regel einen nur noch rechtshistorisch zu begründenden Fremdkörper dar und wird deshalb auch nur mit Modifikationen angewendet.238 Was schließlich § 2380 S. 1 angeht, handelt es sich um ein Relikt, das dem langen Ringen zwischen den Befürwortern des im Zeitalter des Vernunftrechts begründeten allgemeinen, d. h. auch den Kauf umfassenden, Konzepts des synallagmatischen Vertrages239 und den Verfechtern der kaufrechtlichen Sonderregeln antik-römischrechtlicher Prägung innerhalb der Pandektenwissenschaft bei Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs geschuldet ist.240

Das periculum emptoris musste also in dem Maße fragwürdig werden, in welchem der Begriff des allgemeinen, rein obligatorisch wirkenden (Konsensual-)Vertrages sich entwickelte241 und auch auf die überlieferte emptio venditio des gemeinen Rechts angewendet wurde.242 In diesem Zusammenhang ist die Anerkennung von entgeltlichen Geschäften über (die Beschaffung und) Lieferung von lediglich nach generischen Merkmalen bestimmter Ware als Kauf und die geradezu „zwanghafte“ Subordination solcher Geschäfte als „Gattungskauf“ unter das überlieferte Recht der emptio venditio von hervorragender Bedeutung.243 Dass die Begründung für das periclum emptoris verloren gehen musste, war darin angelegt, dass bereits die Glossatoren die unmittelbar sachzuordnende Wirkung, die der emptio venditio im klassischen römischen Recht nach herrschender Meinung zukam, nicht mehr nachvollziehen konnten.244 Deshalb konnten sie auch die prinzipielle Beschränktheit der emptio 236 Dazu: Bauer (1998)  – Periculum emptoris, S. 20 (Fn. 8); Pichonnaz  – Periculum, in: Kaufen nach röm. Recht (2008), 189 ff.; Bucher ZSR 1970, 281 (288 f.); ders. ZEuP 1998, 615 (664 f.); ders. in: FS Huwiler (2007), 138 (148 ff.); Honsell (2010) – Röm. Recht, S. 128; Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 11–14, 165. – Deshalb kommt es zu einem Auseinanderfallen von Eigentumswechsel und Gefahrübergang (bei Vertragsschluss), welcher der Lage des klassischen römischen Rechts allenfalls zufälliger Weise entspricht. Damit wird das schweizerische Kaufrecht der Bezeichnung „Vertragsprinzip“ im Hinblick auf die Gefahr­tragung wirklich gerecht. Denn der Gefahrübergang hängt hier im Grundsatz allein vom Abschluss des Kaufvertrages als solchem ab; weder die Besitzsverschaffung noch der Eigentumserwerb spielen hiernach für die Gefahr­tragung eine Rolle. In anderen Rechtsordnungen, in denen die Gefahr mit dem Vertragsschluss übergeht, folgt die Gefahr dagegen prinzipiell dem Eigentum, das ggf. mit Vertragsschluss übergeht. 237 Dazu: Pichonnaz  – Periculum, in: Kaufen nach röm. Recht (2008), 184 ff.; Bucher ZSR 1970, 281 (285); vgl. BGE 84/1958 II, 158 (161); Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 7–9, 84 ff., 106 ff., 116 ff.; vgl. auch Harke (2008) – Röm. Recht, S. 108. 238 Dazu: Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 182 ff.; siehe auch Lotz in: Southern Cross (1996), S. 383 f.; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 292. 239  Dazu: B. I. 3.b). 240 Dazu Brand Jura 2010, 90 (92), der dies als Beispiel für einen der „Sonderwege“ anführt, die das fünfte Buch des BGB eingeschlagen habe; vgl. auch Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 197; Froelich (1906) – Gefahrübergang, S. 46 (mit sachlicher Begründung). 241  Ausführlich dazu: Nanz (1985) – Vertragsbegriff; vgl. auch Ernst ZEuP 1999, 583 (632 ff., insb. 634); ders. in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (65 f. – zur „Absicherung“ der Vereinigung von Spezies- und Genuskauf durch Anwendung des allgemeinen Vertragsbegriffs auf den Kauf). 242 Vgl. Ernst ZEuP 1999, 583 (624, 632–635). 243  Dazu unten: B. I. 4. 244 Bereits im hoch- und spätklassischen Recht erkennt Ernst ZEuP  1999, 583 (614) bei



2.  Die periculum est emptoris-Regel im gemeinen Recht

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venditio auf den Stückkauf (gemeinrechtlich: Spezieskauf) nicht erkennen und erfassten den überlieferten Verkauf einer Menge zunächst noch individuell unbestimmter (vertretbarer) Sachen aus einem verkäufereigenen Vorrat, der eigentlich eine besondere Variante des Stückkaufs gewesen war, als „beschränkten Gattungskauf“ (gemeinrechtlich: Genuskauf).245 Sie (miss)verstanden dies als Beleg dafür, dass auch der „reine Gattungskauf“ unter das Recht der emptio venditio passen müsse.246 Die Anwendung der periculum est emptoris-Regel bereitete dabei selbstverständlich gravierende Probleme. Zur Lösung derselben übertrugen die Glossatoren die für den Quantitätskauf mit Vorratsbezug entwickelten Sonderregeln247 auf den „reinen Gattungskauf“. Dies war der Gegenstand der Lehre von der Individualisierung oder Konzentration, die zu unserem heutigen Verständnis der „Konkretisierung“ von Gattungsschulden geführt hat (damit ist allerdings nicht mehr die Preisgefahr, sondern die „Leistungsgefahr“ angesprochen). Es zeigt sich daran eindrucksvoll, wie hartnäckig und unkritisch am Gefahrübergang mit Kaufperfektion festgehalten wurde, obwohl dieses Konzept seinerzeit gar nicht mehr zum Kaufverständnis passte.

In der humanistischen Jurisprudenz kam in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zwar der Gedanke auf, dass die Regel unbillig sei, weil sie dem Austauschcharakter des Kaufs widerspreche.248 Auch einige Vertreter des usus modernus äußerten sich kritisch.249 Gleichwohl blieb periculum est emptoris die allgemein anerkannte Gefahr­tragungsregel für den (unbedingten Stück-)Kauf nach römisch-gemeinem Recht, fand also bis zum Ende des 19. Jahrhunderts überall dort Anwendung, wo den römischen Juristen die Tendenz, „das Moment der sofortigen Zuordnung … hinter dem Verpflichtungsmoment zurücktreten“ zu lassen. 245  Bereits im iustinanischen Recht wurden die Grenzen zwischen (Stück-)Kauf und diversen kaufähnlichen Ersatzgeschäften zur Durchführung eines „Gattungskaufs“ verwischt, indem letztere dem (Gewährleistungs-)Recht der emptio venditio unterstellt wurden. Dazu m. w. N.: Flume (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 69; Ernst SZ Rom 114 (1997), 272 (289 f., 343 f.); ders. ZEuP 1999, 583 (613 f.). 246  Die Subordination des reinen Gattungskaufs unter das Recht der emptio venditio hatte weitreichende Folgen, welche die praktische Handhabung und die theoretische Durchdringung des Gattungskaufs bis heute erheblich erschweren. Ernst ZEuP 1999, 583 nennt folgende „Problemfelder“: die Bedeutung der Ausscheidung der Ware beim Gattungskauf (620 ff.), das Verhältnis von Eigentums- und Gefahrübergang (624 ff., vgl. dazu auch Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 11, 16, 29), die Bedeutung der Warenqualität für die mensura (624 f.), die Rücktrittsfeindlichkeit der emptio venditio und das Bedürfnis nach rascher Vertragsliquidierung bei nicht rechtzeitiger Erfüllung beim Gattungskauf (626 f.), die Sachwidrigkeit der Anwendung der Sach- und Rechtsmängelhaftung nach dem Recht der emptio venditio für den Gattungskauf (626 ff.) sowie die Vernachlässigung der sachlichen Besonderheiten, insb. des dem „reinen“ Gattungskäuf inhärenten Spekulationsmoments in der gemeinrechtlichen Behandlung des Gattungskaufs (629). 247  In der Form, wie sie auf den Verkauf vertretbarer Sachen aus verkäufereigenem Vorrat angewendet wurde, d. h. Gefahr­tragung des Käufers erst ab Ausscheidung der konkret verkauften Ware aus dem Vorrat durch Abzählen, Abwiegen oder Abmessen: Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 38–41; Ernst SZ Rom 114 (1997), 272 (303–327); ders. in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (54–57); ders. ZEuP 1999, 583 (597–600). 248  Dazu m. w. N.: Wollschläger  (1970)  – Unmöglichkeitslehre, S. 50; Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 121–123 („Meilenstein in der Geschichte des Gefahr­tragungsrechts“); Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 7; Ernst in: HKK (2013) – BGB, § 446 f. Rn. 3. 249  Dazu m. w. N. Scherner (1965) – Rücktritt, S. 39; vgl. auch Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 6 a. E. zu der kritischen Haltung der Juristen des usus modernus gegenüber dem Grundsatz der Schuldnergefahrtragung beim Austauschvertrag.

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

weder partikularrechtlich eine andere Regel galt noch durch die Kaufparteien individuell etwas anderes vereinbart war.250 Insoweit lösten also erst die im BGB von 1900 vorgesehenen Regeln über die Gefahr­tragung die römisch-gemeinrechtliche Käufergefahrtragung ab.

3.  Kritik an der periculum est emptoris-Regel in der Theorie des Vernunftrechts Bei den Vertretern des rationalistischen Naturrechts stieß die gemeinrechtliche Gefahr­tragungsregel dagegen auf Ablehnung.251 Ihnen konnte die Tradition des römischen Rechts nicht als Rechtfertigung für eine Regel genügen, die im auffälligen Widerspruch zu der Idee der „Austauschgerechtigkeit“ stand.252 Ferner nahmen sie Anstoß daran, dass die Regel auch der naturrechtlichen Maxime res perit domino widersprach.253

a)  Maxime: Res perit domino Aus der Maxime res perit domino wurde für den Kauf abgeleitet, dass die Gefahr dem Eigentum an der Kaufsache folgen müsse.254 Die Fragen, ob der rechtsgeschäftliche Erwerb des Eigentums an der verkauften Sache prinzipiell einen realen Übergabeakt erfordere, welche Bedeutung dieser Akt habe und welche Anforderungen an ihn zu stellen seien, wurden nach der Vermischung des rezipierten iustinanischen Rechts mit einheimischen Rechtsanschauungen in Europa nicht einheitlich beantwortet. Auch die vernunftrechtliche Theorie brachte zu den Voraussetzungen der Eigentumsübertragung unterschiedliche Modelle hervor, und 250  Scherner (1965) – Rücktritt, S. 39; Coing (1989)  – Europ. PrivatR  II, S. 476. Siehe nur Hugo  (1789) – Institutionen, S. 43 f.; Mühlenbruch  (1847) – Institutionen, S. 310; Hillebrand (1864) – Lehrbuch, S. 375 f.; Arndts v. Arnesberg (1877) – Pandekten, S. 519; Bechmann (1884) – System des Kaufs I, S. 99 ff.; Windscheid (1887) – Pandekten II, S. 490 f., 492 ff.; Wendt (1888) – Pandekten, S. 519 f., 609 ff. Zum räumlichen Anwendungsbereich des gemeinen Rechts am „Vorabend“ des BGB: Säcker in: MüKo (2012) – BGB, Einl. Rn. 11. 251  Coing (1985) – Europ. PrivatR I, S. 455; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 283, 291; Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 446, 447 Rn. 3; vgl. Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 39 f.; Huber in: Soergel (1991) – BGB, vor § 446 Rn. 14 mit Fn. 14. 252  Zu dem Widerspruch der periculum est emptoris-Regel zu dem Gedanken der materiellen Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung, dazu m. w. N. Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 50 f., 82 ff.; vgl. Zimmermann AcP  193 (1993), 121 (142 ff.). Dazu auch: A.3.d) und B. I. 3.b). 253  Dazu sogleich: B. I. 3.a). 254  Zur Kritik am römisch-rechtlichen periculum emptoris auf der Grundlage der naturrechtlichen Maxime res perit domino und der unterschiedlichen Übereignungsmodellen, die das Vernunftrecht hervorgebracht hat, m. w.N: Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 39 f.; Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 19 f., 133–136; Harke  (2011) – SchuldR II, S. 9 f. (§ 1.13); ders. (2008) – Röm. Recht, S. 107 f. (§ 7.30), 125 (§ 8.13); Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8; Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 446, 447 Rn. 3.



3.  Kritik an der periculum est emptoris-Regel

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manche Naturrechtslehrer hielten eine rein konsensuale Eigentumsübertragung für vorzugswürdig (sachenrechtliches Vertrags-/Konsensprinzip). Von diesem Standpunkt aus war der Gefahrübergang nach der Maxime res perit domino an den Abschluss des Eigentumsübertragungsvertrages zu knüpfen. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass dieser Eigentumsübertragungsvertrag zeitgleich mit dem Kaufvertrag abgeschlossen werden oder jener gar mit diesem identisch sein müsse. Wird die Eigentumsübertragung als ein von dem Kaufvertrag separater Akt begriffen (Trennungsprinzip), besteht auch bei Anwendung des sachenrechtlichen Konsensprinzips ein gravierender Unterschied zu der periculum est emptoris-Regel, nach welcher der Käufer die Gefahr ohne Rücksicht auf die Eigentumslage vom eigentlichen Kaufabschluss an zu tragen hatte (gefahrtragungsrechtliches Konsensprinzip). Die Entscheidung der Verfasser des französischen Code Civil von 1804 für das sog. Einheitsprinzip, das (auch) das römischrechtliche periculum emptoris verwirklicht (dazu sogleich), ist deshalb nicht ohne weiteres mit der Maxime res perit domino zu erklären. Möglicherweise spielte bei der Entwicklung der Idee des eigentumstranslativen Schuldvertrages auch das Motiv eine Rolle, der römischrechtlichen Gefahr­tragungsregel gerecht werden zu wollen, und folgte unter diesem Aspekt nicht die Gefahr dem Eigentum, sondern das Eigentum der Gefahr.255

Wo es kraft Gewohnheitsrechts oder Gesetzes positivrechtlich vorgegeben war, dass für die Übereignung (auch) die Sachübergabe oder ein anderer realer Übertragungsakt notwendig sei (auch unter den Naturrechtstheoretikern hatte das sachenrechtliche Traditionsprinzip durchaus Befürworter), folgte aus der Maxime res perit domino dagegen, dass die Gefahr erst und nur mit dem Vollzug dieses (Real-)Akts übergehe. Beide Ausformungen der Maxime (Konsensprinzip und Traditionsprinzip) standen im Widerspruch zum römisch-gemeinen Recht, das die Gefahr ohne Rücksicht darauf, ob der Käufer zeitgleich „echtes“, vollwirksames Eigentum erwarb, mit dem Abschluss des Kaufvertrages übergehen ließ. Beide verwirklichten andererseits neben dem bzw. gerade durch den Gedanken, dass der jeweilige Eigentümer der verkauften Sache die Gefahr zu tragen habe, auch das vernunftrechtliche Synallagma. Denn der Kauf war als allein auf die Verschaffung des Eigentums an einer bestimmten Sache gerichteter Vertrag mit der Übertragung des Eigentums an dieser Sache seitens des Verkäufers erfüllt.256

Die Theorie blieb nicht ohne Einfluss auf die Gesetzgebung.257 Mit dem Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1796 (prALR) und dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch für die gesamten deutschen Erbländer der Österreichischen Monarchie von 1811 (ABGB) knüpften die beiden großen deutschsprachigen Naturrechtskodifikationen den Gefahrübergang auch258 und 255 Dazu: Bucher ZEuP 1998, 615 ff.; vgl. Sailer (1966) – Gefahr- und Eigentumsübergang, S. 33 ff.; Ernst in: HKK (2007) – BGB, § 433 Rn. 2, 9, §§ 446, 447 Rn. 3. 256  Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 104. 257  Dazu noch: B. I. 3.b)vi) (bei Fn. 374). 258  Für Svarez waren bei der Ausarbeitung des prALR für die Verbindung des Gefahrübergang mit der Sachübergabe beim Kauf vier Gründe entscheidend, die Rückert ZNR 1984, 40 (43 mit Fn. 20) aufzählt: „1. Verstoße die Käufergefahrtragung mit Perfektion gegen den römischen Grundsatz casum sentit dominus, 2. Beruhe sie ‚auf einer bloßen Spitzfindigkeit‘, verstoße näm-

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

vor allem deshalb an die Übergabe, weil mittels derselben das Eigentum an der Ware (kausal, d. h. aufgrund des Kaufs) übertragen wurde. Sie rückten dadurch vom periculum emptoris ab.259 Dagegen hielt der französische Code Civil an der gemeinrechtlichen Gefahr­tragungsregel eigentlich fest, weil seine Verfasser nicht nur eine rein konsensuale Eigentumsübertragung zuließen (Konsensprinzip), sondern insbesondere beim (Stück-)Kauf den Konsens zur Warenübereignung auch mit dem Konsens über die Verpflichtung zur Warenlieferung identifizierten (Einheitsprinzip).260

Auf die Entwicklung der Idee, dass die Gefahr­tragung beim Kauf dem Eigentum an der verkauften Sache zu folgen habe, sowie auf die Gründe, warum im Geltungsbereich des Traditionsprinzips die Übertragung des Sacheigentums einen realen Übertragungsakt erfordert, und die Anforderungen, denen die gefahrüberwälzende Übergabe unter diesem Aspekt genügen muss, ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht weiter einzugehen. Denn obgleich sie sich zur Begründung der Regelung, dass die Gefahr beim Kauf (erst) mit der Übergabe auf den Käufer übergeht, ausdrücklich auf das Vorbild des prALR und des ABGB beriefen, waren die Verfasser des BGB von 1900 nicht der Meinung, dass ein prinzipieller Zusammenhang zwischen der formellen Eigentumslage und der obligatorischen Gefahrverteilung bestehe. Folgerungen, die man aufgrund der Maxime res perit domino aus dem sachenrechtlichen Traditionsprinzip bzw. aus der gesetzlichen Konzeption der Übereignungstatbestände für den Begriff der gefahrüberwälzenden Übergabe gewinnen kann, gelten deshalb für das BGB – anders als für das prALR und das ABGB – zumindest nicht aus prinzipiellen Gründen.261 Unter diesem Aspekt ist das BGB also nicht nur von der Tradition des gemeinen Rechts, sondern auch von dem Vorbild der deutschsprachigen Naturrechtskodifikationen abgerückt. Kontinuität in der prinzipiellen Begründung der Gefahr­tragung beim Kauf zeigt das BGB dagegen mit Blick auf das andere wesentlich vernunftrechtstheoretisch fundierte Argument, das die Abkehr von der gemeinrechtlichen Gefahr­tragungsregel im prALR und im ABGB getragen hatte. Gemeint ist der „Austauschgedanke“. Diesbezüglich ist deshalb eine vertiefte Auseinandersetzung geboten.

lich gegen die Regel, daß ‚eine jede actio ex contractu notwendig voraussetzt, daß der Kläger von seiner Seite den Kontrakt erfüllen könne und wolle‘, 3. sei die Römische Theorie ‚wider die natürliche Billigkeit, da der Käufer keinerlei Einfluß auf die Sache habe, für die er hafte‘, 4. führe sie ‚auf große Weitläufigkeiten und Verwicklungen‘ bes für die Regelung des ‚Zwischenraums bis zur Tradition‘“; vgl. dazu auch Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 108. 259  Näher dazu unten: B. I. 5. 260  Dazu bereits bei Fn. 255. 261  Auf einem anderen Blatt steht, dass die Verfasser des BGB von 1900 davon ausgingen, dass mit der (gefahrüberwälzenden) Übergabe die Leistung des Verkäufers regelmäßig vollständig bewirkt, also nicht nur die Übergabe-, sondern auch die Übereignungspflicht erfüllt werde. Sie hielten dies aber auch im Rahmen der erfüllungstheoretischen Begründung nicht für eine notwendige Bedingung des Gefahrübergangs.



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b)  Das synallagmatische Gefahr­tragungsprinzip Die periculum est emptoris-Regel musste auch deshalb fragwürdig erscheinen, weil sich mit der Zeit ein abstrakter Begriff des (obligatorischen) Vertrages und eine Theorie des Austauschvertrages entwickelten. Letztere beruht auf dem Gedanken der „Austauschgerechtigkeit“ und besagt im Wesentlichen, dass Leistung und Gegenleistung in Entstehung, Fortbestand und Durchsetzbarkeit voneinander abhängig sind.262 Diese Konzeption erreichte zu Zeiten des rationalistischen Naturrechts einen vorläufigen Höhepunkt. Denn die Naturrechtslehrer waren prinzipiell nicht an die Tradition des römischen Rechts gebunden und konnten daher das Wesen des Vertrages theoretisch durchdringen und allgemeine Regeln für den Austauschvertrag formulieren, ohne sich an die Unterscheidung von Nominat- und Innominatkontrakten und an die für die verschiedenen benannten Vertragstypen überlieferten speziellen Regeln, insbesondere in Bezug auf die Gefahr­tragung, halten zu müssen.263 Soweit auch der Kaufvertrag als ein Anwendungsfall des allgemeinen Begriffs des gegenseitigen Vertrages erfasst wurde, das Verständnis dafür verloren gegangen war, dass im klassischen römischen Recht der Verkäufer die ihm obliegende Leistung im Wesentlichen bereits mit dem Vertragsschluss erbracht hatte (durch Übertragung der verkauften Sache in das Käufervermögen mit Wirkung inter partes), und dem Schuldvertrag keine sachzuordnende Wirkung mehr zugeschrieben wurde264, musste die periculum est emptoris-Regel als drastischer Widerspruch zur Austauschgerechtigkeit empfunden werden. Unter diesen Rahmenbedingungen besagte sie nämlich, dass der Käufer im Falle des zufälligen Untergangs der verkauften Sache den Kaufpreis bezahlen muss, obwohl er selbst komplett leer ausgeht, ohne dass einzusehen gewesen wäre, womit der Verkäufer dies verdient hätte. Die Entwicklung allgemeiner Regeln zur Verwirklichung der Austauschgerechtigkeit im Vollzug des gegenseitigen Vertrages betrifft nicht nur die Gefahr­tragung, sondern auch das Recht des Gläubigers, wegen Nichterfüllung des Schuldners vom Vertrag abzugehen und sich so von der ihm obliegenden Leistungspflicht zu befreien. Diese theoretische Verbindung spiegelt auch die historische Entwicklung wider.265 Die Regel, dass bei einem gegenseitigen Vertrag die Befreiung des einen Vertragspartners von der ihm obliegenden Leistung bzw. von der Haftung wegen 262 

Zum synallagmatischen Gefahr­tragungsprinzip bereits oben: A.3.d). Nanz (1985) – Vertragsbegriff, S. 139 ff.; Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (143); Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8; Pennitz in: HKK (2007) – BGB, §§ 320–322 Rn. 13 ff. 264 Anders dort, wo dem Kaufvertrag sogar eigentumstranslative Wirkung zugeschrieben wurde (Einheits- und Konsensprinzip). Unter dieser Voraussetzung steht die Regel periculum est emptoris sowohl in Einklang mit dem Grundsatz casum sentit dominus bzw. res perit dominio als auch mit dem synallagmatischen Gefahr­tragungsprinzip (jedenfalls, wenn sich die dem Verkäufer obliegende Leistung in der Verschaffung des Eigentums an der Kaufsache erschöpft). 265  Schermaier in: HKK  (2007)  – BGB, § 326 Rn. 12, 14 spricht von der „historischen Verbindung“ und „Verwandtschaft von Rücktrittsrecht und funktionellem Synallagma“, die insbesondere das Naturrecht thematisiert habe. 263 Vgl.

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

Nichterfüllung266 bei Auftreten eines ihm nicht zuzurechnenden und nicht von ihm zu überwindenden dauerhaften Leistungshindernisses267 im Allgemeinen die Befreiung des anderen Vertragspartners zur Folge haben müsse, wurde nämlich parallel zu und zum Teil auch in Überschneidung mit der Lehre vom Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung geformt. Das Bewusstsein dieser historischen Verwandtschaft und inneren Verbindung mag es erleichtern, Wertungsparallelen zu erkennen zwischen dem Fall, dass der Gläubiger nach der Erbringung einer vertragswidrigen Leistung des Schuldners vom Vertrag zurücktritt und Erstattung der Gegenleistung verlangt, und dem Fall, dass der Gläubiger von der Verpflichtung zur Gegenleistung automatisch befreit wird und die Gegenleistung verweigern oder zurückverlangen darf, weil der Schuldner seinerseits vor der Erbringung der ihm obliegenden Leistung von der entsprechenden Verpflichtung zur Leistung frei geworden ist. Gemeint ist damit insbesondere das Verhältnis des (vorläufigen) Gefahrübergangs bei mangelhafter Leistung und dem „Zurückspringen“ der Gefahr bei Rücktritt/Wandelung wegen der Mangelhaftigkeit der Leistung.268 Was das Abhängigkeitsverhältnis von Leistung und Gegenleistung angeht, ist das Regelungsproblem im Prinzip dasselbe.

Im Zuge der Rezeption des römischen Rechts fand diese Entwicklung vor allem in der Auseinandersetzung mit den sog. unbenannten Verträgen statt. Denn diese Verträge waren in einem natürlichen Sinne synallagmatisch, in den überlieferten Quellen aber – anders als die benannten Verträge – noch nicht dogmatisch durch266  Im römischen Recht begrenzte der Zufall (casus) nicht direkt die Leistungspflicht, sondern die Haftung des Schuldners bei Nichterfüllung (casus a nulla praestantur). Dies war eine objektive Grenze, also – anders als nach unserem heutigen Verständnis – nicht davon abhängig, was der Schuldner konkret zu vertreten hatte und was nicht. Zur Bedeutung des casus im römischen Recht: Schermaier in: HKK (2007) – BGB, vor § 275 Rn. 20, 22 f., § 275 Rn. 20, §§ 276–278 Rn. 10–15; Ogris in: HRG V (1998) – Art. „Zufall“, S. 1785–1788; Jakobs (1969)  – Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 114 f.; Wollschläger (1970)  – Unmöglichkeitslehre, S. 35 f.; 45 f.; Kaser/Knütel  (2008)  – Röm. PrivatR, S. 201 f. (§ 36.26); Zimmermann (1996) – Obligations, S. 430 f.; Huber (1999)  – Leistungsstörungen  I, S. 74 f. Insbesondere zum Verständnis der Begriffe casus fortuitus und vis maior, die unserem heutigen Verständnis von „höhere Gewalt“ entsprechen, im römischen Recht: Stobbe (1963) – Höhere Gewalt, S. 13–19; Doll (1989) – Vis maior, S. 6–129; Ernst Index  22 (1994), 293 ff.; Becker in: HRG II (2012) – Art. „Höhere Gewalt“, S. 1104 f. Zur Bedeutung der (nachträglichen) Unmöglichkeit im römischen Recht auch: Zimmermann (1996) – Obligations, S. 806–809; Harke in: JbjZR (2001), 29 (30–45); ders. (2008)  – Röm. Recht, S. 100 ff. (§ 7.15 ff.); Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 7–18, 35–40; Jakobs (1969) – Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 114 f.; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 275 Rn. 20 f. 267  Die abstrakte begriffliche Formulierung der Voraussetzungen, unter denen der Schuldner von der Leistung frei wird ((zufällige) Unmöglichkeit) und an die sich im gegenseitigen Vertrag das Folgeproblem der (Gegenleistungs-)Gefahr­tragung anschließt (vgl. Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 51: Die Gefahr­tragungslehre sei die „Keimzelle der heutigen Dogmatik der Unmöglichkeit“), hat eine eigene Entwicklungsgeschichte. Dazu: Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 275 Rn. 2–11, 20–35; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 806–813; Huber (1999) – Leistungsstörungen I, S. 74–77 sowie die Arbeiten von Jakobs und Wollschläger. 268  Dazu bereits einleitend: A.3.b)ii) („Rückabwicklungsgefahr“) sowie unten: B.II.4.c) (§§ 350, 351 a. F.) und B.III.5 (§ 346).



3.  Kritik an der periculum est emptoris-Regel

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gebildet.269 Sie ließen deshalb Neu- und Weiterentwicklungen sowie Verallgemeinerungen zu, während in den Texten des Corpus Iuris Civilis für die verschiedenen Typen benannter Verträge unterschiedliche Gefahr­ tragungsregeln vorgegeben waren270 und ein allgemeines Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung abgelehnt wurde271.

i)  Entwicklung der Innominatrealkontrakte im römischen Recht Solange die Verabredung eines Leistungsaustauschs außerhalb des numerus clausus der benannten, speziell geregelten Verträge (Nominatkontrakte) keine verbindlichen/klagbaren Leistungsversprechen begründete, konnte der eine „Vertragspartner“ den anderen immerhin durch die reale Erbringung der (Vor-)Leistung dazu anregen, die versprochene Gegenleistung zu erbringen. Denn – nur und erst – durch die Erbringung der Gegenleistung konnte der andere einen Rechtsgrund (causa) dafür erschaffen, die empfangene Vorleistung behalten zu dürfen, und wurde der Vertrag für beide Parteien verbindlich im Sinne einer obligatio naturalis. Bis dahin kam für denjenigen, der in der Erwartung einer Gegenleistung eine Vorleistung erbrachte, eine Rückforderung des Geleisteten (datio sine causa) in Betracht, und zwar mit der (Leistungs-)Kondiktion. Auf diese Weise wurde „die Vorstufe für ein synallagmatisches Verhältnis der beiden Leistungen auf der Kondiktionenebene“ erreicht.272 In diesem Zusammenhang stellten sich den Juristen insbesondere die folgenden Fragen („Regelungsthemen“), deren Diskussion den Ursprung der Entwicklung einer allgemeinen Theorie der Gefahr­tragung im gegenseitigen Vertrag markiert: 1. Unter welchen Voraussetzungen darf der Vorleistende allein deshalb, weil die Austauschvereinbarung auch für ihn bis zur Erbringung der Gegenleistung noch nicht verbindlich ist, seine Vorleistung willkürlich zurückfordern? Ab welchem Zeitpunkt darf die Vorleistung wegen Ausbleibens der Gegenleistung zurückgefordert werden? 2. Darf der Vorleistende wegen Ausbleibens der Gegenleistung in jedem Fall kondizieren oder nur dann, wenn der Leistungsempfänger das Ausbleiben der Gegenleistung zu vertreten hat (quasi: bei Verzug und vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit der Leistung)? Darf die Vorleistung wegen Ausbleibens der Gegenleistung insbesondere auch dann zurückgefordert werden, wenn der Leistungsempfänger aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen daran gehindert ist, die versprochene Gegenleistung zu erbringen (quasi: zufällige Unmöglichkeit)? 269 Vgl. 270 

Rn. 3.

271  272 

Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 275 Rn. 29 f., § 326 Rn. 6. Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (143); Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326

Dazu unten: B.II.4.c)i)1). Leser (1975) – Rücktritt, S. 3; dazu bereits bei und in Fn. 139.

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

3. Falls der Empfänger dem Grunde nach verpflichtet ist, die Vorleistung zurück zu gewähren: Haftet er, wenn er den als Vorleistung empfangenen Gegenstand deshalb nicht zurückgewähren kann, weil er inzwischen zufallsbedingt untergegangen ist? Welchen Unterschied macht es, ob die zurück zu gewährende Sache zwischen ihrem Empfang und dem Herausgabeverlangen des Vorleistenden oder erst danach untergegangen ist? 4. Darf der Vorleistende alternativ zur Rückforderung der Vorleistung oder zumindest unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen auch sein Interesse an der Gegenleistung einklagen? Ist der Empfänger der Vorleistung wenigstens dann zur Erbringung der erwarteten Gegenleistung verpflichtet (haftet er sonst wegen „Nichterfüllung“?), wenn die empfangene Vorleistung bei ihm untergegangen und eine Rückforderung des Vorleistenden deshalb ausgeschlossen ist (oder durfte er die Gegenleistung in diesem Fall „sanktionslos“ verweigern)?

1)  Vorläufer im klassischen römischen Recht Die Juristen der klassischen Periode des römischen Rechts ließen die Rückforderung der Sache, die in Erwartung einer bestimmten Gegenleistung (vor)geleistet worden war (datio ob rem),273 bei Ausbleiben der Gegenleistung274 offenbar ohne Rücksicht darauf zu, ob der Leistungsempfänger seine „Nichterfüllung“ zu vertreten hatte oder nicht (condictio ob rem).275 Insofern galt also eine dem periculum emptoris entgegengesetzte Gefahrverteilung.276 Zudem durfte der Vorleistende wohl bereits in (spät-)klassischer Zeit277 bis zur Erbringung der Gegenleistung auch aus reiner Willkür sein in der Vorleistung 273  Nur wenn die Vorleistung in einem dare bestand (do ut des oder do ut facias), schloss der Tatbestand der atypischen Einigung über den Austausch von Leistungen denjenigen der inhaltsgleichen datio ob rem ein. Dazu: Zimmermann (1996) – Obligations, S. 844 (Fn. 69); Ernst in: UAJR (2005), 28 (34). Bestand die Vorleistung in einem facere (facio ut des oder facio ut facias), kam eine Rückforderung nicht in Betracht; vgl. Jörs/Kunkel/Wenger (1987)  – Röm. Recht, S. 343 (§ 124.2). 274  Sofern die Vorleistung mit einer Fristsetzung zur Erbringung der Gegenleistung verbunden war, war deren fruchtloser Ablauf abzuwarten. Ansonsten war die Rückforderung wegen Ausbleibens der Gegenleistung insbesondere dann begründet, wenn der Empfänger der Vorleistung die Erbringung der Gegenleistung verweigerte oder eine Gelegenheit zur Erbringung der Gegenleistung willkürlich verstreichen ließ, wenn die zur Erbringung der Gegenleistung bei umgehendem Tätigwerden üblicherweise benötigte Zeit vergangen oder die Gegenleistung unmöglich geworden war. Ausführlich zu dem Zeitpunkt, ab dem die Vorleistung wegen Ausbleibens der Gegenleistung zurückgefordert werden konnte: Ernst in: UAJR (2005), 28 (40–43). 275  Betti SZ Rom 82 (1962), 1 (21 f.); Zimmermann (1996) – Obligations, S. 533, 537, 842– 844, 858–860; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 14 a. E.; Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 54; vgl. Thier in: HKK (2007) – BGB, § 311 I Rn. 6. 276  Benöhr (1965) – Synallagma, S. 92; Ernst in: UAJR (2005), 28 (55–57). 277  Inwieweit die später sog. condictio ex paenitentia bereits in der klassischen Epoche des römischen Rechts anerkannt war und in welchem Verhältnis sie im Recht der datio ob rem zur Rückforderung wegen Zweckverfehlung stand, ist umstritten. Dazu: Scherner (1965) – Rücktritt, S. 23 ff. Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 55; Zimmermann (1996) – Obligations,



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liegendes „Angebot“ zurückziehen und den mit seiner Vorleistung initiierten Leistungsaustausch auf diese Weise abbrechen. Speziell ausgeformt war diese Befugnis für Abreden über die Freilassung eines Sklaven.278 Im Allgemeinen lag ihre dogmatische Rechtfertigung darin, dass (auch) der Vorleistende nicht an die Austauschvereinbarung gebunden war, solange der Empfänger der Vorleistung die causa zum Behalten derselben nicht durch Erbringung der Gegenleistung hergestellt hatte (dies ist der Anwendungsbereich der später sog. condictio ex paenitentia).279 Erwägungen des Vertrauensschutzes führten aber dazu, dass diese Rückforderungsmöglichkeit grundsätzlich ausgeschlossen war, solange ggf. eine Frist zur Bewirkung der Gegenleistung lief,280 und sonst nur ausgeübt werden durfte, wenn dem Leistungsempfänger etwaige Aufwendungen erstattet wurden, die er in Vorbereitung der Gegenleistung bereits getätigt hatte281.282 Sein Vertrauen war selbstverständlich nur schutzwürdig, solange er sich nicht seinerseits gegen das wunschgemäße Verhalten entschieden hatte oder feststand, dass er die erwartete Gegenleistung nicht werde erbringen können, oder der Vorleistende ihm seinen „Sinneswandel“ mitgeteilt hatte.283

Die Kondiktion des Vorleistenden ging aber in jedem Fall „ins Leere“, wenn der Leistungsempfänger infolge einer bei ihm aufgetretenen Beschädigung oder Zerstörung der empfangenen Sache zur Rückgewähr derselben außerstande war, ohne dass er dies zu vertreten hatte. Denn die condicto des klassischen Rechts war eine auf die Herausgabe einer bestimmten Sache, und zwar nicht auf Abschöpfung der S. 578, 844 (Fn. 68), 858; Kaser/Knütel (2008)  – Röm. PrivatR, S. 266 (§ 48 Rn. 16); Harke (2008)  – Röm. Recht, S. 190 f. (§ 11.26); Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 14; Ernst in: UAJR (2005), 28 (45 ff., 53 ff.). 278  Es ging um Fälle, in denen eine Geldleistung (indirekt) die Freilassung eines Sklaven bezweckte („Freilassungsvereinbarungen“). Diese sind im Zusammenhang mit gewissen rechtstatsächlichen und kaiserrechtlichen („freilassungsrechtlichen“) Besonderheiten zu sehen. Dazu: Ernst in: UAJR (2005), 28 (45–53); Kaser/Knütel (2008)  – Röm. PrivatR, S. 266 (§ 48.16). Die Bezeichnung der (condictio) ex poenitentia bzw. paenitentia wurde später offenbar aus dem Zusammenhang dieses Geschäftsbereichs herausgelöst und verallgemeinert. Die Möglichkeit, bei der datio ob rem ohne Rücksicht darauf, ob der mit der Leistung verfolgte Zweck bereits endgültig verfehlt wurde, eine Kondiktion anzustellen, ergab sich freilich naturgemäß daraus, dass der Leistung keine Verpflichtung zur Leistung zugrunde lag und erst durch Erbringung der Gegenleistung ein „Behaltensgrund“ für die empfangene Leistung geschaffen wurde. 279  Siehe dazu die Nachweise in Fn. 278. Insb. Scherner (1965) – Rücktritt, S. 23: „Es handelt sich [bei der condictio ex poenitentia] um die condictio causa data causa non secuta innerhalb eines Innominatkontrakts, die nicht aus dem Grund geltend gemacht wird, weil der Leistungsempfänger nicht erfüllt hat, sondern weil der die Leistung erbracht Habende nicht mehr an den Vertrag gebunden sein will. Das war eine einfache Konsequenz aus der Tatsache, daß gegen den, dem eine Leistung noch nicht erbracht worden ist, noch keine actio praescriptis verbis gegeben ist.“ 280  Dies galt gerade nicht für die spezielle „freilassungsrechtliche“ paenitentia. Denn derjenige, der die Freilassung eines Sklaven innerhalb einer bestimmten Frist in Auftrag gegeben hatte, sollte es sich gerade während des Fristlaufs noch einmal anders überlegen dürfen. Dazu Ernst in: UAJR (2005), 28 (45 ff., 54). 281  Scherner (1965) – Rücktritt, S. 23; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 858; Harke (2008) – Röm. Recht, S. 190 f. (§ 11.26); Ernst in UAJR (2005), 28 (44). 282  Zum Ganzen: Ernst in: UAJR (2005), 28 (45 ff., 54 ff.). 283  Ernst in: UAJR (2005), 28 (53).

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

bei Klageerhebung noch vorhandenen Bereicherung, sondern auf Herausgabe des ursprünglich Geleisteten, gerichtete strengrechtliche Klage. Der Herausgabepflichtige haftete deshalb nach dem Grundsatz der „Verewigung des Schuldverhältnisses“ (perpetuatio obligationis)284 nur dann, wenn er für die Umstände, auf denen der Sachuntergang beruhte, verantwortlich war oder wenn der Sachuntergang (auch der zufällige) zu einer Zeit erfolgt war, zu der er sich mit der Herausgabe in Verzug befand (Entsprechendes muss für die Beurteilung der später anerkannten Klage auf ein incertum gegolten haben, die im bonae fidei iudicium erfolgte).285 Vor Entstehung der Herausgabepflicht war der Empfänger grundsätzlich286 nur bei Arglist verantwortlich, denn nur dann war die actio de dolo begründet.287 Demnach haftete er nicht, wenn die Sache zwischen ihrem Empfang und dem Herausgabeverlangen zufällig untergegangen war. Auch diese Schwäche der Rückforderungsmöglichkeit des Vorleistenden288 bewegte den Prätor dazu, von Fall zu Fall (alternativ zu der Klage auf Rückgabe des Geleisteten) eine Klage auf das Interesse an der Gegenleistung mit bona fidesFormel zuzulassen.289 Die sog. actio in factum oder actio in praescriptis verbis konnte wiederum keinen Erfolg haben, wenn der Empfänger der Vorleistung (außer der Unmöglichkeit der Erstattung der Vorleistung auch) das Ausbleiben der Gegenleistung nicht zu vertreten hatte.

2)  Nachklassische Entwicklungen In nachklassischer Zeit bauten die Juristen die Möglichkeit des Vorleistenden, die Gegenleistung einzuklagen, zu einem selbstständigen Institut aus.290 Damit verlor 284 Dazu:

Harke  (2008)  – Röm. Recht, S. 101 f., 111 ff. (§ 7.17, 7.38 ff.); Kaser/KnüRöm. PrivatR, S. 202 f. (§ 37.3–5); Honsell (2010)  – Röm. Recht, S. 97; Wollschläger  (1970)  – Unmöglichkeitslehre, S. 37 f.; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 784 f.; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, vor § 275 Rn. 16. 285  Kaser  (1971)  – RP  I, S. 598; Kaser/Knütel  (2008)  – Röm. PrivatR, S. 266–268 (§ 48.18 ff.). 286  In bestimmten Fällen haftete der Empfänger der Vorleistung allerdings auch nach einem strengeren Maßstab für custodia. Dies schloss unabhängig von einem persönlichen Verschuldensvorwurf gewisse Fälle der Sachverschlechterung und des Sachuntergangs, die typischerweise auf mangelnder Bewachung beruhen, ein. Dadurch wurde das Risiko des Vorleistenden zwar beschränkt. Die Haftung für custodia schloss aber niemals die Haftung für „echten“ Zufall ein. Vgl. Angerer in: FS Wesener (1992), 7 ff. 287  Jörs/Kunkel/Wenger (1987) – Röm. Recht, S: 340 f. (§ 124.1). 288  Hinzu kam, dass eine Rückforderung nach klassischem Recht von vorneherein nicht in Betracht kam, wenn die Vorleistung in einem facere bestand. Dazu bereits in Fn. 273. 289  Vgl. dazu: Nanz (1985) – Vertragsbegriff, S. 13 f.; Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, § 45.1–4. Ernst in: UAJR (2005), 28 (34) vermutet, dass nach Zulassung der Erfüllungsklage die Befugnis zur Rückforderung des Geleisteten auf die Fälle beschränkt gewesen sein könnte, in denen der Vorleistende ein (Geld-)Interesse nicht geltend machen konnte. 290  Nanz (1985) – Vertragsbegriff, S. 14; Kaser/Knütel (2008)  – Röm. PrivatR, § 45.6–7; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 14; vgl. Zimmermann (1996) – Obligations, S. 533–535; Thier in: HKK (2007) – BGB, § 311 I Rn. 9.

tel  (2008)  –



3.  Kritik an der periculum est emptoris-Regel

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die nunmehr sog. condictio causa data causa non secuta291 weitgehend ihre sachliche Berechtigung.292 Denn seit der Vorleistende – wenn auch noch nicht aufgrund der bloßen Austauschvereinbarung, sondern erst infolge der realen Erbringung der Vorleistung – sein Interesse an der Gegenleistung einklagen konnte, bedurfte er eigentlich nicht mehr des Schutzes durch die Möglichkeit, seine Leistung bei Ausbleiben der Gegenleistung zurückzufordern. Dass er durch seine Vorleistung das Recht, auf die Gegenleistung zu klagen, „erwarb“, sprach vielmehr dafür, ihn selbst ebenfalls an der Austauschvereinbarung festzuhalten. Denn wenn der Empfänger der Vorleistung ihm bei Ausbleiben der Gegenleistung das (Erfüllungs-)Interesse zu ersetzen hatte, war die Vorleistung aus Sicht des Vorleistenden durchaus nicht frustriert und aus Sicht des Empfängers nicht unverdient. Der Anwendungsbereich der condictio causa data causa non secuta wurde aber zugleich mit der Anerkennung der Verbindlichkeit/Klagbarkeit atypischer, außerhalb des Kreises der Nominatkontrakte (deshalb Innominatkontrakt) geschlossener Austauschvereinbarungen aufgrund ihre realen Initiierung durch Vorleistung293 (deshalb Innominatrealkontrakt)294 im Vergleich zum klassischen Recht295 limitiert. In das Corpus Iuris Civilis wurde die condictio causa data causa non secuta nämlich mit der Einschränkung aufgenommen, dass die Rückforderung der Vorleistung nur (noch) dann zulässig sei, wenn die Gegenleistung aus Gründen ausbleibe, die der Empfänger der Vorleistung zu vertreten habe (C. 4, 6, 10).296 Dies entsprach der insbesondere für den Kauf geltenden Gläubigergefahrtragung (periculum est emptoris).297 In diesem Zusammenhang entstand im 14. Jahrhundert auch die Kategorie der vom Gläubiger zu vertretenden Unmöglichkeit der Leistung, deren Anwendungsbereich sehr viel später, mit dem Übergang von der Gläubigergefahrtragung zum Traditionsprinzip, einen breiten 291  Die römischen Juristen der klassischen Epoche machten keine „tatbestandliche“ Unterscheidung zwischen verschiedenen Typen der condictio; vgl. Kaser (1971) – RP I, S. 592 ff. Zur Neuordnung des Kondiktionenrechts im Corpus Iuris Civilis durch Iustinian: Kaser (1975) – RP II, S. 422 f.; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 838 ff.; Ernst in: UAJR (2005), 28 (35 ff.); Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 268 (§ 48.23 ff.); Harke (2008) – Röm. Recht, S. 193 f. (§ 11.32). 292  Söllner SZ Rom 77 (1960), 182 (195, 203); Zimmermann (1996) – Obligations, S. 858. 293  Das Versprechen der Vorleistung bzw. der Konsens über den Leistungsaustausch reichte (noch) nicht aus, deshalb: Innominatrealkontrakt. 294  Zu den Innominatrealkontrakten, die erst die nachklassischen Juristen systematisch erfasst und in das Schema des römischen Vertragsrechts eingeordnet haben: Zimmermann (1996) – Obligations, S. 532–537; Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 211 (§ 38.15), S. 255–257 (§ 45); Harke (2008) – Röm. Recht, S. 189 f. (§ 11.24 f.). 295  Dazu oben bei Fn. 275. 296  Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 54; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 585 f.; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 14 a. E. Eine Erweiterung der condictio causa data causa non secuta lag darin, dass mit ihr in nachklassischer Zeit auch eine Vorleistung zurückgefordert werden konnte, die nicht in einem dare, sondern in einem facere bestanden hatte. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu der klassischen condictio ob rem (dazu in Fn. 273). Dazu Zimmermann a. a. O. S. 844 mit Fn. 69. 297 Vgl. Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 64.

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Anwendungsbereich eroberte298: Bartolus behandelte den Fall der vom (vorleistenden) Gläubiger zu vertretenden Unmöglichkeit der Gegenleistung, einem „Bedürfnis dogmatischer Symmetrie“ folgend, wie den der vom Schuldner nicht zu vertretenden Unmöglichkeit der Leistung. Die Folge war deshalb der Ausschluss der Rückforderung der Vorleistung (bei gleichzeitigem Verlust des „Anspruchs“ auf die Gegenleistung).299

Allerdings war nach dem Corpus Iuris zugleich weiterhin die Rückforderung der Vorleistung mit der actio ex paenitentia statthaft.300 Diese Befugnis war in nachklassischer Zeit verselbstständigt worden,301 was zu der Annahme geführt hat, dass das „Reuerecht“ überhaupt erst eine Erfindung der Juristen dieser Epoche gewesen sei302.

ii)  Vertragslehren der Kanonisten Im Mittelalter entwickelten die Kanonisten eine eigene, moraltheologisch geprägte Vertragslehre.303 Diese sah – ungeachtet der im Corpus Iuris Civilis enthaltenen Regel, dass formlose Versprechen (pacta) nicht klagbar seien – eine konsequente Bindung an jedes ernst gemeinte Leistungsversprechen vor.304 In diesem Konzept war der Vertragsbruch etwas Verwerfliches, eine Sünde. Im Austauschvertrag galt die Vertragsbindung für beide Vertragspartner gleichermaßen. Der Gläubiger sollte aber ausnahmsweise von dem Vertrag abgehen dürfen, ohne dadurch selbst einen verwerflichen Vertragsbruch zu begehen, wenn dies lediglich in Reaktion auf einen Vertragsbruch des Schuldners erfolgte (frangenti fidem fides non est servanda).305 Dogmatisch wurde dies damit erklärt, dass beim gegenseitigen Vertrag beide Leistungsversprechen unter der stillschweigen-

298 

Dazu unten: B.II.2.a) Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 63. 300 Vgl. Wening-Ingenheim (1841) – Schadenersatz, S.  241: Die noch nicht erbrachte Leistung sei beim Innominatkontrakt nach römischem Recht nicht geschuldet gewesen, wenn die Gegenleistung durch casus verhindert gewesen sei: „[D]ies beruhte theils darauf, daß diese Innominatkontrakte überhaupt nicht anders als nach einseitiger Erfüllung klagbar waren, theils darauf, daß bei solchen noch poenitentia Statt fand.“ 301 Vgl. Ernst in: UAJR (2005), 28 (53); Harke (2008) – Röm. Recht, S. 191 (§ 11.26). 302 Vgl. Wollschläger (1970)  – Unmöglichkeitslehre, S. 55; kritisch zu dieser Annahme: Ernst in: UAJR (2005), 28 (45); Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 14 mit Fn. 65; Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 266 (§ 48.16). 303  Söllner SZ Rom 77 (1960), 182 (240 ff.); Nanz (1985) – Vertragsbegriff, S. 46 ff.; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 18; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 18; Meder (2011) – Rechtsgeschichte, S. 161 ff. 304  Zimmermann (1996) – Obligations, S.  542–544, 549, 552; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 18.; Meder (2008) – Rechtsgeschichte, S. 145; Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 211 (§ 38.18); Thier in: HKK (2007) – BGB, § 311 I Rn. 14 ff.; Ehmann in: FS Stathopoulos I (2010), 585 (587 ff.). 305  Zimmermann (1996) – Obligations, S. 579; Hattenhauer in: HKK (2007) – §§ 323–325 Rn. 18 mit Fn. 105; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 18. 299 Dazu



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den Bedingung (conditio tacita) abgegeben seien, dass der Vertragspartner seinem eigenen Versprechen treu bleibe.306 Obwohl dieses Konzept an sich unabhängig davon war, ob der Vertragspartner die Nichteinhaltung seines Leistungsversprechens zu vertreten hatte oder nicht, galt die objektivrechtliche Einschränkung, dass der Gläubiger an den Vertrag gebunden bleibe, wenn dem Schuldner der Grund für die Nichterfüllung nicht zuzurechnen, nicht von ihm verschuldet war. Dafür sprach die eigenständige moralische Erwägung, dass das Abgehen vom Vertrag eine Sanktion und als solche nur gerechtfertigt sei, wenn dem Schuldner ein Vertragsbruch vorzuwerfen sei.307 Vor allem lag es aber daran, dass die Kanonisten insoweit die legistische Lehre von den Innominatkontrakten übernahmen.308

iii)  Auseinandersetzung mit der Gefahr­tragung bei den Innominalkontrakten in der Legistik Die Legisten deuteten das Vorliegen einer causa als das Element, das klagbare von nicht klagbaren Verträgen unterschied (und bei dessen Fehlen bzw. Wegfall die condictio sine causa als Generalklage zur Rückforderung des Geleisteten begründet sei). Den Begriff der causa hatten sie nach ihrem scholastischen Vorverständnis aus im Corpus Iuris Civilis verstreuten Aussagen zur (Nicht-)Klagbarkeit von Innominatkontrakt und Stipulation abgeleitet, um daraus allgemeine Voraussetzungen zur Verbindlichkeit von Verträgen zu gewinnen.309 Die causa war auch das Mittel, um den Gedanken der (konditionellen) Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung, den die Legisten von den Kanonisten übernommen hatten, umzusetzen.310 Sie lieferte die Erklärung dafür, warum dem Vorleistenden beim Innominatkontrakt311 bei Ausbleiben der erwarteten Gegen306 

Scherner (1965) – Rücktritt, S. 9 ff.; Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (160 f.); Hattenin: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 18; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 18; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, vor § 275 Rn. 29 a. E. 307 Vgl. Scherner (1965) – Rücktritt, S. 9 f. („objektives Unrecht“, „Strafcharakter“); Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 18 („zugleich auch eine pönale Funktion“). 308  Scherner  (1965) – Rücktritt, S. 39 ff.; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, Vor § 275 Rn. 29 a. E.; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 19 a. E. 309  Zur Bedeutung der causa für die Begründung der Verbindlichkeit/Klagbarkeit (auch) formloser Versprechen in der Vertragstheorie der Kanonisten und der Legisten: Söllner SZ Rom 77 (1960), 182 (212 ff.); Nanz (1985) – Vertragsbegriff, S. 31 ff., 46 ff.; Coing (1985) – Europ. PrivatR I, S. 398 ff., insb. 402 f.; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 549–553; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 19; Meder (2011) – Rechtsgeschichte, S. 161 ff.; Thier in: HKK (2007) – BGB, § 311 I Rn. 8–20. 310  Söllner SZ Rom 77 (1960), 182 (200); Scherner (1965) – Rücktritt, S. 10–14; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 19 mit Fn. 115; vgl. Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 19. 311 Dieser Gedanke blieb auf die Innominatkontrakte beschränkt, weil dem Corpus Iuris Civilis für die Nominatkontrakte ein striktes Rücktrittsverbot zu entnehmen war. Dazu: Scherner (1965) – Rücktritt, S. 28 ff.; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 800 ff.; vgl. Söllner SZ Rom 77 (1960), 182 (211 f.). hauer

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leistung die (Zweckverfehlungs-)Kondiktion gewährt wurde, obwohl er auch die Möglichkeit hatte, mit der actio praescriptis verbis sein Interesse an der Gegenleistung einzuklagen: Er war gewissermaßen nur unter dem Vorbehalt, dass er die Gegenleistung erhalte, bereit, sich auf die Leistung zu verpflichten. In Bezug auf die Gefahr­tragung bei den Innominatkontrakten war der causaBegriff – ebenso wie das Konzept der conditio in der Theorie der Kanonisten – an sich verschuldensneutral und die Befugnis zur Rückforderung der Leistung von daher eigentlich nicht auf den Fall der vom Vertragspartner zu vertretenden Nichterfüllung beschränkt312. Demnach war die Möglichkeit der Leistungsbefreiung ebenso bei zufallsbedingtem Ausbleiben der Gegenleistung gegeben.313 Im Corpus Iuris fanden die Glossatoren aber die Regel (C. 4, 6, 10), dass die Rückforderung der im Rahmen eines Innominatkontrakts erbrachten Vorleistung wegen Ausbleibens der Gegenleistung mit der condictio causa data causa non secuta nur dann zulässig sei, wenn die Nichterfüllung von dem anderen Teil zu vertreten war.314 Dies kam ihrem moralisch geprägten Verständnis offenbar entgegen, und sie verallgemeinerten diesen Gedanken.315 Die Kanonisten übernahmen ihn.316 Es wurde also das nachklassische Konzept der Gläubigergefahrtragung317 bei den Innominatkontrakten fortgeführt.318 312 

Scherner (1965) – Rücktritt, S. 20, 22. Scherner (1965) – Rücktritt, S. 38. 314  Dazu oben bei Fn. 296. 315  Wollschläger (1970)  – Unmöglichkeitslehre, S. 61; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 19; vgl. Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 6. 316  Dazu oben bei Fn. 308. 317  Dazu oben bei Fn. 297. 318  Die Gläubigergefahrtragung wurde von den Kanonisten und unter den Glossatoren insbesondere von Azo auch für den Dienstvertrag vertreten. Demnach sollte der Dienstgeber (conductor) den Lohn auch dann zahlen müssen, wenn der geschuldete Dienst zufallsbedingt nicht verrichtet werden konnte. Nach den einschlägigen Textquellen (dazu Ernst in: FS Lange (1992), 59 (84 ff.)) hatte der conductor den Lohn nämlich immer zu zahlen, wenn es nur nicht am Dienstnehmer (locator) lag, dass die Arbeitsleistung nicht erbracht wurde. Verstand man letzteres als subjektives Verschuldenserfordernis, hatte der conductor die eigentliche Gefahr in vollem Umfang zu tragen. Die herrschende Meinung unter den Legisten legte dies aber so aus, dass die Gefahr beim Dienstvertrag nach Sphären zu verteilen sei. Danach sollte jeder für diejenigen leistungshindernden „Zufälle“, die aus seinem Bereich stammen, objektiv verantwortlich sein. Tendenziell wurde die Gefahr­tragung damit zulasten des locators verschoben. Denn so erhielt er den Lohn etwa dann nicht, wenn er den geschuldeten Dienst wegen (unverschuldeter) Krankheit nicht verrichtete. Ausführlich dazu m. w. N.: Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 5 f.; Rückert ZNR 1984, 40 (52–55); Dilcher (1960)  – Leistungsstörungen, S. 199 ff., 203 ff.; vgl. Nassauer (1978) – Sphärentheorien, S. 8 ff. Im Rahmen des Sphären-Modells wurde der Dienstnehmer bald noch stärker belastet. Wenn die Ursache für das Ausbleiben der Arbeit nicht aus seiner Sphäre stammte, behielt er zwar den Lohnanspruch. Er sollte sich darauf aber nicht nur dasjenige anrechnen lassen, was er durch anderweitigen Einsatz seiner Arbeitskraft tatsächlich erwarb, sondern alles, was er hätte erwerben können; dazu Rückert a. a. O. (53). Der Kommentator Bartolus argumentierte gegen die (Gläubiger-)Gefahr­tragung des Dienstgebers, indem er die Lage der Parteien des Dienstvertrages nach dem Sphären-Modell mit der Situation bei Stipulation und Innominatkontrakt verglich. Auf diese Weise wollte er zeigen, dass die Gläubigergefahrtragung (des Dienstgebers) ein „Privileg bestimmter Schuldnergruppen“ sei; vgl. Rückert a. a. O. (53): 313 



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Ebenfalls beibehalten wurde indes die überlieferte Befugnis des Vorleistenden, seine Leistung bis zur Erbringung der Gegenleistung aus reiner Willkür zu kondizieren, die im Anschluss an das nachklassische Verständnis als eigenständige Kondiktion (condictio ex paenitentia), ein allgemeines Reuerecht, verstanden wurde. Für sich allein genommen war dies nachvollziehbar, solange man annahm, dass der unbenannte Austauschvertrag für den Vorleistenden erst und nur durch die Bewirkung der Gegenleistung verbindlich werde. Die unbeschränkte Möglichkeit, die Vorleistung mittels der condictio ex paenitentia zurückfordern zu können, stand aber in eklatantem Widerspruch zu der Beschränkung der condictio causa data causa non secuta auf Fälle der schuldhaften Nichterfüllung.319 Ohne eine überzeugende Erklärung zu finden, nahmen die Glossatoren und Kommentatoren diesen Widerspruch offenbar hin, weil sie sich an die Überlieferung des Corpus Iuris prinzipiell gebunden fühlten. Die Gläubigergefahrtragung beim Innominatkontrakt wurde dadurch immerhin erheblich relativiert.320 Spätestens seit der grundsätzlichen Anerkennung der Rechtswirksamkeit und Klagbarkeit sämtlicher Verträge allein aufgrund des formlosen Parteikonsenses321 auch in der Legistik322 konnte die Möglichkeit, die eigene Leistung wegen Ausbleibens der Gegenleistung ohne weiteres zurückzufordern, beim Innominatkontrakt dogmatisch nicht mehr damit begründet werden, dass der Vertrag für den Vorleistenden erst und nur dann verbindlich werde, wenn der Leistungsempfänger die versprochene Gegenleistung erbringe. Denn der Konsens band nun beide Parteien gleichermaßen von vorneherein an das jeweilige Leistungsversprechen. Deshalb ließ die Rückforderungsmöglichkeit sich auch nicht mehr damit Würde sich der Dienstgeber durch Stipulation zur Lohnzahlung verpflichten, müsste er wegen der Wortstrenge ohne Rücksicht darauf, ob der belohnte Dienst erbracht wurde, zahlen. Würde er im Rahmen eines unbenannten Vertrages Geld hingegeben, damit der Empfänger gewisse Dienste leiste, könnte er die Geldleistung bei zufallsbedingtem Ausbleiben der „Gegenleistung“ nur nach den Grundsätzen des Reuerechts zurückverlangen. In diesem Zusammenhang stellte der Kommentator die Überlegung an, wie auch bei wechselseitigen Stipulationsversprechen begründet werden könne, dass der Dienstgeber den versprochenen Lohn nicht bezahlen müsse, wenn der Dienstnehmer die versprochene Dienstleistung nicht erbringt. Er kam zu dem Schluss, eine solche Verknüpfung der beiden Stipulationen lasse sich durch die Annahme begründen, dass beide Stipulationen unter der stillschweigenden Bedingung (conditio tacita) stünden, dass das Versprochene nur geleistet werden müsse, wenn auch der andere die versprochene Leistung erbringe. Damit wollte er gerade einen markanten Unterschied zur „Gefahr­tragung“ beim Innominatkontrakt hervorheben. Verallgemeinert und auf den Leistungsaustausch im Rahmen unbenannter Verträge angewendet wurde dieser Gedanke erst viel später. Vgl. dazu Schermaier a. a. O. Rn. 6 (mit Kritik an Rückert a. a. O. (54) in Fn. 57). 319 Dazu: Scherner (1965) – Rücktritt, S. 23 ff., 27; Wollschläger (1970)  – Unmöglichkeitslehre, S. 61 ff., 67; Rückert ZNR 1984, 40 (45); Zimmermann (1996) – Obligations, S. 578, 858–860; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 19 (mit Fn. 119), 30; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 6. 320 So Rückert ZNR 1984, 40 (45) mit Kritik an Wollschläger. 321  Nunmehr bedurfte es keiner realen Vorleistung mehr, um eine Vorstufe der Verbindlichkeit zu erreichen. Vgl. dazu in Fn. 293. Bereits mit der Einigung über den Leistungsaustausch waren die Parteien gegenseitig gebunden. 322  Zu der Parömie pacta sunt servanda: Zimmermann (1996) – Obligations, S. 576 ff.; Meder (2011) – Rechtsgeschichte, S. 161 ff.; Thier in: HKK (2007) – BGB, § 311 I Rn. 4 ff.; Dolezalek in: HRG III (1984), Art. „Pacta sunt servanda“, S. 1400–1402.

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begründen, dass die Leistung bei Ausbleiben der Gegenleistung ihren Zweck verfehlt habe. Denn die Leistung diente nunmehr allein dazu, die eigene Leistungspflicht zu erfüllen. Allerdings gehen eben diese Verpflichtung zur Leistung beim gegenseitigen Vertrag beide Parteien naturgemäß gerade zu dem (Austausch-)Zweck ein, die jeweilige Gegenleistung zu erhalten.323 Es ist also danach zu fragen, ob das Ausbleiben der Gegenleistung deren Gläubiger dazu berechtigt, die einvernehmlich begründete Verbindlichkeit einseitig wieder aufzulösen.324 In der römisch-rechtlichen Tradition sprach dagegen, dass der Gläubiger gerade aufgrund des Vertrages bei Ausbleiben der Gegenleistung berechtigt war, an deren Stelle Schadenersatz zu fordern. Er bedurfte deshalb auch nicht des Schutzes durch die Möglichkeit, die eigene Leistung zurückzufordern.325 Diese Entwicklung lief auf die Anerkennung des gemeinrechtlichen Rücktrittsverbots auch im Bereich der Innominatkontrakte zu.326 Dieses Argument verfängt aber nicht, wenn der Schuldner das Ausbleiben der Gegenleistung nicht zu vertreten hat. Dann hat eine Vertragsklage des Gläubigers nämlich keine Aussicht auf Erfolg und er ist „schutzlos“. Dies sprach dafür, ihn bei zufallsbedingtem Ausbleiben der Gegenleistung von der Pflicht zur Leistung zu befreien und ihm die Rückforderung der bereits erbrachten Leistung zu gestatten. Wie zuvor dargelegt, hatte es diese Erkenntnis schwer, sich bei den mittelalterlichen Juristen durchzusetzen.

iv)  Theoretische Begründung der Gefahr­tragung des Schuldners bei den Innominatkontrakten durch Donellus Im 16. Jahrhundert argumentierte der französische Humanist und Rechtslehrer Donellus gegen die seinerzeit herrschende Lehre, indem er die condictio causa data causa non secuta bei Ausbleiben der Gegenleistung ausnahmslos, also auch bei zufälligem Ausfall der causa, zulassen wollte.327 Zur Begründung berief er sich auf Quellen des klassischen römischen Rechts, die diesen Grundsatz noch ansatzweise erkennen ließen, während er den Widerspruch zu dem iustinanischen 323  Dem

effektiven Austausch der Leistungen vorgelagert ist der Austausch von Leistungsversprechen. Die Leistungen werden jeweils zum Zwecke der Erfüllung erbracht, aber die Leistungsversprechen wurden jeweils zum Zwecke des Austauschs hingegeben. Dies ist die Wurzel des konditionellen Synallagmas. Dazu: Ehmann JZ 2003, 702 ff.; ders. in: FS Beuthien (2009), 3 (13–30). 324  Leser  (1975)  – Rücktritt, S. 4 meint, dass „die neu gewonnene Errungenschaft einer Bindung an den Vertrag durch einfache Erklärung sich mit der Möglichkeit einer Lösung von demselben Vertrag durch ebenso einfache Erklärung psychologisch nur schwer vereinbaren ließ; beide Entwicklungsstufen konnten nicht auf einmal geleistet werden.“; so auch: Zimmermann (1996) – Obligations, S. 802; Flessner ZEuP 1997, 255 (264 bei und in Fn. 34 – „Begrenztheit juristischer Vorstellungskraft“); skeptisch dagegen Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323– 325 Rn. 30 mit Verweis auf die Beibehaltung des Reuerechts (dazu in Fn. 326). 325  Dazu bereits: B. I. 3.b)i)2). 326  Erstaunlicher Weise setzte sich deshalb zwar im gemeinen Recht gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Ansicht durch, dass die condictio causa data causa non secuta beim Innominatkontrakt nicht statthaft sei; das bloße Reuerecht wurde dagegen bis ins 18. Jahrhundert als gewohnheitsrechtlich anerkanntes Institut beibehalten. Dazu: Scherner (1965) – Rücktritt, S. 27, 140; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 30; vgl. Rückert ZNR 1984, 40 (45). 327 Dazu: Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 64 ff.; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 860; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 6; vgl. Rückert ZNR 1984, 40 (45).



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Verschuldensgrundsatz328 durch ein recht eigenwilliges Verständnis der diesen Grundsatz tragenden Texte auflöste. Von dem logischen Ausgangspunkt der causaLehre aus war es ja nur konsequent, die Rückforderung der Vorleistung ohne Rücksicht auf den Grund des Ausbleibens der Gegenleistung zu erlauben; denn „der causa-Begriff kann sich naturgemäß nicht an der Art der späteren Leistungsstörung orientieren, sondern nur an der ursprünglichen Zweckbestimmung der Leistung bei Abschluß des Vertrages“.329 Man mag darüber streiten, ob es gerechtfertigt ist, von einer „Umkehrung der Gefahr­tragungsregel“ bei den Innominatkontrakten zu sprechen.330 Auch wenn er in dieser Frage bei den Juristen des usus modernus und auch sonst nur zögerlich Gefolgschaft331 fand, kommt Donellus immerhin das Verdienst zu, das funktionelle Synallagma (bei den Innominatkontrakten) theoretisch begründet und die Regel, dass der Leistungsempfänger nur dann zur Rückgewähr verpflichtet sei, wenn er seine Nichtleistung zu vertreten habe, als allgemeines Prinzip „entthront“ zu haben.332

v)  Vernunftrechtliche Theorien zu Rücktrittsrecht und Gefahr­tragung beim Austauschvertrag Dass die Schuldnergefahrtragung (perciulum debitoris) als Grundsatz im Bereich der Innominatkontrakte im gemeinen Recht zunächst keine Anerkennung fand, dürfte vor allem daran gelegen haben, dass ihr das nach wie vor Geltung beanspruchende Prinzip der Gläubigergefahrtragung beim Kauf und bei anderen Sachveräußerungsverträgen entgegengestand. Dieser Einwand verlor freilich in dem Maße an Kraft, in dem die Skepsis gegenüber der Angemessenheit der periculum est emptoris bzw. periculum est creditoris-Regel wuchs.333 Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Vertreter des modernen Naturrechts, die sich nicht prinzipiell an die Überlieferungen des römischen Rechts und damit auch nicht an die Unterscheidung von Nominat- und Innominatkontrakten sowie etwa an die für den Kauf in den Quellen vorgeschriebene Gefahrverteilung gebunden fühlten, den entscheidenden Schritt weitergingen.334 Sie haben den Gedanken des konditionel328 

Dazu oben bei Fn. 296. Scherner (1965) – Rücktritt, S. 22; vgl. dazu auch unten: Fn. 332. 330 So Wollschläger  (1970)  – Unmöglichkeitslehre, S. 64 ff.; kritisch zu dieser Formel Rückert ZNR 1984, 40 (42 ff.). 331  Zu dem (geringen) Einfluss der Lehre des Donellus auf den usus modernus mit Blick auf die Gefahr­ tragung bei den Innominatkontrakten sowie zu der (vereinzelten) Kritik von Vertretern des usus modernus an der periculum est emptoris-Regel jeweils m. w. N.: Scherner (1965) – Rücktritt, S. 39; Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 66; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 6 a. E. 332  Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 66; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 860; vgl. Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 6 a. E. 333 Vgl. Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 7. 334 Vgl. Scherner (1965) – Rücktritt, S. 41, 92 ff.; Wollschläger (1970)  – Unmöglich329 

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

len Synallagmas zwar nicht erfunden, aber sie haben ihn klar und prinzipientreu formuliert und verallgemeinert.335 Die vernunftrechtlichen Lehren zum gegenseitigen Vertrag standen vor allem mit Blick auf die Gefahr­tragung und das Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung in auffälliger Parallele zu denen der Kanonisten. Der Regelungsansatz der Abhängigkeit der eigenen Verpflichtungen im gegenseitigen Vertrag von der Vertragstreue des jeweils anderen wurde von den Naturrechtslehrern geradezu rezipiert.336 Allerdings war die naturrechtliche Begründung tendenziell stärker willenstheoretisch337 und weniger moralisch geprägt. Grotius, der davon ausging, dass das Versprechen ein Selbstbindungsakt sei und die Verbindlichkeit allein aus dem autonomen Willen des Versprechenden herrühre,338 bediente sich zur konstruktiven Begründung der als natürlich empfundenen Abhängigkeit des eigenen Leistungsversprechens von der Einhaltung des von dem anderen Vertragsteil abgegebenen Leistungsversprechens  – im völkerrechtlichen Zusammenhang  – naheliegender Weise der Rechtsfigur der (stillschweigenden) Bedingung (conditio (tacita)), die eine unmittelbare Willensbeschränkung (Scherner) darstellt.339 Er ging davon aus, dass jedes Stück und jeder Artikel des Vertrages in dem anderen allzeit mit begriffen sei, dass also alles nichts gelte, wenn der jeweils andere sein Versprechen nicht hält, und zwar so, als wenn ausdrücklich im Vertrag stünde: „Alles dies will ich also thun, wenn auch der andere thut, was er versprochen“340. Es sei eine stillschweigende Bedingung keitslehre, S. 82 ff.; Zimmermann AcP 1993 (193), 121 (142 ff.); ders. (1996) – Obligations, S. 544, 803; Rückert ZNR 1984, 40 (57 ff.); Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8; Pennitz in: HKK (2007) – BGB, §§ 320–322 Rn. 13–18; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 13–45 (zur Entwicklung der Austauschtheorie unter dem Aspekt der Entwicklung des Rücktrittsrechts wegen Nichterfüllung); Nanz (1985) – Vertragsbegriff, S. 135 ff. (zur Entwicklung des Vertragsbegriffs in der naturrechtlichen Lehre und zum Vertragsbegriff der Naturrechtskodifikationen). 335  Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (144); vgl. Leser (1975) – Rücktritt, S. 3: Der Gedanke des synallagmatischen Verhältnisses der Leistungen beim Innominatkontrakt habe „im naturrechtlichen Denken eine Fortsetzung“ gefunden. 336  Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 21; vgl. Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 21 (Anlehnung an das kanonische Recht). 337 Vgl. Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 21: „Seiner Struktur nach ließ sich [das Konzept der beiderseits vorausgesetzten Vertragstreue als Bedingung des Vertragsschlusses] besonders gut mit dem Individualwillen als zentraler normativer Größe des Zivilrechts verbinden“; vgl. Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8; Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (143 f., 161 f.); Rückert ZNR 1984, 40 (61), die naturrechtliche Willensmetaphysik habe den Siegeszug des Synallagma als Gefahr­tragungsformel deutlich unterstützt. 338 Dazu: Scherner (1965) – Rücktritt, S. 93 f. und Leser (1975) – Rücktritt, S. 5, jeweils mit Verweis auf Diesselhorst (1959) – Die Lehre des Hugo Grotius vom Versprechen, S. 34 f., 54 f. Zur Versprechenslehre des Grotius ferner: Thier in: HKK (2007) – BGB, § 311 I Rn. 19; Ehmann in: FS Stathopoulus I (2010), 585 (588 ff.). 339  Scherner  (1965)  – Rücktritt, S. 92–95, Leser  (1975)  – Rücktritt, S. 5; Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (143 f., 162 f.); Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 21; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8; vgl. Rückert ZNR 1984, 40 (58–61). 340  Dt. Übersetzung: Grotius (1709) – Von Krieg- und Friedens-Rechten, 3. Buch, Kap. 19



3.  Kritik an der periculum est emptoris-Regel

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(conditio tacita) dieses Inhalts in den Vertrag hineinzulesen.341 Gegenteiliges sei nur anzunehmen, wenn die Parteien es ausdrücklich verabredet haben.342

Den Rücktritt343 vom Vertrag begründete Grotius außerdem mit dem im Vertragsbruch liegenden Unrecht, das ein Verschulden des nichtleistenden Vertragsteils voraussetze.344 Es handelte sich bei der perfidia aber offenbar nicht um eine notwendige Voraussetzung der Befreiung des anderen Teils, sondern um eine zusätzliche Voraussetzung zur Begründung etwaiger weitergehender Sanktionen345 (eine deutliche Unterscheidung wurde insoweit freilich nicht vorgenommen). Denn bei zufallsbedingtem Nichtleistenkönnen des einen Teils eines völkerrechtlichen Bündnisses – also im Regelungsbereich der Gefahr­tragung – sollte der andere Teil die Wahl haben, als Ersatz für die ausbleibende Leistung deren Schätzwert zu verlangen oder – ohne selbst eine (ungerechtfertigte) perfidia zu begehen346 – vom § 14; vgl. auch Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (162). 341  Es ist nicht eindeutig zu sagen, ob Grotius die Gegenseitigkeit der Leistungspflichten im gegenseitigen Vertrag durch eine auflösende oder eine aufschiebende Bedingung konstruierte; Scherner (1965) – Rücktritt, S. 94. Überwiegend wird in der Literatur eine aufschiebende Bedingung angenommen. Dazu: Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (162); Pennitz in: HKK (2007) – BGB, §§ 320–322 Rn. 14; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 21 a. E. 342  Wenn ein Contract, ein Pactum oder Versprechen anders zu verstehen sein sollte, pflegten die Parteien „ausdrücklich dabey [zu setzen], daß, wofern wider dieses oder jenes Stück gehandelt werde, das übrige jedennoch fest und gültig bleiben solle“; dt. Übersetzung nach Grotius (1709) – Von Krieg- und Friedens-Rechten, 3. Buch, Kap. 19 § 14. 343  Grotius räumte dem enttäuschten Vertragsteil ein Wahlrecht zwischen Rücktritt und Festhalten am Vertrag (gegen Ersatzleistung) ein, so dass es sich wohl um die Begründung eines Rücktrittsrechts handelte (so Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8; Scherner (1965) – Rücktritt, S. 92 ff.; Rückert ZNR 1984, 40 (58)) und der Vertrag nicht ohne weiteres nichtig war (so aber Pennitz in: HKK (2007) – BGB, §§ 320–322 Rn. 14). Letzteres hätte der Bedingungskonstruktion durchaus entsprochen. Grotius gebrauchte den Begriff der Bedingung unscharf, dazu Scherner (1965) – Rücktritt, S. 94. 344  Scherner (1965) – Rücktritt, S. 95; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8. 345  Scherner (1965) – Rücktritt, S. 95 sieht indes als tragende Idee des Rücktrittsrechts wegen Nichterfüllung bei Grotius außer dem „Gedanken der natürlichen Abhängigkeit der beiden Verpflichtungen im gegenseitigen Vertrag schon vom Vertragsschluss her“ auch das „Element der Strafe“, weil der paktbrüchige Staat durch einen Krieg habe bestraft werden sollen. Daran, dass nur von der „perfidia“, also dem schuldhaften, willkürlichen Vertragsbruch die Rede sei, werde deutlich, „daß es sich bei schuldhaftem Vertragsbruch um etwas anderes handelt als bei dem Problem der Gefahr­tragung. Das schuldlose Nichtleistenkönnen wird in den Rechtssatz nicht mit einbezogen“. Dagegen Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 83 mit Fn. 47: Das schuldhafte wie das schuldlose Nichtleistenkönnen sei gleichermaßen in den Satz mit einbezogen worden. Das Ausbleiben der Leistung habe eine Wertersatzpflicht oder die Befreiung von der Gegenleistung zur Folge gehabt, wenn auch die Fälle getrennt voneinander erörtert worden seien. Auch Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (142 ff., 161 ff.) bezieht Grotius’ Ausführungen ebenso auf das konditionelle (Befreiung von der Gegenleistung bei zufallsbedingter Unmöglichkeit der Leistung) wie auf das funktionelle (Rücktritt bei Nichterfüllung) Synallagma. 346  Grotius (1625) – De iure bellis ac pacis, Buch 3 Kap. 19 § 14 (als Ausnahme zu dem in § 13 formulierten Grundsatz, dass auch dem untreuen Vertragspartner die Treue zu halten sei, dass Untreue nicht mit Untreue gerächt werden dürfe); dazu: Scherner (1965) – Rücktritt, S. 93 (der enttäuschte Vertragsteil habe ausnahmsweise eine perfidia begehen dürfen); vgl. Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (161 f. – das Abgehen vom Vertrag durch den enttäuschten Vertragsteil sei

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

Vertrag Abstand zu nehmen, also sich von der Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung zu befreien.347 Anders als die willkürliche, schuldhafte Nichteinhaltung eines (Friedens-)Vertrages sei das zufallsbedingte „Nichtleistenkönnen“ indessen kein perfider Bruch des Friedens(-vertrages) und deshalb für den anderen Teil auch kein Kriegsgrund.348 Der Ausgangspunkt vom Völkerrecht erleichterte auch die Überwindung des sich aus den Quellen des römischen Rechts ergebenden gemeinrechtlichen Rücktrittsverbots, das nur für die privatrechtlichen (Nominat-) Kontrakte Geltung beanspruchte.349 Pufendorf350 führte die grotianische Lehre von dem Rücktrittsrecht wegen perfidia des anderen Teils fort und erhob sie über den völkerrechtlichen Zusammenhang hinaus zu einem allgemeinen Rechtsprinzip, das als solches Geltung auch für das Privatrecht beanspruchte.351 Da die Vertragstreue für ihn der oberste Grundsatz des Vertragsrechts war, fiel die Unterscheidung von Nominat- und Innominatkonausnahmsweise nicht als perfidia angesehen worden) – dies dürfte am ehesten Grotius’ Aussage entsprechen). 347  Grotius (1625) – De iure bellis ac pacis, Buch 3 Kap. 20 § 37; dazu: Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 83; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8. 348 Dazu: Scherner  (1965)  – Rücktritt, S. 95; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8; vgl. Wollschläger  (1970)  – Unmöglichkeitslehre, S. 83. – Da für Grotius die Gefahr mit dem Eigentum verknüpft war (res perit domino bzw. casum sentit dominus) und er der Meinung war, dass das Eigentum jedenfalls nach vernunftrechtlichen Grundsätzen bereits mit dem Vertragsschluss übergehen sollte, ohne dass es notwendigerweise der (wirklichen) Übergabe bedürfe (vgl. Grotius (1625) – De iure belli ac pacis, Buch 2 Kap. 12 § 15.1), stellte sich für ihn das Problem der Gefahrverteilung beim Kauf nicht; dazu Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8. Von daher trifft es nicht zu, dass Grotius den Gefahrübergang mit der Übergabe habe verknüpfen wollen (so aber Scherner  (1965) – Rücktritt, S. 95 mit Fn. 16). Nach seiner Lehre hing der Gefahrübergang nur dann von der Übergabe ab, wenn bürgerliche Gesetze vorschrieben, dass zur Sachübereignung außer dem Konsens zwischen Veräußerer und Erwerber auch die Sachübergabe erforderlich sei. Zur Übereignungs- und Gefahr­tragungslehre des Hugo Grotius siehe auch m. w. N. Bucher ZEuP 1998, 615 (624–626). 349  Leser (1975) – Rücktritt, S. 5; vgl. Scherner (1965) – Rücktritt, S. 95: Die Bedeutung von Grotius’ Lösung „lag nicht darin, dass ihre Anwendung auf privatrechtliche Verhältnisse beansprucht wurde … [S]ie lag vielmehr darin, daß er hier im Anschluss an eine an sich unbestrittene Rechtsansicht nicht durch eine sich auf Tradition oder Gesetz berufende, sondern nur an die Natur des Menschen und seiner Handlungen anknüpfende Methode den gegenseitigen Vertrag mit seiner Rücktrittsfolge erläuterte“, vgl. auch S. 96 f. 350  Pufendorf (1711) – Acht Bücher vom Natur- und Völcker-Rechte II, 5. Buch, Kap. 11 § 9: „Übrigens wird die schuldige Verbindlichkeit nicht so wohl aufgehoben als abgebrochen, wenn ein Theil bundbrüchig wird und das versprochene nicht leisten will, denn auf solchen Fall ist auch der andere Theil nicht verbunden, seiner sonst gethanen Zusage nachzukommen. Denn wenn jemanden durch ein Bündniß was versprochen wird, geschiehet es in Ansehung eines empfangenen Gegen-Versprechens, drum ruhet das ganze Bündniß auff denen gegenseitigen Zusagen und Schuldigkeiten, als auff gewissen Bedingungen, gleich als wenn jede Parthey gesagt hätte: Ich will das meine thun, wenn du das deine tust. Was nun auff Bedingung geschlossen wurde, das darff auch nur alsferne das Bedungene sich ereignen …“. 351  Scherner (1965) – Rücktritt, S. 97; Leser (1975) – Rücktritt, S. 5; vgl. Pennitz in: HKK (2007) – BGB, §§ 320–322 Rn. 14; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 21.



3.  Kritik an der periculum est emptoris-Regel

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trakten in seiner Theorie ohnehin weg.352 Wie Grotius ging Pufendorf davon aus, dass Leistung und Gegenleistung im gegenseitigen Vertrag naturgemäß voneinander abhängig seien, was technisch durch das dogmatische Vehikel (Schermaier) einer stillschweigenden (vertragsauflösenden)353 Bedingung bewirkt werde.354 Auch wenn er davon sprach, der Vertrag werde ggf. abgebrochen („abrumpitur obligatio“), sollte der Vertrag mit Eintritt der Bedingung durchaus nicht von selbst wegfallen, sondern – entsprechend der gemeinrechtlichen Konstruktion der lex commissoria355 – der enttäuschte Vertragsteil die Wahl haben, am Vertrag festzuhalten oder von ihm abzugehen.356 Jedenfalls galt dies für das „Rücktrittsrecht wegen bloßer schuldhafter Nichterfüllung“ (Wollschläger). Im Zusammenhang mit dem Recht, wegen des Vertragsbruchs des anderen Teils vom Vertrag abzugehen, widmete Pufendorf sich auch dem Abwicklungsproblem, also der Frage, ob der „Rücktrittsberechtigte“ bei Ausübung des Rücktritts eine bereits erbrachte Leistung zurückfordern dürfe. Er verneinte dies.357 Dass eine Rückforderung der Vorleistung (zumindest mittels der condictio causa data causa non secuta) ausgeschlossen sei, wenn die „Gegenleistung“ aus von dem Vertragspartner nicht zu vertretenden Gründen ausblieb, galt – außer nach der Meinung Donellus’ und der wenigen Autoren des usus modernus, die ihm zumindest für den Fall der auf Sachleistung gerichteten Verträge folgten358 – für die Innominatkontrakte den mittelalterlichen Juristen ebenso wie den Pandektisten im 19. Jahrhundert. Manche beriefen sich gerade auf diesen Grundsatz des Rechts der unbenannten Verträge, um die Verallgemeinerung der periculum est emptoris-Regel zu einer für alle auf Veräußerung einer bestimmten Sache gerichteten Verträge geltenden periculum est creditoris-Regel mit der Selbstständigkeit der beiderseitigen Verpflichtungen im Austauschvertrag zu rechtfertigen.359

Außer mit dem Rücktritt wegen perfidia beschäftigte sich Pufendorf – differenzierter und deutlicher als Grotius – auch mit den Folgen des zufallsbedingten Ausbleibens der Leistung, also der schuldlosen Nichterfüllung: der Vertrag erlösche bzw. schwinde dahin („evanescit pactum“ – insofern sollte der Vertrag offenbar durchaus ipso iure wegfallen), wenn die Leistung unausführbar sei,360 und in 352  Scherner (1965) – Rücktritt, S. 97; vgl. Wollschläger (1980) – Unmöglichkeitslehre, S. 83. In der Begründung des Rücktrittsrechts griff Pufendorf jedoch auch auf die Lehre von den Innominatkontrakten zurück; dazu Leser (1975) – Rücktritt, S. 5. 353  Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (162); Pennitz in: HKK (2007) – BGB, §§ 320–322 Rn. 14; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 21. 354  Wollschläger  (1970)  – Unmöglichkeitslehre, S. 83 f.; Rückert ZNR 1984, 40 (58); Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (162); vgl. Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8 (unmittelbar nur zur Begründung des Wegfalls des ganzen Vertrages bei zufälliger Unmöglichkeit der Leistung). 355  Dazu: B.II.4.c)i)1)(b). 356  Scherner (1965) – Rücktritt, S. 98 f.; Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (162 f.); Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 22. 357 Dazu: Scherner (1965) – Rücktritt, S. 99; Leser (1975) – Rücktritt, S. 5. 358  Dazu oben: B. I. 3.b)iv). 359 Dazu Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 6, 12. 360 Vgl. Pufendorf  (1711)  – Acht Bücher vom Natur- und Völcker-Rechte  II, 3.  Buch, Kap. 7 § 3 (zur nachträglichen Unmöglichkeit der Leistung). Dazu: Wollschläger (1980) – Un-

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diesem Fall sollte eine bereits erbrachte Leistung auch zurückgefordert werden dürfen und, falls dies (auch) nicht möglich ist, der Empfänger der Leistung die größte Sorgfalt anwenden müssen, um den anderen Vertragsteil schadlos zu halten361.362 Dagegen blieben die Ausführungen zur Behandlung der verschuldeten Unmöglichkeit der Leistung vage363 und damit unergiebig als Anregung für das positive Recht.364 Innerhalb des Wolffschen365 Vernunftrechtssystems, das mit der Formulierung der praestationes mutuae die „erste Definition des gegenseitigen Vertrages seit dem ‚do ut des‘ der Glossatoren“ oder dem ‚contractus bilateralis aequalis‘ bzw. ‚ultro citroque‘“366 enthielt, sollte dagegen nur die schuldhafte Nichterfüllung ein Abgehen des anderen Teils vom Vertrag rechtfertigen.367 Der vertragstreue Teil sollte ggf. – trotz Annahme einer auflösenden Bedingung – die Wahl haben, am Vertrag festzuhalten oder von ihm abzugehen (keine Vertragsaufhebung ipso

möglichkeitslehre, S. 84; Rückert ZNR 1984, 40 (58); Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (143): Pufendorf habe „mit aller wünschenswerten Klarheit“ ein allgemeines Gefahr­tragungsprinzip formuliert; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8. 361  Pufendorf (1711) – Acht Bücher vom Natur- und Völcker-Rechte II, 3. Buch, Kap. 7 § 3; vgl. dazu Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8; vgl. Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 84. 362  Konsequenterweise kam der Naturrechtslehrer für den Kauf zu einer dem römisch-gemeinen Recht entgegengesetzten Gefahrverteilung: Der Abschluss sei von der Vollziehung des Kaufs zu unterscheiden. Der Gefahrübergang finde erst mit der Vollziehung durch Übergabe der verkauften Sache statt, es sei denn, die Übergabe scheitere an der Säumnis des Käufers. Dann lägen die Dinge so, als wäre die Übergabe (und mit ihr der Gefahrübergang) bereits vollzogen und die Sache einstweilen nur zur Verwahrung dem Verkäufer überlassen. In dieser Situation habe der Verkäufer, weil nicht Herr der Sache, sondern nur noch ihr Verwahrer, die Gefahr nicht mehr zu tragen. Vgl. Pufendorf (1711) – Acht Bücher vom Natur- und Völcker-Rechte II, 5. Buch, Kap. 5 § 3: „“; dazu: Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8; Bucher ZEuP 1998, 615 (626). 363  Wer den Ausfall der Leistung verschuldet hat, sollte auf Schadenersatz haften. Bei Arglist sollte der Schuldner sogar bestraft werden. Vgl. dazu Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8. In der Äußerung, aus der eine Schadenersatzpflicht hergeleitet wird, sprach Pufendorf genau genommen davon, dass der Schuldner, der sich seine Kräfte zur Erfüllung schuldhaft entziehe, auf „die größtmögliche Anstrengung“ bzw. darauf, „das eusserste zu thun“ hafte“. Dies sollte wohl heißen, dass er ggf. unbedingter Vollstreckung ausgesetzt sei. Dazu Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 84 f. mit Fn. 58. 364  Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 85. 365  Wolff (1743) – Jus naturae methodo scientifica pertractatum III, §§ 825–827, 830. 366  Scherner (1965) – Rücktritt, S. 99, vgl. auch S. 37, 54 f.; dazu auch: Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (162 mit Fn. 221); Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8. 367  Scherner (1965) – Rücktritt, S. 100; vgl. Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 85: Zurechnungsausschließende Leistungshindernisse seien, wie nach gemeinem Recht, von Wolff als Entschuldigungsgrund vom deliktisch verstandenen Verzug aufgefasst und vom Rücktritt aufgrund des conditio-Gedanken ausgeschlossen worden. Das Rücktrittsrecht war demnach dadurch bedingt, dass der andere Teil sich erfüllungsunwillig zeige; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 21; vgl. Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8 bei Fn. 82.



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iure).368 Im Falle des Rücktritts sollte eine bereits erbrachte Teilleistung zurückgefordert bzw. stattdessen Ersatz verlangt werden dürfen.369 Die Folgen der zufälligen Unausführbarkeit einer der beiden Leistungspflichten im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages begriff Wolff als ein separates Problem (der Gefahr­tragung). Er löste dieses nicht allgemein, sondern behandelte es für die verschiedenen Vertragstypen gesondert und durchaus unterschiedlich.370 Das mag daran liegen, dass Wolff in seinem Vernunftrechtssystem das positive Recht weitgehend aufgehen lassen wollte. Das gemeine Recht sah jedoch gerade mit Blick auf die Gefahr­tragung sehr unterschiedliche Lösungen für die verschiedenen Anwendungsfälle des gegenseitigen Vertrags, der als solcher begrifflich noch nicht entwickelt und mit seinen Besonderheiten entfaltet war, vor.371 Immerhin behandelte er das Gefahr­tragungsproblem etwa bei der locatio conductio ausdrücklich unter Verweis auf die conditio-Lösung, um die Hinfälligkeit der Lohnzahlungspflicht (mit dem gesamten Vertrag) beim Ausfall der geschuldeten Leistung zu begründen. Da es ausgeschlossen sei, dass sich jemand verpflichte, Unmögliches zu leisten, müsse die Verpflichtung zur Erbringung einer (noch) möglichen Leistung unter der auflösenden Bedingung stehen, dass die Leistungserbringung unmöglich werde.372 Beim Kauf hielt Wolff dagegen an der römisch-rechtlichen Käufergefahrtragung ab Vertragsschluss fest.373

vi)  Einfluss des vernunftrechtlichen Synallagma-Denkens auf das positive Recht Obwohl es nicht die Absicht der Vernunftrechtslehrer war, das positive (Zivil-) Recht zu reformieren, blieben ihre Theorien nicht ohne Einfluss auf die Entwicklung desselben, wenn auch der Einfluss ein indirekter (über die Juristenausbildung

368  Scherner (1965) – Rücktritt, S. 100; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 22 („jus recedendi“); Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 21. Sofern der „Rücktrittsberechtigte“ zur Erfüllung angehalten wurde, sollte er sich darauf nur gegen Sicherheitsleistung von dem im Verzug befindlichen anderen Vertragsteil einlassen müssen; dazu Pennitz in: HKK (2007) – BGB, §§ 320–322 Rn. 14. 369  War die Eigenleistung bereits vollständig erbracht, war damit die Bedingung, unter der sich der andere, vertragsbrüchige Teil verpflichtet hatte, auch vollständig erfüllt, so dass der gesamte Vertrag endgültig verbindlich war und keinerlei Rückforderung mehr in Betracht kam. Der „Rücktritt“ war also in erster Linie ein Abgehen vom Vertrag und kein Instrument der Rückabwicklung, vgl. Scherner (1965) – Rücktritt, S. 100 f.; Leser (1975) – Rücktritt, S. 5; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 21 a. E. 370  Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8. 371 Vgl. Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8 mit Verweis auf Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 85 mit F. 59. 372 Dazu: Rückert ZNR 1984, 40 (58–60); Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (144); Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8 bei und mit Fn. 85. 373 Dazu Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8 (m. w. N. in Fn. 84).

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und die Gesetzgebung) war.374 Sie begünstigten insbesondere die „Erosion der römisch-rechtlichen Tradition des vertraglichen Typenzwangs“.375 Die allgemeine Theorie von der Gefahr­tragung nach dem konditionellen Synallagma, aber auch die Lehre vom Rücktritt wegen Nichterfüllung schlug sich in den Zivilrechtskodifikationen des Vernunftrechtszeitalters nieder.376 Das prALR sah die Schuldnergefahrtragung als einheitliche Gefahr­tragungsregel für gegenseitige Verträge vor und knüpfte diese an den zentralen Begriff der (durch Zufall entstandenen) Unmöglichkeit377 an;378 das ABGB stimmte damit im Wesentlichen überein.379 Weil sowohl das prALR als auch das ABGB beim Kauf den Übergang der Gefahr (und des Eigentums) an die Übergabe der verkauften Sache knüpften,380 stimmte auch der Kaufvertrag mit dieser Regel überein (und befand sich zugleich in Einklang mit dem Satz casum sentit dominus). Im gemeinen Recht bestand trotz des Autoritätsverlusts des römischen Rechts wegen der ausdrücklich entgegenstehenden Quellen gerade gegen die Anerkennung einer allgemeinen Gefahr­tragungsregel sowie die Anerkennung eines allgemeinen Rücktrittsrechts wegen Nichterfüllung allerdings noch erheblicher Widerstand. Die Vertreter des usus modernus hielten (auch) bei den Innominatkontrakten, die seit der allgemeinen Anerkennung der Verpflichtungswirkung des formlosen Parteikonsenses381 dem Vertragsbild des Vernunftrechts stark ähnelten,382 ganz 374 Vgl. Scherner (1965) – Rücktritt, S. 103–105; Bauer  (1998)  – Periculum emptoris, S. 114 mit Fn. 11: Das Vernunftrecht sei „Professorenrecht von geringer praktischer Bedeutung“ gewesen, das erst durch den „Umweg der Gesetzgebung“ (gemeint sind die Kodifikationen des Vernunftrechtszeitalters) großflächigen Einfluss auf die Praxis gehabt habe. 375  Thier in: HKK (2007) – BGB, § 311 I Rn. 18. 376  Scherner (1965) – Rücktritt, S. 124 ff.; Wollschläger (1970)  – Unmöglichkeitslehre, S. 102 ff.; Leser (1975) – Rücktritt, S. 7 ff.; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 811; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 24 f.; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 9–11. 377  prALR I. 5 § 364 „Entsteht die Unmöglichkeit, den geschlossenen Vertrag zu erfüllen, durch einen Zufall, oder durch unabwendbare Gewalt oder Übermacht, so wird der Vertrag als aufgehoben angesehen.“ Erstmals wurde damit der gemeinrechtliche casus als schuldaufhebender Tatbestand formuliert; vgl. Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 106; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 9. Es ist umstritten, ob und inwieweit Mommsens grundlegende Abhandlung über die Unmöglichkeit davon beeinflusst wude. Während Scherner (1965) – Rücktritt, S. 131, 141 und Wollschläger a. a. O., S. 123 davon ausgehen, dass Mommsens Unmöglichkeitslehre durchaus durch die Regelung des prALR angeregt worden sei, halten Jakobs (1969) – Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 116 und Huber (1999) – Leistungsstörungen I, S. 75 mit Fn. 66 dies „aus inneren wie äußeren Gründen“ (Huber) für unwahrscheinlich. 378  Die Vertragsauflösung wurde technisch aber nicht über eine in den Austauschvertrag hineingelesene stillschweigende Bedingung verwirklicht. Stattdessen wurde mit der (durch Zufall, unabwendbare Gewalt oder Übermacht entstandenen) Unmöglichkeit (dazu in Fn. 377) ein gesetzlicher Aufhebungstatbestand formuliert. Dazu: Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (145 f.); Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 9. 379 Dazu: Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 106–117; Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (144 f.); Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 9, 11, § 275 Rn. 24. 380  Dazu unten: B. I. 5. 381  Dazu oben bei Fn. 321. 382 Vgl. Scherner (1965) – Rücktritt, S. 102.



3.  Kritik an der periculum est emptoris-Regel

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überwiegend an dem Prinzip der Gläubigergefahrtragung fest383 (noch lange freilich relativiert durch die Möglichkeit des Gläubigers, das Reuerecht auszuüben)384 und folgten bei den Nominatkontrakten der Kasuistik der römischen Quellen. Insbesondere beim Kauf war es nicht die vernunftrechtliche Theorie, sondern waren es vor allem praktische Bedürfnisse (des Handelsverkehrs)385 und entgegenstehende statutarrechtliche Regelungen386, die zu wachsender Kritik am periclum emptoris führten. Die abweichende Regelung in den Partikularrechten wurde durchaus mit denselben Gedanken begründet, die zentral für die vernunftrechtliche Theorie waren, dass nämlich die Gefahr dem Eigentum folge, welches erst mit der Übergabe übergehe387, und dass es unbillig sei, wenn der Käufer zur Zahlung verpflichtet bleibe, ohne vom Verkäufer Besitz und Eigentum an der verkauften Sache zu erhalten. Diese wurden aber nicht aus der naturrechtlichen Theorie abgeleitet, sondern auf eine vermeintlich deutsch-rechtliche Tradition zurückgeführt.388 Das Argument, dass es ungerecht sei, wenn der Käufer den Kaufpreis zahlen müsste, ohne die verkaufte Sache zu erhalten, hatte in die Theorie des gemeinen Rechts im Übrigen bereits vonseiten der humanistischen Jurisprudenz Eingang gefunden und den usus modernus beeinflusst, allerdings ohne dass die römisch-rechtliche Gefahr­tragungsregel in der Rechtspraxis deshalb preisgegeben worden wäre.389 Der dogmatische „Rechtfertigungsdruck“ auf die römisch-rechtliche Käufergefahrtragung wurde dadurch aber erhöht.390 Letztlich ist auch Windscheids Entäußerungstheorie391, die außer für den Kauf auch für „alle anderen gegenseitigen Verträge, in welchen eine Entäußerungserklärung enthalten ist“, gelten sollte, als Versuch zu sehen, die periculum est emptorisRegel in Einklang mit dem konditionellen Synallagma zu bringen. Denn hat der Verkäufer bereits durch die Abgabe der Entäußerungserklärung die verkaufte Sache in das Vermögen des Käufers gebracht, hat er seine Leistungspflicht dadurch im Wesentlichen erfüllt. Windscheid sah in der periculum est emptoris-Regel deshalb keine Durchbrechung, sondern eine Modifikation des synallagmatischen Prinzips.392 Auch als Modifikation des Satzes casum sentit dominus lässt sich die Regel nach diesem Verständnis darstellen. Ähnlich lässt sich die „französische Lösung“ deuten, wonach das Eigentum der verkauften Sache (beim Stückkauf) bereits mit dem Vertragsschluss übergeht.

Ein Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung musste (auch) bei den unbenannten Verträgen gerade wegen der allgemeinen Anerkennung des pacta sunt servanda 383 

Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 6 a. E., 12, dazu bereits: B. I. 2. Rückert ZNR 1984, 40 (45); dazu bereits: B. I. 3.b)iii) (bei Fn. 320). 385  Zu den Problemen, welche die Subordination des Gattungskaufs unter das Recht der emptio venditio insbesondere mit Blick auf die Gefahr­tragung bereitete, sogleich: B. I. 4. 386  Scherner (1965) – Rücktritt, S. 38; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 7 a. E. 387  Dazu oben: B. I. 3.a). 388 Siehe dazu das Zitat von Stobbe unten: B. II. (bei Fn. 3) und danach Rabels Kritik an diesem Argument. 389  Zur Kritik an der periculum est emptoris-Regel durch Vertreter der humanistischen Jurisprudenz oben: B. I. 2 (bei Fn. 248). 390  Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 123; Ernst in: HKK (2007) – BGB, §§ 446 f. Rn. 3. 391  Dazu oben: B. I. 1.c)ii). 392  Windscheid (1879) – Pandekten II, S. 234 ff. (§ 321.3). 384 

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

fragwürdig erscheinen.393 Theorie und Praxis des gemeinen Rechts lehnten es ganz überwiegend ab,394 und im 18. Jahrhundert setzte sich schließlich auch die Ansicht durch, dass das bei den unbenannten Verträgen bis dahin als gewohnheitsrechtliches Institut anerkannte Reuerecht (ius poenitentia)395 mit dem Grundsatz pacta sunt servanda nicht zu vereinbaren sei.396 Wie zuvor offenbar nur Donellus397 setzten sich die (späteren)398 Pandektisten in einer textkritischen Weise mit den Quellen des römischen Rechts auseinander, welche die Erkenntnis zuließ, dass die römischen Juristen der klassischen Epoche in dem Bereich der atypischen Austauschvereinbarungen, die bald als Innominatkontrakte anerkannt wurden, die Rückforderung der Vorleistung auch bei zufallsbedingtem Ausfall der Gegenleistung zugelassen hatten399. Dies mag es – neben dem Einfluss der Kodifikationen insbesondere des Vernunftrechtszeitalters400 – begünstigt haben, dass auch im jüngeren gemeinen Recht die Schuldnergefahrtragung als Grundregel für den gegenseitigen Vertrag (und die Gläubigergefahrtragung als Ausnahme für den Kauf und andere auf die Veräußerung einer bestimmten Sache gerichtete Verträge) anerkannt wurde401. Das (vom Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung unabhängige) Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung ist dagegen im Wesentlichen eine Neuentwicklung der Verfasser des BGB von 1900.402

4.  Zum Problem der Anwendung der gemeinrechtlichen periculum est emptoris-Regel beim Gattungskauf Die Entwicklung des abstrakten Begriffs des gegenseitigen, rein obligatorisch wirkenden Vertrages und die Erfassung des Kaufs als spezieller Anwendungsfall desselben sicherte die seit dem Mittelalter gelehrte Subordination des Gattungs393 

Dazu oben bei und nach Fn. 321. Scherner (1965) – Rücktritt, S. 110–112; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 30. Zu einer umittelbaren Auseinandersetzung mit der naturrechtlichen Rücktrittstheorie kam es nur vereinzelt; dazu Scherner a. a. O. S. 106–109. 395  Dieses hatte sich als gewohnheitsrechtliches Institut erstaunlich lange gehalten. Dazu oben in Fn. 326. 396  Scherner (1965) – Rücktritt, S. 50 f., 140; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323– 325 Rn. 30. 397  Dazu oben: B. I. 3.b)iv). 398  Die frühpandektistische Lehre knüpfte noch an die Lehre des usus modernus an und „fiel damit – aus heutiger Sicht – 200 Jahre hinter die Kodifikationen des früheren 19. Jahrhunderts zurück“; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 12. 399  Dazu oben: B. I. 3.b)i)1). 400  Hierin zeigt sich der indirekte Einfluss des Vernunftrechts, das als „Professorenrecht“ erst durch den „Umweg der Gesetzgebung“ großflächigen Einfluss auf die Praxis hatte. Dazu bereits in Fn. 374. 401 Vgl. Scherner (1965) – Rücktritt, S. 142–144.; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 12. 402  Ausführlich dazu unten: B.II.4.c)i)5). 394 Dazu:



4.  Zum Problem der Anwendung der periculum est emptoris-Regel beim Gattungskauf

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kaufs – d. h. des Geschäfts, bei dem der eine Teil gegen Entgelt die Verpflichtung übernimmt, dem anderen Teil nach generischen (Qualitäts-)Merkmalen bestimmte Ware zu beschaffen und (zu einem bestimmten Termin) zu liefern – unter den römischen Vertragstyp der emptio venditio ab.403 Dies änderte aber nichts daran, dass die Anwendung des hergebrachten Rechts der emptio venditio auf den Gattungskauf eine Vielzahl von Problemen bereitete, die sich z. T. bis heute bemerkbar machen. Dies lag und liegt daran, dass der Gattungskauf seinem Wesen nach grundverschieden ist von dem Kauf, wie ihn die römischen Juristen ausgeformt hatten, nämlich als unmittelbar objektzuordnender Rechtsakt, der regelmäßig als Geschäft über existente und präsente oder zumindest im Werden begriffene Ware des Verkäufers „inter praesentes“ (auf dem Marktplatz) vorkam. Von dem „Abgabe-Charakter“ des Kaufs klassischen römischen Rechts unterscheidet sich der (reine)404 Gattungskauf schon durch die Beschaffungslast, die der Verkäufer übernimmt.405 Solange und soweit das gemeine Recht galt, erwies sich insbesondere die Anwendung der periculum est emptoris-Regel auf den Gattungskauf als problematisch. Denn anders als beim Stückkauf ist im Zeitpunkt des Vertragsschlusses beim Gattungskauf ein realkörperliches Kaufobjekt naturgemäß noch nicht (endgültig) individuell bestimmt. Deshalb kann auch die (Preis-)Gefahr, die sich für den Käufer ggf. darin verwirklicht, dass er den Kaufpreis bezahlen muss, obwohl er infolge des Untergangs eines bestimmten Stücks seinen Anspruch auf die Warenlieferung verliert, in diesem Moment noch nicht übergehen. Zur Leistungsbefreiung des Gattungsschuldners kommt es nämlich eigentlich nur dann, wenn die gesamte Gattung untergeht (durch Substanz- oder Qualitätsverlust aller ihr zugehörigen realkörperlichen Stücke). Denn bei Untergang oder Verschlechterung eines einzelnen Stücks bleibt die versprochene Belieferung des Käufers mit Ware aus der Gattung möglich. Der Gattungsschuld entspricht es, dass der Schuldner nur und erst durch die Erfüllung seiner Leistungspflicht frei wird, also regelmäßig durch die Übergabe vertragsgemäßer Ware. Von Beginn der Rezeption des römischen Rechts bis in das jüngere gemeine Recht hinein erhielt die ­Gefahr­ tragung beim Gattungskauf daher die besondere Aufmerksamkeit der Juristen. Daran, dass die Anwendung des allgemeinen Vertragsbegriffs die theoretische Rechtfertigung für die Inklusion des Gattungskaufs in den Kauftypus lieferte, die periculum est emptoris-Regel auf den Gattungskauf aber nicht ohne grundsätzliche 403 

Ernst ZEuP 1998, 583 (632–635). Die Beschaffungslast ist kein Thema bei einer auf den schuldnereigenen Vorrat beschränkten Gattungsschuld, welche die römischen Juristen als einen besonderen Anwendungsfall des Stückkaufs erfassten. Dazu sogleich: B. I. 4.a). 405 Der Widerspruch zwischen dem eigentlichen Stückkauf-Charakter der emptio ad mensuram und dem Gattungskauf betraf außer die zweifelhafte Vertragsbindung bei der emptio ad mensuram auch die Gefahr­tragung (ab emptio perfecta), die prinzipielle Rücktrittsfeindlichkeit der (dinglich wirkenden) emptio venditio sowie die Eviktions- und Sachmängelhaftung; ausführlich dazu Ernst ZEuP 1999, 583 (620 ff.). 404 

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

Brüche angewendet werden konnte, zeigte sich letztlich, dass diese Regel mit dem modernen Kaufverständnis überhaupt nicht mehr zu vereinbaren war.406

a)  Anerkennung des Gattungskaufs: Subordination des Gattungskaufs unter das Recht der emptio venditio durch die mittelalterliche Rechtswissenschaft407 Am Anfang steht das „produktive Missverständnis“408 der Glossatoren, dass die emptio ad mensuram ein „beschränkter Gattungskauf“ gewesen sei.409 Dadurch konnten diese Variante des (Stück-)Kaufs und die diesbezüglichen Quellen im weiteren Verlauf der Rechtsentwicklung eine „Brückenfunktion“410 bei der Einbeziehung von Geschäften mit echter generischer Leistungspflicht des Verkäufers („unbeschränkter Gattungskauf“) in den Vertragstyp der emptio venditio erfüllen.411 Bereits das justinanische Recht hatte die Grenze zwischen Stück- und Gattungskauf verwischt, indem gewisse Ersatzgeschäfte des klassischen Rechts zur Verwirklichung eines „Gattungskaufs“ gerade außerhalb des Kaufrechts412 dem Recht der emptio venditio unterstellt worden waren. Vor diesem Hintergrund waren die notwendige Beschränktheit der emptio venditio auf den Stückkauf und die damit verbundenen Sachgesetzlichkeiten nicht mehr ohne weiteres aus den Texten des Corpus Iuris Civilis erkennbar.413 Die wesentliche Gemeinsamkeit zwischen der überlieferten emptio ad mensuram und dem reinen Gattungskauf wurde darin erblickt, dass es sich in beiden Fällen um einen Kauf lediglich der Menge und der Qualität nach bestimmter, individuell indes noch nicht feststehender Sachen handele, einmal mit und einmal ohne Vorratsbezug.414 Dies förderte das Verständnis, dass solch ein Kauf zunächst einen abstrakten, unkörperlichen Schuldgegenstand habe, der später – durch die Ausscheidung einer bestimmen realkörperlichen Sache oder Sachmenge – „konkretisiert“ werde. Nach den einschlägigen Quellen war die emptio ad mensuram (als Stückkauf) indes grundsätzlich erst und nur dann vollwirksam, wenn die mensura, die regel406 

Vgl. dazu bereits: B. I. 3.b)vi) (bei Fn. 385). Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (57–67); ders ZEuP 1999, 583 (612–615, 619–626); Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 98–107; Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 115 f.; Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 26 f.; vgl. Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 53 f. 408  Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 101. 409  B. I. 2 (bei und nach Fn. 244). 410  Ernst ZEuP 1999, 583 (612). 411  Zum Folgenden: Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (57–66); ders. ZEuP 1999, 583 (612–615, 620–624); vgl. Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 100 f.; Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 26 mit Fn. 81. 412  Ausführlich zu diesen Ersatzformen des römischen Warenhandels siehe Nachweise bei B. I. 1.a)i) in Fn. 36 413  Dazu m. w. N.: Flume (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 68 f.; Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (52); ders. SZ Rom 1997, 272 (289 f., 343 f.); ders. ZEuP 1999, 583 (613 ff.); Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 98. 414  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (57–59); ders. ZEuP  1999, 583 (612 f.); vgl. Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 99 f. 407 Dazu:



4.  Zum Problem der Anwendung der periculum est emptoris-Regel beim Gattungskauf

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mäßig mit der traditio zusammenfiel,415 vorgenommen wurde. Dies stand freilich in eklatantem Widerspruch zu dem Zweck des Gattungskaufs, der den Verkäufer bereits mit dem Geschäftsabschluss tatsächlich zweifellos und rechtlich unbedingt zu einer (späteren) Lieferung vertragsgemäßer Ware verpflichten sollte.416 In der mittelalterlichen Rechtswissenschaft und der Theorie des älteren gemeinen Rechts wurden verschiedene Lösungen für dieses praktisch ganz erhebliche Problem entwickelt.417 Am Ende dieser Entwicklung war der mensura im gemeinen Recht jedenfalls die Funktion einer „nachhinkenden Perfektionsvoraussetzung“ genommen.418

b)  Theorie und Praxis des gemeinen Rechts zur Gefahr­tragung ­ beim Gattungskauf Im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem „reinen Gattungskauf“ wurden vermeintlich konsistente Belegstellen des römischen Quellenmaterials zur Gattungsschuld einerseits und zum Kauf andererseits, die ganz unterschiedliche Probleme bei grundverschiedenen Obligationstypen behandelten, durch die Glossatoren miteinander verschmolzen und das Konzept der Gefahr­tragung bei der Gattungsschuld auf diese Weise in das Recht der emptio venditio importiert.419 Soweit den Quellen zu entnehmen war, dass nicht untergehen könne, was nur gattungsmäßig geschuldet sei (genus non perit), betraf dies die Stipulation mit generischem Schuldinhalt. Bei solch einer einseitigen, strengrechtlich zu beurteilenden Obligation kam die Gefahr nur als – wie wir heute sagen – Leistungsgefahr vor, die Gegenleistungsgefahr ist dabei kein Thema. Nach dem Quellenmaterial des römischen Rechts befreite nur der Untergang der gesamten Gattung den Schuldner, während der Untergang (irgend-)eines zur Erfüllung von ihm ausgewählten Stücks seine Leistungspflicht unberührt ließ und der „Erfüllungsanspruch“ des Gläubigers bis zur tatsächlichen Erfüllung aufrechterhalten blieb. Nur wenn das zur Leistung bestimmte Stück während des Annahmeverzugs untergegangen war, konnte der Schuldner sich ausnahmsweise mit der Arglisteinrede (exceptio doli) wehren.420 Zu diesem Verständnis des spezifischen Risikos des Gattungsschuldners schien zu passen, dass es im Recht der emptio venditio bezüglich einer speziellen Fall415  Deshalb wurden mensura und traditio lange Zeit „in eins gesetzt“; v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (374 f.); Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 26, 28; zu den Folgen dieses Verständnisses für den Gefahrübergang noch unten: B.II.1.d)ii)3) und B.II.2.e)i)2). 416  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (60 f.); ders. ZEuP 1999, 583 (620 f.); Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 26 mit Fn. 81. 417  Ausführlich dazu Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (60–64); ders. ZEuP 1999, 583 (620–624). 418  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (66). 419  Zum Folgenden ausführlich und m. w. N. Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 99–101. 420  Zur Verteilung der (Leistungs-)Gefahr bei den im klassischen römischen Recht anerkannten Obligationen mit generischer Leistungspflicht: Dilcher (1960) – Leistungsstörungen, S. 277–281; Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (52–54); Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 28; Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 25.

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gestaltung des Kaufs ausdrücklich hieß, das periculum gehe erst mit der traditio oder mit dem Eintritt des Annahmeverzugs auf den Käufer über. Mit „periculum“ war in diesem Zusammenhang nach herrschender Meinung zwar nicht wie sonst die Preisgefahr, sondern das periculum custodiae gemeint, also die strenge Verkäuferhaftung zur Abmilderung der eigentlichen Preisgefahrtragung des Käufers zwischen Vertragsschluss und Übergabe;421 keinesfalls betraf diese Stelle aber die Leistungsgefahr; denn diese bedurfte bei der auf den Stückkauf zugeschnittenen emptio venditio keiner Regelung, weil sich die Frage, ob der Käufer die Ware erhält, rein faktisch beantwortete, wenn das einzig geschuldete Stück vor seiner Übergabe unterging.422 Gleichwohl kamen die Glossatoren und Kommentatoren durch die Verbindung der Textstellen dazu, den Begriff „periculum“ auch zur Beschreibung der Leistungsgefahr bei der Gattungsschuld zu verwenden. Hatte der Gattungsschuldner demnach das „periculum“ bis zur Übergabe zu tragen, folgte daraus, dass die periculum est emptoris-Regel auf den Gattungskauf als solchen keine Anwendung finden könne. Das Nichtvorliegen eines generischen Schuldinhalts wurde deshalb auch als „Negativ-Voraussetzung“ für die Anwendbarkeit dieser Regel formuliert.423 Wenn und weil die Leistungspflicht des Verkäufers bei der emptio in genere im „Normalfall“ trotz des Untergangs einer zur Erfüllung vorgesehenen Sache oder Sachmenge aufrechterhalten blieb, blieb der Käufer deshalb auch zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet.424 Die Preisgefahr spielte insoweit also keine Rolle. Zudem wurde allerdings die von den strengrechtlich zu beurteilenden einseitigen Verpflichtungen generischen Schuldinhalts kommende Regel, dass die Gefahr (i. S. der Leistungsgefahr) ausnahmsweise dann den Gläubiger treffe, wenn das zur Leistung bestimmte Stück während des Annahmeverzugs untergehe (exceptio doli des Schuldners, siehe oben), in eine Regelung (auch) der Preisgefahr umgedeutet; sie besagte demnach, dass der Käufer ggf. den Kaufpreis zu zahlen habe, obwohl die Warenübergabe ausgeschlossen war.425 Der Ausschluss der Verpflichtung des Verkäufers zur Warenübergabe, den die Realisierung der Preisgefahr beim Käufer voraussetzte, legte es wiederum nahe, dass es sich bei dem während des Annahmeverzugs untergegangenen Stück um das einzig (noch) geschuldete Stück gehandelt hatte. In diesem Gedankengang deutet sich der „Kunstgriff“ an, der später die Dogmatik der Gefahrtragung bei der Gattungsschuld bestimmen sollte: die Verwandlung der Gattungs- zur Stückschuld vor der eigentlichen Erfüllung der Gattungsschuld durch Konkretisierung.426 Entwickelt wurde diese „Individualisierungsidee“ (v. Jhering) allerdings erst an der Figur der mensura in der Auseinandersetzung mit dem (vermeintlich) beschränkten Gattungskauf. Ausgehend von dem soeben beschriebenen Verständnis 421 Dazu Bauer  (1998) – Periculum emptoris, S. 64  ff., S. 100. Zu den Auswirkungen des Annahmeverzugs auf die Gefahrverteilung bei der emptio venditio: B. I. 1.b.iii). 422  Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 100 f. 423  Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 100 f. 424  Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 102. 425  Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 102 f. 426  Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 103.



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der Gefahrverteilung bei der „reinen“ („unbeschränkten“) Gattungsschuld untersuchten die Glossatoren Fragmente, die eigentlich den Übergang der Preisgefahr bei dem Sonderfall des (Stück-)Kaufs einer noch abzumessenden Menge vertretbarer Sachen aus verkäufereigenem Vorrat betrafen (Regel: Vollwirksamkeit des vereinbarten Stückkaufs als solchem erst mit mensura427, damit Übergang der Preisgefahr); sie fassten diese als Regelungen betreffend den „beschränkten Gattungskauf“ auf und durchdrangen sie auf der Grundlage der Dogmatik der (einseitigen) Gattungsschuld unter dem Gesichtspunkt der Verteilung der Leistungsgefahr: Demnach hätte eigentlich nur der Untergang des gesamten Vorrats den Schuldner befreien dürfen,428 die Quellen sprachen aber davon, die Gefahr (gemeint war insoweit die Preisgefahr; die Glossatoren verwendeten „periculum“ aber auch zur Beschreibung der Leistungsgefahr, siehe oben) gehe auch schon bei Vornahme der mensura über. Aufgrund der Annahme, der Kauf sei zunächst als (beschränkter) Gattungskauf wirksam geschlossen,429 der Erkenntnis, dass durch mensura eine bestimmte Kaufsache (res) erzeugt werde,430 und der Tatsache, dass die mensura nach den Quellen (bzgl. des Kaufs einer noch auszuscheidenden Menge vertretbarer Sachen aus einem verkäufereigenen Vorrat sowie des Kaufs einer bestimmtem Sachmenge mit Preisbestimmung ad mensuram) den Übergang der (Preis-)Gefahr (hinsichtlich der ausgeschiedenen res) zur Folge hatte, erhielt die mensura die Funktion, den Gattungskauf zum Stückkauf zu verwandeln431 (die Verwandlung des Genus- zum Spezieskauf wurde auch als Spezialisierung bezeichnet), also das Ende der Phase generischer Verpflichtung zu markieren432. Damit wurde der Gattungskauf in zwei Rechtsakte mit unterschiedlichen Rechtsfolgen aufgespalten: erstens das Eingehen der Leistungspflichten durch den Abschluss des Vertrages; zweitens die Ausscheidung der Ware, insbesondere mit der Folge des Gefahrübergangs. Demgegenüber hatten die Römer auch den Kauf aus konkretem Vorrat als einen einzigen Rechtsakt aufgefasst, der lediglich zeitlich gestreckt war.433

Unter Verwischung der Unterscheidung der beiden Unterarten der venditio in genere (mit und ohne Vorratsbezug) wurde dieses Konzept auf den reinen Gattungskauf übertragen, hinsichtlich dessen es naturgemäß keine Quellenbelege bzgl. der mensura gab, weil das antike römische Recht keinen Gattungskauf (im modernen Sinne) gekannt hatte.434 Da die mensura, d. h. der Akt der Zuzählung/Zumessung/ Zuwägung nach den Quellen (zum (Stück-)Kauf einer Menge vertretbarer Sachen aus verkäufereigenem Vorrat) mit der traditio (Übergabe) zusammenfiel, wurde 427 Dazu: Ernst (1981) – Periculum emptoris, S. 62 ff.; ders. in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (54–57); ders. SZ Rom 114 (1997), 272 (303–319); ders. ZEuP  1999, 583 (597 ff.); Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 38 ff. 428  Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 103 f. 429  Dazu oben: B. I. 4.a). 430  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (66). 431  Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 103, 105. 432  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (67). 433 Dazu: Ernst ZEuP 1999, 583 (599); vgl. ders. in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (66 f.). 434  Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 104–106.

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

allerdings beides „in eins gesetzt“ und bis ins 17. Jahrhundert hinein nicht weiter hinterfragt, ob eigentlich die mensura oder die traditio der wesentliche Akt mit Blick auf die Gefahr­tragung sei.435 Man nahm an, dass die Gefahr ausnahmsweise auch ohne mensura mit der traditio auf den Käufer übergehen könne. Dies wurde mit einem Verzicht des Käufers auf die mensura begründet. Die umgekehrte Frage, ob ein Gefahrübergang allein durch die mensura bewirkt werden könne, wurde lange Zeit nicht gestellt.436

Mit dem Aufkommen und der zunehmenden Verbreitung von Fernkäufen in der Handelspraxis wurde dies zum Problem.437 Denn fiel die (gefahrüberwälzende) mensura mit der traditio zusammen bzw. wurde die traditio als der für den Gefahrübergang wesentliche Akt angesehen, reiste die bestellte Ware stets auf Gefahr des Verkäufers. Dies ist nicht interessengerecht, weil die – wie wir heute sagen – Schickschuld sich – im Unterschied zur Bringschuld – dadurch auszeichnet, dass der Verkäufer sich auf Verlangen des Käufers bereit erklärt, diesem die Ware zuzusenden, die der Käufer eigentlich beim Verkäufer abholen und selbstverständlich auf eigenes Risiko abtransportieren müsste (weil dort vereinbarungsgemäß der Erfüllungsort liegt). In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts beschäftige sich der deutsche Rechtswissenschaftler Carpzov mit der Frage, ob beim Distanz-/Versendungskauf die Gefahr vor der Übergabe, namentlich bereits mit Absenden der Ware, auf den Käufer übergehen könne, und bejahte dies mit Verweis auf die Bräuche des kaufmännischen Handelsverkehrs und den Willen der Vertragsparteien.438 Infolgedessen löste die Theorie des gemeinen Rechts, ohne sich insoweit auf Quellenbelege stützen zu können, z. T. das admetiri vom tradere ab und ließ die mensura als das für den Übergang der (Preis-)Gefahr beim Gattungskauf entscheidende Moment hervortreten. Dadurch reifte die Idee, dass der Gattungskauf dadurch als Spezieskauf perfiziert bzw. die generische in eine spezielle Verpflichtung überführt werde („Individualisierungsidee“, v.  Jhering).439 Andere, die sog. Traditionstheorien440, hielten daran fest, dass die Gefahr beim „Gattungskauf“ grundsätzlich erst mit der (ausscheidenden) Übergabe auf den Käufer übergehe, erkannten aber für den Versendungskauf die Ausnahme, dass der Käufer die Gefahr von der Absendung an zu 435 

Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 27. 436 Dazu v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (373–375). 437 

Ernst ZEuP 1999, 583 (625). 438  Allerdings ging Carpzov davon

aus, dass der (Gattungs-)Kauf als solcher vor der mensura noch nicht verbindlich sei. Er konstruierte deshalb eine Art Vorvertrag mit der Verpflichtung zum Abschluss eines Kaufvertrages über die gelieferte Ware mit der Zusatzvereinbarung, dass der Käufer während des Transports der Ware die Gefahr trage. Näher dazu m. w. N.: v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (375 f.); Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (65); ders. ZEuP 1999, 583 (631); Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 27. 439  v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (376–379); vgl. Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (66 f.); Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 27 a. E. 440  Vgl. dazu mit Verweis auf die Systematik in Thöls Handelsrecht: Ernst in: GS KnobbeKeuk (1997), 49 (73 f.).



4.  Zum Problem der Anwendung der periculum est emptoris-Regel beim Gattungskauf 101

tragen habe, „mehr und mehr als zumindest unter Kaufleuten geltende Regel des Gewohnheitsrechts an“441. Das prALR, das für den Kauf hinsichtlich der Gefahr­tragung freilich in Abkehr vom periculum emptoris das Traditionsprinzip annahm,442 ging davon aus, dass die Ware beim Versendungskauf mit der Absendung als übergeben gelte, arbeitete also mit einer Fiktion.443

c)  Gefahr­tragung beim Gattungskauf im jüngeren gemeinen Recht: Kontroverse zwischen der Ausscheidungs- und Lieferungstheorie444 Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts lehnte Thöl die Traditionstheorien ab und vertrat mit Verweis auf den Wortlaut (vermeintlich) einschlägiger Belegstellen des römischen Rechts die Meinung, dass die Individualisierung das mit Blick auf die Gefahr­tragung bei der Gattungs(schick)schuld bestimmende Moment sei; diese erfolge allerdings zweiseitig.445

i)  Thöls Ausscheidungstheorie Beim Stückkauf gehe die Gefahr deshalb mit dem Vertragsschluss auf den Käufer über, weil bereits in diesem Moment die konkrete Kaufsache feststehe.446 Für den Gattungskauf folge daraus, dass die Gefahr übergehe, sobald die Parteien (nachträglich) bestimmt hätten, mit welchem konkreten Stück der Vertrag erfüllt werden solle. Dazu müsse der Verkäufer äußerlich erkennbar447 eine vertragsgemäße species ausscheiden. Was die Mitwirkung des Käufers daran betrifft, hielt Thöl es für ausreichend, dass er seine Gedanken auf die ausgeschiedene species richten könne. Dies erfordere freilich eine entsprechende Anzeige der Ausscheidung seitens des Verkäufers und deren Zugang beim Käufer, lasse diese aber auch ausreichen. Denn 441 

Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 27. Dazu sogleich: B. I. 5. 443  Dazu m. w. N. Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (72 f.). 444 Dazu: Froelich (1906) – Gefahr­tragung, S. 47 f.; Stern (1910) – Gefahr­tragung, S. 34– 37; Huber in: FS Ballerstedt (1975), 327 (329); Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 134 f.; Biederbeck (1982) – Gefahr­tragung, S. 15; Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 50–53; Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (67–77); ders. ZEuP  1999, 583 (635 f.); Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S.  22  f.; Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 24; Raab (1999) – Austauschverträge, S. 317, 332 f.; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 368 f.; Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 284–286; Ewert (2007) – Gefahr­tragung, S. 8; Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 29 f. 445  Thöl (1841) – Handelsrecht I, S. 231–243 (§§ 73–75); dazu: v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (379–381); Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (68 f.); Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 29. 446  In der Tat wurde die römisch-rechtliche Gefahr­tragungsregel gerade damit begründet, dass die Gefahr übergehe, wenn und weil der Vertrag vollziehbar sei und es nur am Käufer liege, wenn sich die Vollziehung verzögere; siehe oben: B. I. 1.c)v). 447  Zum Erfordernis der „Apperation“ in Thöls Lehre Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (68 f.). 442 

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

eine vertragsgemäße Sache dürfe der Käufer ohnehin nicht zurückweisen (ohne in Annahmeverzug zu geraten).448 In der Sache ging es dabei weniger um einen Konsens über die (konkrete) Kaufsache als um die Verteilung der Beweislast mit Blick auf die Frage, ob das beim Transport zerstörte oder verloren gegangene Stück tatsächlich gerade das dem Käufer geschuldete gewesen sei.449 Auch wenn die formellen Voraussetzungen des Konzentrationsakts durchaus umstritten waren,450 herrschte seitdem im jüngeren gemeinen Recht die Ansicht, dass ein als Gattungskauf abgeschlossenes Geschäft zwischen seinem Abschluss und seiner Erfüllung notwendig das Stadium der Verwandlung in eine Stückschuld durchlaufe, mit der die – damals freilich noch nicht so bezeichnete – Leistungsgefahr auf den Gläubiger übergehe, und dass der Übergang von dem einen in das andere Stadium durch die Warenausscheidung markiert werde.451

ii)  v. Jherings Lieferungstheorie Rudolf v. Jhering erkannte als den der Ausscheidungstheorie zugrunde liegenden Fehlschluss, „daß, wenn 1) der Käufer einer Species die Gefahr trägt, 2) nicht aber der einer generisch bestimmten Sache, bis 3) das admetiri dieselbe auf ihn überträgt, daß dann der Satz 3 aus dem Satz 1 erklärbar werden müsse.“452

Während nach diesem Verständnis „die generisch bestimmte Sache bis zur Erfüllung zwei Phasen durchmachen [könne]: die erste die der generischen Bestimmtheit, vom Abschluß des Contracts bis zur Ausscheidung, die zweite die der specifischen Bestimmtheit, von der Ausscheidung bis zur bewerkstelligten Lieferung“,

nahm v. Jhering an, dass „das generisch bestimmte Object erst mit der Erfüllung aus der Form der generischen Bestimmtheit heraus[tritt], geschuldet wird stets nur ein genus, nie eine species, letztere erscheint erst, wenn das Schulden aufhört, mit der Leistung, also kurz: Gegenstand der Obligation ist ein genus, der Solution eine species.“453

448 Dazu: Raab  (1999) – Austauschverträge, S. 317; Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 29. 449  v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (382 f.); dazu Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (69 f.). 450  Andere meinten, die Absendung der Anzeige der erfolgten Ausscheidung durch den Verkäufer sei ausreichend für die Konkretisierung oder die Konkretisierung erfolge einseitig durch den Verkäufer. Vgl. dazu m. w. N. Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (73 f., 76 f.); vgl. Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 30 bei und in Fn. 93. 451  v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (381); vgl. Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (69). 452  v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (384). 453  v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (384).



4.  Zum Problem der Anwendung der periculum est emptoris-Regel beim Gattungskauf 103

Nach v. Jhering war, in Rückbesinnung auf die der Gattungsschuld klassischerweise eigene Regelung der Leistungsgefahr (Gefahr­tragung des Schuldners bis Erfüllung bzw. Annahmeverzug),454 maßgeblich für den Gefahrübergang bei der Gattungsschuld die „Erfüllung“ (der Bestellung), die er mit „Lieferung“ gleichsetzte455 (deshalb auch Lieferungs- oder Erfüllungstheorie).456 Dadurch löste er den Gefahrübergang von dem Erfordernis der Übergabe, „Lieferung“ diente ihm als Oberbegriff für Erfüllung (grundsätzlich) durch Übergabe457 oder (ausnahmsweise) durch Absenden (vgl. Abgabe am Erfüllungsort)458 vertragsgemäßer Ware;459 „Erfüllung“ meinte – zu einer Zeit, als die dogmatische Unterscheidung von Leistungshandlung und Leistungserfolg noch nicht scharf herausgearbeitet war –, dass der Schuldner „das, was ihm nach beiderseitiger Absicht zu thun oblag“, getan haben müsse460. Mit Lieferung meinte v. Jhering in Anlehnung an das prALR die „Erfüllung einer Bestellung“. Dass er in diesem Zusammenhang „Lieferung“ als Synonym für „Erfüllung“ verwendete, diente dem Zweck, die Erfüllung beim Gattungskauf von der Übergabe abzulösen und an ein allgemeineres Merkmal zu binden, dem das Absenden beim Versendungskauf und die unmittelbar an den Käufer erfolgende Übergabe bei der Hol- und Bringschuld gleichfalls untergeordnet werden konnten.461 Dieser „Kunstgriff“ begründete allerdings ein dogmatisches Defizit der Theorie. Denn deren Grundannahme war, dass die Gattungsschuld vom Vertragsschluss bis zur Erfüllung Gattungsschuld bleibe und erst in dem Moment zur Stückschuld werde, wenn die Schuld (wegen Erfüllung) erlösche. Dass beim Versendungskauf das Absenden als Erfüllung behandelt wurde, obwohl die Schuld bis zur Übergabe an den Käufer fortbestand, führte dazu, dass die Gattungsschuld sich wenigstens in diesem Fall vor der eigentlichen (realen) Erfüllung in eine Stückschuld verwandelte.462

454 Vgl. v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (390–399); Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (70). 455  v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (418 ff.) 456  Demgegenüber kam v. Jhering zu dem Ergebnis, dass das admetiri, das jederzeit einseitig vorgenommen werden könne, als solches für den Übergang der Preisgefahr ohne Belang sei. Das Faktum der Individualisierung des Schuldgegenstandes sei von dem – juristisch zu beurteilenden – Übergang der Gefahr zu trennen; v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (418). 457  Dass der Gefahrübergang kraft Lieferung/Erfüllung grundsätzlich mit Übergabe (traditio) erfolge, erlaubte es v. Jhering, seine Theorie auf den Wortlaut der römischen Quellen zu stützen, nach denen die mensura ja stets mit der traditio zusammenfiel; zur Subordination des römischen Quellenmaterials unter den Begriff der Lieferung Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (71). 458  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (70). 459  v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (418–420). Zu der „Gewaltsamkeit“ dieser Begründung Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (71 f.). 460 Dazu Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (72) mit Verweis auf Wieacker in: FS Nipperdey (1965), 783 ff. zur historischen Entwicklung der Unterscheidung von Leistungshandlung und Leistungserfolg. Siehe dazu auch schon Oertmann ZHR  93 (1929), 356 ff. Zu seiner „Erfüllungshandlungstheorie“: B.II.3.b)ii)3) 461 Dazu Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (70–73). 462  Diese Kritik wurde erstmals von Bekker Jb. gem. dt. Rechts 5 (1862), 350 (388 ff.) formuliert. Dazu m. w. N. Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (76 f.); Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 30 a. E.

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

Nicht nur erlaubte das Abstellen auf die so verstandene Erfüllung – anders als das Erfordernis der Ausscheidung – eine präzise Unterscheidung der Anforderungen nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses (in seiner Abhandlung entwickelte v. Jhering zugleich die typologische Trias von Hol-, Schick- und Bringschuld)463; auch bot es eine Begründung dafür, warum die Gefahr auch mit dem Annahmeverzug auf den Käufer übergehe. In Parallele zu dem Grundgedanken seiner „Verschuldenstheorie“ (zur Begründung des periculum emptoris)464 sollte die Gefahr nach v. Jherings Ansicht ausnahmsweise dann bereits vor der Erfüllung auf den Käufer übergehen, wenn es allein am Käufer lag, dass die Erfüllung noch nicht eingetreten war. Es sollte dem Verkäufer nämlich nicht zum Nachteil gereichen, wenn der Käufer den Gefahrübergang vereitelte.465 Anders als im Fall des Versendungskaufs466 begründete v. Jhering den Gefahrübergang bei Annahmeverzug allerdings nicht mit einer Unmöglichkeit der Leistung nach erfolgter Konkretisierung,467 sondern – entsprechend der Regelung des römischen Rechts468 – damit, dass der Verkäufer nach dem Untergang des dem Käufer zugedachten Stücks gegen den Lieferanspruch die exceptio doli erheben (und den Kaufpreis infolge des Gefahrübergangs gleichwohl verlangen) könne469. v. Jhering hat seine Theorie wie folgt zusammengefasst: „Bei dem Verkauf generisch bestimmter Gegenstände  … geht die Gefahr auf den Käufer erst über mit der wirklich beschafften oder durch seine mora verhinderten Lieferung, die Lieferung aber geschieht bei ihm selbst (Holen)[470], insofern nicht das Bringen oder Schicken ausdrücklich oder stillschweigend ausgemacht ist, die Ausscheidung ist dazu weder schlechthin erforderlich noch ausreichend“.471

Diese Lehre konnte sich, wenn auch insoweit Details durchaus umstritten waren, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchsetzen472 und hatte Vorbildcharakter für die Regelung des Gefahrübergangs bei der Gattungsschuld nach dem BGB von 1900473. 463  v. Jhering 464  v. Jhering

JherJb 4 (1861), 366 (386–390, 420 ff.). JherJb 3 (1859), 449 (465); dazu B. I. 1.c)v). 465  Zum „Einfluß der mora accipiendi auf die Gefahr“ v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (433 ff.). 466  Dazu bereits bei Fn. 462. 467  Deshalb sah v. Jhering den Verkäufer auch nicht daran gehindert, die Ware, mit der er den Käufer in Annahmeverzug gesetzt und damit die Gefahr auf ihn abgewälzt hatte, anderweitig abzusetzen; die Gefahr sollte ggf. aber auf ihn zurückspringen (bis zur Erfüllung mit einem anderen Stück); v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (437 f.). 468 Dazu: Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 25. 469 Vgl. v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (436 f.). 470  Mit „bei ihm selbst“ war freilich „beim Verkäufer“ gemeint; vgl. v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (421): „Wenn nichts Anderes ausgemacht ist, so hat der Käufer die generisch bestimmte Sache beim Verkäufer in Empfang zu nehmen, er hat sie zu holen.“ 471  v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (438). 472  Dazu m. w. N.: Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 30; Ernst in: GS KnobbeKeuk (1997), 49 (73). 473  Dazu: B.II.1.d)ii)2).



4.  Zum Problem der Anwendung der periculum est emptoris-Regel beim Gattungskauf 105

d)  Auswirkungen der Annahme mangelhafter Ware auf die Gefahrverteilung nach v. Jherings Lieferungstheorie? In der Sache ging es v. Jhering darum, die Voraussetzungen zu erarbeiten, unter denen dem Verkäufer bei der Gattungsschuld bereits vor der eigentlichen Erfüllung die (Preis-)Gefahr (und damit auch die Leistungsgefahr)474 abgenommen wird. Um – ausgehend von der Grundannahme, dass es bei der Gattungsschuld eigentlich nur und erst mit der Erfüllung zum Gefahrübergang komme – den Schein dogmatischer Konsequenz zu wahren, abstrahierte er den Begriff „Erfüllung“ weit genug, um damit auch solche Fälle erfassen zu können, in denen der Verkäufer zwar das Notwendige getan hat, um den Vertrag zu erfüllen, der Leistungserfolg – die wirkliche Erfüllung – aber (trotzdem) noch nicht eingetreten ist, ohne dass dies an ihm läge.475 v. Jherings Interesse galt also der Frage, was der Schuldner tun müsse, um die Gefahr auf den Käufer abzuwälzen, und dabei setzte er stets voraus, dass die Ware, mit welcher der Schuldner das Erforderliche tut („liefert“), vertragsgemäß sei. Auf die Konsequenzen der Lieferung vertragswidriger Ware für den Gefahrübergang ging er in seiner Abhandlung deshalb nur am Rande, insbesondere476 im Zusammenhang mit der Holschuld, ein: „Die Lieferung ist beschafft mit der Tradition; daß ein während dieses Aktes sich ereignender Zufall noch den Verkäufer trifft, wird eben so überflüssig sein zu bemerken, als daß die einmal beschaffte Tradition dadurch nicht wieder aufgehoben wird, daß der Käufer die angenommene contractmäßige (annehmbare) Waare hinterher nicht mitnehmen will, oder im Einverständnis mit dem [Verkäufer] sie zurückläßt. Die Annahme einer nicht annehmbaren Waare begründet, wenn sie aus Versehen geschieht, keine solutio, die Gefahr dieser species, welche gar nicht Gegenstand der Obligation war, geht auf den Käufer über; geschieht sie wissentlich, so ist die solutio bewerkstelligt (res pro re solvi potest).“477

v. Jhering ging demnach davon aus, dass der Käufer, der als vertragswidrig erkannte Ware annehme, diese an Erfüllung statt annehme und deshalb die Gefahr übergehe. Das ist vom Standpunkt seiner Theorie aus konsequent. Dass auch bei versehentlicher Annahme vertragswidriger Ware vom Übergang der Gefahr die Rede ist, verwundert auf den ersten Blick. Denn der Kern der Lieferungstheorie ist die These, dass die Gefahr übergeht „mit der wirklichen oder durch mora des Gegners verhinderten Lieferung“,478 und „Lieferung“ war in 474 

Dazu: A.3.c) a. E. Dazu bereits: B. I. 4.c)ii) (bei Fn. 461). 476 Außerdem verweist v. Jhering im Zusammenhang mit der Bringschuld durch Annahme ohne Zuwägen (JherJb 4 (1861), 366 (424)) auf die „obige Voraussetzung (S. 421), daß die species contractmäßig war“, und auch der Gefahrübergang wegen Annahmeverzugs (mora accpiendi) sollte die Annehmbarkeit der Ware, also deren „Contractmäßigkeit“, voraussetzen (a. a. O. S. 433 ff., 435, 437). 477  v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (421 f.); Hervorhebung d. Verf. 478  v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (371, 399 ff., 438). 475 

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

v. Jherings sorgfältig definierter Terminologie die „Erfüllung der Bestellung“479 (regelmäßig bestehend in der Tradition480), wobei mit „Bestellung“ wiederum „Gattungskauf“ gemeint war.481 Erfüllung setzt aber Erfüllungstauglichkeit, also Vertragsmäßigkeit, der Ware voraus. Dementsprechend ergibt sich auch aus dem ersten Teil des Zitats, dass eine Tradition, die den Gefahrübergang (endgültig) herbeiführen soll, grundsätzlich „annehmbare“ (=  „contractmäßige“) Ware zum Gegenstand haben müsse. Zu diesem Befund steht der zweite Teil bei genauerem Hinsehen aber nicht in Widerspruch. Denn die Gefahr, von der hier die Rede ist, ist diejenige „dieser species“, also die Sachgefahr. Dass nicht die obligatorische Gefahr gemeint ist, wird auch daran deutlich, dass v. Jhering ausdrücklich betont, dass die Lieferung nicht annehmbarer Ware, wenn der Käufer sie nicht bewusst als Erfüllung annimmt, gerade keine „solutio“ bewirke. Weil vertragswidrige Ware „gar nicht Gegenstand der Obligation“ ist, den Leistungsaustausch also nicht betrifft, kann sie auch keinerlei Einfluss auf die vertragliche Gefahr­tragung haben. Wenn die gelieferte Sache „gar nicht Gegenstand der Obligation“ war, muss der Käufer ungeachtet der Mangellieferung seinen vertraglichen Anspruch weiterverfolgen, also Lieferung einer anderen (vertragsgemäßen) Sache verlangen können. Welche Folgen die Belastung des Käufers mit der Sachgefahr hinsichtlich der zuerst gelieferten (mangelhaften) Sache hat, bleibt in v. Jherings Abhandlung offen. Wenn sich der wirtschaftliche Verlust infolge einer zufälligen Verschlechterung oder des zufälligen Untergangs beim Käufer realisieren soll, liegt ein entsprechender Wertersatzanspruch des Verkäufers nahe.

Nach der Lieferungs-/Erfüllungstheorie steht die Übergabe mangelhafter Ware dem Übergang von Preis- und Leistungsgefahr also grundsätzlich entgegen.

5.  Die Abkehr von der periculum est emptoris-Regel durch die moderne Gesetzgebung Abgesehen von Art. 185 OR482 und § 2380 S. 1 BGB483 fand die römisch-rechtliche Käufergefahrtragung nur in einem einzigen modernen deutschen Gesetzbuch Niederschlag, namentlich in § 866 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen (1865)484. Bemerkenswert ist, dass das Kaufrecht des sächsischen BGB ansonsten sehr fortschrittlich war: Der Kauf wurde als rein obligatorischer Vertrag verstanden, der somit ohne Weiteres auch einen generischen Schuldinhalt annehmen konnte, und die Leistungspflicht des Verkäufers war auf Lieferung, also Rechtsverschaffung an der verkauften Sache ausgerichtet. 479  v. Jhering JherJb 4 480  v. Jhering JherJb 4

(1861), 366 (371, 391). (1861), 366 (418). 481  v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (370). 482  Dazu bereits: B. I. 2 (bei Fn. 236). 483  Dazu bereits: B. I. 2 (bei Fn. 235). 484 Dazu Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1055 f., 1069.



5.  Die Abkehr von der periculum est emptoris-Regel durch die moderne Gesetzgebung  107

Wegen der Anerkennung des Gattungskaufs war die Regelung des Gefahrübergangs mit Vertragsschluss ausdrücklich auf Fälle des Stückkaufs beschränkt.485 In der Regelung des sächsischen BGB spiegelt sich das Problem, das man im gemeinen Recht mit der Übertragung der beim römischen Quantitätskauf als Perfektionsvoraussetzung überlieferten mensura auf den Gattungskauf hatte, wider. Denn es ordnete in § 1084 an, dass beim Verkauf einzelner oder einer Mehrzahl von Sachen derart, dass erst durch Ausscheidung der Sachen aus einer Gattung oder aus einer Sachmenge der Gegenstand des Vertrags bestimmt werden soll, auf Ausscheidung geklagt werden könne.486

Auch das badische Landrecht (1809/10) verband den Gefahrübergang zwar mit dem Kaufabschluss.487 Es knüpfte damit allerdings nicht direkt an die Tradition des römisch-gemeinen Rechts an, sondern folgte dem Vorbild des fr. Code Civil; es ließ dementsprechend auch das Eigentum mit dem Vertragsschluss übergehen.488 Alle anderen modernen deutschen Zivilrechtskodifikationen vollzogen die Abkehr von der römisch-rechtlichen Gefahr­tragungsregel, indem sie den Gefahrübergang mit der Übergabe verbanden: Das prALR489 bestimmte, dass die Gefahr bis zur Übergabe der verkauften Sache beim Verkäufer liege (prALR I. 11  § 95), wenn nicht der Käufer „durch seine Schuld die Uebernahme verzögert“ (I. 11 §§ 102 f.), und dass der Vertrag für aufgehoben erachtet werde, wenn die verkaufte Sache vor Übergabe (oder vom Käufer verschuldeter Verhinderung derselben) durch Zufall gänzlich zerstört oder vernichtet wird, so dass keine Übergabe erfolgen kann (prALR I. 11 § 100)490. Hinsichtlich der Verschlechterungsgefahr („periculum deteriorationis“) galt prALR I. 11 § 194. Danach hatte der Verkäufer die Kaufsache in dem Zustand zu übergeben, in dem sie sich zur Zeit des Vertragsschlusses befunden hat. Konnte der 485  § 866 des sächs. BGB im Wortlaut: „1Bei Verträgen, welche auf Veräußerung einer dem Stück nach bestimmten Sache gehen, hat der auf die Leistung der Sache Berechtigte den Zufall, welcher die Leistung unmöglich macht, die Gefahr, von Zeit des Vertragsschlusses an zu tragen, sofern nicht besondere Umstände die Annahme des Gegenteils rechtfertigen. 2Dasselbe gilt, wenn die Sache durch Zufall verschlechtert worden ist.“ Dazu: Bucher in: FS Huwiler (2007), 138 (144); Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 35. 486 Dazu Ernst ZEuP 1999, 583 (623). 487 Dazu Schubert  (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1056, wobei v. Kübel anmerkt, dass das badische Landrecht, anders als der – insofern unpräzise – franz. Code Civil, bei der Regelung der Gefahr­tragung zwischen Gattungskauf und Kauf nach Maß unterscheidet. Zu den vielfältigen Problemen, die sich aus dieser Gleichstellung ergeben: Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (64, 73 f. mit Fn. 115); ders. ZEuP 1999, 583 (623 f., 626). 488  Dagegen knüpfte der Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Königreich Württemberg (1839/40) zwar nach dem Vorbild des fr. Code Covil den Eigentumsübergang an den Vertragsschluss, den Gefahrübergang jedoch an die Übergabe (Art. 304). Dazu Hager (1982) – Gefahr­ tragung, S. 54 mit Fn. 81. – Dieser Regelungsentwurf stellt gewissermaßen das Gegenstück zum schweizerischen Modell (Gefahrübergang bereits mit Vertragsschluss, Eigentumsübergang erst mit Übergabe) dar; dazu oben: B. I. 2 (in Fn. 236). 489 Dazu Schubert (1980) – Vorlagen SchuldR III, S. 1057; vgl. Rückert ZNR 1984, 40 (44). 490  Diese Vorschrift verwies a. E. auf „Tit. V. §. 364. sqq.“, womit gemeint war, dass der Verkäufer dem Käufer nicht auf das Interesse haftete, aber auch den Kaufpreis nicht verlangen konnte. Dazu: Hofmann (1870) – Periculum, S. 48.

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B.I.  Historischer Hintergrund: periculum est emptoris

Käufer eine Verschlechterung nachweisen, durfte er die Annahme verweigern und vom Kaufvertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern.491 Es ist fraglich, ob diese Regelung eine „Umkehrung“ der Gefahr­tragung beim Kauf (im Vergleich zum gemeinen Recht) bedeutete.492 Dazu hätte man den Gefahrübergang statt an den frühesten (Vertragsschluss) an den spätesten Zeitpunkt (Erfüllung) knüpfen und ihn dazu auch von dem Erwerb des Eigentums an der verkauften Sache durch den Käufer abhängig machen müssen. Denn nach dem prALR war der Verkäufer – anders als nach römisch-gemeinem Recht493 – zur „Abtretung des Eigenthums“ an der verkauften Sache verpflichtet (I. 11 § 1).494 Insofern die Übergabe ausreichen zu lassen, bedeutete aber nur formal „einen Kompromiß auf einer mittleren Linie zwischen Kaufabschluß und Eigentumserwerb“495. Denn die „mittelbare“ (d. h. derivative, vgl. I  9  § 6) „Erwerbung des Eigenthums“ an der verkauften Sache erforderte „außer dem dazu nothigen Titel“ (vgl. I. 9 § 2, ein solcher war insbesondere der Kaufvertrag) lediglich noch „die wirkliche Uebergabe derselben“ (I. 10 § 1). Regelmäßig ging daher zugleich mit dem Besitz (I. 7 § 58) das Eigentum über, so dass der Gefahrübergang – unausgesprochen – durchaus an die (vollständige) Erfüllung der Leistungspflicht des Verkäufers geknüpft wurde. Immerhin war das prALR gerade auch aufgrund der prinzipiellen Erwägung, dass die Gefahr dem Eigentum folgen müsse, von der gemeinrechtlichen Käufergefahrtragung abgewichen.496 Von daher kann man in der Tat von einer Umkehrung der Gefahr­tragung sprechen, mit der die Verfasser des prALR ihr erklärtes Ziel erreichten, eine Gefahr­tragungsregel zu finden, die sowohl dem Grundprinzip casum sentit dominus als auch der Natur des gegenseitigen Vertrages gerecht wird.497 Als weitere Erwägung trat hinzu, dass es der natürlichen Billigkeit entspreche, den Käufer nicht mit der Gefahr zu belasten, solange er nicht die Sache in seinem Gewahrsam habe und somit Vorkehrungen zu ihrer Erhaltung treffen könne.498

491 Dazu

Hofmann (1870) – Periculum, S. 48 f. m. w. N. Rückert ZNR 1984, 40 (43 f.). 493  Dazu: B.II.1.b)i). 494  Die Sachmängelfreiheit war – insoweit dem gemeinen Recht entsprechend – also solche nicht geschuldet, dafür aber ausdrücklich die Gewährleistung. I. 5 § 317: „Auch die Leistung der Gewähr gehört zur Erfüllung eines Vertrages“, der wie der Kauf „lästig“, d. h. entgeltlich ist (I. 5 § 318). Bemerkenswert ist, dass die Gewährleistung nicht speziell beim Kauf (im elften Titel), sondern (im fünften Titel) im Allgemeinen für alle Verträge geregelt war; dazu: Bucher in: FS Welser (2004), 93 (94 f.). 495 So Rückert ZNR 1984, 40 (44). 496  Dazu oben: B. I. 3.a). 497  Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 41; vgl. Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 25. Zu den Erwägungen, die den Gefahrübergang mit Übergabe im prALR trugen: B. I. 3.a) (in Fn. 258). 498  Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 41; vgl. Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 25. 492 



5.  Die Abkehr von der periculum est emptoris-Regel durch die moderne Gesetzgebung  109

Entsprechendes gilt für das ABGB.499 Begründet wurde die Zuweisung der Gefahr an den Verkäufer bis zur Übergabe500 darin aber nicht nur mit dem Eigentumsübergang durch Übergabe, sondern auch mit der praktischen Erwägung, dass der Untergang der verkauften Sache vor deren Übergabe häufiger auf Verschulden des Verkäufers denn auf Zufall beruhe, ersteres aber meist nur schwer nachzuweisen sei; außerdem sei die Gefahr­tragung ein Ansporn für den Verkäufer, für die Erhaltung der Sache zu sorgen.501 Auch der Dresdner Entwurf für ein allgemeines deutsches Schuldrecht (1866) sah die Verbindung des Gefahrübergangs mit der Übergabe vor.502 Hofmann nannte 1870 die folgenden drei Gründe, um auf den Punkt zu bringen, warum die periculum emptoris-Regel dem modernen Rechtsbewusstsein widerstrebe: yy „[D]aß jemand unter Umständen unentgeltlich leisten muss, obwohl er sich nur zu einer entgeltlichen Leistung verpflichten wollte (juristisches Bedenken); yy das Auseinanderfallen von Eigentum und Interesse an den ökonomischen Schicksalen der Sache, die dem Einen nicht mehr ganz, und dem Anderen noch nicht ganz gehört. Solche Zwitterverhältnisse tragen nicht zur Klarheit des Rechtszustandes bei (halb juristische, halb politische Erwägung); yy das Auseinanderfallen des Interesses an der Erhaltung der Sache und der Möglichkeit, die Sache zu schützen (bloßes Utilitäts-Bedenken).“ 503 In der Anknüpfung an den Eigentumserwerb des Käufers statt an die Leistung des Verkäufers sah er dagegen eine Verkennung der Bedeutung der Tradition.504

499 Dazu Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1058 f. Ausführlich zur Entstehung der Regeln des ABGB im Vergleich zum prALR und zum deutschen BGB: Rabl (2002) – Gefahr­ tragung, S. 43 ff.; vgl. auch Hofmann (1870) – Periculum, S. 52 ff. 500 Vgl. § 1064 i. V. m. §§ 1048, 1049, 1051 ABGB; dazu: Hofmann  (1870)  – Periculum, S. 52 ff.; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 33 ff., 38 ff. 501  v. Zeiller (1812) – Commentar III, Abt. 1, S. 342 ff.; dazu: Hager (1982) – Gefahr­tra­ gung, S. 42. 502 Dazu Schubert  (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1061 ff., 1071. Die Verfasser des Dresd­ner Entwurfs hielten es für selbstverständlich, dass die Übergabe zur Bewirkung des Gefahrübergangs durch die Grundbucheintragung vertreten werde, sofern die Grundstücksübereignung die Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch verlange. 503  Hofmann (1870) – Periculum, S. 49 f. Vgl. auch die Begründungen Svarez’ sowie v. Kübels zur Abkehr von periculum emptoris im prALR bzw. BGB (Vorentwurf Schuldrecht), wiedergegeben m. w. N. bei Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 59. 504  Hofmann (1870) – Periculum, S. 52 f.

II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900 In das BGB von 1900 wurde die Regelung, dass „[m]it der Übergabe der verkauften Sache … die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf den Käufer über[geht]“ (§ 446 Abs. 1 S. 1 a. F.), dem Vorbild des prALR und des ABGB folgend, ausdrücklich auch deshalb übernommen, weil man sie für den Ausdruck eines alten deutschrechtlichen Grundsatzes hielt, den es wiederzustellen gelte.1 So schrieb etwa Heiliger kurz vor dem Inkrafttreten des BGB: Mit der Regelung des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. habe „der deutsch-rechtliche Grundsatz über den römisch-rechtlichen den Sieg davon getragen. Es ist ein uralter, tief im germanischen Rechtsbewusstsein wurzelnder Satz, dass mit der Eigentumsübertragung, d. h. bei Geschäften unter Lebenden mit der Tradition der Sache die Gefahr übergeht.“2

Stobbe war überzeugt davon, dass der Übergang der Kaufpreisgefahr (erst) mit Übergabe der verkauften Sache „eine so stets im deutschen Volke wurzelnde Auffassung [sei], daß jeder Nicht-Jurist noch heute ganz ebenso entscheidet, wie seine Vorfahren vor einem Jahrtausend“3. Es steht aber durchaus nicht fest, dass der angesprochene Grundsatz tatsächlich „deutschrechtlicher“ Natur ist.4 Rabel hat vermutet, dass das „Übergabeprinzip“ viel eher eine „naturrechtliche Spielart“ gewesen sei, dass man im Anschluss an die Kanonisten aus Gründen der Billigkeit dem Gedanken der Gegenseitigkeit auch beim Kauf zum Durchbruch habe verhelfen wollen.5 Von den Kanonisten sei das Übergabeprinzip noch „in der romanistischen Form entwickelt“ worden, dass die

1 Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich (in fünf Bänden), amtl. Ausgabe 1888 (im Folgenden „Mot.“), Band II, S. 206 f. Als Partikularechte, in denen dieser deutschrechtliche Grundsatz die Rezeption der periculum emptoris-Regel ausnahmsweise überdauert habe, werden vor allem Schleswig-Holstein und Hamburg genannt. Dazu: v. Gierke  (1917)  – Deutsches PrivatR  III, S. 446 f. (Fn. 68); Beseler (1885)  – Dt. PrivatR  I, S. 509, Anm.  20; Stobbe JherJb 12 (1873), 137 (241 Anm. 279, 281); ders. (1855) – Geschichte des deutschen Vertragsrechts, S. 279 ff. Das prALR galt das erste Gesetzbuch, das „den Boden des deutschrechlichen Prinzips“ wieder betreten habe; dazu Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1057. 2  Heiliger (1899) – Gefahr­tragung, S. 40 f. 3  Stobbe (1855) – Geschichte des deutschen Vertragsrechts, S. 279. 4  Dazu noch untenB.II.1.c)i)1)(a) (bei Fn. 95). 5  Rabel (1958) – Warenkauf II, S. 302.



B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

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Gefahr mit perfektem Kauf übergehe (periculum est emptoris), aber die Perfektion des Kaufs sei von der Übergabe abhängig gemacht worden.6 Davon abgesehen sind solche germanistischen Triumph-Bekundungen für sich allein genommen als Argument zur Begründung der Verbindung von Gefahrübergang und Übergabe im BGB von 1900 ähnlich stumpf wie die Erklärung der periculum emptoris-Regel des klassischen römischen Rechts mit dem Vorbild des archaischen Barkaufs7. Denn auch wenn im älteren deutschen Recht der Gefahrübergang beim Kauf tatsächlich an die das Sacheigentum bzw. die leibliche Gewere verschaffende Übergabe geknüpft worden sein mag, ist zu berücksichtigen, dass dies für einen Rechtszustand galt, der weder ein entwickeltes „reines“ Schuldrecht noch ein „Sachenrecht“ im modernen Sinne kannte und zwischen diesen beiden Materien allenfalls rudimentär unterschied, und dass der Kaufabschluss notwendig oder zumindest regelmäßig mit dem direkten Austausch „Ware gegen Geld“ einherging. Das ist fernab von dem systematischen Verständnis der Verfasser des BGB am Ende des 19. Jahrhunderts. Diese ließen – obgleich sie selbst sich ebenfalls auf die deutsche Rechtstradition beriefen – auch keinen Zweifel daran, dass sie die Verteilung der (Preis-)Gefahr beim Kauf als ein von der Zuweisung der Sachgefahr prinzipiell verschiedenes Problem begriffen, und dass es eigentlich nicht auf die Herkunft und Grundlage des Satzes, dass die Gefahr beim Kauf mit der Übergabe übergehe, ankomme, sondern darauf, ob diese Regelung „als innerlich begründet, als gerecht und billig, sowie als zweckmäßig“ anzusehen ist.8 Um herauszufinden, was die Verfasser des BGB von 1900 dazu bewogen hat, die Gefahr­tragung beim Kauf mit der Übergabe zu verbinden, bedarf es daher einer ausführlichen Auseinandersetzung mit den Materialien zu den Gesetzesberatungen. Vorab sei gesagt, dass auch an diesen auffällt, dass die Gesetzesverfasser größeren Wert darauf legten, die Abkehr vom periculum emptoris zu rechtfertigen, als die Hinwendung zum Gefahrübergang mit Übergabe zu begründen.9 Für sie stand im Mittelpunkt, dass die Gefahr erst mit der Übergabe auf den Käufer übergehe. Die Frage, warum die Gefahr bereits mit der Übergabe (und nicht erst mit der vollständigen Erfüllung des Kaufvertrages seitens des Verkäufers) übergehen sollte, wurde eher am Rande und nur in Bezug auf Immobilien erörtert.10 Dementsprechend lautete auch der früheste Regelungsvorschlag zum Thema in v. Kübels Vorlage Nr. 7 aus dem Jahre 1876: „Bei dem Kaufvertrage trägt der Verkäufer 6  Rabel (1958) – Warenkauf II, S. 301. Dazu m. w. N. auch Ernst in: HKK (2007) – BGB, §§ 446, 447 Rn. 3. 7  Dazu: B. I. 1.c)i). 8  Dazu: B.II.1.c)i)1)(a) (bei Fn. 95). 9  Diese Sichtweise war bereits den Ausführungen v. Kübels zu seinem Vorentwurf Schuldrecht eigen; dazu: Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 59 f. 10  Siehe Protokolle der Kommission für die Zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs (in sieben Bänden), 1897–1899, im Auftrag des Reichs-Justizamtes, bearbeitet von Alexander Achilles, Albert Gebhard und Peter Spahn (im Folgenden „Prot.“), Band  II, S. 61 f.; dazu noch unten: B.II.1.c)i)2)(a) und B.II.1.c)ii)1).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

die Gefahr […] der verkauften Sache bis zu deren Uebergabe“11, und in dieser Fassung fand sich die entsprechende Regelung auch noch im Ersten BGB-Entwurf wieder (E I § 463). Dem Wortlaut, dass „mit der Übergabe der verkauften Sache die Gefahr … auf den Käufer über[geht]“, setzte sich erst in den Beratungen der Zweiten Kommission durch.12

1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip Für das Verständnis der Beratungen über die Gefahr­tragung beim Kauf im BGB von 1900 ist vor allem auf zwei Unterschiede zum gemeinen Recht hinzuweisen: Erstens wurde in das Gesetzbuch als allgemeine Regel für sämtliche Austauschverträge aufgenommen, dass der jeweilige Schuldner bis zur Bewirkung der ihm obliegenden Leistung mit der Gefahr der Gegenleistung belastet ist (§ 323 Abs. 1 S. 1 a. F.).13 Zweitens vollzog das BGB den Übergang vom Eviktions- zum Rechtsverschaffungsprinzip, so dass die vom Verkäufer zu bewirkende Leistung seither um die Verpflichtung zur Übereignung der verkauften Sache erweitert ist.

a)  Die Entscheidung für die Grundregel der Schuldnergefahrtragung beim Austauschvertrag (synallagmatisches Gefahr­tragungsprinzip) Entsprechend der Regelung insbesondere des Dresdner Entwurfs (Art. 388)14 legte der Redaktor v. Kübel der Ersten Kommission zur Beratung den Vorschlag vor, als allgemeine Gefahr­tragungsregel für den gegenseitigen Vertrag auch im BGB vorzusehen, dass der Gläubiger die Gegenleistung nicht erbringen müsse, wenn der Schuldner aufgrund einer von ihm nicht zu vertretenden Unmöglichkeit der Leistung frei werde (TE-OR (Nr. 22) § 10)15. Dieser Vorschlag wurde in 11 Siehe Jakobs/Schubert (1980) – 12  Diese Formulierung war erstmals

SchuldR II, S. 77, 88. von Struckmann in der Vorkommission des Reichsjustizamtes vorgeschlagen worden. Siehe Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 88 ff.; dazu noch unten bei Fn. 195. 13  Es war allerdings nicht so, dass diese Grundregel zuerst formuliert und später in einer speziellen kaufrechtlichen Gefahr­tragungsregel konkretisiert worden wäre. Vielmehr war die Annahme des gefahrtragungsrechtlichen Traditionsprinzips beim Kauf als dem wichtigsten Anwendungsfall des Austauschvertrages wegbereitend für die Formulierung der allgemeinen Regel. Dazu sogleich: B.II.1.a) (bei Fn. 42). 14 Dazu: Wollschläger (1970)  – Unmöglichkeitslehre, S. 173, 181; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 13. 15  Im Wortlaut: „[(1)] Ist dem Schuldner die Leistung, abgesehen von einem Verschulden des Gläubigers (§ 9), in Folge eines von ihm nicht zu vertretenden Umstandes unmöglich geworden, so wird er, soweit dies zutrifft, von seiner Verbindlichkeit befreit und hat dem Gläubiger für den daraus entstandenen Schaden nicht zu haften. Bei gegenseitigen Verträgen hat der Schuldner im Falle gänzlicher Unmöglichkeit der Leistung keinen Anspruch auf die Gegenleistung, und im Falle theilweiser Unmöglichkeit der Gläubiger Anspruch auf verhältnismäßige Minderung der ihm ob-



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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den Beratungen der Ersten Kommission angenommen16 und die entsprechende Entwurfsregelung (E I § 368 Abs. 1 S. 1)17 passierte ohne sachliche Änderungen18 auch die Beratungen der Zweiten Kommission (E II § 274 Abs. 1)19.20 Sie wurde mit folgendem Wortlaut als § 323 Abs. 1 a. F. Gesetz: „Wird die aus einem gegenseitigen Vertrage dem einen Teile obliegende Leistung infolge eines Umstandes unmöglich, den weder er noch der andere Teil zu vertreten hat, so verliert er den Anspruch auf die Gegenleistung; bei teilweiser Unmöglichkeit mindert sich die Gegenleistung nach Maßgabe der [kaufrechtlichen Minderungsvorschriften]“.

Zu E I § 368 Abs. 1 S. 1 heißt es in den Motiven21, dass der Gläubiger „[i]m Falle der gänzlichen [vom Schuldner nicht zu vertretenden] Unmöglichkeit  … von Rechtswegen und ohne den Rücktritt erklären zu müssen, von der Pflicht die Gegenleistung zu bewirken, befreit [wird]; der Vertrag zerfällt in toto“,22

und zwar mit Verweis insbesondere auf die Regelungen des prALR (I. 5 § 364) und des ABGB (§§ 1064, 1048, 1051, 1447)23. liegenden Gegenleistung. [(2)] Hat der Schuldner die Gegenleistung schon erhalten, so muß er dieselbe, bei theilweiser Unmöglichkeit den verhältnismäßigen Betrag derselben, dem Gläubiger zurückerstatten. …“; Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 211 f. Dazu unten in Fn. 138. 16  Mot. II, S. 205–209. 17  Wortlaut: „Wird der Schuldner aus einem gegenseitigen Vertrage von der Verpflichtung zur Leistung in Folge eingetretener Unmöglichkeit der Leistung befreit, so hat im Falle der gänzlichen Unmöglichkeit der Schuldner kein Recht auf die Gegenleistung, im Falle der nur theilweisen Unmöglichkeit der Gläubiger das Recht, die Gegenleistung verhältnismäßig  … zu mindern.“; Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 226. 18  Dazu Prot. I, S. 638–640. 19  Wortlaut: „Wird die aus einem gegenseitigen Vertrages dem einen Theile obliegende Leistung in Folge eines weder von ihm noch von dem anderen Theile zu vertretenden Umstandes unmöglich, so verliert er den Anspruch auf die Gegenleistung; bei theilweiser Unmöglichkeit mindert sich der Anspruch auf die Gegenleistung verhältnismäßig …“. 20 Dazu Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 14 f. 21  Siehe Fn. 1. 22  Mot. II, S. 207 (Hervorhebung d. Verf.). In der zweiten Lesung des E I § 368 sowie im Verlauf der weiteren Beratungen wurde über diesen Punkt kein Wort mehr verloren, so dass auch E II § 274 und letztlich § 323 a. F. auf der Annahme beruhten, bei Unmöglichkeit der Leistung werde der gesamte Vertrag ipso iure hinfällig. Die Literatur nahm dagegen schon bald an, dass nur die Leistungspflichten ausgeschlossen seien und das Schuldverhältnis im Übrigen fortbestehe, dazu m. w. N. Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (137 mit Fn. 87) mit Verweis auf Vollkommer in: Jauernig (1991) – BGB, § 323, der mit Verweis auf § 323 Abs. 2 a. F. argumentierte, dass der Ausschluss der Leistungspflichten den Fortbestand des Schuldverhältnisses im Übrigen nicht berühre. 23  Es liegt ein Widerspruch darin, dass die Verfasser des BGB für die Regelung, dass der gegenseitige Vertrag bei nachträglicher Zufallsunmöglichkeit der Leistung „in toto“ zerfalle, außer prALR I. 5 § 364 auch § 1447 ABGB als Vorbild anführten. Denn nach der Regelung des ABGB hat die (zufällige) Unmöglichkeit der Leistung anders als nach dem prALR nicht die Aufhebung des ganzen Vertrages zur Folge. Es wird lediglich angeordnet, dass der befreite Schuldner „das, was er um die Erfüllung der Verbindlichkeit zu erbringen, erhalten hat, zwar gleich einem redlichen Besitzer, jedoch auf solche Art zurückstellen oder vergüten [muß], daß er aus dem Schaden des Andern keinen Gewinn zieht“. Dazu Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 181 mit Zitat des § 1447 ABGB a. F. in Fn. 131 auf S. 115.

114

B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Dies spricht für die Annahme, der gesamte (gegenseitige) Vertrag stehe unter der (stillschweigenden) auflösenden Bedingung, dass eine der beiden Leistungen zufallsbedingt unmöglich werde. Dies entspricht der willenstheoretischen Begründung24 der (Billigkeits-)Regel, nach der die Gegenleistung nicht ohne die Leistung „stehenbleiben“ soll (Begrenzung des Verpflichtungswillens durch eine (stillschweigende) auflösende Bedingung). Dazu passt, dass die von den Verfassern des BGB als Vorbild zitierte Regelung des prALR I. 5 § 364, nach welcher der Vertrag ggf. „als aufgehoben anzusehen“ sei, sich wahrscheinlich an Pufendorfs Satz orientiert hatte, dass der Vertrag bei nachträglicher Unmöglichkeit der Erfüllung „verschwinde“ (pactum evanescit)25.26 Und Pufendorf hatte dies eben mit einer stillschweigenden Vertragsbedingung begründet.27 Ebenso wie die Regelung des prALR28 wich das BGB von der vernunftrechtlichen Theorie aber vor allem darin ab, dass der Wegfall (auch) der Gegenleistung bei (zufälliger) Unmöglichkeit der Leistung gerade ohne die Konstruktion einer in den Austauschvertrag hineingelesenen stillschweigenden (auflösenden) Bedingung der Parteien konstruiert, stattdessen die zufällige Unmöglichkeit als solche als gesetzlicher Aufhebungstatbestand konzipiert wurde.29 Dies obgleich Savigny die naturrechtlich beeinflusste, willenstheoretische Bedingungskonstruktion zur Begründung des Wegfalls der Gegenleistung bei Unmöglichkeit der Leistung durchaus vertreten hatte.30 Auch nach Inkraftreten des BGB wurde in der Literatur zur Regelung des § 323 a. F. der Wegfall der Gegenleistung vereinzelt als Folge des Eintritts einer auflösenden Bedingung begründet.31 Für den Kauf und andere auf Veräußerung einer bestimmten Sache abzielende Verträge wollte Savigny allerdings in Anlehnung an den Barkaufgedanken sowie mit der dogmatischen Begründung, dass die zufällige Unmöglichkeit insoweit als wirkliche Erfüllung der Obligation gelten müsse, an der Gläubigergefahrtragung (periculum emptoris bzw. creditoris) festhalten.32 Erst Windscheid erkannte das Synallagma (wieder)33 als allgemeines Prinzip der Gefahr­tragung an.34 Seine „Entäußerungstheorie“ zur 24 Vgl.

Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (142 ff.); dazu bereits: B. I. 3.b)v). Dazu bereits: B. I. 3.b)v). 26  Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 106; vgl. Rückert ZNR 1984, 40 (60), der „evanescit pactum“ Wolff zuschreibt und vermutet, dass sich der preußische Gesetzgeber unmittelbar an dessen Theorie orientiert habe (zu Pufendorf siehe ders. a. a. O. (58)). 27  Dazu oben: B. I. 3.b)v). 28  Dazu oben: B. I. 3.b)vi) in Fn. 378. 29  Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (145 f.). 30 Vgl. dazu: Wollschläger  (1970)  – Unmöglichkeitslehre, S. 142 f.; Rückert ZNR 6 (1984), 40 (65 f.); Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (145 mit Fn. 32). 31  So etwa von Blomeyer (1938) – Studien zur Bedingungslehre I, S. 114. Dazu: Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (145 mit Fn. 32) und Dubischar in: FS Raiser (1974), 99 (109), letzterer auch zu anderen dogmatischen Konstruktionsvorschlägen im Rahmen der sog. „Synallagma-Diskussion“. 32  Wollschläger (1970) – Unmmöglichkeitslehre, S. 142. 33  Die vernunftrechtliche Theorie war vor der „Erneuerung der Rechtswissenschaft“ durch die historische Rechtsschule bereits so weit gewesen; ihr direkter Einfluss auf das Zivilrecht war aber begrenzt geblieben. Dazu oben: B. I. 3.b)v) und B. I. 3.b)vi). 34  Windscheid (1887) – Pandekten II, S. 246 ff. (§ 321.3). Vgl. dazu auch: Scherner (1965) – Rücktritt, S. 142 bei Fn. 14; Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 143. 25 



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

115

Begründung des periculum creditoris ist der Versuch, den Gefahrübergang mit Vertragsschluss mit diesem Prinzip zu harmonisieren.35 Denn wenn bereits mit und durch den Vertragsschluss ein Wechsel in der Vermögensherrschaft stattfindet, impliziert dies, dass der zur Sachübertragung verpflichtende Vertrag in diesem Zeitpunkt als durch den Sachleistungsschuldner im Wesentlichen erfüllt anzusehen sei. Dass Windscheid in seinem „book of authority der Zivilrechtswissenschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“36 die Gläubigergefahrtragung beim gegenseitigen Vertrag (auch bei solchen Verträgen, die den Schuldner zur Veräußerung einer bestimmten Sache verpflichten) als Grundsatz ablehnte,37 dürfte wegbereitend dafür gewesen sein, dass die Erste Kommission den Beschluss fasste, dem Schuldner generell das Austauschrisiko aufzubürden.38 Den Durchbruch brachte, dass die Gesetzesverfasser sich beim Kauf für das Traditionsprinzip entschieden (dazu sogleich).

Dubischar, der das (konditionelle) Synallagma von einer soziologischen Perspektive aus als „Schutznorm der Entgeltlichkeit“39 beschrieben hat, erblickt in der Anordnung des Gesetzgebers, der Vertrag zerfalle im Fall der gänzlichen Unmöglichkeit der Leistung „in toto“, eine „Grenze der Justiziabilität“ (über die Reichweite der Entgeltlichkeit der Gegenleistung), die vor allem mit Rücksicht auf den dispositiven Charakter der gesetzlichen Regelung gezogen worden sei.40 Frei geworden war der Weg für die Kodifikation der Grundregel, dass bei allen gegenseitigen Verträgen der Schuldner bis zur Erfüllung die Gefahr zu tragen habe, freilich erst dadurch, dass die Erste Kommission sich vorab in den Beratungen der Vorlage Nr. 7 über die Tragung der Gefahr beim Kauf41 – und damit für den praktisch wichtigsten und häufigsten Anwendungsfall des Austauschvertrages  – bereits in Abkehr vom gemeinen Recht und im Anschluss insbesondere an das prALR, das ABGB und den Dresdner Entwurf zugunsten des gefahrtragungsrechtlichen Traditionsprinzips entschieden hatte.42 Deshalb berief die Kommission sich in den Motiven zur Begründung des E I § 368 Abs. 1 S. 1 auch und gerade auf die Gründe, mit denen sie ihre Abkehr von der gemeinrechtlichen Käufergefahrtragung gerechtfertigt hatten.43 Und deshalb bezeichnete sie den Entwurf der kaufrechtlichen Gefahr­tragungsregel (E I § 463)44 auch als „besonderen Ausspruch“ des Prinzips der Schuldnergefahrtragung im gegenseitigen Vertrag.45 35 

Siehe oben: B.I.3.iv) bei und nach Fn. 391. Flume (1992) – Rechtsgeschäft, S. 32. 37  Vgl. auch Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 12 a. E. 38  Wollschläger  (1970)  – Unmöglichkeitslehre, S. 181 mit Verweis auf Windscheid/ Kipp (1901) – Pandekten II, § 321 Anm. 16. 39  Dazu bereits einleitend: A. 3.d)iii) bei Fn. 148. 40  Dubischar in: FS Raiser (1974), 99 (117 f.). 41  Dazu unten: B.II.1.c)i)1). 42  Dazu unten: B.II.1.c)i)2). – Im gemeinen Recht war es ja gerade das – im Bereich sämtlicher Sachleistungsverträge zu einem periculum creditoris erweiterte – Dogma vom periculum emptoris gewesen, welches die Formulierung eines allgemeinen Prinzips der Gefahr­tragung im gegenseitigen Vertrag hatte unmöglich erscheinen lassen. Vgl. Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 12 f. 43  Mot. II, S. 206. 44  Dazu unten: B.II.1.c)i)2). 45  Mot. II, S. 205. 36 

116

B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

b)  Verpflichtung des Verkäufers zur Übergabe und Übereignung der verkauften Sache Die konsequente Anwendung der allgemeinen Gefahr­ tragungsregel des § 323 Abs. 1 S. 1 a. F. hätte beim Kauf dazu führen müssen, dass dem Verkäufer die Gefahr erst abgenommen wird, wenn er dem Käufer die verkaufte Sache übergeben und übereignet hat. Denn das BGB erweiterte die Leistung des Verkäufers um die Pflicht zur Eigentumsverschaffung. Bevor in der Auseinandersetzung mit den Beratungen der Gesetzesverfasser über die Gefahr­tragung beim Kauf46 näher untersucht wird, aus welchen Gründen der Gefahrübergang gem. § 446 die Erfüllung der Eigentumsverschaffungspflicht nicht erfordert (und es deshalb trotz der Abkehr vom periculum emptoris dabei blieb, dass ausgerechnet beim Kauf als dem wichtigsten Anwendungsfall des Austauschvertrages die Regelung der Gefahr­tragung als Ausnahme oder Modifikation47 der Grundregel über die Gefahrverteilung im Austauschvertrag erschien), ist kurz auf Übergabe und Übereignung als die beiden wesentlichen Elemente der Verkäuferleistung gem. § 433 Abs. 1 a. F. einzugehen und der Frage nachzugehen, welche Anforderungen an die gefahrüberwälzende Übergaben daraus abzuleiten sind (und welche nicht).

i)  Übergang vom Eviktions- zum Eigentumsverschaffungsprinzip Die Verfasser des BGB von 1900 gingen nach dem Vorbild des prALR und des ABGB, jedoch abweichend vom römisch-gemeinen Recht beim Kauf zum Rechtsbzw. Eigentumsverschaffungsprinzip über.48 Sie statuierten eine Eigentumsverschaffungspflicht, so dass der Verkäufer die (lastenfreie) Eigentumsverschaffung als regelrechten Leistungserfolg schuldete. Infolgedessen haftete er bei Vorliegen von Rechtsmängeln nach den allgemeinen Regeln wegen Nichterfüllung (vgl. § 440 a. F.).49 Dies war nicht nur eine Konsequenz der Ausgestaltung der sachenrechtlichen Übereignungstatbestände; es entsprach und entspricht auch den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs.50 Bei der emptio venditio war der Verkäufer dagegen nicht zur Verschaffung des Eigentums an der verkauften Sache, sondern lediglich dazu verpflichtet gewesen, den Käufer (durch die Übergabe) in die Position zu setzen (vacuam possessionem tradere), die Sache ungestört besitzen und nutzen zu können (habere licere). Der römisch-rechtliche Kauf war nicht auf ein dare (Eigentumsverschaffung), sondern auf ein facere (Übergabe) gerichtet.51 So blieb es bis zu den Zeiten des jüngeren gemeinen Rechts, obwohl bereits das klassische römische Recht einen Eigentumsbegriff hervorbrachte, der alle Arten von Sachen zu umfassen ge46 

Dazu: B.II.1.c). Dazu bereits: B. I. 3.b)vi) (bei Fn. 392). 48 Dazu: Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 440 Rn. 1–4; Ernst (1995) – Rechtsmängelhaftung, S. 123 ff.; ders. in: HKK (2013) – BGB, §§ 433–445 Rn. 26 ff., 31 ff. 49 Vgl. Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 88 f. 50  Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 433 Rn. 105. 51  Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 55. 47 



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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eignet war und zwischen Besitz und Eigentum unterschied. Dies dürfte darin begründet sein, dass der Käufer regelmäßig allein durch die Übergabe aufgrund eines wirksamen Kaufvertrages das Eigentum an der verkauften Sache erwarb und dass etwaige Defekte, insbesondere ein Mangel in der Berechtigung der Veräußerers oder in der Form der Übereignung, grundsätzlich dadurch „geheilt“ wurden, dass der Käufer das Eigentum durch Ersitzung erwarb.52 Weil der Verkäufer dem Käufer in solchen Fällen kein Eigentum verschaffen konnte (einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten ließ das römische Recht nicht zu, die strengen Formerfordernisse standen nicht zur Disposition der Parteien), war die Annahme einer regelrechten Eigentumsverschaffungspflicht weder notwendig noch sinnvoll.53 Der „Störfall“, den es zu regeln galt und der letztlich durch die Eviktionshaftung im Rahmen der actio empti geregelt wurde, bestand darin, dass die Übergabe dem Käufer nicht das Eigentum verschafft hatte und ihm die übergebene Sache von einem Dritten streitig gemacht wurde.54

Anders als die Verfasser des prALR und des ABGB vor ihnen gingen diejenigen des BGB von 1900 aber, wie bereits erwähnt wurde und im Vorgriff auf die Auseinandersetzung mit den Beratungen über die Regelung der Gefahr­tragung beim Kauf hier nochmals betont sei, davon aus, dass die Verteilung der obligatorischen Gefahr von der formalen Eigentumslage in Bezug auf die verkaufte Sache als solcher prinzipiell unabhängig sei. Der Zweck dahinter, den Gefahrübergang – in Abkehr von der gemeinrechtlichen periculum est emptoris-Regel – (erst) an die Übergabe zu knüpfen, lag deshalb jedenfalls nicht darin, die (obligatorische) Gefahr der dinglichen Rechtslage folgen zu lassen. Gleichwohl nahmen die Gesetzesverfasser an, dass mit der gefahrüberwälzenden Übergabe beim Verkauf beweglicher Sachen in der Regel auch das Eigentum an der Kaufsache verschafft werde. Nur beim Grundstückskauf (§ 446 Abs. 2 a. F.), bei dem die Übereignung die Übergabe nicht erfordert (an die Stelle des Realakts tritt der Buchakt) und es regelmäßig vor der Übereignung (durch Grundbuchumschreibung) zur Übergabe kommt, rechneten sie mit einem (regelmäßigen) Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum. Die Zweite Kommission sah sogar den (Haupt-)Zweck des § 446 darin, für den Grundstückskauf auszusprechen, dass die Gefahr bereits mit der Übergabe des Grundstücks auf den Käufer übergehe, auch wenn er noch nicht als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen sei.55 Bei Beginn der Beratungen der Gefahr­tragung im Rahmen des Obligationenrechts war über ein Auseinanderfallen von Besitz- und Eigentumslage außerdem noch beim Kauf auf Probe, der regelmäßig bewegliche Sachen zum Gegenstand hat, diskutiert worden. Man ging davon aus, dass dabei der Kaufvertrag aufschiebend bedingt geschlossen sei und mit der Billigung der gelieferten Ware durch den Käufer rückwirkend zustande komme, während das Eigentum erst in diesem Moment durch Übereignung kurzer Hand übertragen werde. In den weiteren Beratungen sahen die Gesetzesverfasser aber davon ab, diesen Fall speziell zu regeln. Deshalb diskutierten sie die Frage, warum die Gefahr bereits mit der Übergabe auf den 52 

Zimmermann (1996) – Obligations, S. 278 f., 293. Zimmermann (1996) – Obligations, S. 279 f. 54 Zum Eviktionsprinzip: Zimmermann (1996) – Obligations, S.  293–304; Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 55–62. 55  Prot. II, S. 60 f.; dazu unten: B.II.1.c)ii). 53 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Käufer übergehen sollte, in Bezug auf bewegliche Sachen nicht weiter. Insbesondere hatten sie die Lieferung verkaufter Ware unter Eigentumsvorbehalt nicht im Blick (dazu sogleich).

Von daher besteht im BGB zwar kein theoretischer Zusammenhang zwischen dem sachenrechtlichen und dem gefahrtragungsrechtlichen Traditionsprinzip. Nach der Vorstellung der Gesetzesverfasser sollte die Übergabe gem. § 446 (a. F.) aber im Regelfall die Voraussetzungen der Übergabe gem. § 929 S. 1 (mit-)erfüllen56. Die Voraussetzungen des sachenrechtlichen Übergabe-Begriffs sind aber nicht identisch mit denjenigen des gefahrtragungsrechtlichen Übergabe-Begriffs. Mit „traditio“ ist im sachenrechtlichen Zusammenhang (§§ 929–931) auch nicht nur die Übergabe, sondern in einem weiteren Sinne das Erfordernis der Übertragung des Eigenbesitzes gemeint (diese wird im „Regelfall“ des § 929 S. 1 freilich mit der körperlichen Sachübergabe vollzogen).57 Dagegen hatten die Gesetzesverfasser bei den Beratungen des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. durchaus gerade die körperliche Übergabe im Sinn. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob und inwieweit es für die Übergabe im Rahmen des Mobiliarerwerbs (zwecks Übertragung des Eigenbesitzes) gem. § 929 S. 1 auf einen „Wechsel im tatsächlichen Gewaltverhältnis“ bzw. „körperlich beherrschbaren Raumverhältnis“ ankommt. Dies ist in der Literatur umstritten. Nach herrschender Meinung ist der durch die Übergabe gem. § 929 S. 1 zu verschaffende Eigenbesitz ein „Mehr“ gegenüber dem Besitz i. S. v. § 854 Abs. 1; die Übergabe hänge – zumindest nach ihrem Grundmodell oder Leitbild – verglichen mit den „Übergabe-Surrogaten“ am engsten mit dem Tatbestand der Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache zusammen (davon werden dann allerdings weitgehende Abweichungen zugelassen, begründet meist mit „Verkehrsbedürfnissen“, etwa beim Ge-

56  Nur im Zusammenhang der Begründung des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. als Ausprägung des synallagmatischen Gefahr­tragungsprinzips äußerten sie, dass der Kauf durch die Übergabe der verkauften Sache regelmäßig erfüllt werde, wenn und weil die Leistung nicht nur unter dem Aspekt der Übergabe, sondern auch der Übereignung bewirkt werde. 57  Die Übergabe gem. § 929 S. 1 erfordert ebenso wie die anderen Übertragungsformen nach den §§ 930, 931 den einvernehmlichen Wechsel im Eigenbesitz, d. h. die Einigung darüber, dass der Erwerber fortan über die Sache bestimmen soll, und die Herstellung einer Sachlage, die dieser Einigung entspricht. Sowohl die Übergabe (§ 929 S. 1) als auch die Vereinbarung eines Besitzkonstituts mit dem Veräußerer (§ 930) sowie die Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen einen Dritten (§ 931) ist „Traditionsakt“ im Sinne des sachenrechtlichen Traditionsprinzips, und das „einigende Band im System der §§ 929 bis 931“ ist in dem Konsens über den Wechsel im Eigenbesitz zu sehen; dazu m. w. N. Oechsler in: MüKo (2013) – BGB, § 929 Rn. 4, 48; Ernst (1992) – Eigenbesitz, S. 89: „Mit dem Traditionserfordernis (sic) ist … nur verlangt, daß der Veräußerer, wenn er Eigenbesitzer ist, den Erwerber an seiner Stelle Eigenbesitzer werden lässt – und ob dazu eine körperliche Übergabe erforderlich ist, ist nur eine Frage der Sachlage, ändert nichts am Kern des in jedem Fall notwendigen Geschehens, dem konsensualen Wechsel im Eigenbesitz.“, sowie S. 305: „Erwerb durch Konstitut und Anspruchsabtretung sind in Tatbestand (Konsens) und Wirkung von den anderen Traditionsvorgängen nicht wesentlich verschieden, sind nur Abwandlungen der traditio auf die besonderen Situationen des Sachverbleibs beim Tradenten bzw. bei einem Dritten“; vgl. auch Wiegand in: Staudinger (2011) – BGB, Vorbem. §§ 329–931 Rn. 22–26, § 929 Rn. 46–60.



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heißerwerb).58 Nach der historisch begründeten Gegenansicht Ernsts handelt es sich bei dem Eigenbesitz gem. § 872 dagegen um etwas ganz anderes, ein „aliud“ gegenüber dem Besitz gem. §§ 854 ff.; deshalb sei auch die Übergabe gem. § 929 S. 1 von der Erlangung der tatsächlichen Gewalt grundsätzlich unabhängig.59

Denn selbst wenn die Übergabe nach § 929 S. 1 die Herstellung eines räumlichen Nähe-Verhältnisses i. S. der auf den Sachinhaberschutz zugeschnittenen §§ 854 ff. zwischen Erwerber und Erwerbsgegenstand grundsätzlich nicht erforderte, müsste dies nicht auch für die gefahrüberwälzende Übergabe gelten. Der Annahme der Gesetzesverfasser, dass mit der gefahrüberwälzenden Übergabe im praktischen Regelfall (beim Kauf beweglicher Sachen) zugleich das Eigentum verschafft werde, widerspricht dies nicht. Denn es würde offensichtlich nicht schaden, wenn die Voraussetzungen der Übergabe gem. § 929 S. 1 dadurch „übererfüllt“ würden, dass der Käufer „sogar“ unmittelbaren (Eigen-)Besitz erlangt. Wenn andererseits die Übergabe die Voraussetzungen des § 929 S. 1 einmal nicht erfüllt, ist dies aufgrund der Erwägung, dass der Gefahrübergang von der Änderung der formellen Eigentumslage als solcher nicht abhängig ist, ebenfalls unschädlich. Dies betrifft insbesondere den Fall der Lieferung verkaufter Ware unter Eigentumsvorbehalt, bei welcher der Käufer zunächst nur (unmittelbaren) Fremdbesitz erlangt60 und der (mittelbare) Eigenbesitz bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung beim Verkäufer verbleibt. Diese Fallgestaltung erwies sich nach Inkrafttreten des BGB nämlich als der praktische Hauptanwendungsfall des § 446 Abs. 1 S. 1 (für den Fall, dass die Übergabe tatsächlich den (Eigen-)Besitz und das Eigentum verschafft, bedurfte es angesichts der Regelung des § 323 Abs. 1 a. F. der Anwendung des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. nicht, weil mit der Erfüllung der Übergabe- und der Eigentumsverschaffungspflicht der Verkäufer seine Leistung bewirkt hatte).61 Auch wenn die Gesetzesverfasser § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. durchaus nicht gerade für den Fall des Eigentumsvorbehalts entwickelt haben,62 darf ihre Äußerung, dass die 58  Dazu m. w. N. Oechsler in: MüKo (2013) – BGB, § 929 Rn. 48 ff.; Wiegand in: Staudinger (2011) – BGB, § 929 Rn. 54 ff. 59 So Ernst (1992) – Eigenbesitz, S. 30, 38 und öfter. 60  Es handelt sich regelmäßig um unmittelbaren Fremdbesitz, notwendig ist das aber nicht. Denn auch im Falle der §§ 930, 931 kann sich der Veräußerer das Eigentum durch aufschiebende Bedingung der dinglichen Einigung vorbehalten. Dazu noch in Fn. 66. 61  Dazu noch unten: B.II.3. 62  Tatsächlich befassten sie sich bei den Beratungen des § 446 a. F. überhaupt nicht mit dieser Fallgestaltung. Der Grund dafür ist, dass während der Beratungen des Schuldrechts auch die Entwicklung der sachenrechtlichen Bestimmungen noch im Fluss war. Der Vorentwurf zum Sachenrecht sah noch vor, dass es unzulässig sei, die Eigentumsübertragung vom Eintritt einer Bedingung abhängig zu machen; wegen der Unwirksamkeit der Bedingung sollte die dingliche Einigung über den Eigentumswechsel bei Lieferung unter Eigentumsvorbehalt ggf. unbedingt zustande kommen. Dazu unten: B.II.1.c)i)2)(a) (bei Fn. 172). Die Erste Kommission folgte diesem Vorschlag letztlich nicht; vgl. Mot. II, S. 319 (zu E I § 459), Mot. III, S. 336 (E I § 874). Die später Gesetz gewordene Vorschrift des § 455 a. F. über den Verkauf unter Eigentumsvorbehalt, die dem heutigen § 449 entspricht, wurde erst von der Zweiten Kommission und nur unter dem Vorbehalt, dass das Sachenrecht nicht doch noch die Unwirksamkeit der Beifügung einer Bedingung bei der Eigentumsübertragung vorsehe, eingefügt (E II § 394). Dazu Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II,

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Übergabe gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. in der Regel auch das Eigentum verschaffe, daher nicht einmal dahin verstanden werden, dass die Erlangung des Eigenbesitzes notwendige Voraussetzung der gefahrüberwälzenden Übergabe ist. Dass die Gefahr bei Übergabe der verkauften Sache unter Eigentumsvorbehalt übergeht, zeigt vielmehr deutlich, dass die gefahrüberwälzende Übergabe sich weder durch ihre eigentums- noch durch ihre eigenbesitzverschaffende Wirkung als vielmehr durch ihre Erfüllungswirkung auszeichnet. Will man einen notwendigen Zusammenhang zwischen der Verschaffung des Eigenbesitzes und der Übergabe gem. § 446 formulieren, kann man daraus, dass die Gefahr auch bei einem Eigentumsvorbehalt mit der Übergabe übergeht, ableiten, dass durch die (gefahrüberwälzende) Übergabe eine Sachlage hergestellt werden muss, die dem eigentlichen (konsensualen) Eigenbesitzerwerb unmittelbar vorgelagert ist. Denn bei der Warenlieferung unter Eigentumsvorbehalt besteht die Besonderheit des (Eigen-)Besitzerwerbs darin, dass neben der dinglichen Einigung auch der Konsens über den Wechsel im Eigenbesitz (aufschiebend) bedingt ist. Dies setzt eine Sachlage voraus, in welcher der Besitz rein konsensual übertragen werden kann, es also keiner körperlichen Sachverschiebung mehr bedarf.63 Die gefahrüberwälzende Übergabe schafft diese Sachlage, wenn und weil es notwendig ist, dass sie zur Erfüllung des Kaufvertrages erfolgt und der Käufer den unmittelbaren Sachbesitz erlangt. Der eigentliche Erwerb des Eigenbesitzes an der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Ware vollzieht sich dann mit dem Bedingungseintritt (vollständige Kaufpreiszahlung) durch brevi manu traditio.64 Diese kann ebenso wie die dingliche Einigung bis dahin in ihrer Wirksamkeit durch die vollständige Kaufpreiszahlung aufschiebend bedingt sein, da sie rein konsensualer Natur ist.65 Daraus folgt, dass bei Lieferung unter Eigentumsvorbehalt eigentlich nicht die Übertragung des unmittelbaren Besitzes, sondern der aufschiebend bedingte Erwerb des Eigenbesitzes der Grund des Gefahrübergangs ist,66 und die Erlangung der Sachinhaberschaft i. S. d. unmittelbaren Fremdbesitzes ist dafür die Voraussetzung.

S. 111 f.; Prot. II, S. 78–81. Die Erste Kommission war noch der Meinung gewesen, dass der Streit um die Zulässigkeit und die Wirkungen eines Eigentumsvorbehalts das Obligationenrecht nicht interessiere; Mot. II, S. 319. 63 Vgl. Ernst (1992) – Eigenbesitz, S. 75 f. 64  Ernst sieht die brevi manu traditio nicht positiv-rechtlich in § 929 S. 2 begründet, sondern über § 854 Abs. 2 (ebenso wie die longa manu traditio) bereits von dem Übergabe-Begriff des § 929 S. 1 erfasst; Ernst (1992) Eigenbesitz, S. 81 ff. 65  Dagegen kann der Wechsel im Eigenbesitz nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden, soweit er noch eine körperliche Übergabe (d. h. einen Rückzug des Tradenten von der Sache, die erst den Weg dafür frei macht, dass der Traditionsempfänger in seiner Sachbestimmung nicht mehr auf ihn angewiesen ist) erfordert, weil dem Erwerber die Zugriffsmöglichkeit beim Bedingungseintritt „aktuell eröffnet“ sein muss. Die bedingte Erklärung der Besitzaufgabe ist daher nicht ausreichend. Dazu Ernst (1992) – Eigenbesitz, S. 76. 66  Auch die Vereinbarung eines Besitzkonstituts mit dem Vorbehaltseigentümer (§ 930) oder die Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen einen Dritten (§ 931) sind rein konsensuale Erwerbstatbestände und als solche bedingungstauglich.



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ii)  Beibehaltung der Leistungspflicht zur Übergabe der verkauften Sache auch nach Übergang zum Rechtsverschaffungsprinzip Nimmt man vor dem Hintergrund der allgemeinen Regelung des § 323 Abs. 1 S. 1 a. F. an, dass die Übergabe beim Kauf den Gefahrübergang deshalb bewirkt, weil ihr in gewissem Umfang Erfüllungswirkung zukommt,67 und betrifft diese Erfüllungswirkung nicht die Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung (Übergabe i. S.v § 929 S. 1), liegt es nahe, dass der historische Gesetzgeber mit Übergabe in § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. die Erfüllung der Übergabe-Pflicht gem. § 433 Abs. 1 (a. F.) meinte. Trotz oder gerade wegen des Übergangs zum Eigentumsverschaffungsprinzip sahen die Verfasser des BGB in § 433 Abs. 1 (a. F.) nämlich „im Hinblick auf die Wichtigkeit dieser Verpflichtung“68 als weiteres Element der Verkäuferleistung vor, dass der Verkäufer dem Käufer die verkaufte Sache zu übergeben habe, und zielten damit auf die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes ab.69 Denn auch wenn der Verkäufer nunmehr „sogar“ die Übertragung des Eigentums an der verkauften Sache schuldete, bestand das wirtschaftliche Hauptinteresse des Käufers beim Sachkauf immer noch darin, die faktische Sachherrschaft und insbesondere die Möglichkeit70 zu erhalten (und zu behalten), die verkaufte Sache unmittelbar zu nutzen. Da die Übereignung aber auch vollzogen werden kann, ohne dass der Käufer in diese Lage versetzt wird, ergab es sich aus der Verpflichtung zur Verschaffung des Sacheigentums nicht von selbst, dass der Verkäufer dem Käufer gerade die Sache als solche zu verschaffen hat. Der Käufer sollte die Übergabe aber nicht nur und erst nach erfolgter Übereignung im Rahmen der Vindikation verlangen können (Herausgabe). Nach ausführlichen Beratungen war die Mehrheit der Gesetzesverfasser davon überzeugt, dass durch die letztlich Gesetz gewordene Fassung am besten zum Ausdruck gebracht werde, dass der Verkäufer dem Käufer nicht nur die formal-rechtliche (Eigentum), sondern auch die tatsächliche Herrschaft über die verkaufte Sache zu verschaffen habe.71 67  Auf den Zusammenhang von § 323 Abs. 1 S. 1 a. F. und § 446 a. F. wird ausführlich in der Auseinandersetzung mit den Beratungen der Gesetzesverfasser (sogleich: B.II.1.c)) über die Gefahr­tragung beim Kauf sowie mit der Literatur betreffend die ratio legis des § 446 a. F. (unten: B.II.3.b)) eingegangen. 68  So die Begründung der Ersten Kommission zu E I § 459, Mot. II, S. 317. 69  Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, §  433 Rn. 106; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 433 Rn. 33; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 433 Rn. 48; Pammler in: JurisPK (2014)  – BGB, § 433 Rn. 56; Grunewald in: Erman (2014) – BGB, § 433 Rn. 14; Saenger in: Hk-BGB (2014), § 433 Rn. 8; Berger in: Jauernig (2014) – BGB, § 433 Rn. 19 f. – Näher dazu noch: B.II.1.c)i)1)(a) (bei und in Fn. 117 und: B.II.1.c)i)2) (bei Fn. 164). 70  Einen Antrag, statt der Verpflichtung zur Übereignung und Übergabe die Verpflichtung vorzusehen, dem Käufer „den Kaufgegenstand zu vollem Rechte und Genusse zu verschaffen“, lehnte die Mehrheit der zweiten Kommission mit folgender Begründung ab: „Die Übergabepflicht sei das Wesentliche; ob der Käufer thatsächlich den ‚vollen Genuß‘ haben werde, das hänge nicht vom Verkäufer ab. Dieser genüge seiner Verpflichtung, wenn er die Sache so übergebe, daß die Lage, in welche die Uebergabe den Käufer bringe, kein Hinderniß des Genusses enthalte.“; Prot. II, S. 52. 71 Dazu Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 5.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

TE-OR (Nr. 32) § 1 sah vor, dass der Verkäufer dem Käufer außer dem Eigentum an der verkauften Sache auch den Genuss derselben verschaffen müsse. Windscheid beantragte stattdessen eine Fassung, wonach der Verkäufer Eigentumsverschaffung und Übergabe schuldete, während Planck die Vorschrift so zu fassen beantragte, dass der Verkäufer die verkaufte Sache veräußern und den Besitz an ihr verschaffen muss. Die Mehrheit der Ersten Kommission war der Ansicht, „daß die Fassung des Entwurfes … eine wichtige Verpflichtung des Verkäufers nicht mit zureichender Deutlichkeit ausspreche … und daß daher den erwähnten Anträgen durch Aufnahme der Traditionsverpflichtung zu folgen, die Verpflichtung zur Verschaffung des Genusses dagegen zu übergehen sei. Die Mehrheit entschied ferner, daß … zu bestimmen sei, der Verkäufer habe die Sache zu übergeben, weil diese Ausdrucksweise bezeichnender sei, als die …, der Verkäufer habe den Besitz zu verschaffen.“

Die Übergabe-Pflicht hat neben der Eigentumsverschaffung also selbstständige Bedeutung,72 soweit sie sicherstellt, dass der Käufer unabhängig davon, ob und wie die Übereignung vollzogen wird, aufgrund des Vertrages vom Verkäufer (vorbehaltlich einer anderen Parteiabrede) verlangen kann, den unmittelbaren Besitz der verkauften Sache zu erlangen. Es kann wirtschaftlich sinnvoll oder sogar erforderlich sein, dass die verkaufte Sache vor oder ohne Übereignung an den Käufer übergeben wird.73 Erfolgt die Übereignung ohne Übergabe, ist es für den Käufer von Vorteil, dass der Verkäufer ihm aufgrund des Kaufvertrages selbst zur Übergabe verpflichtet bleibt.74

c)  Die Beratung über die Gefahr­tragung beim Kauf Die soeben angestellten Vorüberlegungen sprechen dafür, dass die Anordnung des Gefahrübergangs mit Übergabe im BGB von 1900 vor allem auf erfüllungstheoretischen Erwägungen beruht: dass der Käufer die Gefahr ungeachtet eines erst später stattfindenden Eigentumswechsels bereits ab der Übergabe übernehmen sollte, weil die Verkäuferleistung, die nicht mehr als die Übergabe und Übereignung zum Gegenstand hatte, mit der Übergabe im Wesentlichen erfüllt war. Dem Argument, dass die Gefahr vor allem deshalb mit der Übergabe übergehen solle, weil der Käufer die gelieferte Sache danach selbst vor schädlichen Einflüsse (Verschlechterung und Untergang) schützen könne (und müsse),75 ist demnach mit einer gewissen Skepsis zu begegnen. Im Folgenden wird anhand der Gesetzgebungsmaterialien nachvollzogen, wie die Verfasser des BGB von 1900 den Gefahrübergang mit Übergabe im Einzelnen begründet haben.76 72  Grunewald in: Erman (2014) – BGB, § 433 Rn. 16; Pammler in: JurisPK (2014) – BGB, § 433 Rn. 55. 73 Dazu Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 433 Rn. 104. 74 Dazu Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 433 Rn. 34. 75  Dazu: B.II.3.e). 76  Dabei ist die Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs hier nicht im Einzelnen nachzuzeichnen. Im Überblick dazu: Schulte-Nölke NJW 1996, 1705 ff.; Meder (2011) – Rechtsgeschichte, S. 343–348; Säcker in: MüKo (2012) – BGB, Einl. BGB Rn. 8–11; Honsell in: Staudinger (2014) – Einl. BGB Rn. 74–88.



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i)  Erste Kommission Die Beratungen der 1874 einberufenen Ersten Kommission, der auf Vorschlag der Einzelstaaten des Deutschen Reiches neun „Praktiker“ (Richter und Ministerialbeamte) sowie zwei Professoren angehörten, hatten Vorarbeiten einzelner Redaktoren zum Gegenstand, deren Programm und Methode auf Vorschläge der sog. Vorkommission zurückging. v. Kübel77, der selbst dieser Vorkommission angehört hatte, befasste sich mit dem Obligationenrecht. Als er speziell zu diesem Thema die ausführlich begründete vorbereitende Vorlage78 Nr. 7 vorlegte, setzte die Erste Kommission sich bereits im Jahre 1876 mit der Frage der Gefahr­tragung beim Kauf auseinander. Im Jahre 1882 begannen die Hauptberatungen über die einzelnen Vorlagen, die dem Redaktor als Grundlage für den eigentlich von ihm zu erstellenden geschlossenen Teilentwurf zum Obligationenrecht (TE-OR) dienen sollten.79 27 dieser seiner insgesamt 32 Vorlagen80 fasste v. Kübel noch im selben Jahr wenigstens zu dem Entwurf eines Allgemeinen Teils des Rechts der Schuldverhältnisse zusammen.81 Vom Beginn der Hauptberatungen bis zum Jahre 1884 erstellte der Redaktionsausschuss der Ersten Kommission eine Redaktionsvorlage, auf deren Grundlage die „Zusammenstellung der sachlich beschlossenen Bestimmungen des Obligationenrechts“ (ZustOR) erfolgte. Im Jahre 1883 brachte v. Kübel mit TE-OR Nr. 32 zum Kauf (einschließlich der Gefahr­tragung) und Tausch seine letzte Vorlage ein; über diese wurde ab dem 12. März 1883 beraten. Im Jahr darauf verstarb der Redaktor, ohne jemals selbst einen geschlossenen Teilentwurf zum gesamten Obligationenrecht fertiggestellt zu haben.82 Dies erschwert die Übersicht über die Beratungen der Ersten Kommission.83 Als Ergebnis der Beratungen der Ersten Kommission, die bis dahin weitgehend geheim und frei von politischen Einflüssen stattgefunden hatten, wurde Anfang 1888 der Erste Entwurf (E I) eines Bürgerlichen Gesetzbuchs nebst Motiven der Öffentlichkeit vorgestellt.

77  Über Franz Philipp Friedrich von Kübel: Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S.XIII– XVIII. 78  Die Bezeichnung wechselt bei Jakobs/Schubert: Es ist von einem Vorentwurf, einem Vorschlag und von einer Vorlage die Rede. Die hier gemeinte Vorlage betreffend die Gefahr­tragung beim Kauf ist jedenfalls nicht zu verwechseln mit der (späteren) Vorlage TE-OR (Nr. 7), welche die Regelung von Gesamtschuldverhältnissen zum Gegenstand hatte. 79  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 13. 80  Darunter insbesondere Nr. 16: Wahlschuld, Nr. 17: Gattungsschuld, Nr. 19: Bestärkungsmittel der Verträge, Nr. 20: Rechte und Verpflichtungen aus Verträgen, Nr. 22: Folgen der Nichterfüllung der Verbindlichkeit. 81  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. XI; Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 12. 82 Dazu: Schubert (1978) – Materialien, S. 43; Meder (2008) – Rechtsgeschichte, S. 315, 319; Leser (1975) – Rücktritt, S. 26. 83 Dazu Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. IX–XIII.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

1)  Vorlage v. Kübels (Nr. 7, 1876) Die Vorlage Nr. 7 des Redaktors v. Kübel über die Tragung der Gefahr beim Kauf aus dem Jahre 187684 sah folgende Regelung vor: 1. These:  Bei dem Kaufvertrage trägt der Verkäufer die Gefahr des zufälligen Unterganges und der zufälligen Verschlechterung der verkauften Sache bis zu deren Uebergabe an den Käufer. 2. These:  Ist die verkaufte Sache eine unbewegliche, so trägt der Verkäufer die Gefahr, bis die Sache nicht nur dem Käufer übergeben, sondern auch die Eintragung des Eigenthumsübergangs auf den Käufer im Grundbuch erfolgt ist. 3. These: Der Verkäufer trägt die Gefahr nach Maßgabe der folgenden Absätze …85

(a) Begründung Bemerkenswert ist, dass der Redaktor gleich zu Beginn der Begründung seines Regelungsvorschlags die Erfüllung des Kaufvertrages mit der Übergabe der verkauften Sache gleichsetzt. Er betont, dass die „offen gelassene Zwischenzeit“, während der eine zufällige Einwirkung auf die verkaufte Sache die Leistung ganz oder teilweise unmöglich machen könne, nur entstehe, wenn „der Zeitpunkt der Schließung des Kaufvertrages mit dem Zeitpunkt der Erfüllung nicht zusammen[fällt] und … sich ein längerer oder kürzerer Zeitraum zwischen den Abschluss des Vertrages und die Uebergabe der verkauften Sache [legt]“.86 Anders als in v. Jherings Lieferungs84  Abgedruckt

mit ausführlicher Begründung bei Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1037–1083; dazu auch Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 59 f. 85  Die folgenden Absätze sahen vor, – dass der Käufer von der Pflicht zur Kaufpreiszahlung frei werde, wenn dem Verkäufer die Erfüllung zwischen Vertragsschluss und Übergabe „ohne eine von ihm zu vertretende Verschuldung, durch Zufall, ganz unmöglich“ (Hervorhebung d. Verf.) und er deshalb von seiner Verbindlichkeit befreit ist; ggf. sollte der Verkäufer den Kaufpreis nicht fordern dürfen, bzw. wenn der Kaufpreis bereits bezahlt worden war, ihn nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung zurückerstatten müssen; – dass der Käufer an der Gegenleistung „einen verhältnismäßigen Abzug machen“ oder, wenn anzunehmen ist, dass er den Vertrag nicht geschlossen haben würde, wenn bereits zur Zeit des Vertragsschlusses festgestanden hätte, dass die vollständige Erfüllung unmöglich ist, „von dem Vertrage abgehen“ dürfe, falls dem Verkäufer die Erfüllung seiner Verbindlichkeit zwischen Vertragsschluss und Übergabe „durch Zufall theilweise unmöglich geworden“ und deshalb „auf die noch mögliche Leistung beschränkt“ ist; Hervorhebung d. Verf. Dazu noch unten: B.II.1.c)i)1)(a) (bei Fn. 125) und B.II.1.c)i)2) (bei Fn. 140). Thesis IV, V und VI sahen vor, – dass die Gefahr beim aufschiebend bedingten Kauf bei schwebender Bedingung im Zweifel nicht durch die Übergabe auf den Käufer übergehe; – dass der Verkäufer auch im Falle der Versendung der verkauften Sache die Gefahr trage, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist; – dass dem Verkäufer, solange er die Gefahr trägt und sich nicht mit der Leistung in Verzug befindet, auch die natürlichen und bürgerlichen Früchte der Sache gebührten. 86  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1038, Hervorhebung d. Verf.



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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theorie87 war hier mit Erfüllung durchaus die Bewirkung der Leistungspflicht, also der Eintritt des Leistungserfolges, gemeint.88 Bemerkenswert ist ferner, dass die Begründung darauf abzielte, zu erklären, warum die Gefahr erst mit der Übergabe auf den Käufer übergehen sollte (Abkehr vom periculum emptoris). Darüber, warum der Gefahrübergang bereits mit der Übergabe erfolgen solle, musste der Redaktor gerade deshalb kein Wort verlieren, weil nach seinem Vorschlag die Gefahr beim Kauf gar nicht früher als nach der Grundregel für die Gefahr­tragung im gegenseitigen Vertrag (jede Partei trägt als Schuldner die Gefahr der Gegenleistung bis zur Bewirkung der ihr selbst obliegenden Leistung)89 übergehen sollte. In seiner ausführlichen Begründung folgt eine Beschreibung des Regelungsthemas, in der die obligatorische Gefahr­tragung zunächst in bestechender Klarheit von der Sachgefahr­ tragung abgegrenzt wird: Bei der Frage, welche Partei die Gefahr der zufälligen Verschlechterung und des zufälligen Untergangs zu tragen habe, handele es sich nicht „um den in dem Ereignisse des Verlustes und der Verschlechterung der Sache an sich liegenden Nachtheil, als vielmehr um den Einfluß jenes Ereignisses auf die aus dem Kaufvertrag entspringenden gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten“90. Sodann macht v. Kübel deutlich, dass die Belastung des Verkäufers mit der obligatorischen Gefahr (der Verschlechterung und des Untergangs der verkauften Sache) ggf. sowohl darin bestehen könne, dass er „entweder statt der untergegangenen Sache etwas Anderes, deren Werth, geben und für die Verschlechterung der Sache Ersatz leisten muss“, als auch darin, dass er, „wenn er zwar von seiner Verbindlichkeit im Umfang der eingetretenen Unmöglichkeit der Leistung befreit wird, aber auch seinen Anspruch auf die Gegenleistung entweder ganz … oder theilweise verliert“91. Der Redaktor beschreibt das Geltungsgebiet der periculum est emptoris-Regel in Deutschland92 und rekapituliert ebenso ausführlich wie kritisch die Versuche, die zur Begründung dieser Regel gemacht wurden93, um ihre Schwierigkeiten sodann durch Anwendung auf einige problematische Fälle zu zeigen94.

Auch wenn der Redaktor hinsichtlich Herkunft und Grundlage des „alten deutschrechtlichen Prinzips“, dass die Gefahr beim Kauf mit der Übergabe übergehe, ratlos war, stand für ihn immerhin fest, dass diese Regel innerlich richtig, billig und gerecht sei:

87 

Dazu oben: B. I. 4.c)ii). v. Kübel stimmte Goldschmidts Kritik an v. Jherings Erfüllungs-/Lieferungstheorie zu, dass „Erfüllung des Kaufvertrags nur eine solche solutio sei, welche in traditio bestehe“. v. Jhering erfasste dagegen auch das Absenden beim Versendungskauf begrifflich als Lieferung/Erfüllung. 89  Dazu oben: A.3.d), B. I. 3.b) und B.II.1.a). 90  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1038. 91  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1038. 92  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1038 f. 93  Schubert (1980)  – Vorlagen der Redaktoren, SchuldR  III, S. 1041–1048  – „Noch heute herrscht … über den wirklichen Grund des römischen Satzes die größte Meinungsverschiedenheit und aller juristischer Scharfsinn hat ein befriedigendes Ergebniß in dieser Beziehung nicht zu erzielen vermocht“. 94  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1048–1054. 88 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

„[O]b die Vermutung sich rechtfertigen lasse, es stehe der Satz mit der Auffassung des deutschen Rechts im Zusammenhang, daß der Kauf erst mit der Uebergabe der Sache stets absolut bindend wirke, kann füglich dahin gestellt bleiben. Entscheidend ist, dass der deutschrechtliche Satz als innerlich begründet, als gerecht und billig, sowie als zweckmäßig erkannt werden muss“, der Satz sei „in der Natur und dem Wesen des Vertragsverhältnisses selbst begründet“.95

Gemeint ist damit die Austauschgerechtigkeit, das allgemeine (synallagmatische) Prinzip, „daß jeder Vertragsschließende nur dann zur Erfüllung seiner Vertragsverbindlichkeit verpflichtet ist, wenn der andere Vertragsschließende dagegen auch seine Verbindlichkeit erfüllt“96. Daraus ergebe sich, dass wenn der Verkäufer nur noch zur Leistung dessen verpflichtet ist, was „das die Unmöglichkeit herbeiführende Ereignis ihm von dem Leistungsgegenstand (nach Qualität und Quantität) noch gelassen (oder statt des Leistungsgegenstandes gegeben) hat“, er auch nur insoweit den Kaufpreis fordern könne.97 Darüber hinaus machte v. Kübel98 sich zur Begründung der ersten These seiner Vorlage, wonach die Gefahr bis zur Übergabe/Erfüllung beim Verkäufer bleibe, die von v. Zeiller99 (zur Begründung der Gefahr­tragung beim Kauf nach dem ABGB) und Hofmann100 bekannten Argumente zu eigen, dass die Gefahr­tragung bis zur Übergabe den Verkäufer ansporne, „für die Erhaltung und den Schutz der Sache alle Sorge zu tragen, um sich nicht die Erfüllung des Vertrages unmöglich zu machen und in Folge dessen den Kaufpreis zu verlieren“,101 und – so übrigens auch schon Svarez (zur Begründung der Gefahr­tragung beim Kauf nach dem prALR)102 – dass es auch die Billigkeit gebiete, den Verkäufer so lange mit der Gefahr zu belasten, wie der Käufer noch nicht in die Lage versetzt sei, Vorkehrungen zur Erhaltung und Sicherheit der verkauften Sache treffen zu können.103 Das deutsch-rechtliche Prinzip sei außerdem „auch vom ökonomischen Standpunkt“ vorzugswürdig gegenüber dem römisch-rechtlichen, welches das Interesse an der Erhaltung der Sache und die Möglichkeit, für deren Erhaltung zu sorgen, in bedenklicher Weise trenne; schließlich sei es äußerst schwierig, oft unmöglich, zu beweisen, ob der Untergang oder die Verschlechterung vom Verkäufer verschuldet 95  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1065, vgl. auch S. 1066: Der deutsch-rechtliche Satz von der Gefahr­tragung sei die „unabweisbare Konsequenz aus der Natur des Kaufvertrages“. 96  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1065. 97  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1066. 98  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1068. 99  v. Zeiller (1812) – Commentar III, S. 343 f. 100  Hofmann (1870) – Periculum, S. 37. 101  Zu diesem „Compelle-Argument“, wonach die Gefahr­tragung die Erfüllungspflicht praktisch verstärkt: Schilcher JBl 1964 395 (399). Im klassischen römischen Recht erfüllte die strenge custodia-Haftung eine vergleichbare „Ansporn-Funktion“; dazu oben: B. I. 1.b)ii). 102  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1069–1074; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 57 m. w. N. 103  Zu den vier Gründen, die für Svarez für die Verbindung des Gefahrübergang mit der Sachübergabe beim Kauf entscheidend waren: B. I. 3.a) (in Fn. 258).



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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sei oder auf Zufall beruhe. Neben der Dogmatik (Prinzip der wechselseitigen Abhängigkeit der Leistungen im Austauschvertrag) und der Ökonomie (Verbindung von Erhaltungsinteresse und -möglichkeit sowie von Beweislast und -möglichkeit) spreche auch die Praktikabilität dafür,104 den Gefahrübergang mit der Übergabe der verkauften Sache zu verbinden. Denn dadurch würden viele Streitfragen, die sich aus der Anwendung der römisch-rechtlichen Regel ergaben, abgeschnitten sowie die Einfachheit und Klarheit des Rechts und somit die Rechtssicherheit in hohem Grade gefördert. Der Rechtssicherheit sei es auch zuträglich, dass bei einer Gefahrbelastung des Käufers (erst) ab Übergabe schwierige Liquidationsprozesse vermieden würden, die sich bei seiner Gefahrbelastung (bereits) ab Vertragsschluss daraus ergäben, dass dem Käufer dann im entsprechenden Zeitraum auch die commoda zustehen müssten (Verrechnung der Kaufpreisforderung mit dem Herausgabeanspruch des Käufers). Im Übrigen spreche für den Gefahrübergang mit Übergabe, dass diese Regelung nicht nur den Zivilrechtskodifikationen Preußens und Österreichs, sondern insbesondere auch dem bayerischen und dem hessischen Entwurf sowie dem Dresdner Entwurf eines allgemeinen Schuldrechts entspreche.105 Im hessischen BGB-Entwurf von 1853 wurde die Jhering’sche Verschuldenstheorie (zur Erklärung des periculum emptoris)106 zur Begründung des Traditionsprinzips geradezu umgedreht und argumentiert, dass der Verkäufer die Gefahr tragen müsse, weil es ab Vertragsschluss an ihm sei, dem Käufer die Sache zu übergeben oder anzubieten und sich auf diese Weise seinen Anspruch auf die Gegenleistung zu sichern. Falls der Verkäufer im Interesse des Käufers sich verpflichtet habe, „das Kaufobject noch länger in seinen Händen zu behalten, so sei es seine Sache, sich bei Uebernahme dieser Verpflichtung gegen Uebernahme der Gefahr zu verwahren“.107 Es wurde zu jener Zeit allerdings bereits ein „gut organisiertes System der ‚gerichtlichen Aufsicht und Verwahrung‘, also der Hinterlegung, fürsorglich-obrigkeitlich bereitgestellt“108, und der Verkäufer hatte durch Hinterlegung der verkauften Sache bei Gericht die Möglichkeit, sich von aller Verantwortung zu befreien109.

Schließlich dürfe „nicht als ein ausschlaggebendes, doch als ein erfreuliches Moment … betont werden, daß das Verlassen des römischen Prinzips den Sieg eines alten nationalen Rechtsgedankens über importirtes fremdes Recht bedeutet“. Die Begründung des zweiten Absatzes des Regelungsvorschlags v. Kübels (Gefahrübergang beim Verkauf eines Grundstücks erst mit Übergabe und Eintragung 104  Zu dieser „Trias“ bei der Begründung der Gefahr­tragung siehe Hager (1982) – Gefahr­ tragung, S. 66–72. 105  Die Regelung der Gefahr­tragung in diesen Gesetzen und Entwürfen ist ausführlich beschrieben bei Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1057–1063. 106  Dazu oben: B. I. 1.c)v). 107  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1059 m. w. N. Dieses Argument machte sich v. Kübel zur Begründung seines Regelungsvorschlags zu eigen; es sei nicht Aufgabe des Gesetzes, das den Verkäufer nicht zur Aufbewahrung der Sache für den Käufer verpflichte, den Verkäufer für den Fall, dass er freiwillig diese Verpflichtung übernimmt, gegen die Folgen dieser Übernahme zu schützen, a. a. O. S. 1067. 108  Rückert ZNR 1984, 40 (44) zur Begründung der entsprechenden Regelung des prALR. 109 Vgl. Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1057.

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des Eigentumsübergangs) ist ebenfalls erhellend für das Verständnis der Erwägungen, die hinter der Anordnung des Gefahrübergangs mit Übergabe der verkauften Sache (im ersten Absatz) stehen. Denn darin heißt es, dass „nach dem Grundbuchsystem für den Erwerb des Eigenthums an Immobilien an die Stelle der Tradition der Eigenthumsübergabevertrag zwischen dem eingetragenen Eigenthümer und dem neuen Erwerber tritt“ und dass „hiernach für den Eigenthumserwerb seitens des Käufers die physische Uebergabe bedeutungslos“ sei; deshalb erhebe sich die Frage, „ob dadurch nicht auch für den Uebergang der Gefahr die Eintragung im Grundbuch der entscheidende Zeitpunkt geworden sei“.110 Bereits die Fragestellung muss verwundern, weil v. Kübel den Verfassern des prALR attestierte, mit ihrer Regelung der Gefahr­tragung beim Kauf zwar im Ergebnis das Richtige getroffen, in der Begründung mit dem Prinzip casum sentit dominus allerdings daneben gelegen zu haben.111 Da der Übergang der (obligatorischen) Gefahr demnach prinzipiell nicht als Konsequenz der Eigentumsübertragung angesehen, andererseits die Gefahr­tragung des Verkäufers auch mit dessen Möglichkeit und Interesse an der Erhaltung der verkauften Sache (bis zur Übergabe) begründet wurde, hätte sich eigentlich von selbst verstehen müssen, dass es beim Grundstückskauf ebenfalls (auch) auf die Übergabe ankommen muss, falls diese (neben der Übereignung) kaufvertraglich geschuldet ist.112 Und in der Tat meinte v. Kübel, dass diese Frage nur zu beantworten sei, wenn man auf den Grund des deutsch-rechtlichen Prinzips zurückgehe, und dass dann klar sei, dass die Eintragung des Käufers im Grundbuch nicht genügen könne.113 Er begründete dies114 vor allem damit, dass die Eintragung ins Grundbuch nichts daran ändere, dass der Kaufvertrag nicht erfüllt sei, solange das Grundstück 110 

Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1069 f., Hervorhebungen d. Verf. „Den Boden des deutschrechtlichen Prinzips hat zuerst das preußische Landrecht betreten, wenn auch in unbewußter Weise und mit unstichhaltiger Begründung, indem die Gefahrvertheilung nach den Vorträgen von Suarez auf den, wie jetzt überall anerkannt, hierfür ganz unbrauchbaren Satz: ‚casum sentit dominus‘ zurückzuführen versucht wurde“; Schubert  (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1057, vgl. auch S. 1071. Bereits Hofmann hatte in dem Grundsatz casum sentit dominus nur die vermeintliche wissenschaftliche Rechtfertigung des Übergabeprinzips gesehen, das unmittelbar dem deutschen Rechtsgefühl entspringe und bei der Kodifikation des prALR nur noch nicht richtig wissenschaftlich erfasst worden sei; Hofmann (1870) – Periculum, S. 46, 48; ähnlich zuvor bereits Stobbe (1855) – Geschichte des deutschen Vertragsrechts, S. 282 f. Dazu Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 57. 112  Es zeigt sich, dass „Übergabe“ i. S. von Verschaffung des unmittelbaren Besitzes nicht unbedingt gleichbedeutend mit „traditio“ ist, indem v. Kübel den Beratungen des Dresdner Entwurfs entnimmt, dass „[d]as Wesen der Tradition … in der Uebertragung der Sache in das Vermögen des Erwerbers [besteht] und diese Uebertragung … bei Immobilien durch die Eintragung im Grundbuch bewirkt [wird]. Daß diese keinen Besitz verschaffe, sei für die Anwendung des deutschen Prinzips unerheblich, da dieses den Uebergang der Gefahr nicht an den Besitzübergang knüpfe“, Schubert  (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1071 m. w. N. v. Kübel hielt es aber für ebenso falsch, den Gefahrübergang als Konsequenz der Vermögensübertragung wie ihn als Konsequenz der Eigentumsübertragung zu begreifen. Es ging ihm eben im Wesentlichen um die Erfüllung des Kaufvertrages seitens des Verkäufers. 113  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1071 f. 114  Zum Folgenden Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1072–1074. 111 



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noch nicht übergeben ist; für den Übergang der obligatorischen Gefahr komme es aber gerade darauf an, dass der Verkäufer seine nach dem Vertrag ihm obliegende Verbindlichkeit (insgesamt) erfüllt habe.115 Deshalb könne man „nicht  … sagen, die Verschaffung des Eigenthums durch die Eintragung sei mehr als die physische Uebergabe und müsse daher wie diese die Gefahr von dem Verkäufer abwälzen. Es handelt sich hier nicht um ein Mehr oder Weniger, sondern um zwei neben einander bestehende Vertragsverbindlichkeiten des Verkäufers.“

Es könne die mangelnde Erfüllung durch den Verkäufer nicht ersetzen, dass der ins Grundbuch eingetragene Käufer sich die physische Herrschaft auch selbst verschaffen könne. Dass es ökonomische Nachteile mit sich bringen würde, zwischen dem Interesse an der Sacherhaltung und der Möglichkeit, für die Sacherhaltung zu sorgen, zu trennen, wird nur ergänzend dazu als Argument für den Gefahrübergang mit Übergabe auch beim Grundstückskauf erwähnt.116 Allerdings hielt v. Kübel die körperliche Übergabe zu unmittelbarem Besitz nicht unbedingt für nötig. Von dem Standpunkt, dass es für den Übergang der Preisgefahr auf die Erfüllung (auch) der Übergabe-Pflicht117 ankomme, konsequent, sollte die Übergabe-Pflicht auch durch die Vereinbarung eines Besitzkonstituts 115  Schubert  (1980)  – Vorlagen, SchuldR  III, S. 1072: Der „Einwand, daß, nachdem unter der Herrschaft des Grundbuchsystems die Tradition ihre rechtliche Bedeutung für das Sachenrecht und den Eigenthumserwerb verloren habe, und nur noch als Erfüllung einer persönlichen Vertragsverbindlichkeit in Betracht komme, dieselbe auch für die Gefahr­tragung nicht mehr maßgebend sein könne, beruht auf der unrichtigen Vorstellung, daß die Tradition als Form der Eigenthumsübertragung [Hervorhebung d. Verf.] für das periculum entscheidend sei, während sie für die Gefahrfrage nur als Vertragserfüllung in Betracht kommt und daher die in sachenrechtlicher Beziehung veränderte Bedeutung der Tradition hierfür ganz indifferent ist“. 116  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1072 a. E. Es ging v. Kübel bei diesem (ergänzenden) Argument nicht darum, zu begründen, warum der Verkäufer bereits ab der Übergabe zu entlasten sei, auch wenn der Käufer das Eigentum noch nicht erworben habe, sondern umgekehrt darum, dass der Käufer nicht allein kraft des Eigentumserwerbs die Gefahr tragen dürfe, wenn die Übergabe noch nicht erfolgt sei. Soweit das „Sachherrschaftsargument“ in den späteren Beratungen auftauchte, ging es durchweg darum, zu begründen, warum bereits die Übergabe ausreiche. 117  v. Kübel sprach in seiner Vorlage Nr. 7 von 1876 wie selbstverständlich davon, dass der Verkäufer aus dem Kaufvertrag (auch) die Übergabe der verkauften Sache schulde, und meinte damit die Besitzverschaffung. Die spätere Vorlage zum Kaufrecht (TE-OR (Nr. 32) § 1) sah allerdings nicht ausdrücklich die Übergabe-Pflicht des Verkäufers vor, sondern hatte folgende Fassung: „Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer, wenn eine Sache Gegenstand des Kaufs ist, das Eigenthum und den Genuß derselben… zu verschaffen…“; Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR II, S. 1 mit Begründung S. 13 f.: Der Verkäufer sei verpflichtet, dem Käufer den Kaufgegenstand zu geben – insbesondere wird entgegen Windscheids Entäußerungstheorie klargestellt, dass der Verkäufer sich der Ware nicht bereits durch den Vertragsschluss entledigt. Er verpflichte sich vielmehr, den Kaufgegenstand dem Käufer gesondert zu übergeben und „erst hiermit denselben in dessen Vermögen, also aus seinem Vermögen heraus, zu übertragen“. Zu den Beratungen insoweit: Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 5. Vgl. auch oben bei: B.II.1.b)ii) und unten: B.II.1.c)i)2) (in Fn. 164). Hier deutet sich an, dass die ratio legis des römischen-rechtlichen Vertragsprinzips und des „deutsch-rechtlichen“ Traditionsprinzips nicht sehr verschieden ist, dass sich lediglich das Anknüpfungsmoment mit der Zeit von dem Vertragsschluss in die Übergabe „verschoben“ hat.

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erfüllt werden können; allerdings „müßten, um dies annehmen zu können, besondere hierfür sprechende Thatsachen hinzutreten, es muß eine bestimmte causa vorliegen, vermöge deren die Detention vorerst noch bei dem Verkäufer zurückbleibt“.118 Erforderlich sollte also die Vereinbarung eines konkreten Besitzmittlungsverhältnisses sein. Die Erwägung, dass der Käufer nach der Übergabe besser als der Verkäufer in der Lage sei, das Grundstück zu behüten, war für v. Kübel nicht der entscheidende Grund dafür, für den Gefahrübergang beim Grundstückskauf die Eigentumsumschreibung und die Übergabe zu verlangen.119 Ihm ging es in erster Linie darum, dass der Verkäufer die gesamte Leistung bewirken, also außer der Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung auch die Verpflichtung zur Besitzübertragung erfüllen müsse. In der Begründung des Gefahrübergangs beim Grundstückskauf kommt dann auch zum Ausdruck, was sich bereits sinngemäß aus v. Kübels vorheriger Begründung des Gefahrübergangs mit Übergabe ergibt: Weil der Verkäufer durch die bloße Übergabe die ihm nach dem Vertrage obliegende Verpflichtung ebenso wenig vollständig erfülle wie durch die bloße Übertragung des Eigentums, „ohne solche Erfüllung aber … von der Gefahr nicht befreit wird“, bedürfe es eines Zusammentreffens von Übergabe und Übereignung, um diesen Erfolg zu bewirken.120 Deshalb sei auch der Vorschlag abzulehnen, es für den Gefahrübergang beim Grundstückskauf alternativ auf die Erfüllung der Übergabe-Pflicht oder auf die Eintragung ins Grundbuch ankommen zu lassen.121 Weil nach v. Kübels Vorschlag die Übergabe die vollständige Erfüllung der Verkäuferleistung bezwecken und bewirken sollte, lag es nahe, der vorläufigen Übergabe beim aufschiebend bedingten Kauf (noch) keine gefahrüberwälzende Wirkung zuzuschreiben, falls die übergebene Sache hiernach, aber vor Bedingungseintritt beim Käufer zufällig beschädigt oder zerstört wurde.122 Denn eine zu erfüllende Verbindlichkeit des Verkäufers besteht nicht, solange die Bedingung nicht (rück-

118 

Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1073. 119  In den späteren Beratungen wurde die Übergabe allerdings

gerade mit der Begründung (alternativ zur Übereignung) für ausreichend gehalten, dass es unbillig gegen den Verkäufer wäre, ihn weiter die Gefahr tragen zu lassen, obwohl er infolge der Übergabe selbst nicht mehr in der Lage sei, für die Sicherheit des Grundstücks zu sorgen; dazu unten: B.II.1.c)i)1)(a) (bei Fn. 103) und B.II.1.c)ii)1) (bei Fn. 203). 120  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1073 f. v. Kübel betonte in diesem Zusammenhang den Übergang des Kaufrechts vom Eviktions- zum Rechtsverschaffungssystem, wonach der Verkäufer regelrechte Eigentumsübertragung schuldet. Bei Schubert  (1980) – Vorlagen, SchuldR II, S. 28 heißt es, dass beim Grundstückskauf außer der Übergabe die „nach den gesetzlichen Vorschriften zur Eintragung des Käufers als Eigenthümers in das Grundbuch seinerseits [seitens des Verkäufers] erforderlichen Handlungen (Erklärungen) vorgenommen“ sein müssten. 121  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1073. Dagegen wurde außerdem vorgebracht, dass solch eine Regelung zu Schwierigkeiten beim doppelten Verkauf desselben Grundstücks führen könne, wenn der eine Käufer ins Grundbuch eingetragen, dem anderen das Grundstück übergeben wurde. Hierzu noch bei Fn. 161. 122  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1078.



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wirkend) eingetreten íst. Zur Lösung dieses Spezialproblems sah v. Kübel allerdings ausdrücklich noch Beratungsbedarf.123 Für besonders begründungsbedürftig hielt v. Kübel seinen Regelungsvorschlag außerdem noch im Hinblick darauf, dass der Käufer bei teilweiser (zufälliger) Unmöglichkeit der Erfüllung seitens des Verkäufers, die sich sowohl auf die Qualität als auch auf die Quantität der Leistung beziehen konnte, das Recht haben sollte, vom ganzen Vertrag abzugehen124.125 Dies sollte aber – in Anlehnung an die Bestimmung des prALR, wonach bei einer nachträglichen Veränderung der Umstände, die zwar nicht die Leistung als solche, aber die Erreichung eines ausdrücklich vereinbarten oder dem Vertrag zugrunde gelegten „Endzwecks“ unmöglich machte, jede Partei vom Vertrag sollte abgehen dürfen126 – nur dann gelten, „wenn die theilweise Unmöglichkeit der Leistung eine solche ist, daß der übrige Theil, welcher noch geleistet werden kann, nicht mehr als das gelten kann, was gekauft werden sollte, daß die Sache zu dem ihrer Bestimmung entsprechenden Gebrauch nicht mehr tauglich, daß sie durch den theilweisen Untergang in ihrem Wesen verändert ist“.

Schließlich stellte v. Kübel zur Begründung seines Vorschlags, dass die Ware beim Versendungskauf grundsätzlich auf Risiko des Verkäufers reisen solle (Thesis V)127, klar, dass die Übergabe an die Transportperson o.ä. durchaus nicht – wie in den Begründungen der meisten deutschen Gesetze, die dem Traditionsprinzip bereits gefolgt waren, vorgesehen – der Übergabe an den Käufer gleichstehe.128 Entscheidend sei, dass der Verkäufer zusätzlich zu seiner Hauptverbindlichkeit aus dem Kauf eine (Neben-)Verpflichtung übernehme, wenn er sich die verkaufte Sache an einen anderen Ort als den Erfüllungsort zu schicken verpflichte. Die Erfüllung dieser Verbindlichkeit (durch Absenden der Ware) ändere nichts daran, dass die Hauptverbindlichkeit aus dem Kauf erst mit der Übertragung des Eigentums und der Übergabe der verkauften Sache an den Käufer erfüllt ist.129 Der Redaktor 123  Die Erste Kommission lehnte es ab, eine Spezialregelung für diesen Sonderfall in das Gesetz aufzunehmen. Dazu unten bei Fn. 136 sowie bei und nach Fn. 170. 124  Zu diesem Vorschlag oben: B.II.1.c)i)1) (in Fn. 85) und unten: B.II.1.c)i)2) (bei Fn. 140). 125  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1075–1077. 126  Zu dieser Vorschrift (prALR I. 5 § 378 ALR), die entwicklungsgeschichtlich in den Zusammenhang der Geschäftsgrundlagenlehre, genauer: der Lehre von der clausula rebus sic stantibus, einzuordnen ist, siehe Meyer-Pritzl in HKK (2007) – BGB, § 313 Rn. 5; Finkenauer in: MüKo (2012) – BGB, § 313 Rn. 20. 127  Dazu oben: B.II.1.c)i)1) (in Fn. 85). 128  Um etwas anderes ging es v. Jhering. Auch er hatte in seiner Lieferungstheorie zwar die Begriffe „Übergabe“, „Lieferung“ und „Erfüllung“ in eins gesetzt. Er meinte damit aber nicht, dass die Übergabe an den Transporteur bei der Schickschuld dasselbe sei wie die Übergabe an den Käufer, sondern dass es sich dabei um die maßgebliche Leistungshandlung handele; dazu oben: B. I. 4.c)ii) (bei Fn. 461). v. Kübel kam es dagegen auf die vollständige Erfüllung, also den Eintritt des Leistungserfolges und damit nicht auf die Erbringung, sondern auf die Bewirkung der Leistung an. Die Übergabepflicht ist natürlich erst erfüllt, wenn die versandte Sache beim Käufer anmommt. 129  Schubert  (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1081 f. mit Kritik an der im Rahmen von v. Jherings Erfüllungstheorie (zum Gefahrübergang beim Gattungskauf) gebräuchlichen Terminologie, dass der Versendungskauf mit Absenden der Ware erfüllt sei (und deshalb die Gefahr übergehe).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

war sich dabei bewusst, dass der Parteiwille häufig einen anderen Inhalt haben werde, nämlich dass der Verkäufer mit der Verpflichtung zur Versendung der Ware nicht zugleich das Transportrisiko übernehmen wolle. Gerade weil es den Parteien überlassen sei, (ausdrücklich oder stillschweigend) Abweichendes vertraglich zu vereinbaren, bevorzugte er aus Gründen der Regelungsklarheit und -stringenz eine gesetzliche Gefahrbelastung des Verkäufers.130 Im Übrigen bezweifelte v. Kübel, dass außerhalb des Handelsrechts überhaupt Bedarf an einer Regelung über den Versendungskauf bestehe.131 Dass der gefahrbelasteten Partei auch die commoda der verkauften Sache zustehen müssten, war seinerzeit weitgehend unstreitig und bedurfte daher keiner ausführlichen Begründung; gleichwohl machte v. Kübel immerhin eine kritische Bemerkung zu der Auffassung, „daß das commodum dem periculum folge“.132

(b) Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass v. Kübel der Ansicht war, der Gefahrübergang beim Kauf sei weder die Konsequenz der bloßen Eigentumsübertragung noch die der bloßen Besitzverschaffung bzw. der Erfüllung einer der beiden Leistungspflichten, sondern die (obligatorische) Gefahr gehe über, wenn und weil der Verkäufer diese seine beiden Hauptverbindlichkeit aus dem Kaufvertrag – Übergabe und Übereignung der verkauften Sache – vollständig erfüllt habe. Nur durch die besitz- und eigentumsverschaffende Übergabe aufgrund eines vollwirksamen Kaufvertrages sollte der Verkäufer demnach die Preisgefahr auf den Käufer abwälzen können, wobei es dem Redaktor auf den Eintritt des Leistungserfolges ankam. Je nach Inhalt der Kaufvereinbarung konnte diese Übergabe auch durch Besitzkonstitut erfolgen. Vor diesem Hintergrund darf das „ökonomische“ Argument, dass diejenige Person mit der Gefahr belastet werden solle, die das Interesse und die Möglichkeit der Erhaltung der Sache hat, nicht dahin verstanden werden, dass die gefahrüberwälzende Übergabe unbedingt verlange, dass die Sache unmittelbar „in die Hände des Käufers gelegt“ wird. Denn das (Billigkeits-)Argument, dass die Gefahr­tragung mit den Bewachungs- oder Sicherungsmöglichkeiten bezüglich der verkauften Sache zusammenhänge, ist in der Begründung v. Kübels nicht ausschlaggebend. 130  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1082: „Es möchte sich daher in erster Linie empfehlen, für die Transportgefahr eine besondere Ausnahmebestimmung überhaupt nicht zu treffen, sondern die Regel auch hier gelten zu lassen, soweit nicht von den Parteien ausdrücklich etwas Anderes vereinbart ist oder aus den Umständen erhellt, daß nach dem Willen und der Absicht der Parteien die Gefahr von dem Käufer getragen werden solle. … Würde man […] auf den stets in erster Linie entscheidenden Willen der Parteien zurückgehen, so würde man damit über die Schwierigkeiten wegkommen, welche anderenfalls die Konstruktion einer derartigen Ausnahmebestimmung darbieten.“ 131  Zu dem Ursprung des Grundsatzes, dass der Käufer beim Versendungskauf die Transportgefahr zu tragen habe, im Handelsbrauch: Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 446, 447 Rn. 10 ff. 132  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1083.



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

133

2)  Vorlage Nr. 32 zum Teilentwurf Obligationenrecht und Erster Entwurf  133 Die Kommission nahm v. Kübels Vorschlag (Nr. 7) weitgehend an.134 Abweichend davon beschloss sie in den Beratungen am 22. und 25. September 1876 allerdings insbesondere, dass das deutsch-rechtliche Prinzip beim Grundstückskauf die Modifikation erleide, „daß der Verkäufer die Gefahr trägt, bis die Sache entweder dem Käufer übergeben oder die Eintragung des Eigenthumsübergangs im Grundbuch erfolgt ist.“135 Die Kommission beschloss außerdem, auf eine besondere Bestimmung über die Gefahr­tragung beim aufschiebend bedingten Kauf zu verzichten136 und dem Verkäufer beim Versendungskauf das Transportrisiko abzunehmen.137 Schließlich sah sie – im Zuge der Beratungen der entsprechenden allgemeinen Bestimmung in TE-OR (Nr. 22) §§ 10, 12138 – davon ab, dem Gläubiger ein Rücktrittsrecht bei nur teilweiser (zufälliger) Unmöglichkeit der Leistung einzuräumen, weil nicht einzusehen sei, warum nur der Gläubiger dieses Recht haben solle, und ein solcher Rechtsbehelf in jedem Fall „erhebliche Komplikationen des Gesetzes im Gefolge hätte“.139 Damit war auch der entsprechende spezielle Regelungsvorschlag des Redaktors zur Gefahr­tragung beim Kauf140 erledigt. Infolge der Entscheidung, die nachträgliche Zufallsverschlechterung der Kaufsache nicht nach den allgemeinen Regeln als Fall der teilweisen Unmöglichkeit, sondern mit dem Gewährleistungsrecht als Sachmangel zu behandeln,141 kam insoweit später allerdings die Wandelung zur Anwendung. Die Vorlage Nr. 32 zum Kauf und Tausch, die v. Kübel im Jahre 1883 als letzte Vorlage zu dem Teilentwurf Obligationenrecht beitrug, sah in § 8 – auf der Grund133 

Mot. II, S. 322 ff. (zu E I § 463). Traditionsprinzip setzte sich in der Abstimmung über einen Antrag, wonach für den Stückkauf abweichend von der Vorlage das römisch-rechtliche Gefahrtragungsprinzip gelten solle, mit sieben gegen vier Stimmen durch, dazu Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 78 mit. Fn. 2. 135  Schubert  (1980) – Vorlagen, SchuldR II, S. 25–29 (§ 8); Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 78–82; Hervorhebung d. Verf. 136  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 85 f. 137  Schubert  (1980) – Vorlagen, SchuldR II, S. 33–37 (§ 9). Zu TE-OR (Nr. 32) § 9 und E I § 465 siehe: Schubert  (1980) – Vorlagen, SchuldR II, S. 2 (TE-OR (Nr. 32) § 9), Jakobs/ Schubert (1980) – SchuldR II, S. 92 (E I § 465). Siehe auch das von v. Kübel formulierte Ergebnis der Beratungen bei Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 80–82. 138  TE-OR (Nr. 22) § 10 im Wortlaut oben: B.II.1.a) (in Fn. 15). § 12: „Anstatt des in § 10 bezeichneten Minderungsanpruchs kann der Gäubiger von dem gegenseitigen Vertrage zurücktreten, wenn anzunehmen ist, daß er diesen nicht geschlossen hätte, falls die eingetretene theilweise Unmöglichkeit schon zur Zeit der Schließung des Vertrages in Aussicht gestanden hätte.“; Jakobs/ Schubert (1978) – SchuldR I, S. 215. Im Zusammenhang abgedruckt auch bei Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 50 mit Fn. 278. 139  Vgl. die Begründung der Ersten Kommission bei Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 216 f. und Mot. II, S. 208 (zu E I § 368); dazu auch Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 50; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 15. 140 Zu diesem Vorschlag des Redaktors: B.II.1.c)i)1) (in Fn. 85) und B.II.1.c)i)1)(a) (bei Fn. 125). 141  Ausführlich dazu: B.II.2.b). 134  Das

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

lage der Beratungen der Kommission über die Vorlage Nr. 7 von 1876 – für die Gefahr­tragung vor:142 1. Der Verkäufer trägt die Gefahr des zufälligen Unterganges und der zufälligen Verschlechterung der verkauften Sache nach Maßgabe der Vorschriften in §§. 189, 190 [der Zusammenstellung der Beschlüsse143] bis zu der Uebergabe der verkauften Sache an den Käufer, im Falle des Verkaufs einer unbeweglichen Sache aber, bis die Sache entweder dem Käufer übergeben, oder die Eintragung des Eigenthumsüberganges auf den Käufer im Grundbuch erfolgt ist. 2. Insolange als die Gefahr bei dem Verkäufer bleibt, kommen ihm auch die Früchte und sonstigen Nutzungen der verkauften Sache zu. 3. Wird bei einem unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossenen Kaufvertrag während schwebender Bedingung die verkaufte Sache dem Käufer übergeben, so geht hierdurch, wenn nicht etwas Anderes vereinbart ist, die Gefahr des zufälligen Unterganges und der Verschlechterung der Sache auf den Käufer nicht über. Auf die Gefahr­tragung beim Kauf ging der Redaktor noch in einem anderen Zusammenhang ein, nämlich in der Begründung des Abschnitts über den „Kauf auf Besicht oder Probe“ (TEOR (Nr. 32) §§ 19–21).144 Weil dieser (im Zweifel) als unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen gelte, sei die „Ausfolgung der Sache an den Käufer zur Besichtigung und Prüfung ein hinsichtlich der Gefahrüberwälzung irrelevanter Umstand“. Auch hier machte sich bemerkbar, dass v. Kübel der Ansicht war, die Gefahr gehe beim Kauf mit der Übergabe (nur) über, wenn und weil der Verkäufer damit seine Leistungspflicht vollständig erfülle: „Denn wenn auch die gegenseitigen rechtlichen Wirkungen des Kaufvertrages [im Fall der Billigung durch den Käufer] auf die Zeit des Abschlusses des Kaufs auf Probe zurückbezogen werden, so bezieht sich dies auf die beiderseitigen obligatorischen Verpflichtungen und Rechte. Die Uebergabe zum Zweck der Prüfung und Besichtigung kann aber selbstverständlich nicht rückwärts zur Eigenthumsübertragung werden, sondern nur erst jetzt durch brevi manu traditio. Erst jetzt kann also die Gefahr auf den Käufer übergehen.“ Die Gefahr sollte also erst und nur mit der Billigung durch den Käufer übergehen, weil erst dann (auch) das Eigentum überging und der Kauf damit vollständig, d. h. auch die Pflicht zur Eigentumsübertragung, erfüllt wurde.

142 

S. 82.

Schubert  (1980) – Vorlagen, SchuldR II, S. 2; Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II,

143  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 82 mit Fn. 7. Ausgedrückt war in den §§ 189, 190 das Prinzip, dass im gegenseitigen Vertrag jede Partei die Gefahr der Gegenleistung bis zur Erfüllung der ihr obliegenden Leistung trägt, und zwar dadurch, dass die gänzliche oder teilweise Unmöglichkeit der Leistung zwar schuldbefreiend wirkt, aber auch zu einem entsprechenden Ausschluss des Anspruchs auf die Gegenleistung führt (vgl. E I §§ 237, 368, 368a, E II §§ 232, 235 Abs. 1, 274, 275 und die später Gesetz gewordenen §§ 275, 323, 324 a. F. sowie die heutige Regelung in den §§ 275, 326), dazu Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 218 ff. 144  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR II, S. 56.



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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Das Ergebnis der weiteren Beratungen war § 463 des Ersten Entwurfs aus dem Jahre 1887; dieser lautete:145 1. Der Verkäufer trägt die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung sowie der Lasten der verkauften Sache bis zur Uebergabe der letzteren an den Käufer. Bis zur Uebergabe gebühren dem Verkäufer die Nutzungen der Sache. 2. Ist bei dem Verkaufe eines Grundstücks die Eintragung des Eigenthumsüberganges in das Grundbuch vor der Uebergabe erfolgt, so treten die im ersten Absatz bezeichneten Wirkungen schon mit dem Zeitpunkte der Eintragung ein. 3. …146

(a) Begründung Hinsichtlich der Regelung der Gefahr­tragung beim Versendungskauf (Thesis V der Vorlage Nr. 7, TE-OR (Nr. 32) § 9147) hielt es die Erste Kommission angesichts eben jenen mutmaßlichen Parteiwillens, dessen selbstverständlicher Vorrang es v. Kübel gerechtfertigt erscheinen ließ, dass das Gesetz aus dogmatischen Gründen und im Interesse der Regelungsklarheit (dispositiv) einen anderen Grundsatz bestimmen sollte,148 für vorzugswürdig, grundsätzlich den Käufer die Transportgefahr tragen zu lassen (E I § 465149).150 Es wurde also der generalisierte mutmaßliche Parteiwille bzw. der entsprechende Handelsbrauch kodifiziert (§ 447 a. F.). Auf diese Weise wurde das Regel-Ausnahme-Verhältnis im Vergleich zur Vorlage Nr. 7 umgekehrt und hingenommen, dass sich die gesetzliche Regelung der Gefahr­tragung beim Versendungskauf nicht mehr auf dasselbe Prinzip zurückführen lässt wie der Gefahrübergang in allen anderen Fällen des Kaufs. Außer der typischen Interessenlage beim Versendungskauf war dafür die Übereinstimmung mit der entsprechenden Regelung des Handels(kauf)rechts (Art. 345 ADHGB) ausschlaggebend, da der Versendungskauf in der Praxis seinerzeit ohnehin regelmäßig Handelskauf war.151 145  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 88. 146  E I § 463 Abs. 3 lautete: „Die Vorschriften des ersten

und zweiten Absatzes finden im Falle des Verkaufes eines auf eine Sache sich beziehenden Rechtes, zu dessen Ausübung die Inhabung derselben erforderlich ist, entsprechende Anwendung.“ Die Hinzufügung dieses Absatzes wurde in den Beratungen der Ersten Kommission am 16. 03. 1883 beschlossen, dazu Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 85. Nachdem die Zweite Kommission den Absatz gebilligt hatte (Prot. II, S. 62: „erschien nicht entbehrlich“), wurde er offenbar von der Redaktionskommission gestrichen, vgl. Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 90. 147  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 90 f. Dazu oben: B.II.1.c)i)1) (in Fn. 85). 148  Zum Regelungsvorschlag und seiner Begründung durch den Redaktor oben: B.II.1.c)i)1) (bei und in Fn. 85) und B.II.1.c)i)1)(a) (bei und in Fn. 130). 149  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 92. 150  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR II, S. 36 f. Zu den sonstigen Änderungen, welche die TE-OR (Nr. 32) §§ 9, 10 in den Beratungen der Ersten Kommission erfahren haben, siehe Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 90–92. 151  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 80: In der Abstimmung über die Regelung der Gefahr­tragung beim Handelskauf bemerkten mehrere Mitglieder, dass sie nur deshalb für die

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Die „Prinzipienfestigkeit“ der Gefahr­tragung wurde auch beim Grundstückskauf nicht all zu hoch geschätzt. Denn obwohl erkannt wurde, dass „[v]on dem Grunde des Prinzips aus“ nur die Ansicht „als konsequent bezeichnet werden“ könne, wonach der Gefahrübergang beides, Eintragung ins Grundbuch und Übergabe, erforderte,152 wurde im Ergebnis die Ansicht bevorzugt, dass die Gefahr sowohl mit der Übergabe als auch mit der Grundbucheintragung (wenn diese vor der Übergabe erfolgt) übergehen könne.153 Begründet wurde dies damit, dass es regelmäßig nicht dem Parteiwillen entspreche, den Verkäufer weiterhin mit der Gefahr zu belasten, nachdem der Käufer bereits Eigentümer geworden ist, außerdem würde es dem Wesen des Kaufs als eines Veräußerungsvertrages widerstreben, auf die Tradition, und nur auf die Tradition abzustellen.154 Dass der Käufer, der bereits ab dem Eigentumsübergang die Gefahr zu tragen hat, vor der Tradition zur Überwachung der Sache nicht im Stande ist, sei dagegen unerheblich, weil die dem Verkäufer obliegende Obhut insoweit genügenden Ersatz biete.155 Was als „genügend“ angesehen wurde, ist allerdings zweifelhaft, weil in TE-OR (Nr. 32) § 8 vorgesehen war, dass der Verkäufer die verkaufte Sache bis zur Übergabe mit der Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters zu bewahren habe.156 Dies entspricht im Wesentlichen dem Maßstab der (einfachen) Fahrlässigkeit.157 Die Belastung des Käufers mit der Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung wurde als solche daher gar nicht durch die (Verschuldens-) Haftung des Verkäufers „austariert“; insoweit stieß man sich also durchaus nicht daran, dass Gefahr­tragung und Obhut auseinanderfielen. Es sei Sache des Käufers, das Eigentum am Grundstück nicht ohne die Möglichkeit der Überwachung zu übernehmen,158 worin wiederum das Jhering’sche Verschuldensargument159 anklingt. Schließlich leuchte es auch ein – warum, das wird offengelassen –, dass es für den Gefahrübergang auch nicht auf die Erfüllung

Belastung des Käufers mit der Transportgefahr stimmten, weil sie Wert darauf legten, dass die Übereinstimmung mit dem Handelsgesetzbuch nicht verloren geht. 152  Schubert  (1980) – Vorlagen, SchuldR II, S. 27; vgl. auch Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 81. 153  v. Kübels Versuche, in den Beratungen des Teilentwurfs die in seiner Vorlage Nr. 7 vorgesehene Regelung wieder herzustellen, blieben also erfolglos, dazu: Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 82 f.; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 61. 154  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 83; Mot. II, S. 323. 155  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 83. 156 Dazu Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR II, S. 1 mit Begründung S. 21–24. 157  Zum Haftungsmaßstab des „ordentlichen Hausvaters“ siehe TE-OR (Nr. 13) § 197 bei Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 735 mit Begründung S. 740–756 sowie zu den Beratungen Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR I, S. 236 ff. und Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 276–278 Rn. 79. 158  Mot. II, S. 323. 159  Dazu oben: B. I. 1.c)v).



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sämtlicher ihm obliegender Verpflichtungen durch den Verkäufer ankommen könne.160 Als gewichtiger wurde das Bedenken angesehen, dass es zu Problemen beim Doppelverkauf eines Grundstücks kommen könnte, wenn die Gefahr auf den einen Käufer mit der Übergabe, auf den anderen mit der Eintragung in das Grundbuch übergehen könne. Allerdings seien diese Bedenken „nicht genügend, ein an sich richtiges Prinzip zu opfern“.161 Bemerkenswert ist, dass eine Regelung (Gefahrübergang mit Übergabe oder mit Übereignung), die als „[v]on dem Grunde des Prinzips aus“ (Gefahrübergang mit vollständiger Erfüllung, d. h. Erfüllung der Übergabe- und der Übereignungspflicht) eigentlich inkonsequent162 angesehen wurde, auf einmal als das „richtige Prinzip“ bezeichnet wurde, dessen Befolgung durchaus gewichtige Bedenken auszuräumen geeignet sei. Begründet wurde dies damit, dass es dem „Wesen des Kaufvertrages“, der „regelmäßigen Parteiintention“ und der „rechtsgeschichtlichen Entwicklung“ entspreche, den Käufer mit der Gefahr zu belasten, „wo er, sei es die thatsächliche, sei es (vorher) die rechtliche Herrschaft über die Sache erlangt hat“163. Damit dürfte angesprochen sein, dass der Kauf den Verkäufer lange Zeit nicht zur regelrechten Verschaffung des Eigentums an der verkauften Sache, sondern lediglich dazu verpflichtete, den Käufer in den ungestörten Besitz und Fruchtgenuss zu versetzen und darin zu erhalten (wenn ein Dritter dem Käufer das Eigentum streitig machte, hatte der Verkäufer dem Käufer beizustehen und haftete ihm im Fall der Eviktion).164 Weil das Bürgerliche Gesetzbuch stattdessen das Rechtsverschaffungsprinzip verwirklichte165 und v. Kübel formal-erfüllungstheoretisch argumentierte, war es von seinem Standpunkt aus konsequent, auch die Erfüllung der Eigentumsverschaffungspflicht für den Gefahrübergang zu fordern.166 Demgegenüber war die Mehrheit der Ersten Kommission offenbar der Meinung, beim Kauf gehe es nach wie vor im Wesentlichen darum, dass der Käufer in die Lage versetzt werde, die verkaufte Sache für sich zu haben und zu nutzen, und dies sei nach der Übergabe regelmäßig auch dann der Fall, auch wenn er das Eigentum noch nicht erworben habe. 160  Jakobs/Schubert (1980) – 161  Jakobs/Schubert (1980) –

SchuldR II, S. 83; Mot. II, S. 323 („augenscheinlich“). SchuldR II, S. 84; Mot. II, S. 323 f. Hierzu bereits in Fn. 121. 162 Vgl. Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR II, S. 27; Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 81. 163  Mot. II, S. 324. 164  In den Beratungen des BGB drückt sich dies vor allem in der Diskussion über die Fassung der letztlich mit § 433 Abs. 1 a. F. Gesetz gewordenen Bestimmung über die Verpflichtungen des Verkäufers aus. Nachdem das Rechtsverschaffungsprinzip angenommen worden war, wurde darüber beraten, wie am besten zum Ausdruck zu bringen sei, dass nicht nur formal das Eigentum, sondern darüber hinaus auch die tatsächliche Herrschaft über die Sache zu verschaffen ist. Dazu bereits: B.II.1.b)ii). Zur Begründung der Übergabe-Verpflichtung in E I § 459 siehe auch Mot. II, S. 317 und zur entsprechenden Begründung zu E  II  375 siehe Prot.  II, S. 52. Siehe auch oben: B.II.1.c)i)1)(a) (in Fn. 117). 165  Dazu oben: B.II.1.b)i). 166 Dazu Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1074.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Würde der Gedanke, dass der Käufer die Gefahr übernehmen müsse, „wo er, sei es die thatsächliche, sei es (vorher) die rechtliche Herrschaft über die Sache erlangt hat“, dem „Wesen des Kaufvertrages“ entsprechen, hätte man ihn freilich auch auf den Kauf beweglicher Sachen anwenden müssen mit der Folge, dass auch dort eine ohne (körperliche) Übergabe zu vollziehende Übereignung (Anwendungsfälle der späteren §§ 930, 931) den Gefahrübergang bewirkt hätte.167 Darüber diskutierten die Gesetzesverfasser aber nicht, weil sie beim Kauf beweglicher Sachen ohnehin den „Normalfall“ im Sinn hatten, bei dem die Übergabe zugleich Besitz und Eigentum verschafft. Der Kommissionsbeschluss zur Regelung der Gefahr­ tragung beim Grundstückskauf führte dazu, dass der in § 8 Abs. 1 der Vorlage Nr. 32 zu TE-OR noch vorgesehene Verweis auf die §§ 189, 190168 insgesamt gestrichen wurde.169 Damit wurde die ausdrückliche Verbindung zwischen der Gefahr­tragung beim Kauf und der Grundregel für den gegenseitigen Vertrag, nach welcher der Schuldner die Gefahr der Gegenleistung bis zur vollständigen Erfüllung der ihm obliegenden Leistungspflicht zu tragen hat (vgl. § 323 Abs. 1 a. F., § 326 Abs. 1), im Wortlaut der Norm gekappt. Interessanterweise orientierte sich die Kommission bei der Begründung der Gefahr­tragung im Übrigen gleichwohl an dem von v. Kübel formulierten Prinzip, dass für die Gefahr­tragung die Übergabe „wesentlich als Erfüllung“ des Kaufvertrages in Betracht komme, so etwa zur Begründung der Gefahr­tragung (des Verkäufers) beim suspensiv bedingten Kauf170. Allerdings verzichtete die Kommission in der Sitzung vom 16. März 1883 darauf, diesen Fall überhaupt gesetzlich zu regeln.171 Ausschlaggebend dafür war, dass im Sachenrecht-Entwurf seinerzeit noch vorgesehen war, dass die Eigentumsübertragung unter einer aufschiebenden Bedingung unzulässig sei und die unter solch einer Bedingung erfolgte Übergabe dem Käufer deshalb ohne weiteres Eigentum verschaffe.172 Zu diesem Grundsatz des Sachenrechts wollte man sich nicht durch eine schuldrechtliche Regelung in Widerspruch setzen.173 Der auf v. Kübel zurückgehende Regelungsvorschlag174 hatte aber gar nicht die aufschiebend bedingte Übertragung des Eigentums (der dinglichen Einigung) zum Gegenstand, sondern bezog sich auf die Übergabe aufgrund einer aufschiebend bedingten obligatorischen Eini167  Mit der „rechtsgeschichtlichen Entwicklung“ und der „regelmäßigen Parteiintention“ hätte sich eine unterschiedliche Behandlung vom Kauf beweglicher und unbeweglicher Sachen dagegen rechtfertigen lassen. 168  Siehe dazu: B.II.1.c)i)2) (in Fn. 143). 169  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 87 a. E. 170  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR II, S. 31. 171  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 86. Die Klärung der Frage sollte Wissenschaft und Praxis überlassen bleiben, Mot. II, S. 324. 172  TE-SachR § 137, siehe Schubert (1982) – Vorlagen, SachenR I, S. 36 mit Begründung S. 903–930 sowie Jakobs/Schubert (1985) – SachenR I, S. 586. 173  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 86. 174  Dazu oben: B.II.1.c)i)1)(a) (bei Fn. 122).



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gung über den Abschluss des Kaufvertrages. Die sachenrechtlichen Regelungsvorschläge über die Unwirksamkeit der Bedingung der Eigentumsübertragung hatte der Redaktor Johow durchaus in der Annahme entworfen, „daß die Bedingtheit des dinglichen Vertrages völlig unabhängig neben der Bedingtheit der causa herläuft“.175 Auch hatte sich seinerzeit bereits das Abstraktionsprinzip gegen das Kausalprinzip durchgesetzt,176 so dass die Bedingtheit des Kausalgeschäfts nicht der Bedingtheit der Eigentumsübertragung gleichkam.177 Was für die Kommission gegen die Gefahr­tragung des Verkäufers ab Übergabe aufgrund eines aufschiebend bedingten Kaufs sprach, war denn auch, dass solch eine Regelung im Vergleich zu der Bestimmung des Sachenrecht-Entwurfs „der bedingten Eigenthumstradition unter den Parteien die entgegengesetzte Wirkung in Ansehung der Tragung der Gefahr beilege“178. Mit der „entgegengesetzten Wirkung“ war wohl gemeint, dass der Käufer zwar ungeachtet der Bedingtheit des Übertragungsakts das Eigentum erwerbe (und deshalb die Sachgefahr zu tragen habe), bei gleichzeitiger Bedingtheit des Kaufvertrages der Verkäufer aber vorläufig (bis zum Bedingungseintritt) mit der Gefahr (der Gegenleistung) belastet bliebe, wenn man die entsprechende schuldrechtliche Regelung beibehalten hätte. Man wollte also keine Regelung treffen, wonach die Bedingung des schuldrechtlichen Vertrages dem Übergang der (Preis-)Gefahr (mit Übergabe) entgegengestanden hätte, während eine Bedingung der dinglichen Einigung den Übergang des Eigentums (und damit der Sachgefahr) nicht hinderte.179 Unharmonisch kann solch ein Auseinanderfallen von Eigentum und Gefahr allerdings nur dem vorkommen, der – anders als v. Kübel – nicht erkannt hat, dass die Tragung der obligatorischen Gefahr zumindest nicht aus dogmatischen Gründen die Konsequenz der (sachenrechtlichen) Eigentumslage ist.

Die Kommission bestimmte allerdings auch nicht Gegenteiliges, sie sah schlicht von einer gesetzlichen Regelung der Gefahr­ tragung beim bedingten Kauf ab und überließ dies der Vertragsgestaltung der Parteien. In den Beratungen des Sachenrecht-Entwurfs wurde ein gutes Jahr später (Sitzung vom 30. Mai 1884) TE-SachR § 137, wonach die Bedingung der Eigentumsübertragung unwirksam sei, ersatzlos gestrichen.180 Zwar verfolge der Entwurf den Zweck, „Besitz und Eigenthum, soweit möglich, zusammenzuhalten“; er müsse indes anerkennen, „[d]aß man die Betheiligten nicht werde abhalten können, auch künftig nach wie vor bedingt zu tradiren“. Ausschlaggebend dafür, einen bedingten Eigentumswechsel zuzulassen, war, „daß die Bedenken der Motive, welche in der Irreführung Dritter beruhten“, größtenteils durch die Einführung der Vorschriften über den gut175 

Schubert (1982) – Vorlagen, SachenR I, S. 904. Die Eigentumsübertragung verlange, „daß der Eigenthümer und der Erwerber ihren auf diese Rechtsänderung gerichteten Willen einander erklären“, also einen „Eigenthumsübertragungsvertrag, eine Art des dinglichen Vertrages“ schließen, dessen gesetzlich vorgeschriebene Form die Übergabe sei, Schubert (1982) – Vorlagen, SachenR I, S. 874. Zur Natur des dinglichen Vertrages sowie zur allgemeinen Verwerfung der Lehre von titulus und modus: Schubert (1982) – Vorlagen, SachenR I, S. 217 f, 757–763. 177  So heißt es auch in den Motiven, dass der Vorbehalt des Eigentums den obligatorischen Vertrag nicht zu einem bedingten mache, sondern ihn unberührt lasse und lediglich das dingliche Geschäft beeinflussen könne, Mot. II, S. 319. 178  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 86. 179  Das entspricht allerdings nicht der Situation der Lieferung verkaufter Ware unter Eigentumsvorbehalt, wobei der Kaufvertrag unbedingt geschlossen wird. 180  Jakobs/Schubert (1985) – SachenR I, S. 586–588. 176 

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gläubigen Eigentumserwerb ausgeräumt worden seien.181 Sachenrechtlich wurde also durchaus mit Blick auf die Verteilung der Sachgefahr mit dem Auseinanderfallen von Besitz182 und Eigentum gerechnet; Auswirkungen auf die Beratungen des Gefahrübergangs beim Kauf hatte dies – außer beim Grundstückskauf – nach der Streichung des TE-OR (Nr. 32) § 8 Abs. 3 indes nicht mehr.

(b) Zusammenfassung Die systematische Geschlossenheit der gesetzlichen Regelungen über die Gefahr­ tragung beim Kauf (Gefahrtragung des Verkäufers bis zur Bewirkung seiner Leistung) wurde in den Beratungen der Ersten Kommission zerrissen, indem insbesondere für den Versendungs- und den Grundstückskauf mit Verweis auf den typischen Parteiwillen abweichende Regeln in das Gesetz aufgenommen wurden. Auch wenn die Kommission davon ausging, dass die Übergabe im Wesentlichen als Erfüllung des Kaufvertrages den Gefahrübergang bewirke, scheint in den Beratungen verschiedentlich die Ansicht durch, die Gefahr müsse jedenfalls mit dem Eigentum auf den Käufer übergehen, auch wenn die Eigentumsübertragung allein noch keine Erfüllung des Kaufvertrages bewirke. Man ging zumindest davon aus, dass solch eine Gefahrverteilung regelmäßig im Interesse der Parteien liege. Die Regelung des „Grundfalls“ des Gefahrübergangs auf den Käufer mit der Übergabe der verkauften Sache (E I § 463 Abs. 1 S. 1) wurde, nachdem sie sich prinzipiell gegen das römisch-rechtliche periculum emptoris durchgesetzt hatte, nicht weiter in Frage gestellt, allerdings auch nicht weiter sachlich begründet. Insoweit darf deshalb die Begründung v. Kübels zu der entsprechenden Vorlage als maßgeblich gelten: Die Entlastung des Verkäufers von der Preisgefahr wird demnach durch die Erfüllung des Kaufvertrages seitens des Verkäufers bewirkt. Die zur Begründung der alternativen Anknüpfung des Gefahrübergangs (nur) beim Grundstückskauf an die Übergabe oder die Grundbucheintragung protokollierte Bemerkung, es leuchte ein, „daß es nicht statthaft sei, den Uebergang der Gefahr von der Erfüllung aller dem Verkäufer obliegenden Verpflichtungen abhängig zu machen“183, vermag dies nicht zu erschüttern. Denn damit ist nur gesagt, dass es 181  Jakobs/Schubert (1985) – SachenR I, S. 588. 182  Es wurde allerdings bezweifelt, „ob die Beifügung

einer aufschiebenden Bedingung wegen des Erfordernisses der Eigenbesitzübertragung überhaupt möglich sei (…), weil es dem Sinn der Suspensivbedingung entspreche, daß der Veräußerer Besitzer bleiben und den Erwerber nur zum Inhaber machen wolle, der … Annahme einer die Bedingung in sich aufnehmenden Besitzübergabe aber das Bedenken entgegenstehe, ob die Besitzübergabe ein Rechtsgeschäft und mithin für die Hinzufügung einer Bedingung empfänglich sei, und ob die thatsächliche Natur des Besitzes einen bedingten Besitz zulasse.“; Jakobs/Schubert  (1985) – SachenR I, S. 587. Daran ist zu erkennen, dass „Besitz“ im Rahmen der Eigentumserwerbstatbestände des Mobiliarsachenrechts ausschließlich „Eigenbesitz“ meint, dazu sowie zu der Möglichkeit, die Übertragung des Eigenbesitzes von einer Bedingung abhängig zu machen: Ernst  (1992) – Eigenbesitz, S. 3–23 sowie S. 75–77. Siehe auch bereits bei und nach Fn. 60. 183  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 83; Mot. II, S. 323.



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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aus bestimmten Gründen184 nicht auf die Erfüllung der Eigentumsverschaffungspflicht ankommt. Dagegen zweifelte die Erste Kommission nicht daran, dass es sonst im Einklang mit dem Prinzip, dass im gegenseitigen Vertrag jede Partei die Gefahr der Gegenleistung bis zu der Erfüllung der ihr obliegenden Leistung zu tragen hat, bei der gefahrüberwälzenden Übergabe durchaus um die Erfüllung der Verkäuferpflichten ging. Eine klare Sprache sprechen insofern die Motive185: Wegen seiner Wichtigkeit habe das in E I § 368186 ausgesprochene Prinzip beim Kauf umso mehr ausgesprochen werden müssen, „als es in Ansehung des Grundstückskaufs besonderer Regelung bedarf“. Dabei ist zu beachten, dass der besondere Regelungsbedarf beim Grundstückskauf sich allein daraus ergab, dass die Übergabe für die Übertragung des Eigentums keine Rolle spielt, weil an die Stelle der Besitzverschaffung im Rahmen des Übereignungstatbestandes die Eintragung in das Grundbuch tritt. Es kann deshalb das Eigentum ohne den Besitz übertragen, mithin die Eigentumsverschaffungspflicht erfüllt werden, ohne dass zugleich auch die Besitzverschaffungspflicht erfüllt wird. Ausdrücklich haben die Gesetzesverfasser daher nur beim Grundstückskauf hinsichtlich der Verteilung der obligatorischen Gefahr mit dem Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz187 sowie damit, dass es für den Gefahrübergang nicht auf die Erfüllung sämtlicher Verkäuferpflichten ankomme, gerechnet.188 Beim Kauf beweglicher Sachen dagegen gingen sie wie selbstverständlich davon aus, dass die Übergabe zugleich das Eigentum und den Besitz verschaffe und die Regel „Gefahrtragung des Verkäufers bis zur Übergabe“ daher der Regel „Gefahrtragung bis zur Erfüllung“ gleichkomme. Wie bereits erwähnt, nahm die Erste Kommission bei der Beratung der Gefahr­tragung beim Kauf gemäß dem Vorentwurf Sachenrecht auch noch an, dass es unzulässig sei, die dingliche Einigung unter eine Bedingung zu stellen, und dass das Eigentum deshalb ggf. mit der Übergabe unbedingt übertragen werde.189 184  Im Grunde beruht die Regelung des Ersten Entwurfs zum Grundstückskauf auf der Überlegung, dass es einerseits dem regelmäßigen Interesse der Kaufparteien widersprechen würde, wenn der Verkäufer die Gefahr noch tragen müsste, nachdem der Käufer bereits ins Grundbuch eingetragen ist (dazu Mot. II, S. 323, 324), und dass es andererseits dem Gefahrübergang genügen müsse, dass der Käufer (durch Übergabe) die tatsächliche Herrschaft über das Grundstück erlangt. 185  Mot. II, S. 322. 186  Zum Wortlaut in Fn. 17. 187  Deshalb ist übrigens auch die Kritik von Westermann an Reinhardt in MüKo (2012) – BGB, § 446 Rn. 1 nicht einwandfrei. Zuzugeben ist freilich, dass auf Grund der Beratungen über die Gefahr­tragung beim Grundstückskauf zu vermuten ist, dass die Verfasser des BGB, wenn sie auch bei der Übergabe aufgrund des Verkaufs einer beweglichen Sache mit einem Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz gerechnet hätten, den Gefahrübergang an die Besitzverschaffung geknüpft hätten. 188  Jedenfalls wurde dies nur im Zusammenhang mit der Gefahr­tragung beim Grundstückskauf geäußert, während es im Übrigen, insbesondere in den Motiven (Mot. II, S. 322), hieß, der Satz, dass der Verkäufer die Gefahr bis zur Übergabe tragen müsse, sei nur der besondere Ausspruch des in E I § 368 ausgesprochenen synallagmatischen Gefahr­tragungsprinzips. 189  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 86.

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ii)  Vorkommission des Reichsjustizamtes und Zweite Kommission Die Beratungen der Zweiten BGB-Kommission, die selbst viel zu groß und schwerfällig war, um den Ersten Entwurf grundlegend zu ändern,190 wurden vorbereitet und maßgeblich beeinflusst durch die Vorkommission des Reichsjustizamtes (RJA). Die Zweite Kommission legte im Jahre 1895 den Zweiten Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich (E II) nebst Protokollen191 vor. Nach redaktionstechnischer Überarbeitung dieses Entwurfs durch die sog. Redaktionskommission, über deren Beratungen bis heute wenig bekannt ist, wurde er dem Bundesrat überreicht (sog. Bundesratsvorlage) und gelangte somit in das förmliche Gesetzgebungsverfahren.192 Aus den Beratungen des Justizausschusses des Bundesrates ging ohne wesentliche Änderungen 1896 der Dritte Entwurf (E III, nebst Denkschrift193) hervor, der Grundlage der Beschlussfassung im Reichstag wurde. Bereits am 1. Juli 1896 wurde das Bürgerliche Gesetzbuch verabschiedet. Nach seiner Verkündung vom 18. August 1896 trat es am 1. Januar 1900 in Kraft. Die Fassung des E II § 387 aus dem Jahres 1895 entsprach bereits der letztlich Gesetz gewordenen Fassung des § 446 a. F.:194 1. Mit der Übergabe der verkauften Sache geht die Gefahr des zufälligen Untergangs und einer zufälligen Verschlechterung auf den Käufer über. Von der Uebergabe an gebühren dem Käufer die Nutzungen und trägt er die Lasten der Sache. 2. Wird der Käufer eines Grundstücks vor der Uebergabe als Eigenthümer in das Grundbuch eingetragen, so treten diese Wirkungen mit der Eintragung ein.

1) Begründung Bereits in der Vorkommission des Reichsjustizamtes hatte Struckmann eine Fassung der Regelung des E I § 463 beantragt, die den Blickwinkel auf die Gefahr­ tragung ein wenig veränderte. Demnach hatte nicht der Verkäufer bis zur Übergabe die Gefahr zu tragen, sondern die Gefahr ging (bereits) mit der Übergabe auf den Käufer über.195 Auch wenn über diesen Vorschlag in der Vorkommission nicht beraten wurde196, die Zweite Kommission197 ihn ablehnte und es über die

190 

Schulte-Nölke NJW 1996, 1705 (1707). Siehe Fn. 10. 192 Dazu Säcker in: MüKo (2012) – BGB, Einl. Rn. 9. Zu den verschiedenen Entwicklungsstufen des Zweiten Entwurfs siehe Maas (1899) – Amtliche Materialien, S. 25 ff. 193 Denkschrift zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs nebst drei Anlagen, ergänzt durch Hinweise auf die Beschlüsse des Reichstages sowie auf die Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuchs und seiner Nebengesetze, 1899, von H. Jäntsch. 194  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 90. 195  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 88. 196  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 89. 197  Prot. II, S. 58–62 (zu E I § 463). 191 



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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Beratungen hieß, § 463 (E I) sei ohne sachliche Änderung beibehalten worden198, orientierte sich der Wortlaut des späteren § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. – wahrscheinlich fiel diese Entscheidung in der Redaktionskommission  – offensichtlich genau an Struckmanns Formulierungsvorschlag. Möglicherweise war folgende Erwägung tragend: Wenn die Gefahrtragung des Verkäufers erst mit der vollständigen Erfüllung der ihm obliegenden Leistung endet, kann von einem „Übergang“ der Gefahr auf den Käufer eigentlich keine Rede sein. Denn dass der Käufer den Kaufpreis auch dann bezahlen muss, wenn die verkaufte Sache nach ihrer vertragsgemäßen Verschaffung Schaden nimmt, liegt nicht daran, dass er die (obligatorische) Gefahr trägt, sondern daran, dass er die Leistung, zu deren Vergütung er verpflichtet ist, erhalten hat (und wenn er hiernach auf dem Sachschaden „sitzen bleibt“, ist dies eine Folge der „dinglichen“ Gefahrtragung.). Bereits die Erste Kommission war aber von v.Kübels Vorschlag, dass der Verkäufer die Gefahr bis zur vollständigen Erfüllung zu tragen habe, zumindest für bestimmte Fälle (Versendungskauf, Grundstückskauf) abgewichen, und soweit der Käufer vor der eigentlichen Erfüllung durch den Verkäufer mit der Gefahr belastet wird, war und ist es zutreffend, von einem „Übergang“ der Gefahr auf ihn zu sprechen.

Von den übrigen in den Beratungen der Kommission für die zweite Lesung zu E I § 463 gestellten Anträgen ist vor allem derjenige von Wolffson von Interesse. Danach sollte der Gefahrübergang beim Grundstückskauf ausschließlich an die Eintragung des Käufers in das Grundbuch geknüpft werden,199 weil dies der Konsequenz des deutschrechtlichen Prinzips entspräche, „daß bei beweglichen Sachen die Uebergabe den Gefahrübergang nur um deswillen bewirke, weil mit ihr zugleich das Eigenthum auf den Käufer übertragen werde“.200 Erst und einzig in diesem Zusammenhang wird bei den Beratungen wieder201 auf die von Svarez vorgebrachte Begründung des Gefahrübergangs mit Übergabe nach dem prALR zurückgegriffen, „daß es unbillig gegen den Verkäufer[202] sein würde, diesen auch dann noch die Gefahr tragen zu lassen, wenn er (in Folge der Uebergabe) nicht mehr in der Lage sei, für die Sicherheit der Sache Sorge zu tragen“.203 Deshalb müsse die Gefahr 198  Jakobs/Schubert (1980) – 199  Jakobs/Schubert (1980) – 200 

Prot. II, S. 61.

201  Gewissermaßen

SchuldR II, S. 90. SchuldR II, S. 89.

hilfsweise hatte bereits v. Kübel sich zur Begründung seiner Vorlage auf dieses Argument berufen, siehe oben: B.II.1.c)i)1)(a) (bei und in Fn. 116). 202  Etwas anders war die Perspektive v. Kübels in der Begründung seiner Vorlage Nr. 7 gewesen. Es ging um die Frage, ob beim Grundstückskauf, bei dem die Übereignung die Übergabe nicht erfordert, die Übertragung des Eigentums ausreichend für die Herbeiführung des Gefahrübergangs sei. Der Redaktor verneinte diese Frage insbesondere mit der Begründung, dass es unbillig gegen den Käufer wäre, wenn er die Gefahr tragen müsste, obwohl er noch nicht in der Lage sei, für die Sicherheit des verkauften Grundstücks zu sorgen. Dazu oben: B.II.1.c)i)1)(a) (bei Fn. 103). Diese Erwägung veranlasste den Redaktor aber durchaus nicht zu der umgekehrten Annahme, dass die Übergabe für sich allein genommen ausreiche, um den Gefahrübergang herbeizuführen. 203  Prot II, S. 62, Hervorhebung d. Verf. Bezug genommen wurde nicht nur auf Svarez, sondern auch auf eine Entscheidung des Reichsgerichts (RG 7, 241 ff.), die an die Begründung von Svarez anknüpfte. Es ging um die Frage, ob die Gefahr der Verschlechterung und des Untergangs eines Grundstücks, das körperlich übergeben worden war, auf den Käufer übergegangen sei, obwohl dieser das Eigentum noch nicht erworben hatte. Der Hintergrund war, dass das prALR den

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auch dann übergehen, wenn der Verkäufer das Grundstück (lediglich) übergeben hat, auch wenn der Eigentumswechsel noch nicht vollzogen wurde.204 Darin liegt nicht unbedingt ein Widerspruch dazu, dass die Erste Kommission es nicht unbillig gegen den Käufer fand, die Gefahr schon ab der Eintragung in das Grundbuch tragen zu müssen, auch wenn das Grundstück ihm noch nicht übergeben und er also nicht zur Überwachung desselben imstande sei205. Denn insoweit stützen die Gesetzesverfasser sich auf die Erwägung, dass die dem Verkäufer obliegende Obhut dem Käufer „genügenden Ersatz“ biete.206 Vor dem Hintergrund, dass die Zweite Kommission die Entscheidung, beim Grundstückskauf für den Gefahrübergang alternativ die Übergabe und die Übereignung ausreichen zu lassen, bekräftigte, mutet es aber geradezu perplex an, dass der Antrag Jakubezkys, E I § 463 zu streichen, da er neben E I § 368 überflüssig sei,207 mit der Begründung abgelehnt wurde, dass „es wünschenswert erscheine, diese wichtige Bestimmung in konkreter Gestaltung bei einem so praktischen Institute, wie es der Kauf sei, besonders auszusprechen“.208 Denn nach dieser Begründung müsste die Gefahr selbstverständlich beim Verkäufer bleiben, solange er den Kaufvertrag nicht vollständig erfüllt, also die verkaufte Sache nicht übergeben und übereignet hat  – es sei denn, man versteht „in konkreter Gestaltung“ und „besonders auszusprechen“ dahin, dass es beim Kauf nicht auf die Erfüllung der dem Verkäufer obliegenden Leistungspflichten, sondern auf die Erreichung eines anderen „Ziels“ ankommen soll209. Allerdings ging (auch) die Zweite Kommission davon aus, dass Grundeigentumserwerb ursprünglich von der Übergabe, seit dem Gesetz vom 05. 05. 1872 jedoch von der Auflassung abhängig machte; vgl. dazu v. Kübels Begründung zur Vorlage Nr. 7 von 1876 (= Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1070 f.). Obwohl Svarez den Gefahrübergang mit Übergabe vor allem als Ausdruck des Prinzips casum sentit dominus verstanden hatte, wurde seine Begründung so zur Grundlage für die Trennung des Übergangs der (obligatorischen) Gefahr vom (dinglichen) Eigentumsübergang. Dazu Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 47, 58, 61 mit Fn. 208. 204  Auch falls die verzögerte Übereignung vertragswidrig sei, geschehe dem Käufer durch die Belastung mit der Gefahr ab Übergabe des Grundstücks kein Unrecht, weil er den Schaden infolge Verschlechterung oder Untergang, der bei rechtzeitiger Erfüllung nicht eingetreten wäre, von dem in Verzug befindlichen Schuldner ersetzt verlangen könne; Prot. II, S. 62. 205  Dazu oben: B.II.1.c)i)2)(a). 206  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 83. Dazu bereits: B.II.1.c)i)2)(a) (bei und in Fn. 155). Darauf, dass sich die „dem Verkäufer obliegende Obhut“ auf die allgemeinen Sorgfaltsanforderungen beschränkte und es deshalb sehr fragwürdig erscheint, ob diese Haftung „genügenden Ersatz“ für die Gefahrbelastung des Käufers bot, wurde a. a. O. bereits hingewiesen. Auch dem entsprechenden Argument, dass eine fortdauernde Gefahrbelastung des Verkäufers nach Übertragung (nur) des Besitzes an der verkauften Sache auf den Käufer unbedenklich sei, weil für ihn Ersatzansprüche gegen den Käufer in Betracht kämen, ist entgegen zu halten, dass der Käufer dem Verkäufer bei Untergang oder Verschlechterung der ihm übergebenen, aber noch nicht übereigneten Sache nur wegen Verschuldens haftet. 207  Siehe dazu Jakubezky (1892) – Bemerkungen, S. 114 (zu E I §§ 463, 464): „Die wegen des Ueberganges der Gefahr in § 368 Abs. 1 gegebene Vorschrift hier für den Kauf zu wiederholen, ist wohl nicht erforderlich“. 208  Prot. II, S. 62, vgl. auch Mot. II, S. 205 f. (zu E I § 368). Zu diesem Widerspruch siehe auch: Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 54; Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 26 f. mit Fn. 26. 209  In der Tat wurde und wird das Gesetz dahin ausgelegt, dass die Gefahr mit der Übergabe



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die Übergabe beim Mobiliarkauf, „sofern nicht einer der Ausnahmefällen vorliege, in denen ein Rechtsmangel den Eigenthumserwerb hindere, die Sache in das Vermögen des Käufers bringe“.210 Weil der Absatz über die Regelung der Gefahr­tragung beim bedingten Kauf vor allem wegen des vermeintlichen Widerspruchs zum Entwurf des Sachenrechts bereits durch die Erste Kommission gestrichen worden war und keine Anträge auf Wiedereinführung einer entsprechenden Vorschrift gestellt wurden, hatte die Zweite Kommission keinen Anlass, sich mit diesem Thema zu befassen. Dabei hätte es durchaus Anlass zur Diskussion gegeben. Denn der Hauptgrund, weswegen die Erste Kommission den Absatz gestrichen hatte, namentlich um sich nicht in „Widerspruch“ zur Unwirksamkeit der Bedingtheit der dinglichen Einigung beim Mobiliarerwerb zu setzen, war inzwischen entfallen.211

Der Entwurf der Gefahr­ tragungsregel für den Versendungskauf durchlief die Vorkommission und die Zweite Kommission ohne sachliche Änderungen (E II § 388212).213

2) Zusammenfassung Die Kommission für die zweite Lesung sah den „Schwerpunkt des [E I] § 463“ in der Frage, wann beim Grundstückskauf Gefahr, Nutzen und Lasten auf den Käufer übergehen,214 und diskutierte die Regelung überhaupt nur noch unter diesem Gesichtspunkt. Die Mehrheit war der Ansicht, dass die Gefahr mit der Übergabe des Grundstücks auch dann auf den Käufer übergehen müsse, wenn er noch nicht in das Grundbuch eingetragen worden ist, und brachte in diesem Zusammenhang das „Behütungsargument“ ins Spiel, dass es unbillig sei, den Verkäufer die Gefahr tragen zu lassen, obwohl er nach Übergabe der verkauften Sache nicht mehr in der Lage sei, für ihre Sicherheit zu sorgen. Bemerkenswert ist, dass v. Kübel dieses Argument noch dazu gedient hatte, zu rechtfertigen, warum die Gefahr beim Grundstückskauf nicht bereits mit dem Eigentumserwerb (vor Übergabe) auf den Käufer übergehen dürfe,215 es aus der Sicht des Redaktors aber durchaus nicht stark genug war, den Gefahrübergang allein mit Übergabe (vor Übereignung) zu tragen. Dass die Gefahr beim Kauf beweglicher Sachen mit der Übergabe übergehe, wurde weder in Frage gestellt noch weiter begründet. Den Beratungen lässt sich entnehmen, dass man davon ausging, dass die Übergabe beim Mobiliarkauf in aller übergehe, wenn und weil damit der „wesentliche wirtschaftliche Erfolg“ des Geschäfts (aus Sicht des Käufers) erreicht werde. Dazu unten: B.II.3.b)i). 210  Prot. II, S. 60 f. – Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. in der Praxis des BGB vor allem bei der Lieferung unter Eigentumsvorbehalt Bedeutung erlangte. 211  Dazu oben: B.II.1.c)i)2)(a) bei und nach Fn. 174. 212  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 93. 213  Prot. II, S. 67 f. 214  Prot. II, S. 60 f. 215  Es war außerdem gegen das römisch-rechtliche periculum emptoris gerichtet gewesen, dass es unbillig gegen den Käufer sei, ihn die Gefahr tragen zu lassen, bevor er für die Sicherheit und den Erhalt der verkauften Sache Sorge tragen kann. Dazu oben: B.II.1.c)i)1)(a) (bei Fn. 103).

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Regel das Eigentum verschaffe. Aus den Ausführungen zum Gefahrübergang beim Grundstückskauf ist aber abzuleiten, dass die Übergabe (auch) beim Kauf beweglicher Sachen gefahrüberwälzende Wirkung auch dann haben sollte, wenn sie (ausnahmsweise) einmal nicht das Eigentum verschafft.216

iii)  Topoi der Gefahrverteilung nach dem BGB von 1900 Nachdem der Gang der Beratungen und die Entwicklung der Argumente chronologisch nachvollzogen wurden, werden im Folgenden die verschiedenen Argumente sachlich geordnet. Das Ziel ist es, die argumentative Gemengelage aufzulösen und eine Übersicht darüber zu gewinnen, welche Erwägungen aus Sicht der Gesetzesverfasser ausschlaggebend dafür waren, den Gefahrübergang beim Kauf an die Übergabe zu knüpfen, und welche Argumente ihnen dazu dienten, diese Entscheidung zu untermauern oder im Einzelfall von ihr abzuweichen. Denn nur auf diese Weise kann der Wille des Gesetzgebers fruchtbar gemacht werden, um Problemstellungen zu bewältigen, die der historische Gesetzgeber nicht konkret bedacht hat.

1)  Unmaßgeblichkeit der Eigentumslage als solcher Rabl sieht bei der Entstehung des BGB von der Vorlage v. Kübels über die Beratungen derselben sowie die Beratungen des Ersten und Zweiten Entwurfs bis hin zu der letztlich Gesetz gewordenen Regelung der Gefahr­tragung beim Kauf (ebenso wie in der Entwicklung des Traditionsprinzips in den deutschsprachigen Privatrechtskodifikationen vom prALR (1794) über das ABGB (1811) bis hin zum BGB (1900)) die Tendenz, den Gefahrübergang schrittweise vom Eigentumsübergang zu emanzipieren.217 Das ist richtig, allerdings muss man in Bezug auf die Entstehung des BGB hinzufügen, dass bereits v. Kübel (infolge Hofmanns) in seinen vorbereitenden Arbeiten für die Erste Kommission die Eigentumslage als solche prinzipiell unmaßgeblich für die Verteilung der obligatorischen Gefahr fand. Denn er kritisierte Svarez gerade deshalb, weil dieser den Gefahrübergang mit Übergabe nach dem prALR mit dem Grundsatz casum sentit dominus begründet hatte. Darüber, dass dem Redaktor bewusst war, dass die Eigentumslage für die obligatorische Gefahr­tragung nicht maßgeblich ist, darf man sich also nicht von dem Umstand täuschen lassen, dass der Redaktor und, ihm folgend, die Erste 216  Vgl. dazu oben: B.II.1.c)i)2)(a) (bei Fn. 187). – In den Jahren nach Inkrafttreten des BGB wurde in der Literatur noch darüber diskutiert, ob „Übergabe“ gem. § 446 Abs. 1 S. 1  a. F. nur die (besitz- und) eigentumsverschaffende Übergabe meine oder die besitzverschaffende Übergabe ausreichen lasse (dazu unten: B.II.3); letzteres wurde bald zur allgemeinen Ansicht, gestützt vor allem auf eine Generalisierung des in § 446 Abs. 2 a. F. enthaltenen Gedankens, dass die Übergabe auch dann die Gefahr überwälze, wenn das Eigentum (noch) nicht übergegangen ist. Die Gegenansicht darf heute als überwunden gelten; dazu jeweils m. w. N.: Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 54; Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 26 mit Fn. 26. 217 Vgl. Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 56–58, 60 f., 62 ff.



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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Kommission218 sich zur Begründung auf die Abkehr von der gemeinrechtlichen periculum est emptoris-Regel insbesondere auf die Regelungen des prALR219 und des ABGB220 beriefen, für die seinerzeit durchaus noch die Auffassung (mit-)entscheidend gewesen war, dass die Gefahr­tragung der Eigentumslage entsprechen müsse221.

2)  Maßgeblichkeit der Erfüllung der Leistungspflichten des Verkäufers: Eigentumsverschaffung und Übergabe Wenn v. Kübel verlangte, dass auch das Eigentum übertragen werden müsse, ging es ihm nicht um die sachenrechtliche Verfügung als solche, sondern um die Erfüllung (auch) der Übereignungspflicht. Denn der Verkäufer sollte die gesamte ihm obliegende Leistung (Übergabe und Übereignung der verkauften Sache) bewirken müssen, um sich den Anspruch auf den Kaufpreis vollumfänglich, endgültig und unbedingt zu verdienen.222 Weil beim Kauf beweglicher Sachen die für die Übereignung notwendige Übergabe regelmäßig zugleich die Übergabe-Pflicht erfüllte, stellte sich die Frage, ob allein der Eigentumswechsel ausreichend für den Gefahrübergang sei, nur beim Grundstückskauf, bei dem sich die Übereignung stets ohne Übergabe vollzieht. Dass der Redaktor diese Frage verneinte, war von seinem Standpunkt aus konsequent, weil erstens die Veränderung der Eigentumslage als solche für den Übergang der obligatorischen Gefahr nicht von Bedeutung sein sollte, und zweitens der Kaufvertrag außer zur Übereignung auch zur Übergabe verpflichtete. Nur hilfsweise stellte v. Kübel darauf ab, dass es auch unbillig gegen 218 Die periculum emptoris-Regel sei ein „in einem großen Theile Deutschlands durch die Gesetzgebung reprobirte[r] Satz“; Mot. II, S. 206, dazu Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 25. 219 Vgl. Raab (1999) – Austauschverträge, S. 333. Weil der Kaufvertrag nach dem prALR den Verkäufer nur zur Übereignung der verkauften Sache verpflichtete und das Eigentum aufgrund des Kaufvertrages allein mit der Übergabe übertragen wurde, entsprach die Gefahr­tragungsregel des prALR gleichermaßen dem Prinzip casum sentit dominus wie der Natur des gegenseitigen Vertrages (synallagmatisches Prinzip), siehe bereits: B. I. 3.a) (bei und nach Fn. 256). Dazu: Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 24 f.; Ewert (2007) – Gefahr­tragung, S. 10 f.; vgl. Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 41. 220  v. Zeiller (1811) – Commentar III, S. 365 zur Rechtfertigung des Gefahrübergangs mit Übergabe (§ 1048 ABGB): „Unstreitig trifft den Verkäufer nach erfolgter Übergabe des Kaufpreises in desselben Gefahr und Nutzen, weil [!] er bereits Eigenthümer davon geworden ist, und ebenso trifft beydes aus dem nähmlichen Grunde den Käufer in Rücksicht des ihm bereits übergebenen Kaufgegenstandes.“, Hervorhebungen d. Verf., ähnlich auch a. a. O. S. 342; dazu: Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 63. 221  Dazu oben: B. I. 3.a). 222  Auch darin, dass „zwischen dem Traditionsprinzip und dem synallagmatischen Prinzip [ein] notwendige[r] innere[r] Zusammenhang“ gesehen wurde (Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 54; dazu auch Raab (1999) – Austauschverträge, S. 333 mit Fn. 62), liegt eine Anlehnung an die Begründung für den Gefahrübergang mit Übergabe im prALR; vgl. Huber in: Soergel (1991) – BGB, vor § 446 Rn. 14 (mit Fn. 14). Zur Erfüllung (!) gehörte nach dem prALR zwar ausdrücklich auch die Gewährleistung bei Sachmängeln; die sachmangelfreie Leistung als solche konnte aber als Leistung verlangt werden, daher auch keine Nacherfüllung. Bei mangelhafter Leistung blieb deshalb keine „Naturalleistung“ ausstehen.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

den Käufer wäre, ihn bereits vor der Übergabe mit der (obligatorischen) Gefahr zu belasten, weil er dann noch nicht die Möglichkeit habe, für die Sicherheit des Grundstücks zu sorgen.

(a)  Beim Grundstückskauf sei aufgrund des regelmäßigen Parteiwillens ausnahmsweise die Eigentumsübertragung ausreichend Die Mehrheit der Ersten Kommission hielt beim Grundstückskauf die Übereignung bzw. die Erfüllung der Übereignungspflicht allerdings (ausnahmsweise) für ausreichend. Auch den Kommissionsmitgliedern war klar, dass es keinen dogmatischen Zusammenhang zwischen der Veränderung der Eigentumslage als solcher und dem Übergang der Preisgefahr gebe. Sie waren aber der Meinung, dass es dem regelmäßigen Parteiwillen entspreche, genau diese Verknüpfung herzustellen. Dem „Hilfsargument“ v. Kübels, wonach bei der Zuweisung der Gefahr auch auf die Möglichkeit, für die Sicherheit des Leistungsgegenstandes zu sorgen, Rücksicht zu nehmen sei, wurde die Erwägung entgegen gehalten, dass der Verkäufer hinreichend angespornt sei, bis zur Übergabe für die Sicherheit des Grundstücks zu sorgen, weil er sich sonst möglicherweise haftbar mache. Dass der Grundstückskäufer die Gefahr auch schon dann tragen müsse, wenn ihm das Grundstück nur übergeben, aber noch nicht übereignet wurde, begründete die Erste Kommission damit, dass es der regelmäßigen Parteiintention und „der rechtsgeschichtlichen Entwicklung“ entspreche, den Käufer mit der Gefahr zu belasten, „wo er – sei es die thatsächliche – sei es die rechtliche Herrschaft über die Sache erlangt habe“. Um die Sachherrschaft ging es ihr also nicht unter dem Aspekt einer überlegenen Sicherungsmöglichkeit, sondern der Erlangung der faktischen Dispositionsbefugnis im Sinne einer Vermögensherrschaft. Diese übertrage der Verkäufer dem Käufer beim Grundstückskauf bereits durch die Übergabe, auch wenn der Käufer noch nicht Eigentümer werde.

(b)  In jedem Fall müsse aus Billigkeitsgründen die Übergabe ausreichen Dagegen begründete die Zweite Kommission die Regelung, dass die Gefahr (beim Grundstückskauf) auch schon dann mit der Übergabe übergehe, wenn der Käufer das Eigentum noch nicht erworben habe, entsprechend dem von v. Kübel eher beiläufig geäußerten Gedanken. Es sei unbillig gegen den Verkäufer (vom Parteiwillen ist in diesem Zusammenhang keine Rede), mit der Gefahr belastet zu bleiben, obwohl nach der Übergabe der Käufer selbst für die Sicherheit der verkauften Sache sorgen könne. Darin liegt nicht nur ein Perspektivenwechsel (vom Käufer zum Verkäufer), sondern auch eine ganz erhebliche Aufwertung dieses Arguments, dem in den vorherigen Beratungen nicht die Bedeutung beigemessen worden war, für sich allein genommen eine Verlagerung der Gefahr zu rechtfertigen. Und von



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diesem Standpunkt aus kann, auch wenn die Zweite Kommission diese Frage gar nicht mehr beriet (und wie selbstverständlich davon ausging, dass hierbei mit der Übergabe zugleich das Eigentum übertragen werde), für den Kauf beweglicher Sachen eigentlich nichts anderes gelten.

(c)  Prinzipiell kommt es aber auf die Erfüllung der jeweiligen Leistungspflicht an Das Prinzip, dass es bei der Übergabe im Wesentlichen um die Erfüllung der dem Verkäufer obliegenden Übergabe-Pflicht und nicht um die Übergabe bzw. die durch die Übergabe hergestellte Sachlage als solche gehe (genauso, wie es um die Erfüllung der Übereignungspflicht und nicht um die Übereignung bzw. die dadurch hergestellte Eigentumslage als solche ging), wurde allerdings beibehalten. Die Erste Kommission hatte dies noch ausdrücklich festgestellt (sie war von der erfüllungstheoretischen Begründung v. Kübels nur insofern abgerückt, als es nach mehrheitlicher Ansicht nicht auf die Erfüllung der Übereignungspflicht ankommen sollte).223 Weil dieses Prinzip in den Beratungen der Zweiten Kommission, die sich nur noch mit speziellen Fallgestaltungen (Grundstückskauf, bedingter Kauf) auseinandersetze, nicht mehr ausdrücklich224 zur Sprache kam, wurde es „überschattet“ von dem lediglich ergänzenden Argument, dass (auch) die Billigkeit dafür spreche, denjenigen mit der Gefahr zu belasten, der den Gewahrsam an der verkauften Sache und damit faktisch die bessere Bewachungsmöglichkeit habe.225 Dass außer in der Vorlage v. Kübels226 die Form der Übergabe in den Beratungen nicht thematisiert wurde,227 verstärkte den Eindruck, dass „Übergabe“ in erster Linie die Herstellung einer im Vergleich zum Verkäufer besseren „Behütungsmöglichkeit“ des Käufers, also die Verschaffung unmittelbaren Besitzes erfordere. Von dem eigentlichen erfüllungstheoretischen Ansatz her muss man die gesetzliche Konzeption des Gefahrübergangs gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. demnach so formulieren, dass der Verkäufer die ihm obliegende Leistung mit Ausnahme der Eigentumsverschaffungspflicht bewirkt haben muss, um sich den Kaufpreis unbe223 

Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR II, S. 31. Dass es auch der Zweiten Kommission für den Gefahrübergang auf den Käufer im Wesentlichen auf die Erfüllung des Kaufvertrages seitens des Verkäufers ankam, ergibt sich immerhin aus dem Verweis auf E I § 368 in den Protokollen. 225  Übrigens ist es geradezu ein Rückschritt gegenüber der Vorlage v. Kübels, dass man – im Zusammenhang mit dem Grundstückskauf  – meinte, wenigstens um dem regelmäßigen Parteiinteresse gerecht zu werden, müsse die Gefahr jedenfalls mit dem Eigentum übergehen, auch wenn das Grundstück noch nicht übergeben ist. 226  Weil es v. Kübel bei dem Übergabe-Erfordernis im Wesentlichen um die Erfüllung des Kaufvertrages ging, reichte ihm auch die Übereignung der verkauften Sache mittels Vereinbarung eines Besitzkonstituts mit dem Verkäufer für den Gefahrübergang aus, wenn nach der Parteivereinbarung darüber hinaus die körperliche Übergabe nicht geschuldet war, Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1073, dazu bereits: B.II.1.c)i)1)(a) (bei Fn. 118). 227  Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 61. 224 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

dingt und endgültig ohne Rücksicht auf das weitere Schicksal der verkauften Sache zu verdienen. Da sich die Leistung des Verkäufers gem. § 433 Abs. 1 S. 1 a. F. in der Übergabe und Übereignung der verkauften Sache erschöpfte und grundsätzlich keine Pflicht des Verkäufers, die verkaufte Sache in forma specifica zu leisten,228 vorgesehen war, lag es von diesem erfüllungstheoretischen Standpunkt aus jedenfalls beim Stückkauf nicht nahe, dass die Sachmangelhaftigkeit der gelieferten Ware den Gefahrübergang hindere. Denn insoweit ließ die Lieferung sachmangelhafter Ware keine Leistungspflicht des Verkäufers unerfüllt, sondern begründete „nur“ Gewährleistungspflichten.229 Von daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Einfluss der Sachmangelhaftigkeit auf die Gefahr­tragung beim Stückkauf, soweit ersichtlich, bei den Beratungen des BGB gar nicht diskutiert wurde. Anlass zu einer entsprechenden Diskussion hätte zwar der Gattungskauf gegeben, bei dem die Einhaltung der vereinbarten Beschaffenheit naturgemäß zum Inhalt der Leistungspflicht des Verkäufers gehört. Dieses Thema wurde aber weitgehend vermieden, indem der Gattungskauf grundsätzlich dem am Stückkauf entwickelten Gewährleistungsrecht unterstellt wurde.230 Nur im Rahmen der Ersatzlieferung machte sich bemerkbar, dass die (Leistungs-)Gefahr bei Lieferung vertragswidriger Ware im Ergebnis nicht auf den Käufer überging.231 Den Beratungen der Zweiten Kommission ist zu entnehmen, dass die Mehrheit der Ansicht war, die Gattungsschuld werde bei Lieferung mangelhafter Ware dadurch, dass der Käufer die gelieferte Ware als Erfüllung annehme, zumindest nicht endgültig konkretisiert.232

228 

Formulierung von Ernst in: FS Huber (2006), 165 (225, vgl. 229). Obgleich der Verkäufer nicht verpflichtet gewesen sein mag, die Sache in einer anderen Beschaffenheit zu leisten als in derjenigen, die sie bei Vertragsschluss hatte, schuldete er doch – auch vom Standpunkt der Gewährleistungstheorie aus – wenigstens diesen Sachzustand als Erfüllung. Von daher bereiteten zumindest nachträgliche Sachverschlechterungen aber eigentlich ein Erfüllungshindernis. Indem der Gesetzgeber sich entschied, diese Situation durch das Gewährleistungsrecht zu bewältigen, löste er den noch ausstehenden „Leistungsrest“ durch die Gewährleistungspflichten ab, die eine Nacherfüllung nicht vorsahen. Zu diesen Zusammenhängen noch unten: B.II.1.d)i). 230  Dazu unten: B.II.1.d)ii) und B.II.2.e). 231  Dazu unten: B.II.2.e)iv) und B.II.4.c)v)2). – Bei den Gesetzesberatungen wurde über die Gefahr­tragung in diesem Zusammenhang aber nur unter dem Gesichtspunkt diskutiert, dass zur Entlastung des Käufers im Gesetz klarzustellen sei, dass die Ersatzlieferung auf Gefahr und Kosten des Verkäufers erfolge, falls man dem Verkäufer das Recht zugestehen wollte, unter bestimmten Voraussetzungen den Wandelungsanspruch des Käufers durch Ersatzlieferung abzuwehren. Denn es handelte sich dabei „wesentlich um eine Begünstigung des Verkäufers“. Ohne ausdrückliche Bestimmung ergebe sich die Gefahr­tragung des Verkäufers nur, wenn man den Wohnsitz des Käufers schlechthin als Erfüllungsort für den Austausch der mangelhaften gegen die mangelfreie Sache ansehen würde. Dazu Prot. I, S. 717. 232  Vgl. Prot. I, S. 712 f. Wolffson hatte beantragt, dass dem Käufer einer Gattungssache das Recht auf Nachlieferung dann versagt werden solle, wenn er die mangelhafte Sache als Erfüllung angenommen habe, m. a. W. war beantragt, dass der Käufer Lieferung einer anderen, mangelfreien Sache nur dann solle verlangen können, wenn er die Annahme der ihm angebotenen mangelhaften Sache verweigert und sich auf diese Weise seinen „ursprünglichen“ Erfüllungsanspruch erhält. Dieser Antrag wurde abgelehnt. 229 



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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3)  Übergabe-Prinzip als Kompromisslösung zwischen periculum est emptoris und casum sentit dominus Damit fanden die Verfasser des BGB von 1900 – und nur hierzu, nicht bereits in Bezug auf das prALR233 trifft dieser Befund zu  – „einen Kompromiß auf einer mittleren Linie zwischen Kaufabschluß und Eigentumserwerb“.234 Dass ihnen dies vollends bewusst war, darf angesichts der zum Teil konfusen Ausführungen in den Gesetzgebungsmaterialien allerdings bezweifelt werden. Darin heißt es einerseits, dass in E I § 463 (Entwurfsfassung des späteren § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.) das synallagmatische Gefahr­tragungsprinzip (vgl. E I § 368, Entwurfsfassung des späteren § 323  a. F.) „für den Kaufvertrag besonders ausgesprochen“ sei235 sowie dass diese kaufrechtliche Gefahr­tragungsregel „lediglich eine Wiederholung des synallagmatischen Gefahr­tragungsprinzips“ darstelle236. Zirkulär daran ist, dass es zur Begründung der dem E I § 368 zugrunde liegenden Bestimmungen TE-OR  (Nr. 22)237 §§ 10, 12 wiederum hieß, dass dieselben „den Grundsatz zur Voraussetzung [haben], daß bei allen gegenseitigen Verträgen der Schuldner bis zur Erfüllung die Gefahr zu tragen hat“, und dass dieses Prinzip „entsprechend den Kommissionsbeschlüssen über die Tragung der Gefahr beim Kauf“ angenommen werde. Deshalb sei es nicht nötig, „die Gründe für und wider  … nochmals zu besprechen“, weil „diesfall auf die eingehende Begründung in der Vorlage des Redaktors, betreffend die Tragung der Gefahr beim Kauf, verwiesen werden“ könne.238 Andererseits wird eingeräumt, dass „der Uebergang der Gefahr augenscheinlich keineswegs von der Erfüllung aller dem Verkäufer obliegenden Verpflichtungen abhängig gemacht werden“ könne239 sowie dass der Gefahrübergang nicht deshalb 233 Anders Rückert ZNR 1984, 40 (44) mit dem wiedergegebenen Zitat, jedoch in Bezug auf das prALR. 234  Vgl. auch Froelich (1906) – Gefahrübergang, S. 18 f.: „Das B. G. B. hat zwischen dem: ‚periculum est emptoris‘ und dem: ‚casum sentit dominus‘ mit seinen Bestimmungen in § 446 einen Mittelweg eingeschlagen…“ Was hier über das BGB gesagt wird, trifft übrigens unter einem anderen Gesichtspunkt auch auf das ABGB zu: Zwar erfüllt der Verkäufer i. d. R. mit der Übergabe seine Eigentumsverschaffungspflicht. Seit 1817 schuldet er aber nach dem ABGB die Sache nicht nur mangelfrei, sondern, bei mangelhafter Leistung, auch Verbesserung (§ 932 ABGB, dazu in Fn. 348). Indem das ABGB ungeachtet dessen die Gefahr mit der Übergabe übergehen lässt, wurde auch hier „ein Kompromiß auf mittlerer Linie“ gemacht, nämlich ein Gefahrübergang zwischen Vertragsschluss und (vollständiger) Erfüllung der Leistungspflicht geregelt; vgl. auch Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 283 ff. 235  Mot. II, S. 205. 236 So Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 54 zu Mot. II, S. 322 f. sowie Prot. II, S. 61 f. 237  „Folgen der Nichterfüllung der Verbindlichkeit“, dazu Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S.VIII, 850 f. 238  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S.VIII, 876. 239  Mot. II, S. 323 (Hervorhebung im Original). Es ging dabei um die Rechtfertigung des Gefahrübergangs (vor Übergabe) mit Eintragung beim Grundstückskauf. Es begegne keinen Bedenken, dass der Verkäufer seine Verpflichtung zur Übergabe noch nicht erfüllt habe, weil immerhin bereits die geschuldete Übereignung bewirkt worden sei.

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durch die Übergabe bewirkt werde, weil mit ihr das Eigentum übertragen bzw. die Eigentumsverschaffungspflicht erfüllt werde240.

4)  Rechtfertigung der kaufspezifischen Kompromisslösung im allgemeinen System der Gefahrverteilung beim gegenseitigen Vertrag Was Hager241 über die Versuche der Doktrin des jüngeren gemeinen Rechts zur Erklärung der periclum emptoris-Regel gesagt hat, gilt entsprechend für die Begründung des Gefahrübergangs mit Übergabe sowohl in den Beratungen des BGB als auch in der Auseinandersetzung der rechtswissenschaftlichen Literatur mit der ratio legis des § 446 Abs. 1 a. F.242: Es lassen sich zwei Hauptrichtungen feststellen. Einerseits der Versuch, das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip in das allgemeine System der Gefahrverteilung im gegenseitigen Vertrag einzuordnen (§ 323 Abs. 1 a. F. bzw. § 326 Abs. 1); andererseits die Rechtfertigung der Gefahrbelastung des Käufers ab Übergabe (aber vor Eigentumsübergang) mit den Besonderheiten des Kaufs bzw. der besonderen Interessenlage der Kaufparteien.

(a)  Wirtschaftliche Betrachtungsweise Eine dieser Besonderheiten des Kaufs liegt darin, dass der Verkäufer seit dem Übergang zum Rechtsverschaffungsprinzip zwar auch die effektive Übereignung der verkauften Sache schuldet, der wirtschaftliche Erfolg des Geschäfts, soweit es das Verhältnis zwischen den Parteien betrifft, jedoch nach wie vor mit der relativen Zuordnung der verkauften Sache zum Vermögen des Käufers eintritt, die den Eigentumswechsel nicht erfordert. Stellt man auf den Eintritt dieses wirtschaftlichen Erfolges, den das Pflichtenprogramm des Verkäufers bezweckt, (statt formal auf die Erfüllung sämtlicher oder einzelner der dem Verkäufer obliegenden Leistungspflichten) ab, lässt sich § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. als Durchführung des synallagmatischen Prinzips verstehen. Auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise (dominus nicht unbedingt als Eigentümer, sondern als „Vermögensherr“) lässt sich § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. sogar gleichermaßen mit dem Prinzip casum sentit dominus in Einklang bringen.243

240  Prot.  II, S. 61 f.; dazu: Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 54; Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 154. In den Beratungen ging es um einen Antrag, wonach die Gefahr­tragung beim Grundstückskauf allein an die Eintragung geknüpft werden sollte. Die Mehrheit der Kommission war dagegen der Ansicht, dass es unbillig gegen den Verkäufer wäre, ihn nach der Übergabe des Grundstücks nur deshalb weiterhin die Gefahr tragen zu lassen, wenn das Eigentum mangels Eintragung noch nicht auf den Käufer übertragen war. Dazu bereits: B.II.1.c)ii)1). 241  Dazu: B.I. in Fn. 10. 242  Dazu unten: B.II.3. 243  Dazu unten: B.II.3.c)i).



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(b) Billigkeitserwägungen Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass der Verkäufer im Normalfall (Sachkauf) eine Sachleistung schuldet, die anfällig für schädliche „Umwelteinflüsse“, namentlich dem Risiko der zufälligen Verschlechterung und des zufälligen Untergangs ausgesetzt ist. Um die Möglichkeit, diese Einflüsse zu beherrschen, geht es bei dem Argument, es sei billig und gerecht, denjenigen mit der Gefahr der Verschlechterung und des Untergangs der verkauften Sache zu belasten, bei dem sich die Sache zum Zeitpunkt des Schadensereignisses befindet, und das ist nach der Übergabe der Käufer. Bemerkenswert ist, dass dieses Argument in den Beratungen nicht aus dem typischen Parteiwillen abgeleitet,244 sondern als „Billigkeitserwägung“ behandelt wurde.

(c)  Regelmäßiger Parteiwille Auf die (typische) Parteiabsicht wurde (auch) abgestellt, um eine Abweichung von dieser Billigkeitserwägung zu rechtfertigen. Namentlich ging es um die Begründung dafür, dass beim Grundstückskauf der Käufer (ausnahmsweise) bereits ab dem Übergang des Eigentums (durch Grundbucheintragung) die Gefahr tragen sollte, auch wenn er mangels Übergabe noch nicht in die Lage versetzt sei, selbst für die Sicherheit des Grundstücks zu sorgen.245 Der Redaktor v. Kübel hatte in der Begründung seiner Vorlage Nr. 7 zur Rechtfertigung, dass allein die Übereignung bzw. Erfüllung der Übereignungspflicht beim Grundstückskauf die Entlastung des Verkäufers von der Gefahr nicht zur Folge habe, noch ausdrücklich hervorgehoben, dass es „auch vom ökonomischen Standpunkt“ überzeuge, den Verkäufer als denjenigen mit der Gefahr zu belasten, der (bis zur Übergabe) faktisch die beste Sicherungsmöglichkeit hat, weil er auf diese Weise angespornt werde, von dieser Möglichkeit auch Gebrauch zu machen.246 Für v. Kübel war der (mutmaßliche) typische Parteiwille247 gleichermaßen der tragende Grund für die Abkehr von der periculum est emptoris-Regel wie für die 244  Sofern die Erste Kommission mehrheitlich der Meinung war, es entspreche (auch) der regelmäßigen Parteiintention, dass beim Grundstückskauf die Gefahr bereits mit der Übergabe übergehe, auch wenn der Käufer noch nicht als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen sei, bezog sie diesen Parteiwillen auf die Verknüpfung von Gefahr­tragung und Erlangung der (faktischen) Vermögensherrschaft über das Grundstück, nicht auf die Berücksichtigung einer überlegenen Sicherungsmöglichkeit nach Übergabe. 245  Umgekehrt sollte die Übergabe (vor Eintragung des Käufers in das Grundbuch) zwar den Übergang von Nutzungen und Lasten, aber nicht den Gefahrübergang zur Folge haben. Auch hier rechtfertige der Parteiwille, denjenigen mit der Gefahr zu belasten, der die Sache nicht mehr in seiner Obhut habe (nach Übergabe des Grundstücks: Verkäufer). Dazu: Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1068; Mot. II, S. 323 (die auf S. 324 angesprochene „tatsächliche Herrschaft“ steht nicht im Zusammenhang mit der Bewachungsmöglichkeit des Käufers); Prot. II, S. 61. 246  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1068. Dazu bereits: B.II.1.c)i)1)(a) (bei Fn. 103). 247  Zur Berücksichtigung des typischen Parteiwillens bei der Aufstellung der Gefahr­ tragungsregeln des besonderen Schuldrechts siehe Lobinger (2004) – Grenzen, S. 147–156.

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Hinwendung zum Traditionsprinzip als unbedingte Durchführung des synallagmatischen Gefahr­tragungsprinzips.248 Es entspreche regelmäßig der Intention der Parteien, dass ein jeder die ihm obliegende Leistung nur unter der Bedingung zu erbringen habe, dass der jeweils andere auch die ihm obliegende Leistung ordnungsgemäß und vollständig bewirke.249 Um Durchbrechungen dieses (aus dem Parteiwillen hergeleiteten) Prinzips nicht in das Gesetz aufnehmen zu müssen, setzte der Redaktor sich bei der speziellen Regelung der Gefahr­tragung beim Versendungskauf allerdings offen über den diesbezüglichen in der Verkehrssitte (Handelsbrauch) zum Ausdruck kommenden typischen Parteiwillen hinweg. Gleichwohl setzte sich in den weiteren Beratungen die Ansicht durch, dass die gesetzlichen Gefahr­tragungsregeln es inhaltlich aufnehmen müssen, wenn der Parteiwille sich in besonderen Fallgestaltungen des Kaufs von der grundsätzlichen Regelung der Gefahrverteilung regelmäßig entferne. Dies führte im Fall des Versendungskaufs dazu, dass die Ware auf Gefahr des Käufers reist (§ 447 Abs. 1  a. F.)250, und beim Grundstückskauf251 dazu, dass die Übertragung des Grundeigentums bzw. die Erfüllung der entsprechenden Verpflichtung und die Übergabe des Grundstücks bzw. die Erfüllung der Übergabepflicht jeweils für sich allein genommen den Gefahrübergang zur Folge haben. So kam es in diesen Fällen zu (bewussten) Abweichungen von der unbedingten Durchführung des synallagmatischen Gefahr­tragungsprinzips,252 die jedoch eines gemeinsamen inneren Grundes entbehren.

(i)  Maßgeblichkeit des typischen Parteiwillens für den Inhalt abstrakt-genereller dispositiver Regeln oder für die Abweichung hiervon? Es ist eine rechtstheoretische Frage253, ob die Annahme, dass die Parteien ohnehin regelmäßig Abweichendes vereinbaren werden und eine abweichende Vereinbarung, wo es sinnvoll und geboten erscheint, auch in ergänzender Vertragsauslegung zu ermitteln sein werde,254 eine (vorrangige) Orientierung des Gesetzgebers am typischen Parteiwillen bei der Setzung dispositiven Gesetzesrechts 248 

Lobinger (2004) – Grenzen, S. 147 f. Schubert  (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1065 f. Allein weil es dem regelmäßigen Parteiwillen entspreche, dass die Preisgefahr erst übergehen solle, wenn der Verkäufer die ihm obliegende Leistung vollständig erfüllt habe, müsse der Verkäufer für den Gefahrübergang außer seiner Verpflichtung zur Übergabe auch seine Verpflichtung zur Übereignung erfüllt haben. 250  Dazu auch Mot. II, S. 327. 251  Dazu auch: Mot. II, S. 323, Prot. II, S. 61. 252  Lobinger (2004) – Grenzen, S. 147, 148. 253  Dabei geht es um die Motivierung des Gesetzgebers bei der Setzung dispositiven Rechts, den Zweck und die Wirkung dieser Normen überhaupt. Im Anschluss an Ehrlich (1899) – Das zwingende und nicht zwingende Recht, S. 44 ff. lassen sich vier Arten von Dispositivnormen unterscheiden: Auslegungsregeln, ergänzende Rechtssätze, fürsorgende Rechtssätze und die Verkehrssitte kodifizierende Rechtssätze, dazu Bucher in: FG Deschenaux (1977), 249 (257 f.). 254  Zum Verhältnis ergänzender Vertragsauslegung zum dispositiven Gesetzesrecht bei der Schließung von „Vertragslücken“ jüngst: Kötz JuS 2013, 289 ff. 249 



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nicht vielleicht gerade entbehrlich macht.255 Jedoch wird eine Regel, die den Anschauungen des Publikums widerspricht, rechtsunkundige Parteien häufig mit einer Lösung überraschen, die sie nicht voraussehen und daher bei ihrer Vertragsgestaltung auch tatsächlich nicht berücksichtigen.256 Kommt man den Parteien in solchen Fällen durch einen großzügigen Umgang mit der ergänzenden Vertragsauslegung und einer extensiven Interpretation von Ausnahmetatbeständen zur Hilfe, wirft die damit verbundene Reduktion des Anwendungsbereichs einer dispositiven Regel die Frage nach der Existenzberechtigung dieser Norm auf. Das Vertragsrecht der Schweiz und Südafrikas, wo jeweils die römisch-rechtliche periculum est emptoris-Regel bis heute weiterlebt und angesichts dessen (zumindest in der Schweiz) die Gerichtspraxis davon bestimmt ist, im Einzelfall zu ergründen, ob die einschlägigen, extensiv interpretierten Ausnahmetatbestände erfüllt sind,257 sind in dieser Hinsicht abschreckende Beispiele.258 Wenn der Gesetzgeber sich im Schuldrecht derartig in Widerspruch zu den Anschauungen des Rechtsverkehrs setzt, bedarf es einer sachlichen Rechtfertigung, an die hohe Anforderungen zu stellen sind. Aus den Motiven geht hervor, dass die Erste Kommission meinte, eine Beibehaltung der u. a. in Widerspruch zum regelmäßigen Parteiinteresse stehenden periculum est emptoris-Regel komme nur in Betracht, wenn es dafür dringende Gründe der Zweckmäßigkeit, Billigkeit und Praktikabilität gäbe, und solche Gründe seien nicht ersichtlich.259 Die Frage nach der Maßgeblichkeit des vermuteten Parteiwillens stellte sich aber auch, nachdem das Traditionsprinzip angenommen war. In der inhaltlichen Begründung des Redaktors zur Vorlage Nr. 7 (1876) zeichnet sich der Gedanke ab, dass höherrangige Gründe es für den Gesetzgeber rechtfertigen können, sich mit der (dispositiven) Gefahr­tragung durchaus in Widerspruch zu dem typischen Parteiwillen zu setzen; v. Kübel fand ja eine besondere Regelung der Gefahr­tragung beim Kauf im Grunde überflüssig und hielt es – wohlwissend, dass dies häufig nicht im Interesse der Parteien sein werde (so ausdrücklich beim Versendungskauf260 und beim aufschiebend bedingten Kauf261) – für vorzugswürdig, stattdessen durchweg das allgemeine sy255  Eine andere Frage ist dann freilich, woran sich der Gesetzgeber sonst orientieren sollte. Im Bereich der Gefahr­tragung war v. Kübel offenbar daran interessiert, der Einfachheit halber der allgemeinen Gefahr­tragungsregel für den gegenseitigen Vertrag ein breites Anwendungsgebiet zu belassen. Er wollte das Prinzip hervorheben und einheitlich durchführen. Dazu weiter im Text. 256  Bucher in: FG Deschenaux (1977), 249 (256 mit Fn. 10). 257  Zu Art. 185 OR: Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 106–126, 160–164; Bucher in: FG Deschenaux (1977), 249 (266); ders. ZSR 1970, 281 (281 mit Fn. 1, 283–285); zum südafrikanischen Vertragsrecht Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 182–252. 258  Bucher in: FG Deschenaux (1977), 249 (256 mit Fn. 10, 265 f.) – zum schweizerischen Recht. Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 177 hält die Regelung des Art. 185 Abs. 1 OR allerdings auch heute noch für eine zumindest „aufgrund der Veräusserungstheorie als der ihr immanenten gesetzgeberischen Wertentscheidung plausibel [zu] begründen[de]“ und praktikable Regelung. Vgl. dazu oben: B. I. 2 (in Fn. 236). 259  Mot. II, S. 206 (zu E I § 368); dazu auch Lobinger (2004) – Grenzen, S. 148. 260  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1082. 261  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1078.

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nallagmatische Prinzip zur Anwendung zu bringen, und zwar gerade weil es den Parteien unbenommen sei, Abweichendes zu vereinbaren. Die ausschlaggebenden Gründe für die unbedingte Durchführung des synallagmatischen Prinzips waren für ihn die Praktikabilität und die Einfachheit und Klarheit einer entsprechenden Regel, was in hohem Maße der Rechtssicherheit diene.262 Wie bereits dargestellt,263 zeigen die weiteren Beratungen der Vorlage allerdings die Grundhaltung, „dass die Regelung der Gefahr … nicht etwa in erster Linie als Aufgabe hoheitlicher Rechtssetzung mit primärer Orientierung an den Allgemeininteressen“ zu begreifen sei, sondern als Spiegelung des herkömmlichen Parteiwillens.264

(ii)  Bedeutung der Gefahr­tragungsregeln zur Begrenzung des privatautonomen Leistungsversprechens Für Lobinger liegt es in der Natur der Sache, dass der historische Gesetzgeber sich bei der Aufstellung der besonderen Gefahr­tragungsregeln beim Kauf maßgeblich am Parteiwillen orientiert hat. Der Grund, „warum man geradezu intuitiv immer wieder bestrebt war, mit der gesetzlichen Regelung v. a. den Willen der Parteien in der erfassten Situation nachzuzeichnen“, liege darin, „dass die Gefahr­tragungsregeln im Unterschied zu zahlreichen anderen Normen des Vertragstypenrechts in Wahrheit schon nicht mehr zu den sog. naturalia negotii gehören, dass sie unter diesen zumindest eine Sonderstellung einnehmen. Denn sie bestimmen ganz unmittelbar den Umfang und die Reichweite der primären Leistungspflichten“.265

Aus den Regeln über die Leistungs- und Preisgefahr ergebe sich, „was der Schuldner zur Erfüllung seiner vertraglichen Verbindlichkeit zu tun, welchen Aufwand er zu betreiben hat“ (Leistungsgefahr), und „wofür genauer der Gläubiger seine Gegenleistung erbringen muss“ (Gegenleistungsgefahr). Damit beträfen die Gefahr­tragungsregeln materiell immer schon die sog. essentialia negotii, weil sie den primären Leistungsgegenstand beschrieben, „das, was beim synallagmatischen Vertrag im Gegenseitigkeitsverhältnis steht“. Begrifflich muss man dies vor dem Hintergrund der gemeinrechtlichen Theorie266 sehen, die hinsichtlich des Vertragsinhalts die Unterscheidung von essentialia negotii, naturalia negotii 262 

Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1068. Dazu oben: B.II.1.c)i)2)(a). Vgl. auch die Ansicht Rückerts, dazu sogleich im Text. 264 Vgl. Lobinger (2004) – Grenzen, S. 149. 265  Lobinger (2004) – Grenzen, S. 151. Bucher in: FG Deschenaux (1977), 249 (253) zählt (vereinbarte) „Regeln über das Tragen bestimmter Risiken“ zum „Vertragsinhalt im engeren Sinne“ (in Abgrenzung zum „Vertragsinhalt im engsten Sinne“), während der „Vertragsinhalt im weiteren Sinne“ betroffen sei, wenn die Parteien eine bestimmte Gefahr­tragung als selbstverständlich voraussetzen. 266  Die Unterscheidung wird auf den Kommentator Baldus zurückgeführt. Sie beruht also auf einem Denken, dem die Vorstellung einer Vertrags(typen)freiheit noch völlig fremd war und das mehr oder weniger streng von dem römisch-rechtlichen numerus clausus der Kontrakt-Typen ausging; Stoffels (2001) – Schuldverträge, S. 477; vgl. Flume (1992) – Rechtsgeschäft, S. 164. 263 



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und accidentalia negotii entwickelte.267 Nach den essentialia richtet sich die Zuordnung der Vereinbarung zu einem der besonderen Vertragstypen, beispielsweise die Identifizierung eines Vertrages als Kauf, woraus sich umgekehrt gewisse Mindestanforderungen an die Parteivereinbarung ergeben, etwa dass Einigkeit über das Kaufobjekt und den Kaufpreis erzielt worden sein muss268. Die accidentalia sind ebenfalls von den Parteien vereinbart. Gemeint sind damit gewisse (Individual-)Absprachen, die das Wesen des Geschäfts unverändert lassen,269 aber durchaus von den naturalia negotii abweichen können270. Diese naturalia sind nicht konkret vereinbart, sondern ergänzen aufgrund der Zuordnung der Parteivereinbarung zu einem bestimmten Vertragstyp gewissermaßen „automatisch“ („Rechtswirkungen“)271 die Parteivereinbarung.272 Dem Einwand, dass dadurch dem Vertrag ein Inhalt gegeben werde, den die Parteien nicht gewollt hätten,273 wurde mit dem Argument begegnet, „das Recht bringe in der Ordnung jener naturalia negotii wenn auch nicht den wirklichen (bewußten), doch den eigentlichen Willen der Parteien zur Geltung, spreche nur aus, was die Parteien ausgesprochen haben würden, wenn sie gerade diesen Fall in den Bereich ihrer Festsetzung gezogen hätten“274. Nach Flume handelt es sich bei diesem Argument freilich um eine „Verirrung der Willenstheorie im 19. Jahrhundert“, stattdessen seien die naturalia negotii „eine gesetzliche Regelung, die auf einer rechtlichen Wertung beruht…“.275   Die Gefahr­tragung beim Kauf wird im Rahmen dieser Unterscheidung zu den naturalia negotii gezählt.276 So ergab sich unter der Geltung des gemeinen Rechts – vorbehaltlich einer abweichenden Parteivereinbarung  – von selbst, dass der Käufer die Preisgefahr ab perfektem Vertragsschluss zu tragen hat. Denn der „naturale Geschäftsinhalt“ war seinerzeit durch die Rechtstradition bestimmt (und diese schloss die periculum emptoris-Regel ein); dem entspricht im kodifizierten Recht das (ergänzende) dispositive Gesetzesrecht.277 So gilt 267 Dazu: Flume (1992) – Rechtsgeschäft, S. 80 f.; Bucher (1988) – ORBT, S. 19 f. mit Verweis auf Windscheid  (1887)  – Pandekten I, S. 263 mit Fn. 1 und Puchta  (1877)  – Pandekten, S. 88 f.; außerdem: Wächter (1880)  – Pandekten I, S. 362 ff.; Arndts  v. Arnesberg (1883) – Pandekten, S. 88; Baron (1896) – Pandekten, S. 118 f.; Dernburg (1884) – Pandekten I, S. 213 f.; vgl. Brinz (1895) – Lehrbuch IV, S. 188–199. 268  Insoweit geht es – modernrechtlich gesprochen – um Bestimmtheitsanforderungen an die charakteristischen Hauptleistungspflichten, vgl. Stoffels (2001) – Schuldverträge, S. 477. 269  Windscheid (1887) – Pandekten I, S. 263 f. mit Fn. 1 nennt das Beispiel, „daß das Kaufgeld vom Vertragsschluss an verzinst werden soll.“ 270  Zum Beispiel eine parteiindividuelle Vereinbarung der Gefahr­tragung, die von dem abweicht, was die Rechtstradition bzw. das dispositive Gesetzesrecht vorsieht. 271  Baron (1896) – Pandekten, S. 119. 272  Wächter (1880) – Pandekten I, S. 363: „Hierher gehören manche gesetzliche Bestimmungen über Folgen und Wirkungen eines Geschäfts, z. B. beim Kauf, wo und wann der Kaufpreis zu zahlen ist, ob der Verkäufer für Fehler der verkauften Sache zu haften hat, welche culpa die Parteien zu prästiren haben“; vgl. Dernburg (1884) – Pandekten I, S. 213 (Haftung des Verkäufers für verborgene Mängel als naturaler Geschäftsinhalt des Kaufs). 273  So etwa Bekker (1889) – Pandekten II, S. 132, vgl. dazu Flume (1992) – Rechtsgeschäft, S. 80. 274  Windscheid (1887) – Pandekten I, S. 264 mit Fn. 1; vgl. Puchta (1877) – Pandekten, S. 89 mit Anm. a); Brinz (1895) – Lehrbuch IV S. 188–190, 194 f.; Arndts  v. Arnesberg (1883) – Pandekten, S. 88 mit Anm. 1. 275  „… allerdings im Hinblick auf die rechtsgeschäftliche Gestaltung, und zwar in Hinsicht auf die aktuelle Regelung des Rechtsgeschäfts und nicht auf einen virtuellen Willen der Partner des Geschäfts“, Flume (1992) – Rechtsgeschäft, S. 80 f., vgl. auch S. 611. 276  Bucher (1988) – ORBT, S. 19; Flume (1992) – Rechtsgeschäft, S. 80. 277  Bucher (1988) – ORBT, S. 19; zur Unterscheidung von „subsidiärem“ und „ergänzendem“

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gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. bzw. § 446 S. 1 allein deshalb, weil die Parteien einen Kauf abgeschlossen haben, dass die Gefahr mit der Übergabe der verkauften Sache auf den Käufer übergeht (es sei denn, es handelt sich um einen Versendungskauf278).

(d)  Ordnungsvorstellungen des Gesetzgebers, insbesondere Praktikabilitätserwägungen Sofern man das dispositive Gesetzesrecht – insoweit setzt sich die Diskussion über die Rechtsnatur der naturalia negotii (anordnende oder auslegende Rechtssätze?)279 heute fort  – noch weiter unterscheidet in solche Normen, „die einen materialen Ordnungsgehalt aufweisen und gesetzgeberische Gerechtigkeitsvorstellungen verkörpern“, und solche, „die mehr oder weniger wertindifferente Grundsätze formulieren, jedoch die Vermutung für sich haben, in einer Mehrzahl der Fälle dem Willen und den Vorstellungen der Beteiligten nahezukommen“,280 ist allerdings nicht klar, welcher Gruppe die §§ 446, 447 zuzuordnen sind281. Denn, wie gesehen, ist die gesetzliche Regelung der Gefahr­tragung einerseits geprägt von der Vorstellung des historischen Gesetzgebers, das statuiert zu haben, was dem durchschnittlichen Parteiwillen und der Verkehrssitte entspreche; andererseits verbirgt sich in der „Billigkeitserwägung“, dass derjenige die Gefahr der verkauften Sache tragen müsse, der am ehesten zur „Gefahrenabwehr“ in der Lage sei, eine gesetzgeberische Gerechtigkeitsvorstellung. Die Differenzierung innerhalb des dispositiven Gesetzesrechts ist unter folgendem Gesichtspunkt von Bedeutung: Sofern der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, aus heteronomen, rechtspolitischen Gründen für den Normalfall eine gerechte und angemessene Regelung gegeben zu haben, sind vergleichsweise strenge Anforderungen an die Feststellung eines die entsprechende Regel derogierenden Parteiwillens zu stellen; dagegen kann bereits der Beweis, dass der Vorstellungswelt und der Interessenlage der Parteien eine andere als die dispositive Gesetzesregel besser entspricht, für den Ausschluss einer dispositiven Gesetzesnorm genügen, die der Gesetzgeber nicht aufgrund einer inhaltlichen Wertentscheidung statuiert, sondern lediglich auf die Erwartung gestützt hat, in der Regel den unausgesprodispositiven Gesetzesrecht (in Anlehnung an Burckhardt  (1944)  – Organisation der Rechtsgemeinschaft) siehe ders. in: FG Deschenaux (1977), 249 (252) m. w. N. Nach Flume (1992) – Rechtsgeschäft, S. 611 ergeben sich die naturalia negotii außer aus dem dispositiven Gesetzesrecht auch aus der ergänzenden Vertragsauslegung. 278  Gem. § 474 Abs. 4 kann § 446 freilich selbst dann zur Anwendung kommen, wenn es sich um einen Versendungskauf über Verbrauchsgüter handelt. 279  Dazu m. w. N. Lobinger (2004) – Grenzen, S. 142. 280  Bucher in: FG Deschenaux (1977), 249 (259 f., 260, 262). 281  Bucher in: FG Deschenaux (1977), 249 (265 f.) schlägt die Gefahr­tragungsregel des schweizerischen Obligationenrechts ohne weiteres der zweiten Gruppe zu. Allerdings ist die sachliche Fragwürdigkeit der Regelung des Art. 185 Abs. 1 OR auch weithin anerkannt und es ist historisch belegt, dass der Gesetzgeber darin weder eine Wertentscheidung treffen noch irgendwelche ordnungspolitischen Ziele verfolgen wollte; dazu auch: B. I. 2 ) (bei Fn. 236).



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chen gebliebenen Willen oder die rechtlichen Vorstellungen und Erwartungen der Parteien zu treffen.282 Sieht man durch die gesetzlichen Gefahr­tragungsregeln allerdings, wie Lobinger, unmittelbar das Leistungsversprechen des Schuldners bestimmt, genauer gesagt: begrenzt,283 lässt dies prinzipiell keinen Raum für ordnungspolitische Anliegen oder imperative objektivrechtliche Wertentscheidungen des Gesetzgebers.284 Von diesem Standpunkt aus erscheint klar, dass es sich bei den besonderen gesetzlichen Gefahr­tragungsregeln im Grunde um Auslegungsregeln handelt. Deshalb dürfe man auch nicht den Fehler begehen, bei der Vertragsauslegung nach einer positiven Regelung der Gefahr­tragung zu suchen; die privatautonome Regelung der Gefahr­tragung sei vielmehr durch „Auslegung des eigentlichen Leistungsversprechens selbst“ zu ermitteln. Für diese Auslegung gäben die §§ 446, 447 lediglich eine Vermutung vor.285 Immerhin hat das synallagmatische Gefahr­tragungsprinzip seinen historischen Ursprung in der Vorstellung, dass jede Partei beim gegenseitigen Vertrag ihr Leistungsversprechen unter der (stillschweigenden) Bedingung abgebe, dass der Schuldner nicht von der Gegenleistung frei werde. Diese Begrenzung des Verpflichtungswillens als Rechtfertigung einer gerechten Gefahrverteilung wurde vor allem in der Theorie des Vernunftrechts thematisiert.286

Neben der prinzipiellen erfüllungstheoretischen Fundierung der Regelung des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. und dem ergänzenden Abstellen auf den typischen Parteiwillen sowie auf Billigkeitserwägungen (Möglichkeit, für die Sicherheit der verkauften Sache zu sorgen) zur Modifikation dieses Prinzips in besonderen Fallgestaltungen, taucht in den Beratungen der Gesetzesverfasser schließlich noch die Praktikabilitätserwägung auf, dass es der Vereinfachung des Rechts diene und schwierigen Liquidationsprozessen vorbeuge, den Zeitpunkt des Gefahrübergangs auf das leicht zu bestimmende und gut sichtbare äußere Moment der Übergabe 282 

Bucher in: FG Deschenaux (1977), 249 (259 f.) „Denn [die im Gesetz angeordnete ‚Gefahr­tragung‘] setzt lediglich das rechtstechnisch um, was sich als logische Folge der Auslegung des Leistungsversprechens ergibt“; Lobinger (2004) – Grenzen, S. 155. 284  Keine Ausnahme macht hierbei der – durch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie – vorgegebene Zweck des Verbraucherschutzes. Denn der Reformgesetzgeber begründete etwa die Regelung des § 474 Abs. 2 i. d. F. vom 02.01.2002 durchaus nicht mit der objektivrechtlichen Wertung des Verbraucherschutzes, sondern mit dem vermuteten Parteiwillen und der typischen Interessenlage beim Verbrauchsgüterversendungskauf (Transportrisiko wird vom Unternehmer-Verkäufer getragen); vgl. dazu Lobinger (2004) – Grenzen, S. 148–150. Dass der historische Gesetzgeber mit demselben Argument noch zu einer entgegengesetzten Gefahr­tragung kam (Transportrisiko wird vom Käufer getragen), steht dazu nicht im Widerspruch. Denn am Ende des neunzehnten Jahrhunderts kam der Versendungskauf in aller Regel als Handelsgeschäft vor, weshalb in den Kommissionsberatungen ja auch bezweifelt wurde, dass es überhaupt einer speziellen Regelung im BGB bedürfe. Der Wille der Vertragsparteien ist in Bezug auf die Gefahr­tragung bei einem Geschäft unter Kaufleuten mutmaßlich ein anderer, als wenn ein Verbraucher Waren bei einem Versandhändler bestellt; dazu auch die Reg.-Begr. BT-Drucks. 14/6040, S. 244. 285 Vgl. Lobinger (2004) – Grenzen, S. 153–156. 286  Dazu oben: B. I. 3.b)v). 283 

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zu legen. Dieses Argument brachte v. Kübel gegen die periculum est emptorisRegel vor sowie für die strikte Durchführung des Traditionsprinzips auch beim Versendungskauf. In Bezug auf Erwägungen der Billigkeit und Praktikabilität in den Gesetzesberatungen hat Rückert darauf hingewiesen, dass die „systemtechnische und ideologische Funktion“ der Anknüpfung des Gefahrübergangs an die Erfüllung (beim Kauf) durch Übergabe der verkauften Sache vor ihre materiell ändernde Rolle gegenüber der Gläubigergefahrtragung ab Vertragsperfektion getreten sei.287 Gemeint ist damit einmal ein gewisser Überschuss „pro Billigkeit“ in der Begründung der Gefahr­tragungsregel, die bereits bei Svarez in Bezug auf die Regelung des prALR zu beobachten ist und die materielle (erfüllungstheoretische) Begründung der Regel überlagert,288 außerdem, dass die materiellen Folgen des Übergangs vom periculum emptoris zum Traditionsprinzip weniger drastisch gewesen seien, als dies auf den ersten Blick erscheine.289 Die „Umverteilung“ der Preisgefahr vom Käufer auf den Verkäufer sei (auch) vor dem Hintergrund zu sehen, dass seit den Zeiten des prALR ein „gut organisiertes System der ‚gerichtlichen Aufsicht und Verwahrung‘, also der Hinterlegung, fürsorglich-obrigkeitlich bereitgestellt [wird]“, das dem Verkäufer „selbst für Immobilien erlaubt, sein Risiko wirksam zu mindern“.290 Durch Hinterlegung der geschuldeten Sache konnte der Verkäufer sich bereits gem. prALR I. 11 § 99 „[i]n allen Fällen, wo die Uebergabe ohne [seine] Schuld aufgehalten wird… von aller Verantwortung gegen den Käufer … befreyen“,291 außerdem ging die Gefahr gem. prALR I. 11 § 103 über, „sobald der Käufer, auch nur durch ein mäßiges Versehen, Schuld daran ist, daß die Sache nicht zur gehörigen Zeit von ihm übernommen worden“292.293

5) Zwischenergebnis Der historische Gesetzgeber begründete den Gefahrübergang beim Kauf prinzipiell erfüllungstheoretisch. Da es bei der Anordnung des Gefahrübergangs darum geht, den Schuldner mit Blick auf das Erlöschen der ihm obliegenden Leistungspflicht 287 

Rückert ZNR 1984, 40 (44 m. w. N. in Fn. 28–30). Rückert ZNR 1984, 40 (44 bei Fn. 28; 43 mit Fn. 20); vgl. dazu bereits bei Fn. 263. 289  Vor allem deshalb sei Wollschlägers Formel von der „Umkehrung der Gefahr­tragungsregel“ (Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 64–66, 108 und öfter.) abzulehnen. Rückert ZNR 1984, 40 (42, 67): Die Formel sei „zu allgemein und formal“. Abzulehnen sei ihr „scharfer materiellrechtlicher Sinn“, der „auf neue Rechtsfolgen abhebe“, da sich die Unterschiede gerade im Ergebnis der Lösung konkreter praktischer Probleme in Grenzen hielten. Die von Rückert angedeutete „ideologische Funktion“ der Formulierung einer allgemeinen Gefahr­tragungsregel für den gegenseitigen Vertrag rückt dieselbe daher in die Nähe solcher Ideologiedefinitionen, die lediglich den Schein eines Systems von relativ großer Kohärenz erzeugen, weil sie auf die „unangemessene Verallgemeinerung partiell sinnvoller Aussagen in einem holistischen System“ abstellen (dazu m. w. N. Dubischar in: FS Raiser (1974), 99 (108 f.)). 290  Hierzu auch schon unter: B.II.1.c)i)1)(a) bei Fn. 108. 291  Zur Regelung der Deposition: prALR I. 16 §§ 213 ff. 292  Näher dazu: B.II.2.a) bei Fn. 540. 293  Hinweise bei Rückert ZNR 1984, 40 (44 mit Fn. 25, 26). 288 



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und den Bestand der Verpflichtung des Gläubigers zur Gegenleistung vor der eigentlichen Erfüllung so zu stellen, als habe er bereits erfüllt, erscheint dies auch geradezu zwingend. In erster Linie wollten die Gesetzesverfasser dem typischen Parteiwillen gerecht werden. Erwägungen der Billigkeit und Praktikabilität (Rechtssicherheit und Rechtsklarheit), die (außerdem) für oder gegen diese Regelung sprechen, sind – wenn sie im Einzelfall nicht gerade auch der typischen Interessenlage der Kaufparteien und damit dem regelmäßigen Parteiwillen entsprechen – rein heteronome Motive aus dem Bereich der Rechtspolitik. Das heißt nicht, dass diese Erwägungen für die Begründung der Gefahr­tragung „wertlos“ sind. Bei den Beratungen des BGB waren sie sogar von großer Bedeutung. Weil es dem historischen Gesetzgeber vornehmlich darum ging, dem typischen Willen der Parteien in sämtlichen Fallgestaltungen gerecht zu werden, müssen Lösungen für Probleme der Gefahr­tragung beim Kauf, welche die Gesetzesverfasser nicht beraten haben, aber grundsätzlich von dem aufgestellten (erfüllungs) theoretischen Prinzip her entwickelt und mit dem typischen Parteiwillen abgeglichen werden.294 Die (allein) rechtspolitisch motivierten Argumente können die prinzipiell begründete Lösung entweder bestätigen oder Modifikationen oder sogar Durchbrechungen des Prinzips rechtfertigen. Sie geben die Lösung aber nicht von vorneherein vor. Es sind also die Abweichungen von dem (erfüllungstheoretischen) Prinzip, die einer besonderen Begründung bedürfen.295 Demnach darf insbesondere die Erwägung, dass der Käufer ab der Übergabe als derjenige, der die Sache in seiner Obhut hat, die Gefahr tragen müsse, in ihrer Bedeutung nicht überschätzt werden. Als Billigkeitserwägung darf sie kein Ersatz für fehlende Dogmatik sein, denn es ist nicht Aufgabe von Billigkeitserwägungen, ein allgemeines Prinzip zu bilden.296 Das allgemeine Prinzip und die vorhandene Dogmatik sprechen grundsätzlich dafür, dass der Verkäufer mit der Gefahr belastet bleibt, solange er die ihm obliegende Leistung noch nicht vollständig erfüllt hat, was seit der Reform des Kaufrechts auch dann der Fall ist, wenn er dem Käufer eine sachmangelhafte Sache übergeben hat. In diesem Fall schuldet deshalb eigentlich derjenige eine sorgfälige Begründung, der meint, dass die Gefahr ausnahmsweise gleichwohl bereits mit der Übergabe auf den Käufer übergehen müsse, – und nicht derjenige, der sich auf den Grundsatz beruft.

294 Es handelt sich bei den kaufrechtlichen Gefahr­ tragungsregeln gerade nicht um solche Sätze des dispositiven Gesetzesrechts, bei denen der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, aus rein heteronomen Gründen für den Normalfall eine gerechte und angemessene Regelung gegeben zu haben. Der Gesetzgeber hatte vielmehr die Erwartung, mit diesen Regeln den unausgesprochen gebliebenen Willen oder die rechtlichen Vorstellungen und Erwartungen der Partein zu treffen; vgl. zu diesen Kategorien dispositiven Gesetzesrechts oben bei Fn. 282. 295  Vgl. die Erwägung des historischen Gesetzgebers, dass die Anwendung der periculum est emptoris-Regel als Widerspruch zu dem dem regelmäßigen Parteiinteresse beim Austauschvertrag entsprechenden synallagmatischen Prinzip nur in Betracht komme, wenn dringende Gründe der Zweckmäßigkeit, Billigkeit und Praktikabilität dies erforderten; dazu oben bei Fn. 259. 296  Schilcher JBl 1964, 395 (403); Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 65.

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d)  Voraussetzung für die Realisierung der Preisgefahr beim Verkäufer: Keine Verpflichtung zur sachmangelfreien Leistung bzw. Mangelbeseitigung im Falle zufälliger Verschlechterung Bemerkenswert an dem Wortlaut der §§ 446, 447 (a. F.) ist, dass darin von der Preisgefahr bzw. davon, dass der Anspruch auf die Gegenleistung entfalle oder aufrechterhalten werde, überhaupt nicht die Rede ist. Anders als die Regelungen der Gegenleistungsgefahr des allgemeinen Schuldrechts (§ 323 Abs. 1 a. F. bzw. § 326 Abs. 1 S. 1) knüpfen sie auch nicht daran an, dass dem Verkäufer die ihm obliegende Leistung „infolge eines Umstandes unmöglich [wird]“ (§ 323 Abs. 1 a. F.) bzw. dass er „nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten [braucht]“ (§ 326 Abs. 1 S. 1). Sie handeln schlicht von der „Gefahr des zufälligen Untergangs“ und der „Gefahr der zufälligen Verschlechterung“ und legen fest, welche Partei diese Gefahr zu tragen hat.297 Auf welche Weise die Gefahr sich realisiert, ist damit nicht vorgegeben.298 Dies ergibt sich vielmehr aus den jeweils anwendbaren Regeln des allgemeinen Schuldrechts sowie des Kaufrechts. Dass die Belastung des Verkäufers mit der Preisgefahr vor dem in § 446 Abs. 1 S. 1  a. F. bzw. § 446 S. 1 bestimmten Zeitpunkt aktuell wird, setzt voraus, „dass eine Leistungspflicht hinsichtlich der Situation, wie sie durch das Zufallsereignis [zwischen Vertragsschluss und Übergabe] eingetreten ist, nicht besteht“299. Dies folgte im „alten“ Kaufrecht daraus, dass der Verkäufer im Regelfall (Stückkauf) nach dem Gesetz keine Nacherfüllung schuldete. Die Verfasser des BGB hatten die Gefahr­tragung beim (Stück-)Kauf einzig unter dem Aspekt der Preisgefahr diskutiert. Die Möglichkeit, den Verkäufer beim Stückkauf bis zur Übergabe (auch) mit der Leistungsgefahr zu belasten – was auf seine Verpflichtung, Schäden, die zwischen dem Kaufabschluss und der Übergabe an der verkauften Sache zufallsbedingt auftreten, auf eigene Kosten zu beseitigen, hinausgelaufen wäre – wurde nicht in Erwägung gezogen.300 Nach dem BGB von 1900 ging die Leistungsgefahr, die aus systematischen Gründen zwingend spätestens gemeinsam mit der Preisgefahr übergehen muss (anders gewendet: die durchaus bis zum Übergang der Preisgefahr dem Verkäufer aufgebürdet werden kann301),302 deshalb bereits mit

297  Zu dem ebenso vieldeutigen wie feinsinnigen Wortlaut der §§ 446, 447: Leenen JuS 2008, 577 (581 f.). 298  Soweit nach dem reformierten Kaufrecht Nacherfüllung geschuldet ist, realisiert die Gefahr zufälliger Verschlechterungen der verkauften Sache zwischen Vertragsschluss und Übergabe sich beim Verkäufer gerade in Form der Leistungsgefahr, weil er nacherfüllen (nachbessern) muss; dazu oben: A.3.a)i) sowie unten: B.III.2. 299  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (174). 300  Man diskutierte lediglich darüber, ob der Verkäufer durch (freiwillige) Mangelbeseitigung die Gewährleistungsrechte des Käufers sollte abwenden dürfen; Prot. I, S. 697 f. Dazu noch bei und in Fn. 326, 332, 644 und unter B. III.6.a)i) bei und in Fn. 528. 301  So im Kaufrecht seit der Schuldrechtsreform; dazu bereits Fn. 298. 302  Dazu oben: A.3.b)i) und A.3.c).



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dem Vertragsschluss auf den Käufer über (dazu sogleich). Anders lagen die Dinge beim Gattungskauf.303

i)  Beim Stückkauf: Belastung des Käufers mit der Leistungsgefahr ab Vertragsschluss Beim Stückkauf versteht sich in Fällen der zufälligen faktisch irreparablen Verschlechterung („qualitative Teilunmöglichkeit“)304 und des zufälligen Sachuntergangs von selbst, dass der Verkäufer nicht mehr (sachmangelfrei) leisten kann. Tritt vor der Erfüllung des Kaufvertrages eine an sich heilbare/behebbare Verschlechterung auf (ob zufällig oder nicht), steht einer Mangelbeseitigung dagegen rein technisch betrachtet nichts im Wege. Mit „faktisch irreparabel“ und „an sich heilbar/behebbar“ ist eine naturalistische Betrachtungsweise gemeint. Es geht darum, ob die Beseitigung des Mangels technisch möglich ist. Wenn das der Fall ist, kann das Gesetz gleichwohl anordnen, dass der Verkäufer den Mangel nicht beheben muss und unter bestimmten Umständen oder ab einem bestimmten Zeitpunkt auch nicht mehr (ohne Einverständnis des Käufers) beheben darf. Dann ist der Mangel gewissermaßen „normativ unbehebbar“.305

1)  Beweggründe der Verfasser des BGB von 1900 unklar Indem die Verfasser des BGB von 1900 eine nachträgliche Verschlechterung der verkauften Sache ohne Rücksicht darauf, ob sie behoben werden könnte oder nicht, als Sachmangel (mit-)erfassten,306 wurde dem Käufer beim Stückkauf die Verschlechterungsgefahr unter dem Aspekt der Leistungsgefahr vom frühest möglichen Zeitpunkt an (Vertragsschluss) und in vollem Umfang zugewiesen. Denn der Verkäufer schuldete bei Vorliegen eines Sachmangels keine Mangelbeseitigung, sondern musste sich im Rahmen des Gewährleistungsrechts grundsätzlich nur die Anpassung der Gegenleistung (durch Minderung oder Wandelung) gefallen lassen.307 Ob die Bedeutung dieser Entscheidung bzw. der Umstand, dass hier überhaupt eine Entscheidung in eine bestimmte Richtung getroffen wurde, bei den Beratungen erfasst wurde, geht aus den Gesetzgebungsmaterialien nicht hervor. Immerhin war die Verteilung der Leistungsgefahr durch die Entscheidung, den Übergang der Preisgefahr von dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf denjenigen der Lieferung 303 

Dazu unten: B.II.1.d)ii). dazu: Pisko (1926) – Lieferung mangelhafter Ware, S. 33 (m. w. N.); Adler ZHR 75 (1914), 453 (461). 305  Vgl. die Behandlung von Mängeln, die nur mit unverhältnimäßigem Aufwand behoben werden können, im reformierten Kaufrecht: Obwohl der Verkäufer solche Mängel beseitigen kann und darf, kann er sich darauf berufen, dass ihm dies – mit verhältnismäßigem Aufwand – unmöglich sei (§§ 439 Abs. 3, 275 Abs. 2). 306  Dazu unten: B.II.2. 307 Vgl. Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 446 Rn. 9 f. 304  Vgl.

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(Übergabe/Annahmeverzug bzw. Absendung beim Versendungskauf) zu verlegen, beim Stückkauf zum ersten Mal flexibel geworden. Weil nach dem gemeinen Recht beim „Spezieskauf“ die (Preis-)Gefahr mit perfektem Vertragsschluss überging und es denklogisch ausgeschlossen ist, dass die Leistungsgefahr zu einem späteren Zeitpunkt als die Preisgefahr übergeht308, war der Käufer zuvor zwangsläufig mit der Leistungsgefahr belastet. Das Hinausschieben des für den Übergang der Gefahr des zufälligen Untergangs sowie einer zufälligen Verschlechterung maßgeblichen Zeitpunkts beim Kauf nach dem BGB von 1900 hätte es dagegen zugelassen, den Verkäufer mit dem Risiko zu belasten, das in einer vor diesem Zeitpunkt aufgetretenen heilbaren Zufallsverschlechterung bestehende Leistungshindernis überwinden zu müssen.309 Gleichwohl wurden Überlegungen, die behebbare nachträgliche Zufallsverschlechterung anders denn als Mangel zu behandeln bzw. auf diesen „besonderen“ Mangel anders als mit den gewöhnlichen Gewährleistungsrechten (Minderung, Wandelung) zu reagieren, soweit ersichtlich, beim Stückkauf nicht angestellt. Insbesondere haben die Verfasser des BGB nicht darüber beraten, ob der Verkäufer unter Umständen zur Behebung einer nach Vertragsschluss zufällig aufgetretenen reparablen Verschlechterung verpflichtet sei.310 Dies ist insofern bemerkenswert, als die Verschlechterung der Ware zwischen Vertragsschluss und Gefahrübergang sogar von dem Standpunkt der sog. Gewährleistungstheorie aus zur Nichterfüllung der Leistungspflicht des Verkäufers führt. Denn auch sofern man annahm, dass ein rechtsgeschäftlicher Wille des Verkäufers, die Sache in einer anderen als der bei Vertragsschluss gegebenen Beschaffenheit zu leisten, nicht in Betracht komme,311 ging der Verkäufer doch wenigstens die Verpflichtung ein, dem Käufer die verkaufte Sache als solche, wie sie bei Vertragsschluss tatsächlich ist, zu verschaffen.312 Dies hätte die Pflicht, die Sache zu erhalten und nötigenfalls wieder in den vertragsgemäßen (vertragsanfänglichen) Zustand zu bringen, eigentlich einschließen müssen.313 308 

Dazu oben: A.3.b)i) und A.3.c). Dass bei Speziesschulden der Gläubiger die Leistungsgefahr „naturgemäß“ vom Vertragsschluss an trägt (vgl. Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 49), trifft außer für den Untergang nur für (faktisch) irreparable Verschlechterungen des Leistungsgegenstandes zu. 310 Vgl. Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 16: Ein Anspruch des Käufers auf Nachbesserung sei bei den Gesetzesberatungen offenbar nicht in Erwägung gezogen worden. Zu den Gründen siehe: B.II.1.d)i)3) (bei und in Fn. 333). 311  Zu dieser Annahme, die eine Konsequenz der Rechtsgeschäftslehre Zitelmanns und zugleich eine gängige, wenn auch keine notwendige (dazu Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 150) Grundannahme der sog. „Gewährleistungstheorie“ war, siehe Harke AcP 205 (2005), 67 (72 f.); Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 434–445 Rn. 14; vgl. auch Jakobs (1969) – Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 42 (mit Fn. 73). 312 Vgl. Flume (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 39 f.: Eine Erfüllungspflicht bestehe bezüglich der sachlichen Beschaffenheit der Kaufsache beim Spezieskauf nur insofern, als der Verkäufer verpflichtet sei, die Kaufsache entsprechend der Kaufvereinbarung so zu übergeben, wie sie zur Zeit des Abschlusses des Kaufvertrages existiere. Dazu noch unten: B.II.3.b) (bei Fn. 812). 313 So Oertmann (1910) – SchuldR, S. 407 (§ 450 a. F. Anm. 5), 417 (Vorbem. Zu §§ 459 ff. 309 



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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Wenigstens unter diesem Aspekt hätte viel für eine Verpflichtung des Verkäufers gesprochen, diejenige Beschaffenheit, welche die Sache zur Zeit des Vertragsschlusses tatsächlich aufgewiesen hatte, wiederherzustellen, falls sich die Sache nach dem Vertragsschluss verschlechtert hat und diese Verschlechterung technisch behebbar ist.314 Denn die – damals wohl tatsächlich ausschlaggebende – Auffassung, dass die Einhaltung der vertraglich versprochenen Beschaffenheit nicht Gegenstand einer naturalen Erfüllungspflicht des Verkäufers sei, hätte zumindest für die nach Vertragsschluss eingetretene Verschlechterung überdacht werden müssen, nachdem man entschieden hatte, den Zeitpunkt des Preisgefahrübergangs zeitlich „nach hinten“ zu verschieben. Dass dies offenbar nicht hinterfragt und nicht über eine Nachbesserungspflicht wenigstens für den Fall einer behebbaren nachträglichen Zufallsverschlechterung nachgedacht wurde, spricht dafür, dass der Gesetzgeber von 1900 insofern weitgehend unreflektiert und kritiklos dem gemeinen Recht nachhing. Insofern ist Harkes Eindruck einer gesetzgeberischen „Fehlentscheidung“315 nicht unberechtigt. Es drängt sich zumindest der Verdacht auf, dass der Gesetzgeber sich gewisser „Regelungsoptionen“ nicht bewusst war. Denn so pauschal, dass die Pflicht zur Herstellung einer versprochenen Qualität mit dem Wesen des Kaufs generell unvereinbar ist, hätte die Frage nach einer Pflicht zur Wiederherstellung des vertragsanfänglichen Sachzustandes, die bei einer nachträglichen Sachverschlechterung aufgeworfen wird, nicht verneint werden dürfen.

Dafür, dass dies auch bei den Beratungen erkannt wurde, spricht die Äußerung der Gesetzesverfasser, dass der Fall der Verschlechterung der Ware zwischen ihrem Verkauf und dem Übergang der Preisgefahr einen Fall der teilweisen nachträglichen Unmöglichkeit der Leistung zur Folge haben könne, wenn er nicht schlechthin als Sachmangel und damit als Gewährleistungsfall316 erfasst würde.317 Anm. 2.c.β) m. w. N. Von diesem dogmatischen Ausgangspunkt aus erörterte er eine Nachbesserungspflicht des Verkäufers aber nur im Rahmen der Schadenersatzhaftung wegen einer von ihm zu vertretenden nachträglichen Verschlechterung der verkauften Sache: Es entspreche der in § 433 auferlegten allgemeinen Vertragspflicht und den allgemeinen Grundsätzen des § 242, dass der Verkäufer vom Vertragsschluss bis zum Gefahrübergang „zu einer sachgemäßen Behandlung und Beaufsichtigung der Kaufsache, nötigenfalls auch zur Vornahme positiver Schutz- und Verbesserungsmaßnahmen“ verpflichtet sei. Weil Oertmann die dabei anzuwendende Sorgfalt jedoch an § 276 (a. F.) maß (a. a. O. S. 374 (§ 433 a. F. Anm. 2.a.α)), lösten nach seiner Auffassung nur schuldhaft verursachte behebbare Verschlechterungen die (Schadenersatz-)Haftung des Verkäufers und in deren Rahmen nach dem Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249) seine Pflicht, die Sache „auszubessern“, aus. Im Übrigen sollte der Verkäufer nach den allgemeinen Regeln auf Schadenersatz haften, wenn er die Ware nach Vertragsschluss schuldhaft beschädigte oder zerstörte oder es schuldhaft unterließ, dass zu ihrer Erhaltung Erforderliche zu tun; wahlweise sollte der Käufer die Leistungsstörung als Mangel behandeln und die ädilizischen Ansprüche geltend machen dürfen (a. a. O., S. 418, Vorbem. Zu §§ 459 ff. Anm. 2.c.β.αα). 314  Dies übersieht offenbar Ernst in: FS Huber (2006), 165 (174 f.). 315  Vgl. AcP 205 (2005), 67 (71 ff.). 316  Zur „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“ (Ernst) unten: B.II.2. 317 So die Erste Kommission zur Ablehnung eines Antrags, die Sachmängelhaftung allein auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen: Es komme auch die Haftung in Betracht, „welche sich [für den Verkäufer] aus der noch fortdauernden Tragung der Gefahr ergebe. Verliere der Vertragsgegenstand während dieser Zeit eine Eigenschaft, deren Mangel nach § 22 [TEOR (Nr. 22)] vertreten werden müsse, in Folge eines zufälligen, eine theilweise Unmöglichkeit der Erfüllung nach sich ziehenden Ereignisses, so begründe dies für den Erwerber das Recht, vom Vertrage zurückzutreten oder eine Herabsetzung der Gegenleistung zu fordern…“; Jakobs/ Schubert (1980) – SchuldR II, S. 123.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Der Fall der teilweisen anfänglichen Unmöglichkeit der Leistung sollte nach dem TE-OR (Nr. 20)318 dagegen anders als der des Vorliegens eines anfänglichen Mangels behandelt werden. Auf das Erfüllungsinteresse sollte der Verkäufer einerseits bei Kenntnis und fahrlässiger Unkenntnis von der anfänglichen Unmöglichkeit (§§ 39 Abs. 2, 26), andererseits nur bei Arglist (§ 26) haften.319

Demnach hätte es nicht ferngelegen, die zwischen Vertragsschluss und Lieferung aufgetretene behebbare Sachverschlechterung als ein Erfüllungshindernis zu behandeln, das der Verkäufer bei Aufrechterhaltung seiner Erfüllungspflicht überwinden muss.320 Alternativ zu der ausschließlichen Aufrechterhaltung des Erfüllungsanspruchs hätte sich für diesen Fall die „Kompromisslösung“ angeboten, dem Käufer die Wahl zwischen den Gewährleistungsrechten (Minderung/Wandelung) und der (Nach-)Erfüllung durch Mangelbeseitigung zu lassen, wie es letztlich beim Gattungskauf vorgesehen wurde (§ 480 Abs. 1 S. 1 a. F.)321.

2)  Ablehnung einer Nachbesserungspflicht als Folge der vertragsanfänglichen Belastung des Käufers mit der Leistungsgefahr? Die Verteilung der „Leistungsgefahr“ beim Stückkauf – entwickelt wurde dieser Begriff überhaupt in der wissenschaftlichen Behandlung der Gattungsschuld, insbesondere des Gattungskaufs322 – wurde in den Gesetzesberatungen allerdings nicht in Frage gestellt.323 Dies beruhte vermutlich auch auf denselben Zweckmäßigkeitserwägungen, aufgrund derer die nachträgliche Verschlechterung der Ware überhaupt wie ein vertragsanfänglicher Mangel behandelt werden sollte324. 318  Schubert  (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 375–377 mit Begründung des Redaktors, S. 416 f., 422. 319  Dazu auch Schermaier in: HKK (2007) – BGB, vor § 275 Rn. 76 a. E. 320  Dass der Verkäufer (außer beim Gattungskauf, vgl. § 480 Abs. 1 S. 1 a. F.) nach dem BGB von 1900 zur Behebung nach Vertragsschluss entstandener Verschlechterungen nicht verpflichtet war, folgte nicht einfach aus der „Verdrängung“ der Erfüllungspflicht durch die spezielleren Rechtsbehelfe des Gewährleistungsrechts, mit der Anhänger der sog. Erfüllungstheorie das Fehlen eines Nachbesserungsanspruchs des Käufers im BGB von 1900 erklärten („Ersatzerfüllungsansprüche“, vgl. dazu unten: B.II.4.a)). Denn die Anwendbarkeit der Vorschriften des Gewährleistungsrechts (auch) auf den Fall der zufälligen Verschlechterung der Ware zwischen Vertragsschluss und Lieferung („Gefahrübergang“) setzt zunächst voraus, dass dieser Fall überhaupt als Sachmangel erfasst wird. Dies versteht sich durchaus nicht von selbst. Erst durch diese Entscheidung des Gesetzgebers (dazu unten: B.II.2), wurde dem Käufer sein vertraglicher Erfüllungsanspruch, der auch auf Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustandes hätte gerichtet sein können, „abgeschnitten“. 321  Dazu unten: B.II.2.e)i)1). 322 Vgl. Fischer JherJb 51 (1907), 159 (231 ff.), dazu: Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 40 (87 mit Fn. 187); zum Ursprung der verwirrenden Terminologie der Gefahr­tragungslehre: Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 102; kritisch zum Begriff der Leistungsgefahr auch Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 280–285 Rn. 79, § 326 Rn. 2. Zur Leistungsgefahr bei der Gattungsschuld auch Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 9 mit Verweis auf Heck (1929) – SchuldR, S. 29 (§ 9.3–5). Dazu bereits: A.3.a)i). 323 Vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (174). 324  Namentlich zur Vereinfachung des Rechts und zur Vermeidung schikanöser und verwickelter Prozesse (Mot.  II, S. 226), insbesondere zur Vermeidung von Streit darüber, ob das



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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Weil es dazu in Widerspruch gestanden hätte, zwischen der behebbaren und der unbehebbaren nachträglichen Verschlechterung einen Unterschied zu machen, sollten beide Fälle gleichfalls wie ein ganz gewöhnlicher – nicht zu behebender und daher unbehebbarer – Sachmangel behandelt werden. Durch die generelle Ablehnung einer (gesetzlichen) Verpflichtung bzw. Befugnis325 des Verkäufers, Mängel an der übergebenen Sache zu beseitigen, sollten „Streit“ und „Rechtsunsicherheit“ vermieden und den Interessen des Käufers (!) gedient werden.326 Dies bedeutet die vollumfängliche Belastung des Käufers einer individuell bestimmten Sache mit der Leistungsgefahr vom Vertragsschluss an. Das Fehlen einer gesetzlichen Nachbesserungspflicht des Verkäufers erscheint von daher insgesamt konsequent. Denn wenn der Verkäufer die Leistungsgefahr nicht trägt, darf ihm die mit einer zufallsbedingten behebbaren Verschlechterung verbundene Leistungserschwerung nicht zur Last fallen, muss er m. a. W. keinesfalls einen Mehraufwand tätigen, um ein von ihm nicht zu vertretendes Leistungshindernis zu überwinden. Aufgrund dieses Verständnisses wurden die Auswirkungen einer Verschlechterung der verkauften Ware auf die Pflicht zur Leistung der verkauften Sache im vertragsanfänglich gegebenen Zustand (einschließlich einer Behütungs- und ggf. Ausbesserungspflicht) in der Literatur zum Gewährleistungsrecht zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch nur unter dem Aspekt der (Verschuldens-)Haftung des Verkäufers diskutiert. Vor allem ging es dabei um die Begründung einer Schadenersatzhaftung des Verkäufers und ihr Verhältnis zu den besonderen Regeln des Gewährleistungsrechts.327 Während man sich weitgehend einig war, dass die zufällige Verschlechterung der verkauften Sache zwischen Vertragsschluss und Gefahrübergang nur die Anwendung des Gewährleistungsrechts zur Folge habe,328 wurde lebhaft darüber gestritten, ob der Verkäufer wegen schuldhafter Beschädigung der verkauften Sache während dieser Zeit (auch) nach den allgemeinen Regeln auf Ersatz des Erfüllungsinteresses haften müsse329. Zum Teil wurde angenommen, dass er im Rahmen solch einer Schadenersatzpflicht auch zur Beseitigung schuldhaft verursachter (behebbarer) Verschlechterungen verpflichtet sei (Naturalrestitution).330 Nach anderer Ansicht sollte den Verkäufer nur die zufällige VerQualitätsdefizit schon bei Vertragsschluss vorlag oder später eingetreten ist sowie ob es vom Verkäufer zu vertreten ist oder nicht. Dazu unten: B.II.2.b). 325  Zur Abwendung der Gewährleistung. 326  So die Zweite Kommission im Zusammenhang mit der Beratung der Ersatzlieferungsbefugnis des Verkäufers einer der Gattung nach bestimmten Sache, Prot. I, S. 715. Ein Antrag, beim Stückkauf dem Verkäufer die Befugnis einzuräumen, durch freiwillige Mangelbeseitigung die Gewährleistungsrechte des Käufers abzuwenden (in den Beratungen als „Nachlieferungsrecht“ bezeichnet), wurde ebenfalls abgelehnt; Prot. I, S. 697 f. Dazu bereits in Fn. 300 sowie noch bei und in Fn. 332, 644 und unter B.III.6.a)i) bei und in Fn. 528. 327 Vgl. Schollmeyer JherJb 49 (1905), 93 (97 ff., 104 ff.); Schultze ArchBürgR 30 (1907), 143  (149 ff.); Blume JherJb 55 (1909), 209 (228 ff.), nach deren Ansicht die Lieferung mangelhafter Ware dann (aber auch nur dann) erfüllungstauglich sein sollte, wenn die Mangelhaftigkeit dem Zustand der Ware im Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspreche, anderenfalls solle ein (verschuldensabhängiger) Anspruch des Käufers auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung in Betracht kommen. Zur Ansicht Oertmanns siehe oben in Fn. 313. 328  Schollmeyer JherJb 49 (1905), 93 (105 f., 113). 329  Schollmeyer JherJb 49 (1905), 93 (104 ff.). 330  Oertmann (1910) – SchuldR, S. 418 (Vorbem. Zu §§ 459 ff. Anm. 2.c.β.αα), dazu bereits: Fn. 313.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

schlechterung der verkauften Sache vor Gefahrübergang von seiner Leistungspflicht befreien, die Sache so zu liefern, wie sie bei Vertragsschluss war, so dass schuldhaft verursachte behebbare Mängel im Rahmen seiner Verpflichtung zur Leistung sollten behoben werden müssen.331

3)  Vertragsanfängliche Belastung des Käufers mit der Leistungsgefahr als Folge des Fehlens einer Nachbesserungspflicht des Verkäufers? Tatsächlich dürfte eher umgekehrt die kritiklose Annahme des Gesetzgebers, dass eine Nachbesserungspflicht332 des Verkäufers nicht in Frage komme,333 dazu geführt haben, dass der Käufer (wie bereits im gemeinen Recht) vom Vertragsschluss an mit der Leistungsgefahr belastet war.334 Im Ergebnis stand jedenfalls fest: Ein Sachmangel musste nach der Konzeption der §§ 433, 459 ff. a. F. beim Stückkauf nicht behoben werden, und zwar selbst dann, wenn er an sich hätte

331 Vgl. v. Gierke  (1917)  – Deutsches PrivatR  III, S. 479 f. mit Fn. 65 (Nachbesserungsanspruch wahlweise neben den Rechten nach §§ 320 ff. a. F.); Schollmeyer JherJb 49 (1905), 93 (114–116) (Verkäufer gerate mit der Nachbesserungspflicht in Verzug und hafte wegen Nichterfüllung, falls er es unterlasse, den Fehler zu beseitigen oder die Eigenschaft wiederherzustellen); vgl. auch die Ansicht Adlers, dazu unten bei Fn. 347. Vgl. zum Ersatz des „positiven Interesses“ gem. §§ 320 ff. a. F. wegen einer Verschlechterung der Kaufsache zwischen Vertragsschluss und Gefahrübergang nur unter der Voraussetzung, dass „die geschuldete Beseitigung des Mangels nicht mehr möglich, das Fehlende nicht mehr geleistet werden kann: Jakobs (1969) – Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 42–44 mit Fn. 76. 332  Diskutiert wurde bei den Beratungen lediglich – nach dem Vorbild des prALR (I. 5 §§ 326, 331) – die Einführung eines Rechts der zweiten Andienung des Verkäufers, wodurch es ihm hätte ermöglicht werden können, die ädilizischen Rechtsbehelfe durch Mangelbeseitigung abzuwenden; dazu Prot.  I, S. 698. Dazu bereits bei und in Fn. 300, 326 sowie noch bei und in Fn. 644 und unter B.III.6.a)i) bei und in Fn. 528. Die Mehrheit der Zweiten Kommission ging allerdings davon aus, dass mit der Einführung solch eines Rechts zu viel Unsicherheit in das Gesetz getragen werde, weil seine Voraussetzungen zu unbestimmt sein müssten. Dadurch sollte nicht prinzipiell ausgeschlossen werden, dass der Verkäufer zur Abwendung der Gewährleistungsrechte durch Nachbesserung berechtigt sei; nur sollte darüber im Einzelfall nach Grundsätzen der Billigkeit der Richter entscheiden; dazu Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 98–100. Ein Nachbesserungsanspruch des Käufers bzw. eine Nachbesserungspflicht des Verkäufers blieb bei den Beratungen außer Betracht. 333  Dass der Verkäufer regelrechte Reparatur der mangelfrei verkauften, inzwischen aber verschlechterten Sache schulden könne, erschien damals offenbar geradezu undenkbar; statt vieler Crome (1902) – System II.1, S. 447: „An sich würde der Käufer in erster Linie Nachholung des Versäumten, also Beseitigung der Mängel fordern dürfen, sofern eine solche überhaupt möglich ist. Doch verbietet sich eine solche, auch wenn sie möglich ist, hier häufig aus praktischen Rücksichten. Denn sie käme auf eine Reparatur der Sache heraus, welche dem Verkäufer nicht zuzumuthen ist. Er ist darauf meist gar nicht eingestellt“. – Zu den Gründen, die aus Sicht der Verfasser des BGB gegen eine Nachbesserungspflicht des Verkäufers sprachen: Harke AcP 205 (2005), 67 (71–73). 334 Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Behandlung auch der nachträglichen behebbaren Zufallsverschlechterung als Sachmangel mit den „normalen“ Rechtsbehelfen des Gewährleistungsrechts umgekehrt als Konsequenz der Belastung des Käufers mit der Leistungsgefahr gesehen worden wäre. Die Verfasser des BGB von 1900 haben die Verteilung der Leistungsgefahr beim Stückkauf offenbar überhaupt nicht als Regelungsthema erkannt.



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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behoben werden können, und dadurch war die Unbehebbarkeit jeglicher Mängel beim Stückkauf gesetzlich festgelegt.335 Die Gesetzesverfasser gingen also davon aus, dass die Leistung des Verkäufers sich im Umfang einer nach Vertragsschluss auftretenden und auf Zufall beruhenden Verschlechterung der verkauften Sache erledige, ohne insoweit auf den Begriff der (leistungsbefreienden) Unmöglichkeit zurückzugreifen. Dieses Verständnis spiegelt sich im Wortlaut der kaufrechtlichen Gefahr­tragungsregeln wider, die – anders als noch v. Kübels Vorlage Nr. 7 von 1876336 – nicht daran anknüpfen, dass dem Verkäufer seine Leistung durch Zufall ganz (Sachuntergang) oder teilweise (Sachverschlechterung) unmöglich wird, sondern unmittelbar an den zufälligen Untergang sowie – ohne Rücksicht auf ihre Behebbarkeit – jegliche zufällige Verschlechterung der verkauften Ware.337 Das ist der Hintergrund, warum der Wortlaut des § 446 so schwer zugänglich ist und nicht auf den ersten Blick zu erkennen gibt, welche Gefahr hier überhaupt geregelt ist.338 Darin liegt ein nicht zu vernachlässigender Unterschied zur Fassung der allgemeinen Regelung der Gegenleistungsgefahr (§ 323 Abs. 1 a. F., § 326 Abs. 1 S. 1), die tatbestandlich die Leistungsbefreiung des Schuldners wegen Unmöglichkeit voraussetzt.339 Dieser Unterschied verliert an Bedeutung, wenn man kein naturalistisch-gegenständliches, sondern ein juristisch-normatives Begriffsverständnis der nachträglichen Unmöglichkeit zugrunde legt, wie es den Verfassern des BGB durchaus noch geläufig war.340 Demnach 335 Vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (170 f., 204 f.): Man habe in der Sachverschlechterung „so etwas wie einen Fall der teilweisen Unmöglichkeit (qualitative Teilunmöglichkeit)“ gesehen; durch vertragliche Zuweisung der Leistungsgefahr zum Käufer könnten die Parteien unter der Geltung der §§ 433, 434, 437, 439 Abs. 1  (n. F.) die „juristische Unbehebbarkeit aller nachträglichen Zufallsmängel“ vereinbaren und dadurch abweichend vom Gesetz eine der „alten“ Rechtslage entsprechende Regelung schaffen. 336  Dazu oben: B.II.1.c)i)1). 337  Vgl. hierzu auch TE-OR  (Nr. 22) § 33 Abs. 2 S. 1, den „Vorgänger“ des § 324 Abs. 2 S. 1 a. F. (entspricht 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2): „Wenn der Schuldner durch einen von ihm hiernach nicht zu vertretenden Umstand die Leistung unmöglich gemacht oder wenn die zu leistende Sache durch einen solchen Umstand verschlechtert wird, so ist der Schuldner, soweit dies zutrifft, von seiner Verbindlichkeit befreit und der Gläubiger bleibt zur vollen Gegenleistung verpflichtet.“ (Hervorhebung d. Verf.), siehe Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 350. 338 Dazu Leenen JuS 2008, 577 (581 ff.). 339  Oertmann (1910)  – SchuldR, S. 418 (Vorbem. zu §§ 459 ff. Anm. 2. c.β.γγ m. w. N.) meinte, dass im Fall einer zufälligen Verschlechterung der Ware zwischen Vertragsschluss und Gefahrübergang § 323 a. F. deshalb nicht neben den ädilizischen Ansprüchen anwendbar sei, weil der Mangel, „wenigstens wenn behebbar, nicht ohne weiteres als teilweise Unmöglichkeit zu bezeichnen“ sei. In dieser Bemerkung deutet sich vermutlich bereits Oertmanns Hinwendung zu einem absoluten Unmöglichkeitsbegriff an, vgl. dazu Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 275 Rn. 39 mit Fn. 334. Außerdem, meinte Oertmann, verdrängten die Sonderregeln die allgemeinen Regeln „zur Vermeidung unnötiger Komplikationen“. 340  Vgl. dazu Schermaier in HKK (2007) – BGB, § 275 Rn. 28. Das geht auch daraus hervor, dass v. Kübel in seiner Vorlage die Realisierung der Preisgefahrtragung des Verkäufers von der gänzlichen/teilweisen Unmöglichkeit der Leistung abhängig machte, diese Voraussetzung aber im Fall der zufälligen Verschlechterung der Ware zwischen Vertragsschluss und Gefahrübergang gegeben sah, ohne zwischen behebbaren und unbehebbaren Verschlechterungen zu unterscheiden.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

versteht sich unter der Prämisse, dass der Käufer die Leistungsgefahr trägt, also insoweit von der Leistung frei wird, von selbst, dass der Verkäufer zumindest oberhalb einer gewissen „Bagatellschwelle“341 nicht zur Wiederherstellung/Verbesserung verpflichtet ist, auch wenn die Leistung der verkauften Sache in der bei Vertragsschluss gegebenen Qualität durch das (zufällige) Auftreten einer an sich heilbaren Verschlechterung der verkauften Sache nicht faktisch ausgeschlossen ist. Denn dann erfordert die Beseitigung der zufälligen Verschlechterung objektiv einen Leistungsaufwand, der über das vereinbarte Maß der Anstrengungen hinausgeht. M. a. W. ist die Leistung – unter normativen Gesichtspunkten – auch dann unmöglich, wenn der vertraglich geschuldete Leistungsaufwand nicht mehr ausreicht, um das durch Zufall eingetretene Leistungshindernis zu überwinden (die zufällige Verschlechterung der verkauften Sache zu beheben) und den versprochenen Leistungserfolg herbeizuführen. Dies entspricht den Lehren Mommsens und Hartmanns,342 wonach hinsichtlich der Voraussetzungen der Leistungsbefreiung kein prinzipieller Unterschied zwischen Leistungserschwerung und Leistungsunmöglichkeit besteht. Entscheidend ist demnach allein, dass „casuell“ bedingt der angestrebte Leistungserfolg mit dem aufgrund der ursprünglichen Vereinbarung zu erbringenden Leistungsaufwand nicht mehr erreicht werden kann.343

Dass der Gesetzgeber von 1900 die Belastung des Käufers mit der Verschlechterungsgefahr nicht weiter begründet, möglicherweise Regelungsalternativen nicht einmal in Betracht gezogen hat, heißt nicht, dass die gesetzliche Regelung nicht sachlich nachvollziehbar zu begründen wäre. In der Tat ist es etwas anderes, dem Verkäufer wegen einer Verschlechterung, für die er wegen der Entscheidung für das Traditionsprinzip fraglos die (Preis-)Gefahr trägt, einen verhältnismäßigen Abzug an der Gegenleistung zu machen (sei es nach den allgemeinen Regeln der Gefahr­tragung oder vermittelt durch das spezielle Gewährleistungsrecht), als ihn mit der Verpflichtung zu einer (unvergoltenen!) Erhöhung des Leistungsaufwandes zu belasten.344 Letzteres kann ihn ungleich empfindlicher treffen und sogar zu einem Aufwand nötigen, der das Geschäft unrentabel werden lässt.345 341 Vgl.

Pisko (1926) – Lieferung mangelhafter Ware, S. 35 meinte mit Verweis u. a. auf Schroeder (1903) – Gewährleistung, S. 24 in Fn. 7, dass der Verkäufer zur Beseitigung „gewisser kleiner Gebrechen“ durch Verbesserung (Anleimen losgelöster Holzteile, Nähen getrennter Nähte, Reinigen vom Staube usw.) nach der Verkehrsauffassung auch dann verpflichtet sei, „wenn ihr Anlaß erst nach Vertragsschluss durch Zufall eingetreten ist“, obwohl eine Verbesserungspflicht des Verkäufers hinsichtlich nach Vertragsschluss eingetretener Zufallsverschlechterungen grundsätzlich abzulehnen sei. 342  Mommsen (1853)  – Unmöglichkeit, S. 241 ff., 245 ff.;  Hartmann (1875) – Obligation, S. 166 ff. (insb. S. 173), 177 ff.; wie hier zitiert bei Schermaier in HKK (2007) – BGB, § 275 Rn. 28. 343 Vgl. dazu Jakobs  (1969)  – Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 112 ff. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde der Unmöglichkeitsbegriff freilich immer weiter „entmaterialisiert“, das normative von einem gegenständlichen Verständnis verdrängt, dazu Schermaier in HKK (2007) – BGB, § 275 Rn. 36 ff. 344 Vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (202–204) m. w. N. zu der Kritik des Schriftums an der Zuweisung der Leistungsgefahr hinsichtlich nachträglicher Zufallsverschlechterungen zum Verkäufer im Zuge der Schuldrechtsreform, namentlich durch Verpflichtung des Verkäufers zur Behebung auch solcher Mängel. Ausführlich dazu unten: B.III.2.a) und B.III.6.a)iii). 345  Unter der Geltung der BGB a. F. wurde es bald als Defizit empfunden, dass die gesetzliche Regelung nicht die Befugnis des Verkäufers vorsah, die Minderung oder Wandelung durch Nachbesserung abwenden und sich auf diesen Weise den (vollen) Kaufpreis verdienen zu dürfen. Denn



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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Dem entspricht die Ansicht Adlers. Entgegen der seinerzeit herrschenden Meinung nahm er an, dass der Verkäufer auch beim Stückkauf verpflichtet sei, die Sache in der vereinbarten Qualität zu leisten, und begründete auf diese Weise, dass der Verkäufer bei Vorliegen eines heilbaren Mangels grundsätzlich zur Nachbesserung verpflichtet sei.346 Er verneinte eine Mangelbeseitigungspflicht allerdings für den (Ausnahme-)Fall, „daß der Mangel, für den der Verkäufer einzustehen hat, aus einem zwischen Kaufabschluß und Gefahrübergang (…) eingetretenen Zufall stammt (§ 459)“, weil die Gewährleistung in diesem Fall „bloße Form für die Ansprüche aus der Gefahr­tragung des Verkäufers und deshalb auch dementsprechend eingeschränkt [sei], indem sie niemals den Schadenersatzanspruch umfaßt (§ 463)“.347 Mit ähnlicher Begründung wollte Pisko in der österreichischen Literatur zum ABGB von 1811, in das mit der dritten Teilnovelle im Jahre 1817 ein „Verbesserungsanspruch“ des Käufers eingeführt worden war,348 eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs der Verbesserungspflicht des Verkäufers begründen.349 Er nahm an, dass der für die Gewährleistung entscheidende Zeitpunkt wie nach gemeinem Recht der Kaufabschluss sei und lediglich die Preisgefahr infolge des Traditionsprinzips zu einem späteren Zeitpunkt übergehe. Deshalb sei mit dem Gedanken, „daß die Rechtsnachteile, die den Verkäufer wegen nachträglicher von ihm nicht zu vertretender Verschlechterung der Sache treffen, ihren Rechtsgrund lediglich in der auch nach Vertragsschluss beim Verkäufer bleibenden Gefahr haben, … eine von der Höhe des hierzu nötigen Aufwands unabhängige Verbesserungspflicht unvereinbar“.350 Da nicht zu leugnen war, dass der österreichische Gesetzgeber dem Verkäufer durch den Verbesserungsanspruch eben solch einen „Mehraufwand“ zugemutet hatte, konnte sich das Gewährleistungskonzept Piskos freilich nicht durchsetzen.351

für einen gewerblichen Verkäufer ist die Nachbesserung häufig kostengünstiger als die Gewährleistung. Die Praxis reagierte darauf mit Vertragsgestaltungen, wonach anstelle der Wandelung und Minderung oder wenigstens mit Vorrang vor diesen Gewährleistungsrechten eine Nachbesserung durch den Verkäufer vorgesehen wurde. Dazu: Köhler JZ 1984, 393 (393); Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 480 R. 8; Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 462 Rn. 10 ff.; Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 462 Rn. 14. Dieser Vertragspraxis trug der Gesetzgeber bald durch § 476a a. F. im BGB sowie § 11 Nr. 10 lit. a bis c im AGBG Rechnung. Bemerkenswert ist, dass seit Einführung der gesetzlichen (vorrangigen) Nacherfüllungspflicht des Verkäufers im Zuge der Schuldrechtsreform 2002 (§ 439 Abs. 1) insbesondere deshalb, weil der Umfang der Nacherfüllungspflicht des Verkäufers von den Gerichten (zumindest beim Verbrauchsgüterkauf) sehr weit ausgelegt wird, heute die Frage drängend ist, ob und unter welchen Umständen der Verkäufer das Nacherfüllungsverlangen des Käufers abwehren kann, dazu Heinrich ZGS 2003, 253 ff.; vgl. auch Picker in: FS Konzen (2006), 687 ff. 346  Adler ZHR 75 (1914), 453 (453–463). 347  Adler ZHR 75 (1914), 453 (460). 348 Dazu Rabl (2002)  – Gefahr­tragung, S. 196 f., 226. Zum „zukunftsweisenden Kaufrecht des ABGB von 1811“: Bucher in: FS Welser (2004), 93 (105–107). 349  Pisko  (1926) – Lieferung mangelhafter Ware, S. 35, 41 verweist für diesen Fall auf die §§ 1048, 1049 ABGB. Gem. § 1049 ABGB gehen zwischen Vertragsschluss und dem Zeitpunkt der (bedungenen) Übergabe „durch Zufall erfolgte Verschlimmerungen der Sache und Lasten … auf die Rechnung des Besitzers, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie behoben werden können oder nicht. Zur Behebung einer heilbaren nachträglichen Verschlechterung, die er zu vertreten hat, hielt Pisko den Verkäufer dagegen im Rahmen des Schadenersatzes für verpflichtet (Naturalrestitution gem. § 1323 ABGB). 350  Pisko (1926) – Lieferung mangelhafter Ware, S. 35 ff. mit Verweis auf Adler. 351 Dazu Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 199 f.

172

B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

4) Zwischenergebnis Wer ausschließlich eine individuell bestimmte Sache verkaufte (Stückkauf), schuldete nach dem BGB von 1900 jedenfalls nicht die Beseitigung solcher nach Vertragsschluss auftretender Verschlechterungen, die er nicht in haftungsbegründender Weise zu vertreten hatte. Dabei machte es keinen Unterschied, ob der durch die Verschlechterung begründete Mangel bei technischer Betrachtung an sich behebbar war oder nicht. Der Verkäufer wurde durch den Zufall von der Pflicht, die Sache in der Qualität, die sie bei Vertragsschluss hatte, zu leisten, in jedem Fall befreit. Mithin trug der Käufer die Leistungsgefahr ab Vertragsschluss. Im Falle einer Verschlechterung der verkauften Sache stellte sich daher beim Stückkauf unmittelbar die Frage nach der Preisgefahr.

ii)  Beim Gattungskauf: Anknüpfung des Übergangs der Leistungsgefahr an den Übergang der Preisgefahr Eine andere Verteilung der Leistungsgefahr musste sich beim Gattungskauf ergeben. Denn es liegt im Wesen der Gattungsschuld, dass der Kaufgegenstand im Zeitpunkt der Entstehung der Lieferpflicht352 noch nicht (zumindest nicht abschließend oder endgültig)353 realkörperlich bestimmt, sondern lediglich nach allgemeinen Merkmalen bestimmbar ist. Schuldobjekt ist also keine konkrete körperliche Sache, sondern „eine unkörperliche nur vorgestellte Idealsache“354. Deshalb haben schädigende Einwirkungen auf das realkörperliche Stück, das der Verkäufer zur Erfüllung seiner Lieferverpflichtung (einseitig) ausgewählt hat, grundsätzlich keinen Einfluss auf den Fortbestand seiner Verpflichtung. Der Schuldner bleibt also ungeachtet des Untergangs einer von ihm zur Leistung ausgewählten Sache vor der Erfüllung zur Lieferung einer der generischen Beschreibung entsprechenden Sache verpflichtet. Entsprechendes gilt bei einer Verschlechterung, wegen der die bei einem Erfüllungsversuch eingesetzte Sache nicht mehr der vereinbarten Beschaffenheit entspricht und deshalb aus der vereinbarten 352  Es ist umstritten, ob ein „genus“ bis zur Erfüllung, die notwendigerweise eine „species“ zum Gegenstand hat, das Schuldobjekt der Verpflichtung bleibt oder ob sich der Schuldinhalt vor der Erfüllung verwandelt, die Gattungsschuld also regelrecht zur Stückschuld mutiert, so dass nur noch ein spezielles realkörperliches Stück geschuldet ist. Dazu sogleich: B.II.1.d)ii)3). 353  Näher zu der Bedeutung der Individualisierung eines bestimmten Stücks beim Vertragsschluss für die Unterscheidung von Stück- und Gattungskauf unten: B.III.6.a). 354  Zur Abgrenzung von Stück- und Gattungsschuld, insbesondere beim Kauf: Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 20. v. Kübel beschrieb das Wesen der Gattungsschuld in seiner Begründung zu den §§ 1, 2 TE-OR  (Nr. 17) mit Verweis auf Windscheids Pandektenlehrbuch folgendermaßen: „Es ist damit ausgesprochen, daß die generische Obligation sich überall nicht auf einzelne, individuell bestimmte Sachen, sondern auf eine gedachte, durch die Auswahl aus einer bezeichneten Gattung erst zu bestimmende Sache bezieht, woraus zugleich folgt, daß vor der Auswahl keine der zu der bezeichneten Gattung gehörigen Sachen in obligatione und daher auch der Untergang einzelner Sachen der fraglichen Gattung ohne Bedeutung ist“; Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 45.



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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Gattung „herausfällt“ oder innerhalb dieser Gattung nur noch unterdurchschnittliche Qualität aufweist (nicht „mittlerer Art und Güte“ ist). Wenn die Leistung einer vertragsgemäßen Sache aus der Gattung weiterhin möglich ist, muss der Verkäufer liefern. Er ist – außer bei Untergang der ganzen Gattung (durch Verlust oder Verschlechterung aller dazugehörigen Sachen) – also grundsätzlich bis zur Erfüllung mit der Leistungsgefahr, genauer gesagt: mit der Gefahr, bei Verschlechterung oder Untergang der zur Erfüllung eingesetzten Sache zur Leistung (mit einer anderen Sache) verpflichtet zu bleiben, belastet. Solange der Käufer dementsprechend die Lieferung vertragsgemäßer Ware verlangen kann, ändert sich natürlich auch nichts an seiner Pflicht, dafür den Kaufpreis zu bezahlen.

1)  Dogmatisch zwingend: Übergang der Leistungsgefahr spätestens zur Zeit des Übergangs der Preisgefahr Es wurde bereits beschrieben,355 dass die periculum est emptoris-Regel gerade deshalb nicht auf den Gattungskauf passte, weil es ausgeschlossen ist, dass der Schuldner mit der Leistungsgefahr belastet bleibt, nachdem die Preisgefahr auf den Gläubiger übergegangen ist356. Wegen dieses Zusammenhangs stand infolge der Entscheidung der Gesetzesverfasser, dass die Preisgefahr bei Stück- und Gattungskauf grundsätzlich mit der Übergabe (sonst mit Eintritt des Annahmeverzugs des Käufers und ausnahmsweise, beim Versendungskauf, bereits mit dem Absenden der Ware) der verkauften Sache übergehe – zumindest für den Fall der sachmangelfreien Lieferung357 – fest, dass beim Gattungskauf spätestens im selben Zeitpunkt auch die Leistungsgefahr auf den Käufer übergehen müsse.358 Zwei der drei wichtigsten359 Fragen, die sich den Verfassern des BGB bezüglich des Gattungskaufs, dessen Zuordnung zum Kaufrecht seinerzeit nicht mehr angezweifelt wurde, stellten, betrafen die Voraussetzungen und die „Funktionsweise“ der Befreiung des Gattungsschuldners von seiner Leistungspflicht vor der eigentlichen Erfüllung derselben sowie die Voraussetzungen des (Preis-)Gefahrübergangs.360 Drittens bedurfte es der Entscheidung, ob und unter welchen

355 

Dazu oben: B. I. 4.b). Siehe bereits oben: A.3.b)i) und A.3.c). 357  Beim Gattungskauf kommt grundsätzlich nur die vertragsgemäß beschaffene als die „verkaufte“ Sache i. S. v. § 446 Abs. 1 S. 1 a.F in Betracht. 358  Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 446 Rn. 10. 359  Ausführlich zu den wesentlichen Regelungsproblemen und Lösungsmöglichkeiten bei der Gattungsschuld: Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 7–18. 360 Vgl. Ernst ZEuP 1999, 583 (639 f.). Wohl auch deshalb hielt v. Kübel es „weder für erforderlich noch für räthlich“, den Vertragstyp des Lieferungsvertrages im BGB zu regeln; siehe die Begründung zu TE-OR (Nr. 32) § 1 bei Jakobs/Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR II, S. 16 f. Zur rechtshistorischen Entwicklung und Bedeutung des Lieferungsvertrages siehe: Ernst a. a. O. (584, 631 f.); ders. in: FS Zöllner II (1998), 1097 ff.; ders. SZ Rom 114 (1997), 272 ff.; ders. in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (63 mit Fn. 72); Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 95, 118–120. 356 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Voraussetzungen die Anwendung der ädilizischen Rechtsbehelfe statthaft sei.361 Während die ersten beiden Fragen sowohl den Fall der Verschlechterung als auch des Untergangs einer vom Verkäufer zur Erfüllung ausgewählten Sache betreffen, geht es bei der dritten Frage allein um die Verschlechterung.

2)  Regelungsabsicht des historischen Gesetzgebers: Gemeinsamer Übergang von Leistungs- und Preisgefahr Darauf, wie der Gesetzgeber die ersten beiden Fragen beantwortet hat, soll hier im Zusammenhang eingegangen werden. Denn es war eine Regelung beabsichtigt, nach der im gegenseitigen Vertrag die Leistungsgefahr des Gattungsschuldners (außer bei Erfüllung) dann zessiert, wenn ein Tatbestand erfüllt wird, der bei einer Stückschuld den Übergang der Preisgefahr verwirklichen würde. Anders als beim Stückkauf362 wurde die Ordnung der Leistungsgefahr beim Gattungskauf ausdrücklich als Regelungsthema aufgefasst. Der Gesetzgeber wollte namentlich den Streit zwischen der „Ausscheidungstheorie“ und der „Lieferungstheorie“363 entscheiden, obwohl sich dies für den (Gattungs-)Kauf inzwischen ohnehin weitgehend erübrigt hatte364. Der Streit war angesichts der Erkenntnis, dass die periculum est emptoris-Regel auf den Gattungskauf als solchen nicht passe und die Preisgefahr bei dieser Variante des Kaufs eigentlich nur und erst mit der Übergabe der bestellten Sache an den Käufer übergehen könne, entbrannt. Denn diese Konsequenz wurde in Fällen der Schickschuld (Versendungskauf) und des Annahmeverzugs als unbillige Belastung des Verkäufers empfunden.365 Insoweit erledigte der Streit sich bei den Beratungen des BGB von 1900 für den Kauf aber größtenteils bereits dadurch, dass für den Versendungskauf eine spezielle Vorschrift vorgesehen wurde, wonach der Verkäufer die Preisgefahr bereits mit der Absendung der Ware auf den Käufer abwälzt (§ 447 a. F.). Dass bei der Bring- oder Holschuld der Verkäufer einer nur der Gattung nach bestimmten Sache auch dann von seiner Leistungspflicht frei wird (und den Kaufpreis trotzdem verlangen kann), wenn die zur Erfüllung angebotene, aber nicht angenommene Sache durch Zufall untergeht oder verschlechtert wird, während der Gläubiger sich im Annahmeverzug befindet, war für die Verfasser des BGB noch eine Selbstverständlichkeit.366 Damit war wenigstens für diese Fälle implizit mitgeregelt, dass auch die Leistungsgefahr (spätestens) in diesem Moment übergehe. 361 Siehe

dazu die Abhandlungen von Goldschmidt ZHR 19 (1874), 98 ff. und HayS. 24 ff.

mann (1913) – Gewährleistung, 362  Dazu oben: B.II.1.d)i).

363 

Zu diesem Theorienstreit bereits oben: B. I. 4.c). Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 226 f.; Raab (1999) – Austauschverträge, S. 318. 365  Ratio: Hätte der Käufer die Sache am Leistungsort abgeholt (Schickschuld) oder die ihm vertragsgemäß angebotene Sache angenommen (Annahmeverzug), hätte der Schuldner die ihm obliegende Leistung erbracht und deshalb seinen Anspruch auf die Gegenleistung sichergestellt. 366 Dazu Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 39, 44. Die h. M. geht außerdem davon aus, dass sich aus § 324 Abs. 2 a. F. ergeben habe, dass bei Nichtannahme (irgend)einer erfüllungstauglichen Lieferung aus der Gattung die Leistungs- und Preisgefahr (besser gesagt: die Preisgefahr und daher auch die Leistungsgefahr) auf den Käufer übergehe; Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 227, Raab (1999) – Austauschverträge, S. 318; Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (80). 364 Dazu:



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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Wer sich verpflichtet hat, den „Besteller“ mit einem Stück (bzw. einer bestimmten Sachmenge) der vereinbarten Beschaffenheit zu beliefern, soll in bestimmten Fällen, in denen der Aufschub der Erfüllung (das Auseinanderfallen von Leistungshandlung und Leistungserfolg) dem Vertragspartner anzulasten ist (Annahmeverzug) oder in dessen Interesse liegt (Schickschuld), nicht erst mit der Erfüllung i. S. des Eintritts des entsprechenden Leistungserfolges von dem Risiko entlastet werden, „nachlegen“ und sich dazu etwa bei der sog. marktbezogenen Gattungsschuld367 ggf. zu gestiegenen Marktpreisen neu eindecken zu müssen,368 falls das eigentlich zur Erfüllung ausgewählte Stück aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen beschädigt oder zerstört wird. Darum geht es bei der Verteilung der Leistungsgefahr.369 Regelungstechnisch kann diese Gefahr dem Schuldner abgenommen werden, indem man ihm ein dauerhaftes Leistungsverweigerungsrecht einräumt370 oder indem der Anspruch des Gläubigers durch eine spezielle Regelung ausgeschlossen wird (Erlöschensgrund), wobei sich eine besondere Regelung zur Belastung des Gläubigers mit der Leistungsgefahr bei einer konstruktiven Lösung erübrigt, nach der die Gattungsschuld in einem bestimmten Moment zur Stückschuld mutiert.371 Denn dann versteht sich von selbst, dass ab diesem Zeitpunkt die für eine Stückschuld maßgebliche Verteilung der Leistungsgefahr (d. h. Belastung des Gläubigers) gilt.

(a)  Anknüpfung nicht an die gesetzlichen Anordnungen des Übergangs der Preisgefahr, sondern an die tatbestandlichen Voraussetzungen derselben Fraglich sind in jedem Fall die Voraussetzungen, unter denen dem Schuldner das Risiko, bei zufälliger Verschlechterung oder zufälligem Untergang des zunächst eingesetzten Stücks zur Erfüllung (mit einem anderen Stück) verpflichtet zu bleiben, abzunehmen ist. Der Gesetzgeber hielt es in zwei Fällen für sachgerecht, dem Gattungsschuldner die Gefahr der Leistung schon vor der Erfüllung der ihm obliegenden Verpflich367 

Grundlegend zu der Unterscheidung von „Gattungsverkauf aus einem Vorrat“, Verkauf gattungsmäßig bestimmter Ware in der Annahme, der Verkäufer werde aus seinem Vorrat erfüllen können und „marktbezogener Gattungsverkauf“: Ballerstedt in: FS Nipperdey (1955), 261 (264 ff.); dazu auch Gsell (1998) – Beschaffungsnotwendigkeit, S. 7 ff. 368  „Hinter der Leistungsgefahr steht [bei der Gattungsschuld] das Beschaffungsrisiko und damit das Risiko steigender Preise“, Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 229; vgl. Huber in: FS Ballerstedt (1975), 327 (333): Es gehe bei der Frage der Konzentration „um das Risiko, daß nach Abschluss des Kaufvertrages und vor Lieferung die Preise … gestiegen sind. Dieses Risiko kann man das ‚Beschaffungsrisiko‘ des Verkäufers nennen.“ 369  Dazu bereits: A.3.a)i). 370  Zu dieser Lösung des klassischen römischen Rechts (bei Annahmeverzug des Gattungsgläubigers): v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (435 ff.); Zimermann (1996) – Obligations, S. 820; Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (53 f.); vgl. Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 98; Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 25; Kaser/Knütel  (2008)  – Röm. PrivatR, S. 207 (§ 37.15); Harke (2008) – Röm. Recht, S. 113 (§ 7.43). 371  Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 10.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

tung abzunehmen, und zwar bei der Schickschuld, sobald der Schuldner eine Sache mittlerer Art und Güte aus der vereinbarten Gattung auf den Weg zum Gläubiger gebracht hat, und sonst immer dann, wenn der Erfüllungsaufschub daran liegt, dass der Gläubiger mit der Annahme in Verzug war. Dies waren genau die Fälle, in denen nach v. Jherings Lieferungs-/Erfüllungstheorie372 die Gefahr der Gegenleistung bei der Gattungsschuld vor der eigentlichen Erfüllung (d. h. dem Eintritt des Leistungserfolges)373 auf den Gläubiger übergehen sollte.374 Unabhängig davon, ob das Geschäft den Charakter einer Stückschuld oder einer Gattungsschuld hatte, war für das Kaufrecht eine besondere Regelung über den Übergang der Preisgefahr für den Fall geplant, dass dem Kauf eine Schickschuld zugrunde lag (E I § 465, der spätere § 447 Abs. 1).375 Ferner war für Austauschverträge im Allgemeinen eine Regelung vorgesehen, wonach die Gefahr der Gegenleistung übergehe, wenn der Gläubiger in Annahmeverzug gerate (E I § 368 Abs. 2 S. 1 Alt.  2376, der spätere § 324 Abs. 2 a. F., vgl. den heutigen § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2). Insoweit konnte für den Übergang der Leistungsgefahr deshalb direkt an die entsprechenden Regelungen der Preisgefahr angeknüpft werden. In den Protokollen der Ersten Kommission heißt es dazu, es „erheische die Billigkeit oder vielmehr eine nicht abzuweisende innere Konsequenz, der Erfüllung diejenige Handlung des Schuldners gleichzustellen, an welche sich in Bezug auf die von diesem ausgewählte species der Uebergang der [Preis]Gefahr auf den Gläubiger knüpfe“.377

Die allgemeinen und speziellen Tatbestände der Gegenleistungsgefahr betreffen aber naturgemäß nur gegenseitige Schuldverhältnisse. Deshalb bieten sie keinen 372  Dazu bereits B. I. 4.c)ii) (bei Fn. 471). Auf v. Jhering selbst geht übrigens auch die Formel zurück, der Schuldner müsse das seinerseits Erforderliche tun; JherJb 4 (1861), 366 (371, 387, 420), dazu Raab (1999) – Austauschverträge, S. 318. 373  Zu diesem dogmatischen Defizit der Erfüllungstheorie: B. I. 4.c)ii) (bei und nach Fn. 461). 374  Kisch (1912) – Gattungsschuld, S. 94 f.; Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 39, 41, 42. 375  Der Redaktor hatte in seiner Vorlage Nr. 7 von 1876 vorgeschlagen, die Ware beim Versendungskauf auf Gefahr des Verkäufers reisen zu lassen. Diesen Vorschlag verwarf bereits die Erste Kommission und beschloss, die Transportgefahr dem Käufer aufzuerlegen. Dazu oben: B.II.1.c)i). 376  Diese Regelung ging auf den in TE-OR (Nr. 22) § 33 Abs. 2 S. 1 enthaltenen Vorschlag des Redaktors zu den Folgen des Gläubigerverzugs zurück, den die Erste Kommission zunächst als ZustOR § 204 Abs. 2 beschlossen hatte. Im Zweiten Entwurf war die entsprechende Regelung in E II § 275 Abs. 2 enthalten. Dazu sogleich: B.II.1.d)ii)2)(b) (in Fn. 382). 377  Jakobs/Schubert  (1978) – SchuldR I, S. 53 (vgl. Mot. II, S. 12), dazu auch Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (78). Im Ersten Entwurf lautete die Fassung der später als § 243 Abs. 2 Gesetz gewordenen Regelung gleichlautend mit der Vorlage v. Kübels (TE-OR (Nr. 17) § 2 Abs. 1): „Die Auswahl gilt erst dann als vollzogen, wenn die Leistung durch Uebergabe der ausgewählten Sache bewirkt oder, sofern schon in einem früheren Zeitpunkte die Gefahr auf den Gläubiger übergeht, wenn dieser Zeitpunkt eingetreten ist.“ (E I § 214 Abs. 1); siehe Jakobs/ Schubert (1978) – SchuldR I, S. 50, 54. Mit dem zweiten Halbsatz wollte v. Kübel die Gefahr­ tragung beim Versendungskauf, der allein durch die Absendung noch nicht erfüllt ist, geregelt wissen. Zum Gefahrübergang bei Annahmeverzug siehe in Fn. 376 und 382. Zu E I § 214 Abs. 2 siehe in Fn. 481.



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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Anknüpfungspunkt für den Übergang der Leistungsgefahr bei einseitigen Leistungspflichten generischen Schuldinhalts.378 Insoweit mussten die Gesetzesverfasser den nur379 für die beiden Ausnahmefälle (Schickschuld, Annahmeverzug) vorgesehenen vorzeitigen Übergang der Leistungsgefahr unmittelbar mit den Voraussetzungen verbinden, unter denen dem Schuldner bei einem gegenseitigen Vertrag ggf. (auch) die Gefahr der Gegenleistung abgenommen würde.380 Dadurch wurden die maßgebenden Wertungskriterien offengelegt. Außerdem bedurfte es einer allgemeinen Regelung über den Übergang der Leistungsgefahr für sämtliche Verträge, aus denen sich für eine Partei eine aufs Schicken gerichtete Leistungspflicht generischen Inhalts ergab, ohne dass dem ein Kauf zugrunde lag.381 Denn eine Anordnung des Übergangs der Preisgefahr im Zeitpunkt des Abschickens erfüllungstauglicher Ware war nicht für die Schickschuld im Allgemeinen, sondern nur für den speziellen Fall des Versendungskaufs vorgesehen. Diese beiden Erwägungen sind der Grund für die (abstrakte) Formulierung des späteren § 243 Abs. 2, wonach der Schuldner zur Abwälzung der Leistungsgefahr das „seinerseits Erforderliche getan“ haben muss. 378  Im klassischen römischen Recht waren es sogar ausschließlich einseitige Verpflichtungen, die einen generischen Schuldinhalt hatten; vgl. Bauer  (1998)  – Periculum emptoris, S. 101 f.; Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (51); ders. ZEuP  1999, 583 (591 Fn. 24); Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 55; Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 23 f.; Seckel/Levy SZ Rom 47 (1927), 117 (202 f.). 379  Die Regelung zielte nicht darauf ab, dem Gattungsschuldner schlechthin das Risiko des Eintritts des Leistungserfolges abzunehmen. Dies hätte zu der Regelung des § 323 Abs. 1 a. F. in Widerspruch gestanden. Dazu unten: B.II.1.d)ii)4)(a). 380 Dazu: Huber in: FS Ballerstedt (1975), 327 (330); Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 227; Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (78–80); Raab (1999) – Austauschverträge, S. 318; Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 42 f.; Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 158. Die Vorkommission des Reichsjustizamtes hatte den Fall eines Schenkungsversprechens oder Vermächtnisses, das eine Gattungssache zum Gegenstand hat und den Schuldner zum „Abschicken“ der ausgeschiedenen Sache verpflichtet, im Blick, dazu Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 55 f. 381  Siehe dazu die Beschlüsse der Vorkommission des Reichsjustizamtes bei Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 55 f., dazu Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (78 f.). Trotz der Verallgemeinerung des der Regelung des Preisgefahrübergangs beim Versendungskauf zugrunde liegenden Gedankens wurde E I § 465 (= § 447 a. F.) beibehalten, weil sie „abgesehen davon, daß diese auch den Spezieskauf mitumfasse, die besondere Bedeutung [hatte], daß in einem solchen Falle der Verkäufer trotz des zufälligen Unterganges der Sache den Kaufpreis verlangen könne, also der Käufer die [Preis]Gefahr trage, was … nach dem Entw. aber mit Rücksicht auf den Grundsatz des § 463 [= § 446  a. F.] besonders ausgesprochen werden müsse.“  – Für den Werkvertrag sollte es dabei bleiben, dass die Gefahr (d. h. Leistungs- und Preisgefahr) grundsätzlich erst mit der Abnahme durch den Besteller übergeht, und zwar auch dann, wenn das Werk nach seiner Fertigstellung an einen anderen Ort als den Versendungsort zu verschicken ist. So die Zweite Kommission bei den Beratungen des E I § 214 (Prot. I, S. 287) sowie die Erste Kommission (Mot. II, S. 499) und die Vorkommission des Reichsjustizamtes (Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 898) zur Beratung des E I 576 (zum Gefahrübergang beim Werkvertrag). Gleichwohl wurde letztlich von der Zweiten Kommission in E II § 580 Abs. 2 (§ 644 Abs. 2 a. F.) die entsprechende Anwendung des E II § 388 (§ 447 a. F.) für den Fall angeordnet, dass der Werkvertrag den Charakter einer Schickschuld hat.

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(b)  Zum Nebeneinander der Anordnung des Gefahrübergangs bei Annahmeverzug und der allgemeinen Regelung der Konkretisierung bei der Gattungsschuld Weil diese abstrakte Formulierung auch den Fall des Annahmeverzugs erfasst (ratio: Wenn der Schuldner das seinerseits Erforderliche getan hat und die Leistung dadurch nicht unmittelbar bewirkt hat, geht dies – sofern die Parteien nicht eine Schickschuld vereinbart haben – mit dem Annahmeverzug des Gläubigers einher), war die Anordnung des Übergangs der Preisgefahr mit Eintritt des Annahmeverzugs bei der Gattungsschuld zumindest zu dem Zweck nicht mehr erforderlich, den Übergang der Leistungsgefahr (mit) zu regeln. Ferner erübrigte sich eigentlich auch eine spezielle Regelung über den Übergang der Leistungsgefahr bei Annahmeverzug. In seiner Vorlage zu den Folgen der Nichterfüllung der Verbindlichkeit (TEOR (Nr. 22) § 33 Abs. 2 S. 2382) hatte der Redaktor v. Kübel in Bezug auf die Gefahr(en)verteilung während des Annahmeverzugs bei der Gattungsschuld lediglich eine auf Fälle der zulässigen Sammelversendung zugeschnittene Regelung vorgesehen.383 Danach sollte der Gläubiger trotz Vorliegens einer Gattungsschuld auch ohne Aussonderung der zur Erfüllung bestimmten Sache oder Sachmenge durch den Schuldner die Preisgefahr (und damit notwendig auch die Leistungsgefahr)384 zu tragen haben, wenn die ganze Ladung, aus der heraus erfüllt worden wäre, während des Annahmeverzugs unterging oder eine Verschlechterung erlitt, ohne dass der Schuldner dies zu vertreten hatte. Der Schuldner werde von seiner Verbindlichkeit befreit und der Gläubiger bleibe zu der vollen Gegenleistung verpflichtet, „wenn Sachen aus einer Gattung zu leisten sind und der bestimmte Vorrath, aus welchem der Schuldner dem Gläubiger die Leistung angeboten hat, in Folge eines derartigen Umstandes untergeht oder verschlechtert wird.“ Daraus hat Ernst den Schluss gezogen, v. Kübel sei der Meinung gewesen, dass der Gefahrübergang bei der Gattungsschuld generell

382  In dem ersten Teil der vorgeschlagenen Vorschrift war vorgesehen, dass im Allgemeinen (bei der Stückschuld) mit dem Annahmeverzug die Preisgefahr auf den Gläubiger übergehe (§ 33 Abs. 2 S. 1, dazu bei und in Fn. 376). Auch nach der Zusammenstellung der sachlich beschlossenen Vorschriften des Obligationenrechts sollte der Übergang der Preisgefahr im Allgemeinen und im Speziellen (bei der Gattungsschuld) noch in derselben Vorschrift geregelt werden (ZustOR § 204 Abs. 2 und Abs. 3). Erst auf einen Antrag Kurlbaums kam es zu einer „Aufspaltung“ in E I § 257 Abs. 2 (vgl. § 300 Abs. 2) und E I § 368 Abs. 2 Alt. 2 (vgl. § 324 Abs. 2 a. F.) im Ersten Entwurf. Dazu Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 353. 383  Zu TE-OR (Nr. 22) § 33 siehe die Begründung des Redaktors bei Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 854, 919–921 sowie die Beratungen bei Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 350 ff. Dass es zu Lasten des Gläubigers gehe, wenn ein aus der Gattung ausgesondertes und ihm erfolglos angebotenes konkretes Stück während des Annahmeverzugs untergehe, hielt der Redaktor wohl für selbstverständlich und daher nicht für regelungsbedürftig. Vgl. dazu Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 39, 44. 384 Vgl. Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 44.



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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nicht von der Aussonderung der Ware abhänge.385 Die Erste Kommission billigte diesen Regelungsvorschlag in der Sache, hielt ihn aber für zu kasuistisch, um in den Entwurf aufgenommen zu werden.386 Sie sah stattdessen eine allgemeine Regelung vor, wonach bei der Gattungsschuld „in dem Zeitpunkte, in welchem der Gläubiger durch Nichtannahme der ausgewählten und angebotenen Sache in Verzuge kommt, die [Preis]Gefahr auf den Gläubiger übergeht“ (ZustOR § 204 Abs. 3 = E I § 257 Abs. 2).387 Daraus folgte systematisch zwingend, dass die Leistungsgefahr zu keinem späteren Zeitpunkt übergehen konnte.388 Dass sie auch nicht früher, sondern im selben Moment übergehe, ergab sich aus E I § 214. Danach galt die das Gattungsschuldverhältnis beschränkende Auswahl einer bestimmten Sache (von mittlerer Art und Güte) „erst dann als vollzogen, wenn die Leistung durch Uebergabe der ausgewählten Sache bewirkt oder, sofern schon in einem früheren Zeitpunkt die Gefahr auf den Gläubiger übergeht, wenn dieser Zeitpunkt eingetreten ist“.389 Bereits bei den Beratungen der Vorkommission des Reichsjustizamtes, aus denen der Vorschlag hervorging, der in E I § 214 vorgesehenen Regelung die allgemeine und abstrakte Form zu geben, die in den Beratungen der Zweiten Kommission beschlossen (E II 207 Abs. 2)390 und mit § 243 Abs. 2 schließlich Gesetz wurde, fiel auf, dass bei solch einer weiten Fassung der Regelung eine gesonderte Bestimmung über den Übergang der Preisgefahr bei Annahmeverzug des Gattungsgläubigers zumindest zu dem Zweck, für diesen Fall (auch) die Beschränkung des Gattungsschuldverhältnisses (also: den Übergang der Leistungsgefahr) anzuordnen, nicht notwendig sei.391 Gleichwohl sollte die entsprechende Regelung des Ersten Entwurfs (E I § 257 Abs. 2) nicht gestrichen werden. Die Zweite Kommission behielt sie aus der Zweckmäßigkeitserwägung bei (E II § 254 Abs. 2), dass dadurch „auch die [geänderte] Fassung des [E  I]  § 214 Abs. 1[392] eine erwünschte Erläuterung erhalte“.393 Gemeint war damit, dass durch die spezielle Regelung zum Übergang der Preisgefahr wegen Annahmeverzugs bei der Gattungsschuld (§ 300 Abs. 2) näher beschrieben werde, welche Anforderungen an das zur Leistung einer nur der Gattung nach bestimmten Sache seitens des Schuldners Erforderliche (d. h. zur 385 

49

Dazu bei Fn. 442.

386  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 352. Dazu: Ernst in: (83 f., 98 mit Fn. 223); Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 66. 387  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 352 f. 388 

GS Knobbe-Keuk (1997),

Dazu: A.3.b)i) und A.3.c). Hervorhebung d. Verf. Zum vollständigen Wortlaut des Regelungsentwurfs in Fn. 481. 390  Dazu in Fn. 392. 391  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 56. 392  Zum Wortlaut von E I § 214 Abs. 1 siehe in Fn. 377. Zum Wortlaut von E I § 214 Abs. 2 siehe in Fn. 481. E II § 207 Abs. 2: „Hat der Schuldner das zur Leistung einer [nur der Gattung nach bestimmten] Sache seinerseits erforderliche gethan, so beschränkt sich das Schuldverhältniß auf diese Sache“. 393  Prot. I, S. 332, dazu auch Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 44; Raab (1999) – Austauschverträge, S. 318 f. 389 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Herbeiführung des Übergangs der Leistungsgefahr gem. § 243 Abs. 2) zu stellen sind.394 Auch für die Schickschuld gilt, dass das seinerseits Erforderliche getan ist, wenn der Schuldner den Gläubiger, der die Annahme von vornherein ablehnt, durch ein wörtliches Angebot (§ 295) in Annahmeverzug versetzt. Dass Leistungs- und Preisgefahr ggf. schon vor der Absendung der Ware übergehen, heißt natürlich nicht, dass der Schuldner die Ware nicht mehr absenden bzw. zunächst (auf Kosten des Gläubigers, § 304) verwahren müsste, bis der Gläubiger sich annahmebereit zeigt. Denn „[m]it eingetretenem Gefahrübergang endet ja keineswegs die Leistungspflicht des Schuldners“.395

In der Auslegungsgeschichte des späteren § 300 Abs. 2 hat sich gleichwohl die Ansicht durchgesetzt, dass diese Regelung allein den Übergang der Leistungsgefahr zum Gegenstand habe (und daher neben § 243 Abs. 2 weitgehend überflüssig sei).396 Das liegt außer an der Stellungnahme der Gesetzesverfasser, dass § 300 Abs. 2 lediglich eine Art „Erklärungshilfe“ zu § 243 Abs. 2 sei, auch an der verbreiteten Annahme, dass die Belastung des Gläubigers mit der Preisgefahr während des Annahmeverzugs auch für die Gattungsschuld bereits aus den allgemeinen Regeln (§ 324 Abs. 2 a. F. bzw. § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2) folge. Nach herrschender Meinung soll § 300 Abs. 2 immerhin einen geringen eigenständigen Anwendungsbereich bei der Verteilung der Leistungsgefahr haben, weil es Fälle gebe, in denen Annahmeverzug eintrete, ohne dass der Schuldner gem. § 243 Abs. 2 bereits alles Erforderliche getan habe.397   Nach der historisch orientierten Gegenansicht soll § 300 Abs. 2 einen völlig anderen Regelungsbereich als § 243 Abs. 2 haben, weil es sich um eine Regelung der Preisgefahr handele.398 Der Übergang der Preisgefahr wegen Annahmeverzugs bedürfe bei der Gattungsschuld nämlich einer speziellen Anordnung und ergebe sich insbesondere nicht bereits aus der entsprechenden allgemeinen Regelung über die Gefahr­tragung beim Austauschvertrag (§ 324 Abs. 2 a. F., § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2). Denn diese setze tatbestandlich voraus, dass dem Schuldner während des Annahmeverzugs die Leistung unmöglich wird.399 Unmöglichkeit 394 Vgl. Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 40 (83–88); Raab (1999) – Austauschverträge, S. 319. 395  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 40 (85). 396  Medicus JuS 1966, 297 (302); Huber in: FS Ballerstedt (1975), 327 (337 f.): Die Formulierung des § 300 Abs. 2 sei eine „terminologische Nachlässigkeit“, der im Verein mit der untechnischen Verwendung des Gefahrbegriffs in § 270 Abs. 1 der „mißgebildete Begriff“ der Leistungsgefahr zu verdanken sei; Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 227 m. w. N. in Fn. 7; Feldmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 300 Rn. 16; Stadler in: Jauernig (2014) – BGB, § 300 Rn. 6; Lorenz in: BeckOK (Stand: 01.03.2011) – BGB, § 300 Rn. 5. 397  Näher dazu: Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 21, 44 f., Ernst in: GS KnobbeKeuk (1997), 49 (83–86); Feldmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 300 Rn. 16 ff.; Lorenz in: BeckOK (Stand: 01.03.2011) – BGB, § 300 Rn. 5. 398  Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 21 f., 51, 44 f.; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 280–285 Rn. 79 mit Fn. 679, § 326 Rn. 2 mit Fn. 13; vgl. Huber in: Soergel (1991) – BGB, vor § 446 Rn. 4. 399 Vgl. Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 45. A. A. offenbar: Hager (1982) – Gefahr­ tragung, S. 227; Raab (1999) – Austauschverträge, S. 318 und wohl auch Ernst in: GS KnobbeKeuk (1997), 49 (80). Sie gehen davon aus, dass sich bereits aus § 324 Abs. 2 a. F. ergeben habe,



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der Leistung sei bei der Gattungsschuld als solcher – vor Übergang der Leistungsgefahr – jedoch nur anzunehmen, wenn die gesamte Gattung untergehe („genus non perit“)400.401 § 300 Abs. 2 beziehe sich also „auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gattungsschuldner trotz Nichtleistung den Anspruch auf die Gegenleistung behält, obwohl die Leistung aus der Gattung nach wie vor möglich ist“402. Dass der Gattungsschuldner bei Unvermögen nach dem zufälligen Untergang des erfolglos angebotenen Stücks während des Annahmeverzugs von der Leistungspflicht frei werde, habe sich auch bereits aus § 279 a. F. ergeben.403   Die Gegenansicht überzeugt. Gerade wenn man die Rechtsfigur der Konkretisierung unter dem Aspekt, dass die Gattungsschuld sich vor der eigentlichen Erfüllung in eine Stückschuld verwandle, ablehnt,404 lässt sich nämlich sonst kaum überzeugend begründen, warum der Untergang des erfolglos angebotenen Stücks den Ausschluss der Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit der Leistung zur Folge haben sollte.405 Für den Fall, dass bei der Gattungsschuld das erfolglos angebotene Stück aus vom Schuldner nicht zu vertretenden Gründen untergeht, während der Gläubiger im Annahmeverzug ist, ordnet § 300 Abs. 2 demnach ohne den „konstruktiven Umweg“ über das Unmöglichkeitsrecht den Wegfall der Gegenleistung an.

dass bei Nichtannahme einer angedienten (erfüllungstauglichen) Sache aus der Gattung die Leistungs- und Preisgefahr (besser gesagt: die Preisgefahr und dazu auch die Leistungsgefahr) auf den Käufer übergeht. 400  Kritisch zu dieser Parömie: Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 363 f. 401  Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 45. 402  Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 45. 403  Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 280–285 Rn. 79 mit Fn. 679, § 326 Rn. 2 mit Fn. 13. Hinter diesem Argument steht die Erwägung, dass es sich bei dem zufälligen Untergang des erfolglos angebotenen Stücks während des Annahmeverzugs nicht um ein Risiko handelt, das auf der Eigenart der Gattungsschuld (Beschaffungsrisiko) beruht, und dass deshalb mit Blick auf § 275 a. F. kein Anlass bestehe, den Gattungsschuldner insoweit anders zu behandeln als einen Stückschuldner. Auch war anerkannt, dass der Gläubiger sich nicht auf § 279 a. F. berufen konnte, wenn er das Unvermögen des Schuldners selbst zu verantworten hatte. 404  Dazu unten: B.II.1.d)ii)3). 405  Dazu noch: B.II.1.d)ii)3)(d)(i). Vgl. Ernst in: GS  Knobbe-Keuk  (1997), 49 (89): „Zu Unrecht meint man demgegenüber [im Falle der zufälligen Verschlechterung oder des zufälligen Untergangs der generisch bestimmten Ware nach Übergang der Leistungsgefahr durch Absenden beim Versendungskauf oder durch Eintritt des Annahmeverzugs], die aufgrund des Gefahrübergangs bestehende Zahlungspflicht des Gattungskäufers, der im Gegenzug Ware überhaupt nicht (Untergang) oder nur Ware im verschlechterten Zustand beanspruchen kann, sei nur darauf zu stützen, daß die Leistung des Verkäufers unmöglich geworden sei, nachdem (und weil) sie sich auf dieses bestimmte Stück konzentriert habe. Wir halten dies für eine juristisch nicht erforderliche Konstruktion. Die Annahme dieser ‚Unmöglichkeit‘ hinsichtlich des einen Stücks, auf das sich die Schuld konkretisiert haben soll, ist u. E. nicht bloß als konstruktive ‚Erklärung‘ der Zahlungspflicht entbehrlich, sie ist auch wenig sachgerecht“. Es erscheint vor dem Hintergrund dieser Ausführungen inkonsequent, dass Ernst die Anwendung des § 324 Abs. 2 a. F. (§ 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2) zur Begründung des Gefahrübergangs bei der Gattungsschuld offenbar unproblematisch findet (vgl. GS Knobbe-Keuk (1999), 49 (80)), obwohl diese Vorschrift tatbestandlich die Unmöglichkeit der Leistung voraussetzt. Von seinem Standpunkt aus dürfte allenfalls eine analoge Anwendung des § 324 Abs. 2 a. F. in Betracht kommen. Dazu noch unten B.II.1.d)ii)3)(d)(i) (bei Fn. 514). Der Rechtsgedanke hinter den §§ 324 Abs. 2 a. F. (§ 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2), 300 Abs. 2 ist freilich derselbe. In v. Kübels Vorlage waren die beiden Regelungen auch noch Teil derselben Vorschrift. Siehe dazu in Fn. 382.

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(c) Zwischenergebnis Die Verfasser des BGB von 1900 wollten den Übergang der Leistungsgefahr beim Gattungskauf davon abhängig machen, dass der Verkäufer einen Tatbestand erfüllt, an dessen Verwirklichung bei einem Stückkauf die Rechtsfolge des Übergangs der Preisgefahr auf den Gläubiger geknüpft ist.406 Nach dieser Konzeption ist es ausgeschlossen, dass die Leistungsgefahr unabhängig von und zeitlich vor der Preisgefahr übergeht. D. h., wann immer feststeht, dass der Verkäufer nach Untergang oder Verschlechterung der zur Erfüllung eingesetzten Sache oder Sachmenge nicht zur Lieferung anderer Ware aus der Gattung verpflichtet ist, steht zugleich fest, dass er trotzdem den vollen Kaufpreis verlangen kann. Umgekehrt ist es nach dieser Konzeption ausgeschlossen, dass der Verkäufer sich aufgrund eines vor dem für den Übergang der Preisgefahr maßgeblichen Moment aufgetretenen Zufallsschadens an der zur Erfüllung eingesetzten Sache mit Erfolg darauf berufen kann, nicht mehr zur Leistung verpflichtet zu sein.

(d)  Bewertung dieser Regelung Es wurde und wird bezweifelt, dass diese Regelung sachgerecht ist.407 Zwar trifft es nicht zu, dass die Verfasser des BGB die Leistungsgefahr beim Gattungskauf nicht als selbstständiges Regelungsthema erkannt und Leistungs- und Preisgefahr nicht nur begrifflich, sondern auch sachlich nicht klar unterschieden hätten.408 Denn nach Wortlaut und Zweck zielt § 243 Abs. 2 vor allem darauf ab, die Leistungspflicht des gattungsmäßig verpflichteten Schuldners im einseitigen Schuldverhältnis (beim Absenden aufgrund einer Schickschuld sowie allgemein beim Eintritt des Annahmeverzugs) zu begrenzen, bei dem die (Gegenleistungs-)Gefahr­tragung keine Rolle spielt. Über den Einwand, dass Leistungs- und Gegenleistungsgefahr unterschiedliche Risiken ansprächen, deren „Gleichbehandlung“ nicht sachgerecht sei,409 kann man dagegen streiten. Im Ergebnis ist aber kein überzeugender Grund ersichtlich, warum der Gattungsschuldner im gegenseitigen Vertrag die Leistungsgefahr vor der Preisgefahr auf den Gläubiger überwälzen, insbesondere nicht, warum er dies durch irgendwelche einseitigen Handlungen zur Vorbereitung der eigentlichen Leistung bewirken können sollte, sofern diese nicht (auch) den Übergang der Preisgefahr bewirken.410 406  Ernst  in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (80, 88); Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 43 f., 69; Huber in: FS Ballerstedt (1975), 327 (329 ff.); so im Grundsatz auch Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 227 f. und Raab (1999) – Austauschverträge, S. 317–319. 407 Ausführlich zur Kritik und Rechtfertigung der vom Gesetzgeber intendierten Regelung: Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 46–52; Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (82–86). 408 Dazu: Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 48; Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (87 mit Fn. 187). 409  Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 229–231; vgl. auch Raab (1999) – Austauschverträge, S. 319 ff. 410  Ausführlich dazu: Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 49–52; Ernst in: GS Knobbe-



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Die Ansicht, dass der Schuldner zumindest in den Fällen der vorübergehenden Annahmeverhinderung (§ 299) bei der Hol- und Bringschuld ohne Rücksicht auf den Eintritt des Gläubigerverzugs (und damit auch ohne Rücksicht auf den Übergang der Preisgefahr) von der „Gefahr mehrfacher Leistungsversuche“ zu befreien sei, sobald er eine vertragsgemäße Sache ausgesondert, bereitgestellt und den Gläubiger erfolglos zur Abholung aufgefordert bzw. eine vertragsgemäße Sache ausgesondert und beim Gläubiger erfolglos angeboten hat, ohne dies eine angemessene Zeit vorher angekündigt zu haben,411 überzeugt vor allem aus zwei Gründen nicht. Es ist nicht ersichtlich, warum nach dieser Argumentation nicht auch die Preisgefahr übergehen sollte.412 Mit Ernst ist dem außerdem entgegenzuhalten, dass der Annahmeverzug (und damit der Übergang der Preisgefahr) ggf. nicht durch die vorübergehende Verhinderung des Gläubigers, sondern dadurch verhindert wird, dass der Schuldner es unterlassen hat, die Leistung rechtzeitig anzukündigen und damit die Leistungszeit hinreichend zu bestimmen.413 Das Argument, dass es dem Schuldner nicht angelastet werden könne, dass die Erfüllung an der mangelnden zeitlichen Koordination scheitert, weil der Gläubiger durch eine Terminvereinbarung für klare Verhältnisse sorgen könne,414 überzeugt nicht. Denn dem Schuldner wird nichts „angelastet“, was er nicht selbst vertraglich übernommen hätte. Er muss sich nicht auf einen Vertrag ohne bestimmte Leistungszeit einlassen bzw. hat er es in der Hand, seine Leistung vorher anzukündigen415. Soweit die Kritik darauf abzielt, dass dem Schuldner die Leistungsgefahr generell zu spät abgenommen werde, wenn sie (erst) gemeinsam mit der Preisgefahr überginge, ist ihr entgegen zu halten, dass sie auf einem zu engen Verständnis von den Voraussetzungen des Preisgefahrübergangs beruht. Es gehen deshalb auch die Versuche, wesentliche Unterschiede zwischen der Leistungs- und der Preisgefahr sowie Gründe dafür zu suchen, die eine Gefahr von dem Übergang der anderen abzukoppeln, fehl. Ginge etwa bei der Holschuld die Leistungsgefahr bereits mit der Bereitstellung der für den Käufer vorgesehenen Ware über, bevor der Käufer durch Nichtannahme in Annahmeverzug gerät (und damit die Preisgefahr übergeht), hätte dies zur Folge, dass bei Untergang/Verschlechterung der bereitgestellten Ware jede Keuk (1997), 49 (83–88); Huber in: FS Ballerstedt (1975), 327 (332–335); vgl. Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 136–138. 411  Raab (1999) – Austauschverträge, S. 323–325. 412  Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 51. 413  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (85 f.). – Dass dies der Grund ist, weswegen die Preisgefahr mangels Annahmeverzugs nicht übergeht, räumt auch Raab ein; er hält die Wertung des § 299 aber auch nur in Bezug auf den Übergang der Preisgefahr für begründet (siehe Austauschverträge (1999), S. 324 (zur Bringschuld)). 414 So Raab (1999) – Austauschverträge, S. 324 (zur Konkretisierung bei der Bringschuld). 415 Vgl. Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 51 (mit Verweis auf Prot. I, S. 330): Der Schuldner dürfe in Fällen, in denen die Leistungszeit nicht bestimmt bzw. er zur vorzeitigen Leistung berechtigt ist, den Liefertermin bestimmen, müsse sich deshalb aber mit Rücksicht auf Treu und Glauben eine „mäßige Beschränkung des Zeitraums, innerhalb dessen er den Zeitpunkt wählen darf, gefallen lassen“.

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Partei gerade in dem Fall begünstigt wird, für den sie vertraglich das Risiko übernommen hat, und gerade dann benachteiligt, wenn sich das Risiko verwirklicht, das eigentlich die andere Partei vertraglich übernommen hat.416 Warum sollte der Verkäufer vor dem Zeitpunkt der Erfüllung seiner Leistungspflicht bzw. des Übergangs der Preisgefahr von diesem Risiko befreit und der Gläubiger dadurch mit dem „Risiko einer Stornierung des Vertragsverhältnisses“ (Ernst) belastet werden? Sachgerecht ist es vielmehr, dass die Leistungsgefahr erst und nur dann übergeht, wenn die Zeit für den Vertragsvollzug gekommen ist (weshalb ggf. auch die Preisgefahr übergeht).417 Denn wer sich zur künftigen Lieferung nur der Gattung nach bestimmter Ware, die er noch nicht „hat“ und daher erst beschaffen muss418, zu einem bestimmten Preis verpflichtet („unbeschränkter Gattungskauf“), übernimmt das Risiko, dass sich der Marktpreis oder sonst sein Beschaffungsaufwand erhöht, während der „Besteller“ bei solch einem Geschäft das Risiko eingeht, die bestellte Ware dem Lieferanten zu dem ursprünglich vereinbarten Preis auch dann abnehmen zu müssen, wenn die Marktpreise bis zur Lieferung gefallen sind und er sich deshalb aktuell zu günstigeren Konditionen mit der Ware eindecken könnte. Andererseits sichert der Besteller sich die Vorteile eines günstigen Geschäfts „für den Fall eines Ansteigens der Preise, die er dann durch Weiterverkauf oder Verarbeitung wahrnehmen kann“419.420 Für diese Chance bezahlt er – außer für die eigentliche Warenlieferung – den Kaufpreis; die Übernahme des damit notwendig korrelierenden Risikos durch den Verkäufer ist also Teil der Leistung: Neben dem einfachen Leistungsaustausch ist die „gegenseitige Risikosicherung“ Gegenstand des Geschäfts, sofern der Gattungskauf nicht nur eine ganz unerhebliche Lieferzeit vorsieht.421   Koller hält das Kriterium der wechselseitigen Risikosicherung für zu undifferenziert, um im Wege einer normativen Interpretation des Vertragstypus’ „Gattungskauf“ den sachgerechten Zeitpunkt des Übergangs der Leistungsgefahr zu ermitteln.422 Im Ergebnis kommt aber auch er dazu, dass Leistungs- und Preisgefahr bei der Gattungsschuld synchron übergehen müssten. Er begründet dies mit dem „Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit“.423 416 Dazu Dorn

in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 50. Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (88). 418 Vgl. die Differenzierung von Ballerstedt in: FS Nipperdey (1955), 261 (264 f.): Der Stückverkäufer erkläre mit dem Abschluss des Vertrages, etwas zu haben, nämlich Eigentum oder zumindest Verfügungsbefugnis über den verkauften Gegenstand, während der Verkäuer gattungsmäßiger, martkgängiger Ware erkläre, etwas zu können, nämlich die bestellte Ware zu beschaffen (und zu liefern). Allerdings ist zu beachten, dass hierbei nur idealtypische Modelle einander gegenübergestellt werden, und zwar nicht nur aufseiten des Gattungskaufs (Idealtypus: „unbeschränkter“ marktbezogener Gattungskauf), sondern auch aufseiten des Stückkaufs, der durchaus auch als „Leerverkauf“ vorkommen kann, bei welchem der Verkäufer ein Beschaffungsrisiko übernimmt. Zu Ballerstedts Abhandlung noch: B.III.1.c)ii)1) (bei und in Fn. 51). 419  Ballerstedt in: FS Nipperdey (1955), 261 (265). 420  Huber in: FS Ballerstedt (1975), 327 (333 ff.). 421 Grundlegend Ballerstedt in: FS Nipperdey (1955), 261 (264 f.); dazu Huber in: FS Ballerstedt (1975), 327 (334). 422  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 135 f. 423  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 136 f.: Der Schuldner sei besser als der Gläubiger in der Lage, die mit der Lagerung der beschafften Ware verbundenen Risikofaktoren zu beherrschen, d. h. zu vermeiden, dass die Ware beschädigt oder zerstört wird, und Vorsorge für den Fall zu treffen, dass sich dies nicht vermeiden lässt (Versicherungsschutz). Dass der Schuldner die Lagerdauer bei der Holschuld nur schwer vorhersehen kann, da sie vom Verhalten des Gläubigers abhängt, beruhe auf einer ihm von vorneherein bekannten Ungewissheit, der er kalkulatorisch 417 Vgl.



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Auch bei der Stückschuld treffe zu, dass der Schuldner besser als der Gläubiger in der Lage sei, die Risiken, denen die zur Erfüllung bestimmte Ware ausgesetzt ist, zu kontrollieren. Gleichwohl sei die Zuweisung der Leistungsgefahr bereits vom Vertragsschluss an insoweit „systemgerecht“.424 Denn beim Stückkauf sei das bei Verlust des Leistungsgegenstandes nur noch mit Geld zu befriedigende positive Interesse des Gläubigers der Höhe nach wesentlich von den besonderen Zwecken des Gläubigers abhängig, die zu dessen Organisationsbereich gehören. Dies bedeute einen erheblichen Unsicherheitsfaktor für den Schuldner bei der Kalkulation der Rentabilität von Risikoabwehr- und Risikoabsorptionsmaßnahmen sowie der Höhe ggf. nötiger Rücklagen. Deshalb mache das Gesetz die Zurechnung des Risikos der nachträglichen Störung der versprochenen Leistung bei der Stückschuld nicht von der abstrakten Beherrschbarkeit, sondern vom Verschulden abhängig. Anders sei dies bei der Gattungsschuld, bei welcher das Ausmaß des potentiellen Verlusts nicht durch das Interesse des Käufers an einem bestimmten Objekt, sondern durch den Preis auf dem Markt diktiert werde, auf dem sich der Schuldner wieder einzudecken imstande ist, um das Interesse des Gläubigers zu befriedigen.

Dem (Gattungs-)Schuldner ist grundsätzlich bis zur Erfüllung das Risiko zugewiesen, ein anderes Stück einsetzen zu müssen, wenn das von ihm für die Zwecke der Erfüllung zunächst ausgewählte Stück aus nicht vom Gläubiger zu vertretenden Gründen untergeht oder sich verschlechtert. Nur ausnahmsweise hat er die Begünstigung durch eine vorzeitige Beschränkung des Schuldverhältnisses verdient. Eine Ausnahme ist dann begründet, wenn der Schuldner im Zeitpunkt des Untergangs oder der Verschlechterung bereits alles, was er für die Erreichung des Leistungserfolges zu tun verpflichtet ist, getan hatte und es allein am Gläubiger lag, dass dies noch nicht zum Leistungserfolg und damit zum Erlöschen der Leistungspflicht gem. § 362 geführt hatte (Schickschuld, Annahmeverzug). Das sind dieselben Erwägungen, die den gesetzlichen Anordnungen über den „vorzeitigen“ Übergang der Preisgefahr insbesondere beim Kauf zugrunde liegen. Deshalb ist die Synchronisierung des Gefahrenübergangs, die der historische Gesetzgeber beabsichtigt hat, sachgerecht. Eine unterschiedliche Entwicklung von Leistungs- und Preisgefahr ergab sich nach dem Gesetz ausnahmsweise daraus, dass beim Gattungskauf alternativ zur Ersatzlieferung die ädilizischen Gewährleistungsrechte für statthaft erklärt wurden425. Nahm der Käufer die von dem Verkäufer zur Erfüllung eingesetzte Sache, die sich vor ihrer Lieferung verschlechtert hatte, an und verlangte Wandelung, lagen die Dinge nämlich so, als sei dem Verkäufer im Zeitpunkt der Lieferung der vertragswidrigen Ware die Leistungsgefahr, nicht aber die Preisgefahr abgenommen worden. Denn er wurde ggf. von seiner Verpflichtung zur Leistung frei, musste den Kaufpreis aber – ungeachtet etwaiger weiterer zufallsbedingter Schäden an der gelieferten Sache – in vollem Umfang erstatten.426

Rechnung tragen und dafür sorgen könne, „daß bis zur Übergabe Schutzvorkehrungen eingeleitet werden, die im Hinblick auf mögliche Preissteigerungen rentabel erscheinen“. Zu den von Koller beschriebenen Kriterien der Risikoverteilung im Austauschvertrag noch: B.II.3.e)iii)1). 424  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 137 f. 425  Dazu unten: B.II.2.e)i). 426  Zum „Zurückspringen“ der Preisgefahr (auch) beim Gattungskauf siehe unten: B.II.4.c).

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3)  Insbesondere zur Transmutation der Gattungs- zur Stückschuld als theoretische Grundlage des Übergangs der Leistungsgefahr Nach der Vorstellung der Mehrheit der Gesetzesverfasser geht der Übergang der Leistungsgefahr bei der Gattungsschuld mit einem bestimmten „Strukturvorgang“427 einher, durch den nicht nur der Inhalt des (Gattungs-)Schuldverhältnisses, sondern das ganze Wesen der Schuld verändert wird: Die Gattungsschuld verwandele sich vor ihrer eigentlichen Erfüllung in eine Stückschuld, so dass der Untergang des nunmehr einzig geschuldeten Stücks den Schuldner selbstverständlich gem. § 275 von seiner Leistungspflicht befreien und auch die weiteren Rechtsfolgen der Unmöglichkeit auslösen müsse. Die Annahme dieser „Verwandlung“ beruhte auf zwei sachlichen Erwägungen: Einerseits hielten die Gesetzesverfasser sie für eine Voraussetzung für den Übergang der Preisgefahr bei der Gattungsschuld.428 Andererseits sahen sie in der Konkretisierung eine Folge des Gefahrübergangs, namentlich unter dem Aspekt, dass es im Interesse des Gläubigers geboten sei, den Schuldner, der durch den Gefahrübergang begünstigt werde, an die Erfüllung mit genau dem Stück, mit dem er den Gefahrübergang herbeigeführt hat, zu binden.429 Im Folgenden soll aufgezeigt werden, dass es einer Verwandlung der Gattungszur Stückschuld weder unter dem einen noch unter dem anderen Aspekt bedarf, und dass die Annahme dieses Vorgangs die Folge eines Missverständnisses ist.430 Sämtliche Ordnungsprobleme, deren Lösung durch diesen Strukturvorgang bezweckt wird, sind sachgerecht durch eine Regulierung der Haftung des Verkäufers zu lösen. Dies ist für die vorliegende Arbeit von besonderem Interesse, weil es eine Erklärung auch für die vermeintliche „Verwandlung“ des Erfüllungs- zum Nacherfüllungsanspruch („Primärpflichtmodifikation“) im reformierten Kaufrecht liefern könnte.431 Insoweit ist nämlich fraglich, in welchem Verhältnis der ursprüngliche Erfüllungsanspruch zu dem Nacherfüllungsanspruch steht und wie sich die beiden Anspruchsalternativen (Ersatzlieferung und Nachbesserung) insbesondere mit Blick auf die Verteilung der Leistungsgefahr zueinander verhalten.

427  Formulierung von Heck  (1929) – SchuldR, S. 30 f. (§ 9.6) und Ernst in: GS KnobbeKeuk (1997), 49 (86 f., 88) übernommen. 428  Dazu sogleich: B.II.1.d)ii)3)(a). 429  Dazu unten: B.II.1.d)ii)3)(b). 430  In der Theorie des gemeinen Rechts diente die Vorstellung, der Gattungskauf verwandele sich vor der Erfüllung in einen Stückkauf, als Rechtfertigung für die Anwendung der – nur auf den Stückkauf passenden, aber für den Kauf schlechthin Geltung beanspruchenden – periculum est emptoris-Regel. Dazu oben: B. I. 4.b). 431  Dazu unten: B.III.7.a).



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(a)  Verwandlung zur Stückschuld als Voraussetzung der Unmöglichkeit der Leistung bei Untergang eines speziellen Stücks Die Verwandlung der Gattungsschuld zur Stückschuld im Zeitpunkt des Gefahrübergangs beruhte aus der Sicht der Mehrheit der Gesetzesverfasser insbesondere auf der Annahme, dass die Konkretisierung der Gattungsschuld das „nothwendige Korrelat“ des (Preis-)Gefahrübergangs sei.432 Die Vorkommission des Reichsjustizamts war der Ansicht, „so ergebe sich aus [E I] § 237 [vgl. § 275 a. F.] von selbst, daß [der Schuldner] durch einen später die Sache treffenden Zufall von seiner Verbindlichkeit befreit werde“.433 Im Mittelpunkt stand also die Zweckmäßigkeitserwägung, dass die Unmöglichkeit der Leistung als Voraussetzung des Wegfalls der Gegenleistung am einfachsten damit zu begründen sei, dass die Leistung nicht mehr bewirkt werden könne, wenn das einzige Stück, das noch geschuldet war, nicht mehr vorhanden ist (Untergang) oder nicht mehr der vereinbarten Qualität entspricht (Verschlechterung). Die Mehrheit der Zweiten Kommission war danach sogar der Meinung, von einem Übergang der Gefahr könne begrifflich überhaupt erst mit der Verwandlung der Gattungsschuld in eine Stückschuld die Rede sein.434 Man ging also davon aus, die Konkretisierung sei eine notwendige Voraussetzung für den Übergang der Preisgefahr. Dies impliziert die Annahme, dass der Übergang der Leistungsgefahr (die Beschränkung des Schuldverhältnisses) dem Übergang der Preisgefahr eine „juristische Sekunde“ vorausgehen müsse – vor dem Hintergrund, dass Unmöglichkeit der Leistung bei der Gattungsschuld als solcher nur eintreten kann, wenn die ganze Gattung, aus der heraus zu erfüllen ist, vernichtet wurde oder sich verschlechtert hat, weil der Untergang und die Verschlechterung eines einzelnen Stücks die Möglichkeit, die Verpflichtung mit einem anderen Stück zu erfüllen, unberührt lässt.

432  So ausdrücklich die Vorkommission des Reichsjustizamtes (Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 55) sowie die Mehrheit der Zweiten Kommission (Prot. I, S. 287 f.). Dazu: Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 10 (mit Fn. 30), 42, 44, 53 f., 66, 69; Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (81–83, 91, 107, 109). Bereits die Erste Kommission ging davon aus, dass „[d]urch den die Spezialisierung bewirkenden Akt das Schuldverhältnis auf die ausgewählte Sache beschränkt“ werde; Mot. I, S. 12 (siehe auch die Protokolle über die Beratungen der Ersten Kommission, abgedruckt bei Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 53). – Zur „Transmutationstheorie“ als theoretischer Begründung der Konkretisierung gem. § 243 Abs. 2: Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 371. 433  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 56. Außerdem ließ sich mit der Verwandlung zur Stückschuld scheinbar die Statthaftigkeit der – auf den Stückkauf zugeschnittenen – ädilizischen Gewährleistungsrechte auf den Gattungskauf erklären. Dazu noch: B.II.2.e)i)2). 434  Prot. I, S. 288.

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(b)  Bindung an Erfüllung mit konkretem Stück im Interesse des Gläubigers als Folge des Gefahrübergangs auf den Gläubiger (Ausgleich für Gefahrentlastung des Schuldners) Von dieser strukturellen Angelegenheit abgesehen, ging der historische Gesetzgeber, nach dessen Konzeption für solch eine Transformation überhaupt nur zwei Anwendungsfälle in Betracht kamen (Schickschuld und Annahmeverzug),435 davon aus, dass es geboten sei, die Gefahrentlastung des Schuldners zugunsten des Gläubigers auszugleichen.

(i) Versendungskauf Dies betraf allerdings nur den Fall der Schickschuld, insbesondere des Versendungskaufs. Die Gesetzesverfasser meinten, wenn der Käufer mit der Transportgefahr belastet sei, sei es eine „Forderung der Billigkeit, daß [er] von dem Augenblick des Übergangs der Gefahr an in die Lage versetzt werde, über die ausgeschiedene Sache als die ihm geschuldete seinerseits frei zu verfügen. Es sei dies für den Gläubiger auch von praktischer Bedeutung, wenn er nach erfolgter Ausscheidung, aber vor Empfang der Sache dieselbe z. B. weiterverkauft habe oder der Verkäufer nach den Umständen des Falles nicht in der Lage sei, eine andere Sache liefern zu können.“436.

Der Gläubiger sollte davor geschützt werden, dass der Schuldner in ungerechtfertigter Weise auf sein Risiko spekuliert.437 Wenn der Schuldner die einmal abgeschickte Sache anhalte oder umleite, um sie zu einem höheren Preis an einen anderen Abnehmer abzusetzen, solle der Gläubiger, dem genau dieses Stück zustehe, als Surrogat für die Leistung den Erlös herausverlangen können (§ 281 a. F.).438

(ii) Annahmeverzug Im Fall des Annahmeverzugs liegen die Dinge von vornherein anders. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Gläubiger, der die ihm wie geschuldet angebotene Sache unberechtigter Weise abgelehnt oder schlicht nicht angenommen hat, einen 435  Das Gesetz statuiert eine „Konkretisierung“, genauer gesagt: eine Beschränkung des Schuldverhältnisses, also überhaupt nur für den Fall, „daß die Erfüllung aus Gründen, die der Gläubiger zu vertreten hat, über den Zeitpunkt hinausgeschoben ist, in welchem der Schuldner mit seiner Handlung – bei Annahme durch den Gläubiger – die Erfüllung bereits bewirkt hätte“; Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (87). – In Bezug auf die tatsächliche Erfüllung kann man im technischen Sinne genau so wenig von einer Transformation oder Konkretisierung der Gattungsschuld sprechen wie von einem (Preis-)Gefahrübergang. Denn dass sich die Frage der Gefahr­tragung stellt, setzt voraus, dass ein Leistungshindernis besteht. Ein Leistungshindernis kommt nach Erfüllung der Leistungspflicht aber nicht mehr in Betracht. 436 So die Vorkommission des Reichsjustizamtes (Jakobs/Schubert  (1978) – SchuldR I, S. 55) und ihr folgend auch die Mehrheit der Zweiten Kommission (Prot. I, S. 288). 437  Prot. I, S. 288. 438  Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 53.



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unentziehbaren Anspruch gerade auf dieses Stück haben sollte. Die Zweite Kommission räumte ein, dass „in solchen Fällen, in welchen der Gläubiger gar kein Interesse daran habe, gerade die durch die Ausscheidung individuell bestimmte Sache zu erhalten, … der Schuldner der unbegründeten Weigerung des Gläubigers, eine andere Sache der gleichen Art und Güte als Erfüllung anzunehmen, … mit einer exceptio doli entgegentreten [könne], auch könne … die Annahmeverweigerung des Gläubigers unter Umständen die Bedeutung eines Verzichts auf die zu seinen Gunsten eintretende Konkretisierung zur Folge haben“.439

Das Problem, die Lösung der fragwürdigen Bindung des Schuldners bei Annahmeverzug des Gläubigers zu begründen, war allerdings überhaupt nur dadurch entstanden, dass – abweichend von v. Kübels Vorlage – auch für den Annahmeverzug eine Bindungswirkung angenommen wurde.440

(c)  Beschränkung des Schuldverhältnisses mit Blick auf die Gefahr­tragung und Haftung ohne Verwandlung der Gattungs- in eine Stückschuld Die Annahme der Gesetzesverfasser, dass es aus den genannten sachlichen Erwägungen zwingend sei, die Gattungsschuld vor dem Übergang der Preisgefahr in eine Stückschuld zu verwandeln, ist unzutreffend. Denn die Probleme, die vermeintlich nicht anders als durch diese Konstruktion zu lösen waren, lassen sich tatsächlich auf andere Weise lösen. Diese ist vorzugswürdig ist, weil sie der Gattungsschuld als solcher gerecht wird.

(i) Annahmeverzug Ernst entnimmt dem Regelungsvorschlag des TE-OR (Nr. 22) § 33 Abs. 2 S. 2, dass v. Kübel die Gefahrentlastung des Gattungsschuldners ohne Aussonderung (und Konkretisierung) wegen Annahmeverzugs nicht nur, sondern auch für diesen speziellen Fall441 habe anordnen wollen.442 Der Redaktor sei (anders als bezüglich des Versendungskaufs) ganz im Einklang mit v. Jherings Lieferungstheorie443 davon ausgegangen, dass es bei Eintritt des Annahmeverzugs generell ohne Konkretisierung (i. S. einer Verwandlung der Gattungs- in eine Stückschuld) zum Gefahrübergang komme.444 Der Annahmeverzug sei auch der Fall, an dem sich die Sachwidrigkeit der Vorstellung von der mit dem Gefahrübergang notwendig verbundenen Konkretisierung der Gattungsschuld am drastischsten zeige.445 439 

Prot. I, S. 288. Dazu sogleich: B.II.1.d)ii)3)(c)(i). 441  Dazu: B.II.1.d)ii)2)(b) bei und nach Fn. 383. 442  Dazu bereits in Fn. 385. 443 Dazu Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 30, 44. 444 Vgl. Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (78, 81 f., 98, 107 mit Fn. 261). 445  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (90 f.). 440 

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Ähnlich fällt die Einschätzung Dorns aus.446 Mit wie ohne Aussonderung und Bindung des Schuldners an die Erfüllung mit einem bestimmten Stück stelle sich im Fall des Annahmeverzugs bei der Gattungsschuld die Frage, ob genau das Stück untergegangen ist, mit dem sonst erfüllt worden wäre. Beim Annahmeverzug sei außerdem regelmäßig fraglich, ob ein schutzwürdiges Interesses des Gläubigers daran bestehe, dass der Schuldner gerade mit der Sache erfüllt, die zunächst nicht angenommen wurde. Dass es gem. § 300 Abs. 2, der die Gefahr­tragung hinsichtlich einer bestimmten Gattungssache oder -menge regele, gleichwohl nicht nur zum Gefahrübergang, sondern auch zur Konkretisierung mit der Wirkung komme, dass der Schuldner an die Erfüllung mit dem erfolglos angebotenen Stück gebunden sei,447 sei allein auf die Mehrheitsmeinung der Zweiten Kommission zurückzuführen, wonach die Konkretisierung notwendig gemeinsam mit dem Gefahrübergang gem. E I § 214 (§ 243 Abs. 2) erfolge und E I § 257 (§ 300 Abs. 2) „lediglich eine Folgerung aus dem in [E I] § 214 Abs. 1 [§ 243 Abs. 2] enthaltenen Rechtssatz ausspreche“448. Die Mehrheit der Zweiten Kommission habe aber auch mit ihrer Annahme, dass von einem Gefahrübergang begrifflich nur nach der Verwandlung in eine Stückschuld die Rede sein könne, falsch gelegen (dazu sogleich).449

Wenn zwischen dem Übergang der Leistungsgefahr (und der Preisgefahr) beim Gattungskauf und der Verwandlung der Gattungs- zur Stückschuld (Konkretisierung), anders als von der Mehrheit der Zweiten Kommission angenommen, kein notwendiger Zusammenhang besteht, ist es nicht aus dogmatischen Gründen zwingend, den Gattungsschuldner bei Annahmeverzug an die Erfüllung gerade mit dem erfolglos angebotenen Stück zu binden. Es spricht auch sonst nichts dafür, mit dem Eintritt des Annahmeverzugs die Gattungsschuld zur Stückschuld zu verwandeln. Denn dadurch würde der säumige Gläubiger geradezu belohnt und der Schuldner, der sich um den Eintritt des Leistungserfolges bemüht hat, benachteiligt.450 Dieser würde seine Dispositionsfreiheit endgültig verlieren und jener könnte wegen Unmöglichkeit der Leistung vom Vertrag abgehen oder sogar Schadenersatz fordern, nicht nur wenn gerade das erfolglos angebotene Stück in vom Schuldner zu vertretender Weise (also nicht zufällig, vgl. § 300 Abs. 1) untergegangen ist, sondern auch wenn der Schuldner dieses 446 

HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 53 ff. Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 44, 54, 56 a. E. Während § 300 Abs. 2 die Gefahr­ tragung für eine bestimmte Gattungssache oder -menge während des Annahmeverzugs im Blick habe, komme es ausnahmsweise auch ohne Aussonderung (und Konkretisierung auf das ausgesonderte Stück) zum Gefahrübergang, wenn der Gläubiger in Annahmeverzug gerate, weil er auf das Angebot des Schuldners, der zur Leistung aus einer bestimmten Gattungsteilmenge bereit und in der Lage ist, nicht eingegangen sei; a. a. O. Rn. 60 a. E. (zum Totaluntergang des Vorrats bei der beschränkten Gattungsschuld nach Eintritt des Annahmeverzugs) und Rn. 66 (zum Untergang der Gattungsteilmenge, aus welcher der Schuldner die Leistung ohne Verzug vorgenommen hätte, bei der unbeschränkten Gattungsschuld). 448  Prot. I, S. 331 f. 449  Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 66 (in Übereinstimmung mit Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (91)). 450  Medicus JuS 1966, 297 (302, ablehnend zu einer Konkretisierung durch Abschicken oder tatsächliches Anbieten der Ware nach Eintritt des Annahmeverzugs gem. § 295 S. 1 bei der Bringund Schickschuld). Kritisch zu Medicus’ Annahme, dass die Konkretisierung dem Übergang der Preisgefahr (und damit auch dem Annahmeverzug) grundsätzlich eine juristische Sekunde vorausgehen müsse: Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (82 f.). 447 



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Stück an einen Dritten veräußert hat.451 Dies ist nicht einzusehen, wenn der (Gattungs-) Schuldner willens und in der Lage ist, mit einem anderen Stück aus der Gattung zu erfüllen, sobald der Gläubiger sich annahmebereit zeigt.452 Erst recht ist nicht einzusehen, womit der säumige Gläubiger es verdient haben sollte, vom Schuldner, der die erfolglos angebotene Sache an einen Dritten veräußert hat, den Erlös, oder bei vom Schuldner zu vertretendem Untergang dieser Sache die – möglicherweise höhere – Versicherungssumme verlangen zu dürfen (§ 281 a. F., § 285).

Die Gefahr­tragung des Gläubigers muss zessieren, sobald der Schuldner das Stück, mit dem er den Gefahrübergang herbeigeführt hat (mit dem er also erfüllt hätte, wenn der Gläubiger annahmebereit gewesen wäre), anderweitig veräußert.453 Dazu bedarf es aber nicht der Verwandlung der Gattungsschuld: Wird der Annahmeverzug dadurch beendet, dass der Schuldner sein Angebot nicht mehr aufrechterhält oder zurücknimmt,454 endet daher auch die Gefahr­tragung des Käufers für das angebotene Stück. Die Aufrechterhaltung des Angebots seitens des Schuldners hängt aber, anders als die Gefahr­tragung des Gläubigers, bei der Gattungsschuld nicht von der Bereitschaft des Schuldners, mit einem bestimmten Stück zu erfüllen, ab, sondern von seiner generellen Bereitschaft und Fähigkeit, die Leistung mit vertragsgemäßer Ware zu bewirken. Deshalb endet die Gefahr­tragung des Gläubigers, nicht jedoch sein Annahmeverzug im Übrigen, wenn der Schuldner über das erfolglos angebotene Stück anderweitig disponiert, aber weiterhin bereit und in der Lage ist, (mit einem anderen Stück) zu erfüllen.455

(ii) Versendungskauf Anders als beim Annahmeverzug kommt ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers daran, dass der Schuldner gerade mit derjenigen Sache erfüllt, mit der er den Gefahrübergang herbeigeführt hat, beim Versendungskauf regelmäßig in Betracht.456 Dieses Interesse lässt sich aber auch durch eine entsprechende „Pflichtenbindung“ des Schuldners effektiv schützen, der sich schadenersatzpflichtig 451 

Dazu sowie zum Folgenden Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (91). Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (91) gibt zu bedenken, dass auch nicht einzusehen sei, „warum der Gläubiger um seinen gattungsmäßigen Anspruch gebracht und auf die Rechte nach § 325 [a. F., vgl. §§ 326, 283] verwiesen sein sollte, wenn der Schuldner die angebotene Sache in zu vertretender Weise zerstört“, aber weiterhin zur Lieferung erfüllungstauglicher Ware unbedingt und ohne weiteres in der Lage ist. 453  So bereits: v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (438); Jakubezky (1892) – Bemerkungen, S. 59 (zu E I § 257 Abs. 2). 454  Zur Beendigung des Annahmeverzugs aus diesem Grund: Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 293 Rn. 21; Feldmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 293 Rn. 33; Unberath in: BeckOK (Stand: 01.03.2011) – BGB, § 293 Rn. 15. 455  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (97); so bereits v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (438): „Mit der Aufhebung der species von Seiten des Verkäufers … hört natürlich die Möglichkeit des Unterganges der species auf … mit dem anderweitigen Verkauf derselben schwindet die Möglichkeit eines dem Verkäufer durch die mora des ersten Käufers im Fall des casus erwachsenen Schadens“. 456  Dazu bereits bei und in Fn. 436. 452 

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macht, wenn er die abgeschickte Ware umleitet, anhält oder sonst pflichtwidrig in den Transport eingreift.457 Selbstverständlich endet die Gefahr­tragung des Käufers mit dem entsprechenden Eingriff des Verkäufers in den Transport und darf der Käufer, soweit der Transport beim ersten Mal auf sein Risiko gegangen war, kein zweites Mal mit der Gefahr belastet werden, wenn der Verkäufer andere Ware auf die Reise schickt.458 Die Interessen des Käufers lassen sich also auch ohne die Annahme der Verwandlung der „Gattungsschickschuld“ in eine Stückschuld mit dem Absenden der Ware effektiv schützen. Sie müssen auch geschützt werden. Denn anders als beim Annahmeverzug ist der Aufschub der Erfüllung (und des damit zusammenhängenden „Gefahrübergangs“) nicht in einem pflichtwidrigen Verhalten des Käufers begründet, sondern in der vertraglichen Vereinbarung, nach der es der Verkäufer übernommen hat, die Ware an einen anderen Ort als den Erfüllungsort zu schicken, also dem Käufer die Ware, die er sonst beim Käufer abholen müsste, zuzuschicken.459

(iii)  v. Kübels Vorentwurf: „Fixierung der Obligation“ aus Zweckmäßigkeitserwägungen nur bei der Schickschuld, Gefahrübergang bei Annahmeverzug ohne Konkretisierung Bereits dem Vorentwurf v. Kübels war deshalb zu entnehmen, dass die Bindung des Schuldners an die Auswahl eines bestimmten Stücks (durch die Verweisung in TE-OR (Nr. 17) § 2 auf die Vorschriften über die Wahlschuld (TE-OR (Nr. 16) §§ 4, 5) nur für den Fall der Schickschuld gelten solle; im Zusammenhang des speziell geregelten Gefahr(en)übergangs bei Annahmeverzug war von einer Bindungswirkung (wie auch nach v. Jherings Lieferungstheorie) keine Rede.460 Nur ist die Annahme, dass diese Bindung allein durch eine Veränderung des Schuldinhalts dergestalt konstruiert werden könnte, dass die vollzogene Wahl unwiderruflich und das Schuldverhältnis von da an so zu beurteilen sei, als wenn es nur noch auf die ausgewählte Sache gerichtet wäre,461, wie Ernst ausführlich dargelegt 457  Zur Verpflichtung des Verkäufers, „die einmal abgeschickte Ware dem Käufer ungehindert zukommen zu lassen“, und den Voraussetzungen und Folgen ihrer Verletzung ausführlich Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (104–108); kritisch dazu: Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 45 mit Fn. 230; allerdings trifft die Kritik nicht zu, dass eine Verpflichtung zum Schadenersatz des Schuldners, der in den Transport eingreift, nur bei verspäteter Lieferung gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 sowie §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 281 in Betracht kommt. Die Haftung des Schuldners kann bei Verletzung einer entsprechenden Nebenpflicht, die Interessen des Gläubigers zu wahren, auch gem. §§ 280 Abs. 1, 282, 241 begründet sein, vgl. Berger in: Jauernig (2014) – BGB, § 243 Rn. 11. 458  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (106 mit Fn. 255, 258). 459 Vgl. Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (105). 460  Dazu bereits bei Fn. 444. Zu den TE-OR Nr. 16 und Nr. 17 jeweils mit Begründung des Redaktors siehe Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 29 ff., 43 ff. 461  So war der verklausulierte Verweis in v. Kübels Vorlage zur Regelung der Gattungsschuld auf die Vorschriften über die Wahlschuld zu lesen, dazu Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 39.



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hat462, das Ergebnis eines bis zu den Anfängen der Rezeption des römischen Rechts zurückreichenden Missverständnisses.463 In v. Kübels Entwurf löste diese „Fixierung der Obligation“464 auf zweckmäßige Weise gleichzeitig zwei Ordnungsprobleme (allein) der „Gattungsschickschuld“: den Übergang der Gefahr auf den Gläubiger mit Absenden gattungsmäßiger Ware465 und, zum Schutz der Gläubigerinteressen, die Bindung des Schuldners an die Erfüllung mit genau der Ware, die er auf den Weg gebracht hat.466 Es wurde also v. Jherings Lieferungstheorie mit der Modifikation umgesetzt, dass die „Verwandlung zur Stückschuld“ sich nicht nur und erst mit der Erfüllung (worunter v. Jhering freilich auch das Absenden beim Versendungskauf verstand)467 vollziehe, sondern ggf. auch mit einem früher angeordneten Übergang der Preisgefahr (gedacht war insoweit jedoch allein an die positive Regelung des Gefahrübergangs beim Versendungskauf). Zu dieser Modifikation der Erfüllungs- bzw. Lieferungstheorie siehe die Beratungen der Ersten Kommission:   „Der erste Absatz [TE-OR (Nr. 17) § 2 Abs. 1] verwirft die sog. Ausscheidungstheorie und bringt die Erfüllungstheorie mit einer auf den Fall des früheren Überganges der Gefahr sich beziehenden Modifikation in Vorschlag. … Im Übrigen fand der erste Absatz nur insofern Widerspruch als er das Erfüllungsprinzip modifizirt. Von einer Seite wurde geltend gemacht, die Erfüllungstheorie sei ohne Modifikation durchzuführen. Die Mehrheit entschied sich jedoch für die Annahme des Entwurfes; sie ging davon aus: Zu entscheiden sei, wann die generische Obligation sich in eine Obligation verwandle, bei welcher der Gegenstand der Leistung eine species sei; als das richtige Prinzip erscheine allerdings … die Erfüllung, d. h. die Tradition, als das entscheidende Moment zu betrachten; indessen erheische die Billigkeit oder vielmehr eine nicht abzuweisende innere Konsequenz, der Erfüllung diejenige Handlungen des Schuldners gleichzustellen, an welche sich in Bezug auf die von diesem ausgewählte species der Uebergang der Gefahr auf den Gläubiger knüpfe“.468

Auf diese Weise konnte die unglückliche Terminologie der Lieferungstheorie (Gleichsetzung von „Erfüllung“, „Lieferung“ und „Absenden“ beim Versendungskauf)469 ohne Abweichung in der Sache470 vermieden werden. Die Figur der „Fi462 

Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (49–77, 91). Dazu oben: B. I. 4.b) sowie unten bei und nach Fn. 501. 464  So der Redaktor in der Begründung der TE-OR (Nr. 17) §§ 1, 2; Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 46. 465  Dieser war für den Versendungskauf in Vorlage Nr. 7 von 1876 bzw. TE-OR (Nr. 32) § 9 ohnehin speziell angeordnet. Zu Vorlage Nr. 7: B.II.1.c)i)1) mit Fn. 85. Zu TE-OR (Nr. 32) § 9: B.II.1.c)i)2)(a) (bei und in Fn. 147). 466  Zu diesen sachlichen Erwägungen siehe oben: B.II.1.d)ii)3)(a) und B.II.1.d)ii)3)(b). 467  Dazu oben: B. I. 4.c)ii) (bei und nach Fn. 461). 468  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S.  52 f. Dazu auch Ernst in: GS KnobbeKeuk (1997), 49 (78). 469  Zu dieser Kritik siehe oben: B. I. 4.c)ii) (bei und nach Fn. 462). 470 Nach v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (418 ff., insb. 426 ff.) verwandelt sich die Genusobligation erst und nur im Zeitpunkt der Lieferung/Erfüllung in eine Speziesobligation, die Lieferung/Erfüllung werde aber beim Versendungskauf durch Abschicken (genauer: mit vollendeter Absendung, dazu a. a. O. (428–433)) vertragsgemäßer Ware beschafft. Dagegen soll die mora 463 

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xierung der Obligation“ erfüllte in v. Kübels Entwurf also denselben Zweck wie in v. Jherings Lieferungstheorie der Begriff der „Erfüllung“ bzw. „Lieferung“.471 Dabei war der „Gefahrenübergang“ (d. h. der Übergang der Leistungs- und Preisgefahr) aber als Voraussetzung des Eintritts der Konkretisierung, d. h. der Bindung des Schuldners an eine zum Leistungsgegenstand bestimmte Sache (vor der Erfüllung) gedacht, nicht umgekehrt.472

(iv)  Umdeutung der „Fixierung“ in ein allgemein notwendiges Korrelat und schließlich in eine notwendige Voraussetzung des Gefahrübergangs bei der Gattungsschuld Weit entfernt von solch einer Verwendung der Konkretisierung als „Mittel zur Regelung von Leistungs-(und Preis-)gefahr“473 (und, wie man hinzufügen muss, der Bindung des Schuldners) ist die Annahme der Mehrheit der Zweiten Kommission, es könne bei der Gattungsschuld begrifflich überhaupt erst und nur nach einer Verwandlung zur Stückschuld von einem Gefahrübergang die Rede sein474. Diese ist bei den Beratungen dadurch vorbereitet worden, dass bereits die Erste Kommission die speziell für die Schickschuld ausgesprochene Folge des Gefahrübergangs (Schutz des mit der Transportgefahr belasteten Gläubigers durch Bindung des Schuldners an die Erfüllung mit der ausgewählten Sache mittels „Fixierung der Obligation“) verallgemeinerte. Sie ordnete auch für den Annahmeverzug (bei welchem nach v. Kübels Entwurf wie nach v. Jherings Lieferungstheorie der Gefahrübergang von einer Konkretisierung unabhängig war) an, dass die Gefahr nur übergehen könne, „wenn der Schuldner an die gehörig beschaffene und dem Gläubiger durch das Anbieten kundgemachte Aussonderung gebunden sei“, weil

accipiendi, der Annahmeverzug, nur den Übergang der (Preis-)Gefahr bewirken, nicht auch die Verwandlung der Gattungs- zur Stückschuld (weshalb ein Gefahrübergang auch ohne Aussonderung einer species möglich sei). Bei Untergang der Ware, mit welcher der Verkäufer nachweislich erfüllt hätte, wenn der Käufer nicht im Annahmeverzug gewesen wäre, sollte der Verkäufer (wie nach römischem Recht) berechtigt sein, die (erneute) Lieferung dauerhaft zu verweigern und den Kaufpreis trotzdem zu fordern, vgl. a. a. O. (433–438). 471  Vgl. die Begründung des Redaktors bei Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 46: „[Im Gegensatz zur Wahlschuld] tritt bei der generischen Obligation […] durch einseitige Bestimmung oder Ausscheidung der zu leistenden Sache seitens des Wahlberechtigten, auch wenn sie dem anderen Theile kundgegeben wird, eine Fixierung der Obligation nicht ein (…), vielmehr wird hierzu regelmäßig die Bewirkung der Leistung durch Uebergabe erfordert und nur in denjenigen Fällen, in welchen die Gefahr ausnahmsweise schon durch die Absendung der ausgewählten Sache auf den Adressaten übergeht (…), tritt die Fixierung der Obligation auf die abgesandte Sache schon mit der Absendung der Sache ein (…). Es hängt diese Frage wesentlich mit der Lehre vom Tragen der Gefahr bei Obligationen zusammen, auf welche hier zu verweisen ist (…).“; Hervorhebung d. Verf. 472  Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 41 a. E., 66. 473  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (92). 474  Dazu oben bei Fn. 434.



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für den Gefahrübergang bei Annahmeverzug dasselbe gelten müsse wie im Fall des Versendungskaufs.475 Aus diesem Grund erhielt die Vorschrift über den Annahmeverzug bei der Gattungsschuld in den Beratungen der Kommission die Fassung, dass die Gefahr auf den Gläubiger in dem Zeitpunkt übergehe, in welchem der Gläubiger durch Nichtannahme der ausgewählten und angebotenen Sache in Verzug komme (E I § 257 Abs. 2)476. Allerdings war die Wendung „Wenn der Schuldner…“477 nicht als notwendige Voraussetzung des Gefahrübergangs gemeint, sondern im Sinne eines notwendigen Zusammenhangs478 (durch die Vorkommission des Reichsjustizamtes wurde dies später auch genauso ausdrückt479). Denn auch die Erste Kommission ging noch davon aus, dass sich das Gattungsschuldverhältnis eigentlich erst und nur durch die Erfüllung in eine Stückschuld verwandle, und dass dem diejenigen Handlungen, durch die bei einer Stückschuld der Gefahrübergang bewirkt wird, lediglich gleichzustellen seien.480 In diesem Sinne stellte sich auch nach dem Ersten Entwurf die Konkretisierung noch als Folge des Gefahrübergangs dar. Denn gem. E I § 214 war die Konkretisierung außer an die Übergabe auch an die Anordnung eines (vorzeitigen) Übergangs der (Preis-)Gefahr geknüpft.481 Nachdem die Vorkommission des Reichsjustizamtes Gefahrübergang und Konkretisierung als notwendige Korrelate bezeichnet hatte,482 gelangte die Zweite Kommission zu besagter Annahme, dass die Konkretisierung die notwendige Voraussetzung des Gefahrübergangs sei. Auch dadurch, dass der Konkretisierungstatbestand (E I § 214) (allein) zum Zwecke der Verallgemeinerung (Anwendbarkeit auch auf einseitige Schuldverhältnisse mit generischer Leistungspflicht sowie auf Schickschulden, denen kein Kauf zugrunde liegt)483 seine endgültige Fassung erhielt (E II § 207 Abs. 2; § 243 Abs. 2), wonach sich das Schuldverhältnis auf eine bestimmte Sache beschränkt, wenn der Schuldner das seinerseits Erforderliche getan hat (anstatt: wenn der Schuldner erfüllt hat oder die (Preis-)Gefahr auf den Gläubiger übergegangen ist),484 wurde der Anschein erweckt, durch Vornahme be475  Siehe die Zitate und Nachweise bei Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 351 f. Dazu: Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (81 f.); Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 41. 476  Dazu bereits bei Fn. 387. 477  Dazu soeben bei Fn. 475. 478  D. h. dass der Gefahrübergang und die Konkretisierung zwingend gemeinsame Folgen des Annahmeverzugs sein sollten, nicht aber, dass der Annahmeverzug die Konkretisierung bewirke und diese wiederum den Gefahrübergang zur Folge habe. 479  Dazu sogleich bei Fn. 482. 480  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 53, dazu bereits das Zitat bei Fn. 377 und 468 sowie Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (78). 481 Dazu Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 41 a. E. Zum Wortlaut von E I § 214 Abs. 1 siehe bereits in Fn. 377 sowie bei Fn. 389. E I § 214 Abs. 2 lautete: „Die vollzogene Auswahl ist unwiderruflich. Das Schuldverhältniß beschränkt sich nach Vollziehung der Auswahl auf die ausgewählte Sache.“. 482  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 55; Prot. I, S. 287 f. 483  Dazu oben: B.II.1.d)ii)2). 484  Dazu oben in Fn. 392.

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stimmter Handlungen könne der Schuldner einseitig vor der Erfüllung (bzw. dem Übergang der Preisgefahr) das Schuldverhältnis beschränken und daraus folge der Übergang der Leistungsgefahr.485

(v)  Späte Einsicht Bemerkenswert ist,486 dass Jakubezky in den Beratungen der Zweiten Kommission die Streichung des E I § 214487 und stattdessen die Aufnahme einer Vorschrift beantragte, welche lediglich den Gedanken des E I § 465 (= § 447 a. F.) verallgemeinert, also nur für die Fälle der Schickschuld außerhalb des Kaufrechts den Gefahrübergang mit Absendung angeordnet hätte (ohne dass sich dadurch die Gattungsschuld in eine Stückschuld verwandeln solle). Diese wurde abgelehnt.488 In der Revision des Zweiten Entwurfs stellte Jakubezky den entsprechenden Antrag zu E II § 207 Abs. 2489 erneut. Die Wiederaufnahme der Beratung wurde äußerst knapp mit neun gegen neun Stimmen abgelehnt, und Wolffson, der dagegen gestimmt hatte, räumte später angeblich gegenüber Jakubezky ein, sich geirrt zu haben. In den Beratungen des Bundesrates zu E II § 207 wurde erneut der Antrag gestellt, den zweiten Absatz (bzw. den zweiten Satz von E II rev § 237) zu streichen, diesmal von Hamburg (Vertreter Hamburgs in der Zweiten Kommission war Isaac Wolffson gewesen)490, und zwar mit Verweis auf die zuvor von der Minderheit entwickelten Gründe. Diese ergeben sich aus den Protokollen491 sowie aus den Bemerkungen Jakubezkys492: Der angebliche innere Zusammenhang zwischen der Konkretisierung und dem Gefahrübergang sei in dem Wesen der Gattungsschuld nicht begründet. Die Gattungsschuld werde ggf. als solche erfüllt und müsse sich nicht erst in eine Stückschuld verwandeln, auch der Gefahrübergang setze eine derartige Verwandlung nicht voraus. Vielmehr werde die Haftung des Schuldners durch den Inhalt des Schuldverhältnisses begrenzt, dies erfordere es aber nicht, ihn mit dem Übergang der Leistungsgefahr an die Erfüllung der Schuld mit einem ganz bestimmten Stück zu binden. Finde man sich damit ab, sei es überflüssig, die Konkretisierung als solche zu regeln, dann sei es neben der Bestimmung des Gefahrübergangs im Annahmeverzug ausreichend, den zur Gefahr­tragung beim Versendungskauf maßgeblichen Gedanken auf sämtliche Schickschulden auszudeh485 Vgl. Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (77); Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 157 f. 486  Zum Folgenden: Jakobs/Schubert  (1978) – SchuldR I, S. 56–58. Dazu auch: Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 53; Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (81–83). 487  Dazu bei und in Fn. 377, 389, 481. 488  Dazu Prot. I, S. 287 f. 489  Dazu in Fn. 392. 490 Dazu Schubert (1978) – Materialien, S. 109 f. 491  Prot. I, S. 288 f. Die Begründung der Mindermeinung wurde von Jakubezky verfasst, dazu Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 58 mit Fn. 15. Dazu noch: B.II.1.d)ii)3)(e) (bei Fn. 523). 492  Jakubezky (1892) – Bemerkungen, S. 50 f.



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nen und, um auch andere als unentgeltliche (= einseitige) Veräußerungsverträge erfassen zu können, als eine allgemeine Regel zu formulieren. Eine regelrechte Verwandlung der Schuld komme nur durch Parteivereinbarung in Betracht. Der Hamburger Antrag fand keine Mehrheit und wurde zurückgezogen, nachdem Struckmann darauf hingewiesen hatte, dass die Streichung des Satzes „eine erhebliche Änderung des Systems involvire“.493 Das könnte man auch so ausdrücken, dass es schlicht für zu umständlich gehalten wurde, die notwendigen Konsequenzen aus der späten Einsicht zu ziehen.

(d)  Folgerungen für die Regelungstechnik des Übergangs der Leistungsgefahr: Keine „Verwandlung“ der Gattungs- zur Stückschuld Der Übergang der Leistungsgefahr bei der Gattungsschuld bedarf keiner Verwandlung zur Stückschuld. Das Risiko, bei Untergang eines speziellen Stücks mit einem anderen Stück erfüllen zu müssen, kann dem Schuldner in den Fällen, in denen dies geboten ist, auch anders als durch eine Befreiung von der ihm obliegenden Leistung wegen Unmöglichkeit abgenommen werden. Zu seiner Entlastung ist es überhaupt nicht nötig, seine Schuld erlöschen zu lassen, wenn nur sichergestellt ist, dass er die Leistung verweigern kann und ggf. nicht wegen Nichterfüllung haftet.

(i)  Unmöglichkeit ohne vorherige Verwandlung zur Stückschuld Die Annahme, dass die „Verwandlung“ zur Stückschuld, eine regelrechte Veränderung des Schuldinhalts, notwendiges Durchgangsstadium bei der Abwicklung der Gattungsschuld sei, ist keinesfalls zwingend.494 Konstruktiv gesehen ist sie überflüssig. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Leistungsgefahr gemeinsam mit der Preisgefahr übergehe, und zwar grundsätzlich mit der eigentlichen Erfüllung der Gattungsschuld (wobei man im technischen Sinne weder von einer Konkretisierung noch von einem Gefahrübergang sprechen kann) und sonst nur mit dem Eintritt des Annahmeverzugs oder, im Fall der Schickschuld, mit dem Absenden vertragsgemäßer Ware. Das Gesetz statuiert eine „Konkretisierung“, genauer gesagt: eine Beschränkung des Schuldverhältnisses, also überhaupt nur für den Fall, „daß die Erfüllung aus Gründen, die der Gläubiger zu vertreten hat, über den Zeitpunkt hinausgeschoben ist, in welchem der Schuldner mit seiner Handlung – bei Annahme durch den Gläubiger – die Erfüllung bereits bewirkt hätte“495.

493  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 58 mit Fn. 16. 494  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (77 ff. insb. 80,

82, 86–88 (Zusammenfassung), 91 f.; 109 f.); Raab  (1999) – Austauschverträge, S. 315 f. mit Fn. 10; so bereits Heck (1929) – SchuldR, S. 30 f.; vgl. auch Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 161 (bei und in Fn. 403). 495  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (87).

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In beiden Fällen lässt sich der Übergang der Leistungsgefahr496 auch als unmittelbare Folge der in § 243 Abs. 2 angeordneten „Beschränkung des Schuldverhältnisses“ verstehen, ohne dass man eine vorherige Mutation zur Stückschuld annehmen müsste, um auf diese § 275 anwenden zu können.497 Ob durch Zufall gerade das Stück bzw. auch das Stück untergegangen ist (oder beschädigt wurde), mit dem der Schuldner seine Leistungspflicht erfüllt hätte, ist als Kausalitätsfrage ein reines Beweisproblem.498 Das Interesse des Gläubigers einer Schickschuld daran, genau die Sache zu erhalten, die an ihn abgeschickt worden ist, ist ggf. durch eine Haftung des Schuldners, der den Gläubiger dadurch schädigt, dass er die Ware anhält, zurückbeordert, umleitet oder sonst vertragswidrig in den Transport eingreift, hinreichend geschützt.499 Dass der historische Gesetzgeber in der Tat der „Transmutationstheorie“ anhing,500 also davon ausging, dass sich die Gattungsschuld zwecks Übergang der Leistungsgefahr in eine Stückschuld verwandeln müsse, steht dem nicht entgegen, weil diese Vorstellung auf einer verfehlten Grundannahme beruhte, einem „produktiven Missverständnis“501, welches bis zu den Anfängen der Beschäftigung der mittelalterlichen Legisten mit den Quellen des römischen Recht zurückreicht.502 Im Übrigen hat der historische Gesetzgeber keinen Zweifel daran gelassen, dass er sich v. Jherings „Lieferungstheorie“ anschließen und die „Ausscheidungstheorie“ gerade verwerfen wollte.503 Damit wäre die Annahme einer dem Gefahrübergang notwendig vorangehenden Konkretisierung nicht zu vereinbaren.504 Denn die „Lieferungstheorie“ beruhte auf der Annahme, dass die generische Obligation von ihrer Entstehung bis zu ihrer Erfüllung (durch Lieferung)505 als solche fortbestehe

496  D. h. die Befreiung des Schuldners bei Untergang (bzw. Verschlechterung) des zur Erfüllung bestimmten und zur Herbeiführung des Gefahrübergangs verwendeten Stücks von der Verpflichtung, die Leistung (mit einem anderen Stück) bewirken zu müssen. 497  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (89–92). 498  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (99–102); vgl. Rabl  (2002) – Gefahr­ tragung, S. 398 f. (zum österreichischen Recht); so bereits v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (386). 499  Dazu bereits bei und in Fn. 457. 500  Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 370 f. 501  Bauer  (1998)  – Periculum emptoris, S. 101. Zu diesem „Missverständnis“ siehe oben: B. I. 4.b). 502  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (91 f.). 503  Dazu m. w. N. Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (77–80). Siehe schon: B.II.1.d)ii)3) (c)(iii) (bei Fn. 468). 504  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (92); vgl. dazu die Kritik von Raab (1999) – Austauschverträge, S. 321. Raab gibt zu, dass der historische Gesetzgeber die Ausscheidungstheorie ablehnte, ist jedoch der Meinung, dass der Übergang der Leistungsgefahr vor der Preisgefahr unter Umständen, anders als vom Gesetzgeber bedacht und auch ohne Rekurs auf die Ausscheidungstheorie, sachgerecht sei; zu dieser Ansicht m. w. N. Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 46 mit Fn. 190. 505  Zur Terminologie v. Jherings und dem dogmatischen Defizit, das die Gleichstellung von Absenden und Erfüllung beim Versendungskauf für seine Theorie bedeutete: B. I. 4.c)ii) (bei und nach Fn. 461).



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und dass die Aussonderung einzelner Stücke lediglich eine Vorbereitungshandlung der Erfüllung sei, die den Schuldinhalt unberührt lasse.506 Die Individualisierung der zur Erfüllung bestimmten Ware ist deshalb bei der Gattungsschuld durchaus nicht bedeutungslos. Ernst weist darauf hin, dass allerdings ein grundlegender Unterschied bestehe zwischen der gegenständlichen Aussonderung der zur Erfüllung bestimmten Ware, ihrer (nachweisbaren) Zuordnung zum Vertrag und den sich an diese Individualisierung anknüpfenden Rechtsfolgen einerseits und andererseits der Konkretisierung als behelfsmäßiger, vermeintlich dogmatisch notwendiger Rechtsfigur zur Änderung des wesentlichen Inhalts des Schuldverhältnisses.507 Für den Übergang der Leistungsgefahr sei die Individualisierung nur insofern von Bedeutung, als die Leistungsgefahr nach der gesetzlichen Konzeption in dem Moment übergehe, in dem der Gattungsschuldner einen Tatbestand verwirklicht, mit dem der Stückschuldner im gegenseitigen Vertrag den Übergang der Preisgefahr bewirkt, und als die gesetzlichen Tatbestände der Gefahr­tragung „angelegt [sind] als Tatbestände mit Bezug auf eine realkörperlich zu identifizierende Sache“508. Es sei auch sonst kein Grund ersichtlich, warum der Gattungsschuldner durch eine Veränderung des Schuldinhalts an die Erfüllung mit einem bestimmten Stück gebunden sein sollte.   Hierin liegt ein erheblicher Unterschied zu der Theorie Dorns. Dieser geht ebenfalls davon aus, dass die Annahme der Zweiten Kommission, wonach die Verwandlung der Gattungs- zur Stückschuld (Konkretisierung) notwendige Voraussetzung des Gefahrübergangs sei, auf einer historischen Fehlannahme beruhe und als ein Nachklang der verworfenen Ausscheidungstheorie unzutreffend sei.509 Von daher hat er keine Schwierigkeiten, den Gefahrübergang in bestimmten Fällen auch ohne Aussonderung zu begründen.510 Sofern jedoch die Gefahr hinsichtlich einer bestimmten Sache oder Sachmenge durch Aussonderung bewirkt wurde, hält Dorn die Bindung des Schuldners an die Erfüllung mit diesem Stück für grundsätzlich sachgerecht und möchte unter diesem Gesichtspunkt an der Figur der Konkretisierung festhalten.511 Ggf. soll also der Gefahrübergang die Konkretisierung (entsprechend der Auffassung der Mehrheit der Zweiten Kommission) zur Folge haben.

Ernst ist darin zuzustimmen, dass das Ordnungsproblem, unter welchen Voraussetzungen der Gattungsschuldner befreit wird und (beim gegenseitigen Vertrag) seinen Anspruch auf die Gegenleistung gleichwohl behält, wenn eine bestimmte, von ihm zur Erfüllung vorgesehene Sache untergeht, ohne die Konstruktion einer Verwandlung der Gattungs- zur Stückschuld sachgerecht zu lösen ist.512 Es muss nur gewährleistet sein, „daß der Verkäufer aus der Betroffenheit der Ware nach Gefahrübergang keinen Rechtsnachteil erleidet, und dafür genügt es, daß er den Kaufpreis erhält, ohne liefern zu müssen, bzw. – im Fall der Verschlechterung – mit der verschlechterten Ware erfüllen kann“513. Ernst meint, dies könne dadurch erreicht 506  Ausführlich

dazu Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (67–76). Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (50). 508  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (92). 509  Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 66. 510  Vgl. dazu Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 60–67. 511 Zur grundsätzlichen Bindung des Schuldners an die Konkretisierung: Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 53–56. 512  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (89 f.). 513  Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (90). 507 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

werden, dass (nur) bei einem vom Schuldner nicht zu vertretenden Untergang (bzw. bei einer nicht von ihm zu vertretenden Verschlechterung) des Stücks, hinsichtlich dessen die Leistungsgefahr auf den Gläubiger übergegangen ist, Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 anzunehmen sei.514

(ii)  Vorzugswürdig: Einrede-Lösung Soll die Gattungsschuld bis zu ihrer Erfüllung durch Übergabe vertragsgemäßer Ware (bzw. bis zur Annahme der gelieferten Ware als Erfüllung)515 im Wesentlichen unverändert bleiben516 und sieht man es (wie Ernst) als Irrweg an, einen vor der Erfüllung erfolgten Übergang der Leistungs- und Preisgefahr mit der Verwandlung der Gattungs- in eine Stückschuld in Verbindung zu bringen (wie es der historische Gesetzgeber getan hat), dann wäre es allerdings nur konsequent, dem Gattungsschuldner bei zufälligem Untergang bzw. zufälliger Verschlechterung der bei einem Erfüllungsversuch eingesetzten Sache oder Sachmenge nach Gefahrübergang ein dauerhaftes Leistungsverweigerungsrecht einzuräumen, anstatt eine „automatische“ Leistungsbefreiung wegen Unmöglichkeit anzunehmen. Denn die Leistung aus der Gattung ist an sich nach wie vor möglich.517 Diese Einrede, auf die auch § 813 Abs. 1 S. 1 Anwendung fände, könnte unmittelbar aus § 243 Abs. 2 hergeleitet werden, während aus den besonderen und allgemeinen Bestimmungen über die Preisgefahr folgt, dass der Verkäufer den Kaufpreis trotzdem verlangen kann. Für eine Schickschuld, der ein Kauf- oder Werkvertrag zugrunde liegt, folgt dies aus § 447 Abs. 1 bzw. § 644 Abs. 2. Für den Fall des zufälligen Untergangs des angebotenen Stücks im Annahmeverzug folgt dies beim Kauf aus § 446 S. 3, beim Werkvertrag aus § 644 Abs. 1 S. 2. Falls es sich nicht um einen Kauf- oder Werkvertrag handelt, ergibt es sich im Allgemeinen aus § 300 Abs. 2. Sämtliche genannten Preisgefahrtragungsregeln setzen tatbestandlich nicht voraus, dass die Leistung gem. § 275 unmöglich geworden ist. Anders die Vorschrift des § 285, die zugunsten des Gläubigers, der infolge zufälligen Untergangs der konkreten Sache oder Sachmenge keine Leistung erhält, aber dennoch die Gegenleistung erbringen muss, deshalb analog angewendet werden müsste.

Demnach könnte der Gattungsschuldner als solcher dem Gläubiger entgegenhalten, nicht erneut leisten zu müssen, obwohl die Leistung weiterhin möglich ist. Da 514  Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 275 Rn. 34 mit Fn. 41 mit Verweis auf seinen Beitrag in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (90 f.). Dies erscheint inkonsequent, weil Unmöglichkeit gem. § 275 bei der Gattungsschuld als solcher nicht anzunehmen ist, wenn die Erfüllung mit vertragsgemäßer Ware nach wie vor möglich ist. Dazu oben: B.II.1.d)ii)2)(b) (in Fn. 405). 515  Vgl. dazu Ernst in: FS Huber (2006), 165 (218–220). 516  So v. Jhering im Anschluss an die Lösung des klassischen römischen Rechts. Jedoch hat v. Jhering selbst diesen Gedanken nicht in letzter Konsequenz durchgeführt, da er die Absendung bei einer auf Abschicken der Ware gerichteten Gattungsschuld mit der Erfüllung der Gattungsschuld gleichsetzte. Siehe dazu oben: B. I. 4.c)ii) (bei und nach Fn. 461). 517  So bereits v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (435–438).



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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es sich bei § 243 Abs. 2 um eine (Leistungs-)Gefahr­tragungsregel handelt, wäre das dauerhafte Leistungsverweigerungsrecht des Gattungsschuldners jedoch nur im Fall des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung der Sache oder Sachmenge, mit welcher der Gefahrübergang bewirkt wurde, begründet. Hat der Schuldner den Untergang oder die Verschlechterung zu vertreten (beachte bei Annahmeverzug die Haftungsmilderung gem. § 300 Abs. 2), bleibt der Anspruch des Gläubigers auf Lieferung vertragsgemäßer Ware deshalb ungehindert bestehen, und der Gläubiger kann nach den §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 sowie § 323 Abs. 2 vorgehen, falls der Schuldner diesen Anspruch nicht erfüllt. Der Vorzug dieser „Einrede-Lösung“ liegt darin, dass sich so die von Ernst518 unter der alten Rechtslage vorgebrachten Einwände gegen die sachwidrige Anwendung des Unmöglichkeits(folgen)rechts bei vom Schuldner zu vertretender Zerstörung des erfolglos angebotenen Stücks nach Konkretisierung der Gattungsschuld wegen Annahmeverzugs auf das reformierte Schuldrecht, wonach die Befreiung des Schuldners von der (Primär-)Leistung grundsätzlich nicht mehr davon abhängig ist, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat oder nicht, übertragen lassen.519 Sonst ließe sich die Anwendung der Unmöglichkeitsfolgen in diesem Fall nur vermeiden, wenn man annähme, dass § 275 Abs. 1, der seit der Schuldrechtsreform keine „reine“ Regelung der Leistungsgefahr mehr ist,520 von § 243 Abs. 2 nur in seinem Regelungsbereich als Gefahr­tragungsnorm angesprochen wird, d. h. die Leistungsbefreiung des Gattungsschuldners davon abhängig macht, dass sich die auf den Gläubiger abgewälzte (Leistungs-)Gefahr tatsächlich realisiert hat. Und diese besteht eben darin, dass das konkrete Stück zufällig untergeht oder verschlechtert wird.

(e)  Zwischenergebnis: Beschränkung der Gattungsschuld auf bestimmte Sache nur in Ansehung der Gefahr­tragung und Haftung Der Übergang der Leistungsgefahr wirkt sich demnach nur insofern auf den Inhalt des Schuldverhältnisses aus, als der Schuldner hinsichtlich derjenigen Sache oder Sachmenge, mit der er den Gefahrübergang herbeigeführt hat, nicht mehr mit dem Risiko belastet ist, bei deren Untergang eine andere Sache oder Sachmenge leisten zu müssen. Das nimmt ihm jedoch nicht das Recht, die Sache oder Sachmenge, mit der er den Gefahrübergang herbeigeführt hat, hiernach anderweitig zu verwenden

518 

GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (90 f.) Vgl. dazu Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 275 Rn. 34 mit Fn. 41. Er geht bei Untergang des bestimmten Stücks, auf das die Gattungsschuld sich konkretisiert hat, von Unmöglichkeit der Leistung gem. § 275 Abs. 1 aus, meint jedoch mit Verweis auf seine Ausführungen in GS-KnobbeKeuk (1997), 49 (90 f.), die Leistungsbefreiung des Gattungsschuldners sei bei zu vertretender Unmöglichkeit „fraglich“. 520  Vgl. dazu: Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 275 Rn. 25–30a; Lorenz in: BeckOK (Stand: 01.03.2011) – BGB, § 275 Rn. 64; Caspers in: Staudinger (2014) – BGB, § 275 Rn. 2. 519 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

und zur Erfüllung eine andere (erfüllungstaugliche) Sache einzusetzen.521 Solange die Gefahr sich nicht realisiert hat, findet also keine Veränderung des Schuldinhalts statt.522 Die wesentliche Folge des Übergangs der Leistungsgefahr besteht darin, dass der Schuldner nicht wegen Nichterfüllung haftet, soweit die Leistung nach dem Übergang der Leistungsgefahr infolge des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung des Stücks, mit dem der Übergang der (Preis- und) Leistungsgefahr bewirkt wurde, ausbleibt. Er darf die (weitere) Leistung nämlich verweigern und gerät deshalb nicht in Verzug. Der Grund dafür ist nicht, dass der Schuldner ausschließlich zur Leistung dieser Sache verpflichtet wäre, sondern dass der Gläubiger keine andere Sache beanspruchen kann, falls dieses Stück untergeht. Beschränkt wird das Schuldverhältnis also nicht durch eine „Verengung“ der Leistungspflicht, sondern durch die Begrenzung der Haftung des Schuldners. Dies entspricht der von Jakubezky bei den Beratungen der Zweiten Kommission vertretenen Minderheitsmeinung.523 Danach sollte E I § 214 gestrichen werden:   „Ihrem Wesen nach bleibe die [Genusobligation] Genusobligation, bis sie durch Erfüllung erlösche, und es fehle an einem zureichenden Grund für die Annahme, daß sie sich vor der Erfüllung in eine Speziesobligation umwandle. Die Konkretisierung des Schuldverhältnisses bilde insbesondere keineswegs den Grund für den Uebergang der Gefahr in den Fällen der §§. 257, 465 [vgl. §§ 300 Abs. 2, 447]. Dieser beruhe vielmehr auf der Begrenzung, welche der Haftung des Schuldners durch den Inhalt der Obligation gegeben sei. … In beiden Fällen werde der Schuldner von der Gefahr der von ihm zur Erfüllung bestimmten Sache befreit, weil er gethan habe, was er unter den vorliegenden Umständen zur Bewirkung der Leistung habe thun können. Aber er habe doch nur einseitige, ihrem Wesen nach widerrufliche Handlungen vorgenommen, die an sich nicht zur Folge haben können, daß er die in solcher Weise getroffene Bestimmung der zur Erfüllung zu verwendenden Sache nicht nur nicht mehr zurücknehmen dürfe, sondern nicht mehr zurücknehmen könne, daß die Obligation ihr Wesen ändere, sich aus einer generischen in eine Speziesobligation auf Leistung der bestimmten Sache verwandle.“

Wenn es in der Kommentarliteratur heißt, trotz Konkretisierung bleibe die Gattungsschuld als solche erhalten, nur hinsichtlich des Stücks, mit dem der Gefahrübergang herbeigeführt wurde, sei sie fortan im Wesentlichen wie eine Stückschuld zu behandeln,524 dann trifft dies mit der Einschränkung zu, dass diese Gleichbehandlung nur für die Gefahr­tragung gilt, d. h. der zufällige Untergang oder die zufällige Verschlechterung des bestimmten Stücks befreit den Verkäufer von seiner 521  Bezeichnenderweise wird auch von denen, für die der Gefahrübergang bei der Gattungsschuld regelmäßig mit der Konkretisierung einher geht, im Fall des Annahmeverzugs ausnahmsweise eine Bindung des Schuldners abgelehnt, eine einseitige „Rekonkretisierung“ durch den Schuldner zugelassen oder eine Art „Verzichtsvertrag“ zwischen den Parteien konstruiert, vgl. dazu m. w. N. Medicus JuS 1966, 297 (299 mit Fn. 17, 302 mit Fn. 33); Ernst in: GS KnobbeKeuk (1997), 49 (91 f., 97); Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 18, 53–56. 522 Vgl. Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (90 ff.). 523  Prot. I, S. 288. 524  Emmerich in: MüKo (2012) – BGB, § 243 Rn. 32; Schiemann in: Staudinger (2015) – BGB, § 243 Rn. 38; vgl. Sutschet in: BeckOK (Stand: 01.02.2015) – BGB, § 243 Rn. 17.



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Leistungspflicht (er darf die weitere Leistung verweigern) und er ist nicht haftbar. Weder folgt aber aus der Beschränkung der Gefahr­tragung des Schuldners auf ein bestimmtes Stück, dass er genau mit diesem Stück erfüllen muss, noch setzt die Gefahr­tragung des Schuldners die Spezialisierung der Leistungspflicht auf ein bestimmtes Stück voraus.

4) Folgerungen Die Auseinandersetzung mit der Dogmatik des Gefahrenübergangs bei der Gattungsschuld, insbesondere beim Gattungskauf, erlaubt für die Frage, wie sich die Gefahr­tragung beim Kauf im Falle eines untauglichen Erfüllungsversuchs mit mangelhafter Ware weiterentwickelt, zwei wichtige Folgerungen: Erstens, die gesetzlichen Voraussetzungen des Übergangs der Leistungsgefahr konkretisieren zugleich den hinter den Regelungen des Übergangs der Preisgefahr stehenden Grundgedanken. Denn die beiden Gefahren sollen grundsätzlich einheitlich verteilt werden. Damit die Regelung über den Übergang der Leistungsgefahr auch auf einseitige Schuldverhältnisse, bei denen die Gegenleistungsgefahr kein Thema ist, anwendbar ist, enthält ihr Tatbestand eine Verallgemeinerung derjenigen Kriterien, von denen im gegenseitigen Vertrag der Übergang (auch) der Preisgefahr abhängig ist. Das Ergebnis dieser Abstraktionsleistung ist die Wendung, dass der Schuldner das „seinerseits Erforderliche“ zur Erfüllung getan haben muss, in der die erfüllungstheoretische Begründung des Gefahrübergangs ihre Bestätigung findet.525 Zweitens, die Art und Weise, wie der Übergang der Leistungsgefahr bei der Gattungsschuld gestaltet ist, hat Leitbildcharakter auch für die Verwandlung des Erfüllungs- zum Nacherfüllungsanspruch im reformieren Kaufrecht.526

(a)  Maßgebliche Wertungskriterien für den Gefahr(en)übergang Aus der Umschreibung des § 243 Abs. 2 („Hat der Schuldner das zur Leistung … seinerseits Erforderliche getan“) ergibt sich, dass der Übergang (auch) der Preisgefahr maßgeblich davon abhängt, dass die Vertragsabwicklung ein bestimmtes Stadium erreicht: Der Schuldner muss alles getan haben, was er zu tun hat, um seine Leistungspflicht zu erfüllen. Es würde allerdings der allgemeinen Gefahr­tragungsregel für den Austauschvertrag (§ 323 Abs. 1 a. F. bzw. § 326 Abs. 1 S. 1), wonach jede Partei bis zum Eintritt des Erfolges der ihr obliegenden Leistung mit der Gefahr der Gegenleistung belastet ist, widersprechen, wenn bereits die Vornahme der erforderlichen Leistungshandlungen ausreichend wäre, um den Gefahr(en)übergang zu bewirken. Aus diesem systematischen Zusammenhang sowie aus dem ausführlich beschriebenen 525  526 

Dazu sogleich: B.II.1.d)ii)4)(a). Dazu unten: B.II.1.d)ii)4)(b).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Zweck des § 243 Abs. 2, einen „vorzeitigen“ Übergang der Leistungsgefahr nur für bestimmte Ausnahmefälle (Versendungskauf, Annahmeverzug) anzuordnen, folgt, dass für die Herbeiführung des „vorzeitigen“ Gefahr(en)übergangs zu der Vornahme der geschuldeten Leistungshandlungen durch den Schuldner hinzutreten muss, dass es gerade dem Gläubiger zuzurechnen ist, dass das Leistungshandeln des Schuldners nicht unmittelbar den geschuldeten Leistungserfolg bewirkt. Dies ist der Fall bei einem im Interesse des Gläubigers liegenden vertragsgemäßen sowie bei einem vertragswidrig durch den Gläubiger veranlassten Erfüllungsaufschub. Dieser Fall meint den Annahmeverzug. In jenem Fall ist vor allem an die Schickschuld, speziell beim Kauf aber auch an die (vertragsgemäße) Lieferung verkaufter Ware unter Eigentumsvorbehalt zu denken527. Der Grundgedanke in sämtlichen Fällen ist: Liegt es am Gläubiger, dass trotz der Vornahme der erforderlichen Leistungshandlungen durch den Schuldner noch keine Erfüllung eingetreten und der Schuldner nicht durch die Erfüllung von der Verpflichtung zur Leistung und dem Risiko, infolge einer zufälligen Störung der eigenen Leistung den Anspruch auf die Gegenleistung zu verlieren, frei geworden ist, soll dies nicht zu Lasten des Schuldners gehen. Er ist deshalb mit Blick auf die Gefahr der Leistung und der Gegenleistung so zu stellen, als hätte er bereits erfüllt. Dem steht es gleich, wenn der Gläubiger allein oder weit überwiegend direkt dafür verantwortlich ist, dass der Schuldner die ihm obliegende Leistung nicht (mit einem ihm aufgrund des Vertrages zumutbarem Aufwand) bewirken kann. Der Schuldner trägt demnach das Risiko, aus Gründen, die nicht dem Gläubiger zuzurechnen sind, das erforderliche Leistungshandeln nicht mehr vornehmen zu können oder durch einfaches Leistungshandeln den geschuldeten Erfolg nicht zu erreichen. Das spricht, ohne zu weit vorgreifen zu wollen, dagegen, dem Verkäufer, der seit der Reform des Kaufrechts auch beim Stückkauf die Sachmangelfreiheit als Leistung in natura schuldet und mit der Leistungsgefahr belastet bleibt, diese Gefahr in vollem Umfang abzunehmen, wenn er eine mangelhafte Sache übergibt. Denn dann hat er durchaus nicht alles getan, was er zu tun hat, um seine Leistungspflicht zu erfüllen, und die Verzögerung des Leistungserfolges liegt auch nicht am Käufer.

Noch an einer anderen Stelle deutet sich bei den Beratungen über die Verteilung der Leistungsgefahr bei der Gattungsschuld an, dass die Übergabe durchaus nicht unabhängig von dem Vorliegen von Sachmängeln den Übergang von Leistungsund Preisgefahr bewirkt, wenn die Mangelfreiheit zum Inhalt der Leistungspflicht gehört. Die Gesetzesverfasser gingen nämlich davon aus, dass der Verkäufer beim Gattungskauf nicht erneut leisten müsse, falls die Ware nach ihrer Übergabe an den Käufer eine Verschlechterung erleidet oder untergeht, weil er mit der Übergabe erfüllt habe. Dass den Schuldner das weitere Sachschicksal nicht mehr betrifft, wenn er seine Verpflichtung durch die Übergabe erfüllt hat, trifft ohne Zweifel zu. Dies ist aber gerade beim Gattungskauf nicht zwangsläufig der Fall, insbesondere 527 Vgl.

Raab (1999) – Austauschverträge, S. 333 (Fn. 62).



1.  Die Entscheidung für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip

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dann nicht, wenn der Verkäufer mangelhafte Ware beim Käufer abliefert (was nicht zuletzt in der Gefahr­tragung bei der Ersatzlieferung zum Ausdruck kommt). Ebenso bemerkenswert wie aufschlussreich ist deshalb der Zusammenhang, den die Gesetzesverfasser zwischen der Verteilung der Leistungsgefahr bei der Gattungsschuld und der (auf die Stückschuld zugeschnittenen) kaufrechtlichen Gefahr­tragungsregel herstellten: Im Einklang mit v. Jherings Erfüllungstheorie, der das Gesetz in der Frage der Konkretisierung der Gattungsschuld in E I § 214 Abs. 1 (vgl. den späteren § 243 Abs. 2) folge, gelte bei der Gattungsschuld grundsätzlich „erst dann, wenn die Leistung durch die Uebergabe der ausgewählten Sache bewirkt und damit die Gefahr auf den Gläubiger übergegangen ist (vgl. [E I] § 463 Abs. 1 [entspricht dem späteren § 446 Abs. 1 S. 1]) die Auswahl als vollzogen.“ 528 Dies bestätigt die Annahme, dass die Gesetzesverfasser bei der (auf den Stückkauf zugeschnittenen) Regelung des Übergangs der Preisgefahr beim Kauf von dem „Normalfall“ der Übergabe einer mangelfreien Sache ausgingen.529 Denn andernfalls hätten sie nicht dazu kommen können, Übergabe, Erfüllung und Gefahrenübergang beim Gattungskauf gleichzusetzen.

(b)  Dogmatik der Primärpflichtmodifikation Die Auseinandersetzung mit der Regulierung der Leistungsgefahr bei der Gattungsschuld durch „Beschränkung“ des Schuldverhältnisses hat zu der Erkenntnis geführt, dass die Gefahrverteilung weder eine wesentliche Änderung des Schuldinhalts noch den „Umweg“ über das Unmöglichkeitsrecht zwingend erfordert und dass diese Konstruktion der Gattungsschuld als solcher auch nicht gerecht wird. Insofern haben sich die Annahmen des historischen Gesetzgebers als unzutreffend erwiesen. Man mag sich darüber streiten, ob der Respekt vor dem Willen des Gesetzgebers es erfordert, den Übergang der Leistungsgefahr bei der Gattungsschuld gleichwohl auf diese Weise, d. h. durch eine Verwandlung der Gattungs- zur Stückschuld vor dem Übergang der Preisgefahr bzw. der eigentlichen Erfüllung, zu konstruieren. Wo sich ähnliche dogmatische Fragen stellen, der Gesetzgeber aber keine Festlegung getroffen hat, kommt dieser Konstruktion jedoch keinesfalls Vorbildfunktion zu. Dies betrifft die Modifikation des kaufrechtlichen Erfüllungs- zum Nachbesserungsanspruch (auch) beim Stückkauf im reformierten Kaufrecht. Denn auch dabei beschränkt sich unter bestimmten Voraussetzungen die (auch) auf die Herstellung einer bestimmten Qualität gerichtete Leistungspflicht des Verkäufers, weil er insoweit, wie er nicht zur Nacherfüllung verpflichtet ist („Beseitigung des Mangels“, § 439 Abs. 1 Alt. 1), von dem Risiko einer „Nach-Leistung“ oder „Nochmal-Leistung“ befreit ist, obwohl er seine Leistungspflicht  – insgesamt  – noch nicht erfüllt hat. Auf welche Weise sich diese Beschränkung vollzieht, ist 528 

Mot. II, S. 12, Hervorhebung d. Verf. Zugleich nahmen sie an, dass die Übergabe beim Stückkauf über eine bewegliche Sache in aller Regel mit der Eigentumsübertragung einhergehe. 529 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

bislang nicht befriedigend geklärt; meist ist schlicht davon die Rede, dass sich der Erfüllungsanspruch kraft gesetzlicher Anordnung in den Nacherfüllungsanspruch verwandele, dass der Nacherfüllungsanspruch der modifizierte Primäranspruch sei, dieser Anspruch jenen logisch fortsetze. Die gewonnenen Erkenntnisse zur sachgerechten Regulierung der Leistungsgefahr bei der Gattungsschuld mögen dabei helfen, diesen Vorgang besser zu verstehen. Das gilt insbesondere für die Erkenntnis, dass die Leistungsgefahr unabhängig von den tatbestandlichen Voraussetzungen der Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 zu verteilen ist. Dies war übrigens schon vor der Schuldrechtsmodernisierung der Fall. Denn dass der Verkäufer einen Mangel, der durch eine nach Vertragsschluss aufgetretene, zufallsbedingte Verschlechterung entstanden war, nicht beseitigen musste, lag nicht daran, dass ihm diese Nachbesserung tatsächlich unmöglich gewesen wäre, sondern folgte daraus, dass das Gesetz für diesen Fall statt der (Nach-)Erfüllung die Sachmängelgewährleistung (Minderung, Wandelung) anordnete. Dadurch wurde nicht der tatsächliche Sachzustand der Kaufsache an die vereinbarte Gegenleistung, sondern – umgekehrt – der zu zahlende Kaufpreis dem mangelhaften Sachzustand der Kaufsache angepasst. Wenn man so will, folgte der Ausschluss der (Nach-)Erfüllungspflicht nicht aus der Unmöglichkeit der Nacherfüllung, sondern die Unmöglichkeit der (Nach-)Erfüllung aus dem Ausschluss der Leistungspflicht.530 Letzteres war das unmittelbar „auslösende Moment“ der Belastung des Verkäufers mit der Preisgefahr, diese wurde wiederum durch die Gewährleistungspflicht umgesetzt.

2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“531 im Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Übergang der Preisgefahr Mit der Entscheidung für das Traditionsprinzip war eine „kritische Zwischenzeit“ zwischen Vertragsschluss und Übergabe der verkauften Sache entstanden, während der die Leistung anfällig für Störungen, namentlich die Verschlechterung und den tragungsfall behandelt, Untergang der Kaufsache war.532 Als genuiner Gefahr­ hätten der zufällige Untergang und eine zufällige Verschlechterung der verkauften Sache dazu führen müssen, dass der mit der Preisgefahr belastete Verkäufer in dem Maße, in dem seine Leistung deshalb ausbleibt, den Anspruch auf die Gegenleistung verliert. Nach dem Vorschlag Nr. 7 (1876) v. Kübels533, der Grundsatzfragen der Gefahr­ tragung beim Kauf losgelöst von Fragen des allgemeinen Schuldrechts und der 530  Ausführlich

dazu: B.II.1.d)i). Begriff von Ernst in: FS Huber (2006), 165 (172, 200, 208). 532 Vgl. Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1038 („offen gelassene Zwischenzeit“). Dazu bereits: B.II.1.c)i)1)(a) bei Fn. 86. 533  Dazu oben: B.II.1.c)i)1) mit Fn. 85. 531 



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

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Sachmängelgewährleistung behandelte, sollte die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises (nur) bei gänzlicher Unmöglichkeit der Verkäuferleistung ipso iure ausgeschlossen sein. Bei teilweiser Unmöglichkeit sollte der Käufer die Wahl haben zwischen einem verhältnismäßigen Abzug an der Gegenleistung und – falls er den Vertrag nicht geschlossen hätte, wenn die Unmöglichkeit vollständiger Erfüllung schon zur Zeit des Vertragsschlusses absehbar gewesen wäre – von dem Vertrag abzugehen und also den gesamten Kaufpreis einzubehalten bzw. Erstattung des bereits gezahlten Kaufpreises in voller Höhe zu verlangen. Letztlich entschieden sich die Gesetzesverfasser, die Folgen der Gefahr­tragung des Verkäufers in Bezug auf nachträgliche Verschlechterungen der verkauften Sache (zwischen Vertragsschluss und dem nach §§ 446, 447 a. F. maßgeblichen Moment) durch das Gewährleistungsrecht zu bewältigen. Denn mit Minderung und Wandelung sah dieses spezielle Rechtsbehelfe vor, die es dem Käufer erlaubten, die ihm obliegende Leistung selbstständig der Beeinträchtigung der dem Verkäufer obliegenden Leistung „anzupassen“ und auf diese Weise das gestörte Äquivalenzverhältnis wiederherzustellen (ausführlich dazu sogleich534).

a)  Regelungsbedürftigkeit der vom Gläubiger zu vertretenden Unmöglichkeit infolge der Verschiebung des Gefahrübergangs vom Vertragsschluss zur Übergabe In Anbetracht der „offen gelassenen Zwischenzeit“535 zwischen Vertragsschluss und Gefahrübergang infolge der Entscheidung für das Traditionsprinzip beim Kauf (sowie für den allgemeinen Grundsatz der Schuldnergefahrtragung im gegenseitigen Vertrag) wurde außerdem die „Gläubigerverantwortlichkeit“  – also die Frage, wann eine vom Schuldner nicht zu vertretende Störung der Leistung ihm ausnahmsweise nicht selbst zur Last fällt, weil sie dem Gläubiger zuzurechnen ist – zum Regelungsthema. Im gemeinen Recht hatte es dagegen für die Aufrechterhaltung der Gegenleistung keinen Unterschied gemacht, ob die geschuldete Sache vor ihrer Übergabe durch ein Verhalten des Gläubigers oder ohne dessen Zutun (zufällig) beschädigt oder zerstört wurde.536 Denn unter der Geltung der periculum est emptoris-Regel, deren entsprechende Anwendung auf alle Verträge über die Veräußerung einer bestimmten Sache in der Pandektistik befürwortet wurde (periculum est creditoris), ging die Gefahr ohnehin zum frühestmöglichen Zeitpunkt auf den Sachleistungsgläubiger/Käufer über.   Dagegen hatte die Frage nach den Auswirkungen des Annahmeverzugs auf die Gefahr­ tragung immer schon eine Rolle gespielt.537 Soweit der Gläubiger nach gemeinem Recht 534 B.II.2.b). 535 

Dazu bereits: B.II.1.c)i)1)(a) bei Fn. 86. die Gebrauchsüberlassungsverträge hatten insofern immer schon spezielle Regeln gegolten (entsprechendes gilt für die Gefahr­tragungsregel des Code Civil). Vgl. Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 15 mit Fn. 131. 537  Dazu m. w. N.: Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 52 f., 117, 181 f.; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 15. 536 Für

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

die Gefahr nicht ohnehin schon ab Vertragsschluss zu tragen hatte, ging sie mit Eintritt des Annahmeverzugs auf ihn über. Beim Kauf und anderen Sachveräußerungsverträgen, für die eine vertragsanfängliche Gefahr­tragung des Gläubigers galt, hatte der Annahmeverzug – wie schon im antiken römischen Recht538 – eine Milderung der Sorgfaltsanforderungen an den Verkäufer/Schuldner zur Folge: Er hatte ggf. nur noch nach dem allgemeinen (außervertraglichen) Haftungsmaßstab für dolus und culpa lata einzustehen. Den Käufer/Gläubiger traf damit außer der Gefahr des (echten) Zufalls auch diejenige leicht oder einfach fahrlässigen Verhaltens des Verkäufers/Schuldners. Nach seiner Anerkennung nahm man auch in Bezug auf den Gattungskauf an, dass mit dem Annahmeverzug die (Preis-)Gefahr auf den säumigen Käufer übergehe: Der Verkäufer konnte nach Untergang des erfolglos angebotenen Stücks der actio empti die exceptio doli entgegenhalten und selbst mit Erfolg den Kaufpreis einklagen.539 Nach dem prALR, das die Gefahr beim Kauf grundsätzlich mit der Übergabe übergehen ließ, bewirkte der Annahmeverzug auch bei einem „nur mäßigen Versehen“ des Käufers den Gefahrübergang. Zwar wurde der Kaufvertrag auch dann „für augehoben geachtet“, wenn die verkaufte Sache während des Annahmeverzugs durch Zufall untergegangen war; der Käufer musste den Verkäufer wegen des entgangenen Kaufgeldes aber schadlos halten (vgl. prALR I. 11 § 100, 102 f.).540 Im Falle einer zufälligen oder durch einfache Fahrlässigkeit des Verkäufers während des Annahmeverzugs entstandenen Verschlechterung musste der Käufer die verschlechterte Sache annehmen und den vollen Kaufpreis bezahlen (vgl. prALR I. 11 § 92).541

Weil auch sie die Abkehr von der gemeinrechtlichen Gefahr­tragungsregel vollzogen hatten und beim Kauf dem Traditionsprinzip gefolgt waren, hatten vor den Verfassern des BGB bereits die Verfasser des prALR und des ABGB Regelungen für das Problem der Gläubigerverantwortlichkeit vorsehen müssen. Nach dem prALR fiel der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung auch dann weg, wenn der Gläubiger die Erfüllung schuldhaft vereitelt hatte. Der Gläubiger hatte ggf. aber eine Entschädigung542 zu leisten.543 Das ABGB regelte den Fall der vom Gläubiger zu 538 Zum

periculum custodiae siehe oben: B. I. 1.b)ii). früheren gemeinen Recht m. w. N. Dilcher (1960) – Leistungsstörungen, S. 167 ff., insb. 175 ff.; siehe auch Glück (1797) – Pandekten IV. 2, S. 423 f. Zum jüngeren gemeinen Recht: Mommsen (1855) – Mora, S. 286 f., 298–306; Koch (1858) – Recht der Forderungen I, S. 363 ff. (auch zum preußischen Recht); Windscheid (1865) – Pandekten II.1, S. 273 f.; Dernburg (1889) – Pandekten II, S. 117. 540 Dazu Koch (1858) – Recht der Forderungen I, S. 363 ff.; ders. (1862) – prALR I. 1, S. 744 f. mit Anm. 65–67. 541 Dazu Koch (1862) – prALR I. 1, S. 744 mit Anm. 63. 542  prALR I. 5 § 361. Diese Entschädigung war der Höhe nach grundsätzlich nicht nach dem Wert der Gegenleistung zu bemessen, sondern beschränkt auf die „Vergütung der schon wirklich aufgewendeten Bemühungen und gemachten Anstalten“. Für den Kauf war aber ausnahmsweise anerkannt: „[Ist] der Käufer … schuld daran, daß die Uebergabe nicht geleistet werden kann, so muß er das Kaufgeld bezahlen“. Deshalb galt insoweit im praktischen Ergebnis, dass „der Verhinderte … befreit und der hindernde Theil … seinerseits zur Gegenleistung verbunden [ist].“; Koch (1862) – prALR I. 1, S. 345 mit Anm. 88. Rechtsvergleichend zu den unterschiedlichen Lösungen bei vom Gläubiger zu vertretender Unmöglichkeit der Leistung Flessner ZEuP 1997, 255 (300). 543 Dazu Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 106. Dies setzt voraus, die vom Gläubiger zu vertretende Unmöglichkeit der Leistung als ein aus Sicht des Schuldners zufälliges Ereignis anzusehen, dessen reguläre Rechtsfolge nach den Grundregeln für den gegenseitigen Vertrag neben der Befreiung des Schuldners von der Leistungspflicht auch die Befreiung des vor 539  Zum



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

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vertretenden Unmöglichkeit der Leistung (im Unterschied zu dem Fall des zufälligen Untergangs während des Gläubigerverzugs) dagegen überhaupt nicht.544 In den Beratungen der Ersten Kommission setzte sich die Lösung durch, dass der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung (unbeschadet deliktischer Ansprüche wegen eines zusätzlichen Schadens) erhalten bleibt, wenn der Gläubiger die Erfüllung vereitelt (§ 324 Abs. 1 a. F.).545 Dass die Gesetzesverfasser hierin keinen Haftungsfall sahen, macht deutlich, dass ihnen die Vorstellung, den Gläubiger könnten hinsichtlich der Erfüllung der ihm geschuldeten Leistung echte Pflichten treffen, fremd war.546 Dementsprechend sind das von § 324 Abs. 1  S. 1  a. F. vorausgesetzte „Vertreten-müssen“ und die in § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 angesprochene „Verantwortlichkeit“ des Gläubigers nicht auf eine gegenüber dem Vertragspartner bestehende Rechtspflicht zur Mitwirkung an der Leistungserbringung bzw. zum Unterlassen der Störung der Leistungserbringung bezogen. Normativer Bezugspunkt der Vereitelung der dem Vertragspartner obliegenden Leistungserbringung durch aktives (treuwidriges) Verhalten (z. B. Zerstörung des verkauften Stücks vor der Erfüllung oder dem Gefahrübergang) oder durch das Unterlassen notwendiger Mitwirkungshandlungen ist vielmehr die Verletzung einer lediglich im eigenen Interesse zu beachtenden Obliegenheit. Deren Inhalt und Intensität ergeben sich vorrangig aus dem Vertrag.547 Auf ein Verschulden i. S. v. § 276 a. F. kommt es deshalb nicht direkt an; aus welchem Grund etwa eine notwendige Mitwirkung unterbleibt, ist irrelevant.548

b)  Erweiterung der Gewährleistungspflicht des Verkäufers bis zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs durch Erfassung nachträglicher Zufallsverschlechterungen der verkauften Sache als Sachmangel Bereits die Vorlage Nr. 20 v. Kübels zu den „Rechten und Verpflichtungen aus Verträgen“ einschließlich allgemeiner Regeln für die Gewährleistung bei Rechts- und Übergabe grundsätzlich noch nicht mit der Gefahr belasteten Gläubigers von der ihm obliegenden Gegenleistung ist. 544  Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 181. 545  „Wird die aus einem gegenseitigen Vertrage dem einen Teile obliegende Leistung infolge eines Umstandes, den der andere Teil zu vertreten hat, unmöglich, so behält er den Anspruch auf die Gegenleistung.“ Dies entsprach der gemeinrechtlichen Lösung des Falls der während des Annahmeverzugs eingetretenen, nicht vom Schuldner verschuldeten Unmöglichkeit der Leistung, der sich auch das ABGB (dazu Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 69 ff., 84) und das prALR (dazu Rückert ZNR 1984, 40 (44 mit Fn. 26; Koch (1858) – Recht der Forderungen I, S. 363 ff.) angeschlossen hatten und die in § 324 Abs. 2 im BGB von 1900 kodifiziert wurde; vgl. Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 117, 181 f. 546  Mot. II, S. 208 zu E I § 368 Abs. 2; dazu Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 181 f. 547 Dazu Gsell in: Soergel (2005) – BGB, § 326 Rn. 47–51. 548  Gsell in: Soergel (2005) – BGB, § 326 Rn. 51. In Fällen der Verletzung einer vertraglichen Mitwirkungs- oder Rücksichtnahmepflicht bereitete die (direkte) Anwendung der §§ 276, 278 (a. F.) ohnehin keine Probleme, dazu: Otto in: Staudinger (2001) – BGB, § 324 Rn. 7 f.; Emmerich in: MüKo (1995) – BGB, § 324 Rn. 10; Gsell in: Soergel (2005) – BGB, § 326 Rn. 53 ff., 56 ff.; Wiedemann in: Soergel (1990) – BGB, § 324 Rn. 9.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Sachmängeln549 sah den Anschluss an die römisch-gemeinrechtliche Tradition der ädilizischen Sachmängelgewährleistung550 „mit der Modifikation [vor], daß die Haftpflicht des Veräußerers nicht auf die zur Zeit des Vertragsschlusses vorhandenen Mängel beschränkt, sondern erweitert wird bis zu demjenigen Zeitpunkt, mit welchem nach Gesetz oder Uebereinkommen die Gefahr des Vertragsgegenstandes auf den Erwerber übergeht“,

nachdem die Kommission in den Sitzungen vom 22. und 25. September 1876 entsprechende Beschlüsse gefasst hatte.551 Gem. TE-OR (Nr. 20) § 22 sollte, „[w]er durch entgeltlichen Vertrag eine Sache veräußert“, dem Erwerber nicht nur für die zugesicherten Eigenschaften, sondern auch dafür haften, „daß die Sache zu der Zeit, mit welcher die Gefahr derselben auf den Erwerber übergeht, nicht solche Mängel hat, welche den Werth oder die Tauglichkeit der Sache zu dem regelmäßigen oder nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern“.552

Die Bindung der Gewährleistungspflicht an diesen Zeitpunkt sei zwar „keine unabweisliche innere Konsequenz der bezüglich der Zeit des Gefahrübergangs geltenden Bestimmungen“, doch stehe die Mängelgewährpflicht damit doch ersichtlich „im engsten Zusammenhang“. Denn nach jenen Bestimmungen habe der Veräußerer dem Erwerber für die bis zu gedachtem Zeitpunkt eintretende zufällige Verschlechterung und den zufälligen Untergang der veräußerten Sache zu haften. Außerdem diene der Vorschlag des Entwurfs der „Vereinfachung des Rechts“ und zur „Abschneidung chikanöser und verwickelter Prozesse“, indem die Untersuchung, ob ein Mangel schon zur Zeit des Vertragsschlusses vorhanden gewesen sei, vermieden werde.553 Die Absicht der Vertragsparteien spreche aus den gleichen Gründen nicht gegen diese zeitliche Gleichstellung der Verkäuferhaftpflicht für Sachmängel mit dem Gefahrübergang, aus denen sie nicht gegen die Gefahr­ tragung des Verkäufers bis zur Übergabe der verkauften Sache an den Käufer bzw. die Transportperson oder bis zur Eintragung des Grundstückskäufers in das Grundbuch spreche.554 Schließlich wurde hervorgehoben, dass der Regelungsvor549  Dem Vorbild des Dresdner Entwurfs eines deutschen Obligationenrechts von 1866 folgend, war zunächst vorgesehen, die Gewährleistung nicht beim Kauf, sondern im allgemeinen Schuldrecht zu regeln. 550 Auf Sachmängel konnte der Käufer grundsätzlich nur mit Kaufpreisminderung oder Wandelung des Kaufvertrages reagieren. Die Haftung auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens erforderte das arglistige Verschweigen von Mängeln oder das Fehlen garantiemäßig zugesicherter Eigenschaften. 551  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 412. 552  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 374 = Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 123, Hervorhebung d. Verf. 553  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 412. Insoweit hätte man dem Käufer freilich auch durch eine Beweiserleichterung helfen können, wonach vermutet wird, dass ein bei Übergabe feststellbarer Mangel bereits bei Vertragsschluss vorgelegen hat, dazu Pisko (1926) – Lieferung mangelhafter Ware, S. 38. 554  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 412 f.



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

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schlag im Einklang mit der Gesetzgebung insbesondere Preußens und Österreichs sei, wonach die Gewährschaftspflicht des Verkäufers ebenfalls an den Zeitpunkt des Gefahrübergangs angeschlossen sei.555 Eine entsprechende Regelung hatte übrigens auch der Dresdner Entwurf in Art. 172 vorgesehen.556 Bei der Beratung des Teilentwurfs in der Sitzung vom 15. Mai 1882 beantragte Derscheid557, in § 22 anstatt der Worte „zu der Zeit, mit welcher die Gefahr derselben auf den Erwerber übergeht“ die Worte „zur Zeit der Schließung des Vertrages“ zu setzen. Dieser Antrag wurde ausführlich erörtert, letztlich aber abgelehnt.558 Begründet wurde dies damit, dass nach der seinerzeit bereits beschlossenen Gefahr­ tragungsregel559 der Käufer in Ansehung einer zwischen Vertragsschluss und Übergabe aufgetretenen Leistungsunmöglichkeit des Verkäufers infolge der Verschlechterung oder des Untergangs der verkauften Sache das Recht erhalten sollte, von der Gegenleistung einen verhältnismäßigen Abzug zu machen oder sich unter Umständen sogar ganz vom Vertrag zu lösen, was im Wesentlichen den ädilizischen Rechtsbehelfen der Minderung und der Wandelung entspreche. Dass die gewährleistungsrechtliche Wandelung sich etwas anders gestalte als das sich unmittelbar aus der Gefahr­tragung ergebende Recht des Käufers, vom Vertrag abzugehen, sei unerheblich.560 Jedenfalls rechtfertige sich die im Entwurf vorgeschlagene Gleichstellung der Gefahr­tragung des Verkäufers hinsichtlich nachträglicher Zufallsverschlechterungen mit der Sachmängelhaftung „im Interesse der Einfachheit des Gesetzes und der Erleichterung seiner Anwendung“.561

In der Begründung des E I § 381, der TE-OR (Nr. 20) § 22 entsprach, wird im Wesentlichen die Begründung der Vorlage wiederholt und noch einmal betont, dass die Gleichstellung der Gewährschaftshaftung des Verkäufers mit seiner Ge­ fahr­tragung auch im Einklang mit der Parteiabsicht und der Verkehrsanschauung sei. Dies werde insbesondere durch die Haftungsbestimmungen einer Vielzahl von Gesetzen über den Viehkauf562 bestätigt, obgleich diese die Haftpflicht nicht 555 

Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 413. Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR III, S. 1062. 557  Zur Person: Schubert (1978) – Materialien, S. 72 f. 558 Dazu Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 123 f. 559  Stand: Beschluss der Sitzung vom 25. 09. 1876. 560  Anders als das von v. Kübel in der Vorlage Nr. 7 von 1876 vorgesehene besondere Rücktrittsrecht bei teilweiser Unmöglichkeit der Verkäuferleistung setzte die Wandelung nicht voraus, dass der Käufer an der Leistung im Übrigen kein Interesse mehr hatte. Es stand ihm grundsätzlich frei, statt der Minderung Wandelung zu verlangen. 561  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 124. 562  Die Gewährleistung beim Viehkauf war am wenigsten vom römisch-gemeinen Recht durchdrungen worden. Insofern hatte sich ein Gewährleistungsrecht deutsch-rechtlichen Ursprungs erhalten, das auch daran angepasst war, dass – eben nach dem „deutsch-rechtlichen Prinzip“ – die Gefahr erst mit der Übergabe des verkauften Viehs übergeht, dazu v. Gierke (1917) – Deutsches PrivatR III, S. 482–487 f.; Crome (1902) – System II.1, S. 446, 476 ff. (siehe auch die Sonderregeln über den Viehkauf in §§ 481–492 BGB a. F.). Man kann eine Ironie der Rechtsgeschichte darin erblicken, dass gerade dieser Bereich weitgehend von der Verallgemeinerung der besonderen Regeln der römischen Sachmängelgewährleistung unbeeinflusst geblieben ist, wenn man bedenkt, dass das Gewährleistungsecht nach dem Edikt der kurulischen Ädilen ursprünglich ausgerechnet und 556 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

bis zur Zeit des Gefahrübergangs, sondern unmittelbar bis zur Übergabe etc. erstreckten.563 In den Beratungen der Zweiten Kommission wurde der Zeitpunkt des Gefahrübergangs als entscheidender Zeitpunkt für die Sachmängelhaftung des Verkäufers nicht mehr in Frage gestellt.564 Von einer unbedachten und fehlerhaften Regelung, die auf dem Missverständnis beruhe, dass der Zeitpunkt zur Bestimmung des Vorliegens eines Sachmangels zwingend mit dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs identisch sein müsse,565 kann angesichts der eingehenden Beratungen der Regelung des für die Sachmängelhaftung des Verkäufers entscheidenden Zeitpunkts durch die Erste Kommission nicht die Rede.566 Wie gesehen, wurde in der Begründung zu TE-OR (Nr. 20) § 22 und zu E I § 381 ausdrücklich betont, dass die Bindung der Gewährleistungspflicht an den Zeitpunkt des Gefahrübergangs „keine unabweisliche innere Konsequenz der bezüglich der Zeit des Gefahrübergangs geltenden Bestimmungen“ sei.567 Der für die Sachmängelhaftung (spätestens) entscheidende Zeitpunkt wurde vor allem aus Zweckmäßigkeitserwägungen insgesamt „nach hinten“ verlegt, um die Gefahr­tragung des Verkäufers als Gewährleistungsfall erfassen zu können. So kam es zur Anordnung einer „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“ (Ernst). Deren Ausgangspunkt war die Verantwortlichkeit des Verkäufers für eine auf Zufall beruhende tatsächliche Verschlechterung der verkauften Sache zwischen Vertragsschluss und Übergabe568 („nachträgliche Zufallsverschlechterung“ als „atypischer Sachmangel“)569. Ihre Konsequenz war eine zeitliche Ausdehnung der gesamten Gewährleistungspflicht des Verkäufers; d. h. es wurde nun auch die vom Verkäufer nach Vertragsschluss verschuldete Verschlechterung der verkauften Sache als Sachmangel und damit als Anwendungsfall des Gewährleistungsrechts behandelt.570 Dies darf die grundlegenden Unterschiede zwischen genuiner Sachmängelhaftung ausschließlich für den Marktkauf über Zugtiere (und Sklaven) galt; dazu Zimmermann (1996) – Obligations, S. 326 f. 563  Mot. II, S. 225 f. 564  Zur Begründung des E II § 397 siehe Prot. I, S. 670 f. 565 So Harke AcP 205 (2005), 67 (75). 566  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (172 mit Fn. 18). 567  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 412; vgl. Mot. II, S. 226. Dementsprechend ist auch Schroeder (1903) – Gewährleistung, S. 12 der Auffassung von Epping (1897) – Gewährleistung, S. 7 f. entgegengetreten, wonach die Verquickung der Momente des Gefahrübergangs und der Sachmängelhaftung theoretisch zwingend sei. Logische Gründe könnten zu dieser Gleichstellung nicht führen, sie beruhe lediglich auf bestimmter Anordnung des Gesetzes; siehe auch Pisko (1926) – Lieferung mangelhafter Ware, S. 38 (Bindung der Gewährleistung an den Gefahrübergang nicht durch die Rechtslogik geboten, sondern durch Zweckmäßigkeitserwägungen gerechtfertigt). 568  Bzw. zwischen Vertragsschluss und Eintritt des Annahmeverzugs (§ 324 Abs. 2 a. F.) oder Absenden der Ware (§ 447 a. F.). 569  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (172 f.). 570 Umstritten war, ob die allgemeine Schadenersatzhaftung daneben anwendbar sei oder (nach Gefahrübergang) durch das Gewährleistungsrecht verdrängt werde. Dazu unten bei und in Fn. 583 sowie unter B.II.2.c).



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

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und Gefahr­tragung jedoch nicht verdecken.571 In Bezug auf nachträgliche Zufallsverschlechterungen sind die Gewährleistungsrechte (Minderung und Wandelung) die „bloße Form für die Ansprüche aus Gefahr­tragung“572, und zwar ausschließlich aus Preisgefahrtragung.

i)  Für nachträgliche Zufallsverschlechterungen wurde im Rahmen der Gewährleistung ausschließlich die Preisgefahrtragung des Verkäufers ausgeformt Dass im BGB von 1900 die Gewährleistung in Bezug auf nachträgliche Zufallsverschlechterungen ausschließlich die Preisgefahrtragung des Verkäufers ausformte, lag daran, dass die hergebrachten Gewährleistungsrechte, Minderung und Wandelung, darauf abzielten, einen Ausgleich für das mangelbedingt gestörte Äquivalenzverhältnis573 durch eine Anpassung der Gegenleistung, also der Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises, herzustellen. Dass der Verkäufer den Leistungsgegenstand – umgekehrt – durch zusätzlichen Aufwand (wieder) in den Zustand bringen müsse574, für den der Käufer den vollen Kaufpreis zu zahlen bereit war, sah das hergebrachte Gewährleistungsrecht dagegen generell nicht vor.575 Vom Gewährleistungsrecht her gedacht lag es deshalb fern, auf den atypischen Sachmangel infolge einer nachträglichen Zufallsverschlechterung anders als auf typische Sachmängel zu reagieren, namentlich mit einer Verpflichtung des Verkäufers zur Beseitigung des durch die zufällige Verschlechterung eingetretenen Qualitätsdefizits und zur Wiederherstellung des „vertragsanfänglichen“ Zustandes (zumindest in solchen Fällen, in denen dies technisch „machbar“ ist). Wie bereits angesprochen wurde, haben die Verfasser des BGB von 1900 auch nicht aus prinzipiellen Gründen erwogen, das Hinausschieben des Übergangs der Preisgefahr bis zur Übergabe zum Anlass dafür zu nehmen, auch nur in Erwägung zu ziehen, (beim Stückkauf) den Übergang der Leistungsgefahr ebenfalls zulasten des Verkäufers zu verschieben. 571  Während es bei „echten“ (vertragsanfänglichen) Mängeln um die Frage geht, ob die Sache tatsächlich so beschaffen ist wie vertraglich vereinbart (ist-soll-Vergleich), geht es bei der Gefahr­ tragung darum, ob die Sache bei Gefahrübergang noch die Beschaffenheit aufweist, die sie bei Vertragsschluss hatte (vorher-nachher-Vergleich). Dazu Ernst in: FS Huber (2006), 165 (166 f.). Zu den unterschiedlichen Wertungsgrundlagen unten: B.II.2.d). 572  Adler, dazu m. w. N. oben bei und in Fn. 347. 573 Vgl. Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 434–445 Rn. 4 (zur Sachmängelgewährleistung nach dem ädilizischen Edikt im römischen Recht). 574  Es stand dem Verkäufer nach dem BGB von 1900 selbstverständlich frei, einen Mangel vor der Übergabe zu entfernen. Ob und unter welchen Umständen er dadurch die Geltendmachung der einmal tatbestandlich begründeten Gewährleistungsrechte verhindern konnte, war allerdings umstritten; dazu Ernst in: FS Huber (2006), 165 (168 f., 180). Der Käufer wiederum konnte die Annahme von Ware, die er als mangelhaft erkannt hatte, verweigern und den Verkäufer unter Androhung von Wandelung oder Minderung dazu bewegen, (freiwillig) den Mangel zu beseitigen. Dies setzte freilich voraus, dass der Käufer den Mangel vor der Übergabe erkannte. 575  Vgl. zu den Gründen, warum die Verfasser des BGB von 1900 eine Nacherfüllungspflicht des Verkäufers im Allgemeinen außer Betracht ließen, auch schon: B.II.1.d)i)3) (bei und in Fn. 333).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Die Gesetzesverfasser diskutierten die Folgen des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung der verkauften Sache bei ihren Beratungen von vorneherein und ausschließlich als ein Thema der (Preis-)Gefahr­tragung. Dies impliziert ihre Grundannahme, dass eine Leistungspflicht des Verkäufers zur Überwindung der durch das Zufallsereignis verursachten Leistungserschwerung nicht besteht.576 Es hätte den Verkäufer auch – gerade darauf zielt übrigens auch die Kritik an der Nacherfüllungspflicht beim Kauf im reformierten Schuldrecht ab577 – regelmäßig viel empfindlicher belastet, als eine Minderung hinnehmen oder auf den ganzen Kaufpreis verzichten zu müssen.578 Dass es keinen Legitimationsgrund für solch eine „Mehrleistungspflicht“ gebe, insbesondere weil dem Verkäufer hinsichtlich einer zufälligen Sachverschlechterung naturgemäß ein Verschulden nicht vorzuwerfen ist, wurde zwar nicht offen ausgesprochen. Der Umstand, dass die Nachbesserung lediglich unter dem Aspekt einer Befugnis des Verkäufers, die (verschuldensunabhängigen) Ansprüche des Käufers auf Minderung und Wandelung, wo ihm dies rentabel erschien, durch freiwillige Mangelbeseitigung abzuwenden, diskutiert wurde, deutet aber in diese Richtung. Abgesehen von solchen normativen Erwägungen passte die Vorstellung, dass der Verkäufer wie ein Werkunternehmer zur Reparatur schreiten müsse, offenbar auch einfach nicht mit dem etablierten naturalistischen Gepräge des Kaufs zusammen.

In der Literatur zum Gewährleistungsrecht wurde nach Inkrafttreten des BGB von 1900 über die Folgen einer nachträglichen Verschlechterung der verkauften Sache auch unter dem Aspekt einer Verpflichtung des Verkäufers zur Wiederherstellung des vertragsanfänglichen Zustandes diskutiert. Solch eine Mangelbeseitigungspflicht wurde aber allenfalls bei Verschulden des Verkäufers vertreten.579 Oertmann580 nahm an, dass der Verkäufer zwischen Vertragsschluss und Gefahrübergang „zu einer sachgemäßen Behandlung und Beaufsichtigung der Kaufsache, nötigenfalls auch zur Vornahme positiver Schutz- und Verbesserungsmaßnahmen“ verpflichtet sei. Hafte er wegen einer Verletzung dieser Pflicht, so sei er nach dem Prinzip der Naturalrestitution im Rahmen des Schadenersatzes auch zur Reparatur verpflichtet, falls der Mangel behebbar sei. Auch Schollmeyer581 und andere582 begründeten eine (verschuldensabhängige) Mangelbeseitigungspflicht im Rahmen des Schadenersatzes. Sie argumentierten hinsichtlich des Haftungsgrundes aber nicht mit der Verletzung einer, wie wir heute sagen würden, „leis576  Deshalb meinte man auch, es müssten sich an die nachträgliche Zufallsverschlechterung eigentlich die Rechtsfolgen der (teilweisen) Unmöglichkeit der Leistung anschließen. 577  Dazu: B.III.2.a). 578  Vgl. zu der Ansichts Piskos zur Verbesserungspflicht des Verkäufers nach dem ABGB bereits oben bei Fn. 349. Er nahm mit Verweis u. a. auf Schroeder  (1903) – Gewährleistung, S. 24 in Fn. 7 an, dass der Verkäufer zur Beseitigung „gewisser kleiner Gebrechen“ durch Verbesserung (Anleimen losgelöster Holzteile, Nähen getrennter Nähte, Reinigen vom Staube usw.) nach der Verkehrsauffassung auch dann verpflichtet sei, „wenn ihr Anlaß erst nach Vertragsschluss durch Zufall eingetreten ist“, obwohl eine Verbesserungspflicht des Verkäufers hinsichtlich nach Vertragsschluss eingetretener Zufallsverschlechterungen grundsätzlich abzulehnen sei; vgl. Pisko (1926) – Lieferung mangelhafter Ware, S. 35. 579  Hierzu bereits: B.II.1.d)i)2) bei und nach Fn. 327. 580  Oertmann (1910) – SchuldR, S. 407 (§ 450 a. F. Anm. 5), S. 417 (vor § 459 a. F. Anm. 2.c.β), S. 374 (§ 433 a. F. Anm. 2.a.α). Dazu bereits: B.II.1.d)i)1) (in Fn. 313). 581  JherJb 49 (1905), 93 (97 ff., 104 f.). Dazu bereits: B.II.1.d)i)1) (bei und in Fn. 331). 582  Schultze ArchBürgR 30 (1907), 143 (149 ff.); Blume JherJb 55 (1909), 209 (228 ff.). Dazu bereits: B.II.1.d)i)1) (bei und in Fn. 327).



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

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tungsbezogenen vertraglichen Nebenpflicht“ zur sorgfältigen Aufbewahrung der verkauften Sache. Sie hielten die Lieferung mangelhafter Ware vielmehr nur dann für erfüllungstauglich, wenn die Mangelhaftigkeit dem Zustand der Ware im Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspricht. Andernfalls sei (bei Verschulden) die Haftung des Verkäufers wegen Nichterfüllung (Verzug) begründet. Sofern eine Nacherfüllungspflicht des Verkäufers in Betracht gezogen wurde, wurde jedenfalls stets vorausgesetzt, dass der Verkäufer die nachträgliche Sachverschlechterung zu vertreten habe.583 Selbst unter diesen Umständen meinten andere freilich, es sei nicht mit dem Vertragstypus Kauf zu vereinbaren, dass der Verkäufer im Rahmen seiner Leistungspflicht oder Haftung eine regelrechte Reparatur vorzunehmen habe.584

ii)  Nichterfüllungshaftung wie nach gemeinem Recht auf die Sachbeschaffenheit bei Vertragsschluss bezogen Aufgrund der Entscheidung der Gesetzesverfasser, den für die Sachmängelgewährleistung maßgebenden Zeitpunkt bis zum Gefahrübergang hinauszuschieben, fielen dem Verkäufer Mängel, die zu dieser Zeit vorlagen, selbst dann zur Last, wenn die verkaufte Sache zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch gänzlich mangelfrei gewesen war – d. h., in der Terminologie des BGB a. F., wenn sie keine Fehler gehabt (§ 459 Abs. 1 a. F.) und ggf. zugesicherte Eigenschaften tatsächlich aufgewiesen hatte (§ 459 Abs. 2 a. F.). Die „Haftung“ des Verkäufers beschränkte sich insoweit freilich auf die eigentliche Gewährleistung, also die ädilizischen Rechtsbehelfe (Wandelung und Minderung).585 Der für die Nichterfüllungshaftung (beim Stückkauf) maßgebliche Zeitpunkt blieb dagegen unangetastet. Bei den Beratungen der Regelung der Nichterfüllungshaftung wegen Fehlens zugesicherter Eigenschaften und arglistigen Verschweigens von Fehlern wurde der Vorschlag (von v. Weber), die Haftung beim Spezieskauf 583  Bemerkenswert ist, dass eine Haftung des Verkäufers wegen von ihm zu vertretender nachträglicher Verschlechterungen der verkauften Sachen nach den Regeln des allgemeinen Leistungsstörungsrechts (neben oder anstelle der kaufrechtlichen Gewährleistung) überhaupt diskutiert wurde. Denn infolge der Entscheidung des Gesetzgebers, den für die Sachmängelhaftung maßgeblichen Zeitpunkt vom Vertragsschluss auf den Gefahrübergang zu verlegen, stellten auch diese Fälle Sachmängel dar und unterfielen dem speziellen kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht. Vgl. dazu sowie zu dem Ursprung der Haftung, die nach Inkrafttreten des BGB als „positive Vertragsverletzung“ neu erfunden worden sei, im Kaufrecht des klassischen römischen Rechts: Ernst in: FS Huber (2006), 165 (168 f., 178). Bei der „pVV“ ging es um die Begründung einer allgemeinen Haftung des Schuldners für die schädlichen Folgen von (Sorgfalts-)Pflichtverletzungen, die gerade nicht in der Nichterfüllung bestehen („negatives Interesse“). Allgemein zur Entwicklung der Lehre von der positiven Forderungsverletzung: Schermaier in: HKK (2007) – BGB, vor § 275 Rn. 84 ff.; Zimmermann  (1996)  – Obligations, S. 812 f.; (kritisch) zur „Schlechterfüllung“ als besondere Fallgruppe der positiven Forderungsverletzung sowie zur Bedeutung der Abgrenzung positives/ negatives Interesse innerhalb dieser Lehre: Jakobs (1969) – Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 30 ff., 41–47. 584  Statt vieler Crome (1902) – System II.1, S. 447 zur Haftung des Verkäufers in solchen Fällen, in denen der vorliegende Mangel ausnahmsweise eine Nichterfüllung des Kaufvertrages bedeute, dazu mit Zitat bereits: B.II.1.d)i)3) (in Fn. 333). 585  Um eine Haftung im engeren Sinne handelt es sich dabei nicht; vgl. Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 434–445 Rn. 4 (zum römischen Recht).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen, von der Mehrheit der Ersten Kommission als „der Natur der Dinge entsprechend“ gebilligt (ZuStO § 85, E I § 385).586 Die Kommission befürchtete, dass sonst das Missverständnis entstehen könnte, dass der Stückverkäufer verspreche und die Garantie dafür übernehme, dass die zugesicherte Eigenschaft noch zu der Zeit vorhanden sei, zu welcher die Gefahr auf den Erwerber übergehe. Diese Annahme „widerspreche aber den Gründen, welche Anlass dazu gegeben hätten, das Recht der Wandelung und Minderung auch wegen solcher Mängel einzuräumen, die erst nach Vertragsschluss, aber noch vor Uebergang der Gefahr auf den Erwerber entstanden wären…“

Gemeint war damit die Zweckmäßigkeitsentscheidung, die Phase der Belastung des Verkäufers mit der Preisgefahr durch das Gewährleistungsrecht zu regulieren. Das Erfüllungsinteresse hatte der Verkäufer dem Käufer deshalb dann zu ersetzen, wenn dem verkauften Stück bereits „zur Zeit des Kaufes“ eine zugesicherte Eigenschaft gefehlt (§ 463 S. 1 a. F.)587 oder der Verkäufer einen schon bei Vertragsschluss vorhandenen Fehler arglistig verschwiegen hatte (§ 463 S. 2 a. F.).588 In Ermangelung einer abweichenden Parteivereinbarung hatte (selbst) die garantiemäßige Zusicherung bestimmter Eigenschaften durch den Verkäufer beim Stückkauf589 nach dem BGB von 1900 nicht die Bedeutung, dass der Verkäufer das Risiko übernehme, dem Käufer das Erfüllungsinteresse zu ersetzen, falls die verkaufte Sache die zugesicherten Eigenschaften in der Zeit zwischen dem Vertragsschluss und der Übergabe verliere.

c)  Auseinandersetzung der frühen Literatur mit der Bezugnahme des § 459 Abs. 1 S. 1 a. F. auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs In der Literatur zum jungen BGB wurde auf den in der Erstreckung der Sachmängelhaftung des Verkäufers bis zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs liegenden Bruch mit der Tradition des römisch-gemeinen Rechts noch besonders hingewiesen.590 In dem Bewusstsein, dass die Sachmängelgewährleistung insoweit eigentlich in der Gefahr­tragung des Verkäufers begründet sei, wurde die ausschließliche 586  So

die Erste Kommission bei der Beratung des TE-OR (Nr. 20) § 26, siehe Jakobs/Schu-

bert (1980) – SchuldR II, S. 138. 587 Die Zusicherung des Verkäufers,

dass er bestimmte Eigenschaften zwischen Vertragsschluss und Lieferung herstellen werde, hatte ggf. eine selbstständige Garantiepflicht zur Folge, welche die Haftung des Verkäufers auf das Erfüllungsinteresse nach allgemeinen Regeln begründen konnte, jedoch nicht Gegenstand des Gewährleistungsrechts war; dazu: v. Gierke (1917) – Deutsches PrivatR  III, S. 471 mit Fn. 22 (mit Verweis auf RG  Seuff.Archiv. 62 (1901), Nr. 5); Eccius Gruchot 43 (1899), 303 (310 f., 315). 588 Dazu Ernst in: FS Huber (2006), 165 (174 f.). Beim Gattungskauf war der maßgebliche Zeitpunkt für die Haftung des Verkäufers auf Ersatz des Erfüllungsinteresses dagegen nicht die Zeit des Vertragsschlusses, sondern die Zeit des Gefahrübergangs (§ 480 Abs. 2 a. F.). 589  Zum Gattungskauf siehe unten: B.II.2.e)ii) in Fn. 689. 590  Siehe nur: v. Gierke (1917) – Deutsches PrivatR III, S. 471 (mit Fn. 22), 479; Oertmann (1910) – SchuldR, S. 417 f., 421 f.; Crome (1902) – System II.1, S. 457; Dernburg (1915) – Bür-



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

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Anwendung der Gewährleistungsregeln591 hinsichtlich verschuldeter nachträglicher Mängel der verkauften Sache durchaus nicht allgemein anerkannt.592 Die Meinung, dass insofern neben dem Gewährleistungsrecht auch die allgemeinen Haftungsregeln593 anzuwenden seien, war sogar herrschend594. Der Käufer könne, wenn der Verkäufer die Verschlechterung der Kaufsache zwischen Vertragsschluss und Gefahrübergang zu vertreten hat, statt den Vertrag zu wandeln oder den Kaufpreis zu mindern, ihn als vom Verkäufer nicht oder unvollständig erfüllt behandeln und selbst im Falle bloßer Fahrlässigkeit (vgl. im Gegensatz dazu die Regelung des § 463 a. F. der Schadenersatzhaftung für bei Vertragsschluss gegebene Mängel; diese setzte Arglist oder garantiemäßige Zusicherung voraus) Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Dies gelte auch bei schuldhaft verursachten Verschlechterungen nach Gefahrübergang, dann freilich außer Konkurrenz zum Gewährleistungsrecht.595

Haymann596 war der Meinung, die Bezugnahme auf den Gefahrübergang in § 459 a. F. bedeute beim Stückkauf lediglich, dass der Verkäufer nicht hafte, wenn er einen vertragsanfänglichen Mangel bis zu diesem Zeitpunkt behoben habe („Einschränkung des Gewährleistungsrechts auf die bis zum Gefahrübergang nicht ausgebesserten Mängel“).597 Zur „Ausbesserung“ verpflichtet sei er aber nicht, und nach dem Gewährleistungsrecht des BGB hafte der Verkäufer wie nach gemeinem Recht ausschließlich für solche Mängel, die bereits bei Vertragsschluss gegeben waren.598 Seine Haftung für nachträgliche Verschlechterungen (zwischen Vertragsschluss und Gefahrübergang) richte sich dagegen allein nach den Vorschriften über die nachträgliche Unmöglichkeit der Leistung. Dies führe dazu, dass der Vergerliches Recht II.2, S. 68 f.; Eck (1903) – Vorträge über das BGB I, S. 446 f.; Buchka (1897) – BGB und gemeines Recht, S. 93; Eccius Gruchot 43 (1899), 303 (308 f., 312). 591  Zu ihren Befürwortern, die z. T. noch die Einschränkung machten, dass das Gewährleistungsrecht erst ab Übergabe der Sache bzw. ab Gefahrübergang exklusiv anwendbar sei, siehe die Nachweise bei Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 20, v. Gierke (1917) – Deutsches PrivatR III, S. 471 mit Fn. 63, Schollmeyer JherJb 49 (1905), 93 (104) und (aus der jüngeren Vergangenheit) Ernst in: FS Huber (2006), 165 (178 mit Fn. 32). 592  Siehe bereits bei und in Fn. 583. Dazu auch Ernst in: FS Huber (2006), 165 (178) mit Verweis auf Flume (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 39 f. und Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 95 ff. 593  Zum Teil wurde mit Hinweis darauf, dass die nachträgliche Verschlechterung der Ware stets einen Fall der qualitativen Teilunmöglichkeit begründe, die Haftung allein auf die §§ 323 bis 325 a. F. gegründet. Mit dem Argument, dass Unmöglichkeit der Leistung in Ansehung heilbarer verschuldeter Verschlechterungen nicht anzunehmen sei, meinten andere, der Käufer könne ggf. auch Nachbesserung verlangen und der Verkäufer mit der entsprechenden Pflicht in Verzug kommen, was seine Haftung gem. § 326 a. F. zur Folge habe, dazu m. w. N. v. Gierke (1917) – Deutsches PrivatR III, S. 479 f. mit Fn. 65 a. E. Zur Ansicht Oertmanns, Schollmeyers u. a. bereits: B.II.2.b)i). 594 So Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 20. 595  So statt vieler v. Gierke (1917) – Deutsches PrivatR III, S. 479 f. m. w. N., der freilich bei zufälliger Verschlechterung allein die Regeln über die Gewährleistung für anwendbar hielt (S. 479 mit Fn. 63 a. E.). Siehe auch die Nachweise bei Schollmeyer JherJb 49 (1905), 93 (104). 596  Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 17 ff. 597  Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 19. 598  Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 23 f.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

käufer bei zufälliger Verschlechterung seinen Kaufpreisanspruch ganz oder teilweise einbüße (§ 323 a. F.) und bei verschuldeter Beschädigung oder Zerstörung der verkauften Sache (wahlweise) Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu leisten habe (§ 325 a. F.).599 Demnach sollten „die Worte im § 459 ‚zu der Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergeht‘, nicht [bedeuten], daß der Verkäufer auch für nachträgliche bis zum Gefahrübergang eintretende Verschlechterung nach Gewährleistungsrecht hafte, sondern vielmehr, daß er für die zur Zeit des Kaufs vorhandenen Mängel dann nicht hafte, wenn zur Zeit des Gefahrübergangs die Sache frei von Sachmängeln ist“.600

Beim Gattungskauf sollte es seiner Ansicht nach dagegen allein darauf ankommen, dass die Leistung zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs erfüllungstaugliche Qualität aufweist.601 Dementsprechend unterschiedlich beurteilte Haymann den Rechtsgrund der Gewährleistungshaftung des Verkäufers: beim Stückkauf „Schutz des Käufers, der beim Vertragsschluß über die Beschaffenheit der Ware geirrt hat“602, beim Gattungskauf Ergänzung des fortbestehenden Erfüllungsanspruchs aufgrund der „Tatsache [eines] mißglückten Erfüllungsversuchs“603, also wesentlich „Schutz gegen positive Vertragsverletzung“604. In dem Bewusstsein der Veränderungen der Regeln über die Sachmängelhaftung des Verkäufers gegenüber dem gemeinen Recht durch das BGB von 1900 und der Gründe für diese Veränderung wurde seinerzeit auch noch deutlicher gesehen, dass die Gewährleistungsrechte beim Stückkauf in ihrer Entstehung und Geltendmachung nicht davon abhängen, dass der Vertragsvollzug das für den Gefahrübergang maßgebende Stadium605 erreicht. Es herrschte zunächst noch die Meinung, dass die Gewährleistungsrechte unabhängig davon begründet seien, sobald nur 599  Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 20 ff., insb. 23. Auch sollte dem Käufer (nur) bei nachträglicher Verschlechterung der verkauften Sache die Einrede des nicht erfüllten Vertrages zustehen (S. 39). Übrigens ging Haymann a. a. O. S. 17 f., 31, 34 f. davon aus, dass die Gefahr bei mangelhafter Lieferung „streng genommen“ nicht übergehe, „da dem Käufer immer noch, auch bei kasuellem Untergange der Kaufsache das Recht der §§ 462, 463, 480 verbleibt, um von der Kaufpreiszahlung loszukommen“. 600  Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 22. 601  Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 24 ff. 602  Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 33. Eben darin sollte die Gewährleistung ihren Grund ausnahmsweise auch beim „beschränkten“ wie beim „unbeschränkten“ Gattungskauf finden, wenn der ganze Vorrat gemessen an der Parteivereinbarung oder am Gesetz oder sämtliche zur Gattung gehörigen Sachen gemessen an dem nach der Verkehrsanschauung maßgebenden Gattungsbegriff mangelhaft ist. 603  Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 33 f. 604  Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 35. Vgl. auch Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 101: „Das – im Verhältnis zu dem in den allgemeinen Regeln [über die Nichterfüllung, Anm. d. Verf.] erfaßten Fall – Besondere dieses Falls [der Lieferung mangelhafter Ware beim Gattungskauf, Anm. d. Verf.] liegt allein darin, daß von seiten des Schuldners nicht überhaupt nichts geschehen ist, sondern dass er seiner Pflicht positiv zuwidergehandelt: eine Sache von vertragswidriger Beschaffenheit geliefert hat.“ 605  D. h. Vollzug des Kaufs durch Übergabe oder Hinausschieben des Vertragsvollzugs auf Veranlassung des Käufers (Versendungskauf, Annahmeverzug).



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

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endgültig feststehe, dass die verkaufte Sache mangelhaft ist, was bereits mit dem Vertragsabschluss der Fall sein kann.606 In der weiteren Auslegungsgeschichte des BGB verbreitete sich allerdings die gegenteilige Auffassung, dass der Gefahrübergang den Zeitpunkt eines „Regimewechsels“ zwischen dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht und dem speziellen Gewährleistungsrecht markiere.607

d)  Unterschiedliche Risiken Die(selbe) Gewährleistungspflicht des Verkäufers beruhte also auf unterschiedlichen Wertungsgrundlagen, je nachdem, ob der Sachmangel bereits bei Vertragsschluss vorlag oder erst danach entstand. Dezidiert nach Risikokategorien und Kriterien der Risikoverteilung hat Koller diesen Zusammenhang unter dem BGB von 1900 beschrieben und betont, dass die §§ 459 ff. a. F. den Verkäufer nicht nur belasteten (durch das Wandelungsrecht: mit der „Gefahr sinnlosen Aufwandes in Form der Preisgefahr“608), sondern auch entlasteten, namentlich von der „Gefahr, das Interesse des Käufers an dem plangerechten Austausch unter planungswidrigem Aufwand, gegebenenfalls mit Hilfe von Geld befriedigen zu müssen; mit anderen Worten, sie befreien den Schuldner von der Pflicht, nachzubessern oder Schadenersatz leisten zu müssen“.609

Den Grund dafür sah er darin, dass der „abstrakte Beherrschbarkeitsvorsprung“ des Verkäufers nur dessen Belastung mit der „Preisgefahr“ rechtfertige, nicht aber mit dem Risiko einer planwidrigen Aufwandserhöhung.610 Davon ausgehend hat er die unterschiedlichen Wertungsgrundlagen für die Sachmängelhaftung folgendermaßen beschrieben:611

i)  Vertragsanfängliche Sachmängel Im Rahmen der Gewährleistungspflicht für solche Mängel, die bereits zur Zeit des Vertragsschlusses vorlagen, trage der Verkäufer die Gefahr, dass die Sache nicht die 606 

Eccius Gruchot 43 (1899), 303 (315); Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 16 f. Dazu kritisch: Ernst in: FS Huber (2006), 165 (176–178, 185 ff.) m. w. N. 608  Ausführlich zum „Risiko sinnlosen Aufwandes bei Zweckstörungen“, womit die Gefahr, mangels Vergütung den nutzlos bleibenden (planmäßigen) Aufwand auf sich nehmen zu müssen, also die Preisgefahr, gemeint ist: Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 139 ff. Auch Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 446 Rn. 10, § 459 Rn. 78 zählte die Gewährleistungsrechte systematisch zu den Regeln der Preisgefahr. 609  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 115. Ausführlich zum „Risiko planungswidrigen Aufwands“, womit das Risiko einer Mehrleistung in Form einer Nachbesserungs- oder einer Schadenersatzpflicht gemeint ist: Koller a. a. O. S. 100 ff. Vgl. auch die Ansicht Piskos, dass der Verbesserungsanspruch im Rahmen des Gewährleistungsrechts des ABGB nicht für Sachmängel gelte, die auf einer nachträglichen Zufallsverschlechterung beruhen, weil die Sachmängelhaftung des Verkäufers insoweit auf der Preisgefahrbelastung des Verkäufers beruhe und deshalb nur ein Abzug an der Gegenleistung gemacht, dem Verkäufer aber kein zusätzlicher Leistungsaufwand aufgebürdet werden dürfe; dazu oben bei und in Fn. 349. 610  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 142. 611  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 142 ff. 607 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

geforderte Beschaffenheit hat. Dies beruhe darauf, dass der Verkäufer, der das zum Verkauf angebotene Objekt selbst hergestellt oder erworben und vor dem (Weiter-) Verkauf normalerweise längere Zeit im Besitz hat, einen „abstrakt-generalisierenden Beherrschbarkeitsvorsprung“ vor dem Käufer habe. Denn er könne die Sache mit geringerem Aufwand als der Käufer untersuchen und daher das Risiko, dass die Sache nicht die geforderte Beschaffenheit hat, besser einschätzen.612 Dem Einwand, dass es dem Verkäufer als Händler häufig nicht möglich sei, die Qualität jeder von ihm verkauften Ware zu kontrollieren, dass er die Ware vor ihrem Verkauf in Wirklichkeit häufig nicht einmal zu Gesicht bekomme, sei entgegenzuhalten, dass das Beherrschbarkeitsprinzip als selbststeuerndes System nicht dazu zwinge, (vorhersehbare) Gefahren zu unterbinden, sondern nur einen Anreiz schaffen wolle, Schadensereignisse dort zu vermeiden, wo dies am ehesten möglich und wo die Rentabilität des erforderlichen Aufwandes am ehesten kalkulierbar sei.613 Es sei daher sachgerecht, den Verkäufer mit dem Risiko der bei Vertragsschluss vorhandenen Mängel zu belasten, deren Auswirkungen auf die Vertragsdurchführung er – zumindest eher als der Käufer – vorhersehen und kalkulieren könne, sofern ihm bekannt sei oder sein müsse614, welche Beschaffenheit der Käufer erwarten darf bzw. wozu der Käufer die gekaufte Sache zu verwenden beabsichtigt.615 „[D] enn die für die Prüfung der Übereinstimmung von den hiernach […] erforderlichen Eigenschaften einerseits und den faktischen Eigenschaften der Kaufsache andererseits notwendigen Daten liegen im Organisationsbereich des Verkäufers und nicht in dem des Käufers oder in einer neutralen Sphäre“616.

ii)  Nachträgliche Sachmängel Mit der Gewährleistung für Mängel, die nach dem Vertragsschluss auftreten, werde der Verkäufer – von dem für die Planung der Vertragsdurchführung maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses aus gesehen – durch die §§ 459 ff. a. F. (auch) mit „Zukunftsrisiken“ belastet.617 Dies beruhe auf der Wertungsgrundlage, dass der Verkäufer bis zur Übergabe der verkauften Sache (an den Käufer, § 446, bzw. beim Versendungskauf an die Transportperson, § 447) einen Beherrschbarkeitsvorsprung habe. Dies gelte insofern, wie er in seinem Organisationsbereich Gefahren 612 

Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 148. 613 Vgl. Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 78 ff., 614  Dieses Risiko werde bereits durch die gesetzliche

148 f., 438. Definition des Fehlerbegriffs begrenzt. Selbst wenn der Verkäufer um die Beschaffenheitserwartung des Käufers wisse oder wissen müsse, könne bei Fehlen dieser Eigenschaft nicht von einem Mangel die Rede sein, falls der Verkäufer zum Ausdruck gebracht habe, dass er die insoweit relevanten Risiken nicht beherrschen könne; auf die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses komme es dann nicht an; vgl. Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 149 ff. 615 Vgl. Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 147 ff. 616  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 150 f. 617 Vgl. Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 142.



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

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weitgehend steuern und die verkaufte Sache jedenfalls besser als der Käufer vor schädlichen Einwirkungen schützen könne (Beherrschbarkeitsprinzip).618 Wenn der Verkäufer sich auf einen Käufer einlasse, der sich die Ware (planmäßig) nicht sofort nach Vertragsschluss übergeben und übereignen lässt, sei es sachgerecht, dass die durch das eingegangene „Lagerrisiko“ verursachte Gefahr(erhöhung) ihn belaste, und zwar auch in Ansehung solcher Gefahren, die nicht beherrschbar sind.619 Hierin klingt – wie schon in der entsprechenden Begründung des Traditionsprinzips im hessischen BGB-Entwurf, die auch der Redaktor v. Kübel sich in seiner Vorlage Nr. 7 von 1876 zu eigen machte620 – die Umkehrung des Gedankens an, welcher der sog. Verschuldenstheorie621 v. Jherings zugrunde liegt.

e)  Insbesondere zum Gattungskauf Auch bei der Regelung der Gefahr­tragung des Verkäufers lagen die Dinge beim Gattungskauf grundsätzlich anders als beim Stückkauf. Denn beim Gattungskauf ist der Verkäufer naturgemäß bis zur Erfüllung bzw. bis zu einem ausnahmsweise früher stattfindenden Gefahrübergang mit der Leistungsgefahr belastet, so dass die Frage der Preisgefahr sich gar nicht stellt. Diese Belastung konnte aber nicht ohne weiteres in der gewöhnlichen Gewährleistungspflicht aufgelöst werden. Denn Minderung und Wandelung waren allein darauf ausgerichtet, den Kaufpreis der mangelhaften Verkäuferleistung anzupassen. Dass der Verkäufer erneut leisten bzw. nach-erfüllen muss, um sich den vollen Kaufpreis zu verdienen, wie es der Gefahr­tragung des Gattungsschuldners entspricht, sah das hergebrachte, am Stückkauf gebildete Gewährleistungsrecht gerade nicht vor.622

i)  Zur Statthaftigkeit der Anwendung der ädilizischen Rechtsbehelfe auf den Gattungskauf  623 im Allgemeinen Die Anwendung der ädilizischen Rechtsbehelfe im Falle sachmangelhafter Lieferung beim Gattungskauf verstand sich deshalb durchaus nicht von selbst. Denn eigentlich handelt es sich bei der Lieferung nicht vertragsgemäßer Ware beim Gattungskauf um einen Fall der Nichterfüllung. Deshalb wäre es nur konsequent, dem Käufer seinen Anspruch auf Lieferung gattungsmäßiger Ware bei Lieferung vertragswidriger Ware zu erhalten und den Verkäufer, falls er nicht erfüllt, wegen dieser Nichterfüllung nach den dafür vorgesehenen allgemeinen Regeln haften zu lassen. 618 

Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 152 ff. Dazu auch unten:B.II.3.e)iii)1)(a). So offenbar Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 154 f. Dazu noch unten: B.II.3.e)iii)2). 620  Dazu oben bei und in Fn. 107. 621  Dazu oben: B. I. 1.c)v). 622  Dazu schon oben: B.II.2.b)i). 623  So auch der Titel der einflussreichen Abhandlung Goldschmidts ZHR 19 (1874), 98 ff. 619 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

1)  „Kompromisslösung“ des § 480 Abs. 1 S. 1 a. F. Über die Statthaftigkeit der Anwendung der ädilizischen Rechtsbehelfe auf den Gattungskauf wurde daher auch in der Theorie und Praxis des jüngeren gemeinen Rechts lebhaft gestritten. Sie war eine „Spätfolge“ der Subordination gattungskaufähnlicher Ersatzgeschäfte unter das auf den Stückkauf zugeschnittene „Kaufrecht“ im Corpus Iuris Civilis.624 Diese Zuordnung war aber mit der Rückbesinnung auf die Quellen des klassischen römischen Rechts und insbesondere mit der Erkenntnis, dass die emptio venditio nur als Stückkauf geschlossen werden konnte, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wieder fraglich geworden. Hinzu kam, dass die ädilizische Gewährleistung den Bedürfnissen der Handelspraxis, in welcher der Gattungskauf die größte Rolle spielte, nicht gerecht wurde.625 Goldschmidt und die von ihm unmittelbar beeinflusste Rechtsprechung des ROHG und später des RG befürworteten die Gleichstellung von Stück- und Gattungskauf hinsichtlich der Gewährleistung, während Thöl und Windscheid die mangelhafte Lieferung beim Gattungskauf konsequent als Nichterfüllung behandeln wollten.626

(a)  Regelungsvorschlag des Redaktors v. Kübel Dieser Streit beschäftigte auch die Verfasser des BGB.627 V. Kübel meinte – im Anschluss an die Abhandlung Goldschmidts – dass sich die Anwendbarkeit und Statthaftigkeit der ädilizischen Rechtsmittel von selbst verstehe, „[w]enn die generische Obligation sich durch die behufs der Erfüllung geschehene Uebergabe in eine Obligation verwandelt, bei welcher der Gegenstand der Leistung eine species ist“. Dann sei auch klar, dass sich der Verkäufer dieser Rechtsbehelfe nicht durch Lieferung einer anderen Sache entziehen könne.628 Seine Vorlage TE-OR Nr. 20629 sah deshalb zum Gewährleistungsrecht vor, dass der Verkäufer (auch) beim Gat624  Ausführlich dazu: Ernst ZEuP 1999, 583 (627 f., 636 f.); ders. in: HKK (2013) – BGB, §§ 434–445 Rn. 11. 625  Auch zu dem dogmatischen Streit zwischen der Ausscheidungs- und der Lieferungstheorie hatte Anlass die Handelspraxis gegeben, in welcher der Gattungskauf regelmäßig als Versendungskauf vorkam. Denn es wurde als sachwidrig empfunden, den Verkäufer bis zur Übergabe der bestellten Ware an den Käufer mit der Gefahr zu belasten, die – anders als beim Stückkauf – nicht bereits mit dem Vertragsschluss übergehen konnte. Dazu oben: B. I. 4.b). 626  Dazu jeweils m. w. N.: Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 480 Rn. 1; Ernst ZEuP 1999, 583 (636 f.); Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 24. 627  Siehe dazu die Zusammenfassung v. Kübels in seiner Begründung der Vorlage zum Recht der Sachmängelgewährleistung (Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 414) sowie die Beratung der Vorlage durch die Erste Kommission (Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 134 ff.), deren Begründung der im Ersten Entwurf enthaltenen Regelung (Mot. II, S. 241–243) sowie die diesbezügliche Stellungnahme der Zweiten Kommission (Prot. I, S. 711–718). 628  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 414, 417. Zur „Transmutationstheorie“ siehe bereits oben: B.II.1.d)ii)3), zur Begründung der Anwendbarkeit der ädilizischen Rechtsbehelfe beim Gattungskauf mit dieser Theorie noch sogleich: B.II.2.e)i)2). 629  Abschnitt „Gewährleistung wegen Mängeln der Sache“ abgedruckt bei Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 374–377.



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

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tungskauf nach mangelhafter Lieferung jedenfalls nicht gegen den Willen des Käufers die Wandelung/Minderung durch Lieferung einer anderen, mangelfreien Sache abwenden könne.630 Der Redaktor hielt es dabei für selbstverständlich, dass der Käufer das Angebot mangelhafter Ware ablehnen, die Kaufpreiszahlung verweigern und weiterhin auf Lieferung vertragsgemäßer Ware bestehen dürfe; ebenso lasse es den Erfüllungsanspruch des Käufers unberührt, wenn der Verkäufer nicht mangelhafte Ware aus der richtigen Gattung, sondern Ware aus der falschen Gattung liefert.631

(b)  Beratungen der Ersten Kommission Die Erste Kommission632 lehnte v. Kübels Regelungsvorschlag (TE-OR Nr. 20 § 25 Abs. 2) ab, „weil man es für bedenklich und weder für sachgerecht noch für billig hielt, dem Veräußerer das Recht auf Beseitigung des Mangels zu entziehen, wenn die Beseitigung möglich ist“.633 Statt die mangelhafte Lieferung beim Gattungskauf aber, wie von Planck und Windscheid634 beantragt, konsequent ausschließlich als Nichterfüllung zu behandeln, entschied die Mehrheit, dem Käufer sei wahlweise neben Minderung und Wandelung ein Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache zu gewähren.635 Die Anwendung der ädilizischen Rechtsbehelfe hielt man für zweckmäßig, weil sich der Käufer sonst nur dann ohne weiteres vom Vertrag lösen könne, wenn ihm der Nachweis gelänge, dass die Aufrechterhaltung des Vertrags für ihn nicht mehr von Interesse ist (die Wandelung setzte dies anders als der Rücktritt wegen Nichterfüllung gem. § 326 Abs. 2 a. F. nicht voraus), und den Kaufpreis nur dann mindern dürfe, wenn ihm der Nachweis gelänge, dass der vom Verkäufer sonst zu ersetzende Schaden noch größer wäre als der Minderungsbetrag. Zur Abwendung dieser Nachteile hielt man es für geboten, das Recht der Wandelung und Minderung beim Gattungskauf wie beim Stückkauf zur Anwendung zu bringen. Es wurde nicht verkannt, dass es den Käufer in eine besonders günstige Lage versetzt, ihm außerdem das Recht auf Lieferung einer mangelfreien Sache ein630  TE-OR  § 25 Abs. 2: „Der Veräußerer kann sich von diesen Ansprüchen [§ 24 Abs. 1: Wandelung/Minderung] gegen den Willen des Erwerbers durch Nachlieferung einer fehlerfreien oder mit den zugesicherten Eigenschaften versehenen Sache nicht befreien.“; Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 375. 631  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 414. 632  Zur Begründung von E I § 398: Mot. II, S. 241 f.; zu den Beratungen in der Ersten Kommission Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 202 f. 633  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 134. 634 In seinem Lehrbuch vertrat Windscheid, dass die Ansprüche auf Preisminderung und Rücknahme beim Gattungskauf nicht Platz griffen und es nur ausnahmsweise in Betracht komme, dass der Käufer das (mangelhaft) Gelieferte unter Kürzung des Kaufpreisanspruchs behält; denn die „anderweitige Lieferung“ sei nicht nur Pflicht, sondern auch Recht des Verkäufers (S. 695 f.); Windscheid/Kipp (1906) – Pandekten II, S. 693–696 (§ 394.5), dazu Ernst ZEuP 1999, 583 (636 mit Fn. 240). 635  Siehe dazu die Nachweise und Zitate bei Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 134–136.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

zuräumen, zumal der Verkäufer (insoweit im Einklang mit v. Kübels Vorlage) nicht befugt sein sollte, gegen den Willen des Käufers an Stelle der vertragswidrigen eine mangelfreie Sache zu liefern und deren Annahme zu fordern.636 Die Mehrheit war aber der Meinung, dass der Verkäufer die Folgen seines vertragswidrigen Verhaltens in vollem Umfang tragen müsse. Deshalb sei dem Käufer das Recht auf Lieferung einer anderen, mangelfreien Sache auch nicht nur so lange zu gewähren, wie er die angebotene mangelhafte Sache noch nicht angenommen hat, sondern für die Dauer der gesamten Gewährleistungsfrist. In der Zusammenstellung der sachlich beschlossenen Bestimmungen des Obligationenrechts nach den Beschlüssen des Redaktionsausschusses der Ersten Kommission lautete die Bestimmung (ZustOR § 102): „Betrifft die Veräußerung eine nur der Gattung nach bestimmte Sache, so steht dem Erwerber außer den Rechten der Wandelung und der Minderung auch das Recht zu, an Stelle der mangelhaften eine mangelfreie Sache zu fordern. …“637

Ohne sachliche Änderungen ging diese Regelung als § 398 in den Ersten Entwurf ein.638

(c)  Beratungen der Vorkommission des Reichsjustizamts und der Zweiten Kommission Die Vorkommission des Reichsjustizamtes beschloss, dass dem Käufer das Ersatzlieferungsrecht nicht „außer den Rechten der Wandelung und Minderung auch“, sondern (wahlweise) stattdessen zustehen solle.639 Dies hatte klarstellende Funktion; eine sachliche Änderung war nicht bezweckt. Der Vorschlag, dem Verkäufer beim Gattungskauf unter Umständen das Recht der Nachlieferung zu gewähren und ihn zum Ersatz des durch die verspätete (mangelfreie) Lieferung entstandenen Schadens zu verpflichten, falls der Käufer Wandelung verlangt, fand dagegen keine Mehrheit.640 In den Beratungen der Zweiten Kommission641 stellte Wolffson den Antrag, den Käufer nach Annahme einer sachmangelhaften Sache aus der Gattung auf das Recht zur Minderung oder Wandelung zu beschränken. Er begründete dies 636 Dazu Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 136. 637  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 153.

638 Dazu Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 203, zu den beschlossenen Veränderungen am Wortlaut siehe dort, S. 202 f. Zur Begründung des E I § 398 durch die Erste Kommission: Mot. II, S. 241–243. 639 Dazu Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 203. 640  Jakobs/Schubert  (1980) – SchuldR II, S. 203 f. Man meinte, dieses Recht müsse dem Verkäufer dann auch eingeräumt werden, wenn der Käufer Minderung verlangt; das sei aber nicht im Interesse des Käufers, der die mangelhafte Sache bei der Minderung gerade behalten wolle und daher über sie verfügen können müsse; vgl. dazu auch die Zweite Kommission, Prot. I, S. 716. 641  Zur Beratung des E I § 398 und Begründung des E II § 415 durch die Zweite Kommission: Prot. I, S. 711–718.



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

225

damit, dass nach der Annahme die Erfüllung mit einer anderen Sache (wie beim Stückkauf) nicht mehr in Betracht komme.642 Die Mehrheit der Kommission war allerdings der Meinung, dass die damit verbundene Abweichung vom bisherigen Recht nicht gerechtfertigt sei. Sie würde der Billigkeit widersprechen, weil die Annahme der angebotenen Sache die Qualitätsprüfung überhaupt erst ermögliche. Zudem meinte man, es wäre „mißlich“, die Lieferung einer mangelhaften Sache in Ansehung des Rechts, Lieferung einer vertragsgemäßen Sache verlangen zu dürfen, anders als den Fall der aliud-Lieferung zu behandeln.643 Außerdem wurde in den Beratungen der Zweiten Kommission erneut beantragt (von v. Cuny), dem Verkäufer eine Ersatzlieferungsbefugnis zur Abwendung der Minderung und Wandelung einzuräumen.644 Dazu wurden diverse Eventualanträge gestellt. Sie zielten darauf ab, die Interessen des Käufers im Falle der Annahme einer Ersatzlieferungsbefugnis des Verkäufers zu schützen. Er sollte sich keine Ersatzlieferung aufdrängen lassen müssen, wenn der Verkäufer ihm den Mangel der Erstlieferung arglistig verschwiegen hatte oder nicht zur sofortigen Ersatzlieferung imstande war oder wenn der Käufer an einer Ersatzlieferung kein Interesse hatte; außerdem sollte geregelt werden, dass die Ersatzlieferung ggf. auf Gefahr und Kosten des Verkäufers erfolge.645

Die Mehrheit der Kommission lehnte solch eine Ersatzlieferungsbefugnis des Verkäufers jedoch ab,646 womit sich auch die Eventualanträge erledigten.647 Man war der Ansicht, dass in dem beschränkten Umfang, in dem es anerkannt werden sollte, kein ausreichend gewichtiges praktisches Bedürfnis für ein Nachlieferungsrecht des Verkäufers bestünde, welches eine derartig komplizierte Bestimmung rechtfertigen würde. Ob eine Ersatzlieferung für den Käufer von Interesse sei, sei ihm anheim zu stellen.648

642  Zum Antrag mit Begründung siehe Prot.  I, S. 711–713. Es sei vor allem nicht gerechtfertigt, dass der Käufer auf Kosten des Verkäufers spekulieren könne, indem er die Wahl habe, sich vom Vertrag zu lösen oder Ersatzlieferung zu verlangen, je nachdem, ob die Marktpreise im Gewährleistungszeitraum gefallen oder gestiegen sind. Die Mehrheit der Kommission sah dieses Bedenken allerdings hauptsächlich beim Handelskauf als begründet an und wies darauf hin, dass der Verkäufer insoweit durch die Prüf- und Rügeobliegenheit des Käufers hinreichend geschützt sei. 643  Zur Ablehnung des Antrags mit Begründung siehe Prot. I, S. 713. 644  Zur Begründung dieses Antrags: Prot. I, S. 715; vgl. Prot. I, S. 697 f. zu dem entsprechenden Antrag, dem Verkäufer beim Stückkauf die Chance zu geben, Minderung und Wandelung durch Beseitigung des Mangels abzuwenden. Dazu bereits bei und in Fn. 300, 326, 332 sowie noch unter B.III.6.a)i) bei und in Fn. 528. 645  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 204–206. 646  Zur Ablehnung des Antrags mit Begründung siehe Prot. I, S. 715–718. 647  Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 206. E II § 415 Abs. 1 S. 1 entsprach bereits der Fassung des § 480 Abs. 1 S. 1 a. F. 648  Prot. I, S. 716.

226

B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

(d)  Regelung im BGB von 1900 Im Ergebnis entschied der Gesetzgeber des BGB von 1900 sich also für eine „Kompromisslösung“649: Bei Lieferung einer mangelhaften Sache konnte der Käufer einer nur der Gattung nach bestimmten Sache gem. § 480 Abs. 1 S. 1 a. F. (wahlweise) „statt der Wandelung oder der Minderung verlangen, daß ihm an Stelle der mangelhaften Sache eine mangelfreie geliefert wird“. Allerdings galt für diesen Ersatzlieferungsanspruch gem. §§ 480 Abs. 1 S. 2, 477 S. 1 a. F. unter anderem die kurze Gewährleistungsfrist von sechs Monaten (ab Ablieferung bzw. Übergabe).650 Damit wurde der Streit, ob die sachmangelhafte Lieferung beim Gattungskauf als Fall der Nichterfüllung oder der (ädilizischen) Gewährleistung zu behandeln sei, im Sinne eines „Sowohl-als auch“ bzw. „Entweder-oder“ entschieden. Dies betraf nicht nur die „Schnittmenge“651 zwischen Gefahr­tragung und Gewährleistung („Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“, Ernst), sondern die Gewährleistung beim Gattungskauf im Allgemeinen652. Auch wenn es aus heutiger Sicht außergewöhnlich erscheint, dass im Kaufrecht des BGB von 1900, dem eine Nacherfüllung ansonsten fremd war, für den Gattungskauf ausnahmsweise ein „Nacherfüllungsanspruch“ vorgesehen war, ist das dogmatisch653 eigentlich Bemerkenswerte, dass der historische Gesetzgeber (auch) die ädilizischen Rechtsbehelfe für anwendbar erklärte.654 Diese Anordnung wirkte beim Gattungskauf konstitutiv. Denn es hätte ansonsten im Fall der Lieferung mangelhafter Ware ausschließlich der Erfüllungsanspruch (fort-) bestanden. Eigentlich bestimmte § 480 a. F. also, „daß Wandelung und Minderung neben den … Anspruch auf Ersatzlieferung treten“655, und nicht umgekehrt. Durch den Gesetzesaufbau wurden diese systematischen Verhältnisse „auf den Kopf gestellt“.656 Es zeigt sich (auch) daran die Vorgehensweise der Gesetzesverfasser, die „den Gattungskauf zunächst über den Leisten des Stückkaufs und dann noch den Nachlieferungsanspruch darauf geschlagen haben“, was gerade mit Blick auf die Gefahr­tragung bei mangelhafter Lieferung zu einer Reihe von Anomalien geführt

649 Vgl.

Honsell in: Staudinger (1995), § 480 Rn. 1; Ernst ZEuP 1999, 583 (637). Anwendung des allgemeinen Gewährleistungsrechts auf den Ersatzlieferungsanspruch: Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 480 Rn. 2, 8–11. 651  D. h. nachträgliche Zufallsverschlechterungen der verkauften Sache, die beim Gattungskauf vor der Erfüllung realkörperlich ohnehin nicht verbindlich feststeht, sofern sie nicht vorher durch Parteivereinbarung bestimmt wurde. 652  D. h. auch den Fall, dass die gesamte Gattung oder die vom Verkäufer zur Erfüllung seiner Gattungsschuld vorgesehene Sache oder Sachmenge bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist. 653  Bei rechtsgeschichtlicher Betrachtung ist die gesetzliche Verankerung eines Ersatzlieferungsanspruchs beim Gattungskauf dagegen durchaus bemerkenswert, da dieser „Rechtsbehelf“ überhaupt erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts anerkannt wurde. 654 Vgl. Ernst ZEuP 1999, 583 (627 f., 636 f.). 655  Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 480 Rn. 1. 656  Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 54. 650 Zur



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

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hat.657 Dadurch wurde auch das Problem, dass die Vertragswidrigkeit der Ware dem Gefahrübergang jedenfalls beim Gattungskauf eigentlich entgegenstehen müsste, weitgehend unterdrückt.658

2)  Transmutation zur Stückschuld als Grundlage der Anwendung der ädilizischen Rechtsbehelfe beim Gattungskauf Zur dogmatischen Begründung der Anwendung der ädilizischen Rechtsbehelfe beim Gattungskauf führte der historische Gesetzgeber im Anschluss an Goldschmidt an, dass sich die Gattungsschuld mit der „behufs der Erfüllung geschehene[n] Uebergabe“ einer mangelhaften Sache zur Stückschuld verwandle,659 so wie auch – irrtümlich – eine notwendige Verbindung zwischen dem Übergang der Leistungsgefahr (und Preisgefahr) und der Verwandlung der Gattungs- zur Stückschuld angenommen wurde660. Inkonsequent daran ist, dass die „Konkretisierung“ eigentlich gerade dann scheitern muss, wenn das bei einem Erfüllungsversuch eingesetzte Stück wegen eines Sachmangels nicht mittlerer Art und Güte ist (vgl. § 243 Abs. 1).661 Deshalb hätte es paradoxerweise gerade im Falle mangelhafter Lieferung an der Grundlage für die Anwendung der ädilizischen Mängelrechte fehlen und aufgrund des vertraglichen Gattungskaufverhältnisses allein der Erfüllungsanspruch des Käufers fortbestehen müssen, für den die in § 480 Abs. 1 S. 2 a. F. angeordneten Modifikationen662 nicht gegolten hätten.663 Allenfalls bei Geltendmachung der Minderung bzw. dann, wenn Ersatzlieferung und Wandelung ausscheiden, ließ sich demnach sagen, es sei trotz mangelhafter Lieferung Konkretisierung eingetreten.664 Tatsächlich war und ist die Konkretisierung der Gattungsschuld im Sinne von § 243 Abs. 2 aber keine Voraussetzung für die Entstehung der Sachmängelrechte des Käufers665 sowie die Figur der Konkretisierung insgesamt ungeeignet, aus ihr die Lösung gewährleistungsrechtlicher Sachfragen abzuleiten666. Die Anwendung 657 

Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 64 (Zitat), siehe außerdem S. 63 und 97. Dazu bereits bei Fn. 230. 659  So die Begründung des Redaktors, Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 414. 660  Dazu bereits: B.II.1.d)ii)3). 661  Dazu unten: B.II.2.e)iv). 662  Dazu unten: B.II.4.c)v)2). 663  Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 480 Rn. 2 spricht von einer „systematischen Inkongruenz“; vgl. auch Herberger (1974) – Sachmängelhaftung, S. 95 ff., der davon ausging, bei mangelhafter Lieferung werde der ursprüngliche Erfüllungsanspruch aufrechterhalten (allerdings modifiziert gem. § 480 Abs. 1 S. 2 a. F.), weil ggf. keine Sache geleistet wurde, die der geschuldeten entspricht. Erst mit Konkretisierung seien die Gewährleistungsrechte anwendbar, wobei diese Konkretisierung gerade durch die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten herbeigeführt werde (vgl. a. a. O. S. 108 ff.). 664  Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 480 Rn. 12. 665  Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 480 Rn. 12. 666 Dazu Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (108 f.). Beispielhaft für die Beurteilung des Verhältnisses von (Nicht-)Erfüllung und Gewährleistung im Fall mangelhafter Lieferung 658 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

sowohl der eigentlichen Gewährleistungsrechte als auch des Ersatzlieferungsanspruchs beim Gattungskauf hängt allein davon ab, ob die gelieferte Sache die vereinbarte Beschaffenheit aufweist oder ob dem ein Sachmangel entgegensteht. Der dafür relevante Prüfzeitpunkt war und ist derjenige, in dem erfüllt bzw. der Gefahrübergang herbeigeführt würde, wenn die Sache vertragsgemäß wäre.667

3)  Rechtsnatur des Ersatzlieferungsanspruchs Außerdem kam in der Auslegung des BGB von 1900 bald eine Diskussion über die Rechtsnatur des Ersatzlieferungsanspruchs beim Gattungskauf auf. Praktisch668 ging es dabei um die Frage der sachgerechten Behandlung dieses Anspruchs, genauer darum, ob und unter welchen Voraussetzungen der ­Verkäufer bei Nichterfüllung der Ersatzlieferungspflicht nach § 326 a. F. hafte.669 Die einen hielten den Ersatzlieferungsanspruch für den fortgesetzten Erfüllungsanspruch670 bzw. für ein Derivat desselben und folgerten daraus, dass der Verkäufer bei Nichterfüllung nach den allgemeinen Regeln hafte. Die anderen meinten, der ursprüngliche Erfüllungsanspruch sei durch die mangelhafte Lieferung „verbraucht“, die Ersatzlieferung sei „keine Wiederholung der Erfüllungshandlung“671 bzw. es handele sich zwar um den ursprünglichen Erfüllungsanspruch oder ein Derivat desselben, aber dieser Anspruch sei nach Lieferung mangelhafter Ware beim Gattungskauf mit der Figur der Konkretisierung: Herberger (1974) – Sachmängelhaftung, S. 95 ff. 667  Dazu unten: B.II.2.e)ii). 668  Der Nutzen des Theorienstreits über die Rechtsnatur des Nacherfüllungsanspruchs für die Lösung dieses praktischen Problems war begrenzt. Denn allein die Qualifikation des Ersatzlieferungsanspruchs als ursprünglicher Erfüllungsanspruch bzw. als Derivat desselben musste nicht als zwingendes Hindernis dafür angesehen werden, diesen Anspruch „wie einen Gewährleistungsanspruch“ zu behandeln und ihn deshalb dem Anwendungsbereich der allgemeinen Regeln zu entziehen; so Kirchhof NJW 1970, 2052 (2053); vgl. Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 55. Mit entsprechender Begründung hielt Flume  (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 40 f. übrigens den ganzen Streit zwischen Erfüllungs- und Gewährleistungstheorie über das Wesen und die Rechtsnatur der Gewährleistungsrechte (beim Stückkauf) für unergiebig: Die Lehre, dass die Gewährleistung nicht auf einer Erfüllungspflicht beruhe, sei „eine wenig ergiebige Frucht am Baum der Begriffsjurisprudenz“; ähnlich Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, Vorbem. zu §§ 459 Rn. 10: die Entscheidung einer Einzelfrage aus dem „Wesen“ der Sachmängelhaftung wäre „ein Rückfall in die Begriffsjurisprudenz“; vgl. auch Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 166 ff. 669  Ausführlich dazu m. w. N.: Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 159 ff., § 480 Rn. 2, 30 f.; Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 480 Rn. 7, 10; Putzo in: Palandt (2002) – BGB, § 480 Rn. 2, 4; Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 480 Rn. 1, 6; Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (108 f.); Herberger (1974) – Sachmängelhaftung, S. 95–97. 670  Herberger (1974) – Sachmängelhaftung, S. 95 f. m. w. N. („Wiederholung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs“). 671 So Ballerstedt in: FS Nipperdey (1955), 261 (281), allerdings unmittelbar nur zu der Frage, ob und unter welchen Umständen der Verkäufer nach mangelhafter Lieferung zur Abwendung der Sachmängelhaftung durch Lieferung anderer, mangelfreier Ware berechtigt ist. Esser (1960) – SchuldR, S. 50 war der Meinung, es werde durch die sachmangelhafte Lieferung „zunächst erfüllt“, dazu Kirchhof NJW 1970, 2052 (2053).



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

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konsequent „wie ein Gewährleistungsrecht“ zu behandeln, auf das die allgemeinen Regeln nicht anwendbar seien.672 Genau genommen spielte sich diese Diskussion also auf zwei Ebenen ab. Erstens ging es um die Frage, ob die ursprüngliche Erfüllungspflicht (§ 433 Abs. 1 a. F.) nach Lieferung einer mangelhaften Sache neben dem Ersatzlieferungsanspruch nach den Regeln der §§ 323 ff., insbesondere § 326 a. F. fortbestehe, so dass der Käufer jedenfalls wegen Nichterfüllung dieses Anspruchs auch nach Annahme einer mangelhaften Gattungssache und Nichterfüllung des Ersatzlieferungsanspruch noch gem. § 326  a. F. gegen den Verkäufer vorgehen könnte; zweitens ging es darum, ob sonst § 326 a. F. auch auf den Ersatzlieferungsanspruch als solchen Anwendung findet.673

Wer die Anwendbarkeit des § 326 a. F. mit dem Argument verneinte, nach Annahme674 mangelhafter Ware komme der Anspruch auf Lieferung vertragsgemäßer Ware nur noch „modifiziert“, als besonderer Rechtsbehelf des Gewährleistungsrechts, in Betracht, auf den die allgemeinen Nichterfüllungsregeln keine Anwendung fänden,675 musste den Käufer bei Nichterfüllung der Ersatzlieferungspflicht durch den Verkäufer (sanktionslos für den Verkäufer)676 auf das Recht zur Wandelung oder Minderung verweisen. § 326 a. F. war von diesem Standpunkt aus nur anwendbar, wenn der Käufer die Annahme mangelhafter Ware ablehnte oder die Ware nur unter dem ausdrücklichen und unmissverständlichen Vorbehalt, sie nicht als Erfüllung gelten zu lassen, in Besitz nahm und sich auf diese Weise seinen ursprünglichen (unmodifizierten) Erfüllungsanspruch erhielt.677

672  Dazu m. w. N. Kirchhof NJW 1970, 2052 (2053). – Die Anwendbarkeit der §§ 326 a. F. wurde auch mit dem Argument verneint, dass es sich bei dem Ersatzlieferungsrecht im Gegensatz zu dem vertraglichen, im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Anspruch um einen neuen, einseitigen Anspruch handele. Kritisch dazu Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (107 f.). 673 Vgl. Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 55. 674  Zu den Anforderungen an diese Annahme, durch die der Käufer die gelieferte (mangelhafte) Ware als „im wesentlichen taugliche Erfüllungsleistung“ gelten lasse und die jedenfalls nicht gleichbeudetend mit der Übergabe sein sollte, Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 56.; kritisch dazu Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 480 Rn. 13–14. 675  So etwa Esser/Weyers  (1998) – SchuldR II.1, S. 55 f.: Die Annahme der mangelhaften Sache durch den Käufer (dazu Fn. 674) habe zwar den Ausschluss bzw. die Modifikation des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs, nicht jedoch die Konkretisierung, also den Übergang der Leistungsgefahr, zur Folge (S. 63). 676  Dies wurde damit begründet, dass bereits die Ersatzlieferungspflicht als solche „Sanktion“ für die mangelhafte Leistung sei und es einer zusätzlichen Sanktionierung über die allgemeinen Nichterfüllungsregeln daher nicht bedürfe; vgl. Esser/Weyers  (1998) – SchuldR II.1, S. 55; Kirchhof NJW 1970, 2052 (2053); kritisch dazu Herberger (1974) – Sachmängelhaftung, S. 97 (Ersatzlieferungsanspruch sei „keine Sanktion für das Fehlen einer Eigenschaft, sondern der Anspruch auf die Sache als solche“). Die scharfe Sanktionierung des Bestreitens eines Sachmangels, das häufig der Grund dafür sei, dass der Verkäufer keinen Ersatz liefert, mit einem Rücktrittsrecht und einem Schadenersatzanspruch sei dem Gewährleistungsrecht fremd; Rieble  JZ 1997, 485 (486). 677 So Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 55.

230

B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Nach herrschender Meinung sollte der Verkäufer bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der Ersatzlieferungspflicht aus § 480 Abs. 1  a. F. jedoch nach den allgemeinen Regeln wegen Nichterfüllung (§§ 323 ff., insbesondere § 326 a. F.) haften, weil das Recht der Sachmängelgewährleistung insoweit keine Spezialregeln vorsehe. Gem. § 326 a. F. sollte der Käufer sich also nach erfolgloser Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung678 (entbehrlich bei Interessewegfall gem. § 326 Abs. 2  a. F.) vom Vertrag lösen und  – unabhängig von den Voraussetzungen des § 480 Abs. 2 a. F. – Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen dürfen.679 Zudem sollte der Verkäufer gem. § 286 a. F. ggf. zum Ersatz von Verzugsschäden verpflichtet sein, weil er seit Zugang der im Nachlieferungsverlangen liegenden Mahnung mit der Erfüllung ohne weiteres in Verzug sei.680 Vertreter der Gegenansicht erblickten darin eine rechtspolitisch zweifelhafte Bevorzugung des Gattungskäufers vor dem Stückkäufer.681

ii)  Zur Bedeutung des Zeitpunkts des Gefahrübergangs als Prüfzeitpunkt für die Sachmängelfreiheit beim Gattungskauf  682 Beim Gattungskauf stellt sich das Problem der nachträglichen zufälligen Verschlechterung einer bestimmten Sache oder Sachmenge unter dem Gesichtspunkt der Preisgefahr an sich683 nicht (es sei denn, alle zur Gattung gehörenden Sachen verschlechtern sich nach Vertragsschluss). Denn „die“ Ware, deren Verschlechterung sich negativ auf den Sachleistungsanspruch des Käufers auswirken müsste, gibt es vor dem Gefahrübergang noch nicht, und der Verkäufer bleibt bei Verschlechterung wie bei Untergang einer einseitig zu Erfüllungszwecken ausgewählten Sache vor diesem Zeitpunkt zur Leistung vertragsgemäßer Ware durch

678  Es sollte allerdings ausgeschlossen sein, dass der Käufer bei mangelhafter Lieferung wegen Fortfalls seines Leistungsinteresses (§ 326 Abs. 2 a. F.), ohne Nachfrist zu setzen und Ersatzlieferung zu verlangen, Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangt und zurücktritt; insoweit seien die Bestimmungen über den Schadenersatz wegen Zusicherung und Arglist (§ 480 Abs. 2 a. F.) und über die Wandlung lex specialis; Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 247. 679  Grunewald in: Erman (2000) – BGB, § 480 Rn. 9; Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 247, § 480 Rn. 30 f.; Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 480 Rn. 10; Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 480 Rn. 6. 680  Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 480 Rn. 11; Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 480 Rn. 6 a. E.; Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 480 Rn. 25, 29; Grunewald in: Erman (2000) – BGB, § 480 Rn. 5, 9. 681  Kirchhof NJW 1970, 2052 (2052). 682 Zum Folgenden: Esser/Weyers  (1998) – SchuldR II.1, S. 64 f.; Ernst in: FS Huber (2006), 165 (175), Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 459 Rn. 83, 85. 683  Gleichwohl wurde dadurch, dass das Gesetz die am Stückkauf entwickelten ädilizischen Rechtsbehelfe für auch beim Gattungskauf anwendbar erklärte, ohne der (Nach-)Erfüllung auch einen systematischen Vorrang einzuräumen, für den Käufer die Möglichkeit geschaffen, die Lieferung mangelhafter Ware aus der Gattung so zu behandeln, als wirke sie sich unmittelbar mindernd auf die Pflicht zur Kaufpreiszahlung aus. Dazu bereits bei Fn. 230.



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

231

Lieferung eines anderen (mangelfreien) Stücks verpflichtet, wofür der Käufer dann selbstverständlich auch den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen hat.684 Während sich die Auswirkungen der Preisgefahrtragung für den Stückverkäufer (verhältnismäßiger Abzug bis hin zum Verlust der gesamten Kaufpreisforderung bei zufälliger Verschlechterung/Untergang der verkauften Sache) sachgerecht mit den ädilizischen Rechtsbehelfen (Minderung, Wandelung) gestalten lassen,685 findet die Belastung des Gattungsverkäufers mit der Leistungsgefahr ihre Entsprechung allein in dem in das Sondergewährleistungsrecht des Gattungskaufs integrierten Ersatzlieferungsanspruch (§ 480 Abs. 1 a. F.).686

Die Bezugnahme des § 459 Abs. 1 S. 1 a. F. auf die „Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergeht“, hat beim Gattungskauf deshalb auch eine andere Bedeutung als beim Stückkauf, bei dem sie die Sachmängelhaftung des Verkäufers insgesamt erweiterte, um auch seine Belastung mit der (Preis-)Gefahr hinsichtlich zufälliger Sachverschlechterungen nach Vertragsschluss zu integrieren.687 Denn die Einhaltung der vereinbarten Beschaffenheit gehört beim Gattungskauf naturgemäß zur Leistungspflicht des Verkäufers. Er verspricht diese Beschaffenheit überhaupt nur für den Zeitpunkt der Leistung. Deshalb kommt zur Beurteilung, ob dieser Pflicht genügt wird oder nicht, gar kein anderer Zeitpunkt in Betracht als derjenige, zu dem der Verkäufer sein „Erfüllungsgeschäft“ vornimmt.688 Dies ist der Zeitpunkt, in dem er tatsächlich erfüllt oder in dem wenigstens die (Preis-)Gefahr übergeht, falls die Ware dann erfüllungstauglich ist.689 Deshalb konnte die Zeitpunktregelung des § 459 Abs. 1 S. 1 a. F. auch unproblematisch für § 480 Abs. 1 S. 1 a. F. übernommen werden. Auf einem anderen Blatt steht, welche Auswirkungen die Sachmangelhaftigkeit auf den Übergang der Gefahr hat.690

684 

Dazu oben: B.II.1.d)ii). Dazu oben: B.II.2.b). 686  Vgl. dazu bereits: B.II.2.e). 687  Dazu oben: B.II.2.b). 688  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (175); vgl. Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 459 Rn. 85. 689  Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 64. Deshalb nahm übrigens auch § 480 Abs. 2 a. F. (anders als § 463 S. 1 für den Stückkauf, dazu oben: B.II.2.b)ii)) für die Haftung des Verkäufers auf das Erfüllungsinteresse auf diesen Zeitpunkt Bezug; Ernst in: FS Huber (2006), 165 (174 f.). Unpassend war für den Gattungskauf, anders als für den Stückkauf nach dem BGB von 1900, die Bezugnahme des § 460 a. F. auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses (keine Haftung des Verkäufers wegen eines Mangels, der dem Käufer bei Vertragsschluss bekannt war). Relevant für den Gattungskauf war dagegen §§ 464 a. F. (keine Gewährleistungspflicht des Verkäufers bei vorbehaltloser Annahme mangelhafter Ware trotz Kenntnis von dem Mangel beim Käufer, galt gem. § 480 Abs. 1 S. 2 a. F. für den Ersatzlieferungsanspruch entsprechend), zur Beratung dieser Regelung im Zusammenhang mit der Gewährleistung beim Gattungskauf Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 136 f.; zur Entstehung des § 464 a. F. (Beratung der ZuStOR § 86, E I § 286 und E II § 401) S. 151, 166–169. 690  Dazu unten: B.II.2.e)iv). 685 

232

B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

iii)  Zum Verhältnis des Fehlerbegriffs zum Gattungsbegriff sowie der mangelhaften Leistung zur Nichterfüllung Der Zusammenhang zwischen dem Vorliegen von Sachmängeln, der Erfüllungs(un)tauglichkeit der Leistung und dem Gefahrübergang beim Gattungskauf richtet sich nach dem Verhältnis des Sachmangelbegriffs zum Gattungsbegriff. Die Entwicklungsgeschichte beider Begriffe verläuft ähnlich: Während zunächst objektive Kriterien für maßgeblich gehalten wurden, setzte sich im Laufe der Zeit das Verständnis durch, dass es der autonomen Entscheidung der Parteien überlassen sei, festzulegen, wie eine Sache beschaffen sein muss, um erfüllungstauglich bzw. mangelfrei zu sein.

1)  Von der Bildung von Gattungen nach der Verkehrsanschauung zum „parteiautonomen“ Gattungsbegriff Wurden Lieferpflichten über generisch bestimmte Ware vorher nur mit Bezug auf „vorrechtliche“ oder „natürliche“ („naturwüchsige“ oder in der Verkehrsanschauung gültige) Gattungen begründet (vgl. vertretbare Sachen), setzte sich im 19. Jahrhundert ein „juristischer“ oder „parteiautonomer“ Gattungsbegriff durch. Dieser ließ es zu, dass die Parteien über die Festlegung bestimmter Merkmale auch solche Sachen zu einer Gattung zusammenfassten, die bei objektiver Betrachtung nicht untereinander austauschbar sind.691 So war für v. Jhering das Charakteristikum des Gattungskaufs nicht die objektive Vertretbarkeit des Leistungsgegenstandes.692 Es sei ganz der Willkür der Parteien überlassen, nach welchen Kriterien und wie weit sie die Gattung fassen; der Begriff des genus sei „ein ganz elastischer Begriff“.693 Es machte für ihn deshalb auch keinen Unterschied, ob die bestellte Ware vor der Lieferung bereits existent war (vgl. markt- oder vorratsbezogene Beschaffungsschuld) oder erst noch hergestellt werden musste (vgl. Werklieferungsvertrag).694 Entscheidend

691  Dazu m. w. N. Ernst ZEuP 1999, 583 (638 f.). Gleichzeitig erfuhr der Begriff der vertretbaren Sache eine Objektivierung; dazu Ernst a. a. O. (638) mit Verweis auf Rüfner (2000) – Vertretbare Sachen, S. 102 ff. 692 v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (399 ff., 405). 693  Nach diesem Verständnis konnte der Gattungskauf dem Wahlkauf sehr nahe kommen; v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (406 f., 411 Fn. 53). Die Abgrenzung hing bspw. davon ab, ob der Verkäufer sich verpflichtet hatte zur „Lieferung von Pferd A, B oder C“ (Wahlkauf) oder zur „Lieferung eines meiner drei Pferde“ (Gattungskauf). Abzugrenzen war der Gattungskauf außerdem von dem Kauf einer zukünftigen Sache, z. B. „die zukünftige Weinernte“, „die bis zum 1. Oktober vom Baum fallenden Äpfel“, der Stückkauf war (emptio speciei futurae). Hierbei kam es darauf an, ob die Parteien das bestimmende Moment in der Handlung einer Person, insbesondere des Schuldners (Produktion der Sache oder Auswahl, z. B. Kauf des Ohms Wein, das der Verkäufer abfüllen wird, Stückkauf) oder in dem Resultat derselben („ein Ohm Wein aus dem Fass des Verkäufers“, Gattungskauf) sahen; vgl. a. a. O. (410 ff.). 694 v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (409 f., 413 ff., 424). Allerdings führte der Umstand, dass



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

233

war aus seiner Sicht die „subjektive Bestimmungs- oder Bezeichnungsweise, die praktische Behandlungsweise“, dass nicht „die“ bzw. „diese“ Sache zu liefern ist, sondern „eine“ Sache oder „hundert“ Sachen mit bestimmten Merkmalen.695 Der relative oder parteiautonome Gattungsbegriff lässt es auch zu, die Zugehörigkeit der Ware zu einem bestimmten Vorrat, ihren Bezug von einem bestimmten sachlich, räumlich oder zeitlich begrenzten Markt oder über einen bestimmten Vertriebsweg oder ihre Herkunft aus der Produktion des Verkäufers unmittelbar zum Gattungsmerkmal zu erheben und das dem Gattungskauf traditionell-typischerweise eigene Wesensmerkmal der Erfüllbarkeit mit marktgängiger Ware „abzubedingen“. Ernst sieht in der Unterscheidung verschiedener Typen des Gattungskaufs und in der Hervorhebung der „marktbezogenen Gattungsschuld“ durch Ballerstedt696 eine Reaktion auf die Entwicklung des parteiautonomen Gattungsbegriffs und die damit einhergehende Kreation von „Privatgattungen“, zu deren Erfüllung nicht ohne weiteres auf marktgängige Ware zurückgegriffen werden kann.697

2)  Vom objektiven zum subjektiven Fehlerbegriff Entsprechendes gilt für den Fehlerbegriff: Dieser war im gemeinen Recht der Tradition des römischen Rechts, genauer: des Sachmängelrechts nach dem ädilizischen Edikt folgend, lange Zeit rein objektiv verstanden worden. Eine Einstandspflicht des Verkäufers kam – vorbehaltlich der garantiemäßigen Zusicherung bestimmter Eigenschaften – (nur) für das Abweichen von der normalen, „natürlichen“ Beschaffenheit derjenigen Gattung, der das verkaufte Stück nach dem Verkehrsverständnis zuzuordnen war, in Betracht. Im 19. Jahrhundert setzte sich aber das Verständnis durch, dass das Abweichen von der vertraglich konkret vereinbarten Beschaffenheit einen Fehler begründe („subjektiver“ oder „konkreter“ Fehlerbegriff), und dieser Begriff lag nach herrschender Meinung auch § 459 Abs. 1 a. F. zugrunde.698 Die verkaufte Sache war demnach – anders als bei Anwendung des objektiven Fehlerbegriffs – nicht an der üblichen Qualität der Kategorie oder Gattung zu messen, zu der sie zu rechnen ist.699 Vielmehr richtete die Soll-Beschaffendie Sache erst noch herzustellen und im Zeitpunkt des Vertragsschlusses deshalb abstrakt nach bestimmten Merkmalen beschrieben war, nicht notwendig zur Annahme einer Gattungsschuld. Ein Stückkauf sollte gegeben sein beim „Kauf einer beim Bildhauer in Arbeit befindlichen Statue oder [bei der] Bestellung einer zwar noch nicht angefangenen, aber im Uebrigen durch irgend welche Momente, z. B. den Stoff (die aus diesem Marmorblock zu fertigende Vase) oder die Reihenfolge (das vierte von jetzt an fertig werdende Pianoforte) fest fixierten Sache“. 695 v. Jhering JherJb 4 (1861), 366 (401, 408). 696  Ballerstedt in: FS Nipperdey (1955), 261 ff. 697  Ernst ZEuP 1999, 583 (639); vgl. ders. in: HKK (2013) – BGB, Vor § 433 Rn. 9. 698  Dazu m. w. N.: Flume  (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 109 ff., 124 ff.; Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 20 ff., § 459 Rn. 20 ff.; Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 459 Rn. 7 ff.; Grunewald in: Erman (2000) – BGB, Vor § 459 Rn. 3; Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 459 Rn. 18 ff.; Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 434–445 Rn. 14. 699 Eine bestimmte als „Walfleisch“ verkaufte Schiffsladung „Haifischfleisch“ ist deshalb kein „fehlerhaftes Walfleisch“, weil der Kaufgegenstand schon nicht der der Kaufvereinbarung entsprechenden Kategorie angehört.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

heit sich allein oder zumindest vorzugsweise700 nach der konkreten Parteivereinbarung.701 Trotz Anwendung des subjektiven Fehlerbegriffs drohte nach dem BGB von 1900 aber keine „Vermengung“ von Stück- und Gattungskauf.702 Denn die Beschaffenheitsvereinbarung dient(e) beim Stückkauf nicht dem Zweck der Individualisierung des Schuldobjektes, sondern der Beschreibung der „Soll-Beschaffenheit“ eines bereits individualisierten Leistungsgegenstandes: Beim Stückkauf wird bspw. ein bestimmter dreibeiniger Tisch verkauft als dieser Tisch als ein solcher mit vier Beinen, während beim Gattungskauf schlicht ein Tisch mit vier Beinen verkauft wird.703 Eine Erfüllungspflicht zur Leistung der verkauften (und beim Verkauf individuell bestimmten) Sache in der bestimmten Beschaffenheit wurde beim Stückkauf vom Gesetz nicht zugelassen; bei Abweichungen der Ist- von der Soll-Beschaffenheit haftete der Verkäufer lediglich nach den §§ 459 ff. a. F.: Er musste deshalb, um im Beispiel (Flumes) zu bleiben, kein viertes Tischbein nachliefern und am Tisch anbringen, sich aber damit abfinden, dass der Käufer wahlweise den dreibeinigen Tisch behält und den Kaufpreis anpasst (mindert) oder gegen Rückgabe des Tischs die Erstattung des gesamten Kaufpreises verlangt; anders beim Gattungskauf, wobei der Käufer (wahlweise statt Minderung oder Wandelung) Lieferung eines anderen, vierbeinigen Tisches verlangen konnte.

3)  Zum Verhältnis der Gattungsvereinbarung zur Beschaffenheitsvereinbarung Mit der Anwendung des subjektiven Fehlerbegriffs bei gleichzeitiger Anerkennung der Möglichkeit der Parteien, durch ihre Qualitätsvereinbarung eigene Gattungen zu „kreieren“, war die Frage aufgeworfen, ob und inwiefern sich beim Gattungskauf die Beschaffenheitsvereinbarung auf die Bestimmung der Gattung, aus der geleistet werden soll, auswirkt. Damit verknüpft ist das Problem der sachgerechten Unterscheidung (und unterschiedlichen Behandlung) der Lieferung mangelhafter Ware aus der „richtigen“ Gattung von der Lieferung von (objektiv mangelfreier) Ware aus der „falschen“ Gattung. 700  Zum Teil wurde ein „objektiv-subjektiver“ Fehlerbegriff vertreten. Danach sollte die übliche Beschaffenheit maßgeblich sein, sofern die Parteien keine Vereinbarung getroffen haben, bzw. insoweit davon auszugehen sein, dass die Parteien (stillschweigend) die Einhaltung der üblichen Beschaffenheit vereinbart hätten. Dazu: Flume (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 128 f.; Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 30 f. 701  Die als „Walfleisch“ verkaufte Schiffsladung „Haifischfleisch“ ist „fehlerhaftes Walfleisch“, weil sie in ihrer Beschaffenheit nicht der Kaufvereinbarung entspricht. Vgl. das Beispiel von Flume (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 21 ff., 105 f., 113, 139 in Anlehnung an die Entscheidung RGZ  99, 147 („Haakjöringsköd“); dazu auch Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 459 Rn. 26 (maßgeblich sei, als was „die“ Sache verkauft wurde). Während es sich bei der Lieferung der in Bezug genommenen Schiffsladung bei Anwendung des objektiven Fehlerbegriffs im engeren Sinne um eine aliud-Lieferung handelte, auf welche die §§ 320 ff. a. F. Anwendung fanden, wurde der Fall bei Anwendung des subjektiven Fehlerbegriffs als „Qualifikations-aliud“ (in Abgrenzung zum Identitäts-aliud: Lieferung einer anderen Schiffsladung) erfasst und nach dem Gewährleistungsrecht behandelt. Dazu m. w. N. Honsell a. a. O. Rn. 25. 702  Flume (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 21 f., 51, 139. Dazu noch unten: B.III.6.a) ii)2). 703  Flume (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 50 f.



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

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(a)  Verschiedene Qualitätsstufen innerhalb einer Gattung: grundsätzliches Erfordernis der Einhaltung des mittleren Qualitätsstandards Aus § 243 Abs. 1 ergibt sich, dass es innerhalb einer Gattung durchaus unterschiedliche Qualitätsstufen geben kann. Die Nichteinhaltung einer bestimmten, im Zweifel der „mittleren“ Qualität führt also nicht zwangsläufig dazu, dass die gelieferte Ware einer anderen Gattung zuzuordnen ist. Eine Sache aus der „richtigen“ Gattung, die den mittleren Qualitätsstandard unterschreitet, ist aber nicht erfüllungstauglich und taugt nicht zur „Konkretisierung“.704 Denn es handelt sich dabei nicht um eine „solche Sache“ gem. § 243 Abs. 2. Während die Nichteinhaltung der mittleren Qualitätsstufe beim Gattungskauf nicht zu einer „Falschlieferung“ führt, obwohl die Ware nicht erfüllungstauglich ist, hat die Anwendung des subjektiven Fehlerbegriffs beim Gattungskauf zur Folge, dass eine Lieferung trotz Einhaltung des mittleren Qualitätsstandards mangelhaft sein kann. Falls die gesamte Gattung sich nicht für die im Kaufvertrag vereinbarte Verwendung eignet (die ganze Serie, auf die beim Verkauf Bezug genommen wurde, hat unter diesem Aspekt einen Fehler), ist die gelieferte Sache zwar mangelhaft, sie entspricht aber durchaus dem mittleren Qualitätsstandard der vereinbarten Gattung.705 In solch einem Fall kommt eine Ersatzlieferung allerdings nicht in Betracht, da aus der vereinbarten Gattung keine mangelfreie Sache geliefert werden kann.706 Die Situation entspricht dann derjenigen beim Stückkauf, weshalb hierbei auch wie beim Stückkauf über den Grund der Sachmängelhaftung des Verkäufers gestritten wurde („Gewährleistungstheorie vs. Erfüllungstheorie“)707.

Außerdem können die Parteien durch die Vereinbarung einer bestimmten Beschaffenheit den Qualitätsstandard innerhalb der Gattung heben, etwa von dem Standard Ware „mittlerer Art und Güte“ auf „erste Wahl“.708 Auch dies kann dazu führen, dass ein Mangel vorliegt, obwohl die Ware mittlerer Art und Güte (innerhalb der vertragsgemäßen Gattung) ist. Dabei kommt eine Ersatzlieferung gem. § 480 Abs. 1 S. 1 a. F. durchaus in Betracht, weil Lieferung einer anderen, mangelfreien Sache aus der Gattung geschuldet ist. Auch mag es sein, dass die Parteien innerhalb einer bestimmten Gattung die geschuldete Leistung weiter spezifizieren, etwa eine Menge von „Schweinehälften“ eines bestimmten Gewichts.709 Auch hierbei führt die Beschaffenheitsvereinbarung nicht dazu, dass die Gat704  Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 480 Rn. 1, 4; Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 63; Coester-Waltjen Jura 2006, 829 (831 mit Fn. 21); Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 42 f., 143 (§ 7 I. 2). 705  Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 26. 706 Vgl. Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 480 Rn. 2, 17, 34; Grunewald in: Erman (2000) – BGB, § 480 Rn. 3 (Ersatzlieferung „nicht sinnvoll“); Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 480 Rn. 5; Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 459 Rn. 20, § 480 Rn. 5. 707 Dazu Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 156 ff. Zu dem Theorienstreit beim Stückkauf m. w. N. unten:B.II.4.a). 708  Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 27; vgl. Grunewald in: Erman (2000) – BGB, Vor § 459 Rn. 3. 709  Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 28; vgl. Westermann in: MüKo (1995) –

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

tung enger gefasst wird, auch bedeutet die Lieferung von Schweinehälften eines geringeren oder höheren Gewichts an sich nicht die Unterschreitung des mittleren Qualitätsstandards, trotz Lieferung von Ware mittlerer Art und Güte aus der richtigen Gattung handelt es sich aber um eine mangelhafte Leistung.

Schließlich kommen vor allem im Bereich der industriellen Serienproduktion Gattungen vor, innerhalb derer es – anders als bei Naturprodukten, landwirtschaftlichen oder handwerklichen Erzeugnissen – keinerlei Qualitätsschwankungen gibt, so dass das Kriterium „mittlerer Art und Güte“ keinen Sinne hat. Mangelhaft ist die Leistung gleichwohl, wenn die gelieferte Ware tatsächlich nicht die vereinbarte oder übliche Beschaffenheit aufweist.710

(b)  Mangelhaftigkeit, Vertragswidrigkeit und Erfüllungsuntauglichkeit der Ware trotz Einhaltung des mittleren Qualitätsstandards der vereinbarten Gattung Es kann also vorkommen, dass gelieferte Ware nicht erfüllungstauglich ist, obwohl sie der richtigen Gattung zuzuordnen ist und den mittleren Qualitätsstandard innerhalb dieser Gattung einhält, weil der Verkäufer einer der Gattung nach bestimmten Sache schlechthin mangelfreie Ware schuldet.711 Der in § 243 Abs. 2 bestimmte Qualitätsstandard ist nur dann allein maßgebend, wenn die Parteien keine abweichende Vereinbarung getroffen haben.712 Seit Inkrafttreten des BGB von 1900 geht man deshalb davon aus, dass der Verkäufer durch Lieferung einer mangelhaften Sache seine Leistungspflicht nicht erfülle, selbst wenn die aus der richtigen Gattung gelieferte Ware (gleichwohl) mittlerer Art und Güte geliefert entsprach.713 Dies war vor dem Inkrafttreten des BGB nicht unbestritten.714 Zum Teil wurde die Lieferung mangelhafter Ware beim Gattungskauf für erfüllungstauglich gehalten, wenn die Ware „nur“ fehlerhaft war. So vertrat etwa Goldschmidt, der übrigens seinerzeit im Anschluss an v. Jhering die begriffliche Abgrenzung von Vertretbarkeit als objektiver Sacheigenschaft und Gattungsbestimmtheit als subjektiver Schuldinhalt maßgeblich beförderte,715 die Meinung: „Wer sich verpflichtet hat, einen ‚dreijährigen braunen militärfrommen Wallach‘ zu leisten, erfüllt den Vertrag durch Leistung eines Wallachs von dieser Beschaffenheit, auch wenn derselbe stätig oder rotzig ist; ein fleckiger Abzug des ‚Müllerschen Kupferstichs der Sixtinischen Madonna von Raphael‘ ist immer noch der zugesagte Stich; rostige ‚Solinger Stahlwaaren‘ sind immer noch die versprochene Waare.“716 BGB, § 459 Rn. 20 (Parteien können „innerhalb der normmäßig festgelegten Gattung den zu liefernden Gegenständen weitere Merkmale beilegen …, unabhängig davon, ob die Verkehrsauffassung eine Mängelrüge im Fall der Abweichung von der Sollbeschaffenheit erwarten würde“.). 710  Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 157. 711 Vgl. Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 480 Rn. 2, 12. 712  Dazu: Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 55 f.; Dorn in: HKK (2007) – BGB, § 243 Rn. 8. 713  Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 480 Rn. 2, 12; Putzo in: Palandt (2002) – BGB, § 480 Rn. 2; Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 459 Rn. 20. 714 Dazu Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 158. 715  Dazu m. w. N. Rüfner (2000) – Vertretbare Sachen, S.  105 f., auf den auch Ernst ZEuP 1999, 583 (638) verweist. 716  Goldschmidt ZHR 19 (1874), 98, (108).



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

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Er unterschied die vertragswidrige von der fehlerhaften Lieferung.717 Bei Lieferung „nur“ fehlerhafter, aber grundsätzlich vertragsgemäßer Ware sei die Gattungsschuld an sich erfüllt und der Verkäufer hafte für den Fehler nach dem Recht der ädilizischen Gewährleistung (ebenso bei („irrtümlicher“) Annahme vertragswidriger Ware als Erfüllung durch den Käufer). Man muss diese Ausführungen freilich vor dem Hintergrund sehen, dass Goldschmidt, wie später auch Schollmeyer718, meinte, die Erfüllung des Kaufvertrages sei Voraussetzung der Anwendbarkeit der ädilizischen Rechtsbehelfe, deren Statthaftigkeit beim Gattungskauf er in seiner Abhandlung begründen wollte.719   Dem trat Haymann, der später die Lehre vom objektiven Fehlerbegriff des § 459 Abs. 1  a. F. begründete,720 entgegen. Die Lieferung mangelhafter Ware beim Gattungskauf sei regelmäßig nicht erfüllungstauglich: Wer weiße Panamahüte verkauft habe, könne diesen Vertrag nicht mit der Lieferung ordinärer schwarzer Strohhüte erfüllen. Zur Bestimmung der vertragsgemäßen Beschaffenheit dürfe nicht „pedantisch“ allein auf die ausdrücklichen (positiven) Vereinbarungen der Parteien abgestellt werden, es seien außerdem die stillschweigenden Zusagen des Verkäufers zu berücksichtigen. Diese hätten zumindest721 den Inhalt, dass die Ware frei von solchen Fehlern sei, die den vertragsgemäßen, sonst den gewöhnlichen Gebrauchszweck schlechthin vereiteln würden.722 Im Unterschied zum Stückkauf seien diese „Zusicherungen“723 beim Gattungskauf nicht „rein assetorisch“, sondern sie dienten dazu „die Leistung des Verkäufers näher zu bestimmen“.724 In der Annahme (unerkannt) mangelhafter Ware sei höchstens der Konsens zu erblicken, der den Eigentumsübergang bewirkt, aber dadurch werde nicht bewirkt, dass „Erfüllung sei, was Erfüllung nicht ist“.725

717 

Goldschmidt ZHR 19 (1874), 98, (114 ff.). Schollmeyer JherJb 49 (1905), 93 (99 ff.) meinte, der Verkäufer schulde beim Gattungskauf nur Ware mittlerer Art und Güte, innerhalb dieses Rahmens könne er auch mit mangelhafter Ware erfüllen, ggf. erwachse dem Käufer aber der Ersatzlieferungsanspruch als besonderes Gewährleistungsrecht, dazu (kritisch) Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 29 f. 719 Vgl. Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 29; Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 158. 720  Dazu m. w. N.: Huber in Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 22, 32–34. 721 Auch Haymann ging also nicht davon aus, dass jeder Fehler der gelieferten Sache zur Folge habe, dass die Lieferung nicht vertragsgemäß sei; vgl. Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 26: „Man wird freilich nicht so weit gehen dürfen, wie Windscheid, der beim Gattungskauf schlechthin Fehlerfreiheit der Ware als stillschweigend zugesagt annahm“. Für ihn folgte der Anspruch des Gattungskäufers auf schlechthin fehlerfreie Ware nicht aus der vertraglichen Vereinbarung, sondern aus dem Gesetz, welches der fehlerhaften Lieferung die Erfüllungstauglichkeit abspreche, vgl. a. a. O. S. 28–31. 722  Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 24 ff. Man wird annehmen dürfen, dass die geleistete Sache bereits nach antikem römischem Recht nicht nur die Gattungsmerkmale aufweisen musste, sondern außerdem auch die grundlegende Brauchbarkeit nach der Verkehrsanschauung gewährleistet sein musste. Kritisch zu den von Goldschmidt ZHR 19 (1874), 98, (108) gebildeten Beispielen daher Bessenyö – Gattungskauf, in: Kaufen nach römischem Recht (2008), 1 (7); vgl. auch Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 85. 723  Gemeint waren damit nicht garantiemäßige („qualifizierte“) Zusicherungen im Sinne von § 459 Abs. 2 a. F., sondern Beschaffenheitszusagen ohne Garantiecharakter. 724  Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 24 f. 725  Haymann (1913) – Gewährleistung, S. 25 mit Zitat von Windscheid/Kipp (1906) – Pandekten II, S. 694 mit Fn. 21. 718 

238

B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Überzeugend zu begründen ist die Annahme, dass das Vorliegen von Sachmängeln beim Gattungskauf der Erfüllung auch dann entgegenstehe, wenn das (mangelhafte) Stück der richtigen Gattung entnommen wurde und dem mittleren Qualitätsstandard dieser Gattung genügt, allein mit der weiteren Annahme einer (stillschweigenden) Parteivereinbarung beim Gattungskauf, dass die Ware in jeder Hinsicht fehlerlos sein müsse, so dass die Lieferung fehlerhafter Ware nicht vertragsgemäß und daher nicht erfüllungstauglich ist.726 Liest man eine entsprechende Parteivereinbarung beim Gattungskauf in den Vertrag hinein, ist allerdings kein Grund ersichtlich, die Parteivereinbarung beim Stückkauf anders auszulegen, so dass auch dabei die Lieferung mangelhafter Ware durchaus vertragswidrig ist.727 Der eigentliche Unterschied zum Gattungskauf liegt darin, dass die Verfasser des BGB von 1900 offenbar der Meinung waren, dass es – mit Rücksicht auf den regelmäßigen Parteiwillen – beim Stückkauf nicht sachgerecht sei, die Lieferung vertragswidriger Ware als Nichterfüllung zu behandeln. Obwohl auch beim Stückkauf durch den Kaufvertrag die Verpflichtung zur Leistung der fehlerfreien Sache vereinbart wird, ließ das BGB von 1900 daher „an Stelle der vereinbarten Rechtsfolgen andere Rechtsfolgen, nämlich die Gewährleistungspflichten eintreten“ und schwächte zugunsten des Verkäufers die vereinbarten Rechtsfolgen ab“.728 Der Grund dafür war (auch) die Annahme, dass beim Stückkauf dem Käufer die Identität der Kaufsache wichtiger sei als ihre Qualität. Insoweit diente die vertragliche Qualitätsvereinbarung nur der Feststellung, wie geliefert werden muss, um die Sachmängelgewährleistung zu vermeiden.729 Im Gegensatz dazu wurde der Qualitätsvereinbarung beim Gattungskauf die Bedeutung beigemessen, festzulegen, wie geliefert werden muss, um zu erfüllen bzw. die Haftung wegen Nichterfüllung zu vermeiden. Beschaffenheitsvereinbarungen und Abreden über den Verwendungszweck wirken insoweit schuldbestimmend.730 Deshalb muss die Konkretisierung nach § 243 Abs. 2 bei Vorliegen eines Sachmangels scheitern. Eine mangelhafte Sache ist keine „solche Sache“ i. S. des § 243 Abs. 2. Dies nimmt zwar unmittelbar nur auf § 243 Abs. 1 Bezug, meint also eine Sache „mittlerer Art und Güte“ aus der Gattung, ist aber ebenso auf die Qualitätsvereinbarung der Parteien zu beziehen, soweit diese nicht mit dem Stan726  So zum gemeinen Recht Windscheid/Kipp  (1906) – Pandekten II, S. 693 ff. Vgl. hierzu bereits in Fn. 721. 727 Dazu Flume (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 41, 47 ff. 728  Flume (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 48. 729  Vgl. dazu Grunewald in: Erman (2000) – BGB, Vor § 459 Rn. 3 (zur Begründung des subjektiven Fehlerbegriffs). 730  Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 459 Rn. 20, § 480 Rn. 2; Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 56 f.: Der Grundsatz der Privatautonomie gebe den Parteien die „Herrschaft über den Schuldinhalt bis in alle Einzelheiten“  … „Entspricht die Ware nicht der vertraglichen Definition, dann ist sie mangelhaft. Die vertragliche Definition, die das einzig zugelassene Kriterium ist, gibt keine Möglichkeit, keine Kategorie, verschiedene Grade der Abweichung von der vertraglichen Definition der Leistung zu unterscheiden“.



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

239

dard „mittlerer Art und Güte“ übereinstimmt.731 Von daher konsequent war der Ersatzlieferungsanspruch gem. § 480 Abs. 1 S. 1 a. F. schlechthin dann begründet, wenn die gelieferte Sache mangelhaft war, d. h. ein Fehler vorlag oder eine zugesicherte Eigenschaften fehlte.732

(c)  Unterscheidung von aliud- und peius-Lieferung Wenn die Beschaffenheitsvereinbarung einschließlich der (konkludenten) Vereinbarung der Abwesenheit jeglicher Fehler bestimmend für den vom Verkäufer geschuldeten Leistungsgegenstand ist, dann stellt sich die Frage, ob die Qualitätsvereinbarung nicht schlechthin konstituierend wirkt für die Gattung, aus der heraus zu leisten ist, so dass die Grenze zwischen der mangelhaften und deshalb nicht erfüllungstauglichen Leistung aus der „richtigen“ Gattung und der Leistung aus der „falschen“ Gattung verwischt.733 Je genauer die Parteivereinbarung die Gattung begrenzt, desto eher ist eine Falschlieferung anzunehmen.734 Je abstrakter die in Bezug genommene Gattung gefasst ist, desto mehr Raum bleibt für zusätzliche Merkmale, die zwar die Erfüllungstauglichkeit einzelner aus dieser Gattung zu leistenden Sachen definieren, aber nicht dazu führen, dass die Gattung als solche „enger“ gefasst wird: „Ein Schimmel ist ein weißes Pferd; danach sind weiß und schwarz Eigenschaften der Gattung Pferd. Ihr Fehlen wäre ein Sachmangel. Stellt man hingegen auf die Gattung

731  Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 63 ff.; vgl. Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 480 Rn. 2, 8 (Konkretisierung trete nur bei Leistung einer Sache mittlerer Art und Güte ein; auch wenn dieses Erfordernis bei Lieferung einer mangelhaften Sache regelmäßig nicht erfüllt sei, sei dies nach dem subjektiven Fehlerbegriff nicht zwingend. Durch mangelhafte Lieferung trete aber generell keine Konkretisierung ein.); vgl. Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 459 Rn. 2, § 480 Rn. 1; Emmerich in: MüKo (2001) – BGB, § 243 Rn. 24 (Es werde in aller Regel an der erforderlichen Durchschnittsqualität fehlen, wenn die vom Schuldner ausgewählten Sachen Mängel aufweisen.“). 732  So wie sich aus dem Fehlen eines (gesetzlichen) Nachbesserungsanspruchs beim Stückkauf ergab, dass der Käufer die Leistungsgefahr vom Vertragsschluss an auch in Ansehung an sich behebbarer Mängel zu tragen hatte, konnte aus der Anordnung des Ersatzlieferungsanspruchs auch für den Fall der „nur“ mangelhaften Leistung gefolgert werden, dass fehlerhafte Ware beim Gattungskauf schlechthin weder zur Erfüllung noch zur Konkretisierung taugt. 733 Nach Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 56 ff. kann es im Sachmängelrecht beim Gattungskauf daher nur zwei Kategorien geben: „gattungs-(vertrags-)gemäß“ und „mangelhaft“. Eine Sache, die „zwar gattungsgemäß, aber fehlerhaft“ ist, könne es ebenso wenig geben wie eine Unterscheidung zwischen „Fehler“ und „Artabweichung“ (peius und aliud). Das Problem bestehe allein darin, diejenigen Fälle abzugrenzen, in denen eine Anwendung des Sachmängelrechts mit seiner kurzen Verjährung unangemessen für den Käufer sei. – Für eine grundsätzliche Gleichbehandlung von peius- und aliud-Lieferung beim Gattungskauf („Einheitslösung“) aus diesem Grund (Ausnahme: für den Käufer offensichtliche Verwechslungen): Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 124 ff., § 480 Rn. 20; Grunewald in: Erman (2000) – BGB, Vor § 459 Rn. 46 ff.; kritisch dazu: Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 459 Rn. 47, § 480 Rn. 4; Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 459 Rn. 21, § 480 Rn. 5. 734  Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 114 mit Verweis auf BGH NJW 1989, 218 (219).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Schimmel ab, so wäre der Rappe ein aliud, wenn ein Schimmel verkauft war. Die Festsetzung der Gattung ist beliebig … weil man in der Begriffspyramide beliebig auf- und absteigen kann.“735

In beiden Fällen ist die Gattungsschuld nicht erfüllt. Tatsächlich ergab sich unter dem BGB von 1900 die Notwendigkeit, beim Gattungskauf zwischen aliud- und peius-Lieferung zu unterscheiden, allein daraus, dass die Gesetzesverfasser den Ersatzlieferungsanspruch wegen mangelhafter Leistung den Einschränkungen des § 480 Abs. 1 S. 2 a. F., insbesondere der kurzen Verjährung gem. § 477 a. F., unterworfen hatten, während der „ursprüngliche“ Erfüllungsanspruch allein nach den allgemeinen Regeln zu beurteilen war.736 Außerdem stellte sich die Frage, ob der Käufer bei einer Falschlieferung (außer dem Erfüllungsanspruch bzw. den Rechten wegen Nichterfüllung) auch die ädilizischen Rechtsbehelfe wegen eines Mangels geltend machen durfte.737

iv)  Beschränkung der Sachmängelhaftung und Gefahr­tragung des Verkäufers durch Anwendbarkeit der ädilizischen Gewährleistung auch beim Gattungskauf Dass Minderung und Wandelung beim Gattungskauf genauso wie beim Stückkauf Anwendung fanden,738 führte insoweit zu einer Beschränkung der Mängelhaftung und Gefahr­tragung des Verkäufers im Vergleich dazu, wie die vertragswidrige Leistung bei der Gattungsschuld nach allgemeinen Grundsätzen zu behandeln gewesen wäre. Denn wenn der Käufer Minderung oder Wandelung verlangte, wurde dem Verkäufer die Leistungsgefahr abgenommen und mit Blick auf die Reichweite der Gewährleistungspflicht hatte die Bezugnahme des § 459 Abs. 1 S. 1 a. F. auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs – anders als beim Stückkauf739 – keine Haftungsbeschränkung zur Folge.

1)  Bei der Gattungsschuld stehen Sachmängel dem Übergang sowohl der Leistungs- als auch der Preisgefahr eigentlich entgegen Steht die Vertragswidrigkeit des zur Erfüllung eingesetzten Stücks bei der Gattungsschuld der Konkretisierung gem. § 243 Abs. 2 entgegen,740 spricht dies dagegen, 735 So Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 459 Rn. 27 zur Ablehnung des „objektiven Fehlerbegriffs“ beim Stückkauf. 736 Dazu Esser/Weyers (1998) – SchuldR BT II.1, S. 58 ff. Vor dem Hintergrund, dass der Ersatzlieferungsanspruch für den Käufer ungünstiger ausgestaltet war als der vertragliche Lieferungsanspruch, wurde auch darüber gestritten, zu welchem Zeitpunkt der eine Anspruch den anderen „ablöse“; dazu unten: B.II.4.c)v)2)(c). 737 Vgl. Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 459 Rn. 21. 738  Dazu oben: B.II.2.e)i)1). 739  Insoweit bedeutete sie eine Ausdehnung der Gewährleistungspflicht („Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“), dazu oben: B.II.2.b). 740  Dazu oben: B.II.2.e)iii)3)(b) a. E.



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

241

beim Gattungskauf im Falle der Lieferung mangelhafter Ware den Käufer mit der Preisgefahr zu belasten. Denn wenn und solange feststeht, dass der Schuldner die Leistungsgefahr zu tragen hat, ist eine Belastung des Gläubigers mit der Preisgefahr denklogisch ausgeschlossen.741 Wäre der Übergang der Preisgefahr aber ohne Rücksicht auf die (mangelhafte) Beschaffenheit der zur Erfüllung eingesetzten Sache in einem bestimmten Zeitpunkt angeordnet, müsste die Leistungsgefahr (spätestens) zur selben Zeit auf den Gläubiger mit übergehen.742 Gerade dies ist jedoch nicht der Fall. Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der gesetzlichen Anordnungen des Übergangs der Preisgefahr sind jedenfalls beim Gattungskauf nach Sinn und Zweck dieser Regeln nicht erfüllt, wenn das eingesetzte Stück mangelhaft beschaffen ist. Die Gesetzesverfasser wollten nämlich, wie gesehen, den Übergang von Leistungs- und Preisgefahr synchronisieren. Anstatt an die Rechtsfolge des Übergangs der Preisgefahr anzuknüpfen, haben sie auf die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen abgestellt und diese generalisiert. Auf diese Weise wurden nicht nur die maßgeblichen Wertungskriterien offengelegt, sondern auch klargestellt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen identisch sind.

Auch die Preisgefahr geht also nur dann über, wenn der Verkäufer das zur Erfüllung seinerseits Erforderliche getan hat und es am Käufer liegt, dass die Verkäuferleistung hierdurch noch nicht bewirkt (erfüllt) ist.743 Davon kann bei der Lieferung mangelhafter Ware zumindest beim Gattungskauf744 keine Rede sein, da diese Leistung nicht erfüllungstauglich ist745 (sofern der Käufer sie nicht als Erfüllung akzeptiert, insbesondere indem er sich entscheidet, die mangelhafte Sache gegen Kaufpreisminderung zu behalten) und der Verkäufer ggf. gerade nicht alles seinerseits Erforderliche zur Erfüllung getan hat.746 Bei der Gattungsschuld kommt es deshalb grundsätzlich nicht vor, dass die Leistungsgefahr auf den Gläubiger übergeht und sich die Sache danach auf Gefahr des Schuldners mit Auswirkungen nur noch auf die Verpflichtung des Gläubigers zur Erbringung der Gegenleistung verschlechtert. Denn entweder gehen Leistungs- und Preisgefahr zusammen auf den Gläubiger über oder beide Gefahren bleiben beim Schuldner. M. a. W. verschlechtert sich die Sache entweder auf (Preis- und Leistungs-)Gefahr des Käufers mit dem Ergebnis, dass er sie im verschlechterten Zustand annehmen/behalten und dafür den Kaufpreis in voller Höhe entrichten muss, oder auf Gefahr des Verkäufers, dann aber mit Auswirkungen allein auf seine Leistungspflicht (Leistungsgefahr). Diese besteht nämlich ggf. fort, so dass er zur Lieferung (anderer) gattungsmäßiger Ware verpflichtet bleibt und sich die Frage nach der 741 

Dazu oben: A.3.b)i) und A.3.c). Huber in: Soergel (1991) – BGB, vor § 446 Rn. 9 f. 743  Dazu oben: B.II.1.d)ii)2). 744  Zum Einfluss von Sachmängeln auf den Gefahrübergang als solchen (auch) beim Gattungskauf: B.II.2.e)iv). 745  Dazu oben: B.II.2.e)iii)3)(b). 746 Vgl. Herberger (1974) – Sachmängelhaftung, S. 97, 108 f.: § 446  (a. F.) setze Übergabe der verkauften Sache voraus, beim Gattungskauf seien aber die Eigenschaften identitätsbestimmend: „[S]olange noch nicht konkretisiert ist, wird durch die Eigenschaftsvereinbarung bestimmt, was verkauft ist“. 742 Vgl.

242

B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Preisgefahr gar nicht stellt. Ausnahmen ergeben sich insoweit ebenfalls aus der Anwendung der eigentlich auf den Stückkauf zugeschnittenen Gewährleistungsrechte auch auf den Gattungskauf.747

2)  Begründung der Nichterfüllungshaftung und der Gewährleistungspflicht des Verkäufers erst im Zeitpunkt des (hypothetischen) Gefahrübergangs Deshalb war auch daraus, dass die Nichterfüllungshaftung des Verkäufers gem. § 480 Abs. 2 a. F. voraussetzte, dass der Sache „zu der Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergeht, eine zugesicherte Eigenschaft [fehlt]“748, nicht der Schluss zu ziehen, dass die Gefahr beim Gattungskauf trotz Vorliegen eines Mangels übergehe. In der Literatur wurde dieser Wortlaut vielmehr dahin ausgelegt, dass es auf den Zeitpunkt ankomme, in dem die Gefahr bei Mangelfreiheit übergehen würde.749 Der Wortlaut des § 480 Abs. 2 a. F. beruhte allein darauf, dass man für die Schadenersatzhaftung (aus Garantie oder wegen Arglist) beim Gattungskauf (anders als beim Stückkauf750) nicht auf die Zeit des Vertragsschlusses abstellen kann. Denn die konkrete Sache, die sich an der Beschaffenheitsgarantie des Verkäufers messen lassen muss, steht zu dieser Zeit noch gar nicht fest. Er verpflichtet sich gerade dazu, den Käufer mit Ware von einer bestimmten Qualität zu beliefern. Ob er dieses Versprechen einhält oder nicht, entscheidet sich selbstverständlich dann, wenn er leistet (in der Terminologie v. Jherings: „liefert“).751 Das ist derjenige Zeitpunkt, zu dem die Gefahr übergehen würde, wenn die Sache dann mangelfrei wäre. Auch das Verschweigen bekannter Mängel kann man dem Verkäufer nur und erst in diesem Zeitpunkt zum Vorwurf machen. Die Effektivität des Gefahrübergangs ist aber keine materielle „Tatbestandsvoraussetzung“ der Gewährleistungspflicht des Verkäufers oder seiner Nichterfüllungshaftung.752 Ohne den Gefahrübergang als solchen zu nennen, hätte das Gesetz beim Gattungskauf ebenso gut (wie in § 243 Abs. 2) auf den Zeitpunkt abstellen können, in dem der Verkäufer das seinerseits zur Leistung Erforderliche 747 

Dazu unten: B.II.2.e)iv)3) a. E. der heutige § 434 Abs. 1 S. 2, der bestimmt, dass die Sache frei von Sachmängeln ist, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit aufweist, dazu Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 147 sowie unten: B.III.3.a). 749 Siehe statt vieler: Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 480 Rn. 13; Herberger (1974) – Sachmängelhaftung, S. 141 ff. Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 64 f.; Dazu m. w. N. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 147 f. (mit Fn. 20); Rabl  (2002) – Gefahr­tragung, S. 403. 750  Dazu oben: B.II.2.b)ii). 751  Dazu noch in Fn. 588 und 689. 752  Vgl. dazu Ernst in: FS Huber (2006), 165 (194). A. A. Herberger (1974) – Sachmängelhaftung, S. 95 ff., der die Konkretisierung und den Gefahrübergang gem. § 446 (Übergabe der verkauften Sache) beim Gattungskauf für eine notwendige Voraussetzung der Gewährleistungsrechte hält, weil diese nur beim Stückkauf anwendbar seien; vorher könne der Käufer nur Ersatzlieferung verlangen. 748  Anders



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

243

tut bzw. zu tun versucht.753 Ist die Sache in diesem Moment nicht mangelfrei, geht auch die Gefahr nicht über. Maßgeblich zur Feststellung der Sachmangelhaftigkeit ist also der Zeitpunkt des „hypothetischen“ oder „fiktiven“ Gefahrübergangs.754 Die Formulierung aus § 459 Abs. 1 S. 1 a. F. in § 480 Abs. 2 S. 1 a. F. zu übernehmen, bot sich an, weil der maßgebliche Zeitpunkt für die Nichterfüllungshaftung und die Gewährleistung beim Gattungskauf auf diese Weise übereinstimmend formuliert werden konnten. Dementsprechend verwies auch § 480 Abs. 1 S. 1 a. F. als Voraussetzung für den Ersatzlieferungsanspruch auf die Voraussetzungen der Wandelung und der Minderung und damit auf die nach § 459 Abs. 1 S. 1 a. F. maßgebliche „Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergeht“.

3)  Entlastung des Verkäufers von der Leistungsgefahr und Beschränkung seiner Preisgefahrtragung durch Anwendung der ädilizischen Gefahrleistungsrechte beim Gattungskauf Wären auf den Gattungskauf die an dem und für den Stückkauf gebildeten Rechtsbehelfe der Minderung und Wandelung nicht anwendbar gewesen, hätte die Feststellung der Vertragswidrigkeit der angedienten Ware insoweit schlicht das Recht des Käufers begründet, die vertragswidrige Ware (auch rückwirkend) zurückzuweisen und weiterhin aufgrund des Kaufvertrags auf Lieferung vertragsgemäßer Ware zu bestehen, sonst die gesetzlich vorgesehenen Rechte wegen Nichterfüllung geltend zu machen.755 Das weitere Sachschicksal des gelieferten Stücks hätte weder Auswirkungen auf seinen Lieferanspruch (bzw. den Umfang seines Schadenersatzanspruchs wegen Nichterfüllung) noch auf seine Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung gehabt.756 Die Notwendigkeit, für die weitere Vertragsabwicklung in einem bestimmten Zeitpunkt nicht nur festzustellen, dass die Ware nicht vertragsgemäß ist, sondern auch, inwieweit sie hinter der vertragsgemäßen Beschaffenheit zurückbleibt, ergibt sich beim Gattungskauf aus der Entscheidung des Gesetzgebers für ein „hybrides“ Gewährleistungsrecht, namentlich aus der Statthaftigkeit der Minderung. Denn die Minderung setzt die Anpassung (Herabsetzung) des Kaufpreises an einen konkreten, zu einer bestimmten Zeit gegebenen (mangelhaften) Sachzustand voraus 753  Vgl. dazu Ernst in: FS Huber (2006), 165 (184, 189) mit einem Formulierungsvorschlag (alternativ zum Wortlaut des § 434 Abs. 1 S. 1), der ohne Bezugnahme auf den Gefahrübergang auskommt. 754  Insoweit übereinstimmend (allerdings uneinig hinsichtlich des für das „Entstehen“ der Sachmängelrechte maßgeblichen Zeitpunkts): Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 480 Rn. 11, § 459 Rn. 83; Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 64; dazu m. w. N. auch Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 147 f. mit Fn. 20. 755  Zu diesem Ergebnis kommt in der Tat Herberger (1974) – Sachmängelhaftung, S. 95 ff. Er hielt das Recht auf Minderung und Wandelung nur nach Konkretisierung der Gattungsschuld für anwendbar und war der Meinung, dass die Konkretisierung mit dem Minderungs-/Wandelungsverlangen zusammenfallen könne. 756  So lagen die Dinge, wenn der Käufer Ersatzlieferung gem. § 480 Abs. 1 a. F. verlangte.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

(während der Verkäufer bei der Wandelung ohnehin den gesamten Kaufpreis zu erstatten hatte)757. Dementsprechend reicht es auch im reformierten Kaufrecht mit Blick auf die Nachbesserung nicht aus, festzustellen, dass die Sache mangelhaft ist. Es muss außerdem bestimmt werden, worin genau der Mangel besteht, wie weit er reicht, weil dies entscheidend für die Reichweite der Nachbesserungspflicht des Verkäufers (Beseitigung des Mangels, § 439 Abs. 1 Alt. 1) ist.758

Bis der Käufer sich für die Minderung (statt der Wandelung oder des Ersatzlieferungsanspruchs) entschied oder die Möglichkeit einer alternativen Reaktion auf die vertragswidrige Lieferung aus anderen Gründen nachträglich ausschied759, stand die Verteilung der Preisgefahr nicht fest. Wäre die Preisgefahr erst in dem Moment auf den Käufer übergegangen, in dem er sich entschloss, die mangelhafte Sache gegen Minderung des Kaufpreises zu behalten, hätte dies allerdings zur Folge gehabt, dass der Käufer nicht nur die Wahl hat, ob er den Kaufpreis mindern möchte, sondern auch, inwieweit eine Kaufpreisminderung erfolgt. Er hätte es ggf. in der Hand gehabt, auch solche zufällige Verschlechterungen noch kaufpreismindernd geltend zu machen, die erst nach der Auslieferung der Sache, welche als Erfüllungsgegenstand akzeptieren und als eigenen Vermögensbestandteil behalten zu wollen er mit der Minderung bekräftigte, an ihn aufgetreten waren. Gerade dies wurde durch die Bezugnahme des § 459 Abs. 1 S. 1 a. F. auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs beim Gattungskauf verhindert.760 Der Regelungsgehalt war insoweit: Wenn der Käufer Minderung verlangt, ist – wie beim Stückkauf – der Sachzustand maßgeblich, den die Sache im Zeitpunkt des hypothetischen Gefahr(en)übergangs hatte. Dann hatte der Käufer die Sache so zu nehmen, wie der Verkäufer sie geleistet hatte. Eine Ausnahme war in der Literatur (wie beim Stückkauf) für solche nach dem Zeitpunkt der §§ 446, 447 a. F. aufgetretene Verschlechterungen anerkannt, deren Ursache schon im Zeitpunkt der Übergabe bzw. Absendung wenigstens im Keime vorhanden war (latente Mängel), was insbesondere „weiterfressende Mängel“ einschloss.761 757 

Zum sog. „Zurückspringen der Gefahr“ unten: B.II.4.c). Dazu: B.III.3. 759  Dies war vor allem dann der Fall, wenn der Käufer die gelieferte Sache schuldhaft beschädigte oder zerstörte (§ 351 a. F. i. V.m. § 467 S. 1 a. F. bzw. §§ 480 Abs. 1 S. 2, 467 S. 1 a. F.). Dazu unten: B.II.4.c)iv)2) und B.II.4.c)v)2)(c). 760 So Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 64 (mit Fn. 64), wonach sich die Bezugnahme des § 459 Abs. 1 S. 1 a. F. in diesem Zweck erschöpfen und, insbesondere entgegen Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 480 Rn. 13 (dazu bereits Fn. 754), für die Entstehung der Gewährleistungsansprüche des Käufers nicht (zeitlich) der „hypothetische“/„fiktive“ Gefahrübergang, sondern (sachlich) die Annahme als Erfüllung maßgeblich sein sollte. 761  Dazu m. w. N.: Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 459 Rn. 87; Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 459 Rn. 68; Putzo in: Palandt (2002) – BGB, § 459 Rn. 6; vgl. Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 54 zur Begründung einer Ausnahme von dem Grundsatz, dass mit der Übergabe die Gefahr der (weiteren) Verschlechterung auf den Käufer übergehe (dazu unten: B.II.3.b)ii)2)): „Voraussetzung des Gefahrüberganges … ist, daß sowohl der Untergang als auch die Verschlechterung nach dem Zeitpunkt der Übergabe … entstehen. Dies besagt aber nicht, daß ein im Keime 758 



2.  „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“

245

Der Gefahrübergang „mit Übergabe“ im Falle der Lieferung eines mangelhaften Stücks war daher zumindest beim Gattungskauf eigentlich nicht die Folge der Übergabe des mangelhaften Stücks als solcher, sondern der Entscheidung des Käufers, dieses Stück anzunehmen und zu behalten. Dagegen konnte der Käufer bei der Wandelung ungeachtet einer inzwischen hinzugekommenen Verschlechterung (bis hin zum Untergang) den gezahlten Kaufpreis in voller Höhe zurückverlangen,762 und bei der Ersatzlieferung musste der Verkäufer eine andere, komplett mangelfreie Sache leisten, auch wenn der Käufer wegen einer inzwischen erfolgten zufälligen Verschlechterung oder Zerstörung außerstande war, die zuerst empfangene Sache (in ihrem Lieferzustand) zurückzugeben763. Hinsichtlich des Wahlrechts des Käufers zwischen Ersatzlieferung und Wandelung hatte der Verkäufer die Leistungs- und die Preisgefahr in Ansehung weiterer Verschlechterungen der abgelieferten mangelhaften Sache demnach alternativ zu tragen.764

4) Zwischenergebnis Dadurch, dass der Käufer gem. § 480 Abs. 1 S. 1 a. F. die Wahl hatte, die mangelhafte Lieferung als Fall der Nichterfüllung765 (Ersatzlieferung) oder als „Gewährleistungsfall“ (Minderung, Wandelung) zu behandeln, bestand im Hinblick auf die Gefahr­tragung ein eigenartiger Schwebezustand, solange der Käufer sich nicht auf eine bestimmte Reaktion auf den Sachmangel festgelegt hatte.766 Im Unterschied zum Stückkauf erfolgte beim Gattungskauf daher nicht nur der Übergang der Preisgefahr, sondern auch der Übergang der Leistungsgefahr im Falle der Lieferung mangelhafter Ware allenfalls bedingt oder vorläufig:

schon im Zeitpunkt der Übergabe  … vorhandener Fehler, vermöge dessen der Untergang oder die Verschlechterung später verwirklicht wurden, den Gefahrübergang nicht hindern kann. Dieser Untergang bzw. diese Verschlechterung sind die Folge dieses Fehlers, der nicht der Einwirkungssphäre des Käufers angehört.“ 762  §§ 467 S. 1, 350 a. F. 763  §§ 480 Abs. 1 S. 2, 467 S. 1, 350 a. F. – Anders als im Zusammenhang mit der Wandelung wirkte die Regelung der §§ 350, 351 a. F. im Zusammenhang mit der Ersatzlieferung nicht auf die Verteilung der Preisgefahr; dazu unten: B.II.4.c)v)2), insb. B.II.4.c)v)2)(d). 764 Vgl. Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 63 f., 97. 765  Auch dies, nach Ablieferung der Ware, freilich nur im Rahmen des Gewährleistungsrechts mit dem Ersatzlieferungsanspruch. 766 Vgl. Esser/Weyers  (1998)  – SchuldR II.1, S. 63, 97: „Gegenüber dem Normalfall der Gefahr­tragung sind dies abnormale Verhältnisse. Sie ergeben sich als Folge der etwas gewaltsamen Nebeneinanderstellung des für die Gattungsschuld angemessenen Nachlieferungsanspruchs und der eigentlich für den Stückkauf geschaffenen ädilizischen Rechtsbehelfe in § 480 I.“; Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (108 f.): Bei Lieferung mangelhafter Ware aufgrund eines Gattungskaufs stehe erst mit der verbindlichen Wahl des Käufers für ein Gewährleistungsrecht, das das Behalten der Ware impliziert (Minderung, „kleiner“ Schadenersatz, ggf. Nachbesserung), fest, „daß der Käufer die vertragswidrige Ware aufgrund der causa des Kaufvertrages behalten wird“.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Sobald der Käufer Ersatzlieferung verlangte, stand fest, dass die Leistungsgefahr tatsächlich nicht übergegangen war.767 Entschied er sich für die Wandelung, war die Lage so, als wäre zwar die Leistungsgefahr bereits mit der Ablieferung der mangelhaften Ware, die Preisgefahr aber bis zuletzt nicht auf den Käufer übergegangen.768 Denn er hielt den Verkäufer gerade an der Leistung fest. Nur ein Minderungsverlangen hatte beim Gattungskauf den Übergang sowohl der Leistungsals auch der Preisgefahr mit der Lieferung der mangelhaften Ware zur Folge bzw. ließ den vorläufigen Übergang der Leistungsgefahr endgültig werden. Deshalb hieß es in der Literatur auch, im Falle der Lieferung mangelhafter Ware beim Gattungskauf führe nur und erst die Geltendmachung von Sachmängelansprüchen (gemeint waren: Minderung und Wandelung) die Konkretisierung, also den Übergang der Leistungsgefahr, herbei.769

f) Folgerungen Bezüglich der nicht vom Verkäufer verschuldeten Sachmängel waren in der Ge­ währleistungspflicht beim Stückkauf sachlich heterogene Risiken zusammengefasst. Erstens das Risiko, dass bei Kaufabschluss die rechtsgeschäftliche Vereinbarung über die Beschaffenheit der verkauften Sache nicht mit der tatsächlichen Sachbeschaffenheit übereinstimmt (vertragsanfänglicher Mangel); zweitens das Risiko, dass die verkaufte Sache zwischen Vertragsschluss und Gefahrübergang von einem nachteiligen Ereignis erfasst wird (und es infolgedessen zu einer Diskrepanz zwischen rechtsgeschäftlicher Beschreibung und tatsächlicher Beschaffenheit der kaufgegenständlichen Sache kommt – nachträgliche Sachverschlechterung als „atypischer Mangel“). Die Sachmängelhaftung des Verkäufers erfüllt insofern eine „Doppelfunktion“.770 Im Vergleich zur Behandlung dieses Falls nach allgemeinem Leistungsstörungsrecht hat die Integration der Gefahr der zufälligen Verschlechterung unter das Recht der Gewährleistung größtenteils zu gewissen kleineren Differenzen771, aber durchaus auch zu schwerwiegenderen Friktionen geführt772. 767 Vgl.

Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 63. Zum „Zurückspringen“ der Preisgefahr bei der Wandelung siehe unten: B.II.4.c). 769 Vgl. Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 480 Rn. 1, 4; Herberger (1974) – Sachmängelhaftung, S. 108 ff.; Esser/Weyers  (1998) – SchuldR II.1, S. 63; Reinicke/Tiedtke (1997) – KaufR, S. 206 (Rn. 525). Kritisch dazu Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 480 Rn. 12: Konkretisierung erfolge bei mangelhafter Lieferung erst, wenn Gläubiger das Recht auf Wandelung und Ersatzlieferung verliert (und die mangelhafte Sache deshalb behalten muss), insbesondere bei vollzogener Minderung, nicht dagegen bei der Wandelung, weil dabei das Schuldverhältnis rückabgewickelt werde, ohne dass es jemals zur Konkretisierung gekommen sei. 770  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (172, 175, 179). 771 Dazu Ernst in: FS Huber (2006), 165 (173). 772  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (175–180) nennt die Diskussionen um die Bedeutung des Gefahrübergangs für die Entstehung und Geltendmachung der Rechte wegen eines Sachmangels, um die Anwendbarkeit des allgemeinen Leistungsstörungsrechts bei nachträglicher verschuldeter Sachverschlechterung, die Zuweisung der Verschlechterungsgefahr bei ausgeschlossener Sach768 



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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Beim Gattungskauf erfasst die Gewährleistungspflicht des Verkäufers im engeren Sinne (Wandelung, Minderung) allein das Risiko, dass die rechtsgeschäftliche Vereinbarung über die Beschaffenheit der zu liefernden Sache nicht mit der tatsächlichen Beschaffenheit der gelieferten Sache übereinstimmt. In ihr wurde daher nicht die Belastung des Verkäufers mit der (Preis-)Gefahr hinsichtlich nachträglicher Sachverschlechterungen aufgelöst; vielmehr ersetzt sie seine Belastung mit der Leistungsgefahr (Beschaffungsrisiko). Dies geschah allerdings nur unvollständig, weil der Käufer auf die Lieferung mangelhafter Ware außer mit der Minderung oder Wandelung auch mit dem Ersatzlieferungsverlangen reagieren konnte. Die Gewährleistungspflicht begrenzte die Leistungsgefahrtragung des Verkäufers insofern, dass er von der Verpflichtung, eine vertragsgemäße Sache (nach) zuliefern, unter Umständen befreit wurde, insbesondere bei Vollzug der Minderung oder Wandelung. Damit traf es, wenn auch aus anderen Gründen als beim Stückkauf, auch beim Gattungskauf zu, dass der Gesetzgeber in der „Gewährleistung“ (hier untechnisch und in einem weiteren Sinne gemeint, der auch die Ersatzlieferungspflicht erfasst) sachlich heterogene Risiken zusammengefasst und dass dies zu Anomalien bei der Ordnung der Leistungsgefahr geführt hat.

3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. In der Auseinandersetzung der Literatur mit der ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. wurden die verschiedenen Argumente, die bereits die Beratungen der Gesetzesverfasser bestimmt hatten,773 wieder aufgegriffen und unterschiedlich akzentuiert.774 Der Schulfall, an dem die Bedeutung der Regelung erörtert wurde, war ihr praktisch wichtigster Anwendungsfall, der in den Beratungen der Verfasser des BGB jedoch kaum eine Rolle gespielt hatte775: die Lieferung verkaufter Ware unter Eigentumsvorbehalt, bei der die Übergabe zwar den (unmittelbaren) Besitz, aber noch nicht das Eigentum verschafft. Ein anderes Thema war die Frage, ob (auch) beim Kauf beweglicher Sachen die Gefahr bereits mit der Übereignung übergehe, sofern diese ohne körperliche Sachübergabe vollzogen wird (insbesondere sog. Übergabe-Surrogate).776 mängelgewährleistung und den Anspruch des Käufers auf das Surrogat für eine nachträgliche Sachverschlechterung, den Ausschluss der Sachmängelhaftung bei „freiwilliger“ Behebung eines Mangels durch den Verkäufer vor Gefahrübergang. 773  Dazu: B.II.1.c)iii). 774  Im Überblick: Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 446 Rn. 15–18; Köhler in: Staudinger (1995) – BGB, § 446 Rn. 4; Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, § 3 (S. 4 ff.); ders. in: FS Ehmann (2005), S. 135 ff.; Ewert (2006) – Gefahr­tragung, S. 10 ff.; Zheng (1996) – Risikoverteilung, S. 5 f.; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 33–36, 40 f., 58–62. 775  Dazu bereits: B.II.1. 776 Dazu: Stern (1910) – Gefahr­tragung, S. 62 ff.; Wirtz (1927) – §§ 446, 447, S. 32 ff.; Heck (1929) – SchuldR, S. 261 (§ 84.3.); Palleske (1933) – Gefahrübergang, S. 52 ff.; Filios (1964) –

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

a)  Überblick über das Meinungsspektrum Die Auffassung, die im Hintergrund der Beratungen der Gesetzesverfasser stand,777 dass die Verteilung der obligatorischen Gefahr zumindest nicht aus dogmatischen Gründen778 mit der Eigentumslage als solcher zusammenhänge, war noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der rechtswissenschaftlichen Literatur durchaus nicht allgemeine Ansicht. Die Gegenansicht, dass der Gefahrübergang beim Kauf von der eigentumsverschaffenden Übergabe abhängig sei,779 hielt sich aber nicht mehr lange und war bald überwunden.780 Dem § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. könne kein anderer Übergabe-Begriff zugrunde liegen als dem zweiten Absatz der Vorschrift; dort, im Zusammenhang des Grundstückskaufs, sei aber völlig klar, dass die Übergabe nichts mit der Eigentumsverschaffung zu tun habe.781 Es setzte sich damit die Erkenntnis durch, dass die Gefahr­tragung beim Kauf zumindest nicht mit dem herkömmlichen Verständnis des Satzes casum sentit dominus, wonach der (dinglich berechtigte) Eigentümer die Gefahr der Sache zu tragen hat, zu erklären sei. Andererseits war auch die das synallagmatische Gefahr­tragungsprinzip konkretisierende Grundregel für alle gegenseitigen Verträge in den §§ 275, 323 Abs. 1 a. F. beim Kauf offensichtlich nicht lupenrein durchgeführt.782 Denn nicht nur die Eigentumslage war für den Gefahrübergang nicht maßgeblich; auch auf die Erfüllung der Eigentumsverschaffungspflicht sollte es grundsätzlich nicht ankommen. Der Gefahrübergang auf den Käufer hing deshalb nicht davon ab, dass der Verkäufer die ihm obliegende Leistung (Übergabe und Übereignung) vollumfänglich bewirkt hatte. Gefahr­tragung, S.  59  ff.; Schilcher JBl 1964, 395 (406 ff.); Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 112–118. 777  Dazu oben: B.II.1.c)iii). 778  Sofern eine (ohne Übergabe vollzogene) Übereignung den Übergang der obligatorischen Gefahr zur Folge haben sollte (beim Grundstückskauf, § 446 Abs. 2 a. F.), begründeten die Gesetzesverfasser dies nicht mit der Maßgeblichkeit der Eigentumslage als solcher, sondern mit einem entsprechenden regelmäßigen Parteiwillen. Beim Kauf beweglicher Sachen gingen sie davon aus, dass die Übergabe ohnehin in aller Regel zugleich den Besitz und das Eigentum verschaffe, und setzten sich deshalb nicht mit der Frage auseinander, ob auch hier eine ohne Übergabe erfolgende Übereignung ausreichend sei. Dazu oben: B.II.1.c)i)2)(a), B.II.1.c)ii)1) und B.II.1.c)iii). 779  So etwa Crome (1902) – System II.1, S. 416 und Oertmann (1910) – SchuldR, S. 396 f. (§ 446 a. F. Anm. 1.a), jeweils m. w. N. Praktische Konsequenz dieser Ansicht war es nicht unbedingt, den Gefahrübergang hinauszuschieben. Es ging vor allem darum, zu begründen, warum die Gefahr schon vor bzw. ohne Verschaffung des unmittelbaren Besitzes übergehen könne, wenn der Verkäufer dem Käufer das Eigentum gem. §§ 930 oder 931 verschaffte und der Käufer sich damit begnügte (d. h. nicht auf Erfüllung auch der kaufvertraglichen Übergabe-Pflicht bestand). 780 Dazu: Stern (1910) – Gefahr­ tragung, S. 61; Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 24–26; Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 54; Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 26 f. (Fn. 26); Oertmann ZHR 93 (1929), 356 (385 ff.); Schilcher JBl 1984, 395 (404 f.). Dazu auch noch unten: B.II.3. 781  Heck (1929) – SchuldR, S. 260 f. (§ 84.1); Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 25 mit Fn. 5. 782 Vgl. Wirtz (1927) – §§  446, 447, S. 6; Heck (1929) – SchuldR, S. 259 (§ 83.5); v. Schenck (1950) – Sphäre, S.  244 f.; Filios (1964) – Gefahr­ tragung, S. 8–10, 24; Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 64; Raab (1999) – Austauschverträge, S. 333 mit Fn. 62.



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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Es wurden verschiedene Versuche unternommen, die innere Verbindung zwischen der Regelung des Gefahrübergangs beim Kauf und dem synallagmatischen Gefahr­tragungsprinzip, welche die Gesetzesverfasser ausdrücklich hervorgehoben hatten, zu erklären: Es komme zwar nicht auf die Erfüllung im Sinne des Eintritts des Leistungserfolges (Bewirkung der geschuldeten Leistung, § 362 Abs. 1) der Übergabe- und Übereignungspflicht(en) an, die gefahrüberwälzende „Übergabe“ erfordere aber die Vornahme der zur Herbeiführung des Erfolges beider Pflichten notwendigen Leistungshandlungen (Erbringung der geschuldeten Leistung).783 Wenn der Verkäufer alles getan habe, was der Käufer von ihm verlangen könne, müsse es am Käufer liegen, falls dies nicht unmittelbar die Erfüllung zur Folge (und der Verkäufer den Kaufpreis deswegen endgültig verdient) habe, und dann sei es angemessen, dem Verkäufer das Risiko zufälliger Leistungsstörungen abzunehmen. Dies impliziert durchaus nicht, dass der Käufer sich vertragswidrig verhalten müsse; es kann danach ausreichen, wenn ein der Parteivereinbarung immanenter Erfüllungsaufschub vornehmlich in seinem Interesse liegt.784 Dies entspricht der Deutung der ratio legis der periculum est emptoris-Regel nach der „Verschuldenstheorie“, die im Grunde die „Kehrseite“ der Entäußerungstheorie darstellt785, sowie der Lieferungstheorie786, deren Grundgedanken die Verfasser des BGB in § 243 Abs. 2 übernahmen787. Diese Gemeinsamkeit ist kein Zufall. Beide Theorien gehen auf v. Jhering zurück.

Andere meinten, die Grundregel des § 323 Abs. 1 a. F. sei beim Kauf so durchgeführt, dass es nicht auf eine formale (schuldrechtliche), sondern auf eine materielle (wirtschaftliche) Betrachtungsweise ankomme. Es gehe nicht darum, welche der ihm obliegenden Leistungsplichten der Verkäufer inwieweit erfüllt habe, sondern um die Erfüllung des typischen Käuferinteresses788 bzw. die Herbeiführung des wesentlichen, vom Käufer angestrebten Geschäftserfolges789. Wenn und weil dies bereits mit der Übergabe erreicht werde, habe der Verkäufer, der sich in diesem Moment jedenfalls der Ware entäußere,790 den Kaufpreis endgültig verdient. Die Eigentumslage sei insofern unmaßgeblich, weil die obligatorische Gefahr allein zwischen den Vertragsparteien zu verteilen sei und insoweit bereits mit der Übergabe feststehe, dass die verkaufte Sache nunmehr dem Käufer gehöre, auch wenn er noch nicht (im Verhältnis zu Dritten) die formale Eigentümerposition erlangt 783 

So die „Erfüllungshandlungstheorien“ Oertmanns und Schilchers, dazu: B.II.3.b)ii)3). Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Käufer sich die Ware, die er sonst beim Verkäufer abholen müsste, schicken lässt (Versendungskauf). Auf einer vergleichbaren Linie liegt der Fall der Lieferung unter Eigentumsvorbehalt, bei dem die Ware nur deshalb nicht zugleich mit ihrer Übergabe auch übereignet wird, weil der Käufer eine Kreditierung des Kaufpreises wünscht. 785  Dazu: B. I. 1.c)v)). 786  Dazu: B. I. 4.c)ii). 787  Dazu: B.II.1.d)ii)2). 788  So die „Heck’sche Erfüllungstheorie“, dazu unten: B.II.3.b)ii)1). 789 Vgl. Raab (1999) – Austauschverträge, S. 333 mit Fn. 62. 790  v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 247. 784 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

habe.791 Deshalb sei der Kauf typischerweise bereits mit der Übergabe inter partes erfüllt.792 Auch dies entspricht seinem materiellen Gehalt nach der Deutung der ratio legis der periculum est emptoris-Regel, und zwar nach der „Entäußerungstheorie“. Denn diese erklärte die römisch-rechtliche Käufergefahrtragung damit, dass der Käufer vom Verkäufer bereits durch den Kaufabschluss erhalten habe, was der Verkäufer ihm schulde, und dass die spätere Herausgabe der verkauften Sache eigentlich schon nicht mehr der Erfüllung des Kaufvertrages gedient, sondern darauf beruht habe, dass die verkaufte Sache bereits ab Kaufabschluss dem Vermögen des Käufers zugeordnet gewesen sei.793

Im Unterschied zu den sog. Erfüllungshandlungstheorien bürden die Auffassungen, die einen effektiven „Wechsel der tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse“794 für den Gefahrübergang verlangen, dem Verkäufer immerhin das Risiko des Eintritts dieses Erfolges auf.795 Solch ein modifiziertes Verständnis des Austauschgedankens berührt und überschneidet sich mit einer Interpretation des casum sentit dominus-Satzes, wonach es nicht auf die dingliche Berechtigung ankommen soll, sondern darauf, dass der „Vermögensherr“ der verkauften Sache – d. h. derjenige, der bei wirtschaftlicher Betrachtung „am nächsten dran“ und im Schadensfall der „zuerst Betroffene“ sei – die Gefahr tragen müsse796. Der Unterschied besteht freilich darin, dass jener Ansatz den Gefahrübergang vom Verkäufer auf den Käufer mit der (Quasi-)Erfüllung des Vertrages durch Übertragung der „Herrschaftsposition“ begründet, während dieser die Gefahr­tragung unabhängig davon, ob überhaupt ein (wirksamer) erfüllbarer Vertrag besteht, aus der „Herrschaftsposition“ als solcher ableitet.797 Dies entspricht der Begründung, mit der die erste BGB-Kommission es rechtfertigte, dass (beim Grundstückskauf) nicht nur die Übertragung der rechtlichen Herrschaft (Übereignung), sondern auch die Erlangung der faktischen Herrschaft (Übergabe) für sich allein genommen den Gefahrübergang herbeiführe.798 791  Vgl. dazu m. w. N. Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 67 f.: Die Eigentumslage spiele vornehmlich im Verhältnis zu Dritten eine Rolle, während der Gefahrübergang ausschließlich ein Problem zwischen Verkäufer und Käufer sei. 792  Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 69. 793  Dazu: B. I. 1.c)ii). 794  v. Gierke (1917) – Deutsches PrivatR III, S. 447 f.; vgl. auch Froelich (1906) – Gefahrübergang, S. 18 f., 58: Die Gefahrübernahme sei im Prinzip an die „Gewinnung der tatsächlichen Herrschaft“ geknüpft. 795  Schilcher JBl 1964, 395 (404) sprach deshalb insoweit von „verkappten Sphärentheorien“. 796  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 70 ff., 87 ff.; ders. JR 1998, 446 (451); ders. in: FS Ehmann (2005), 135 (138 ff.). Dazu unten: B.II.3.c). 797  Zu den Unterschieden, die zwischen der Begründung des § 446 mit dem synallagmatischen Prinzip („inter partes Erfüllung“) und dem Prinzip casum sentit dominus bestehen bleiben, auch wenn man in beiden Fällen eine wirtschaftliche Betrachtungsweise vornimmt, vgl. Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 91 f. („grundverschiedene Ansätze“). 798  Dazu oben: B.II.1.c)i)2)(a).



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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Der Gedanke der faktischen Herrschaft über die verkaufte Sache wurde noch unter einem anderen Gesichtspunkt in der Literatur entfaltet, den die Mehrheit der zweiten BGB-Kommission als Billigkeitserwägung herangezogen hatte799. Dieser Begründungsansatz rückt die infolge der Übergabe hergestellte bzw. durch die Übergabe herzustellende Sachlage unter dem Aspekt der Risikobeherrschbarkeit in den Mittelpunkt. Er steht losgelöst von den dogmatischen Ansätzen, die den Gefahrübergang damit begründen, dass die Übergabe der wesentliche Erfüllungsakt sei oder dass der Verkäufer dem Käufer die Vermögensherrschaft überlassen müsse.800 Vornehmlich geht es dabei um ökonomische Erwägungen, die unter Umständen auch dem typischen Parteiwillen entsprechen mögen, aber nicht müssen. Danach soll es sachgerecht sein, denjenigen mit der Gefahr zufälliger Schadensereignisse zu belasten, der am ehesten in der Lage ist, für die Sicherheit der Sache zu sorgen (Beherrschbarkeitsvorsprung), sei es durch Abschirmung gegen schädliche Einwirkungen „von außen“ oder durch die Vermeidung von schädlichen Wirkungen aus der eigenen „Einwirkungs- und Überwachungssphäre“801. Die Risikobeherrschbarkeit, die eine Schadenszuweisung rechtfertigt, kann man konkret (Rückschluss von der Zumutbarkeit von Präventionsmaßnahmen auf die Beherrschbarkeit im normativen Sinne – Maßstab: Ist es im Einzelfall mit zumutbarem Aufwand möglich und daher zu erwarten, den eingetretenen Schaden abzuwenden?)802 oder abstrakt (Schaffung eines Anreizes zu optimaler Prävention durch möglichst weitreichende Belastung mit Gefahren und ihren wirtschaftlichen Auswirkungen ohne Rücksicht auf die Zumutbarkeit im Einzelfall – Maßstab: Welche Vertragspartei kann „nach abstrakt-typischen Grundsätzen am zuverlässigsten Planung und Realität aufeinander abstimmen sowie Störungen, die mit der Verwirklichung der Planung verbunden sind, am besten abwehren“?)803 bestimmen.

Weitere ökonomische Argumente, mit denen die Regelung des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. begründet worden ist, sind das Prinzip der Absorbierbarkeit, bei dem es um die Möglichkeit der Begrenzung (unvermeidbarer) Schäden, vor allem ihre „Versicherbarkeit“, geht, sowie das Bedürfnis nach Rechtssicherheit. Letzteres spreche dafür, eine Rechtsfolge (wie den Gefahrübergang) an einen klar und einfach zu erkennenden Tatbestand (wie die Übergabe) anzuschließen. 799  Namentlich ging es darum, beim Grundstückskauf zu rechtfertigen, warum die Gefahr auch schon mit der Übergabe übergehe, auch wenn der Käufer das Grundeigentum noch nicht erworben habe. Dazu oben: B.II.1.c)ii)1). 800  Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 66 ff. unterscheidet in der Begründung der Regelung des Gefahrübergangs beim Kauf nach dogmatischen, pragmatischen und ökonomischen Aspekten; dazu schon: B.II.1.c)i)1)(a) (in Fn. 104) sowie noch: B.II.4.c)iii)4). 801  Filios (1964) – Gefahrtrtagung, S. 16, 18. 802  Raab (1999) – Austauschverträge, S. 333 a. E.; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 33 f. Zur Risikozuweisung nach dem Gedanken der „Risikobeherrschung“: B.II.3.e). Diese Erwägung geht zumindest in die Richtung der Zuweisung gewisser typisierter Risiken (des „niederen“ Zufalls) zum Verkäufer im Rahmen der custodia-Haftung (dazu: B. I. 1.b)ii)) sowie im Rahmen eines das Wandelungsrecht ausschließenden „Verschuldens gegen sich selbst“ zum Käufer (dazu: B.II.4.c) ii)4)(d)) im römischen Recht. 803  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 79.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Für den Fall, dass die Parteien nichts Abweichendes vereinbart haben, wurde (und wird) vertreten, hätten die (dispositiven) gesetzlichen Gefahr­tragungsregeln, welche die Lücke in der vertraglichen Planung schließen müssen, sich in erster Linie an dem zu orientieren, was marktwirtschaftlich vernünftig sei. Dies seien abstrakte Kriterien, nach denen es auf Zumutbarkeits- und Billigkeitserwägungen im Einzelfall und das Verhältnis der Vertragspartner zueinander überhaupt nicht ankommt. Diese ökonomischen und pragmatischen Erwägungen sprechen dafür, „Übergabe“ als „Übertragung des unmittelbaren Besitzes“804 bzw. „Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache (§ 854 Abs. 1)“805 zu verstehen. Der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Begründungen ist komplex. Sie stehen nicht notwendig in einem Verhältnis der Exklusivität zueinander. So ziehen etwa auch Vertreter der Ansicht, dass die Gefahr­tragung beim Kauf prinzipiell erfüllungstheoretisch begründet sei, wie bereits die Verfasser des BGB in ihren Beratungen,806 durchaus weitere Erwägungen hinzu, um die dogmatisch anderweitig begründete Lösung zusätzlich zu stützen oder um Durchbrechungen oder Modifikationen derselben in bestimmten Fällen zu rechtfertigen. So wurde und wird etwa die Erwägung, dass der Käufer nach der Übergabe jedenfalls besser als der Verkäufer in der Lage sei, für die Sicherheit der verkauften Sache zu sorgen, hinzugezogen, um zu begründen, warum er die Gefahr tragen soll, obwohl der Kaufvertrag allein durch die Übergabe noch nicht erfüllt ist. Zur Zuweisung unvorhersehbarer und unvermeidbarer Schadensereignisse ist dieses Argument allerdings nicht geeignet. Diese Legitimationslücke lässt sich wiederum mit der Erwägung schließen, dass der Käufer dem Verkäufer auch solche Risiken abnehmen müsse, wenn und weil er nach der Übergabe wenigstens im Verhältnis zum Verkäufer bereits wie ein Eigentümer da stehe und damit im Wesentlichen das erhalten habe, worauf es zwischen den Parteien ankomme.807

Von den erfüllungstheoretischen Ansätzen aus ist das Argument der Risikobeherrschung jedenfalls nicht für sich allein genommen geeignet, die Gefahrverteilung beim Kauf zu erklären. Nach Ansicht Reinhardts ist es bei dem von ihm vorgeschlagenen Verständnis des Satzes casum sentit dominus sogar völlig unerheblich. Denn mit der „Vermögensherrschaft“ lässt sich die Zuweisung auch solcher Risiken zum Käufer begründen, die tatsächlich nicht beherrschbar sind.808 Die „Risikosphäre“ bzw. der „Verantwortungsbereich“, innerhalb dessen den Käufer die Gefahr treffen 804  Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 446 Rn. 6; Saenger in: Hk-BGB (2014), § 446 Rn. 4; Berger in: Jauernig (2014) – BGB, § 446 Rn. 5; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 446 Rn. 7. 805  Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 446 Rn. 20. 806  Dazu oben: B.II.1.c)iii). 807  Deshalb meinte Schilcher, die Ansicht, dass der Verkäufer über die Vornahme der geschuldeten Leistungshandlungen hinaus bis zum Eintritt des Leistungserfolges die Gefahr zu tragen habe, beruhe auf einer „Sphärentheorie“. Dazu bereits bei und in Fn. 795. 808  In diese Richtung geht auch Flumes Lehre von der vermögensmäßigen Entscheidung, die freilich nicht auf die Gefahr­tragung beim Kauf beschränkt ist, sondern auch und vor allem das Problem der Gefahr­tragung bei nichtigen Austauschverträgen lösen soll; dazu: B.II.4.a)iii)2) und B.II.4.c)iii)1)(c).



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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soll, wird demnach nicht faktisch nach den Möglichkeiten der Gefahrenabwehr bestimmt, sondern vermögensrechtlich-normativ beschrieben.809 Reinhardt hält allerdings auch die erfüllungstheoretischen Erwägungen für verfehlt.810 Dagegen soll sich nach Koller, der für eine erfüllungstheoretische Begründung auch nicht viel übrig hat,811 die Gefahrverteilung beim Kauf gem. § 446 Abs. 1 S. 1  (a. F.) sogar in erster Linie nach dem Prinzip der (Risiko-)Beherrschbarkeit richten, weil diese (dispositive) gesetzliche Regelung dem ordnungspolitischen Ziel einer marktwirtschaftlich vernünftigen Risikoallokation sowie dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit zu dienen bestimmt sei.

b)  Rechtfertigung mit dem synallagmatischen Prinzip („Austauschgedanke“) Eine Untersuchung der Frage, inwieweit bzw. unter welchem Aspekt der Kaufvertrag bereits durch die Übergabe erfüllt werde, muss bei der Bestimmung des Inhalts und der Reichweite der Leistungspflicht des Verkäufers ansetzen. Es ist zu klären, was der Verkäufer schuldet und inwieweit er die geschuldete(n) Leistung(en) bereits durch die Übergabe bewirkt. Nach dem Wortlaut des § 433 Abs. 1 S. 1 a. F. war „der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen“. Wenn auch nicht ausdrücklich im Gesetz genannt, bestand beim Stückkauf, der das Leitbild des Kaufrechts abgab, eigentlich auch eine Erfüllungspflicht bezüglich der sachlichen Beschaffenheit der Kaufsache insofern, „als der Verkäufer verpflichtet war, die Kaufsache entsprechend der Kaufvereinbarung so zu übergeben, wie sie z. Z. des Abschlusses des Kaufvertrages existierte“.812 Diese trat aber in den Hintergrund, da ein Erfüllungsanspruch des Käufers auf Leistung der Kaufsache in mangelfreiem Zustand durch die Regelung des Kaufrechts unter dem BGB von 1900 beim Stückkauf grundsätzlich nicht gewährt wurde813 und deshalb insbesondere auch keine verschuldensunabhängige Verpflichtung des 809  Vgl. im antiken römischen Recht die Abgrenzung der wesentlich in der Bewachungsmöglichkeit des Verkäufers begründeten custodia-Haftung des Verkäufers (periculum custodiae) bis zur Übergabe gegen die wesentlich in der Vermögensherrschaft des Käufers begründete Gefahr­ tragung des Käufers (periculum vis maioris) ab Vertragsschluss, dazu: B. I. 1.b)i)und B. I. 1.b)ii). 810  Reinhardt (1982) – Gefahr­tragung, S. 64 f. 811  Die „Austauschgerechtigkeit“ erwähnt Koller als gesetzgeberisches Motiv nur am Rande, um zu rechtfertigen, warum dem Verkäufer bis zur Übergabe der verkauften Sache das vom Käufer veranlasste und deshalb eigentlich vom Käufer zu tragende „Lagerrisiko“ auch insoweit zugewiesen sei, wie es um evident unbeherrschbare Gefahren gehe; vgl. Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 155, dazu noch in Fn. 988. Im Grunde bestand sein Anliegen aber darin, die „rigide, um den Unmöglichkeits- und Leistungsbegriff kreisende Risikozuordnung“, die der ursprünglichen Konzeption des BGB entspreche, aufzulockern und durch ein differenziertes Verteilungssystem zu ersetzen; a. a. O., S. 7 ff., 435 f. 812  Flume (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 39. Dazu bereits: B.II.1.d)i)1) bei und in Fn. 312. 813  Flume (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 35 ff. Dazu bereits: B.II.2.e)iii)3)(b) bei Fn. 727.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Verkäufers zur Nachbesserung oder auch nur zur Wiederherstellung des vertragsanfänglichen Zustandes vorgesehen war. Daher hätte das Vorliegen von Sachmängeln für die Frage, ob der Verkäufer das Risiko, den Anspruch auf den Kaufpreis zu verlieren, durch die Erfüllung der ihm obliegenden Leistungspflicht ausgeschaltet habe, selbst dann außer Betracht bleiben müssen, wenn man § 323 a. F. auf den Kauf direkt angewendet hätte.814 Bei Anwendung von § 323 a. F. auf den Kauf hätte der Verkäufer zur „Sicherstellung“ des Kaufpreisanspruchs die gesamte ihm obliegende Leistung bewirken müssen. Allein mit der (zwecks Erfüllung des Kaufvertrages vorgenommenen) Übergabe der verkauften Sache war (und ist) die Leistungspflicht des Verkäufers jedoch nicht erfüllt, falls die Übergabe nicht zugleich gem. § 929 S. 1 dem Käufer (aufgrund entsprechender dinglicher Einigung) das Eigentum verschafft. Schuldet er (nur) Übergabe und Übereignung, hat der Verkäufer bei formaler Betrachtung ggf. lediglich „die Hälfte“ der ihm obliegenden Leistung erbracht. Im Folgenden sollen die bereits einleitend angesprochenen Versuche der rechtswissenschaftlichen Literatur, zu begründen, warum § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. die Übergabe für den Gefahrübergang gleichwohl ausreichen ließ, einer näheren Betrachtung unterzogen werden.

i)  „Wirtschaftliche Erfüllung“ oder Befriedigung des typischen Käuferinteresses mit Übergabe Um die Regelung des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. als Ausdruck des synallagmatischen Gefahr­tragungsprinzips begreifen zu können, ist argumentiert worden, mit der Verschaffung der Sachherrschaft und Nutzungsmöglichkeit durch die Übergabe befriedige der Verkäufer das typische Käuferinteresse, wodurch der Kaufvertrag inter partes erfüllt werde.815 Von dieser Erfüllung hänge der Gefahrübergang beim Kauf 814 Vgl. Heck (1929) – SchuldR, S. 279 (§ 89.3) und Flume (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 40 mit Fn. 19: Anwendbarkeit des § 323 a. F. sei zu verneinen, soweit die Mangelhaftung eingreife. Ausführlich zu der Frage, welchen Einfluss das Vorliegen von Sachmängeln auf den Gefahrübergang gem. § 446 a. F. habe, unten: B.II.4. 815 So Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 69; Beitzke MDR 1947, 281 (282): „Die Lieferung der Sache, nicht die Eigentumsübertragung, ist für den Käufer das Wesentliche.“ Denn mit dem Besitz erhalte der Verkäufer auch Gebrauch und Nutzen; so auch Rabel (1958) – Warenkauf II, S. 310. Westermann JA 1978, 481 (484): „Vom Sinn des § 446 her gesehen, hängt der Gefahrübergang hauptsächlich davon ab, daß dem Käufer die wirtschaftliche Nutzung der Kaufsache ermöglicht worden ist und ihm deshalb (siehe auch § 446 I 2) auch die Vergütungsgefahr zugemutet werden kann.“ Ähnlich Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 16–18: Die „Übergabe“ stelle einen zentralen Punkt in der Verpflichtung des Verkäufers dar. Durch sie gelange die Sache in die „Einwirkungssphäre“ des Käufers, wodurch er sowohl die Nutzungs- als auch die Überwachungsmöglichkeit erhalte, außerdem verliere der Verkäufer weitgehend die „rechtliche Herrschaft“ über die Sache. Dazu unten: B.II.3.b)ii)2). Nach Bucher in: Wiener Kaufrecht (1991), 13 (41) ist die Pflicht zur Übergabe die „wichtigste Verkäuferpflicht“ und „gleichzeitig die Pflicht, deren Erfüllung äusserlich sichtbar“ sei, weshalb Gefahrübergang mit faktischer Übergabe „ein einleuchtendes einfaches Prinzip“ sei, das „allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen“ entspreche.Vgl. auch Heck  (1929)  – SchuldR, S. 260 (§ 83, 6.a): „die Interessenlage, auf die es in erster Linie



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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ab.816 Auf die Übereignung komme es mit Blick auf die zwischen den Parteien zu verteilende (obligatorische) Gefahr dagegen im Verhältnis der Parteien zueinander nicht an, weil die Eigentumsverhältnisse nur im Verhältnis zu Dritten eine Rolle spielten.817 Dieses Argument entspricht der zur periculum emptoris-Regel vertretenen Rechtfertigung, dass nach antikem römischen Recht der Kauf stets, selbst noch in seiner Gestalt als Konsensualkontrakt, ein Rechtsakt mit gewissen quasi-dinglichen Wirkungen gewesen sei, so dass bereits durch den Kaufabschluss der angestrebte Wechsel der verkauften Sache vom Vermögen des Verkäufers in das des Käufers vollzogen worden sei.818 Auch in diesem Zusammenhang heißt es, der (durch traditio beschaffte) Eigentumserwerb sei nur im Verhältnis zu Dritten von Bedeutung und daher für die Frage der Gefahrverteilung zwischen den Kaufparteien nicht ausschlaggebend gewesen. Dieser Gedanke wird gewissermaßen auf die rein obligatorische Struktur des Kaufs unter der im BGB durchgeführten prinzipiellen Trennung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft übertragen, wenn man sagt, dass der Gefahrübergang mit Übergabe auf dem Gedanken des Wechsels der Vermögensherrschaft beruhe:819 Die unmittelbar objektzuordnende Wirkung inter partes, die im antiken römischem Recht bereits der Kaufabschluss gehabt haben mag, wird demnach heute der Übergabe (aufgrund eines wirksamen Kaufvertrages) zugeschrieben und der Gefahrübergang konsequenterweise nicht an den Vertragsschluss, sondern an die Übergabe geknüpft.

Das Erfordernis der Erfüllung820 der dem Schuldner obliegenden Leistung zur Verfestigung des Anspruchs auf die Gegenleistung wird also nicht formal-schuldrechtlich auf die Erledigung des Pflichtenprogramms des Verkäufers bezogen (Erbringung oder Bewirkung der Leistung), sondern auf die Erreichung des wirtschaftlich umschriebenen Geschäftszwecks, eben die „Befriedigung des typischen Vertragsinteresses des Käufers“821. Darin unterscheidet sich diese „besondere Spielform“ des Synallagma-Gedankens822 von den eigentlichen Erfüllungstheorien823. ankommt…“; dazu sogleich: B.II.3.b)ii)1). Im Überblick zu den Versuchen einer Rechtfertigung des gefahrtragungsrechtlichen Traditionsprinzips nach dem Gedanken der Erfüllung auch: Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 64 f.; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 34 ff. 816  Hager  (1982)  – Gefahr­tragung, S. 69, und weiter: „Unter dem dogmatischen Gesichtspunkt ist die Ableitbarkeit einer Gefahr­tragungsregel zum Kauf aus dessen synallagmatischer Natur stimmig. Gefahrübergang bedeutet, daß der Verkäufer den Kaufpreis endgültig verdient hat, daß sich sein Kaufpreisanspruch verfestigt, daß ihn das Schicksal der Kaufsache nichts mehr angeht, daß die Sache vielmehr bereits dem Vermögen des Käufers zugerechnet wird. Diese Rechtsfolge ist aber erst dann gerechtfertigt, wenn der Verkäufer jedenfalls inter partes den Vertrag erfüllt hat.“ 817  Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 69 m. w. N. 818  Dazu oben: B. I. 1.c)ii). 819 Vgl. Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 93. 820  In § 323 Abs. 1 a. F. (vgl. § 326 Abs. 1) markiert die Erfüllung den Zeitpunkt, nach dem die dem Schuldner obliegende Leistung nicht mehr unmöglich werden und der Anspruch auf die Gegenleistung jedenfalls deshalb nicht mehr wegfallen kann. Dies ist erst mit Eintritt des Leistungserfolges der Fall. 821  Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 69; vgl. dazu Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 64. 822  Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 36. 823  Dazu sogleich: B.II.3.b)ii).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Die Kritik, dass es sich bei dieser Erklärung eigentlich um die Begründung einer Durchbrechung des synallagmatischen Gefahr­tragungsprinzips (und nicht um die Durchführung desselben) handele,824 ist unpräzise und überspitzt. Denn sie fragt nicht nach dem Gedanken „hinter“ § 323 Abs. 1 a. F., also nach dem Inhalt des Prinzips, das in § 323 Abs. 1 a. F. bzw. § 326 Abs. 1 eine bestimmte allgemeine Ausformung gefunden hat (vgl. insb. Heck: „Austauschgedanke“825) und in einem speziellen Kontext wie dem Kaufrecht durchaus anders ausgeprägt sein kann, sondern setzt die positivrechtliche Bestimmung, die „Ausformung“, kurzerhand mit dem Prinzip gleich. Nicht von der Hand zu weisen ist aber Reinhardts Kritik an der Formulierung, dass der Kauf bereits durch die Übergabe „inter partes erfüllt“ sei. Denn (auch) die Eigentumsverschaffungspflicht des Verkäufers besteht für den Verkäufer gerade dem Käufer gegenüber, also inter partes. Bereits die Gesetzesverfasser hoben allerdings hervor, dass der Übergang zum Rechtsverschaffungsprinzip nichts daran ändere, dass der Käufer in erster Linie daran interessiert sei, die verkaufte Sache körperlich zu übernehmen und, ungestört sowohl durch den Verkäufer als auch durch Dritte, für sich nutzen zu können.826 Deshalb reiche bereits die Erlangung der (rechtlich gesicherten) faktischen Herrschaft für den Gefahrübergang aus (auch wenn die rechtliche Herrschaft mit dem Eigentum erst später übergehe).827 Dass der Käufer dem Verkäufer und Dritten gegenüber bereits ab der Übergabe weitgehend wie ein Eigentümer berechtigt ist, räumt Reinhardt auch selbst ein.828 Die Gründe dafür, dass er den Begriff der „wirtschaftlichen Erfüllung“ oder „inter partes Erfüllung“ ablehnt, während er den Begriff des „wirtschaftlichen Eigentums“ weitaus weniger problematisch findet,829 liegen woanders.830

ii)  Erfüllungstheorien zum Verhältnis von § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. zu § 323 Abs. 1 a. F. Auch die eigentlichen Erfüllungstheorien beton(t)en, dass das Gesetz den Gefahrübergang mit der Übergabe verknüpfe, wenn und weil der Verkäufer sich in diesem Moment der verkauften Sache zumindest im Verhältnis zum Käufer entäußere und für den Käufer damit der Zweck des Geschäfts im Wesentlichen erreicht sei. Was eine gesonderte Darstellung dieser Theorien rechtfertigt, ist der Umstand, dass sie sich nicht auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise oder die Auslegung des 824 Vgl.

Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 64 m. w. N. (Fn. 63). Dazu sogleich: B.II.3.b)ii)1). 826  Vgl. dazu oben: B.II.1.b)ii) und: B.II.1.c)i)2)(a) nach Fn. 166. 827  Dazu oben: B.II.1.c)i)2)(a). 828  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 89–93. 829  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 75 f. 830  Es geht ihm darum, die Gefahr­tragung gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. auf ein übergeordnetes Prinzip zurückzuführen, das auch dann gilt, wenn der Vertrag noch nicht oder nicht mehr wirksam ist. Dazu noch unten: B.II.3.c)i). 825 



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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typischen Vertragswillens beschränken, sondern versuchen, den kaufrechtlichen Gefahrübergang dogmatisch im Zusammenhang mit der Grundregel des gegenseitigen Vertrags, wonach jede Partei die Gefahr der Gegenleistung zu tragen hat, bis die ihr selbst obliegende Leistung vollständig bewirkt ist (§ 323 Abs. 1 a. F. bzw. § 326 Abs. 1 S. 1), zu erklären. Solche dogmatischen Argumente sind von herausragender Bedeutung für die Entwicklung von Lösungen für neuartige Probleme, die sich aus einer Erweiterung des Leistungsumfangs für den Verkäufer mit Blick auf die Gefahr­tragung ergeben.831

1)  Heck’sche Erfüllungstheorie: § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. als Durchführung des § 323 Abs. 1 a. F. Um die Übereinstimmung zwischen dem in § 323 a. F. verankerten „Austauschgedanken“ und dem der Regelung des § 446 Abs. 1 S. 1 a.F zugrunde liegenden Traditionsprinzip zu erklären, bildete Heck832 als Ausgangspunkt den Fall des Verkaufs eines Grundstücks, bei dem das aufstehende Haus zwischen der Grundstücksübergabe und der Auflassung durch ein Feuer vernichtet werde, und wendete auf diesen § 323 Abs. 1 a. F. an: Der Verkäufer habe durch die Übergabe zwar nur eine Teilleistung erbracht, weil das Eigentum noch nicht übertragen sei. Soweit seine Leistung durch die Besitzübertragung bereits bewirkt sei, könne sie aber nicht mehr unmöglich werden.833 Die Übertragung des Grundeigentums durch Auflassung und Eintragung stehe zwar noch aus, aber die Erfüllbarkeit (Nachholung der Erfüllung) dieses Teils der Leistung lasse der Hausbrand unberührt. Sodann zog Heck zum Vergleich den Fall der Übergabe einer beweglichen Sache, die nicht das Eigentum überträgt, heran. Das Ergebnis sei dasselbe: Werde die übergebene Sache, z. B. ein unter Eigentumsvorbehalt gelieferter Schrank, nur beschädigt, liege wiederum kein Grund vor eine Vereitelung der Übergabe anzunehmen; ebenso sei aber die Eigentumsverschaffung bei einer bloßen Beschädigung nach wie vor möglich geblieben. Deshalb müsse die Behandlung die gleiche sein wie bei dem Hausbrand-Fall. Schließlich kam er zu dem Fall, dass die unter Eigentumsvorbehalt gelieferte bewegliche Sache vollständig untergeht, der Schrank „zu Asche verbrennt“. Hier erscheine die Annahme, dass die Übereignung nach wie vor möglich sei, zweifelhaft. Dies sei aber nur eine konstruktive Schwierigkeit, denn „die Interessenlage, auf die es in erster Linie ankommt“, sei „ganz dieselbe wie bei der Beschädigung“. Mit diesem Argument schob er diffizile Abgrenzungsfragen zwischen Sachbeschä831  Namentlich bei der Untersuchung der Frage, ob und inwieweit das Vorliegen von Sachmängeln nach der Reform des Kaufrechts dem Gefahrübergang entgegensteht, weil eine mangelhafte Leistung des Verkäufers nicht erfüllungstauglich ist, seit das Gesetz gem. § 433 Abs. 1 S. 2 den Erfüllungsanspruch des Käufers auch auf die Mangelfreiheit bezieht. Dazu: B.III. 832  Heck (1929) – SchuldR, S. 259 f. (§ 83.6.a). 833  Wenn das Haus nach dem Vollzug der Besitz übertragenden Übergabe abbrenne, „so ist das ein Umstand, der in die Sphäre des Käufers gehört und die Uebergabe nicht rückgängig macht.“

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

digung und -untergang beiseite. Die „konstruktiven Bedenken“834 schaltete er mit der Erwägung aus, dass selbst dann, wenn man annehme, dass die Eigentumsübertragung nach dem Sachuntergang unmöglich sei, „in diesem Falle die Ursache für die Unmöglichkeit der Eigentumsverschaffung in die Vertretungssphäre des Gläubigers fällt und [bei Anwendung des § 323 Abs. 1 a. F.] deshalb eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 324 geboten sein würde.“

Heck ging also davon aus, dass die Übergabe mit Blick auf die Leistungspflicht des Verkäufers zur Übergabe und Übereignung eine Teilerfüllung bewirke und dass die Leistung jedenfalls insoweit, wie sie bereits erfüllt wurde, nicht mehr unmöglich werden könne.835 Im Übrigen bleibe der Verkäufer zwar weiterhin gem. § 323 Abs. 1 a. F. bis zur vollständigen Erfüllung mit der Gefahr belastet, weshalb er den Anspruch auf den Kaufpreis auch grundsätzlich verlieren müsse, wenn etwa die Erfüllung der Eigentumsverschaffungspflicht nach der Übergabe wegen des zufälligen Untergangs der gelieferten Sache unmöglich werde. In konstruktiv fragwürdiger Weise verneinte Heck aber selbst in dem Fall, in dem die verkaufte bewegliche Sache nach ihrer Übergabe an den Käufer geradezu pulverisiert wurde und daher nicht mehr als Objekt einer Übereignung vorhanden ist, die Unmöglichkeit der Erfüllung der dem Verkäufer nach wie vor obliegenden Eigentumsverschaffungspflicht mit der Begründung, dass sich die maßgebliche Interessenlage hierbei nicht von der Situation, in welcher der Schrank lediglich beschädigt werde (und daher selbstverständlich noch übereignet werden kann), unterscheide. Dies läuft auf die Annahme hinaus, dass die Übergabepflicht die eigentliche Hauptleistungspflicht des Verkäufers sei.836 Wenn der Käufer nach der Erfüllung dieser Pflicht (durch die Übergabe) den Kaufpreis mitunter auch dann zahlen muss, wenn das, was der Verkäufer ihm danach noch übereignet, nur ein Häuflein Asche ist, dann wird nämlich zumindest in diesem Fall837 infolge der Teilerfüllung des Kaufvertrages (durch Übergabe) gewissermaßen fingiert, dass „die gebotene Interessenbefriedigung“ insgesamt schon stattgefunden habe und dass die Erfüllung des noch ausstehenden Leistungsrests (Übereignung) deshalb nicht mehr unmöglich werden könne.838

834 

Es liege der Einwand nahe: „Wie soll es möglich sein, Eigentum zu übertragen, wenn die Sache gar nicht mehr vorhanden ist?“. 835  Heck (1929) – SchuldR, S. 131 (§ 43.3.b): „Eine bereits erfüllte Pflicht kann nicht unmöglich werden, die gebotene Interessenbefriedigung hat ja schon stattgefunden. Was später kommt, trifft den Gläubiger: casum sentit dominus.“ Diesen Gedanken überträgt Heck auf die durch die Übergabe (ohne Übereignung) bewirkte Teilerfüllung des Kaufvertrages. 836 Vgl. Schilcher JBl 1964, 395 (401 f., 403, 405). 837  Heck betont, dass dies nur für die Gefahr der Verletzung der körperlichen Beschaffenheit der gelieferten Sache gelte, die von dem Käufer abgewendet werden könnten. Dazu sogleich im Text. 838  Vgl. das Zitat in Fn. 835.



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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Gleichsam hilfsweise sicherte Heck diese These, hinsichtlich derer er konstruktive Bedenken selbst einräumte,839 durch die weitere Erwägung ab: Wenn die gelieferte Sache beim Käufer untergehe, ohne dass der Verkäufer etwas dafür könne, dann beruhe die Unmöglichkeit (!) der Erfüllung der Eigentumsverschaffungspflicht regelmäßig auf einem Umstand, den der Käufer – gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. – zu vertreten habe, so dass der Verkäufer den Anspruch auf die Gegenleistung ausnahmsweise gem. § 324 Abs. 1 a. F. (analog) behalte. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. erfüllte in dieser Theorie also den Zweck, anzuordnen, dass der Käufer die Unmöglichkeit der nach Übergabe noch ausstehenden Leistung des Verkäufers grundsätzlich i. S. von § 324 Abs. 1 a. F. zu vertreten habe, wenn sie auf einer (zufälligen)840 körperlichen Verletzung (Verschlechterung oder Untergang) der gelieferten Sache in seiner Obhut beruhe. Unklar ist der genaue Umfang der so begründeten „Vertretungssphäre“ des Käufers,841 insbesondere, ob er gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. auch solche Folgen einer Beschädigung der verkauften Sache, die schlechthin unvermeidbar waren, zu tragen haben sollte, wenn und weil die Sache sich nach ihrer Übergabe bei ihm befindet.842 Im Zusammenhang der Diskussion, ob gem. §§ 446, 447 (a. F.) auch die Gefahr des Besitzverlustes durch Diebstahl, Verwechslung seitens der Transportperson, Ablieferung an den falschen Empfänger sowie „Gefahren von hoher Hand“ wie insbesondere Beschlagnahme, Pfändung, Konfiskation übergehe, schreibt Heck immerhin:

839  Dazu auch Filios (1964) – Gefahr­ tragung, S. 10 mit Fn. 9. Auch war Heck offensichtlich bewusst, dass es eigentlich sehr wohl einen Unterschied macht, ob die Sache, die übereignet werden soll, nur beschädigt oder total vernichtet wird. Eine Festlegung in der Frage, wann die Beschädigung so schwerwiegend ist, dass die Sache nicht mehr (als die verkaufte Sache) übereignet werden kann, und wann ein teilweiser Sachuntergang so wenig ins Gewicht fällt, dass die Sache gleichwohl noch (als die verkaufte Sache) übereignet werden kann, vermied er ausdrücklich. 840  Soweit der Käufer nach dieser Theorie kraft der speziellen Anordnung des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. negative Sachveränderungen zu vertreten haben sollte, schloss dies nicht aus, diese begrifflich gleichwohl als zufälliges Ereignis zu erfassen. Denn „Zufall“ setzt lediglich voraus, dass das Ereignis nach allgemeinen (haftungsrechtlichen) Grundsätzen von keiner Partei zu vertreten, insbesondere nicht schuldhaft verursacht, ist. Dazu v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 246 in Fn. 195. 841  Heck stellte (zur Regelung des § 324  Abs. 1  a. F.) lediglich fest, dass „das Gesetz die Verantwortungssphäre des Gläubigers sehr stiefmütterlich behandelt“ habe und dass „[d]arüber, welche Umstände von dem Gläubiger zu vertreten sind, … nichts gesagt“ werde. Diese Beurteilung, die Wahl zwischen Verschuldens- und Erfolgsprinzip sowie die „Bestimmung der Mittel, des Aufwandes, der den Gläubiger trifft“, sei „dem Leben und der Richterwürdigung überlassen“. Die Anforderungen seien aber, soweit sich das allgemein beurteilen lasse, „ziemlich streng“, jedenfalls strenger als der Maßstab des § 276. Vgl. Heck (1929) – SchuldR, S. 89 f. (§ 29). Dies kann damit begründet werden, dass der Gläubiger diesen Aufwand keinem anderen, insbesondere nicht dem Schuldner gegenüber schuldet. Es ist ihm überlassen, ob er ihn tätigt oder nicht. Er kann im eigenen Interesse kalkulieren, welcher Aufwand sich für ihn lohnt, um die Leistung zu erhalten. Er trifft diese Entscheidung im eigenen Interesse und auf eigene Gefahr. Dazu noch unten in Fn. 970 und Fn. 976. 842  Vgl. dazu v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 246 in Fn. 196.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

„Der § 323 ergibt den Uebergang der Gefahr mit der Uebergabe nur für solche Gefahren, die mit dem Besitze oder Transporte zusammenhängen, gerade von dem Besitzer abgewendet werden können. Bei den von der Lage der Sache unabhängigen Gefahren versagt diese Erwägung und führt der Austauschgedanke zur Befreiung des Käufers.“843

Darin deutet sich an, dass der Käufer nach dieser Theorie eine körperliche Beschädigung der gelieferten Sache, welche die Unmöglichkeit der (Rest-)Leistung des Verkäufers zur Folge hat, ausnahmsweise nicht gem. § 446 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 324 Abs. 1 a. F. zu vertreten haben sollte, wenn die Beschädigung schlechthin unvermeidbar war oder wenn sie die verkaufte Sache gleichfalls getroffen hätten, wenn diese sich noch beim Verkäufer befunden hätte.844 Hier hätte dann die Erfüllungstheorie – genau wie hinsichtlich solcher Gefahren, die nicht die körperliche Integrität der gelieferten Sache betreffen – eine weitreichende Gefahrbelastung des Verkäufers (im Einklang mit § 323 Abs. 1 a. F.) zur Folge. Im Gegensatz zu denjenigen, welche die Legitimation der Zuweisung auch unbeherrschbarer Gefahren zum Käufer daraus herleiteten, dass der Verkäufer mit der Übergabe den Kaufvertrag „so gut wie“ erfüllt habe, ging Heck demnach den umgekehrten Weg: Solche Gefahren, die unbeherrschbar sind, blieben gerade deshalb beim Verkäufer, weil er noch nicht vollständig erfüllt habe. Dagegen sollte der Käufer solche Gefahren, die, wie auch immer, abwendbar sind, nach einem sehr strengen Maßstab zu vertreten haben, nachdem der Verkäufer immerhin die Übergabe-Pflicht bereits erfüllt hatte.845

2)  Filios: Abweichung des § 446 a. F. von § 323 Abs. 1 a. F. (nur) in Ansehung der Eigentumsverschaffungspflicht Ähnlich wie Heck argumentierte Filios846, allerdings vermied er dessen „konstruktive Schwierigkeiten“ von vorneherein, weil er § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. nicht als restlose Durchführung des § 323 Abs. 1 a. F. erklärte. Die (einzige) Abweichung erblickt er darin, „daß die durch den zufälligen Untergang der bereits übergebenen Kaufsache herbeigeführte Unmöglichkeit der Eigentumsverschaffung den Kaufpreisanspruch des Verkäufers nicht berührt“847. Es bedarf demnach keiner Zurechnung des Ausschlusses der Eigentumsverschaffungspflicht zum Käufer gem. § 324 Abs. 1 a. F. und deshalb auch keiner Beschränkung der von ihm zu tragenden Gefahr auf seine „Vertretungssphäre“ (nur beherrschbare Gefahren). Dass der Käufer die Gefahr der zufälligen Verschlechterung der Kaufsache nach der Übergabe zu tragen habe, stelle dagegen keine Abweichung von § 323 Abs. 1  a. F. dar. Denn durch die Übergabe sei die Übergabe-Pflicht erfüllt, und 843  844 

Heck (1929) – SchuldR, S. 261 (§ 84.2). So auch Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 58, 134; vgl. v. Schenck (1950) – Sphäre,

S. 246. 845  Dazu in Fn. 841. 846  Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 15–19, 23 ff. 847  Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 27 (Hervorhebung d. Verf.).



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

261

soweit848 die Kaufsache bei der Übergabe sachmangelfrei gewesen sei, habe der Verkäufer auch in Ansehung der physischen Eigenschaften der Sache eine einwandfreie Leistung erbracht und also erfüllt. Eine erfüllte Pflicht könne aber – hier beruft sich Filios direkt auf Heck849 – nicht unmöglich werden.850 Die beschriebene Abweichung von § 323 Abs. 1 a. F. rechtfertige sich (bei beweglichen Sachen) aus dem Gedanken, dass der Verkäufer durch die Übergabe die Kontrolle über die Sache hinsichtlich ihrer physischen Existenz und hinsichtlich ihres rechtliches Umtauschwertes verloren, während der Käufer gleichzeitig sowohl die Überwachungs- als auch die Nutzungsmöglichkeit erhalten habe.851 Die Übergabe sei beim Verkauf beweglicher Sachen852 daher die Hauptpflicht.

3) Erfüllungshandlungstheorien853 (Oertmann, Schilcher) Nachdem er die Ansicht, dass der Gefahrübergang mit Übergabe nach § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. die effektive Besitz- und Eigentumsverschaffung erfordere,854 aufgegeben hatte, beschäftigte auch Oertmann die Frage, in welchem Verhältnis § 446 Abs. 1 S. 1, den er als „[e]ine der ungeklärtesten Vorschriften des BGB“ bezeichnete, zu § 323 Abs. 1 a. F. stehe.855 Er gelangte zu dem Ergebnis, dass die (einzige)856 Abweichung von § 323 Abs. 1 a. F. darin bestehe, dass beim Kauf für den Gefahrübergang die Vornahme der zur Bewirkung der Leistung notwendigen Leistungshandlungen ausreichend sei. Beim Kauf würde „ohne den § 446 … die Gefahr laut § 323 [a. F.] noch nicht übergehen, solange das Schuldverhältnis noch nicht erloschen, solange der Schuldner noch Schuldner, der Leistungserfolg noch nicht hergestellt ist. Die Vornahme der Leistungshandlungen würde zum Gefahrübergang nur dann, wenn darüber ein Angebot erfolglos hinzugetreten ist (§ 324 [a. F.]).“857 848 

Der Übergang der Gefahr der Verschlechterung bedeute, dass eine nach Übergabe erfolgte Verschlechterung der Kaufsache keine Auswirkungen auf den Kaufpreisanspruch des Verkäufers hätte und keine Gewährleistungsrechte des Käufers begründete. Dies lasse die Berechtigung des Käufers, Gewährleistungsrechte wegen im Zeitpunkt der Übergabe vorliegender Sachmängel geltend zu machen, unberührt. Dabei vernichte die Ausübung der Wandelung den durch die Übergabe herbeigeführten Gefahrübergang (mit Blick auf die weitere Verschlechterung der gelieferten Sache) praktisch. Dies sei eine „Reflexwirkung der Sachmängelgewährleistungspflicht des Verkäufers“. Vgl. Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 31–34. Dazu noch bei B. II.4.a)ii)1). 849  Dazu bereits Fn. 835. 850  Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 33. 851  Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 17–19. 852  Beim Grundstückskauf sei es nicht sachgerecht, für den Gefahrübergang alternativ die Besitz- oder Eigentumsübertragung ausreichen zu lassen, weil nach der typischen Interessenlage der Parteien die Erfüllung der einen Pflicht keinen Vorzug vor der Erfüllung der anderen verdiene, wie dies beim Kauf beweglicher Sachen der Fall sei; vgl. Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 19–22. 853  Begriff von Schilcher JBl 1964, 395 (405). 854  Dazu oben bei und in Fn. 779. Dazu auch Schilcher JBl 1964, 395 (404 f.). 855  Oertmann ZHR 93 (1929), 356 (385 ff.). 856  Dazu sogleich bei Fn. 866. 857  Oertmann ZHR 93 (1929), 356 (386).

262

B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Im Gegensatz dazu trete nach § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. der Gefahrübergang ein, „sobald der Verkäufer die ihm seinerseits nach Lage des Falls zwecks Herstellung des Leistungserfolges (Besitz- und Eigentumsverschaffung) obliegenden Leistungshandlungen im wesentlichen, d. h. abgesehen von den etwaigen negativen und sonstigen sekundären Nebenpflichten, vollzogen hat.“858

Dies gelte jedoch nur für solche Fälle, in denen der Leistungserfolg trotz Vollendung der notwendigen Leistungshandlungen deshalb noch nicht eingetreten ist, weil er nach dem Willen der Parteien noch nicht eintreten sollte.859 Dahinter steht die Überlegung, dass es in solchen Fällen regelmäßig – der Regelfall der Übergabe, die nach dem Parteiwillen zwar Besitz, aber (noch) kein Eigentum verschafft und deshalb auch nicht die Leistung des Verkäufers vollständig bewirkt860, war und ist die Lieferung verkaufter Ware unter Eigentumsvorbehalt – allein vom Käufer abhängt, ob und wann der Kaufvertrag erfüllt wird. Denn es liegt an ihm, den Kaufpreis zu bezahlen und damit für den Bedingungseintritt zu sorgen.861 Mit der Übergabe erlangt der Käufer bereits den rechtmäßigen Besitz an der Ware, der ihm, solange ein wirksamer Kaufvertrag mit dem Eigentümer besteht, weder von diesem (§ 986 Abs. 1 S. 1) noch von Dritten, an die der Eigentümer die Sache veräußert (§ 986 Abs. 2),862 streitig gemacht werden kann.863 Dies läuft auf eine unentgeltliche Gebrauchsüberlassung hinaus.864

Oertmann betonte allerdings, dass im Fall des Vorbehaltskaufs gerade nicht die bloße Besitzüberlassung (die Erfüllung der Besitzverschaffungspflicht) für den Gefahrübergang ausreiche. Entscheidend sei, dass ggf. neben der Übergabehandlung zugleich die gem. § 929 S. 1 erforderliche (dingliche) Einigungserklärung als weitere Leistungshandlung vollzogen werde, auch wenn diese unter einer aufschiebenden Bedingung abgegeben werde:

858 

Oertmann ZHR 93 (1929), 356 (393). Konnte der Leistungserfolg trotz Vollendung der Leistungshandlungen nicht eintreten, etwa weil der Verkäufer geschäftsunfähig war oder die Sache einem Dritten gehörte, komme es trotz Übergabe und dinglicher Einigung nicht zum Gefahrübergang; Oertmann ZHR 93 (1929), 356 (387–391). 860  Abzugrenzen von anderen Fällen, in denen die Leistungshandlungen – insbesondere die Übergabehandlung und Einigungserklärung – für sich schon vollendet sind, der Erfolg aber wegen eines vom Parteiwillen unabhängigen Hindernisses nicht eintreten kann, z. B. bei Geschäftsunfähigkeit des Verkäufers oder wenn dieser gar nicht Eigentümer der Ware und auch nicht verfügungsbefugt ist, vgl. dazu Oertmann ZHR 93 (1929), 356 (388, 390 f.). 861  v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 247 f.; vgl. Oertmann ZHR 93 (1929), 356 (388). 862  Baldus in: MüKo (2009) – BGB, § 985 Rn. 25; Gursky in: Staudinger (2013) – BGB, § 986 Rn. 49 ff. 863 Vgl. Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 89 f. („unentziehbare Rechtsposition“ gegenüber dem Verkäufer und jedem Dritten). 864  Durch die Zinsen, die der Verkäufer ab Übergabe schuldet, wird allein die Kreditierung des Kaufpreises vergolten; dazu: v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 247. 859 



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

263

„[W]as noch fehlt, die Erfüllung der Bedingung und damit der Leistungserfolg ‚Eigentumserwerb‘, vollzieht sich zwar nicht gerade automatisch, aber doch ohne Mitwirkung, selbst ohne Hinderungsmöglichkeit des Verkäufers“865.

Dass § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. die Vornahme der notwendigen Leistungshandlungen ausreichen lasse, sei nämlich die einzige Abweichung. Die Ansicht, dass die possessorische Übergabe gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. den Gefahrübergang bewirke, lehnte Oertmann ab, weil danach das Gesetz „nicht nur in einer, sondern gleich in zwei Richtungen [über § 323 a. F.] hinausgehen [würde] – die Gefahr würde übergehen können, nicht nur ohne daß der Leistungserfolg eingetreten ist, sondern selbst vor Vollendung der Leistungshandlungen des Schuldners.“

Dies sei nur bei § 446 Abs. 2 a. F. der Fall, der ausnahmsweise für den Gefahrübergang beim Grundstückskauf alternativ Übergabe oder Eigentumsverschaffung ausreichen lasse.866 Grundsätzlich müsse der Verkäufer die auf seinerseits notwendigen Leistungshandlungen restlos erfüllen. Insofern hat Schilcher die Erfüllungshandlungstheorie modifiziert („elastische Erfüllungstheorie“).867 Er stimmte Oertmann darin zu, dass die Vollendung der Leistungshandlungen des Schuldners das entscheidende Kriterium für den Übergang der Preisgefahr sei. Die Grundüberlegung des Gefahrübergangs sei, „daß der Käufer dann die Gefahr tragen soll, wenn es nur noch an ihm ist, den jeweiligen Vertragszweck zu verwirklichen“868. Hinter der Berufung auf die Erfolgswesentlichkeit verberge sich in Wirklichkeit eine Art „verkappter Sphärentheorie“.869 So wie einerseits Heck, für den sonst immer das Interesse der Parteien maßgeblich war und der darauf hinwies, dass beim Kauf ganz unterschiedliche Interessenlagen denkbar seien,870 mit seiner Erfüllungstheorie die Interessenlage beim Käufer generell auf die Besitzerlangung eingeengt habe, sei andererseits aber auch Oertmanns „Beschränkung des Leistungserfolges auf Besitz- und Eigentumsverschaffung“ zu eng871: 865  Oertmann ZHR 93 (1929), 356 (388); vgl. auch Schilcher JBl 1964, 395 (405): „‚Übergabe‘ im sachenrechtlichen Sinn müsste nämlich im Zweifel beim Kauf die dingliche Einigung voraussetzen…“. 866  Oertmann ZHR 93 (1929), 356 (386 f., 393). 867  Schilcher JBl 1964, 395 (405 ff.); dazu auch Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 35, 65. 868  Schilcher JBl 1964, 395 (406). 869  Schilcher JBl 1964, 395 (404). Zur Verdeutlichung bildete Schilcher den Fall, dass „das bereits verpackte Perlenkollier im Zuge eines Raubüberfalles auf das Juweliergeschäft gestohlen wird, während der Verkäufer die Rechnung ausstellt“ und bevor der Käufer den Kaufpreis entrichtet und das Kollier an sich genommen hat. Nur weil es sich um einen Handkauf handele, befinde sich der Käufer nicht in Annahmeverzug, obwohl der Verkäufer seine wesentlichen Akte bereits gesetzt hat (daher kein Gefahrübergang gem. § 324 Abs. 2 a. F.). Wenn man den Verkäufer nur deshalb noch mit der Preisgefahr belaste, weil der Leistungserfolg noch nicht eingetreten war (§ 323 Abs. 1 a. F.), sei das mit Erfüllungserwägungen eigentlich nicht zu begründen. Vielmehr beruhe die Entscheidung auf dem „Gefühl, daß der Diebstahl noch im Geschäftsraum des Juweliers geschah“. Dazu auch Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 35 mit Rn. 106. 870  Heck (1929) – SchuldR, S. 259 f. (§ 83.4, § 83.6.a). 871  Schilcher JBl 1964, 395 (406).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

„Inhalt eines Vertrages und damit schutzwürdiger Gegenstand des Käuferinteresses kann neben der bloßen Besitzeinräumung die reine Rechtsverschaffung, die gleichzeitige Rechtsund Besitzverschaffung, aber auch der nackte Vertragsschluss sein!“872

§ 446 Abs. 1  a. F. trage lediglich der häufigsten Interessenlage im Rechtsverkehr Rechnung und lasse die Gefahr in diesem Fall mit der Übergabe „d. h. mit Versetzung des Käufers in die ‚Gebrauchsnutzenposition‘“ übergehen.873 Man müsse in § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. die „doppelte praesumtio iuris des Gesetzgebers [erkennen]: die Gefahr geht danach im Zweifel mit der Übergabe (also nicht schon mit Vertragsschluss) über, und für diese Übergabe besteht im Zweifel die Vermutung, daß die den Besitz (also nicht das Recht) verschaffende gemeint ist“.874

Deutlicher als Oertmann875 arbeitete Schilcher zudem heraus, dass auch mit Blick auf die Erfüllung der Übergabe-Pflicht die Leistungshandlung und der Leistungserfolg durchaus nicht in eins fallen. Er war der Meinung, dass die Gefahr übergehe, wenn der Verkäufer es dem Käufer unmittelbar ermögliche, die verkaufte Ware an sich zu nehmen, ohne dass die Voraussetzungen des Annahmeverzugs vorliegen müssten.876

iii) Stellungnahme Macht man sich bewusst, worum es beim Gefahrübergang geht, ist klar, dass die Begründung jeder Regelung der obligatorischen Gefahrtragung zumindest ihren Ausgangspunkt bei erfüllungstheoretischen Erwägungen haben muss. Denn grundsätzlich hat der Schuldner erst dann nicht mehr zu befürchten, dass sein Anspruch auf die Gegenleistung infolge der Unmöglichkeit der ihm obliegenden Leistung wegfällt, wenn es ausgeschlossen ist, dass die ihm obliegende Leistung unmöglich wird. Dies ist erst mit der Erfüllung, d. h. der Bewirkung der Leistung, dem Eintritt des Leistungserfolges, der Fall. Denn – insoweit ist Heck877 uneingeschränkt zuzustimmen – eine erfüllte Pflicht kann nicht mehr unmöglich werden, weil sie 872 

Schilcher JBl 1964, 395 (402 ff.). Schilcher JBl  1964, 395 (406) sah dadurch auch den „einstens so unüberbrückbaren Gegensatz zwischen dem romanistischen und dem germanistischen System“ versöhnt: Beiden Systemen sei gemeinsam, dass der Gefahrübergang von der „Befriedigung des dem Vertrag entnehmbaren primären Parteiinteresses“ abhänge, der Unterschied liege allein im Umfang des praktischen Anwendungsgebietes des jeweiligen Prinzips. 874  Schilcher JBl 1964, 395 (406, vgl. auch 405 f.). 875  Im Prinzip musste auch Oertmann die der eigentlichen Übergabe (Erfüllung der ÜbergabePflicht) unmittelbar vorgelagertere Handlung des Verkäufers ausreichen lassen. Dass der Verkäufer nach seiner Theorie zur Bewirkung des Gefahrübergangs die zur Übergabe und Übereignung erforderlichen Leistungshandlungen vornehmen musste und die Übereignung beweglicher Sachen grundsätzlich gem. § 929 S. 1 die tatsächliche Übergabe erfordert, bedeutete aber, dass die effektive Übergabe notwendige Voraussetzung des Gefahrübergangs war. 876  Dazu bereits in Fn. 869. 877  Dazu oben in Fn. 835. 873 



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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bereits gem. § 362 Abs. 1 erloschen ist. Dies ist die „technische“ Aussage der §§ 323 Abs. 1  a. F., 326 Abs. 1 S. 1.878 Nach der Grundkonzeption des Rechts der gegenseitigen Verträge ist daher der „Leistungserfolg als verteilendes Element der Gefahr­tragung“879 maßgebend. Die Anordnung des „vorzeitigen“ Gefahrübergangs wegen Annahmeverzugs (§§ 324 Abs. 2 a. F., § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2) beruht auf der Erwägung, dass es nicht zu Lasten des Schuldners gehen soll, wenn es an der mangelnden Mitwirkungsoder Annahmebereitschaft des Gläubigers liegt, dass die Leistung noch nicht bewirkt ist und nur deshalb überhaupt noch anfällig für Störungen war, als der Leistungsgegenstand von einem Schadensereignis betroffen wurde. Der Schuldner wird in dieser Situation mit Blick auf die Gefahr­tragung (zufällige Störungen) ausnahmsweise so gestellt, als habe er bereits erfüllt (und sich den Anspruch auf die Gegenleistung damit endgültig verdient), als habe die Leistung deshalb nicht mehr unmöglich werden können. Gleiches ordnet das Gesetz für den Fall an, dass der Gläubiger die Unmöglichkeit zu vertreten hat (§ 324 Abs. 1 a. F., § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1), weil auch in diesem Fall dem Schuldner nicht zum Nachteil gereichen soll, dass er die versprochene Leistung infolge eines vertragswidrigen Verhaltens des Gläubigers nicht mehr bewirken kann. Damit sind die wesentlichen Zusammenhänge, die das Gesetz zwischen der Erfüllung und der Gefahr­tragung herstellt und welche die Grundlage der Erfüllungstheorien bilden, aufgezeigt. Heck spaltete die Leistung des Verkäufers in die Übergabe und die Übereignung der Kaufsache auf und betrachtete die Schicksale beider Leistungspflichten separat. Nach der Übergabe könne jedenfalls die Übergabe-Pflicht im Falle des Sachuntergangs nicht mehr unmöglich werden, weil sie bereits erfüllt ist. Falls infolge des Sachuntergangs Unmöglichkeit der Übereignung anzunehmen sei, behalte der Verkäufer seinen Kaufpreisanspruch nur, wenn und weil der Käufer die Unmöglichkeit zu vertreten habe. Filios erkannte ausdrücklich an, dass die Übereignung im Falle des Untergangs der verkauften Sache unmöglich werde, meinte aber, gerade darin, dass dies den Kaufpreisanspruch des Verkäufers keinesfalls mehr berühre, weiche § 446 Abs. 1 S. 1  a. F. von § 323 Abs. 1  a. F. ab. Durch Rückgriff auf „sphärentheoretische“ Erwägungen, nach denen die Verantwortlichkeit des Käufers ohne Rücksicht auf die Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des Schadensereignisses anzunehmen sein sollte, begründete er aber eigentlich eher die Durchbrechung des synallagmatischen Prinzips als die Durchführung desselben.880 Demgegenüber konzentrierten sich Oertmann und Schilcher strikt auf die Dogmatik der Erfüllung und versuchten die Ausnahme (§ 446 Abs. 1 S. 1 a. F.) aus der Regel (§ 323 Abs. 1 a. F.) selbst heraus zu begründen. Schilcher formulierte seine Grundannahme so, dass es bei der Problematik der Preisgefahr darum gehe, 878 

Zur historischen Entwicklung dieser Regelung und den ihr zugrunde liegenden sachlichen Erwägungen siehe oben: B. I. 3.b) und B.II.1.a). 879  Dazu (kritisch) Schilcher JBl 1964, 395 (404). 880  Vgl dazu unten: B.II.3.e).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

„einen einleuchtenden Grund für die Überwälzung der Gefahr auf den Käufer zu finden, der nicht nur auf der Ebene einer ohnehin unpassenden Billigkeit liegt. Dafür scheint eben der Gedanke der Erfüllung einen konkreten Anhaltspunkt zu liefern.“881

Der Gedanke der Erfüllung sei aber „von der Seite der Gefahr­tragung und nicht vom Grundsätzlichen der allgemeinen Vertragslehren her anzuschneiden“. So griff Oertmann – quasi zur Begründung eines gefahrtragungsspezifischen Erfüllungsbegriffs – auf diejenigen Voraussetzungen zurück, von denen der Gesetzgeber in § 243 Abs. 2 den Übergang der Leistungsgefahr bei der Gattungsschuld abhängig macht.882 Dies liegt nahe. Denn die Formel, dass der Schuldner das zur Erfüllung seinerseits Erforderliche getan haben müsse, um vor der eigentlichen Erfüllung den Gefahrübergang zu bewirken, ist, wie ausführlich dargestellt wurde,883 gerade das Ergebnis der Verallgemeinerung und Abstraktion der Voraussetzungen verschiedener Fälle, in denen beim gegenseitigen Vertrag ein „vorzeitiger“ Übergang der Gegenleistungsgefahr stattfindet (Annahmeverzug, Versendungskauf).884 Die Vorarbeit hatte insofern v. Jhering mit seiner Lieferungstheorie (zum Gattungskauf) geleistet.885 Diese Theorie, deren dogmatisches Defizit darin bestand, auch das Absenden bei der Schickschuld mit der Erfüllung gleichzusetzen, weil v. Jhering zwischen Leistungshandlung und Leistungserfolg nicht unterschied,886 verfeinerte Oertmann, indem er genau diese Unterscheidung herausarbeitete.887 Es ist von daher nicht verwunderlich, dass es ihm gelang, die §§ 446, 447 dogmatisch auf denselben Grundgedanken zurückzuführen.888

Die Erfüllungshandlungstheorie geht in ihren Konsequenzen aber, wie sich bei Oertmann nur andeutete889 und von Schilcher ausgeführt wurde890, über das, was v. Jhering und die Verfasser des BGB im Sinn hatten, hinaus. Denn ihr zufolge erfordert der Gefahrübergang beim Kauf nicht einmal die effektive Übergabe – es soll die Vornahme („Erfüllung“) der der eigentlichen Übergabe (= Leistungserfolg der Übergabe-Verpflichtung des Verkäufers) unmittelbar vorgelagerten Leistungs881 

Schilcher JBl 1964, 395 (404). 882 Vgl. Oertmann ZHR 93 (1929), 883  Dazu oben: B.II.1.d)ii). 884 

356 (364 f.).

Dazu oben: B.II.1.d)ii)2). Dazu oben: B. I. 4.c)ii). 886  Zu diesem dogmatischen Defizit der Lieferungs-/Erfüllungstheorie bereits oben: B. I. 4.c) ii) (bei und nach Fn. 461). 887 Dazu Oertmann ZHR 93 (1929), 356 (364 f., 374 f. 383). 888 Vgl. Oertmann ZHR 93 (1929), 356 (393 f.); Schilcher JBl 1964, 395 (407 f.). Auch für Heck (1929) – SchuldR, S. 260 (§ 84.6.c) war § 447 (a. F.) „keine abweichende Sondernorm, sondern nur eine richtige Folgerung aus dem Grundgedanken des § 323 [a. F.]“, so dass, „wenn § 447 fehlte, sich doch die gleiche Behandlung aus § 446 ergeben [würde]“. Er begründete dies damit, dass nach dem Austauschgedanken die entgoltene Verkäuferleistung am Erfüllungsort ende; deshalb sei „die Weitersendung an den Bestimmungsort eine unvergoltene ‚unselbstständige Geschäftsbesorgung‘“. 889  Dazu das Zitat oben bei Fn. 857. 890  Dazu oben bei und in Fn. 869 und 876. 885 



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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handlungen ausreichen:891 Wenn der Gläubiger die Möglichkeit habe, die verkaufte Sache unmittelbar an sich zu nehmen, habe der Schuldner alles getan, was man von ihm verlangen könne.892 Wie die Entstehungsgeschichte des § 243 Abs. 2 zeigt, hat der Gesetzgeber (im Einklang mit v. Jherings Lieferungstheorie) die Vornahme der notwendigen Leistungshandlung(en) jedoch nur in bestimmten Ausnahmefällen für den Gefahr(en)übergang ausreichen lassen wollen, nämlich bei der Schickschuld und bei Annahmeverzug des Gläubigers. Den Gefahrübergang mit Übergabe der verkauften Sache (§ 446 Abs. 1 S. 1 a. F.) hatte der historische Gesetzgeber in diesem Zusammenhang nicht im Blick. Dies deshalb, weil die Gesetzesverfasser bei den Beratungen über den Übergang der Leistungsgefahr bei der Gattungsschuld (wie vor ihnen schon v. Jhering) wie selbstverständlich davon ausgingen, dass beim Kauf beweglicher Sachen die Übergabe die „wirkliche Erfüllung“ zur Folge habe, so wie sie bei den Beratungen der Gefahr­tragung beim Kauf davon ausgingen, dass die Übergabe einer beweglichen Kaufsache außer dem Besitz regelmäßig auch das Eigentum verschaffe und also die Besitz- und Eigentumsverschaffungspflicht erfülle.

Der Anordnung des Gefahrübergangs bei Annahmeverzug ist nicht zu entnehmen, dass die Vornahme der notwendigen Leistungshandlungen für den Gefahrübergang ausreichend sei. Denn der Annahmeverzug erfordert zusätzlich, dass die Verzögerung des Eintritts des Leistungserfolgs in vertragswidriger Weise vom Gläubiger verursacht ist: durch Nichtannahme oder Ablehnung der erfüllungstauglich angebotenen Leistung. Die Stellungnahme der Gesetzesverfasser, dass § 243 Abs. 2 durch § 300 Abs. 2 „eine erwünschte Erläuterung“ erhalte,893 spricht deshalb dagegen, im Allgemeinen für den Gefahrübergang weniger ausreichen zu lassen.894 Wenn das verkaufte Perlenkollier, fertig verpackt, bei einem Raubüberfall auf ein Juweliergeschäft vom Ladentisch gestohlen wird, bevor der (präsente) Käufer es an sich genommen und den Kaufpreis entrichtet hat,895 hat der Käufer die Gefahr deshalb dann, aber auch nur dann zu tragen, wenn die Voraussetzungen des Annahmeverzugs erfüllt sind. Das tatsächliche Angebot der Übergabe ist keine Übergabe, kann den Käufer aber in Annahmeverzug versetzen und deshalb die Gefahr übergehen lassen.

891  Auf Oertmann trifft dies nur eingeschränkt zu, weil die effektive Übergabe eine notwendige Leistungshandlung der Übereignung gem. § 929 S. 1 ist. Dazu oben in Fn. 875. 892  Dazu oben bei Fn. 876. 893  Dazu oben: B.II.1.d)ii)2)(b). 894 Würde man beim Kauf geringere Anforderungen an den Gefahrübergang stellen, wäre nicht einzusehen, warum man nicht auch bei anderen gegenseitigen Verträgen die Gefahr bereits mit der Vornahme der maßgebenden Leistungshandlung übergehen lassen sollte, und dann bliebe der Grundregel des § 323 Abs. 1 a. F. bzw. § 326 Abs. 1 S. 1 kein Anwendungsbereich. Für diese ist – das mag man kritisieren, leugnen kann man es nicht – der Leistungserfolg maßgebend. Deshalb trifft die Kritik an der Erfüllungshandlungstheorie (Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 64 f.; vgl. Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 36.) im Ergebnis zu. 895  Dazu oben in Fn. 869.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Der andere Fall, bei dem das Gesetz die Vornahme der Leistungshandlung für den Gefahr(en)übergang ausreichen lässt und an dem die Regelung des § 243 Abs. 2 ebenfalls ausgerichtet ist, ist die Schickschuld bzw. der Versendungskauf. Im Gegensatz zum Annahmeverzug (vertragswidriger Erfüllungsaufschub) entspricht es hierbei von vorneherein der Parteivereinbarung, dass die Vornahme der Leistungshandlungen nicht unmittelbar den Leistungserfolg herbeiführt. Dies soll aber deshalb nicht zulasten des Schuldners/Verkäufers gehen, weil der vertragsgemäße Erfüllungsaufschub im Interesse des Gläubigers/Käufers liegt.896 Was § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. angeht, ergibt sich aus den Beratungen der Gesetzesverfasser (bezüglich der Gefahr­tragung beim Grundstückskauf)897 und ergab sich im Zusammenhang mit § 446 Abs. 2 a. F. aus dem Gesetzestext898, dass die Besitzverschaffung bzw. Erfüllung der Besitzverschaffungspflicht für den Gefahrübergang nach dem regelmäßigen Parteiwillen erforderlich, aber auch ausreichend sei. Das eine spricht gegen Schilcher (zur Übergabe notwendige Leistungshandlungen notwendig, aber auch ausreichend), das andere gegen Oertmann (zur Übergabe und Übereignung notwendige Leistungshandlungen notwendig), und am Ende spricht deshalb viel dafür, dass Heck Recht hatte. Es geht hier aber ohnehin nicht darum, einen Theorienstreit zu entscheiden. Vielmehr geht es darum, aufzuzeigen, dass nach sämtlichen erfüllungstheoretischen Ansätzen der Gefahrübergang zumindest im Grundsatz davon abhängt, inwieweit der Kaufvertrag bereits durch die Sachübergabe erfüllt wird, und dass es insoweit bereits unter dem BGB von 1900, das dem Käufer lediglich einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung einräumte und die Sachmängelfreiheit zumindest bei Stückkauf von vorneherein aus der Leistungspflicht/Nichterfüllungshaftung des Verkäufers ausklammerte, nicht auf den Eigentumsübergang ankam. Dies legt nahe, dass das Vorliegen von Sachmängeln Auswirkungen auf den Gefahrübergang hat, wenn der Leistungsumfang um die Sachmängelfreiheit erweitert wird, wie es bereits unter dem BGB von 1900 beim Gattungskauf der Fall war und seit der Schuldrechtsreform 2002 beim Kauf generell der Fall ist. Weil ihre Argumente gegen diese These sprechen, bedürfen näherer Betrachtung noch diejenigen Ansätze, die den Gefahrübergang beim Kauf prinzipiell unabhängig von erfüllungstheoretischen Erwägungen begründen. Hierzu zählt der Ansatz Reinhardts, wonach die Gefahrverteilung beim Kauf nicht davon abhängen soll, ob und inwieweit der Verkäufer durch die Übergabe seine Leistung bewirkt habe, sondern davon, ob und inwieweit die Kaufsache (der Leistungsgegenstand des Verkäufers) durch die Übergabe bereits in das Vermögen des Käufers überge896  Dieser Gedanke lässt sich auf den Fall der Lieferung verkaufter Ware unter Eigentumsvorbehalt, den die Gesetzesverfasser nicht bedacht hatten, übertragen. Er dient als Legitimation dafür, dass die Gefahr gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. bzw. § 446 S. 1 mit der Übergabe übergeht, obwohl diese das Eigentum noch nicht verschafft; er macht aber die Übergabe selbst nicht entbehrlich. 897  Dazu oben: B.II.1.c)i)2)(a). 898  Dazu oben bei Fn. 781.



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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gangen, als Vermögensgegenstand des Käufers anzusehen, ist.899 Hierzu zählen aber auch die Ansätze900, die den Gefahrübergang überwiegend oder ausschließlich „sphärentheoretisch“ begründen, insbesondere das Konzept, mit dem Koller ausdrücklich das Anliegen verfolgt, die „rigide, um den Unmöglichkeits- und Leistungsbegriff kreisende Risikozuordnung“, die der ursprünglichen Konzeption des BGB entspreche, aufzulockern und durch eine differenziertes Verteilungssystem zu ersetzen901.

c)  Rechtfertigung mit dem Prinzip casum sentit dominus Nach Ansicht Reinhardts hängt der Gefahrübergang nicht von der Erfüllung des Kaufvertrages i. S. der Erbringung oder Bewirkung bestimmter Leistungspflichten des Verkäufers ab.902 Auf der Grundlage des Satzes casum sentit dominus903 richte sich die Gefahr­tragung beim Kauf vielmehr danach, wer im Falle eines Sachschadens oder -verlusts wertungsmäßig als Vermögensherr der verkauften Sache und deshalb als der „zuerst Betroffene“ anzusehen sei.

i)  Käufer als „Vermögensherr“ der übergebenen Sache vom Zufall betroffen? Die gesetzliche Anordnung des Gefahrübergangs mit Übergabe beruhe darauf, dass die Übergabe denjenigen Punkt markiere, „an welchem der wirtschaftliche Erfolg des Kaufs im Wesentlichen eingetreten ist, so daß die Kaufsache von diesem Zeitpunkt an wirtschaftlich dem Vermögen des Käufers zugeordnet ist“904. Dieser Gedanke hat schon früher Anklänge gefunden. Stobbe905 etwa begründete den Gefahrübergang mit Übergabe damit, dass erst „durch die Tradition, erst durch den Akt, welcher meinen Anspruch auf die Sache realisiert und sie in mein Vermögen bringt, die Gefahr auf mich über[geht]. Der Eigenthümer trägt die Gefahr…“906

Das (angeblich deutschrechtliche)907 Prinzip des Gefahrübergangs mit Übergabe erhält demnach dieselbe Begründung wie die römisch-rechtliche periculum 899 

Dazu sogleich: B.II.3.c). Dazu unten: B.II.3.e). 901  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 7 ff., 435 f. 902  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 64 f., 91 f. 903  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 87 ff. 904  Reinhardt JR 1998, 446 (451); Hervorhebung d. Verf. 905  Stobbe (1855) – Geschichte des deutschen Vertragsrechts, S. 279. 906  Stobbe  (1855) – Geschichte des deutschen Vertragsrechts, S. 283 lehnt sich jedoch maßgeblich an die Rechtfertigung durch Svarez zum Traditionsprinzip im preußischen ALR an, welche die periculum emptoris Regel nicht deshalb ablehnte, weil dem Käufer vor Übergabe die Dispositionsbefugnis fehle und er dann noch nicht den geringsten Nutze von ihr ziehen könne, sondern auch, weil der Käufer vor Übergabe nicht die geringsten Vorkehrungen zur Erhaltung und Sicherheit der Sache treffen könne. 907  Hier ist erneut auf Rabel hinzuweisen, der in dem vermeintlich deutsch-rechtlichen Prinzip 900 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

emptoris-Regel, die nach wohl herrschender Meinung908 ebenfalls Ausdruck von casum sentit dominus gewesen sein soll.909 Bereits Goose910 stellte in diesem Zusammenhang den Satz auf, dass den casus immer derjenige tragen müsse, dessen Vermögen betroffen ist.911 Wenn man im Kauf im Wesentlichen die Pflicht des Verkäufers zur Warenübereignung gegen Entgelt sieht, erscheint es auf den ersten Blick geradezu beliebig, ob man den Gefahrübergang davon abhängig macht, dass der Kaufvertrag „inter partes“ erfüllt ist, oder davon, dass der Käufer „wirtschaftlich betrachtet“ als Eigentümer der Ware anzusehen ist. Reinhardt betont indes, dass sein Ansatz grundverschieden von den erfüllungstheoretischen Ansätzen sei: „Mit dem Gedanken der inter partes Erfüllung soll eine Schadensverlagerung vom Verkäufer auf den Käufer gerechtfertigt werden, während es bei der Anwendung des Prinzips casum sentit dominus darum geht, festzustellen, bei welcher Partei der wirtschaftliche Nachteil eingetreten ist und es aus diesem Grunde einer Rechtfertigung für die Schadensverlagerung vom Verkäufer auf den Käufer gar nicht bedarf.“ 912

Dazu, dass der zufällige Untergang oder die zufällige Verschlechterung der Ware unter Umständen den Käufer unvermittelt (unabhängig von der Erfüllung des Kaufvertrages) als dominus treffe, gelangt er über die Unterscheidung von periculum juris (rei) und periculum aestimationis (obligationis), also durch eine Trennung zweier Arten der Gefahr, im Zusammenhang mit der Trennbarkeit von rechtlicher und wirtschaftlicher Zuordnung von Rechtsobjekten.913 Die Gefahr des Rechtsverlusts könne naturgemäß nur der Rechtsinhaber tragen. Dagegen könne die „Wertgefahr“ durchaus einer anderen Person zugewiesen sein, soweit ihr durch eine schuldrechtliche Beziehung zu dem Rechtsinhaber (deshalb auch die Gleichsetzung von periculum aestimationis und periculum obligationis) die Möglichkeit der Ausübung der Befugnisse, die das Recht an der Sache gewähre, zugewiesen und sie deshalb als „Vermögensherr in wirtschaftlicher Hinsicht“

des Gefahrübergangs mit Übergabe nichts anderes als die kanonistische Interpretation der periculum emptoris-Regel sah: Gefahrübergang mit perfektem Kauf, Perfektion des Kaufs aber erst mit traditio. Dazu bereits bei Fn. 5. 908  Dazu oben:B. I. 1.c)vii). 909 Vgl. Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 93 f.: „… gezeigt, daß die drei Prinzipien (Traditionsprinzip, periculum est emptoris, casum sentit dominus) gar nicht so verschieden sind, wie dies zuweilen angenommen wird. … alle drei Prinzipien beruhen letztlich auf demselben Grundgedanken.“; ähnlich Ewert (2007) – Gefahr­tragung, S. 7 f. (Fn. 24) mit Verweis auf Lawson 65 LQR (1949), 352. 910  Goose JherJb 9 (1868), 197 (199). 911 Dazu Cortesi (1996) – Kaufpreisgefahr, S. 25 sowie (kritisch) Hofmann (1870) – Periculum, S. 16 f. 912  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 91 f. 913  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 71 ff. Dazu bereits einleitend: A.2.



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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anzusehen sei.914 Weil casum sentit dominus beide pericula meine,915 könne der Träger der Wertgefahr als „dominus“ im Sinne der Gefahr­tragung angesehen werde. Es ist deshalb nach dieser Theorie ein „Fehlschluss“, dass bei Untergang oder Verschlechterung einer Sache deren Eigentümer zwangsläufig der „zuerst Betroffene“ sei. Es sei stets anhand einer wertenden Entscheidung im Einzelfall zu ermitteln, ob einem Nichteigentümer die Sache wirtschaftlich in einer Weise zugeordnet sei, die dessen Gefahr­tragung rechtfertige.916 Als Wertungskriterien („Anhaltspunkte“) nennt Reinhardt: yy die Befugnis des Nichteigentümers, den Eigentümer von der Einwirkung auf die Sache auf Dauer auszuschließen; yy die Zuweisung von Nutzungen und Wertsteigerungen des Objekts zum Besitzer sowie yy seine Befugnis, nach Belieben mit der Sache verfahren zu können.917 Stets sei zu untersuchen, ob das Eigentumsrecht dem Vermögen des Rechtsinhabers überhaupt noch einen wirtschaftlichen Wert vermittle oder ob die Eigentümerstellung nur noch rein formaler Art sei, nur noch eine „leere Hülse“ darstelle.918 Im letzten Fall sei bei Verlust oder Untergang der Sache beim Eigentümer materiell von vorneherein kein Schaden anzunehmen, der auf den Vertragspartner verlagert werden könnte; vielmehr entstehe der Schaden ggf. unmittelbar bei dem Vertragspartner, der ihn deshalb selbstverständlich spüren müsse.919 Falls der Verkäufer sich z. B. das Eigentum vorbehalten hat, vermittele ihm diese Rechtsposition nach Übergabe der Ware in wirtschaftlicher Hinsicht regelmäßig nur noch als Sicherung für die Kaufpreisforderung einen Wert; über den Verlust des Sicherungsmittels hinaus dürfe der Untergang der Sache ihm deshalb auch nicht in wirtschaftlicher Hinsicht zum Nachteil gereichen.920 Deshalb müsse ihm der Anspruch auf den Kaufpreis erhalten bleiben, er verliere lediglich sein Sicherungsmittel.921 Der „zunächst Betroffene“ des Sachverlusts sei dagegen der Vorbehaltskäufer.922 Denn er habe nach Übergabe eine unentziehbare Rechtsposition gegenüber dem Eigentümer (§§ 986 Abs. 1 S. 1, 449 Abs. 2) und gegenüber Dritten (vgl. § 986 Abs. 2), ihm seien die Nutzung des Kaufobjekts ebenso zugewiesen wie 914 

Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 76 ff. Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 72. 916  Reinhardt  (1998) – Gefahr­ tragung, S. 79 ff. Ähnlich Möller in: FS  Bötticher (1969), 261 (266): Nach der Übergabe sei die Preisgefahr des Käufers der Sachgefahr, die eigentlich der Eigentümer zu tragen habe, angenähert. Im Fall der Verschlechterung oder des Untergangs der Kaufsache liege der Schaden des Käufers eigentlich nicht in der Frustrierung des Kaufpreises, sondern in der Sachbeeinträchtigung, auch wenn der Käufer nach der Übergabe oft noch nicht der Eigentümer der Sache sei. 917  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 81. 918 Vgl. Reinhardt JR 1998, 446 (450). 919 Vgl. Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 78. 920 Vgl. Reinhardt JR 1998, 446 (451). 921 Vgl. Reinhardt JR 1998, 446 (451). 922  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 89 ff. 915 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

eine Wertsteigerung, und falls ihm der Verkäufer die Verfügungsermächtigung eingeräumt habe, dürfe er die Sache sogar weiterveräußern.923 Deshalb sei die Sache nach der Übergabe dem Vermögen des Käufers voll zugeordnet gewesen und „aus diesem Grunde hat er auch die wirtschaftlichen Nachteile zu tragen, die aus einem ersatzlosen Verlust oder Verschlechterung der Sache resultieren“924: Er müsse also trotz Beschädigung oder Zerstörung der Sache den Kaufpreis zahlen.

ii) Stellungnahme Soweit es um die Zuweisung der Gefahr aufgrund eines wirksamen Kaufvertrages geht und für die maßgebliche Beurteilung, inwieweit noch dem Verkäufer und inwieweit bereits dem Käufer die verkaufte Sache wirtschaftlich zugeordnet ist, auf den Inhalt der Parteivereinbarung abgestellt wird, wird der Gefahrübergang letztlich doch nach dem „Austauschgedanken“ beurteilt. Die Beurteilung hebt nämlich darauf ab, was der Käufer vom Verkäufer verlangen kann und wieviel der Verkäufer schon gegeben hat, also: inwieweit der Kaufvertrag bereits erfüllt wurde.925 Deshalb bildet die erfüllungstheoretische Begründung des Gefahrübergangs durchaus keinen unvereinbaren Gegensatz zu der casum sentit dominus-These. Als die auf den Kauf zugeschnittene Anwendung des Austauschprinzips ist § 446 vielmehr mittelbar auch dem Prinzip casum sentit dominus unterworfen. Denn beim Kauf geht es darum, zwischen den Parteien mit Blick auf die Ware einen Zuordnungswechsel herbeizuführen. Die vom Verkäufer zu bewirkende Leistung besteht gerade darin, den Käufer zum dominus der Kaufsache zu machen. Sobald dieser Zuordnungswechsel vollzogen – die Leistung des Verkäufers bewirkt – ist, hat der Käufer deshalb auch nach dem Satz casum sentit dominus die (Sach-)Gefahr zu tragen. So wie die erfüllungstheoretischen Ansätze erklären müssen, warum dem Verkäufer mit der Übergabe die Gefahr, den Anspruch auf die Gegenleistung zu verlieren, unter dem Aspekt der Erfüllung abgenommen werden sollte, auch wenn die Übergabe mangels Verschaffung des Eigentums keine volle Erfüllungswirkung hat, muss Reinhardt erklären, warum der Käufer nach der Übergabe bereits als dominus mit der Gefahr belastet werden sollte, auch wenn er im sachenrechtlichen Sinne noch nicht dominus (Eigentümer) ist. Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Parallelen zwischen den erfüllungstheoretischen Erklärungsmodellen und Reinhardts Theorie stellt sich die Frage, warum Reinhardt auf den „außervertraglichen“ dominus- oder „Vermögensherr“-Begriff abstellt, um das Problem der Gefahrverteilung zu lösen, das sich typischerweise 923 

Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 90. Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 91. 925  Vgl. die Begründung der Ersten Kommission der Regelung, dass beim Grundstückskauf die Gefahr mit der Übergabe auf den Käufer übergehen soll, auch wenn das Grundstück zu dieser Zeit noch nicht übereignet sei: B.II.1.c)i)2)(a). 924 



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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nur „innervertraglich“, zwischen den Vertragsparteien stellt: Wieso orientiert er sich nicht direkt an den Leistungspflichten, durch welche die Beziehung der Parteien zueinander ausgestaltet ist und um deren Wegfall und Aufrechterhaltung es bei der Gefahr­tragung geht, sondern nimmt es stattdessen auf sich, ausgerechnet aus dem Begriff des Eigentums, für das gerade die absolute (erga omnes) Wirkung wesentlich ist, eine Art relativen oder wirtschaftlichen Eigentumsbegriff abzuleiten, der – im Ergebnis eines umständlichen Wertungsvorgangs – beschreiben soll, welcher Partei die Kaufsache nach der Übergabe mit Wirkung nur inter partes gehört? Der Grund dafür ist, dass es ihm um mehr als nur um die reguläre kaufrechtliche Gefahr­tragung gem. § 446 geht. Es geht ihm namentlich darum, die (Preis-) Gefahr­tragung auf der Grundlage eines wirksamen Kaufvertrages gleichlaufen zu lassen mit der (Sachleistungs-)Gefahr­tragung bei zufälliger Verschlechterung oder zufälligem Untergang nach Übergabe, wenn der Kaufvertrag nicht, noch nicht oder nicht mehr wirksam ist.926 Zu denken ist vor allem an die Situation der Nichtigkeit des Kaufs (insbesondere wegen Anfechtung), der Schwebezeit vor Eintritt einer aufschiebenden Bedingung und an die vertragsauflösende Funktion des Rücktritts (der Wandelung). Um zu einer einheitlichen Gefahr­tragung zu kommen, führt Reinhardt die Gefahr­tragung gem. § 446 auf ein „höheres“ Prinzip zurück, das nicht nur von der Erfüllung vertraglicher Leistungspflichten, sondern von dem Bestand eines Vertrages überhaupt unabhängig ist.927 So erklärt Reinhardt etwa die Regelung des § 350 a. F. (Gefahr­tragung des Rücktrittsgegners)928 damit, dass auch sie ihre Berechtigung im Prinzip casum sentit dominus finde. Denn es sei eine „denknotwendige Folge“, wenn die Gefahr gem. § 446 (a. F.) auf den Käufer übergehe, falls die Sache wirtschaftlich seinem Vermögen zuzuordnen sei, „daß im Falle des Rücktritts der Verkäufer wieder die Gefahr trägt, da in diesem Fall die Sache wirtschaftlich dem Vermögen des Verkäufers zugeordnet bleibt“929. Auch dass gem. § 818 Abs. 3 der Sachleistungsgläubiger eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs das Risiko der (schuldlosen) Entreicherung des Schuldners und damit das Risiko von Sachbeschädigung und -untergang trägt, passt in das Konzept: Der Sachleistungsgläubiger müsse den Schaden spüren, weil er der „zuerst Betroffene“ sei. Die beanspruchte Sache gehöre nur noch „rechtlich“ dem Bereicherungsschuldner, während sie für ihn „wirtschaftlich“ keinerlei Wert mehr habe.930

926  Zur Übereinstimmung des Prinzips casum sentit dominus mit den Vorschriften des Rückabwicklungs- und Bereicherungsrechts (§ 350 a. F., § 818 Abs. 3): Reinhardt  (1998) – Gefahr­ tragung, S. 98–111. 927  Vgl. dazu auch Flumes Lehre von der „vermögensmäßigen Entscheidung“ sowie die anderen Ansätze, die bei der Rückabwicklung des Kaufvertrages infolge von Wandelung bzw. Rücktritt wegen eines Sachmangels den Käufer mit der Gefahr der Verschlechterung und des Untergangs der mangelhaften Sache belasten wollen, sofern sich darin nicht der Mangelunwert, sondern lediglich das allgemeine Lebensrisiko realisiert habe, das der Käufer mit Entgegennahme der (mangelhaften) Kaufsache übernommen habe: B.II.4.c)iii)1). 928  Dazu noch unten: B.II.4.c). 929  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 99–103. 930  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 103 f.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Deshalb seien auch die Saldotheorie und andere Versuche, die gesetzlich vorgegebene Zweikondiktionen-Rückabwicklung zu „korrigieren“, durchweg abzulehnen.931

Es zeigt sich: Wenn das Abstraktionsniveau nur hoch genug ist, lösen sich alle (vermeintlichen) Wertungswidersprüche wie von selbst auf. Dann gibt es für jedes Problem dieselbe Lösung. Soweit Vertrag und Gesetz ein bestimmtes Programm von Leistungspflichten vorsehen, das darauf abzielt, die verkaufte Sache vom Vermögen des Verkäufers in das Vermögen des Käufers zu übertragen, erscheint es allerdings, um auf Schilcher zurückzukommen,932 vorzugswürdig, zur Beantwortung der Zurechnungsfrage, ob die verkaufte Sache schon so im Vermögen des Käufers angekommen ist,933 dass es gerechtfertigt erscheint, ihm etwaige Zufallsschäden zuzurechnen, auf den konkreten Anhaltspunkt zurückzugreifen, den der Gedanke der Erfüllung liefert.934 Daran, inwieweit der Verkäufer die ihm obliegenden Leistungspflichten erfüllt hat, ist zu messen, ob der Verkäufer die „Abstraktion der Kaufpreisschuld vom Sachschicksal“935 bereits verdient hat. Die von Reinhardt beschriebene Erlangung der „Vermögensherrschaft“ durch den Käufer kann als das maßgebliche Stadium der Vertragsdurchführung bezeichnet werden, und deshalb verwundert es auch nicht, dass er selbst einräumt, dass bei dem Gedanken der „inter partes Erfüllung“ die Argumente verwandt werden, die letztlich auch zu einer wirtschaftlichen Zuordnung des Zufallsschadens zum Käufer führen.936 Die Übertragung der „Vermögensherrschaft“ vom Verkäufer auf den Käufer fällt mit der „wirtschaftlichen Erfüllung“937 zusammen. Es geht hier aber ohnehin nicht darum, Reinhardts Theorie zu widerlegen. Es soll vielmehr gezeigt werden, dass die Auseinandersetzung mit der ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1  a. F. ganz von dem Kaufleitbild des § 433 Abs. 1 S. 1  a. F. einer reinen Sachverschaffungsschuld (des Verkäufers) geprägt und die Frage, ob Mängel in der Beschaffenheit den Gefahrübergang direkt beeinflussen könnten, schon deshalb nicht nahe lag. Nahe liegt es aber, dies zu überdenken, wenn das Programm des Kaufvertrages sich nicht mehr darin erschöpft, eine bestimmte Sache, die bisher dem Verkäufer zugeordnet war, dem Käufer zuzuordnen, sondern darüber hinaus vorsieht, dass der Verkäufer eine bestimmte Beschaffenheit und damit letztlich erst das Objekt, welches Gegenstand des Zuordnungswechsels sein soll, herstellen muss, wie es seit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (SMG) der Fall ist (§§ 433 Abs. 1 S. 2, 439).

931 

Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 106–111. Dazu bereits das Zitat bei Fn. 881. 933  M. a. W.: Ob mit der Übergabe der wesentliche Teil der „mit dem Kauf bezweckten Wertzufuhr“ abgeschlossen ist, vgl. Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 153. 934  Dazu bereits in Fn. 830. 935  So beschreibt Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 446, 447 Rn. 1 die Gefahr­tragung des Käufers. 936  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 91. 937  Vgl. dazu oben: B.II.3.b)i). 932 



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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d)  Zwischenergebnis: Schlussfolgerungen aus einem Vergleich mit der Rechtfertigung der römisch-rechtlichen Käufergefahrtragung Sowohl die am Austauschgedanken orientierten (erfüllungstheoretischen) Ansätze als auch die casum sentit dominus-These lassen sich unter dem Aspekt betrachten, dass sie die (nach wohl herrschender Meinung in der modernen Romanistik) für die periculum emptoris-Regel ausschlaggebende Rechtfertigung der Gefahr­ tragung des Käufers in die moderne Dogmatik des Haftungs- und Vertragsrechts, die zwischen der Begründung einer Verpflichtung und der Erfüllung derselben durch einen separaten Vollzugsakt trennt, übertragen. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass beide Erklärungsmodelle sich im Kern überschneiden: Im Verhältnis der Parteien zueinander geht die Gefahr in dem Moment vom Verkäufer auf den Käufer über, in dem die Ware – wenigstens mit Wirkung inter partes – aus dem Vermögen des Verkäufers ausscheidet und dem Vermögen des Käufers zugeordnet wird. Gerade diese Vermögensübertragung ist die wesentliche Leistung, die der Verkäufer zu bewirken und für die der Käufer den Kaufpreis versprochen hat. Der für die Erfüllung bzw. Verfügung wesentliche Akt ist im Unterschied zum römischen Recht aber die Übergabe, weil eine schlüssige Rechtfertigung für die Regel, dass der Käufer die Gefahr bereits von der Zeit des Vertragsschlusses an zu tragen hat, unter den genannten dogmatischen Voraussetzungen nicht möglich ist.938 Vertrags- und Traditionsprinzip unterscheiden sich also im Grunde nur darin, durch welchen Akt die vorher dem Verkäufer gehörende Sache in das Vermögen des Käufers gebracht wird. Während zu Zeiten des klassischen römischen Rechts die Gefahr mit dem Vertragsschluss überging, weil der angestrebte wirtschaftliche Erfolg der Transaktion bereits mit der Einigung der Parteien (mit der Abgabe der „Entäußerungserklärung“ des Verkäufers) eintrat, und der Käufer die verkaufte Sache danach nur noch körperlich an sich nehmen musste, um den Erwerb auch Dritten gegenüber zu vollziehen, geht die Gefahr beim Kauf nach dem Traditionsprinzip mit der Übergabe über, weil der Verkäufer sich dadurch dem Käufer gegenüber der Kaufsache entäußert und nur noch die dingliche Einigung hinzukommen muss, um den Erwerb so zu komplettieren, dass er auch gegenüber Dritten gilt.

i)  Parallele zwischen der Rechtfertigung des periculum emptoris mit der quasi-dinglichen Wirkung der emptio venditio und der Rechtfertigung des § 446 (a. F.) als Ausdruck von casum sentit dominus Reinhardt betont ausdrücklich, dass bei der Begründung des gefahrtragungsrechtlichen Traditionsprinzips mit dem von ihm vorgeschlagenen Verständnis des Satzes 938  Bauer (1998) – Periculum emptoris, S. 261; vgl. auch Ernst ZEuP 1999, 583 (634). Dazu schon: B. I. 2 (bei Fn. 233). Das sture Festhalten an der periculum emptoris-Regel ohne Rücksicht darauf, ob sie noch in den systematischen Zusammenhang und zu den materiellen Wertungen der Rechtsordnung „passt“, hat diese Regel, die zumindest zu Zeiten des antiken römischen Rechts durchaus sinnvoll war, überhaupt erst in Verruf gebracht.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

casum sentit dominus die Regelung des § 446 (a. F.) und die römisch-rechtliche periculum est emptoris-Regel auf demselben Grundgedanken beruhten.939 Tatsächlich erklären auch Vertreter der Entäußerungstheorie die periculum est emptoris-Regel als auf die römische emptio venditio zugeschnittene Durchführung des Satzes casum sentit dominus.940 Der Käufer sei im Verhältnis zum Verkäufer ab Vertragsschluss als dominus anzusehen gewesen, weil die verkaufte Sache bereits von diesem Moment an mit Wirkung gegenüber dem Verkäufer dem Vermögen des Käufers zugeordnet worden sei. Weil der Übergang des Eigentums, der sich regelmäßig erst mit traditio (oder mit mancipatio) vollzog, nur die Zuordnung der Kaufsache zum Käufer im Verhältnis zu Dritten betreffe, habe der Eigentumserwerb für den Gefahrübergang, bei dem es um die Risikoverteilung allein zwischen den Kaufparteien gehe, nicht abgewartet werden müssen. Reinhardt stützt sich darauf, dass die Gefahr in unserer Rechtsordnung mit der Übergabe übergehe, wenn und weil diese die Kaufsache so in das Vermögen des Käufers bringe, wie es im antiken römischen Recht bereits durch den Abschluss der emptio venditio bewirkt worden sei.941

ii)  Parallele zwischen der Rechtfertigung des periculum emptoris mit der quasi-dinglichen Wirkung der emptio venditio und der erfüllungstheoretischen Begründung des § 446 (a. F.) Weniger augenfällig ist die Parallele zwischen der Rechtfertigung des periculum emptoris mit der quasi-dinglichen Wirkung der emptio venditio und den erfüllungstheoretischen Erklärungen des § 446. Das liegt daran, dass die emptio venditio so lange, wie der Vermögenswechsel zumindest mit Wirkung im Verhältnis zwischen den Kaufparteien rein konsensual bereits mit dem Kaufabschluss bewirkt wurde, nicht als rein (obligatorische) Verpflichtungsgrundlage für ein gegenseitiges Leistungsprogramm betrachtet wurde.942 Vielmehr war der Kauf unter diesen Voraussetzungen der Grund dafür, dass die verkaufte Sache fortan dem Käufer gehörte, dieser sie deshalb vom Verkäufer herausverlangen konnte und ihm gegenüber zum Besitz berechtigt war. Von unserem modernen Verständnis aus kann man allerdings sagen, dass bei der emptio venditio die Verpflichtung (zur Übertragung der Kaufsache) und die Erfüllung (unter dem Aspekt der vermögensmäßigen Zuordnung der verkauften Sache zum Käufer) in eins fielen. So lässt sich auch die ratio legis der periculum est emptoris-Regel mit erfüllungstheoretischen Erwägungen begründen.943 Es überrascht deshalb nicht, dass auch Schilcher zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Gegensatz zwischen dem Traditions- und dem Vertragsprinzip nicht als so un939 

Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 94. Dazu oben: B. I. 1.c)ii) bei Fn. 130. 941 Vgl. Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 92–94. 942  Dazu oben: B. I. 1.a)ii). 943  Vgl. dazu bereits die „Theorie der fingierten Erfüllung“: B. I. 1.c)iv). 940 



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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versöhnlich erweise, wie es die Vertreter der einzelnen Prinzipien oft glaubhaft machen wollten.944 Nur optisch habe die Käufergefahrtragung des römischen Rechts dem Austauschgedanken widersprochen.945 Tatsächlich habe das (romanistische) Vertragsprinzip mit dem (germanistischen) Traditionsprinzip den dogmatischen Ausgangspunkt gemeinsam. Dieser liege in dem Gedanken der Erfüllung946 im Sinne der Befriedigung des dem Vertrag entnehmbaren primären Parteiinteresses; unterschiedlich sei lediglich die Interessenlage, die in der jeweiligen Gefahr­ tragungsregel typisiert worden sei.947

iii)  Schlussfolgerung: Bei gleichbleibendem Inhalt der Verkäuferleistung hat sich der Anknüpfungspunkt, nicht aber die Rechtfertigung des Gefahrübergangs verändert Wenn die Verkäuferleistung hauptsächlich darin besteht, das verkaufte Stück so in das Vermögen des Käufers zu übertragen, dass dieser es an sich nehmen und nutzen kann, erscheint es geradezu beliebig, ob man die Gefahr­tragung des Käufers ab dem Moment, in dem der Käufer diese Möglichkeit hat, mit der Erfüllung oder damit begründet, dass der Käufer nunmehr bei wirtschaftlicher Betrachtung dominus sei.948 Verschiebt sich aus dogmatischen Gründen das für den Vermögenswechsel inter partes wesentliche Moment vom Kaufabschluss zur Übergabe, dann kann man demnach die Übergabe – im Hinblick auf den Gefahrübergang – als wesentlichen Erfüllungsakt oder als denjenigen Akt bezeichnen, mit dem der wesentliche Teil der bezweckten Wertzufuhr abgeschlossen949 ist. Den Zusammenhang des Prinzips casum sentit dominus mit der Verteilung der (obligatorischen) Gefahr beim Kauf gem. §§ 433, 446 a. F. kann man also folgendermaßen beschreiben: Da es das Ziel des Kaufvertrages ist, dass der Verkäufer den Käufer zum dominus über die verkaufte Sache macht, und es für die Verteilung der Gefahr zwischen den Vertragsparteien ausreichen muss, dass der Käufer diese 944  Schilcher betonte, dass auch im römischen Recht die Gefahr vor der vollständigen Erfüllung des Kaufvertrages übergegangen sei (JBl 1964, 395 (397, 402)), und er hielt den Erklärungswert von Windscheids „Entäußerungstheorie“ für ebenso gering wie denjenigen von v. Jherings „Verschuldenstheorie“ (a. a. O. S. 398, 402). Unter welchem Gesichtspunkt im römischen Recht bereits durch den Vertragsschluss das „primäre Vertragsinteresse“ regelmäßig befriedigt worden sei, wird nicht näher ausgeführt. Wenn er schreibt, dass der Grundgedanke der Gefahr­tragung sei, dass der Käufer die Gefahr tragen soll, wenn es nur noch an ihm ist, den jeweiligen Vertragszweck zu verwirklichen, weist dies aber in die Richtung von Buchers „Marktkaufthese“ (dazu oben: B. I. 1.c)vi)). Denn auch dieser Erklärung liegt der Gedanke zugrunde, dass es zu Zeiten des klassischen römischen Rechts der typischen Interessenlage der Kaufparteien entsprochen habe, dass der Käufer die verkaufte Ware sogleich an sich nimmt (und den Verkäufer entlastet). 945  Schilcher JBl 1964, 395 (402). 946  Schilcher JBl 1964, 395 (403). 947  Schilcher JBl 1964, 395 (406). 948  Dazu bereits: B.II.3.c)i) bei Fn. 912. 949  Formulierung von Koller, dazu bereits Fn. 830 und Fn. 933.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Position im Verhältnis zum Verkäufer erlangt, geht die Gefahr mit der Vermögensherrschaft auf den Käufer über, weil die Verkäuferleistung damit im Wesentlichen bewirkt, das Vertragsinteresse des Käufer damit praktisch weitgehend befriedigt (erfüllt) ist. Die Überschneidung der Rechtfertigung des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. mit dem Prinzip casum sentit dominus einerseits und erfüllungstheoretischen Erwägungen andererseits hat ihren Grund also darin, dass die Trennung von schuld- und sachenrechtlicher Ebene eines Geschäfts im Laufe der rechtsgeschichtlichen Entwicklung zwar dem Kaufvertrag selbst seine Verfügungswirkung genommen, aber nichts daran geändert hat, dass die Erfüllungspflicht des Verkäufers sich noch unter dem BGB von 1900 auf die Verpflichtung zu einer Verfügung beschränkte. Während der Anknüpfungspunkt des Gefahrübergangs sich änderte, blieb sein Sachgrund also unverändert, weil die dem Verkäufer obliegende Leistung im Wesentlichen unverändert blieb.

iv)  Schlussfolgerung: Die Vermögensverschiebung allein vermag den Gefahrübergang nicht zu rechtfertigen, wenn die Sachübertragung nicht mehr die Hauptsache der Verkäuferleistung ausmacht Wenn die vom Verkäufer zu bewirkende Leistung sich – abweichend von der emptio venditio und dem Kauf, wie er auch noch im BGB von 1900 ausgeformt war – nicht mehr hauptsächlich auf die Übertragung einer bestimmten Sache in das Vermögen des Käufers beschränkt, sondern außerdem – wie nunmehr gem. §§ 433 Abs. 1 S. 2, 439 – die Herstellung einer bestimmten Sachbeschaffenheit bzw. die Mangelfreiheit Gegenstand der Leistung ist,950 stellt dies auch die Voraussetzungen des Gefahrübergangs in Frage. Nach dem Satz casum sentit dominus allein ist die Regel, dass die Gefahr mit der Übergabe auf den Käufer übergeht, dann nicht mehr ohne weiteres zu begründen. Denn weil es beim Gefahrübergang im Grunde darum geht, den Verkäufer vor der eigentlichen Erfüllung mit Blick auf die Gefahr, den Anspruch auf die Gegenleistung wegen Unmöglichkeit der ihm obliegenden Leistung zu verlieren, so zu stellen, als habe er bereits erfüllt,951 bezieht diese Rechtfertigung des § 446 ihre Überzeugungskraft gerade daraus, dass die (Quasi-)Übereignung mit der (Quasi-)Erfüllung zusammenfällt.952 Dies ist bei Einbeziehung der Mangelfreiheit in die Erfüllungspflicht des Verkäufers aber nicht der Fall, wenn der Verkäufer eine mangelhafte Sache übergibt, und zwar selbst dann nicht, wenn er sie zugleich übereignet. Denn die mangelhafte Sache ist dann nicht erfüllungstauglich. Deshalb kann keine Rede davon sein, dass der Verkäufer den Anspruch auf den Kaufpreis allein durch die Übergabe bereits endgültig verdient habe. 950 

Zur Veränderung des Kaufleitbildes im Zuge der Schuldrechtsreform 2002 unten: B.III.1.c). Dazu oben: B.II.3.b)iii). 952  Dazu oben: B.II.3.c)ii). 951 



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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Es wäre zumindest darzulegen, warum die Übertragung eines bestimmten Sachgegenstandes in das Käufervermögen gegenüber der Herstellung der geschuldeten Sacheigenschaften (an diesem Gegenstand) mit Blick auf die Bewirkung des Gefahrübergangs von einer derart überwiegenden Bedeutung sein sollte, wie sie der Sachübergabe im Verhältnis zur Eigentumsverschaffung bereits unter dem BGB von 1900 beigemessen wurde. Dabei ist zu beachten, dass die Einbeziehung der Mangelfreiheit in die Erfüllungspflicht des Verkäufers – anders als die Ergänzung der Besitzübertragungs- um die Eigentumsverschaffungspflicht953 – das Wesen der Verkäuferleistung grundsätzlich verändert. Dass der Verkäufer seit dem Übergang zum Rechtsverschaffungsprinzip nicht „nur“ zu übergeben, sondern „sogar“ zu übereignen hat, ändert nämlich nichts an dem grundsätzlichen Gepräge der Erfüllungspflicht des Verkäufers, dem Käufer einen bestimmten Sachgegenstand zu verschaffen. Denn auch wenn der Verkäufer nicht nur die Sachverschaffung, sondern auch die effektive Rechtsverschaffung schuldet, bleibt es dabei, dass die verkaufte Sache im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien – welches allein für die vertragliche Gefahr­tragung maßgebend ist – bereits mit der Übergabe aus dem Vermögen des Verkäufers ausscheidet und in das Vermögen des Käufers übergeht.954 Hat der Verkäufer außerdem eine bestimmte Sachbeschaffenheit herzustellen, ist der Kauf deshalb allerdings (auch) Sacheigenschaftsschuld.955 Dass man ihm in dieser Gestalt mit Blick auf die Gefahr­tragung durch eine ohne Rücksicht auf die Beschaffenheit der gelieferten Sache allein auf den Vermögenszuwachs beim Käufer abstellende Gefahr­tragungsregel nicht gerecht wird, zeigte sich bereits unter dem BGB von 1900 beim Gattungskauf. Weil dabei die Beschaffenheitsvereinbarung den Schuldgegenstand, d. h. das Objekt der vom Verkäufer zu bewirkenden Vermögensverschiebung (Leistung), überhaupt erst konstituiert, findet die für den Übergang der Preisgefahr vermeintlich maßgebliche Vermögensverschiebung mit der Übergabe nämlich nur dann statt, wenn die übergebene Sache vertragsgemäß beschaffen ist. Andernfalls kann von einem Übergang der Preisgefahr jedenfalls so lange keine Rede sein, wie der Käufer die Wahl hat, Ersatzlieferung zu verlangen.956 953  Bereits in dem Übergang zum Rechtsverschaffungsprinzip lag im Vergleich zum gemeinen Recht eine Ausdehnung der Leistungspflicht des Verkäufers. Dies gab nach der Entscheidung der Verfasser des BGB von 1900 für das gefahrtragungsrechtliche Traditionsprinzip Anlass zu der Erwägung, dass der Gefahrübergang nicht allein von der körperlichen Übergabe, sondern zusätzlich von der Übereignung der verkauften Sache abhängig sei. So sah es der streng-erfüllungstheoretische Vorschlag des Redaktors v. Kübel in der Tat vor. Dazu oben: B.II.1.c)i)1). 954  Die Mehrheit der Ersten Kommission lehnte deshalb bei den Beratungen der Gefahr­tragung beim Grundstückskauf den Regelungsvorschlag des Redaktors (Fn. 953) mit der Begründung ab, dass es der regelmäßigen Parteiintention entspreche, den Käufer bereits dann mit der Gefahr zu belasten, wenn er die faktische Herrschaft über die Sache erlangt habe, auch wenn die Übertragung der rechtlichen Herrschaft (d. h. des Eigentums) noch ausstehe. Dazu oben: B.II.1.c)i)2)(a). 955  Dazu unten: B.III.1.c). 956  Dazu oben: B.II.2.e)iv).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

e)  Rechtfertigung mit der Möglichkeit der Gefahrenabwehr Verbreitet war und ist die Meinung, beim Kauf gehe die Gefahr zufallsbedingter physischer Schäden (Verschlechterung, Untergang) deshalb gem. § 446 mit der Übergabe auf den Käufer über, weil er von diesem Moment an (besser als der Verkäufer) in der Lage sei, solche Gefahr zu beherrschen.957 Dieses Argument kam als Billigkeitserwägung bereits in den Beratungen der Gesetzesverfasser (zur Gefahr­ tragung beim Grundstückskauf) auf. Nach Ansicht v. Kübels sollte der Grundstückskäufer die Gefahr auch deshalb noch nicht ab Eintragung im Grundbuch tragen müssen, wenn diese vor der Übergabe erfolgt, weil er dann noch nicht die Möglichkeit habe, für die Sicherheit des verkauften Grundstücks zu sorgen. Dies, fand der Redaktor, wäre unbillig gegen den Käufer.958 Die Mehrheit der Ersten Kommission teilte diese Bedenken nicht, weil es dem Parteiwillen entspreche, dass der Käufer ab Eigentumserwerb die Gefahr übernehme; sein Risiko werde außerdem durch die Haftung des Verkäufers relativiert. Den (alternativen) Gefahrübergang ab Grundstücksübergabe (vor Eigentumserwerb) begründete die Erste Kommission noch unabhängig von der Möglichkeit der Gefahrenabwehr.959 Dagegen hob die Zweite Kommission in eben diesem Zusammenhang hervor, dass es unbillig gegen den Verkäufer wäre, ihn noch nach der Übergabe des Grundstücks (bis zur Eintragung des Käufers in das Grundbuch) mit der Gefahr zu belasten, weil er dann nicht mehr für die Sicherheit des Grundstücks sorgen könne.960

Aus Billigkeitserwägungen sollte man allerdings nicht vorschnell das hinter der Gefahr­tragung beim Kauf stehende Prinzip ableiten. Denn was ist schon billig? Die entscheidende Frage ist, warum etwas als billig oder unbillig anzusehen ist. Der abstrakte Begriff der Billigkeit selbst liefert keine konkreten Kriterien, um diese Frage zu beantworten.961 Gerade für die Gefahr­tragungsproblematik ist er deshalb eine zweifelhafte Stütze.962 Als selbstständige Grundlage für die Lösung dieses Problems kommt er nicht in Frage, weil es nicht Aufgabe der Billigkeit ist, ein allgemeines Prinzip zu statuieren; vielmehr soll sie ein anderweitig gebildetes Prinzip den Besonderheiten des Einzelfalls angleichen.963 Ihre Funktion ist eine abhängige.964 In der Tat ging es auch den Gesetzesverfassern darum, das (synallagmatische) Prinzip, wonach die Gefahr beim Kauf als Anwendungsfall des gegenseitigen Ver957  Statt vieler Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 156: „Nach heutigem Recht kommt es weder auf die Vermögenszugehörigkeit noch auf die formale Eigentumsposition an, sondern entscheidend für die Gefahr­tragung bei der Abwicklung des Kaufes ist, in wessen Herrschaftsbereich sich die Sache befindet. Die Gefahr des Sachuntergangs trägt derjenige, der auf die Sache einwirken kann und damit unmittelbar das Risiko eines zufälligen Untergangs erhöhen oder vermindern kann.“ 958  Dazu oben: B.II.1.c)i)1)(a). 959  Dazu oben: B.II.1.c)i)2)(a). 960  Dazu oben: B.II.1.c)ii)1). 961 Vgl. Filios (1965) – Gefahr­tragung, S. 65. 962  Schilcher JBl 1964, 395 (401 mit Fn. 71). 963  Schilcher JBl 1964, 395 (402 f.). 964  Schilcher JBl 1964, 395 (403).



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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trages erst und nur bei vollständiger Erfüllung durch den Verkäufer (Übergabe und Übereignung) auf den Käufer übergehen dürfte, zu modifizieren. Zur Begründung dieser „Billigkeitsausnahme“ stellten sie auf den Zusammenhang zwischen der Möglichkeit der Gefahrenabwehr und der Gefahr­tragung ab. Wie weit die Modifikation auf der Grundlage dieses Arguments reicht, erschließt sich erst bei einer näheren Betrachtung.

i)  Beherrschbare Gefahren (abwendbare Schadensereignisse) Wenn der Käufer die Möglichkeit hat, den Eintritt eines Schadens an der gelieferten Sache abzuwenden, und diese nicht nutzt, erscheint es naheliegend, ihm den Schaden zuzuweisen.965 Dass diese Erwägung tragend für die spezielle kaufrechtliche Gefahr­ tragungsregel sei, ist allerdings mit folgenden Argumenten bezweifelt worden: Der Gläubiger bleibe bereits nach den allgemeinen Regeln über die Gefahrverteilung beim gegenseitigen Vertrag (§§ 323 Abs. 1, 324 Abs. 1 S. 1 a. F.966, vgl. § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1) zur Gegenleistung verpflichtet, wenn er es zu vertreten hat, dass die dem Schuldner obliegende Leistung unmöglich wird.967 Bei der Gefahr­tragung gehe es um die Zuweisung des Zufallsschadens, aber das Schadensereignis sei gerade kein zufälliges, sondern ein vom Käufer zu vertretendes, wenn der Käufer die Möglichkeit der Schadensprävention nicht wahrnehme.968 Dem eigentlichen Anwendungsbereich des § 446 verblieben deshalb nur Fälle der höheren Gewalt (schlechthin unbeherrschbare Gefahren), deren Zuordnung zum Käufer mit dem Gedanken der Beherrschbarkeit gerade nicht zu erklären sei.969 Dieser Kritik ist nicht uneingeschränkt zuzustimmen.

965 Dies

entspricht auch der Kritik an der periculum emptoris-Regel. Diese Regel wurde nämlich vor allem deshalb als unbillig empfunden, weil sie den Käufer mit der Gefahr belaste, bevor er die Chance habe, selbst die nötigen Vorkehrungen zum Schutz der Kaufsache treffen zu können. Diese Kritik wird freilich der Funktion der custodia-Haftung des Verkäufers als Gegenpol der Gefahr­tragung des Verkäufers nicht ganz gerecht. Dazu oben:B. I. 1.b)ii). 966  § 323 Abs. 1 a. F. im Wortlaut: B.II.1.a); § 324 Abs. 1 S. 1 a. F. im Wortlaut: B.II.2.a) (in Fn. 545). 967  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 50 ff.: Der Versuch, § 446 (a. F.) mit der Möglichkeit der Gefahrenabwehr zu erklären, nehme der Regelung gerade die Anwendungsfälle, durch die sie gerechtfertigt werden solle. Denn wenn der Käufer die Möglichkeit der Gefahrenabwehr nicht wahrnehme, habe er die Verschlechterung oder den Untergang der Kaufsache bereits gem. § 324 Abs. 1 a. F. zu vertreten. Der Erklärungsversuch lasse § 446 (a. F.) mithin nur einen geringen Anwendungsbereich (unbeherrschbare Gefahren), der ohnehin nicht durch das Prinzip der Beherrschbarkeit erklärt werden könne. 968 Vgl. Beitzke MDR 1947, 281 (281). 969 Vgl. Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 56–61.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

1)  § 446 (a. F.) hätte neben § 324 Abs. 1 a. F. einen eigenständigen Regelungsbereich Nach allgemeinen Regeln bedeutet der Umstand, dass eine Gefahr irgendwie abwendbar ist, nicht automatisch, dass der Käufer sie abwenden „muss“970. In Parallele zum Verkäufer/Schuldner, der grundsätzlich keinen unbegrenzten Aufwand betreiben muss, um den versprochenen Leistungserfolg herbeizuführen, dem die Leistung vielmehr bereits dann unmöglich ist, wenn sie mit dem geschuldeten Aufwand nicht bewirkt werden kann (auch wenn sie bei einem höheren Aufwand durchaus zu bewirken wäre), hängt beim Gläubiger/Käufer die ihm zurechenbare Möglichkeit der Gefahrenabwehr nicht allein von natürlichen (hypothetischen) Kausalitätserwägungen, sondern auch davon ab, welcher Aufwand erforderlich und dem Käufer zuzumuten ist. Die Möglichkeit der Schadensabwehr ist also eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung dafür, dem Gläubiger den Schaden anzulasten. Im Hinblick auf abwendbare Gefahren ist § 446 daher nicht überflüssig, wenn man, wie es sich bei Heck andeutet,971 die Regelung als Anordnung versteht, dass es dem Käufer schlechthin, ohne Rücksicht auf den erforderlichen Aufwand im Einzelfall, zuzurechnen sei, wenn er von der Möglichkeit, eine Gefahr abzuwehren, keinen Gebrauch mache.972 Nach diesem Verständnis ergab sich in der Tat aus § 324 Abs. 1 a. F., dass der Käufer zur Kaufpreiszahlung verpflichtet blieb, wenn er die Verschlechterung oder den Untergang der Kaufsache zu vertreten habe; dass er sie schlechthin zu vertreten habe, wenn nur die Möglichkeit der Schadensabwehr bestand, sollte dagegen § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. zu entnehmen sein. Mit Blick auf abwendbare Gefahren machte § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. nach dieser Ansicht die schwierige Bestimmung im Einzelfall, welcher Aufwand erforderlich war, sowie die Abgrenzung, ob der Käufer diesen Aufwand hätte betreiben müssen oder nicht, entbehrlich, und beugte insoweit Streit zwischen den Parteien vor.973 970  Der Käufer kann freilich nicht dazu gezwungen werden, diesen Aufwand zu tätigen. Er tätigt ihn im eigenen Interesse, er unterlässt ihn auf eigene Gefahr. Gleichwohl ist der Aufwand, der dem Gläubiger zuzumuten ist, um Rechtsnachteile zu vermeiden, grundsätzlich nicht unbeschränkt. Denn zur Erbringung der Leistung lässt der Gläubiger gerade den Schuldner für sich arbeiten. Dass er den Schuldner bei der Leistungserbringung nicht stören darf (Störungen zu unterlassen  hat) und sich bei einem derartigen vertragswidrigen Verhalten dem Vorwurf der (Gläubi­ger-)Verantwortlichkeit aussetzt, heißt nicht, dass er gehalten wäre, mit unbegrenztem Aufwand aktiv an der Leistungserbringung mitzuwirken. Dazu noch bereits oben in Fn. 841 und unten in Fn. 976. 971  Dazu oben: B.II.3.b)ii)1). 972  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 50 f. spricht insofern von einer „Obliegenheit zum optimalen Schutz“. Darauf zielt auch Kollers „Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit“ ab; dazu unten: B.II.3.e)iii)1)(a). 973 Vgl. Schilcher JBl 1964, 395 (400 f.); Huber in: Soergel (1991) – BGB, vor § 446 Rn. 17: Vermeidung von Beweisproblemen als praktischer Grund für die Regelung des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 61–63 sieht den „wahren Kern“ des Beherrschbarkeitsprinzips darin, „der im Besitz der Sache befindlichen Partei alle Möglichkeiten abzuschneiden, das Gegenteil zu beweisen, nämlich daß diese den Untergang oder die Verschlechterung nicht zu vertreten hat.“ Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 72 betont dies als die streitmindernde und



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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Nicht entbehrlich war demnach aber die Feststellung, dass das Schadensereignis abwendbar gewesen wäre. Diese Konsequenz wurde und wird von jenen, welche die Gefahr­tragung des Käufers mit der Möglichkeit der Gefahrenabwehr begründen, aber nur selten gezogen.974

2)  Die Begründung der Schadenszuweisung mit der versäumten Möglichkeit der Schadensvermeidung schlösse „Zufall“ auch nicht in jedem Fall aus Aus den genannten Gründen trifft es auch nicht zu, dass begrifflich deshalb nicht von einem zufälligen Ereignis die Rede sein könne, wenn der Käufer eine Möglichkeit der Schadensprävention ungenutzt gelassen hat, weil der Käufer den Untergang oder die Verschlechterung der Kaufsache dann zwangsläufig zu vertreten habe.975 Denn sofern weder gesetzlich noch vertraglich etwas Spezielleres bestimmt ist, setzt „Zufall“ lediglich voraus, dass nach dem Maßstab des § 276 (für den Käufer/Gläubiger in entsprechender Anwendung)976 keine Partei das Schadensereignis zu vertreten hat.977 In § 446 könnte aber gerade etwas Spezielleres gesetzlich bestimmt sein. Dem Anwendungsbereich des § 446 verblieben dann außer den Fällen schlechthin unvermeidbarer Schadensereignisse, insbesondere der höheren Gewalt,978 auch solche Fälle, in denen der Gläubiger die Nichtabwendung eines (theoretisch) abwendbaren Schadensereignisses nach allgemeinen Regeln nicht zu vertreten hat979.

3)  Mit der Möglichkeit der Schadensprävention allein ist eine Obliegenheit des Käufers zum optimalen Schutz der Ware aber nicht überzeugend zu begründen Der Kritik an der Begründung des § 446 mit dem Gedanken der Beherrschbarkeit ist aber zuzugeben, dass sich aus dieser Begründung gerade nicht ergibt, warum die faktische Möglichkeit der Gefahrenabwehr als solche ausreichen sollte, den Gläubiger/Käufer ohne Rücksicht auf den erforderlichen Aufwand im Einzelfall mit einer „Obliegenheit zum optimalen Schutz der Ware“980 zu belasten (sei es streitschlichtende Funktion, die Gefahr­tragungsregeln unter dem ökonomischen Aspekt erfüllen sollten. 974 Vgl. Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 58. 975  So aber Beitzke MDR 1947, 281 (281). 976 Diese entsprechende Anwendung führt dazu, dass an den Gläubiger durchaus strengere (Sorgfalts-)Anforderungen zu stellen sind als an den Schuldner. Denn es geht nicht um Pflichten, deren Nichterfüllung die Haftung gegenüber dem Vertragspartner begründete, sondern um die Obliegenheit, im eigenen Interesse Rechtsnachteile zu vermeiden. Vgl. dazu Heck, dazu oben bei und in Fn. 841 sowie in Fn. 970. 977  v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 246 mit Fn. 195; vgl. Schilcher JBl 1964, 395 (400). 978  Dazu sogleich unter: B.II.3.e)ii). 979  Dazu unten: B.II.3.e)iii). 980  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 51, 53, 55.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

durch Verschärfung des bei den §§ 324 Abs. 1 a. F., 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 anzuwendenden Sorgfaltsmaßstabs oder unmittelbar im Rahmen von § 446). Dass dies kein hinreichendes Kriterium der Risikozuweisung ist, zeigt sich auch in anderen Fällen, in denen das Gesetz die Gefahr der zufälligen Verschlechterung und des zufälligen Untergangs nicht demjenigen zuweist, der den gefährdeten Gegenstand in seiner Obhut hat,981 etwa bei Miete, Pacht oder Leihe, im Eigentümer-BesitzerVerhältnis, im Bereicherungsrecht und insbesondere bei der Gefahr­tragung im Zusammenhang mit dem Rücktritt vom Vertrag982.

ii)  Unbeherrschbare Gefahren (nicht abwendbare Schadensereignisse) Für die Begründung der Zuweisung evident unbeherrschbarer oder solcher Gefahren, die zwar beherrschbar sind, sich aber gleichfalls beim Verkäufer realisiert hätten,983 ist das Argument, dass die Gefahr­tragung auf der Möglichkeit der Schadensvermeidung beruhe, von vorneherein ungeeignet. Denn man kann „einem Käufer nicht die Gefahr, die für ihn nicht beherrschbar ist, mit der Begründung auferlegen, in seiner Hand liege die Gefahrenbeherrschung“984. Konsequenterweise meinte Heck, solche Gefahren habe der Käufer nicht gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. zu tragen (zu vertreten), bevor der Verkäufer den Kaufvertrag nicht vollständig erfüllt (also die Kaufsache nicht nur übergeben, sondern auch übereignet) habe.985 Von der Prämisse aus, es ergebe sich bereits aus § 324 Abs. 1 a. F., dass der Käufer es zu vertreten habe, wenn er eine beherrschbare Gefahr nicht beherrscht, lag dagegen die Schlussfolgerung nahe, dass § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. gerade und nur die Zuweisung solcher Risiken zum Käufer anordne, die unkontrollierbar sind.986 Im antiken römischen Recht hatte der Käufer im Rahmen seiner Gefahr­tragung (vom Vertragsschluss an) sogar ausschließlich solche Gefahren zu tragen, die unbeherrschbar waren. Denn das Risiko solcher Schadensereignisse, die der Verkäufer typischerweise abwenden konnte, war im Rahmen der objektivierten custodia-Haftung dem Verkäufer angelastet.987 Die Zuweisung des Risikos unbeherrschbarer Gefahren hatte also gerade nichts mit der Obhut und der Möglichkeit der Gefahrenabwehr zu tun.

981 

Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 46–50; Nassauer (1978) – Sphärentheorie, S. 273. Dazu unten: B.II.4.c). 983 Vgl. Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 134. Auch diese Konsequenz zog Heck, dazu oben: B.II.3.b)ii)1) bei Fn. 844. 984  v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 245 f.; Reinhardt (1998) – Gefahr­ tragung, S. 58; vgl. Schilcher JBl 1964, 395 (400). 985  Dazu oben: B.II.3.b)ii)1). Dazu auch: Beitzke MDR 1947, 281 (281); v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 246; Schilcher JBl 1964, 395 (400); Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 58. 986  Beitzke MDR 1947, 281 (281). Kritisch zu dieser Ansicht: v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 246 mit Fn. 195; (m. w. N.) Schilcher JBl 1964, 395 (400); Reinhardt  (1998)  – Gefahr­ tragung, S. 56 f. 987  Dazu oben: B. I. 1.b)ii). 982 



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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iii)  Legitimation für die Zuweisung beherrschbarer Gefahren ohne Rücksicht auf den notwendigen Aufwand und für die Zuweisung unbeherrschbarer Gefahren? Die Legitimation dafür, dem Käufer von der Übergabe an die Gefahr beherrschbarer Gefahren ohne Rücksicht darauf, welcher Aufwand zur Beherrschung erforderlich ist und ob das (abwendbare) Schadensereignis die Kaufsache gleichfalls beim Verkäufer betroffen hätte, sowie die Gefahr unbeherrschbarer Gefahren zuzuweisen, muss man also gerade woanders als in der Möglichkeit der Schadens­ prävention suchen.988 Der esoterisch anmutende Begriff der „Sphäre“, der sich im Bereich der Gefährdungshaftung und im Zusammenhang mit der Verteilung der Gefahr der Gegenleistung im Werk- und Dienstvertragsrecht entwickelt hat,989 beschreibt (ähnlich wie der Begriff der Billigkeit)990 das Ergebnis eines Wertungsvorgangs.991 Werden die konkreten Kriterien, die dieses Ergebnis tragen, nicht offen gelegt und hinreichend präzise gefasst, handelt es sich um eine Verlegenheitslösung, die das Judiz formuliert, wo der Dogmatik die Begriffe fehlen („I know it when I see it“). Aus einer allgemeinen „Sphärentheorie“ ist für die Gefahr­tragung beim Kauf jedenfalls nichts zu folgern. Um die „Verantwortungssphäre“ des Käufers zu beschreiben, d. h. in welchem Umfang und warum der Käufer bestimmte Gefahren tragen muss, läuft es letztlich wieder auf die zuvor behandelten kaufspezifischen Begründungsansätze hinaus: dass der Käufer ab der Übergabe die Gefahr deshalb tragen müsse, weil der Verkäufer durch die Übergabe den Kaufvertrag – unter welchem Gesichtspunkte auch immer – im Wesentlichen erfüllt habe992, weil der Käufer von da an bei wirtschaftlicher Betrachtung dominus über die verkaufte Sache sei,993 weil die Übergabe den „Wechsel des tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses“ markiere994. Repräsentativ ist insoweit das Zitat von Filios zur Rechtfertigung des Traditionsprinzips: Durch die Übergabe gelange die Sache in die „Einwirkungssphäre“ des Käufers. Dies habe 988  Koller weist darauf hin, dass auch die Zuweisung der Gefahr unbeherrschbarer Schadensereignisse zum Verkäufer im Zeitraum vom Vertragsschluss bis zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs sich nicht von selbst verstehe. Zur Begründung verweist er auf den „Austauschgedanken“ . Koller (1978) – Risikozurechnung, S. 155. Dazu bereits in Fn. 811. 989  Dazu m. w. N.: v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 40 ff.; Schilcher JBl 1964, 395 (400 f.); Nassauer (1978) – Sphärentheorie, S. 272–274. 990  Dazu oben: B.II.3.e). 991  Kritisch zur Definition der Gläubigerverantwortlichkeit mit „sphärentheoretischen“ Ansätzen m. w. N. auch Ernst in: MüKo (2012) – BGB; § 326 Rn. 62: „Das beliebte Operieren mit wie immer abgegrenzten Risikosphären vermag … nur mühsam den Umstand zu verdecken, dass es sich hierbei letztlich um reine Billigkeitsentscheidungen handelt, die häufig so, genauso gut aber auch anders ausfallen können“; ähnlich Gsell in: Soergel (2005) – BGB, § 326 Rn. 43 m. w. N. in Fn. 159. 992  Dazu oben: B.II.3.b). 993  Dazu oben: B.II.3.c). 994  v. Gierke  (1917)  – Deutsches PrivatR  III, S. 447 f.; vgl. auch Grunewald in: Erman (2014) – BGB, § 446 Rn. 1; Westermann in: MüKo (2011) – BGB, § 446 Rn. 1. Dazu bereits bei Fn. 794.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

„zwei wichtige Folgen: einerseits die Überwachungsmöglichkeit des Käufers, andererseits seine Nutzungsmöglichkeit“.995 Durch die Übergabe erlange der Käufer „die Kontrolle über die Sache nicht nur hinsichtlich ihrer physischen Existenz, sondern auch in Ansehung ihres rechtlichen Umtauschwertes“996. Der „wirtschaftliche Übergang“ der verkauften Sache997 ist, auch wenn er in einem Atemzug mit dem Übergang der Überwachungsmöglichkeit genannt wird, in dieser Begründung eigentlich das ausschlaggebende Argument. Wenn die Rede davon ist, der Käufer müsse nach der Übergabe den Zufall, der sich in seinem „Herrschaftsbereich“ oder „Machtbereich“ ereigne, selber tragen,998 ist auch sonst meist nur in zweiter Linie die Möglichkeit der Risikosteuerung gemeint. In erster Linie geht es um die Erlangung der wirtschaftlichen „Macht“ über die Kaufsache, die das Erfüllungsstadium des Kaufvertrages markiert, zu dem die Gefahr der Gegenleistung auf den Käufer übergeht.999 Gleichwohl haben nur wenige konsequent darauf verzichtet, das Kriterium der Beherrschbarkeit für maßgeblich zu erklären. So meinte etwa Beitzke, dass der Käufer gerade ohne Rücksicht auf die Beherrschbarkeit des Risikos in einem umfassenden Sinne die Gefahr nicht nur der körperlichen (Sachverschlechterung und -untergang), sondern auch der rechtlichen Unmöglichkeit (insbesondere Beschlagnahme) der Kaufsache tragen müsse, weil die Lieferung das wesentliche sei und weil er danach bereits den Nutzen und Gebrauch der Sache habe.1000

Diese hauptsächlichen Begründungen wurden jeweils flankiert von pragmatischen und ökonomischen Erwägungen.1001 So wurde hervorgehoben, dass die Übergabe ein äußerlich leicht erkennbares Moment sei (Rechtssicherheit und -klarheit), dass es Streit zwischen den Parteien vermeide, die „Verantwortungsbereiche“ der Parteien räumlich klar voneinander zu trennen, und dass dies auch schwierige Abgrenzungen zwischen Fahrlässigkeit und Zufall im Einzelfall entbehrlich mache.1002

995 

Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 18, vgl. auch S. 62, 69, 78. Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 19. 997  Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 17, 62. 998  Dazu mit Verweis insb. auf Larenz: Schilcher JBl 1964, 395 (400); Nassauer (1978) – Sphärentheorie, S. 272 f.; Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 58 f. 999  Larenz (1986) – SchuldR II.1, S. 97 (§ 42.II.a): „Damit ist der von [dem Käufer] angestrebte wirtschaftliche Erfolg im wesentlichen eingetreten. Aus diesem Grund ist er nun aber auch ‚näher dran‘, den wirtschaftlichen Verlust zu tragen, wenn die Sache jetzt durch einen Zufall vernichtet wird“. Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 446, Rn. 9: Dass § 446 den Zeitpunkt der Übergabe für maßgeblich erkläre, rechtfertige sich „zum einen daraus, dass der Käufer nunmehr anstelle des Verkäufers die Einwirkungs- und Überwachungsmöglichkeit hat (Sphärengedanke). Entscheidend aber kommt hinzu [Hervorhebung d. Verf.], dass mit der Übergabe der bezweckte Erfolg wirtschaftlich im Wesentlichen eingetreten ist: der Käufer kann die Sache nutzen und ihm gebühren auch die Nutzungen (§ 446 S 2), dh er darf sie behalten. Der Verkäufer kann ihm diese Möglichkeiten nicht mehr entziehen, das beim Verkäufer verbliebene Eigentum ist eine leere Hülse, weil er nicht mehr darüber verfügen darf und kann.“ 1000  Beitzke MDR 1947, 281 (282); im Ergebnis zustimmend v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 245 f., allerdings mit dem Veranlassungsgedanken argumentierend, worin deutliche Parallelen zu v. Jherings Verschuldenstheorie (dazu oben: B. I. 1.c)v)) zu erkennen sind. 1001 Dazu: Schilcher JBl 1964, 395 (400 f.); Huber in: Soergel (1991) – BGB, vor § 446 Rn. 17; Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 71 f. 1002  Dazu bereits bei und in Fn. 973. 996 



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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1)  Risikosphären nach dem Beherrschbarkeitsprinzip und ergänzenden Kriterien Im Gegensatz dazu hat Koller pragmatische und ökonomische Erwägungen als die zentralen Kriterien der Risikozuweisung im Austauschvertrag beschrieben.1003 Auch die Gefahr­tragung beim Kauf sieht er vor allem durch die Kriterien „Beherrschbarkeit“1004, „Absorbierbarkeit“1005 und „Veranlassung“1006 von Risiken gerechtfertigt.

(a)  Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit Voraussetzung der Beherrschbarkeit sind die Vorhersehbarkeit des zuzurechnenden Risikos, d. h. dass das Schadensereignis nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegen darf,1007 sowie seine Steuerbarkeit, d. h. dass der Schadenseintritt zumindest theoretisch vermeidbar ist; seine Grenzen findet der Beherrschbarkeitsgedanke deshalb bei solchen Störungsereignissen, die „evident unbeherrschbar“ sind.1008 „Unbeherrschbar“ ist in diesem Zusammenhang in der Terminologie Kollers in einem tatsächlichen Sinne zu verstehen: Diese Störungsereignisse können beim besten Willen und selbst mit dem größten Aufwand nicht vermieden werden, so dass es auch nicht sinnvoll ist, sie einem Adressaten zuzurechnen (= Begründung der Beherrschbarkeit im normativen Sinne) mit dem Argument, dass ein Anreiz zur optimalen Risikoprävention gesetzt werde.

Ob die Schadensprävention möglich, das entsprechende Risiko beherrschbar (und deshalb zurechenbar) ist, kann man auf der Grundlage eines naturalistischen Verständnisses oder nach normativen Kriterien beantworten. Nach Koller soll der Aufwand, der vom Risikoträger zur Schadensvermeidung erwartet werden kann, nicht nach heteronomen Wertungskriterien (insbesondere nach der Verkehrsüblichkeit und Zumutbarkeit der Sorgfaltsanstrengungen, vgl. objektive Fahrlässigkeit) im Einzelfall (konkret) bestimmt werden.1009 Es ist demnach nicht von der Zu1003  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 153: In der Literatur werde in Anlehnung an den historischen Gesetzgeber § 446 Abs. 1 a. F. auf zwei Pfeiler gestützt, erstens darauf, dass der Käufer mit der Übergabe des Kaufobjektes die Möglichkeit erwerbe, den Gegenstand zu nutzen, und zweitens darauf, dass er in die Lage versetzt werde, die Gefahr des Untergangs und einer Beschädigung zu steuern. Maßgeblich sei der zweite Pfeiler, allerdings knüpfe die Regelung weniger an die Beherrschungsmöglichkeit des Käufers, denn an diejenige des Verkäufers an. 1004  Zum „Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit“: Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 78–89, 100–178. 1005  Zum „Absorptionsprinzip“: Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 89–95, 178–189. 1006  Zum „Prinzip der arbeitsteiligen Veranlassung“: Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 95–97, 190–204. 1007  Das Risiko unvorhersehbarer Schadensereignisse kann weder dem Beherrschbarkeitsnoch dem Absorptionsprinzip zugeordnet werden. Denn beide Prinzipien beruhen auf dem Gedanken der Kalkulierbarkeit (einerseits Schadensprävention, andererseits Schadensbewältigung); vgl. Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 217 ff. Die Fälle unvorhersehbarer Risiken können nach Koller a. a. O. S. 95 ff. nur mit dem „Prinzip der arbeitsteiligen Veranlassung“ gelöst werden. 1008  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 88 f. 1009  Andernfalls hätte der Risikoträger den wirtschaftlichen Nachteil nicht zu erleiden, wenn sich ein Risiko verwirklicht, obwohl er die zumutbaren Präventionsanstrengungen unternommen

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

mutbarkeit von Präventionsmaßnahmen auf die Möglichkeit der Beherrschbarkeit des Risikos zu schließen. Vielmehr sei der umgekehrte Weg zu gehen: Alles, was möglich ist, um das Schadensereignis zu verhindern, ist zumutbar (deshalb auch „Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit“).1010 Vorhersehbarkeit und Steuerbarkeit sind hinreichende Bedingungen der Zurechnung. Im Ergebnis hat der Zurechnungsadressat daher sämtliche Störungen zu vertreten, die nicht unvorhersehbar und nicht evident unbeherrschbar sind. Durch diese weitreichende Belastung des Risikoträgers ohne Rücksicht darauf, ob der zur Risikovermeidung erforderliche Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Erfolg steht, soll das Beherrschbarkeitsprinzip als „selbststeuerndes marktwirtschaftliches System“ einen „Anreiz zur optimalen Prävention“ schaffen.1011 Der Risikoträger werde versuchen, „alle Gefahren, die zu sinnlosem und überflüssigem Wertverzehr führen, in dem Maße zu unterdrücken, in dem die für die Gefahrenabwehr nötigen Kosten niedriger als die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Nachteile sind“1012.

Markwirtschaftlich (generalpräventiv) gesehen führe diese „simple Rentabilitätsanalyse“ darüber, ob und wie der Risikoträger zur Risikosteuerung/-vermeidung aktiv wird, unter Wettbewerbsdruck – ökonomisches und zweckrationales Denken vorausgesetzt – zu einer Optimierung der Präventionsmaßnahmen.1013

(b)  Prinzip der Absorbierbarkeit Überlagert und ergänzt wird das Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit durch den Gedanken der Absorbierbarkeit. Damit ist die Fähigkeit der Parteien gemeint, „die Auswirkungen von Störungen, die nicht eingeplant worden sind, abzufangen und das Risiko zu streuen“1014. Es geht dabei also nicht mehr um die Schadensvermeidung, sondern um die Schadensbegrenzung oder -abwälzung.1015 hat. Nur die Folgen unzulänglicher Präventionsmaßnahmen müsste er sich auf der anderen Seite zurechnen lassen. Vgl. Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 79 f., 86. 1010  Nach dem spezifischen Inhalt des Beherrschbarkeitsprinzips sei von der Beherrschbarkeit eines Risikos auch dann zu sprechen, wenn ein Schadensereignis nur mit gänzlich unangemessenem Aufwand abgewendet werden kann; Koller (1979)  – Risikozurechnung, S. 148 f. Denn „[d]em Zurechnungsadressaten werden unabhängig von der konkreten Beherrschbarkeit in einem weiten Rahmen alle Gefahren samt ihrer wirtschaftlichen Folgen zugerechnet“, a. a. O. S. 438. Das Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit weise dem Risikoträger pauschal steuerbare Risiken in der Erwartung zu, dass der Risikoträger dort, wo die Abwehr potentieller Störungen über das verkehrserforderliche Maß hinaus als rentabel erscheint, Schutzmaßnahmen treffen wird, a. a. O. S. 178. Hervorhebungen d. Verf. 1011 Vgl. Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 86. 1012  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 80. 1013 Vgl. Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 80 ff. 1014  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 89. 1015 Vgl. Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 178, 190 – Grundgedanke: „optimale Bewältigung von Schäden“ statt „Prävention von Ereignissen, die der Planung zuwiderlaufen“.



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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Das Prinzip der Absorbierbarkeit beruht nicht auf Billigkeitserwägungen, insbesondere zielt es nicht auf den Schutz des wirtschaftlich schwächeren Vertragspartners oder auf die Vermeidung von Existenzgefährdungen schlechthin.1016 Stattdessen geht es darum, das Risiko derjenigen Partei aufzuerlegen, der die besten organisatorischen Mittel zur Risikosteuerung zur Verfügung stehen, und das ist in der Regel diejenige Partei, die das Risiko mit dem geringsten Aufwand versichern1017 oder sonst das Ausmaß der Risiken am besten zu bewerten und dementsprechend Rückstellungen zu bilden vermag1018. Darin klingen Gedanken an, die in der ökonomischen Analyse des Rechts begrifflich als „cheapest insurer“ und „deep pocket approach“ bekannt sind. Das Prinzip der Absorbierbarkeit überlagert das Beherrschbarkeitsprinzip insofern, dass mitunter die Partei, der die besseren organisatorischen Mittel zur Verfügung stehen, um im Falle des Schadenseintritts wirtschaftliche Verluste aufzufangen, insbesondere durch Bildung der zur Selbstdeckung der Risiken notwendigen Reserven oder durch Abschluss einer Versicherung, die Gefahr zu tragen hat, auch wenn die andere Partei mit Blick auf die Schadensprävention einen Beherrschbarkeitsvorsprung haben mag.1019 In Ergänzung zum Beherrschbarkeitsprinzip vermag der Gedanke der Absorbierbarkeit zu erklären, warum der Zurechnungsadressat ggf. auch solche Risiken tragen muss, die „evident unbeherrschbar“ sind und hinsichtlich derer die Risikobelastung deshalb keinen Anreiz zur optimalen Prävention setzen kann.1020 Weil das Absorptionsprinzip ebenso wie das Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit bei den Kalkulationsmöglichkeiten der Parteien ansetzt (Berechenbarkeit des Risikos bzw. der Risikofolgen), ist es aber ebenfalls nicht geeignet, die Zuweisung unvorhersehbarer Risiken zu legitimieren.1021

(c)  Prinzip der arbeitsteiligen Veranlassung Bei der Zuweisung schlechthin unvorhersehbarer sowie solcher Risiken, hinsichtlich derer weder nach dem Beherrschbarkeits- noch nach dem Absorptionsgedanken eine Partei einen Vorsprung vor der anderen hat, argumentiert Koller mit dem „Prinzip der arbeitsteiligen Veranlassung“.1022 Dieses besagt, dass im Zweifel jeder Vertragspartner diejenigen Risiken tragen soll, die sich daraus ergeben, dass er die Befriedigung seiner Bedürfnisse nicht selbst in Angriff genommen, sondern dazu

1016 

Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 89. Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 91. 1018  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 92. 1019  Koller  (1979)  – Risikozurechnung, S. 94 („entgegengesetzte Form der Risikoverteilung“). 1020 Vgl. Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 89, 94 („Gleichlauf“). 1021  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 94 f. 1022  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 95 ff., 190. 1017 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

den anderen Vertragspartner aktiviert hat.1023 Da beim gegenseitigen Vertrag jeder Partner zu aller erst im eigenen Interesse tätig wird, sich nämlich vom anderen nur „einspannen“ lässt, um die Gegenleistung zu erhalten, ist der Gedanke der arbeitsteiligen Veranlassung jedoch insoweit nur von beschränktem Wert; es handelt sich dabei aber auch nur um einen „Auffangtatbestand“.1024

2)  Anwendung dieser Prinzipien auf den Kaufvertrag In der Anwendung dieser Prinzipien auf den Kaufvertrag hat Koller seinen Ausgangspunkt bei der Überlegung genommen, warum der Verkäufer bis zur Übergabe und der Käufer erst danach die Gefahr tragen sollte.1025 Darin unterscheidet er sich grundlegend von der übrigen Literatur zum BGB von 1900. Diese nahm die Gefahr­tragung des Verkäufers jedenfalls bis zur Übergabe als Selbstverständlichkeit hin und fragte danach, warum der Käufer bereits ab diesem Zeitpunkt die Gefahr tragen solle, auch wenn der Verkäufer damit seine Leistung noch nicht vollständig erbracht habe. Koller meinte, von dem Veranlassungsgedanken aus müsse eigentlich – zumindest im Regelfall des Stückkaufs1026 – der Käufer vom Vertragsschluss an die Gefahr tragen, weil er dadurch, dass er sich die verkaufte Sache nicht sogleich übergeben und übereignen lasse, den Verkäufer einem „Lagerrisiko“ aussetze.1027 Dies entspricht v. Jherings Rechtfertigung der periculum est emptoris-Regel („Verschuldenstheorie“1028).1029 Dementsprechend kritisiert er, es werde in der Diskussion über die ratio legis dieser Vorschrift verkannt, „daß § 446 I BGB [a. F.]

1023 

Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 95. Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 96 f., 190 („Zünglein an der Waage“). 1025  Dies entspricht dem Ausgangspunkt der Beratungen über die Gefahr­tragung nach dem BGB von 1900 bei der Begründung der Abkehr vom periculum emptoris. Dazu oben: B.II.1.c). 1026  Die Veranlassung des Risikos entfalle, wenn bei Abgabeschulden die zeitliche Verschiebung der Leistung nicht auf einen Wunsch des Käufers zurückzuführen sei, sondern primär im Interesse des Verkäufers liege. Denn dann könne im Hinblick auf die Lagerung nicht mehr von einer arbeitsteiligen Einschaltung gesprochen werden (z. B. wenn die verkaufte Sache noch vermietet sei oder vorübergehend noch vom Verkäufer genutzt werden dürfe). Die Veranlassung entfalle ferner dann, wenn man dem Käufer nicht eindeutig die von ihm veranlasste Gefahr zuordnen könne (insbesondere bei Gattungsschulden vor der Konkretisierung); Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 303. 1027  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 154, 302 f. Es müsse aus Gründen der Rechtsund Verkehrssicherheit sowie der Vertragstreue davon ausgegangen werden, dass der Verkäufer möglicherweise das Kaufobjekt an einen anderen potentiellen Nachfrager hätte veräußern können, der die Leistung in Empfang genommen hätte, bevor sich das Risiko im Bereich des Verkäufers habe realisieren können. Weil der Verkäufer, der seine Leistungskapazität an den Käufer gebunden hat, seine Anstrengungen einstelle, andere Kunden zu finden, müsse ihm generalisierend zugute gehalten werden, dass andere potentielle Nachfrager in Betracht gekommen wären, die mit einer kurzfristigen Abwicklung des Austauschs einverstanden gewesen wären. 1028  Dazu oben: B. I. 1.c)v). 1029 Vgl. Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 154. 1024 



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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weniger an die Beherrschungsmöglichkeit des Käufers, denn an die des Verkäufers anknüpft.“1030 Dass der Käufer erst ab der Übergabe die Gefahr tragen müsse, liege daran, dass der Verkäufer hinsichtlich vorhersehbarer und beherrschbarer Gefahren bis zur Übergabe einen Beherrschbarkeitsvorsprung habe;1031 und Nachteile in Verwirklichung solcher Gefahren, die evident unbeherrschbar sind, besser absorbieren könne.1032 Der Verkäufer werde durch diese Belastung dazu angespornt, die Sache optimal zu behüten und Vorsorge für den Schadensfall zu treffen.1033 Mit der Übergabe ende die Möglichkeit des Verkäufers, Gefahren, welche die Unversehrtheit der verkauften Sache bedrohen, effizienter als der Käufer abzuwehren, weil sich die Sache nunmehr im Organisationsbereich des Käufers befinde, auf den der Verkäufer keinen Einfluss habe. Deshalb müsse der Käufer sämtliche Schäden, die aus seinem eigenen „Organisationsbereich“1034 resultieren, tragen; aber auch solche Gefahren, die von außen, aus einer „neutralen Sphäre“ kommen, könne der Käufer typischerweise besser als der Verkäufer unter Kontrolle halten.1035 Ab der Übergabe spreche daher auch das Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit für seine Gefahr­tragung.1036

3) Stellungnahme Koller ist der Ansicht, wenn die Parteien eines Vertrages die Risikoverteilung nicht privatautonom regeln, sei es Zweck der dispositiven gesetzlichen Vorschriften, Anreize für die „optimale Allokation der Ressourcen und die Beschleunigung 1030 

Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 153. Gerade mit diesem Argument wurde auch eine Abkehr von der römisch-rechtlichen vertragsanfänglichen Käufergefahrtragung befürwortet, statt vieler: Hofmann  (1870)  – Periculum, S. 37 f.: Es sei „sehr bedenklich, den Käufer die Gefahr einer Sache tragen zu lassen, die er gegen Gefahren zu schützen nicht vermag.“ Dazu oben: B. I. 5) sowie auch die Begründung des Vorschlags Nr. 7 v. Kübel: B.II.1.c)i)1)(a). 1032  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 155, vgl. S. 303. 1033 Abgesehen von den marktwirtschaftlichen Konsequenzen wird der Verkäufer auf diese Weise im Interesse des Käufers auch dazu angespornt, seine Erfüllungsbereitschaft zu erhalten. Kritisch zu diesem Argument m. w. N.: Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 34 mit Fn. 100 sowie Schilcher JBl 1964, 395 (399 f.). 1034  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 154; vgl. S. 153: „Beherrschbar im abstrakten Sinn sind Gefahren, die aus dem Herrschaftsbereich des Käufers, aus einer mangelhaften Organisation seiner Sphäre entspringen.“ 1035  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 154. Der Zurechnungsadressat soll nach dem Beherrschbarkeitsprinzip nämlich mittels eines räumlich-organisatorisch verstandenen SphärenBegriffs bestimmt werden nach dem Leitgedanken, dass „jede Partei die Wahrscheinlichkeit einer Störung, die ihrer Sphäre entspringt“, am besten prognostizieren können wird, und dass „Gefahren, die aus der neutralen Sphäre stammen“, regelmäßig auch „diejenige Partei am besten abschätzen können [wird], in deren Sphäre sie sich auszuwirken drohen, da sie ihnen unmittelbar ausgesetzt ist und auch ihre potentiellen Folgen besser zu überblicken vermag“; a. a. O. S. 87 (Hervorhebungen d. Verf.). 1036  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 153 f. 1031 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

des technischen sowie organisatorischen Fortschritts“ zu setzen.1037 Dies werde durch eine Orientierung an den Prinzipien der abstrakten Beherrschbarkeit und der Absorbierbarkeit erreicht. Es lässt sich nicht leugnen, dass es sich bei diesen Prinzipien im Allgemeinen um sinnvolle Kriterien handelt, wenn man das Thema der Gefahr­tragung allein unter rechtsökonomischen Gesichtspunkten angeht.1038 Solche Gesichtspunkte spielen bei der gesetzlichen Gefahrverteilung durchaus auch eine Rolle.1039 Sie sind allerdings nicht die zentralen Kriterien.1040

(a)  Überhöhung rechtsökonomischer Erwägungen im Kernbereich der Privatautonomie Wie bereits an anderer Stelle beschrieben wurde, ist der Parteiwille für die Gefahr­ tragung von überragender Bedeutung, weil der Gefahrübergang das Leistungsversprechen des Schuldners begrenzt und damit eigentlich Teil desselben ist.1041 Wo die Parteien weder ausdrücklich noch stillschweigend eine entsprechende Abrede über die Gefahr­tragung getroffen haben, ist es deshalb Aufgabe des Gesetzgebers, mit den Vorschriften des dispositiven Gesetzesrechts dem typischen Parteiwillen gerecht zu werden. Dass dies das Anliegen der Gesetzesverfasser war, geht aus den Beratungen der Gefahr­tragung beim Kauf deutlich hervor.1042 Demnach entspricht es deshalb dem typischen Parteiwillen beim (Stück-)Kauf, dass der Verkäufer bis zur Übergabe und der Käufer danach in einem umfassenden Sinne die Gefahr zu tragen hat, weil die Übergabe die zentrale Erfüllungshandlung ist. Aspekte der Billigkeit und Rechtssicherheit sind in den Gesetzesberatungen lediglich ergänzend angeführt worden. Den Parteien sind die gesamtwirtschaftlichen Folgen der Gestaltung „ihres“ Vertrages auch typischerweise gleichgültig; sie wollen eine Regelung, die ihrem individuellen Leistungsaustausch gerecht wird. Den Gesetzgeber interessieren diese Folgen durchaus. Es ist auch richtig, dass der Gesetzgeber dort, wo er nur für den Fall eine Regelung trifft, dass die Parteien von ihrer (vorrangigen) privatautonomen Gestaltungshoheit keinen Gebrauch gemacht haben, auch rechts/ ordnungspolitische Motive zu verfolgen hat. Dies bedeutet aber nicht, dass diese 1037 

Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 79, 97. So auch Huber (1999) – Leistungsstörungen I, S. 57. 1039 Dazu Hager (1982) – Gefahr­ tragung, S. 71  f. zu den Anforderungen an Gefahr­ tragungsregeln unter pragmatischen und ökonomischen Gesichtspunkten. 1040 Kritisch zu Kollers Vorschlag auch: Reinhardt (1998) – Gefahr­ tragung, S. 59 f. mit Fn. 55; Wiedemann in: Soergel (1990) – BGB, § 323 Rn. 3; Huber (1999) – Leistungsstörungen I, S. 56 f.; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 34; Gsell in: Soergel (2005) – BGB, § 326 Rn. 8, 43; Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.11.2014) – BGB, § 326 Rn. 2; vgl. Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 326 Rn. 50, 62. Zustimmend dagegen: Motsch JZ 2001, 428 ff.; Otto in: Staudinger (2009) –BGB, § 326 Rn. B-4, C-45 (ders. in: Staudinger (2001) – BGB, § 323 Rn. 3), allerdings mit Kritik an dem Veranlassungsprinzip. 1041  Dazu oben: B.II.1.c)iii)4)(c)(ii). 1042  Dazu oben: B.II.1.c)iii). 1038 



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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Motive überwiegen. Huber hat es allgemein1043 so ausgedrückt, dass „[ö]konomische Überlegungen … bei der Ausgestaltung der einzelnen Regeln sicher nicht im Vordergrund gestanden [haben].“ Der Gesetzgeber habe sich „offenbar bemüht, Regeln zu vermeiden, von denen nach seiner Überzeugung ökonomisch eindeutig nachteilige Folgen zu erwarten waren“. Daraus sei aber nicht der Schluss zu ziehen, „daß ökonomische Effizienz als solche zu den grundlegenden Rechtsprinzipien des BGB gehört“.1044 Dem ist zuzustimmen.

(b)  Begrenzter Erklärungswert des Prinzips der Absorbierbarkeit und des Prinzips der arbeitsteiligen Veranlassung Davon abgesehen sind das Prinzip der Absorbierbarkeit, das die Zuweisung evident unbeherrschbarer, aber immerhin vorhersehbarer Gefahren, und das Prinzip der arbeitsteiligen Veranlassung, das als Auffangtatbestand die Verteilung der übrigen Risiken, insbesondere des Risikos schädlicher Ereignisse, die nicht nur unbeherrschbar, sondern auch unvorhersehbar sind, legitimieren soll, beim Kauf ohnehin nur von begrenztem Erklärungswert.

(i)  Versicherbarkeit richtet sich nach der Risikozuweisung, nicht umgekehrt; außerdem ist nicht jeder Zufallsschaden ein Versicherungsfall Was den Gedanken der Absorbierbarkeit im Allgemeinen angeht, darf man die Versicherbarkeit von Risiken als Argument der Risikoverteilung nicht überbewerten. Denn es richtet sich die Versicherbarkeit nach der gesetzlichen Risikoverteilung, nicht umgekehrt. Das wurde auch schon bei Inkrafttreten des BGB von 1900 in der Diskussion über die Sachgerechtigkeit des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. betont. An der Regelung, dass die Gefahr schon vor dem Eigentumserwerb mit der Übergabe auf den Käufer übergehe, wurde (beim Grundstückskauf) nämlich kritisiert, dass der Käufer durch die gesetzliche Gefahr­tragungsregel nach der Übergabe in Höhe des Kaufpreises praktisch zum (Sach-)Versicherer des Verkäufers werde,1045 obwohl er selbst sich meist nicht durch eine Versicherung decken könne.1046 Dieser Kritik wurde zutreffend entgegengehalten, dass diese für den Käufer ungünstige Lage ggf. „nicht auf die gesetzliche Bestimmungen zurückzuführen [sei], sondern auf die zur Zeit bei den privaten Versicherungsgesellschaften bestehenden Aufnahme1043  An anderer Stelle (S. 57) merkt Huber an, dass „am ehesten noch“ die Gefahr­tragung gem. §§ 323, 446 Abs. 1 S. 1, 644 Abs. 1 S. 1 a. F. mit den Kriterien der Beherrschbarkeit und Absorption zu erklären sei. Damit ist aber, wie der Verweis auf Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 72 deutlich macht (S. 57 mit Fn. 117a, S. 37 Fn. 47), nicht gemeint, dass diese Kriterien in diesem Bereich allein oder auch nur vorrangig entscheidend seien. 1044  Huber (1999) – Leistungsstörungen I, S. 55. 1045  So bereits v. Jhering JherJb 3 (1859), 449 (486): „[D]er Käufer versichert den Verkäufer, der Kaufpreis ist eine Versicherungssumme.“ 1046  Martinius ArchBürgR. 17 (1900), 50 (61): „Er selbst [der Käufer] als Nichteigenthümer und nicht einmal Eigenbesitzer würde kaum zur Versicherung zugelassen sein …“.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

bedingungen, deren Berücksichtigung von einem Gesetzgeber nicht erwartet werden kann“.1047 Zur Rechtfertigung der Gefahr­tragung des Käufers vermag dieses Argument gerade bei der Lieferung verkaufter Ware unter Eigentumsvorbehalt, dem Hauptanwendungsfall des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F., auch wenig beizutragen.1048 Bei der Lieferung verkaufter Ware unter Eigentumsvorbehalt hat der Käufer in Bezug auf die Ware als solche nach der Übergabe keinen evidenten „Vorsprung“ vor dem Verkäufer. Denn der Verkäufer ist als Eigentümer derjenige, dem bei Abschluss einer Sachversicherung das Eigentumsinteresse versichert ist und bleibt, solange das (übergebene) Kaufobjekt noch nicht übereignet ist (vgl. § 95 Abs. 1 VVG).1049 Das Sacherhaltungsinteresse des Käufers ist bis dahin allenfalls im Rahmen eines mit dem Verkäufer bestehenden Sachversicherungsvertrages mitversichert, falls eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Kaufvertragsparteien besteht.1050 Der Käufer muss seinen Versicherungsschutz insofern also gerade vom Verkäufer ableiten.1051 Er kann sonst nur berechtigt sein, gegen Zahlung des vollen Kaufpreises für die verschlechterte oder untergegangene Sache vom Verkäufer Abtretung der Ansprüche, die dieser wegen des Untergangs oder der Verschlechterung gegen seinen Versicherer hat, zu verlangen.1052 Soweit der Käufer unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Ware selbst versichern kann, ist dies die Folge seiner Gefahr­tragung, nicht deren Voraussetzung. Denn der Versicherer leistet wegen der Beschädigung oder des Untergangs einer Sache, die im Eigentum des Verkäufers steht, ggf. nur deshalb an den Käufer als Versicherungsnehmer, weil der Käufer dem Eigentümer gegenüber zur Kaufpreiszahlung (und sonst unter Umständen zum Schadenersatz) verpflichtet ist und bleibt.

Außerdem stellt sich bei weitem nicht jede Sachverschlechterung als Schadensfall dar, der versichert werden könnte,1053 und hinsichtlich Möglichkeit und Zweckmäßigkeit einer Versicherung sind die einzelnen Fälle so unterschiedlich gelagert, dass der Aspekt der besseren Versicherbarkeit durch den Käufer nicht von hinreichender Allgemeingültigkeit ist, um eine für jeden Kauf statuierte Gefahr­tragung des Käufers ab Übergabe rechtfertigen zu können.1054 Es bleibt immer ein mehr 1047 

Froelich (1906) – Gefahrübergang, S. 30, Hervorhebung d. Verf. 1048 Von daher überrascht es nicht, dass Koller mit der Versicherbarkeit

des Risikos nur argumentiert, um zu begründen, warum dem Verkäufer gem. § 446 Abs. 1 a. F. bis zur Übergabe auch das Risiko unbeherrschbarer Gefahren zugewiesen ist (in Abweichung von dem Prinzip der arbeitsteiligen Veranlassung und ergänzend zu dem Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit). 1049 Vgl. Möller in: FS Bötticher (1969), 261 (263, 267) und Heinicke (2002) – Sachversicherung, S. 236 ff, jeweils zu § 69 Abs. 1 VGG a. F. 1050  Vgl. BGH, Urt. v. 17.06.2009, Az. IV  ZR  43/07 (=  NJW-RR 2009, 1329–1331): § 69 Abs. 1 a. F. (= 95 VVG) stehe einer Vereinbarung nicht entgegen, nach welcher der Käufer eines Grundstücks bereits vor der Eintragung im Grundbuch in den mit dem Verkäufer bestehenden Gebäudeversicherungsvertrag – zunächst neben diesem – eintritt und dadurch einen vom Verhalten des Verkäufers unabhängigen eigenen Anspruch auf Versicherungsschutz erwirbt (Rn. 12). 1051  § 95 VVG kommt freilich nur zur Anwendung, wenn die Sachversicherung des Verkäufers auch noch nach der Übergabe der verkauften Sache weiterbesteht; vgl. Heinicke (2002) – Sachversicherung, S. 277 f. 1052 Dazu Wandt (2010) – VersR, Rn. 677.; vgl. auch Möller in: FS Bötticher (1969), 261 (267 f.) und Heinicke (2002) – Sachversicherung, S. 259 ff., 284 ff., jeweils zu § 281 Abs. 1 a. F. 1053 Vgl. Rabel (1958) – Warenkauf II, S. 292. 1054 Vgl. Ernst ZIP 1993, 481 (485 f.) gegen das entsprechende Argument der Kommission



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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oder weniger umfangreicher Restbereich von zufälligen Sachuntergängen, bei denen das „Versicherbarkeitsargument“ nicht greift und sich „die Grundfrage nach der Gefahr­tragung aufs Neue stellt“1055.

(ii)  Prinzip der arbeitsteiligen Veranlassung im Widerspruch zu dem Zweck des gegenseitigen Vertrages? In Bezug auf das Prinzip der arbeitsteiligen Veranlassung bleibt bereits die abstrakte Beschreibung diffus. Warum sollte gerade im Austauschvertrag „jede Partei die Risiken tragen, die ihr Vertragspartner in ihrem Interesse eingegangen ist“1056? Warum sollte nicht jeder das Risiko, das er mit dem Vertragsschluss eingegangen ist, das er dem Vertragspartner abgenommen hat, um sich bei diesem die Gegenleistung zu verdienen, tragen?1057 Der Gläubiger spannt den Schuldner gerade deshalb zur Befriedigung seiner Bedürfnisse ein, weil er nicht selbst und auf eigenes Risiko aktiv werden will, und dafür bezahlt er den Schuldner auch, und zwar grundsätzlich nur im Erfolgsfall. Dies ist unverkennbar der Grundgedanke des synallagmatischen Prinzips. Dementsprechend sind die Gesetzesverfasser auch beim Kauf davon ausgegangen, dass im Prinzip der Verkäufer vom Vertragsschluss bis zur vollständigen Erfüllung der ihm obliegenden Leistung die Preisgefahr in vollem Umfang tragen müsse. Dies ist der Grundsatz, von dem Ausnahmen gerechtfertigt werden müssen. Bei der Anwendung des Veranlassungsgedankens auf den Kaufvertrag zeigt sich auch die Beliebigkeit dieses Arguments. Wenn man „aus Gründen der Rechts- und Verkehrssicherheit sowie der Vertragstreue“ davon ausgeht, dass der Verkäufer das Kaufobjekt an einen anderen potentiellen Nachfrager hätte veräußern können, der zur sofortigen Vertragsabwicklung bereit gewesen wäre,1058 hätte er die Chance gehabt, ein „Lagerrisiko“ zu vermeiden. Lässt er sich auf einen Käufer ein, der die Ware nicht gleich übernehmen will, geht er dieses Risiko bewusst ein, dann übernimmt er es und es wird Teil der ihm obliegenden Leistung. Nur wenn sich die Verzögerung der Vertragsabwicklung als planwidrig erweist, nämlich beim Annahmeverzug, kann die Rede davon sein, dass der Käufer den Verkäufer vertragswidrig einem erhöhten Lagerrisiko aussetzt.1059 Wenn dagegen von den Parteien zur Überarbeitung des Schuldrechts für eine Belastung des Verkäufers mit dem Transportrisiko beim Versendungskauf (geplant war die Streichung des § 447 a. F., dazu auch Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S.  147–181). 1055  Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 151 f. 1056  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 95. 1057  Im Austauschvertrag lässt sich jeder Vertragspartner in genau dem Maße, in dem der andere sein Verhalten veranlasst, darauf ein. Deshalb räumt Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 97, 155 selbst ein, dass das Veranlassungsprinzip bei Austauschverträgen nur einen beschränkten Wert besitze. Umso problematischer erscheint es, die Gefahrverteilung im Kaufvertrag bereits im Ausgangspunkt von diesem Prinzip abhängig zu machen. 1058  Dazu oben in Fn. 1027. 1059  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 130 zur ratio legis des § 324 Abs. 2 a. F. (entspricht

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

von vorneherein vereinbart worden ist, dass die Ware nicht sofort nach Vertragsschluss übergeben und übereignet werden soll, mag man zwar sagen, der Käufer verursache die Gefahrerhöhung; dies stellt sich aber nicht als vertragswidrig dar. Dass im gegenseitigen Vertrag die Erfüllungsbereitschaft des Schuldners grundsätzlich keine hinreichende Bedingung für den Gefahrübergang ist, weil der Schuldner auch mit dem Risiko des Eintritts des Leistungserfolges belastet ist (sofern nicht der Gläubiger einen vertragswidrigen Erfüllungsaufschub verursacht oder ein vertragsgemäßer Erfüllungsaufschub im Interesse des Gläubigers liegt oder der Gläubiger für den Nichteintritt des Leistungserfolges verantwortlich ist), ist bereits angesprochen worden.1060

(c)  Widersprüche im Zusammenspiel der verschiedenen Kriterien Abgesehen von dieser Kritik an den einzelnen Kriterien der Risikozuweisung, ist das Zusammenspiel derselben nicht konsequent durchgeführt. Das Prinzip der Veranlassung spricht nämlich dafür, den Käufer bereits vor der Übergabe mit der Gefahr evident unbeherrschbarer,1061 wenigstens aber mit der Gefahr unvorhersehbarer Schadensereignisse zu belasten. Dass Koller insoweit auf den „Gedanken der Absorbierbarkeit“ ausweicht, um die Gefahr­tragung des Verkäufers zu begründen,1062 überzeugt nicht. Denn dieses Argument vermag es zwar zu rechtfertigen, dem Verkäufer ohne Rücksicht auf die Vermeidbarkeit/Kontrollierbarkeit eines Schadensereignisses die Gefahr zuzuweisen, sofern man bei ihm die bessere Absorptionsmöglichkeit sieht.1063 Zur Zuweisung unvorhersehbarer Gefahren ist es aber nicht geeignet.

f) Zwischenergebnis Die durch die Obhut vermittelte Möglichkeit des Käufers, die verkaufte Sache nach der Übergabe (besser als der Verkäufer) vor schädlichen Einwirkungen zu schützen, vermag nicht zu erklären, warum der Käufer das Risiko vermeidbarer Schadensereignisse ohne Rücksicht auf den im Einzelfall erforderlichen Präventionsaufwand und außerdem das Risiko schlechthin unvermeidbarer Schadensereignisse §§ 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2,  446 S. 3): „Der Schuldner darf aufgrund der Leistungsverzögerung, die im Verantwortungsbereich des Käufers liegt, keinen Nachteil erleiden. Entscheidend hierbei ist, daß durch die Verzögerung der Leistung eine Gefahrerhöhung stattfindet. Die Gefahr trifft die Sache dort, wo sie sich bei ordnungsgemäßer Vertragsabwicklung nicht mehr befunden hätte. Die Ware befindet sich länger als nach der Parteiabrede vorgesehen im Gefahrenbereich des Schuldners.“; Hervorhebung d. Verf. 1060  Dazu oben: B.II.3.b)iii). Dazu oben in Fn. 841, 970, 976. 1061  Vgl. auch Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 59 f. (Fn. 55). 1062  Koller (1979) – Risikozurechnung, S. 155 zur Zuweisung der Gefahr evident unbeherrschbarer Ereignisse. Auf die Frage, warum der Käufer die Gefahr unvorhersehbarer Schadensereignisse tragen sollte, geht er nicht ein. 1063  Dies übersieht Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 59 f. (Fn. 55).



3.  Literaturansichten zur ratio legis des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.

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zu tragen haben sollte. Sie vermag ferner nicht zu erklären, warum dem Käufer nach der Übergabe, sofern ihm diese nicht auch das Eigentum verschafft und damit die vollständige Erfüllung des Kaufvertrages bewirkt, auch solche Schadensereignisse zur Last fallen sollten, die gleichfalls beim Verkäufer eingetreten wäre. Dafür, den Käufer auch insoweit zu belasten, lassen sich pragmatische und ökonomische Erwägungen anführen (optimale Allokation der Ressourcen und die Beschleunigung des technischen sowie organisatorischen Fortschritts, Rechtssicherheit, insbesondere Vermeidung von Abgrenzungs- und Beweisschwierigkeiten). Allein aus rechtspolitischen Erwägungen heraus vermögen diese die Gefahr­tragung des Käufers ab der Übergabe, die nicht zugleich das Eigentum verschafft – als rechtfertigungsbedürftige Ausnahme zu dem Grundsatz, dass der Verkäufer als Schuldner im gegenseitigen Vertrag bis zur Bewirkung seiner Leistung die Gefahr der Gegenleistung tragen muss – aber nicht zu rechtfertigen. Denn die Regelung des Gefahrübergangs betrifft unmittelbar die jeweilige Reichweite und die gegenseitige Verknüpfung der Leistungspflichten der Parteien und damit einen Kernbereich der Vertragsfreiheit. Haben die Parteien von dieser Freiheit keinen Gebrauch gemacht, ist dies keine Einladung an den Gesetzgeber, die Lücke in der vertraglichen Planung durch rechtspolitische Erwägungen ökonomischer Effizienz zu schließen. Es ist – zumindest in diesem Bereich – Zweck des dispositiven Gesetzesrechts, eine „default rule“ vorzusehen, die dem entspricht, was die Vertragsparteien typischerweise vereinbaren.1064 Diesen Zweck hat auch der historische Gesetzgeber bei der Fassung der kaufrechtlichen Gefahr­tragungsregeln verfolgt. Er ist auf der dogmatischen Grundlage des Austauschprinzips davon ausgegangen, dass der Käufer mit der Übergabe im Wesentlichen – zumindest faktisch, wenn auch (noch) nicht rechtlich – das erhalte, was der Verkäufer ihm schulde, und dass es mit Rücksicht auf die bessere Überwachungsmöglichkeit auch der „Billigkeit“ entspreche, dem Verkäufer bereits in diesem Moment die Gefahr der Gegenleistung abzunehmen, auch wenn das Eigentum erst später übergeht. Betrachtet man den Gefahrübergang formal-juristisch unter dem Aspekt, dass die Vertragsdurchführung ein bestimmtes Erfüllungsstadium erreichen muss, ist festzustellen, dass die Verfasser des BGB von 1900 die Erfüllung der ÜbergabePflicht für notwendig, aber auch für ausreichend gehalten haben. Dies vor dem Hintergrund, dass § 433 Abs. 1 a. F. einen Erfüllungsanspruch des Käufers auf Übergabe und Übereignung vorsah, d. h. die Gesetzesverfasser haben der Erfüllung der Übergabe-Pflicht jedenfalls im Verhältnis zu der beim Stückkauf einzigen weiteren Hauptleistungspflicht, der Verpflichtung zur Verschaffung des Eigentums, ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Die Entscheidung des historischen 1064  Andernfalls läuft es darauf hinaus, dass man den Parteien durch weitherzigen Gebrauch der ergänzenden Vertragsauslegung, die danach fragt, was die Parteien im Einzelfall (vernünftigerweise) vereinbart hätten, „zur Hilfe“ kommt. Dadurch würden die dispositiven gesetzlichen Regeln weitgehend ihren Anwendungsbereich verlieren und als bloße Programmsätze im Gesetz stehen. Dazu bereits B. II.1.c)iii)4)(c)(i).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Gesetzgebers, die Erfüllung der Übergabe-Pflicht beim Kauf zur Herbeiführung des Gefahrübergangs ausreichen zu lassen, hat deshalb auch keine absolute Geltung und besagt insbesondere nicht, dass die Erfüllung der Übergabe-Pflicht gleichermaßen ausreichend wäre, wenn der Erfüllungsanspruch des Käufers außer auf die Übergabe und Übereignung auch auf die Sachmangelfreiheit gerichtet wäre (wie es bereits unter dem BGB von 1900 beim Gattungskauf der Fall war und seit der Schuldrechtsreform 2002 beim Kauf generell der Fall ist). Sie ist lediglich das Ergebnis einer (relativen) Gewichtung zwischen der Erfüllung der Übergabe- und der Übereignungspflicht, auf die allein der Erfüllungsanspruch des Käufers unter dem BGB von 1900 gerichtet war.

4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung beim Kauf unter dem BGB von 1900 Gerade weil das Gesetz für den Käufer beim Stückkauf, an dem das gesamte Kaufrecht ausgerichtet war, keinen Erfüllungsanspruch auf mangelfreie Beschaffenheit der zu übergebenden und zu übereignenden Sache vorsah, war es unter dem BGB von 1900 durchaus nicht evident, dass das Vorliegen von Sachmängeln im Zeitpunkt der Übergabe oder des Absendens der Ware dem prinzipiell erfüllungstheoretisch begründeten Gefahrübergang gem. §§ 446, 447 a. F. aus dogmatischen Gründen entgegenstehen könnte. Bereits deshalb überrascht es nicht, dass die Gesetzesverfasser auf diesen Zusammenhang nicht eingingen. Dass sie auch nicht erwogen, ob Sachmängel den Gefahrübergang aus anderen Gründen behindern könnten, lag daran, dass sie bei den Beratungen der Gefahr­tragungsregeln den „Problemfall“ der Lieferung mangelhafter Ware nicht im Sinn hatten. Sie schnitten diese Regeln vielmehr auf den „Normalfall“ zu, der wie folgt aussah: Der Verkäufer eines beim Kaufabschluss bestimmten Stücks übergibt dieses mit der vertragsgemäßen Beschaffenheit dem Käufer; dabei gingen die Gesetzesverfasser davon aus, dass die Übergabe zumindest beim Verkauf einer beweglichen Sache regelmäßig auch das Eigentum verschaffe und der Kaufvertrag damit ggf. (vollständig) erfüllt sei. Die Untersuchung der Frage, welche Auswirkungen das Vorliegen von Sachmängeln bei der Lieferung auf den Gefahrübergang nach den §§ 446, 447 (a. F.) als solchen habe, war daher Rechtsprechung und Rechtswissenschaft überlassen. Das Thema wurde unter verschiedenen Aspekten diskutiert, auf die in diesem Abschnitt einzugehen ist. Nur selten wurde die Mangelfreiheit als Grundvoraussetzung des Gefahrübergangs bezeichnet; ganz überwiegend wurde das Thema (indirekt) unter dem Aspekt des „Zurückspringens“ der Gefahr im Rahmen der Wandelung adressiert1065 und im gewährleistungsrechtlichen 1065 

Dazu unten: B.II.4.a)ii).



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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Kontext erörtert1066. Ein direkter Zusammenhang zwischen dem Vorliegen von Sachmängeln und der Frage des Gefahrübergangs drängte sich allerdings in der Diskussion über den Grund und die Voraussetzungen des Rechts des Käufers, die Annahme mangelhafter Ware zu verweigern, auf.1067.

Es ist zu zeigen, dass die Konstruktion der herrschenden Meinung, dass Sachmängel den Gefahrübergang als solchen nicht behinderten, sondern allenfalls Anlass zu einem „Zurückspringen der Gefahr“ geben könnten, ganz der Dogmatik des Stückkaufs als Leitbild des Kaufrechts sowie des Gewährleistungsrechts unter dem BGB von 1900 entsprach und daher nicht ohne weiteres auf das reformierte Kaufrecht, in dem das „alte“ Stückkauf-Modell einen Ausnahmefall darstellt und das kein besonderes Gewährleistungsrecht mehr kennt, übertragen werden kann. Der Gattungskauf verdient eine getrennte Betrachtung. Denn weil der Erfüllungsanspruch des Käufers dabei seit jeher auch und gerade auf die Mangelfreiheit der Ware bezogen ist, stand das Vorliegen von Sachmängeln der Erfüllung und damit auch dem Gefahr(en)übergang bereits unter dem BGB von 1900 aus dogmatischen Gründen entgegen. Darauf sowie auf den Umstand, dass diese Diskrepanz zum Stückkauf weitgehend dadurch „verdeckt“ wurde, dass das Kaufrecht nur wenig Rücksicht auf die Besonderheiten des Gattungskauf nahm und ihn weitgehend wie einen Stückkauf behandelte, wurde allerdings schon an anderer Stelle eingegangen.1068 Der nachfolgende Abschnitt konzentriert sich deshalb auf den Stückkauf.

a)  Mangelfreiheit als Voraussetzung der Gefahr­tragung des Käufers gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F.? Über „Rechtsgrund“ und „Wesen“ der Gewährleistungspflicht des Verkäufers beim Stückkauf unter dem BGB von 1900 wurde in der Rechtswissenschaft lebhaft und ausgiebig gestritten.1069 Die Vertreter der sog. Erfüllungs- bzw. Nichterfüllungstheorie meinten, der Verkäufer „hafte“ im Rahmen der Gewährleistung wegen der Verletzung seiner (Leistungs-)Pflicht, die Sache im vertragsgemäßen Zustand zu leisten. Die Vertreter der Gegenansicht, der sog. Gewährleistungstheorie, meinten, der Verkäufer habe im Rahmen der Gewährleistung für den Eintritt eines an sich gerade nicht geschuldeten Erfolges einzustehen. Dieser Theorienstreit verlief 1066  Deshalb in einem von den Voraussetzungen des Gefahrübergangs separaten Abschnitt vertieft, siehe unten: B.II.4.c). 1067  Dazu unten: B.II.4.b). 1068  Dazu oben: B.II.2.e)iv). 1069  Zum Streitstand m. w. N.: Graue  (1964) – Mangelfreie Lieferung, S. 130–135, 265 ff.; Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, Vorbem. zu §§ 459 ff. Rn. 7–15; Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 145 ff.; Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 459 Rn. 1–3; Reinicke/ Tiedtke (1997) – Kaufrecht, S. 107–110; Flume (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 33 ff.; Gillig (1984) – Nichterfüllung und Sachmängelhaftung, S. 43 ff.; Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 142 ff.; Jud  (2003) – Schadenersatz, S. 15 f.; Dieckmann  (2007) – Nacherfüllung, S. 91 ff.; Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 434–445 Rn. 14–16.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

zeitlich und sachlich parallel zu demjenigen über die theoretische Grundlage des Fehlerbegriffs (objektive vs. subjektiver Theorie).1070 Man sollte meinen, die Positionierung in dieser Streitfrage hätte bei erfüllungstheoretischer Begründung des Gefahrübergangs Folgen für die Beantwortung der weiteren Frage haben müssen, ob das Vorliegen von Sachmängeln dem Gefahrübergang entgegenstehe. Denn vom Standpunkt der Erfüllungstheorie aus hatte der Verkäufer mit der Übergabe, dem Absenden (Versendungskauf) oder dem Anbieten einer mangelhaften Sache noch nicht alles seinerseits zur Erfüllung Erforderliche getan und der Aufschub der Erfüllung war demnach nicht allein durch den Käufer veranlasst.1071 Von daher waren die tragenden Gründe für den Übergang der Preisgefahr1072 nicht gegeben. Es ließ sich aber – auch vom Standpunkt der Erfüllungstheorie aus – nicht bestreiten, dass der Käufer nach dem BGB von 1900 grundsätzlich1073 keinen Anspruch auf die reale (Wieder-)Herstellung der mangelfreien Sachbeschaffenheit hatte.1074 Nach der Erfüllungstheorie verdrängten die Gewährleistungsrechte des Käufers die Erfüllungspflicht des Verkäufers; als ausschließliche „Sanktion“ für die Nichterfüllung der Pflicht zur sachmangelfreien Leistung beim Stückkauf wurden sie als „Ersatzerfüllungsansprüche“ begriffen. In Ermangelung einer (fortdauernden) Leistungspflicht, deren (weitere) Störung direkte Auswirkungen auf die Verpflichtung zur Gegenleistung hätte haben können, waren die systematischen Voraussetzungen für eine fortdauernde Gefahrbelastung des Verkäufers im Falle der Lieferung mangelhafter Ware nach dem Gesetz nicht gegeben. Es lag deshalb auch von dem Standpunkt der Erfüllungstheorie aus nahe, das Problem der Zuweisung des wirtschaftlichen Nachteils infolge einer zufälligen Verschlechterung oder des zufälligen Untergangs der gelieferten mangelhaften Sache als ein solches des Gewährleistungsrechts anzugehen.

1070  Dabei hat die (Nicht-)Erfüllungstheorie ihr gedankliches Fundament in der Lehre vom subjektiven Fehlerbegriff; die Gewährleistungstheorie war dagegen durchaus nicht als zwingende Konsequenz der Lehre vom objektiven Fehlerbegriff anzusehen. Dazu Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 155, 170 f.; Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 434–445 Rn. 14. 1071 Auch von dem Standpunkt der Gewährleistungstheorie begründeten zumindest solche Mängel, die auf einer nachträglichen Sachverschlechterung beruhen, eigentlich ein Erfüllungshindernis. Dazu bereits: B.II.1.d)i) (insbesondere bei und nach Fn. 311 ff.) und B.II.3.b). 1072  Dass die Leistungsgefahr bereits mit dem Vertragsschluss auf den Käufer übergeht, war unter der früheren Rechtslage beim Stückkauf nicht zu bestreiten. Dazu bereits: B.II.1.d)i). 1073  In der Literatur wurde zum Teil angenommen, dass der Verkäufer aufgrund der schuldhaften Verletzung der Pflicht, die verkaufte Sache vor Schäden zu bewahren, verpflichtet sei, solche Mängel, die infolge einer von ihm zu vertretenden nachträglichen Verschlechterung der verkauften Sache aufgetreten waren, zu beseitigen. Dazu oben: B.II.2.b)i). 1074  Zur Auflösung dieses vermeintlichen Widerspruchs nach der Nichterfüllungstheorie: Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 147, 153 f., 173 f.



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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i)  Die Gefahr gehe bei Vorliegen von Sachmängeln trotz Übergabe nicht über Die Wertungen des Gewährleistungsrechts mit Blick auf die Gefahrverteilung, namentlich bei der Wandelung, wurden aber zumindest vereinzelt als Beleg dafür gedeutet, dass die Sachbeschaffenheit keinesfalls ein für den Gefahrübergang mit Übergabe irrelevanter Umstand sei. Namentlich Glaß und Schilcher vertraten, dass das Vorliegen von Sachmängeln eigentlich bereits dem Übergang der Gefahr entgegenstehe.1075 Statt mit der Nichterfüllung der Leistungspflicht des Verkäufers begründeten sie die Verhinderung des Gefahrübergangs mit dem in der mangelhaften Lieferung liegenden Vertragsbruch bzw. der Vereitelung des Vertragszwecks.1076

1)  Wie beim Gattungskauf verdiene auch beim Stückkauf nur der vertragstreue Verkäufer den Gefahrübergang Glaß1077 war der Meinung, (nur) der vertragstreue Verkäufer solle dadurch belohnt werden, dass die Gefahr mit der Übergabe übergeht. Wer sachmangelhafte Ware liefert, verhalte sich aber nicht vertragstreu, weil der Käufer, auch wenn ihm das Gesetz keinen Anspruch auf sachmangelfreie Lieferung einräume, dann nicht das erhalte, worauf es ihm nach dem Vertrag ankomme.1078 Er verwies – und hierin besteht der Zusammenhang mit der Erfüllungstheorie, die zur Begründung der Sachmängelhaftung beim Gattungskauf ja seit jeher ganz herrschend war – darauf, dass beim Gattungskauf schließlich auch anerkannt sei, dass die Gefahr nur dann auf den Käufer übergehe, wenn der Verkäufer vertragsgemäße Ware zur Erfüllung einsetze: 1075  Außer Glaß und Schilcher (dazu im Text) ist hier Hager (1982) – Gefahr­tragung (1982), S. 175 f. zu nennen. Er stellte fest, dass es „unter dem dogmatischen Gesichtspunkt“ gerechtfertigt sei, dass die Gefahr beim Verkäufer bleibe, wenn durch die sachmangelhafte Lieferung das Leistungsinteresse des Käufers nicht (endgültig) befriedigt werde. Denn der Verkäufer soll eigentlich erst und nur dann von der Gefahr entlastet werden, wenn er das typische Vertragsinteresse des Käufers befriedige. Allerdings waren dogmatische Kriterien für Hager nicht allein entscheidend, sondern es sei in jeder Situation auch unter ökonomischen und pragmatischen Gesichtspunkten auf eine sachgerechte Gefahrverteilung zu achten. 1076  Auch Hager stellte  – in Ermangelung einer entsprechenden Leistungspflicht des Verkäufers – auf das Leistungsinteresse des Käufers bzw. das typische Vertragsinteresse der Parteien ab; dazu bereits: B.II.3.b)i) bei und in Fn. 821. Die Unterscheidung der Nichterfüllung einer (gesetzlichen) Leistungspflicht und der Nichterfüllung des Vertrages hat vor allem Flume betont, dazu noch B. III.1.c)ii)1)(a) bei und in Fn. 86. 1077  Glass (1959) – Rücktritt, S. 28 ff., 99: „Das deutsche Recht knüpft [den Gefahrübergang] grundsätzlich an die Erfüllung an, wie sich aus § 323 [a. F.] ergibt; allenfalls begünstigt es durch früheren Gefahrübergang den vertragstreuen Schuldner, der alles getan hat, was ihm nach dem Vertrag oblag (§§ 446, 447). Man wende nicht ein, der Schuldner habe ja zum Teil erfüllt, sei also insoweit vertragstreu gewesen; das hat nur bei teilbaren Leistungen seine Berechtigung …“. 1078  Vgl. auch Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 256: „Der Verkäufer, der mangelhafte Ware liefert …, hat sicherlich den Kaufpreis nicht verdient und sollte daher mit der Gefahr belastet bleiben“; Hervorhebung d. Verf.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

„Der dogmatische Unterschied, daß den Verkäufer bei einem Gattungskauf eine echte Erfüllungspflicht, beim Spezieskauf nur eine davon zu trennende Gewährleistungspflicht treffe, darf an dieser Stelle jedenfalls keine Rolle spielen. Die Unterscheidung hängt aufs engste mit der jederzeit gegebenen Austauschbarkeit des Leistungsgegenstandes beim Gattungskauf zusammen; das hat gewiß Bedeutung für den Nachlieferungsanspruch gem. § 480 I und die Haftung des Verkäufers für seine Leistungsfähigkeit [Leistungsgefahr, Anm. d. Verf.]. Für die Frage aber, wer den wirtschaftlichen Nachteil tragen soll, wenn die zunächst gelieferte nicht vertragsgemäße Ware beim Verkäufer untergeht [Preisgefahr, Anm. d. Verf.], spielt deren Austauschbarkeit keine Rolle. Aus ihr mag sich ergeben, ob der Verkäufer noch einmal – und jetzt vertragsgemäß – leisten muß, nicht aber, ob er das schlechthin oder nur gegen Rückgabe der ersten Lieferung (oder Wertersatz) tun muß“.1079

Demnach sollten Stück- und Gattungskauf nur in Ansehung der Leistungsgefahr unterschiedlich strukturiert sein, während die Preisgefahr in beiden Varianten des Kaufs denselben Regeln folgen sollte. Diese sähen bei Lieferung mangelhafter Ware keinen Übergang der Gefahr vor. Bestätigung für diese These fand Glaß darin, dass der Käufer es beim Stückkauf und beim Gattungskauf gleichermaßen in der Hand habe, „ob er mindern und den Sachverlust selbst übernehmen oder wandeln und damit den Verkäufer die Gefahr tragen lassen will“. Der Satz, dass Sachmängel dem Gefahrübergang nicht entgegenständen, habe daher „bestenfalls theoretische Bedeutung“.1080

2)  Kein Gefahrübergang bei Vorliegen von Sachmängeln, die den Vertragszweck vereiteln und die „Rückabwicklungsreife“ des Vertrages begründen Schilcher1081 hat an diesem Standpunkt kritisiert, dass er zu starr sei. Es könne nicht angehen, dass der Verkäufer eines Lastautos dem Käufer bei zufälligem Untergang des gelieferten Autos den vollen Kaufpreis nur deshalb zurückzahlen müsse, weil das Auto bei der Übergabe einen kleinen Lackschaden aufgewiesen habe. Dass der Käufer dieses Ergebnis in der Tat durch die Wandelung des Kaufvertrages erreichen könne, habe „seine Ursache in der bedenklichen Bestimmung des § 462 [BGB  a. F.], welche dem Käufer die subjektive Wahl zwischen Wandelung und Minderung läßt“.1082 Dadurch könne beim zufälligen Untergang der (sachmangelhaft) gelieferten Sache „die Wahl des Käufers zur Qual des Verkäufers werden“.1083 Wenn der sachmangelhaft leistende Verkäufer demzufolge die Ge1079 

Glass (1959) – Rücktritt, S. 29 f. Glass (1959) – Rücktritt, S. 29 mit Fn. 34. 1081  Schilcher JBl 1964, 395 (409 f.). 1082  Die Gewährleistungspflicht des Verkäufers setzte unter dem BGB von 1900 generell voraus, dass der Wert oder die Tauglichkeit der verkauften Sache zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch durch den Mangel nicht nur unerheblich gemindert war (§ 459 Abs. 1 S. 2 a. F.). Überschritt der Mangel diese (niedrig anzusetzende) Schwelle, hatte der Käufer zwischen der Minderung und Wandelung die freie Wahl (§ 462 a. F.). 1083  Schilcher hielt die österreichische Regelung des § 932 ABGB (a. F.) für vorzugswürdig, 1080 



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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fahr zu tragen habe, sei dies also nicht schlechthin damit zu begründen, dass man dem Verkäufer einen besonders schwerwiegenden Vertragsbruch zum „Vorwurf“ machen könne. Diese Kritik muss man vor dem Hintergrund sehen, dass Schilcher zwar zur Begründung des Gefahrübergangs einen erfüllungs(handlungs)theoretischen Ansatz vertrat1084, bezüglich der dogmatischen Begründung der Sachmängelhaftung des Verkäufers beim Stückkauf aber der Gewährleistungstheorie anhing, also die Lieferung mangelhafter Ware durchaus für erfüllungstauglich hielt1085. Was als Voraussetzung des Gefahrübergangs erfüllt werden müsse, war nach seiner Ansicht deshalb nicht im engeren Sinne eine Leistungspflicht, sondern „das dem Vertrag entnehmbare primäre Parteieninteresse“, wozu die Vornahme der notwendigen Leistungshandlungen seitens des Schuldners notwendig, aber auch ausreichend sei. Von daher konnten aus seiner Sicht nur solche Sachmängel den Gefahrübergang hindern, die den Vertragszweck vereiteln, weil sie so beschaffen sind, dass sie den vertragsgemäßen Gebrauch der gelieferten Sache verhindern.1086 Die Gefahr sollte, wenn die gelieferte Sache wegen des Mangels unbrauchbar, der Mangel aber behebbar ist, erst bei effektiver Mangelbeseitigung („Verbesserung“, vgl. § 932 ABGB) auf den Käufer übergehen. Im Falle eines unbehebbaren Mangels, der die Unbrauchbarkeit der Sache für den Käufer zur Folge hat, sowie bei Verweigerung oder Scheitern der Verbesserung, unterbleibe der Gefahrübergang auf den Käufer endgültig. Im Falle der Lieferung einer Sache, deren Mangel den vertragsgemäßen Gebrauch nicht hindert, sollte dem Gefahrübergang dagegen nichts im Wege stehen, weil der Verkäufer ggf. alles Erforderliche zur Herstellung des Vertragszwecks getan habe und eine Vertragsaufhebung für den Käufer daher nicht in Betracht komme. Entscheidend für Schilcher war also, ob der Kaufvertrag wegen des Sachmangels „rückabwicklungsreif“ war.1087 Dieser Ansatz Schilchers war nicht direkt auf die Rechtslage nach dem BGB a. F. zu übertragen, weil er von der Systematik des österreichischen Gewährleistungsrechts  a. F.1088, wonach die Entscheidung zwischen Minderung und Wandelung nicht zur freien Wahl des Käufers stand, sondern von objektiven Kriterien abhing. 1084  Schilcher JBl 1964, 395 (403 ff.). Dazu oben: B.II.3.b)ii)3). 1085  Deutlich zu erkennen an dem bei Schilcher JBl 1964, 395 (409 f.) gebildeten Beispielsfall: „Angenommen wird der Fall, daß jemand einen Gebrauchtwagen kauft, und nach dessen Übergabe feststellt, daß das Auto an einem unbehebbaren Motorschaden leidet, der sogar schon – ohne Wissen des Verkäufers – bei Vertragsschluss vorlag. Es dürfte hier außer Zweifel stehen, daß der Verkäufer das verkaufte Auto geliefert, also erfüllt hat. Richtig ist aber auch, daß der Käufer das gewünschte Auto nicht erhielt und der Gesetzgeber diesen Irrtum des Käufers für schutzwürdig erachtet, wenn er den Käufer gewisse Ansprüche (auf Gewährleistung) in die Hand gibt.“ 1086  Schilcher JBl 1964, 395 (409). Ähnlich Lamprecht ZIP 2002, 1790 (1792) mit Verweis auf Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 446 Rn. 16 f.: § 446 beruhe maßgeblich darauf, dass der Verkäufer mit der Übergabe seine Vertragspflichten im Wesentlichen erfülle; dies sei bei der Übergabe einer mangelhaften – u. U. gar nicht nutzbaren Sache – nicht der Fall. 1087  Schilcher JBl 1964, 395 (410). 1088 Dazu Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 220 ff.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

insbesondere der Regelung des § 932 ABGB a. F.1089 ausging. Diese legte durchaus die Unterscheidung nahe, dass unwesentliche Mängel den Gefahrübergang nicht hinderten, während der Gefahrübergang bei Lieferung einer aufgrund des Sachmangels unbrauchbaren Sache aufgeschoben sei und überhaupt nicht stattfinde, wenn solch ein Mangel nicht zu beheben war oder nicht behoben wurde. Nach dem BGB a. F. (§ 462) hatte der Käufer dagegen stets die Wahl, ob er den Kaufpreis mindern oder den Vertrag wandeln wollte, wenn nicht der vorliegende Sachmangel eine nur unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit der Sache zur Folge hatte und die Gewährleistungspflicht des Verkäufers daher gar nicht begründet war (§ 459 Abs. 1 S. 2 a. F.), und daher hatte er – sehr zum Leidwesen des Verkäufers – auch die Verteilung der Gefahr in der Hand.1090

3) Stellungnahme Trotz Schilchers Kritik an Glaß besteht die Gemeinsamkeit der beiden Ansätze darin, dass der Gefahrübergang bei Lieferung einer sachmangelhaften Sache bereits „von allem Anfang an“1091 verneint und nicht mit einem „Zurückspringen“ (erst) infolge Rückabwicklung des Vertrages argumentiert wurde. Der Unterschied bestand darin, dass Glaß dies unmittelbar mit der Nichterfüllung des Kaufvertrages seitens des Verkäufers begründete, während Schilcher mit der „wandelungsindizierenden Leistung“ durch den Verkäufer, die für den Käufer einen verhaltenen Anspruch auf Wandelung zur Folge habe, argumentierte.1092 Außerdem bezog Schilcher seine Argumente nicht erst aus den Folgen der Vertragsauflösung und -abwicklung im Rahmen der Wandelung, sondern bereits aus den Voraussetzungen der Wandelung. Die Wandelung sei nur gerechtfertigt, wenn der vertragsgemäße Gebrauch der verkauften Sache wegen des Sachmangels verhindert sei; eigentlich verneinte auch er also den Gefahrübergang, wenn und weil der Verkäufer (den Vertragszweck) nicht ordnungsgemäß erfüllt. Die praktischen Auswirkungen dieses theoretischen Ansatzes waren unter dem Gewährleistungsrecht des BGB von 1900 aber gering. Weder Glaß noch Schilcher zogen daraus jedenfalls die Schlüsse, die bei einer über die Übergabe hinaus fortdauernden Belastung des Verkäufers mit der Preisgefahr nach den allgemeinen Regeln zwingend gewesen wären, etwa dass der Käufer von der Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung entsprechend der weiteren Verschlechterung der gelieferten 1089  Von der dritten Teilnovelle (1916) bis zur Gewährleistungsreform (2002) lautete die Vorschrift: „(1) Ist der die Gewährleistung begründende Mangel von der Art, daß er nicht behoben werden kann und daß er den ordentlichen Gebrauch der Sache verhindert, so kann der Übernehmer die gänzliche Aufhebung des Vertrages, wenn hingegen der Mangel den ordentlichen Gebrauch nicht verhindert oder wenn er behoben werden kann, entweder eine angemessene Minderung des Entgelts oder die Verbesserung oder den Nachtrag des Fehlenden fordern. In allen Fällen haftet der Übergeber für den verschuldeten Schaden. (2) Eine unerhebliche Minderung des Wertes kommt nicht in Betracht.“ 1090  Dazu oben: Fn. 1082. 1091  Schilcher JBl 1964, 395 (410). 1092 Vgl. Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 247 mit Fn. 943 (zu Schilcher).



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(mangelhaften) Sache ipso iure befreit würde1093. Schilcher löste diesen Konflikt folgendermaßen auf: „Wandelt der Käufer nun tatsächlich, so wird aus dem Vertragsverhältnis ein ‚Abwicklungsverhältnis‘ mit der Wirkung, daß die Regeln der Preisgefahr durch jene der ‚Rückabwicklungsgefahr‘ ersetzt werden. Die Gefahr­tragung im Wandelungsfall richtet sich also nicht nach den §§ 446 f. [a. F.], sondern nach jenen Bestimmungen, die für die Rückabwicklung von gegenseitigen Verträgen überhaupt gelten.“1094

Dies läuft auf den Befund heraus, dass der Käufer zwar trotz nachträglicher, d. h. nach dem Zeitpunkt der §§ 446, 447 a. F. erfolgter Verschlechterungen Wandelung verlangen durfte, nicht aber wegen solcher Verschlechterungen.1095 Auch Glaß’ Äußerung, dass die Preisgefahr bei Lieferung mangelhafter Ware beim Stückkauf nicht übergehe, weil der Verkäufer dies nicht verdient habe, ist im Zusammenhang mit seiner Stellungnahme zur Bewältigung des Problems des Sachverlusts der mangelhaften Sache beim Wandelungsberechtigten durch die §§ 350, 351 a. F. zu sehen. Er formuliert diesen Gedanken, um die Regelung der §§ 350, 351 a. F. zu begründen, und folgerte daraus nicht etwa, dass der Käufer wegen einer weiteren zufälligen Verschlechterung den Kaufpreis mindern könne oder sich die Kaufpreisforderung gar ipso iure mindere. Dass die Preisgefahr beim mangelhaft liefernden Verkäufer bleibe, steht also auch danach unter dem Vorbehalt, dass sich diese Gefahrbelastung nur realisiert, wenn es tatsächlich im Einzelfall zur Wandelung kommt (nur bedarf es dann nicht des Gedankens des „Zurückspringens“ der Gefahr auf den Verkäufer). Demnach blieb die theoretisch „von allem Anfang an“ bestehende Gefahr­ tragung des sachmangelhaft liefernden Verkäufers praktisch wirkungslos, falls der Käufer den Kaufvertrag nicht wandelte, sei es, weil die Wandelung ausgeschlossen war (insbesondere wegen Verschuldens gem. §§ 467 S. 1, 351 a. F.), weil der Käufer sich die Ausübung von Gewährleistungsrechten bei der Annahme der Sache in Kenntnis ihrer Mangelhaftigkeit nicht vorbehalten hatte (§ 464 a. F.) oder einfach weil der Käufer den Mangel nicht (rechtzeitig) entdeckte und es deshalb nicht (innerhalb der Gewährleistungsfrist, § 477 a. F.) zur Wandelung kam.

1093  Zu den Folgen, die eine Gefahrbelastung des Verkäufers beim Stückkauf auch nach der Lieferung nach den allgemeinen Regeln haben müsste, vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (219 f.). 1094  Schilcher JBl 1964, 395 (410). Für Schilcher stellte sich die Frage, ob der Käufer in Ansehung weiterer Verschlechterungen auch zur Minderung berechtigt sei, nicht, weil er ein Verbleiben der Gefahr beim Verkäufer nur in den Fällen befürwortete, in denen der Vertrag „rückabwicklungsreif“ war, und dann stand dem Käufer gem. § 932 ABGB auch nur die Wandelung zur Verfügung. Zu der Diskussion in Österreichs Literatur und Rechtsprechung, ob und unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise eine Minderung zuzulassen sei, obwohl an sich (nur) die Wandelung begründet ist, siehe Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 221–224. 1095 Vgl. Adler ZHR 72 (1912), 388 (393–398), dazu unten: Fn. 1104.

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ii)  Die Gefahr gehe auch bei Vorliegen von Sachmängeln mit der Übergabe über, könne aber auf den Verkäufer zurückspringen Dass wegen eines Sachmangels der „Käufer seine Gegenleistung durch Wandelung oder Minderung modifizieren und auch beim Schadenersatzverlangen nach § 463 [a. F.] im Ergebnis Gleiches erreichen kann“1096, wurde weitaus häufiger so beschrieben, dass die Wandelung es dem sachmangelhaft belieferten Käufer ermögliche, die Gefahr auf den Verkäufer „zurück zu wälzen“1097 oder die Wirkung des Gefahrübergangs „praktisch aufzuheben“1098. Dies impliziert die Annahme, dass die Gefahr zuvor auf den Käufer übergegangen sei1099.

1)  Strikte Trennung zwischen Gewährleistung und Gefahr­tragung, „Zurückspringen“ der Gefahr als gewährleistungsrechtlicher Reflex Dabei wurde der Satz, dass Sachmängel keinen Einfluss auf den Gefahrübergang hätten, häufig als Selbstverständlichkeit präsentiert.1100 Die Frage der Gefahr­ tragung sei streng von der Frage der Gewährleistung zu trennen, die Ausübung der für den Käufer bei mangelhafter Leistung begründeten Gewährleistungsrechte wirke sich nur „praktisch“ oder „reflexiv“ auch auf die Gefahrverteilung aus. Von diesem Standpunkt aus ist die Formulierung, dass die Wandelung die Wirkung des Gefahrübergangs aufhebe oder vernichte, präziser, als vom „Zurückspringen“ der Gefahr zu sprechen. Palleske1101 sprach von der „Klarstellung 1096  Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 97; vgl. (nur zum Untergang) Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 164 ff.: „Das BGB legt die Gefahr des zufälligen Untergangs der mangelhaften Sache dem Verkäufer auf. Denn ungeachtet eines zufälligen Untergangs der mangelhaften Sache steht dem Käufer gem. § 350 das Wandelungsrecht zu.“; Heck  (1929) – SchuldR, S. 271: „Aus § 350 ergibt sich der grundsätzliche Standpunkt, daß zufälliger Verlust und zufällige Beschädigung den Anspruch [auf Wandelung des Kaufvertrages wegen eines Sachmangels, Anm. d. Verf.] nicht ausschließen, also dem Verkäufer zur Last fallen. Der Verkäufer trägt somit bei der mangelhaften Sache auch nach der Uebergabe die Gefahr.“; Huber in:  Soergel (1991) – BGB, § 459 Rn. 81, § 446 Rn. 60, dazu mehr im Text; Westermann JA 1978, 481 (484 f.): Wenn es gelegentlich heiße, dass Rechts- oder Sachmängel dem Gefahrübergang entgegenstünden, sei daran richtig, „daß der Gefahrübergang den Käufer nicht hindert, die Rechts- bzw. Sachmängelansprüche geltend zu machen… Dennoch ist zu differenzieren: Hatte die Sache schon bei Übergabe einen Sachmangel, so kann der Käufer wandeln oder mindern… Verschlechtert sich die Sache nach Übergabe weiter oder geht sie unter, ohne daß eine Partei dies zu vertreten hat (…), so gibt diese nachträgliche Verschlechterung dem Käufer zwar keine zusätzlichen Wandelungsrechte, behindert aber auch die Wandelung oder Minderung wegen des bei Gefahrübergang vorhandenen Mangels nicht. Das letztere folgt nicht aus § 446, sondern aus §§ 467, 351.“ 1097  Köhler in: Staudinger (1995) – BGB, § 446 Rn. 24; Putzo in: Palandt (2002) – BGB, § 446 Rn. 5; Leser  (1975) – Rücktritt, S. 190 f.; Stern  (1910) – Gefahr­tragung, S. 69 f.; vgl. v. Caemmerer in: FS Larenz (1973), 621 (631); Ernst NJW 1997, 896 (899 mit Fn. 38, 904). 1098  Palleske (1933) – Gefahrübergang, S. 30 f.; Rabel (1958) – Warenkauf II, S. 320; Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 31 f. 1099  Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 247. 1100 Dazu Rabel (1958) – Warenkauf II, S. 320 m. w. N. 1101  Palleske (1933) – Gefahrübergang, S. 30 f.



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des Irrtums, daß die §§ 440, 467, 350 auch Fälle der Gefahr­tragung treffen und insofern den § 446 korrigieren könnten“, sowie davon, dass der Käufer die trotz Untergang der Sache bestehende Zahlungspflicht durch die Gewährleistungsrechte lediglich „praktisch mehr oder weniger in ihrer Wirksamkeit aufheben“ könne. Filios1102 meinte, die praktische Aufhebung der Wirkung des Gefahrübergangs, die (nur) bei Ausübung der Wandelung (oder Ersatzlieferung) des Kaufvertrages eintrete, sei eine „Reflexwirkung der Sachmängelgewährleistungspflicht des Verkäufers, die übrigens unabhängig von seinen anderen Pflichten besteht und wirkt.“ Stern1103 betonte, die mit der Wandelung verbundene „Rückwälzung“ der Gefahr komme „praktisch“ darauf hinaus, „daß bei mangelhafter Leistung der Verkäufer die Gefahr weiter trägt“. Schließlich meinte Adler1104, wer zum Rücktritt vom Kauf berechtigt sei, sei dadurch „vor der Gefahr geschützt“ (da er die Gefahr durch den Rücktritt auf den Verkäufer „zurückwälzen“ könne).

2)  Gefahr­tragung zunächst „in der Schwebe“, Wandelung beende die Schwebelage zulasten des Verkäufers Zurückhaltender formulierte Huber, die Frage der Gefahr­tragung sei „zunächst in der Schwebe“ und die Entscheidung hänge davon ab, welchen Rechtsbehelf der Käufer wählt;1105 der Verkäufer solle „nicht die Möglichkeit haben, dem Käufer durch Lieferung einer vertragswidrigen Sache die Gefahr aufzudrängen“1106. An anderer Stelle1107 äußerte er sogar ausdrücklich, dass ein Sachmangel beim Stückkauf dazu führe, „daß die Gefahr des zufälligen Untergangs trotz Übergabe beim Verkäufer verblieben ist“. Wenn der Käufer Minderung verlange oder wenn er seine Sachmängelansprüche durch Versäumnis der Rügefrist (§ 377 HGB) oder Verjährungsfrist (§ 477 a. F.) einbüße, treffe das Risiko des Untergangs, des Verlusts oder der Beschädigung ab Übergabe jedoch ihn. Man müsse den Sachverhalt daher so beschreiben: „Ist die Sache mangelhaft, so geht die Gefahr durch die Übergabe nicht über, sondern sie bleibt zunächst in der Schwebe; sie verbleibt endgültig beim Verkäufer, wenn der Käufer die 1102 

Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 32. Stern (1910) – Gefahr­tragung, S. 69 f. 1104  Adler ZHR 72 (1912), 388 (393–398): Der logische Widerspruch zwischen den Sätzen „Der Käufer trägt in gewissen Fällen die Gefahr“ und „Der rücktrittsberechtigte Käufer trägt die Gefahr nicht“, könne nur dadurch gelöst werden, dass dieser Satz als Regel, jener als Ausnahme verstanden werde. Es dürfe nur „das Rücktrittsrecht nie auf Umstände gestützt werden …, deren Gefahr der Käufer trägt. Der Käufer kann nach dem Gefahrübergang zurücktreten, obwohl die Gefahr eingetreten ist, nie aber, weil die Gefahr eingetreten ist“ (395). 1105  Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 446 Rn. 60, der allerdings auch formulierte, dass die Gefahr auf den Käufer zurückfalle, wenn der Käufer Wandelung oder (beim Gattungskauf) Ersatzlieferung wähle. 1106  Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 11 unter Verweis auf die Denkschrift, S. 52 f. (= Mugdan II, S. 1240). 1107  Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 459 Rn. 81. 1103 

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Wandelung verlangt, ohne die Gewährleistungsfristen zu versäumen. Entsprechendes gilt für den Versendungskauf…“

Dem – sowie Schilchers Ansatz1108 – kommt die Ansicht nahe, dass von einem „Zurückspringen“ der Gefahr bei der Wandelung keine Rede sein könne; es werde „im Falle eines bestehenden Rücktrittsrechts“ vielmehr festgestellt, dass die Gefahr tatsächlich nicht auf den Käufer übergegangen, sondern beim Verkäufer geblieben sei.1109 Die Voraussetzung eines bestehenden Rücktrittsrechts deckt sich dabei aber nur formal mit Schilchers Kriterium der Rückabwicklungsreife. Denn Schilcher wollte die Wandelung nicht wegen jedes Mangels, sondern nur dann zulassen, wenn der Mangel nicht behebbar war bzw. nicht behoben wurde und dadurch der vertragsgemäße Gebrauch verhindert wurde.

3) Stellungnahme Weil die genannten Ansichten das Thema der zufälligen Verschlechterung und des zufälligen Untergangs der gelieferten mangelhaften Sache beim Käufer vornehmlich als ein solches des Gewährleistungsrechts (Sachmängelrechts) begriffen und nicht direkt mit den Voraussetzungen des Gefahrübergangs in Verbindung brachten, erfolgt eine ausführliche Auseinandersetzung mit ihnen unter besonderer Berücksichtigung der Voraussetzungen und des Zwecks der Wandelung bzw. des Rücktritts wegen Sachmängeln sowie der Situation beim Gattungskauf an anderer Stelle.1110 In diesem Kontext wird deutlich werden, warum das Problem überwiegend unter dem Aspekt des „Zurückspringens“ der Gefahr behandelt wurde. Eine Untersuchung der historischen Entwicklung der Wandelung wird zeigen, dass die eigenständige Bedeutung der Wandelung im Vergleich zu dem (viel jüngeren) allgemeinen Rücktrittsrecht darin bestand, dass die Wandelung nicht die Nichterfüllung einer Leistungspflicht des Verkäufers, sondern konkret die durch einen Sachmangel begründete Vertragsverletzung zur Voraussetzung hatte.1111 Dies lag an der besonderen Gestaltung des (Stück-) Kaufs im römischen Recht, im gemeinen Recht und noch unter dem BGB von 1900, wonach der Käufer grundsätzlich keinen Erfüllungsanspruch auf die Mangelfreiheit hatte. Dies lässt die Konstruktion plausibel erscheinen, dass das Vorliegen von Sachmängeln bei erfüllungstheoretischer Begründung dieser Anordnung dem Gefahrübergang mit Übergabe zwar nicht direkt entgegenstehe, dem Umstand, dass der Käufer gleichwohl nicht das erhalte, was er nach dem Vertrag erwarten dürfe und wofür er die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung eingegangen sei, mit Blick auf die Gefahr­tragung aber indirekt durch das Gewährleistungsrecht, eben das Zurückspringen der Gefahr im Rahmen der Wandelung, Rechnung getragen werde.

1108 

Siehe oben bei: B.II.4.a)i)2). Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 153 f.; vgl. Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 99 ff. 1110  Dazu unten: B.II.4.c). 1111  Dazu: B.II.4.c)i). 1109 



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iii)  Die Gefahr gehe mit der Übergabe grundsätzlich ohne Rücksicht auf das Vorliegen von Sachmängeln endgültig über Nach anderer Ansicht sollte der Käufer die Gefahr der zufälligen Verschlechterung und des zufälligen Untergangs nach der Übergabe ohne Rücksicht darauf, ob im Zeitpunkt der Übergabe ein Sachmangel vorlag, sowie darauf, ob es wegen dieses Sachmangels zur Wandelung kommt, endgültig zu tragen haben.

1)  Gefahr­tragung des Käufers auch im Rahmen der Wandelung Es wurde vertreten, das Vorliegen von Sachmängeln stehe nicht nur dem (vorläufigen) Gefahrübergang nicht entgegen, sondern es komme auch nicht zu einem „Zurückspringen der Gefahr“ im Rahmen des Gewährleistungsrechts. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Sachmängel den Sachgrund für die gesetzliche Anordnung des Gefahrübergangs mit der Übergabe gänzlich unberührt ließen, so dass die Gefahr von vorneherein endgültig übergehe. Der Wandelung bzw. dem Rücktritt wegen Sachmängeln kam nach dieser Ansicht nicht die Funktion zu, den Gefahrübergang zu korrigieren; es sei vielmehr gerade eine Aushebelung des Gefahrübergangs auf den Käufer durch das Gewährleistungsrecht zu verhindern. Korrekturbedarf bestehe daher nur mit Blick auf die gesetzliche Regelung, die ein „Zurückspringen“ der Gefahr auf den Verkäufer im Rahmen der Wandelung zur Folge hatte (§§ 467 S. 1, 350 a. F.).1112 Dementsprechend wurden entweder die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften besonders eng (Zufallsbegriff) oder die tatbestandlichen Voraussetzungen der diesbezüglichen Ausnahmeregelung (Verschuldensbegriff, §§ 467 S. 1, 351 a. F.) besonders weit ausgelegt, jeweils im Lichte der vermeintlich dem § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. zugrunde liegenden Wertung. In diesen Zusammenhang gehört auch die Ansicht Hagers.1113 Denn auch diese sah eine Begründung des Gefahrübergangs vor, die durch das Vorliegen von Sachmängeln nicht in Frage gestellt wurde, und schloss es weitgehend aus, dass die Gefahr insoweit, wie der Käufer sie einmal übernommen habe, wieder auf den Verkäufer zurückfalle. Hager war zwar der Meinung, dass das Vorliegen von Sachmängeln unter dogmatischen Gesichtspunkten dem Gefahrübergang eigentlich entgegenstehe, weil das typische Vertragsinteresse des Käufers durch die Übergabe einer mangelhaften Sache gerade nicht erfüllt werde. Die Gefahr bleibe deshalb zunächst beim Verkäufer.1114 Wenn und weil der Käufer die mangelhafte Sache als Erfüllung annehme, nehme er dem Verkäufer damit aber die Gefahr ab. Dies wiederum nur „zunächst“ oder „vorerst“. Denn wenn dem Käufer das Recht zustehe, die Ware nachträglich zurückzuweisen, könne er die „acceptance“ widerrufen und damit 1112 

Dazu unten: B.II.4.c)iii)1). Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 175–179. 1114  Insofern steht diese Ansicht den oben genannten nahe: B.II.4.a). 1113 

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seiner Gefahr­tragung das Fundament entziehen. Mit dem Recht, die Ware zurückzuweisen, meinte Hager in diesem Zusammenhang nicht nur das Recht, die bei ihrer Lieferung als mangelhaft erkannte Ware gar nicht erst anzunehmen, sondern jedes (Gewährleistungs-)Recht, durch welches der Käufer die Ware, auch nach deren Lieferung, effektiv zurückweist, also auch Rücktritt, Wandelung und (beim Gattungskauf) Ersatzlieferung.1115 Die „Rückwälzung der Gefahr“ auf den Verkäufer war demnach keine bloße „Nebenwirkung“ von Rücktritt, Wandelung oder Ersatzlieferung, sondern diese Rechte zielten (auch) darauf ab, die Gefahr­tragung des Käufers zu beenden. Nach Ansicht Hagers unterlag die Gefahr­tragung des Verkäufers im Falle der Lieferung mangelhafter Ware aber weitreichenden Einschränkungen. Deren Zweck war es, zu erreichen, dass die Gefahr insoweit, wie sie ungeachtet des Vorliegens etwaiger Sachmängel mit und wegen der „acceptance“ der übergebenen Sache auf den Käufer übergegangen war, auch beim Käufer bleibe. Hager stellte nämlich nur geringe Anforderungen an die „acceptance“.1116 Ferner war er der Meinung, dass die Rückwälzung der Gefahr auf den Verkäufer bei Widerruf der „acceptance“ lediglich ex nunc wirke. In der „acceptance“ lag demnach ein vorläufiger Verzicht darauf, die mangelhafte Ware (sofort) zurückzuweisen (und den Gefahrübergang abzulehnen). Durch die Geltendmachung des Rücktritts-, Wandelungs- oder Ersatzlieferungsrechts übe der Käufer das Zurückweisungsrecht nachträglich aus. Dass er die Gefahr in der Zwischenzeit übernommen habe, sollte er dadurch aber nicht mehr ändern können.

Schließlich seien die Zurückweisungsrechte (Rücktritt, Wandelung, Ersatzlieferung) bereits dem Grunde nach und damit auch die Möglichkeit jeglicher Reaktivierung der Gefahr­tragung des Verkäufers ausgeschlossen, wenn die gelieferte (mangelhafte) Sache nach ihrer Inkorporation in das Käufervermögen, die regelmäßig mit der Annahme bzw. acceptance zusammenfalle, eine wesentliche Verschlechterung erlitten habe oder untergegangen sei.1117

1115 Vgl. Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 175 f. Kritisch zu der Übertragung dieses aus dem

englischen und amerikanischen Recht stammenden (rechtsvergleichend: Hager (1982) – Gefahr­ tragung, S. 170–173) Ansatzes auf das deutsche Recht: Ernst NJW 1997, 896 (899 mit Fn. 38). 1116  Diese könne auch konkludent erfolgen, etwa durch Zahlung des Kaufpreises oder dadurch, dass der Käufer beginne, die Sache (über eine Qualitätsprüfung hinaus) für sich zu nutzen oder sonstige Dispositionen zu treffen; auf die Kenntnis von dem Mangel komme es dabei nicht an. Die Gefahr sollte allerdings dann nicht auf den Käufer übergehen, wenn er wegen des Sachmangels zur sofortigen Zurückweisung der angedienten Sache berechtigt wäre und sich nur deshalb auf die Annahme einlässt, um dem Verkäufer Gelegenheit zu einer Nachbesserung zu geben. Dazu unten: B.II.4.b)iii)3). 1117  Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 178 f. bezweifelte, dass diese Lösung mit den §§ 467 S. 1, 350, 351 a. F. zu vereinbaren sei, und meinte, deshalb sei es geboten, den Verschuldensbegriff in §§ 467 S. 1, 351 a. F. möglichst weit auszulegen (in Anlehnung an Wieling und v. Caemmerer, dazu unten: B.II.4.c)iii)1)(a)).



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2)  Ausgleich der Gefahr­tragung des Verkäufers bei der Wandelung über das Bereicherungsrecht („Lehre von der vermögensmäßigen Entscheidung“) Flume1118 stellte weder in Frage, dass die Gefahr auch bei Vorliegen von Sachmängeln gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. mit der Übergabe auf den Käufer übergehe, noch, dass der Verkäufer wegen §§ 467 S. 1, 350 a. F. bei der Wandelung den gesamten Kaufpreis auch dann zu erstatten habe, wenn der Käufer infolge einer bei ihm aufgetretenen zufälligen Beschädigung oder Zerstörung außerstande war, die gelieferte Sache (im Lieferzustand) zurückzugeben. Er betonte sogar, dass die Gefahr­tragung des Verkäufers im Rahmen der Wandelung zum Inhalt seiner Gewährleistungspflicht gehöre.1119 Er war allerdings der Meinung, der Käufer hafte entgegen der Regelung des § 350 a. F. „bei einem Einsatz der Kaufsache für die mit dem Einsatz verbundene Gefahr des Untergangs oder der Verschlechterung auch ohne Verschulden aus ungerechtfertigter Bereicherung (Eingriffskondiktion), ohne sich insoweit auf Wegfall der Bereicherung berufen zu können“.1120

Die Entreicherung, die als Folge des Sacheinsatzes eintrete, gehöre nämlich nicht zu der Entreicherungsgefahr des § 818 Abs. 3, sie sei vielmehr von dem Bereicherten „als Folge der Disposition über sein Vermögen zu tragen“.1121 Ohne dies (nur) auf die ratio legis oder auf die Voraussetzungen des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. zu beziehen, hielt Flume die Inkorporation der gelieferten Sache in das Käufervermögen für den maßgeblichen Grund der Gefahrbelastung des Käufers.1122 An seiner vermögensmäßigen Entscheidung, die Kaufsache im 1118 Grundlegend Flume in: FS Niedermeyer (1953), 103 (165  ff.); ders. NJW 1970, 1161  (1165 f.).; ders. AcP 194 (1994), 427 (439 ff., 444 ff.). Zu dieser Lehre m. w. N.: Ernst in: FS Huber (2006), 165 (234 ff.); Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 266 mit Fn. 1036; Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 166, 197 f.; (kritisch) Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 104 mit Fn. 162, S. 125 mit Fn. 215. 1119  In Anlehnung an die römisch-rechtliche Regelung, wonach das periculum erst und nur im Zeitpunkt der Vertragsperfektion (emptio perfecta) überging, meinte Flume, bei vertraglicher Vereinbarung eines Rücktrittsrechts sei der Vertrag ebenso wenig perfekt wie bei Abschluss eines auflösend bedingten Kaufs. Deshalb müsse die Gefahr beim Verkäufer verbleiben. Das gleiche müsse gelten, wenn der Käufer wegen eines Sachmangels zur Wandelung berechtigt sei, weil dann den Verkäufer die Verantwortung für den Rücktritt treffe; NJW 1970, 1161 (1165 f.); AcP 194 (1994), 427 (445). Gleichwohl habe im Ergebnis der Käufer den wirtschaftlichen Verlust zu tragen, soweit sich bei Verschlechterung/Untergang ein Risiko verwirklicht habe, das der Käufer durch die zurechenbare Entscheidung, „die Kaufsache statt des Vermögenseinsatzes [Kaufpreises] zu haben“, bewusst eingegangen sei. 1120  Flume AcP 194 (1994), 427 (445 mit Fn. 46). 1121  Flume NJW 1970, 1161 (1166). 1122  Die Maßgeblichkeit der privatautonomen vermögensmäßigen Entscheidung des Käufers erlaubt es nach dieser Ansicht grundsätzlich, dem „Entscheidungsträger“ das Risiko unabhängig davon zuzuorden, ob der Kaufvertrag wirksam ist, ob er durchgeführt oder rückabgewickelt und aus welchen Gründen er ggf. rückabgewickelt wird (Rücktritt, Anfechtung etc.). Die Risikoverteilung ist demnach in allen Fällen gleich, weil die vermögensmäßige Entscheidung ohne Rücksicht darauf gilt, ob der Vertrag formal wirksam ist und welche gesetzlichen Regeln für seine Durchführung oder Rückabwicklung gelten. Unter diesem Aspekt besteht eine Parallele zu dem

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Tausch für das Kaufgeld auf eigenes Risiko zu haben1123 und zu nutzen, müsse der Käufer sich auch dann festhalten lassen, wenn er wegen Mängeln der Kaufsache Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen könne. Nur ausnahmsweise, insbesondere bei arglistiger Täuschung über die Beschaffenheit der Kaufsache, sollte ihm diese Entscheidung nicht zuzurechnen sei und ggf. zumindest das bloße Haben nicht auf seine Gefahr gehen.1124

3) Stellungnahme Die nähere Auseinandersetzung mit den soeben dargestellten Ansichten erfolgt im Zusammenhang der Untersuchung der Gefahrverteilung bei der Wandelung.1125 Denn im gewährleistungsrechtlichen Kontext bilden sie den Gegenpol zu denjenigen Ansichten, nach welchen es im Falle der Lieferung sachmangelhafter Ware zwar zu einem vorläufigen Gefahrübergang auf den Käufer, bei der Wandelung aber zu einem Zurückspringen der Gefahr auf den Verkäufer kommen sollte.

iv)  Zwischenergebnis: Auswirkungen von Sachmängeln auf den erfüllungstheoretisch begründeten Gefahrübergang beim Stückkauf unter dem BGB von 1900 Die Auseinandersetzung mit dem historischen Ursprung des Regelungskomplexes der §§ 467 S. 1, 350, 351 a. F. und der Diskussion in der rechtswissenschaftlichen Literatur über die Angemessenheit desselben, die gleichermaßen den Gattungskauf betraf, soll hier nicht vorweg genommen werden.1126 Es kann aber bereits festgehalten werden, dass dieser Regelungskomplex auf das Engste verzahnt war mit der Frage, ob und wie das Vorliegen von Sachmängeln die Voraussetzungen des Gefahrübergangs nach § 446 a. F. prinzipiell infrage stelle. Dies wird daran deutlich, dass die Argumente, die zur Begründung der These vorgebracht wurde, „übervertraglichen“ Ansatz der Risikozuweisung, den Reinhardt vorgeschlagen hat. Dazu oben: B.II.3.c)ii). 1123  Nach der Lehre Flumes stellt auch das bloße Haben der Sache einen vermögensmäßigen Einsatz derselben dar, soweit dem Käufer der Erwerb der Sache als vermögensmäßige Entscheidung zuzurechnen ist. 1124  Bei einem über das bloße Haben hinaus gehenden Einsatz der Sache sollte der Zufall dem Käufer auch in solchen Fällen zur Last fallen. Dazu Flume NJW 1970, 1161 (1164); AcP 194 (1994), 427 (441, 445 mit Fn. 47): „Nur, wenn er die Kaufsache selbst irgendwie einsetzt, trägt er auch in diesem Fall die Gefahr des Einsatzes, indem er sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann, wenn die Gefahr sich verwirklicht. Denn insoweit ist der Wegfall der Bereicherung der persönlichen Entscheidung des Anfechtungsberechtigten über sein Vermögen und nicht dem indebite-Erwerb zuzurechnen“, NJW 1970, 1161 (1166), Hervorhebung d. Verf. Auch dann, wenn der Empfänger der Sachleistung geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, sollte eine zurechenbare Vermögensentscheidung zu verneinen sein; dazu: FS Niedermeyer (1953), 103 (173 f.); NJW 1970, 1161 (1164); AcP 194 (1994), 427 (450). 1125  Dazu unten: B.II.4.c)iii)1). 1126  Dazu unten:B.II.4.c)iii).



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dass die Gefahr bei Vorliegen von Sachmängeln gar nicht erst mit der Übergabe auf den Käufer übergehe, geradezu austauschbar zu sein scheinen mit den Argumenten, die andererseits zur Begründung der These vertreten wurden, dass die Gefahr zwar ungeachtet eines Sachmangels vorläufig übergehe, im Falle der Wandelung wegen des Sachmangels aber auf den Verkäufer zurückspringe: yy Ob man sagt, die Gefahr gehe bei mangelhafter Lieferung nicht über, weil das Traditionsprinzip (§ 446) nur den vertragstreuen Verkäufer „belohnen“ wolle, oder bei Rückabwicklung des Vertrages müsse derjenige die Gefahr tragen, der den Anlass zu der Rückabwicklung gegeben, sich m. a. W. vertragsuntreu verhalten habe (§ 350 a. F. – das war bei Wandelung naturgemäß der Verkäufer)1127, yy ob man sagt, der mangelhaft leistende Verkäufer habe den Gefahrübergang nicht verdient1128, oder der mangelhaft Leistende dürfe nicht auf die Endgültigkeit des Gefahrübergangs vertrauen1129; yy ob man sagt, die Gefahr gehe nicht über, wenn die Leistung des Verkäufers den Vertrag „rückabwicklungsreif“ mache, oder, mit der Wandelung stehe fest, dass die Gefahr tatsächlich nicht auf den Käufer übergegangen sei, all das scheint jeweils nur eine Frage der Ausdrucksweise zu sein. Die unterschiedliche Herangehensweise lag an Folgendem: Wer den Gefahrübergang gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. erfüllungstheoretisch begründet sah, konnte in Ermangelung eines Erfüllungsanspruchs des Käufers auf Mangelfreiheit beim Stückkauf den Gefahrübergang im Falle der Mangelhaftigkeit der verkauften Sache im Zeitpunkt ihrer Übergabe (und Übereignung) nur bestreiten, wenn er statt auf die Nichterfüllung der Leistungspflicht des Verkäufers auf die Nichterfüllung des Vertrages, des Leistungsinteresses des Käufers oder des gemeinsamen Vertragsinteresses abstellte. Die erfüllungstheoretische Begründung des Gefahrübergangs beim Kauf legte das Ausweichen auf einen „alternativen Erfüllungsbegriff“ ohnehin nahe, weil § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. für den Gefahrübergang die Übergabe (Erfüllung der Übergabe-Pflicht) ausreichen ließ, obgleich diese die Erfüllung der Leistungspflicht des Verkäufers nicht notwendig zur Folge hatte. Im Verhältnis zu der Eigentumsverschaffung an der verkauften Sache lief dies auf eine Verengung der Erfüllungspflicht des Verkäufers mit Blick auf die Gefahr­tragung hinaus – quasi: Obwohl die Übereignung noch ausstehe, sei der Kaufvertrag bereits mit der Übergabe in einem dem Gefahrübergang ausreichenden Maße erfüllt.1130 Im Vergleich dazu bedeutete die Berücksichtigung der Mangelfreiheit als Voraussetzung des Gefahrübergangs gewissermaßen eine Erweiterung, die man so formulieren könnte: Obwohl der Käufer keinen Erfüllungsanspruch auf die Mangelfreiheit habe, werde der Kaufvertrag mit der Übergabe 1127  Vgl. dazu Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 157, der mit der These, dass das Traditionsprinzip nur dem vertragstreuen Verkäufer zugutekommen solle, Autoren in Verbindung bringt, die mit entsprechender Begründung eigentlich nicht den Gefahrübergang verneinen, sondern das „Zurückspringen“ der Gefahr begründen. 1128 Vgl. Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 255. 1129  Medicus/Petersen (2011) – Bürgerliches Recht, Rn. 231 im Anschluss an die Regierungsbegründung zur Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, BT-Drucks. 14/6040, S. 196. 1130  Ausführlich dazu oben: B.II.3.b).

314

B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

nur dann in einer dem Gefahrübergang genügenden Weise erfüllt, wenn die Sache nicht mit Mängeln behaftet sei.

Diese Sichtweise erlaubte und gebot es mitunter auch, die Schwere des Sachmangels und seine Bedeutung für das Leistungsinteresse des Käufers im Einzelfall zu würdigen (auch wenn die Wandelung nach dem Gesetz bei jedem nicht nur unerheblichen Mangel zulässig war). Von diesem Standpunkt aus brachten die §§ 467 S. 1, 347, 350, 351 a. F. lediglich zum Ausdruck, dass die Gefahr ohnehin nicht auf den Käufer übergegangen sei. Wer bei erfüllungstheoretischer Begründung der Regelung des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. nicht auf solch einen alternativen Erfüllungsbegriff auswich, musste anerkennen, dass die Bedeutung der Übergabe als wesentlicher Erfüllungsakt beim Stückkauf durch das Vorliegen von Sachmängeln nicht in Frage gestellt werde und dass dem Gefahrübergang von daher nichts im Wege stehe. Von diesem Standpunkt aus ging es in dem Regelungskomplex der §§ 467 S. 1, 347, 350, 351 a. F. lediglich um ein „Zurückspringen“ der Gefahr aus spezifisch gewährleistungsrechtlichen Gründen.1131 Diese Konstruktion einer indirekten (Rück-)Wirkung des Gewährleistungsrechts auf die prinzipiell nach dem Stadium der Vertragserfüllung zu verteilende Gefahr entspricht dem Verständnis der Gewährleistung des Verkäufers als Einstandspflicht bei Nichteintritt eines an sich nicht geschuldeten Erfolges (Gewährleistungstheorie) bzw. als Substitut für die Nichterfüllungshaftung (Erfüllungstheorie). Es entspricht ferner der besonderen Bedeutung und Funktion der Wandelung im BGB von 1900, die – anders als das allgemeine gesetzliche Rücktrittsrecht – nicht mit der Nichterfüllung der Leistungspflicht des Verkäufers begründet wurde, sondern tatbestandlich unmittelbar den Störungsfall „Sachmangel“ voraussetzte. Nach dem Gesagten leuchtet ein, warum – wie eingangs beobachtet – in der Literatur zum BGB von 1900 die mangelfreie Beschaffenheit der übergebenen Sache selten als notwendige Voraussetzung des Gefahrübergangs gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. genannt wurde, die Diskussion über dem Einfluss von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung zwischen Verkäufer und Käufer sich vielmehr auf die „sekundäre“ gewährleistungsrechtliche Ebene verlagerte. Die Auseinandersetzung mit 1131  Repräsentativ hierfür ist die Ansicht Filios’. Er erklärte den Gefahrübergang beim Kauf zwar vom synallagmatischen Prinzip her, nahm aber an, dass der Verkäufer beim Stückkauf nur Übergabe und Übereignung des verkauften Stücks schulde (Gefahr­tragung (1964), S. 23 f.). Nach Übergabe, d. h. Erfüllung der Übergabe-Pflicht, konnte die Leistung demnach nur noch im Hinblick auf die Übereignung unmöglich werden. Dies sei die Gefahr, die in Ausnahme zur Regelung des § 323  a. F. vorzeitig auf den Käufer übertragen werde. Nicht nur die Übergabepflicht sei aber bereits erfüllt, sondern auch was das Risiko der nachträglichen (nach Übergabe) Sachverschlechterung angehe, folge, sofern die Sache bei ihrer Übergabe sachmangelfrei war, schon aus den allgemeinen Regeln, dass diese dem Verkäufer nicht mehr zur Last fallen könnten. Denn (unter Verweis auf Heck (1929) – SchuldR, S. 131, dessen Zitat sich freilich nicht auf die Pflicht zur sachmangelfreien Leistung bezieht, auch wenn er eine solche annahm bzw. die Sachmängelhaftung in der „Interessenvereitelung, Nichtbefriedigung der Gläubigerinteressen“ begründet sah, vgl. S. 267 ff.) „[e]ine bereits erfüllte Pflicht kann nicht unmöglich werden“. vgl. a. a. O., S. 31–34.



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

315

der Diskussion über die Sachgerechtigkeit der Gefahrverteilung bei der Wandelung wird dementsprechend getrennt behandelt.1132 Aufgrund der Entscheidung der Verfasser des BGB von 1900, die Wandelung auch beim Gattungskauf für statthaft zu erklären, betrifft sie im Übrigen auch den Gattungskauf.

b)  Zu der Möglichkeit, bei Vorliegen eines Sachmangels den Gefahrübergang durch Annahmeverweigerung zu verhindern Auswirkungen konnte das Vorliegen von Sachmängeln auf den Gefahrübergang (auch) beim Stückkauf bereits unter dem BGB von 1900 ferner unter dem Aspekt haben, dass der Käufer mitunter berechtigt war, die Annahme mangelhafter Ware zu verweigern und auf diese Weise den Gefahrübergang von vorneherein1133 „abzuwehren“. Auch insoweit machte es übrigens praktisch keinen Unterschied, ob man annahm, dass der Verkäufer (auch) beim Stückkauf zur mangelfreien Leistung verpflichtet sei1134. Das Zurückweisungsrecht war in seiner Begründung insbesondere unabhängig von der dogmatischen Frage1135, ob (auch) insoweit die Einrede des nichterfüllten Vertrages begründet sei.1136

Auch in der Auseinandersetzung mit der Literatur zu diesem Thema sollten sich wenigstens indirekte Stellungnahmen zu der Frage ableiten lassen, ob und inwiefern der Gefahrübergang beim Stückkauf unter dem BGB von 1900 von der Mangelfreiheit der übergebenen Sache abhänge. Von besonderem Interesse ist dabei, ob und inwieweit man den Käufer noch nach der Übergabe für berechtigt hielt, den Übergang jeglicher Gefahr durch die Zurückweisung i. S. einer anfänglichen Annahmeverweigerung1137 zu vermeiden.1138 Denn bereits die Fragestellung deutet

1132 

Dazu unten: B.II.4.c). Das Thema des Abschnitts ist also die „sofortige“ oder „anfängliche“ Zurückweisung, die den Gefahrübergang von vorneherein verhindert. Es geht hier nicht um das „Zurückspringen“ der Gefahr, sei es ex nunc oder ex tunc, infolge der „nachträglichen“ oder „nachgeholten“ Zurückweisung mangelhafter Ware im Rahmen von Rücktritt, Wandelung oder Ersatzlieferung. 1134  Zu diesem Theorienstreit siehe oben: B.II.4.a). 1135  Zu dem Streit über den Grund und die Reichweite der Anwendung der Einrede des nichterfüllten Vertrages wegen Sachmängeln beim Stückkauf sowie zur „Einrede der Wandelung“: Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 233–237, 242–244; § 478 Rn. 3 f.; Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 459 Rn. 3, 5; Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, Vorbem. zu §§ 459. Rn. 11, 24–26; Heinrichs in: Palandt (2002) – BGB, Einf. v. § 320 Rn. 18 f.; Grunewald in: Erman (2000) – BGB, Vor § 459 Rn. 5 f.; Emmerich in: MüKo (2001) – BGB, § 320 Rn. 5, 6; Wiedemann in: Soergel (1990) – BGB, § 320 Rn. 50 f.; Battes in: Erman (2000) – BGB, § 320 Rn. 18; Gillig (1984) – Nichterfüllung und Sachmängelhaftung, S. 201–204; Flume (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 37 ff.; Herberger (1974) – Sachmängelhaftung, S. 155–162; Larenz (1986) – SchuldR II.1, S. 69; Esser/Weyers (1998) – SchuldR II.1, S. 45. 1136  Rieble JZ 1997, 485 (485); Ernst NJW 1997, 896 (901); vgl. Huber in: Soergel (1991) – BGB; Vor § 459 Rn. 233 a. E. 1137  Siehe dazu in Fn. 1133. 1138  Dazu unten: B.II.4.b)iii). 1133 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

darauf hin, dass die Übergabe im Falle der Lieferung mangelhafter Ware nicht unbedingt als hinreichende Bedingung des Gefahrübergangs angesehen wurde.

i)  Unterscheide: Befugnis zur Annahmeverweigerung und rechtmäßige Zurückweisung Um die Voraussetzungen zu bestimmen, unter denen der Käufer den Gefahrübergang effektiv abwehren konnte, muss man sich im Ausgangspunkt klarmachen, dass der Käufer in jedem Fall befugt ist, eine ihm angediente Sache nicht anzunehmen, selbst wenn diese Sache vertragsgemäß ist. Die Befugnis zur Zurückweisung der Ware ist aber von der Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung zu trennen.1139 Ist die Annahmeverweigerung rechtswidrig, müssen dem Verkäufer bestimmte Vorteile, die sich an die Übergabe für ihn anschließen würden, auf andere Weise gesichert und Nachteile, die er durch die Annahmeverweigerung erleidet, ausgeglichen werden.1140 Es versteht sich etwa von selbst, dass der Gefahrübergang gem. § 446 („mit Übergabe“) nicht stattfindet, wenn der Käufer bereits die körperliche Entgegennahme der Ware ablehnt und deshalb die Übergabe ausbleibt.1141 Wenn die Annahmeverweigerung zu Unrecht erfolgt, ist diese „Abwehr“ des Gefahrübergangs aber nicht effektiv. Denn die Gefahr geht ggf. wegen Annahmeverzugs über (§ 324 Abs. 2 a. F., §§ 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2, 446 S. 3), ohne dass es zur Übergabe kommt bzw. gerade weil es nicht zur Übergabe kommt (quasi: wegen Nicht-Übergabe). Ist die Zurückweisung rechtmäßig, wird andererseits der Gläubiger davor bewahrt, dass bestimmte, ihm ungünstige Rechtsfolgen, die sich an die Annahme der Ware anschließen, eintreten. Es bleibt ggf. insbesondere der Annahmeverzug aus, weil das Angebot einer sachmangelhaften Sache nicht nach § 294 so, „wie sie zu bewirken ist“, ist.

ii)  Rechtmäßigkeit der Annahmeverweigerung bei Begründetheit von Rechtsbehelfen, deren Geltendmachung nach der Annahme ohnehin die Sachrückgabe zur Folge hätte Unabhängig auch davon, wie man das Zurückweisungsrecht selbst dogmatisch einordnete,1142 wurde für die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung darauf abge-

1139 

(841).

1140 

Ernst NJW 1997, 896 (898); ders. in: FS Huber (2006), 165 (190 f.); Jud JuS 2004, 841

Zu den Folgen unrechtmäßiger Zurückweisung: Ernst NJW 1997, 896 (903–905). Rieble JZ 1997, 485 (486, 488); Jud JuS 2004, 841 (844); vgl. Ernst NJW 1997, 896 (899 mit Fn. 38, 904). 1142 Ernst spricht der (rechtlichen) Befugnis, die angebotene Ware zurückzuweisen, den Charakter eines selbstständigen Rechtsbehelfs des Gewährleistungsrechts ab; es handele sich um einen „Akt der Selbsthilfe“, dessen Rechtmäßigkeit nach verschiedenen Tatbeständen des all1141 



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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stellt, „daß die vertragswidrige Sachbeschaffenheit für den Käufer Rechtsbehelfe begründet, bei deren Geltendmachung er die angebotene Sache zurückzugewähren hätte“.1143 Denn „[d]a der Käufer bei Geltendmachung dieser Rechte die Kaufsache zurückzugewähren hätte, kann er diese auch sogleich zurückweisen“1144. Es ist bereits angesprochen worden, dass die Wandelung (und ihre Folge, die Gefahr auf den Verkäufer zurückspringen zu lassen) auch damit begründet wurde, dass die Wandelung eine „nachträgliche Zurückweisung“ der (vorläufig) angenommenen Ware sei.1145 In der Tat bedeutete beim Stückkauf, wie er im BGB von 1900 ausgeformt war (ohne Nachbesserungsrecht/-pflicht des Verkäufers), die Zurückweisung der angebotenen Ware grundsätzlich nicht nur die (vorläufige) Entscheidung des Käufers gegen die Annahme als Erfüllung gem. § 3631146, sondern auch für ein Abgehen vom Vertragsvollzug.1147 Allerdings nahm die wohl herrschende Meinung an, dass dies nicht unbedingt „das letzte Wort“ des Käufers sei. Denn er sollte durch die Verweigerung, den Kaufpreis zu zahlen, unter „Androhung“ der Wandelung wirtschaftlichen Druck auf den Verkäufer ausüben können, damit dieser von seinem Recht, Sachmängel vor dem in § 459 Abs. 1 S. 1 a. F. bestimmten Zeitpunkt (freiwillig) zu entfernen,1148 Gebrauch mache. Wenn der Verkäufer dazu nicht

gemeinen Schuldrechts und des Kaufrechts zu beurteilen sei; NJW 1997, 896 (898); zust. Lorenz NJW 2013, 1341 (1344), der aus § 266 folgert, dass der Schuldner nicht darauf bestehen könne, dass der Gläubiger ihm eine vertragswidrige Leistung abnehme. Dagegen war Rieble der Meinung, das Zurückweisungsrecht des Käufers sei aus § 464 a. F. abzuleiten und es handele sich um einen „eigenständigen Gewährleistungs-Rechtsbehelf“; JZ 1997, 485 (485): Der Käufer habe demnach die Wahl, ob er mangelhafte Ware körperlich annehme, und zwar unter Vorbehalt oder nicht, oder ob er sie zurückweise. Es handele sich um eine „technische Einschränkung der Abnahmepflicht aus § 433 Abs. 2“. 1143  Ernst NJW 1997, 896 (897, 901); vgl. Jud JuS 2004, 841 (842). – Nach Ansicht Riebles war allein das Vorliegen eines Sachmangels Voraussetzung der Annahmeverweigerung gem. § 464 a. F. Allerdings erforderte die Wandelung nicht (im Sinne von §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 5 S. 2) die Erheblichkeit des Sachmangels, so dass grundsätzlich jeder (nicht im Sinne von § 459 Abs. 1 S. 2 a. F. unerhebliche) Sachmangel den Käufer zur Wandelung berechtigte; vgl. dazu auch: Jud a. a. O.; Ernst a. a. O. (901). 1144  Ernst NJW 1997, 896 (897); vgl. Jud JuS 2004, 841 (842). 1145  Dazu oben: B.II.4.a)iii)1) (Hager). 1146  Ernst NJW 1997, 896 (896, 897). Umgekehrt lag in der Annahme als Erfüllung ein Verzicht auf das Recht zur Zurückweisung der Ware. Mit der vorbehaltlosen Annahme der als mangelhaft erkannten Kaufsache verzichtete der Käufer darüber hinaus sogar auf die Sachmängelrechte (§ 464 a. F.); vgl. Rieble JZ 1997, 485 (485). 1147  Ernst NJW  1997, 896 (898): „… aber auch dann noch nicht zwangsläufig die Wahl zwischen den verschiedenen, ein Abgehen vom Vertragsvollzug bedingenden Rechtsbehelfen“; vgl. Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 234: Das Wahlrecht zwischen seinen verschiedenen Gewährleistungsrechten übe der Käufer in Richtung der Wandelung aus, indem er die Wandelungseinrede erhebe; allerdings habe die Erhebung der Einrede als solche noch keine Bindungswirkung. 1148 Dazu: Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 184; § 459 Rn. 79; Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 459 Rn. 66 („Selbstbeseitigungsrecht“ des Verkäufers zwischen Kaufabschluss und Übergabe); Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 459 Rn. 5.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

bereit war, sollte er den „Schwebezustand“ dadurch beenden können, dass er den Käufer gem. § 466 a. F.1149 zur Erklärung über die Wandelung aufforderte.1150

Es leuchtet ein, dass es ein „überflüssiger Umweg“ gewesen wäre, wenn der Käufer die (mangelhafte) Ware erst hätte annehmen müssen, um sogleich Wandelung zu verlangen und die Ware wieder zurückgeben zu dürfen.1151 Darüber hinaus kommt der Übergabe aber auch die (normative) „Kraft des Faktischen“1152 zu, indem sie gewisse Rechtsfolgen zeitigt, vor denen der Käufer sich im Falle der Andienung vertragswidriger Ware schützen möchte. Allein durch die körperliche Entgegennahme der angedienten Sache riskierte der Käufer etwa, das Wandelungsrecht wegen (verschuldeten) Untergangs der empfangenen Sache (§§ 467 S. 1, 351 a. F.) zu verlieren,1153 sich selbst im Rahmen der Wandelung Rückgewähransprüchen des Verkäufers auszusetzen1154 und unter Umständen nach §§ 467 S. 1, 347 S. 1 a. F. haftbar zu machen1155.

iii)  Abwehr des Gefahrübergangs durch Zurückweisung der mangelhaften Waren auch noch nach körperlicher Entgegennahme derselben? Fraglich ist, ob auch der Gefahrübergang zu diesen Rechtsfolgen gehört, ob m. a. W. die Übergabe (auch) im Falle der Lieferung mangelhafter Ware hinreichende Bedingung für den Gefahrübergang war. Immerhin hat die Übergabe die „Kraft des Faktischen“ auch nicht mit Blick auf die Beweislastumkehr gem. § 363. Denn der Eintritt dieses Rechtsnachteils für den Gläubiger/Käufer erfordert die Annahme als Erfüllung, die wiederum über die gegenständliche Entgegennahme hinaus den (Real-)Akt1156 der Billigung des angenommenen Gegenstandes als im

1149 

„Behauptet der Käufer dem Verkäufer gegenüber einen Mangel der Sache, so kann der Verkäufer ihn unter dem Erbieten zur Wandelung und unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung darüber auffordern, ob er Wandelung verlange. Die Wandelung kann in diesem Falle nur bis zum Ablaufe der Frist verlangt werden.“ 1150  Zum Ganzen: Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, Vorbem. zu §§ 459 ff. Rn. 24 f.; vgl. Grunewald in: Erman (2000)  – BGB, Vor § 459 Rn. 6 a. E. („Nachbesserungsmöglichkeit des Verkäufers“); Rieble JZ 1997, 485 (465 f.); Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 459 Rn. 5; Emmerich in: MüKo (2001) – BGB, § 320 Rn. 8–10; Wiedemann in: Soergel (1990) – BGB, § 3320 Rn. 51. 1151  Honsell in: Staudinger (1995) – Vorbem. zu §§ 454 ff. Rn. 11, 24; vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (193). 1152  Lamprecht ZIP 2002, 1790 (1790). 1153 Vgl. Rieble JZ 1997, 485 (486); Ernst NJW 1997, 896 (899). 1154 Vgl. Lamprecht ZIP 2002, 1790 (1790) zur Rechtslage nach dem reformierten Schuldrecht. 1155 Vgl. Rieble JZ 1997, 485 (486). 1156  Zu diesem Unterschied zum werkvertraglichen Abnahmebegriff m. w. N. Rieble JZ 1997, 485 (487).



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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Wesentlichen vertragsgemäße Leistung erfordert (auch wenn beide Akte regelmäßig zeitlich zusammenfallen)1157.1158 Wie einleitend angesprochen, soll eine Auseinandersetzung mit der Literatur zu der Frage, ob auch nach der körperlichen Übergabe mangelhafter Ware noch eine anfängliche1159 Zurückweisung derselben zur Vermeidung des Gefahrübergangs in Betracht komme, veranschaulichen, wie damit umgegangen wurde, dass das Vorliegen von Sachmängeln die Frage des Gefahrübergangs offensichtlich nicht unberührt ließ, obgleich die Annahme, dass das bloße Vorliegen von Sachmängeln dem Gefahrübergang mit Übergabe entgegenstehe, ganz überwiegend abgelehnt wurde.

1)  Zeitpunkt der körperlichen Entgegennahme maßgeblich für Zurückweisung, Mängelvorbehalt und Gefahrübergang Rieble machte darauf aufmerksam, dass es im Fall der zufälligen Sachverschlechterung zwischen Übergabe und Billigung zu einer „merkwürdigen Inkongruenz“ komme, wenn man davon ausgehe, dass die Gefahr „unabhängig von jeder Billigung bei Übergabe“, die Beweislast (§ 363) hingegen nicht vor der Billigung auf den Käufer übergehe.1160 Um diese Inkongruenz zu vermeiden, schlug er vor, dass man das Recht zur Zurückweisung der Kaufsache (= Verweigerung der Annahme als Erfüllung) und die Obliegenheit zum Mängelvorbehalt einheitlich allein auf den Zeitpunkt der körperlichen Entgegennahme der Ware beziehe.1161 Dass die beobachtete Inkongruenz möglicherweise daher rühre, dass auch der Übergang der Gefahr im Falle der Lieferung mangelhafter Ware entsprechend § 363 über die körperliche Entgegennahme hinaus einen Akt der Billigung erfordere, zog er nicht in Erwägung. Die Frage, wie die Gefahr nach einer nur vorläufigen Annahme der gelieferten Sache verteilt sei, stellte sich für ihn daher nicht.

2)  Zurückweisung ausnahmsweise auch nach körperlicher Entgegennahme noch zulässig Ernst war der Meinung, dass der Käufer ausnahmsweise1162 auch nach der körperlichen Entgegennahme mangelhafter Ware noch berechtigt sein könne, die 1157  Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 459 Rn. 102, § 464 Rn. 9; Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 464 Rn. 4; Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 464 Rn. 4; Wenzel in: MüKo (2001) – BGB, § 363 Rn. 3. 1158  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (192, 195). Ausführlich zur Gesetzgebungsgeschichte und Regelungszweck: Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 459 Rn. 98–102. 1159  Dazu in Fn. 1133. 1160  Rieble JZ 1997, 485 (488): „Die Gefahr nachträglicher Verschlechterung der Kaufsache liegt zwar beim Käufer; die dieser Gefahr zugeordnete Beweislast bleibt aber beim Verkäufer; er muß beweisen, daß die Kaufsache bei Gefahrübergang mangelfrei war und erst danach verschlechtert wurde.“ 1161  JZ 1997, 485 (487, 489). 1162  Notwendig verbunden mit der Verweigerung der Annahme als Erfüllung/Zurückweisung

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Annahme als Erfüllung zu verweigern (also: die Ware als Erfüllungsgegenstand zurückzuweisen).1163 Mit Blick auf den „Gefahrübergang kraft Übergabe“ betonte er aber, dass dieser allein in der Übertragung des Eigenbesitzes1164 auf den Käufer begründet sei1165 und insbesondere nicht von einer „Annahme als Erfüllung“ abhänge1166. Seine Ausführungen zur Verteilung der Gefahr in dem zwischen der körperlichen Entgegennahme und der Annahme als Erfüllung bzw. Zurückweisung der Ware möglichen „Prüf- und Überlegungszeitraum“ weisen allerdings auf das Gegenteil hin. Denn er führte aus, dass „die Gefahr nicht erst in dem Moment der Annahme als Erfüllung, sondern kraft der Übergabe und zugleich mit dieser auf den Käufer über[geht], vorausgesetzt, dass die Ware nicht später noch zurückgewiesen wird. Also übernimmt der Käufer, wenn er die Ware als Erfüllung annimmt, damit zugleich die Zufallsgefahren auch für den zurückliegenden Zeitraum zwischen Inbesitznahme und Annahme als Erfüllung. Weist der Käufer die Ware rechtmäßig zurück, so trägt er auch nicht die Gefahr in der Zeit zwischen Übergabe und Zurückweisung“.1167

Die Annahme als Erfüllung wird hier ausdrücklich als „Voraussetzung“ dafür, dass der Gefahrübergang mit Übergabe stattfindet, formuliert. Dass erst die Annahme als Erfüllung dem „Gefahrübergang kraft Übergabe“ seine „Kraft“ verleiht, wird noch deutlicher bei den Ausführungen zum Gefahrübergang im Falle der Lieferung mangelhafter, d. h. nicht erfüllungs- und also nicht konkretisierungstauglicher Ware beim Gattungskauf: Indem er die – sei es auch (erkannt oder unerkannt) mangelhafte Sache als Erfüllungsobjekt annehme, übernehme der Gattungskäufer deren Gefahr, sofern mit dieser Sache ein regulärer Tatbestand des Gefahrübergangs verwirklicht worden sei.1168

der Ware sei die Bekundung des Käufers, dass er die angebotene Leistung auch gegenständlich nicht haben wolle. Deshalb müsse der Käufer, wenn er die Leistung vor ihrer Zurückweisung bereits (vorläufig) gegenständlich entgegen genommen hatte, sich jeden Gebrauchs, der nicht (wenigstens auch) der Untersuchung diente, enthalten. Alles andere sei als (konkludente) Annahme als Erfüllung zu werten. Im Falle ihrer Zurückweisung müsse der Käufer die Ware dem Verkäufer zur Verfügung („zur Disposition“) stellen. Zum Ganzen: Ernst NJW 1997, 896 (896–900). 1163  NJW 1997, 896 (899 f.); FS Huber (2006), 165 (192, 217). 1164 Zur Begründung von Eigenbesitz durch Tradition bei der rechtsgeschäftlichen Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen: Ernst (1994) – Eigenbesitz, S. 55 ff. 1165  FS Huber (2006), 165 (233); vgl. NJW 1997, 896 (899 mit Fn. 38; 904). 1166  Ernst NJW 1997, 896 (899 bei und in Fn. 38) entgegen Krämer (1989) – Schadensersatz, S. 151 ff. 1167  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (216), Hervorhebung d. Verf. 1168  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (217–219).



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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3)  Vermeidung des Gefahrübergangs trotz körperlicher Entgegennahme nur bei Annahme „aus Kulanz“ zwecks Nachbesserung Hager machte den Gefahrübergang im Falle der Übergabe einer mangelhaften Sache ausdrücklich von der „acceptance“ der gelieferten Ware durch den Käufer abhängig. Dies ließ es zu, dass der Käufer die Ware noch nach ihrer körperlichen Entgegennahme zurückweise und auf diese Weise jeglichen Gefahrübergang vermeide. An die „acceptance“ stellte er jedoch geringe Anforderungen, so dass sie praktisch regelmäßig mit der Übergabe zusammenfalle. Der Käufer übernehme ggf. zumindest bis zu dem Zeitpunkt die Gefahr, zu dem er – soweit zulässig – seine Annahme-Entscheidung durch Ausübung von Rücktritts-, Wandelungs- oder Ersatzlieferungsrecht widerrufe. Wenn der Käufer zur sofortigen Zurückweisung berechtigt wäre und die mangelhafte Ware nur aus Kulanz körperlich entgegen nehme, um dem Verkäufer die Chance der Nachbesserung zu geben (geschuldet war diese nach dem Gesetz ja gerade nicht), dürfe dies aber nicht als solch ein (vorläufiger) Verzicht auf das Zurückweisungsrecht gedeutet werden, durch den die mangelhafte Sache dem Käufervermögen einverleibt worden und die Gefahr zunächst – bis zur Nachholung der Ausübung des Zurückweisungsrechts (durch Geltendmachung von Wandelung oder Ersatzlieferung)1169 – übergegangen wäre.1170

iv)  Folgerungen: Bei Vorliegen von Sachmängeln erforderte der Gefahrübergang über die Übergabe hinaus auch den (konkludenten) Verzicht des Käufers auf die sofortige Zurückweisung der Ware Soweit eine Zurückweisung mangelhafter Ware noch nach ihrer körperlichen Entgegennahme mit der Wirkung, dass die Gefahr beim Verkäufer bleibe, für statthaft gehalten wurde, spricht dies für die Annahme, dass die bei der Übergabe mangelhafte Ware eigentlich nicht wegen der Übergabe als solcher übergehe, sondern nur und erst dann, wenn der Käufer (konkludent) auf sein Recht zur sofortigen Zurückweisung verzichte, was einer Annahme als Erfüllung gleichkommt. Raum für diese These besteht zwischen den beiden folgenden „gesicherten Positionen“:

1)  Jedenfalls Gefahrübergang bei Übergabe mangelfreier Ware Fest steht, dass die Übergabe mangelfreier Ware den Übergang der Gefahr gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. ohne weiteres zur Folge hatte. Fraglich ist allerdings, ob dies eine Folge des Faktums der körperlichen Übernahme der Ware oder nicht vielmehr darin begründet war, dass eine Verweigerung der Übernahme und damit einher1169 

Dazu oben: B.II.4.a)iii)1). Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 174 f., dazu bereits in Fn. 1116; zust., allerdings zum reformierten Kaufrecht: Lamprecht ZIP 2002, 1790 (1792). 1170 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

gehend die Verweigerung, die Ware als Erfüllung anzunehmen, bei Lieferung mangelfreier Ware ohnehin unberechtigt gewesen wäre.1171 Der Gefahrübergang ist in diesem Fall also alternativlos, ob es zur Übergabe kommt oder nicht. Gegen die Annahme, dass der Gefahrübergang bei Übergabe mangelhafter Ware davon abhänge, dass der Käufer die Ware mindestens konkludent billigt oder zumindest nicht missbilligt, scheint zu sprechen dass die Gefahr beim Versendungskauf offensichtlich übergeht, bevor der Käufer solch eine Entscheidung treffen kann.1172 Allerdings gilt auch dies zweifelsfrei und unbestritten nur dann, wenn die Ware bei ihrer Absendung vertragsgemäß ist, so dass eine Zurückweisung der Ware unberechtigt wäre, selbst wenn sie mangelhaft beim Verkäufer ankäme, weil er ggf. das Transportrisiko zu tragen hat.

2)  Keinesfalls Gefahrübergang bei Verweigerung der körperlichen Entgegennahme mangelhafter Ware Fest steht ferner, dass der Gefahrübergang jedenfalls dann – mittelbar – von der Mangelfreiheit der Ware abhängt, wenn der Käufer bereits die Übernahme der Ware verweigert. Denn dann ist der Tatbestand des § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. mangels Übergabe nicht erfüllt und ein Gefahrübergang könnte nur als Konsequenz des Annahmeverzugs anzunehmen sein, falls dieser eingetreten wäre.1173 Dies wiederum setzt voraus, dass der Verkäufer dem Käufer die Leistung „so, wie sie zu bewirken ist“ (§ 294), anbietet. Das war bei der Lieferung mangelhafter Ware – auch beim Stückkauf – nicht der Fall. Die Kontroverse zwischen der Erfüllungs- und der Gewährleistungstheorie beim Stückkauf hätte auch Anlass geboten, sich darüber zu streiten, ob das Angebot mangelhafter Ware eigentlich erfüllungstauglich ist oder nicht. Es herrschte aber weitgehend Einigkeit darüber, dass der Käufer nicht in Annahmeverzug kam, wenn er das Angebot einer mangelhaften, d. h. (nach dem subjektiven Fehlerbegriff) nicht vertragsgemäßen Leistung nicht annahm und es deshalb nicht zur Übernahme kam.1174 Ggf. ging die Gefahr nicht auf ihn über, weder gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. (mangels Übergabe) noch gem. § 324 Abs. 2 a. F. (mangels Annahmeverzug).

1171 Auch wenn Ernst darin zuzustimmen ist, dass bei unberechtigter Zurückweisung von Ware, die der Käufer bereits übernommen hat, dessen Gefahr­tragung keine Folge des Annahmeverzugs, sondern der Übergabe gem. § 446 ist (NJW 1997, 896 (899 mit Fn. 38)), kann man dies auch damit begründen, dass bei Lieferung vertragsgemäßer Ware eine (berechtigte) Zurückweisung und infolgedessen eine Vermeidung des Gefahrübergangs nicht in Betracht kommt. 1172  Graue (1964) – Mangelfreie Lieferung, S. 214. 1173  Dazu bereits: B.II.4.b)i). 1174  Thode in: MüKo (2001) – BGB, § 294 Rn. 6; Battes in: Erman (2000) – BGB, § 294 Rn. 2; Heinrichs in: Palandt (2002) – BGB, § 294 Rn. 4; Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 186.



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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3)  Geringe praktische Relevanz des Aufschubs des Gefahrübergangs Dass mit Blick auf den Stückkauf kaum direkt darüber diskutiert wurde, dass die Gefahr im Falle der Lieferung mangelhafter Ware nicht ohne weiteres mit der Übergabe übergehe, wird vor allem auf zwei (praktischen) Erwägungen beruhen: Erstens wurden (und werden) an den Verzicht auf das Recht zur sofortigen Zurückweisung der Ware bzw. an die Annahme als Erfüllung geringe Anforderungen gestellt, die regelmäßig bei vorbehaltloser körperlicher Entgegennahme der Ware, spätestens bei ihrer Ingebrauchnahme, die über eine bloße Qualitätsprüfung hinausgeht, erfüllt sind. Zweitens musste es auch aufgrund der herrschenden Annahme, dass die Gefahr ohnehin „zurückspringe“ oder „entschärft“ werde, wenn der Käufer wegen des Mangels die Wandelung des Kaufvertrages verlangt (und die Ware somit nachträglich zurückweist), müßig erscheinen, dem Zusammenhang von (vorläufigem) Gefahrübergang und (vorläufiger) Annahme als Erfüllung viel Aufmerksamkeit zu schenken. So meinte etwa Ernst: Die Frage, wie es sich mit der „Gefahr­tragung im Zeitraum zwischen Gefahrübergang und Annahme als Erfüllung“ verhalte, sei „im Fall des § 446 BGB keine sehr erhebliche Frage, weil es sich lediglich um einen ganz kurzen Zeitraum handelt“;1175 und „[d]aß der Käufer hinsichtlich vertragswidriger Ware schlußendlich nicht gefahrbelastet ist (…), beruht darauf, daß eine mangelbedingte Rückabwicklung, wie sie trotz Sachuntergangs möglich bleibt, die – übergegangene – Gefahr auf den Verkäufer zurückfallen läßt“1176.

Das „Zurückfallen“ der Gefahr bei der Wandelung des Kaufvertrages (oder bei der Ersatzlieferung gem. § 480 Abs. 1 a. F.) belaste den Verkäufer ohnehin gleichermaßen für den Zeitraum nach wie vor der Annahme als Erfüllung mit der Gefahr nachträglicher Zufallsschäden.1177

4)  In theoretischer Hinsicht ein weiterer Beleg für die „indirekte Wirkung“ von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung beim Stückkauf unter dem BGB von 1900 Es zeigt sich aber auch an den Ansichten, nach denen der Käufer auch nach der körperlichen Entgegennahme noch zur „sofortigen“ Zurückweisung der Ware und damit zur Vermeidung jeglichen Gefahrübergangs berechtigt sei, welch umständlicher Konstruktionen es aufgrund der Dogmatik des Stückkaufs und des Gewährleistungsrechts unter dem BGB von 1900 bedurfte, um eine plausible Verbindung

1175 

Ernst in: FS Huber (2006), 165 (217). Ernst NJW 1997, 896 (899 mit Fn. 38). 1177  Ernst NJW 1997, 896 (899 mit Fn. 38). Allerdings hat Ernst später in Fortführung an Flumes Lehre von der vermögensmäßigen Entscheidung für eine weitreichende Einschränkung des „Zurückfallens“ der Gefahr auf den Verkäufer argumentiert. Dazu unten: B.III.5.c)iv)3). 1176 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

zwischen der Erfüllung der Verkäuferleistung, der Mangelfreiheit und dem Übergang der Gefahr herzustellen. In Ermangelung eines auch auf die Sachmangelfreiheit bezogenen Erfüllungsanspruchs beim Stückkauf lag es nämlich nicht nur fern, die Sachmangelfreiheit als notwendige Voraussetzung des erfüllungstheoretisch begründeten Gefahrübergangs zu formulieren.1178 Es musste auch fragwürdig erscheinen, ob insoweit in Bezug auf die Entscheidung des Käufers, eine ihm angediente mangelhafte Sache anzunehmen oder abzulehnen, eigentlich von der (Verweigerung der) Annahme als Erfüllung gesprochen werden könne. Über diesen Zweifel half die Argumentation mit dem Zurückweisungsrecht hinweg. Denn das Recht, mangelhafte Ware sofort zurückzuweisen, wurde ja in einer Art „Erst-recht-Schluss“ aus dem Recht, mangelhafte Ware im Rahmen der Wandelung (auch) nachträglich, d. h. nach der Übergabe, zurückzuweisen, hergeleitet,1179 und die Wandelung zeichnete sich (im Unterschied zu dem gesetzlichen Rücktrittsrecht) gerade dadurch aus, dass sie nicht die Nichterfüllung einer Leistungspflicht, sondern einfach das Vorliegen eines Sachmangels voraussetzte,1180 unabhängig davon, ob die Mangelfreiheit als Leistung geschuldet war oder nicht. Einen praktischen Unterschied machte es nicht, ob man den Gefahrübergang von der Annahme als Erfüllung oder von dem Verzicht auf das Recht zur sofortigen Zurückweisung abhängig machte, weil die Anforderungen gleich (gering) waren.

5)  Wirksam zurückgewiesene Ware steht außerhalb des Synallagmas Unter praktischen Gesichtspunkten bestand deshalb hinsichtlich der Möglichkeit des Käufers, sich im Falle der Lieferung mangelhafter Ware aktiv vor dem Gefahrübergang zu schützen (durch Verweigerung der Annahme als Erfüllung bzw. Ausübung des Rechts zur sofortigen Zurückweisung), auch kein Unterschied zwischen Stück- und Gattungskauf, obgleich (nur) beim Gattungskauf in diesem Fall bereits unter dem BGB von 1900 ein direkter theoretischer Zusammenhang zwischen dem Gefahr(en)übergang und der Annahme als Erfüllung existierte. Dieser Zusammenhang war darin begründet, dass beim Gattungskauf der Erfüllungsanspruch des Käufers naturgemäß auch und gerade auf die Mangelfreiheit bezogen und die Beschaffenheitsvereinbarung für die Bestimmung des konkreten Schuldobjekts konstitutiv ist.1181 Beim Gattungskauf ist im Falle der Lieferung mangelhafter Ware deshalb nicht nur die Erfüllung, sondern überhaupt die Zuordnung der entgegengenommenen Sache zum Vertrag bis zu ihrer Annahme als Erfüllung „in der Schwebe“. Ein mangelhaftes Stück kommt als Erfüllungsobjekt nur in Betracht, wenn der Käufer es – durch die Annahme als Erfüllung – als solches zulässt. Zieht der Käufer es demgemäß als Erfüllungsobjekt in Betracht, kann dies zwar

1178 

Dazu oben: B.II.4.a)iv). Dazu oben: B.II.4.b)ii). 1180  Dazu unten: B.II.4.c)i). 1181  Dazu oben: B.II.2.e)iii)3). 1179 



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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eigentlich nicht einmal einen vorläufigen Übergang der Preisgefahr bewirken.1182 In dieser Zuordnung zum Vertrag liegt aber immerhin der Grund dafür, dass eine vom Käufer zu verantwortende Beschädigung oder Zerstörung des mangelhaften Stücks für den Käufer nachteilige Auswirkungen auf die (Rück-)Abwicklung des Leistungsaustauschs haben kann.1183

Die Zurückweisung mangelhafter Ware bedeutet (auch beim Stückkauf), dass der Käufer die ihm angediente und möglicherweise sogar bereits entgegengenommene Ware „nicht als Erfüllungsobjekt für seinen Lieferanspruch haben will“.1184 Deshalb steht zurückgewiesene Ware von vorneherein „außerhalb des Synallagmas“.1185 Erleidet sie eine Verschlechterung oder geht sie unter, ist dies für die weitere Abwicklung des vertraglich vereinbarten Leistungsaustauschs (Lieferung einer anderen, vertragsgemäßen Sache beim Gattungskauf) oder die Rückabwicklung von aufgrund des Vertrages bereits erbrachten Leistungen (Kaufpreiserstattung) deshalb ohne Belang.1186 Insbesondere kommt der zurückgewiesene Gegenstand nicht als Objekt der aufgrund des Vertragsschlusses geltenden Gefahr­tragung des Käufers (ab Übergabe) in Betracht. Der Käufer ist dem Verkäufer insoweit lediglich zur sorgfältigen Aufbewahrung und Rückgewähr verpflichtet.1187 1182  Denn solange der Käufer die Möglichkeit hat, auch im Falle des zufälligen Untergangs des gelieferten (vertragswidrigen) Stücks die Lieferung eines anderen (vertragsgemäßen) Stücks zu verlangen (Ersatzlieferung, §§ 480 Abs. 1, 467 S. 1, 350 a. F.), ist die Leistungsgefahr noch nicht auf ihn übergegangen. Dies schließt einen auch nur vorläufigen Übergang der Preisgefahr aus. Die Wirkung einer „Übernahme“ der Gefahr(en) kommt der Annahme als Erfüllung beim Gattungskauf eigentlich nur und erst dann zu, wenn der Käufer sich entscheidet, die angenommene mangelhafte Sache auch zu behalten, so insbesondere bei der Minderung. Dazu oben: B.II.2.e) iv)3) und B.II.2.e)iv)4). A. A. Ernst, dazu m. w. N. oben bei und in Fn. 1168. Er misst der Annahme als Erfüllung (nur) beim Gattungskauf gerade die Wirkung zu, den Gefahr(en)übergang, den der Verkäufer wegen der Mangelhaftigkeit der Ware nicht einseitig gem. § 243 Abs. 2 bewirken könne, einvernehmlich herbeizuführen. Auf diese Weise soll eine „wünschenswerte“ Gleichstellung mit dem Stückkauf erreicht werden. Dass dies wünschenswert ist, ist zumindest nach der Schuldrechtsreform angesichts der Tatsache, dass der Stückkauf für das Kaufrecht keinen Leitbildcharakter mehr hat, zu bezweifeln. 1183  Gem. § 351 a. F. waren Wandelung und Ersatzlieferung ggf. ausgeschlossen. Dazu unten: B.II.4.c)iv)2) und B.II.4.c)v)2)(c). Seit der Reform des Schuldrechts hat der Verkäufer ggf. gem. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 eine Wertersatzforderung und unter Umständen auch einen Schadenersatzanspruch gegen den Käufer; Rücktritts- und Ersatzlieferungsrecht des Käufers lässt dies aber dem Grunde nach unberührt. Allerdings stehen die Forderungen des Verkäufers gem. § 348 i. V. m. §§ 320, 322 im Zug-um-Zug-Verhältnis zu dem Anspruch des Käufers auf Kaufpreiserstattung bzw. Ersatzlieferung. Dazu unten: B.III.5. 1184  Ernst NJW 1997, 896 (897). Im Unterschied zum Gattungskauf kam beim Stückkauf, so wie er im BGB von 1900 ausgestaltet war, kein anderes als das verkaufte Stück als Erfüllungsobjekt in Betracht. Der Grund, der beim Gattungskauf selbst einem vorläufigen Übergang der Preisgefahr entgegenstand (dazu in Fn. 1182), war insoweit nicht gebeben. Dies hat sich mit der Schuldrechtsreform geändert; dazu unten: B.III. 1185  Ernst NJW 1997, 896 (899 mit Fn. 43); ders. in: FS Huber (2006), 165 (217). 1186  Vgl. hierzu auch bereits: B. I. 4.d). 1187  Die „Verantwortlichkeit“ des Käufers für Schäden an der lediglich „aufgrund eines der Verwahrung ähnlichen Rechtsverhältnisses“ bei ihm befindlichen zurückgewiesenen Ware unterliegt deshalb insbesondere nicht den in Fn. 1183 dargestellten Grundsätzen, sondern richtet sich allein nach den Grundsätzen der Haftung wegen positiver Vertragsverletzung (heute: §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2). Dazu Ernst NJW 1997, 896 (899); ders. in: FS Huber (2006), 165 (217).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

c)  Zum „Zurückspringen“ der Gefahr bei der Wandelung Damit ist zugleich bereits der tragende Grund für die eigenartige Regelung der Gefahr­tragung und Haftung im Rahmen der Wandelung bzw. des gesetzlich begründeten Rücktritts wegen Nichterfüllung sowie im Rahmen der Ersatzlieferung angesprochen. Auch das sog. Zurückspringen der Gefahr beruht nämlich, wie in diesem Abschnitt zu zeigen ist,1188 im Wesentlichen darauf, dass der Käufer die Ware – wenn auch nicht sofort bei ihrer Andienung oder unmittelbar nach ihrer Entgegennahme, sondern erst nach ihrer Annahme – als Erfüllungsobjekt zurückweist und damit aus dem Synallagma aussondert.1189

i)  Unterschiedliche Voraussetzungen für die Rückabwicklung des Vertrages bei Wandelung und Rücktritt wegen Nichterfüllung Zunächst ist aber näher auf die Wandelung im BGB von 1900 einzugehen, deren Funktion und Bedeutung – gerade im Verhältnis zu dem allgemeinen gesetzlichen Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung – sich dem allein unter dem reformierten Schuldrecht ausgebildeten Juristen nicht ohne weiteres erschließt. Denn obgleich unter dem BGB von 1900 beim Stückkauf kein direkter theoretischer Zusammenhang zwischen der Mangelfreiheit der Ware und dem Gefahrübergang auf den Käufer bestanden haben mag, bestand immerhin ein direkter Zusammenhang zwischen dem Grund, aus welchem dem Käufer das Recht zur Wandelung gewährt wurde, und dem Grund, aus welchem der Verkäufer im Rahmen der Wandelung die Gefahr zu tragen hatte. Dieser Zusammenhang beruht auf dem Zweck der Wandelung: Der Käufer sollte im Falle der Lieferung mangelhafter Ware – ohne Rücksicht darauf, dass die Erfüllungspflicht des Verkäufers nicht darauf bezogen war, einen bestimmten Sachzustand herzustellen1190 – das Recht haben, so gestellt zu werden, wie er nach dem Vertragsschluss, aber vor dem Leistungsaustausch stand. Dies zielt auf die Erstattung des Kaufpreises ab, den der Käufer nur für eine mangelfreie Sache zu zahlen bereit war, aber ebenso auf die Rückgängigmachung des Übergangs der 1188 

Dazu unten: B.II.4.c)ii). Hager  (1982) – Gefahr­tragung, S. 176 betont, „daß Anknüpfungspunkt für eine Rücküberwälzung der Gefahr auf den Verkäufer nicht die Vertragsaufhebung ist, …, sondern das Recht des Käufers, die Ware zurückzuweisen, was sich schon daraus ergibt, daß nach dem BGB die Rückabwälzung der Gefahr nicht nur bei der Durchführung der Wandlung Platz greift, sondern auch bei der Geltendmachung des Ersatzlieferungsanspruchs.“ Er ging allerdings auch davon aus, dass die Gefahr ggf. nur ex nunc zurückspringe und dass es dazu überhaupt nur komme, wenn die gelieferte Sache sich nicht nach ihrer vorläufigen Annahme als Erfüllung durch den Käufer auf dessen Gefahr wesentlich verschlechtert habe oder untergegangen sei. Dazu oben: B.II.4.a)iii)1). 1190  Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Wandelung und dem (viel jüngeren) allgemeinen gesetzlichen Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung (Schuldnerverzug und vom Schuldner zu vertretende Leistungsunmöglichkeit) bestand vor allem darin, dass die Wandelung nicht die Nichterfüllung einer Leistungspflicht des Verkäufers, sondern konkret die durch einen Sachmangel begründete „Vertragsstörung“ zur Voraussetzung hatte. 1189 



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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Preisgefahr auf den Käufer. Denn der Gefahrübergang beruhte auf der Annahme, dass der Käufer bereits mit der Übergabe im Wesentlichen das erhalten habe, wofür er nach dem Vertrag den Kaufpreis zu zahlen habe (der Verkäufer mit der Übergabe seine Leistungspflicht schon „so gut wie“ erfüllt und sich den Kaufpreis damit endgültig verdient habe), und genau dies erwies sich im Falle der Wandelung als Fehlannahme. Die (rückwirkende) Gefahr­tragung des Verkäufers war daher Bestandteil der Gewährleistungspflicht des Verkäufers. Sie war aber keine bloße „Nebenwirkung“ der Wandelung, vielmehr war es auch und gerade der Zweck der Wandelung, die Gefahr­tragung des Käufers zu neutralisieren. Gleichwohl ist es verständlich, dass es angesichts der strikten Unterscheidung zwischen der  – in Ansehung der Sachbeschaffenheit „kupierten“  – Erfüllungspflicht (und Nichterfüllungshaftung) und der Gewährleistungspflicht (beim Stückkauf) unter dem BGB von 1900 die Annahme fernliegend erschien, dass ein direkter theoretischer Zusammenhang zwischen der Mangelfreiheit der Kaufsache und dem (erfüllungstheoretisch begründeten) Gefahrübergang bestehe.1191 Umso näher liegend erscheint es, dass die Ausübung gerade desjenigen Rechtsbehelfs, der es dem Käufer ohne Rücksicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen einer Erfüllungspflicht des Verkäufers im Hinblick auf die vertragsgemäße Sachbeschaffenheit erlaubte, den Leistungsaustausch abzubrechen oder rückabzuwickeln, die Gefahr­ tragung des mangelhaft liefernden Verkäufers realisierte. Dagegen ist nicht einzuwenden, dass dies keine Eigenheit der Wandelung im BGB von 1900 gewesen sei, dass die Rechtsfolgen der Wandelung sich vielmehr an diejenigen des Rücktritts anlehnten, dass die Gefahr­tragung des Rücktrittsgegners beim vertraglich vorbehaltenen Rücktritt ihren guten Sinn habe, bei der Wandelung aber gerade nicht passe1192. Das Gegenteil ist nämlich der Fall. Man darf sich insbesondere nicht von der Regelungstechnik des BGB von 1900, nach der die §§ 350, 351 a. F. in den Zusammenhang des vertraglich vorbehaltenen Rücktritts (§ 346 a. F.) eingestellt worden waren und über Verweisungsnormen bei den gesetzlich normierten Rücktrittsrechten (§§ 325, 326, 327 S. 1 a. F.) sowie bei der (kaufrechtlichen) Wandelung (§ 467 S. 1 a. F.) lediglich für entsprechend anwendbar erklärt wurden,1193 darüber täuschen lassen, dass diese Regelungen sich gerade im sachlichen und historischen Kontext der Wandelung entwickelt haben1194. Diesem Zusammenhang wurden sie entlehnt, um auch die Rückabwicklungsfunktion des vertraglich vorbehaltenen Rücktrittsrechts näher auszugestalten, und von dort wiederum wurden sie auf das – historisch jüngere – gesetzliche Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung übertragen. Um dies nachzuvollziehen, wird im Folgenden mit einem Abriss über die Ursprünge der Wandelung zu den Regelungen der Wandelungs- und Rücktrittsfolgen 1191 

Dazu oben: B.II.4.a), B.II.4.a)ii)3) und B.II.4.a)iv). Dazu unten: B.II.4.c)iii). 1193  Dazu unten: B.II.4.c)ii)1). 1194  Dazu unten: B.II.4.c)ii)4). 1192 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

hingeführt.1195 In diesem Zusammenhang wird auch auf die Entwicklung des gesetzlichen Rücktrittsrechts wegen Nichterfüllung eingegangen, um Parallelen zu dem synallagmatischen Gefahr­tragungsprinzip aufzuzeigen und die Auseinandersetzung mit der Gefahrverteilung beim gesetzlichen Rücktrittsrecht, das im reformierten Schuldrecht die Funktion der Wandelung in sich aufgenommen hat,1196 vorzubereiten. Die Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen und dem Zweck des Rücktritts wegen Nichterfüllung einerseits und der Wandelung andererseits sollte Rückschlüsse auf die Angemessenheit der Rechtsfolgen, insbesondere der Gefahrverteilung hinsichtlich der zurück zu gewährenden Sachleistung, erlauben.

1)  Römisch-rechtlicher Ursprung Dass das BGB von 1900 mit der Wandelung einen speziellen gewährleistungsrechtlichen Rechtsbehelf zur Rückabwicklung des Kaufvertrages vorsah, ist ebenso wie der Umstand, dass sich die Vorstellung, bei einem gegenseitigen Vertrag und so insbesondere auch beim Kauf dürfe der eine Vertragsteil sich bei Nichterfüllung durch den anderen von dem Vertrag lösen und (gegen Rückgabe der empfangenen Leistung) Rückgabe der erbrachten Gegenleistung verlangen, im Laufe der rechtsgeschichtlichen Entwicklung nur sehr zögerlich durchgesetzt hat und bei den Beratungen des BGB von 1900 noch nicht voll entwickelt war, in der Tradition des römischen Rechts begründet. Der historische Ursprung der Wandelung lag bei der actio redhibitoria in ihrer klassischen Ausprägung, die sich in der Tradition des gemeinen Rechts gehalten hatte.1197 Als besonderer Rechtsbehelf des kurulischen Edikts wurde die actio redhibitoria dem Käufer nur beim Marktkauf über bestimmte Gegenstände (Sklaven und Zugtiere), nur wegen bestimmter verborgener Mängel (Krankheiten (morbi) und bestimmte Gebrechen (vitia), Charakterschwächen, Fluchtneigung etc.) und nur binnen einer Frist von (höchstens1198) 1195  Die Darstellung orientiert sich vor allem an den Beiträgen von Leser (1975) – Rücktritt, S. 1–25; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 13–45; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 4–26. 1196  Dazu unten: B.III.5. 1197  Zur Geschichte der Rechtsbehelfe des Käufers nach dem Edikt der kurulischen Ädilen und deren Einfluss auf die Sachmängelhaftung des Verkäufers gemäß den modernen Privatrechtskodifikationen: Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 6 f.; Honsell in: GS Kunkel (1984), 53 ff.; ders. in: Staudinger (1995) – BGB, Vorbem. §§ 459 ff. Rn. 5 f.; Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 459 Rn. 10; Bucher in: FS Welser (2004), 93 ff.; Harke AcP 205 (2005), 67 ff.; ders. (2011) – SchuldR II, S. 10 ff. (§ 1.15 ff.); Zimmermann (1996) – Obligations, S. 311 ff., 327 f.; Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 434–445 Rn. 4 f. 1198  Die Länge der Verjährungsfrist (zwei oder sechs Monate) hing davon ab, ob der Verkäufer die im Edikt vorgesehenen Garantie abgegeben hatte oder nicht, vgl. dazu Fn. 1201. Weigerte sich der Verkäufer, die vorgeschriebene Garantie abzugeben, konnte der Käufer innerhalb von zwei Monaten ab Kaufabschluss unabhängig davon Wandelung verlangen, ob sich inzwischen ein Mangel gezeigt hatte. Für die Minderungsklage galt dementsprechend eine Frist von sechs bzw. zwölf Monaten; dazu: Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 236 (§ 41.43); Honsell in: FS Kunkel (1984), 53 (59); Harke (2008) – Röm. Recht, S. 135 (§ 8.35).



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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sechs Monaten ab Vertragsschluss gewährt.1199 Diese besondere Mängel-„Haftung“1200 des Verkäufers beruhte auf zwei Gründen. Ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Verkäufers war sie auf die Nichtanzeige der im Edikt genannten (anzeigepflichtigen) Mängel oder auf die Nichteinhaltung der positiven Zusage, dass die verkaufte Sache frei von bestimmten negativen (nicht bereits nach dem Edikt haftungsbegründenden) Mängeln sei oder dass sie bestimmte positive Eigenschaften aufweise, zurückzuführen. Eine weitere, verschuldensabhängige Begründung lieferte arglistiges Verhalten des Verkäufers, das insbesondere dann vorlag, wenn der Verkäufer dem Käufer ihm bekannte Mängel, die nach dem Edikt nicht anzeigepflichtig waren, verschwiegen hatte.1201 Wahrscheinlich schrieben die kurulischen Ädilen, welche die Gerichtsbarkeit und polizeiliche Aufsicht über den Markthandel ausübten, in ihrem Edikt nur fest, was seinerzeit bereits gängige Vertragspraxis war,1202 und erhoben dies zum verbindlichen „Marktstandard“.   Außer nach dem ädilizischen Edikt hatte der Verkäufer auch im Rahmen der Kaufklage (actio empti) zivilrechtlich (vor dem Prätor) für Sachmängel einzustehen. Er hatte dem Käufer das Interesse zu ersetzen. Dies konnte den Minderwert der Sache (vgl. Minderung) ebenso einschließen wie die Rückzahlung des gesamten Kaufpreises (vgl. Wandelung), außerdem gewisse mittelbar verursachte (Mangel-)Folgeschäden.1203 Im Ausgangspunkt handelte es sich dabei um eine (Nicht-)Erfüllungshaftung wegen Arglist (dolus) oder (verschuldensunabhängig) Nichteinhaltung einer garantiemäßigen Zusicherung im Rahmen (dictum) oder neben (promissum) der Kaufabrede. Bereits in klassischer Zeit wurde aber anerkannt, dass auch der redliche/arglose Verkäufer (venditor ignorans), der die Mangelfreiheit nicht zugesichert hatte, im Rahmen der actio empti jedenfalls den zu viel gezahlten Kaufpreis zu erstatten habe.1204 1199  Zum

Folgenden: Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 234–237 (§ 41.38–44); HarRöm. Recht, S. 133 ff. (§ 8.30 ff.); Honsell (2010) – Röm. Recht, S. 134–136; Harke AcP 205 (2005), 67 (68 ff.); Mayer-Maly (1999) – Röm. Recht, S. 141; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 311 ff.; Leser (1975) – Rücktritt, S. 41 ff.; Mader SZ Rom 101 (1984), 206 (212 f.). 1200  Zum Begriff der Haftung in diesem Zusammenhang noch in Fn. 1207. 1201  Kaser/Knütel  (2008) – Röm. PrivatR, S. 235 (§ 41.40); Mayer-Maly  (1999) – Röm. Recht, S. 141; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 315 f.; Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 73 m. w. N. In der Romanistik ist bis heute umstritten, unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zweck der Verkäufer nach dem Edikt verpflichtet war, eine Stipulationsgarantie für die Fehlerfreiheit abzugeben (stipulatio aedilicia); dazu m. w. N.: Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 236 f. (§ 41.43); Harke AcP 205 (2005), 67 (69 f.); Zimmermann (1996) – Obligations, S. 316 f.; Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 73. 1202  Dazu m. w. N.: Honsell in: GS Kunkel (1984), 53 (57); Lobinger  (2004) – Grenzen, S. 143 f.; Zimermann  (1996) – Obligations, S. 311; Dieckmann  (2007) – Nacherfüllung, S. 71, 72 f.; Leser (1975) – Rücktritt, S. 41. 1203 Zum Folgenden: Kaser/Knütel  (2008)  – Röm. PrivatR, S. 237 f. (§ 41.45–47); Harke (2008) – Röm. Recht, S. 131–133 (§ 8.26 ff.); Honsell (2010) – Röm. Recht, S. 136 f.; Harke AcP 205 (2005), 67 (70 f.); Mayer-Maly (1999) – Röm. Recht, S. 142.; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 319 ff. – Zu den Vorläufern dieser Haftung, die bereits auf der Vorstellung beruht, dass die Sachmängelhaftung in dem Kauf(konsens) selbst ihren Grund habe, siehe: Zimmermann (1996) – Obligations, S. 305 ff.; Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 234 (§ 41.36 f.); Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 70 f. 1204  Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 237 (§ 41.46); Honsell (2010) – Röm. Recht, S. 137; Hausmaninger/Selb (2001) – Röm. PrivatR, S. 244; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 320 f.; Harke (2008) – Röm. Recht, S. 133 (§ 8.28); Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 75. Diese Preisminderung war aber nicht identisch mit der actio quanti minoris, denn einerseits ging es um die Anpassung des Kaufpreises (der Gegenleistung), andererseits um die Erstattung des Minderwerts der Leistung. Dazu: Harke AcP 205 (2005), 67 (69, 71); ders. (2008) – Röm. Recht, ke (2008) –

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

(a)  Strukturelle und inhaltliche Gestaltung der actio redhibitoria geprägt von klarer Rollenverteilung Während der Käufer mit der (ädilizischen) Minderungsklage (actio quanti minoris) geltend machte, die verkaufte Sache gegen einen „Ausgleich“ mit Rücksicht auf ihren Minderwert1205 behalten zu wollen, machte er mit der Wandelungsklage (actio redhibitoria) geltend, dass er das Geschäft nicht vollzogen und also sein Geld nicht hergegeben hätte,1206 wenn er von der Mangelhaftigkeit der Ware gewusst hätte.1207 Der Kauf sollte  – ähnlich dem Prinzip der restitutio in integrum1208 – ungeschehen gemacht werden.1209 Ob und inwieweit der Verkäufer im Rahmen der actio redhibitoria zu diesem Zweck außer zur Erstattung des Kaufpreises auch (verschuldensunabhängig) zum Ersatz gewisser (Mangelfolge-)Schäden und Aufwendungen verpflichtet war, ist umstritten; sie deckte aber jedenfalls nicht alle Positionen ab, die nach modernem Verständnis zum negativen Interesse zählen.1210 Zurück zu gewähren war nicht nur seitens des Verkäufers der gezahlte Kaufpreis, sondern seitens des Käufers auch die empfangene Kaufsache. Von der Rückstellung, der „Redhibition“, der Kaufsache hat die actio redhibitoria ihren Namen.1211 Es ist gerade die Rückgewährpflicht des Käufers, die den Vollzug der Wandelung (und die Rückabwicklung des Leistungsaustauschs nach Rücktritt) kompliziert macht.1212 Problematisch war insbesondere der Fall, dass der Käufer außer Stande war, die verkaufte und tradierte Sache (im damaligen Zustand) zurückzugeben, weil sie inzwischen untergegangen (oder verschlechtert worden)

S. 134 f. (§ 8.34); ders. (2011) – SchuldR II, S. 12, 60 f. (§ 1.17, 73); Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 434–445 Rn. 7. 1205  Zu den Methoden zur Berechnung des Minderungsbetrages und dem mit der ädilizischen Preisminderung (im Unterschied zur actio empti) verfolgten Zweck, siehe Fn. 1204 a. E. 1206  Er wäre schließlich auch berechtigt gewesen, die Kaufpreiszahlung zu verweigern. Dazu bei und in Fn. 1467. 1207  Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 434–445 Rn. 4 merkt deshalb zutreffend an, dass es sich bei der klassischen (verschuldensunabhängigen) Sachmängelgewährleistung mittels Minderung und Wandelung/Rücktritt nicht um eine Haftung im eigentlichen Sinne handelt, sondern „um einen Ausgleich nur des mangelbedingt gestörten Äquivalenzverhältnisses, indem der Käufer an den Vertrag nicht gebunden ist bzw., wenn er bei dem Vertrag stehen bleiben will, eine Anpassung des Kaufpreises an den tatsächlichen Sachzustand durchsetzen kann“. 1208  Ausführlich dazu Hellwege (2004) – Rückabwicklung, S. 408–414; auch Dedek (2007) – Negative Haftung, S. 124 f.; kurz: Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 426 (§ 86.7–11). 1209  Honsell in: GS Kunkel (1984), 53 (60); ders. (2010) – Röm. Recht, S. 135. 1210 Dazu: Honsell in: GS Kunkel (1984), 53 (60); ders. (2010) – Röm. Recht, S. 135; Dedek (2007) – Negative Haftung, S. 123 ff.; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 280–285 Rn. 70; Leser (1975) – Rücktritt, S. 43; Mader SZ Rom 101 (1984), 206 (214–16); Zimmermann (1996) – Obligations, S. 317; Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 434–445 Rn. 4 (keinerlei Schadlosstellung des Käufers nach dem ädilizischen Edikt). 1211  Huber in: Soergel (1991) – BGB, Vor § 459 Rn. 6 mit Fn. 20; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 13. 1212 Vgl. Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 6 (zum Verweis des § 467 a. F. auf die Rücktrittsregeln der §§ 346 ff. a. F.).



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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war. In diesen Zusammenhang gehört die Parömie „mortuus redhibetur“, auf die gesondert und ausführlich eingegangen wird.1213

Die Wandelung war geprägt von einer klaren Rollenverteilung1214: Der Käufer war Empfänger der Sachleistung, der Verkäufer Empfänger der Geldleistung. Aktiver (klagender) Teil konnte nur der Käufer sein. Der Verkäufer hatte keinesfalls einen Anspruch bzw. eine Klage auf die Sachrückgabe; diese war lediglich tatsächliche Voraussetzung (freiwillige Vorleistung) für die Erhebung der Klage des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises.1215 Angesichts dieser Rollenverteilung und des Zwecks, dem Käufer die Rückgängigmachung des Leistungsaustauschs zu erlauben, wenn und weil die Sachleistung einen bestimmten Defekt aufwies, zielte die Wandelung durchaus nicht darauf ab, dass Käufer und Verkäufer sich gegenseitig in diejenige Lage versetzen, die bestehen würde, wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre; es ging in erster Linie darum, dass der Verkäufer den Käufer so stellt.1216

(b)  Abgehen vom Vertrag und Rückabwicklung des Leistungsaustauschs als untypische Reaktion auf eine Vertragsstörung im römischen Recht Im klassischen römischen Recht ergab sich der Ausnahmecharakter der Wandelungsklage als „quasigesetzliches, objektiv-rechtliches Lösungsrecht vom Vertrag“1217 bereits daraus, dass im Allgemeinen ein („gesetzliches“) Rücktrittsrecht wegen mangelhafter Leistung oder Nichterfüllung nicht vorgesehen war. Anerkannt waren neben der „Kündigungsmöglichkeit“ bei verschiedenen Dauerschuldverhältnissen und der Möglichkeit, die aufgrund einer atypischen Austauschvereinbarung erbrachte (Vor-)Leistung zurückzufordern, wenn die versprochene Gegenleistung ausblieb,1218 lediglich gewisse in oder neben einem Vertrag vereinbarte (Rücktritts-)Vorbehalte, wonach der Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich seine Wirksamkeit verliere,1219 die wohl als Bedingungen konstruiert 1213 

Dazu: B.II.4.c)ii)4). Leser (1975) – Rücktritt, S. 44–46, 54. 1215  Weil der Käufer nicht verpflichtet war, die empfangene Sache zurückzugeben, entsprach die Rückabwicklung nicht dem Modell des Austauschvertrages. Die Verteilung von Risiko und Haftung für die empfangene Sache war lediglich eine „Vorfrage“ der Wandelungsklage, die ihrerseits allein auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichtet war. 1216  Vgl. dazu noch: B.II.4.c)ii)2)(b). 1217  Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 6. 1218  Zur Kondiktion der Vorleistung bei den Innominatkontrakten siehe oben: B. I. 3.b)i). 1219 Als typische Nebenabreden (pacta adiecta) anerkannt waren zugunsten des Verkäufers die „Bessergebotsklausel“ (in diem addictio) und der „Auflösungsvorbehalt“ (lex commissoria) sowie zugunsten des Käufers der „Kauf auf Probe“ (pactum displicentiae). In ihrer dogmatischen Konstruktion wurden die unterschiedlichen Rücktrittsvorbehalte offenbar nicht einheitlich behandelt. Zum Ganzen: Kaser/Knütel  (2008). Röm. PrivatR, S. 238 f. (§ 42.49 f.); Honsell  (2010)  – Röm. Recht, S. 137 f.; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 16; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 7 ff.; Mayer-Maly (1999) – Röm. Recht, 1214 Dazu

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

waren.1220 Dabei kommt die lex commissoria, die den Verkäufer dazu berechtigte,1221 vom Vertrag abzugehen, wenn der Käufer nicht (rechtzeitig) zahlte, dem modernen Verständnis von einem Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung am nächsten; die Handhabung und Theorie dieses Rücktrittsvorbehalts hatte, tradiert durch das gemeine Recht, auch besonderen Einfluss auf die dogmatische Konstruktion der Rücktrittsrechte im BGB von 1900.1222 Davon abgesehen war dem römischen Recht die Vorstellung, dass man von einem einmal geschlossenen (Nominat-)Kontrakt wieder abgehen dürfe, weil der Vertragspartner sich nicht an den Vertrag hielt, fremd.1223 Denn die römische Privatrechtsordnung war nicht auf die Vermeidung von Prozessen durch private Rechtsgestaltung, sondern vielmehr auf die zügige Erledigung von Streitigkeiten im Prozess angelegt; einmal geschlossene Verträge, deren Klagbarkeit anerkannt war, waren – von beiden Seiten – einzuhalten, und wer sich durch eine „Vertragsstörung“ des anderen Teils benachteiligt sah, sollte mit der auf das Interesse gerichteten Vertragsklage in die Offensive gehen (anstatt sich mit der Ausübung von „Gestaltungsrechten“ zu behelfen).1224

(c)  Konkurrenzverhältnis zwischen der ädilizischen Sachmängelgewährleistung und der Haftung des Verkäufers im Rahmen der actio empti Beim Kauf wurde allerdings mit der Zeit anerkannt, dass der Käufer auch mit der Vertragsklage, der actio empti, die Rückgängigmachung des Vertrages nach dem Vorbild der actio redhibitoria (verschuldensunabhängig) verfolgen könne. Zum Hintergrund der Rezeption der ädilizischen Sachmängelhaftung in das ius civile: Die Vertragspraxis der Stipulationsgarantien, die es schon vor dem ädilizischen Edikt gegeben hatte1225 und die durch das Edikt weiter verbreitet wurde, setzte sich auch außerhalb von

S. 136 f.; S ­ ickinger (1994) – Rücktritt, S. 6 ff.; Leser (1975) – Rücktritt, S. 16 ff.; Flume in: FS Kaser (1976), 309 ff. 1220  Im Einzelnen ist vieles bis heute umstritten. Dazu: Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346– 357 Rn. 8; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 16; Kaser/Knütel  (2008). Röm. PrivatR, S. 238 f. (§ 42.50). 1221  Die Vertragsauflösung trat nicht ohne weiteres mit der nicht rechtzeitigen Zahlung ein, sondern hing von dem Eintritt der (weiteren) Bedingung ab, dass der Verkäufer die Vertragsauflösung wollte und diesen Willen erklärte (Potestativbedingung). Durch diese doppelte Bedingungskonstruktion kam die lex commissoria unserem heutigen Verständnis des Rücktritts als Gestaltungsrecht nahe. 1222 Dazu: Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 16 (klass. röm. Recht), 36 (gem. Recht), 41 f. (Handelsrecht), 47 f., 54 (BGB von 1900); Leser (1975) – Rücktritt, S. 16 ff. 1223  Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 13; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 6; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 578 f., 800–802; Harke AcP 205 (2005), 67 (76 f.); ders. (2008) – Röm. Recht, S. 116, 137 (§ 7.48, § 8.39). 1224  Harke AcP 205 (2005), 67 (76 f.). 1225  Siehe Fn. 1202.



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Marktkäufen und auch bei anderen Sachen als Sklaven und Zugtieren1226 durch. Die Garantie der Sachmängelfreiheit wurde deshalb bald nicht mehr als akzidentiell zum Kauf, sondern gerade als essentieller Bestandteil desselben angesehen; dies führte zu der Annahme, dass solch eine Garantie jedem Kauf ex fide bona implizit, also ein naturale negotii desselben sei.1227 Dieser Schritt ist in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen, weil er die Integration der Fehlerfreiheit in das vertragliche Leistungsversprechen des Verkäufers bedeutete. Denn er beruhte auf dem Gedanken, dass der Verkäufer den Kaufpreis nicht (in voller Höhe) verdiene, wenn er eine fehlerhafte Sache leistet.1228 Dementsprechend konnte der Verkäufer bei Vorliegen von Sachmängeln (auch) mittels der actio empti „belangt“ werden. Da es aber nicht sachgerecht erschien, den Verkäufer ungeachtet eines Verschuldens mit dem Risiko der recht weitgehenden Schadenersatzhaftung zu belasten (quod interest), die neben dem Mangelschaden auch den Mangelfolgeschaden erfasste, bedurfte es einer differenzierten „Rechtsfolgenlösung“. Hierfür boten die ädilizischen Rechtsbehelfe mit ihren sorgfältig auf die objektiven Haftungsvoraussetzungen abgestimmten Rechtsbehelfen ein vorbildliches Modell.1229 Dieses wurde gewissermaßen in die actio empti übernommen (Minderung und Wandelung als „Minus“ der Schadenersatzklage),1230 die, falls der Verkäufer sich arglistig verhalten hatte, aber immer noch das gesamte Käuferinteresse abdeckte.

Seitdem machte die zivile Kaufklage den besonderen ädilizischen Klagen Konkurrenz. Die letzten Unterschiede zwischen den verschiedenen Sachmängel-Haftungsregimen entfielen (einzig mit Ausnahme der Beschränkung der ädilizischen Klagen auf die im kurulischen Edikt genannten Fehler)1231 mit der Erweiterung des „Anwendungsbereichs“ der ädilizischen Sachmängelhaftung (und den entsprechenden Regeln der actio empti) auf alle Sachkäufe (alle Arten von Sachen, auch außerhalb des Markthandels) durch Kaiser Iustinian,1232 zu dessen Zeiten das Amt der kurulischen Ädilen und damit deren Sondergerichtsbarkeit auch bereits abgeschafft war1233. Nun hätte es nahe gelegen, die „Zweispurigkeit“ des Sachmängelrechts 1226  Vgl. D. 19,1,11,5 Ulp 32ed: Si quis virginem se emere putasset, cum mulier venisset, et sciens errare cum ventitor passus sit, redhibitionem quidem ex hac causa non esse, verum tamen ex empto competere, actionem ad resvolvendam emptionem, et pretio restituto mulier reddatur (dt. „Wenn jemand glaubte, eine Jungfrau zu kaufen, während ihm in Wahrheit eine Frau verkauft wurde, und der Verkäufer ihn wissentlich in diesem Irrtum ließ, dann gebe es zwar in diesem Fall keine Wandlung; gleichwohl stehe aber die Klage aus Kauf auf Auflösung des Kaufs zu, so daß die Frau unter Rückerstattung der Kaufpreises zurückgegeben werden kann.“); Behrends/Knütel/ Kupisch/Seiler (1999) – Corpus Iuris III, S. 522. Dazu auch: Zimmermann (1996) – Obligations, S. 321; Harke (2008) – Röm. Recht, S. 116 (§ 7.48). 1227  Zimmermann  (1996) – Obligations, S. 321; Honsell  (2010)  – Röm. Recht, S. 137; Leser (1975) – Rücktritt, S. 42; vgl. Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 73. 1228  Harke (2008) – Röm. Recht, S. 132 (§ 8.28). 1229  Zimmermann (1996) – Obligations, S. 321. 1230  Darauf, dass es zumindest bei der Berechnung des „Minderungsbetrags“ im Rahmen der actio empti möglicherweise Unterschiede zur actio quanti minoris gab, wurde bereits hingewiesen; siehe oben: Fn. 1204 a. E. 1231  Zimmermann (1996) – Obligations, S. 323. 1232  Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 238 (§ 41.48); Zimmermann (1996) – Obligations, S. 322; Honsell (2010) – Röm. Recht, S. 137; Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 75, 76.; Leser (1975) – Rücktritt, S. 42. 1233  Zuständig war für die ädilizischen Klagen nun also, ebenso wie für die actio empti, der

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

überhaupt aufzugeben. Seiner „archaistischen“ und „klassizistischen“ Tendenz entsprechend1234 hielt Iustinian in seiner Kompilation des römischen Rechts für das oströmische Reich gleichwohl daran fest.1235 Darin liegt der Grund dafür, dass die Gewährleistung wegen Sachmängeln als besonderer Normenbestand und insbesondere die actio redhibitoria bis in das jüngere gemeine Recht überliefert und an die Verfasser des BGB herangetragen wurden. Im Gegensatz dazu hat sich die Vorstellung, bei einem gegenseitigen Vertrag und so insbesondere auch beim Kauf dürfe der eine Vertragsteil sich bei Nichterfüllung durch den anderen von dem Vertrag lösen und (gegen Rückgabe der empfangenen Leistung) Rückgabe der erbrachten Gegenleistung verlangen, im Laufe der Zeit nur sehr zögerlich und gegen erhebliche Widerstände durchgesetzt und war bei den Beratungen des BGB von 1900 noch nicht voll entwickelt.

2)  Kanonistischer und naturrechtlicher Einfluss: Rücktritt zur Befreiung von der Bindung an das eigene Leistungsversprechen Die Vorstellung vom Rücktritt als einem allgemeinen Rechtsbehelf zur Lösung aus der Bindung des gegenseitigen Vertrages in dem Fall, dass der andere Teil vertragsbrüchig wird, ist, vorbereitet durch die frühen kanonistischen Lehren der wechselseitigen Treuepflicht1236, erst von den Naturrechtslehrern (Grotius, Pufendorf, Wolff) im 17./18. Jahrhundert entwickelt worden.1237 Diese Lösungsmöglichkeit findet ihre Rechtfertigung auf einer anderen Ebene als die Verpflichtung zum Schadenersatz, durch die ein Vertragsbruch ebenfalls „sanktioniert“ werden kann. Sie ist deshalb auch nicht unbedingt von denselben Voraussetzungen abhängig. Vielmehr lässt sie sich aus dem (hypothetischen) Parteiwillen selbst damit begründen, dass die Bindung an das eigene Leistungsversprechen nur unter der (stillschweigenden) Bedingung eingegangen wird, dass der „Vertragszweck“ nicht durch treuloses Verhalten des Vertragspartners gestört oder vereitelt wird.1238 Prätor; dazu: Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 76; Zimmermann  (1996) – Obligations, S. 322. 1234 Dazu Pringsheim in: Studi Bonfante I (1930), 551 ff.; vgl. Nanz (1985) – Vertragsbegriff, S. 12 m. w. N. („konservierende Grundhaltung“). 1235  Kaser/Knütel  (2008) – Röm. PrivatR, S. 238 (§ 41.48), Harke  (2008) – Röm. Recht, S. 135 (§ 8.36), Honsell (2010) – Röm. Recht, S. 137; vgl. Zimmermann (1996) – Obligations, S. 322. 1236  Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 4, 18, 21; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 18. In der Kanonistik erreichte die Vorstellung von der Vertragstreue einen Höhepunkt (pacta sunt servanda), diese Treue(-Pflicht) des einen Vertragspartners war aber gewissermaßen auflösend bedingt durch die Treue des anderen. Zu dieser „Grundidee“ des Synallagmas bereits oben: B. I. 3.b)v). 1237  Harke  (2008)  – Röm. Recht, S. 116 (§ 7.48); Hattenhauer  in: HKK (2007) – BGB, § 323–225 Rn. 18, 21 ff.; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 21; Leser (1975) – Rücktritt, S. 5; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 803. 1238 Vgl. Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 2; Canaris in: FS Kropholler (2008), 3 (4–6 mit Fn. 6 f.).



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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Dies ist dasselbe Argumentationsmuster, das der Formulierung eines allgemeinen Gefahr­ tragungsprinzips für den Austauschvertrag zugrunde lag.1239 In diesem Zusammenhang wurde die Befreiung des Gläubigers aus der vertraglichen Bindung, falls der Schuldner aufgrund von ihm nicht zu vertretender Umstände an der Leistung gehindert war, unter Rückgriff auf eine condicio tacita mit dem hypothetischen Parteiwillen begründet, wonach die Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung von vorneherein davon abhänge, dass die Leistung erbracht werden könne.1240

Die Begründung, dass der vertragstreue Teil wegen der „Treulosigkeit“ des anderen ausnahmsweise vom Vertrag abgehen1241 dürfe und somit seine Freiheit wiedererlange, beeinflusste zwar die Entwürfe der deutschen Naturrechtskodifikationen, fand in dieser Allgemeinheit aber keinen Eingang in das prALR (1794) und das ABGB (1811), die für den Kauf sogar ein grundsätzliches Rücktrittsverbot vorsahen (prALR I. 5 § 393, ABGB § 919).1242 Empfänglicher für die vernunftrechtliche Rücktrittslehre war der französische Code Civil (1804), in den mit Art. 1884 ein zuvor bereits gewohnheitsrechtlich anerkanntes allgemeines Rücktrittsrecht beim gegenseitigen Vertrag aufgenommen wurde; dessen Durchsetzung war allerdings dem Richter vorbehalten.1243

3)  Rücktrittsfeindliche Grundhaltung des gemeinen Rechts, bei den Pandektisten „Rücktritt“ nur als Mittel der Schadensausgleichung In der Tradition des römischen Rechts stand das gemeine Recht einem allgemeinen Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung prinzipiell ablehnend gegenüber.1244 Das den Quellen des römischen Rechts (nur) für die Nominatkontrakte zu entnehmende Rücktrittsverbot wurde nach der Anerkennung der Verbindlichkeit aller Verträge verallgemeinert und auch auf die Innominatkontrakte, die gewissermaßen der 1239  Rückert ZNR 1984, 40 (59–61); Zimmermann AcP 193 (1993), 120 (142 ff., 160 ff.); Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 326 Rn. 8; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323– 325 Rn. 21 f. 1240  Dazu oben: B. I. 3.b). 1241  Die Rückabwicklung bereits erbrachter Leistungen, die sehr viel größere Schwierigkeiten bereitete, wurde in der vernunftrechtlichen Theorie erst später und getrennt von dem reinen Abgehen („Abstehen“) vom Vertrag behandelt. Die Auseinandersetzung mit diesem Problem ist historisch gesehen überhaupt die spätestes Stufe in der Entwicklung des Rücktritts. Dazu Leser (1975) – Rücktritt, S. 5, 38. 1242 Dazu: Leser (1975) – Rücktritt, S. 7 f.; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323– 325 Rn. 23–25; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 23. 1243  Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§  323–325 Rn.  26–29, 42; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 23; Leser (1975) – Rücktritt, S. 8–10; Flessner ZEuP 1997, 255 (270–272). Was der Grund für dieses Erfordernis richterlicher Mitwirkung war, ist unklar; dazu Hattenhauer a. a. O. Rn. 28. 1244  Thier in: HKK  (2007)  – BGB, §§ 346–359 Rn. 3: „[F]ür die europäische Privatrechtstradition prägend bleibt lange Zeit die Orientierung am Bestandsschutz des einmal geschlossenen Vertrages und der in seinem Vollzug bewirkten Güterverschiebung.“; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 30 ff.; Kaiser in: Staudinger (2001) – Vorbem. §§ 346 ff. Rn. 4; Jakobs in: FS Mann (1977), 35 (50–52).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

„Mutterboden“ für die Entwicklung allgemeiner, der gegenseitigen inneren Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung Rechnung tragender Regeln waren,1245 übertragen.1246 Im 18. Jahrhundert kam gleichwohl, unter dem Einfluss naturrechtlicher Lehren,1247 die Ansicht auf, dass der Gläubiger ausnahmsweise vom Vertrag abgehen dürfe, wenn der Schuldner in Verzug gerate und eine verspätete Leistung für den Gläubiger nicht von Interesse oder ihm die Annahme und Vergütung der verspäteten Leistung aus anderen Gründen (insbesondere weil er sich inzwischen anderweitig eingedeckt hatte) nicht zuzumuten sei.1248 Das so begründete Rücktrittsrecht konnte sich aber nur bis ins 19. Jahrhundert halten. Denn die Auslegung der zu seiner Begründung angeführten Quellenbelege hielt der von Savigny begründeten Quellenkritik nicht stand, und weil für ein regelrechtes Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung, wie es die vernunftrechtliche Theorie ausgebildet und die gemeinrechtliche Lehre mit einiger Zurückhaltung anerkannt hatte, auch sonst keine Belege in den Überlieferungen der römischen Juristen zu finden waren, wurde seine Berechtigung von den Pandektisten vehement in Abrede gestellt.1249 Unter im Wesentlichen gleichbleibenden Voraussetzungen (Schuldnerverzug und Nutzlosigkeit oder Unzumutbarkeit verspäteter Erfüllung) begründeten die Pandektisten die Aufhebung und Rückgängigmachung des Vertrages als Inhalt des Interesses, das der Gläubiger bei Verzug des Schuldners zu fordern berechtigt war.1250 Denn im klassischen römischen Recht1251 war der Schadenersatz außer der Erfüllung die einzige dem Vertrag innewohnende Abwicklungsmöglichkeit gewesen.1252 Da von diesem Standpunkt aus ein Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung dem Vertrag nicht ohne weiteres immanent war, konnte es nur durch eine zusätzliche Abrede der Parteien Eingang in denselben finden. Eine solche wurde auch zum Teil in Anlehnung an die lex commissoria als beim Austauschvertrag regelmäßig stillschweigend vereinbart angesehen.1253 In der pandektistischen Lehre 1245 

Dazu bereits in Fn. 1218; B. I. 3.b). Dazu bereits: B. I. 3.b)iii) (bei Fn. 326). 1247  Dazu: B.II.4.c)i)2). 1248  Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 32, 40; Leser (1975) – Rücktritt, S. 5 f.; Scherner (1965) – Rücktritt, S. 102 ff., 146 ff. 1249  Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 9, 32, 34, 42; vgl. Scherner (1965) – Rücktritt, S. 147, 150 ff.; Jakobs in: FS Mann (1977), 35 (51 f.). 1250  Unter diesen Voraussetzungen durfte der Gläubiger die noch nicht erbrachte Gegenleistung einbehalten und den Nichterfüllungsschaden nach der Differenzmethode berechnen oder die bereits erbrachte Gegenleistung bei der Bewertung seines Leistungsinteresses zugrunde legen, d. h. den Wert der Gegenleistung als „Mindestschaden“ ansetzen. Dazu: Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 32; vgl. Scherner (1965) – Rücktritt, S. 149 ff.; vgl. Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 58. Scherner erblickt in der Ausdehnung des zu ersetzenden Interesses auf die Auhebung des Vertrages einen Fall der „vielgeschmähten Begriffsjurisprudenz der Pandektisten“. 1251  Dazu: B.II.4.c)i)1). 1252  Jakobs in: FS Mann (1977), 35 (51) mit Verweis auf Leser (1975) – Rücktritt, S. 6. Vgl. bereits bei Fn. 1224. 1253 Vgl. Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 34; Thier in: HKK (2007) – 1246 



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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und in der Rechtsprechung konnte sich ein allgemeines Rücktrittsrechts bis zum Inkrafttreten des BGB allerdings nicht durchsetzen.1254 Gegen die Anerkennung eines allgemeinen Rücktrittsrechts sprach außer der römisch-rechtlichen Tradition auch das Prinzip vom Vorrang der (Natural-)Erfüllung, das sich im 19. Jahrhundert durchsetzte.1255 Demnach sollte der Gläubiger seinen Erfüllungsanspruch durchsetzen (und die Frage des Geldersatzes erst bei der Vollstreckung Bedeutung erlangen).1256

4)  Ausformung des Rücktritts im ADHGB: Vertragsaufhebender Rücktritt zur Wiedererlangung der Dispositionsfreiheit Lediglich im (Spekulations-)Handelsverkehr wurde als Ausnahme dazu anerkannt, dass der Gläubiger durch Rücktritt (nur) die primären Leistungspflichten aufgrund des Vertrages zum Erlöschen bringen („vom Vertrag abgehen“) und damit außergerichtlich selbst die Voraussetzungen dafür schaffen dürfe, unmittelbar das Interesse (statt der Erfüllung des Vertrages, berechnet nach der Differenzmethode) einklagen zu können.1257 Dieses Handelsgewohnheitsrecht, d. h. Beseitigung nur der Primärpflichten bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Vertrages als Grundlage für (sekundäre) BGB, §§ 346–357 Rn. 24 (zur Verbreiterung des Anwendungsbereichs der lex commissoria). Die Behauptung bei Leser (1975) – Rücktritt, S. 25, 222, dass es sich dabei in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunders um die herrschende Meinung gehandelt habe, ist nicht belegt. Nur mit vorsichtiger Zurückhaltung äußerte sich etwa Windscheid (1865) – Pandekten II.1, S. 210 f. (§ 323 bei Anm. 5) in diese Richtung: Falls ein Nebenvertrag den Rücktritt gestatte, sei der Hauptvertrag „im Zweifel anzusehen als abgeschlossen unter einer auflösenden Bedingung, deren Inhalt entweder schlechthin der ist, daß eine Partei die Wiederaufhebung des Vertrages wollen sollte, oder der, daß ein gewisser Umstand eintreten und dann die Partei die Wiederaufhebung wollen sollte“. Konstruktiv entspricht dies der lex commissoria, es bedurfte demnach aber zuerst der Feststellung, dass in einer Nebenabrede überhaupt ein Rücktrittsrecht vereinbart wurde. An anderer Stelle (S. 79 f., § 280 Anm. 1) hieß es in Windscheids Pandektenlehrbuch, es sei nicht richtig, dass bei gegenseitigen Verträgen der Gläubiger durch den Verzug des Schuldners ohne weiteres das Recht gewinne, vom Vertrag abzugehen. Der Gläubiger habe lediglich das Recht, die verspätete Leistung zurückzuweisen, wenn sie ihm unbrauchbar geworden sei. Es könne allerdings „als stillschweigend bedungen erscheinen, daß der Verzug des einen Kontrahenten dem anderen ein Rücktrittsrecht geben solle“. Vgl. dazu auch Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 34; Zimmermann AcP 193 (1993), 121 (166 mit Fn. 241). 1254  Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 34 bei und mit Fn. 198, Rn. 42 a. E.; vgl. Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 24. 1255 Dazu Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 31. 1256  In diesem Zusammenhang ist auch Savignys Lehre von der Modifikation zu sehen, durch welche der Untergang des Erfüllungs-/Sachleistungsanspruchs bzw. der Übergang von der Sachzur Ersatzleistung im Fall der (nachträglichen) Unmöglichkeit der Leistung als materiell-rechtlicher Vorgang erklärt werden sollte. Zu dieser Modifikationslehre und ihrem Einfluss auf die Regelung des § 275 a. F./n. F.: Schermaier in: HKK (2007) – BGB, Vor § 275 Rn. 52, 53, 56, 58 f., 73 f.; § 275 Rn. 17, 26, 33 f., 72, 74, 76; §§ 280–285 Rn. 45, 57 ff. 1257  Vgl. dazu m. w. N.: Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 37 f. (zum handelsgewohnheitlichen Rücktrittsrecht beim Lieferungsvertrag als „Durchbrechung des gemeinrechtlichen Prinzips vom Vorrang der Erfüllung“); Leser (1975) – Rücktritt, S. 15 f.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Ersatzansprüche auf das Erfüllungsinteresse, wurde allerdings nicht in seiner „Reinform“ im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch von 1861 (ADHGB) kodifiziert.1258 Bei den Gesetzesberatungen kam es vielmehr zur Überschneidung der verschiedenen Entwicklungslinien der Rücktrittstheorie. Das Ergebnis war die Normierung eines vertragsauflösenden Rücktrittsrechts (neben dem Schadenersatzanspruch) für den Fall des (verschuldensabhängigen) Verzugs und der (verschuldensunabhängigen) Nichteinhaltung eines fixen Liefertermins1259 beim Handelskauf, das nur ausgeübt werden konnte, solange die Ware noch nicht an den Käufer übergeben worden war1260 (Artt. 354 bis 357 ADHGB); der Rücktritt diente daher nur der Vertragsaufhebung, nicht auch seiner Rückabwicklung.1261 Darin, dass der Rücktritt ein regelrechtes Abgehen vom Vertrag erlaubte, lag eine grundlegende Abkehr vom gemeinen Recht. Dem Berechtigten war ohne Weiteres die private (Um-)Gestaltung des Rechtsverhältnisses gestattet. Er durfte unmittelbar selbst (insbesondere ohne Mitwirkung des Richters) entscheiden, ob er am Vertrag festhalten oder von ihm abgehen wolle. Bemerkenswert ist, dass über die Voraussetzungen des Anspruchs auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens hinaus, zu denen auch die Anzeige der Absicht, vom Vertrag abzugehen oder Schadenersatz zu fordern, und die Setzung einer Nachfrist gehörten (Art. 356)1262, für das „Abgehen vom Vertrag“ ein Wegfall des Leistungsinteresses nicht vorausgesetzt wurde.1263 Nach der erforderlichen Anzeige wurde mit dem fruchtlosen Ablauf der Nachfrist quasi (unwiderleglich) vermutet, dass das Leistungsinteresse des Gläubigers durch den Schuldner nicht mehr befriedigt werden könne. Auf diesen zukunftsweisenden Regelungsansatz kam (erst) die Zweite BGB-Kommission zurück.1264 1258 Dazu: Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§  323–325 Rn. 39–42; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 26; Leser (1975) – Rücktritt, S. 10–16; Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, Vorbem. zu §§ 346 Rn. 6. 1259  Das Rücktrittsrecht beim Fixkauf findet seine Grundlage eigentlich im Vertrag, da das Gesetz im Zweifel davon ausgeht, dass die Vereinbarung eines fixen Liefertermins mit der (stillschweigenden) Abrede einhergehe, dass der Gläubiger bei Nichteinhaltung dieses Liefertermins nicht länger gebunden sein soll. Als regelrechte Auslegungsregel wurde das Rücktrittsrecht beim Fixgeschäft später im BGB (§ 361 a. F.) formuliert, dazu m. w. N. Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 47. 1260  Das lag nahe, da das Rücktrittsrecht mit Verzug und Nichteinhaltung eines fixen Liefertermins auf Fälle der Nichtleistung zugeschnitten war. Ob die Verfasser des ADHGB die mit der Rückabwicklung eines bereits vollzogenen Leistungsaustauschs verbundenen Probleme bewusst vermeiden wollten, ist unklar; vgl. Leser (1975) – Rücktritt, S. 13 f., 28, 38; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 41. 1261  Zum Ganzen: Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 40–42; Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, Vorbem. zu §§ 346 ff. Rn. 6; Leser (1975) – Rücktritt, S. 10 ff. 1262  Zum Institut der Nachfrist als genuine Schöpfung des deutschen (Handels-)Rechts („the German Nachfrist“, „le Nachfrist allemand“): Leser (1975) – Rücktritt, S. 13 f.; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 41, 83; Huber (1999) – Leistungsstörungen II, S. 325–328; Canaris in: FS Kropholler (2008), 3 (10). 1263  Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, Vorbem. zu §§ 346 ff. Rn. 6. 1264  Dazu noch unten bei Fn. 1329. Zur Entwicklung des Kriteriums des Wegfalls des Interesses an der Leistung und seinem Zusammenhang mit der Ablehnungsandrohung: Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 32, 48 f., 51. Zur Entstehung und Entwicklung des



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Von der eingangs beschriebenen Handelspraxis wich das im ADHGB vorgesehene Rücktrittsrecht insofern ab, als der Rücktritt nicht die Voraussetzung dafür schuf, statt der Naturalerfüllung den Ersatz des Erfüllungsinteresses in Geld zu verlangen, sondern die Geltendmachung des Erfüllungsinteresses gerade ausschloss. Der Grund dafür war, dass die vertragsaufhebende Wirkung des gesetzlichen Rücktrittsrechts dogmatisch in Anlehnung an die gemeinrechtliche Lehre der „Bedingungskonstruktion“ bei der lex commissoria, also einem Fall des vertraglich vorbehaltenen Rücktritts, begründet wurde. Demnach entfiel mit dem Rücktritt der Vertrag rückwirkend und gerade auch als Grundlage für den Anspruch auf das (Erfüllungs-)Interesse.1265 Diese Begründung des Rücktritts kam bei den Beratungen des ADHGB mit Blick auf das Rücktrittsrecht des Verkäufers wegen Zahlungsverzugs des Käufers auf.1266 In der zweiten Lesung wurde dieses gegenüber den anderen Behelfen deutlich abgesetzt und dazu ausgeführt, dass der Verkäufer seine Dispositionsfreiheit durch die Erklärung, „daß er die Sache so angesehen wissen wolle, als wenn der Vertrag gar nicht geschlossen worden wäre“ (vgl. Art 354 ADHGB), zurückerlange. Das entsprach der lex commissoria des römischen Rechts,1267 deren Konstruktion in der gemeinrechtlichen Theorie überwiegend als Vereinbarung einer (auflösenden) Bedingung1268 („Erlöschensklausel“) gedeutet wurde1269. Die Vernichtung des Vertrages durch Wirksamwerden einer Aufhebungsvereinbarung war demnach von zwei Bedingungen abhängig: erstens vom Zahlungsverzug des Schuldners; zweitens von der Erklärung des Verkäufers, dass der Vertrag aufgehoben sei (Potestativbedingung – hierher kommt die Vorstellung der Ausübung des Rücktritts als privates Gestaltungsrecht Rechtsinstituts der Nachfrist: Huber  (1999)  – Leistungsstörungen  II, S. 324–329; Canaris in: FS Kropholler (2008), 3 (10); Jakobs in: FS Mann (1977), 35 (41 ff.). Zu den weiteren in Literatur und Rechtsprechung anerkannten Fällen der Entbehrlichkeit der Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung: Hattenhauer a. a. O. Rn. 69 f. 1265  Leser (1975) – Rücktritt, S. 14, 16; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 26; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 40–42. 1266  Zum Folgenden m. w. N.: Leser (1975) – Rücktritt, S.  12  ff.; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 40 a. E.; Huber (1999) – Leistungsstörungen II, S. 326 f. 1267  Dazu oben: B.II.4.c)i)1) bei Fn. 1219. 1268 Die auflösende Bedingung wurde in der Theorie des gemeinen Rechts überwiegend als aufschiebend bedingter Aufhebungsvertrag gedeutet, der als Nebenbestimmung den Hauptvertrag ergänze. Umstritten war, ob die Auflösung des Vertrages auch unmittelbar dinglich wirke. Die herrschende Meinung bejahte dies aufgrund der (unzutreffenden) Annahme, durch das Aufhören der Berechtigung des Erwerbers und den Rückfall des Eigentums auf den Veräußerer könne das Problem der Folgenbeseitigung des Vertrages, der Rückabwicklung des Leistungsaustausches, gelöst werden. Nachdem in der gemeinrechtlichen Lehre im 19. Jahrhundert die Auffassung aufgekommen war, dass die Wirkungen der auflösenden Bedingung mit denjenigen der aufschiebenden Bedingung gleichzusetzen seien („Rückwirkung“), brachte erst das BGB die endgültige Gleichstellung, dass auch die auflösende Bedingung (wie die aufschiebende Bedingung) ein unselbstständiger und untrennbarer Bestandteil des Hauptvertrages sei. Dementsprechend wurde der Rücktritt nicht als auflösende Bedingung mit dinglicher Wirkung erfasst. Dazu: Leser (1975) – Rücktritt, S. 18 ff., 31, 39; Hattenhauer  in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 36, 52; vgl. Thier in: HKK 82007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 24, 38. 1269 Dazu: Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§  323–325 Rn. 16, 36; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 38; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 91 f.; Leser (1975) – Rücktritt, S. 16 ff.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

durch einseitige Erklärung des Berechtigten).1270 Mit der Aufhebung des (Haupt-)Vertrages entfiel derselbe jedoch auch als Grundlage für einen Anspruch auf das Erfüllungsinteresse, deshalb die Trennung der Rechtsbehelfe des Verkäufers im Zuge der zweiten Lesung.1271 Dem wurden (erst) in der dritten Lesung die Rechtsbehelfe des Käufers angepasst, indem auch insoweit die Aufhebung des Vertrages und die Forderung von Schadenersatz in ein strenges Alternativverhältnis gesetzt und die Formulierung, dass es sich beim Abgehen vom Vertrag so verhalte, „gleich als ob derselbe nicht geschlossen worden wäre“, übernommen wurde (Art. 355 ADHGB). Diese Konstruktion des Rücktrittsrechts nach dem ADHGB war zukunftsweisend und auch maßgeblich für die weitere Rechtsentwicklung, die in die Regelungen des Rücktrittsrechts im BGB von 1900 mündete.1272

5)  Entwicklung des gesetzlichen Rücktrittsrechts wegen Nichterfüllung in den Beratungen der Verfasser des BGB von 1900: Rücktritt als selbstständiger Rechtsbehelf zur Rückabwicklung des Leistungsaustauschs In das BGB von 1900 wurde der Rücktritt wegen Nichterfüllung1273 letztlich als ein von dem jeweiligen Schadenersatzanspruch selbstständiger gesetzlicher Rechtsbehelf auch und vor allem zur Rückabwicklung1274 des Leistungsaustauschs aufgenommen.1275 Über die dogmatische Einordnung dieses Rechtsbehelfs herrschte bei den Gesetzesverfassern allerdings erhebliche Unsicherheit. Insbesondere blieben die Beratungen der Frage, auf welche Weise und inwieweit der Rücktritt das Vertragsverhältnis so umgestalte, dass keine Partei mehr Erfüllung verlangen könne, und woraus sich die wechselseitigen Rückgewährpflichten ergäben, vage.1276 Trotz der vom Schadenersatz wegen Nichterfüllung unabhängigen Konstruktion des gesetzlichen Rücktrittsrechts hielten die Gesetzesverfasser daran fest, dass das gesetzliche Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung von denselben materiellen 1270  Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 36; Leser  (1975) – Rücktritt, S. 25, 27, 38, 55 ff., 220 ff. Dazu bereits in Fn. 1221. 1271  Außerdem wurde in der zweiten Lesung das zunächst dreifache Wahlrecht des Verkäufers (Erfüllung, Schadenersatz wegen Nichterfüllung, Rücktritt) auf die Alternativen „Erfüllung oder Selbsthilfeverkauf und Abgehen vom Vertrag“ beschränkt; ein dreifaches Wahlrecht stand seitdem nur noch dem Käufer zu; dazu Huber (1999) – Leistungsstörungen II, S. 327 bei und mit Fn. 28. 1272  Leser (1975) – Rücktritt, S. 10; Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, Vorbem. §§ 346 ff. Rn. 6; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 42. 1273  Genauer: wegen Verzugs und vom Schuldner zu vertretender teilweiser oder vollständiger Unmöglichkeit der Leistung. 1274 Gerade hier hatte der Rücktritt einen selbstständigen Anwendungsbereich. Denn die gestörte Leistungspflicht des Schulderns war bereits bei fruchtlosem Ablauf der mit Ablehnungsandrohung gesetzten Frist ausgeschlossen und von der Verpflichtung zur Gegenleistung konnte der Gläubiger sich auch durch ein Schadenersatzverlangen befreien, weil er den Schaden auch nach der Differenzmethode berechnen durfte. Der Rücktritt war für den Gläubiger deshalb vor allem in seiner Rückabwicklungsfunktion interessant, wenn der Gläubiger den bereits an den Schuldner geleisteten Gegenstand zurückhaben wollte. Dazu: Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 60, 63–69; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 6, 50, 54 f., 59.61. 1275 Vgl. Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 5 f., 54–56. 1276  Dazu unten: B.II.4.c)ii)2)(c).



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Voraussetzungen abhängig sei wie dieser Anspruch und damit insbesondere der Schuldner die maßgebliche Störung der ihm obliegenden Leistung zu vertreten haben müsse.1277 Auch dass das Reichsgericht nach Inkrafttreten des BGB es dem Gläubiger gestattete, seinen Nichterfüllungsschaden nach der Differenzmethode zu berechnen, ist als Fortsetzung der gemeinrechtlichen Entwicklungslinie des Rücktritts als Mittel der Schadensausgleichung zu verstehen.1278 Dabei sprach die Anerkennung eines vom Schadenersatzanspruch unabhängig begründeten und nur alternativ zu diesem auszuübenden Rücktrittsrechts in den Gesetzesberatungen eigentlich dafür, das positive Interesse ggf. allein nach der Surrogationsmethode zu berechnen.

(a)  Zeitlicher Ablauf der Beratungen Für die Entwicklung des gesetzlichen Rücktrittsrechts wegen Nichterfüllung (und die Schaffung eines einheitlichen Rücktritts- und Wandelungsfolgenrechts)1279 in den Gesetzesberatungen prägend war die zeitliche Reihenfolge, in der die Erste Kommission sich mit den Vorschlägen zur Regelung verschiedener Anwendungsfälle des Rücktritts sowie zur Regelung der Wandelung auseinandersetzte, die wiederum sachlich (historisch) begründet war.1280 Zuerst1281 wurden bestimmte Fälle der vertraglich vorbehaltenen einseitigen Vertragsauflösung, deren Regelung  – dem Vorbild des Dresdner Entwurfs folgend1282 – im Zusammenhang mit den allgemeinen Bestimmungen über das Zustandekommen des Vertrages vorgesehen war (TE-OR Nr. 19 „Bestärkungsmittel der Verträge“), beraten, namentlich der Vorbehalt der Rechtsverwirkung, der (in Anlehnung an die gemeinrechtliche lex commissoria) in der Vorlage v. Kübels freilich noch als Bedingung konstruiert war, und die „Wandelpön“ (das vertraglich vorbehaltene Recht des Schuldners, statt der ihm obliegenden Erfüllung ein Reuegeld zu zahlen und sich dadurch von seiner Verbindlichkeit zu befreien).1283 1277 Vgl. Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 56 f. 1278 Dazu Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB,

§§ 323–325 Rn. 32, 38, 59 ff., vgl. auch Rn. 88 f., 91 (zur Entbehrlichkeit des „Notbehelfs“ der Schadensberechnung nach der Differenzmethode im reformierten Schuldrecht); Jakobs  (1985) – Gesetzgebung, S. 55, 59 f., 66 ff. Zur Entwicklung der Differenzmethode bei der Schadensberechnung siehe auch Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 280–285 Rn. 73, 75 f., 104. 1279  Dazu unten: B.II.4.c)ii). 1280 Zu den Beratungen der Gesetzesverfasser: Leser (1975) – Rücktritt, S.  26  ff.; Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 55 ff.; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 111 ff.; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 27 ff.; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 46 ff. 1281  Ab dem 17.04.1882; Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 13. Dazu unten: B.II.4.c) ii)2)(a). 1282 Dazu: Thier in: HKK (2007) – BGB, §§  346–357 Rn. 28; vgl. Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 43 f., 47; Leser (1975) – Rücktritt, S. 27, 30. 1283 Die Vorlage des Redaktors ist mit ausführlicher Begründung abgedruckt bei Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 321–323 (Regelungsvorschlag), S. 330–332 (Begründung zum Rücktritt gegen Reuegeld), S. 361–370 (Begründung zum Vorbehalt der Rechtsverwirkung).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Diesen „Rücktrittsvorbehalten“ war aufgrund ihrer gemeinrechtlichen Tradition von vorneherein ein zentraler Platz in der Kodifikation sicher. Die im Zuge dieser frühen Beratungen getroffene Entscheidung, eine selbstständige Kategorie „Vorbehaltenes Rücktrittsrecht“ zu bilden und darin die Folgen der Ausübung eines vertraglichen Rücktrittsrechts einheitlich zu regeln,1284 gab Anlass, über die Bedingungskonstruktion der lex commissoria zu diskutieren. Die Gesetzesverfasser entschieden, dass der Rücktritt nur schuldrechtlich wirke, die im Zuge der Abwicklung des Vertrages hergestellte dingliche Rechtslage also unberührt lasse.1285 Die Begründung der Ersten Kommission der Wirkung des (vertraglich) vorbehaltenen Rücktrittsrechts in Anlehnung an die Bedingungskonstruktion,1286 wonach der (obligatorische) Vertrag mit Ausübung des Rücktritts ex tunc erlöschen musste,1287 passte nicht zu ihrer Annahme, dass nach der Erklärung des Rücktritts lediglich die Erfüllungsansprüche nicht mehr durchsetzbar seien und nach bereits erfolgtem Leistungsaustausch aufgrund des Vertrages wechselseitig Rückgewähr der ausgetauschten Leistungen verlangt werden könne1288. Dass die Gesetzesverfasser diese Begründung im weiteren Verlauf der Beratungen auch noch „unbesehen auf die gesetzlichen Rechtsbehelfe übertrugen“,1289 hatte außerdem zur Konsequenz, dass man nach Inkrafttreten des BGB von 1900 annahm, nach erklärtem Rücktritt seien jegliche vertragliche Schadenersatzansprüche ausgeschlossen, weil der Vertrag auch als Grundlage für solche ex tunc entfallen sei.1290 Die Gesetzesverfasser1291 waren dagegen offenbar noch davon ausgegangen, dass der Rücktritt aus dogmatischen Gründen lediglich mit der gleichzeitigen Geltendmachung des positiven Interesses nicht zu vereinbaren sei.1292

Da die Wandelung (wie das gesamte Gewährleistungsrecht) nach dem ersten Vorschlag des Redaktors (TE-OR Nr. 20 „Rechte und Verpflichtungen aus Verträgen, Gewährleistung des veräußerten Rechts und Gewährleistung wegen Mängeln der Sache im Allgemeinen“)1293 – ebenfalls dem Vorbild des Dresdner Entwurfs 1284 

Dazu unten: B.II.4.c)ii)2)(a). Leser (1975) – Rücktritt, S. 31; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 30; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 52. Dazu noch unten: B.II.4.c)ii)2)(a). 1286  Auf dieselbe Begründung war auch der (rein vertragsauflösende) Rücktritt im ADHGB gestützt worden. Dazu oben: B.II.4.c)i)4). 1287  Vgl. dazu m. w. N.: Leser (1975) – Rücktritt, S. 30 f., 38; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 52. 1288  Dazu unten: B.II.4.c)i)5)(c). 1289  Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 56. 1290  Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 42, 52, 56. 1291  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 273. 1292 Vgl. Leser (1975) – Rücktritt, S. 31, 33; Hatttenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323– 325 Rn. 52, 56, 58; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 31. Dass danach die Geltendmachung des (vollen) negativen Interesses neben dem Rücktritt nicht prinzipiell ausgeschlossen war, geriet bald nach Inkrafttreten des BGB von 1900 in Vergessenheit und rief „neue“ Ansätze zur dogmatischen Begründung eines Anspruchs auf Ersatz des Mangelfolgeschadens nach dem Rücktritt vom Vertrag hervor (dazu noch unten bei Fn. 1345 und Fn. 1517). Dazu: Hattenhauer a. a. O. Rn. 52, 58; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 280–285 Rn. 70, 121; vgl. Huber (1999) – Leistungsstörungen II, S. 199 f., 224 f. bei und mit Fn. 135, S. 328 mit Fn. 29. 1293  TE-OR Nr. 20 sah in § 3 auch ein Rücktrittsrecht beim relativen Fixgeschäft vor (dazu noch unten bei Fn. 1412), das v. Kübel in einer stillschweigend vereinbarten lex commissoria begründet sah. Dies war der „Vorläufer“ der späteren Regelung des § 360 a. F., bei der es sich eigentlich um 1285 Dazu:



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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folgend1294 – zunächst im allgemeinen Schuldrecht geregelt werden sollte, wurde über sie als nächstes1295 (und nicht erst mit der letzten Vorlage TE-OR Nr. 32 „Kauf. Tausch“)1296 beraten.1297 Die Regelungsvorschläge des Redaktors für einen gesetzlichen Rücktritt (als Mittel der Schadensausgleichung) waren im Zusammenhang der „Folgen der Nichterfüllung der Verbindlichkeit“ (TE-OR Nr. 22) vorgesehen. Über sie wurde, was die Regelung des Rücktritts angeht, zu vorletzt beraten.1298 Mit der Anerkennung eines von dem Anspruch auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens verschiedenen gesetzlichen Rücktrittsrechts wagten die Gesetzesverfasser eine dogmatische Neukonstruktion (und entfernten sich von ihrer Aufgabe, lediglich den vorhandenen Rechtsstoff zu kodifizieren).1299 In ihrer Unschlüssigkeit, wie die Folgen des gesetzlichen Rücktritts zu begründen seien, orientieren sie sich an der Begründung des vertraglich vorbehaltenen Rücktritts.

Die Beratung über die in der Vorlage TE-OR Nr. 32 enthaltenen Regelungsvorschläge zum „Kauf mit dem Vorbehalt der Reue“1300 gaben schließlich Anlass zu einer finalen Gesamtdebatte über das Rücktitts(folgen)recht.1301

(b)  Entscheidung für ein selbstständiges Rücktrittsrecht Die Beratungen der Ersten BGB-Kommission setzten nicht unmittelbar die Entwicklungen des ADHGB1302 fort, sondern knüpften zunächst an das gemeine Recht1303 und den auf diesem beruhenden Dresdner Entwurf von 1866 an.1304 In der Vorlage (Nr. 22) des Redaktors v. Kübel1305 war der gesetzliche „Rücktritt“ wegen Nichterfüllung (im Fall der vom Schuldner zu vertretenden Unmöglicheine Auslegungsregel mit Blick auf die Feststellung eines vertraglich begründeten Rücktrittsrechts handelte. Dazu m. w. N. Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 47, 54. 1294 Dazu: Leser (1975) – Rücktritt, S. 28, 31; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 28. 1295  Ab dem 24.04.1882; Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 13. 1296 Über diese Vorlage wurde ab dem 12.03.1883 beraten; Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 13. 1297  Dazu unten: B.II.4.c)ii)2)(b). 1298  Am 01.11.1882; Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 13. Dazu unten: B.II.4.c)ii)2) (c). 1299 Vgl. Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 55 f., 58 f. 1300  Am 30.03.1883; Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 576 ff. 1301  Dazu unten: B.II.4.c)ii)2)(d). 1302  Dazu oben: B.II.4.c)i)4). 1303  Dazu oben: B.II.4.c)i)3). 1304  Kaduk in: Staudinger (1994) – BGB, Vorbem. §§ 346 ff. Rn. 9; vgl. Leser (1975) – Rücktritt, S. 26–29; Hatttenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 46; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 28 f. 1305  Zu TE-OR (Nr. 22) § 3, 28 (Rücktritt wegen vom Schuldner zu vertretener Unmöglichkeit der Leistung sowie wegen Interessewegfall bei Verzug) mit ausführlicher Begründung des Redaktors siehe Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 849, 853, 865–868, 901. Zur Begründung des Rücktritts beim (relativen) Fixgeschäft (TE-OR (Nr. 20) § 2) siehe a. a. O., S. 371, 380 f.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

keit der Leistung1306 sowie des Wegfalls des Leistungsinteresses bei Verzug1307) dementsprechend nicht als eigenständiger Rechtsbehelf neben dem Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung, sondern als „Mittel der Schadensausgleichung“ konzipiert.1308 In der Tradition des jüngeren gemeinen Rechts sollte „der Schadenersatzanspruch unter Rückgriff auf den Rechtsgedanken der restitutio in integrum um ein Lossagungsrecht des Gläubigers angereichert“ werden.1309 Aus der Begründung des Redaktors:

1306  Mit dem Rücktritt (als Art der Schadensvergütung) bei vom Schuldner zu vertretender vollständiger Unmöglichkeit der Leistung enthielt die Vorlage des Redaktors eine echte Neuerung gegenüber dem bisherigen Stand des (gemeinen) Rechts. Das zur Begründung des Rücktritts bei Verzug entwickelte Kriterium des Interessewegfalls war in der Theorie des jüngeren gemeinen Rechts bereits auf den Fall der (vom Schuldner zu vertretenden) teilweisen Unmöglichkeit der Leistung übertragen worden. Begründet wurde dies mit dem Argument, dass auch der Verzug einen Fall der teilweisen Unmöglichkeit der Leistung darstelle, nämlich in Ansehung der Leistungszeit. Deshalb sollte der Gläubiger auch in anderen Fällen teilweiser Unmöglichkeit der Leistung zurücktreten dürfen, wenn der noch mögliche Teil der Leistung allein für ihn nicht von Interesse war. Diesen Gedanke entwickelte v. Kübel weiter: Während der Gläubiger bei vom Schuldner zu vertretender vollständiger Unmöglichkeit der Leistung zuvor nur Ersatz des Nichterfüllungsschadens hatte verlangen können (einschließlich Beseitigung der Vertragsfolgen), ermöglichte die Anwendung des Kriteriums des Interessefortfalls auch in diesem Fall die Begründung eines regelrechten Rücktritts vom Vertrag: Bei vollständiger Unmöglichkeit der Leistung sei stets von einem Interessefortfall auszugehen. Die Erste Kommission fand dies überzeugend; Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 272; Mot. II, S. 209–211. Dazu: Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 48 f.; Leser (1975) – Rücktritt, S. 33; Scherner (1965) – Rücktritt, S. 205 ff.; Wollschläger (1970) – Unmöglichkeitslehre, S. 179, 182 f. Eine Tendenz, den Rücktritt vom Vertrag zuzulassen, wenn die Erfüllung des Vertrages aufgrund vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit ausblieb, zeigte sich im gemeinen Recht schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts, nachdem die Praxis des prALR den Rücktritt bei Verzug unter Rückgriff auf die prALR I. 5 §§ 369, 373 begründet hatte. Dazu Scherner a. a. O. S. 144, 184, vgl. S. 209 ff.; vgl. Leser a. a. O. 1307 Ein allgemeines gesetzliches Rücktrittsrecht wegen Verzugs kannte die Vorlage des Redaktors nicht und ein solches sah auch der Erste Entwurf noch nicht vor. Denn der Verzug allein rechtfertigte nach der gemeinrechtlichen Lehre nicht den Rücktritt vom Vertrag. Es musste stets noch der Fortfall des Interesses des Gläubigers an der Leistung hinzukommen. Erst die Vorkommission des Reichsjustizamtes und die Zweite Kommission machten den Rücktritt bei Verzug – nach dem Vorbild des ADHGB (dazu: B.II.4.c)i)4)) – vom fruchtlosen Ablauf einer Frist (mit Ablehnungsandrohung) abhängig. Darauf, ob der Gläubiger tatsächlich das Interesse an der Leistung verloren hatte, kam es dann nicht an. Wenn eine verspätete Leistung für ihn tatsächlich nicht von Interesse war, war die Fristsetzung allerdings entbehrlich. Zum Ganzen: Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 51. 1308 Dazu: Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 48; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 29; Leser (1975) – Rücktritt, S. 33; Kaduk in: Staudinger (1994) – BGB, Vorbem. §§ 346 ff. Rn. 9; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 280–285 Rn. 70, 120. 1309 Vgl. Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 24, 29 a. E. Scherner (1965) – Rücktritt, S. 150 f. In seinem Teilentwurf zum Obligationenrecht sah der Redaktor überhaupt keine besonderen Vorschriften über den Rücktritt vor. In TE-OR (Nr. 19) waren lediglich Vorschriften über das Abgehen von einem (noch nicht vollzogenen) Vertrag gegen Zahlung eines Reuegeldes und über den Vorbehalt der Rechtsverwirkung vorgesehen; Vorlage Nr. 20 befasste sich mit der Wandelung und die Vorlage Nr. 32 sah Vorschriften über den Kauf mit Vorbehalt der Reue vor. Dazu: Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 555. Ausführlich dazu unten: B.II.4.c)ii)2).



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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„Richtig ist…, daß ein Schuldverhältniß durch Nichterfüllung seitens des Schuldners keineswegs aufgehoben wird, und man wird auch an dem Grundsatz festzuhalten haben, daß der Gläubiger wegen Nichterfüllung seitens des Schuldners das Schuldverhältniß nicht auflösen darf, daß er vielmehr zur Geltendmachung seines Interesses auf die aus dem Schuldverhältnis für ihn entspringenden Klagen verwiesen ist. Allein wie bei dem Verzug so verlangt auch bei totaler und partieller Unmöglichkeit der Erfüllung das Interesse des Gläubigers unter Umständen, daß ihm als Mittel der Ausgleichung seines Schadens der Rücktritt gewährt werde, als ein ihm aus dem Schuldverhältniß gegen den nichterfüllenden Schuldner zustehendes Recht. Ein Bedürfnis hierfür ist für alle gegenseitigen Verträge anzuerkennen.“1310

Von daher ist es verständlich, dass der gesetzlich begründete Rücktritt vom Verschulden des anderen Teils abhängig sein sollte, weil darin der Haftungsgrund lag.1311 Ebenso wie der Schadenersatz wegen Nichterfüllung sollte der Rücktritt nach der Vorlage des Redaktors außerdem davon abhängen, dass beim Verzug eine verspätete Erfüllung und bei teilweiser Unmöglichkeit die Bewirkung des noch möglichen Leistungsteils für den Gläubiger nutzlos wäre.1312

Ein regelrechtes „Abgehen vom Vertrag“ bzw. die Aufhebung des Vertrages durch einseitige Erklärung war in den Vorlagen v. Kübels nur in verschiedenen Fällen der Vereinbarung eines entsprechenden vertraglichen Vorbehalts vorgesehen.1313 Auch wenn der Redaktor im gesetzlichen Rücktritt wegen Nichterfüllung lediglich eine Funktion des Interesseersatzes sah, sprach er allerdings ausdrücklich vom „Rücktritt“1314 bzw. von dem Recht des Gläubigers, vom Vertrag zurückzutreten,1315 und setzte den Rücktritt dadurch zumindest begrifflich von dem eigentlichen Schadenersatzanspruch ab.1316 Die sachliche Abgrenzung des Rücktritts vom Schadenersatzanspruch vollzog die Erste Kommission.1317 In ihren Beratungen gab sie die gemeinrechtliche Linie (kein Rücktritt im Sinne des „Abgehens vom Vertrag“, sondern Aufhebung und Rückgängigmachung des Vertrages nur im Rahmen des Interesseersatzes aufgrund

1310 

Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 867. 1311 Vgl. Lobinger (2004) – Grenzen, S. 318, 323. Dagegen

war zur Begründung des Rücktrittsrechts nach der lex commissoria ein Verschulden des anderen Teils nicht erforderlich, dazu Leser (1975) – Rücktritt, S. 17; vgl. Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 2, 4, 108. 1312  Dazu bereits Fn. 1306, 1307. 1313  Dazu unten: B.II.4.c)i)5)(b). 1314  Siehe das Zitat bei Fn. 1310. 1315  TE-OR (Nr. 22) § 3 gestattete dem Gläubiger bei gänzlicher Unmöglichkeit der Leistung, „von dem Vertrage zurückzutreten“, ausdrücklich „anstatt des in § 2 bezeichneten Anspruchs“ auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens, und nach § 28 konnte der Gläubiger wegen Nutzlosigkeit der Leistung infolge des Schuldnerverzugs alternativ („auch“) zu den zuvor geregelten Ausgleichsansprüchen zurücktreten. 1316  Jakobs in: FS Mann (1977), 35 (53). 1317 Vgl. Leser (1975) – Rücktritt, S. 36; Jakobs in: FS Mann (1977), 35 (53 f.).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

des Vertrages)1318 bald auf1319 und entschied sich für ein selbstständiges Rücktrittsrecht, für die „Ausgestaltung des Rücktritts als (vertragsneutraler) schuldrechtlicher Rückabwicklungstatbestand“1320 wegen Nichterfüllung (genauer: wegen Wegfalls des Leistungsinteresses bzw. Nutzlosigkeit der Teilleistung bei Verzug sowie bei vom Schuldner zu vertretender teilweiser oder wegen vollständiger vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit der Leistung)1321. Dieses wurde in den Beratungen über das Verhältnis des Rücktritts zum Schadenersatz wegen Nichterfüllung dogmatisch in Anlehnung an die Beratungen der Folgen des vertraglich vorbehaltenen Rücktritts1322 begründet1323 und deshalb ebenfalls mit der (vertragsauflösenden) Bedingungskonstruktion der lex commissoria in Verbindung gebracht.1324 Das strenge Alternativverhältnis von Rücktritt und Schadenersatz nach dem BGB von 1900 rührte also daher, dass die Gesetzesverfasser den Rücktritt nicht auf die Aufgabe der Rückabwicklung bereits ausgetauschter Leistungen reduzierten,1325 sondern notwendig mit der Beseitigung des Vertragsverhältnisses in Verbindung brachten und insofern die in der gemeinrechtlichen Theorie zur lex commissoria entwickelte Bedingungskonstruktion von der rückwirkenden Vertragsaufhebung bei Ausübung eines vertraglichen Rücktrittsvorbehalts „unbesehen auf die gesetzlichen Rechtsbehelfe übertrugen“.1326 Nach diesem Verständnis wurde Schadenersatz (statt der Leistung und statt des Rücktritts) aufgrund des Vertrages gefordert, während die Rückabwicklung aufgrund der (rückwirkenden) Beseitigung des Vertrages infolge des Rücktritts erfolgte.1327 1318 

Dazu oben: B.II.4.c)i)3). Rückbesinnung auf diese Tradition ist in der Rechtsprechung des Reichsgerichts zu erblicken, das es zuließ, den Schadenersatzanspruch gem. § 463 Abs. 1 a. F. auch nach der Differenzmethode zu berechnen, dazu m. w. N. Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 60; Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 55, 59 f.; Huber (1999) – Leistungsstörungen I, S. 26, 44 f.; ders. (1999) – Leistungsstörungen II, S. 176 ff. Vgl. Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 280–285 Rn. 73 (zur Kombination von Differenzhypothese und Differenztheorie zur Begründung, dass jedenfalls der gezahlte Kaufpreis als „Mindestschaden“ zu ersetzen sei). 1320  Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 31. 1321  Dazu oben in Fn. 1307. 1322  Namentlich mit Verweis auf ZustOR § 57: „Der Rücktritt bewirkt, daß die Vertragsschließenden unter einander so berechtigt und verpflichtet sind, wie wenn der Vertrag nicht abgeschlossen“; Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 561, 564. 1323  Jakobs/Schubert (1978) – Recht der Schudverhältnisse I, S. 272 f.; dazu Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 52, 54, 56; vgl. Leser (1975) – Rücktritt, S. 30 f., 33. 1324  Auf dieser gedanklichen Grundlage musste eine Kumulation von Rücktritt und Schadenersatz (wie bereits im ADHGB, dazu: B.II.4.c)i)4)) ausgeschlossen erscheinen, weil der (obligatorische) Vertrag bei Ausübung des Rücktrittsrechts ex tunc auch als Grundlage für einen Anspruch auf das Interesse vernichtet werde. Es wurde aber auch mit dem Schuldnerschutz („außerordentliche Rechtserweiterung“ zugunsten des Gläubigers) argumentiert. Dazu m. w. N.: Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 36, 52–57; Leser (1975) – Rücktritt, S. 33; vgl. Huber (1999) – Leistungsstörungen II, S. 328 bei und mit Fn. 29. 1325 Gerade hier hatte der Rücktritt einen selbstständigen Anwendungsbereich. Dazu in Fn. 1274. 1326  Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 56, vgl. auch Rn. 52. 1327  Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 56. 1319  Eine



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Da die von v. Kübel vorgesehenen Voraussetzungen des Interessewegfalls (Verzug) bzw. der Nutzlosigkeit der Teilleistung (teilweise Unmöglichkeit) sich vor allem bei der Geldschuld als unpraktisch erwiesen, wurde der Rücktritt außerdem in den Beratungen des Ersten Entwurfs durch die Vorkommission des Reichsjustizamtes in erster Linie vom fruchtlosen Ablauf einer Nachfrist abhängig gemacht.1328 Die Zweite Kommission fügte später – nach dem Vorbild der Fristsetzung mit Anzeige nach dem ADHGB1329 – noch das Erfordernis der Ablehnungsandrohung hinzu und brachte die Regelung ein, dass der Erfüllungsanspruch mit Ablauf der Frist ohne weiteres ausgeschlossen sei.1330 Dies führte dazu, dass die Aufhebung der gestörten Leistungspflicht nicht (mehr) als Rechtsfolge, sondern als Voraussetzung des Rücktritts (und – streng alternativ dazu – des Anspruchs auf das Erfüllungsinteresse)1331 verstanden wurde, der seinerseits der („nachhinkenden“) Aufhebung des restlichen Vertrages und der Rückabwicklung des Leistungsaustauschs diente.1332 Es sollte auch und gerade dem Schutz des Schuldners dienen, dass der Gläubiger die Leistung nach fruchtlosem Fristablauf nicht mehr verlangen konnte.1333

(c)  Auseinandersetzung mit der Reichweite der (Gestaltungs-)Wirkung des Rücktritts und der Rechtsnatur der Rückgewähransprüche Bei den Beratungen der Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Rücktritts trat die dogmatische Frage danach, auf welche Weise das Vertragsverhältnis durch den Rücktritt umgestaltet werde, in den Hintergrund und wurde von den Gesetzesverfassern nicht abschließend beantwortet.1334 1328 Außerdem kam in der Vorkommission des Reichsjustizamtes der Vorschlag auf, den Rücktritt im Fall des Verzugs unabhängig vom Verschulden des Schuldners zu gewähren. Dies lag nahe, nachdem die Erste Kommission von der Konzeption des Rücktritts als „Mittel der Schadensausgleichung“ abgerückt war. Die Voraussetzung einer bloß objektiven Verzögerung der Leistung setzte sich aber nicht durch. Dazu Wiedemann in: Soergel (1990) – BGB, § 326 Rn. 1; vgl. auch Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 56 f. zur Ablehnung eines entsprechenden Vorschlags Jakubezkys in den Beratungen der Zweiten Kommission. 1329  Dazu oben: B.II.4.c)i)4) bei Fn. 1307. 1330  Siehe die Nachweise bei Jakobs/Schubert  (1978) – SchuldR I, S. 475 f. (zur Fristsetzung), S. 482 f. (zur Ablehnungsandrohung). 1331  Der Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung entstand unabhängig von einer Erklärung des Berechtigten bereits mit Auftreten der vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit (§ 325 a. F.) bzw. mit Ablauf der Nachfrist (§ 326 a. F.). 1332 Dazu Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§  323–325 Rn. 51. Vgl. auch Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 51 bei und in Fn. 94: Darin, dass nach § 326 a. F. bei fruchtlosem Ablauf einer mit Ablehnungsandrohung zu setzenden Frist der Anspruch auf die gestörte Leistung ipso iure ausgeschlossen war, sei „jene Regel, daß der Gläubiger aus seiner Beschränkung auf den Leistungsanspruch frei ist, wenn das Ausbleiben der Leistungs feststeht, in … vorzüglicher Weise konkretisiert [worden].“ 1333  Dazu m. w. N. Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 51. 1334  Zum Folgenden m. w. N. Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 30 ff., 37 f.; Kaduk in: Staudinger (1994) – BGB, Vorbem. §§ 346 ff. Rn. 10 f.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Nachdem sie den Rücktritt als einen vom Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung verschiedenen Rechtsbehelf begründet hatte, ging die Erste Kommission davon aus, dass bei Ausübung des Rücktritts das Schuldverhältnis durchaus als Grundlage für wechselseitige Rückerstattungsverpflichtungen nach bereits abgewickeltem Leistungsaustausch bestehen bleibe und sonst dauerhafte Einrede-Tatbestände gegen die gegenseitigen Leistungsverpflichtungen entstünden.1335 Der Erste Entwurf schwieg aber zu den Wirkungen des Rücktritts auf das Vertragsgefüge.1336 Die Vorkommission des Reichsjustizamtes wollte diese Wirkung im Gesetz ausdrücklich als Vertragsauflösung beschreiben, und zwar durch den klarstellenden Satz, dass durch den Rücktritt „das durch den Vertrag begründete Schuldverhältniß erlischt“.1337 Gemeint war damit das rückwirkende Erlöschen des gesamten Schuldverhältnisses wie beim Eintritt einer auflösenden Bedingung. Erstmals sollte der Rücktritt damit als Gestaltungsrecht konzipiert werden.1338 Die Zweite Kommission hielt den von der Vorkommission präferierten Satz für überflüssig und strich ihn wieder.1339 In ihren Beratungen kam die Überlegung 1335  E  I § 427 Abs. 1: „Der Rücktritt bewirkt, daß die Vertragsschließenden unter einander so berechtigt und verpflichtet sind, wie wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre, insbesondere, daß kein Theil eine nach dem Vertrag ihm gebührende Leistung in Anspruch nehmen kann, und daß jeder Theil verpflichtet ist, dem anderen Theil die empfangene Leistung zurückzugeben. …“; Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 596. Begründung: „Durch die Rücktrittserklärung unmittelbar wird für beide Theile (…) eine selbstständige (unverjährbare) Einrede gegen den Anspruch aus dem Vertrage und die persönliche Verpflichtung auf Zurückversetzung in die Lage begründet, als ob der Vertrag gar nicht geschlossen wäre, eine obligatio ad restituendum in integrum.“; Mot. II, S. 280 f. Dazu Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 30, vgl. auch Rn. 31 („Ausgestaltung des Rücktritts als (vertragsneutraler) schuldrechtlicher Rückabwicklungstatbestand“); Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, vor § 346 Rn. 11. 1336  Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 33. 1337  E I-RJA § 427 Abs. 1: „Hat bei einem Vertrage ein Theil sich den Rücktritt vorbehalten, so hat der Rücktritt die Wirkung, daß das durch den Vertrag begründete Schuldverhältniß erlischt. Beide Theile sind einander so verpflichtet, wie wenn der Vertrag nicht geschlossen wäre.“; Jakobs/ Schubert (1978) – SchuldR I, S. 599. Begründung: „Abweichend vom [ersten] Entwurf wurde angenommen, daß mit Vollziehung des Rücktritts das durch den Vertrag vollendete Schuldverhältniß unter den Vertragsschließenden von selbst erlöschen soll, während der Entwurf nur eine Einrede auf Grund des Rücktritts gewährt. Man war der Ansicht, daß die aus der Konstruktion des Entw. sich ergebende Annahme, es bestehe der Vertrag fort, wiewohl die Parteien sich so zu behandeln hätten, als ob der Vertrag nicht existire, der natürlichen Auffassung zuwider laufe.“; Jakobs/Schubert a. a. O., S. 598 f.vgl. auch Prot. I, S. 789. Dazu auch Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 33, 35. 1338 Vgl. Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 33; Kaduk in: Staudinger (1994) – BGB, Vorbem. §§ 346 ff. Rn. 11. 1339  E II § 298: „Hat sich bei einem Vertrag ein Theil den Rücktritt vorbehalten, so sind die Parteien, wenn der Rücktritt erfolgt, unter einander so verpflichtet, wie wenn der Vertrag nicht geschlossen wäre. Jeder Theil ist berechtigt, die ihm nach dem Vertrag obliegende Leistung zu verweigern, und verpflichtet, eine empfangene Leistung zurückzugewähren.  …“. In der zweiten Lesung wurde die Vorschrift in die Fassung des späteren § 346 a. F. gebracht (E II rev. § 341). In der ersten Lesung befand die Zweite Kommission, es sei zu bezweifeln, dass die Konstruktion, wonach der Vertrag beim Rücktritt von selbst erlösche, der natürlichen Auffassung mehr



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auf, dass der Rücktritt1340 das Vertragsverhältnis lediglich ex nunc beende und die Entstehung der gegenseitigen Rückgabeverpflichtungen von den Parteien (auf den Rücktritt – stillschweigend – aufschiebend bedingt) für diesen Fall gewollt sei.1341 Aus dem Gesetz ergab sich am Ende nur, dass nach der Erklärung des Rücktritts die gegenseitigen Erfüllungsansprüche ausgeschlossen und bereits ausgetauschte Leistungen zurück zu gewähren waren (§ 346 a. F.). Die nachfolgende Auseinandersetzung der Rechtswissenschaft mit der dogmatischen Konstruktion des Rücktritts erfolgte im Zusammenhang mit der Entwicklung der Lehre vom Gestaltungsrecht, das dem historischen Gesetzgeber, der mit Rücktritt, Anfechtung und Kündigung lediglich einzelne Gestaltungsrechte geregelt hatte, als dogmatischer Begriff noch fremd war.1342 Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war die Ansicht herrschend, dass der Rücktritt zur Auflösung des Vertrages ex tunc führe und an die Stelle des Vertrages ein gesetzliches Schuldverhältnis nach Maßgabe der §§ 346 ff. a. F. (und hilfsweise der §§ 818 ff.) trete. Dann setzte sich, vorbereitet durch Arbeiten von Stoll1343 und Herholz1344 (zur Begründung eines Anspruchs auf Ersatz des negativen Interesses neben dem Rücktritt)1345 und maßgeblich theoretisch fundiert durch Wolf1346, die Sicht durch, dass der Rücktritt im Rahmen des ursprünglichen vertraglichen Schuldverhältnisses die rechtsgeschäftliche Umgestaltung des Vollzugsverhältnisses in ein Rückabwicklungsverhältnis bewirke.1347 Die diesem Anentspreche (dazu in Fn. 1337). Vielmehr entspreche es der dem Vertrag zugrunde liegenden Parteiabsicht, dass die Parteien beim Rücktritt verpflichtet seien, einander in die Lage zu versetzen, als wäre der (schuldrechtliche) Vertrag „rückwärts hinfällig geworden“; vgl.  Prot.  I, S. 789. In der zweiten Lesung wurde der Wortlaut „Hat sich bei einem Vertrag ein Theil den Rücktritt vorbehalten, so sind die Parteien, wenn der Rücktritt erfolgt, verpflichtet, einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren“ bevorzugt, weil die Formulierung, dass die Parteien verpflichtet seien, denjenigen Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre (insbesondere die empfangenen Leistungen zurückzugewähren), „zu dem Missverständnis führen [könne], als sollten die Parteien einander auch das negative Interesse zu ersetzen haben, und andererseits ist die zusammenfassende lehrbuchmäßige Formel neben den unmittelbar folgenden Sätzen entbehrlich. …. [M]an wollte … den ‚lediglich theoretischen Satz‘ nicht aufnehmen, daß der Rücktritt das Erlöschen des Schuldverhältnisses herbeiführt. Dieses Satzes bedarf es nicht, um Uebereinstimmung mit den übrigen Vorschriften herzustellen; es wird sich empfehlen, die Konstruktion hier ebensowenig im Gesetz auszusprechen wie bei dem Widerruf einer Schenkung…“; Prot. VI, S. 158. Dazu auch Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 35. 1340  Mit Einführung des Erfordernisses der (Fristsetzung mit) Ablehnungsandrohung in den Beratungen der Zweiten Kommission (dazu oben bei und nach Fn. 1328) wurde der Rücktritt auf die Funktion reduziert, das Vertragsverhältnis im Übrigen aufzuheben, nachdem die gestörte Leistungspflicht bereits mit dem Fristablauf ausgeschlossen wurde („hinkende Vertragsaufhebung“). Dazu Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 51, 55 f. 1341 Dazu Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 35, 38 und Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, vor § 346 Rn. 12 (bei Fn. 25), jeweils mit Verweis auf Mugdan II, S. 727 (= Prot. I, S. 789, Zitat in Fn. 1339).vgl. 1342  Ausführlich dazu m. w. N.: Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 11 f., 62 ff.; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 38–40; Leser (1975) – Rücktritt, S. 150 ff., 223 ff. 1343  AcP 131 (1929), 141 ff. 1344  AcP 130 (1929), 257 ff. 1345  Vgl. dazu in Fn. 1292 und bei Fn. 1517. 1346  AcP 153 (1954) 97, 105 ff. 1347 Dazu: Hadding in: Soergel (1990) – BGB, Vor §  346 Rn. 3 f.; Hattenhauer in:

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

satz naheliegende Vorstellung der Begründung des Rücktrittsrechts aus dem vertraglichen Schuldverhältnis selbst heraus bedeutet in der Sache eine Rückbesinnung auf die (vernunftrechtliche) Lehre von der conditio tacita1348.1349

Mit der Unsicherheit darüber, auf welche Weise und inwieweit der Rücktritt das Vertragsverhältnis umgestalte, hängt die Unschlüssigkeit bezüglich der Rechtsnatur der Rückgewähransprüche zusammen.1350 Auch wenn die Erste Kommission den Rücktritt als einen vom Ersatz des Nichterfüllungsschadens (positives Interesse) unabhängigen Rechtsbehelf konstruierte, sah sie ihn von seiner Zielrichtung her in der Nähe bzw. als Teil des negativen Interesses.1351 Nach dem seitens des Reichsjustizamtes als Klarstellung gemeinten Satz, dass der Rücktritt den Vertrag mit ex tunc-Wirkung vernichte,1352 wären die (gesetzlichen) Rückgewährpflichten dagegen im Wesentlichen als bereicherungsrechtliche Ansprüche zu qualifizieren gewesen. Die Zweite Kommission trat allerdings nicht nur entschieden der Vorstellung entgegen, dass der Rücktritt etwas mit dem Ersatz des negativen Interesses zu tun habe, sondern sie lehnte auch die ex tunc-vertragsvernichtende Rücktrittswirkung ab; sie sah die Rückgewährpflichten als (quasi aufschiebend bedingte) Vertragspflichten an.1353 Dies sprach dafür, die Vorschriften über die Rückabwicklung als dispositives Gesetzesrechts zur Ergänzung der konkreten Parteivereinbarung entsprechend dem typischen Parteiwillen zu qualifizieren. Ähnlich differenziert fiel nach dem Inkrafttreten des BGB von 1900 das Meinungsspektrum in Rechtsprechung und Literatur aus.1354 Auf der Grundlage der zunächst herrschenden Meinung, dass der Rücktritt den ganzen Vertrag ex tunc vernichte, mussten die §§ 346 ff. a. F. als Sondervorschriften zu den (hilfsweise anwendbaren) §§ 812 ff. aufgefasst werden. Mit der Ansicht, dass der Rücktritt das Vertragsverhältnis ex nunc in ein Rückgewährschuldverhältnis umgestalte, setzte sich allerdings die Sicht durch, dass das Gesetz mit den §§ 346 ff. a. F. dispositive Regeln zur inhaltlichen Ausgestaltung der aufgrund des mit verändertem Inhalt fortbestehenden Vertrages erfolgenden Rückabwicklung vorsehe (für die Anwendung des HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 58, 62, vgl. auch Rn. 89 (zur Rücktrittskonzeption des reformieren Schuldrechts); Wiedemann in: Soergel (1990) – BGB, § 325 Rn. 63; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 280–285 Rn. 70; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 38–40; Leser (1975) – Rücktritt, S. 150 ff.; Kaduk in: Staudinger (1994) – BGB, Vorbem. §§ 346 ff. Rn. 14 ff.; Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, vor § 346 Rn. 11 f., 17; Hellwege (2004) – Rückabwicklung, S. 466 ff. 1348  Dazu oben: B.II.4.c)i)2). 1349 Vgl. Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 58 a. E. 1350 Dazu Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, vor § 346 Rn. 11 f. 1351  Dazu oben in Fn. 1335: „persönliche Verpflichtung auf Zurückversetzung in die Lage begründet, als ob der Vertrag gar nicht geschlossen wäre, eine obligatio ad restituendum in integrum“. Dazu auch bei und in Fn. 1517; Vgl. auch Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 30 f.; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 280–285 Rn. 70 (bei Fn. 595), 121; Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, vor § 346 Rn. 18. 1352  Dazu oben bei und in Fn. 1337. 1353  Dazu oben in Fn. 1339. 1354 Dazu Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, vor § 346 Rn. 12, der zum reformierten Schuldrecht entschieden die Meinung vertritt, dass die Rückgewähransprüche bereicherungsrechtlicher Natur seien; dazu a. a. O. Rn. 18 ff.; ähnlich Kohler AcP 208 (2008), 417 (422 ff., 433 ff., 444).



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Bereicherungsrechts war demnach kein Raum, da mangels Erlöschens des schuldrechtlichen Geschäfts der Rechtsgrund für die Leistungen nicht entfiel).1355 Das Ziel der Rückgewähransprüche wurde (und wird) in Rechtsprechung und Literatur allerdings zum Teil immer noch in Anlehnung an die Begründung des ersten BGB-Entwurfs1356 mit dem Ersatz des negativen Interesses in Verbindung gebracht.1357 Immerhin erforderte das gesetzliche Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung unter dem BGB von 1900 nicht anders als ein Schadenersatzanspruch auch das Verschulden des Rücktrittsgegners.

(d)  Gesetzliches Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung und Wandelung Abgesehen von dem Einfluss des römisch-gemeinen Rechts war die Wandelung in das BGB von 1900 auch deshalb neben den gesetzlichen Rücktrittsrechten des allgemeinen Leistungsstörungsrechts als spezieller Rechtsbehelf des Gewährleistungsrechts aufzunehmen, weil das Gesetz einen Erfüllungsanspruch des Käufers auf die Mangelfreiheit der Kaufsache zumindest beim Stückkauf nicht vorsah und die Lieferung mangelhafter Ware deshalb nicht sachgerecht mit den allgemeinen Vorschriften über die Nichterfüllung zu fassen war. Auch sonst unterschied sich die Wandelung (§ 467 a. F.) in ihren Voraussetzungen von den §§ 325, 326 a. F.1358 Anders als der Rücktritt war sie nicht von einem Vertreten-müssen des Verkäufers, sondern allein davon abhängig, dass die gelieferte Sache einen (nicht unerheblichen)1359 Fehler aufwies oder ihr eine zugesicherte Eigenschaft fehlte und dass die Wandelung (insbesondere unter dem Aspekt der kurzen Verjährung gem. § 477 a. F.) nicht ausgeschlossen war. Anders als der Rücktritt (Gestaltungsrecht) war sie außerdem als Anspruch konzipiert.1360 Deshalb konnte der Käufer seinen Vertrag mit dem Verkäufer nicht einfach einseitig durch Erklärung beenden und ein Rückabwicklungsverhältnis entstehen lassen, sondern musste vom Verkäufer die Wandelung verlangen und dieser musste sich damit einverstanden erklären.1361 § 467 S. 1 a. F. verwies für die entsprechende Anwendung der Vorschriften über 1355 Dazu: Hadding in: Soergel (1990) – BGB, vor § 346 Rn. 4 f.; Gaier in: MüKo (2012) – BGB, vor §§ 346 Rn. 2, 35; Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.12.2015) – BGB, § 346 Rn. 9; Röthel in: Erman (2014) – BGB, vor §§ 346 ff. Rn. 1; Faust in: JurisPK (Stand: 01.10.2014) – BGB, § 346 Rn. 5; Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 69; Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, vor § 346 Rn. 12; Otto/Schwarze in: Staudinger (2009) – BGB, § 323 Rn. D. 26 1356  Mot. II, S. 280 f.; dazu bereits bei und in Fn. 1335 und 1351. 1357  Kritisch dazu m. w. N.: Kaiser (2000) – Rückabwicklung, S. 509; dies. in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 5; Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, vor § 346 Rn. 18; Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.05.2015) – BGB, § 346 Rn. 23; Röthel in: Erman (2014) – BGB, vor §§ 346 ff. Rn. 2. 1358  Vgl. zum Folgenden: Graue  (1964) – Mangelfreie Lieferung, S. 294 f., 299 ff.; Kaduk in: Staudinger (1994) – BGB, Vorbem. §§ 346 ff. Rn. 103 ff.; Kaiser (2000) – Rückabwicklung, S. 486 f. 1359  Vgl. § 459 Abs. 1 S. 2 a. F. 1360  Dazu sah sich der historische Gesetzgeber gezwungen, um die Wandelung der (kaufrechtlichen) Verjährung unterwerfen zu können; Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 462 Rn. 4; Leser (1975) – Rücktritt, S. 84–87. 1361  Ausführlich dazu Leser (1975) – Rücktritt, S. 56, 75 ff., 219 ff.

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den (vertragsmäßigen) Rücktritt gerade nicht auf § 349 a. F., wonach der Rücktritt „durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil“ erfolgte.1362 Nicht bereits mit der Äußerung des Wandelungsverlangens, sondern erst mit Vollzug der Wandelung stand fest, dass der Käufer nicht mehr statt der Wandelung des Vertrages die Minderung des Kaufpreises verlangen konnte. Insoweit bestand freilich ein Unterschied auch zwischen den Rechtsfolgen des Rücktritts (der Rücktrittserklärung) und der Wandelung (des Wandelungsverlangens).1363

Schließlich erlaubte die Wandelung bei Vorliegen eines Sachmangels die sofortige Beendigung des Vertragsvollzugs und Einleitung der Rückgängigmachung des Leistungsaustauschs.1364 Dagegen war der regelrechte Rücktritt wegen Nichterfüllung über die vom Schuldner zu vertretende Störung der Leistungspflicht hinaus von weiteren Voraussetzungen abhängig, namentlich grundsätzlich1365 von dem fruchtlosen Ablauf einer mit Ablehnungsandrohung zu setzenden Frist sowie, bei Teilverzug und teilweiser vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit, von der Nutzlosigkeit der Teilleistung. Erst und nur unter diesen weiteren Voraussetzungen stand fest, dass die Leistung des Schuldners endgültig ausfiel1366 und der Gläubiger deshalb auch die ihm obliegende Gegenleistung vollständig einbehalten bzw. zurückverlangen durfte. Trotz der aufgezeigten Unterschiede waren in der Sache „die Ansprüche des Gläubigers auf Wandelung und Minderung letzten Endes bloße Ausflüsse des den gegenseitigen Vertrag beherrschenden Äquivalenzgedankens  … und [re1362 Auf den Theorienstreit darüber, wie die Wandelung zustande komme – ob der wandelungsberechtigte Käufer zur Vollziehung und Durchführung der Wandelung unmittelbar auf Rückzahlung des Kaufpreises klagen könne („Herstellungstheorie“) oder vorher auf Einwilligung des Verkäufer in einen Wandelungsvertrag („Vertragstheorie“) klagen bzw. ein entsprechendes Gestaltungsurteil erstreiten („modifizierte Vertragstheorie“) müsse  – ist hier nicht einzugehen. Dazu: Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 462 Rn. 48–56; Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 465 Rn. 2–8; Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 462 Rn. 3–9, § 465 Rn. 9 f.; Grunewald in: Erman (2000) – BGB, § 462 Rn. 2–5; Putzo in: Palandt (2002) – BGB, § 465 Rn. 2–6; Graue (1964) – Mangelfreie Lieferung, S. 299 ff.; Reinicke/Tiedtke (1997) – Kaufrecht, S. 144– 152; Leser (1975) – Rücktritt, S. 232 ff. 1363  Kaduk in: Staudinger (1994) – BGB, Vorbem. §§ 346 ff. Rn. 105. 1364  In Ermangelung einer Mangelbeseitigungspflicht des Verkäufers wäre es auch ersichtlich sinnlos gewesen, die Rückabwicklung des Vertrages bei Vorliegen eines Sachmangels vom fruchtlosen Ablauf einer Frist abhängig zu machen. 1365 Einer Fristsetzung bedurfte es nicht im Fall der vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit der Leistung (§ 325 Abs. 1 a. F.) sowie in den Ausnahmefällen des sofortigen Wegfalls des Leistungsinteresses bei Verzug (§ 326 Abs. 2 a. F.). Damit entsprach der Rücktritt wegen Unmöglichkeit der Leistung gem. § 325 a. F. eher als der Rücktritt bei Verzug der Konzeption des „alten“ Kaufrechts, weil das Gesetz keine Pflicht des Verkäufers zur Mangelbeseitigung vorsah und die Lieferung einer mangelhaften Sache deshalb quasi wie eine teilweise qualitative Unmöglichkeit der Leistung behandelte (siehe auch Fn. 1364), nur dass die Wandelung (gem. § 462 a. F. vorbehaltlich der §§ 459, 460 a. F.) ohne Rücksicht darauf, ob der Verkäufer den Sachmangel zu vertreten hatte oder nicht, zulässig war. 1366  Wenn der Schuldner eine „Schlechtleistung“ erbracht hat, darf der Gläubiger die Angelegenheit also so behandeln, als habe der Schuldner überhaupt keine Leistung erbracht. Was er vom Schuldner erhalten hat, muss er zwar zurückgeben. Das Schicksal dieses Gegenstandes lässt den durch den Rücktritt bewirkten Wegfall der Verpflichtung zur Gegenleistung aber unberührt, weil er als Leistungsgegenstand (rückwirkend) disqualifiziert ist.



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gelten] lediglich die Gegenleistungsgefahr für den speziellen Fall einer quantitativen oder qualitativen Minderleistung des Schuldners entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Gesetzes“.1367

ii)  Einheitliche gesetzliche Regelung der Rückabwicklung Die vorangegangene Darstellung erklärt, warum im BGB von 1900 die Wandelung als besonderer Rechtsbehelf neben dem gesetzlichen Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung vorgesehen war, und sie bereitet das Verständnis dafür vor, in welcher Reihenfolge1368 und auf welche Weise die Gesetzesverfasser an die Beratungen der Rücktritts- und Wandelungsfolgen herangingen. Da der Rücktritt wegen Nichterfüllung im BGB von 1900 – anders als noch im ADHGB1369 – allgemein nicht nur als Vertragsaufhebungs-, sondern auch als Rückabwicklungsbehelf konzipiert wurde,1370 stellte sich die Frage, wie genau diese Rückabwicklung vonstattengehen sollte. Mit der vom vertragsmäßigen Rücktrittsrecht her bekannten Bedingungskonstruktion ließ sich zwar die Aufhebung des Vertrages begründen; eine befriedigende Lösung, wie die Folgen des Vertrages zu beseitigen seien, hatte die Theorie des gemeinen Rechts im Streit um die Wirkungen des Eintritts einer auflösenden Bedingung aber bis zuletzt nicht hervorgebracht.1371 Über die vage Formel hinaus, dass der frühere Zustand wiederherzustellen sei, hatte sie diesbezüglich noch keine fertigen Maßstäbe liefern können.1372 Weil man jedoch „der neuen Rechtsfigur des Rücktritts eine neue und voll entwickelte Regelung der Rückabwicklung nicht vorenthalten wollte“1373, schloss man die Lücke mit den altbewährten Grundsätzen der Wandelung, die – wenn auch mit klarer Rollenverteilung1374 und auf einen eng begrenzen Sonderfall1375 zugeschnitten – seit jeher die Aufgabe erfüllt hatten, den aufgrund eines Kaufs erfolgten Leistungsaustausch rückgängig zu machen. Auch die ­Rückabwicklung nach Ausübung eines vertraglichen Rücktrittsrechts wurde so gelöst.

1367  v. Schenck (1950) – Sphäre, S. 195 (bei und in Fn. 36); vgl. auch Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 434 ff. Rn. 4. 1368  Dazu bereits: B.II.4.c)i)5). 1369  Dazu oben: B.II.4.c)i)4). 1370  Dazu oben: B.II.4.c)i)5). 1371 Vgl. Leser (1975) – Rücktritt, S. 20–24, 40. 1372 Vgl. Leser (1975) – Rücktritt, S. 40. 1373  Zum Ganzen Leser (1975) – Rücktritt, S. 39 ff. mit dem Zitat auf S. 40. 1374  Dazu oben bei Fn. 1214. 1375 Sachmängel der Kaufsache (ursprünglich sogar nur bestimmte Fehler und Gebrechen beim Marktkauf über Sklaven und Zugtiere, siehe oben:B.II.4.c)i)1)), Verkäufer als „Veranlasser“ der Vertragsaufhebung und -rückabwicklung (durch Nichtanzeige bestimmter Fehler bzw. durch mangelhafte Leistung), Käufer im Vergleich dazu „schutzwürdig(er)“.

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1)  Systematik des Wandelungs- und Rücktrittsfolgenrechts im BGB von 1900 Die Systematik des BGB von 1900 beruhte darauf, dass die Voraussetzungen der Wandelung letztlich1376 im speziellen Schuldrecht, nämlich im Gewährleistungsrecht des Kaufs (und Werkvertragsrechts) geregelt wurden. Weil ihre Folgen in das Rücktrittsfolgenrecht rezipiert wurden, dessen Regelung im allgemeinen Schuldrecht erfolgte, erledigte das BGB von 1900 die Anordnung der Wandelungsfolgen über eine Verweisungsnorm (§ 467 S. 1 a. F. beim Kauf, seinerseits für bei der werkvertraglichen Wandelung entsprechend anwendbar erklärt in § 634 Abs. 4 a. F.). Die Regelung der Rücktrittsfolgen wurden im allgemeinen Schuldrecht unmittelbar als Folgen des vertraglich vorbehaltenen Rücktritts (§§ 346 ff. a. F.) vor den Erlöschensgründe (§§ 362 ff.) platziert; zur Begründung ihrer Anwendbarkeit auch bei den letztlich „weiter vorne“, bei den allgemeinen Vorschriften über die Nichterfüllung geregelten gesetzlichen Rücktrittsrechten wurde dorthin, d. h. „nach hinten“, verwiesen (§ 327 S. 1 a. F.). Diese Regelungstechnik dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der Beschluss, ein einheitliches Rücktrittsfolgenrechts zu schaffen, bei den zuerst erfolgten1377 Beratungen der vertraglichen Rücktrittsrechte gefasst worden war und die daher rührende Vorstellung von der vertragsaufhebenden Wirkung des Rücktritts dem Erlöschen des Schuldverhältnisses nahestand. Weil der Schwerpunkt der Beratungen der gesetzlichen Rücktrittsrechte wegen Nichterfüllung (§§ 325, 326 a. F.), wie gesehen, darauf lag, diese überhaupt als selbstständige Rechtsbehelfe zu begründen und in ihren Voraussetzungen zu regeln, erschien es offenbar naheliegend, die Folgen dieser neuen und ungewohnten Rechtsbehelfe durch eine Verweisung auf die einigermaßen konsolidierten Folgen des vertraglichen Rücktritts zu regeln. Die Gründe, aus denen es bei der Ausübung eines Rücktrittsvorbehalts (vertragliche Vereinbarung), eines gesetzlichen Rücktrittsrechts (Nichterfüllung) und der Wandelung (Sachmängel bei Kauf- und Werkvertrag) zu einer Rückabwicklung des Leistungsaustauschs kommt, sind recht unterschiedlich. Es ist deshalb erstaunlich, dass die Rückabwicklung für alle Fälle einheitlich geregelt wurde. Um die Angemessenheit der danach für die Gefahrverteilung bei der Rückabwicklung vorgesehenen Regeln bei der Wandelung zu hinterfragen, darf man aber nicht, den Verweisungen des Gesetzes folgend, bei der Rückabwicklung des Vertrages infolge eines vertraglich vorbehaltenen Rücktritts beginnen (vgl. § 346 a. F.), sodann über die Angemessenheit der Anwendung derselben Regeln auch beim gesetzlich begründeten Rücktritt (§ 327 S. 1 a. F.) und zuletzt über ihre rechtspolitische und dogmatische Berechtigung auch bei der Wandelung (§ 467 a. F.) nachdenken. Vielmehr muss man den umgekehrten Weg gehen und bei der Wandelung ansetzen.1378 Denn die in den §§ 346 ff. a. F. vorgesehenen Re1376 

Zu der ursprünglichen Planung, die Gewährleistung wegen Sachmängeln und so auch die Wandelung im allgemeinen Schuldrecht zu regeln, bereits bei Fn. 1293. 1377  Zur Beratungsreihenfolge siehe oben: B.II.4.c)i)5)(a). 1378 Vgl. Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 5 a. E.



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geln waren im Wesentlichen eine Kodifizierung der hergebrachten Grundsätze der (kaufrechtlichen) Wandelung.1379 Dies wurde durch die Verweisungstechnik des Gesetzes verschleiert.1380 Gegner der Gefahr­tragung des Verkäufers im Rahmen der Wandelung bezogen daraus, dass das Gesetz die Vorschriften über die Rücktrittsfolgen bei der Wandelung „nur“ für entsprechend anwendbar erklärte (§ 467 S. 1 a. F.), etwa das Argument, dass es zwar beim vertraglich vorbehaltenen Rücktritt sachgerecht sein möge, den Rücktrittsgegner mit der Gefahr zu belasten, nicht aber bei der Wandelung. Dabei war diese Anordnung vom historischen Gesetzgeber tatsächlich nur so gemeint, dass jeweils anstelle des Worts „Rücktritt“ das Wort „Wandelung“ zu lesen sei.1381

2)  Vereinheitlichung der Folgen der Ausübung des gesetzlichen und des vertraglichen Rücktrittsrechts und der Wandelung in den Beratungen der Ersten BGB-Kommission Zur Regelung der Gefahr­tragung bei Rückgewährstörungen wurden die Grundsätze der Wandelung in den Beratungen der Ersten Kommission auf die Rückabwicklung des Vertrages nach Ausübung eines vertragsmäßigen und eines gesetzlichen Rücktrittsrechts übertragen.1382 Diese Übertragung verlief schrittweise im Zuge vorsichtiger Abstraktion und Verknüpfung, in deren Ergebnis der Rücktritt „zu einer Institution aus mehreren Normzusammenhängen“1383 zusammengefasst wurde. Ermöglicht wurde die Vereinheitlichung dadurch, dass die Folgen der Ausübung der vertraglichen und der gesetzlichen Rücktrittsrechte jeweils vorläufig nur mit dem Satz beschrieben wurden, dass die Parteien verpflichtet seien, einander so zu stellen, als wäre der Vertrag nicht geschlossen worden, und diese Formulierung danach (vorübergehend) auch zur zusammenfassenden Beschreibung der Wandelungsfolgen verwendet wurde, obwohl sie in diesem Zusammenhang mit Blick auf die tradierten Einzelregelungen sachlich eigentlich unzutreffend war. So erschien es naheliegend, die Rückabwicklung des Leistungsaustauschs in all diesen Fällen grundsätzlich gleich zu regeln. Dabei griff man auf die hergebrachten Grundsätze der Wandelung zurück.

(a)  Bildung einer selbstständigen Kategorie „Vorbehaltenes Rücktrittsrecht“ Bei den Beratungen über den in der Vorlage „Bestärkungsmittel der Verträge“ (TE-OR Nr. 19) vorgesehenen Vorbehalt des Abgehens vom Vertrag gegen 1379 

Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 5, vgl. § 495 1380 Vgl. Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 4. 1381 

Rn. 4.

Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 7. Zum Folgenden m. w. N.: Leser (1975) – Rücktritt, S. 29–39; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 30–32; Sickinger  (1994) – Rücktritt, S. 111 ff.; Kaduk in: Staudinger (1994) – BGB, Vorbem. §§ 346 ff. Rn. 3 ff. 1383  Leser (1975) – Rücktritt, S. 29. 1382 

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Zahlung eines Reuegeldes1384 (§§ 4, 51385 – vgl. § 359 a. F.)1386 stellte Windscheid den Antrag, eine selbstständige Kategorie „Vorbehaltenes Rücktrittsrecht“ zu bilden und darin allgemeine Vorschriften über die Wirkungen des vertragsmäßigen Rücktritts zu normieren.1387 Auf diesen Antrag kam die Erste Kommission wenige Tage später1388 bei den Beratungen über den in derselben Vorlage enthaltenen Regelungsvorschlag betreffend den Vorbehalt der Rechtsverwirkung1389 (§ 111390 – vgl. § 360 a. F.)1391 zurück und nahm ihn an.1392 Sie behielt sich vor, später über die Ausdehnung dieser allgemeinen Vorschriften auch auf das gesetzliche Rücktrittsrecht zu beraten.1393 Hinsichtlich der Wirkungen des (vertragsmäßigen) Rücktritts beschloss die Kommission, dass die Vertragsauflösung sich jedenfalls nicht unmittelbar dinglich auswirke.1394 Man verständigte sich als Ausgangspunkt1395 darauf, dass die Formel, dass „die Vertragsschließenden verpflichtet [seien], sich in die Lage zu versetzen, als wenn der Vertrag nicht abgeschlossen worden wäre“, dass also der Vertrag in Ansehung der obligatorischen Beziehungen zwischen den Parteien als

1384 

76. Sitzung vom 17.04.1882, dazu Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 555–558. Vorlage des Redaktors „Bestärkungsmittel der Verträge“ mit Begründung zu den §§ 4, 5: Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 321, 330–332. 1386  Die Vorlage TE-OR (Nr. 19) „Bestärkungsmittel der Verträge“ enthielt Regelungsvorschläge zu „Draufgabe und Reuegeld“ (§§ 1–5), „Koventionalstrafe“ (§§ 6–10) und „Vorbehalt der Rechtsverwirkung“ (§§ 11, 12); Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 321–322. 1387 Dazu: Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 30. 1388  78. Sitzung vom 21.04.1882, dazu Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 558–560. 1389  Der „Vorbehalt der Rechtsverwirkung“ entsprach der gemeinrechtlichen lex commissoria, die ursprünglich ein Vorbehalt des Verkäufers gewesen war, von dem Vertrag abgehen zu dürfen, wenn der Käufer den Kaufpreis nicht rechtzeitig zahlte (dazu oben:B.II.4.c)i)1)). Dieser Gedanke war mit der Zeit erweitert worden, so dass jede Vertragspartei, wenn sie sich dieses Recht im Vertrag vorbehalten hatte, zurücktreten durfte, wenn der andere nicht rechtzeitig leistete. Vgl. dazu Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 28 f. 1390  Vorlage des Redaktors „Bestärkungsmittel der Verträge“ mit Begründung zu § 11: Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 322, 361–370. 1391 Anders als die später Gesetz gewordene Regelung war der Anwendungsbereich der „Verwirkungsklausel“ in diesem Stadium der Beratungen noch auf die Überschreitung eines vertraglich definierten Liefertermins beschränkt. Dazu: Leser (1975) – Rücktritt, S. 30 ff.; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 29. 1392 Dazu Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 559–565. 1393  Leser (1975) – Rücktritt, S. 30. Zur Einbeziehung der Folgen des gesetzlichen Rücktritts unten: B.II.4.c)ii)2)(c). 1394  Dazu m. w. N.: Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 30; Leser (1975) – Rücktritt, S. 31; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 52. 1395  Windscheids Antrag, auf die Verpflichtung der Vertragsschließenden bei vertraglichem Rücktrittsrecht, „sich in die Lage zu versetzen, als wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre“, die Vorschriften über die Wandelungsklage entsprechend anzuwenden, wurde in diesem Stadium der Beratungen noch ausdrücklich zurückgezogen bis zum Ergebnis der Prüfung, „ob und welche dieser Vorschriften für das Rücktrittsrecht passen und folglich zu verallgemeinern und hierher zu versetzen seien“; Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 560; dazu auch Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 30. 1385 



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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nicht geschlossen gelte, dem Wesen des Rücktritts und der regelmäßigen Absicht der Parteien entspreche. Die Auseinandersetzung mit der Frage, ob und inwieweit die Heranziehung der Grundsätze der Wandelung für die Rückabwicklung in diesem Sinne tauge, wurde bis zur Beratung der Wandelung zurückgestellt.1396 Der (vorläufige) Regelungskomplex über das vertragsmäßige Rücktrittsrecht (§§ 54–60  ZuStOR)1397 blieb daher insofern lückenhaft, als die Frage der Haftung und der Gefahr­tragung für Sachuntergang und Sachverschlechterung nicht angesprochen wurde.1398

(b)  Beratung der Folgen der Wandelung Bei den Beratungen der Wandelung1399 (TE-OR (Nr. 20) §§ 30, 16, 17)1400 wurden die überlieferten Einzelregelungen1401 auf Antrag Winscheids durch einen prinzipiellen, in Anlehnung an die Formel beim vertragsmäßigen Rücktrittsrecht formulierten Leitsatz ergänzt, dass die Parteien „sich gegenseitig verpflichtet [sind], sich in diejenige Lage zu versetzen, in welcher sie sein würden, wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre“.1402 Dieser Satz stand sachlich zwar nicht 1396  Leser (1975) – Rücktritt, S. 31; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 111. Zur Fortsetzung der entsprechenden Beratungen unten bei Fn. 1417. 1397  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 561, 564 f.; dazu Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 112. 1398  Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 115, 117. 1399  90. Sitzung vom 19.05.1882 und folgende, dazu Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 565 ff. Im Dresdner Entwurf, an dem v. Kübel bereits mitgewirkt hatte und an dem er sich bei der Erstellung seiner Vorlagen zum Obligationenrecht orientierte, war die Wandelung im Fall der Teilentwehrung und der Belastung mit einem fremden Recht bei der Veräußerung von Rechten für anwendbar erklärt und damit erstmals über ihren traditionellen Anwendungsbereich (Sachmängelgewährleistung beim Kauf) hinaus ausgedehnt worden. Dazu: Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 38; Leser (1975) – Rücktritt, S. 27 f., 31 f. Dementsprechend waren auch in TEOR (Nr. 20) bei den Vorschriften über die Gewährleistung wegen Rechtsmängeln das Recht des Erwerbers, bei Teilentwehrung Vertragsaufhebung zu verlangen (§ 15), und die Modalitäten der Wandelung geregelt (§§ 16, 17), auf die im Rahmen der Regelung der Gewährleistung wegen Sachmängel verwiesen wurde (§ 30). 1400  Vorlage des Redaktors „Rechte und Verpflichtungen aus Verträgen, Gewährleistung des veräußerten Rechts und Gewährleistung wegen Mängel der Sache im Allgemeinen“ mit Begründung zu den §§ 16, 17, 30: Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 373, 376, 407 f., 418 f. 1401  Zum historischen Ursprung der Gefahrverteilung bei der Wandelung, die auf den Rücktritt übertragen wurde, unten: B.II.4.c)ii)4) und B.II.4.c)ii)5). 1402  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 566 f. Der Redaktionskommission sollte es vorbehalten bleiben, zu entscheiden, „ob die Vorschrift nicht nach Maßgabe des Beschlusses … über das vertragsmäßige Rücktrittsrecht zu fassen“, d. h. die Wendung, „…sich in diejenige Lage zu versetzen, in welcher sie sein würden, wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wären“, zu ersetzen sei durch … „sich in die Lage zu versetzen, als wenn der Vertrag nicht abgeschlossen worden wäre“; Hervorhebung d. Verf. Man behielt sich also nicht vor, das bei der Wandelung formulierte Prinzip auch für das vertragliche Rücktrittsrecht zu übernehmen (so aber Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 113), sondern, gerade umgekehrt, den für die Wandelung formulierten Leitsatz so zu fassen wie den entsprechden Satz zur Beschreibung der Folgen des vertragsmäßigen Rücktritts; vgl. Leser (1975) – Rücktritt, S. 32.

358

B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

in Einklang mit, zum Teil sogar in Widerspruch zu den Einzelregelungen,1403 ließ die Regelungen der Wandelung aber als das sachgerechte Instrumentarium zur Rückabwicklung (auch) des infolge eines vertragsmäßigen Rücktrittsrechts aufgehobenen Vertrages erscheinen. Bereits in den Beratungen wurde gegen die „gedachte prinzipielle Vorschrift“ vorgebracht, dass das vorgeschlagene Prinzip durch die beschlossenen Einzelregelungen, „deren Angemessenheit im Allgemeinen außer Frage stehe“, „im erheblichsten Maße und dergestalt [erschüttert würde], daß es fast nur eine halbe Wahrheit bleibe“. Die Kommissionsmehrheit war aber der Meinung, dass der generalklauselartige Leitsatz erforderlich sei, um gewisse Fälle zu lösen, die von den Einzelbestimmungen nicht erfasst seien.1404

Mit den §§ 87–92 ZuStOR1405 wurde zunächst jedoch neben den Vorschriften über das vertragsmäßige Rücktrittsrecht für die Wandelung, die als (Sonder-)Fall des (gesetzlich begründeten) Rücktritts begriffen wurde,1406 ein separater Regelungskomplex geschaffen, der insbesondere die Frage der Haftung und Gefahr­tragung für Sachuntergang und Sachverschlechterung betraf.

(c)  Beratung über die Folgen der Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts In einem weiteren Schritt1407 wurde festgestellt, dass die in TE-OR (Nr. 22) § 6 vorgesehenen Wirkungen des gesetzlichen Rücktrittsrechts wegen Nichterfüllung einer Verbindlichkeit (TE-OR (Nr. 22) §§ 3, 28)1408 mit den früher beschlossenen Regelungen des vertraglichen Rücktrittsrechts und der Wandelung im Prinzip übereinstimmten. Gemäß TE-OR (Nr. 22) § 6 wurden die Vertragsschließenden mit dem Rücktritt nämlich „so berechtigt und verpflichtet, wie wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre“.1409 Es wurde deshalb „im Zuge der Konzentration des Stoffes“ beschlossen, „unter Verzicht auf eine eigene Normierung [d. h. an Stelle der §§ 4–7 des TE-OR (Nr. 22)], auf das gesetzliche Rücktrittsrecht die Regelung des vertraglichen Rücktrittsrechts und der Wandlung entsprechend anzuwenden“ (Doppelverweisung), wobei die letzteren später soweit wie möglich beim vertraglichen Rücktritt eingeordnet werden sollten.1410 Nach diesem Vorbild wurde eine ähnliche Verweisung auch bei 1403 

Leser (1975) – Rücktritt, S. 32, 35, 37 f. 1404 Dazu Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I,

S. 567. Im Einzelnen nachzulesen bei: Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 114 f. und Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 575 f. 1406 Vgl. Leser (1975) – Rücktritt, S. 35. 1407  125. Sitzung vom 06.10.1882; dazu Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 272 ff. 1408  Gesetzliches Rücktrittsrecht wegen vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit der Leistung und wegen Fortfalls des Interesses des Gläubigers bei Schuldnerverzug. Siehe dazu in Fn. 1305. 1409  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S.  850 (mit Begründung des Redaktors S. 863 ff.); Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 277. Dazu: Leser (1975) – Rücktritt, S. 33 f.; Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–3256 Rn. 48. 1410  Leser (1975) – Rücktritt, S. 34. Hinsichtlich der Folgen des Rücktritts wurde nur auf die 1405 



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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den Beratungen der Regelung des Rücktritts beim Fixgeschäft (TE-OR  (Nr. 20) § 31411 – vgl. § 361 a. F.) beschlossen, der zuvor bereits als Anwendungsfall des vertragsmäßigen Rücktritts identifiziert worden war.1412

(d)  Gesamtdebatte über das Rücktrittsrecht im Allgemeinen Bei der Beratung des „Kaufs mit Vorbehalt der Reue“1413 (TE-OR (Nr. 32) §§ 22 bis 27)1414 wurde festgestellt, dass es (auch) dabei im Wesentlichen um einen Fall des vertraglich vorbehaltenen Rücktritts gehe, der deshalb auch im Zusammenhang mit der neu geschaffenen Kategorie zu regeln sei.1415 Diese Feststellung gab Anlass zu einer nochmaligen Gesamtdebatte über das Rücktrittsrecht im Allgemeinen.1416 In deren Verlauf besann man sich auf den Vorbehalt der Prüfung, ob und inwieweit die Grundsätze der Wandelung auf die Rückabwicklung beim vertragsWandelungsvorschriften verwiesen (ZustOR §§ 87–92, 98), während sich der Verweis auf die Vorschriften über das vertragsmäßige Rücktrittsrechts nur auf die Voraussetzungen der Ausübung des Rücktrittsrechts bezog (ZustOR §§ 54, 55); Nachweise bei Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 278 f., dazu auch Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 115 mit Fn. 1. 1411  Vorlage des Redaktors „Recht und Verpflichtungen aus Verträgen im Allgemeinen“ mit Begründung zu § 3: Schubert  (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 371, 379–385. Dazu bereits in Fn. 1293. 1412  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 446 f.; dazu auch Leser (1975) – Rücktritt, S. 35 mit Fn. 40. 1413  191. Sitzung vom 30.03.1883, dazu Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 576 ff. Über die §§ 19–21 des TE-OR (Nr. 32) (Vorschläge zur Regelung des „Kaufs auf Besicht oder Probe“ mit Begründung des Redaktors abgedruckt bei Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 4, 51–58) war in der 190. Sitzung vom 28.03.1883 beraten worden. Solch einen Kauf hielt man im Zweifel für unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen, Jakobs/Schubert  (1980) – SchuldR II, S. 266 ff. Bei dieser Bestimmung, die später mit § 495 Abs. 1 S. 2 a. F. Gesetz wurde, handelte es sich freilich nur um eine Auslegungsregel, die es nicht ausschloss, dass der Kauf durch die Missbilligung des Käufers aufgehoben werden soll, was (auch) durch Einräumung eines Rücktrittsrechts gestaltet werden konnte. In diesem Gedanken verbarg sich das pactum displicentiae, das als solches im BGB letztlich nicht besonders, sondern nach den umfassenden Neuberatungen allgemeiner Bestimmungen über das vertragsmäßige Rücktrittsrecht als systematisch je unselbstständiger Bestandteil des allgemeinen Rücktrittsrecht und des Kaufrechts geregelt wurde; vgl. Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 495 Rn. 4 (mit Verweis u. a. auf Mot. II), S. 280; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 36. 1414  Vorlage des Redaktors zum Kauf mit Begründung zu den §§ 22 bis 27 („Kauf mit Vorbehalt der Reue“): Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR II, S. 5 f., 58–62. 1415  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 579 ff. Mit Verweis auf die früheren Beratungen (78. und 79.  Sitzung vom 21./24.04.1882, dazu oben: B.II.4.c)ii)2)(a)), war der Redaktor in seiner Begründung zu TE-OR (Nr. 32) §§ 22 bis 27 von vorneherein der Meinung, dass die Frage nach der Konstruktion des Kaufs mit Reuevorbehalt durch die Beschlüsse der Kommission hinsichtlich der §§ 54 ff. ZuStOR entschieden sei: In Ermangelung einer unzweideutigen Vereinbarung einer auflösenden Bedingung durch die Parteien sei von einem vertragsmäßigen Rücktrittsrecht des Käufers auszugehen, durch dessen Ausübung eine gegenseitige obligatorische Verpflichtung der Parteien des Inhalts erzeugt werde, unter sich den Zustand herzustellen, wie wenn der Kaufvertrag nicht geschlossen worden wäre; Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR II, S. 59. 1416 Dazu Leser (1975) – Rücktritt, S. 34 f.

360

B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

mäßigen Rücktritt passen,1417 und beschloss im Ergebnis, „die allgemeinen Rücktrittsregelungen zu erweitern und insbesondere die gewährleistungsrechtlichen Gefahr­tragungsbestimmungen [der Wandelung] in das Recht des vertraglich vorbehaltenen Rücktritts zu integrieren“1418.1419 Denn die von v. Kübel vorgesehene Folge der Ausübung des Reuerechts, dass „die Vertragsschließenden im Falle des Rücktritts des Berechtigten einander so berechtigt und verpflichtet [sind], wie wenn der Vertrag nicht geschlossen wäre“ (§ 22), stimmten mit dem im Zusammenhang des vertraglichen Rücktrittsrechts formulierten Prinzip ebenso überein wie mit der hinsichtlich der Wandelung beschlossenen „Generalklausel“1420, und die für den vertraglichen Rücktritt beschlossenen Regelungen hatten die Gefahr­tragung und die Haftung ja zunächst ungeregelt gelassen.1421 Nachdem Planck angeregt hatte, durch eine Verweisung schlicht die Rechtsfolgen der Wandelung und des Rücktritts für anwendbar zu erklären, und Kurlbaum, der insbesondere die für die Gefahr­tragung bei gegenseitigen Verträgen geltenden Regeln auf die Rückabwicklung entsprechend angewendet wissen wollte,1422 gemeint hatte, „[d]er vorliegende Abschnitt des Entwurfs liefere … den Beweis, daß die bisher beschlossenen Vorschriften über den Vorbehalt des Rücktritts vom Vertrage unvollständig seien und insbesondere in Beziehung auf die Rechte und Pflichten der Parteien bei Ausübung des Rücktrittsrechts nach Vorbild der Vorschriften über das Recht der Wandelung und das Rücktrittsrecht in den Fällen der §§ 63, 187, 188 [ZustOR]1423 der Ergänzung bedürften“1424,

fasste und beschloss die Kommission nach dem Vorbild der für die Wandelung vorgesehenen Regelungen einen neuen Vorschriftenkatalog über den vertraglich vorbehaltenen Rücktritt.1425 Dieser ging mit nur unwesentlichen Änderungen in den Ersten Entwurf ein (E I §§ 426–436).1426 Was die Wirkungen der Wandelung und des gesetzlich angeordneten Rücktritts betraf, konnte hiernach grundsätzlich 1417 

Dazu oben bei Fn. 1396. Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 31, vgl. auch Rn. 29. 1419  Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 117 ff.; Leser (1975) – Rücktritt, S. 34 f. 1420  Dazu oben bei Fn. 1402. 1421  Dazu oben bei Fn. 1398. Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 495 Rn. 4, § 467 Rn. 5 hat vermutet, dass der Kauf mit Rücktrittsvorbehalt für den Fall der Missbilligung durch den Käufer der rechtspolitische Grund dafür gewesen sei, dass der Gesetzgeber das vertragliche Rücktrittsrecht denselben Regelungen unterstellt hat wie die Wandelung, weil letztere beim Kauf auf Probe noch am ehesten „passten“, wie bereits an der analogen Anwendung der Regelungen der actio redhibitoria auf die Rückabwicklung nach dem pactum displicentiae im römischem Recht deutlich werde. Dazu noch bei Fn. 1462. 1422  Dazu m. w. N. Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 118. 1423  D. h. des Fixgeschäfts, der Nichterfüllung wegen vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit der Leistung und der Nichtleistung nach rechtskräftiger Verurteilung des Schuldners zur Leistung. 1424  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 577 ff. mit Zitat Kurlbaums auf S. 579 f. 1425  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 580 ff.; dazu: Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 117 ff.; Leser (1975) – Rücktritt, S. 35. 1426 Dazu Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 596 f. 1418 



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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auf die für das vertragsmäßige Rücktrittsrecht geltenden Bestimmungen verwiesen werden. Dabei war der Drang der Gesetzesverfasser nach Vereinheitlichung und Abstraktion so stark, dass sogar die Rückgabepflicht nach Missbilligung, für die beim Kauf auf Probe die Anwendung der für das vertragsmäßige Rücktrittsrecht geltenden Bestimmungen bis dahin stets nur mit der Besonderheit vorgesehen war, dass der Käufer die Gefahr des zufälligen Sachuntergangs tragen und wegen der Rückgabe der Sache nach den allgemeinen Regeln haften müsse,1427 um den Preis dieser Modifikation durch schlichte Verweisung als unselbstständiger Bestandteil des Rücktrittsrechts geregelt wurde.1428 Die Kommission meinte, das Argument, dass dies zu Härten für den Rücktrittsgegner (Verkäufer) führen könne, habe „nur scheinbar einige Berechtigung“, und verwies darauf, dass die Parteien bei Vereinbarung eines Rücktrittsvorbehalts auch Abweichendes bestimmen könnten.1429

(e)  Streichung der „Einheitsformel“ durch die Zweite Kommission Die „Einheitsformel“ (Leser), dass die Parteien bei Ausübung des vertragsmäßigen bzw. gesetzlich begründeten Rücktritts und bei Vollzug der Wandelung jeweils verpflichtet seien, einander in die Lage zu versetzen, als wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre, wurde in den Beratungen der Zweiten Kommission ersatzlos gestrichen. Als Baustein der Ersten Kommission für den Neubau – (nur) der Fassade – einer einheitlichen Rechtsfigur des Rücktritts hatte sie ausgedient.1430 Begründet wurde dieser Schritt vor allem damit, dass diese Formel die Wandelung in die Nähe des Ersatzes des negativen Interesses rückte, was nicht der Regelungsabsicht der Gesetzesverfasser entsprach.1431

3) Zwischenergebnis Die §§ 346 ff. a. F. rührten sachlich und historisch gerade von der Wandelung her. Es war daher gegen die (gem. § 467 S. 1 a. F.) „entsprechende“ Anwendung dieser 1427  So sah es auch v. Kübels Vorlage in TE-OR  (Nr. 32) § 24 vor: „Das Reuerecht findet nicht statt, (1.) wenn der Reueberechtigte einen Gegenstand, welchen er zurückgegeben hätte, deshalb nicht zurückgeben kann, weil derselbe, gleichviel ob durch Verschulden des Reueberechtigten oder durch Zufall, untergangen ist, oder weil er über ihn verfügt hat; desgleichen wenn ein solcher Gegenstand, gleichviel ob durch Verschulden des Reueberechtigten oder durch Zufall, verschlechtert worden ist; …“; Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 576. 1428 Dazu: Leser (1975) – Rücktritt, S. 34 f.; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 116–118; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 356–357 Rn. 29, 31. 1429 Vgl. Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 586; dazu auch Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, vor § 346 Rn. 18. 1430 Dazu Leser (1975) – Rücktritt, S. 43, 54 f. 1431  Prot. IV, S. 158 (Zitat in Fn. 1339). Dazu: Leser (1975) – Rücktritt, S. 54 f., 166; Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, vor § 346 Rn. 18 bei Fn. 55; vgl. Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 31. Siehe noch unten: B. III.4.c)ii)5)(a)(iii) (insb. bei Fn. 1516).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Vorschriften, deren direkte Anwendung das Gesetz auf die Rückabwicklung des Leistungsaustauschs nach der Ausübung eines vertragsmäßigen Rücktrittsrechts bezog, bei der Wandelung nicht einzuwenden, dass dies der Situation bei der Wandelung nicht gerecht werde.1432 Dies betrifft insbesondere die Regelung des § 350  a. F. Obwohl die Systematik des Gesetzes anderes vermuten ließ, hatten die §§ 346 ff. a. F. bei der Wandelung auch ihren hauptsächlichen praktischen Anwendungsbereich.1433 Denn Kauf- (§ 467 a. F.) und Werkvertrag (§ 634 Abs. 1 S. 3 a. F.) sind die wirtschaftlich bedeutendsten und praktisch häufigsten Anwendungsfälle des Austauschvertrages, und nach dem BGB von 1900 schloss das jeweilige spezielle Gewährleistungsrecht die Anwendung des § 326 a. F. in seinem Regelungsbereich aus. Dass die §§ 346 ff. a. F. vor allem bei der Wandelung zur Anwendung kamen, lag aber auch daran, dass das gesetzliche Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung an sich neben dem Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses gem. § 326 a. F., wie er in der Auslegung des BGB von 1900 bald behandelt wurde, kaum eigenständige Bedeutung hatte.1434 Es ist bezeichnend, dass die in der Zweiten Kommission gegenüber der später als § 350 (a. F.) Gesetz gewordenen Regelung geltend gemachten Bedenken sich gerade auf den Fall des vertraglich vorbehaltenen Rücktritts bezogen.1435 Es verdient festgehalten zu werden, dass der Mechanismus der actio redhibitoria den Verfassern des BGB von 1900 das Vorbild war, um die Rückwicklung eines bereits erfolgten Leistungsaustauschs (auch) nach der Ausübung eines (vertragsmäßigen oder gesetzlichen) Rücktrittsrechts zu regeln, so wie sie sich einheitlich an der Bedingungskonstruktion der lex commissoria orientierten, um die Gestaltungswirkung des Rücktritts (Vertragsauflösung) zu begründen.1436 Der Regelungsmechanismus der actio redhibitoria war insbesondere für die Gefahrverteilung bei der Rückabwicklung prägend,1437 nachdem der Dresdner Entwurf noch vorgesehen hatte, die Grundsätze der actio redhibitoria auf die Rückabwicklung nach Rücktritt nur mit Ausnahme der Gefahr­tragung zu übertragen1438. Darum, wie diese Grundsätze insbesondere in Bezug auf die Gefahr­tragung aussahen, woher sie kamen und auf welchen Wertungen sie beruhten, geht es in dem folgenden Abschnitt. 1432 

Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 5–8. Glass (1959) – Rücktritt, S. 18. 1434  Vgl. dazu Hattenhauer in: HKK (2007) – BGB, §§ 323–325 Rn. 59–61; 78, 81, 106. 1435  Huber in: Soergel  (1991)  – BGB, § 467 Rn. 11 mit Fn. 38 (mit Verweis auf Prot.  II, S. 791); dazu auch: Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 34; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 120–123. 1436 Vgl. Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, Vorbem. §§ 346 ff. Rn. 7; Leser  (1975) – Rücktritt, S. 38; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 36. 1437  Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 3; Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, § 350 Rn. 4–6. 1438 Dazu Leser (1975) – Rücktritt, S. 29. 1433 



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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4)  Mortuus redhibetur Nach römischem Recht war der Käufer hinsichtlich der Rückgewähr der empfangenen Kaufsache vorleistungspflichtig, d. h. die (Bereitschaft zur) Rückgabe der verkauften Sache (ursprünglich: Sklaven oder Vieh) war Voraussetzung dafür, dass der Käufer die Wandelungsklage erheben und der Verkäufer zur Erstattung des Kaufpreises verurteilt werden konnte.1439 Es hat den Anschein, als habe die periculum est emptoris-Regel es geradezu erfordert, diese Voraussetzung im Falle des zufälligen (erst recht im Falle des vom Käufer verschuldeten) Sachuntergangs als nicht gegeben anzusehen.1440 Denn dass die Gefahr vom Vertragsschluss an vom Käufer zu tragen war, scheint dafür zu sprechen, dass ihm – erst recht – die durch einen nach der Übergabe aufgetretenen Sachuntergang verursachte tatsächliche Unfähigkeit zur Rückgabe der übergebenen Sache zur Last habe fallen müssen. Immerhin entfiel mit der Übergabe auch der Grund für die custodia-Haftung des Verkäufers.

(a)  Fiktion der Redhibition als Voraussetzung der actio redhibitoria Gleichwohl entwickelte sich eine andere Regel: mortuus redhibetur – auch der tote Sklave konnte wirksam zurückgewährt werden, bzw. galt als lebendig und unversehrt zurückgegeben1441, wenn der Käufer es an einer guten (ärztlichen) Versorgung nicht hatte fehlen lassen und auch sonst nicht „schuld“ am Verlust war1442, so dass der Erhebung der Klage auf Erstattung des Kaufpreises nichts im Wege stand. Entsprechendes galt für alle anderen „Waren“, bei deren Verkauf die actio redhibitoria ursprünglich anwendbar war und später für anwendbar erklärt wurde. In klassischer Zeit konnte der Käufer die Wandelungsklage möglicherweise sogar nicht nur im Falle von ihm verschuldeter Verschlechterung des Befindens1443, sondern auch im 1439  Die Wandelung begründete keinen „Anspruch“ des Verkäufers auf Rückgabe der verkauften Sache, aber die Wandelungsklage des Käufers war nur erfolgreich, wenn er die Sache an den Käufer zurückgab. Ausführlich dazu: Leser  (1975) – Rücktritt, S. 44 ff.; Lederle (1983) – Mortuus redhibetur, S 15 ff.; Mader SZ Rom 101 (1984), 206 (217 f.); Hellwege (2004) – Rückabwicklung, S. 413 f.; Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 235 (§ 41.40). Siehe auch schon bei B. II.4.c)i)1)(a). 1440 Vgl. Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 14. 1441  Es handelte sich um eine Fiktion, wonach die verkaufte Sache als zurückgegeben galt, so dass der Käufer die Wandelungsklage erheben konnte; Wagner in: FS Huber (2006), 591 (594); Zimmermann (1996) – Obligations, S. 331 ff.; Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, § 350 Rn. 4; ähnlich Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 268: im römischen Recht habe der Grundsatz „mortuus (der tote Sklave, also nichts) redhibetur“ (Hervorhebung d. Verf.) gegolten. Zu den Gründen für diese „Fiktions-Lösung“ des Problems: Lederle (1983) – Mortuus redhibetur, S. 33 ff. 1442  Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 6 mit Fn. 13, Rn. 58; Schwenn AcP  152 (1952/53), 138 (151). Für das „Verschulden“ war insoweit noch kein allgemeiner Maßstab entwickelt, vielmehr beruhte der Ausschluss der Wandelungsklage ggf. „auf Erfahrungssätzen, die sich für einzelne typische Konfliktsituationen entwickelt hatten und die sich nicht ohne weiteres auf den gemeinsamen Nenner des Verschuldens bringen ließen“; Leser (1975) – Rücktritt, S. 49. 1443  Dazu m. w. N.: Lederle  (1984) – Mortuus Redhibetur, S. 22–29; Mader  SZ Rom 101

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Falle des von ihm verschuldeten Todes des Sklaven (oder Viehs) erheben.1444 Dabei war er aber – im Gegensatz zum Fall des zufälligen Sachuntergangs – zu einer Ersatzleistung verpflichtet. Iustinian nahm die mortuus redhibetur-Regel allerdings mit der Einschränkung in das Corpus Iuris Civilis auf, dass bei verschuldetem Sachuntergang1445 die Wandelungsklage ausgeschlossen sei,1446 und mit diesem Regelungsgehalt wurde sie für die Nachwelt „konserviert“.

(b)  Zweck: effektiver Käuferschutz Diese Regelung diente offenbar nicht (zumindest nicht in erster Linie) der Bestrafung des Verkäufers, sondern vielmehr der strikten Durchsetzung des Käuferschutzes, um den wirtschaftlich besonders bedeutenden Markthandel von Nutzvieh und Sklaven zu fördern,1447 bei dem die ädilizischen Rechtsbehelfe ihren Ursprung haben.1448 Tatsächlich ist der mortuus redhibetur-Satz auch kein Widerspruch zu, (1984), 206 (225 f.); Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 14; vgl. Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 31 f. 1444  In der Romanistik ist die Bedeutung des in Ulp. D. 21,1,31,11 enthaltenen Satzes, dass der tote Sklave in jedem Fall, d. h. auch bei Verschulden des Käufers, als lebend zu behandeln sei („pro vivo habendus est“) und dem Verkäufer deshalb alles geleistet werden müsse, was geleistet werden müsste, wenn der Sklave tatsächlich noch leben würde (vgl. die Übersetzung bei Knütel/ Kupisch/Seiler/Behrends (2005) – Corpus Iuris IV, S. 28), umstritten. Nach Lederle (1984) – Mortuus redhibetur, S. 41–44 und Mader SZ Rom 101 (1984), 206 (228 f.), denen Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 14 offenbar zustimmt, hatte die Fiktion, dass der Sklave zwar als lebendig, aber (im Gegensatz zur mortuus redhibetur-Fiktion, die nur beim zufälligen Sachuntergang eingriff) nicht als zurückgegeben galt, die Verpflichtung des Käufers zur Ersatzleistung wegen Nichterfüllung der „Rückgabepflicht“ (bei Aufrechterhaltung der Wandelungsklage) zur Folge. Dagegen ist Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 36 f. der Meinung, dass dies praktisch den Ausschluss der Wandelungsklage zur Folge hätte haben müssen, weil die Rückgabe, die „Voraussetzung“ der Verurteilung des Verkäufers zur Rückzahlung des Kaufpreises war, tatsächlich unmöglich war und daher nicht erfolgen konnte. 1445  Mit der Erstreckung der ädilizischen Rechtsbehelfe auf alle Sachkäufe war nun auch die actio redhibitoria generell anwendbar, die Regel wurde außerdem auf die actio empti übertragen, mit der im Ergebnis auch auf „Wandelung“ des Kaufs geklagt werden konnte. Dazu oben: B.II.4.c) i)1). 1446  Dies geschah durch eine Verknüpfung von Paul. D. 21,1,47,1. mit Pomp. D. 21,1,48 pr., die als „Beispiel kompilatorischen Ungeschicks“ (Lederle) gilt; dazu Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 15 mit Fn. 84, lat. Text mit Übersetzung bei Knütel/Kupisch/Seiler/ Behrends (2005) – Corpus Iuris IV, S. 41. Es ist umstritten, ob mit dem kompilatorischen Eingriff eine sachliche Aussage bezweckt war. Befürworter der „Wertersatzlösung“ des klassischen Rechts bestreiten eine Regelungsabsicht Iustinians, die Wandelung im Fall des verschuldeten Sachuntergangs auszuschließen; Lederle (1984) – Mortuus Redhibetur, S. 43 f.; Mader SZ Rom 101 (1984), 206 (207 f.). Nach anderer Ansicht wollten die Kompilatoren lediglich die „Ausschlusslösung“ besonders betonen, die bereits im klassischen Recht gegolten habe. Vgl. Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 37 f. 1447 Vgl. Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 14 a. E.; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 28–30; Lederle (1983) – Mortuus redhibetur, S. 49. Nach Kaser/Knütel (2008) – Röm. PrivatR, S. 236 (§ 41–42) diente das Ädilenedikt überhaupt „modern gesprochen  … dem Verbraucherschutz“. 1448  Dazu oben: B.II.4.c)i)1).



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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sondern er kann sogar als Konsequenz der periculum emptoris-Regel gedeutet werden, wenn man diese Regel mit der Zuordnung der Ware zum Käufervermögen ab dem Zeitpunkt des Kaufabschlusses begründet.1449 Denn wenn der Käufer wegen eines Sachmangels die Rückabwicklung des Kaufs durchsetzte, stand fest, dass die durch den Kauf (die Kaufabrede) bewirkte Vermögenszuordnung keinen Bestand, ein Vermögenswechsel eigentlich nicht stattgefunden hat. Dagegen könnte man einwenden, dass die verkaufte Sache immerhin bis zum Zeitpunkt der Wandelung dem Käufervermögen zugeordnet war. Aber nicht die vorübergehende Nutzungsmöglichkeit, sondern gerade der (regelmäßig bereits durch den Vertragsschluss bewirkte) endgültige Vermögenswechsel war nach herrschender Meinung Grundlage des Gefahrübergangs im römischen Recht. Auch wenn es insbesondere entgegen Seckel/Levy1450 nicht von vorneherein ein Hindernis für die Kaufperfektion (und damit für den Gefahrübergang) darstellte, wenn die Ware mit einem zur Wandelung berechtigenden Mangel behaftet war1451, stand doch bei der Wandelung immerhin (nachträglich)1452 fest, dass der Gefahrübergang mit Kaufabschluss „zu Unrecht“ erfolgt war, weil nämlich die verkaufte Sache endgültig nicht Teil des Käufervermögens geworden war.1453   Dass der Käufer so gesehen dem Gefahrübergang durch Erhebung der Wandelungsklage ungeachtet des (zufälligen) Untergangs der an den Verkäufer zurück zu gewährenden Sache das Fundament entziehen konnte, dürfte ursprünglich mit der Schutzwirkung des ädilizischen Edikts zu erklären sein.1454 Der Käufer, dem ein ediktmäßiger Mangel nicht angezeigt worden war, machte mit der Wandelungsklage geltend, dass er die Sache nicht gekauft (und also nicht auf eigene Gefahr übernommen) hätte, wenn er ordnungsgemäß über den Mangel informiert worden wäre, und verlangte dementsprechend, in den Stand versetzt zu werden, wie wenn er die Kaufsache nicht erworben hätte. Dann wäre aber die Gefahr nicht (mit dem Vertragsschluss) auf ihn übergegangen (periculum est emptoris), die Sache wäre dem Verkäufer als Eigentümer untergegangen, und das wäre allein sein Problem gewesen – casum sentit dominus.   Dass der Sachuntergang tatsächlich beim Käufer aufgetreten war, stand dem nicht entgegen. Denn für das römische Recht waren bei der wertenden Entscheidung, wer den Zufall zu (er)tragen hat, – wie die periculum emptoris-Regel beweist – der räumliche Zusammenhang und die tatsächlichen Einwirkungs- oder Behütungsmöglichkeit ohnehin nicht

1449 Vgl.

Sickinger (1994) – 1450  SZ Rom 47 (1927), 117

Rücktritt, S. 28–30, 154 f. (238) mit Verweis auf D. 21,1,59 pr. Dazu bereits: B. I. 1.b)iii) (bei Fn. 90) sowie sogleich bei Fn. 1468. 1451 Dazu: Lederle  (1983) – Mortuus redhibetur, S. 47 f.; Sickinger  (1994) – Rücktritt, S. 24 f. 1452 Nach Flume NJW 1970, 1161 (1165), ders. AcP 194 (1994), 427 (445) soll die Belastung des Rücktrittsgegners mit der Sachgefahr beim vertraglich vorbehaltenen Rücktritt nach römischem Recht dadurch begründet gewesen sein, dass der Kaufabschluss – wie bei Vereinbarung einer auflösenden Bedingung – imperfekt gewesen sei und daher die Gefahr vorerst nicht auf den Käufer habe übergehen können. Tatsächlich stand die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung dem Gefahrübergang aber nicht entgegen, auch wenn gewisse Besonderheiten für die Gefahr­ tragung galten, dazu Bauer  (1998)  – Periculum emptoris, S. 31–37; kritisch daher zu Flumes Ansicht: Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 160 f. 1453 Vgl. Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 154 f. 1454  Dazu bereits bei Fn. 1447.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

ausschlaggebend.1455 Das spricht auch gegen die Ansicht1456, dass mortuus redhibetur nur gegolten habe, wenn die Sache nachweislich gleichfalls beim Verkäufer untergegangen wäre. Entscheidend dürfte vielmehr gewesen sein, dass der zufällige Sachuntergang – unter welchen vom Käufer nicht zu vertretenden Umständen auch immer er sich ereignet hat – ohne den Kauf und die damit verbundene Gefahr­tragung1457 jedenfalls nicht dem Käufer zur Last gefallen wäre.1458   Mit Hinweis darauf, dass die Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen und den (Rück-)Wirkungen der Vertragsauflösung vergleichsweise jung sei, hält Leser es übrigens für wahrscheinlich, dass die römischen Juristen den mortuus redhibetur Satz zwar in erster Linie mit Blick auf den mangelverursachten Untergang des „Rückgewährgegenstandes“ aufgestellt, ihn später aber auf alle Fälle des zufälligen Sachuntergangs erstreckt haben, weil die Unterscheidung, ob ein Sachmangel oder ein anderer Umstand ursächlich für den Untergang war, im Einzelfall schwerfällt und dies zu Lasten des mangelhaft leistenden Verkäufers habe gehen sollen.1459 Dagegen klingt durchaus ein Strafgedanke mit, wenn man argumentiert, dass der Verkäufer im Rahmen der Wandelung die Gefahr habe tragen müssen, weil er eine mangelhafte Sache nicht ohne weiteres hätte verkaufen dürfen (Bechmann), oder dass die Gefahr­tragung ihren Grund darin gehabt habe, dass der Verkauf ediktmäßig mangelhafter Ware missbilligt gewesen sei (Thielmann).1460

Mit der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der ädilizischen Rechtsbehelfe und der Übertragung der ihnen immanenten Wertungen auf die Kaufklage,1461 dehnte sich auch der Anwendungsbereich der „Wandelungsgefahr“ ganz erheblich aus. Auch für die (rückwirkende) Vertragsauflösung infolge der Ausübung eines der als auflösende Bedingung konstruierten vertraglichen Rücktrittsvorbehalte ist nachweisbar, dass die römischen Juristen das Risiko des zufälligen Sachuntergangs jedenfalls in der Phase vor der Ausübung des Rücktrittsrechts dem Verkäufer zuwiesen.1462

1455  1456 

(152).

Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 29 f. Mader SZ Rom 101 (1984), 206 (218–221); ähnlich Schwenn AcP 152 (1952/53), 138

1457  Das gilt nicht nur für die obligatorische Gefahr nach der periculum est emptoris-Regel, sondern auch für die Sachgefahr. Ohne den Kauf als Erwerbstitel hätte der Käufer durch die Übergabe der verkauften Sache auch kein Eigentum daran erworben, so dass er auch infolge des Satzes casum sentit dominus nicht vom Zufall betroffen worden wäre. 1458  Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 22 f. 1459 So Leser  (1975) – Rücktritt, S. 52 f. Mit diesem Argument rechtfertigte auch die Erste BGB Kommission die Gefahrbelastung des Rücktrittsgegners/Verkäufers über den Fall des mangelbedingten Sachuntergangs hinaus. 1460  Dazu m. w. N.: Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 26 f.; Lederle (1983) – Mortuus redhibetur, S. 48 f.; Leser (1975) – Rücktritt, S. 52. 1461  Dazu oben: B.II.4.c)i)1). 1462  Dazu m. w. N.: Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 10, 14; vgl. Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 495 Rn. 4.



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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(c)  Anwendungsbereich der Fiktion: Beschränkung auf mangelbedingten Untergang? Über den Anwendungsbereich der mortuus redhibetur-Fiktion wird in der Romanistik bis heute gestritten. So vertritt insbesondere Honsell vehement die Meinung, dass die Regel sich nur auf den Fall bezogen habe, dass der Sklave gerade infolge des Mangels, der den Käufer zur Erhebung der actio redhibitoria berechtigte, dahingerafft wurde.1463 Diese Ansicht muss sich entgegen halten lassen, dass sie quellenmäßig ebenso wenig belegt ist wie die Ansicht1464, dass die Regel nur gegolten habe, wenn der Sklave gleichfalls beim Verkäufer gestorben wäre1465.1466 Dass die Regel jedenfalls für diesen Fall gegolten hat, erscheint besonders in dem folgendem Zusammenhang plausibel: War die verkaufte Sache mit einem Mangel behaftet, der den Käufer zur Erhebung der actio redhibitoria berechtigte, durfte der Käufer von vorneherein die Kaufpreiszahlung verweigern (D. 21,1,59 pr.).1467 Dies ist verbreitet so gedeutet worden, dass die Gefahr in diesem Fall ausnahmsweise nicht bereits mit dem Kaufabschluss (und übrigens – gerade das bewirkt der mortuus redhibetur-Satz – auch und selbst nicht mit der Übergabe der verkauften Sache) auf den Käufer übergegangen sei.1468 Ferner ist überliefert, dass der Käufer dann, wenn die verkaufte Sache vor ihrer Übergabe an einem Sachmangel zugrunde ging, mit dem sie bereits zur Zeit des Kaufabschlusses1469 behaftet war, den Kaufpreis nicht bezahlen musste, die verkaufte mangelhafte Sache m. a. W. auf das Risiko des Verkäufers unterging.1470

1463  Honsell MDR 1970, 717 (719); ders. JuS 1982, 810 (814); ders. in: GS Kunkel (1984), 53 (61); ders. in: FS Hattenhauer (2003), 245 (252 f.); ders. in: FS Schwerdtner (2003), 575 (575 f.); ders. in: FS Picker (2010), 363 (371 f.). Zur Ansicht Honsells siehe auch: Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 165 f., 168; Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 6 mit Fn. 13 a. E.; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 22, 146 f.; Leser  (1975) – Rücktritt, S. 61 mit Fn. 132a, 191 mit Fn. 142. 1464  Mader SZ Rom 101 (1984), 206 (218–221); vgl. Schwenn AcP 152 (1952/53), 138 (152). 1465  Beide Ansichten laufen freilich auf dasselbe hinaus, wenn der Sklave infolge einer Krankheit verstirbt, die einen zur Erhebung der Wandelungsklage berechtigenden Mangel begründet und an welcher der Sklave auch beim Verkäufer verstorben wäre; Mader SZ Rom 101 (1984), 206 (220 f.); vgl. Wagner in: FS Huber (2006), 591 (594). 1466 Vgl. Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 14; Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 6 mit Fn. 13 a. E.; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 22, 147; Lederle (1983) – Mortuus redhibetur, S. 33. Honsell räumt ein, dass die Quellen dazu schweigen, meint aber, dass die im ädilizischen Edikt als Fehler genannten Krankheiten so schwerwiegend waren, dass sich seinerzeit wahrscheinlich von selbst verstanden habe, dass die Todesursache des zur Erhebung der Wandelungsklage zurückgewährten Sklaven in dem zur Wandelung berechtigenden Defekt selbst gelegen haben muss; alles andere wäre atypisch gewesen. Honsell in: FS Schwerdtner (2003), 575 (576); ders. in: FS Picker (2010), 363 (371 f.). 1467  Dazu oben: B. I. 1.b)iii) mit Zitat und Übersetzung in Fn. 89. 1468  Dazu bereits: B. I. 1.b)iii) (bei Fn. 90 sowie: B.II.4.c)ii)4)(b) (bei Fn. 1450). 1469  Dass die nachträgliche Verschlechterung auf das Risiko des Käufers erfolgte, versteht sich unter der Geltung der periculum est emptoris-Regel von selbst. 1470  C. 4,48,6, dazu Benöhr (1965) – Synallagma, S. 90 f.: Es wäre ein Widerspruch gegen die Sachmängelhaftung des Verkäufers gewesen, den Käufer mit den Folgen eines Mangels, die sich schon beim Verkäufer eingestellt hatten, zu belasten.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Mit letzter Gewissheit lässt sich freilich auch das Gegenteil nicht beweisen.1471 Der Satz ist aber nun einmal in seiner allgemeinen Fassung überliefert, wurde in dieser (nachklassischen) Form von der mittelalterlichen Legistik rezipiert1472, blieb bis ins 19. Jahrhundert hinein praktisch unangefochtener Bestandteil des gemeinen Rechts1473 und fand insbesondere bei den Pandektisten Anerkennung.1474 In dieser Form war die Regel schließlich auch mitbestimmend für die Ausgestaltung der Wandelung und der Rücktrittsregeln des BGB.1475 Vereinzelt waren allerdings Vertreter des usus modernus (Mevius, Stryk) der Meinung, dass dem Käufer trotz des (zufälligen) Sachuntergangs der Erstattungsanspruch nur dann verbleibe, wenn der Untergang eine Folge des Sachmangels war.1476 Diese Ansicht blieb im gemeinen Recht aber wohl in der Minderheit. Allerdings fand eine entsprechende Regelung unter dem Einfluss vernunftrechtlicher Theorie mit Art. 1647 Eingang in den französischen Code Civil, während die Wandelung nach dem prALR (I. 5 §§ 327, 328) im Falle des Sachuntergangs eigentlich1477 (bei Aufrechterhaltung der Minderung) sogar generell ausgeschlossen sein sollte, d. h. nicht einmal eine Ausnahme für den Fall vorgesehen war, dass der Sachuntergang auf dem Mangel beruhte.1478 Der Grund für die Regelung des Code Civil und des prALR liegt darin, dass die Gefahr­tragung auch und vor allem in Abhängigkeit von der formalen Eigentumslage begründet wurde.1479 Nach diesem Prinzip verstand sich von selbst, dass der Käufer endgültig den Schaden zu tragen habe, wenn die Sache untergegangen war, 1471 

Wagner in: FS Huber (2006), 591 (594); Zimmermann (1996) – Obligations, S. 333 f. 1472 Dazu Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 19. 1473  Leser  (1975) – Rücktritt, S.  50; Hager  (1982) – Gefahr­ tragung, S. 165; Sickin-

ger (1994) –

Rücktritt, S. 21. Lederle (1983) – Mortuus redhibetur, S. 34 erklärt den Befund, dass die mortuus redhibetur Regel in der gemeinrechtlichen Lehre sachlich nicht in Frage gestellt wurde, damit, dass die partikularrechtliche Bedeutung und damit auch die wissenschaftliche Behandlung der Wandelungsklage durch eine Fülle partikularrechtlicher Quellen, die eine Wandelung wegen Sachmangels ausschlossen, so gering geworden war, dass man im 18. Jahrhundert sogar darüber diskutierte, ob die actio redhibitoria überhaupt noch von Bedeutung sei. 1474 Siehe statt vieler: Windscheid/Kipp  (1906)  – Pandekten  II, S. 691 (§ 394.2); Dernburg (1900) – Pandekten II, S. 279 f. (§ 101.1.c); weitere Nachweise bei Leser (1975) – Rücktritt, S. 50. 1475  Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 15. 1476  Dazu m. w. N.: Sickinger  (1994) – Rücktritt, S. 21 mit Fn. 5; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 20. 1477 In der praktischen Handhabung des prALR wurde die Wandelung aber durchaus zugelassen, wenn der Sachuntergang auf dem Mangel beruhte, und in der Lehre war anerkannt, dass der Untergang dann nicht nur nicht vom Käufer verschuldet, sondern aus seiner Sicht auch nicht zufällig, sondern vom Verkäufer zu vertreten sei. Dazu m. w. N. Leser  (1975) – Rücktritt, S. 50 mit Fn. 85. 1478 Dazu: Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 165, 168 f.; Zimmermann (1996) – Obligations, S. 332; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 263, 271 f.; Wieling JuS 1973, 397 (398); v. Caemmerer in: FS Larenz (1973), 621 (621, 630); Glass  (1959) – Rücktritt, S. 21, 24, 27; Leser  (1975) – Rücktritt, S. 50 f., 63; Lederle (1983) – Mortuus redhibetur, S. 1; Honsell MDR 1970, 717 (719 mit Fn. 32); ders. in: FS Schwerdtner (2003), 575 (578); ders. in: FS Picker (2010), 363 (372); Wagner in: FS Huber (2006), 591 (596 f.); Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 11 mit Fn. 32 f. 1479  Dazu: B. I. 3.a).



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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während sie in seinem Eigentum stand.1480 Außerdem war die prinzipielle Abhängigkeit der Aufhebungsmöglichkeit des Vertrages von der Möglichkeit der Rückstellung der geleisteten Sache im Kaufrecht des prALR allgemein stark ausgeprägt.1481

(d)  Folgen des vom Käufer verschuldeten Untergangs der mangelhaften Kaufsache Weniger kontinuierlich wurde die Frage beantwortet, welche Wirkungen ein vom Käufer verschuldeter Sachuntergang auf die Wandelung habe. Es ist seit jeher klar, dass der verschuldete Sachuntergang im Ergebnis dem Käufer zur Last fallen muss. Unterschiedlich wurde im Laufe der Zeit aber die Frage beantwortet, ob dazu die Wandelung ausgeschlossen oder nur gegen Ersatzleistung zuzulassen sei. Während der Fall der vom Käufer verschuldeten Sachverschlechterung weitgehend konstant im letztgenannten Sinne behandelt wurde, gingen die Ansichten über die Wirkungen des vom Käufer verschuldeten Sachuntergangs im Verlauf der geschichtlichen Entwicklung auseinander. Im Mittelalter wurde von den Legisten das nachklassische Konzept1482 („Ausschlusslösung“) dergestalt rezipiert, dass der Verkäufer im Falle des vom Käufer verschuldeten Sachuntergangs die Wahl habe, ob die Wandelung gar nicht oder nur gegen Wertersatz stattfinde.1483 Noch zu Zeiten der humanistischen Jurisprudenz waren diejenigen, die in Auseinandersetzung mit Ulp. D. 21,1,31,111484 die (mutmaßliche) Lehre des klassischen Rechts in den Vordergrund rückten („Wertersatzlösung“), in der Minderheit.1485 In der gemeinrechtlichen Lehre und Praxis des 19. Jahrhunderts setzte dieser Regelungsansatz sich allerdings durch.1486 Erst das sächsische BGB (1865) sowie der Dresdner Entwurf (1866) und, der Vorlage v. Kübels zur Wandelung folgend, auch die Erste BGB-Kommission kehrten (unbewusst) wieder zu dem nachklassischen Regelungsansatz zurück, wonach der verschuldete Untergang der geleisteten Sache beim Käufer die Befugnis zur Wandelung ausschloss und nur bei einer verschuldeten Sachverschlechterung 1480 

Zur Begründung der Regelung des prALR: Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 155. Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 271 f. mit Fn. 1063. 1482  Dazu oben bei Fn. 1446. 1483  Dazu m. w. N. Thier in HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 19. 1484  Siehe dazu bereits Fn. 1444. 1485  Dazu m. w. N. Thier in HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 20, Sickinger  (1994) – Rücktritt, S. 30. 1486 Dazu Thier in HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 24 f. mit Verweis auf Hanausek (1883) – Haftung I, S. 143 ff.; Leser  (1975) – Rücktritt, S. 46 f. mit Fn. 77, S. 65. A. A. noch Windscheid (1887) – Pandekten II, S. 515–517 (§ 394.2 mit Anm. 5 und 12): Ausschluss der Wandelung bei verschuldetem Sachuntergang, Wertersatzpflicht bei verschuldeter Sachverschlechterung. Nach Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 30 f., 39, 114 beruht die Annahme, dass eine umfassende Wertersatzlösung (bei Untergang und Verschlechterung) die Lehre des klassischen Rechts gewesen sei, auf einer „unzulässige[n] Interpretation“ der einschlägigen Digestenstelle. Dazu auch schon in Fn. 1444. 1481 Dazu

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

die Wandelung gegen Ersatzleistung zugelassen werden sollte.1487 Die Zweite BGB-Kommission übertrug die „Ausschlusslösung“ später noch auf den Fall der wesentlichen Sachverschlechterung.1488 Will man die Frage, auf welche Weise der verschuldete Sachuntergang sich auf die Wandelung auswirkt, dogmatisch und nicht nur aufgrund der (unklaren) Quellenlage des römischen Rechts beantworten, ist freilich entscheidend, ob man in der restitutio in natura, der Rückgabe der geleisteten Sache, eine Voraussetzung oder eine Folge der Wandelung sieht.1489 In einem „Vorleistungs-Modell“ hilft nur eine dem mortuus-redhibetur-Satz entsprechende Fiktion darüber hinweg, dass die reale Rückgabe der Sache wegen des Sachuntergangs ausgeschlossen ist. Der Ausschluss der Wandelung ist dabei, soweit die Fiktion nicht greift, ebenso einleuchtend wie der Umstand, dass die Rückgabe der Sache und also die Wandelung grundsätzlich möglich bleibt, wenn die Sache „nur“ beschädigt wurde, als solche aber erhalten ist und deshalb gegenständlich zurückgegeben werden kann.

5)  Gefahrverteilung bei der Wandelung Die Verfasser des BGB haben eine (dem Art. 1647 CC entsprechende)1490 Regelung, wonach die Wandelung ausgeschlossen ist, falls die Sache nicht (unversehrt) zurückgewährt werden kann und die Sachverschlechterung oder der Sachuntergang nicht auf dem Mangel beruht,1491 in der Mehrheit ausdrücklich abgelehnt.1492 Insofern mag man über die Bedeutung und den Anwendungsbereich der mortuus redhibetur-Parömie im römischen Recht streiten. Es kann aber nicht die Rede davon sein, dass das Rücktrittsfolgenrecht des BGB allein auf ein historisches Missverständnis zurückzuführen sei.1493 Denn es wurde im vollen Bewusstsein, 1487  Dazu: m. w. N. Thier in HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 28, 41; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 113 f.; Leser (1975) – Rücktritt, S. 47, 65; vgl. Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 268 f. Siehe noch: B. II.4.c)ii)5)(a)(i) und (ii). Mit dem Konzept der „Rückabwicklung dem Werte nach“ (dazu: B.III.5) ist der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernierungsgesetzes dagegen, wie ausdrücklich in der Regierungsbegründung betont wurde (BT-Drucks. 14/6040, S. 194), zu dem Stand des jüngeren gemeinen Rechts, dessen „Wertersatzlösung“ wohl dem klassischen römischen Recht entsprach, zurückgekehrt. 1488  Leser (1975) – Rücktritt, S. 65; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 122. Siehe dazu noch: B. II.4.c)ii)5)(a)(iii). 1489  Vgl. unter diesem Aspekt zum ABGB, in dem ausdrückliche Regelungen darüber, wie sich eine nachträgliche Beeinträchtigung der mangelhaften Sache auf das Wandelungsrecht auswirkt, fehlen: Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 262 ff. 1490  Dazu oben bei Fn. 1478. 1491  Dazu oben vor Fn. 1477. 1492 Mot. II, S. 231 (E I § 387, vgl. § 467 a. F.), S. 282 f. (E I § 429, vgl. § 350 a. F.); vgl. Prot.  I, S. 790 ff.(zu E  I  § 429, vgl. § 350  a. F.); dazu auch: Glass  (1959) – Rücktritt, S. 21; Müller-Teckhof  (2008) – Gefahr­tragung, S. 94.); Leser  (1975) – Rücktritt, S. 63 f.; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 31, 34; v. Caemmerer in: FS Larenz (1973), 621 (621 f.); Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 113, 121 f., 147. 1493  Honsell meint, § 350 a. F. stelle in seiner allgemeinen Fassung „nichts weiter [dar], als eine unzulässige Verallgemeinerung einer römisch rechtlichen Reminiszenz“; JuS 1982, 810 (814), vgl. Honsell in: FS  Hattenhauer  (2003), 245 (252 f.): „Fehlleistung, die aus einer falschen Verallgemeinerung resultiert“. Honsell ist allerdings zuzugestehen, dass er nicht nur rechtshistorisch,



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dass diese Lösung zu „anscheinenden Härten führen könne“1494, eine bestimmte Entscheidung getroffen und sachlich begründet.1495

(a)  Beratungen der Gesetzesverfasser Während die Gesetzesverfasser bei ihren Beratungen betreffend den Übergang der Gefahr (§§ 446, 447 a. F.) – unausgesprochen – von dem „Normalfall“ ausgingen, dass der Verkäufer dem Käufer im regulären Vollzug des Vertrages eine mangelfreie Sache übergebe und/oder übereigne,1496 hatten die Beratungen der Gefahr­ tragung bei der Wandelung gerade den „Problemfall“ zum Gegenstand, dass die Sache im Zeitpunkt ihrer Übergabe mangelhaft ist und der Leistungsaustausch deshalb rückabgewickelt wird. Dass sich in den Beratungen eine Regelung durchsetzte, nach der die Gefahr der mangelhaften Sache auf den Verkäufer, wie es später in der Literatur formuliert wurde, zurückfiel, deutet darauf hin, dass die Erwägungen, die den Übergang der Gefahr mit Übergabe trugen, uneingeschränkt nur für den Fall der Übergabe einer mangelfreien Sache galten. Insbesondere stellt es die Begründung der Gefahr­ tragung des Käufers ab Übergabe mit der Möglichkeit der Gefahrenabwehr in Frage, wenn die zufällige Sachverschlechterung und der zufällige Sachuntergang dem Verkäufer zur Last fallen, obwohl das Schadensereignis aufgetreten ist, während sich die (mangelhafte) Sache in der Obhut des Käufers befand. Dass nur und erst bei einem Verschulden des Käufers der Untergang oder eine (wesentliche) Verschlechterung der gelieferten Sache den Ausschluss der Wandelung zur Folge hatte, sprach auch dagegen, dass die Gefahr­tragung des Käufers mit der durch die Übergabe vermittelten Befugnis, die Sache wirtschaftlich für sich zu nutzen, zu begründen sei.1497 Die in der Literatur zum BGB von 1900 vertretenen Ansichten, den Verschuldensbegriff des § 351  a. F. zu einer Art „Sphärenverantwortlichkeit“ des Käufers auszudehnen oder den Käufer über das Bereicherungsrecht an seiner „vermögensmäßigen Entscheidung“, die Kaufsache auf eigenes Risiko für sich zu haben und zu nutzen, festzuhalten,1498 sind letztsondern auch rechtsdogmatisch argumentiert: Er sieht vor allem einen Normwiderspruch zwischen der Gefahrbelastung des Verkäufers bei der Wandelung und den §§ 287, 848 (a. F.); MDR 1970, 717 (719 f.); vgl. FS Schwerdtner (2003), 585 (587 f.); FS Picker (2010), 363 (369 f.). 1494  Mot. II, S. 231 (zu E I § 387, vgl. § 467 a. F.). 1495  Die Beratungen der §§ 350, 351 a. F. (E I §§ 429, 430, E II §§ 301, 302) sind dokumentiert bei: Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 565 ff. (Rechtsfolgen bei der Wandelung), S. 576 ff. (Kauf mit Vorbehalt der Reue); Mot. II, S. 231 f. (Gefahr­tragung bei der Wandelung), S. 282 f. (Gefahr­tragung beim vertragsmäßigen und gesetzlichen Rücktritt); Prot. II, S. 790–795 (Gefahr­ tragung des Untergangs des Vertragsgegenstandes beim Rücktritt). Ausführlich zu den Beratungen der Gefahr­tragung bei Rücktritt und Wandelung: Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 29 a. E., 31, 34; Leser (1975) – Rücktritt, S. 34 mit Fn. 36, S. 61 ff., 192; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 111–125. 1496  Dazu oben: B.II.4. 1497  Vgl. dazu die Beratungen der Zweiten Kommission in Fn. 1548. 1498  Dazu: B.II.4.c)iii)1).

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lich als Versuch zu deuten, die §§ 350, 351 a. F. mit dieser Begründung des Gefahrübergangs gem. § 446 a. F. in Einklang zu bringen.

(i)  Vorentwurf v. Kübel Der Redaktor v. Kübel erteilte dem Regelungsmodell des prALR (und des französischen Code Civil), wonach die Wandelung grundsätzlich (auch) bei zufälligem Untergang der gelieferten Sache ausgeschlossen war,1499 in der Begründung des § 31 seines Teilentwurfs Nr. 20 zum Obligationenrecht (TE-OR (Nr. 20) „Rechte und Verpflichtungen aus Verträgen, Gewährleistung des veräußerten Rechts und Gewährleistung wegen Mängel der Sache im Allgemeinen“)1500 eine Absage. Die Wandelung gehöre zu der Garantiepflicht des Verkäufers, für Sachmängel Gewähr zu leisten, und deshalb sei es auch vom Verkäufer hinzunehmen, wenn die Rückgabe der Sache in nicht vom Käufer zu vertretender Weise unmöglich geworden sei.1501 Nur bei einem vom Käufer verschuldeten Sachuntergang sollte die Wandelung ausgeschlossen sein (§ 32), während eine vom Käufer zu vertretende Sachverschlechterung nach dem Vorschlag des Redaktors eine Wertersatzpflicht des Käufers (im Rahmen der Wandelung) auslösen sollte (§§ 30, 16).1502

(ii)  Erste Kommission und Erster Entwurf Die Mehrheit der Ersten Kommission billigte diese Vorschläge des Redaktors in der 90. Sitzung vom 19. Mai 1882. Ein Antrag (v. Weber) bezüglich des § 30, wonach der Erwerber für Verschlechterungen Ersatz zu leisten haben sollte, „sofern sie nicht durch die Mangelhaftigkeit der Sache entstanden sind“, und ein Antrag (Derscheid) bezüglich § 31, wonach die Wandelung trotz Untergang der veräußerten Sache nur dann zulässig sein sollte, wenn der Untergang auf der Fehlerhaftigkeit der Sache beruhte, wurden abgelehnt.1503 Zur Begründung wurde angeführt, die Regelungen der Vorlage entsprächen am ehesten dem mit Hinblick auf die Wandelung formulierten Prinzip, „daß der Erwerber in die Lage gebracht werden müsse, als wenn er auf den Vertrag sich nicht eingelassen hätte“.1504 Dabei wurde durchaus gesehen, dass dieser Standpunkt zu „anscheinenden unbilligen Härten [gegen den Verkäufer] führen“ könne. Die Mehrheit war allerdings 1499 

Dazu oben: B.II.4.c)ii)4)(c) (bei Fn. 1477). Dazu oben: B.II.4.c)i)5)(a) (bei Fn. 1293). 1501  Schubert  (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 376 mit Begründung auf S. 419; dazu Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 113. 1502  In der Sache bedeutete dies, ohne dass man sich dessen bewusst gewesen wäre, jedenfalls eine Rückkehr zum iustinianischen Recht (nach Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 114 auch zum klassischen römischen Recht). Dazu bereits bei Fn. 1487. 1503  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 567 f.; dazu auch: Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 113 f.; vgl. Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 31. 1504 Mot. II, S. 231, ebenso die Begründung der Gefahrverteilung beim Rücktritt a. a. O. S. 282. 1500 



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der Meinung, dass es „erfahrungsgemäß nicht selten zu schwer lösbaren Streitigkeiten führen“ würde, wenn man danach unterscheiden müsste, „ob die Sache durch Zufall oder nur in Folge eines [vom Verkäufer] zu vertretenden Mangels verschlechtert oder untergegangen sei“.1505 Insofern kann man sagen, dass Ausgangspunkt der Gesetzesverfasser für die Belastung des Verkäufers mit der Gefahr der Sachverschlechterung und des Sachuntergangs bei der Wandelung in der Tat der Fall war, dass die Sache infolge des Mangels untergegangen ist.1506 Sie haben die Gefahr­tragung des Verkäufers aber ganz bewusst nicht auf diesen Fall beschränkt. Dass die Begründung dafür nicht überzeugt, sofern sie sich auf die als prinzipiellen Leitsatz formulierte „Einheitsformel“ bezieht, steht auf einem anderen Blatt. In der Formulierung, die das angesprochene „Prinzip“ für die Wandelung gefunden hatte, war es ungeeignet zu erklären, geschweige denn zu begründen, warum der Verkäufer die Gefahr einer beim Käufer aufgetretenen zufälligen Verschlechterung und des entsprechenden Untergangs der Kaufsache tragen sollte. Wären wirklich beide Parteien verpflichtet gewesen, den jeweils anderen in die Lage zu versetzen, die bestehen würde, wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre, hätte dies prinzipiell auch für den Verkäufer gelten müssen und dieser also die verkaufte Sache unversehrt (im Lieferzustand) zurückerhalten müssen.1507 Die Formel war aber eben nicht so gemeint, wie sie unbefangen zu verstehen war, weil sie im Zusammenhang mit den Einzelregelungen der Wandelung zu deuten war. Diese sahen aufgrund der „wandelungsspezifischen“ Rollenverteilung eine Bevorzugung des Käufers insbesondere mit Blick auf die Gefahrverteilung vor.1508   Auch weil er die Restitutionspflichten der Parteien in die Nähe einer wechselseitigen Verpflichtung zum vollen Ersatz des negativen Interesses rückte, war der in den Beratungen der Ersten Kommission zum Zwecke der Vereinheitlichung der Folgen des vertraglich vereinbarten und gesetzlich begründeten Rücktritts mit der Wandelung aufgestellte Satz, dass die Parteien jeweils verpflichtet seien, einander in die Lage zu versetzen, als wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre,1509 auch von Anfang an Kritik ausgesetzt.1510 Die Rückabwicklung bedeutete nämlich keinen Ersatz des vollen negativen Interesses.1511 Die Parteien hatten einander nicht in die Lage zu versetzen, die bestünde, wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre, sondern (nur) denjenigen Zustand wiederherzustellen, der nach Vertragsschluss, aber vor dem Leistungsaustausch bestand.1512 Dabei ging es durchaus nicht um eine Gleichbehandlung der Parteien. Denn soweit die Wandelung zum Ersatz des nega1505 

Mot. II, S. 231. Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 10; vgl. v. Caemmerer in: FS Larenz (1973), 621 (627 f.). Zum entsprechenden Ausgangspunkt des römischen Rechts siehe bei Fn. 1459. 1507  „Wiederherstellung des früheren Zustandes bei Käufer und Verkäufer zugleich, ohne besonderes Opfer einer Seite, stellt sich, sobald die Kaufsache beeinträchtigt ist, als Quadratur des Zirkels dar“; Leser (1975) – Rücktritt, S. 43. 1508  Zum Ganzen: Leser (1975) – Rücktritt, S. 43–64, 165 f. 1509  Dazu oben: B.II.4.c)ii)2)(b). 1510 Dazu Hanausek (1883) – Haftung I, S. 133–136. 1511  Vgl. zur actio redibitoria bereits oben: B.II.4.c)i)1) bei Fn. 1210. 1512 Wiederherstellung des status quo ante (contractum) heißt deshalb eigentlich: Wiederherstellung des Zustandes, der vor dem Vollzug des Vertrages bestand. Ausführlich zu den Unterschieden zwischen der Rückabwicklung und dem Ersatz des negativen Interesses: Leser (1975) – Rücktritt, S. 102, 148 f.; Kaiser (2000) – Rückabwicklung, S. 67, 509; dies. in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 5; Röthel in: Erman (2014) – BGB, vor § 346 ff. Rn. 2; Schmidt in: 1506 

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tiven Interesses tendierte, wurde der Käufer dadurch einseitig bevorzugt, dass der Verkäufer sich wegen der Gefahrverteilung mitunter damit abfinden musste, dass für ihn nicht einmal der nach Vertragsschluss, aber vor Austausch der Leistungen bestehende Zustand (wieder) hergestellt wird, aber gleichwohl den Kaufpreis erstatten zu müssen.1513 Den Zusammenhang zwischen der Wandelung und dem Ersatz des negativen Interesses, den v. Jhering in seiner Abhandlung über culpa in contrahendo1514 sowie zuvor bereits Mommsen1515 formuliert hatte, meinte die Erste Kommission mit dem Satz, den sie zwecks Vereinheitlichung der Rücktritts- und Wandelungsfolgen aufgestellt hatte, auch eigentlich nicht. Die „Verwechslungsgefahr mit der Formel für den Ersatz des negativen Interesses“ (Leser) war letztlich der Grund dafür, dass die „Einheitsformel“ in den Beratungen der Zweiten Kommission gestrichen wurde.1516   Der historische Gesetzgeber sah im Rücktritt eine Möglichkeit des Interesseersatzes, ohne eine Einordnung nach der Unterscheidung von positivem und negativem Interesse vorzunehmen.1517 Zudem verzichtete die Zweite Kommission darauf, im Gesetz unmittelbar zum Ausdruck zu bringen, dass die Wandelung die Geltendmachung des negativen Vertragsinteresses jedenfalls bei arglistiger Täuschung seitens des Verkäufers nicht ausschließe.1518 Infolgedessen führte die tatbestandliche Gleichstellung des Rücktritts mit dem Anspruch auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens in den §§ 325, 326 a. F. später offenbar zu dem (Miss-) Verständnis, es gehe in beiden Fällen um die Geltendmachung des positiven Interesses (wahlweise durch Ersatz des (Nicht-)Erfüllungsschadens oder durch Vernichtung des Vertrages und Rückgängigmachung seiner Folgen, genauer gesagt: (nur) des Leistungsaustauschs). Dies musste wegen der Annahme eines strikten Ausschließlichkeitsverhältnisses von positivem und negativem Interesse bedeuten, dass der Rücktritt gem. §§ 325, 326 a. F. den Ersatz (zusätzlicher) Schäden im Rahmen des Geltendmachung des negativen Interesses nicht zuließ.1519 Sofern in der Praxis des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs bei der Berechnung des Nichterfüllungsschadens gem. §§ 325, 326 a. F. nach der Differenzmethode praktisch die Rückforderung der bereits erbrachten (Geld-)Leistung1520 zugelassen wurde,1521 lief dies freilich auf den Ersatz des negativen Interesses hinaus.1522

Der Hintergrund, warum v. Kübel den Verkäufer bei der Wandelung mit der Gefahr belasten wollte, wird auch durch seine Vorlage zum „Kauf mit Vorbehalt der BeckOK (Stand: 01.02.2015) – BGB, § 346 Rn. 26; vgl. Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, vor § 346 Rn. 18. 1513 Vgl. Leser (1975) – Rücktritt, S. 62; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 31. 1514 JherJb 4 (1861), 1 (17). Dazu: Leser (1975) – Rücktritt, S.  43; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§  280–28 Rn.  70; Dedek (2007) – Negative Haftung, S.  167  ff.; Korth (2010) – Minderung, S. 33. 1515  Dazu m. w. N. Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 280–285 Rn. 61 f., 70. 1516  Prot. VI, S. 158. Dazu oben: B.II.4.c)ii)2)(e). 1517  Vgl. dazu bereits in Fn. 1292 und bei Fn. 1345. 1518  Prot. I, S. 687. 1519  Vgl. dazu Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 280–285 Rn. 68 ff., insb. 70 a. E., 120 f. 1520  Indem der Schadenersatzanspruch mindestens in Höhe des gezahlten Kaufpreises angesetzt wurde – diese „Rückforderung“ im Rahmen des Schadenersatzanspruchs funktionierte freilich nur, wenn die vom Gläubiger erbrachte Leistung in Geld bestand; die Rückforderung einer Sachleistung war nur im Rahmen des Rücktritts möglich. Dazu: Leser (1975) – Rücktritt, S. 144 f.; Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 58 ff.; Huber (1999) – Leistungsstörungen II, S. 203 f. (§ 37  III.1). 1521  Vgl. dazu bereits bei Fn. 1278. 1522  Vgl. dazu Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 280–285 Rn. 71.



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Reue“ (TE-OR (Nr. 32) §§ 22 bis 27) erhellt: Darin wurden die Vorschriften über die Wandelung für den Fall, dass der Käufer den Vorbehalt der Reue geltend macht, für entsprechend anwendbar erklärt – einzig mit der Ausnahme, dass der „Rücktritt“ ausgeschlossen sei, wenn die Sache beim Käufer durch Zufall ganz oder teilweise untergegangen ist.1523 Begründet wurde dies mit der regelmäßigen Absicht der Parteien, aber auch mit der „Erwägung, daß die Zulässigkeit der actio redhibitoria auch in dem Fall, wenn die veräußerte Sache bei dem Käufer casu untergegangen war, auf einem [beim „Kauf unter Vorbehalt der Reue“] nicht zutreffenden Grunde beruht, nämlich darauf, daß Veräußerer gewisse nicht vorhandene Eigenschaften beziehungsweise das Freisein der verkauften Sache von Fehlern garantirte oder zu garantiren hat und deswegen hierfür unter allen Umständen (von Verschuldung und gewissen Dispositionen des Käufer abgesehen) aufkommen muß“.1524

Damit wurde erstmals die maßgebliche Wertung beschrieben, dass die Privilegierung des rücktrittsberechtigten Käufers nur dann angemessen sei, wenn die Rückabwicklung des Leistungsaustauschs durch ein vertragswidriges Verhalten des Verkäufers, nicht jedoch, wenn er auf einem einseitigen, nicht durch ein pflichtwidriges Verhalten des Verkäufers veranlassten Käuferentschluss begründet wird.1525 Nach Meinung des Redaktors stand dies einer einheitlichen Regelung für die vertraglichen Rücktrittsrechte und für die Wandelung entgegen.1526 Als anlässlich der Beratungen der Regelungsvorschläge zum „Kauf mit Vorbehalt der Reue“1527 die Entscheidung fiel, die Rückabwicklung beim vertraglichen und gesetzlichen Rücktritt sowie bei der Wandelung einheitlich zu regeln, wandte sich die Kommission allerdings von der Vorlage des Redaktors und von der Tradition des gemeinen Rechts radikal ab, indem sie – ohne auf v. Kübels Argument einzugehen1528 – mit Blick auf die Gefahr­tragung die für die Wandelung geltende Gefahrverteilung allgemein und ohne Einschränkungen, also auch beim Reue-Kauf, für anwendbar erklärte.1529 Diesen Schritt begründete die Kommission mit der Erwägung, der „[Rücktritts-]Berechtigte [sei] in seinem vollen Rechte, wenn er durch Ausübung des Rücktritts der Gefahr sich entziehe“.1530 In dieser Allgemeinheit zum Ausdruck gebracht, wirkt zirkulär1531, was angesichts 1523 

Dazu bereits: B.II.4.c)ii)2)(d). Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR II, S. 61. 1525  Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 29 a. E.; vgl. Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, vor § 346 Rn. 31 f. 1526  Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 116. 1527  Dazu oben: B.II.4.c)ii)2)(d). 1528  Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 117 hat vermutet, dass der Redaktor, der noch während der Beratungen der Ersten Kommission starb, „schon zu sehr angegriffen war, als daß ihm eine offensivere Vertretung seines Standpunktes möglich gewesen wäre“. 1529 Dazu: Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 117; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 347–359 Rn. 31; vgl. Leser (1975) – Rücktritt, S. 34 f. Siehe bereits oben: B.II.4.c)ii)2)(d). 1530  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 586. 1531 Vgl. Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 31 a. E. 1524 

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der Voraussetzungen und Rollenverteilung bei der Wandelung des Kaufs wegen Sachmängeln durchaus überzeugt.1532 Die dem späteren § 350 a. F. entsprechende Vorschrift E I § 4291533, deren („entsprechende“) Anwendung bei der Wandelung in E I § 387 angeordnet wurde (vgl. § 467 S. 1 a. F.), wurde nach der Veröffentlichung des Ersten Entwurfs nebst Motiven in der juristischen Öffentlichkeit kritisch debattiert.1534 Allerdings bezog sich die Kritik, soweit ersichtlich, nur auf die Gefahrverteilung bei der Ausübung des vertraglich vorbehaltenen Rücktritts,1535 welche aber auch Befürworter fand. Befürwortet wurde die Regelung mit dem Argument, „[w]er dem Erwerber einer Sache den Rücktritt offen halte, übernehme damit die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung“.1536 Außerdem entspreche es dem Prinzip casum sentit dominus, dass der „zur Rücknahme verpflichtete“ Rücktrittsgegner, der angesichts der ex tunc wirkenden Auflösung des Kaufvertrages gewissermaßen der wirtschaftliche Eigentümer der Sache geblieben sei, die Gefahr der Verschlechterung und des Untergangs tragen müsse.1537 Mit Verweis auf die zur Verteidigung des E I 429 (namentlich von der Mehrzahl der Handelskammern) in der Debatte der juristischen Öffentlichkeit vorgebrachten Argumente wurde ein von Jakubezky in den Beratungen der Vorkommission des Reichsjustizamtes gestellter Antrag, E I § 429 dahingehend zu ändern, dass das Rücktrittsrecht im Fall des Untergangs oder der wesentlichen Verschlechterung des geleisteten Gegenstandes beim Berechtigten nur stattfinde, „wenn der Untergang oder die Verschlechterung den Gegenstand auch bei dem anderen Theile betroffen hätte“, abgelehnt.1538 1532  Denn die Wandelung war ein Rechtsbehelf, der (nur) dem Käufer zustand, weil der Verkäufer vertragswidrig geleistet hatte. Der Zweck der Wandelung (Käuferschutz) legte es von vorneherein nahe, Gefahr­tragungsprobleme im Zusammenhang mit der Rückabwicklung zulasten des Verkäufers zu lösen. Beim Rücktritt liegt dies durchaus nicht „in der Natur der Sache“, weil eine Vertragspartei aus den unterschiedlichsten Gründen zum Rücktritt berechtigt sein kann. Ob der Rücktrittsberechtigte „in seinem vollen Recht ist“, wenn er sich der Gefahr­tragung entzieht, hängt also gerade von dem Rücktrittsgrund ab und lässt sich pauschal nicht beantworten. 1533  „Das Rücktrittsrecht findet auch dann statt, wenn ein Gegenstand, welchen der Rücktrittsberechtigte empfangen hat, durch Zufall untergegangen ist“. 1534 Zusammenstellung der gutachterlichen Aeußerungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, gefertigt im Reichs-Justizamt (1890–1891), Bd. II: Aeußerungen zum Recht der Schuldverhältnisse, 1890 (im Folgenden „Zusammenstellung  II“), S. 143 (zu E  I § 387), S. 207 f. (zu E I § 429) sowie Zusammenstellung, Band VI: Nachträge, 1891 (im Folgenden „Zusammenstellung VI“), S. 334 (zu E I 387), S. 359 f. (zu E I § 429); dazu und m. w. N.: Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 33; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 120; Leser (1975) – Rücktritt, S. 192 mit Fn. 145. 1535  Zusammenstellung II, S. 207 f.: Die Regelung des Entwurfs widerstreite dem Rechts- und Billigkeitsgefühl, den regelmäßigen Parteiintentionen sowie der Verkehrssitte und stehe mit den Grundsätzen über den Gefahrübergang (beim Kauf) in unlösbarem Widerspruch. 1536  Zusammenstellung II, S. 208 m. w. N. Ähnlich auch Zusammenstellung VI, S. 360: „Zu bedenken sei, daß Verträge mit Rücktrittsbefugnis meist dann stattfänden, wenn der Veräußerer sehr vertragsgeneigt, der Erwerber wegen unzureichenden Vertrauens in die Sache oder wegen sonstiger Bedenken zu der Vereinbarung noch nicht entschlossen sei. Würde bei einem solchen Vertrage die Frage aufgeworfen, welcher Theil die Gefahr des Zufalles tragen sollte, so würde der Veräußerer wohl stets, der Erwerber wohl niemals die Gefahr übernehmen. Die rechtfertigt den Standpunkt des Entw.“. 1537  Zusammenstellung  VI, S. 359 f. 1538  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 603.



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Hinsichtlich der Wandelung war, ganz im Einklang mit der Begründung der Vorlage durch den Redaktor und des Entwurfs in den Motiven, die Meinung herrschend, dass die Gefahr­tragung des Verkäufers sich daraus rechtfertige, „daß der Verkäufer für die fehlenden Eigenschaften einzustehen habe. Wären dem Käufer bei dem Abschlusse des Vertrages die Mängel der verkauften Sache bekannt gewesen, so würde er den Kauf nicht abgeschlossen haben und vor dem Verluste bewahrt geblieben sein“1539.

Dass der Schuldner, der durch seine mangelhafte Leistung den Grund für die Rückabwicklung gesetzt hatte, die Gefahr zu tragen habe, wurde also akzeptiert und insbesondere beim Kauf so ausgedrückt, dass die Gefahr­tragung zur Gewährleistungspflicht des mangelhaft leistenden Verkäufers gehöre.

(iii)  Zweite Kommission und Zweiter Entwurf Bemerkenswert ist, dass auch die in den Beratungen der Zweiten Kommission gegenüber E I § 429 (§ 350 a. F.) vorgebrachten Bedenken allein den Fall des vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts betrafen.1540 Die Anträge, die Gefahr­tragung des Rücktrittsgegners insoweit zu beschränken,1541 wurden aber abgelehnt. Bemerkenswert ist dies deshalb, weil es später, in der rechtspolitischen Diskussion über die Angemessenheit der gesetzlich geregelten Gefahr­tragung beim Rücktritt hieß, dass es bei der Vereinbarung eines vertraglichen Rücktrittsvorbehalt noch am ehesten überzeuge, den Verkäufer mit dem Risiko zu belasten, seine Sache im Falle des Rücktritts nicht zurück zu erhalten, aber dennoch den Kaufpreis erstatten zu müssen. Denn dann habe er von vorneherein damit zu rechnen, dass der Gefahrübergang mit der Lieferung nicht endgültig erfolgt ist.1542 Dementsprechend sei der Käufer auch (anders als bei der Wandelung und beim gesetzlich begründeten Rücktritt) von vorneherein gehalten, sorgfältig mit der Sache umzugehen.1543

Vorgeschlagen worden war ein Ausschluss des Rücktrittsrechts bei Untergang und wesentlicher Verschlechterung der geleisteten Sache einzig mit der Ausnahme, „daß der Untergang auf einem von dem anderen Vertragsschließenden zu vertretenden Umstande beruht“ (v. Mandry) oder dass der Gegenstand auch bei dem anderen Vertragsteil vom Untergang oder der Verschlechterung betroffen worden wäre (Jakubezky).1544 Der Vorschlag v. Mandrys beruhte auf der Erwägung, dass bei der Vereinbarung eines vertragsmäßigen Rücktrittsrechts von den Parteien regelmäßig ge1539 

Zusammenstellung VI, S. 334 mit Verweis auf Bolze AcP 76 (1890), 233 (253). Siehe dazu bereits bei und in Fn. 1435. 1541  Zu diesen Vorschlägen sogleich. 1542 Vgl. Flume NJW 1970, 1661 (1665); Kaduk in: Staudinger (1994) – BGB, Vorbem. §§ 346 ff. Rn. 63. 1543  Dazu m. w. N. Leser  (1975) – Rücktritt, S. 65; vgl. Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 43. 1544  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 603. 1540 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

wollt sei, dass nicht nur der Austausch der Leistungen bei der Vertragsabwicklung im Gegenseitigkeitsverhältnis erfolge, sondern auch die Rückabwicklung nach ähnlichen Grundsätzen zu behandeln sei.1545 Die Mehrheit der Zweiten Kommission entschied sich im Anschluss an die Argumente der Ersten Kommission1546 indessen für die Beibehaltung der Regelung des E I § 428 (vgl. § 348 a. F.) und insofern gegen das Synallagma, als durch die Anordnung einer Zug-um-Zug Leistung bei der beiderseitigen Rückgewähr nur die „unterste Stufe“ der gegenseitigen Abhängigkeit der Ansprüche erreicht wurde.1547 In Bezug auf die andere vorgeschlagene Beschränkung (Jakubezky) war die Kommissionsmehrheit der Meinung, dass die Frage, ob der Untergang oder die wesentliche Verschlechterung des geleisteten Gegenstandes auch beim Rücktrittsgegner eingetreten wäre, im Einzelfall zu schwierig zu beantworten sei.1548 Die Kommission ging offenbar davon aus, dass identische Bedingungen, die eine absolute Vergleichbarkeit der Situation beim Verkäufer und beim Käufer zuließen, undenkbar seien.1549 Die Kommissionsmehrheit meinte, dass der Antrag, wollte man das ihm zugrunde liegende Prinzip anerkennen, auch nicht weit genug gehe: „In Betracht zu ziehen seien nämlich als dann auch diejenigen Fälle, in denen ein Ereigniß, welches die Sache auch beim Verkäufer getroffen haben würde, z. B. die Erkrankung eines verkauften Thieres an einem Währschaftsfehler, lediglich in Folge besonderer, in den Verhältnissen des Käufers liegender Umstände, z. B. infolge eines an sich erlaubten Gebrauchs, den der Käufer von dem Thiere gemacht habe, der aber bei dem Verkäufer nicht stattgefunden haben würde, den Untergang der Sache herbeigeführt haben würde“. Man denke etwa an den Fall, dass der mit einem (nicht kundgemachten) Herzfehler verkaufte Ackergaul beim Käufer an Herzversagen stirbt, als er gerade den Pflug übers Feld zieht. Hätte der Gaul beim Verkäufer nur im Stall gestanden, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass er auch bei ihm (infolge des Herzfehlers) eingegangen wäre, auch wenn offensichtlich ist, dass der Mangel die Ursache des Untergangs war.1550

So änderte sich an der Gefahr­tragung des Rücktrittsgegners/Verkäufers in den Beratungen der Zweiten Kommission nichts. Das „Rücktrittsfolgenrecht“ wurde (auf Anträge Struckmanns hin) aber in zweierlei Hinsicht verändert: Es wurde erstens der Fall der verschuldeten wesentlichen Verschlechterung dem des ver1545 

Vgl. Prot. I, S. 791 f.

1546 Dazu Jakobs/Schubert (1978) – 1547 Dazu Leser  (1975) – Rücktritt,

SchuldR I, S. 578, 585 f. S. 58 ff.; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 34, vgl. auch Rn. 43; vgl. Hadding in: Soergel (1990) – BGB, § 348 Rn. 3; Janssen in: MüKo (2001) – BGB, § 348 Rn. 2; Kaiser (2000) – Rückabwicklung, S. 263 ff. 1548  Prot. I, S. 793 f. 1549  Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 34; vgl. Leser (1975) – Rücktritt, S. 64. 1550  Das von der Zweiten Kommission nur zur Begründung von E I § 429 (vgl. § 350 a. F.) vorgebrachte Argument sprach bei der Auslegung des § 351 a. F. (E I § 430) gegen die Ansicht, dass jeder Gebrauch der verkauften Sache, der den Untergang der gelieferten Sache zur Folge hat, ein „Verschulden“ sei, das zum Ausschluss der Wandelung führe. Zu dieser Ansicht: B.II.4.c) iii)1)(a).



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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schuldeten (teilweisen/totalen) Untergangs der Sache in der Wirkung (Ausschluss der Wandelung) gleichgestellt.1551 Die Erste Kommission hatte einen Antrag entsprechenden Inhalts noch mit der Begründung abgelehnt, dass der Untergang regelmäßig eine tiefergreifende Änderung der Situation bedeute als die Verschlechterung und eine Unterscheidung von wesentlicher und unwesentlicher Verschlechterung nicht praktikabel sei.1552 Die Zweite Kommission erkannte an, dass es bei wirtschaftlicher Betrachtung keinen bedeutenden Unterschied macht, ob die zurück zu gebende Sache untergegangen oder wesentlich verschlechtert wurde, und wollte es den Gerichten ersparen, den Fall der wesentlichen Verschlechterung unter den des Untergangs subsumieren zu müssen, um beide Fälle gleichbehandeln zu können.1553

Zweitens wurde die Haftung des Rücktrittsberechtigten/Käufers für die Erhaltung und Rückgewähr der empfangenen Sache durch Verweisung auf die Vorschriften über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis geregelt.1554 In der Denkschrift zum BGB wurde die Regelung des § 350 a. F. schließlich vor allem damit begründet, dass es sich bei der Gefahr­tragung des Rücktrittsgegners um eine Ausprägung des Prinzips handele, dass der Rücktrittsberechtigte gegen etwaige nachteilige Folgen des Vertragsschlusses geschützt werden müsse, wozu auch der Gefahrübergang zähle.1555

(b)  Rechtslage nach dem BGB von 1900 Ob man die Begründung der Gesetzesverfasser überzeugend oder eine andere Regel sachgerecht(er) findet,1556 steht auf einem anderen Blatt, wobei im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Diskussion überhaupt nur im Hinblick auf die Wandelung und das gesetzliche Rücktrittsrecht des Käufers von Interesse ist1557. 1551  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 606. 1552  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 573, dazu Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 113 f. 1553 

Prot. I, S. 794 f., dazu auch Leser (1975) – Rücktritt, S. 65. SchuldR I, S. 598, 600; Prot. I, S. 788, 790 (zu E I § 427, vgl. § 347 a. F.). Vorbereitet worden war dieser Schritt bereits in den Beratungen der Vorkommission des Reichsjustizamtes, dazu Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 33. – Zum Ganzen Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 122. 1555  Denkschrift, S. 52 f.; dazu: Leser (1975) – Rücktritt, S. 62 f.; Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 11. Dazu noch: B.II.4.c)iii)4)(a) bei Fn. 1641. 1556  Auch wenn man der Meinung war, dass die bei der Gesetzesberatung vorgebrachte Begründung nicht überzeuge, konnte die Regelung der Gefahr­tragung immerhin aus anderen Gründen sachgerecht sein. Vgl. dazu Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 11. Er fand das Argument der Ersten Kommission, dass es zu „erfahrungsgemäß nicht selten schwer zu lösenden Streitigkeiten führen könne“, wenn das Gesetz hinsichtlich der Wandelung einen Unterschied zwischen dem mangelbedingten und dem rein zufälligen Untergang mache, „nicht sehr überzeugend“, hieß die vollumfängliche Gefahrbelastung des Verkäufers (im Anschluss an das in der Denkschrift zum BGB auf S. 52 f. nachgetragene Argument) aber gleichwohl gut. Der Verkäufer dürfe nicht die Möglichkeit haben, „dem Käufer durch Lieferung einer vertragswidrigen Sache die Gefahr aufzudrängen“. 1557  Dagegen wird im Rahmen dieser Arbeit nicht darauf eingegangen, ob die Begründung der Gefahrbelastung des Verkäufers bei der Wandelung (auch) zur Begründung der Gefahrbelastung 1554  Jakobs/Schubert (1978) –

380

B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Bei dieser Debatte muss man freilich im Auge behalten, dass es „für die Regelung der Gefahr­tragung keine apriorisch ‚richtige‘ Lösung“ gibt.1558 Dies darf jedoch kein Anlass zur Resignation sein.1559 Denn das Gesetz muss gerade für solche „Dilemmata“ eine Lösung vorsehen, falls die Parteien in ihrer Vereinbarung nicht selbst Vorsorge getroffen haben.1560

Das BGB von 1900 sah jedenfalls vor, dass die Wandelung „nicht dadurch ausgeschlossen [wird], daß der Gegenstand, welchen der [Käufer] empfangen hat, durch Zufall untergegangen ist“ (§§ 467 S. 1, 350 a. F.), während es den Ausschluss der Wandelung zur Folge hatte, „wenn der [Käufer] eine wesentliche Verschlechterung, den Untergang oder die anderweitige Unmöglichkeit der Herausgabe des empfangenen Gegenstandes verschuldet hat“ (§§ 467 S. 1, 351 S. 1 a. F.); „wegen Verschlechterung, Unterganges oder einer aus einem anderen Grunde eintretenden Unmöglichkeit der Herausgabe“ haftete der (wandelungsberechtigte) Käufer bei Verschulden wie ein verklagter Besitzer nach den Regeln über das EigentümerBesitzer-Verhältnis (§§ 467 S. 1, 347 Abs. 1 a. F.), d. h. nicht nur auf Wertersatz, sondern auf Schadenersatz.1561

6) Zwischenergebnis Bis hierher hat die Untersuchung gezeigt, dass es unmittelbar mit dem Grund, aus dem es zur Rückabwicklung der mangelhaften Lieferung kommt, zusammenhängt, dass der Verkäufer im Rahmen der Rückabwicklung wegen eines Sachmangels die Gefahr zu tragen hat. Dann, wenn der Käufer – wie bei der actio redhibitoria und der Wandelung – berechtigt ist, wegen eines Mangels der Kaufsache die Rückdes Rücktrittsgegners beim vertraglich vorbehaltenen Rücktritt gem. § 350 a. F. überzeugt(e). Dazu Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 152–169; vgl. auch im Überblick Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 41 ff. 1558  Glass (1959) – Rücktritt, S. 28; so auch: Flume NJW 1970, 1161 (1165); Flessner NJW 1972, 1777 (1980); Diesselhorst  (1968) – Natur der Sache, S. 76; Janssen in: MüKo (2001) – BGB, § 350 Rn. 5; Komossa (2007) – Rückabwicklung, S. 79. Vgl. auch Leser (1975) – Rücktritt, S. 43 zur Gefahrverteilung bei der actio redhibitoria nach römisch-gemeinem Recht: „Wiederherstellung des früheren Zustandes bei Käufer und Verkäufer zugleich, ohne besonderes Opfer einer Seite, stellt sich, sobald die Kaufsache beeinträchtigt ist, als Quadratur des Zirkels dar“. 1559 Vgl. Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 146. 1560 Vgl. Kaduk in: Staudinger (1994) – BGB, Vorbem. zu §§ 346 ff. Rn. 1 a. E. In der Diskussion um die rechtspolitische Angemessenheit der Regelung des § 350 a. F. wurde auch immer wieder darauf verwiesen, dass die gesetzlichen Gefahr­tragungsregeln dispositiver Natur seien, es den Parteien also insbesondere bei Vereinbarung eines vertraglichen Rücktrittsrechts unbenommen sei, ihre Anwendung auszuschließen und etwas anderes zu bestimmen; vgl. Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, § 350 Rn. 13, 19; Leser (1975) – Rücktritt, S. 193 f.; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 150 f.; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 43; Kaduk in: Staudinger (1994) – BGB, § 350 Rn. 9, 12 f. 1561  Im Überblick zu den Rücktrittsregelungen der §§ 346 ff. a. F. und den zu ihnen führenden Rücktrittsgründen und Verweisungen: Müller-Teckhof  (2008) – Gefahr­tragung, S. 16 ff.; im Überblick zur Regelung der Unmöglichkeit der Rückgewähr durch die §§ 347 S. 1, 989 a. F. und die §§ 350, 351 a. F.: Kaduk in: Staudinger (1994) – BGB, Vorbem. §§ 350 ff. Rn. 1–10; Kaiser (2000) – Rückabwicklung, S. 243–245.



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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gängigmachung des Kaufs zu verlangen, entspricht es der Rechtstradition und der Überzeugung des historischen Gesetzgebers, dass der Käufer „in seinem vollen Rechte [sei], wenn er … der Gefahr sich entziehe“1562. Dass er die eigene Gefahr­ tragung abwehren kann, beruht demnach unmittelbar darauf, dass der Käufer mit einer mangelhaften Sache nicht das erhält, was er zu bezahlen bereit ist. Dies könnte er nicht wirksam zur Geltung bringen, dürfte er nicht auch die Gefahr von sich abwälzen. Denn seine Gefahr­tragung hätte zur Folge, dass der gezahlte Kaufpreis dann, wenn die mangelhafte Sache bei ihm zufällig untergegangen oder verschlechtert worden ist – also gerade dann, wenn zu der vertragswidrigen Verkäuferleistung auch noch ein „Unglück“ hinzutritt –, „verloren“ ist. Den Kaufpreis soll er aber gerade zurückbekommen, wenn und weil die gelieferte Sache nicht vertragsgemäß beschaffen war und der Käufer sie deshalb nicht haben (behalten) will. Demnach war die Gefahr­tragung in Bezug auf die mangelhafte Sache Bestandteil der Gewährleistungspflicht des Verkäufers. Diese Gewährleistungspflicht verlief nach römisch-gemeinem Recht und in dessen Tradition auch nach dem BGB von 1900 gewissermaßen parallel zur Erfüllungspflicht. Denn der Verkäufer musste bei Nichteintritt eines Erfolges, dessen Herbeiführung er (beim Stückkauf) an sich nicht (zumindest nicht in natura) schuldete, einen Abzug (Minderung) oder Wegfall (Wandelung) der Gegenleistung und im letzten Fall außerdem hinnehmen, dass die Angelegenheit so behandelt wurde, als sei die Kaufsache bei ihm geblieben. Weil das Vorliegen von Sachmängeln nach der Konzeption des Kaufrechts im BGB von 1900 nicht als Verletzung der Erfüllungspflicht des Verkäufers behandelt wurde, stand es bei einer erfüllungstheoretischen, von dem synallagmatischen Gefahr­tragungsprinzip ausgehenden Begründung dem Gefahrübergang gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. nicht unmittelbar entgegen. Die Folgen der mangelhaften Leistung auf die Gefahr­tragung verlagerten sich stattdessen in das Gewährleistungsrecht. Von daher ist in Bezug auf das Kaufrecht des BGB von 1900 in der Tat treffender vom Zurückspringen der Gefahr als davon zu sprechen, dass die Gefahr bei Lieferung mangelhafter Ware gar nicht erst übergehe.1563 Es kann aber nicht davon die Rede sein, dass dieses Zurückspringen der Gefahr ein bloßer Reflex der Wandelung gewesen sei. Vielmehr war es diesem Rechtsbehelf inherent. Bemerkenswert ist, dass im Zusammenhang dieses Zurückspringens der Gefahr die Veränderung der Sachherrschaft, mit welcher der Übergang der Gefahr verbreitet begründet wird, keine Rolle spielt.

iii)  Diskussion über die Sachgerechtigkeit der Gefahrverteilung bei Rücktritt und Wandelung in der rechtswissenschaftlichen Literatur zum BGB von 1900 Trotz dieses klaren Befundes bezüglich der historischen Entwicklung der Wandelung und des Willens des Gesetzgebers stand der Regelungsgehalt des § 350 a. F. 1562 

Dazu oben bei Fn. 1530. den inhaltlichen Unterschieden zwischen der Gefahr­tragung des Verkäufers gem. § 446 (a. F.) und §§ 467 S. 1, 350 a. F. noch unten: B.II.4.c)iv). 1563 Zu

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

in der rechtswissenschaftlichen Literatur seit Inkrafttreten des BGB von 1900 insbesondere im Zusammenhang mit der Wandelung in der Kritik.1564 Im Ausgangspunkt herrschte zwar ein gewisser Konsens. So wurde es im Regelungsbereich der §§ 467 S. 1, 350 a. F. allgemein gebilligt, dass es dem Verkäufer zur Last fiel, wenn die gelieferte Sache infolge des bei der Lieferung vorhandenen Mangels untergegangen ist oder sich verschlechtert hat.1565 Ferner wurde es allgemein als sachgerecht empfunden, dass es dem Käufer zum Nachteil gereichte, wenn er „schuld“ an dem Untergang oder der Verschlechterung der Sache war (§§ 467 S. 1, 351 a. F.).1566 Die Meinungsverschiedenheit begann allerdings schon bei der Frage, unter welchen Umständen der Sachuntergang sich (noch) als Folge des Mangels darstelle (Kausalitäts- und Zurechnungsfragen, insbesondere problematisch bei Mitverursachung oder sogar Mitverschulden des Käufers) und welche Anforderungen (von dem Fall absichtlicher Sachzerstörung oder -beschädigung einmal abgesehen) an das Käuferverschulden zu stellen seien. In der Diskussion über die Voraussetzungen des „Verschuldens“ des Wandelungs- bzw. Rücktrittsberechtigten spielte die „zeitliche Dimension“ eine wichtige Rolle. Denn die Begründung dieses Verschuldens variiert, je nachdem ob der Berechtigte damit rechnen muss, die Sache zurückgeben zu müssen, oder nicht. Auch dass der Zufall den Verkäufer trifft, leuchtet für die Zeit nach der Rücktrittserklärung bzw. Geltendmachung der Wandelung eher ein als für die Zeit davor. In dieser Hinsicht war die Regelung des § 347 Abs. 1 a. F. redaktionell besonders misslungen: Aus dem Zusammenhang mit den §§ 350, 351 a. F. ergab sich, dass in § 347 a. F. hinsichtlich der Zeit vor dem Rücktritt/der Wandelung mit „Verschlechterung“ und „Untergang“ nur die unwesentliche Verschlechterung und der Untergang eines unerheblichen Teils gemeint sein konnten. Denn eine (verschuldete) wesentliche Verschlechterung und der (verschuldete) Totaluntergang sowie der Untergang eines erheblichen Teils schloss den Rücktritt/die Wandelung aus.1567 Welche Anforderungen sich für diese Phase aus dem Verschuldenserfordernis der §§ 347 Abs. 1 (a. F.), 989 ergaben, war genauso fraglich wie bei 1564  Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 145; Leser  (1975) – Rücktritt, S. 61, 192 m. w. N. in Fn. 145–147. 1565 Dazu: v. Caemmerer in: FS Larenz (1973), 621 (628); Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 9, 63 f., vgl. auch § 446 Rn. 61; Grunewald in: Erman (2000) – BGB, § 467 Rn. 3; Kohler in: Staudinger (1995) – BGB, § 446 Rn. 24; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 265 f. Auf einer Linie damit liegt, dass man sich weitgehend einig darüber war, dass der Verkäufer ausnahmsweise auch in Ansehung solcher Verschlechterungen der Kaufsache, die nach dem Zeitpunkt der §§ 446, 447 a. F. aufgetreten sind, gewährleistungspflichtig sei, wenn die Ursache dieser Verschlechterung schon im Zeitpunkt der Übergabe bzw. Absendung wenigstens im Keim vorhanden war (latente Mängel, auch „weiterfressende Mängel“). Dazu m. w. N.: Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 459 Rn. 87; Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 459 Rn. 68; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 248; vgl. Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 459 Rn. 29; Putzo in: Palandt (2002) – BGB, § 459 Rn. 6. 1566  Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 10a. 1567 Dazu: Glass (1959) – Rücktritt, S. 45; vgl. Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 41, 44. Erschwert wurde das Verständnis durch die äußerst unübersichtliche Systematik der §§ 346 ff.  a. F., dazu: Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, Vorbem. §§ 346 ff. Rn. 9 ff.



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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§ 351 a. F. Die einen befürworteten eine Herabsetzung des Haftungsmaßstabs auf die eigenübliche Sorgfalt im Rahmen des § 347 Abs. 1 a. F., die anderen eine analoge Anwendung des § 327 S. 2 a. F., wodurch § 347 Abs. 1 a. F. (infolge einer teleologischen Reduktion) gar nicht zur Anwendung kam.1568 An der ersten Lösung wurde jedoch kritisiert, dass mit einem „Verstoß gegen die Sorgfalt im eigenen Interesse“ o.ä. beim gesetzlich begründeten Rücktritt und bei der Wandelung vor der Kenntniserlangung vom Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen allenfalls eine Wertersatzpflicht des Wandelungs-/Rücktrittsberechtigten, nicht aber dessen Haftung auf das volle Interesse zu begründen sei.1569 Soweit beim gesetzlichen Rücktritt und der Wandelung die Anordnung der scharfen Haftung zulasten des Rücktritts-/Wandelungsberechtigten von einem Großteil der Literatur als sachwidrig empfunden wurde, wurde in Verallgemeinerung des Rechtsgedankens des § 327 S. 2 a. F. eine Beschränkung der Haftung des herausgabepflichtigen Berechtigten auf dessen Bereicherung befürwortet (so dass insbesondere der Einwand der Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 in Betracht kam).1570   Nach Kenntniserlangung vom Rücktritts-/Wandelungsgrund, jedenfalls ab Rücktrittserklärung bzw. Wandelungsvollzug war hingegen eine Haftung nach allgemeinen Regeln sachgerecht. Sie hätte der Anordnung in § 347 a. F. freilich nicht bedurft.1571 Hinsichtlich dieser Phase bezog sich die Regelung übrigens auch auf die Fälle der wesentlichen Verschlechterung und des Totaluntergangs, die das Rücktrittsrecht und den Wandelungsanspruch nach wirksamer Rücktrittserklärung bzw. Wandelungsvollzug nicht mehr ausschließen konnten1572.

Während der Sachgehalt der Regelung, dass der verschuldete Sachuntergang und eine verschuldete wesentliche Sachverschlechterung dem Käufer zur Last fallen mussten, allgemeine Zustimmung fand und nur über die Anforderungen des Verschuldens gestritten wurde, verhielt es sich bei der Gefahr­tragung im Rahmen der Wandelung gewissermaßen umgekehrt: Die Frage, was Zufall ist, wirft an sich1573 keine Probleme auf; dafür wurde verbreitet bezweifelt, dass es überhaupt sachgerecht sei, den Verkäufer mit der Gefahr zu belasten.1574 1568  Dazu m. w. N.: Kaiser  JZ 2001, 1057 (1063); Komossa  (2007) – Rückabwicklung, S. 81–84. 1569 Dazu: Glass (1959) – Rücktritt, S. 41 ff.; Leser  (1975) – Rücktritt, S. 199 ff.; kritisch dazu Kaiser (2000) – Rückabwicklung, S. 282 ff., die allerdings auch davon ausging, dass das von § 347 a. F. vorausgesetzte Verschulden ein „echtes“ Verschulden sei. Deshalb sollte beim gesetzlichen Rücktrittsrecht und bei der Wandelung die scharfe Haftung gem. § 347 a. F. jedenfalls nicht greifen, bevor der Berechtigte Kenntnis von den tatsächlichen Voraussetzungen der Wandelung/ des Rücktritts erlangt hat oder hätte erlangen müssen, dazu Janssen in: MüKo (2001) – BGB, § 347 Rn. 12 f., 19. 1570  Dazu m. w. N. Kaduk in: Staudinger (1994) – BGB, § 347 Rn. 26; a. A.: Leser (1975) – Rücktritt, S. 204 ff.; Larenz (1987) – SchuldR I, S. 410 f. m. w. N. in Fn. 20. 1571  Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 41; Glass (1959) – Rücktritt, S. 45; Kaiser (2000) – Rückabwicklung, S. 244. 1572 Vgl. Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 16, 19. 1573  Im Ausgangspunkt ist klar, dass die mit der Gefahr belastete Partei die negativen Folgen eines Ereignisses tragen muss, welches die andere Partei nicht zu vertreten hat. Schon deshalb waren die Versuche, § 350 a. F. entgegen seinem klaren Wortlaut sachlich auf bestimmte Ereignisse, etwa Sachuntergang/-verschlechterung infolge des Mangels, einzuschränken, bedenklich. 1574 Vgl. Leser  (1975)  – Rücktritt, S. 191: Das Problem der Rückwirkung tauche mit dem „Zurückspringen der Gefahr“ im Rahmen der Wandelung auch für diesen Teil des Sachschicksals

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Die Kritik am Regelungsmechanismus der §§ 467 S. 1, 350, 351 a. F. konzentrierte sich auf die Situation von Sachbeschädigung oder -zerstörung, die rein zufällig, insbesondere nicht mangelbedingt,1575 und vor der Kenntniserlangung vom Vorliegen der Voraussetzungen des (gesetzlichen) Rücktrittsrechts bzw. der Wandelung geschieht (zufällige anfängliche Unmöglichkeit der Rückgewähr). Es hat nicht an Vorschlägen gemangelt, die Regelung der §§ 467 S. 1, 350 a. F. insoweit zu „korrigieren“.1576

1)  Korrektur- und Umgehungsversuche der Regelung der §§ 350, 351 a. F. Anlass zu einem Höhepunkt der Diskussion1577 über die Sachgerechtigkeit des § 350 a. F. gaben zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs1578 zu Beginn der 1970er Jahre. In den sog. „Gebrauchtwagenfällen“ ging es um den Bereicherungsausgleich nach Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung beim Gebrauchtwagenkauf. Es stellte sich die Frage, ob der Käufer den gezahlten Kaufpreis (in voller Höhe) auch dann kondizieren könne, wenn der Pkw inzwischen (im ersten Fall: in vom Käufer nicht zu vertretener Weise, im zweiten Fall: durch alleiniges Verschulden des Käufers) zerstört worden war und daher nicht zurückgegeben werden konnte. Der BGH bejahte dies im Grundsatz1579 und begründete damit eine Ausnahme von seiner Saldo-Theorie1580. auf. „Es hat hier nicht zu den technischen Schwierigkeiten geführt, wie die Versuche einer rückwirkenden Begründung des Verschuldens, weil in dem Bereich der Zufallsgefahr das normative Element einer Pflicht, deren Verletzung als Verschulden angesehen werden könnte, keine Rolle spielt. Umso mehr hat der materielle Gehalt der Regelung … Anstoß erregt“. 1575  Zu den in § 350 a. F. vereinigten Fallgruppen, bei denen es um durchaus unterschiedliche Sachlagen geht: Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 9–11, 63; v. Caemmerer in: FS Larenz (1973), 621 (627 ff.). 1576  Dazu im Überblick: Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 12, 56–61; Hager (1982) – Gefahr­tragung, S.  166  ff.; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 264 ff.; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 144 ff.; Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, § 350 Rn. 9–11; dies. (2000) – Rückabwicklung, S. 243 ff.; Thier in: HKK  (2007)  – BGB, §§ 346–359 Rn. 41–45; der Streitstand zur „alten“ Rechtslage wurde auch im Abschlussbericht der Schuldrechtskommission (1992), S. 179 f. sowie in der Reg.-Begr. zum SMG, BT-Drucks. 14/6040, S. 191 f., zusammengefasst. 1577  Flessner NJW  1972, 1777 ff., Flume NJW  1970, 1161 ff.; Honsell MDR 1970, 717 ff.; Diesselhorst JZ 1970, 416 (718 f.); Wieling JuS 1973, 397 ff.; v. Caemmerer in: FS Larenz (1973), 621 ff.; Rietschel LM Nr. 15 zu § 818 Abs. 3 BGB; Weitnauer NJW 1970, 637 ff.; Koppensteiner NJW 1971, 588 ff., 1769 ff.; Kleinheyer JZ 1970, 471 ff.; John MDR 1972, 995 ff.; Herr NJW 1972, 250; Kühne JR 1972, 112; Huber JuS 1972, 439 ff.; ders. JZ 1974, 433 (439); Leser (1975) – Rücktritt, S. 115 ff. m. w. N. 1578  BGH, Urt. v. 08.01.1970, Az. VII ZR  130/68 (=  BGHZ  53, 144) sowie BGH, Urt. v. 14.10.1971, Az. VII ZR 313/69 (= BGHZ 57, 137). 1579  Zu den Einschränkungen, die er im „zweiten Gebrauchtwagenfall“ machte, siehe unten bei Fn. 1636. 1580 Überhaupt nur durch Anwendung der Saldotheorie kommt es zu der quasi-synallagmatischen Verknüpfung der sich gegenüberstehenden Leistungskondiktionen, während sich bei wortlautgetreuer Anwendung des Gesetzes von selbst ergäbe, dass der Ausschluss der einen Kondiktion das Bestehen der anderen unberührt lässt; vgl. dazu Leser (1975) – Rücktritt, S. 213 ff.



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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In der Literatur, welche die Saldotheorie überwiegend ablehnte, in weiten Teilen aber auch mit der gesetzlichen Ordnung der Gefahr­tragung bei der Wandelung „auf Kriegsfuß“ stand, wurde daraufhin kontrovers diskutiert, ob dieses Ergebnis sachgerecht und ob es auf die Rückabwicklung des Kaufs im Rahmen der Wandelung „übertragbar“ sei1581. Denn sofern sich die arglistige Täuschung auf die Beschaffenheit der Kaufsache bezieht, kommt außer der Anfechtung regelmäßig auch eine Wandelung wegen Sachmangels in Betracht. Bemerkenswert ist, dass der BGH die Gefahrverteilung bei der Rückabwicklung nach §§ 812, 818 im ersten „Gebrauchtwagenfall“, bei dem der Käufer den Sachuntergang nicht zu vertreten hatte, ausdrücklich auch mit Verweis auf die bei der Wandlung einschlägigen Wertungen begründete.1582

(a)  Ausdehnung des Verschuldensbegriffs im Rahmen von § 351 a. F. In der Literatur wurde vorgeschlagen, von einem die Wandelung gem. §§ 467 S. 1, 351 a. F. ausschließenden Verschulden des Käufers dann auszugehen, wenn der Sachuntergang yy durch ein (freies) Verhalten des Käufers (Leser1583) bzw. durch irgendein, selbst das sorgfältigste Verhalten verursacht worden sei, das als eine im ei1581  Für die Wandelung ergab diese Lösung sich eigentlich unmittelbar aus dem Gesetz (§§ 467, 350, 351 a. F.). Insoweit ging es in der Diskussion also um die Frage, ob die gesetzliche Regelung zu „korrigieren“ sei. 1582  Der Erwägung, „[i]m Falle der arglistigen Täuschung müsse der Getäuschte ebenso gestellt werden wie beim Rücktritt der zum Rücktritt berechtigte, an der Vertragsauflösung unschuldige Teil“, trat der Senat ausdrücklich bei: „Zwar weicht die Saldotheorie bewußt von den Rücktrittsregeln, insbesondere der Vorschrift des § 350 BGB ab, wonach es dem Rücktritt nicht entgegensteht, wenn der Gegenstand, den der Rücktrittsberechtigte empfangen hat, durch Zufall untergegangen ist. Gerade in dieser Abweichung wird ein Vorzug der Saldotheorie gesehen … Das trifft für ‚normale‘ Bereicherungsfälle auch zu. Aber der Gedanke des Berufungsgerichts, der Betrüger dürfe – auch bei der Abwicklung nach der Anfechtung durch seinen Vertragsgegner – nicht besser stehen als ein Rücktrittsschuldner, leuchtet ein (vgl. hierzu auch schon RGZ 59, 92).“, BGHZ 53, 144 (148). Zum zweiten „Gebrauchtwagenfall“ siehe bei Fn. 1636. 1583  Leser (1975) – Rücktritt, S. 194 ff., 201 ff. Begrenzt werde die verschuldensunabhängige „Einstandspflicht“ des Käufers für von ihm verursachte Sachverschlechterungen und den Untergang, die beim gesetzlichen Rücktritt wie bei der Wandelung bereits im Vertrag begründet sei und durch die Leistungsstörung oder den Sachmangel nur aktualisiert werde, nur durch gewisse Fallgruppen, bei denen anerkanntermaßen der Verkäufer die Gefahr trage („Abgrenzung nach Risikobereichen“, insbesondere Sachbeeinträchtigungen, die durch den Mangel verursacht sind, sowie Sachverlust infolge eines Rechtsmangels, S. 202–204), sowie durch die höhere Gewalt (S. 204). Die eigentliche Begrenzung der Gefahr­tragung des Verkäufers erfolgte nach der Konzeption Lesers (S. 213 ff.) allerdings durch eine modifizierte Anwendung der §§ 323, 324 a. F. auf das Rückgewährschuldverhältnis, wonach bei zufälliger Unmöglichkeit der Rückgewähr der empfangenen Leistung auch die Pflicht des anderen Teils zur Rückgewähr der empfangenen Gegenleistung ausgeschlossen sein sollte, soweit diese bereits erbracht war. Die Gefahrverteilung gem. § 350 a. F. kam dem Käufer in Fällen des Zufalls und der höheren Gewalt demnach nur zu Gute, wenn er den Kaufpreis noch nicht gezahlt hatte. De lege ferenda hielt es Leser für wünschenswert, dem Verkäufer auch insoweit das Risiko abzunehmen.

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genen I­ nteresse getroffene Disposition des Käufers anzusehen sei (v. Caemmerer1584); yy dem Käufer auf eine natürliche Weise zuzurechnen sei (Wolf1585); yy aufgetreten sei, nachdem der Käufer die gelieferte Sache generell für sich zu nutzen begonnen habe (Wieling1586); yy auf einem risikoerhöhenden Verhalten (Larenz1587) oder auf einem übermäßigen (Westermann1588) oder atypischen (Janßen1589) Gebrauch der Sache durch den Käufer beruhe oder wenn er vermeidbar gewesen wäre (Glaß1590).1591 Diese Meinungsvielfalt ist darauf zurückzuführen, dass der in § 351 a. F. genannte Begriff des „Verschuldens“ des Wandelungsberechtigten so deutungs- und wertungsoffen erschien und sich deshalb als „Einfallstor“ für Vorschläge zur Korrektur 1584  FS Larenz (1973), 621 (629 ff., 632, 634): Ggf. übernehme der Käufer das Risiko des Einsatzes der Sache: „Der Käufer eines Wagens fährt mit ihm auf sein eignes Risiko“. Der Verkäufer trägt das Risiko der Verschlechterung und des Untergangs demnach nur in einem Restbereich: Brand, Erdbeben, Überschwemmung oder Diebstahl, sofern den Käufer kein Verschulden trifft. 1585  AcP 153 (1954), 97 (137 f., 141) „Verschulden“ in § 351 (a. F.) meine „daß die Veränderung durch ein Verhalten des Rücktrittsberechtigten verursacht sein muß, welches hinsichtlich des ‚natürlichen‘ Erfolges vorsätzlich oder fahrlässig war. Einer Rechts- und Pflichtverletzung bedarf es dazu nicht“. Abzugrenzen von dem Verschulden seien lediglich „außermenschliche Vorgänge“, die zum Sachuntergang oder zu einer wesentlichen Verschlechterung geführt haben. Ähnlich auch noch Huber JZ 1972, 433 (439): „‚Verschulden‘ im Sinne des § 351 liegt also dann vor, wenn der Käufer den Untergang der Sache durch eine eigene Handlung (seiner selbst oder seiner Leute) verursacht hat, dagegen nicht, wenn die Sache durch Zufall untergegangen ist…“ Huber hat diese Formulierung später aber nicht wiederholt, sondern betont, dass der (sachgemäße) Gebrauch der erworbenen Sache als solcher niemals schuldhaft sei, so dass die bloße Verursachung des Untergangs den Tatbestand des § 351 a. F. nicht erfülle. Auch wenn sich im Untergang der erworbenen Sache eine besondere Betriebsgefahr realisiere, sei kein Verschulden des Käufers i. S. von § 351 a. F. anzunehmen. Die Wandelung sei dann jedoch gem. § 351 a. F. analog ausgeschlossen. Zum Ganzen Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 22–24, 56–60 mit Fn. 8); dazu auch noch bei und nach Fn. 1601. 1586  Jus 1970, 397 (399): „Das Verschulden i. S. des § 351 ist also dahin zu verstehen, daß beim Untergang der Sache nicht mehr zurücktreten darf, wer die Gefahr der Sache übernommen hat. Wer also eine Sache endgültig wie ein Eigentümer übernommen hat, wird beim Untergang i. d. R. nicht mehr zurücktreten können.“; zust. Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 178 f.; ablehnend Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 99 f. mit Fn. 149 f., S. 104 f. mit Fn. 163. 1587  SchuldR I (1987), S. 409 f. mit der Einschränkung, dass risikoerhöhendes Verhalten kein Verschulden i. S. von § 351 a. F. begründe, wenn es sich dabei um den im Vertrag vorausgesetzten Gebrauch handelt (das verkehrsgerechte Fahren mit dem gekauften Auto ist demnach nicht „schuldhaft“), dazu (kritisch) Huber in: Soergel (1991) – BGB § 467 Rn. 57, 60. 1588  MüKo (1995) – BGB, § 467 Rn. 4; dazu (kritisch) Huber in: Soergel (1991) – BGB § 467 Rn. 24, 54. 1589  MüKo (2001) – BGB, § 351 Rn. 9; dazu (kritisch) Huber in: Soergel (1991) – BGB § 467 Rn. 24, 54. 1590  Rücktritt (1959), S. 38–41. 1591  Zu diesen Ansichten: Janssen in: MüKo (2001) – BGB, § 351 Rn. 6; Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, § 351 Rn. 20; dies. (2000) – Rückabwicklung, S. 256 f.; Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 457 Rn. 60; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 179, 182 ff.; Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 102 mit Fn. 158.



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der Regelung des § 350 a. F. anbot. Die Offenheit des Begriffs rührte daher, dass der Käufer jedenfalls1592 vor Kenntniserlangung von der Mangelhaftigkeit der gelieferten Sache niemandem (außer sich selbst) gegenüber im Umgang mit dieser Sache für die Einhaltung eines bestimmten Sorgfaltsmaßstabs einzustehen hat oder überhaupt zur Sacherhaltung verpflichtet ist.1593 Mit der Rückwirkung des Rücktritts und der Wandelung waren gewisse „Denkschwierigkeiten“1594 im Zusammenhang mit der Haftung („Haftung für „rückwirkendes Verschulden“?) und der Gefahr­tragung („Zurückspringen der Gefahr“?) hinsichtlich der empfangenen Sache verbunden. Denn im Nachhinein musste so getan werden, als sei der Leistungsempfänger zu einer bestimmten Sorgfalt im Umgang mit der empfangenen Sache verpflichtet gewesen und als sei die Gefahr nicht vor allem deshalb, weil er mit der Sache nach Belieben umgehen kann, bereits wirksam und endgültig auf ihn übergegangen.1595   Problematisch war die Definition des Verschuldensbegriffs nicht nur bei § 351 a. F., sondern auch im Rahmen von § 347 a. F.1596 In der Literatur herrschte die Ansicht vor, dass die Verschuldenshaftung als solche erst ab Entstehung des Rücktritts- oder Wandelungsrechts bzw. ab dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung von dem Rücktritts- oder Wandelungsgrund eingreife. Dadurch blieb freilich im Unklaren, welcher Haftungsmaßstab jedenfalls für unwesentliche Verschlechterungen und den Untergang eines unwesentlichen Teils, die von § 351 a. F. nicht erfasst waren, bis zu diesem Zeitpunkt anzulegen sei. Die Rechtsprechung und der übrige Teil der Literatur wichen auf einen alternativen (objektiven) Verschuldensbegriff aus, der von der Kenntnis vom Rücktritts-/Wandelungsgrund unabhängig war. Den Maßstab sollte die „Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters“ vorgeben, welche einen „wirtschaftlich verständigen Gebrauch“ der Sache, die der Rücktrittsberechtigte bei sich behält, gebiete.

Nicht nur in seinen Voraussetzungen wich das Verschulden des Rücktritts-/Wandelungsberechtigten aber von der Dogmatik des haftungsrechtlichen Verschuldens 1592  Auf

die Phase nach Erklärung des Rücktritts bzw. Vollzug der Wandelung bezog sich die Vorschrift ohnehin nicht; insoweit setzte sich der Streit freilich in der Diskussion um die Anforderungen an das zur Haftungsbegründung gem. §§ 347 Abs. 1, 989 (a. F.) notwendige Verschulden fort. 1593  Zu der Diskussion über die Anforderungen an das „Verschulden gegen sich selbst“ (Verschulden „im natürlichen Sinne“, „Außerachtlassung der im eigenen Interesse zu beachtenden Sorgfalt“) gem. § 351 a. F. siehe den Überblick bei: Janssen in: MüKo (2001) – BGB, § 350 Rn. 6, § 351 Rn. 5 f.; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 151, 179 f., 183 ff.; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 43 f.; Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, § 350 Rn. 19 ff., dies. (2000) – Rückabwicklung, S. 260 ff., die der Meinung war, dass mit „Verschulden“ bei § 351 a. F. dasselbe gemeint sei wie in § 276 (a. F.); die Schwierigkeiten hingen vielmehr an der Frage nach den Pflichten, die den Rückgewährschuldner vor der Rücktrittserklärung bzw. dem Wandelungsvollzug treffen; ähnlich Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 18 ff. 1594  Werner in: Staudinger (1930) – BGB, § 351 Anm. I. 2.a); Kaduk in: Staudinger (1994) – BGB, § 351 Rn. 20. 1595  Die folgende Darstellung ist angelehnt an die Darstellung von Leser (1975) – Rücktritt, S. 179 ff., siehe dort auch für weitere Nachweise. Siehe außerdem zur Entwicklung des Meinungsstands zum Verschuldensbegriff des § 351 a. F.: Kaiser (2000) – Rückabwicklung, S. 255 ff.; dies. in: Staudinger (2001) – BGB, § 351 Rn. 17–22; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 151, 179, 182 ff., insb. 187. 1596  Zum Zusammenspiel der beiden Vorschriften bereits oben bei und nach Fn. 1567.

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ab. Auch seine Folgen – keine Haftung, sondern Ausschluss des Rücktritts- bzw. Wandelungsrechts – waren atypisch. Deshalb spielte die Diskussion über den Begriff des (rückwirkenden) Verschuldens des Rücktritts-/Wandelungsberechtigten sich hauptsächlich in der Auslegungsgeschichte des § 351 a. F. ab, dessen „atypische“ Rechtsfolge mehr Freiheit bei der Entwicklung zuließ als die Formel von der Verpflichtung zum Schadenersatz bei Verschulden gem. § 347  a. F. In diesem Zusammenhang setzte sich bald der von Zitelmann geprägte Begriff1597 des „Verschuldens gegen sich selbst“ durch, der Parallelen zum Begriff des (Mit-)Verschuldens des Geschädigten gem. § 254 a. F. aufweist,1598 auf § 347 a. F. jedoch nicht ohne weiteres übertragbar war. Dies führte dazu, dass der Zusammenhang von § 347 a. F. und § 351 a. F. zerrissen wurde. Erforderlich war demnach eine Art Obliegenheitsverletzung, Anknüpfungspunkt war jedenfalls ein für den Untergang oder die Verschlechterung kausales Verhalten, das irgendwie zu missbilligen war (unsorgfältig, risikoerhöhend etc.). Von dort aus war es nur noch ein kleiner Schritt dahin, § 351 a. F. als besonderen Anwendungsfall des Verbots rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) zu verstehen, der, losgelöst von jeglicher Verschuldensdogmatik, als reines Billigkeitsinstrument zur Einschränkung der Regelung des § 350 a. F. dienen konnte.1599

Der Unterschied zwischen den Ansichten, die beim „Verschulden“ i. S. von § 351 a. F. von der Verursachung der Verschlechterung oder des Untergangs (ggf. durch eine bestimmte Art des Gebrauchs) ausgingen, und der Ansicht, die insbesondere von Wieling (ähnlich auch von v. Caemmerer) vertreten wurde, bestand darin, dass erstere über den Topos der Tatherrschaft des Käufers bezüglich des konkreten Sachuntergangs zumindest ansatzweise noch von Kriterien der Verschuldensdogmatik ausgingen, während letztere eine Art „Sphärenverantwortlichkeit“ des Käufers für die in seinen „Vermögens(dispositions)bereich“ übernommene Sache anerkennen wollte und § 351 a. F. damit letztlich als Gefahr­tragungsregel (zu Lasten des Käufers) handhabte, die den Anwendungsbereich des unliebsamen § 350 a. F. auf ein Minimum reduzierte.1600 Die einen weiteten also den Bereich des Käuferverschuldens aus, wodurch der Bereich des dem Verkäufer zur Last fallenden Zufalls eingeengt wurde, während die anderen unmittelbar die Gefahrverteilung zulasten des Käufers ändern wollten (und sich damit in Widerspruch zum Gesetz setzten). Einen eigenen Themenkreis bildete in diesem Zusammenhang die Wandelung nach Sachuntergang bei Verwendung von „Sachen mit besonderen Betriebsgefahren“ (insbesondere Kraftfahrzeuge).1601 1597 Dazu Jansen in: HKK (2007) – BGB, § 254 Rn. 43. 1598  Zur Fragwürdigkeit dieses Konzepts: Singer (1993) –

Verbot, S. 25 ff., insb. 36 f.; KaiRückabwicklung, S. 260 f.; dies. in: Staudinger (2001) – BGB, § 351 Rn. 23; Jansen in: HKK (2007) – BGB, § 254 Rn. 47. 1599  Dazu auch Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 43. 1600  Vgl. dazu: Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 187 f.; Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 102 mit Fn. 158 (durch eine weite Auslegung des Verschuldens im Sinne des § 351 a. F. werde die Vorschrift des § 350 a. F. weitgehend ins Gegenteil verkehrt), S. 104 f. mit Fn. 163. 1601  Dazu im Überblick Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 56–58; Reinking/Eggert (2000) – Autokauf, S. 288 (Rn. 762); Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 189–191; Kaiser in: ser (2000) –



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Freilich steckte auch hinter den Ansätzen, das Verschulden des § 351 a. F. mit der Verursachung des Sachuntergangs gleichzusetzen bzw. qualifizierte Anforderungen an diese Verursachung zu stellen (übermäßiger, atypischer oder risikoerhöhender Gebrauch etc.), weniger der Versuch, den Verschuldensbegriff aus sich selbst heraus zu entfalten, als vielmehr das Anliegen, die Regelung des § 350 a. F. zumindest in bestimmten Fällen zu neutralisieren. Dabei ging es um solche Fälle, in denen der Käufer den Sachuntergang nachweislich nicht verschuldet hatte, namentlich um die bereits angesprochenen „Gebrauchtwagenfälle“1602. Vor diesem Hintergrund hat Huber darauf hingewiesen, dass das Problem, das sich bei Sachen mit besonderer Betriebsgefahr, insbesondere Kraftfahrzeugen, stellt, in der Literatur zu sehr verallgemeinert worden sei. Er plädierte dafür, den § 351 a. F. in solchen Fällen analog anzuwenden, anstatt „Verschulden“ in „Verursachung“ umzudeuten und den Anwendungsbereich des § 350 a. F. damit letztlich auf Fälle der „höheren“ Gewalt, welche die Sache auch beim Verkäufer zerstört hätte, und des mangelbedingten Sachuntergangs zu reduzieren.1603

Durch eine extensive oder analoge Anwendung des § 351 a. F., durch die ein Antagonist zu § 350 a. F. (quasi eine „Gegen-Gefahr­tragungsregel“) etabliert werden sollte, ging man einer direkten Auseinandersetzung mit der Grundwertung des § 350 a. F. und damit dem Kern des Problems allerdings nur aus dem Weg.1604

(b)  Einengung der Regelung des § 350 a. F. Deshalb setzten manche Korrekturvorschläge auch unmittelbar bei § 350 a. F. an: So wurde die Meinung vertreten, dass derselben Regelung der Gefahr­tragung, die für die Durchführung eines gegenseitigen Vertrages gelte, auch bei dessen Rückabwicklung Geltung zu verschaffen sei, und zwar durch (entsprechende) Anwendung der §§ 275, 323 a. F. auch auf das Rückgewährschuldverhältnis (Wolf1605). Staudinger (2001) – BGB, § 351 Rn. 45–49. In Bezug auf Kraftfahrzeuge wird im Zusammenhang des reformierten Rücktrittsrechts vor allem darüber gestritten, ob und inwieweit sich der Rücktrittsberechtigte auf die Einhaltung der eigenüblichen Sorgfalt gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 berufen könne, wenn der Pkw, wegen dessen Mangel er von dem Kaufvertrag zurücktritt, bei einem Unfall im Straßenverkehr zerstört worden ist. Dazu m. w. N. Gaier in: MüKo (2012) – BGB, § 346 Rn. 56; Stadler in: Jauernig (2014) – BGB, § 346 Rn. 8a; Faust JuS 2009, 481 (487); Bartels/ Kuszlik ZJS 2010, 460 ff. 1602  Dazu oben: B.II.4.c)iii)1) (bei Fn. 1578) und unten: B.II.4.c)iii)3). 1603  Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 57 f., 60. Dazu bereits in Fn. 1585. 1604 Vgl. Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 152, 187 f.; Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 467 Rn. 6: Aus den Bedenken gegen die Billigkeit des § 350  a. F. resultiere das „berechtigte Bestreben, § 350 möglichst eng zu interpretieren. Folgerichtig muß dann der Begriff des Verschuldens in § 351 ausgeweitet werden; einen Zwischenraum zwischen § 350 und § 351 gibt es nicht.“; Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 467 Rn. 4: „Das Verschulden [i. S. von § 351 a. F.] ist gegen den Begriff des ‚Zufalls‘ in § 350 abzugrenzen“; vgl. auch Janssen in: MüKo (2001) – BGB, § 350 Rn. 6, § 351 Rn. 6; Wolf AcP 153 (1954), 97 (137 ff.): Die §§ 351–353 a. F. stellten lediglich die Kehrseite des § 351 a. F. dar. 1605  AcP  153  (1954), 97 (142 ff.): Es seien im „Fall des § 350  … Tatbestand und Sachgedanke des § 323 … unmittelbar gegeben“; ähnlich Leser (1975) – Rücktritt, S. 194–218, jedoch mit „rückabwicklungsspezifischen“ Modifikationen (S. 214 ff.). Vgl. die Kritik dazu bei: Glass (1959) – Rücktritt, S. 21 ff.; Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 467 Rn. 8; dazu auch m. w. N.: Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 168 mit Fn. 18; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 147– 150. Das Argument, dass das Rückgewährschuldverhältnis einem Synallagma gleichzustellen sei,

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Daran wird die Parallele zur Diskussion über die sachgerechte Risikoverteilung bei der (bereicherungsrechtlichen) Rückabwicklung (ex tunc) nichtiger gegenseitiger Verträge besonders deutlich.1606 Es wurde, wie bereits erwähnt, argumentiert, dass von einem – aus Sicht des Käufers – zufälligen Untergang bei der Wandelung nur dann auszugehen sei, wenn der Untergang gerade auf dem Mangel beruht, der zur Wandelung des Kaufvertrages berechtigt („weiterfressender Mangel“, Honsell1607), bzw. Zufall nur anzunehmen sei, wenn der Sachuntergang sich erwiesenermaßen gleichfalls beim Verkäufer ereignet hätte (Schwenn1608). In der Sache ging es dabei um eine teleologische Reduktion des § 350 a. F.1609

(c)  „Ausgleichslösungen“ außerhalb der §§ 350, 351 a. F. Flume wollte – wie bereits angesprochen wurde1610 – zwar den Regelungsmechanismus der §§ 467 S. 1, 350, 351 a. F. unangetastet lassen, im Ergebnis aber über das Bereicherungsrecht korrigierend eingreifen, wenn der Sachuntergang auf einem Einsatz der Sache beruhe, der als vermögensmäßige Entscheidung des Käufers zu qualifizieren sei. Wenn der Käufer die verkaufte Sache „im Tausch“ gegen sein Geld, den Kaufpreis, in sein Vermögen und seinen Besitz übernehme, liege darin die Entscheidung, die Sache auf eigene Gefahr für sich zu haben und zu nutzen. An dieser Entscheidung müsse er sich – ohne Rücksicht auf die Wirksamkeit des Vertrages – festhalten lassen, es sei denn, sie sei ihm ausnahmsweise einmal nicht zuzurechnen (eine Ausnahme sollte hinsichtlich der Gefahr­tragung für das bloße Haben insbesondere in Fällen der arglistigen Täuschung gelten)1611. Deshalb sollte der Verkäufer, der im Falle des zufällig beim Käufer aufgetretenen Sachuntergangs im Rahmen der Wandelung den gesamten Kaufpreis erstatten musste, ohne die gelieferte Sache zurück zu erhalten, den Wert der Sachleistung (bis maximal zur kam bereits in den Beratungen des BGB auf und wurde von der Mehrheit der Gesetzesverfasser abgelehnt; dazu oben m. w. N. bei Fn. 1547. 1606 Hierbei plädierte insbesondere Leser (1956) – Faktisches Synollegma, S.  44  ff.; ders. (1975) – Rücktritt, S. 112 ff. für eine analoge Anwendung der §§ 275, 323, 324 a. F. (statt der Saldotheorie), zustimmend Wieling JuS 397 (397 mit Fn. 2); dazu auch Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 149 f.; Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 45. 1607 JuS 1982, 810 (814); ders. in: Staudinger (1995) – BGB, § 467 Rn. 8; ders. in: FS Hattenhauer (2003), 245 (252 f.). 1608  AcP 152 (1952/53), 138 (150 ff.). Diese Überlegung kam bereits in den Beratungen der Gefahr­tragung bei Rücktritt und Wandelung durch die Zweite BGB Kommission auf, wurde aber von der Mehrheit verworfen, weil sie der Meinung war, dass es im Einzelfall schwer zu beurteilen sei, ob der Untergang sich auch bei der anderen Vertragspartei ereignet hätte; dazu bereits bei Fn. 1548, 1549; kritisch zu dem Argument der Mehrheit der Zweiten Kommission: Schwenn a. a. O. (152 f.). 1609  Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 146. 1610  Dazu oben: B.II.4.a)iii)2). 1611  Das leuchtet ein, denn der wegen arglistiger Täuschung anfechtende Käufer kann nicht schlechter stehen als derjenige, der wegen eines Sachmangels „nur“ Wandelung des Kaufvertrages verlangt. Dazu Flume AcP 194 (1994), 427 (445 mit Fn. 47) mit Verweis auf Canaris in: FS Lorenz (1991), 19 (26); vgl. Flessner NJW 1972, 1777 (1780). Siehe auch in Fn. 1582 (BGH).



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Höhe des Kaufpreises) beim Käufer kondizieren dürfen, ohne dass dieser sich wegen des Sachuntergangs auf Entreicherung (§ 818 Abs. 3) berufen könne. Flume wurde häufig als Befürworter der Regelung der §§ 350, 351 a. F. genannt und seine „Lehre von der vermögensmäßigen Entscheidung“ (auch: „Willensentscheidungstheorie“) lediglich auf den Bereicherungsausgleich nach erfolgtem Leistungsaustausch aufgrund eines nichtigen Austauschvertrags bezogen.1612 Dadurch entsteht der Eindruck, er habe eine Leistungskondiktion des Verkäufers in Höhe des Kaufpreises nur für den Fall befürwortet, dass die Kaufsache aufgrund eines (gem. § 142 ex tunc) nichtigen Kaufvertrages geleistet wurde. Tatsächlich sollte dies nach Flumes Auffassung jedoch ausdrücklich nicht nur für den Fall der Nichtigkeit des Vertrages gelten, mit der die verbindliche Planung des Leistungsaustauschs durch die Parteien einschließlich der Gefahr­tragung hinfällig werde, sondern auch für den „Normalfall“ der Rückabwicklung wegen Wandelung. Die Gefahr­tragung im Rahmen der Wandelung gehöre zwar zur Gewährleistungshaftung des Verkäufers. Dies schließe es jedoch nicht aus, dass der Käufer bei einem Einsatz der Kaufsache für die mit diesem Einsatz verbundene Gefahr des Untergangs oder der Verschlechterung auch ohne Verschulden bis zur Höhe der Gegenleistung aus ungerechtfertigter Bereicherung hafte, ohne sich auf den Wegfall der Bereicherung berufen zu können.1613

Andere suchten bei der Wandelung „jenseits der Fälle echten Zufalls“ den Ausgleich über eine Wertersatzpflicht des Käufers, dem die geleistete Sache zwischen ihrem Empfang und der Kenntniserlangung von der Wandelungsmöglichkeit untergegangen war, wie sie im Gesetz in § 487 Abs. 2, 3 a. F. für den Viehkauf ausdrücklich vorgesehen war.1614 1612  Vgl. etwa Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 103 mit Fn. 59 einerseits und S. 104 mit Fn. 162 andererseits. 1613  Flume NJW 1970, 1161 (1166); ders. AcP 193 (1993), 427 (445 mit und bei Fn. 46). – Deshalb geht die Kritik von Reinhardt  (1998) – Gefahr­tragung, S. 104 mit Fn. 162 an Flumes Lehre jedenfalls insoweit fehl, als es heißt, die vermögensmäßige Entscheidung des Käufers sei unbeachtlich, weil sie aufgrund der Unwirksamkeit des Vertrages auf falschen Annahmen beruhte und weil die Planung der Parteien auch in Bezug auf die Gefahrverteilung zusammenbreche, wenn der Vertrag sich als nichtig herausstelle. Denn Flumes Lösung baute auf der Überlegung auf, dass der Käufer, der die Sache habe (beachte die Einschränkung hinsichtlich des bloßen Habens in Fn. 1123 und 1124), nutze, verbrauche, zerstöre etc., dies zwar in der (zutreffenden) Annahme tue, als Eigentümer in seiner Entscheidung über den Sacheinsatz frei zu sein, dabei aber wisse, dass er sich diese Freiheit „erkauft“ habe, weil ihm das Eigentum gegen die Zahlung des Kaufpreises übertragen wurde. Die (zurechenbare) Entscheidung, die Kaufsache als Vermögensteil statt des Kaufpreises zu haben, sie (auf eigenes Risiko) gegen Einsatz des Kaufpreises haben zu können, sei von der Wirksamkeit des Kaufvertrages unabhängig (vgl. Flume in: FS Niedermeyer (1953) 103, 165 f.). Den Kaufpreis müsse der Käufer daher abschreiben, es sei denn, die Entscheidung sei ihm im Einzelfall ausnahmsweise nicht zuzurechnen. Am ehesten ließ sich dagegen noch einwenden, dass es sich allein um eine Frage der Gefahr­tragung handele, die für die Wandelung und den Rücktritt in den §§ 350, 351 a. F. abschließend geregelt sei; vgl. die Kritik von Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 12 mit Fn. 44, Rn. 14a, 60 mit Fn. 19, Rn. 66: für eine Anwendung der Vorschriften des Bereicherungsrechts sei im Fall der Wandelung kein Raum. Bemerkenswert ist, dass Flumes Ansicht bei Huber JuS 1972, 439 (444 f.) noch Zustimmung fand. 1614  Esser/Schmidt (2000) – SchuldR I. 2, S. 133 f. mit Verweis auf Glass (1959) – Rücktritt, S. 41 ff. und Leser (1975) – Rücktritt, S. 199 ff. Allerdings bezog Glaß sich auf die gem. §§ 351, 347 a. F. bei Verschulden angeordnete Ersatzleistung und vertrat nicht die Meinung, dass der Käu-

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Der historische Gesetzgeber war der Meinung gewesen, dass beim Viehkauf eine Minderung nicht praktikabel, da im Einzelfall zu schwierig zu berechnen sei. Weil der Käufer daher dann, wenn das gekaufte mangelhafte Vieh inzwischen eine von ihm zu vertretende zusätzliche Verschlechterung erlitten hatte, bei Ausschluss der Wandelung nicht auf den „kleineren“ Rechtsbehelf verwiesen werden konnte, wurde die Wandelung in diesem Fall gegen Ausgleich des Wertverlustes, der die Folge der schuldhaften Verschlechterung war, zugelassen.

2)  Befürworter der gesetzlichen Regelung Der andere Teil der Literatur fand die Gefahrbelastung des Verkäufers jedenfalls und gerade im Fall der Wandelung (§§ 467 S. 1, 350 a. F.) angemessen (und sah auch keinen indirekten „Korrekturbedarf“ über das Bereicherungsrecht).1615 Es ist nicht verwunderlich, dass Befürworter der Gefahrbelastung des Verkäufers nicht gerade zu einer weiten Auslegung des Begriffs des Verschuldens in § 351 a. F. neigten.1616

(a)  Rechtfertigung der Gefahrbelastung des Verkäufers Die Befürworter der gesetzlichen Regelung verwiesen darauf, dass die gegenteilige, ebenso einseitige Lösung (Gefahrbelastung des Rücktrittsberechtigten/ Käufers) auch nicht durchweg angemessen wäre; die vom Gesetz vorgeschriebene (wenn auch nicht immer befriedigende) Lösung könne nicht durch eine Lösung ersetzt werden, die in ihrem Gerechtigkeitsgehalt ebenfalls nicht überzeuge.1617 In einer Situation, in der es zwangsläufig zu Härten kommen müsse, weil keine Partei den Sachuntergang verschuldet hat, er aber einer Partei zur Last fallen muss,1618 sei es immer noch am überzeugendsten, demjenigen den wirtschaftlichen Verlust zuzuweisen, der Anlass zum Scheitern des Vertrages gegeben habe.1619 Und das ist fer für die zufällige Verschlechterung Wertersatz zu leisten habe; kritisch dazu Kaiser (2000) – Rückabwicklung, S. 284. 1615 Laut Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 165 f. handelte es sich um die herrschende Meinung, Flume NJW 1970, 1161 (1165 mit Fn. 34) hielt dagegen die Gegenmeinung für herrschend. Siehe die Nachweise bei: Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 165 f. mit Fn. 11; Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 102 mit Fn. 157 („Ein ebenso großer Teil der Literatur…“); Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 145 mit Fn. 6 f., Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, § 350 Rn. 12 a. E.; Janssen in: MüKo (2001) – BGB, § 350 Rn. 5 mit Fn. 7; Leser  (1975) – Rücktritt, S. 193 mit Fn. 147 a. E. i. V.m. S. 115 mit Fn. 56. 1616  Dazu unten: B.II.4.c)iii)2)(b). 1617  Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, § 350 Rn. 11 a. E., die als einzig gerechte Lösung beim zufälligen Sachuntergang „Rücktritt gegen Wertersatz“ ansah, diesen Weg unter dem BGB von 1900 aber für nicht gangbar hielt. 1618  Es wurde bereits einleitend darauf hingewiesen, dass es sich um ein Problem handelt, für das es keine apriorisch richtige Lösung gibt; siehe oben: A.3 (bei Fn. 62). 1619  Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 168; Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 11, 19; Flessner NJW 1972, 1777 (1780 f.); Rabel (1958) – Warenkauf II, S. 247; Westermann in: Erman (2002) – BGB, § 350 Rn. 2; Diesselhorst (1968) – Natur der Sache, S. 76 sah die Zuweisung der Gefahr zum mangelhaft leistenden Verkäufer ausdrücklich darin begründet, dass der „Vertrags-



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in der Situation der Wandelung der Verkäufer, der vertragswidrige Ware geliefert hat (im Gegensatz zum Käufer, der voll erfüllt hat oder wenigstens dazu bereit war). Beim Kauf gehöre es außerdem zur Gewährleistungspflicht des Verkäufers, im Rahmen der Wandelung die Gefahr zu tragen.1620 Es sei ferner nicht ersichtlich, warum der Käufer das Risiko für den Untergang einer Sache tragen solle, die nicht (auf Dauer) zu seinem Vermögen gehört, die er dem Verkäufer vielmehr zurückgegeben hätte (wenn sie nicht untergegangen wäre).1621 Bei einem „unter der Möglichkeit des Rücktritts oder der Wandelung stehenden Kaufvertrag“ bleibe die verkaufte Sache „wirtschaftlich noch der Vermögenssphäre des Verkäufers zugeordnet“, weil der Gefahrübergang gem. §§ 446, 447  (a. F.) einen „gültigen und bestehenden Kaufvertrag“ voraussetze.1622 Aus demselben Grund werde es schließlich auch nicht als anstößig empfunden, dass der Verkäufer jedenfalls nach der Geltendmachung der Wandelung durch den Käufer die Gefahr der mangelhaften Sache (wieder) zu tragen habe; die Gefahr­tragung könne aber  – vor allem weil die Wandelung es dem Käufer ermöglichen solle, sich wieder von der geleisteten Sache zu trennen und den Einsatz des Kaufgeldes gleichsam erneut wagen zu dürfen – nicht von dem zufälligen Umstand abhängen, ob erst der Mangel entdeckt und die Wandelung verlangt oder erst das schädigende Ereignis eingetreten war.1623 Mit Verweis auf die (vermeintliche) ratio legis des § 446 (a. F.), dass die Gefahr übergehe, wenn und weil die verkaufte Sache mit der Übergabe in das Vermögen des Käufers übertragen werde, wurde das „Rückspringen“ der Gefahr auch damit begründet, dass mit dem Rücktritt bzw. mit der Wandelung „der Leistungsgegenstand nicht mehr dem Käufervermögen, sondern dem Vermögen des Verkäufers zugeordnet“ sei.1624 fehler“ in seiner „Sphäre“ lag; vgl. ders. JZ 1970, 416 (419 mit Fn. 14). Diese Begründung klingt bereits in v. Kübels Motiven zu seiner Vorlage zum Kauf mit Vorbehalt der Reue an. Der Redaktor meinte, dass eine Belastung des Verkäufers mit der Sachgefahr nicht sachgerecht sei, wenn der Vertragsaufhebung dabei keine Pflichtwidrigkeit des Verkäufers zugrunde liege; siehe dazu oben bei Fn. 1524 sowie Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 29, 51. 1620 So Flume AcP 194 (1994), 427 (445), der allerdings betonte, dass die Gewährleistungspflicht bei Nichtigkeit des Vertrages gerade nicht gelte. Vgl. auch Müller-Teckhof (2008) – Gefahr­tragung, S. 162 f. Mit dem Argument, dass der Verkäufer bei der Wandelung die Gefahr des zufälligen Sachuntergangs tragen müsse, weil dies zum Inhalt seiner garantiemäßigen Gewährleistungspflicht gehöre, begründete übrigens schon v. Kübel seinen Regelungsvorschlag der Sachmängelhaftung in der Vorlage TE-OR (Nr. 20); Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 419, dazu Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 113. Siehe bereits: B. II.4.c)ii)5)(a)(i). 1621  Reinicke/Tiedtke (1997) – Kaufrecht, S. 152 f.: „Gewiß wäre der Wagen auch durch den Unfall untergegangen, wenn er den Mangel nicht gehabt hätte; der Mangel hat mit dem Unfall nichts zu tun. Dann hätte [der Käufer] aber auch einen fehlerfreien Wagen gehabt, der endgültig zu seinem Vermögen gehört und den er behalten hätte.“ 1622  Weitnauer NJW 1970, 637 (638); vgl. ders. NJW 1967, 2314. 1623  Flessner NJW 1972, 1777 (1780). 1624  Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, § 350 Rn. 12 f.; dies. (2000) – Rückabwicklung, S. 264 f.; Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 100 f.

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Auch ein Vergleich zu Gattungsschulden wurde gezogen, bei denen die Gefahr auch nur dann übergehe, wenn der Schuldner vertragsgemäße Ware geleistet habe.1625 Die Gefahr­tragungsregel des § 446 (a. F.) solle nur den vertragstreuen Verkäufer begünstigen.1626 Schließlich wurde darauf verwiesen, dass die Gesetzesverfasser alternative Regelungskonzepte eingehend diskutiert, aber in der Mehrheit abgelehnt haben; von daher sei die Entscheidung des Gesetzgebers zu respektieren und nicht durch „Korrekturen“ zu umgehen.1627

(b)  Auslegung des Verschuldens-Begriffs in § 351 a. F. Auch wer es an sich sachgerecht fand, dass der Verkäufer/Rücktrittsgegner gem. § 350 a. F. mit dem Risiko des zufälligen Untergangs der an den Käufer gelieferten Sache belastet war, musste freilich Stellung dazu nehmen, was mit „Verschulden“ gem. § 351 a. F. gemeint sei, und musste eine Formel entwickeln, die jedenfalls nicht auf einer Pflichtwidrigkeit gegenüber dem Verkäufer aufbaute.1628 Tendenziell lässt sich beobachten, dass die Definition des Verschuldensbegriffs des § 351  a. F. desto eher in Übereinstimmung mit dem Maßstab des „technischen“ Verschuldens gem. § 276 (a. F.) erfolgte, je eher man die Gefahr­tragungsregel des § 350 a. F. als solche und damit die Belastung des Verkäufers im vollen Umfang des Zufalls zu akzeptieren bereit war. Am weitesten ging, soweit ersichtlich, Kaiser.1629 Sie fand die Gefahr­ tragungsregel des § 350 a. F. konsequent und gerecht1630 und war der Meinung: „Hinsichtlich des Verschuldensbegriffs [des § 351 a. F.] bestehen keine Besonderheiten: Wie auch sonst meint das Gesetz mit ‚Verschulden‘ in § 351 technisches Verschulden im Sinne der §§ 276, 278“1631. Richtigerweise sei nicht zu fragen: „Was ist Verschulden im Sinne des § 351?“, sondern „Welche Pflichten treffen den Rücktrittsberechtigen mit Blick auf die spätere Rückgabe des erhaltenen Leistungsgegenstandes?“. Die Schwierigkeit liege darin, die Pflichten, die den Rückgewährschuldner vor Rücktrittserklärung und Wandelungsvollzug treffen, zu bestimmen. Es gebe aber durchaus auch „vorgreifliche Rücksichtnahmepflichten“. Es komme darauf an, ob der Berechtigte von der grundsätzlichen Möglichkeit des Rücktritts oder der Wandelung wisse, also konkrete Kenntnis davon habe, dass es zum Rücktritt oder zur Wandelung und infolgedessen zur Entstehung einer Rückgewährpflicht kommen könnte, und die Umstände kenne, die ihn zum Rücktritt oder zur Wandelung berechtigen würden.1632 1625 

Diesselhorst (1968) – Natur der Sache, S. 76. Diesselhorst (1968) – Natur der Sache, S. 76; Glass (1959) – Rücktritt, S. 28 f.; dazu bereits: B.II.4.a)i)1). 1627  Westermann in: Erman (2000) – BGB, § 350 Rn. 2; Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 12 a. E.; Flessner NJW 1972, 1777 (1780). 1628  Dazu noch unten: B.II.4.c)v)1). 1629  Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, § 350 Rn. 19 ff., § 351 Rn. 26 ff. 1630  Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, § 350 Rn. 19 ff., § 351 Rn. 23 f. 1631  Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, § 351 Rn. 29. 1632  „Darf der Rücktritts- oder Wandelungsberechtigte, der seine potentielle Rückgewährpflicht kennt, von der Sache den vertragsgemäßen Gebrauch machen, ohne daß darauf beruhende 1626 



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3) Bundesgerichtshof Die Rechtsprechung sah keinen Bedarf, die Regelung der §§ 467 S. 1, 350 a. F. sachlich zu korrigieren, kam dem Verkäufer jedoch ganz pragmatisch durch eine Beweislastumkehr gem. § 282 a. F. analog zur Hilfe: Der Käufer trug die Beweislast dafür, dass der Sachuntergang nicht auf seinem Verschulden beruht.1633 Außerdem sollte bei Wandelung des Kaufs trotz zufälligen Sachuntergangs beim Käufer der Verkäufer gem. § 281 a. F. statt der untergegangenen Sache ggf. das stellvertretende commodum, insb. eine Versicherungsleistung fordern dürfen.1634 Was den Ausschluss des Rücktrittsrechts/Wandelungsanspruchs wegen einer in der Phase vor dem Rücktritts-/Wandelungsereignis erfolgten Beschädigung oder Zerstörung der zurück zu gewährenden Sache gem. §§ 467 S. 1, 351 a. F. anging, argumentierten die Gerichte vor allem mit einer von Verschuldenserwägungen weitgehend unabhängigen Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung.1635 Im zweiten „Gebrauchtwagenfall“, in dem der arglistig getäuschte Käufer die Zerstörung des Pkw allein verschuldet hatte, meinte der BGH (freilich ohne auf die Wandelung oder den Verschuldensbegriff des § 351 a. F. abzustellen): „Die besondere Eigenart des vorliegenden Falls liegt darin, daß der Kläger die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erst erklärt hat, nachdem er den Kraftwagen durch eigenes Verschulden vollständig zerstört hatte. Dabei betraf die arglistige Täuschung hier einen nach den Umständen nicht besonders bedeutenden Punkt. Bei dieser Sachlage kann es namentlich dann, wenn das Verschulden des Klägers am Untergang der Kaufsache besonders grob sein sollte, durchaus so liegen, daß der Kläger hier die ihm aus seiner Anfechtung zugefallenen Ansprüche im Übermaß, also in unzulässiger Weise ausübt, wenn er die volle Gefahr der Kaufsache ganz dem Beklagten aufbürden will. Deshalb ist hier gemäß § 242 BGB eine Abwägung vorzunehmen unter Berücksichtigung der Täuschungshandlung des Beklagten… einerseits und des schuldhaften Handelns des Käufers bei der Verursachung des Unfalls

Verschlechterungen usw. Rücktritt oder Wandelung ausschließen, kann vor dieser Kenntnis keinesfalls ein stärkerer Pflichtenmaßstab gelten. Vielmehr ist das Maß der gegenüber dem Vertragspartner bestehenden Sorgfaltspflichten dahin herabzusetzen, daß dem Berechtigten jeder dem Vertragszweck entsprechende Umgang mit der Sache gestattet ist: Anders als nach Kenntnis ist er nicht auf den vertragsgemäßen Gebrauch beschränkt, sondern darf die Sache auch verbrauchen oder veräußern, wenn dies dem Vertrag entspricht…“; Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, § 351 Rn. 44. Ausführlich zum Ganzen: Dies. (2000) – Rückabwicklung, S. 260 ff. 1633 Siehe die Nachweise bei Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 12 mit Fn. 41, Rn. 31, Rn. 56 mit Fn. 6; Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, § 350 Rn. 13; Janssen in: MüKo (2001) – BGB, § 350 Rn. 8; Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 264; vgl. auch v. Caemmerer in: FS Larenz (1973), 621 (631). 1634  Janssen in: MüKo (2001) – BGB, § 350 Rn. 8; Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, § 350 Rn. 13; Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 62. 1635 Dazu m. w. N.: Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 43 a. E. sowie Kaiser (2000) – Rückabwicklung, S. 257 f.; dies. in: Staudinger (2001) – BGB, § 351 Rn. 22, wonach der BGH diese Interessenabwägung zunächst unter § 351 a. F. subsumiert, sie später auf § 242 gestützt und § 351 a. F. insoweit als einen Sonderfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens i. S. des § 242 angesehen und zuletzt nur noch unter dem Topos der Verwirkung zwecks Ausschluss der Wandelung/des Rücktritts geprüft habe, ohne § 351 a. F. überhaupt noch zu erwähnen.

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andererseits. Auf Grund dieser Abwägung ist zu entscheiden, inwieweit der Verlust des Fahrzeugs dem Käufer oder dem Beklagten zur Last zu legen ist.“1636

4)  Evaluation des Streits über die Sachgerechtigkeit und rechtspolitische Angemessenheit der Gefahrbelastung des Verkäufers bei der Wandelung Hager1637 brachte auf den Punkt, worum es bei dem Streit um die rechtspolitische Angemessenheit der Regelung des § 350 a. F. ging: „Wer das Schwergewicht auf die Dogmatik legt, wird diese Regelung billigen. Wer das Schwergewicht auf die Pragmatik und Ökonomie legt, wird sie für verfehlt halten“.1638 Gemeint ist damit, dass die Vertragswidrigkeit der Leistung des Verkäufers unter dogmatischen Gesichtspunkten, d. h. vor dem Hintergrund des synallagmatischen Gefahr­tragungsprinzips, dafür spricht, ihn mit dem Risiko zu belasten, weil durch die vertragswidrige Lieferung die (dogmatische) Voraussetzung des Übergangs der Gefahr schon nicht erfüllt war und auch und vor allem weil er dadurch überhaupt Anlass zu der Rückabwicklung des Kaufs gegeben hat. Dies betrifft die erfüllungstheoretische Begründung der Regelung des § 446. Pragmatisch betrachtet erscheint es dagegen sinnvoll, denjenigen mit der Gefahr zu belasten, der am ehesten in der Lage ist, die Gefahr zu kontrollieren und das Risiko zu versichern (denjenigen, der „näher dran“ ist – das ist der Käufer). Unter ökonomischen Gesichtspunkten scheint es schließlich durchaus nicht der Streitvermeidung und der leichten Handhabung der Gefahr­tragungsordnung dienlich zu sein, denjenigen mit der Gefahr zu belasten, der am wenigsten nachvollziehen (und beweisen) kann, ob der Untergang zufällig erfolgt ist oder nicht.

(a)  Historische Gründe für vermeintliche Wertungswidersprüche Die von Hager angesprochene „Zerrissenheit“ der Begründung der Gefahrverteilung im Spannungsverhältnis von Dogmatik und Pragmatik ist im BGB tief verwurzelt.1639 Dies deshalb, weil die Verfasser des Gesetzes hinsichtlich des Übergangs der Preisgefahr beim Kauf insbesondere im Anschluss an das Modell des prALR mit der Regel des römischen und gemeinen Rechts (periculum est emptoris) brachen, an dem römisch-gemeinrechtlichen mortuus redhibetur-Satz aber festhielten. Daran mussten sie sich nicht gehindert sehen. Denn sie übernahmen das Traditionsprinzip nur der Form nach, ohne sich dessen sachliche Begründung (mit der formalen Eigentumslage) zu eigen zu machen, die nach dem prALR eine dem mortuus redhibetur-Satz entsprechende Regelung der Gefahr­tragung bei der Wan1636  BGHZ 57, 137 (152). In Ermangelung der notwendigen Feststellungen durch die Vorinstanzen sah sich der BGH außerstande, diese Abwägung selbst vorzunehmen. 1637  Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 176. 1638 Ähnlich Leser (1975) – Rücktritt, S. 193; Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 153, 156. 1639  Vgl. zum Folgenden: Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 154–156; Leser (1975) – Rücktritt, S. 53.



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delung prinzipiell ausschloss.1640 Dadurch gewann scheinbar zur Begründung des Übergangs der Gefahr beim Kauf das Kriterium der tatsächlichen Sachherrschaft im Sinne der Obhut/Risikobeherrschbarkeit an Bedeutung. Von diesem Ausgangspunkt leuchtet es aber nicht ein, warum der Käufer den Kaufvertrag noch wandeln können sollte, nachdem die Sache in seiner Obhut untergangen ist, selbst wenn dies zufällig geschehen ist. Mit der römisch-rechtlichen periculum emptoris-Regel hatte sich dies dagegen durchaus in Einklang bringen lassen, weil die Zuweisung der eigentlichen Gefahr (abgegrenzt gegen die custodia-Haftung des Verkäufers, die auf der Obhut des Verkäufers beruhte) hiernach generell nicht davon abhing, in wessen Obhut der „gefährdete“ Gegenstand sich befand.1641 Dass die Gesetzesverfasser sich möglicherweise nicht vollends darüber im Klaren waren, dass die rückwirkende bzw. fortdauernde Gefahrbelastung des Verkäufers im Rahmen der Wandelung, wie sie dem gemeinen Recht entsprach, im Zusammenhang mit dem (gefahrtragungsrechtlichen) Traditionsprinzip eine andere Rechtfertigung finden muss als im Zusammenhang mit der periculum est emptoris-Regel, deutet sich auch in der Begründung der Denkschrift an:1642 Das Prinzip, die nachteiligen Folgen des Vertragsschlusses durch die Wandelung rückgängig zu machen, erfordere es, dem Verkäufer rückwirkend die Gefahr des Sachuntergangs zuzuweisen.1643 Nach dem BGB ist die Gefahr­tragung jedoch – anders als nach der Regel periculum est emptoris – keine Folge des Vertragsschlusses, sondern eine Folge der Übergabe. Die Übergabe hat diese Wirkung allerdings nur, wenn und weil durch sie der Kaufvertrag seitens des Verkäufers im Wesentlichen erfüllt wird. Mit anderen Worten: Die Gefahr geht zwar nicht durch den Vertragsschluss über, aber aufgrund des Vertrages mit der Übergabe, die zur Erfüllung des Vertrages erfolgt. Von daher lässt sich mit dem Argument, dass dieser Grund entfalle, wenn und weil der Käufer mit der Wandelung die Erfüllung des Kaufs mit der mangelhaften Sache nicht gelten lasse, durchaus begründen, dass der Gefahrübergang auf den Käufer keinen Bestand habe. Hierin besteht der Zusammenhang zu der an anderer Stelle1644 behandelten Wirkung der Annahme als Erfüllung bzw. des Verzichts auf das Recht zur sofortigen Zurückweisung, die gelieferte mangelhafte Ware bis auf weiteres als Erfüllungsgegenstand in den Leistungsaustausch einzugliedern. Durch die Wandelung wird sie wieder ausgegliedert. Damit muss jegliche Erfüllungswirkung der Übergabe entfallen.

1640 

Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 109; siehe auch oben bei Fn. 1480. Dazu bereits: B.II.4.c)ii)4)(b) bei Fn. 1455. 1642  Vgl. dazu Leser (1975) – Rücktritt, S. 63 mit Fn. 142. 1643  Denkschrift, S. 52 f. Dazu bereits bei Fn. 1555. 1644  Dazu oben: B.II.4.b)iv). 1641 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

(b)  Gefahr­tragung des mangelhaft leistenden Verkäufers im Rahmen der Wandelung dogmatisch konsequent Was das dogmatische Argument angeht, ist Hager beizupflichten: Wenn die Gefahr nur bei vertragsgemäßer Leistung übergehen soll und der Vertrag gerade deshalb rückabgewickelt wird, weil die erbrachte Leistung nicht vertragsgemäß gewesen ist, ist es konsequent, dass die Gefahr demjenigen zugewiesen bleibt, der die vertragswidrige Leistung erbracht hat.

(i)  Kein Widerspruch zum Prinzip der Schuldnergefahrtragung im Austauschvertrag Es bedarf aber einer Klarstellung, weil es durchaus nicht allgemeine Ansicht war und ist, dass die Gefahrbelastung des Verkäufers bei der Wandelung (zumindest) unter dogmatischen Gesichtspunkten sachgerecht ist. So meinte etwa Leser1645, dass es „im direkten Gegensatz zum Prinzip des Austauschvertrages, wie es in § 323 [a. F., vgl. § 326] Ausdruck gefunden hat“, stehe, wenn der Rücktrittsgegner nach der Regelung des § 350 a. F. seine eigene Leistung nicht zurückbekomme und dennoch das seinerseits Empfangene zurückgewähren müsse. Demnach soll es dem synallagmatischen Gefahr­tragungsprinzip gerade widersprechen, dass im Rahmen der Rückabwicklung die eine Partei (der Rücktrittsgegner, bei der Wandelung: der Verkäufer) die ihr obliegende (Gegen-)Leistung (Erstattung des Kaufpreises) erbringen muss, obwohl die andere Partei (der Rücktrittsberechtigte, bei der Wandelung: der Käufer) die ihr obliegende Leistung (Rückgabe der gelieferten Sache) nicht erbringt. Dabei darf man allerdings nicht den Überblick darüber verlieren, was im Sinne des synallagmatischen Prinzips bei der Gefahrverteilung im Rahmen der Wandelung „Leistung“ und was „Gegenleistung“ ist und inwiefern es dabei überhaupt um die „Gegenleistungsgefahr“ geht. Das synallagmatische Gefahr­tragungsprinzip erfordert es gerade, im Rahmen der Rückabwicklung die für die Vertragsdurchführung geltende Gefahrverteilung nicht umzukehren, sondern konsequent weiterzuführen. Dem entspricht es, dass der Verkäufer den Anspruch auf den Kaufpreis verliert, wenn die Sache, mit welcher der Kaufvertrag zu erfüllen ist, aus Gründen, die jedenfalls der Käufer nicht zu vertreten hat, „ausfällt“. Gem. §§ 467 S. 1, 350  a. F. musste der Verkäufer den Kaufpreis zwar nicht deshalb erstatten, weil die ihm obliegende Leistung infolge des zufälligen Untergangs bzw. der zufälligen Verschlechterung der gelieferten mangelhaften Sache beim Käufer ausbleibt. Der Käufer erhielt den Kaufpreis aber deshalb zurück, weil wegen der Wandelung feststand, dass die gelieferte (man1645  Leser (1975) – Rücktritt, S. 61. Hier stellvertretend herangezogen für diejenigen, die eine Anwendung der für die Durchführung gegenseitiger Verträge geltenden (Gefahr­tragungs-)Regeln auch bei der Rückabwicklung des Leistungsaustauschs befürworten.



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gelhafte) Sache als Erfüllungsobjekt ausscheidet1646 und der Vertrag auch sonst nicht mehr erfüllt werden wird. Deshalb wird der Verkäufer (rückwirkend) von der Leistung frei und deshalb muss auch der Käufer die ihm obliegende Leistung nicht erbringen (der Verkäufer sie erstatten, falls sie bereits erbracht wurde). Es steht ggf. fest, dass die gelieferte Sache mit dem Leistungsaustausch nichts (mehr) zu tun hat, insoweit geht es eigentlich nur noch um die Zuweisung der Sachgefahr.1647 Ist diese Sache aus dem Synallagma ausgegliedert, kann ihr Schicksal (jedenfalls das zufallsbedingte)1648 schon deshalb keinen direkten Einfluss auf die Frage haben, wem das Kaufgeld zusteht.1649 Die Gefahrverteilung, die sich aus §§ 467 S. 1, 350, 351 a. F. ergab, stand deshalb nicht in Widerspruch zu dem synallagmatischen Gefahr­tragungsprinzip und war unter diesem Aspekt dogmatisch konsequent.

(ii)  Kein Widerspruch zur Zuweisung der Sachgefahr nach dem Satz casum sentit dominus Es schien sich jedoch mit Blick auf den Satz casum sentit dominus mit der Dogmatik der Sachgefahr nicht zu vertragen, dass dem Verkäufer der Zufall ohne Rücksicht darauf zur Last fiel, ob er im Zeitpunkt des Schadensereignisses Eigentümer der betroffenen Sache war. Dieser vermeintliche Widerspruch löst sich aber auf, wenn man sich die Unterscheidung von der Gefahr des Rechts (an der Sache) und der Gefahr des Wertes (der Sache) bewusst macht.1650 Aus dem Zweck der Wandelung und des Rücktritts wegen eines Sachmangels folgt nämlich, dass die Gefahr des Wertes dem Verkäufer auch dann zugewiesen ist, wenn er zum Zeitpunkt des zufallsbedingten Sachschadens nicht Rechtsinhaber ist. Weil der Rücktritts-/Wandelungsberechtigte vor den nachteiligen Folgen des Vertragsschlusses zu schützen ist,1651 kommt es vielmehr darauf an, wer den Schaden gehabt hätte, wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre. Dabei geht es nicht um die faktischen Folgen des Vertragsvollzugs unter dem Gesichtspunkt des 1646  Sie ist nicht die Sache, die mit der Übergabe gem. § 446 vor einer durch sie bewirkten Erfüllung des Kaufvertrages so in das Gefüge des Schuldverhältnisses zwischen Verkäufer und Käufer eingeordnet wird, dass die Verpflichtung des Käufers zur Kaufpreiszahlung (ohne Rücksicht auf das weitere Sachschicksal) unbedingt und endgültig feststeht; vgl. zu dieser Beschreibung der dogmatischen Funktion des § 446 a. F.: Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 446 Rn. 1. 1647  In Bezug auf das Sachschicksal macht der Käufer mit dem Rücktritt bzw. der Wandelung geltend, dass er den Vertrag nicht geschlossen und auf dieser Grundlage die Sache nicht (auf seine Gefahr) übernommen hätte, wenn er von dem Mangel gewusst hätte. Konsequenterweise muss er dann aber auch Nutzungen herausgeben bzw. insoweit Wertersatz leisten. Deshalb überzeugt auch das Argument nicht, dass es unbillig sei, ihm die Gefahr der Sache abzunehmen, weil er den Nutzen von ihr gehabt habe. 1648  Zu den Folgen des vom Empfänger der mangelhaften Sachleistung verschuldeten Sachuntergangs unten: B.II.4.c)v)1). 1649  Vgl. zu diesem Zusammenhang („Rückabwicklungsgefahr“) bereits oben: A.3.b)ii). 1650  Dazu bereits: A.2 und B.II.3.c). 1651  Dazu bereits bei Fn. 1555.

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hypothetischen Kausalverlaufs,1652 sondern um die Gefahr­tragung, die sich aus dem Vertrag ergibt. Die Gefahr geht nach dem Traditionsprinzip zwar nicht mit dem Vertragsschluss, sondern mit der Übergabe über.1653 Dies aber nur deshalb, weil die Übergabe aufgrund des Vertrages in bestimmtem Umfang Erfüllungswirkung hat. Diese Wirkung hat die Übergabe nicht, wenn die übergebene Sache als Objekt des Lieferanspruchs des Käufers ausscheidet, weil der Käufer sie durch Wandelung/Rücktritt nachträglich zurückweist. Damit ist die Zuordnung dieser Sache zum Vertrag aufgehoben, die vertragliche Risikozuweisung gilt deshalb für diese Sache nicht (mehr).

Aus dem Vertrag ergibt sich, dass die Berechtigung an der Sache und ihr Wert (sowie das Risiko, das Recht an der Sache oder ihren Wert zu verlieren) mit Wirkungen zwischen den Parteien bereits ab der Übergabe der verkauften Sache dem Käufer zustehen (von dem Eigentumserwerb hängt der Eintritt dieser Wirkungen nur im Verhältnis zu Dritten ab).1654 Denkt man sich den Vertrag (und die mit ihm verbundene Gefahrverteilung) wegen der Wandelung in dem Sinne hinweg, dass man die gelieferte Sache von der vertraglichen Risikoverteilung isoliert, dann ändert das zwar nichts daran, dass die Sache (ggf.) zu einer Zeit untergegangen ist, zu welcher der Käufer ihr Eigentümer war; im Verhältnis zwischen dem Käufer und dem Verkäufer hatte die Übergabe dann aber nicht die Wirkung der Wertzuweisung an den Käufer1655 und damit auch nicht die für den Gefahrübergang notwendige Erfüllungswirkung. Eine unterschiedliche Zuweisung der Gefahr des Rechts und der Gefahr des wirtschaftlichen Werts desselben ergibt sich auch in anderen Fällen, insbesondere bei der fiduziarischen Vollrechtsübertragung.1656 Anders als bei der Treuhand ist beim Kauf allerdings zweifelhaft, ob und inwieweit der Verkäufer bei materiellwirtschaftlicher Betrachtung noch als „Eigentümer“ angesehen werden kann; 1652 Bei solch einer Betrachtungsweise müsste der Schaden regelmäßg dem Käufer zugewiesen werden. Denn ohne den Vertrag wäre die Sache nicht an ihn geliefert worden und dann wäre sie kaum in derselben Weise vom Zufall betroffen worden, wie es (beim Käufer) tatsächlich geschehen ist. Dass der aus dem Untergang der Sache folgende Nachteil denjenigen treffen müsse, den er ohne Abschluss des Vertrags getroffen hätte, „bedeutet aber nicht, daß es darum geht, ob der Sachuntergang (auch) örtlich beim Verkäufer eingetreten wäre, sondern entscheidend ist, ob der eingetretene Sachuntergang bei Wegdenken des Kaufs zu Lasten des Verkäufers gegangen wäre“; Sickinger  (1994) – Rücktritt, S. 23: (in kritischer Auseinandersetzung mit der Ansicht von Mader SZ Rom 101 (1984), 206 ff. bzgl. der Begründung des mortuus redhibetur-Satzes im römischen Recht). 1653  Dazu bereits bei Fn. 1643. 1654  Darin lag die „Quasi-Erfüllungswirkung“, die angesichts der Ausgestaltung des Stückkaufs im BGB von 1900 für den Gefahrübergang ausreichend war. Dazu oben: B.II.3.d). 1655 Vgl. Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 101: Im Falle des Rücktritts habe der Verkäufer wieder die Gefahr zu tragen, da die Sache wirtschaftlich seinem Vermögen zugeordnet bleibe. 1656 Dazu Reinhardt (1998) – Gefahr­ tragung, S. 74 f. In Anlehnung an die Grundsätze der Treuhand (Alleinverwaltungsberechtigung eines Teilhabers über einen im Gemeinschaftseigentum stehenden Gegenstand) legte übrigens Kohler (1989) – Gestörte Rückabwicklung den Verschuldensbegriff des § 351 a. F. aus, dazu m. w. N. Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 191–193).



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immerhin kann und darf der Käufer die empfangene Sache uneingeschränkt für eigene Zwecke nutzen und nach Belieben mit ihr umgehen. Dies beruht jedoch darauf, dass der Käufer infolge der Leistung des Verkäufers darauf vertraut und auch vertrauen darf, dass die Übertragung des Eigentums endgültig sei. Dieses Vertrauen wird durch die Vertragswidrigkeit der Leistung enttäuscht, aufgrund derer der Käufer verlangen darf, so gestellt zu werden, wie er stand, bevor der Vertrag vollzogen wurde. Zwar muss der Käufer bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist grundsätzlich mit der Möglichkeit rechnen, dass ein Mangel entdeckt und der Kaufvertrag deshalb rückgängig gemacht werden könnte. Es ist allerdings Kaiser darin zuzustimmen, dass im Unterschied zu der Situation bei konkreter Kenntnis von dem Wandelungs- oder Rücktrittsgrund „das Maß der gegenüber dem Vertragspartner bestehenden Sorgfaltspflichten dahin herabzusetzen [ist], daß dem Berechtigten jeder dem Vertragszweck entsprechende Umgang mit der Sache gestattet ist: Anders als nach Kenntnis ist er nicht auf den vertragsgemäßen Gebrauch beschränkt, sondern darf die Sache auch verbrauchen oder veräußern, wenn dies dem Vertrag entspricht …“1657

Während der Käufer darauf vertrauen darf, dass der Eigentumserwerb endgültig ist und er deshalb nach eigenem Belieben mit der gelieferten Sache umgehen darf, soll das Vertrauen des vertragswidrig leistenden Verkäufers in die Endgültigkeit der Übertragung der Gefahr (und des Eigentums) nicht schutzwürdig sein; zufällige Schäden an der gelieferten Sache sollen ihm zur Last fallen, weil er gerade durch seine vertragswidrige Leistung das Vertrauen des Käufers enttäuscht hat.1658

(iii)  Zuweisung der Sachgefahr (Wertgefahr) zum Verkäufer hängt insbesondere nicht von Verschulden des Verkäufers ab Der Gedanke, dass allein der objektive Umstand der Mangelhaftigkeit der Kaufsache nicht ausreichen könne, dem Verkäufer die Sachgefahr zuzuweisen, steht hinter der Ausnahme in Flumes Lehre von der „vermögensmäßigen Entscheidung“, wonach jedenfalls das bloße Haben der gelieferten Sache dem Käufer als vermögensmäßige Entscheidung (nur) dann nicht zuzurechnen sei, wenn der Verkäufer arglistig über die Beschaffenheit der verkauften Sache getäuscht habe1659. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass es nicht auf ein Verschulden ankommen kann, weil es nicht um eine Haftung des Verkäufers gegenüber dem Käufer geht. Es geht vielmehr um die Zuweisung der Sachgefahr, die naturgemäß von Verschuldenskriterien unabhängig ist. Insoweit war die Entscheidung des Gesetz1657  Kaiser in: Staudinger (2001) – BGB, § 351 Rn. 44 (Hervorhebung d. Verf.), vgl. oben bei und nach Fn. 1629. 1658  Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass es eine apriorisch richtige Atwort auf die Frage, welcher von zwei schuldlosen Vertragsparteien der Schaden zuzuweisen ist, nicht geben kann, und es deshalb verbreitet für sachgerecht gehalten wird, denjenigen mit der Gefahr zu belasten, der sich wenigstens objektiv vertragswidrig verhalten hat. 1659  Dazu oben: B.II.4.a)iii)2) und B.II.4.c)iii)1)(c).

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gebers, den Schaden dem Verkäufer zuzuweisen, der sich wenigstens objektiv vertragswidrig verhalten und damit den Grund für die Rückabwicklung des Vertrages gesetzt hat, während der Käufer sich vertragskonform verhalten hat, nicht als Sanktion des Verkäufers zu verstehen. Die vertragswidrige Leistung erbrachte der Verkäufer aber auf eigene Gefahr. Wenn man einen „Sphärengedanken“ bemühen möchte, dann kann man sagen, dass es am Verkäufer liegt, die aus seiner „Sphäre“ kommende Leistung auf ihre Vertragsmäßigkeit hin zu überprüfen. Unterlässt er dies, ist er deshalb nicht zwangsläufig einem Verschuldensvorwurf ausgesetzt und haftbar. Er geht aber das Risiko ein, dass der Gegenstand, den er im Zuge seines (untauglichen) Erfüllungsversuchs zum Käufer transportiert hat, dort zufallsbedingt beschädigt oder zerstört wird und dass dies auf ihn zurückfällt.1660 Dementsprechend ergab sich auch aus §§ 467 S. 1, 351 a. F. keine verschuldensabhängige Gefahr­tragung des Käufers. Wenn der Käufer schuld am Untergang oder an der Verschlechterung der gelieferten mangelhaften Sache war, handelte es sich aber nicht um ein Zufallsereignis, das dem Verkäufer im Rahmen seiner Gefahr­tragung zur Last fallen konnte. Auch insoweit geht es also nicht um eine Sanktion (des Käufers), sondern darum, die Gefahr­ tragung des Verkäufers angemessen zu begrenzen.1661

(c)  Unter dem ökonomischen Aspekt rechtfertigt das „Näher-dran-Sein“ des Käufers allenfalls eine Beweislastumkehr Was den von Hager bezeichneten Widerspruch des Regelungskomplexes der §§ 350, 351 a. F. zu dem ökonomischen Aspekt (Eignung der Gefahr­tragungsordnung zur Streitvermeidung und leichten Handhabung) angeht, dass der Umstand, dass „[n]ach einem Untergang der mangelhaften Sache häufig Streit darüber entstehen [wird], ob der Untergang auf Zufall beruht und damit den Verkäufer trifft oder auf einem Verschulden des Käufers und damit zu dessen Lasten geht“,

und dass sich „nach dem Untergang häufig schwer klären lassen [wird], ob [die gelieferte Sache] überhaupt mangelhaft war“1662, gilt im Rahmen der Wandelung das Gleiche wie in der Diskussion um die ratio legis des § 446 (a. F.): Dass es Schwierigkeiten bereitet, im Einzelfall nachzuweisen, unter welchen Umständen die Sache untergegangen ist oder verschlechtert wurde, vermag für sich allein genommen allenfalls die Beweis- nicht aber die materielle Gefahrbelastung des­

1660  Mit der Annahme der mangelhaften Sache geht der Käufer dagegen das Risiko ein, bei einer von ihm verschuldeten Beschädigung oder Zerstörung dieser Sache die Befugnis zur Rückabwicklung des Geschäfts zu verlieren. Will er dieses Risiko vermeiden, muss er die Sache vor ihrer Annahme auf Mängel prüfen und sie, falls Mängel vorliegen, deswegen von vorneherein zurückweisen. Zum Zurückweisungsrecht: B.II.4.b). 1661  Näher dazu unten: B.II.4.c)v)1). 1662  Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 172.



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jenigen, der „näher dran“ ist, zu rechtfertigen.1663 Es ist auch bei anderen Vertragsverhältnissen nicht so, dass unbedingt derjenige, der die vertragsgegenständliche Sache in seiner Obhut hat oder nutzt, allein deshalb die Sachgefahr tragen müsste. Auch bei Verwahrung, Leihe oder Miete trägt der Verwahrer, Entleiher oder Mieter nicht die Gefahr des zufälligen Untergangs sowie der zufälligen Verschlechterung der Sache, obwohl er als unmittelbarer Besitzer „näher dran“ ist. Ist er außerstande, die fällige Rückgewährpflicht durch Rückgabe der (unversehrten) Sache zu erfüllen, haftet er nur für Vorsatz und Fahrlässigkeit (bei der unentgeltlichen Verwahrung sogar nur bei Nichteinhaltung der eigenüblichen Sorgfalt, § 690).

(d)  Widerspruch zu „pragmatischen Erfordernissen einer vernünftigen Gefahr­tragungsordnung“ allein rechtfertigt keine Gefahrbelastung des Käufers Damit reduziert sich der Widerspruch auf einen solchen zu den (vermeintlich) „pragmatischen Erfordernissen einer vernünftigen Gefahr­tragungsordnung“. Dieser soll darin liegen, dass es zu einem „Auseinanderfallen von Gefahr­tragung und Beherrschbarkeit der Gefahr und zu einem Auseinanderfallen von Gefahr­tragung und Versicherung“ kommt, weil sich die mangelhafte Sache „im Herrschaftsbereich des Käufers“ befinde und „in der Regel von ihm versichert“ sein werde, die Gefahr dagegen beim Verkäufer liege.1664 Solchen „pragmatischen Erfordernissen“ ist bei der Gefahrverteilung allerdings eher untergeordnete Bedeutung beizumessen ist, wie bereits an anderer Stelle begründet wurde.1665

iv)  Zwischenergebnis zur Gefahr­tragung des Verkäufers im Rahmen der Wandelung Auf die Frage, ob nach dem BGB von 1900 die Gefahr auch bei Lieferung mangelhafter Ware auf den Käufer übergehe, ergab sich aus dem Regelungskomplex der §§ 467 S. 1, 350, 351 a. F. eine indirekte Antwort: Das zufällige Ereignis der Verschlechterung oder des Untergangs der gelieferten (mangelhaften) Sache als solches berechtigte den Käufer grundsätzlich nicht dazu, sich im Wege der Wandelung von der Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung zu befreien, es sei denn, dieses Ereignis stellte sich als Folge des bereits bei der Lieferung vorliegenden Mangels dar1666. Die Verschlechterung oder der Untergang standen der anderweitig (wegen 1663 Vgl. Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 11; Glass (1959) – Rücktritt, S. 28; Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 62. 1664  Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 172. 1665  Dazu: B.II.3.e). 1666 Dazu bereits: B.II.4.c)iii) in Fn. 1565. Unter dem Gesichtspunkt der Begründung der Gewährleistungspflicht hatte diese Fallgruppe allerdings nur eigenständige Bedeutung, wenn der Käufer die Sache behalten und den Kaufpreis auch in Ansehung einer weiteren Verschlechterung mindern wollte. Denn ob er wegen des ursprünglichen oder wegen des späteren Mangels Wandelung verlangte, machte keinen Unterschied.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

des bei der Lieferung vorliegenden Mangels) begründeten Wandelung aber auch nicht entgegen, wenn sie auf Zufall beruhten.

1)  Ausfall der Leistung und Isolation der gelieferten mangelhaften Sache von der vertraglichen Gefahrverteilung infolge nachträglicher Zurückweisung Dass der Verkäufer im Falle der Wandelung ohne Rücksicht auf den Wertverlust an der gelieferten Sache infolge des zufälligen Schadensereignisses den vollen Kaufpreis zu erstatten hatte, lief im praktischen Ergebnis auf die Befreiung des Käufers von der Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises auch in Ansehung des weiteren negativen Schicksals der gelieferten Sache hinaus. Anders als nach den allgemeinen Regeln der Schuldnergefahrtragung beruhte dieser Wegfall der Verpflichtung zur Gegenleistung (§ 433 Abs. 2  a. F.) aber nicht gerade darauf, dass der Verkäufer wegen der zufälligen Verschlechterung oder des zufälligen Untergangs der Kaufsache von der Leistung (§ 433 Abs. 1 a. F.) frei geworden wäre. Vielmehr war dies die Folge davon, dass der Käufer im Rahmen der Wandelung die Leistung des Verkäufers gewissermaßen rückwirkend zurückweisen und verlangen durfte, mit Blick auf die Kaufpreiszahlung so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn er die angediente mangelhafte Sache überhaupt nicht angenommen und den Kaufpreis von vorneherein einbehalten hätte. Dann wären ein zufälliger Sachuntergang oder eine zufällige Sachverschlechterung auch nicht sein Problem gewesen. Dass die mangelhafte Sache tatsächlich geliefert und beim Käufer vom Zufall betroffen wurde, berührte, wenn es zur Wandelung kam, weder die Leistungspflicht des Verkäufers noch die Gegenleistungspflicht des Käufers, weil die Sache als Leistungsgegenstand disqualifiziert war.1667

2)  Risiko des Ausschlusses der Wandelung bei Verschulden von Sachuntergang und -verschlechterung infolge der Annahme der mangelhaften Sache Ein eigenartiges Risiko lag für den Rücktrittsberechtigten/Käufer darin, dass die Wandelung bei einer von ihm verschuldeten wesentlichen Verschlechterung sowie bei einem von ihm verschuldeten Untergang der gelieferten Sache ausgeschlossen war.1668 Dies stellte eine Ausnahme zu dem Grundsatz dar, dass die Zuordnung der beschädigten oder zerstörten Sache zu dem Vertrag und insbesondere ihre Eingliederung in den Leistungsaustausch (rückwirkend) beendet wird und das Sachschicksal deshalb keinerlei Auswirkungen auf das Vertragsverhältnis haben könne.1669 Diese Ausnahme war aber nur begründet, wenn und weil der Käufer 1667 

Dazu bereits in Fn. 1366. Zum Begriff des Käuferverschuldens unten: B.II.4.c)v)1). 1669  Von daher ist die „Wertersatzlösung“ des reformierten Rücktrittsfolgenrechts konsequent; vgl. dazu bereits einleitend: A.3.b)ii). 1668 



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die mangelhafte Sache zumindest vorläufig als Erfüllung angenommen bzw. sein Recht zur sofortigen Zurückweisung der Ware nicht ausgeübt hatte.1670 Bereits nach seinem Wortlaut setze § 351 a. F. eine wesentliche Verschlechterung, den Untergang oder die anderweitige Unmöglichkeit der Herausgabe des empfangenen Gegenstandes voraus. Historisch ist die „Ausschlusslösung“ auf die Struktur der actio redhibitoria und den besonderen Anwendungsbereich, den diese Klage ursprünglich hatte, zurückzuführen.1671 Denn eine Klage des Verkäufers auf Schaden- oder Wertersatz wegen des vom Käufer verschuldeten Untergangs der verkauften und gelieferten Sache sah das Edikt der kurulischen Ädilen nicht vor. Der Verkäufer hatte nicht einmal einen eignen Anspruch auf Rückgabe der Kaufsache. Es lag deshalb nahe, die Rückgabe der Kaufsache als „freiwillige Vorleistung“ zur Voraussetzung der Erhebung der Wandelungsklage auszugestalten und die Wandelungsklage zu versagen, wenn der Käufer sich in vorwerfbarer Weise zur Rückgabe außerstande gesetzt hatte. 1672

3)  Fortdauernde Gefahr­tragung des mangelhaft leistenden Verkäufers, jedoch ausschließlich nach Maßgabe des Gewährleistungsrechts Zieht man aus dem Regelungskomplex der §§ 467 S. 1, 350, 351 a. F. den Schluss, dass die Preisgefahr bei der Wandelung nicht auf den Verkäufer zurückgesprungen, sondern bei Lieferung der mangelhaften Ware, die den Kaufvertrag – gerade in Ermangelung eines vorrangigen Rechts des Verkäufers, die Wandelung durch Mangelbeseitigung abzuwenden – ohne weiteres „wandelungsreif“ machte, eigentlich gar nicht erst auf den Käufer übergegangen sei, muss man zugleich einräumen, dass die Gefahr­tragung des Verkäufers ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht dieselbe war wie vorher, sondern den speziellen Regeln des Gewährleistungsrechts unterlag, d. h.: yy die Realisierung der (latenten) Gefahr­tragung des Verkäufers hing davon ab, ob der Käufer im Einzelfall überhaupt Gewährleistungsrechte geltend machen konnte und ob ihm ggf. insbesondere das Recht zustand, die Rückabwicklung des Leistungsaustauschs zu verlangen, sowie davon, ob er dieses Recht (rechtzeitig) ausübte. Dies setzte voraus, dass er den Mangel innerhalb der Gewährleistungsfrist entdeckte und dass es ihm gelang, die Mangelhaftigkeit der 1670 

Dazu oben: B.II.4.b)iv)5). Dazu oben: B.II.4.c)i)1)(a). 1672 Dazu Leser (1975) – Rücktritt, S. 44 ff.: „Für den Käufer bedeutete dies, daß der Vertrag und seine Folgen mit der Redhibition […] nicht spurlos weggewischt werden konnten, sondern daß ihn für die empfangene Leistung trotz Aufhebung des Vertrages eine bleibende Verantwortung traf“. Es ist unklar, ob im klassischen römischen Recht der verschuldete Sachuntergang in jedem Fall die actio redibitoria ausschloss oder ob die Erhebnung der Wandelungsklage ggf. gegen Wertersatz gestattet war. In der Geschichte der Rezeption des römischen Rechts konkurrierten die „Ausschlusslösung“ und die „Wertersatzlösung“ miteinander. Dazu bereits: B.II.4.c)ii)4). 1671 

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gelieferten Sache und, nach der Rechtsprechung, die Zufallsbedingtheit ihres Untergangs oder ihrer Verschlechterung im Prozess zu beweisen; yy es war dem Käufer überlassen, sich insgesamt und damit auch in Ansehung des zufälligen Untergangs oder einer (weiteren) zufälligen Verschlechterung der gelieferten Sache von der Pflicht zur Kaufpreiszahlung zu befreien (durch das Wandelungsverlangen); das Potential der Gefahrbelastung des Verkäufers musste von ihm aktiviert werden, die Gefahr realisierte sich nicht „ipso iure“ bei Auftreten eines zufälligen Schadensereignisses; yy der Käufer übernahm das Risiko, das Recht zur Wandelung (und damit das Recht, die Gefahr­tragung des Verkäufers zu aktivieren) infolge einer schuldhaften Beschädigung oder Zerstörung der gelieferten (mangelhaften) Sache einzubüßen. Der mangelhaft leistende Verkäufer wurde von der in dieser Form und in diesem Umfang bei ihm verbleibenden Gefahr erst durch den Ablauf der Gewährleistungsfrist oder durch den sonstigen Verlust der Wandelungsbefugnis des Käufers, insbesondere bei schuldhafter Verursachung einer wesentlichen Verschlechterung oder des Untergangs der gelieferten (mangelhaften) Sache, befreit. Man kann demnach sagen, dass die Preisgefahr latent beim Verkäufer verblieb, wenn er mangelhafte Ware lieferte, und für die Aktivierung dieses Gefahrenpotentials allein das Gewährleistungsrecht maßgebend war. Auch weil die fortdauernde Gefahrbelastung des Verkäufers komplett in dessen Gewährleistungspflicht aufgelöst war, war es nach der Konzeption des Kaufrechts des BGB von 1900 zumindest in Bezug auf den Stückkauf, tatsächlich treffend(er), vom „Zurückspringen“ der Gefahr zu sprechen. Das dürfte dem Gedanken nahe kommen, den Ernst1673 ((auch) in Bezug auf das reformierte Kaufrecht) wie folgt formuliert hat: „Wenn in dem Fall, dass eine mangelhafte Sache von einem Zufallsereignis erfasst wird, die Gefahr­tragung des Käufers nur mittelbar dadurch ausgeschaltet wird, dass der Käufer durch Rücktritt (oder Verlangen von Ersatzlieferung) seine Verpflichtung beendet, für die betroffene Sache den Kaufpreis zu zahlen, so ist dies keineswegs ein überflüssiger, rein konstruktiver Umweg, den man vermeiden könnte oder sogar sollte, indem man den Gefahrübergang gleich von der Mangelfreiheit abhängig macht. Vielmehr hat die dargestellte Lösung einen eigenen Rechtswert. Obschon es im Effekt um die Beeinflussung der Gefahrverteilung geht, handelt es sich doch darum, dass sich der Käufer auf die Mangelhaftigkeit der Kaufsache beruft. Die Voraussetzungen, unter denen die Mangelhaftigkeit der Kaufsache in das Kaufrechtsverhältnis eingreift, sind in den §§ 434 ff. BGB in vielfältiger Weise besonders geregelt. Wir nennen beispielhaft die Beweislastregelung und die Verjährung. Wenn die Gefahrverteilung zwischen Verkäufer und Käufer unmittelbar durch die Sachmangelhaftigkeit der Kaufsache beeinflusst würde, wäre nicht sichergestellt, dass die Mangelhaftigkeit ihre rechtliche Relevanz – in diesem Fall mit Wirkung für die Gefahrverteilung – nur in dem durch § 438 BGB bestimmten Zeitrahmen und auch im übrigen nach den in § 434 ff. enthaltenen Sonderregeln entfaltet …“

1673 

FS Huber (2006), 165 (214 f.).



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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Wie bereits mehrfach erwähnt wurde, entspricht die Annahme, dass die Übergabe als wesentlicher Erfüllungs- und damit auch als der für den Gefahrübergang maßgebliche Akt die Sachmängelfreiheit nicht (direkt) erfordert, ganz der Konzeption des „alten“ Kaufrechts, das beim Stückkauf keinen Erfüllungsanspruch des Käufers in Bezug auf die Mangelfreiheit vorsah und die durch Sachmängel verursachte Vertragsstörung auf einer von der Nichterfüllung verschiedenen Ebene des Gewährleistungsrechts behandelte.1674 Inwieweit dieser Befund auch auf das reformierte Schuldrecht zutrifft, ist allerdings fraglich.1675

v) Folgerungen Die gesetzliche Regelung, wonach dem Verkäufer die Gefahr einer beim Käufer aufgetretenen zufälligen Beschädigung oder Zerstörung der gelieferten Kaufsache zugewiesen ist, wenn es wegen eines Mangels dieser Sache zur Rückabwicklung des Kaufs kommt, steht in untrennbarem sachlichen Zusammenhang mit zwei weiteren Themen, auf die deshalb auch an dieser Stelle einzugehen ist. Es geht um die Definition des Käuferverschuldens, durch das der Bereich der Gefahr­tragung des Verkäufers (Zufall) begrenzt wird, sowie darum, dass der Gesetzgeber die für die Wandelung und den Rücktritt angeordnete Gefahrverteilung bei der Rückabwicklung der mangelhaften Leistung im Rahmen der Ersatzlieferung für entsprechend anwendbar erklärte.

1)  Begrenzung der vom Verkäufer zu tragenden Gefahr durch „Verschulden“ des Käufers Akzeptierte man, dass der Gesetzgeber gem. § 350 a. F. den sachmangelhaft leistenden Verkäufer mit dem Risiko der zufälligen Verschlechterung und des zufälligen Untergangs der gelieferten Sache belastete, blieb freilich die Frage zu beantworten, unter welchen Umständen solcher Zufall anzunehmen war.1676 Anders herum gewendet, stellte sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen nicht von einem Zufall, der dem Verkäufer zur Last fiel, sondern von einem „Verschulden“ des Käufers auszugehen war (§ 351 a. F.). Denn was der Käufer zu vertreten hat, ist – im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander – kein Zufall. 1674 

Dazu bereits: B.II.4.c)ii)6). Dazu unten: B.III. Würde die Preisgefahr im reformieren Schuldrecht auch im Falle der Lieferung mangelhafter Ware übergehen, wäre es prinzipiell ausgeschlossen, dass der Verkäufer weitere Verschlechterungen der mangelhaften Sache, die nach der Lieferung – infolge des bei der Lieferung vorhandenen Mangels oder im Rahmen der Nacherfüllung – aufgetreten sind, ohne dass er dies haftungsrechtlich zu vertreten hat, durch Nachbesserung zu beseitigen hat. Denn insoweit geht es um die Leistungsgefahr. Diese kann aber nicht beim Schuldner geblieben sein, soweit die Preisgefahr bereits auf den Gläubiger übergegangen ist. 1676  Dazu bereits: B.II.4.c)iii)2)(b). Das Folgende gilt entsprechend für das „Verschulden“ unwesentlicher Verschlechterungen gem. § 347 a. F. vor dem Vollzug der Wandelung bzw. der Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts. 1675 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

(a)  Historische Auslegung nicht ergiebig Die historische Auslegung hilft hier wenig weiter. Sofern die actio redhibitoria bei einem vom Käufer „verschuldeten“ Sachuntergang grundsätzlich ausgeschlossen war, beruhte dies darauf, dass eine spezielle Klage, mit welcher der Verkäufer vom Käufer wegen des Sachverlusts Ersatz hätte verlangen können, nicht vorgesehen war.1677 Unter welchen Voraussetzungen die römischen Juristen ein Verschulden des Untergangs oder der Verschlechterung der empfangenen Sache durch den Käufer, das den Ausschluss der actio redhibitoria bewirkte (oder zur Folge hatte, dass der Käufer die actio redhibitoria nur erheben konnte, wenn er statt der Sachrückgabe Wertersatz leistete), annahmen, lässt sich aber kaum auf eine allgemeine Formel bringen. Denn es ging ihnen nicht um die Feststellung eines subjektiven Fehlverhaltens im Einzelfall anhand eines bestimmten Sorgfaltsmaßstabs; maßgeblich waren vielmehr bestimmte Fallgruppen, die nach Erfahrungssätzen typisiert waren.1678 Im gemeinen Recht war schlicht von der „Schuld“ oder vom „Verschulden“ des Käufers die Rede; eigenständige Kriterien entwickelte die Theorie diesbezüglich nicht.1679 Das Käuferverschulden wurde meist einfach mit Vorsatz oder Fahrlässigkeit gleichgesetzt. Auch die Verfasser des BGB von 1900 gingen in ihren Beratungen nicht vertieft darauf ein, was in den §§ 347, 351  a. F. mit „Verschulden“ des Rücktritts- bzw. Wandelungsberechtigten gemeint sei und in welchem Verhältnis dieses zu dem allgemeinen, haftungsrechtlichen Verschuldensbegriff stehe. Der Regelungsvorschlag v. Kübels zur Wandelung sah vor, dass der Erwerber einer (mangelhaften) Sache insbesondere dann nicht mehr Wandelung, sondern nur noch Minderung verlangen könne, wenn er die Sache nicht zurückgeben kann, „weil sie durch seine Verschuldung untergegangen ist“ (TE-OR Nr. 20 § 32).1680 Der Redaktor meinte, das Interesse des Verkäufers sei dadurch genügend gewahrt, und hielt eine weitere Begründung für entbehrlich;1681 insbesondere war weder der Vorlage noch ihrer Begründung Näheres zur Rechtfertigung dieser Beschränkung der Wandelung und zu dem anzuwendenden Verschuldensmaßstab zu entnehmen. Die Wertersatzpflicht bei der Wandelung nach einer Sachverschlechterung sollte allerdings davon abhängen, ob der Erwerber „mit Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters die Verschlechterung abwenden gekonnt hätte“ (TE-OR Nr. 20 §§ 16, 30),1682 was nach gemeinrechtlichem Herkommen einfacher Fahrlässigkeit entsprach1683. 1677  Dazu bereits: B.II.4.c)iv)2). Unterschiedlich beurteilt wurde im Laufe der Zeit die Frage, ob der Käufer die Voraussetzungen der actio redhibitoria durch eine freiwillige Wertersatzleistung erfüllen dürfe bzw. ob nach Wahl des Verkäufers die Wandelung ausnahmsweise gegen eine Wertersatzleistung des Käufers zuzulassen sei. Dazu oben: B.II.4.c)ii)4)(d). 1678  Dazu m. w. N. bereits: B.II.4.c)ii)4)(a) in Fn. 1442. 1679 Vgl. Leser (1975) – Rücktritt, S. 49. 1680  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 376; Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 572. 1681  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 419. 1682  Schubert (1980) – Vorlagen, SchuldR I, S. 373, 376. 1683 Vgl. Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 276–278 Rn. 77 f.



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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  Diese Regelungsvorschläge gingen zunächst in den vorläufig beschlossenen Katalog der Vorschriften über die Wandelung ein (ZuStO §§ 88 Abs. 2, 92 Nr. 1), wurden dann in die allgemeinen Regeln über die Folgen des vertraglichen Rücktritts aufgenommen, jedoch mit der Änderung, dass der die Wandelung ausschließende Sachuntergang vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt sein müsse (ZuStO §§ 55 Abs. 2, 58 Nr. 1), und schließlich über eine Verweisung bei der Wandelung und beim gesetzlichen Rücktritt für entsprechend anwendbar erklärt.1684 Dementsprechend sah der Erste Entwurf vor, dass der Rücktritt nicht stattfinde, „wenn der Rücktrittsberechtigte einen empfangenen Gegenstand deshalb nicht zurückgeben kann, weil er den Untergang desselben vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt … hat“ (E I § 430 Nr. 1).1685 Die Verpflichtung zum Wertersatz bei Sachverschlechterung setzte dagegen immer noch voraus, dass die Verschlechterung bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters abgewendet worden sein würde (E I § 427 Abs. 2).1686 Begründet wurde die Anwendung des Sorgfaltsmaßstabs des ordentlichen Hausvaters mit Blick auf die Wertersatzpflicht wegen Sachverschlechterung damit, dass bei einem vertraglichen Rücktrittsrecht von vorneherein damit zu rechnen sei, dass es zur Rückabwicklung komme.1687   Nachdem in den Beratungen der Vorkommission des Reichsjustizamtes beschlossen worden war, dem vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführten Untergang die wesentliche Verschlechterung sowie den Untergang eines erheblichen Teils des vom Rücktrittsberechtigten empfangenen Gegenstandes, jeweils vorsätzlich oder fahrlässig1688 herbeigeführt, gleichzustellen, bevorzugte die Zweite Kommission auf einen Antrag Struckmanns hin wieder eine Fassung, die in Bezug auf die Herbeiführung dieser Ereignisse lediglich vom Verschulden des Rücktrittsberechtigten sprach.1689 Der Zweite Entwurf sah dementsprechend vor, dass der Rücktritt ausgeschlossen sei, „wenn der Berechtigte den Untergang oder eine wesentliche Verschlechterung des empfangenen Gegenstandes verschuldet hat…“ (E II § 302),1690 ohne einen bestimmtem Verschuldensmaßstab zu nennen. Auch der Begründung des Entwurfs war dazu nichts zu entnehmen.1691

1684  Jakobs/Schubert 1685  Jakobs/Schubert

(1978) – SchuldR I, S. 575–589. (1978) – SchuldR I, S. 596. 1686  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 596. 1687  Mot. II, S. 281 f. (zu E I § 427). 1688  Die Vorkommission des Reichsjustizamtes schlug vor, den Maßstab des „ordentlichen Hausvaters“ aufzugeben; die Zweite Kommission folgte diesem Vorschlag. Ausführlich dazu m. w. N. Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 276–278 Rn. 78 f. 1689  Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 605–607. Ferner wurde in der zweiten Lesung darüber beraten, unter welchen Voraussetzungen dem Rücktrittsberechtigten das Verschulden Dritter zur Last falle; Prot. VI, S. 160 f. Über die Voraussetzungen seines eigenen Verschuldens wurde dagegen nicht beraten. Dazu: Leser (1975) – Rücktritt, S. 65 f. 1690  „… der Untergang eines erheblichen Theiles steht einer wesentlichen Verschlechterung gleich.“; Jakobs/Schubert (1978) – SchuldR I, S. 607. 1691  Vgl. Prot. I, S. 794 f. In der Denkschrift (S. 52) wurde die spätere mit § 347 S. 1 a. F. Gesetz gewordene Regelung (Haftung des Rücktrittsberechtigten insbesondere für eine vor dem Rücktritt von ihm verschuldete unwesentliche Verschlechterung der empfangenen Sache) damit begründet, dass beide Parteien bei einem vertraglichen Rücktrittsvorbehalt vom Empfang der jeweiligen Leistung an damit zu rechnen hätten, den Leistungsgegenstand einmal (unversehrt) zurückgewähren zu müssen. Dazu auch Leser (1975) – Rücktritt, S. 65.

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

(b)  Herleitung der Sorgfaltspflichten Wenn der Rücktritts- oder Wandelungsberechtigte den empfangenen Leistungsgegenstand vorsätzlich zerstört, mag man argumentieren, er verzichte auf den Rücktritt oder die Wandelung.1692 Wenn er eine Verschlechterung oder den Untergang unbewusst verursacht, überzeugt dies aber nicht. Dann kommt die Annahme von Fahrlässigkeit in Betracht. Dies setzt aber eigentlich die Verletzung einer einem anderen gegenüber bestehenden Sorgfaltspflicht voraus. Wenn die Parteien keinen vertraglichen Rücktrittsvorbehalt vereinbart haben,1693 sind solche Pflichten im Umgang mit dem empfangenen Leistungsgegenstand jedoch nicht damit zu rechtfertigen, dass beide Parteien vom Empfang der Leistung an damit zu rechnen haben, die empfangene Leistung einmal an den jeweils anderen zurückgewähren zu müssen.1694 Beim Kauf besteht zwar (solange die Frist für die Geltendmachung von Mängelrechten läuft) stets die Möglichkeit, dass es wegen Mängeln der Kaufsache zur Rückabwicklung des Geschäfts kommen könnte. Nach der Rollenverteilung bei der Wandelung (und dem gesetzlichen Rücktritt wegen Nichterfüllung) liegt es allerdings nicht in der Hand des Verkäufers, diese Rückabwicklung einzuleiten. Der Käufer hat deshalb nicht zu befürchten, plötzlich vom Verkäufer auf Rückgabe der Kaufsache in Anspruch genommen zu werden und zu einer Ersatzleistung verpflichtet zu sein, falls er zur (unversehrten) Rückgabe der Kaufsache außerstande ist. Insofern geht es nicht um eine dem Verkäufer gegenüber bestehende (potentielle) Sorgfaltspflicht. Weil der Käufer nach der Ausschlusslösung der §§ 467 S. 1, 351  a. F. damit rechnen musste, das Wandelungsrecht zu verlieren, wenn er eine wesentliche Verschlechterung oder den Untergang der empfangenen Kaufsache „schuldhaft“ herbeiführte (bei einer „Wertersatzlösung“ droht immerhin der Verlust des Rechts auf die unentgeltliche Rückgängigmachung des Kaufs), bestanden die Sorgfaltspflichten, deren Verletzung das Verschulden begründete, vielmehr in seinem eigenen Interesse, war das Verschulden des Käufers ein „Verschulden gegen sich selbst“, wie es im Zusammenhang von § 254 bekannt ist.1695 Auch eine Parallele zur unzulässigen Rechtsausübung (§ 242) besteht. Denn während der Käufer „in seinem vollen Recht“ gewesen sein soll, wenn er sich der 1692 Vgl.

Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–357 Rn. 25 a. E. Dazu oben: B.II.4.c)v)1)(a) bei Fn. 1687. 1694 Vgl. Leser (1975) – Rücktritt, S. 65. 1695  Der Unterschied zum (Mit-)Verschulden i. S. von § 254 liegt darin, dass es bei der Wandelung nicht darum geht, dass der Maßstab der Eigenverantwortlichkeit einem Symmetriepostulat entsprechend grundsätzlich mit dem Maßstab der Fremdverantwortlichkeit übereinstimmen müsste und sich dadurch „Verantwortungsbereiche“ gegeneinander abgrenzen ließen. Zu dieser Begründung des § 254 siehe Jansen in: HKK  (2007)  – BGB, § 254 Rn. 46. Denn „Fremdverantwortlichkeit“ in diesem Sinne bedeutet Haftung; bei der Bestimmung des Verschuldens des Käufers im Zusammenhang der Wandelung geht es indessen um Gefahr­tragung, was naturgemäß voraussetzt, dass weder die eine Partei noch die andere Partei nach allgemeinen haftungsrechtlichen Maßstäben verantwortlich ist. 1693 



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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Gefahr entzieht, indem er trotz einer bei ihm aufgetretenen zufälligen Zerstörung oder wesentlichen Verschlechterung der Kaufsache Wandelung verlangt,1696 war es nicht mehr von der Wandelung gedeckt, dem Verkäufer den verschuldeten Untergang oder eine verschuldete Verschlechterung der gelieferten Sache anzulasten. Der Rekurs auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) zur Bestimmung des Verschuldens war allerdings fragwürdig.1697 Denn ob ein „Selbstwiderspruch“ darin liegt, dass der Käufer die Wandelung des Kaufs verlangt, hängt davon ab, ob er trotz des Untergangs der empfangenen Sache zur Wandelung berechtigt ist oder nicht, was wiederum gerade davon abhängt, ob der Untergang i. S. von § 351 a. F. verschuldet ist oder nicht: Wenn man aber zum Beweis eines Widerspruchs einen Rechtssatz heranziehen muss, den es eigentlich zu begründen gilt, basiert die gesamte Beweisführung auf einer petitio principii und man gerät in einen logischen Zirkel.1698 Im Übrigen ist zweifelhaft, inwieweit der Käufer durch die Annahme der Sache das Vertrauen schafft, er werde einen bestimmten Sorgfaltsmaßstab anwenden, oder durch den Umgang mit der Sache das Vertrauen begründet, dass er die Rückgängigmachung des Kaufs auf keinen Fall mehr verlangen werde.1699   Dass die Einordnung des „Verschuldens gegen sich selbst“ unter den Topos des Rechtsmissbrauchs bzw. des Verbots widersprüchlichen Verhaltens in diesem Zusammenhang genauso unpassend war wie die Verwendung des Begriffs „Verschulden“ in § 351 a. F. überhaupt, ändert freilich nichts daran, worum es in der Sache ging: Findet man sich damit ab, dass der Verkäufer bei der Wandelung die Gefahr trägt, stellt sich die Frage, unter welchen Umständen sich ein Ereignis als zufällig darstellt. Dies ist nur der Fall, wenn auch der Käufer es nicht zu vertreten hat.

Mit diesen Erwägungen lässt sich rechtfertigen, dass den Käufer gewisse Sorgfaltspflichten treffen. Der im Einzelfall anzuwendende Sorgfaltsmaßstab ist damit freilich noch nicht bestimmt.

1696 

Vgl. dazu bei Fn. 1530 und 1562. Thier in: HKK (2007) – BGB; §§ 346–357 Rn. 43. 1698 Dazu Singer (1993) – Verbot, S. 25 ff., insbesondere zur Haftung bei Leistungsstörungen in synallagmatischen Rückgewährschuldverhältnissen: S. 36 f.: „Handelt jener widersprüchlich, der sich auf den Wegfall der Bereicherung beruft, nur weil er die Sache seiner Vermögens- und Risikosphäre einverleibt hat, oder besteht ein Widerspruch dann, wenn der Empfänger durch eigenes risikoerhöhendes Handeln die Sache besonderen Gefahren ausgesetzt hat? Handelt gar erst jener widersprüchlich, dem ein Sorgfaltsverstoß im Umgang mit der empfangenen Sache vorgeworfen werden kann? Mit der Maxime vom venire contra factum proprium kann man all diese Fragen nicht entscheiden, da das Verbot des Selbstwiderspruchs tatbestandlich voraussetzt, daß man die Verantwortung des Leistungsempfängers, der sich auf den Wegfall der Bereicherung ‚beruft‘, zuvor bejaht hat.“ Sofern diese Verantwortung mit dogmatisch eigenständigen Prinzipien begründet werde, erweise sich der Rückgriff auf das Verbot des venire contrac factum proprium als überflüssig (mit Verweis auf Canaris in: FS Lorenz (1991), 19 ff.). Vgl. auch: Glass (1959) – Rücktritt, S. 56; Kaiser (2000) – Rückabwicklung, S. 260 f.; dies. in: Staudinger (2001) – BGB, § 351 Rn. 23–25. 1699 Vgl. Kaiser  (2000) – Rückabwicklung, S. 260 f.; dies. in: Staudinger (2001) – BGB, § 351 Rn. 23. 1697 Dazu

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

(c)  Leitgedanken zur Bestimmung des Inhalts der gem. § 351 a. F. vom Käufer einzuhaltenden Sorgfalt Aus der Erkenntnis, dass der Verkäufer derjenige war, der im Rahmen der Wandelung die Gefahr zu tragen hatte, und der Herleitung der Sorgfaltspflichten ergeben sich immerhin die folgenden Leitgedanken zur Bestimmung des – die Gefahr­ tragung des Verkäufers begrenzenden – Käuferverschuldens, die auch unter der heutigen Rechtslage relevant sind und auf die im Rahmen der vorliegenden Arbeit insbesondere bei der Auseinandersetzung mit der Gefahr­tragung beim Rücktitt vom Kaufvertrag wegen Sachmängeln1700 noch zurückzukommen sein wird: Der Käufer darf sich darauf einstellen, die gelieferte (mangelhafte) Sache zu behalten. Er darf deshalb nach freiem Belieben mit ihr umgehen (vgl. § 903), ohne befürchten zu müssen, sich einem anderen (dem Verkäufer) gegenüber haftbar zu machen. Je nachdem, wie er mit der gelieferten Sache umgeht, büßt er aber möglicherweise das Recht, die Sache wegen eines Mangels gegen Erstattung des Kaufpreises (unentgeltlich) zurückgeben zu dürfen, ein. Dass es dabei um die Einhaltung von Sorgfaltspflichten im eigenen Interesse ging, spricht dagegen, das Verschulden der Sachverschlechterung oder des Sachuntergangs davon abhängig zu machen, dass der Käufer von dem Vorliegen eines Sachmangels, der ihn zur Rückabwicklung des Geschäfts berechtigt, und damit von der Möglichkeit, die gelieferte Sache an den Verkäufer zurückgeben zu müssen, Kenntnis hat.1701 Von einem Verschulden kann aber nur die Rede sein, wenn die Verschlechterung oder der Untergang der gelieferten Sache dem Käufer irgendwie vorzuwerfen sind. Deshalb und weil nach der Entscheidung des Gesetzgebers der (vertragswidrig leistende) Verkäufer derjenige ist, der die Gefahr der zufälligen Verschlechterung und des zufälligen Untergangs der gelieferten mangelhaften Sache zu tragen hat, wird man mindestens1702 einfache Fahrlässigkeit entsprechend allgemeinen haftungsrechtlichen Maßstäben verlangen müssen, auch wenn es begrifflich um eine Verletzung der „Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten“ oder der „natürlichen Sorgfalt“ (und nicht einer dem Verkäufer gegenüber bestehende Sorgfaltspflicht geht).1703 1700 

Dazu: B.III.5. Zur a. A. oben bei und nach Fn. 1629. 1702  Seit der Schuldrechtsreform 2002 hat der Käufer im Rahmen des „Wertersatzmodells“ der §§ 346 ff. a. F. lediglich die eigenübliche Sorgfalt einzuhalten (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3), um ohne Verpflichtung zum Wertersatz vom Kauf zurücktreten und Erstattung des Kaufpreises verlangen zu können. Nach herrschender Meinung macht er sich wegen einer nach allgemeinen Regeln zu vertretenden Verschlechterung oder Zerstörung der empfangenen Sache ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von dem Rücktrittsgrund dem Verkäufer gegenüber aber schadenersatzpflichtig. Ausführlich dazu unten: B.III.5.a). 1703  Vgl. statt vieler Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 467 Rn. 10a, 18 ff.: Der „einfache Grundgedanke“ der gesetzlichen Regelung sei, „daß der Käufer, der mit Absicht oder aus Unachtsamkeit den Verlust der Kaufsache herbeigeführt hat, gegen Treu und Glauben verstößt – im Sinne eines ‚venire contra factum proprium‘ –, wenn er den Sachmangel, mit dem der Verlust der Sache nichts zu tun hat, dazu benutzen will, die Folgen eines eigenen freien Entschlusses oder der eigenen Unvorsichtigkeit auf den Verkäufer abzuwälzen“ (Rn. 10a); „Verschulden“ bedeute in 1701 



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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Notwendige Voraussetzungen des Käuferverschuldens sind deshalb die Tatherrschaft und eine Sorgfaltswidrigkeit oder Risikoerhöhung. Optimale Präventionsmaßnahmen sind dem Käufer jedenfalls nicht zuzumuten.

2)  „Wesentliche Gleichheit der in Betracht kommenden Verhältnisse“ mit Blick auf die Rückabwicklung der mangelhaften Leistung bei Wandelung und Ersatzlieferung? Bestimmte Vorschriften über die Wandelung wurden im BGB von 1900 bei der Ersatzlieferung (beim Gattungskauf) für entsprechend anwendbar erklärt (§ 480 Abs. 1 S. 2 a. F.), darunter auch § 467 S. 1 a. F., dessen Verweisung auf die Vorschriften über das (vertragsmäßige) Rücktritts(folgen)recht auch die §§ 347, 350, 351 a. F. einschloss. Damit galt die für die Wandelung maßgebliche Gefahrverteilung auch für den Rückgewähranspruch des Verkäufers im Rahmen der Ersatzlieferung. Folglich konnte der Käufer die Lieferung einer mangelfreien Sache auch dann verlangen, wenn die zuerst gelieferte (mangelhafte) Sache inzwischen zufällig bei ihm untergegangen oder verschlechtert worden war. In den Motiven (zu E I § 398) heißt es zur Begründung nur knapp, dass dies sich „bei wesentlicher Gleichheit der in Betracht kommenden Verhältnisse aus der Natur der Sache“ rechtfertige.1704 Fraglich ist, worin diese „wesentliche Gleichheit“ begründet ist. § 351 (a. F.) jedoch „wie allgemein, Vorsatz oder Fahrlässigkeit (§ 276)“ (Rn. 18), aber „[d]a den Käufer in der durch § 351 geregelten Lage gegenüber dem Verkäufer keine Pflicht zur Erhaltung der Sache trifft, kann man auch von einem Verschulden ‚im natürlichen Sinn‘ sprechen oder von einer ‚Außerachtlassung der im eigenen Interesse zu beachtenden Sorgfalt‘.“ (Rn. 20). Ähnlich Sickinger (1994) – Rücktritt, S. 193–198, 198 f. Er nahm zwar nicht ausdrücklich auf § 276 Bezug, kam aber zum gleichen Ergebnis, indem er zwischen dem Verwendungszweck und der Verwendungsweise der empfangenen Sache unterschied: Es gehe bei § 351 (a. F.) nicht um einen schuldhaften Pflichtverstoß gegenüber dem Rücktrittsgegner, sondern darum, ob der Käufer sich selbst in schuldhafter Weise die Möglichkeit des Rücktritts genommen habe. Die Schutzbedürftigkeit des Käufers finde ihre Grenze in der Verantwortlichkeit für das eigene nachlässige Verhalten. Dies möge man als Verschulden gegen sich selbst bezeichnen, der Sache nach gehe es aber um nichts anderes, „als daß ein Berechtigter solche Rechte nicht für sich in Anspruch nehmen darf, deren inhaltliche Ausübung er zuvor selbst in schuldhafter Weise unmöglich gemacht hat“. Es sei danach zu differenzieren, ob bereits der vom Käufer mit der Verwendung abstrakt verfolgte Zweck oder erst die Art und Weise der konkreten Zweckverwendung zu missbilligen sei. Die Verwendung der Sache als solche sei grundsätzlich nur dann missbilligt, wenn der Verwendungszweck rein destruktiver Natur ist (absichtliche Zerstörung als „bewußte Selbstschädigung“), im Übrigen bleibe der Käufer in seiner Zielsetzung vor Kenntniserlangung vom Rücktrittsgrund frei. Es kommt dann lediglich darauf an, ob „die konkrete Art und Weise zu mißbilligen ist, in der der Berechtigte den von ihm zulässigerweise bestimmten Zweck verfolgt“. Dies sei erst und nur dann der Fall, wenn der Rücktrittsberechtigte bei der Verwendung der Sache ein außergewöhnliches Risiko eingehe und sich dieses verwirkliche, dann sei ihm der Rücktritt zu versagen. „Denn die Regel des § 350 [a. F.] soll den Rücktrittsberechtigten nur von der Last des allgemeinen, der Sache immanenten Risikos befreien, nicht aber von Risiken, die er selbst in zurechenbarer und mißbilligender Weise gesetzt hat“. Die Frage, ob eine Verhaltensweise ein allgemein missbilligtes Risiko schafft und ob sich dieses Risiko im konkreten Fall verwirklicht hat, ist aber nichts anderes als die Frage nach der Einhaltung der üblichen Sorgfalt (vgl. § 276). 1704  Mot. II, S. 242. Die Zweite Kommission beschäftigte sich mit Blick auf das Recht des

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

(a)  Ausscheiden der zuerst gelieferten Sache aus dem Leistungsaustausch und Ablösung von der vertraglichen Risikoverteilung Zum einen geht es darum, dass der Vertrag und die mit ihm verbundene Gefahr­ tragung für die zunächst gelieferte mangelhafte Sache – wie bei der Wandelung – nicht gilt, wenn der Käufer Ersatzlieferung verlangt. Die Regelung der §§ 480 Abs. 1 S. 2, 467 S. 1, 350 a. F. hatte zur Folge, dass die an sich nicht vertragsgemäße Ware, deren Zuordnung zum Vertrag einstweilen allein durch die Annahme des vom Verkäufer angebotenen Stücks bewirkt worden war, wieder aus dem vertraglich begründeten Leistungsaustausch „aussortiert“, die Zuordnung mithin rückgängig gemacht wurde, und zwar rückwirkend. Infolgedessen wurde die gelieferte Ware so behandelt, als habe sie mit dem Leistungsaustausch eigentlich nichts zu tun, und zwar so, als habe sie damit von Anfang an nichts zu tun gehabt, als habe der Verkäufer eine ihm gehörende Sache dem Käufer gewissermaßen zur unentgeltlichen Verwahrung überlassen, der (deshalb) auch nicht die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung zu tragen hatte. Dies entspricht durchweg der Situation bei der Wandelung, bei der ebenfalls die Angelegenheit so behandelt wurde, als habe der vertragliche Leistungsaustausch und die für ihn geltende Gefahrverteilung niemals etwas mit dem gelieferten Stück zu tun gehabt, auch wenn die Tatsache, dass eine Übergabe stattgefunden hat, nicht ungeschehen gemacht werden kann (und der tragende Grund dafür war, dass eine vom Käufer verschuldete wesentliche Verschlechterung oder Zerstörung des gelieferten Stücks den Ausschluss des Ersatzlieferungsanspruchs bewirkte)1705. Wie bei der Wandelung mochte man es auch bei der Ersatzlieferung beim Gattungskauf unbillig finden, dass das Gesetz keine Rücksicht darauf nahm, dass die mangelhafte Sache sich beim Käufer verschlechtert hatte oder bei ihm untergegangen war, und zwar insbesondere dann, wenn der Untergang oder die Verschlechterung im Rahmen eines „Einsatzes“ der Sache als Vermögensgegenstand des Käufers geschehen war. Insoweit hinkt auch der Vergleich zur Verwahrung. Denn der Verwahrer hat die ihm anvertraute Sache schlicht und einfach zu verwahren und darf sie typischerweise nicht im eigenen Interesse gebrauchen. Solche Zurückhaltung kann man vom Käufer frühestens ab dem Zeitpunkt, in dem er von der Mangelhaftigkeit der gelieferten Sache Kenntnis erlangt oder vom Zeitpunkt des Ersatzlieferungs-/Wandelungsverlangens erwarten. Dies spricht freilich nur gegen die Anwendung des Maßstabs der eigenüblichen Sorgfalt zugunsten des Käufers bis zu diesem Zeitpunkt (vgl. § 690); im Übrigen ist zu beachten, dass auch der Entleiher oder Mieter, der durchaus dazu berechtigt ist, die ihm überlassene Sache für eigene Zwecke zu nutzen, im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs nicht die Gefahr des (zufälligen) Untergangs und der (zufälligen) Verschlechterung trägt.

Käufers, Lieferung einer anderen, mangelfreien Sache verlangen zu können, mit anderen Fragen; die Anordnung der entsprechenden Anwendung der Wandelungsvorschriften und die damit verbundene Übertragung der Gefahrverteilung bei der Wandelung auf die Ersatzlieferung blieb unbeanstandet; Prot. I, S. 711 ff. 1705  Dazu unten: B.II.4.c)v)2)(c).



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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Dem Käufer auch nach der Annahme der mangelhaften Ware noch zu gestatten, diese Ware durch das Ersatzlieferungsverlangen mit der beschriebenen Wirkung zurückzuweisen, hatten die Verfasser des BGB nach eingehender Beratung ganz bewusst entschieden. Wolffson hatte in den Beratungen der Zweiten Kommission den Antrag gestellt, den Käufer beim Gattungskauf auf die Rechtsbehelfe der Minderung und der Wandelung zu beschränken, nachdem er die angebotene Sache als Erfüllung angenommen hat. Die Mehrheit lehnte diesen Antrag ab, vor allem weil es oft schwierig festzustellen sei, ob die Sache bereits als Erfüllung angenommen wurde, auch weil die Sachübergabe regelmäßig Voraussetzung dafür sei, die Qualität der Ware (Erfüllungstauglichkeit) überhaupt erst überprüfen zu können. Auch sollten schwierige Abgrenzungsfragen und insbesondere eine Ungleichbehandlung von Falsch- und Schlechtleistung vermieden werden.1706 An dieser Begründung fällt auf, dass eine konsequente Unterscheidung zwischen der Übergabe/Annahme und der Annahme als Erfüllung nicht getroffen wurde.1707

Im Unterschied zur Wandelung wird der Leistungsaustausch bei der Ersatzlieferung fortgesetzt.1708 Lediglich die gelieferte Sache wird aussortiert, sie steht „außerhalb des Synallagmas“1709. Denn eine mangelhafte Sache ist jedenfalls beim Gattungskauf naturgemäß nicht erfüllungstauglich, wenn der Käufer sie nicht als Erfüllungsgegenstand annimmt. Deshalb betrifft ihr Schicksal weder die Leistung noch die Gegenleistung. Die Formel von der Versetzung (auch) des Verkäufers in den Zustand, als sei der Vertrag nicht geschlossen worden, welche die Verfasser des BGB von 1900 vorübergehend als Leitsatz für die Einzelregelungen der Wandelung formuliert hatten, um diese mit den Regelungen der Folgen des vertragsmäßigen Rücktritts verschmelzen zu können,1710 passt hier (erst recht) nicht: Den Anspruch auf Rückgabe der geleisteten Sache hat der Verkäufer lediglich, weil der Kaufvertrag für den Käufer keine causa zum Behalten der empfangenen Sache ist, wenn der Vertrag statt mit dieser mit einer anderen (vertragsgemäßen) Sache erfüllt werden soll.1711 Insofern versteht es sich – wie bei der Wandelung – auch nicht von selbst, dass der verschuldete Untergang und eine verschuldete wesentliche Verschlechterung der mangelhaften 1706 Dazu: Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 204 f.; Prot. I, S. 712 f. 1707 Vgl. auch Ernst NJW  1997, 896 (898): „Nach deutschem Recht dagegen

kann der Käufer, selbst wenn er die gelieferte Ware als Erfüllung angenommen hat, später durchaus auch solche Rechtsbehelfe noch geltend machen, bei deren Ausübung er die gelieferte Ware zurückgewähren muß (Nachlieferung, „‚großer‘ Schadensersatz wegen Nichterfüllung, Wandelung bzw. Rücktritt).“ 1708  Deshalb sparte § 480 Abs. 1 S. 2 a. F. bei der Anordnung der entsprechenden Anwendungen der Vorschriften des Wandelungsrechts übrigens § 467 S. 1 a. F. aus, wonach der Verkäufer dem Käufer die Vertragskosten zu ersetzen hatte, vgl. Westermann in: MüKo (1995) – BGB, § 480 Rn. 9. 1709 Vgl. Ernst NJW 1997, 896 (899 mit Fn. 34); ders. in: FS Huber (2006), 165 (217) zur Wirkung der Zurückweisung mangelhafter Ware (vor ihrer Annahme als Erfüllung, die unter Umständen nicht bereits mit der Sachübergabe zusammenfalle). 1710  Dazu: B.II.4.c)ii)2). 1711 Vgl. Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (109).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Sache den Ausschluss des Ersatzlieferungsanspruchs zur Folge hatten (§§ 480 Abs. 1 S. 2, 467 S. 1, 351 a. F.).1712

Darin, dass der Verkäufer auch im Rahmen der Ersatzlieferung die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung der gelieferten Sache zu tragen hatte, bestätigt sich im Übrigen die These, dass diese Gefahr­tragung (auch) bei Rücktritt und Wandelung nicht auf dem Wegfall des Vertrages, sondern darauf beruhte, dass die gelieferte (mangelhafte) Sache aus dem Vertragsvollzug ausgeschieden (nachträglich zurückgewiesen) wurde.1713

(b)  Aufrechterhaltung der Ersatzlieferungspflicht trotz zufälliger Beschädigung oder Zerstörung der zuerst gelieferten Sache als Voraussetzung effektiver Sachmängelhaftung (§§ 480 Abs. 1 S. 2, 467 S. 1, 350 a. F.) Der dem Käufer zustehende Anspruch auf Ersatzlieferung wäre, genau wie das Wandelungsrecht, praktisch häufig wertlos gewesen, wenn jede Beschädigung oder Zerstörung der gelieferten Sache zum Ausschluss dieses Anspruchs geführt hätte. Immerhin war der Käufer nach dem ersten Erfüllungsversuch nur deshalb berechtigt, Ersatzlieferung zu verlangen, weil die vom Verkäufer bei ihm abgelieferte Ware vertragswidrig war, und zwar unabhängig davon, ob man den Ersatzlieferungsanspruch gem. § 480 Abs. 1 a. F. als Fortsetzung des vertraglichen Erfüllungsanspruchs oder als besonderes Gewährleistungsrecht (beim Gattungskauf) qualifizierte1714. Dies sprach dagegen, das „Unglück“ einer zufälligen Verschlechterung oder des zufälligen Untergangs der zuerst gelieferten Sache dem Verkäufer dadurch zum Vorteil gereichen zu lassen, dass es ihn von seiner Erfüllungs- bzw. Gewährleistungspflicht befreite. Der Verkäufer war derjenige, der Anlass zur Rückabwicklung des ersten, untauglichen Erfüllungsversuchs gegeben hatte. Unter diesem Aspekt galt für die Ersatzlieferung nichts anderes als für die Wandelung: Wenn einer Partei der wirtschaftliche Verlust infolge der Sachbeschädigung oder -zerstörung, die keine von beiden Parteien verschuldet hat, zugewiesen werden muss, dann liegt es nahe, diejenige Partei zu belasten, die den Grund dafür gesetzt hat, dass es überhaupt zur Rückabwicklung der Leistung kommt. Der Käufer ist „in seinem vollen Rechte“, wenn er sich durch das Ersatzlieferungsverlangen der Gefahr­tragung für die mangelhafte Sache entzieht.

1712 

Dazu unten: B.II.4.c)v)2)(c). Dazu bereits: B.II.4.c) bei und in Fn. 1189. 1714  Zur Konstruktion des Ersatzlieferungsanspruchs als neuer, gesetzlich begründeter Anspruch, der nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, vgl. Ernst in: GS Knobbe-Keuk (1997), 49 (108 f.). Siehe auch oben: B.II.2.e)i)3). 1713 



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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(c)  Ausschluss des Ersatzlieferungsanspruchs bei Verschulden des Käufers (§§ 480 Abs. 1 S. 2, 467 S. 1, 351 a. F.) Die Gesetzesverfasser sahen eine „wesentliche Gleichheit der in Betracht kommenden Verhältnisse“ bei Ersatzlieferung und Wandelung offenbar auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Käufer dann, wenn er den Untergang oder eine wesentliche Verschlechterung der zuerst gelieferten Sache verschuldet hatte, den Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises bzw. auf Lieferung (anderer) vertragsgemäßer Ware verlieren solle. Dies versteht sich – wie bei der Wandelung – durchaus nicht von selbst.1715 Denn steht die empfangene (mangelhafte) Sache außerhalb des Synallagmas, dürfen sich eigentlich selbst eine vom Käufer verschuldete Beschädigung oder Zerstörung dieser Sache nicht auf das Gegenseitigkeitsverhältnis der vertraglichen Ansprüche auf Sachlieferung bzw. Kaufpreiszahlung auswirken.1716 Eine separate Verpflichtung zum Schadenersatz (neben der Leistung)1717 kam allerdings nicht in Betracht, sofern den Käufer eine gegenüber dem Verkäufer bestehende Pflicht zum sorgfältigen Umgang mit der gelieferten Sache, deren schuldhafte Verletzung seine Schadenersatzhaftung hätte begründen können, jedenfalls vor der Kenntniserlangung von dem konkreten Rücktritts-/Wandelungsrund nicht traf. Da die Gesetzesverfasser für das entsprechende Problem bei der Wandelung eine „Ausschlusslösung“ gegenüber einer „Wertersatzlösung“ bevorzugten, lag es (unabhängig davon, ob man die Entscheidung für die Ausschlusslösung an sich überzeugend findet) nahe, den Fall der vom Käufer verschuldeten Unmöglichkeit der Herausgabe der mangelhaften Sache (im Lieferzustand) bei der Ersatzlieferung beim Gattungskauf ebenso zu regeln. Auch hier erschien es aufgrund der Tatsache, dass der Käufer die mangelhafte Ware zunächst als Erfüllung angenommen hatte, gerechtfertigt, dass der Untergang oder die Verschlechterung dieser Ware sich zumindest dann auf das Vertragsverhältnis auswirkt, wenn beim Käufer ein Verschulden anzunehmen war. Dem Risiko, den Ersatzlieferungsanspruch bei schuldhafter Verursachung des Untergangs oder einer wesentlichen Verschlechterung der mangelhaften Sache einzubüßen, setzte der Käufer sich also nur dann aus, wenn er die mangelhafte Sache zunächst annahm.1718 1715 

Dazu bereits bei Fn. 1712. Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 232 f. hat diese Auswirkung so beschrieben, dass der Gattungskauf trotz Mangelhaftigkeit der gelieferten Ware mit dem vom Käufer verschuldeten Untergang konkretisiert werde (d. h. Übergang der Leistungsgefahr). Dazu unten: B.II.4.c)v)2)(c). 1717  Dieser Schadenersatzanspruch könnte einredeweise gem. § 273 (nicht: § 320) dem Ersatzlieferungsbegehren entgegengehalten werden; vgl. Ernst NJW 1997, 896 (899 bei Fn. 34). 1718 Allein unter dem Gesichtspunkt, dass eine vom Käufer verschuldete wesentliche Verschlechterung und der vom Käufer verschuldete Untergang der empfangenen mangelhaften Sache den Verkäufer gem. §§ 480 Abs. 1 S. 2, 467 S. 1, 351  a. F. von der Verpflichtung zur (Ersatz-) Lieferung befreite, so als sei das einzig geschuldete (vertragsgemäße) Stück zerstört worden, kann man im Falle der Lieferung mangelhafter Ware beim Gattungskauf von einer Konkretisierung sprechen. 1716 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Insoweit kam es allein auf die Annahme als Erfüllung an, ungeachtet des Streits darüber, welcher Zeitpunkt für die Modifikation des vertraglichen Lieferungsanspruchs durch das Gewährleistungsrecht1719 beim Gattungskauf maßgeblich sei. Wie bereits erwähnt, war in der Literatur zum BGB von 1900 weitgehend anerkannt, dass die Bezugnahme des § 459 Abs. 1 S. 1 a. F. auf „die Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergeht“, jedenfalls beim Gattungskauf bedeute, dass für die Qualitätsprüfung der Ware der Zeitpunkt maßgeblich sei, zu dem die Gefahr übergegangen wäre, wenn die bei der Leistung verwendete Sache die vereinbarte Qualität gehabt hätte (Zeitpunkt des hypothetischen oder fiktiven Gefahrübergangs).1720   Umstritten war allerdings, ab welchem Zeitpunkt beim Gattungskauf der Käufer seinen Anspruch auf Lieferung vertragsgemäßer Ware nur noch unter den in § 480 Abs. 1 S. 2 a. F. bestimmten Einschränkungen verfolgen könne. Es wurde zum Teil vertreten, dass diese gewährleistungsrechtliche Modifikation des Erfüllungsanspruchs beim Gattungskauf nicht bereits mit der Feststellung der Vertragswidrigkeit der Leistung (im Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs), sondern erst mit der Ablieferung, also der körperlichen Übergabe der Ware an den Käufer, stattfinden dürfe, oder dass darüber hinaus sogar noch eine Billigung der Ware als im Großen und Ganzen vertragsgemäß („Annahme als Erfüllung“) erforderlich sei.1721 Dahinter stand das Anliegen, den Käufer vor den Nachteilen zu schützen, die der gesetzliche Nachlieferungsanspruch im Vergleich zu dem vertraglichen Lieferanspruch mit sich brachte. Der Käufer sollte auch dann durch Zurückweisung der mangelhaften Sache seinen vertraglichen Lieferanspruch aufrechterhalten können, wenn der Gefahrübergang die (körperliche) Annahme der Ware nicht voraussetzte (Absenden beim Versendungskauf, Annahmeverzug).1722 Der Vorschlag, darüber hinaus noch eine Billigung seitens des Käufers zu verlangen, dürfte auch auf der Erwägung beruht haben, dass der Verkäufer die Vorteile, die ihm der Übergang in das Gewährleistungsstadium spiegelbildlich zu den Nachteilen des Käufers brachte, erst und nur dann verdient habe, wenn der Käufer bei ihm ein schutzwürdiges Vertrauen dadurch schaffe, dass er die Ware nicht gleich bei der Lieferung ablehnte.1723   Für die hier interessierende Frage, ob die Sachlage bei der Ersatzlieferung mit Blick auf die Gefahr der mangelhaften Sache derjenigen bei der Wandelung entspricht, ist dies aber unerheblich. Denn im einen wie im anderen Fall setzte sich der Käufer nur dadurch dem Risiko aus, sein Recht (Ersatzlieferung oder Wandelung) durch die schuldhafte Verursa1719  Zur Rechtsnatur des Ersatzlieferungsanspruchs gem. § 480 Abs. 1 S. 1 a. F. siehe oben: B.II.2.e)i)3). 1720  Denn das Vorliegen von Sachmängeln steht dem Übergang bei der Gattungsschuld entgegen, ob Sachmängel vorliegen, steht aber erst im Moment der Leistung des Verkäufers fest, und das ist der Moment, in dem die Gefahr übergehen würde, wenn die Leistung erfüllungstauglich wäre. Dazu oben: B.II.2.e)iv) bei Fn. 754. 1721  Dazu m. w. N.: Kirchhof NJW 1970, 2052 (2053); Köhler JuS 1979, 496 (498 f.); Bletz Jura 1987, 139 (140 f.); Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 480 Rn. 12 ff.; Rieble JZ 1997, 485 (486); Reinicke/Tiedtke (1997) – KaufR, S. 2006 (Rn. 525); Esser/Weyers (1999) – SchuldR II.1, S. 55; Kaiser (2000) – Rückabwicklung, S. 99; Herberger (1974) – Sachmängelhaftung, S. 94 ff.; Honsell in: Staudinger (1995) – BGB, § 480 Rn. 10. 1722  Esser/Weyers (1999) – SchuldR II.1, S. 55 f. 1723 Vgl. zu den entsprechenden Vorschlägen, wonach im reformierten Schuldrecht das Moment, ab dem das Leistungsstörungsrecht wegen Verletzungen der Verkäuferpflicht aus § 433 Abs. 1 S. 2 nur noch unter den Modifikationen der §§ 437 ff. zur Anwendung komme, die Annahme des Kaufgegenstandes als Erfüllung sei, und deren Begründung mit dem „Prinzip der Rechtsbeständigkeit“: Bachmann AcP 211 (2011), 395 (406 ff.).



4.  Diskussion der Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 

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chung des Untergangs oder einer wesentlichen Verschlechterung der mangelhaften Sache einzubüßen,1724 dass er die mangelhafte Sache zunächst annahm. § 351 a. F. setzte nämlich bereits nach seinem Wortlaut eine wesentliche Verschlechterung, den Untergang oder die anderweitige Unmöglichkeit der Herausgabe des empfangenen Gegenstandes und damit wenigstens die körperliche Entgegennahme voraus.

Auch unter diesem Aspekt ist eine „wesentliche Gleichheit der in Betracht kommenden Verhältnisse“ also anzunehmen. Die oben formulierten Leitgedanken zu dem Grund und den Voraussetzungen des Ausschlusses des Ersatzlieferungsanspruchs bei vom Käufer verschuldeter anfänglicher Unmöglichkeit der Rückgewähr der mangelhaft gelieferten Sache trafen gleichermaßen auf die Ersatzlieferung zu.1725

(d)  Zwischenergebnis: Isolation der mangelhaften Sache von der vertraglichen Risikoverteilung bei der Ersatzlieferung ohne Auswirkungen auf die Preisgefahr und mit allenfalls indirekten Auswirkungen auf die Leistungsgefahr In Anbetracht der aufgezeigten Gemeinsamkeiten war – unabhängig davon, ob man diese Behandlungsweise an sich für sachgerecht hält – die Entscheidung der Gesetzesverfasser, das Schicksal der gelieferten Sache bei der Ersatzlieferung genau so zu behandeln wie bei der Wandelung, konsequent.1726 Die Zuordnung der mangelhaften Sache zum Vertrag und damit zu der nach dem Vertrag maßgeblichen Risikoverteilung, die infolge ihrer Annahme als Erfüllung zunächst hergestellt worden war, wurde durch das Ersatzlieferungsverlangen genauso aufgehoben wie durch die Wandelung. Bei der Ersatzlieferung wirkte dieser Mechanismus aber nicht auf die „Preisgefahr“.1727 Denn die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises bestand dabei gerade deshalb unverändert fort, weil der Vertrag seitens des Verkäufers, wenn auch erst im „zweiten Anlauf“, erfüllt wurde. 1724 Dazu: Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 480 Rn. 12, 13b; Rieble JZ 1997, 485 (486). Auf den „unmodifizierten“ (vertraglichen) Anspruch des Käufers hatte die Verschlechterung oder der Untergang eines vom Verkäufer zur Erfüllung eingesetzten (mangelhaften) Stücks grundsätzliche keine Auswirkungen. Auch kam keine Befreiung des Schuldners von der Verpflichtung zur Lieferung vertragsgemäßer Ware entsprechend § 324 Abs. 1 a. F. in Betracht, wenn der Gläubiger die bei der Leistung eingesetzte mangelhafte Sache vor ihrer Annahme als Erfüllung schuldhaft zerstörte, weil das Vorliegen des Mangels der Konkretisierung gem. § 243 Abs. 2 entgegenstand. Dem Verkäufer stand ggf. „nur“ ein Schadenersatzanspruch gegen den Käufer zu. Nach Ernst NJW 1997, 896 (899 mit Fn. 34; 900 mit Fn. 51) sollte dies nur für die wirksam zurückgewiesene Ware, nicht jedoch für die noch nicht als Erfüllung, sondern nur zur Qualitätsprüfung angenommene Ware (vor ihrer Zurückweisung) gelten. Diese Unterscheidung überzeugt aber nicht, weil in beiden Fällen die (mangelhafte) Ware nicht in das Synallagma einbezogen ist. 1725  Zur Auslegung des Begriffs des Verschuldens in § 351 a. F. oben: B.II.4.c)v)1). 1726  Eine inhaltliche „Korrektur“ dieser Regelung kam – wie bei der Wandelung (dazu oben: B.II.4.c)iii)1)) – durch Einengung des Zufallsbegriffs oder Ausdehnung des Verschuldensbegriffs oder durch eine Abschöpfung der Bereicherung nach der „Vermögensentscheidungs-Lehre“ in Betracht. 1727  Vgl. oben: B.II.2.e)i).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Ein Zusammenhang mit der Preisgefahr ließe sich allenfalls unter dem Gesichtspunkt herstellen, dass der Käufer die zuerst gelieferte mangelhafte Sache nicht bezahlen musste. Das war aber keine Folge ihres zufälligen Untergangs oder ihrer zufälligen Verschlechterung, sondern lag daran, dass sie als Erfüllungsgegenstand disqualifiziert und aus dem Synallagma aussortiert war.

Der Mechanismus wirkte auch nicht direkt auf die Leistungsgefahr. Zwar erhöhte sich der Leistungsaufwand des Verkäufers bei der Ersatzlieferung (im Vergleich zur ersten Lieferung), wenn und weil er eine weitere (vertragsgemäße) Sache, die er möglicherweise – sogar zu gestiegenen Marktpreisen – beschaffen musste, zu liefern hatte. Dies war aber keine Folge der entsprechenden Anwendung der §§ 467 S. 1, 350 a. F. Er folgte vielmehr direkt aus der Verpflichtung, die der Verkäufer mit dem Abschluss des Kaufvertrages (Gattungskauf, Beschaffungsrisiko) übernahm. Eine (indirekte) gesetzliche Regelung in Bezug auf die Verteilung der Leistungsgefahr war dem Regelungskomplex der §§ 480 Abs. 1 S. 2, 467 S. 1, 350 a. F. allenfalls unter dem Aspekt zu entnehmen, dass das Gesetz dem Käufer die Verfolgung des (Ersatz-)Lieferungsanspruchs auch nach der Annahme mangelhafter Ware noch gestattete und selbst dann nicht ausschloss, wenn die zuerst gelieferte Sache nach ihrer Lieferung beim Käufer aus Zufall beschädigt oder zerstört wurde.1728 Infolgedessen musste der Verkäufer den Wertverlust an der zuerst gelieferten Sache ggf. neben dem (vertraglich begründeten) mit der Lieferung der anderen Sache verbundenen Zusatz-Leistungsaufwand „verschmerzen“. Im Falle der beim Käufer aufgetretenen Zufallsverschlechterung lief dies (nur) im praktischen Ergebnis darauf hinaus, dass der Verkäufer im Zuge der Ersatzlieferung notwendig auch den weiteren „Mangel“ mitbehob, obgleich dieser selbst seine Gewährleistungs-/ Ersatzlieferungspflicht nicht begründete. Insoweit von einem „Zurückspringen“ der Leistungsgefahr im Rahmen der Ersatzlieferung beim Gattungskauf zu sprechen, würde aber – wie so viele Konstruktionen des „alten“ Kaufrechts – dem Gattungskauf eigentlich nicht gerecht. Denn ein „Zurückspringen“ der Gefahr setzt voraus, dass die Gefahr vorher (wenigstens vorläufig) übergegangen ist. Beim Gattungskauf ist dies bei der Lieferung mangelhafter Ware aber gerade nicht der Fall. Denn es liegt in der Natur der Gattungsschuld, dass ein mangelhaftes Stück nicht ohne weiteres als Gegenstand der Erfüllung in Betracht kommt und deshalb auch nicht dazu geeignet ist, den (gleichzeitigen) Übergang der Leistungs- und Preisgefahr herbeizuführen.1729 Die „Hilfskonstruktion“, dass sich der Gattungskauf mit der in der „durch die behufs Erfüllung geschehene Uebergabe“ in einen Stückkauf verwandele, hielten die Verfasser des BGB von 1900 für notwendig, um die Anwendbarkeit der auf den Stückkauf zugeschnittenen ädilizischen Gewährleistungsrechte (Minderung, Wandelung) beim Gattungskauf zu recht1728  Zu

der beschränkten Konkretisierungswirkung, welche die Annahme als Erfüllung mit Blick auf die Regelung der §§ 480 Abs. 1 S. 2, 467 S. 1, 351 a. F. hatte, bereits oben: B.II.4.c)v)2) (c) in Fn. 1718. 1729  Dazu bereits: B.II.2.e)iv).



5.  Zwischenergebnis zu den Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 421

fertigen.1730 Um den Ersatzlieferungsanspruch bzw. die Aufrechterhaltung des vertraglichen Erfüllungsanspruchs zu begründen, bedurfte es ihrer nicht. Gleichwohl wurde mit derselben Begründung auch der Ersatzlieferungsanspruch unterlegt, weil die Verfasser des BGB von 1900 auch ihn in das Gewährleistungsrecht „hineinzwängten“.1731 Daraus darf nicht der Schluss gezogen werden, dass die Gefahr(en) beim Gattungskauf – so wie beim Stückkauf – grundsätzlich ungeachtet des Vorliegens von Sachmängeln mit der Übergabe (wenigstens vorläufig) überging(en). Man sollte diese dogmatische Verlegenheitslösung vielmehr auf das notwendige Maß beschränken.

Dass in der Abwicklung des Gattungskaufs Leistungs- und Preisgefahr bei mangelhafter Lieferung nur dann mit der Übergabe übergingen, wenn der Käufer sich dafür entschied, die gelieferte Sache zu behalten (so gesehen liegt in der Minderung eine Annahme der vertragswidrigen Ware als im Wesentlichen vertragsgemäße Leistung bei „Anpassung des Kaufpreises an den [mangelbedingten] tatsächlichen Sachzustand“1732), oder wenn er das Recht, Ersatzlieferung oder Wandelung1733 zu verlangen, verlor (etwa wegen Ablaufs der Gewährleistungsfrist oder wegen schuldhaft herbeigeführter Zerstörung oder wesentlicher Verschlechterung der gelieferten Sache) und daher nur noch Minderung verlangen konnte, wurde bereits an anderer Stelle1734 vertieft.

5.  Zwischenergebnis zu den Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung beim Kauf nach dem BGB von 1900 Nach dem BGB von 1900 war der Käufer nicht verpflichtet, mangelhafte Ware anzunehmen. Er konnte sie zurückweisen, ohne Rechtsnachteile zu erleiden, und auf diese Weise insbesondere jeglichen Übergang der Gefahr vermeiden. Dies galt gleichermaßen beim Stück- wie beim Gattungskauf, auch wenn die theoretische Begründung unterschiedlich war. Beim Stückkauf verkürzte das Gesetz den Erfüllungsanspruch des Käufers zwar insofern, als es ihn nicht auch auf die Mangelfreiheit des verkauften Stücks erstreckte. Weil der Käufer aber ohne weiteres zur Wandelung – also zur nachträglichen 1730  Solange die gelieferte Sache als Erfüllungsobjekt außer Betracht bleibt, berechtigt ihre mangelhafte Qualität den Käufer auch eigentlich nicht dazu, den Kaufpreis zu mindern, weil das Äquivalenzverhältnis durch die Mangellieferung dann nicht gestört ist. Der Käufer hätte ggf. seinen vertraglichen Lieferanspruch weiterzuverfolgen, ohne gleich vom Vertrag abgehen (wandeln) zu dürfen. Das an sich nicht erfüllungstaugliche Stück musste also überhaupt erst in den Leistungsaustausch eingeordnet werden, um die Grundlage für Minderung und Wandelung zu schaffen. Dazu bereits: B.II.2.e)i)2). 1731  Dazu bereits: B.II.2.e)i), insb. B.II.2.e)i)3). 1732 Vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (192); ders. in: HKK (2013) – BGB, §§ 434–446 Rn. 4. 1733  Wenn der Käufer Wandelung verlangte, hatte dies den Übergang allein der Leistungsgefahr zur Folge, weil die Preisgefahr nach dem oben Gesagten bei Wandelung den Verkäufer traf. Vgl. Esser/Weyers (1999) – SchuldR II.1, S. 97. 1734  Dazu oben: B.II.2.e)iv).

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

Zurückweisung der Ware und Erstattung des gezahlten Kaufpreises – berechtigt war, wenn sich nach der Lieferung herausstellte, dass bereits bei der Lieferung ein Sachmangel vorgelegen hatte, sollte er die Annahme auch sofort verweigern und den Kaufpreis einbehalten dürfen, wenn er den Mangel früher erkannte. Dies insbesondere um nicht das Risiko eingehen zu müssen, die Wandelungsbefugnis infolge einer verschuldeten Beschädigung oder Zerstörung der mangelhaften Sache zu verlieren. Denn zumindest dieses Risiko ging in jedem Fall auf den Käufer über, wenn er mangelhafte Ware nicht sofort zurückwies. Beim Gattungskauf war das Zurückweisungsrecht dagegen unmittelbar daraus abzuleiten, dass vertragswidrige Ware nicht erfüllungstauglich ist und als Gegenstand der Erfüllung des Lieferanspruchs nicht in Betracht kommt, sofern der Käufer sie nicht akzeptiert. Hatte der Käufer die angediente mangelhafte Sache einmal angenommen (sich übergeben lassen), trug der Verkäufer das Risiko einer beim Käufer aufgetretenen Zufallsbeschädigung oder -zerstörung dieser Sache nur noch, wenn es nach Maßgabe des Gewährleistungsrechts zur Rückabwicklung der mangelhaften Leistung kam. Dazu kam es beim Stück- und Gattungskauf gleichermaßen im Rahmen der Wandelung und (nur) beim Gattungskauf außerdem auch im Rahmen der Ersatzlieferung. In beiden Fällen war der Käufer berechtigt, das zunächst angenommene mangelhafte Stück aus dem vertraglichen Leistungsaustausch wieder auszugliedern. Damit schuf er die Voraussetzungen dafür, die Erstattung des Kaufpreises (Wandelung) bzw. Erfüllung mit einem anderen Stück (Ersatzlieferung) verlangen zu können  – mit der Begründung, vom Verkäufer (noch) nicht das erhalten zu haben, was er nach dem Vertrag zu liefern und wofür der Käufer den Kaufpreis zu bezahlen habe.1735 Durch die „Ausgliederung“ der mangelhaften Sache wurde dieselbe von der nach dem Vertrag maßgeblichen Risikoverteilung isoliert. Die Wirkungen waren bei Wandelung und Ersatzlieferung verschieden. Der Wandelung war es eigen, dass zugunsten des Käufers nicht nur die Kaufpreiszahlung, sondern auch der Übergang der Preisgefahr rückgängig gemacht wurde: Der Verkäufer hatte den Kaufpreis in voller Höhe auch dann zu erstatten, wenn die gelieferte mangelhafte Sache sich beim Käufer zufallsbedingt (weiter) verschlechtert hatte oder untergegangen war und der Verkäufer sie deshalb nicht (im Lieferzustand) zurück bekam (auch eine Ersatzleistung stand ihm nicht zu). Die darin liegende einseitige Bevorzugung des Käufers war unmittelbar mit dem Zweck der Wandelung verbunden: Der Käufer sollte wegen der mangelhaften Leistung des Verkäufers geltend machen können, dass er sich auf das Geschäft nicht eingelassen hätte, wenn er von dem Mangel gewusst hätte. Er war dann so zu stellen, wie er vor dem Geschäft(svollzug) stand. Dieses Ziel wäre nicht erreicht worden, wenn er zwar nicht für die Lieferung der mangelhaften Sache als solche, aber für ihren 1735  Der Käufer hatte die Befugnis, die vertragswidrige Leistung des Schuldners durch die Wandelung als Nichtleistung zu behandeln und auf diese Weise seiner eigenen Verpflichtung zur Gegenleistung die Grundlage zu nehmen.



5.  Zwischenergebnis zu den Auswirkungen von Sachmängeln auf die Gefahrverteilung 423

zufälligen Untergang oder ihre zufällige Verschlechterung hätte bezahlen müssen. Bei Kenntnis von dem Mangel hätte er ja weder den Kaufpreis bezahlt noch die mangelhafte Sache „auf eigene Gefahr“ entgegen genommen. Der Käufer hatte die Befugnis, die Angelegenheit so zu behandeln, als habe der Verkäufer überhaupt nicht geliefert und als habe er, der Käufer, deshalb auch nicht bezahlt. Mit der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Wandelung auf den Gattungskauf konnte es auch insoweit zum „Zurückspringen“ der Gefahr kommen. Für den Gattungskauf ist diese Regelung eine Anomalie, weil das Vorliegen von Sachmängeln eigentlich bereits dem Übergang der Leistungsgefahr entgegensteht, da vertragswidrige Ware beim Gattungskauf nicht erfüllungs- und also nicht konkretisierungstauglich ist. Die regelmäßige Reaktion auf die Schlechtleistung bei der Gattungsschuld wäre es, dass der Verkäufer zur (Neu-)Lieferung verpflichtet bleibt und der Käufer für diese den Kaufpreis zu bezahlen hat (wie es bei der Ersatzlieferung der Fall ist). Im Rahmen der Wandelung wurde die Angelegenheit – wie bei der Stückschuld – so behandelt, als sei die gelieferte (mangelhafte) Sache das einzige Stück, das zur Erfüllung in Betracht kommt, als liege die Leistungsgefahr deshalb beim Käufer (und als sei die Preisgefahr mit der Übergabe wenigstens vorläufig auf den Käufer übergegangen).1736 Die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (SMG) ist treffend so zu beschreiben, dass das Vorliegen von Sachmängeln dem Übergang der Preisgefahr nicht entgegenstand. Dies lag an der Ausrichtung des Kaufrechts am Stückkauf und dessen Ausgestaltung im BGB von 1900. Der Umstand, dass § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. die Übergabe für den Gefahrübergang ausreichen ließ, obwohl der Verkäufer gem. § 433 Abs. 1 a. F. außerdem die Übereignung der verkauften Sache schuldete, war bereits geeignet, darüber hinwegzutäuschen, dass der Gefahrübergang im Prinzip von der Erreichung eines bestimmten Erfüllungsstadiums abhängt. Selbst wenn man die erfüllungstheoretische Begründung des Gefahrübergangs (an)erkannte, ließ die gesetzliche Ausgestaltung des Stückkaufs, wonach das Vorliegen von Sachmängeln nicht als Erfüllungshindernis behandelt wurde1737, es fernliegend erscheinen, in Sachmängeln ein Hindernis für den Gefahrübergang zu erblicken. Soweit aus diesen Erwägungen angenommen wurde, dass die Gefahr trotz des Vorliegens von Sachmängeln übergehe, war dieser Gefahrübergang aber lediglich vorläufig oder bedingt. Denn er blieb wirkungslos, wenn es wegen des Sachmangels zur Wandelung kam. Das „Zurückspringen“ der Gefahr war aber keine bloße „Reflexwirkung“; vielmehr offenbarte sich darin, dass durchaus ein mittelbarer, indirekter Zusammenhang zwischen der Sachbeschaffenheit und der Gefahr­tragung bestand. Die Erwägungen, mit denen der Gefahrübergang mit Übergabe gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. für den „Normalfall“ der Lieferung 1736 

Vgl. dazu bereits in Fn. 1730. Die Sachmangelfreiheit wurde vielmehr aus dem Erfüllungsanspruchs des Käufers „ausgeklammert“; dem Käufer waren beim Vorliegen von Sachmängeln statt eines (Nach-)Erfüllunganspruchs spezielle Gewährleistungsrechte gegeben, mittels derer die Vertragsstörung durch eine Anpassung der Kaufpreisschuld an die mangelhafte Sachleistung bewältigt wurde. 1737 

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B.II.  Gefahr­tragung beim Kauf nach dem BGB von 1900

vertragsgemäßer Ware begründet wurde, waren auf den Fall der Lieferung mangelhafter Ware deshalb auch nicht uneingeschränkt zu übertragen. Der Einfluss von Sachmängeln auf den Gefahrübergang betraf nach der Konzeption des Kaufrechts im BGB von 1900 grundsätzlich nur die Preisgefahr. Denn beim Stückkauf ging – in Ermangelung einer Nachbesserungspflicht des Verkäufers – die Leistungsgefahr bereits mit dem Vertragsschluss auf den Käufer über, und daran änderte ggf. auch das Zurückspringen der (Preis-)Gefahr im Rahmen der Wandelung nichts. Es ging also allein um die Frage, ob und inwieweit der Käufer den Kaufpreis zu zahlen hatte, obwohl die Kaufsache nach dem Vertragsschluss (und vor dem Ausschluss der Gewährleistungsrechte, spätestens mit Ablauf der Gewährleistungsfrist) zufallsbedingt beschädigt oder zerstört wurde. Sofern im Rahmen der Ersatzlieferung beim Gattungskauf ein Zusammenhang zwischen dem Vorliegen von Sachmängeln und der Verteilung des Risikos weiterer Zufallsschäden unter dem Aspekt der Leistungsgefahr zu erkennen war, entsprach dies eigentlich nicht der Konzeption des Gewährleistungsrechts. Vielmehr folgte dies aus dem Wesen der Gattungsschuld, das von dem am Leitbild der Stückschuld (Stückkauf) ausgerichteten Kaufrecht weitgehend, aber nicht vollständig unterdrückt wurde.

III.  Veränderungen der Gefahr­tragung beim Kauf durch die Schuldrechtsreform 2002 Mit der Schuldrechtsreform sind die vorgenannten Gründe dafür, zwischen der (Nicht-)Erfüllung und dem Gefahrübergang einerseits und der Gewährleistung und dem Zurückspringen der Gefahr andererseits strikt zu unterscheiden, entfallen. Insbesondere ist „[d]er dogmatische Unterschied, daß den Verkäufer bei einem Gattungskauf eine echte Erfüllungspflicht, beim Spezieskauf nur eine davon zu trennende Gewährleistungspflicht [trifft]“1, weggefallen. Der Gesetzgeber hat den Theorienstreit über den Grund der Sachmängelrechte des Käufers zugunsten der (Nicht-)Erfüllungstheorie entschieden (§ 433 Abs. 1 S. 2), subjektive Kriterien in das Zentrum des Sachmangelbegriffs gerückt (§ 434 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1) und prinzipiell ohne Rücksicht auf die Unterscheidung von Stück- und Gattungskauf dem Käufer einen (vorrangigen) Nacherfüllungsanspruch in Bezug auf die Mangelfreiheit zugestanden.

1.  Erweiterung der Anforderungen an den Gefahrübergang infolge der Erweiterung des Leistungsbegriffs Die damit einhergehende Erweiterung des Leistungsbegriffs2 muss Auswirkungen auf das Verständnis von den Voraussetzungen und der Wirkung auch des erfüllungstheoretisch zu begründenden Gefahrübergangs „mit der Übergabe der verkauften Sache“ gem. § 446 S. 1 haben. Denn als „verkaufte Sache“ ist nach dem Gesetz unabhängig von der Individualisierung des Kaufgegenstandes die gem. § 433 Abs. 1 S. 2 mangelfreie Sache geschuldet. Dann versteht sich von selbst, dass die Lieferung mangelhafter Ware den Gefahrübergang nicht bewirkt, wenn die Gefahr mit der Übergabe übergehen soll, wenn und weil durch diese der Kauf seitens des Verkäufers (mit Ausnahme nur der Eigentumsverschaffungspflicht) erfüllt wird. Denn dann ist mangelhafte Ware nicht erfüllungstauglich und deshalb grundsätzlich nicht geeignet, den Gefahrübergang zu bewirken. Wie bereits dargestellt, wurde mit dieser Begründung beim Gattungskauf bereits unter dem BGB von 1900 ein „realer“ Gefahr(en)übergang im Falle der Lieferung 1  2 

Dazu oben: B.II.4.a)i)1) bei Fn. 1079. Zum neuen Kaufleitbild sogleich: B.III.1.c)ii).

426

B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

mangelhafter Ware abgelehnt.3 Es verwundert daher nicht, dass sich die Stimmen in der Literatur mehren, die einen „echten“ Gefahrübergang im Falle der Lieferung mangelhafter Ware auch dann ablehnen, wenn der Kauf bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf ein individuelles Stück bezogen war.4 Dem steht nach wie vor die Ansicht gegenüber, dass beim Stückkauf die Gefahr trotz Vorliegens eines Sachmangels im Zeitpunkt der Lieferung (§§ 446, 447) zunächst – vorläufig, aber umfassend – auf den Käufer übergehe und lediglich bei der Ausübung „großer“ Mängelrechte, die mit der Rückgabe der mangelhaften Sache einhergehen – also insoweit, wie § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 zur Anwendung kommt – auf den Verkäufer zurückspringe.5 Denn eine Revision der Voraussetzungen des Gefahrübergangs gem. § 446 S. 1 wird trotz der gravierenden Änderungen des Kaufleitbildes im Zuge der Reform6 überwiegend nicht vorgenommen.

3 Ausführlich dazu oben: B.II.2.e)iv). Siehe noch unten: B.III.1.c)i). Auch in der Literatur zum reformierten Schuldrecht lehnt die ganz herrschende Meinung im Falle der Lieferung mangelhafter Ware beim Gattunskauf einen (realen) Gefahrenübergang mit der Begründung ab, dass mangelhafte Ware nicht konkretisierungstauglich sei; so etwa: Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 283; Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 146 f.; Schroeter AcP  207 (2007), 28 (51); Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 434 Rn. 51, § 446 Rn. 9; Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 434 Rn. 162; Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 446 Rn. 30; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 434 Rn. 35; vgl. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 24, 42 f., 143. Anderer Ansicht sind Ernst in: FS Huber (2006), 165 (217–220) und, ihm folgend, Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 275 mit Fn. 1074. Sie meinen, auch beim Gattungskauf gehe die Gefahr ohne Rücksicht auf das Vorliegen von Sachmängeln grundsätzlich mit der Übergabe über, wenn und weil der Käufer die Sache als Erfüllungsobjekt behandle. Denn dadurch übernehme er die Gefahr. Die stehe nicht im Widerspruch zu § 243 Abs. 2, weil dieser nur die Voraussetzungen regle, unter denen der Schuldner einseitig den Gefahrübergang herbeiführen könne. 4  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 46, 68 (Fn. 1), 144 meint, dem kaufrechtlichen Traditionsprinzip liege der Satz casum sentit dominus zugrunde, bezieht diesen Satz aber nur auf den (Eigentums-)Erwerb der vertragsgemäßen Sache (vgl. Heyers/Heuser NJW 2010, 3057 (3057) zur Unteilbarkeit der Leistungspflichten aus § 433 Abs. 1 S. 1 und S. 2, dazu unten: Fn. 73); Berger in: Jauernig (2014) – BGB, § 446 Rn. 3; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 433 Rn. 56; vgl. dazu auch: Bachmann AcP 211 (2011), 395 (398 ff.): die Gefahr bleibe „in der Schwebe“, auch wenn der Gefahrübergang formal gesehen nicht zu leugnen sei; Kandler (2004) – Kauf, S. 328, 381: Aus den §§ 439 Abs. 4, 281 Abs. 5, 283 S. 2, 311a Abs. 2 S. 3 i. V. m. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 sei der Schluss zu ziehen, dass die Preisgefahr bei Lieferung mangelhafter Ware nicht übergehe; missverständlicher Weise heißt es auf S. 456, der „ursprüngliche Gefahrübergang bei Lieferung der Sache (§§ 446, 447)“ werde während der Nachbesserung „rückgängig gemacht“ – gemeint ist damit offenbar die Leistungsgefahr. 5  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (213 ff.); Ewert (2007) – Gefahr­ tragung, S. 104–106; Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (62) – wenn es zu Rücktritt/Ersatzlieferung komme, sei der „erste“ Gefahrübergang „nur fiktiv“ erfolgt; Zwarg (2009) – Nacherfüllung, S. 102, 111, 273 ff.; Stodolkowitz ZGS 2009, 496 ff. 6  Dazu sogleich: B.III.1.c).



1.  Erweiterung der Anforderungen an den Gefahrübergang

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a)  Keine Veränderung des „äußeren“ Regelungsgehalts: Gefahrübergang mit Übergabe Für Kontinuität spricht, dass § 446 in seinem „äußeren“ Regelungsgehalt durch die Reform keine Änderungen erfahren hat:7 § 446 Abs. 1 S. 1 und S. 2 a. F. wurden wortlautidentisch in § 446 S. 1 und S. 2 übernommen, lediglich die Sonderregelung des Gefahrübergangs beim Kauf von Grundstücken, eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken aus § 446 Abs. 2 a. F. wurde ersatzlos gestrichen; der in § 446 S. 3 nunmehr speziell für den Kauf vorgesehene Gefahrübergang bei Annahmeverzug ergab sich im Allgemeinen bereits vor der Reform aus § 324 Abs. 2 a. F. und ergibt sich seitdem aus der entsprechenden Regelung des § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 28. Außerdem wurde der Anwendungsbereich des § 446 durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz erweitert, indem § 447 beim Verbrauchsgüterversendungskauf gem. § 474 Abs. 2 S. 2 für unanwendbar erklärt wurde.9 Der Reformgesetzgeber wollte dadurch der Vorgabe der Verbrauchsgüterkauf-RL Rechnung tragen, wonach für die Vertragswidrigkeit des Verbrauchsguts in jedem Fall der Zeitpunkt der Lieferung maßgeblich sein soll.10 Diese Regelung bewirkt scheinbar ein Auseinanderreißen der im Gesetz angelegten Gleichzeitigkeit des Übergangs von Leistungs- und Preisgefahr11. Denn die Schickschuld wird dadurch nicht zur Bringschuld.12 Bei einem Gattungskauf kommt es deshalb mit dem Abschicken zur Konkretisierung, wenn die Ware in diesem Zeitpunkt vertragsgemäß ist; kommt die Ware infolge einer auf dem Transportweg aufgetretenen 7 Dazu: Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, §  446 Rn.  1  f.; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 446 Rn. 2 f.; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 446 Rn. 2; Reinhardt in: FS Ehmann (2006), 135 (146–150); Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 446, 447 Rn. 9 8  Zur Regelung des § 446 S. 3 und ihrem Verhältnis zu § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2: Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 446 Rn. 1, 31; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 446 Rn. 2; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 446 Rn. 2; Coester-Waltjen Jura 2007, 110 (112). 9  Diese Regelung wurde mit Wirkung ab dem 13.06.2014 durch § 474 Abs. 4 ersetzt: „§ 447 Absatz 1 gilt mit der Maßgabe, dass die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung nur dann auf den Käufer übergeht, wenn der Käufer den Spediteur, den Frachtführer oder die sonst zur Ausführung der Versendung bestimmte Person oder Anstalt mit der Ausführung beauftragt hat und der Unternehmer dem Käufer diese Person oder Anstalt nicht zuvor benannt hat.“ Dazu: Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 474 Rn. 42 ff.; Schermaul JuS 2014, 781 ff. 10  Darin lag zunächst möglicherweise eine überschießende Umsetzung, weil die Richtlinie laut Erwägungsgrund 14 die nationalen Regelungen über den Übergang der Preisgefahr unberührt lassen wollte. Dazu: Ernst in: FS Huber (2006), 165 (188 f.); Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 151; Lorenz in: MüKo (2012) – BGB, § 474 Rn. 36 ff. Gem. Art. 20 S. 1 der RL 2011/83/EU vom 25.10.2011 (Verbraucherrechterichtlinie) ist die grundsätzliche Nichtanwendbarkeit von § 447 Abs. 1 beim Verbrauchsgüter(versendungs)Kauf nun auch europarechtlich vorgeschrieben. Dazu: Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 474 Rn. 42 ff.; Schermaul JuS 2014, 781 ff. 11  Dazu: B.II.1.d)ii)2). 12  Lorenz in: MüKo (2012) – BGB, § 474 Rn. 38; Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 474 Rn. 74 ff.; Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 289 ff.; vgl. Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 474 Rn. 44; a. A.: Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 150.

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

Verschlechterung mangelhaft beim Käufer an, stehen diesem die Mängelrechte gem. §§ 434, 437 zu. Diese schließen die Ersatzlieferung ein (§§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 Alt. 2), was scheinbar im Widerspruch zur Konkretisierung mit Absendung steht. Das reformierte Schuldrecht lässt aber selbst dann, wenn die Parteien bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein individuelles Stück einvernehmlich als Kaufsache bestimmt haben, eine Auslegung der Parteivereinbarung zu, wonach bei Untergang oder Verschlechterung dieses Stücks ersatzweise die Lieferung eines anderen geschuldet sein soll.13 Dies muss erst Recht gelten, wenn die Individualisierung nach dem Vertragsschluss einseitig durch den Verkäufer erfolgt (durch Konkretisierung).14 Wenn der Verkäufer im Falle des Untergangs nach Absenden der Ware Ersatzlieferung schuldet, liegen die Dinge wenigstens mit Blick auf die Gefahr­tragung wie bei der Bringschuld, obwohl es sich in Ansehung der Versandkosten, der Zurechnung eines Verschuldens der Transportperson und der Voraussetzungen des Verzuges um eine Schickschuld handelt.

Bei äußerer Betrachtung der Vorschrift entsteht deshalb leicht der Eindruck, die Gefahr­tragungsregel des § 446 sei von der Reform im Wesentlichen unberührt geblieben.

b)  Veränderung des „inneren“ Regelungsgehalts: Gefahrübergang mit Übergabe der verkauften – d. h. der vertragsgemäß beschaffenen (§ 433 Abs. 1 S. 2) – Sache Dass das Gesetz den Inhalt der Leistungspflicht des Verkäufers seit der Reform weiter fasst und bei Vorliegen von Sachmängeln den Verkäufer vorrangig an der (Nach-)Erfüllung festhält, berührt aber den „inneren Regelungsgehalt“ des § 446 S. 1 und das systematische Zusammenspiel dieser Regelung mit den §§ 434 ff. Dies wird übersehen, wenn man bei der Begründung des Gefahrübergangs immer noch vom Kauf als einer reinen Sachgegenstandsschuld ausgeht, ohne Rücksicht darauf, dass der Verkäufer nunmehr auch die Herstellung bestimmter Sacheigenschaften schuldet. Das steht aber dahinter, wenn die Regelung des § 446 S. 1 nach wie vor der Reform schlicht damit begründet wird, dass die Übergabe die „zentrale Erfüllungshandlung“15 sei, weil mit ihr „der bezweckte Erfolg wirtschaftlich im Wesentlichen [eintrete]“16, oder damit, dass der Käufer deshalb von der Übergabe an „im Verhältnis zum Verkäufer die Gefahr des zufälligen Untergangs und die Lasten der Sache tragen“ müsse, weil die Kaufsache durch die Übergabe „inter partes dem Käufer zugeordnet“ werde (aus demselben Grund gebührten ihm aber auch die Nutzungen).17 Denn dies impliziert, dass die Leistungspflicht des Ver13 

Dazu unten: B.III.6.a). Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 46 f., 146 f. 15  Ernst in: HKK (2006) – BGB, §§ 446, 447 Rn. 6. 16  Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 446 Rn. 9. 17  Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 446 Rn. 1; vgl. Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 85: Der Käufer trage ab der Übergabe die Gefahr, weil er von da an regelmäßig Eigentümer der Sache sei und ihm ihre Nutzungen zugewiesen seien (Zusammenhang von Vor- und Nachteilen). Auch nach der Reform begründet Reinhardt in: FS Ehmann (2006), 14 Vgl.



1.  Erweiterung der Anforderungen an den Gefahrübergang

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käufers sich in der Verschaffung eines bestimmten Sachgegenstandes erschöpfe, wie es beim Stückkauf unter dem BGB von 1900 der Fall war. Dies deutet sich auch an, wenn mit dem Argument, dass der Käufer mit dem Besitz auch die „mit dem Besitz verbundenen Risiken und Gefahren übernehmen muss“18, wie selbstverständlich die Besitzverschaffung als der wichtigste und für den Gefahrübergang wesentliche Bestandteil der Leistung hervorgehoben wird. Dass die Regelung des § 446 S. 1 nur flankierend damit zu begründen ist, dass der Käufer nach der Übergabe (anstelle des Verkäufers) „die Einwirkungs- und Überwachungsmöglichkeit hat (Sphärengedanke)“,19 wurde bereits ausführlich dargelegt20.

Der Gegenstand der geschuldeten gefahrüberwälzenden Sachverschaffung wird nunmehr aber in jedem Fall wenigstens auch über Sacheigenschaften bestimmt; der Gattungskauf hebt sich nur noch dadurch ab, dass das Erfüllungsobjekt dabei ausschließlich über Qualitätsmerkmale definiert wird.

c)  Veränderung des Kaufleitbildes Die Regelung des § 446 S. 1 ist nach der Reform also durchaus nicht anders zu begründen als davor. Der ausschlaggebende dogmatische Grund dafür, dass das Gesetz den Gefahrübergang beim Kauf an die Übergabe knüpft, war und ist die Erwägung, dass der Kauf durch die Übergabe im Wesentlichen erfüllt werde und dass es deshalb mit Blick auf die Gefahr der Gegenleistung gerechtfertigt sei, den Verkäufer so zu stellen, als habe er seine Leistungspflicht bereits insgesamt erfüllt. Weil auch nach der ersatzlosen Streichung des § 446 Abs. 2 a. F. kein Zweifel daran besteht, dass § 446 S. 1 nicht die eigentumsverschaffende Übergabe erfordert,21 bedeutet dies, dass der Gesetzgeber annimmt, der Erfüllung der Besitzverschaffungspflicht komme im Verhältnis zu der Erfüllung der Eigentumsverschaffungspflicht (nach dem typischen Parteiwillen) größeres Gewicht zu.22 Dies wurde bei den Beratungen des BGB von 1900 damit begründet, dass die mit dem Übergang 135 (138–140) die Gefahr­tragung des Käufers ab der Übergabe mit seiner „Vermögensherrschaft“ mit dem Prinzip casum sentit dominus. 18  Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 446 Rn. 1; vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (233): Der Grund des Gefahrübergangs gem. § 446 S. 1 sei die Übertragung des Eigenbesitzes. 19  Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 446 Rn. 9; Kandler (2004) – Kauf, S. 456; Berger in: Jauernig (2014) – BGB, § 446 Rn. 2: Nach der Übergabe befinde sich die verkaufte Sache im „Obhuts- und Machtbereich des Käufers, der daher das Risiko des Untergangs oder der Verschlechterung besser beherrscht als der Verkäufer“; so auch Saenger in: Hk-BGB (2014), § 446 Rn. 1 a. E.: Es sei angemessen, dass dem Verkäufer der Kaufpreisanspruch auch dann erhalten bleibe, wenn die bereits im Macht- und Einwirkungsbereich des Käufers befindliche Sache durch Zufall untergehe. Vgl. Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 280, 284 f.; Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (62): „nach räumlichen Gefahrbereichen“ (Abgrenzung der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 zu § 446 S. 1). 20  Dazu oben: B.II.3.e). 21 Vor der Reform wurde dies aus dem Vergleich von § 446 Abs. 2 a. F. mit § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. gefolgert. Dazu: B.II.3.a) bei Fn. 781. 22  Dazu oben: B.II.3.b)ii)1).

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

vom Eviktions- zum Rechtsverschaffungsprinzip verbundene Erweiterung der Leistungspflicht des Verkäufers nichts daran ändere, dass der Käufer schon durch die Erlangung der faktischen Herrschaft über die verkaufte Sache weitestgehend das erhalte, worauf es ihm ankomme.23 Von der Erlangung (auch) der rechtlichen Herrschaft sollte die Gefahrverteilung nicht abhängen, weil diese in erster Linie die Zuordnung der Sache im „Außenverhältnis“ zu Dritten betrifft, während für die Frage der Gefahrverteilung zwischen den Parteien die Zuordnung der Sache im „Innenverhältnis“ entscheidend sei, die bereits durch die Übergabe verändert werde.

Diese Abwägung, inwieweit die Übergabe Erfüllungswirkung haben muss, um gefahrüberwälzend wirken zu können, ist freilich vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Erfüllungsanspruch des Käufers beim Stückkauf als dem Leitbild des Kaufvertrages seinerzeit auch nur auf die Sachübergabe und -übereignung bezogen war. Dass insoweit die Erfüllung der Übergabepflicht überwiegen soll, besagt deshalb nicht zwingend, dass die Erfüllung der Übergabepflicht schlechthin hinreichende Bedingung des Gefahrübergangs ist, namentlich auch dann, wenn der Gegenstand der Verkäuferleistung um die Verpflichtung zur Herstellung der vertragsgemäßen Beschaffenheit erweitert wird.24 Der Begründung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, das genau diese Erweiterung mit sich gebracht hat, ist das nicht zu entnehmen. Über das Verhältnis der drei Hauptleistungspflichten des Verkäufers (Übergabe, Übereignung, Mangelfreiheit) mit Blick auf den prinzipiell erfüllungstheoretisch zu begründenden Gefahrenübergang hat sich der Gesetzgeber offenbar keine Gedanken gemacht. Auf den Grund des Gefahrübergangs beim Kauf geht die Regierungsbegründung mit keinem Satz ein. Zu § 446 heißt es schlicht: „Der bisherige § 446 Abs. 1 geht in dem neuen § 445 RE auf“.25 Dabei hätte die Reform des Kaufleitbildes26, die Erweiterung und wesentliche Veränderung der Leistungspflicht des Verkäufers, durchaus Anlass dazu gegeben, die Voraussetzungen des Gefahrübergangs „mit der Übergabe der verkauften Sache“ zu überdenken. Ob und inwieweit das Vorliegen von Sachmängeln dem (realen) Übergang der Preisgefahr im Wege steht und dies in § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 lediglich einen Ausdruck findet, oder ob die Preisgefahr eigentlich übergeht und bei Anwendung des § 346 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 zurückspringt, darf nicht offen bleiben. Denn die Verteilung 23 

Dazu oben: B.II.1.c)i)2)(a). Der Übergang von der Sachmängelgewährleistung zu einer primären Leistungs- und Nacherfüllungspflicht des Verkäufers in Bezug auf die Sachmangelfreiheit mit der Schuldrechtsreform 2002 entspricht in seiner systematischen Bedeutung dem Übergang vom Eviktions- zum Rechtsverschaffungsprinzip, den das BGB von 1900 in Abkehr vom gemeinen Recht vollzog; dazu Ernst in: HKK (2013) – BGB, vor § 433 Rn. 1. 25  BT-Drucks. 14/6040, S. 203. Rückschlüsse auf die Vorstellungen des Reformgesetzgebers zu den Voraussetzungen des Gefahrübergangs im Kaufrecht erlaubt aber die Begründung der Bezugnahme des § 434 Abs. 1 S. 1 auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs. Dazu unten: B.III.3.a)i). 26  Dazu sogleich: B.III.1.c). 24 



1.  Erweiterung der Anforderungen an den Gefahrübergang

431

der Preisgefahr ist entscheidend dafür, auf welche Weise sich im Falle der Lieferung mangelhafter Ware die Leistungsgefahr verteilen kann.27 Seit der Einführung der Nacherfüllungspflicht des Verkäufers28 stellt sich nämlich nicht mehr nur beim Gattungskauf, sondern allgemein beim Kauf die Frage, bis wann und inwieweit der Verkäufer im Zeitraum zwischen dem Abschluss und der Erfüllung des Geschäfts die Leistungsgefahr trägt. Dies betrifft zufällige Verschlechterungen der zur Erfüllung bestimmten Sache. Es stellt sich die Frage, inwieweit und bis wann der Verkäufer solche Verschlechterungen durch Nachbesserung beheben muss (und sonst, Vertretenmüssen vorausgesetzt, statt der Leistung haftet). Außerdem ist fraglich, unter welchen Umständen der Käufer abseits des Gattungskaufs wegen der Vertragswidrigkeit der zur Erfüllung bestimmten Sache die Lieferung einer anderen Sache vom Verkäufer verlangen kann und also seinen Lieferanspruch ungeachtet einer weiteren Verschlechterung oder des späteren Untergangs in vollem Umfang behält. Nur soweit das Vorliegen von Sachmängeln im maßgeblichen Zeitpunkt dem Übergang der Preisgefahr tatsächlich entgegenstünde, wäre es denkbar, dass die Leistungsgefahr beim Verkäufer verbleibt, so dass er unter bestimmten Umständen auch danach auftretende zufällige Verschlechterungen – etwa solche, die sich als Folge des (haftungsrechtlich nicht vom Verkäufer zu vertretenden) Sachmangels darstellen, oder die beim Nacherfüllungshandeln des Verkäufers entstehen (ohne dass der Verkäufer dies haftungsrechtlich zu vertreten hätte) – noch im Rahmen der Nacherfüllung beheben muss.29

i)  Zum alten Kaufleitbild, §§ 433, 459 ff., 480 a. F. Die Regelungen des Kaufrechts im BGB von 1900 waren ganz auf den Stückkauf zugeschnitten. Dem Gattungskauf war nur eine Annexregelung gewidmet, die das (Stück-)Kaufrecht mit gewissen Änderungen und Ergänzungen, hier sei insbesondere der Nachlieferungsanspruch genannt, für anwendbar erklärte (§ 480 a. F.). Ernst spricht insoweit von einem am Spezieskauf ausgerichteten Einheitsmodell mit „modifizierter Inklusion“ des Gattungskaufs.30

27 Vgl.

Rabl (2002) – Gefahr­tragung, 28  Ausführlich dazu: B.III.2.

S. 259.

29  Denn es ist denklogisch ausgeschlossen, dass die Leistungsgefahr erst nach der Preisgefahr übergeht. Dazu oben: A.3.b)i) und: A.3.c). 30  Ernst ZEuP 1999, 583 (584 f.).

432

B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

1)  Ausrichtung am Stückkauf: Verpflichtung zur Verschaffung von Eigentum und Besitz an bestimmtem Gegenstand und zur Gewährleistung bei Vorliegen von Sachmängeln Da das Gesetz für den Käufer beim Stückkauf keinen Anspruch auf die Leistung des verkauften Stücks in forma specifica31 (und insbesondere keinen Nachbesserungsanspruch) vorsah, sondern den Verkäufer lediglich zur Gewährleistung verpflichtete, falls das gelieferte Stück einen (nicht unerheblichen) Fehler aufwies oder ihm eine zugesicherte Eigenschaft fehlte, erschöpfte sich die eigentliche Leistungspflicht des Verkäufers in der Übergabe und Übereignung des verkauften Stücks. Der Stückkauf war mithin als reine „Sachgegenstandsschuld“32 bzw. „Sachverschaffungsschuld“33 konzipiert, deren historisches Vorbild eines unmittelbar objektbezogenen Verfügungsgeschäfts (Abgabe bestimmter Ware gegen Geldzahlung)34 unschwer zu erkennen war. Mit dem Kaufabschluss übernahm der Käufer die Leistungsgefahr insgesamt, d. h. sowohl die Gefahr des Untergangs als auch der Verschlechterung des verkauften Stücks: Die Sache war – ausschließlich – so verkauft, wie sie war, und dies schloss eine Nachbesserung ebenso aus wie eine Ersatzlieferung.35 Aussagekräftiger als die Begrifflichkeiten von Stück- und Gattungskauf, die dazu verleiten, statt auf den Inhalt der Vereinbarung auf die „Natur“ der verkauften Sache36 zu schauen, ist deshalb die Unterscheidung zwischen Abgabe- und Beschaffungsschuld, die auf Heck37 zurückgehen dürfte. Dass der Käufer sich verpflichtet, eine bestimmte ihm gehörende Sache so abzugeben, wie sie ist, wird gelegentlich auch mit dem Begriff des Platzgeschäfts/-kaufs beschrieben,38 womit allerdings meist die Beschreibung des Leistungsorts bezweckt ist39.

2)  Gefahrübergang mit Übergabe, weil Sachverschaffung weitgehend abgeschlossen und geschuldete Leistung im Wesentlichen bewirkt Vor dem Hintergrund des synallagmatischen Prinzips und der Grundregel der Schuldnergefahrtragung im gegenseitigen Vertrag (§§ 275, 323 a. F.) war es kon31 

Formulierung von Ernst in: FS Huber (2006), 165 (225, vgl. 229). Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 20, 88, 91, 93 f. 33  Kandler (2005) – Kauf, S. 106 f. mit Verweis auf Götz (1960) – Sachmängelbeseitigung, S. 47: „Der Kaufvertrag ist ein Lieferungs-, nicht aber ein Herstellungsvertrag“ (im Unterschied zum Werkvertrag), vgl. auch unten: B.III.1.c)ii)1) (bei Fn. 50). 34  Zum Kaufleitbild des klassischen römischen Rechts siehe oben: B. I. 1.a). 35 Falls die verkaufte Sache nach Vertragsschluss ihre vertragsanfängliche Beschaffenheit verlor, war auch ein Anspruch des Käufers auf Wiederherstellung dieser Beschaffenheit ausgeschlossen, weil das Gesetz stattdessen die Sachmängelgewährleistung für anwendbar erklärte, die aus den genannten Gründen gerade keine Nachbesserung vorsahen. 36  Vgl. dazu bereits die Kritik von Jakobs: B.III.1.c)ii)3) (bei Fn. 69). 37  Heck (1929) – SchuldR, § 28.3 (S. 86 f.). 38  Picker in: FS Konzen (2006), 687 (687, 701, 708); ders. in: FS Westermann (2008), 583 (586, 587, 605, 613). 39  Statt vieler Schmidt (2011) – Versendungskauf, S. 68 ff. 32 



1.  Erweiterung der Anforderungen an den Gefahrübergang

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sequent, den Gefahrübergang (beim Stückkauf), wenn schon nicht von der Erfüllung der Übergabe- und der Übereignungspflicht, so doch wenigstens von der Erfüllung einer dieser beiden Leistungspflichten (nämlich von der Erfüllung der Übergabe-Pflicht (§ 446 Abs. 1 S. 1 a. F.), beim Grundstückskauf reichte ausnahmsweise auch die Erfüllung der Übereignungspflicht aus, § 446 Abs. 2 a. F.) abhängig zu machen. Die Frage, ob das gelieferte Stück einen Sachmangel aufwies, war unter dem Aspekt der Erfüllung40 und deshalb auch für den mit der Erreichung eines bestimmten Erfüllungsstadiums zu begründenden Gefahrübergang41 dagegen ohne Belang. Näher lag von der Konzeption der Sachmängelgewährleistung als „Haftung“ für das Ausbleiben eines gerade nicht in natura geschuldeten Erfolges die Annahme, dass die Neutralisierung des Gefahrübergangs beim Rücktritt wegen eines Sachmangels (Wandelung) eine Reflexwirkung der Gewährleistungspflicht des Verkäufers sei.42

3)  Subordination des Gattungskaufs, bei dem die Sachqualität maßgeblich für die Bestimmung des zu verschaffenden Gegenstandes ist, unter dieses Modell Auf den Gattungskauf traf diese Überlegung bereits nach dem alten Kaufrecht nicht zu. Denn dieses Geschäft war und ist eine „Sacheigenschaftsschuld“: Das Vorliegen bestimmter Qualitätsmerkmale konstituiert den Kaufgegenstand, der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in einer unkörperlichen, nur vorgestellten Idealsache besteht, überhaupt erst.43 Im Gegensatz zum „klassischen“ Stückkauf ist nicht eine bestimmte Sache, der eine bestimmte Beschaffenheit zugeschrieben wird, Leistungsgegenstand, sondern eine Sache muss eine bestimmte Beschaffenheit aufweisen, um sich als Leistungsgegenstand zu qualifizieren. Die Pflicht zur Übergabe und Übereignung war (und ist) freilich beim Stückwie beim Gattungskauf auf den Leistungsgegenstand bezogen, dementsprechend setzte der Gefahrübergang gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. die Übergabe der „verkauften Sache“ voraus. Wies beim Gattungskauf die gelieferte Sache im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nicht die vertragsgemäße Beschaffenheit auf, qualifizierte sie sich weder als Erfüllungsgegenstand noch als die verkaufte Sache i. S. v. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. Deshalb musste nicht nur die Konkretisierung gem. § 243 Abs. 2, 40  Wenn die Sache (wenigstens) so, wie sie beim Vertragsschluss beschaffen war, geschuldet war, führte eine nachträgliche negative Verschlechterung der verkauften Sache zwar zu einer Störung der Erfüllungspflicht. Durch die Entscheidung, diesen im Rahmen der Preisgefahrtragung dem Verkäufer zur Last fallenden Störungsfall als Sachmangl zu erfassen und mit der üblichen Gewährleistungspflicht zu bewältigen, die eine Nacherfüllung nicht vorsah, blieb beim Stückkauf aber kein „Leistungsrest“ ausstehen. Dazu: B.II.1.d)i)1), insb. bei und in Fn. 312 sowie B.II.3.b), insb. bei Fn. 812. 41  Zu dieser Ansicht zum Zusammenhang der §§ 446, 459 ff., 350 f. a. F. oben: B.II.3.b). 42 Zu dieser (herrschenden) Meinung zum Zusammenhang der §§ 446, 459 ff., 350 f. a. F. oben: B.II.4.a)ii). 43  Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 20, 91, 96.

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sondern auch der – erfüllungstheoretisch zu begründende – Gefahrübergang gem. § 446 Abs. 1 S. 1 a. F. eigentlich scheitern. Dies wurde vor allem dann deutlich, wenn der Verkäufer wegen eines Sachmangels gem. § 480 Abs. 1 S. 1 a. F. zur Lieferung einer (anderen) vertragsgemäßen Sache verpflichtet war (blieb) – wie es der Natur der Gattungsschuld entspricht44. Denn dann lag die Leistungsgefahr in vollem Umfang weiterhin bei ihm. Dies schloss es aber aus, dass die Preisgefahr mit der Übergabe der mangelhaften Sache auf den Käufer übergegangen war, weil die Preisgefahr aus systematischen Gründen nicht vor der Leistungsgefahr übergehen kann.45 Sofern bei Vorliegen von Sachmängeln der Gattungskauf als solcher und nicht wie ein Stückkauf behandelt wurde (Ersatzlieferung), blieb der Gefahrübergang also wirkungslos.46

Zu einem (endgültigen) Übergang der Leistungsgefahr und einem (wenigstens vorläufigen) Übergang der Preisgefahr kam es im Falle der Lieferung mangelhafter Ware beim Gattungskauf nur, wenn und weil der Käufer die eigentlichen Gewährleistungsrechte (Minderung oder Wandelung) geltend machte, also so auf den Sachmangel reagierte, als liege ein Stückkauf vor (im Rahmen der Wandelung sprang die Preisgefahr freilich wieder auf den Verkäufer zurück). Denn so, wie der Stückkauf im BGB von 1900 ausgestaltet war, lag die Leistungsgefahr ja vom Vertragsschluss an beim Käufer und ging die Preisgefahr auch bei Vorliegen von Sachmängeln mit der Entgegennahme der mangelhaften Sache zumindest vorläufig auf ihn über.

ii)  Zum neuen Kaufleitbild, §§ 433 Abs. 1 S. 2, 434, 437 ff., 439 Abs. 1 Mit der Schuldrechtsreform hat die Unterscheidung zwischen Stückkauf und Gattungskauf erheblich an Bedeutung verloren.47 Dies liegt daran, dass der Reformgesetzgeber der Regelung des Kaufvertrages einheitlich die Erfüllungstheorie zugrunde gelegt hat (vgl. § 433 Abs. 1 S. 2) und den Verkäufer nach dem Gesetz deshalb ohne Rücksicht darauf, ob er individuell oder nur nach generischen (Qua44  Das Vorliegen eines Sachmangels bedeutet ein Erfüllungshindernis, weil eine Sache, die nicht vertragsgemäß beschaffen ist, sich nicht als Erfüllungsobjekt eignet. Denn das Erfüllungsobjekt wird beim Gattungskauf gerade über bestimmte Qualitätsmerkmale beschrieben. Dass der Käufer wahlweise die mangelhafte Sache annehmen und wie bei einem Stückkauf Wandelung oder Minderung verlangen konnte, ergab sich erst aus der gesetzlichen Anordnung des § 480 Abs. 1 S. 1 a. F. Daraus folgte zugleich, dass der Gattungskauf nicht als reine Sacheigenschaftsschuld konzipiert war, sondern Elemente der Sachgegenstands- und der Sacheigenschaftsschuld miteinander vereinte. Dazu Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 94 ff., 99 sowie oben: B.II.2.e) i)2) und B.II.2.e)iv)4) (bei Fn. 769). 45  Zu diesem Zusammenhang bereits oben: A.3.b)i) und A.3.c). 46  Allgemein zum Einfluss von Sachmängeln auf den Gefahrübergang beim Gattungskauf: B.II.2.e)iv). Zum „Zurückspringen“ der Preisgefahr bei der Wandelung auch beim Gattungskauf: B.II.4.c). Zur Bedeutung des Regelungskomplexes der §§ 480 Abs. 1 S. 2, 467 S. 1, 350 f. für die Verteilung der Leistungsgefahr nur beim Gattungskauf: B.II.4.c)v)2)(d). 47  Kandler (2004) – Kauf, S. 319, 321; Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 291; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 433 Rn. 55; Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 434–445 Rn. 24, 40.



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litäts-)Merkmalen bestimmte Ware verkauft hat, zur Leistung in der geschuldeten Beschaffenheit und, wo diese Beschaffenheit im maßgeblichen Zeitpunkt fehlt (vgl. § 434 Abs. 1 S. 1), zur Herstellung dieser Beschaffenheit durch Nacherfüllung (§ 439 Abs. 1) verpflichtet und das gesamte Sachmängelrecht grundsätzlich gleichermaßen für Stück- wie für Gattungskäufe gilt.

1)  Annäherung von Stück- und Gattungskauf sowie Annäherung des Kaufs an den Werkvertrag Auch inhaltlich hat der Gesetzgeber diese beiden Varianten des Kaufs einander48 und den Kauf überhaupt dem Werkvertrag angenähert. Dabei ergibt sich die Nähe zum Werkvertrag nicht nur aus dem Gepräge der im Rahmen der Nachbesserung geschuldeten Leistungshandlungen,49 sondern vor allem daraus, dass die Verpflichtung des Verkäufers mit Blick auf die Beschaffenheit der Ware nunmehr auf einen „echten“ Leistungserfolg bezogen ist.50 Der Verkäufer „haftet“ nicht mehr nur gewährleistungsrechtlich bei Nichteintritt eines an sich nicht geschuldeten Erfolges, sondern er hat den geschuldeten Erfolg tatsächlich herbeizuführen (und haftet lediglich sekundär – wegen Nichterfüllung/statt der Leistung –, wenn ihm dies nicht gelingt). In diesem Zusammenhang sei an Ballerstedts Vergleich von Stück- und Gattungskauf unter Bezugnahme auf den Werkvertrag erinnert: „Während der Stückverkäufer mit dem Abschluß des Vertrages erklärt, etwas zu ‚haben‘ (nämlich Eigentum oder jedenfalls Veräußerungsbefugnis), nimmt der Verkäufer gattungsmäßig bezeichneter marktgängiger Ware für sich in Anspruch, etwas zu ‚können‘ (nämlich über die erforderlichen Verbindungen, über den Zugang zu den Quellen zu verfügen, deren er zur Beschaffung der Ware bedarf). Insofern kann man sagen, der ‚marktbezogene‘ Gattungskauf enthalte neben der Verpflichtung zur Eigentumsübertragung noch eine Verpflichtung zur Herbeiführung eines Erfolges, womit ein dem Werkvertrag verwandtes Moment zu dem kaufvertraglichen hinzutritt.“51 48  Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 433 Rn. 4; Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 203 f. (zur Bedeutung der Zulässigkeit der Ersatzlieferung beim Stückkauf). 49 Vgl. Kandler (2004) – Kauf, S. 324 f.: Dass sich der Leistungsinhalt des § 439 Abs. 1 gegenüber § 433 Abs. 1 grundlegend ändere, zeige sich auch darin, dass die Verpflichtung des Verkäufers zur Nacherfüllung durch Mängelbeseitigung „beinahe werk- statt kaufvertraglichen Charakter“ habe; Reinking ZfS 2003, 57 (59): „Nachbesserungsrecht werkrechtlicher Prägung“. 50  Kandler (2004) – Kauf, S. 321 f. Freilich besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen Werk- und Kaufvertrag immer noch darin, dass beim Kauf der entscheidende Akt nicht in der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes an sich, sondern in der Verschaffung der (vertragsgemäßen) Sache liegt. Dazu Gsell in: FS Picker (2010), 297 (321) im Zusammenhang mit der Bestimmung des Nacherfüllungsorts. 51  Ballerstedt in: FS Nipperdey (1955), 261 (264); vgl. auch Huber (1981) – Gutachten und Vorschläge I, 647 (772); Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 93; Bucher in: FS Welser (2004), 93 (104) zum Kaufleitbild des reformierten BGB: „Das neue Modell des Kaufvertrages fasst das Geschuldete weiter und abstrakter, denn vom Schuldner (Verkäufer) wird verlangt, den Käufer in eine bestimmte Lage zu versetzen, wie man diese auch immer beschreiben mag. Das tönt wolkig, hat aber sein Vorbild im Werkvertrag, der altbekannt und in seiner Abwicklung fassbar ist: der die charakteristische Leistung erbringende Werkunternehmer ist weder zu einem Tun [facere] noch zu

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Dieses Moment ist es, das uns seit der Schuldrechtsreform daran hindert, einen Stückkauf  – sofern die Parteien keine Sonderabsprachen getroffen, namentlich die Nacherfüllung abbedungen haben – weiterhin als reine Sachgegenstandsschuld und im klassischen Sinne als „Abgabegeschäft“ (im Gegensatz zu einem „Beschaffungsgeschäft“) zu behandeln.52 Unter Einbeziehung der Nachbesserung und des subjektiven Mangelbegriffs schließt das, was der Verkäufer zu „können“ verspricht, – zumindest nach dem gesetzlichen Leitbild der §§ 433 Abs. 1 S. 2, 439 Abs. 1 – grundsätzlich53 außer der Beschaffung von Ware in der vereinbarten Qualität am Markt auch die Herstellung54 der vereinbarten Qualität durch Bearbeitung der verkauften Sache ein. In der Regierungsbegründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes heißt es dementsprechend zur Nacherfüllungspflicht beim Kauf, dass eine solche zu einer „Verringerung der Unterschiede zwischen Kauf- und Werkvertrag“ führe, weil nunmehr für beide Vertragstypen übereinstimmend gelte: „Es besteht eine Verpflichtung zur sachmängelfreien Leistung; Nacherfüllung ist möglich und kann verlangt werden“.55 Dies hat Bucher als die Übertragung der für Gattungskäufe charakteristischen Struktur der Verkäuferpflicht auf den Kauf von Einzelstücken beschrieben56 und seiner Sachleistung [dare] verpflichtet, sondern er schuldet allein einen Erfolg…“. Zu Ballerstedts Abhandlung bereits oben: B.II.1.d)ii)2)(d) (bei und in Fn. 418). 52  Zum klassischen Wesensmerkmal „Abgabegeschäft“ des Stückkaufs und den Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf dasselbe: Picker JZ 2003, 1035 (1042): Bei Platz- oder Abgabegeschäften sei der „Wille auf das Versprechen beschränkt, das Objekt so, wie es ‚liegt und steht‘, an den Partner zu übergeben“; ders. in: FS Konzen (2006), 687 (687, 701, 708); Lobinger (2004) – Grenzen, S. 164, 167, 170 (mit Fn. 351), 203; vgl. auch Ernst in: FS Huber (2006), 165 (203 f.) zur typischen Interessenlage der Parteien bei Abschluss eines „genuinen Stückkaufs“. Zur grundsätzlichen Unterscheidung von Abgabe- und Beschaffungsschuld siehe auch oben: B.III.1.c)i)1) bei Fn. 37. 53  In Bezug auf den Verkauf eines bestimmten Stücks wird hier die Frage relevant, ob und unter welchen Umständen der Verkäufer zur Ersatzlieferung verpflichtet ist; ausführlich dazu: B.III.6.a). 54  Im Zusammenhang mit der „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“ (Ernst, dazu oben: B.II.2) muss man eigentlich von der Wiederherstellung der geschuldeten Beschaffenheit sprechen, weil es um Fälle geht, in denen die verkaufte Sache die geschuldete Beschaffenheit infolge einer Sachverschlechterung nach Vertragsschluss verloren hat. 55  BT-Drucks. 14/6040, S. 204. 56  Bucher (1988) – ORAT, S. 103 f. mit Anm. 45; ORBT, S. 58–61, 64; ders. in: Wiener Kaufrecht (1991), 13 (20): „Das Merkmal des Gattungskaufs besteht darin, dass die zu liefernde Sache nicht wie beim Stückkauf durch Verweisung auf eine definierte, real von der übrigen Umwelt abgegrenzte Einheit bestimmt wird, sondern durch Verweisung auf eine bestimmte, zum vornherein und unabhängig vom Vertrag bestehende Gattung von Waren, aus der ein bestimmtes Quantum zu liefern ist. Der Typus des Gattungskaufs wird erst möglich infolge des Bestehens einer Gattung, deren bekannte Eigenschaften die vertragliche, d. h. normative Bestimmung des Leistungsgegenstandes durch Verweisung auf diese Gattungseigenschaften zulässt. Die moderne Technik schafft nun aber nicht bloss neue Gattungen in Gestalt industrieller Massenprodukte, sondern impliziert die Unterscheidung des Planes vom Ausführen, was durch Verweisung auf die Planung den normativen (vertraglichen) Beschrieb eines erst herzustellenden Kaufobjektes ermöglicht. Das Merkmal der Vielzahl von Exemplaren, wie er im Gattungskauf enthalten ist, verliert seine Bedeutung; werden technisch gefertigte Produkte zum Gegenstand eines Kaufs



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von diesem Ausgangspunkt die These entwickelt, der „Kauf nach Beschrieb“ habe im Zuge der technologischen Entwicklung den Typus des Gattungskaufs überwunden und sei zum eigentlichen Leitmodell der modernen Kaufrechtsordnungen geworden57. Wenn man sich auf die charakteristischen Merkmale des Gattungskaufs konzentriert und die dem Verkäufer obliegende Beschaffungslast mit Blick auf die Lieferung vertragskonformer Ware nicht allzu wörtlich, sondern als Verpflichtung zur Herbeiführung des vertraglich geschuldeten Leistungserfolges (auch) in qualitativer Hinsicht versteht, ist freilich auch der „Kauf nach Beschrieb“ nichts anderes als ein Gattungskauf, nur dass er die „Machbarkeit“ statt die „Beschaffbarkeit“ des Leistungsgegenstandes voraussetzt.58

2)  Den klassischen Stückkauf als reines Abgabegeschäft sieht das Gesetz nicht mehr vor Seit der Reform ist der Stückkauf, wie ihn das Gesetz ausgestaltet, jedenfalls keine reine Sachgegenstandsschuld mehr, vielmehr weist er nun auch Elemente der Sacheigenschaftsschuld auf.59 Den klassischen Stückkauf als reines Abgabegeschäft sieht das Gesetz nicht mehr vor. Denn auch beim Kauf eines individuellen Stücks ist der Verkäufer nicht von jeglicher Leistungsgefahr befreit, sondern trägt wenigstens60 das Risiko, eine (reparable) Verschlechterung der verkauften Ware, die bis zur Lieferung auftritt, durch Nachbesserung beseitigen zu müssen.61 Es hat sich also nicht nur die Abkehr vom Stückkauf als Regelmodell des Kaufrechts vollzogen;62 vielmehr hat der „Systemwechsel von der Stück- zur Gattungsschuld“ (Dieckmann) sich auch auf den Stückkauf selbst ausgewirkt.

3)  Neuer gesetzlicher Regelfall ist ein Kaufvertrag, der zwischen den herkömmlichen Kategorien Stück- und Gattungskauf steht Auf unterschiedliche Weise wird die Frage beantwortet, welches das neue Regelmodell des Kaufrechts sei. Auseinanderhalten muss man dabei die Typisierung gemacht, spielt es keine Rolle, ob diese als Unikate oder als Serienprodukte hergestellt werden“. – vgl. auch Dieckmann (2007) – Naherfüllung, S. 32 f., 117 f., 146, 163, f., 168 f., 177, 189, 228, 241 zum „inneren Zusammenhang“ zwischen Gattungsschuld und Nacherfüllung, der den Schluss zulasse, dass dort, wo Nacherfüllung (durch Ersatzlieferung) geschuldet sei, eigentlich ein Gattungskauf bestehe. 57  Bucher in: Wiener Kaufrecht (1991), 13 (19 ff.); ders. in: FS Welser (2004), 93 (102 ff.), ders. in: FS Huwiler (2007), 138 (152 f.); ähnlich Huber ZHR 161 (1997), 160 (181 ff., 183 f.). 58 Vgl. Ernst ZEuP 1999, 583 (631). 59  Dieckmann (2007) – Gattungsschuld, S. 99, vgl. 116 f., 252 f. 60  Wie weit er darüber hinaus die Leistungsgefahr trägt, hängt davon ab, ob und unter welchen Voraussetzungen außer der Nachbesserung auch eine Ersatzlieferung in Betracht kommt. Dazu bereits in Fn. 53. 61 Vgl. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 26 f., 47, 143, 153 f. 62  Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 305 f.

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der tatsächlichen Kaufsituation, insbesondere des typischen Kaufgegenstandes, und die Frage, welche Regelung der Gesetzgeber diesbezüglich für sachgerecht hält und welchen Geschäftstypus unter rechtlichen Gesichtspunkten er insofern ausgeformt hat.63 Es heißt, der Reformgesetzgeber habe das BGB stärker an die Rechtswirklichkeit heranführen wollen, die nicht (mehr) von Kaufverträgen „über Einzelstücke und Gattungssachen von verhältnismäßig einfacher Beschaffenheit und geringem Schadenspotential“ geprägt sei, sondern von dem Kauf industrieller Massengüter und komplex zusammengesetzter technischer Geräte, bei denen die Behebbarkeit des Mangels sowie die Erwartung an den Verkäufer, den Mangel zu beheben, die Regel sei.64 Der Gesetzgeber habe über den in der Realität auftretenden Regelfall des „typischen“ Kaufs hinaus sogar in die Zukunft gedacht und einer zunehmenden Tendenz von Wiederverwertungen und der Eröffnung von Sekundärmärkten Rechnung tragend den typischen Fall eines Kaufs in demjenigen über austauschbare Gebrauchsgüter, bei denen es den Parteien vor allem auf die Funktion der Sache ankommt, erblickt; im heutigen Industrie-, Computer- und Informationszeitalter seien solche industriellen Massengüter in der Regel aufgrund des schnellen technischen Fortschritts und ständig wechselnder Konsumgewohnheiten einer kurzen Lebensdauer unterworfen und sie würden wegen eines stark zunehmenden Computerisierungs- und Technisierungsgrades immer komplizierter.65 In Bezug auf die rechtliche Erfassung solch eines Geschäfts heißt es dann, der Gesetzgeber habe anerkannt, „dass der Abschluss eines Gattungskaufvertrages keinen seltenen und daher speziell regelungsbedürftigen Ausnahmetatbestand darstellt, sondern im Gegenteil den Geschäftsalltag der Menschen prägt.“66 Man darf freilich nicht ohne weiteres davon, was verkauft wird, darauf schließen, wie es verkauft wird. Huber begründete die Notwendigkeit einer Schuldrechtsreform bereits im Jahre 1981 damit, dass das Leistungsstörungsrecht der veränderten Rechtswirklichkeit gerade dadurch nicht mehr gerecht werde, dass „das Gesetz seinen selbstverständlichen Ausgangspunkt immer von der Speziesschuld nimmt“, weil insbesondere beim Kauf der Gattungskauf gegenüber dem Spezieskauf inzwischen das Übergewicht gewonnen habe, es anders als zu Beginn des 20. Jahrhunderts mittlerweile viel seltener um den „Kauf von Haus, Hof und Acker, von Vieh, von Kostbarkeiten  … und daneben in geringerem Maße noch [um] Großhandel mit Rohstoffen und Landesprodukten“, sondern vielmehr um den Kauf von „technischen Geräten, von Halbzeug und veredelten Produkten“ gehe.67 Dem hielt Jakobs entge63 

Vgl. dazu m. w. N. Donou (2006) – Erfüllung und Nacherfüllung, S. 71. Kandler (2004) – Kauf, S. 318; vgl. Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 93, 143, 245 (zum „Siegeszug der Massenware“, und dem „immer rasanter werdenden technischen Fortschritt“, vor allem der „Automatisierung der Produktion“). 65  Donou (2006) – Erfüllung und Nacherfüllung, S. 71 f., 176. 66  Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 306. 67  Huber (1981) – Gutachten und Vorschläge I, 647 (771). 64 



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gen,68 dass dies nicht bedeute, es regiere heute die „Gattungssache“, während früher die „Speziessache“ dominiert habe; „[d]enn es gibt überhaupt keine Sache, die ihrer Natur nach das eine oder das andere wäre“.69 Damit wurde sehr treffend darauf hingewiesen, dass die Vertretbarkeit, Austauschbarkeit oder Herstellbarkeit des Leistungsgegenstandes allein noch keine Gattungsschuld ausmacht.70 Vielmehr kommt es darauf an, yy ob im Falle des Untergangs des vom Verkäufer zur Erfüllung verwendeten Stücks vor der Lieferung die Lieferpflicht aufrechterhalten bleiben soll, yy ob die Vertragswidrigkeit der Ware als Erfüllungshindernis behandelt und der Verkäufer ggf. an seiner Pflicht zur Lieferung eines vertragsgemäßen Stücks festgehalten werden soll (durch die Verpflichtung zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes an dem gelieferten Stück (Nachbesserung) oder zur Lieferung eines anderen Stücks (Ersatzlieferung)), yy ob der Aufwand zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes (durch Nachbesserung des gelieferten oder durch Beschaffung und Lieferung eines anderen Stücks) grundsätzlich unbegrenzt sein soll und yy ob der Verkäufer nach allgemeinen Regeln wegen Nichterfüllung – im Rahmen seines Beschaffungsrisikos gar verschuldensunabhängig – haften soll, falls er nicht (nach-)erfüllt.71 All dies sind normative Fragen, deren Beantwortung den Parteien überlassen ist und auf die das (dispositive) Gesetzesrecht durch die Kodifikation des typischen Parteiwillens eine Antwort geben kann (und soll) für den Fall, dass die Parteien von der Privatautonomie insofern keinen aktiven Gebrauch gemacht haben. Ob die gesetzliche Ausgestaltung des Kaufs seit der Reform beim „genuinen Stückkauf“ der typischen Intention der Parteien entspricht, ist durchaus zweifelhaft.72 Man 68  Zu diesem „Kodifikationsstreit des 20. Jahrhunderts“: Ernst in: HKK (2013) – BGB, vor § 433 Rn. 13. 69  Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 81 mit Fn. 160, Hervorhebung d. Verf. 70  Bereits was dieses Kriterium angeht, darf man sich nicht von Äußerlichkeiten leiten lassen. Denn anderes als im Rahmen der objektiv zu bestimmenden Vertretbarkeit gem. § 91 bestimmt sich die Zugehörigkeit von Sachen zu einer Gattung primär subjektiv. Die Parteien können daher privatautonom durchaus Sachen, die nach der Verkehrsanschauung jeweils als unvertretbar anzusehen sind, zu einer gemeinsamen Gattung, innerhalb derer sie beliebig austauschbar sind, zusammenfassen. Dazu: Ernst ZEuP 1999, 583 (638 f.); Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 124 f.; Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 124 f.; Xander (2006) – Gattungskauf, S. 264 f.; Schiemann in: Staudinger (2015) – BGB, § 243 Rn. 8; Schulze in: Hk-BGB (2012), § 243 Rn. 3; Berger in: Jauernig (2014) – BGB, § 243 Rn. 3; vgl. Donou (2006) – Erfüllung und Nacherfüllung, S. 62 ff.; Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 28 ff. Dazu auch bereits: B.II.2.e)iii)1). 71  Vgl. zu den Unterschieden zwischen dem auf den Stückkauf als Sachgegenstandsschuld zugeschnittenen Gewährleistungsrecht und den Sachgesetzlichkeiten des Gattungskaufs: Ernst ZEuP 1999, 583 (619–629). 72  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (203 f.); ders. in: HKK (2013) – BGB, §§ 434–445 Rn. 40. Zu den Gründen, warum die Verfasser des BGB von 1900 sich seinerzeit gegen die Einführung eines allgemeinen Nachbesserungsrechts des Verkäufers entschieden: Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 96–101; Picker in: FS Konzen (2006), 687 (712 f.); ders. in: FS Westermann (2008),

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kann aber nicht sagen, dass es den Stückkauf nicht mehr gebe und nunmehr jeder Kauf grundsätzlich Gattungskauf sei. Vielmehr ist seit der Reform der gesetzliche Regelfall ein Kaufvertrag, der zwischen den herkömmlichen Kategorien Stückund Gattungskauf steht. Es gilt ein „weiter gegenständlicher Leistungsbegriff“, der außer der Quantität und ggf. der Identität immer auch die Qualität der Ware einschließt.73 Die traditionell hinter der Unterscheidung zwischen Stück- und Gattungskauf stehenden Kriterien behalten aber im Rahmen von Einzelfragen ihre Bedeutung, etwa ob die Nacherfüllung abseits des Gattungskaufs im Einzelfall durch Ersatzlieferung erfolgen kann (§ 439 Abs. 1), ob und wie der dem Verkäufer zumutbare Nacherfüllungsaufwand zu begrenzen ist (§ 439 Abs. 3) und ob und inwieweit der Verkäufer wegen der Übernahme eines Beschaffungsrisikos74 bei Nichterfüllung des Kaufvertrages verschuldensunabhängig haftet (§ 276 Abs. 1 a. E.).75

4)  Auch beim Stückkauf ist nunmehr die „Soll-Beschaffenheit“ (mit-)bestimmend für den Schuldgegenstand Es ist also nunmehr auch beim Stückkauf die Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien (mit-)bestimmend für den Schuldgegenstand, dafür, was der Verkäufer zu liefern (zu übergeben und zu übereignen) hat, was die „verkaufte Sache“ (§ 446 S. 1) ist. Deshalb ist nicht nur die Pflicht zur sachmangelfreien Leistung gem. § 433 Abs. 1 S. 2 an sich nicht teilbar; die dem Verkäufer obliegende Leistung kann überhaupt nicht strikt aufgespalten werden in die Pflicht zur Sachmangelfreiheit einerseits (§ 433 Abs. 1 S. 2) und zur Übergabe und Übereignung andererseits (§ 433 Abs. 1 S. 2).76 Denn der Verkäufer hat diejenige Sache zu übergeben und zu übereignen, die vertragsgemäß (mangelfrei) ist – diejenige Sache, die er zu übergeben und zu übereignen hat, muss mangelfrei (vertragsgemäß) sein.77 583 (606–608); Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 94. Zu den Gründen, warum sie keine Nachbesserungspflicht vorsahen; B.II.1.d)i)3) (bei Fn. 333). 73  Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 20–22, 249; vgl. Bucher in: FS Welser (2004), 93 (104): „Das neue Modell des Kaufvertrages fasst das Geschuldete weiter und abstrakter…“, dazu bereits in Fn. 51. 74 Zur Bedeutung des Beschaffungsrisikos für die Haftung des Gattungsschuldners nach neuem Schuldrecht: Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 152 ff. 75 Vgl. Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 252 f.: Trotz des Systemwechsels im Schuldrecht bleibe der Dualismus von Stück- und Gattungsschuld erhalten. 76  Insoweit übereinstimmend: Heyers/Heuser NJW 2010, 3057 (3057); Schall NJW 2011, 343 (345); Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 437 Rn. 21 a. E., 23; vgl. Peukert AcP 205 (2005), 430 (441): Die Pflicht zur vertragsgemäßen Leistung sei kein Teil des Rechtsgeschäfts, das von den übrigen Pflichten des Schuldners getrennt werden könnte; „[s]ie stellt vielmehr einen integralen Bestandteil der jeweiligen Leistungspflicht dar“. 77  Heyers/Heuser NJW 2010, 3057 (3057): „Eine Leistung kann man quantitativ, aber nicht qualitativ teilen. Dafür müsste die Sache von ihren Eigenschaften abstrahierbar sein. Eigenschaften sind sacheigene Merkmale. Eine irreparabel mangelhafte Sache ist eine Sache mit anderen als den geschuldeten Merkmalen und eine andere als die geschuldete Sache. ‚Die Sache‘ (§ 433 I BGB)



1.  Erweiterung der Anforderungen an den Gefahrübergang

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(a)  Unmöglichkeit der Gesamtleistung des Stückverkäufers bei Vorliegen eines unbehebbaren Mangels? Aus dieser Erkenntnis wird zum Teil gefolgert, dass bei Vorliegen eines vertragsanfänglichen unbehebbaren Mangels oder bei Auftreten eines unbehebbaren Mangels nach Vertragsschluss der Verkäufer insgesamt gem. § 275 von der Leistung (mit dieser Sache) frei werde und der Käufer keinen Anspruch auf Lieferung des mangelhaften Stücks habe.78 Weitergehend meinen Heyers/Heuser, dass der Fall der qualitativen Unmöglichkeit überhaupt nicht (auch nicht nach der Lieferung) als Sachmangel zu erfassen, sondern allein nach den allgemeinen Regeln über die Unmöglichkeit der Leistung zu behandeln sei (§§ 275, 326 Abs. 1 S. 1). Beide Schlussfolgerungen sind mit der herrschenden Meinung79 abzulehnen. Der Sachmangel ist eine spezielle Leistungsstörung. Diese betrifft die Beeinträchtigung des vertraglichen Leistungsinteresses des Käufers, auf dessen Befriedigung die gesetzliche Leistungspflicht gem. § 433 Abs. 1 S. 2 abzielt. Diese Beeinträchtigung liegt vor, sobald der Sachmangel feststeht. Dies ist nicht unbedingt erst und nur mit der Übergabe der mangelhaften Sache oder ihrer Annahme als Erfüllung der Fall.80 Dass es neben der Feststellung des Sachmangels ein zusätzliches Zäsurmoment gebe, welches die Anwendbarkeit des allgemeinen Leistungsstörungsrechts in seiner „Reinform“ von seiner durch das Sachmängelrecht modifizierten Anwendung scheide81, trifft entgegen der herrschenden Meinung nicht zu.82 Allerdings haben die Tatbestände einzelner Vorschriften des Kaufrechts durchaus eine zeitliche Komponente; so knüpft etwa § 438 Abs. 2 an die Übergabe bzw. Ablieferung an. Es „verwandelt“ sich der Erfüllungsanspruch aber nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Nachbesserungsanspruch. Der Erfüllungsanspruch bleibt der Erfüllungsanspruch. Allerdings verengt sich die Belastung des Verkäufers mit der Leistungsgefahr, wenn und weil der Käufer die mangelhafte Sache annimmt und damit insbesondere die Sachgefahr übernimmt.83

ist die geschuldete Sache… Das Pflichtenprogramm ist nicht teilbar, die Pflicht des § 433 I 2 BGB keine selbstständige, sondern ‚integraler Bestandteil‘ der Leistungspflicht (§ 433 I 1 BGB).“ 78  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 36 f. vgl. auch S. 48, 235; Reinicke/Tiedtke (2009) – KaufR, S. 154 f. (Rn. 406 f.); Heyers/Heuser NJW 2010, 3057 (3057 f.); Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 437 Rn. 21, 23, § 434 Rn. 161. 79  Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 433 Rn. 42; Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, Vorbem. §§ 433 Rn. 25 f.; Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 275 Rn. 130a–131a; Pammler in: JurisPK (2014) – BGB, § 433 Rn. 12; Ders./Hoffmann ZGS 2004, 91 ff.; Peukert AcP 205 (2005), 430 (449 f.); Schall NJW 2011, 343 ff. 80  Dazu noch unten: B.III.3.a)iii). 81  Gestritten wird darüber, ob die Übergabe oder Annahme als Erfüllung der mangelhaften Sache oder der (fiktive) Gefahrübergang den Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs des Sachmängelrechts markiere; ausführlich dazu jeweils m. w. N.: Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 437 Rn. 4–6; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 437 Rn. 6; Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 433 Rn. 20; Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, Vorbem. §§ 433 ff. Rn. 20 ff. 82  Insoweit übereinstimmend: Ernst in: FS Huber (2006), 165 (181–197); Bachmann AcP 211 (2011), 395 ff. 83  Dazu: B.III.3.b) und B.III.7.a).

442

B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

Entscheidend ist, dass der Käufer in qualitativer Hinsicht nicht das erhält, was ihm nach dem Vertrag zusteht. Man kann dies als „Konformitätsstörung“ oder „Konformitätsmangel“ bezeichnen.84 Maßstab ist gem. § 434 aber nicht die geschuldete, sondern die vertraglich vereinbarte, individuell vorausgesetzte oder üblicherweise zu erwartende Beschaffenheit.85 Flume hat zur Maßgeblichkeit des subjektiven Fehlerbegriffs (auch) beim Stückkauf bereits unter dem BGB von 1900 herausgearbeitet, dass die Sachmängelgewährleistung im Wesentlichen eine Haftung für die vertragswidrige Beschaffenheit der gelieferten Ware ist, auch wenn das Gesetz trotz Vereinbarung einer bestimmten Sollbeschaffenheit eine entsprechende Erfüllungspflicht des Verkäufers nicht zuließ:   „Die Leistung einer mangelhaften Sache ist … keine Erfüllung des Kaufvertrages, sie ist ein breach of contract, weil der Kaufvertrag auf die Leistung der Kaufsache in mangelfreiem Zustand gerichtet ist, aber sie ist nicht Nichterfüllung einer Erfüllungspflicht. Man muss Nichterfüllung eines Vertrages und Nichterfüllung einer Vertragspflicht unterscheiden.“86

Deshalb sind auch vertragsanfängliche oder nachträglich aufgetretene unbehebbare Sachmängel als solche zu erfassen und gem. §§ 434, 437 ff. zu behandeln. Sie sind nicht etwa deshalb aus dem Sachmängelrecht ausgeklammert, weil das Gesetz nunmehr eine (Nach-)Erfüllungspflicht des Verkäufers vorsieht, die aber im Falle eines unbehebbaren Mangels gem. § 275 ausgeschlossen ist und daher eigentlich nicht verletzt werden kann.87

(b)  Das Bestehen einer Erfüllungspflicht gem. § 433 Abs. 1 S. 2 bzw. § 439 Abs. 1 ist keine notwendige Anwendungsvoraussetzung des Sachmängelrechts Das Bestehen einer Erfüllungspflicht gem. § 433 Abs. 1 S. 2 ist keine zwingende Voraussetzung für das Eingreifen des Sachmängelrechts, auch wenn dieses weitestgehend in das allgemeine Leistungsstörungsrecht, das sich um den Zentralbegriff der „Pflichtverletzung“ dreht, integriert ist88 und die „Zweispurigkeit“ von allgemeiner Nichterfüllungshaftung und spezieller Sachmängelgewährleistung aufgegeben wurde. Vielmehr ist § 437 als eingeschränkter (Teil-)Rechtsgrundverweis so zu lesen, dass im Falle der Lieferung einer mangelhaften Sache per se eine objektive Pflichtverletzung (Leistung nicht wie geschuldet bzw. nicht vertragsgemäß) vorliegt, an welche die §§ 280 ff., 311a, 323 ff. anknüpfen, ohne dass das Vorliegen einer Pflichtverletzung als allgemeine „Eingangsvoraussetzung“ für das Leistungsstörungsrecht bei Anwendung dieser Vorschriften nochmals zu prüfen wäre.89 84 

Ernst in: FS Huber (2006), 165 (186, 188, 199). Schall NJW 2011, 343 (344). 86  Flume (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 35 ff. mit dem Zitat auf S. 41. Dazu noch unten: B.III.6.a)ii)2). 87  A. A. Heyers/Heuser NJW 2010, 3057 ff. 88  Schall NJW 2011, 343 (344). 89 Vgl. Schall NJW 2011, 343 (345). Auch für §§ 275 Abs. 4, 283 S. 1 wird verbreitet eine 85 



1.  Erweiterung der Anforderungen an den Gefahrübergang

443

Im Falle der Nachbesserung oder Ersatzlieferung bietet die Verpflichtung des Verkäufers zur Nacherfüllung einen eigenständigen Anknüpfungspunkt für eine (weitere) Pflichtverletzung. Kann der konkrete Mangel nicht (mit verhältnismäßigem Aufwand) beseitigen werden und kommt eine Ersatzlieferung nicht in Betracht, kommt neben dem Vorliegen des unbehebbaren Mangels hingegen keine weitere Pflichtverletzung in Betracht und einer solchen bedarf es auch nicht, damit der Käufer vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern kann.

(c)  Individualisierungsabrede berechtigt den Käufer dazu, das mangelhafte Stück zu fordern Weil die Leistung ggf. nicht insgesamt ausgeschlossen ist, sondern lediglich nicht wie geschuldet bzw. nicht vertragsgemäß erbracht werden kann, kann der Käufer ein bestimmtes Stück, auf das die Parteien den Kaufabschluss bezogen haben, auch dann fordern, wenn dieses Stück von Vertragsbeginn an einen unbehebbaren Mangel aufweist oder ein solcher Mangel nach Vertragsschluss aufgetreten ist und ein anderes – vertragsgemäßes – Stück, auf das der Verkäufer zur (Nach-) Erfüllung zurückgreifen könnte, nicht in Betracht kommt. Denn auch wenn dieses Stück unter dem Aspekt der Soll-Beschaffenheit (betreffend die Qualität) sich durchaus nicht als die „verkaufte Sache“ qualifiziert, haben die Parteien eine Individualisierungsabrede (betreffend die Individualität) getroffen,90 die den Käufer dazu berechtigt, das bestimmte Stück auch bei Vorliegen eines Mangels zu fordern und als mangelhaft zu behandeln. Er muss es sich andererseits nicht als Erfüllungsgegenstand aufdrängen lassen, wenn er es wegen des Mangels nicht (mehr) haben will. Nachdem er es einmal angenommen hat (zugelassen hat, dass der Verkäufer die Leistung „nicht vertragsgemäß bewirkt“), ist es dem Käufer allerdings versagt, das mangelhafte Stück nachträglich (durch Rücktritt) zurückzuweisen, wenn der unbehebbare Mangel nicht einen gewissen Schweregrad erreicht (§§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5, 323 Abs. 5 S. 2).91

5)  Klassische Gewährleistung nur noch nachrangig, bei Unmöglichkeit oder Ausbleiben der Nacherfüllung Auch nach der Reform des Schuldrechts werden also solche Mängel, die der Verkäufer nicht zu beseitigen hat (dies traf nach dem „alten“ Kaufleitbild auf sämtliche

„Klarstellungsfunktion“ angenommen, wonach die Nichterfüllung der Leistungspflicht eine objektive Pflichtverletzung i. S. d. § 280 darstelle, obwohl eine „verletzbare“ Leistungspflicht gem. § 275 eigentlich gerade nicht besteht. Dazu: Lorenz in: BeckOK (Stand: 01.03.2011) – BGB, § 280 Rn. 20, § 283 Rn. 2; Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 283 Rn. 4. 90  Näher dazu: B.III.6.a)ii)2). 91  Zum Zurückweisungs- und Rücktrittsrecht bei Vorliegen eines unbehebbaren Mangels noch unten: B.III.9.a) (erheblicher Mangel) und B.III.9.d) (unerheblicher Mangel).

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

Sachmängel zu)92, mit den klassischen Mitteln des Gewährleistungsrechts behandelt, falls auch keine Nacherfüllung durch Ersatzlieferung in Betracht kommt: Der Käufer kann wie bei der Wandelung nunmehr durch Rücktritt gegen Rückgabe der mangelhaften Sache Erstattung des Kaufpreises verlangen (§§ 437 Nr. 2, 323, 326 i. V. m. § 346) oder die mangelhafte Sache behalten und den Kaufpreis mindern (§§ 437 Nr. 2, 441, bemerkenswert ist, dass die Minderung nach wie vor ein spezielles Mängelrecht ist). Falls die qualitative Unmöglichkeit auf einer nach Vertragsschluss aufgetretenen Zufallsverschlechterung beruht, setzt das Sachmängelrecht immer noch die Belastung des Verkäufers mit der Preisgefahr um, findet immer noch eine „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“93 statt. Sofern ein Mangel (mit verhältnismäßigem Aufwand) zu beseitigen oder das mangelhafte Stück durch ein anderes, mangelfreies Stück austauschbar ist, ist der Gewährleistung nunmehr aber – ohne Rücksicht auf die Unterscheidung von Stück- und Gattungskauf – die Nacherfüllung vorgeschaltet. Insoweit prägt das Sachmängelrecht (auch) die Belastung des Verkäufers mit der Leistungsgefahr aus.

2.  Nacherfüllungspflicht und Leistungsgefahr („Nacherfüllungsgefahr“) Die Belastung des Verkäufers mit der Leistungsgefahr wird durch das Sachmängelrecht ausgeprägt, soweit der Verkäufer wegen solcher Sachmängel, die nach dem Vertragsschluss aufgrund einer zufälligen Verschlechterung an der zur Erfüllung des Kaufvertrages vorgesehenen Sache auftreten und die – mit einem (wie auch immer zu bestimmenden)94 verhältnismäßigen Aufwand – behoben werden können95, zur Nacherfüllung verpflichtet ist.96 Denn die Leistungsgefahr des Schuldners besteht darin, dass er Störungen (Leistungshindernisse oder -er92 

Dazu oben: B.II.1.d)i). Dazu oben: B.II.2. 94  Dazu noch unten: B.III.6.a)iii). 95  Für Verschlechterungen, die einen unbehebbaren Mangel zur Folge haben, ist es dagegen bei der alten Rechtslage geblieben. Dazu soeben: B.III.1.c)ii)5). 96  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (165, 174 f., 184, 200 ff.); vgl. ders. in: MüKo (2012) – BGB, § 275 Rn. 131; Korth  (2010)  – Minderung, S. 47, 72–75; Coester-Waltjen Jura 2006, 823 (832): „Verschlechterungsgefahr“ als Ausschnitt der Leistungsgefahr; Picker in: FS Konzen (2006), 687 (703 ff.): kritisch zur „Mehraufwandspflicht“ im Rahmen der Nacherfüllung; vgl. Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 283 (nur bzgl. der Ersatzlieferung); Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 32 f., 117 f., 146, 163 f., 177, 189, 228, 241 (zum „inneren Zusammenhang“ zwischen der Gattungsschuld und der ihr inhärenten Verteilung der Leistungsgefahr – und der Nacherfüllung); Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2732): Die Frage, „ob und inwieweit die tatsächliche Beschaffenheit der Kaufsache negativ von der geschuldeten abweicht“, sei identisch mit der Frage, ob und inwieweit „die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung – die subjektive (funktionale) Äquivalenz des Leistungsaustausches – gestört ist“. Bei der gewährleistungsrechtlich relevanten Äquivalenzstörung gehe es „um Gefahr­tragung – die normative Abgrenzung von Verantwortungsbereichen“. 93 



2.  Nacherfüllungspflicht und Leistungsgefahr („Nacherfüllungsgefahr“)

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schwerungen) der Erbringung der ihm obliegenden Leistung auf eigene Kosten und eigenes Risiko überwinden muss, auch wenn er sie haftungsrechtlich nicht zu vertreten hat (§§ 276, 278).97 Man kann insoweit von der „Nacherfüllungsgefahr“ sprechen und, je nachdem, ob ausschließlich Nachbesserung oder (auch) Ersatzlieferung in Betracht kommt, noch weiter zwischen der „Nachbesserungsgefahr“ und der „Ersatzlieferungsgefahr“ unterscheiden98.

a)  Legitimationsgrund für die Belastung des Verkäufers mit der Leistungsgefahr kraft Verpflichtung zur Nacherfüllung fraglich Das Fehlen eines allgemeinen Legitimationsgrundes für die Belastung des Verkäufers mit der Leistungsgefahr im Rahmen der Verpflichtung zur Nacherfüllung bringt der Konzeption des reformierten Kaufrechts viel Kritik ein.99 In der Tat ist es bedenklich, mit welcher Leichtfertigkeit der Reformgesetzgeber den Zeitpunkt des Übergangs der Leistungsgefahr über den Vertragsschluss hinausgeschoben hat, wenn man bedenkt, wie drastisch die Veränderung gegenüber der zuvor geltenden Rechtslage ist. Dies fällt besonders im Vergleich dazu auf, welch ausgiebige Beratungen der Entscheidung der Verfasser des BGB von 1900, den Verkäufer abweichend vom gemeinen Recht mit der Preisgefahr zu belasten100 (dies freilich unter der nicht weiter in Frage gestellten Prämisse, dass die Leistungsgefahr bereits mit dem Vertragsschluss übergehe101) und diese „neu geschaffene“ Belastung regelungstechnisch durch das Gewährleistungsrecht umzusetzen102, vorangingen.

Dass der Reformgesetzgeber den Verkäufer mit der Leistungsgefahr hätte belasten wollen und deshalb die Nacherfüllung auch auf nachträgliche Zufallsmängel erstreckt hätte, ist nicht ersichtlich. Die Belastung des Verkäufers (auch beim Verkauf eines individualisierten Stücks) mit der Leistungsgefahr ist vielmehr – umgekehrt – die Folge davon, dass der Gesetzgeber die Nacherfüllungspflicht schlechthin auf den gesamten die Sachmängelhaftung begründenden Zeitraum erstreckt hat. Unionsrechtlich vorgegeben war dies nur im Regelungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Diese begrenzt die Sachmängelhaftung durch Bezugnahme auf den Zeitpunkt der Lieferung und sieht ohne Rücksicht darauf, ob die „Vertragswidrigkeit“ schon bei Ver97 

Dazu bereits: A.3.a)i). Zu diesem von Skamel verwendeten Begriffspaar noch unter B.III.6 und B.III.7. 99  Allen voran Picker in: FS Konzen (2006), 687 (703 ff.); ders. in: FS Westermann (2008), 583 (594 ff.); jüngst auch Korth (2010) – Minderung, S. 72–75; weitere Nachweise bei Ernst in: FS Huber (2006), 165 (202 mit Fn. 103), bei Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 143 mit Fn. 3 und bei Gsell in: FS Picker (2010), 297 (303 mit Fn. 20). Näher zu der Kritik an der mit der Nacherfüllung beim Kauf verbundenen „Mehrleistungspflicht“ noch im Zusammenhang mit der Bestimmung des dem Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung zumutbaren Aufwandes unter B.III.6.a)iii)2) mit Stellungnahme unter B.III.6.a)iii)3). 100  Dazu oben: B.II.1.c). 101  Dazu oben: B.II.1.d). 102  Dazu oben: B.II.2. 98 

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

tragsschluss vorlag oder erst zwischen Vertragsschluss und Lieferung entstanden ist, sowie darauf, ob der Verkäufer sie zu vertreten hat oder nicht, ein Recht des Käufers auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes (durch Reparatur oder Ersatzlieferung) vor. Dass der deutsche Gesetzgeber außerhalb des Verbrauchsgüterkaufrechts davon abgesehen hat, die Pflicht zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes (Nacherfüllung) auf die Soll-Beschaffenheit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen und seine Sachmängelhaftung in Ansehung nachträglicher Zufallsmängel auf die hergebrachten Gewährleistungsrechte (Minderung, Rücktritt) zu beschränken, führt zur Vermeidung von Streitereien im Einzelfall darüber, ob eine (behebbare) Verschlechterung vor oder nach Vertragsschluss aufgetreten sei und ob der Verkäufer sie zu vertreten habe. Ob diese Erwägung ausschlaggebend für den Reformgesetzgeber war, ist nicht überliefert.

Im Ergebnis wurde so, wie vorher eine „Gewährleistung kraft [Preis-]Gefahr­ tragung“ (Ernst) angeordnet war, eine „Leistungsgefahrtragung kraft Verpflichtung zur Nacherfüllung“ etabliert. Nachdem im BGB von 1900 der Übergang der Preisgefahr im Vergleich zum gemeinen Recht über den Zeitpunkt des Vertragsschlusses hinaus und der Zeitpunkt, bis zu dem der Verkäufer wegen Sachmängeln zu haften hat, hinterher geschoben worden war, wurde im Rahmen der Schuldrechtsreform diese Entwicklung für die Leistungsgefahr nachgeholt.

b)  Unterschiedliche Reichweite und Wirkung von Nachbesserung und Ersatzlieferung hinsichtlich den (weiteren) zufälligen Verschlechterung der mangelhaften Sache Unabhängig davon, wie man die Folgen des Vorliegens von Sachmängeln auf den Gefahrenübergang beim Kauf beurteilt, steht fest, dass das weitere Sachschicksal den Verkäufer jedenfalls dann prinzipiell nichts mehr angeht, wenn seine Leistung im Zeitpunkt der Übergabe einwandfrei ist. Dies ist keine Folge einer speziellen Anordnung des Preis- oder Leistungsgefahrübergangs, sondern folgt einfach daraus, dass der Verkäufer ggf. außer der Übergabepflicht (§ 433 Abs. 1 S. 1) auch seine Pflicht zur sachmangelfreien Leistung (§ 433 Abs. 1 S. 2) erfüllt hat und seine Leistung deshalb nicht mehr störungsanfällig ist.103 Ist die Leistung wegen eines Sachmangels nicht einwandfrei, müsste dagegen – wenn nach der Konzeption des Gesetzes (wie bei der Gattungsschuld)104 Leistungs- und Preisgefahr sich parallel entwickelten und also auch der Übergang der Leistungsgefahr von der Erfüllungstauglichkeit der Sache, die der Verkäufer liefert, abhinge – jegliche weitere Sachverschlechterung dem Verkäufer zur Last fallen. Denn die Erfüllung der Pflicht gem. § 433 Abs. 1 S. 2 ist nicht teilbar. Bei Vorliegen eines Sachmangels ist diese Pflicht daher insgesamt noch nicht erfüllt und bleibt deshalb auch insgesamt anfällig für Störungen, die der Verkäufer nach den allgemeinen Regeln zu überwinden hat.105 Die Belastung mit der Leistungsgefahr 103 

Vgl. dazu unten: B.III.3.a)ii). Dazu oben: B.II.1.d)ii)2). 105  Dazu unten: B.III.7.a)iii)1)(a) und: B.III.7.a)iii)1)(b). 104 



2.  Nacherfüllungspflicht und Leistungsgefahr („Nacherfüllungsgefahr“)

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dauert nämlich – vorbehaltlich der Anordnung einer vorzeitigen Leistungsbefreiung – an, solange und soweit der Schuldner zur (Nach-)Erfüllung verpflichtet ist. So wie dies (allein) in Bezug auf die Preisgefahr bereits vor der Reform im Rahmen der Gewährleistung der Fall war, ist die Risikoverteilung beim Kauf im reformierten Schuldrecht aber durch die Mängelrechte besonders ausgestaltet, und zwar bezüglich der Leistungsgefahr im Rahmen der Nacherfüllungspflicht. Je nachdem, ob der Verkäufer im Wege der Nachbesserung oder der Ersatzlieferung nacherfüllen muss, ist die Leistungsgefahr nach der Lieferung mangelhafter Ware unterschiedlich verteilt. Die Unterscheidung von Stück- und Gattungskauf ist in diesem Zusammenhang nicht mehr von ausschlaggebender Bedeutung. Denn gem. § 439 Abs. 1 ist weder der Abschluss eines Gattungskaufs notwendige Bedingung dafür, dass die Nacherfüllung durch Ersatzlieferung erfolgen kann, noch setzt die Nachbesserung den Abschluss eines Stückkaufs voraus.

i)  Nachbesserung: „Beseitigung des Mangels“ § 439 Abs. 1 Alt.  1 bezieht die Nachbesserungspflicht auf die Beseitigung „des Mangels“. Damit kommt es zu einer Anpassung der in § 433 Abs. 1 S. 2 vorgesehenen Leistungspflicht des Verkäufers. Orientiert man sich bei der Einordnung dieses Vorgangs an der Dogmatik des § 243 Abs. 2,106 der ebenfalls eine Beschränkung der Leistungspflicht (des Schuldverhältnisses) anordnet, kommt es nicht zu einer wesentlichen Veränderung des Schuldtypus’, sondern lediglich zu einer sachbezogenen Konzentration der Reichweite der Leistungspflicht und damit der Voraussetzungen der Nichterfüllungshaftung.107 Das spricht dafür, dass der Verkäufer im Falle der Lieferung mangelhafter Ware gemäß § 433 Abs. 1 S. 2 dem Grunde nach zu einer insgesamt sachmangelfreien Leistung verpflichtet bleibt. Das Nachbesserungsverlangen des Käufers bewirkt dann aber, dass dieser Leistungserfolg zu erreichen ist, indem der Verkäufer auf seinen untauglichen ersten Leistungsversuch aufbaut und die geschuldete Beschaffenheit an und mit der bei diesem Leistungsversuch eingesetzten (mangelhaften) Sache herstellt.108 Dass der Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 2 im Übrigen nicht erlischt, lässt es bei Ausbleiben der Nachbesserung (insbesondere wegen nachträglicher Unmöglichkeit) zu, dass der Käufer noch auf die Nacherfüllungsvariante der Ersatzlieferung „umschwenkt“, wenn diese in Betracht kommt. Ferner liefert es eine Erklärung dafür, dass der Käufer den vollen Kaufpreis zurückfordern kann, wenn die Nachbesserung unmöglich ist, zu Unrecht verweigert wird oder fehlschlägt und der Käufer deshalb vom Vertrag zurücktreten darf. Denn dann steht 106 Dies freilich mit dem Unterschied, dass die Konkretisierung gem. §§ 434, 439 Abs. 1 Alt. 1 gerade für den Fall der nicht erfüllungstauglichen Lieferung vorgesehen ist, während die Konkretisierung bei der Gattungsschuld die Erfüllungstauglichkeit der Ware im maßgeblichen Moment voraussetzt. 107  Wann und auf welche Weise der Erfüllungs- in den Nacherfüllungs-/Nachbesserungsanspruch übergeht, wird später genauer untersucht: B.III.3.b). 108  Zu der Beschreibung des Verhältnisses von Nachbesserung und Ersatzlieferung mit dem Begriffspaar „Restleistung“ und „Vollleistung“ durch Dieckmann unten: B.III.7.a)iii)1)(b).

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

fest, dass die Leistung aus § 433 Abs. 1 S. 2 insgesamt ausbleibt.109 Schließlich ist so zu begründen, dass durch eine weitere Verschlechterung der gelieferten Sache auch das Leistungs-/Äquivalenzinteresse des Käufers unter Umständen noch weiter beeinträchtigt werden kann. Letzteres betrifft die Diskussion, unter welchen Voraussetzungen eine nach der Entgegennahme der mangelhaften Sache an dieser auftretende Verschlechterung als Sachmangel erfasst werden und insbesondere Bezugspunkt der Nachbesserungspflicht sein könne, die später vertieft wird110.

§ 439 Abs. 1 Alt. 1 sieht vor, dass die entsprechende „Restleistung“ des Verkäufers durch „Beseitigung“ (des Mangels) zu bewirken ist. In diesem Wortlaut deutet sich an, dass es nicht unbedingt ausreicht, etwas hinzuzufügen, nämlich den Leistungsrest, und dazu den Aufwand zu tätigen, der vor der Lieferung ohnehin hätte getätigt werden müssen. Vielmehr muss der Verkäufer das Defizit, das der Erfüllung mit dem angedienten/gelieferten Stück entgegensteht, entfernen, also bestimmte Folgen der Verletzung seiner Leistungspflicht, die sich an diesem Stück manifestieren, – eben „den“ Mangel – kompensieren. Nach der Regelung des § 434 Abs. 1 ist nicht trennscharf zu ermitteln, inwieweit die gelieferte Sache mangelfrei und inwieweit sie mangelhaft ist. Sie sie mangelfrei und also erfüllungstauglich, wenn (nicht: soweit) sie im Zeitpunkt des Gefahrübergangs die vertragsgemäße Beschaffenheit aufweist. Ist das nicht der Fall, ist sie insgesamt mangelhaft. Die Pflicht gem. § 433 Abs. 1 S. 2 ist als solche nicht teilbar, sie kann nicht kraft Erfüllung teilweise erlöschen, soweit die Leistung vertragsgemäß erbracht worden ist, und im Übrigen fortbestehen.111

So verstanden ist der Unterschied zwischen dem Wortlaut des § 439 Abs. 1 Alt. 1 (Beseitigung des Mangels) und der Vorgabe des Art. 3 Abs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes) nicht so gravierend, wie dies in der Kommentarliteratur gelegentlich behauptet wird.112 Dieses Verständnis erlaubt und gebietet es möglicherweise auch, die Nachbesserungspflicht ebenfalls auf gewisse Verletzungen der körperlichen Substanz des mangelhaften Stücks zu beziehen, die erst nach seiner Lieferung an den Käufer auftreten.113 Der Umstand, dass sich die verkaufte Sache nach ihrer Übergabe in der Obhut des Käufers verschlechtert, spricht nicht zwingend dagegen, dass dieses Schadensereignis noch dem Verkäufer zur Last fällt. Denn die durch die Obhut vermittelte Möglichkeit, die Sache vor schädlichen Einwirkungen zu schützen, ist auch insoweit114 nicht das ausschlaggebende Kriterium der Risikoverteilung.

Davon abgesehen geht den Verkäufer bei der Nachbesserung das weitere Schicksal der gelieferten Sache aber nichts mehr an, kann er wegen Verschlechterungen des 109  Wäre die Leistungspflicht gem. § 433 Abs. 1 S. 2 insoweit (teilweise) bewirkt, wie die Leistung mangelfrei war, müsste der Käufer konsequenterweise auf die Minderung verwiesen werden. 110  Dazu: B.III.7.d) und B.III.8. 111  Dazu: B.III.7.a)iii)1)(a). 112  Dazu unten: B.III.8.g). 113  Zur Untersuchung der Fallgruppen, in denen sich diese Frage stellt: B.III.7.d) und B.III.8. Vgl. auch Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 54 (Zitat bei B.III.2.e)iv)3) in Fn. 761). 114  Zur Preisgefahr siehe oben: B.II.3.e).



2.  Nacherfüllungspflicht und Leistungsgefahr („Nacherfüllungsgefahr“)

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vom Käufer entgegen genommenen Stücks nicht mehr – unter Aufwendung zusätzlicher Mittel zur – Erfüllung (durch Nachbesserung)115 herangezogen werden, obwohl die Leistungspflicht aus § 433 Abs. 1 S. 2 noch nicht erfüllt ist.116 Insoweit begründen Beeinträchtigungen der Sachsubstanz der (mangelhaften) Kaufsache also keine (zusätzlichen) Erfüllungshindernisse. Dadurch ist dem Verkäufer die Leistungsgefahr wenigstens zum Teil abgenommen.117

ii)  Ersatzlieferung: „Lieferung einer [anderen] mangelfreien Sache“ Wenn der Verkäufer Ersatz zu liefern hat, muss er dem Käufer dagegen ungeachtet des weiteren Schicksals der zuerst gelieferten (mangelhaften) Sache stets eine andere, in jeder Hinsicht der Soll-Beschaffenheit entsprechende Sache verschaffen. Im praktischen Ergebnis behebt er deshalb auch sämtliche Sachverschlechterungen (einschließlich des Sachuntergangs), die erst nach der Entgegennahme der mangelhaften Sache an derselben beim Käufer aufgetreten sind.118 Dies folgt nicht aus den §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1. Denn dieser Regelungskomplex enthält nicht die Anordnung, dass eine (weitere) Verschlechterung oder der Untergang der gelieferten mangelhaften Sache an sich jeweils ein Erfüllungshindernis begründet, welches der Verkäufer verschuldensunabhängig (durch Nacherfüllung) überwinden müsste. Es folgt daraus aber immerhin, dass solch ein Ereignis den Verkäufer nicht von seiner – anderweitig begründeten119 – Verpflichtung, wegen des (spätestens) zum Zeitpunkt der Lieferung festgestellten Mangels erneut (in vollem Umfang) leisten zu müssen, befreit, und zwar selbst dann nicht, wenn das Schadensereignis dem Käufer zuzurechnen, weil von ihm in vorwerfbarer Weise (Vorsatz oder Nichteinhaltung der eigenüblichen Sorgfalt) verursacht, ist. Darin liegt eine „echte“ Neuregelung im Vergleich zu den §§ 480 Abs. 1 S. 2, 467 S. 1, 350, 351 a. F., wonach der vom Käufer verschuldete Untergang oder eine vom Käufer verschuldete (wesentliche) Verschlechterung der empfangenen Sache hinsichtlich der Pflicht des Verkäufers zur Ersatzlieferung leistungsbefreiende Wirkung hatte („Ausschlusslösung“)120. Für diesen Fall sehen die §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Halbs. 1 nunmehr eine Wertersatzpflicht des Käufers vor. Dies wiederum bedeutet für ihn keine Belastung mit der Leistungsgefahr, weil er seinen Anspruch auf die Leistung (Ersatzlieferung) behält. Er muss lediglich den durch die Beschädigung oder Zerstörung der zuerst gelieferten mangelhaften Sache ver115 Wenn der Verkäufer wegen des bei der Lieferung vorhandenen Mangels Ersatz liefern muss, entsteht ihm in Ansehung nachträglicher Verschlechterungen, die er mitbehebt, kein zusätzlicher Nacherfüllungsaufwand. Im Übrigen ist dies ein Risiko, auf das sich der Verkäufer bereits mit dem Vertragsschluss einlässt, wenn keine endgültige Individualisierung vereinbart wird. Dazu: B.III.6. 116 Grund und Zeitpunkt dieser Risikoverlagerung werden später genauer untersucht: B.III.3.b)iv). 117 Zu den Voraussetzungen und dem Grund dieser Risikobegrenzung: B.III.3.b)iv) und B.III.7.a)iii). 118  Dazu bereits: B.II.4.c)v)2)(b). 119  Dazu unten: B.III.6.a). 120  Dazu oben: B.II.4.c)v)2)(c).

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ursachten Verlust ausgleichen („Wertersatzlösung“). Da dieser sich nach der Kaufpreisvereinbarung bemisst (§§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 2 S. 2), die regelmäßig über den Sachwert hinaus auch etwaigem Beschaffungsaufwand des Verkäufers Rechnung trägt, wird der Käufer aber nicht nur an dem Sachwertverlust, sondern eigentlich an den Kosten des ersten Erfüllungsversuchs beteiligt. Etwaiger zusätzlicher Aufwand, der mit dem zweiten Erfüllungsversuch (Ersatzlieferung) verbunden ist und der über den Aufwand, den der Verkäufer ursprünglich „eingepreist“ hat, hinausgeht, wird dem Verkäufer aber selbst dann nicht vergütet, wenn der Käufer wegen einer ihm zurechenbaren Beschädigung oder Zerstörung der zuerst gelieferten mangelhaften Sache Wertersatz (in Höhe des Kaufpreises) und wegen der mangelfreien Ersatzlieferung den (regulären) Kaufpreis zahlen muss. Dies ist spezifischer Nacherfüllungsaufwand, der dem Verkäufer (nur) bei der Ersatzlieferung zur Last fällt.

Dementsprechend büßt der Käufer auch nicht seinen Anspruch auf Lieferung einer anderen (mangelfreien) Sache ein, sofern die zuerst gelieferte (mangelhafte) Sache sich nach der Annahme bei ihm verschlechtert hat. Von daher könnte man meinen, es bestehe wenigstens ein indirekter Zusammenhang mit der Leistungsgefahr.121 Denn für den Umfang und die Reichweite der Leistungspflicht sind Gefahr­tragungsregeln immerhin dadurch bestimmend, dass sie die (vertraglich begründete) Leistungspflicht bei Auftreten gewisser Leistungserschwerungen entweder ausschließen oder aufrechterhalten.122 Allerdings erschweren Verschlechterung und Untergang der zuerst gelieferten (mangelhaften) Sache dem Verkäufer die Ersatzlieferung gerade nicht. Die zuerst gelieferte Sache ist bei der Ersatzlieferung als Leistungsgegenstand disqualifiziert; was mit ihr passiert, hat nichts (mehr) mit der (durch in der Verpflichtung zur Ersatzlieferung fortgeführten) Leistungspflicht zu tun. Deshalb wird der Käufer dann, wenn er für die Verschlechterung oder den Untergang der zuerst gelieferten Sache verantwortlich ist, auch nicht in einem dem Aufwand der Beseitigung dieses Schadens entsprechenden Umfang an den Kosten der Ersatzlieferung, sondern an dem Wert bzw. den Kosten der Erstlieferung beteiligt.

Im Zusammenhang mit der Ersatzlieferung (§ 439 Abs. 4) bedeutet § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 für den Verkäufer auch keine fortdauernde Belastung mit der Preisgefahr. Denn wenn123 er seine Leistungspflicht zur „Lieferung einer mangelfreien Sache“ (§§ 433 Abs. 1 S. 2, 439 Abs. 1 Alt. 2) erfüllt, kann der Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis in voller Höhe fordern.124 Wenn der Käufer Ersatzlieferung verlangen kann, hat er wie beim Rücktritt die Befugnis, die zuerst gelieferte mangelhafte Sache nachträglich und rückwirkend 121 

Vgl. dazu bereits: B.II.4.c)v)2)(d). Leenen JuS 2008, 577 (583 f.); Lobinger (2004) – Grenzen, S. 141 ff.; Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 158: Die §§ 439 Abs. 3, 275 Abs. 2 sorgten dafür, „dass im Rahmen der Nacherfüllung jedenfalls kein höherer Aufwand geschuldet ist als innerhalb der ursprünglichen Erfüllungspflicht“. Sie änderten aber nichts an dem Inhalt der Leistungspflicht als solcher. 123  Wenn der Käufer letztlich vom Vertrag zurücktritt, weil eine (ordnungsgemäßge) Ersatzlieferung nicht erfolgt ist, wirkt sich die Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 allerdings so aus, dass der Verkäufer die Kaufpreisforderung auch in Ansehung solcher zufälliger Schadensereignisse, die nach der Lieferung aufgetreten sind, verliert und also im praktischen Ergebnis auch insoweit die Preisgefahr trägt. Dazu oben: B.III.5.c)v). 124  Vgl. dazu bereits: B.II.4.c)v)2)(d). 122 Vgl.



2.  Nacherfüllungspflicht und Leistungsgefahr („Nacherfüllungsgefahr“)

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als dasjenige Objekt, mit dem sein Lieferanspruch erfüllt werden soll, zurückzuweisen.125 Anders als die Rücktrittserklärung hat das Ersatzlieferungsverlangen aber nicht die Befreiung des Verkäufers von der Leistung und (infolgedessen) Befreiung des Käufers von der Gegenleistung zur Folge. Stattdessen werden beide Parteien gerade an ihren Leistungspflichten festgehalten. Von dem fortgeführten Leistungsaustausch wird das Schicksal der mangelhaften Sache aber konsequent isoliert. Der Verkäufer muss mit einem anderen Stück erfüllen. Der Käufer wird – wiederum wie beim Rücktritt – vor den Folgen der Schlechtleistung geschützt, indem so getan wird, als habe die zuerst gelieferte (mangelhafte) Sache von Anfang an nichts mit dem Leistungsaustausch zu tun gehabt. Bei wortlautgetreuer Anwendung126 der §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 führt dies dazu, dass dem Käufer auch solche Schadensereignisse, die ihm aufgrund der mit dem Vertrag verbundenen Gefahrverteilung auch dann zur Last gefallen wären, wenn der Verkäufer seine Leistungspflicht bereits „im ersten Anlauf“ erfüllt hätte, nicht zur Last fallen, und zwar obwohl der Vertrag bei der Ersatzlieferung (anders als beim Rücktritt) nicht rückabgewickelt, sondern durchgeführt wird. Die Ersatzlieferung hat für den Verkäufer also mehrere Nachteile: Der Verkäufer schuldet bis zu der durch die §§ 439 Abs. 3, 275 Abs. 2 gezogenen Grenze zusätzlichen Aufwand zur Verschaffung einer Ersatzsache. Dieser zusätzliche Aufwand wird nicht zusätzlich vergütet. Ein zufälliger Sachschaden an der zuerst gelieferten Sache, den der Käufer selbst zu tragen hätte, wenn die Nacherfüllung durch Nachbesserung erfolgte, fällt auf den Verkäufer zurück. Außerdem wird der Verkäufer durch das Auftreten irreparabler (§ 275 Abs. 1) und solcher Mängel, die nur mit unverhältnismäßigem Aufwand beseitigt werden können (§§ 439 Abs. 3, 275 Abs. 2), nicht von der (Nach-)Erfüllungspflicht frei. Diesen Nachteilen entsprechen Vorteile des Käufers (im Vergleich zur Nachbesserung): Er erhält eine in jeder Hinsicht die Soll-Beschaffenheit aufweisende, neue Sache und kann deshalb solche Schäden, die den Verkäufer im Rahmen der Nachbesserung nichts angingen, auf Kosten des Verkäufers „mitbeseitigen“ lassen. Wenn er diese Schäden nicht zu vertreten hat, muss er insoweit nicht einmal Wertersatz leisten.

iii) Fragestellungen Aus diesem vergleichenden Überblick über die unterschiedliche Reichweite und Wirkung der Nachbesserung und Ersatzlieferung ergeben sich die Fragen, denen im weiteren Verlauf dieser Arbeit nachzugehen ist. Das Thema, inwieweit die Nachbesserung hinter der Ersatzlieferung zurückbleibt, hat eine zeitliche und eine sachliche Komponente und wirft die bereits angedeutete Frage auf, wie diese Verkürzung der Leistungspflicht technisch funk125  126 

Vgl. auch dazu bereits: B.II.4.c)v)2)(a) und B.II.4.c)v)2)(d). Zu den Vorschlägen zur Korrektur und Umgehung dieser Regelung: B.III.6.b)ii).

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tioniert; alle drei Komponenten sind eng miteinander verwoben. Was den Vergleich zur Ersatzlieferung angeht, geht es im Ausgangspunkt127 weniger um die Bestimmung der Reichweite der Nachbesserungspflicht, also „des“ Mangels i. S. des § 439 Abs. 1 Alt. 1, als vielmehr um die Bestimmung der Zäsur, bis zu welcher der Verkäufer in beiden Nacherfüllungsvarianten sämtliche Verschlechterungen der zur Erfüllung eingesetzten Sache zu überwinden hat und nach welcher der Käufer bei einer Nacherfüllung durch Nachbesserung eine (weitere) zufallsbedingte Verschlechterung des zur Erfüllung des Kaufvertrages eingesetzten Stücks möglicherweise hinzunehmen hat, während ihm eine solche bei einer Nacherfüllung durch Ersatzlieferung keinesfalls zur Last fiele. Auch ist zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen der Verkäufer sich dem Risiko der im Vergleich zur Nachbesserung erhöhten Belastungen einer Ersatzlieferung aussetzt und der Käufer den „maximalen“ Leistungsumfang der Ersatzlieferung fordern kann bzw. unter welchen Voraussetzungen er sich mit dem „schmaleren“ Leistungsumfang einer Nachbesserung begnügen muss.128 Gemeint sind hier die Voraussetzungen, unter denen eine Ersatzlieferung überhaupt als Nacherfüllungsart in Betracht kommt. Diese sind fraglich, da der Abschluss eines (unbeschränkten) Gattungskaufs, bei dem der Verkäufer naturgemäß im Mangelfall zur Lieferung vertragsgemäßer Ware verpflichtet bleibt129 und den damit verbundenen Belastungen und Risiken typischerweise von vorneherein bei der Kaufpreiskalkulation Rechnung trägt, nach der Regelung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 keine notwendige Voraussetzung (mehr)130 dafür ist, dass der Käufer Nacherfüllung durch Ersatzlieferung verlangen kann.131

Besonderes Augenmerk ist in diesem Zusammenhang auf die Frage zu richten, ob die Anwendung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 im Rahmen der Ersatzlieferung (§ 439 Abs. 4) aufgrund der oben genannten Umstände möglicherweise zu einer „überschießenden“ Nacherfüllung führt. Aus der entgegengesetzten Perspektive ist danach zu fragen, ob die Leistungspflicht des Verkäufers im Rahmen der Nachbesserung möglicherweise „zu kurz“ greift. Eine Anpassung an die Ersatzlieferung könnte nämlich unter dogmatischen132 und, zumindest beim Verbrauchsgüterkauf, auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten133 geboten sein. In diesem Zusammenhang ist die Untersuchung der sachlichen Gründe für die Unterschiede im 127 

Dazu sogleich: B.III.3. Dazu: B.III.6. 129  Er verpflichtet sich ohne Rücksicht auf den dazu erforderlichen (Beschaffungs-)Aufwand zur Lieferung von Ware einer bestimmten Qualität und wird von diesem Risiko grundsätzlich erst durch die Erfüllung (§ 362 Abs. 1) und nur ausnahmsweise gem. § 243 Abs. 2 vorher entlastet, wenn er vertragsgemäße Ware übergibt (§ 446 S. 1) oder erfolglos anbietet (§ 446 S. 3) oder, beim Versendungskauf, absendet (§ 447 Abs. 1). 130  Bis zur Reform war eine Ersatzlieferung gem. § 480 Abs. 1 a. F. ausdrücklich nur für den Gattungskauf vorgesehen. Dazu: B.II.2.e) sowie B.III.1.c)i)1). 131  Zur Diskussion über die „Ersatzlieferung beim Stückkauf“ siehe unten: B.III.6.a). 132  Dazu: B.III.7.a). 133  Dazu: B.III.7.b). 128 



3.  Zäsur-Momente für die Feststellung der Mangelhaftigkeit

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Leistungsumfang der beiden Nacherfüllungsvarianten und die damit verbundene Risikoverteilung, die bereits bei der Bestimmung des zeitlichen Moments, von dem das Risiko der weiteren Verschlechterung des zur Erfüllung eingesetzten mangelhaften Stücks bei der Nachbesserung anders als bei der Ersatzlieferung verteilt wird, relevant sind, zu vertiefen. Wenn der Grund, aus dem die Nacherfüllung durch Nachbesserung auf die Beseitigung bestimmter Qualitätsdefizite bezogen ist, während der Käufer andere hinzunehmen hat, abschließend geklärt ist, sollte sich auch zuverlässig bestimmen lassen, wie weit das Risiko des Verkäufers, wegen zufälliger Verschlechterungen des zur Erfüllung eingesetzten Stücks, die erst nach dem zuvor bestimmten Zäsurzeitpunkt auftreten, reicht.134 Es geht dabei auch um die Behandlung solcher Schäden, welche die mangelhafte Sache erleidet, während sie sich zur Nachbesserung (wieder) beim Verkäufer oder bei einem von ihm beauftragten Dritten oder im Zusammenhang mit der Nachbesserung auf einem Transportweg befindet.135

3.  Zäsur-Momente für die Feststellung der Mangelhaftigkeit und die Befreiung des Verkäufers von dem Risiko nicht mangelbedingter Zufallsverschlechterungen Nach dem bisher Gesagten hat die generelle Einführung der (Nach-)Erfüllungspflicht zur sachmangelfreien Leistung beim Kauf mit Blick auf den Übergang von Leistungs- und Preisgefahr zu einem Paradigmenwechsel geführt: Weil die Lieferung einer mangelhaften Sache – auch beim Stückkauf – keine erfüllungstaugliche Leistung ist, versteht sich nunmehr eigentlich von selbst, dass die Vertragsdurchführung grundsätzlich nicht ein Stadium erreicht, das es gerechtfertigt erscheinen lässt, den Verkäufer hinsichtlich seines Anspruchs auf die Gegenleistung so zu stellen, als habe er bereits erfüllt. Vielmehr erscheint es nunmehr als begründungsbedürftige Ausnahme, wenn der Verkäufer im Rahmen der Nachbesserung wenigstens partiell von der Leistung befreit und damit von der Leistungsgefahr entlastet werden soll.136 Weil § 439 Abs. 1 Alt. 1 die Nachbesserungspflicht auf die Beseitigung „des“ Mangels bezieht, liegt es nahe, sich dem Problem zu nähern, indem man die Frage stellt, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen dieser Mangel bestimmt wird.137

134 

Dazu: B.III.7.d). Dazu: B.III.8. 136  Das Folgende gilt entsprechend für die Entlastung des Verkäufers von der Preisgefahr unter dem Aspekt, dass er wegen einer (weiteren) Zufallsverschlechterung der mangelhaften Sache als solcher keinen Abzug am Kaufpreis (Minderung) hinnehmen muss. 137 Unter einem etwas veränderten Blickwinkel (Vergleich zur Nacherfüllungsvariante der Ersatzlieferung) wird das Thema unter B.III.7.a) behandelt. 135 

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a)  Bedeutung des gem. §§ 446, 447 maßgeblichen Zeitpunkts für die Mängelrechte In der Literatur besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass für die Prüfung, ob ein Sachmangel vorliegt, auf den nach §§ 446, 447 maßgeblichen Zeitpunkt abzustellen sei. Dies wird aus dem Wortlaut des § 434 Abs. 1 S. 1 („bei Gefahrübergang“) gefolgert.

i)  Zeitpunkt der Leistungserbringung In der Sache geht es dabei nicht um den Gefahrübergang als solchen, sondern um die tatbestandlichen Voraussetzungen der Gefahrübergangsregeln. Es wurde bereits herausgearbeitet, dass jegliche Gefahr­tragung des Verkäufers spätestens gemeinsam mit seiner Leistungspflicht in dem Zeitpunkt erlischt, in dem er die ihm obliegende Leistung bewirkt (erfüllt), und dass die Anordnungen eines „vorzeitigen“ Gefahrübergangs im Kaufrecht voraussetzen, dass der Verkäufer die Leistung erbracht hat und es lediglich am Käufer liegt, dass die Leistung damit noch nicht bewirkt ist. Dass zu der Zeit, zu welcher der Verkäufer die (fällige) Leistung zu bewirken versucht, die Leistung erfüllungstauglich zu sein hat, versteht sich von selbst, seitdem der Erfüllungsanspruch des Käufers generell auch auf die Mangelfreiheit bezogen ist (§ 433 Abs. 1 S. 2). Deshalb erwog der Reformgesetzgeber auch, die Bezugnahme auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs von § 459 Abs. 1 S. 1 a. F. nicht in den Sachmangeltatbestand des neuen Kaufrechts zu übernehmen und ganz auf die ausdrückliche Festlegung eines Prüfzeitpunkts zu verzichten.138 Die Schuldrechtskommission war nämlich der Meinung gewesen, im Gesetzestext komme hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Leistung in dem Zeitpunkt erfüllungstauglich zu sein hat, in dem der Verkäufer die (fällige) Leistung zu bewirken versucht, wenn ausdrücklich vorgeschrieben werde, dass der Verkäufer dem Käufer die Kaufsache frei von Sachmängeln zu „verschaffen“ hat. Dementsprechend verzichtete bereits das BGB von 1900 darauf, den maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen von Rechtsmängeln beim Kauf oder von Sachmängeln beim Werkvertrag (§ 633 Abs. 1 a. F.) ausdrücklich zu bezeichnen.139 Denn schon damals hatte der Verkäufer dem Käufer das Eigentum zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 a. F.), und zwar „frei von Rechten, die von Dritten gegen den Käufer geltend gemacht werden können“ (§ 434 a. F.), und der Werkunternehmer das Werk so herzustellen, „daß es die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist …“. Auch für den Gattungskauf verstand sich unter dem BGB von 1900 von selbst, dass die Erfüllungstauglichkeit der Ware zu der Zeit zu beurteilen ist, zu welcher der Verkäufer sein Erfüllungsgeschäft vornimmt.140 138  Siehe die Begründung des Sachmängeltatbestandes im Regierungsentwurf zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BT-Drucks. 14/6040, S. 213. Dazu auch Bachmann AcP  211 (2011), 395 (423–425). 139  BT-Drucks. 14/6040, S. 213. 140  Dies ist der Zeitpunkt, zu dem beim Stückkauf unter dem BGB von 1900 die Gefahr (zu-



3.  Zäsur-Momente für die Feststellung der Mangelhaftigkeit

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ii)  Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs Manche betonen allerdings, dass das Vorliegen von Sachmängeln eigentlich nicht „bei Gefahrübergang“, sondern zu der Zeit festgestellt werde, zu dem die Gefahr übergehen würde, wenn die Sache mangelfrei wäre, also zu dem Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs.141 § 434 Abs. 1 S. 1 bestimme nämlich, unter welchen Voraussetzungen die gelieferte Sache mangelfrei ist („Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn…“); nur insoweit sei der Zeitpunkt des realen Gefahrübergangs maßgeblich (das weitere Sachschicksal geht den Verkäufer ggf. nichts mehr an). Mangelhafte Ware sei gerade nicht geeignet, den Übergang der Preisgefahr auf den Käufer wirklich zu bewirken. Dies wird aus dem Wortlaut der kaufrechtlichen Gefahr­tragungsregeln, welche die Übergabe, das Anbieten oder Absenden der verkauften Sache voraussetzen, im Zusammenhang mit § 433 Abs. 1 S. 2, wonach als „die verkaufte Sache“ (auch beim Stückkauf) nur die/eine Sache, die von Sachmängeln frei ist, anzusehen sei, hergeleitet, sowie aus der Gefahrverteilung beim Rücktritt wegen eines Sachmangels (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3). Damit, dass der hypothetische oder fiktive Gefahrübergang gemeint sei, wurde schon vor der Reform beim Gattungskauf, bei dem die Mangelhaftigkeit der Leistung dem Übergang der Leistungsgefahr gem. § 243 Abs. 2 entgegensteht,142 die Bezugnahme des § 459 Abs. 1 S. 1 a. F. auf den Gefahrübergang erklärt.143

Diese Ansicht wird durch die weiteren Erwägungen gestützt, mit denen die Schuldrechtskommission ihren Vorschlag, auf die ausdrückliche Festlegung eines Prüfzeitpunkts für Sachmängel zu verzichten, begründete. Die Kommission war der Meinung, es werde nicht zu anderen Ergebnissen führen, als sie aus der herkömmlichen Bezugnahme auf die „Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergeht“ (§ 459 Abs. 1 S. 1 a. F.) folgten, dass der Begriff „verschaffen“ für die Festlegung, wann die Mangelfreiheit gegeben sein muss, weder auf einen bestimmten Zeitpunkt noch auf eine bestimmte Handlung des Verkäufers Bezug nehme. Denn es sei einerseits ausgeschlossen, dass der Verkäufer seine Leistungspflicht (durch „Verschaffung“ der Ware) vor dem Gefahrübergang erfüllt. Andererseits sei klar, dass es für das Vorliegen von Sachmängeln auf keinen späteren Zeitpunkt ankommen könne, wenn gesetzlich angeordnet sei, dass die Gefahr vor der Übergabe144 auf mindest vorläufig) überging und beim Gattungskauf übergegangen wäre, wenn das zur Erfüllung eingesetzte Stück sich als erfüllungstauglich erwiesen hätte. Dazu: B.II.2.e)iv)2) und B.II.2.e)ii) (bei Fn. 688). Deshalb war und ist auch beim Gattungskauf die Bezugnahme auf den Zeitpunkt des (hypothetischen) Gefahrübergangs unschädlich, um festzustellen, ob ein Sachmangel vorliegt. 141  Nach anderer Ansicht könne deshalb auf den realen Gefahrübergang abgestellt werden, weil die Gefahr bei mangelhafter Lieferung unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass der Käufer die mangelhafte Sache als Erfüllung annehme, übergehe. Dazu m. w. N. Bachmann AcP 211 (2011), 395 (401 f.). 142  Dazu oben: B.II.2.e)iv) und B.II.4.c)v)2). 143  Dazu oben: B.II.2.e)ii). 144  Dies impliziert, dass die Schuldrechtskommission und, ihr folgend, der Gesetzgeber die

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

den Käufer übergehe.145 Wenn die Sache in dem Zeitpunkt des „vorzeitigen Gefahrübergangs“ frei von Sachmängeln sei, verwirkliche sich nämlich dann, wenn später ein Sachmangel entsteht, ohne dass der Verkäufer dies zu vertreten hat, selbstverständlich „eine Gefahr, die der Käufer auf Grund der Bestimmung über den vorzeitigen Gefahrübergang zu tragen habe“.146 Der Reformgesetzgeber hielt diese Ausführungen für überzeugend und entschied, dass „allein aus Klarstellungsgründen auf die ausdrückliche Nennung des maßgeblichen Zeitpunktes jedenfalls bei Sachmängeln nicht verzichtet werden [soll]“, weil dies „[a]ndernfalls … als eine nicht gewollte sachliche Veränderung missverstanden werden [könnte]“. Durch die Übernahme der ausdrücklichen Zeitpunktbestimmung des § 459 Abs. 1 S. 1 a. F. in § 434 Abs. 1 S. 1 sollte also nur hervorgehoben werden, dass dann, wenn die vom Verkäufer zur Erfüllung eingesetzte Sache im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vertragsgemäß ist, eine im weiteren Verlauf des Vertragsvollzugs (bis zur Erfüllung) auftretende Sachverschlechterung keine Mängelrechte des Käufers mehr auslöst und auch sonst nicht mehr dem Verkäufer zur Last fällt. Dies lässt den Umkehrschluss zu, dass eine zwischen dem „vorzeitigen Gefahrübergang“ und der Erfüllung auftretende Verschlechterung dem Verkäufer (auch wenn er sie haftungsrechtlich nicht zu vertreten hat) durchaus noch – als Sachmangel – zur Last fallen kann, wenn die Sache bereits zu dem für die Anordnung des Gefahrübergangs vorgesehenen Zeitpunkt mangelhaft war. Der Mangel steht dem Gefahr(en)übergang demnach bis auf weiteres entgegen. Denn je nachdem, ob der Verkäufer wegen einer späteren Zufallsverschlechterung zusätzlichen Leistungsaufwand tätigen (Nachbesserung) oder einen partiellen Wegfall der Gegenleistung Übergabe der (vertragsgemäßen) Sache mit der Erfüllung des Kaufvertrages gleichsetzte. Vgl. auch die Vorschläge von Ernst in: FS Huber (2006), 165 (182–185) und Bachmann AcP  211 (2011), 395 (426 f.), den Sachgehalt der Zeitpunktregelung des § 434 Abs. 1 S. 1 (n. F.) ohne Bezugnahme auf den Gefahrübergang auszudrücken. 145  In Anlehnung an die v. Jhering’sche Lieferungstheorie (dazu oben: B. I. 4.c)ii)) formuliert, also in den Fällen, in denen sich aus Gründen, die am Käufer liegen, nicht unmittelbar an die Vornahme der Leistungshandlungen der Eintritt des Leistungserfolges anschließt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verkäufer dem Käufer die vertragsgemäße Sache erfolglos anbietet (Annahmeverzug, § 446 S. 3) oder wenn der Verkäufer auf Verlangen des Käufers die verkaufte Sache nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort versendet (Versendungskauf, § 447 Abs. 1). 146  BT-Drucks. 14/6040, S. 213. Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gibt in Art. 3 Abs. 1 vor, dass der Verkäufer für jede Vertragswidrigkeit zu haften habe, die im Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsguts vorliege, ohne den Begriff der Lieferung zu definieren. Nach hergebrachtem Verständnis ist damit die „Zurverfügungstellung“ der Ware durch den Verkäufer, also grundsätzlich die Übergabe und ausnahmsweise, beim Versendungskauf, das Absenden gemeint. Dazu Ernst in: FS Huber (2006), 165 (182 f.). Solche Mängel, die während des „realen“ Annahmeverzugs (d. h. nach dem erfolglosen Anbieten der mangelfreien Ware, vgl. dazu oben: B.III.3.b)ii)1)) entstanden sind, fallen dem Verkäufer allerdings nicht zur Last, obwohl sie im Zeitpunkt der Lieferung vorliegen, wenn der Verkäufer dem Käufer das zunächst erfolglos angediente Stück letztlich übergibt. Dies folgt daraus, dass es sich bei § 446 S. 3 um eine nationale Gefahr­tragungsregel handelt. Deren Regelungsbereich lässt die Richtlinie ausweislich ihres Erwägungsgrundes 14 unberührt.



3.  Zäsur-Momente für die Feststellung der Mangelhaftigkeit

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hinnehmen (Kaufpreisminderung) muss, realisiert sich bei ihm die fortdauernde Belastung mit der Leistungs- oder Preisgefahr. Von daher ist es zutreffend zu sagen, dass für die Feststellung, ob ein Sachmangel vorliegt, der Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs maßgeblich ist. Auf einem anderen Blatt steht, unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zeitpunkt der Verkäufer von der Leistungsgefahr in der Form, dass er jede weitere Zufallsverschlechterung durch Nachbesserung beseitigen muss, entlastet wird. Dies ist mutmaßlich erst dann der Fall, wenn der Käufer die mangelhafte Sache annimmt oder wenn der Verkäufer diese Sache, nachdem der Käufer sie zunächst nicht angenommen hat, in einen in jeder Hinsicht vertragsgemäßen Zustand bringt und mit ihr den nächsten Erfüllungsversuch unternimmt147. Dies wird sogleich näher untersucht werden.148

iii)  Mangelhaftigkeit der Leistung kann aber auch schon vor ihrer Erbringung feststehen Der Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs ist nach dem bisher Gesagten deshalb maßgeblich für die Überprüfung nach § 434 Abs. 1, ob die Leistung erfüllungstauglich ist, weil dies der Zeitpunkt ist, zu dem der Verkäufer die Leistung erbringt. Es kann aber durchaus auch schon zu einem früheren Zeitpunkt feststehen, dass die Leistung des Verkäufers mangelhaft sein wird. So steht etwa im Falle eines unbehebbaren Mangels bereits mit seinem Auftreten fest, dass der Verkäufer mit der betroffenen Sache nur eine mangelhafte Leistung wird erbringen können. Dies kann jederzeit, sogar schon bei Vertragsschluss der Fall sein. Wenn es dem Verkäufer ggf. nicht frei steht, den Kaufvertrag mit einer anderen (mangelfreien) Sache zu erfüllen (so typischerweise beim Gattungskauf), und seine Leistung fällig ist, ist kein Grund ersichtlich, warum dem Käufer die einschlägigen Mängelrechte erst zustehen sollten, nachdem er den Verkäufer seine Leistungshandlung (Anbieten oder Absenden) mit der ersichtlich mangelhaften Sache hat vornehmen lassen oder nachdem er diese Sache körperlich angenommen hat (Übergabe). Gleiches gilt unter den entsprechenden Umständen bei Vorliegen eines behebbaren Mangels, dessen Beseitigung der Verkäufer von vorneherein ernsthaft und endgültig verweigert. Die Bezugnahme des § 434 Abs. 1 S. 1 auf den Gefahrübergang bedeutet entgegen der herrschenden Meinung keine Zäsur in der Weise, dass der Käufer vor diesem Zeitpunkt nur nach den Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts gegen den Verkäufer vorgehen könnte und erst danach unter den Modifikationen, welche die § 437 ff. vorsehen.149 147  Die Sache ist beim nächsten Erfüllungsversuch nach ihrer Ablehnung also auch dann nicht erfüllungstauglich, wenn zwar der beim ersten Erfüllungsversuch vorliegende Mangel vom Verkäufer beseitigt wurde oder weggefallen ist, aber inzwischen ein neuer Mangel aufgetreten ist. Ist sie erfüllungstauglich, führt der Erfüllungsversuch des Verkäufers entweder unmittelbar zum Erfolg (Erfüllung) oder wenigstens zum Gefahr(en)übergang. 148  Dazu: B.III.3.b). 149 Dazu: Harke AcP  205 (2005) 67 (74–76); Ernst in: FS Huber (2006), 165 (185 ff.); Bachmann AcP 211 (2011), 395 (410 ff.).

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Sonst bei behebbaren Sachmängeln sowie dann, wenn nicht (nicht einmal vorläufig) vertraglich bestimmt ist, welche konkrete Sache der Verkäufer liefern muss, ist aber erst in dem Moment festzustellen, ob die Leistung mangelfrei oder mangelhaft ist, in dem der Verkäufer sein Erfüllungsgeschäft vornimmt.150 Bis dahin ist es dem Verkäufer überlassen, ob und wie er für die Mangelfreiheit/Erfüllungstauglichkeit sorgt (durch Reparatur oder indem er eine andere Sache zur Erfüllung einsetzt) und es vermeidet, sich Mängelrechten des Käufers auszusetzen.151 Danach kann der Käufer darüber bestimmen (§ 439 Abs. 1). So kann der Käufer etwa auch im Falle eines Gattungskaufs Nachbesserung des gelieferten Stücks verlangen, obwohl der Verkäufer es bevorzugen würde, das mangelhafte Stück zurückzunehmen und stattdessen ein anderes Stück aus seinem Vorrat zu liefern, weil ihm dies weniger Umstände als eine Reparatur bereiten würde.152 Die Dispositionsbefugnis (das Wahlrecht) des Käufers wird freilich durch das Leistungsverweigerungsrecht des Verkäufers wegen relativer Unverhältnismäßigkeit (§ 439 Abs. 3) relativiert.

b)  Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beschränkung der Leistungspflicht des Verkäufers auf die Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) Im Rahmen der Nachbesserung ist die Leistung des Verkäufers auf die Beseitigung des Mangels beschränkt (§ 439 Abs. 1 Alt. 1).153 Was dem Mangel in diesem Sinne zuzurechnen ist und unter welchen Voraussetzungen der Mangel auch noch weitere Verschlechterungen der gelieferten Sache einschließt, wird an anderer Stelle154 untersucht. Ohne dies vorwegnehmen zu wollen, ist im Folgenden auf die Frage einzugehen, zu welcher Zeit dem Verkäufer das Risiko abgenommen wird, jede weitere Zufallsverschlechterung entweder im Rahmen seiner Leistungspflicht überwinden zu müssen (Leistungsgefahr: Nachbesserung) oder ihretwegen den Anspruch auf den Kaufpreis zu verlieren (Preisgefahr: Minderung, Rücktritt).

i)  Zeitpunkt der „Verwandlung“ des Erfüllungsanspruchs zum Nacherfüllungsanspruch umstritten Einen Ansatzpunkt zur Beantwortung dieser Frage liefert die Diskussion über den für die „Verwandlung“ des Erfüllungs- zum Nacherfüllungsanspruch maßgeblichen Zeitpunkt. Es geht insoweit vor allem darum, zu bestimmen, bis wann der Käufer seinen ursprünglichen Erfüllungsanspruch geltend machen könne und der 150 Vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (175, 195, 197 f.): Ein behebbarer Sachmangel stehe fest, sobald die Verkäuferleistung fällig und der Tatbestand des Sachmangels feststellbar ist. Weil der Verkäufer bis zu dem nach §§ 446, 447 maßgeblichen Zeitpunkt den Sachmangel freiwillig beheben könne, sei der Sachmangel als haftungsbegründender Störungsfall regelmäßig erst bei der Leistung/Lieferung feststellbar. 151 Vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (197); Bachmann AcP 211 (2011), 395 (423). 152  Dazu noch: B.III.6.a)iii)3) (bei Fn. 621). 153  Dazu schon: B.III.2.b)i). 154  Dazu: B.III.7 und B.III.8.



3.  Zäsur-Momente für die Feststellung der Mangelhaftigkeit

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Verkäufer wegen der Nichterfüllung der ihm nach § 433 Abs. 1 S. 2 obliegenden Leistungspflicht allein nach den Regeln des allgemeinen Leistungsstörungsrechts hafte, bzw. ab wann der Käufer Erfüllung nur noch modifiziert (als Nacherfüllung) verlangen könne und der Verkäufer wegen der Nichterfüllung der ihm nach § 439 Abs. 1 obliegenden Leistungspflicht dem Leistungsstörungsrecht nach Maßgabe der §§ 434, 437 ff. unterliege.155 Zum Teil wird vertreten, dass dazu – anders als zur Feststellung von Sachmängeln – die Annahme als Erfüllung (entsprechend § 363)156 oder wenigstens die körperliche Übergabe157 der mangelhaften Sache notwendig sei. Nach wohl überwiegender Ansicht soll es indes auch158 insofern auf den Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs ankommen.159 Das Meinungsbild entspricht damit demjenigen in der Diskussion, die vor der Schuldrechtsreform über die Voraussetzungen des Übergangs vom Erfüllungs- in das Gewährleistungsstadium beim Gattungskauf, insbesondere die „Verdrängung“ des vertraglichen Lieferanspruchs durch den gesetzlichen Ersatzlieferungsanspruch (§ 480 Abs. 1 S. 1 a. F.) geführt wurde.160

ii)  Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs ungeeignet zur Bestimmung der Reichweite der Nachbesserungspflicht In der Tat erscheint es naheliegend, den hypothetischen Gefahrübergang auch als maßgeblichen Zeitpunkt für die Feststellung, wie weit der Mangel an der als Erfüllungsobjekt vorgesehenen Sache reicht, heranzuziehen. Denn sobald feststeht, dass ein (behebbarer) Mangel an dieser Sache vorliegt, steht zugleich fest, dass der Verkäufer wird nachbessern müssen, wenn der Kaufvertrag mit dieser Sache erfüllt werden soll, und für die Feststellung, ob ein Sachmangel vorliegt, kommt es nach dem vorhin Gesagten161 eben auf den nach §§ 446, 447 maßgeblichen Zeitpunkt an. Gleichwohl wäre es bedenklich, wenn auch für die Bestimmung „des“ Mangels i. S. v. § 439 Abs. 1 Alt. 1 – d. h. für die Bestimmung des im Rahmen der Nachbesserung maßgeblichen Umfangs des Sachmangels – allein auf den Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs abgestellt würde. Denn insoweit geht es nicht allein um die Frage, ob ein Sachmangel vorliegt (vgl. § 434) und nach welchen Regeln sich die Geltendmachung des auf die Mangelfreiheit bezogenen Erfüllungsanspruchs (mit Blick insbesondere auf Leistungsstörungen bei seiner 155  Ausführlich dazu m. w. N.: Ernst in: FS Huber (2006), 165 (185–188); Bachmann AcP 211 (2011), 395 (397–405); Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 437 Rn. 4–6. 156  Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 437 Rn. 6. 157  Kandler (2004) – Kauf, S. 328–333. 158  Vgl. oben: B.III.3.a). 159  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 149 ff.; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 437 Rn. 6; Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, vor § 433 Rn. 20 ff., § 437 Rn. 20. 160  Dazu oben: B.II.4.c)v)2)(c); vgl. auch B.II.2.e)ii) und B.II.2.e)iv). 161  Dazu oben: B.III.3.a).

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

Erfüllung und die Verjährung) des Käufers richtet, sondern auch und gerade um die Bestimmung des Inhalts und der Reichweite dieses Anspruchs. Für diese Frage war und ist es im Anwendungsbereich der Ersatzlieferung (also jedenfalls beim Gattungskauf) ohne Belang, ob der Käufer wegen des an dem vom Verkäufer zur Erfüllung eingesetzten Stück festgestellten Sachmangels seinen Anspruch auf Lieferung eines mangelfreien Stücks noch in seiner „ursprünglichen“ Form nach den allgemeinen Regeln oder nur noch in seiner modifizierten Form nach Maßgabe spezieller gesetzlicher Mängelvorschriften (Ersatzlieferung) durchsetzen kann. Denn der Verkäufer wird in beiden Fällen weitestgehend an seiner Leistungspflicht festgehalten: Weil er ohnehin (mit einer anderen, mangelfreien Sache) komplett neu leisten muss, ist für die Reichweite seiner (Nach-)Erfüllungspflicht und seine Belastung mit der Leistungsgefahr insbesondere bedeutungslos, ob die bereits im Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs mangelhafte Sache sich nach diesem Zeitpunkt noch (weiter) verschlechtert oder untergeht (sofern der Käufer dafür nicht verantwortlich ist)162. Unter diesem Aspekt konnte und kann deshalb im Anwendungsbereich der Ersatzlieferung (vor allem also beim Gattungskauf) unproblematisch auch für die Modifikation des Erfüllungs- zum Nacherfüllungsanspruch auf den Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs abgestellt werden.163

Anders verhält es sich im Anwendungsbereich der Nachbesserung. Insoweit geht es bei der Feststellung der Mangelhaftigkeit der zur Erfüllung eingesetzten Sache nicht nur darum, ob und in welcher Form der Verkäufer an der Erfüllungspflicht festgehalten wird. Es geht auch darum, zu bestimmen, wie weit seine (Nach-)Erfüllungspflicht im Einzelfall reicht, also bis wann ihm weitere Verschlechterungen noch als Sachmängel gem. §§ 434, 439 Abs. 1 Alt. 1 in der Weise zur Last fallen, dass er sie durch Nachbesserung beseitigen muss. Aus einer anderen Perspektive betrachtet geht es also auch darum, den Verkäufer zumindest partiell von seiner Leistungspflicht zu befreien (nämlich insoweit, wie er nicht mehr hinsichtlich jeder weiteren zufälligen Sachverschlechterungen Nachbesserung schuldet) und damit auch um eine Entlastung von der Leistungsgefahr. Denn § 439 Abs. 1 Alt. 1 bezieht die Nacherfüllungspflicht bei der Nachbesserung, die naturgemäß – anders als die Ersatzlieferung – unter Einbeziehung der mangelhaften Sache erfolgt, auf die Beseitigung „des“ Mangels164. Würde außer der Feststellung, ob die Leistung mangelfrei (erfüllungstauglich) oder mangelhaft (nicht erfüllungstauglich) ist, auch die Feststellung, wie weit „der“ Mangel ggf. reicht, im Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs vorgenommen, käme es also in diesem Moment zum realen Übergang zumindest der Leistungsgefahr. 162  Erst nach der körperlichen Entgegennahme der mangelhaften Sache ist die Wertersatzregelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 und waren früher die Ausschluss- und Haftungsregeln nach §§ 467 S. 1, 347, 350 a. F. anwendbar. Dazu: B.II.4.c)iv)2). 163  Dazu soeben: B.III.3.b)i) (bei Fn. 160). 164  Dazu oben: B.III.2.b)i).



3.  Zäsur-Momente für die Feststellung der Mangelhaftigkeit

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Die Gründe, aus denen der Verkäufer in bestimmten Fällen einseitig den Übergang der „Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung“ gem. §§ 446, 447 (auch) zur Begrenzung seiner Einstandspflicht wegen Sachmängeln herbeiführen können soll, liegen aber bei einer mangelhaften Leistung in Bezug auf die Leistungsgefahr ebenso wenig vor wie in Bezug auf die Preisgefahr.

1)  Nichtannahme mangelhafter Ware („hypothetischer Annahmeverzug“) Die Bezugnahme auf den Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs zur Bestimmung des Umfangs der Nachbesserungspflicht müsste dazu führen, dass die weitere Verschlechterung dem Käufer selbst dann zur Last fällt, wenn er die angediente Sache als mangelhaft erkennt und deshalb ausdrücklich zurückweist.165 Denn wenn die Ware mangelfrei gewesen wäre, wäre der Käufer nicht zur Zurückweisung berechtigt gewesen, deshalb in Annahmeverzug geraten und Preis- und Leistungsgefahr166 wären gem. § 446 S. 3 auf ihn übergegangen. Jedenfalls dann, wenn der Käufer die angebotene Ware nicht als fehlerhaft erkennt und deshalb zurückweist, sondern schlicht versäumt, die (mangelhafte) Ware anzunehmen, dürfte die Nachbesserungspflicht des Verkäufers demnach nicht auf weitere Verschlechterungen bezogen werden.167 Der Gefahrübergang bei Eintritt des Annahmeverzugs beruht allerdings auf dem Gedanken, dass der Verkäufer seine Leistung bewirkt hätte, wenn der Käufer annahmebereit gewesen wäre. Deshalb soll der allein dem Käufer zuzurechnende Erfüllungsaufschub, während dessen die Leistung anfällig für (zufällige) Störungen bleibt, dem Verkäufer nicht zum Nachteil gereichen. Davon kann keine Rede sein, wenn der Verkäufer selbst nicht erfüllungsbereit, sein Angebot nicht erfüllungstauglich war.168 Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob der Käufer die Ware gerade wegen ihrer Mangelhaftigkeit zurückgewiesen hat oder schlicht nicht anwesend war, als der Verkäufer sein (nicht-erfüllungstaugliches) Angebot machte; so oder so tritt grundsätzlich kein Annahmeverzug ein.169 Dem würde es widersprechen, den Verkäufer von der Pflicht zur Beseitigung weiterer zufälliger Verschlechterungen des mangelhaften Stücks, das der Käufer nicht angenommen hat, freizustellen. Denn dabei geht es um die Leistungsgefahr, und auch deren Übergang hat der Verkäufer, der mangelhafte Ware andient, grundsätzlich nicht verdient.170 Vielmehr stellt sich die Frage der Mangelhaftigkeit aufs 165  Bachmann AcP 211 (2011), 395 (399) f. Von daher inkonsequent: Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 150. 166  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (183). 167 So Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 150 f. mit der Begründung, dass diese Benachteiligung des Käufers gerechtfertigt sei, wenn er seine Obliegenheit zur Prüfung der Ware, wobei es sich ausdrücklich nicht um eine Rügepflicht handele, verletze. 168  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (222). 169 Vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (221 f.); Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 433 Rn. 40, § 434 Rn. 36. 170  Dazu oben bei Fn. 166.

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Neue, wenn der Verkäufer den nächsten Erfüllungsversuch unternimmt, indem er das zunächst nicht angenommene Stück dem Käufer erneut anbietet, und deshalb muss der Verkäufer auch etwaige Verschlechterungen, die seit dem ersten (untauglichen) Erfüllungsversuch hinzugekommen sind und jetzt der Erfüllung der Pflicht aus § 433 Abs. 1 S. 2 entgegenstehen, durch Nachbesserung beheben.171 Geht das zurückgewiesene Stück unter, fällt dies dem Verkäufer ebenfalls zur Last. Er verliert den Anspruch auf den Kaufpreis,172 falls nicht Erfüllung mit einer anderen Sache (Ersatzlieferung) in Betracht kommt.

2)  Absenden mangelhafter Ware beim Versendungskauf Anders liegen die Dinge, wenn der Verkäufer aufgrund eines Versendungskaufs mangelhafte Ware absendet. Zwar wird man nicht sagen können, dass der Käufer bei der Schickschuld auf das Recht, mangelhafte Ware zurückzuweisen, verzichte.173 Wenn der Käufer bereits das Absenden vermeiden, also verhindern möchte, dass die mangelhafte Ware auf sein Risiko transportiert wird, muss er von seinem Recht, die Ware zu prüfen und zurückzuweisen, aber vor dem Absenden (am Ort der Leistungshandlung) Gebrauch machen. Unterlässt er dies, kann er die Ware (wegen des beim Absenden bereits vorhandenen Mangels) zwar immer noch als mangelhaft zurückweisen, wenn sie bei ihm (am Ort des Leistungserfolges) ankommt.174 Weitere Verschlechterungen fallen ihm dann nicht zur Last, die Nachbesserung erfasst solche Verschlechterungen ebenso wie den beim Absenden vorhandenen Mangel. Einen Transportschaden, der in keinem Zusammenhang mit dem bereits beim Absenden vorliegenden Mangel steht,175 muss der Verkäufer im Rahmen der Nachbesserung jedoch nicht beheben.176 Auch kann der Käufer wegen dieses Schadens nicht den Kaufpreis mindern; nur wenn er wegen des schon beim Absenden vorhandenen Mangels Lieferung einer anderen Sache verlangen oder vom Vertrag zurücktreten darf, kann er diesen Schaden auf den Verkäufer abwälzen.

Das ergibt sich aus der Erwägung, aufgrund derer v. Jhering im Rahmen seiner Lieferungstheorie dem Verkäufer bei der Gattungsschickschuld die (Preis-)Gefahr mit dem Absenden der (vertragsgemäßen) Ware abnehmen wollte, und welche die 171 Vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (183) zu dem umgekehrten Fall, dass eine erneute Lieferung erfolgt, nachdem der Käufer zuvor in Annahmeverzug gewesen ist. Die Mangelhaftigkeit beurteile sich dann nach dem Zeitpunkt der schlussendlichen Lieferung. In diesem Fall blieben allerdings solche Mängel, die während des Annahmeverzugs durch Zufall aufgetreten sind, außer Betracht. 172  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (222). 173 Vgl. Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 437 Rn. 6; Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 152. 174  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (220 f.); a. A. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 152. 175  Bloße (hypothetische) Kausalität in dem Sinne, dass sich der konkrete Transportschaden nicht ereignet hätte, wenn der Verkäufer die mangelhafte Ware nicht abgesendet hätte, reicht nicht. 176  Im Ergebnis auch so: Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 146 f.



3.  Zäsur-Momente für die Feststellung der Mangelhaftigkeit

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Verfasser des BGB dazu veranlasst hat, außer den Übergang der Preisgefahr beim Versendungskauf (§ 447) auch den Übergang der Leistungsgefahr bei der Schickschuld entsprechend zu regeln (§ 243 Abs. 2): Es soll dem Verkäufer nicht zum Nachteil gereichen, dass er sich dazu bereit erklärt hat, dem Käufer die geschuldete Ware, die dieser sonst selbst abholen müsste (Holschuld), zuzuschicken. Deshalb hat der Käufer die Gefahr des Transports derjenigen Ware, die er annimmt und letztlich behält,177 zu übernehmen. Eine Regelung zur Verteilung von Gefahren, die nichts mit dem Transport zu tun haben178, ist § 447 Abs. 1 allerdings nicht zu entnehmen. Dies tritt beim Versand vertragsgemäßer Ware lediglich nicht in Erscheinung. Denn dann geht der Übergang der Transportgefahr (durch Absenden) zwangsläufig nahtlos in den Übergang aller weiteren Gefahren über. Der Käufer nimmt die ausgelieferte Ware nämlich entweder an (§ 446 S. 1) oder er gerät wegen Nichtannahme in Annahmeverzug (§ 446 S. 3). Denn eine erst während des Transports auftretende Verschlechterung begründet keinen Mangel i. S. d. § 434. Den Verkäufer betrifft das Schicksal der mangelfrei abgesendeten Sache nach dem Absenden daher unter keinem Gesichtspunkt mehr. Wenn die Ware aber bereits bei ihrer Absendung mangelhaft war, darf der Käufer sie deswegen bei der Ankunft zurückweisen und auf diese Weise verhindern, dass die Gefahr gem. § 446 S. 1 oder gem. § 446 S. 3 übergeht, weil es weder zur Übergabe noch zum Annahmeverzug kommt. Dann gilt das soeben179 zur Nichtannahme mangelhafter Ware Gesagte: Das Risiko, dass durch eine weitere zufällige Verschlechterung weitere Mängel verursacht werden, bleibt zumindest bis zum nächsten Erfüllungsversuch beim Verkäufer.

iii)  Zwischenergebnis: Eigenständiger Zeitpunkt zur Bestimmung der Beschränkung der Leistungspflicht des Verkäufers Die Gründe, aus denen der Verkäufer in bestimmten Fällen einseitig den Übergang der „Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung“ gem. §§ 446, 447 (auch) zur Begrenzung seiner Sachmängel-„Haftung“ herbeiführen können soll, liegen bei einer mangelhaften Leistung auch in Bezug auf die Leistungsgefahr nicht vor. Diese Erkenntnis spricht dafür, eine spätere Zufallsver177  Wenn die Ware beim Absenden mangelfrei ist, kann der Käufer gar nicht anders, als sie zu behalten. Bei behebbaren Mängeln impliziert ein Nachbesserungsverlangen, dass der Käufer die transportierte Ware behalten möchte, bei unbehebbaren Mängeln und wenn die Beseitigung behebbarer Mängel ausbleibt, kommt dem die Minderungserklärung oder das Verlangen nach „kleinem“ Schadenersatz (statt der Leistung) gleich. 178  Mit „Transportrisiken“ sind nicht „typische Transportgefahren“ gemeint. Es ist nämlich nicht so, dass die Risikozuweisung des § 447 Abs. 1 sich auf solche beschränken würde; dazu unten: B.III.8.i)iii)2) (in Fn. 1119). Gemeint ist vielmehr, dass dem Käufer während des Transports sämtliche Schäden zur Last fallen, die der Verkäufer nicht haftungsrechtlich zu vertreten hat, weil er die Sache selbst beim Verkäufer (Leistungsort) hätte abholen müssen, wenn dieser sich nicht auf sein Verlangen dazu bereit erklärt hätte, sie zum Käufer (Erfolgsort) zu bringen. 179  Dazu oben: B.III.3.b)ii)1).

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schlechterung der mangelhaften Sache bis auf weiteres noch als ein Erfüllungshindernis anzusehen, das der Verkäufer möglichst zusätzlich zu dem im Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs vorliegenden (und den realen Gefahr(en) übergang hindernden) Mangel durch Nachbesserung überwinden muss. In diese Richtung weisen auch die Ansichten, nach denen es für die Feststellung von Sachmängeln auf den Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs ankommen, der Übergang des Vertragsvollzugs vom Erfüllungs- in das Nacherfüllungsstadium aber erst und nur unter weiteren Voraussetzungen (körperliche Übergabe oder Annahme als Erfüllung) stattfinden soll180. Denn sie zielen darauf ab, den Käufer vor Nachteilen zu schützen, die er durch die „Verwandlung“ des ursprünglichen Erfüllungs- zum Nacherfüllungsanspruch erleidet, und dies betrifft nicht nur die Veränderung der „Rahmenbedingungen“, unter denen der Erfüllungsanspruch geltend zu machen ist (allgemeines Leistungsstörungsrecht einerseits, durch die §§ 437 ff. modifiziertes Leistungsstörungsrecht andererseits), sondern auch den (reduzierten) Umfang des (Nachbesserungs-)Anspruchs. Diese Ansichten implizieren, dass der Käufer so lange, wie ihm der ursprüngliche Erfüllungsanspruch erhalten bleibt, aufgrund dieses Anspruchs eine insgesamt mangelfreie Leistung fordern könne (§ 433 Abs. 1 S. 2), während er aufgrund des Nachbesserungsanspruchs (§ 439 Abs. 1 Alt.  1, „verwandelter“ Erfüllungsanspruch) nur noch Beseitigung des im Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs vorliegenden Mangels verlangen dürfe. Im Ergebnis zutreffend ist damit erkannt, dass der Verkäufer durch einen untauglichen Erfüllungsversuch nicht einseitig das Risiko weiterer Sachverschlechterungen auf den Käufer abwälzen kann. Nicht überzeugend ist allerdings die strikte Trennung zwischen Erfüllungsanspruch und Nacherfüllungsanspruch, so als handele es sich um zwei verschiedene Ansprüche und als gehe es bei der „Verwandlung“ darum, dass der eine Anspruch den anderen ablöst oder verdrängt – wobei unklar bleibt, auf welche Weise sich dieser Vorgang vollzieht und was mit dem „verdrängten“ Anspruch (im Übrigen) geschieht. Zudem begegnet es Bedenken, dass der Verkäufer Inhalt und Reichweite zumindest des Nachbesserungsanspruchs einseitig festlegen kann, wenn man zur Bestimmung „des“ Mangels i. S. v. § 439 Abs. 1 Alt. 1 genau wie bei § 434 Abs. 1 allein auf den Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs abstellt. Von der Mitwirkung des Käufers abhängig ist nach den genannten Ansichten nämlich nur, ob der Nachbesserungsanspruch zeitlich schon (exklusiv) zur Anwendung kommt, also: ob der Käufer sich bereits mit dem Nachbesserungsanspruch zufrieden geben muss oder ob er noch den „vollen“ ursprünglichen Erfüllungsanspruch geltend machen kann. Entscheidet der Käufer sich etwa dazu, eine Sache, deren Annahme er wegen eines Sachmangels zunächst abgelehnt hatte, später doch anzunehmen, dürfte er in Konsequenz dieser Ansichten wegen des Übergangs in das Nacherfüllungsstadium Nachbesserung nur wegen des beim ersten Angebot vorliegenden Mangels verlangen. Die Beseitigung solcher Verschlechterungen, 180 

Dazu oben: B.III.3.b).



3.  Zäsur-Momente für die Feststellung der Mangelhaftigkeit

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die zwischen der Ablehnung der mangelhaften Sache und ihrer späteren Annahme („hypothetischer Annahmeverzug“) hinzugekommen sind, könnte er nach der Übergabe/Annahme der mangelhaften Sache nicht mehr verlangen. Um auch insoweit auf mangelfreie Leistung bestehen zu können, müsste er seinen ursprünglichen Erfüllungsanspruch aufrechterhalten, indem er die Übergabe/Annahme weiterhin ablehnt.

Überzeugender erscheint es, Erfüllungs- und Nachbesserungsanspruch als Einheit zu begreifen und die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt dem Verkäufer eine (weitere) Zufallsverschlechterung der mangelhaften Sache noch in der Weise zur Last fällt, dass sie als eine (weitere) Beeinträchtigung der Erfüllungstauglichkeit dieser Sache anzusehen und der Verkäufer (vorrangig) verpflichtet ist, die Erfüllungstauglichkeit durch Nachbesserung (wieder)herzustellen, sachlich und zeitlich unabhängig von der Feststellung, dass die Leistung des Verkäufers weder zur Erfüllung noch zur Herbeiführung des Gefahrübergangs taugt, zu bestimmen. Das heißt erstens, dass die „Verwandlung“ des Erfüllungs- zum Nachbesserungsanspruch wesentlich als eine Frage des Übergangs der Leistungsgefahr zu behandeln ist („Konkretisierung“ des Erfüllungsanspruchs), und zweitens, dass der genaue Gegenstand der Nachbesserungspflicht gem. § 439 Abs. 1 Alt. 1 (Beseitigung des Mangels) nicht allein nach Maßgabe des § 434 (Die Sache ist mangelfrei, wenn…) und von daher auch nicht zwingend im Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs zu bestimmen ist.

iv)  Zeitpunkt der vorbehaltlosen Entgegennahme des mangelhaften Stücks Soll es nicht dem Verkäufer überlassen sein, sich durch einen untauglichen Erfüllungsversuch von dem Risiko einer weiteren Verschlechterung der als Erfüllungsgegenstand eingesetzten mangelhaften Sache selbst zu befreien,181 spricht dies für das Erfordernis einer Mitwirkung des Käufers: Es kommt darauf an, dass der Käufer sich die mangelhafte Ware übergeben lässt, sie annimmt. Hier lässt sich eine Synthese zwischen den (zum Übergang vom Erfüllungs- in das Nacherfüllungsstadium vertretenen) Ansichten, wonach es auf die Übergabe oder auf die Annahme als Erfüllung ankomme, erreichen, indem man für die Annahme als ausreichend erachtet, dass der Käufer das angediente (mangelhafte) Stück nicht zurückweist.182 Verlangte man, dass der Käufer die Sache positiv als Erfüllungsgegenstand billigt, liefe dies in vielen Fällen auch entweder auf eine bloße Fiktion hinaus183 oder es verursachte erhebliche Rechtsunsicherheit184. Durch den faktischen Verzicht auf das Zurückweisungsrecht befreit der Käufer den Verkäufer 181  In Bezug auf die vermeintliche Zäsur, die der Gefahrübergang zwischen der Haftung nach allgemeinem Schuldrecht und der modifizierten Haftung nach dem Sachmängelrecht darstelle, und der Nachteile, die dies für den Käufer mit sich bringt, ist gesagt worden, der Verkäufer dürfe keine „Flucht in die Nacherfüllung“ antreten. Dazu Oechsler NJW 2004, 1825 (1827 ff.). 182  Dadurch wird der Gefahrübergang beim Kauf nicht der Abnahme beim Werkvertrag angeglichen, wie dies etwa Oechsler (2007) – Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2 Rn. 77 vertritt; kritisch dazu auch Bachmann AcP 211 (2011), 395 (401 f.). 183  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 152; vgl. Kandler (2004) – Kauf, S. 331–333. 184 Vgl. Bachmann AcP 211 (2011), 395 (401 f.).

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von der Leistungspflicht insoweit, dass der Verkäufer wegen solcher Verschlechterungen des angenommenen mangelhaften Stücks, die in keinem Zusammenhang mit dem bei der Annahme vorhandenen Erfüllungsdefizit stehen, nicht mehr leisten (nachbessern) muss. Von daher kann man sagen, dass für die Beschränkung (vgl. § 243 Abs. 2) der Leistungspflicht des Verkäufers (§ 433 Abs. 1 S. 2) auf die Beseitigung des Mangels (§ 439 Abs. 1 Alt. 1) der Zeitpunkt der Entgegennahme der mangelhaften Sache maßgebend ist, es sei denn, der Käufer nimmt die Sache ausschließlich zur Qualitätsprüfung (unter Vorbehalt) entgegen185. Neben der Erwägung, dass dem Käufer kein Unrecht geschieht, wenn er sein Recht, die mangelhafte Ware und damit die Übernahme jeglicher Gefahr abzulehnen, nicht ausübt,186 lassen sich dafür zwei weitere Gründe anführen, die an anderer Stelle187 überprüft und vertieft untersucht werden:

1)  Käufer akzeptiert die mangelhafte Sache zumindest als „Anleistung“ des Verkäufers Wenn der Käufer die Ware nicht zurückweist, hat dieses Verhalten zumindest den äußeren Erklärungswert, dass sein Lieferanspruch mit der angedienten Sache erfüllt werden könne. Der Verkäufer darf deshalb seine Leistung188 mit und an dieser Sache189 zumindest insoweit als abgeschlossen betrachten, wie sie die vertragsgemäße Beschaffenheit bereits aufweist und diese auch nicht mehr infolge eines bereits vorhandenen Sachmangels beeinträchtigt wird.190 Dementsprechend besteht seine Leistung im Rahmen der Nachbesserung darin, das Hindernis, das der Erfüllung mit dieser Sache entgegensteht, (mit einem nur durch die §§ 439 Abs. 3, 275 Abs. 2 begrenzten Aufwand) zu beseitigen. Dazu muss er an dieser Sache auch im Übrigen die geschuldete Beschaffenheit herstellen.191 185 

Dazu unten: B.III.3.b)iv)1) (in Fn. 195). Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 151 mit Fn. 35, allerdings in Bezug auf den Zeitpunkt des § 446 S. 3. Dazu bereits bei und in Fn. 167. Zu den Voraussetzungen des Zurückweisungsrechts im reformierten Kaufrecht siehe unten: B.III.9. 187  Dazu unten: B.III.7.a). 188  Dagegen ist das Vertrauen des Verkäufers auf die Endgültigkeit des Übergangs der Preisgefahr nicht geschützt, wenn er mangelhaft leistet. Kommt es zum Rücktritt, wird seine Belastung mit der Preisgefahr in Bezug auf die gesamte Leistung aktiviert. Dazu unten: B.III.5. 189  Wenn der Verkäufer mit dem Vertragsschluss das Risiko eingegangen ist, im Mangelfall eine Ersatzlieferung vorzunehmen, darf der Käufer allerdings die zuerst gelieferte (mangelhafte) Sache nachträglich und rückwirkend als Objekt seines Erfüllungsanspruchs zurückweisen und (Nach-)Erfüllung mit einer anderen Sache verlangen, die insgesamt die vertragliche Soll-Beschaffenheit aufweisen muss. Zum Anwendungsbereich der „Ersatzlieferungsgefahr“ siehe: B.III.6.a). 190  Auf ähnliche Weise begründet Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 113–115 verschiedene Privilegierungen des Verkäufers, deren Anwendbarkeit davon abhänge, dass der Käufer die Schlechtleistung als vermeintliche Vollleistung annimmt und damit beim (redlichen) Verkäufer das Vertrauen erwecke, dass dieser seine Leistung insoweit ordnungsgemäß erfüllt habe und keine weiteren Anstrengungen mehr erforderlich seien. 191  Dies schließt, wie noch zu zeigen ist, die Beseitigung etwaiger weiterer Beeinträchtigun186 Vgl.



3.  Zäsur-Momente für die Feststellung der Mangelhaftigkeit

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Will der Verkäufer das Risiko, überhaupt nacherfüllen zu müssen, vermeiden, muss er sicherstellen, dass die Ware, die er bei einem Erfüllungsversuch einsetzt, vertragsgemäß ist. Die in der Lieferung mangelhafter Ware („Schlechtleistung“) liegende Pflichtverletzung hat er zwar haftungsrechtlich nicht ohne weiteres zu vertreten. Ihn trifft aber eine Obliegenheit zur Vermeidung der Nacherfüllung und der damit verbundenen Belastung mit der Gefahr weiterer mangelbedingter Verschlechterungen spiegelbildlich zu der Obliegenheit des Käufers, den Übergang nicht-mangelbedingter Verschlechterungen zu vermeiden, indem er die ihm angediente Ware überprüft und zurückweist, wenn sie sich als mangelhaft erweist.

Die so verstandene Konzentration der Pflicht aus § 433 Abs. 1 S. 2 hat durchaus nicht dieselbe Wirkung wie eine Teilerfüllung. Auch die Annahme der mangelhaften Ware ändert also nichts daran, dass die Leistungspflicht gem. § 433 Abs. 1 S. 2 nicht – auch nicht teilweise – erfüllt ist und dementsprechend auch spätere Beeinträchtigungen der Sachsubstanz der Kaufsache ausnahmsweise192 noch das Leistungsinteresse des Käufers verletzen können. Indem der Käufer von seinem Recht, die mangelhafte Ware zurückzuweisen, keinen Gebrauch macht, wird dem Verkäufer aber einvernehmlich die Leistungsgefahr insofern abgenommen, dass nach diesem Zeitpunkt auftretende zufällige Verschlechterungen dieser Sache grundsätzlich nicht als zusätzliche Leistungshindernisse gelten.193 Es handelt sich aber nicht um einen echten Konsenstatbestand. Denn weder dem Verkäufer noch dem Käufer muss bewusst sein, dass die Ware mangelhaft ist. Der Käufer muss die mangelhafte Ware nicht positiv billigen, und es ist auch unerheblich, ob der Verkäufer sich tatsächlich Gedanken darüber macht, ob und inwieweit seine Leistung bereits abgeschlossen sei. Tatsächlich wird er in vielen Fällen ohnehin nicht damit rechnen, bei Vorliegen von Mängeln überhaupt nacherfüllen zu müssen.194

Sofern die Leistungsgefahr auch im Fall der Lieferung einer mangelhaften Sache mit der Übergabe übergeht, geschieht dies demnach eigentlich nicht wegen der Übergabe, sondern deshalb, weil der Käufer die Ware nicht zurückweist.195 Der Käufer lässt es ggf. zu, dass der Verkäufer seine Leistung (mangelhaft) „bewirkt“196. gen der Sachbeschaffenheit, die auf der den Mangel begründenden Verletzung der Leistungspflicht gem. § 433 Abs. 1 S. 2 beruhen oder erst durch die Nachbesserung verursacht wurden, ein. Dazu: B.III.7.d) und B.III.8. 192  Vgl. dazu bereits in Fn. 191. 193  Vgl. zur einvernehmlichen Konkretisierung der Gattungsschuld durch Annahme mangelhafter Ware: Ernst in: FS Huber (2006), 165 (218–220). Dazu bereits: B.II.4.b)iii)2) und B.II.4.b) iv)5) bei und in Fn. 1168 und 1182. 194  Zu dieser Kritik an der generellen Nacherfüllungspflicht oben bei und nach Fn. 99. 195  Dementsprechend findet trotz körperlicher Übergabe keinerlei Gefahrübergang statt, wenn der Käufer die Ware ausdrücklich nur zur Qualitätsprüfung annimmt und sich zu diesem Vorbehalt durch sein weiteres Verhalten auch nicht (konkludent) in Widerspruch setzt, etwa indem er beginnt, die Sache für eigene Zwecke zu nutzen. Vgl. hierzu bereits: B.II.4.b)iv). 196 Regelrecht bewirkt i. S. v. § 362 Abs. 1 ist die Leistung mangels Erfüllungstauglichkeit sachmangelhafter Ware gerade nicht. Mit der Annahme der mangelhaften Sache lässt der Käufer den Verkäufer aber einen mangelhaften Leistungserfolg herstellen. Erst und nur dadurch wird

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

2)  Käufer übernimmt das „allgemeine Lebensrisiko“ in Bezug auf die mangelhafte Sache, die bis zur Erreichung der Erfüllungstauglichkeit aber noch Leistungsgegenstand ist Wenn die Erfüllung einstweilen daran scheitert, dass die Sache, die sich der Käufer hat übergeben und (regelmäßig auch) übereignen lassen, sachmangelhaft ist, ist zwar die Leistung des Verkäufers insgesamt noch nicht erfüllt. Denn nicht nur die Pflicht gem. § 433 Abs. 1 S. 2 lässt sich nicht in einen erfüllten und einen unerfüllten Teil aufspalten; die Leistung des Verkäufers lässt sich auch nicht sinnvoll aufgliedern in die Erfüllung der Pflicht zur Übergabe und Übereignung gem. § 433 Abs. 1 S. 1 einerseits und die Pflicht zur mangelfreien Leistung gem. § 433 Abs. 1 S. 2 andererseits.197 Der Verkäufer schuldet die Mangelfreiheit nämlich gerade in Bezug auf diejenige Sache, die er zu verschaffen hat – die zu verschaffende Sache muss die vertraglich geschuldete Beschaffenheit aufweisen198. Wenn der Käufer aber Besitz und Eigentum der mangelhaften Sache übernommen hat und behält199 (so bei Nachbesserung, Minderung und „kleinem“ Schadenersatz), kommt es insoweit, wie der Verkäufer zur (Nach-)Erfüllung (durch Nachbesserung) verpflichtet bleibt und sich die damit verbundenen Risiken zurechnen lassen muss, zur Konkurrenz mit der Sachgefahrtragung des Käufers (casum sentit dominus). Insoweit kommt die Erwägung, die unter dem BGB von 1900 mit seinem von der Verpflichtung zur Verschaffung eines real-körperlich bestimmten Sachgegenstandes geprägten Kaufleitbild für den Gefahrübergang maßgebend war,200 neben dem neuen Kriterium, dass seitens des Verkäufers die Erfüllung an und mit der gelieferten mangelhaften Sache in Ansehung der Sacheigenschaften noch nicht abgeschlossen ist, zum Tragen.201

Nachdem der Käufer die (behebbar) mangelhafte Sache einmal angenommen hat, hat sie im Rahmen der Nachbesserung202 eine „Doppelnatur“: Sie ist immer noch der Leistungsgegenstand des Verkäufers, soweit seine Nachbesserungspflicht

seine Leistung zur „Schlechtleistung“, für die etwa die „Rücktrittssperre“ des § 323 Abs. 5 S. 2 gilt. Dazu unten: B.III.5.d)ii) und B.III.9. 197  Siehe hierzu bereits: B.III.1.c)ii)4). 198 Vgl. Bitter ZIP  2007, 1881 (1884); Heyers/Heuser NJW 2010, 3057 (3057): Die geschuldete Sache könne von den geschuldeten Sacheigenschaften nicht abstrahiert werden. Eine irreparabel mangelhafte Sache sei eine Sache mit anderen als den geschuldeten Merkmalen und eine andere als die geschuldete Sache. Ähnlich Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 36 f., 48: Die irreparabel mangelhafte Sache sei nicht (mehr) der kaufvertraglich versprochene Gegenstand. 199  Dazu sogleich in Fn. 201. 200  Dazu oben: B.II.3.b), B.II.3.c) und B.II.3.d). 201  Wie bereits unter dem BGB von 1900 bricht diese Erwägung als Fundament der Zuweisung jeglicher Risiken zum Käufer aber weg, wenn der Käufer die gelieferte Sache nachträglich im Rahmen der Ersatzlieferung oder des Rücktritts zurückzuweist. Denn dann wird der untaugliche Erfüllungsversuch des Verkäufers als Nichtleistung behandelt. 202  Anders als bei der Nachbesserung findet die Nacherfüllung bei der Ersatzlieferung gerade nicht unter Einbeziehung der mangelhaften Sache statt.



3.  Zäsur-Momente für die Feststellung der Mangelhaftigkeit

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reicht;203 im Übrigen ist sie bereits ein Vermögensgegenstand des Käufers204. Dies spricht dafür, dass der Käufer in Bezug auf die gelieferte Sache zumindest das Risiko solcher Schadensereignisse, die in keinem Zusammenhang mit dem Grund, aus welchem den Verkäufer das Sachschicksal überhaupt noch etwas angeht (Verpflichtung zur Nacherfüllung wegen Nichterfüllung der Pflicht nach § 433 Abs. 1 S. 2), stehen, zu tragen hat.205

3)  Abhängigkeit des Gefahr(en)übergangs davon, dass der Käufer die entgegengenommene Sache behält (d.h sie nicht nachträglich wirksam als Erfüllungsgegenstand zurückweist) Hängt der Übergang des Risikos nicht-mangelbedingter Schadensereignisse mit der Annahme des durch den Verkäufer zur Erfüllung eingesetzten Stücks zusammen, bezieht er sich selbstverständlich nur auf dieses Stück und setzt damit voraus, dass dieses Stück auch der Erfüllungsgegenstand bleibt. Dies ist der Fall, wenn der Kaufvertrag mit ihm abgewickelt wird, weil die Nachbesserung erfolgreich ist oder weil der Käufer sich bei Ausbleiben der Nachbesserung mit der Minderung des Kaufpreises zufrieden gibt206. Das heißt aber nicht, dass das Risiko nicht mangelbedingter Verschlechterungen der gelieferten Sache erst und nur dann überginge, wenn der Käufer Nachbesserung verlangt (Leistungsgefahr) oder die Minderung des Kaufpreises erklärt (Preisgefahr). Will der Käufer die angenommene Sache behalten, bleiben die Risiken, die er in Bezug auf diese Sache mit ihrer Entgegennahme übernommen hat, bei ihm (das unterscheidet die Gefahrverteilung von der Situation bei Ersatzlieferung und Rücktritt, wobei der Käufer die angenommene Sache gerade nicht behält, dazu sogleich). Der Verkäufer hat dann lediglich solche Qualitätsdefizite, die bereits im Zeitpunkt der Annahme vorlagen (oder später im Zusammenhang mit dem bei

203  Deshalb ist der Käufer gehalten, die Nachbesserungspflicht des Verkäufers nicht zu stören. Zur Bedeutung der Rücktrittssperre des §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 6 Alt. 1 in diesem Zusammenhang unten: B.III.5.d)i). 204  Dieser Grund für die Zurechnung solcher zufallsbedingter Schadensereignisse, die weder auf der mangelhaften Leistung des Verkäufers beruhen noch sich auf die Nacherfüllung auswirken, zum Käufer entfällt allerdings gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, wenn der Käufer letztlich wegen des Sachmangels vom Kaufvertrag zurücktritt. Dazu unten: B.III.5.c)iv)3)(b). Vgl. dazu bereits soeben in Fn. 201. 205  Es ergeben sich daher für die Gefahr­tragung ähnliche Abgrenzungsschwierigkeiten, wie sie im Zusammenhang mit der Haftung wegen Schäden an der Kaufsache infolge eines „weiterfressenden“ Mangels (Verletzung des Leistungs- oder des Integritätsinteresses?) bekannt sind. Kritisch zu dieser Abgrenzung im Haftungsrecht: Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 280–285 Rn. 33 f., 45. 206  Entsprechendes gilt für die Geltendmachung des Anspruchs auf „kleinen“ Schadenersatz (statt der Leistung). Insoweit geht es aber nicht Risikoverteilung, weil die Haftung des Verkäufers voraussetzt, dass er das Auftreten des Sachmangels und/oder das Ausbleiben der Nachbesserung zu vertreten hat.

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

der Annahme vorliegenden Mangel oder seiner Beseitigung entstanden sind), auszugleichen. Vergleichbar war die Lage beim Gattungskauf unter dem BGB von 1900, als der Käufer die Wahl hatte, statt einer Ersatzlieferung die Minderung des Kaufpreises oder Wandelung des Kaufvertrages zu verlangen. Die auf den Stückkauf zugeschnittenen „klassischen“ Gewährleistungsrechte setzten nämlich voraus, dass der Käufer die Leistungsgefahr zu tragen hatte, eine Leistung in Ansehung des mangelhaften Sachzustandes also nicht mehr geschuldet war (dies war nach der Stückkauf-Konzeption des BGB von 1900 vom Vertragsschluss an der Fall207). Weil die Lieferung vertragswidriger Ware beim Gattungskauf eigentlich weder erfüllungs- noch konkretisierungstauglich ist, hatte die Annahme der mangelhaften Sache zumindest dann, wenn der Käufer die Kaufpreisminderung erklärte, die Bedeutung, die Konkretisierung herbeizuführen. Um eine Gleichstellung mit dem Stückkauf, bei dem das Vorliegen von Sachmängeln nach herrschender Meinung nicht dem (vorläufigen) Übergang der Preisgefahr entgegenstand,208 zu erreichen, wurde auch die Gewährleistungspflicht des Verkäufers auf diesen Zeitpunkt fixiert.209 Der Verkäufer sollte im Rahmen der Minderung beim Gattungskauf keinen weitergehenden Abzug am Kaufpreis hinnehmen müssen als bei einem Stückkauf, und wenn der Käufer Wandelung verlangte, wurde die Sache so behandelt, als sei zwar die Leistungsgefahr, nicht aber die Preisgefahr effektiv übergegangen.210 Dem Käufer war es aber unbenommen, wegen des festgestellten Mangels (statt Minderung oder Wandelung) Ersatzlieferung zu verlangen und damit in vollem Umfang die fortdauernde Belastung des Verkäufers mit der Leistungsgefahr durchzusetzen.

Der Gedanke, dass die Zuweisung des Risikos nicht mangelbedingter Schäden an der mangelhaften Sache unter dem Aspekt der Leistungs-/Preisgefahr an den Käufer damit steht und fällt, dass der Käufer diese Sache als Erfüllungsobjekt zulässt, legt zugleich nahe, dass die Geltendmachung solcher Rechte, die mit der (nachträglichen) Zurückweisung dieser Sache einhergehen, den tragenden Grund der sich an die „Annahme als Erfüllung“ anschließenden Risikoverteilung entfallen lässt. Dementsprechend berechtigt eine nach der Lieferung auftretende nicht-mangelbedingte Zufallsverschlechterung als solche den Käufer zwar weder zur Nachbesserung noch zur Kaufpreisminderung. Sie fällt ihm dann, wenn er wegen des bei der Lieferung vorliegenden Mangels bzw. wegen des Ausbleibens der Nachbesserung vom Kaufvertrag zurücktritt (oder Ersatzlieferung verlangt), aber auch nicht in der Weise zur Last, dass er insoweit zur Kaufpreiszahlung verpflichtet bliebe oder Wertersatz in entsprechender Höhe leisten müsste (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3). Im Rahmen des Rücktritts ist es dem Käufer gem. § 437 Nr. 2 auch nach der Annahme der mangelhaften Sache211 grundsätzlich212 noch gestattet, geltend zu 207 

Dazu oben: B.II.1.d)i). Dazu oben: B.II.4.a)ii). 209 Vgl. Esser/Weyers (1999) – SchuldR II.1, S. 64, 97. 210  Dazu oben: B.II.2.e)ii) und B.II.2.e)iv). 211  Der Rücktritt vom (ganzen) Vertrag ist (nur) nach der Annahme der mangelhaften Sache gem. § 323 Abs. 5 S. 2 ausgeschlossen, wenn der Mangel unerheblich ist. Dazu unten: B.III.9.d). 212  Zu den „Rücktrittssperren“ siehe unten: B.III.5.d). 208 



4.  Folgerungen und Thesen

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machen, dass der Verkäufer die Pflicht aus § 433 Abs. 1 S. 2 insgesamt nicht erfüllt habe und ihm deshalb der Kaufpreis insgesamt nicht zustehe. Auch wenn die Annahme einer mangelhaften Sache die Leistungspflicht des Verkäufers im Rahmen der Nachbesserung beschränkt, hat er sich den Kaufpreis auch insoweit, wie er nicht nacherfüllen muss, noch nicht endgültig und unbedingt verdient. Da insoweit keine (Teil-) Erfüllung eingetreten ist, kann seine Leistung auch insoweit immer noch ausfallen213 und deshalb auch der Anspruch auf die gesamte Gegenleistung noch wegfallen.

4.  Folgerungen und Thesen In welcher Form, wie lange und inwieweit dem mangelhaft leistenden Verkäufer eine (weitere) zufällige Verschlechterung (einschließlich des Untergangs als „Maximalfall“ der Verschlechterung) des gelieferten Stücks zur Last fällt, hängt nach den bisherigen Erwägungen davon ab, yy unter welchen Voraussetzungen der Käufer vom Vertrag zurücktreten und den bereits gezahlten Kaufpreis zurückfordern darf, ohne dass der Verkäufer wegen der nachträglichen Verschlechterung einen Ausgleich verlangen kann (Preisgefahr: Rückabwicklungsgefahr);214 yy unter welchen Voraussetzungen als Nacherfüllungsvariante (auch) eine Ersatzlieferung in Betracht kommt, so dass der Käufer ungeachtet des Schicksals der zuerst gelieferten (mangelhaften) Sache die Lieferung einer anderen, in jeder Hinsicht vertragsgemäß beschaffenen Sache verlangen kann (Leistungsgefahr: Ersatzlieferungsgefahr);215 yy unter welchen Voraussetzungen eine nach Übergabe/Annahme der mangelhaften Sache erfolgende zufällige Verschlechterung als in einem hinreichenden Zusammenhang mit der Mangelhaftigkeit der Leistung stehend anzusehen ist, so dass die Nachbesserungspflicht216 des Verkäufers sich auch auf sie bezieht (Leistungsgefahr: Nachbesserungsgefahr),217 und yy unter welchen Voraussetzungen der Käufer die Annahme einer mangelhaften Sache verweigern darf und somit die Übernahme jeglicher Gefahr ablehnen kann. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird insbesondere untersucht, wie sich die Leistungsgefahr des Verkäufers im Falle der Lieferung mangelhafter Ware entwickelt. 213  Damit ist nicht nur der Fall gemeint, dass die Nacherfüllung unmöglich wird, etwa weil die nachzubessernde Sache zufallsbedingt untergeht. Es betrifft auch den Fall, dass der Leistungserfolg nicht erreicht wird, weil der Käufer sich vom Vertrag lösen darf und dem Verkäufer dadurch gewissermaßen die Erfüllungsbefugnis nimmt. Dazu bereits: B.II.4.c)iv)1) und B.II.5. 214  Dazu sogleich: B.III.5. 215  Dazu unten: B.III.6. 216  Diese Frage betrifft gleichermaßen die Minderung (vgl. hierzu bereits B.III.3 in Fn. 136). Insoweit geht es freilich um das Verschlechterungsrisiko unter dem Aspekt der Preisgefahr. 217  Dazu unten: B.III.7 und: B.III.8.

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

Dabei sind die Möglichkeit des Käufers, die Annahme mangelhafter Ware zu verweigern, sowie die Modalitäten der Nacherfüllung nach der Annahme mangelhafter Ware, je nachdem, ob beide Varianten der Nacherfüllung in Betracht kommen oder ob die Nacherfüllung sich auf Ersatzlieferung oder Nachbesserung beschränkt, zu berücksichtigen. Es ist Folgendes zu zeigen: yy Mit dem Übergang der Ersatzlieferungsgefahr auf den Käufer (durch einvernehmliche Individualisierung des Leistungsgegenstandes bereits beim Vertragsschluss oder durch spätere einseitige Konkretisierung seitens des Verkäufers) reduziert sich die Leistungsgefahr des Verkäufers auf zufällige Verschlechterungen, die mit verhältnismäßigem Aufwand behoben werden können (Nachbesserungsgefahr).218 yy Solche Verschlechterungen fallen dem Verkäufer mindestens bis zu dem Zeitpunkt, in dem er dem Käufer die (mangelhafte) Ware anbietet, zur Last. yy Nimmt der Käufer die angebotene (mangelhafte) Ware nicht an, bleibt der Verkäufer auch weiterhin in vollem Umfang mit der Nachbesserungsgefahr belastet. Weist der Käufer die Ware dagegen nicht als vertragswidrig zurück, geht aus diesem Grund mit ihrer Übergabe die Nachbesserungsgefahr in Bezug auf solche Verschlechterungen, welche die gelieferte Sache nur noch als Vermögensbestandteil des Käufers, nicht mehr aber als Leistungsgegenstand des Verkäufers betreffen, auf ihn über. yy Der Übergang der Leistungsgefahr insoweit erfolgt jedoch nur vorläufig, falls die Ersatzlieferungsgefahr noch nicht übergegangen oder ihr Übergang deshalb nicht endgültig erfolgt ist, weil das Individualisierungsinteresse der Parteien von der Mangelfreiheit der bestimmten Sache abhängt; ggf. kann der Käufer nämlich Ersatzlieferung verlangen und auf diese Weise das Risiko nicht mangelbedingter Verschlechterungen von sich abwälzen. yy Wenn der Käufer dagegen statt Ersatzlieferung Nachbesserung wählt219 oder nur Nachbesserung verlangen kann (bei endgültigem Übergang der Ersatzlieferungsgefahr wegen unbedingter Individualisierung bei Vertragsschluss oder effektiver Konkretisierung nach Vertragsschluss), fallen ihm solche nach der Übergabe auftretenden Verschlechterungen, welche die mangelhafte Sache nicht mehr als Leistungsgegenstand betreffen, ohne Rücksicht darauf, ob diese an sich behebbar sind oder nicht, zur Last. yy Im Übrigen bleibt das Risiko, Verschlechterungen durch Nachbesserung (mit verhältnismäßigem Aufwand) beheben zu müssen, beim Verkäufer. Als Leistungsgegenstand ist die gelieferte Sache auch nach ihrer Annahme durch den 218  Die Begriffsbildung der „Nachbesserungsgefahr“ und „Ersatzlieferungsgefahr“ geht auf Skamel zurück. Dazu mehr (mit Nachweisen) im weiteren Verlauf der Arbeit. 219  Hatte der Käufer Nachbesserung (statt Ersatzlieferung) gewählt, steht dieser Gefahrübergang unter der Bedingung, dass die Nachbesserung erfolgreich ist. Denn sonst kann der Käufer auf die Ersatzlieferung „umschwenken“, im Rahmen derer der Verkäufer wiederum die Leistungsgefahr im vollen Umfang trägt.



5.  Sachliche Veränderungen des Rücktrittsfolgenrechts 

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Käufer insbesondere durch sog. mangelbedingte Verschlechterungen betroffen; aber auch solche Beschädigungen, die sie im Zusammenhang mit der Nachbesserung erleidet, können davon noch erfasst sein.

5.  Sachliche Veränderungen des Rücktrittsfolgenrechts im Zuge der Schuldrechtsreform Die soeben beschriebene Entwicklung der Leistungs-/Nacherfüllungsgefahr setzt voraus, dass die Preisgefahr noch nicht (vollständig) auf den Käufer übergegangen ist. Denn eine Belastung des Verkäufers mit der Leistungsgefahr ist denklogisch ausgeschlossen, wenn und soweit die Preisgefahr bereits auf den Käufer übergegangen ist.220 Wenn im Mangelfall eine Ersatzlieferung in Betracht kommt, bleibt der Verkäufer potentiell in vollem Umfang zur Leistung verpflichtet und trägt deshalb selbstverständlich auch noch in vollem Umfang die Preisgefahr. Dagegen hängt die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit er an seiner Verpflichtung zur mangelfreien Leistung gem. § 433 Abs. 1 S. 2 dadurch festgehalten werden kann, dass er (auch) in Ansehung solcher zufälliger Verschlechterungen, die erst nach der Annahme der mangelhaften Sache entstehen, zur Nachbesserung verpflichtet ist, maßgeblich davon ab, wie viel Raum die Verteilung der Preisgefahr dieser Entwicklung der Leistungsgefahr lässt. Infolge der Entscheidung des historischen Gesetzgebers, die Belastung des Verkäufers mit dem Risiko221 einer zufälligen Verschlechterung der zur Erfüllung verwendeten Sache durch die Rechtsfolgen zu bewältigen, die das Kaufrecht für den Fall einer sachmangelhaften Leistung zulässt,222 spürt der Verkäufer den Zufall nicht nach den allgemeinen Regeln. In Bezug auf die Preisgefahr heißt dies insbesondere, dass der Anspruch des Verkäufers auf den Kaufpreis nicht kraft Gesetzes erlischt, soweit er infolge einer (unbehebbaren oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu behebenden) Sachverschlechterung von der Pflicht zur (mangelfreien) Leistung befreit wird. Die Reaktion auf die Störung der Leistungspflicht ist vielmehr dem Käufer überlassen. Wenn er wegen des Sachmangels, der infolge einer zwischen dem Vertragsschluss und dem nach §§ 446, 447 maßgeblichen Zeitpunkt aufgetretenen zufälligen Verschlechterung entstanden ist, den Kaufpreis mindert, verwirklicht er dadurch die Preisgefahr, die der Verkäufer bis zum Zeitpunkt der §§ 446, 447 zu tragen hat. Die Verteilung der Preisgefahr über diesen Zeitpunkt hinaus hängt – mittelbar – davon ab, ob der Käufer auch dann 220 

Dazu oben: A.3.b)i) und A.3.c). Ursprünglich betraf dieses Risiko (beim Stückkauf) nur die Preisgefahr („Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“, Ernst). Dazu: B.II.1.d). Seit der Einführung der allgemeinen Nacherfüllungspflicht geht es, wenn eine Nachbesserung oder Ersatzlieferung in Betracht kommt, um die Leistungsgefahr. Dazu: B.III.2. 222  Dazu oben: B.II.2. 221 

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

vom Kaufvertrag zurücktreten und sich in vollem Umfang und effektiv von der Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung befreien kann, wenn die mangelhafte Sache nach ihrer Lieferung eine weitere zufällige Verschlechterung erlitten hat oder aus Zufall bei ihm untergegangen ist. Ist der Rücktritt in diesem Fall ausgeschlossen („Ausschlusslösung“) oder darf der Käufer sich zwar vom Vertrag lösen, muss aber in Höhe des Kaufpreises Wertersatz wegen des zufälligen Schadensereignisses leisten („Wertersatzlösung“)223, trägt er quasi die Preisgefahr weiterer Verschlechterungen.224 Andernfalls ist der Verkäufer belastet. Vor der Reform standen gem. §§ 467 S. 1, 347, 350 a. F. der zufällige Untergang oder eine zufällige Verschlechterung der gelieferten Sache der Wandelung des Kaufvertrages nicht entgegen.225 Dies wurde überwiegend so ausgedrückt, dass die zunächst (nur vorläufig) auf den Käufer übergegangene Preisgefahr bei der Wandelung auf den Verkäufer zurückspringe, und nur vereinzelt so, dass das Vorliegen von Sachmängeln bereits einem Übergang der Preisgefahr entgegenstehe.226 Gemeint war eigentlich dasselbe: Wenn es zur Wandelung kam, stand fest, dass der Verkäufer den Anspruch auf den Kaufpreis auch in Ansehung solcher Zufallsschäden verlor, die die gelieferte Kaufsache beim Käufer erlitten hatte. Wie ausführlich dargestellt wurde,227 behielt das BGB von 1900 die hergebrachte Wandelung trotz Anerkennung eines allgemeinen gesetzlichen Rücktrittsrechts als eigenständigen Rechtsbehelf vor allem deshalb bei, weil das gesetzliche Rücktrittsrecht die (schuldhafte) Nichterfüllung der dem Schuldner obliegenden Leistungspflicht voraussetzte, die Lieferung mangelhafter Ware aber gerade nicht als Fall der Nichterfüllung erfasst wurde. Dazu passt das Konzept, dass die Gefahr auch bei Vorliegen von Sachmängeln im Zeitpunkt der Übergabe auf den Käufer übergehe, im Falle der Wandelung aber auf den Verkäufer „zurückspringe“. Denn weil der Gefahrübergang gem. § 446 davon abhängt, dass die Vertragsdurchführung mit der Übergabe ein bestimmtes Erfüllungsstadium erreicht, Sachmängel der Erfüllung i. e. S. beim Stückkauf unter dem BGB von 1900 aber nicht entgegenstanden, kam der Wandelung auch die Funktion zu, gewissermaßen „auf Umwegen“ einen „Wirkungszusammenhang“ zwischen dem Vorliegen von Sachmängeln und der Gefahr­tragung des Verkäufers herzustellen.

Mit der Einführung der Pflicht zur mangelfreien Leistung im Zuge der Schuldrechtsreform, die eine Integration der Mängelrechte in das allgemeine Leistungsstörungsrecht erlaubt, sowie der Abschaffung des Verschuldenserfordernisses beim Rücktritt ist die „Daseinsberechtigung“ der Wandelung als spezieller Rechtsbehelf des Gewährleistungsrechts entfallen. Das Recht des Käufers, wegen eines Sachmangels vom Vertrag abzugehen und ggf. die Rückabwicklung des Leistungsaus223  Seine Befreiung von der Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung durch den Rücktritt ist dann nicht effektiv. 224  Zum Zusammenhang zwischen der Gefahr der Gegenleistung und der „Rückabwicklungsgefahr“: A.3.b)ii). 225  Dazu: B.II.4.c). 226  Dazu oben: B.II.4.a). 227  Dazu oben: B.II.4.c)i).



5.  Sachliche Veränderungen des Rücktrittsfolgenrechts 

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tauschs zu verlangen, ist in dem gesetzlichen Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung aufgegangen (§§ 437 Nr. 2, 323, 326). Die Wandelung wurde also letztlich auch „dem Grunde nach“ abgeschafft, nachdem im BGB von 1900 bereits ihre Rechtsfolgen aus dem speziellen Kontext des Gewährleistungsrechts herausgenommen und verallgemeinert worden waren. Insofern ist es noch schwieriger geworden, nachzuvollziehen, auf welchen Wertungen die Gefahrverteilung bei der Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen Sachmängeln beruht. Gleichzeitig wurde aber durch die Einführung der Pflicht zur mangelfreien Leistung ein direkter theoretischer Zusammenhang zwischen der Sachmangelfreiheit und dem Gefahrübergang hergestellt. Dies hat zur Folge, dass im Falle der Lieferung mangelhafter Ware die Gefahr eigentlich gar nicht erst auf den Käufer übergeht, weil der Kaufvertrag ggf. nicht das notwendige Erfüllungsstadium erreicht.

Im Vergleich zu den Rücktritts- und Wandelungsfolgen nach dem BGB von 1900 hat die Schuldrechtsreform insofern eine tiefgreifende Veränderung gebracht, als der Käufer wegen eines Sachmangels nunmehr grundsätzlich228 selbst dann, wenn er eine Verschlechterung oder den Untergang der empfangenen Sache verschuldet hat, vom Kaufvertrag zurücktreten und den Kaufpreis einbehalten bzw. zurückfordern darf. Das heißt aber nicht, dass eine Verschlechterung der zurück zu gewährenden Sache in jedem Fall zu Lasten des Verkäufers geht. Die ohnehin im Rahmen des Rücktritts nur indirekt geregelte Frage der Fortsetzung der Preisgefahr wird nunmehr nämlich zusätzlich durch ein komplexes System von Wertersatzregeln überlagert. Diese Zusammenhänge werden im Folgenden beleuchtet, um zu überprüfen, ob bei Lieferung mangelhafter Ware die Verteilung der Preisgefahr wenigstens insoweit in der Schwebe bleibt, dass sich die Leistungsgefahr in der oben beschriebenen Weise weiter zulasten des Verkäufers entwickeln kann.

a)  Neuregelung der Gefahr­tragung beim Rücktritt Der Reformgesetzgeber verfolgte mit Blick auf das Rücktrittsfolgenrecht vor allem das Ziel, den Normkomplex gesetzestechnisch zu verbessern sowie der rechtspolitischen Kritik an bestimmten Sachlösungen, zu denen insbesondere die Gefahr­tragung im Rückabwicklungsverhältnis zählt, gerecht zu werden.229 Dementsprechend wurden die viel kritisierten §§ 350, 351 a. F. gestrichen und die darin geregelte starre „Ausschlusslösung“ grundsätzlich230 durch eine differenzierte 228 

Ausnahme: Wenn der Untergang oder die Verschlechterung des empfangenen Gegenstandes den Umstand begründet, der den Gläubiger zum Rücktritt berechtigt. Dann ist das Rücktrittsrecht bei alleiniger oder überwiegender Verantwortlichkeit gem. § 323 Abs. 5 Alt. 1 ausgeschlossen. 229  Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, Vor § 346 Rn. 13. Die Regierungsbegründung setzt sich ausführlich mit der Kritik an der alten Rechtslage auseinander: BT-Drucks. 14/6040, S. 190– 193. 230  Zu der Frage, ob und inwieweit die „Ausschlusslösung“ gem. § 351 a. F. in der Regelung der §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 6 Alt. 1 weiterlebt, wenn der Käufer dafür verantwortlich ist, dass die Nacherfüllung unmöglich wird: B.III.5.d)i).

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

„Wertersatzlösung“231 ersetzt.232 Danach darf der Rücktrittsberechtigte auch dann zurücktreten, wenn er nicht imstande ist, die empfangene Leistung (im ursprünglichen „Lieferzustand“) gem. § 346 Abs. 1 zurück zu gewähren233, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er es zu vertreten hat, dass die empfangene Leistung nicht (unversehrt) zurückgewährt wird. Grundsätzlich ist er unter diesen Umständen aber – ebenfalls verschuldensunabhängig – gem. § 346 Abs. 2 S. 1 zum Wertersatz verpflichtet.234 Der Höhe nach bemisst sich der Wertersatz nach der vereinbarten Gegenleistung (§ 346 Abs. 2 S. 2). Insofern erreicht der Käufer durch den Rücktritt zwar die Befreiung von der Kaufpreisschuld; unter Umständen wird diese aber durch eine Wertersatzpflicht in entsprechender Höhe ersetzt.235 Dies rückt die Wertersatzregelung beim Rücktritt236 in die Nähe der Preisgefahr,237 auch wenn es dabei „um etwas anderes als die eigentliche Preisgefahr“ geht238.

i)  Systematischer Grundsatz: Gefahrbelastung des Rücktrittsberechtigten (§§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Halbs. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 2) Gem. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Halbs.  1 (Verpflichtung zum Wertersatz bei Verschlechterung oder Untergang des empfangenen Gegenstandes) trägt nunmehr grundsätzlich jeweils der Empfänger der Leistung (Rückgewährschuldner) die so verstandene „Preisgefahr“, soweit239 dem Leistenden (Rückgewährgläubiger) wegen der Verschlechterung oder dem Untergang der geleisteten Sache eine Wertersatzforderung zusteht, die er bei der von ihm zu erstattenden Gegenleistung in Abzug bringen kann.240 Dies folgt im Umkehrschluss aus § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, 231  Wagner in: FS Huber (2006), 591 (602, 606); Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, Vor § 346 Rn. 5, § 346 Rn. 1, 62. 232  Die Regierungsbegründung betont, dass dies im Ergebnis dem Standpunkt des gemeinen Rechts entspreche, BT-Drucks.  14/6040, S. 194; zur „Wertersatzlösung“ des gemeinen Rechts siehe bereits: B.II.4.c)ii)4)(d) sowie Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 268 f. 233  Unter welchen Voraussetzungen die Pflicht zur Naturalrestitution durch die Wertersatzpflicht ersetzt wird, ist umstritten. Dazu sogleich bei Fn. 265. 234  Außerdem kommt eine Schadenersatzhaftung in Betracht. Diese setzt aber ein Vertretenmüssen des Rückgewährschuldners voraus (§ 280 Abs. 1 S. 2). 235 Vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (215). 236  Anders bei der Ersatzlieferung, weil die Wertersatzpflicht dabei ggf. neben die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung tritt. 237  Davon ging offenbar auch der Gesetzgeber aus, da er das „Rückspringen“ der Gefahr nach § 346 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 damit begründete, dass nicht auf auf die Endgültigkeit des Gefahrübergangs (mit Erbringung der Leistung) auf den anderen Teil vertrauen dürfe, wer nicht ordnungsgemäß geleistet habe; BT-Drucks. 14/6040, S. 196, vgl. auch zum Zusammenhang von § 446 und der Gefahr­tragung beim Rücktritt a. a. O. S. 190, 191. 238  Dazu bereits A.3.b)ii) bei und in Fn. 119 im Zusammenhang mit der „Rückabwicklungsgefahr“: A.3.b)ii). 239  Beachte die Anmerkung in Fn. 233 sowie unten bei Fn. 265. 240 Wegen der Orientierung des Wertersatzes an der vereinbarten Gegenleistung kann der Verkäufer im Fall des Untergangs des zurück zu gewährenden Gegenstandes den Anspruch des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises durch Aufrechnung mit seiner Wertersatzforderung vernichten und die Wirkungen seiner Belastung mit der Preisgefahr auf diese Weise neutralisieren.



5.  Sachliche Veränderungen des Rücktrittsfolgenrechts 

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wonach die Wertersatzpflicht „grundsätzlich-ausnahmsweise“ nur entfällt, „soweit der Gläubiger [des Rückgewähranspruchs] die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat [Alt. 1] oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre [Alt. 2]“; d. h. dass die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung grundsätzlich dem Rücktrittsberechtigten (Rückgewährschuldner) zugewiesen ist. Darin ist im Vergleich zu den §§ 347, 350 a. F. eine Umkehrung der Gefahrverteilung zu erblicken.241 Davon sind allerdings bestimmte Risiken von vorneherein ausgenommen. Denn das „Vertreten-müssen“ des Rückgewährgläubigers gemäß § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 ist durchaus nicht eng und im technischen Sinne (§ 276–278) zu verstehen,242 sondern eröffnet einen Wertungsrahmen für die Zuweisung gewisser Schadensereignisse zum Rückgewährgläubiger, auch wenn er diese haftungsrechtlich nicht zu vertreten hat.243 Nach herrschender Meinung fallen demnach wenigstens der mangelbedingte Untergang sowie die mangelbedingte Verschlechterung der zurück zu gewährenden Sache in den „Risikobereich“ des Rückgewährgläubigers, der eine mangelhafte Sache geliefert hat.244 Die Gefahr­tragung des Rückgewährschuldners wird ferner durch die Zuweisung des sog. „echten Zufalls“245 zum Rückgewährgläubiger gemäß § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 eingeschränkt. Diese greift bei mangelbedingter Verschlechterung oder mangelbedingtem Untergang jedenfalls dann ein, wenn der Untergang oder die Verschlechterung wegen des Sachmangels auch beim Verkäufer erfolgt wäre. Auf Gefahr des Rückgewährgläubigers gehen Verschlechterung und Untergang des Rückgewährgegenstandes nach herrschender Meinung schließlich auch dann, wenn sie eintreten, während der Rückgewährgläubiger mit der Annahme in Verzug ist.246 241  Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.05.2015) – BGB, § 346 Rn. 2, 51; Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 199. 242  Denn das Vertreten-müssen begründet insoweit, ähnlich wie die „Gläubigerverantwortlichkeit“ gem. §§ 323 Abs. 6 Alt. 1, 323 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 (dazu: B.III.5.d)i)), keine Schadenersatzpflicht. Vgl. dazu bereits: B.II.4.c)v)1). 243  Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 113; a. A. Wagner in: Karlsruher Forum – Schuldrechtsmodernisierung (2006), S. 169 mit Zustimmung von Lorenz a. a. O., S. 173, die diese Risiken über § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 erfassen und „vertreten“ i. S. von § 346 Abs. 3. S. 1 Nr. 2 Alt. 1 haftungsrechtlich eng verstanden wissen wollen. 244 Dazu: Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.05.2015) – BGB, §  346 Rn. 50; Gaier in: MüKo (2012) – BGB, § 346 Rn. 51; Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 192; Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 96, 98, 113, 115, 130, 139; Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 275 f., 278 mit Fn. 1087 („Zufall im weiteren Sinne“); Kandler (2004) – Kauf, S. 551; a. A.  Wagner in: Karlsruher Forum – Schuldrechtsmodernisierung (2006), S. 169 mit Zustimmung von Lorenz a. a. O., S. 173, dazu bereits: Fn. 243 und unten bei Fn. 704. 245  Zu diesem Begriff: Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 122; Gaier in: MüKo (2012) – BGB, § 346 Rn. 52 m. w. N. in Fn. 314. Beispiele bei: Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 198 und Lobinger a. a. O. Rn. 123. 246  Dazu m. w. N. Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 119 f., der selbst allerdings der Meinung ist, maßgeblich für das „Zurückspringen“ der Gefahr sei nicht der Eintritt des Annahmeverzugs, sondern die Ausgliederung des Leistungsgegenstandes aus dem Vermögen des

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ii)  Systematische Ausnahme: Belastung des Rücktrittsgegner mit der Gefahr des Zufalls (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3) Von dem Grundsatz der Gefahr­tragung des Rücktrittsberechtigten (vgl. §§ 346 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 1 Nr. 2) macht außerdem § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 zugunsten des gesetzlich zum Rücktritt Berechtigten eine weitreichende Ausnahme: Bei zufälliger Verschlechterung und zufälligem Untergang des empfangenen Gegenstandes hat er keinen Wertersatz zu leisten. Weil dies gerade für den Käufer gilt, der gem. §§ 437 Nr. 2, 323 (ggf. über die Verweisung des § 326 Abs. 5) wegen eines Sachmangels zurücktritt, begründet die systematische Ausnahme des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 „in der praktischen Anwendung die Regel …, weil der Rücktritt des Käufers wegen Sachmängeln der Hauptanwendungsfall der §§ 346 ff. ist“247. Soweit der Verkäufer demnach die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung der geleisteten Sache zu tragen hat, weil er beim Rücktritt den vollen Kaufpreis erstatten muss und wegen des Wertverlusts der geleisteten Sache keinen Ausgleich erhält, ist die Regelung des § 350 a. F. zumindest partiell wieder hergestellt.248 Die Belastung des Rücktrittsgegners beim gesetzlich begründeten Rücktritt wird ganz erheblich dadurch ausgedehnt, dass die Wertersatzpflicht nur dann nicht entfällt, wenn der Sachuntergang oder die Sachverschlechterung darauf beruht, dass der Rücktrittsberechtigte nicht „diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt“.

iii)  Verweisung auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht und das Bereicherungsrecht § 346 Abs. 3 S. 2 sieht nunmehr vor, dass eine verbleibende Bereicherung herauszugeben ist. Gem. § 346 Abs. 4 kann der Gläubiger wegen Verletzung einer Pflicht aus § 346 Abs. 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadenersatz vom Schuldner des Rückgewähranspruchs verlangen.

b)  Begründung der Gefahrverteilung beim Rücktritt nach dem „Wertersatz-Modell“ durch den Reformgesetzgeber Der Reformgesetzgeber beabsichtigte, die Rücktrittsfolgen an dem Ziel auszurichten, „die vor dem Vertragsschluss bestehende Rechtslage wieder herzustellen“.249 Rückgewährschuldners bereits mit den ersten die Rückgewähr einleitenden und sichernden Maßnahmen. 247  Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 203. 248  Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 125. 249  BT-Drucks. 14/6040, S. 189. Dies entspricht der „Einheitsformel“, die bei den Beratungen des BGB von 1900 zur Vereinheitlichung der Folgen von Wandelung sowie des vertraglich und gesetzlich begründeten Rücktritts aufgestellt wurde: („Der Rücktritt bewirkt, daß die Vertragsschließenden unter einander so berechtigt und verpflichtet sind, wie wenn der Vertrag nicht abge-



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Zur Lösung des Problems, dass dieses Ziel für beide Parteien nicht in tatsächlicher Hinsicht erreicht werden kann, wenn die empfangene Sache untergegangen, wesentlich verschlechtert, verbraucht oder veräußert worden ist und der Leistungsempfänger deshalb zur Rückgewähr in natura außerstande ist,250 wollte er die §§ 350 bis 353 a. F. durch ein „Modell der Rückabwicklung dem Werte nach“ ersetzen. Die sachliche Änderung, dass in Zukunft gem. §§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 1 Nr. 2 grundsätzlich der jeweilige Rückgewährschuldner die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung der empfangenen (Sach-)Leistung zu tragen hat (Umkehrung der Regel gem. §§ 347, 350 a. F.)251, wurde damit begründet, dass das Zurückspringen der Gefahr beim vertraglichen Rücktrittsrecht „problematisch“ und dann, wenn das Gesetz etwa den Verkäufer wegen Nichtzahlung der letzten Kaufpreisrate durch den Käufer zum Rücktritt berechtige, „offensichtlich unangemessen“ sei.252 Indem die Gefahr­tragung des Rückgewährschuldners durch Begründung einer Wertersatzpflicht umgesetzt werde, könne eine einheitliche Behandlung des Untergangs und der Verschlechterung vor und nach Erklärung des Rücktritts sowie ein weitgehender Gleichlauf von Rücktrittsfolgenrecht und Bereicherungsrecht (Saldotheorie) erreicht werden.253 Dass ein Rücktritt nunmehr selbst dann zulässig ist, wenn der Rücktrittsberechtigte die zurück zu gewährende Sache vorsätzlich zerstört hat, sei unschädlich, weil in krass liegenden Fällen der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden könne und im Übrigen der Rücktrittsberechtigte trotz des Weiterbestehens seines Rücktrittsrechts im Ergebnis von dem Rücktrittsgegner nichts verlangen könne, wenn der Wert der empfangenen Sache den Wert der Gegenleistung nicht überschreitet.254 Das grundsätzliche Festhalten an der vertraglichen Bewertung der Sache (durch Bemessung des Wertersatzes nicht am objektiven Sachwert, sondern an der vereinbarten Gegenleistung gem. § 346 Abs. 2 S. 2) sei sachgerecht, da die aufgetretene Störung allein die Rückabwicklung, nicht aber die von den Parteien privatautonom ausgehandelte Entgeltabrede betreffe.255 Die Regelung, dass der Untergang oder die Verschlechterung der Sache gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 nicht zu Lasten des Rückgewährschuldners gehe, wenn der andere Teil sie zu vertreten habe, setze die alte Rechtslage fort. Damit ist, wie an einem Verweis auf BGHZ 78, 216 deutlich wird, gemeint, dass die Regelung der §§ 347, 351 a. F. allgemein jedenfalls dann für sachgerecht gehalten wurde, wenn etwa bei der Wandelung wegen eines Sachmangels der Käufer gerade deshalb zur Rückgewähr der gelieferten Sache (ohne wesentliche Verschlechterung) außerschlossen“). Dazu oben: B.II.4.c)ii)2). Insbesondere zur Abgrenzung vom negativen Interesse: B.II.4.c)ii)5)(a)(ii). 250  BT-Drucks. 14/6040, S. 190. 251  Dazu oben bei Fn. 241. 252  BT-Drucks. 14/6040, S. 193, 196. 253  BT-Drucks. 14/6040, S. 194 f. 254  BT-Drucks. 14/6040, S. 195. 255  BT-Drucks. 14/6040, S. 196.

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stande war, weil diese Sache infolge des Mangels einen Schaden erlitten hatte256. Dass es gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 nicht dem Rückgewährschuldner zur Last fällt, wenn der Schaden beim Rückgewährgläubiger gleichfalls eingetreten wäre, wurde überhaupt nicht begründet. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 modifiziere die § 346 Abs. 2 zugrunde liegende Gefahr­ tragungsregel (Gefahr­tragung des Rückgewährschuldners) zugunsten des Rückgewährschuldners, der kraft Gesetzes vom Vertrag zurückgetreten ist, weil das „Rückspringen“ der Gefahr dann (aber nur dann) sachgerecht sei, wenn der Rücktritt deshalb erfolge, weil der Rücktrittsgegner seine Pflichten nicht vollständig erfüllt hat. Wer nicht ordnungsgemäß geleistet habe, dürfe nicht darauf vertrauen, dass der Gefahrübergang auf den anderen Teil endgültig ist. Das Dilemma, von zwei schuldlosen Beteiligten, einem den Verlust auferlegen zu müssen, müsse hier, wie es auch der herrschenden Meinung zum Eingreifen der §§ 347, 350, 351 a. F. bei der Wandelung (§ 467 S. 1 a. F.) entspreche, zugunsten des Rücktrittsberechtigten gelöst werden.257 Dazu, warum dem Rücktrittsgegner in dieser Situation auch die Gefahr des „persönlichen Schlendrians“258 des Rücktrittsberechtigten aufgebürdet wurde, und was genau mit der Einhaltung der Sorgfalt, die dieser in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, gemeint ist, verhält sich die Gesetzesbegründung nicht. Der Gesetzgeber lehnte allerdings eine Lösung, die entscheidend darauf abstellt, „ob der Untergang der Sache auf einer Handlung, einem freien Handeln, einem risikoerhöhenden Verhalten des [Rückgewähr-]Schuldners oder einem sonstigen Ereignis beruht“, ausdrücklich ab, weil diese Differenzierung zu schwierigen Abgrenzungsproblemen führe und auch in der Sache nicht überzeuge.259 Zu der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 2 führte der Reformgesetzgeber lediglich aus, dass diese als Rechtsfolgenverweisung auf die §§ 812 ff. zu verstehen sei, und die Regelung des § 346 Abs. 4 wollte er als Klarstellung verstanden wissen, dass für Schadenersatzansprüche ausschließlich die Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts maßgebend sind.260

c)  Auseinandersetzung mit diesem Regelungskomplex und seiner Begründung Die Gesetzesbegründung lässt einige Fragen unbeantwortet, die sich bei der Anwendung dieses abgestuften Modells (Naturalrestitution, sonst grundsätzlich „Rückabwicklung dem Wert nach“, ausnahmsweise Befreiung von der Wertersatzpflicht, in jedem Fall Pflicht zur Herausgabe einer verbleibenden Bereicherung) auf das Problem des Untergangs und der Verschlechterung der zurück zu gewährenden 256 

Dazu bereits: B.II.4.c)iii). BT-Drucks. 14/6040, S. 196. 258  Kaiser JZ 2001, 1057 (1063); dies. in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 211; Gaier in: MüKo (2012) – BGB, § 346 Rn. 56; Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 135; vgl. Lorenz in: BeckOK (Stand: 01.11.2011) – BGB, § 277 Rn. 8. 259  BT-Drucks. 14/6040, S. 196. 260  BT-Drucks. 14/6040, S. 196. 257 



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Sache ergeben. Dies betrifft das Zusammenspiel der verschiedenen Stufen261 sowie den Zusammenhang der verschiedenen Tatbestände auf den jeweiligen Stufen262. Als Einzelregelung steht vor allem der Befreiungstatbestand des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 – bezüglich Form und Sachgehalt – in der Kritik.263

i)  Verteilung der Leistungsgefahr im Rückgewährschuldverhältnis Unklar ist, unter welchen Voraussetzungen die primäre Pflicht zur Naturalrestitution (§ 346 Abs. 1) in die sekundäre Pflicht zum Wertersatz (§ 346 Abs. 2) übergeht. Insbesondere ist fraglich, ob der Rückgewährschuldner im Falle einer (behebbaren) Verschlechterung oder des Untergangs der zurück zu gewährenden Sache (bis zur Grenze des § 275) zur Wiederherstellung des Lieferzustandes durch Reparatur oder, wenn die empfangene Sache ersetzbar ist, zur Beschaffung einer Ersatzsache verpflichtet ist, oder ob ihn eine Verschlechterung oder der Untergang der empfangenen Sache in jedem Fall teilweise oder ganz von der Rückgewährpflicht befreien. Bevor es dazu kommen kann, dass die Wertersatzpflicht auf die Verteilung der Preisgefahr in dem ursprünglichen Leistungsaustausch wirkt, ist also zu klären, wie die Leistungsgefahr im Rückgewährschuldverhältnis selbst verteilt ist.264 Auf diese facettenreiche Diskussion265 ist hier nicht weiter einzugehen. Denn von Interesse für die Untersuchung, ob und inwieweit der mangelhaft leistende Verkäufer quasi mit der Preisgefahr belastet bleibt, so dass die Leistungsgefahr in der Form bei ihm bleiben kann, dass er auch gewisse weitere Zufallsverschlechterungen der gelieferten Sache durch Nachbesserung beseitigen muss, sind lediglich die Ausnahmen von der Wertersatzpflicht. Wo der Rückgewährschuldner nach den Tatbeständen des § 346 Abs. 3 S. 1 im Anwendungsbereich der Wertersatzpflicht ausnahmsweise von derselben befreit wäre, fehlt es aber zwangsläufig auch an der Legitimation dafür, ihm im Rahmen der Verpflichtung zur Rückgewähr in natura eine Beschaffungslast aufzubürden.266 261 

Dazu sogleich: B.III.5.c)i). Dazu unten: B.III.5.c)ii). 263  Dazu unten: B.III.5.c)iii). 264 Vgl. Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 39 ff., zusammenfassend S. 213; Lobinger  in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 64, 107: § 346 Abs. 1 lasse die „(Natural-)Leistungsgefahr“ auf den Rücktrittsgegner zurückspringen, weil diesem die zurück zu gewährende Sache inter partes zugeordnet werde (casum sentit dominus). 265 Dazu: Faust JuS 2009, 481 ff.; ders. in: JurisPK(2014) Rn. 25–31; Fest ZGS 2009, 78 ff.; Döll  (2011)  – Rückgewährstörungen, S. 103 ff.; Kohler AcP 214 (2014), 362 ff.; Gsell in: FS Picker (2010), 297 (309 ff.); Kaiser in: FS Picker (2010), 413 ff.; dies. in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 152–159; Lobinger in: Soergel (2010)- BGB, § 346 Rn. 33–36, 72; Gaier in: MüKo (2012) – BGB, § 346 Rn. 39, 41; Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.11.2014) – BGB, § 346 Rn. 43; Stadler in: Jauernig (2014) – BGB, § 346 Rn. 2, 5; Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 39–58. 266  So zutreffend Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 50, 53. 262 

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ii)  Kritik an der Systematik der Befreiungstatbestände Daran, wie das Risiko, dass die gelieferte Sache nicht (in ihrem „Lieferzustand“) zurückgegeben werden kann, in § 346 Abs. 3 S. 1 nach Verantwortungsbereichen verteilt wird,267 wird vor allem kritisiert, dass die Wahl der Kriterien zur Bildung der verschiedenen gesetzlich normierten Fallgruppen jede Systematik vermissen lasse268. Dies dürfte auch daran liegen, dass der Gesetzgeber manche Fallgruppen nicht näher begründet hat. So hat er etwa – unter Verweis auf die in der rechtswissenschaftlichen Literatur geführte Diskussion269 – festgestellt, dass die den §§ 347, 350, 351 a. F. zugrunde liegende Gefahr­tragung „in der Mehrzahl der Rücktrittsfälle nicht überzeugt“, „problematisch“ oder „offensichtlich unangemessen“ sei, aber weder ausdrücklich mitgeteilt, warum genau er die gegenteilige Regelung weniger problematisch oder eher angemessen findet, noch sich bestimmte Argumente aus der rechtspolitischen Diskussion zu eigen gemacht. Ausschlaggebend dafür, grundsätzlich dem Rückgewährschuldner die Gefahr zuzuweisen, war offenbar die Erwägung, dass sich die Sache im Zeitpunkt des Untergangs oder der Verschlechterung im Herrschaftsund Einflussbereich des Rückgewährschuldners befand.270 Er ist „sachnäher“. Ferner kommt zur Begründung dieser Regelung das Argument in Betracht, dass sich ggf. nur das im Vertrag übernommene und mit dem konkreten Rücktrittsgrund in keinem Zusammenhang stehende allgemeine Lebensrisiko verwirkliche.271 267 

Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 172, 190, 207. Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.05.2015) – BGB, § 346 Rn. 48 sieht in den Nrn. 1 bis 3 des § 346 Abs. 3 S. 1 „verschuldensorientierte Ausnahmen“ von der Wertersatzverpflichtung nach § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Nr. 3, dagegen kenne § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 keine Ausnahmen, weil es sich von vornherein nicht um eine Gefahr­tragungsregel handele. Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 64, 107 kritisiert, dass die von § 346 geregelten Gefahr­tragungsprobleme kaum hinreichend scharf herausgearbeitet würden: Im sachlichen Kern gehe es bei der Wertersatzpflicht gemäß § 346 Abs. 2 um die Entreicherungsgefahr. 268 Vgl. Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 200, 203. Vgl. auch Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 64, 125, 138, 145: § 346 Abs. 3 versuche durch eine Aufzählung von Befreiungstatbeständen die Frage zu beantworten, wann es an einer Bereicherung des Rückgewährschuldners fehlt (vgl. § 818 Abs. 3), was die „Gefahr einer sachlich partiell verfehlten und unvollständigen Regelung“ in sich berge (Rn. 63). Das rechtschöpferische Tätigwerden des Gesetzgebers bei der Wahl seiner Kriterien zur Begründung der Ausnahmen von der Wertersatzpflicht offenbare den Mangel an Verständnis dafür, dass es eigentlich „in Parallele zu § 818 Abs. 2 und in strikter Abgrenzung zu §§ 346 Abs. 4, 280–283“ (der verschuldensabhängige Schadenersatzanspruch ziele seiner Ordnungsfunktion nach auf eine Vermögenseinbuße beim Gläubiger ab, Rn. 156) um die Lösung eines bereicherungsrechtlichen Ordnungsproblems gehe (Rn. 125 a. E. mit Verweis auf Roth in: FS Canaris I (2007), 1131 (1137 f.) und Honsell in: FS Schwerdtner (2003), 575 (580). 269  Dazu oben: B.II.4.c)iii). 270 So Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 199 f. Sie hält den Grundsatz der Gefahr­tragung des Rückgewährschuldners gemäß § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 allerdings mit Verweis auf die ratio legis des § 446 S. 1 und die Ausnahmeregelung des § 346 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 für sachlich verfehlt (siehe auch a. a. O. Rn. 203; bereits JZ 2001, 1057 (1060)). 271  Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 124. Dies sei nicht der Fall, wenn Unter-



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Auch die Einschränkung des Grundsatzes der Gefahr­tragung des Rückgewährschuldners dadurch, dass der Wertersatz gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 entfällt, wenn der Schaden beim Rückgewährgläubiger gleichfalls eingetreten wäre, hat der Gesetzgeber nicht näher begründet. Diese Zuweisung des sog. „echten Zufalls“272 wird darauf zurückgeführt, dass sich ggf. in dem durch Verschlechterung oder Untergang bewirkten Schaden „gleichsam eine (auch umweltbedingte) Prädisposition des Leistungsgegenstandes realisiert und kein an die Person des Inhabers und deren konkrete Verwendungen geknüpftes Risiko“273 – es musste also so kommen, wie es gekommen ist. Dies entspricht den Erwägungen, die auch hinter der Ausnahme in § 287 S. 2 a. E. zur Beschränkung der Zufallshaftung des Verzugsschuldners stehen.274 Im Rahmen des Rücktrittsfolgenrechts dient die Regelung dieses Falls der hypothetischen Kausalität „dem Grundgedanken des Rücktrittsrechts, den status quo ante wiederherzustellen[275], sofern man darunter den fiktiven Zustand versteht, der bestünde, wenn die Sache nicht übergeben worden wäre“.276

iii)  Kritik an Form und Sachgehalt der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 Die Hauptkritik gilt aber der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3. Diese wird in der Literatur ganz überwiegend als „misslungen“ angesehen.277 Davon abgesehen, dass manche ihren Sachgehalt schon insoweit für verfehlt halten, wie dem Rückgewährgläubiger/Rücktrittsgegner die Gefahr des (echten) Zufalls zugewiesen wird,278 stößt vor allem die Ausdehnung dieser Gefahr­tragung dadurch, dass der Rücktrittsberechtigte zur Vermeidung einer Wertersatzpflicht lediglich diejenige Sorgfalt einzuhalten hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, auf Kritik. Die Belastung des Rücktrittsgegners beim gesetzlich begründeten Rücktritt wird dadurch nämlich ganz erheblich ausgedehnt.279

gang oder Verschlechterung die Folge eines „gewährleistungsrechtlich relevanten Mangels“ ist (Rn. 98, 115). 272  Zu diesem Begriff: Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 122; Gaier in: MüKo (2012) – BGB, § 346 Rn. 52 m. w. N. in Fn. 314. Beispiele bei: Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 198; Lobinger a. a. O. Rn. 123. 273  Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 122 f., Hervorhebung d. Verf. Das zumeist erst ex post feststellbare „Schicksal des Leistungsgegenstands“ mindere dessen Wert von vorneherein, weshalb der Empfänger höchstens durch das bereichert sei, was vom Leistungsgegenstand substanziell im Rückgabezeitpunkt noch übrig sei. 274  Faust JuS 2009, 481 (485). 275 Dazu Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.05.2015) – BGB, § 346 Rn. 23. 276  Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.05.2015) – BGB, § 346 Rn. 51. 277  Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 203; vgl. Gaier in: MüKo (2012) – BGB, § 346 Rn. 53. 278  Zu den Umgehungs- und Korrekturversuchen: B.III.5.c)iv). 279  Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 125 bei Fn. 451.

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1)  Unsicherheit über den Inhalt des Sorgfaltsmaßstabs Ob und wie sich dies rechtfertigen lässt, hängt davon ab, wie dieser Maßstab auszufüllen ist. Darüber besteht erhebliche Unsicherheit.280 Klar ist lediglich, dass nicht auf die zu § 351 a. F. vertretenen Lehren zurückgegriffen werden kann, wonach unabhängig von jeglichem Sorgfaltsverstoß bei bloßer Kausalität oder schon bei der geringsten Sorgfaltswidrigkeit (risikoerhöhender Gebrauch usw.) ein „Verschulden“ des Rücktrittsberechtigten angenommen wurde.281 Dass der Käufer wegen einer Verschlechterung oder des Untergangs der empfangenen Sache gem. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3282 Wertersatz leisten müsse, wenn es sich dabei um ein „echtes“ Zufallsereignis handelt, lässt sich demnach nicht vertreten. Auf der anderen Seite wird die objektive Grenze der Befreiung von der Wertersatzpflicht überwiegend jedenfalls bei der – nach einem „natürlichen“ Verständnis – vorsätzlichen Sachvernichtung oder -beschädigung sowie bei Nichteinhaltung der – wiederum schwer zu bestimmenden – Sorgfalt, die vernünftigerweise im Umgang mit eigenen Sachen mindestens anzuwenden ist, gezogen.283 Zieht man mit der herrschenden Meinung284 § 277 heran, um den Maßstab der eigenüblichen Sorgfalt in § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 auszufüllen,285 ergibt sich aus dem Wortlaut („nur“) sowie aus dem Zweck dieser Regelung, dass es dem Rücktrittsberechtigten jedenfalls nicht zum Nachteil gereichen darf, wenn er in eigenen Angelegenheiten eine höhere als die verkehrsübliche Sorgfalt (§ 277 Abs. 2) zu beobachten pflegt; denn es geht in § 277 um eine Herabsetzung, nicht um eine

280 Dazu

Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 135. Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 147; Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 135. Siehe dazu auch bereits die Gesetzesbegründung: B.III.5.b) bei Fn. 259. – Zu diesen Ansätzen oben: B.II.4.c)iii)1)(a). 282  Die „Korrekturlösungen“ setzen deshalb bei dem Rechtsfolgenverweis auf das Bereicherungsrecht in § 346 Abs. 3 S. 2 an. Dazu unten: B.III.5.c)iv)3). 283  Dazu m. w. N. Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 135. 284  Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 202 ff., 211 ff.; Schulze in: Hk-BGB (2014), § 346 Rn. 16; Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.05.2015) – BGB, § 346 Rn. 52; vgl. Stadler in: Jauernig (2014) – BGB, § 346 Rn. 8a. 285  Dieses Verständnis ist nicht zwingend; siehe dazu unten bei Fn. 293. Es kann sich ggf. auch nur um eine entsprechende Anwendung des § 277 bzw. um eine „Hereinnahme des § 277 in das Normverständnis des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3“ (Kohler AcP 206 (2006), 683 (706)) handeln. Denn § 277 beschreibt unmittelbar einen Pflichtenmaßstab, der gegenüber Dritten einzuhalten ist und dessen Nichteinhaltung bei Drittschädigungen haftungsbegründend wirkt. Jedenfalls vor der Kenntniserlangung vom Vorliegen der Voraussetzungen des Rücktrittsrechts ist der Rücktrittsberechtigte aber keinem anderen gegenüber zur Beobachtung irgendeines Sorgfaltsstandards verpflichtet. Der Rückgriff auf § 277 zur Bestimmung der eigenüblichen Sorgfalt i. S. von § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 wird deshalb auch mit der hypothetischen Fragestellung begründet, ob der Rückgewährschuldner sich mit seinem Verhalten, das zur Verschlechterung oder zum Untergang des Rückgewährgegenstandes geführt hat, nach dem Maßstab des § 277 haftbar gemacht hätte, wenn ihm zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gewesen wäre, dass die Voraussetzungen der Rücktrittsrechts erfüllt sind. Siehe dazu den (kritischen) Überblick m. w. N. bei Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 135. 281 



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Verschärfung des Sorgfaltsmaßstabes.286 Demnach hat der Rücktrittsberechtigte höchstens für (einfache) Fahrlässigkeit einzustehen, wenn er die verkehrsübliche Sorgfalt auch in eigenen Angelegenheiten zu beobachten pflegt;287 bei grober Fahrlässigkeit und bei Vorsatz ist er indes auf jeden Fall wertersatzpflichtig, insbesondere ergibt sich aus § 277, dass man sich nicht darauf berufen kann, auch in eigenen Angelegenheiten grob fahrlässig vorzugehen. Der Rückgewährschuldner wird aber immerhin nicht nur vom Zufall, sondern bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit entlastet.288 Der Rückgewährgläubiger trägt damit auch die Gefahr der eigenüblichen (leichten) Fahrlässigkeit seines Vertragspartners.289 Von diesem Verständnis aus ist der Reformgesetzgeber dafür kritisiert worden, dass er „mit dem Rekurs auf die diligentia quam in suis ohne Not ein Rechtsinstitut wiederbelebt [habe], um dessen Zurückdrängung Rechtsprechung und Lehre seit Jahrzehnten bemüht sind“, und dass er es „in einen Kontext gestellt [habe], in den es nicht hineingehört“290. Denn in der Gesamtsystematik des BGB dient der Maßstab der eigenüblichen Sorgfalt der Privilegierung desjenigen, der nach allgemeinen Verschuldensmaßstäben einem anderen haften würde, nämlich bei der Schädigung Dritter im Rahmen eines persönlichen Nähe-Verhältnisses (Familie oder Gesellschaft) oder im Zusammenhang mit altruistischem Verhalten des Schädigers gegenüber dem Geschädigten (unentgeltliche Verwahrung). Deshalb erscheint es unpassend, den Maßstab der diligentia quam in suis im Regelungsbereich des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 anzulegen, wo es darum geht, dass jemand eine eigene Sache beschädigt oder zerstört.291 Es erscheint außerdem systemwidrig, die Aufrechterhaltung der – in ihrer Entstehung – verschuldensunabhängigen Wertersatzpflicht mit der Verletzung der eigenüblichen Sorgfalt beim gesetzlich begründeten Rücktritt letztlich doch von einem Verschuldenskriterium abhängig zu machen.292 Aus den genannten Gründen wird übrigens auch vertreten, dass die Formel von der eigenüblichen Sorgfalt in § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 gar nicht als Verweis auf § 277, sondern als Pflichten- und Verhaltensmaßstab sui generis zu verstehen sei.293 286 

Kaiser in: 287  Dies führt

Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 213; Faust JuS 2009, 481 (486). gewissermaßen zu einer Benachteiligung des Sorgfältigen im Vergleich zum Unsorgfältigen bei Anwendbarkeit des § 277, deren sachliche Begründung zweifelhaft ist, vgl. Wagner in: FS Huber (2006), 591 (609 a. E.); Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 203 a. E.; Hartmann (2005) – Rückabwicklung, S. 194 (Rn. 475). 288 Vgl. Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 125 bei Fn. 451. 289  Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (497). 290  Wagner in: FS Huber (2006), 591 (608–610, 623). Zur historischen Entwicklung der diligentia quam in suis bzw. der eigenüblichen Sorgfalt: Hausmaninger in: FS Kaser (1976), 265 ff.; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, §§ 276–278 Rn. 21, 27, 38, 42, 55, 63, 77 f. 291  Kohler AcP  206 (2006), 683 (707) mit Zitat von Glass (1959) – Rücktritt, S. 54 mit Fn. 117; Wagner in: FS Huber (2006), 591 (610); Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 127; Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 203 f. 292  Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 127; Kaiser JZ 2001, 1057 (1063); dies. in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 203. 293 So Kohler AcP  206 (2006), 683 (706 ff.), der diesen (Verhaltens-)Maßstab durch die

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Manche sehen darin auch eine Obliegenheit, wie sie in anderem Kontext in § 254 begegne („Verschulden gegen sich selbst“).294 Dies entspricht der Begründung des „Verschuldens“ gem. § 351 a. F.295

2)  Zweifelhafte Begründung des Sorgfaltsprivilegs In der Begründung der Gefahrverteilung beim gesetzlich begründeten Rücktrittsrecht gemäß § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 ist zu unterscheiden zwischen der Zuweisung der Zufallsgefahr zum Rücktrittsgegner und der (zusätzlichen) Privilegierung des Rücktrittsberechtigten durch die Herabsetzung der Sorgfaltsanforderungen.296 Denn letzteres bedeutet gewissermaßen noch eine Ausdehnung des Zufalls, der dem Rücktrittsgegner zur Last fällt.297

(a)  Gefahr des Zufalls Das vom Reformgesetzgeber vorgebrachte und bereits zur Begründung des §§ 350, 351 a. F. beim gesetzlichen Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung sowie bei der Wandelung in der Literatur vertretene Argument, dass das Dilemma, einem von zwei schuldlosen Beteiligten den wirtschaftlichen Verlust zuordnen zu müssen, besser zulasten desjenigen zu lösen sei, der durch seine vertragswidrige Leistung den Anlass zur Rückabwicklung des Vertrages gesetzt hat, taugt lediglich zur Begründung der Grundentscheidung, den Rücktrittsgegner mit der (echten) Zufallsgefahr zu belasten.298 Orientierung am Leitbild des Pflichtenprogramms der ordnungsgemäßen Alleinverwaltung eines „kondominal“ gebundenen Gegenstandes konkretisiert. 294 Vgl. Gaier in: MüKo (2012) – BGB, § 346 Rn. 56 (statt des Verschuldensmaßstabs aus § 277 gelte der von § 254 bekannte Maßstab des „Verschuldens gegen sich selbst“ („Außerachtlassung der Sorgfalt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren“). Ähnlich Forst ZGS 2011, 107 (108), der dies aus einer Begründung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 mit der Theorie der Verfügungsrechte (property rights theory) folgert. Praktische Konsequenzen für die Ausfüllung des Sorgfaltsmaßstabs hat diese Begründung nicht, da eine Obliegenheitsverletzung dann angenommen wird, wenn bei Anwendung des § 277 der Grad der groben Fahrlässigkeit erreicht würde. Zudem soll auch nach dieser Begründung die Kenntnis von dem Rücktrittsrecht zum Wegfall des Haftungsprivilegs führen. Weil die Begründung mit der Theorie von den Verfügungsrechten unabhängig von der Mangelhaftigkeit der Leistung ist, ist ihr zu Folge allerdings auch im Fall des § 313 Abs. 3 S. 1 keine teleologische Reduktion des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 geboten. 295  Dazu oben: B.II.4.c)v)1). 296  Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 213. 297  Anders als nach den §§ 350, 351 a. F. (zu diesen Ansätzen oben: B.II.4.c)iii)1)(a)) ist eine Einschränkung der Gefahr­tragung des Rückgewährgläubigers durch eine Anhebung der Sorgfaltsanforderungen an den Rückgewährschuldner nicht mehr vertretbar. Dazu bereits bei Fn. 281. 298  Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 204 a. E., 206, a. A. Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 127, 138. – Bemerkenswert ist, dass Kaiser in ihrer Stellungnahme zur Entwurfsfassung (RE) des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 noch dafür eintrat, dass Privileg der Gefahrentlastung beim gesetzlichen Rücktritt auch dem Rücktrittsgegner zugutekommen zu lassen, der den Rücktrittsgrund nicht im technischen Sinne zu vertreten habe; JZ 2001, 1057 (1064 f., 1070). Sie



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Darin klingt kein Vorwurf gegen den Rücktrittsgegner an. Dies wäre auch verfehlt, weil das Vertreten-müssen als notwendige Voraussetzung des gesetzlichen Rücktrittsrechts wegen Nichterfüllung (vgl. §§ 325, 326 a. F.) im Zuge der Schuldrechtsreform abgeschafft worden ist und es seitdem nicht mehr darauf ankommt, ob dem Rücktrittsgegner die Vertragswidrigkeit seiner Leistung bekannt war oder auch nur hätte bekannt sein können.299 Das Rücktrittsrecht ist deshalb – spätestens seit der Reform – von pönalen Zwecken freizuhalten.300 Dies spricht aber nicht dagegen, bei der Zuweisung des Zufallsschadens wertend zu berücksichtigen, dass die Rückabwicklung des Vertrages ihre Ursache in einem (wenn auch nur objektiv) pflichtwidrigen Verhalten des Verkäufers hat. Der Gesetzgeber hat diese Wertung offensichtlich für ausschlaggebend gehalten. Dies hat die Erwägung, das Schadensereignis dem sachnäheren Rücktrittsberechtigten zuzuweisen,301 überwogen.302

Außer mit der (nicht unerheblichen, vgl. § 323 Abs. 5 S. 2) Pflichtwidrigkeit des Verkäufers bei einer Schlechtleistung lässt sich seine Belastung mit der „Zufallsgefahr“ im Rahmen der Rückabwicklung des Leistungsaustauschs übrigens auch mit dem Schutz der Privatautonomie begründen, und zwar aufgrund der Annahme, dass der Käufer nur das Risiko der versprochenen, d. h. der vertragsgemäßen Sache zu übernehmen bereit gewesen sei und ihm daher nicht die Gefahr vertragswidriger Ware, die er bei Kenntnis des Mangels nicht erworben hätte, aufgedrängt werden dürfe.303 Aufgrund desselben Rechtsgedankens lässt sich auch die Kritik an der Verpflichtung des Verkäufers, zwecks Nachbesserung mangelhafte Ware, die vom Käufer (bestimmungsgemäß) in eine andere Sache eingebaut wurde, wieder auszubauen, mit dem Argument, dass der Käufer das Verwendungsrisiko tragen müsse und der Einbau der gelieferten Sache dem Verkäufer deshalb nicht zur Last fallen dürfe, entkräften: Der Käufer trägt das Verwendungsrisiko nur hinsichtlich vertragsgemäßer Ware.304 begründete diese Ansicht mit Verweis auf § 327 S. 2 a. F. sowie damit, dass gesetzliche Rücktrittsrechte nach der Reform verschuldensunabhängig entstehen und der enttäuschte Vertragsteil wegen der objektiven Pflichtwidrigkeit des anderen durch die Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten, bereits hinreichend privilegiert werde. Angesichts des klaren Wortlauts und der eindeutigen gesetzgeberischen Intention der Gesetz gewordene Regelung findet sie sich in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 209 nunmehr aber offenbar damit ab, dass § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 allein den Rücktrittsberechtigten begünstigt. 299 Vgl. Kaiser JZ 2001, 1057 (1064 f.); dies. in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 206. Deshalb kann auch der Vorschlag nicht überzeugen, dass die Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 nur dann zulasten des Rücktrittsgegners anwendbar sei, wenn derselbe die Pflichtverletzung, durch die der Rücktritt veranlasst wurde, auch zu vertreten hat, so aber Gaier in: MüKo (2012) – BGB; § 346 Rn. 54 m. w. N. in Fn. 327; kritisch dazu m. w. N.: Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 128 a. E.; Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 207; Forst ZGS 2011, 107 (109). 300 Vgl. Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 143, vgl. auch Rn. 127. 301 Dazu Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 199 f., 293. 302  In der Gesetzesbegründung wird aber auch betont, dass deshalb nicht schon eine Verletzung von Schutz- und Aufklärungspflichten hinreichend sei, was gegen die Anwendung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 bei einem Rücktritt gemäß § 324 spricht und nach herrschender Meinung den Sachgrund der Privilegierung des Rücktrittsberechtigten erst recht im Fall des Rücktritts gemäß § 313 Abs. 3 S. 1 entfallen lässt. Dazu: B.III.5.c)iv)1). 303  So (zur Begründung der schweizerischen Rechtslage) Hartmann (2005) – Rückabwicklung, S. 179–181, 186, 188. 304  Gsell in: FS Picker (2010), 297 (304 f., 308, 320, 325).

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(b)  Gefahr der eigenüblichen Fahrlässigkeit Die Privilegierung des Rücktrittsberechtigten, durch die dem Rücktrittsgegner außer der „Zufallsgefahr“ auch die Gefahr des „persönlichen Schlendrians“305 des Rückgewährschuldners (bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit) aufgebürdet wird, vermag durch die Pflichtwidrigkeit des Verkäufers, durch welche der Rücktritt veranlasst ist, allenfalls ergänzend gerechtfertigt zu werden.306 Immerhin dient die Anwendung des Maßstabs der eigenüblichen Sorgfalt in der Gesamtsystematik des BGB der Privilegierung des Berechtigten (der nach dem allgemeinen Verschuldensmaßstab haften würde)307, nicht aber der Sanktionierung einer Pflichtwidrigkeit seines Gegenübers.308 Überwiegend wird die Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabes deshalb nicht auf die Pflichtwidrigkeit des Rücktrittsgegners zurückgeführt, sondern darin begründet gesehen, dass der Rücktrittsberechtigte jedenfalls bis zur Kenntniserlangung309 vom Vorliegen der Rücktrittsvoraussetzungen keinen Anlass habe, sich im Umgang mit der (seiner eigenen!) Sache nach dem verkehrsüblichem Sorgfaltsmaßstab zu richten, und auf die Endgültigkeit seines Rechtserwerbs und der damit verbundenen Befugnisse vertrauen dürfe.310 Gegen diese Begründung spricht allerdings, dass nicht einleuchtet, warum dann überhaupt irgendwelche Sorgfaltsanforderungen an den Rücktrittsberechtigten gestellt werden sollten, solange er Sacheigentümer ist und darauf vertrauen darf, als solcher mit seiner Sache nach freiem Belieben umgehen zu dürfen (vgl. § 903). Mit anderen Worten vermag die Unkenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen des Rücktrittsrechts bzw. das Vertrauen in die Endgültigkeit des Erwerbs durchaus das Haftungsprivileg des gesetzlich zum Rücktritt berechtigten Rückgewährschuldners zu erklären, nicht aber den Maßstab der eigenüblichen Sorgfalt als solchen.311 Ein Schlaglicht auf die ratio legis des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 warf die Regelung des § 357 Abs. 3 S. 1 und 3312 (vor der zum 13.06.2014 in Kraft getretenen Neufassung). Demnach war § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 beim Widerruf nicht anzuwenden, „wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt worden ist oder anderweitig Kenntnis erlangt hat“. Im Gegensatz zum Rücktritt wegen eines Sachmangels ist Anlass für die Rückabwicklung in dieser Situation nicht eine Pflichtverletzung des Rückgewährgläubigers313 und hat der 305 

Dazu in Fn. 258. Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 206; vgl. Müller-Teckhof (2008) – Gefahr­tragung, S.  314. 307  Dazu oben in Fn. 285 und nach Fn. 290. 308 Vgl. Forst ZGS 2011, 107 (107 f.). 309 Zur Diskussion über den Sorgfaltsmaßstab und die Folgen eines Sorgfaltsverstoßes ab Kenntniserlangung: Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 129. 310  Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 204, 207. 311  Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 204, vgl. auch Rn. 211. 312 Zum Folgenden: Müller-Teckhof (2008) – Gefahr­ tragung, S. 229–231; Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 126; Kaiser JZ 2001, 1057 (1064); dies. in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 205, § 357 Rn. 52 f.; vgl. Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 144. 313 Hat der Unternehmer die vorgeschriebene Widerrufsbelehrung unterlassen, liegt darin 306 



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Rückgewährschuldner im Zeitraum der Widerrufsfrist – wie ein vertraglich zum Rücktritt Berechtigter  – damit zu rechnen, dass der Rechtserwerb möglicherweise nicht endgültig ist, und wegen dieser (abstrakten) Kenntnis sein Verhalten anzupassen. Im Vergleich zum Rücktritt wegen eines Sachmangels liegen die Dinge also umgekehrt: Die Kenntnis des Verbrauchers rechtfertigt seine Wertersatzpflicht wegen Verschlechterungen und Untergang bei Nichteinhaltung der verkehrsüblichen Sorgfalt; dass ihm außerdem der Zufall zur Last fällt, liegt daran, dass sein Vertragspartner keinen Anlass zur Rückabwicklung des Vertrages gegeben hat (und überdies bereits durch die verringerte Vertragsbindung aufgrund des Bestehens des Widerrufsrechts belastet ist).314

iv)  Versuche zur Korrektur und Umgehung der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 Es wird kontrovers darüber diskutiert, ob es sachgerecht sei, dass der Rücktrittsgegner im Regelungsbereich des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 mit der Gefahr des Zufalls und darüber hinaus auch noch mit der Gefahr des „persönlichen Schlendrians“315 des kraft Gesetzes zum Rücktritt Berechtigten belastet ist, indem letzterer von der Verpflichtung zum Wertersatz für eine Verschlechterung oder den Untergang der empfangenen Sache freigestellt ist, wenn er nur „diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt“. Es wird vorgeschlagen, diesen eigenartigen Sorgfaltsmaßstab möglichst eng auszulegen oder zumindest ab dem Zeitpunkt der Kenntnis oder sogar schon ab dem Zeitpunkt des Kennen-müssens der das Rücktrittsrecht begründenden tatsächlichen Umstände (also: der Mangelhaftigkeit der Kaufsache) auf das Maß der verkehrsüblichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2) abzusenken, sei es durch teleologische Reduktion des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 oder durch die Möglichkeit einer Schadenersatzhaftung bereits vor dem Entstehen der eigentlichen Rückgewährpflichten (in erweiternder Auslegung der Verweisung von § 346 Abs. 4 auf die §§ 280 ff. oder wegen Verletzung „vorgreiflicher Rücksichtnahmepflichten“ gem. §§ 280 Abs. 1, 243 Abs. 2).316 Es ist umstritten, ob das Privileg des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 dem Rücktrittsberechtigten auch dann zugute kommen soll, wenn er vom Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des Rücktrittsrechts weiß oder wissen muss (und deshalb mit dem Entstehen von Rückgewährpflichten rechnet bzw. zu rechnen hat). Der Wortlaut der Norm gibt insoweit keine Unterscheidung vor. Die Diskussion dreht sich außer um die Voraussetzungen der Wertersatzpflicht auch darum, ob eine durchaus eine Pflichtwidrigkeit. Diese gibt aber (anders als die vertragswidrige Leistung beim Rücktritt wegen Nichterfüllung) nicht den Anlass zu dem Widerruf. Sie ist aber immerhin der Grund dafür, dass der Verbraucher, der keine anderweitige Kenntnis von dem Widerrufsrecht hat, nicht damit zu rechnen braucht, dass der Erwerb möglicherweise nicht entgültig ist und es zur Rückabwicklung kommen wird. 314  Thier in: HKK (2007) – BGB, §§ 346–359 Rn. 51; vgl. Faust JuS 2009, 481 (486). 315  Gaier in: MüKo (2012) – BGB, §  346 Rn. 56; vgl. Lorenz in: BeckOK (Stand: 01.11.2011) – BGB, § 277 Rn. 8. 316  Ausführlich dazu m. w. N.: Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 140–146.

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Schadenersatzhaftung wegen (schuldhafter) Verletzung der Rückgewährpflicht aus § 346 Abs. 1 gemäß § 346 (vgl. §§ 346 Abs. 4, 280 ff.) oder vorgreiflicher Rücksichtnahmepflichten (§§ 280 Abs. 1, 243 Abs. 2) auch schon vor der Ausübung des Rücktrittsrechts durch Rücktrittserklärung, eben ab Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen des Rücktrittsrechts, in Betracht kommt und welcher Verschuldensmaßstab dabei anzulegen ist317. Im Kern geht es also um die Frage, ob der Rücktrittsberechtigte ab diesem Zeitpunkt für zufällige und (leicht) fahrlässig verursachte(n) Verschlechterung oder Untergang haftet – auf Wertersatz und/oder Schadenersatz – oder nicht.318 Die Beantwortung dieser Frage hängt vor allem davon ab, worin man das Privileg gemäß § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 begründet sieht: Stellt man allein darauf ab, dass es wegen der Vertragswidrigkeit der Leistung des Rücktrittsgegners zum Rücktritt kommt, entfällt dieser Grund für die Privilegierung des Rücktrittsberechtigten freilich nicht dadurch, dass letzterer Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen des Rücktrittsrechts erlangt oder dieses versäumt. Von diesem Verständnis aus ist dem Rücktrittsberechtigten das Privileg des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 bis (spätestens) zur tatsächlichen Rückgewähr der mangelhaften Leistung bzw. bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er mit der Rückgewähr in Verzug kommt (§ 287 S. 2), zu gewähren.319 Es spricht dann auch viel dafür, dieses Privileg auf die Schadenersatzhaftung zu übertragen, soweit man eine solche vor dem Entstehen der Rückgewährpflichten (mit Rücktrittserklärung) zulassen möchte.320 Begründet man die Belastung des Rücktrittsgegners mit dem „echten“ Zufall sowie mit dem Risiko der eigenüblichen Fahrlässigkeit des Vertragspartners auch damit, dass der Rücktrittsberechtigte auf die Endgültigkeit seines Erwerbs vertraut und also nicht damit rechnet, dass er die empfangene Sache einmal wird herausgeben müssen, wird man diese Belastung jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung von den rücktrittsbegründenden Umstände (möglicherweise bereits ab Kennen-müssen) für unbegründet halten; dies spricht dafür, § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 von diesem Zeitpunkt an nicht mehr anzuwenden.321 Der Rücktrittsberechtigte hat demnach – über die (einfache) Fahrlässigkeit hinaus, die ihm (neben Vorsatz) im Rahmen der Schadenersatzhaftung zur Last fällt, wenn man eine solche bereits vom Zeitpunkt der Kenntniserlangung (oder sogar schon vom Zeitpunkt des

317  Es wird die Ansicht vertreten, dass der von § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 bestimmte Maßstab der Einhaltung der eigenüblichen Sorgfalt auch für die Schadenersatzhaftung des §§ 346 Abs. 4, 280 ff. gelten müsse; dazu Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 140 f. m. w. N. in Fn. 330. 318  Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 140. 319  Vgl. dazu Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 140. 320 So Grüneberg in: Palandt (2013)  – BGB, § 346 Rn. 18; zust. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 85 zur Haftung des Käufers bei der Ersatzsatzlieferung; vgl. auch Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 275 f. mit Fn. 1075. 321  Zu dieser Ansicht siehe m. w. N. Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 141 f.



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Kennen-müssens) an zulässt – auch die Gefahr des (echten) Zufalls zu tragen, weil er Wertersatz leisten muss (§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3). Differenziert man in der Begründung der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 zwischen der eigentlichen Gefahr­tragung des Rücktrittsgegners („echter“ Zufall) und der noch weitergehenden Bevorzugung des Rücktrittsberechtigten durch die Anlegung des Maßstabs der eigenüblichen Sorgfalt,322 erscheint zumindest die Gefahrbelastung des Rücktrittsgegners aufgrund der den Rücktrittsgrund ausfüllenden Vertragswidrigkeit seiner Leistung auch dann noch sachgerecht, wenn der Rücktrittsberechtigte Kenntnis von dem Rücktrittsgrund erlangt hat; der Sorgfaltsmaßstab für den Umfang mit der empfangenen Sache ist nach diesem Verständnis aber bei Kenntnis von den rücktrittsbegründenden Umständen (möglicherweise sogar bereits bei fahrlässiger Unkenntnis) auf den verkehrstypischen Sorgfaltsmaßstab (§ 276 Abs. 2) anzuheben. Es bedarf dazu nicht unbedingt einer teleologischen Reduktion des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3. Denn in ihrer den Rücktrittsberechtigten durch die Anwendung des Maßstabs der eigenüblichen Sorgfalt privilegierenden Wirkung läuft diese Regelung auch dann leer, wenn man annimmt, dass bei Kenntnis von den rücktrittsbegründenden Umständen (möglicherweise auch bei Kennenmüssen) schon vor der Rücktrittserklärung und dem Entstehen des Rückgewährschuldverhältnisses gewisse Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten bestehen, deren (leicht) fahrlässige Verletzung eine Schadenersatzhaftung begründet.323 Ob der Rücktrittsberechtigte bereits ab dem Moment, in dem er Kenntnis hätte erlangen müssen (fahrlässige Unkenntnis/Kennen-müssen), „verschärft“ (also letztlich nach dem „normalen“ Maßstab des § 276) auf Schadenersatz haftet, hängt davon ab, worin man den Grund der Schadenersatzhaftung erblickt. Hält man auf der Grundlage eines c. i. c.-ähnlichen Schuldverhältnisses bereits vor dem Entstehen der Rückgewährpflicht (mit Erklärung des Rücktritts) eine „Verletzung der [Rückgewähr]Pflicht aus [§ 346] Absatz 1“ gem. § 346 Abs. 4 für denkbar, ist es konsequent, die fahrlässige Unkenntnis der positiven Kenntnis im Rahmen des gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 erforderlichen Vertreten-müssens gleichzustellen.324 Hält man dagegen eine Haftung gemäß § 346 Abs. 4 i. V. m. §§ 280 ff. vor der Rücktrittserklärung für ausgeschlossen, kommt als Haftungsgrund nur die Verletzung vorgreiflicher Rücksichtnahmepflichten in Betracht. Das Entstehen/Bestehen solcher Pflichten erfordert freilich die konkrete Erwartung einer potentiellen Rückgewährpflicht und damit die positive Kenntnis von dem Rücktrittsrecht und dem Vorliegen seiner Voraussetzungen.325

Diese Sichtweise liegt auch dem sog. „Phasenmodell“326 zugrunde. Danach lassen sich im Rahmen des Rücktritts drei Phasen unterscheiden: Vom Empfang der Leis322 So

Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 204, siehe dazu bereits: B.III.5.c)iii)2). Dazu m. w. N. Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 142 f., der zweiten Ansicht zustimmend (S. 143 ff.). Zum Meinungsstand siehe auch: Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 160 f.; Linke (2007) – Rückabwicklung, S. 188. 324 Vgl. Gaier in: MüKo (2012) – BGB, § 346 Rn. 60 f. 325  So vor allem Kaiser JZ 2001, 1057 (1064); dies. in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 225 f., 228 f. – Im Ergebnis ähnlich, jedoch mit anderer Begründung (in Anlehnung an § 819 Abs. 1): Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 168–170. 326  Dieses wird meist mit Gaier in Verbindung gebracht; so statt vieler Wagner in: FS Huber 323 

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tung bis zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung (bzw. der fahrlässigen Unkenntnis) vom Vorliegen des Rücktrittsgrundes (Phase  1), vom Zeitpunkt der Kenntniserlangung (bzw. der fahrlässigen Unkenntnis) vom Vorliegen des Rücktrittsgrundes bis zur Rücktrittserklärung (Phase 2) und von der Rücktrittserklärung bis zur Erfüllung der Rückgewährpflicht (Phase 3). In den verschiedenen Phasen werden unterschiedlich intensive Sorgfaltsanforderungen an den Rücktrittsberechtigten gestellt, deren Verletzung eine Schadenersatzpflicht begründet.327 Der Maßstab variiert von der eigenüblichen bis zur verkehrsüblichen Sorgfalt.328 Problematisch und umstritten ist vor allem das Verhältnis der Schadenersatzhaftung wegen einfacher Fahrlässigkeit zu der Befreiung von der Wertersatzpflicht wegen Einhaltung der eigenüblichen Sorgfalt („eigenübliche einfache Fahrlässigkeit“) in Phase 2 (d. h. zwischen Kenntniserlangung und Rücktrittserklärung).329 Vereinzelt wird eine Übertragung des Haftungsprivilegs aus § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 auf den Schadenersatzanspruch befürwortet;330 andere suchen über die Schadenersatzhaftung wegen einfacher Fahrlässigkeit gerade die Korrektur der zweifelhaften Privilegierung im Rahmen des Wertersatzes331 oder halten § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 in Phase 2 tatbestandlich überhaupt nicht (mehr) für anwendbar332. Ferner ist umstritten, ob in Phase 1 (d. h. vor Kenntniserlangung) bei Nichteinhaltung der eigenüblichen Sorgfalt außer der Wertersatzpflicht auch eine Schadenersatzpflicht in Betracht kommt. Das hängt von der Beantwortung der vorhin schon angesprochenen Frage ab, ob die Schadenersatzhaftung bereits ab „Kennen-müssen“ eingreift. Kaiser333 geht davon aus, dass eine Schadenersatzhaftung über die Verweisung des § 346 Abs. 4 nicht vor dem Moment eingreifen könne, in dem die Rückgewährpflichten entstehen, und dies sei erst mit der Erklärung des Rücktritts der Fall (zweite Zäsur bzw. Phase 3).334 Nur bei Kenntniserlangung (notwendig: positive Kenntnis)335 vom Vorliegen der Voraussetzungen des Rücktrittsrechts (erste (2006), 591 (614–616) und Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.05.2015) – BGB, § 346 Rn. 59 a. E.; kritisch dazu Rieble (2010) – Wissenschaftsplagiat, S. 30 (hiergegen allerdings LG Hamburg, Urt. v. 21.01.2011, Az. 324 O 358/10). 327  Im Überblick dazu Wagner in: FS Huber (2006), 591 (614–616), i. E. ablehnend (616– 618). 328  Dabei bringt die Anwendung des Maßstabs der verkehrsüblichen Sorgfalt weniger Rechtsklarheit, als es auf den ersten Blick scheint. Denn was ist in der einschlägigen Situation, d. h. hinsichtlich des Umgangs des Rücktrittsberechtigten mit seiner eigenen Sache, mit deren Rückgabe er für den Fall, dass er den Rücktritt ausübt, rechnen muss, schon „verkehrsüblich“? In diesem Zusammenhang muss man sich etwa fragen, ob die bloße Weiterbenutzung eines Pkw, dessen Mangel der Käufer entdeckt hat, bereits einen Sorgfaltsverstoß begründet. Dies ist nach der Rspr. und der herrschenden Lehre jedenfalls bei einem vertragsgemäßen Weitergebrauch zu verneinen. Dazu: Wagner in: FS Huber (2006), 591 (615); Kaiser JZ 2001, 1057 (1061, 1064); dies. in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 230 f.; vgl. Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.05.2015) – BGB, § 346 Rn. 60 (zur Lage beim vertraglichen Rücktrittsrecht vor der Rücktrittserklärung); Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 177 ff 329  Gaier in: MüKo (2012) – BGB, § 346 Rn. 57, 62; vgl. Linke (2007) – Rückabwicklung, S. 191–194. 330  Dazu soeben bei Fn. 320. 331  Dazu soeben bei Fn. 323. 332  Dazu soeben nach Fn. 321. 333  JZ 2001, 1057 (1063 f.); Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 223 ff. 334  So auch Wagner in: FS Huber (2006), 591 (617). 335  Dazu soeben bei und in Fn. 325.



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Zäsur bzw. Phase 2) könnten vorher vorgreifliche Rücksichtnahmepflichten entstehen. Denn von da an habe der Berechtigte in seinem Umgang mit der empfangenen Sache zu erwarten, dass er sie möglicherweise zurückzugeben haben wird, und müsse deshalb im Interesse seines Vertragspartners, des potentiellen Rückgewährgläubigers, gesteigerte Sorgfaltsanforderungen einhalten.336 Zwischen dem Empfang der Leistung und der Kenntniserlangung vom Rücktrittsgrund (vor der ersten Zäsur bzw. in Phase 1) soll dem Rücktrittsberechtigten dagegen ein dem Vertragszweck entsprechender Umgang mit der empfangenen Sache niemals zum Nachteil gereichen, auch wenn dieser notwendig zur Verschlechterung oder zum Untergang führte (Ausnahme: absichtliche Vernichtung). Denjenigen, die eine Schadenersatzhaftung gemäß § 346 Abs. 4 i. V. m. §§ 280 ff. bereits vor der Rücktrittserklärung, und zwar nicht nur erst bei Kenntnis, sondern bereits bei Kennen-müssen, zulassen wollen,337 geht es dagegen gerade darum, dem Rücktrittsberechtigten in diesem Zeitraum seine (einfache) Fahrlässigkeit nicht durchgehen zu lassen, ohne ihm auch den Zufall anzulasten. Der Tatbestand des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 verzichte gerade deshalb auf eine Differenzierung des Sorgfaltsmaßstabs nach dem Kenntnisstand des Rücktrittsberechtigten, weil im Rahmen der Schadenersatzhaftung der allgemeine Haftungsmaßstab des § 276 gelte; wegen des Verschuldensprinzips einerseits und der Befreiung von der Wertersatzpflicht (auch) bei Zufall andererseits müsse der gesetzlich zum Rücktritt Berechtigte in keiner „Phase“ des Rücktritts für Zufall haften.338

Die Ansicht, dass die Zuweisung der „Zufallsgefahr“ zum Rücktrittsgegner beim gesetzlich begründeten Rücktritt ohne Rücksicht darauf, ob der Rücktrittsberechtigte vom Vorliegen der Rücktrittsvoraussetzungen weiß oder nicht, sachgerecht sei, ist herrschend. Insoweit ist auch zum neuen Schuldrecht meist von einem „Zurückspringen“ der Gefahr,339 seltener davon die Rede, dass in § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 zum Ausdruck komme, dass die Gefahr bei mangelhafter Leistung gar nicht erst auf den Käufer übergehe340. Einer vertieften Auseinandersetzung mit dem gesamten Meinungsspektrum in dieser Diskussion bedarf es an dieser Stelle freilich nicht. Denn es geht hier nur darum, zu überprüfen, ob die Verteilung der Preisgefahr nach der Lieferung man336 Grundlegend Kaiser (2000) – Rückabwicklung, S. 268 ff. Nach früherer Ansicht Kaisers sollte das Entstehen vorgreiflicher Rücksichtnahmepflichten offenbar zu einer Steigerung der Sorgfaltsanforderungen im Rahmen des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 führen, vgl. JZ 2001, 1057 (1063): Für den Zeitraum bis zur Rücktrittserklärung bleibe es bei der „singulären Vorschrift des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3“. Nunmehr vertritt sie in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 205, 225 ff., 235 ausdrücklich die Meinung, dass die Verletzung vorgreiflicher Rücksichtnahmepflichten eine Schadenersatzhaftung gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 (nicht über die Verweisung des § 346 Abs. 4!) begründe. 337  Faust JuS 2009, 481 (488 f.); Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.05.2015) – BGB, § 346 Rn. 58; Gaier in: MüKo (2012) – BGB, § 346 Rn. 60. Vgl. zur Begründung eines c. i. c.-ähnlichen Schuldverhältnisses vor dem Entstehen der Rückgewährpflicht soeben bei Fn. 324. 338 Ähnlich Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.05.2015) – BGB, § 346 Rn. 61. – Hinsichtlich des Haftungsgrundes für den Schadenersatz differenziert Faust übrigens danach, ob die Rückgewährpflicht gem. § 346 Abs. 1 sich inhaltlich auf die Rückgabe der Sache in demjenigen Zustand, in dem sie empfangen wurde, oder in dem Zustand, in dem sie sich bei Entstehen der Rückgabepflicht befand, erstreckt; JuS 2009, 481 (482, 487 ff.); hierzu schon in Fn. 233. 339  So bereits die Regierungsbegründung zum SMG, BT-Drucks. 14/1640, S. 196. 340 So Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 145, 213 bzgl. der Sachgefahr.

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gelhafter Ware der oben beschriebenen341 Entwicklung der Leistungsgefahr den nötigen Raum lässt. Dazu ist es ausreichend, dass die Gefahr des Zufalls im Sinne solcher Verschlechterungen, die der Käufer nach allgemeinen haftungsrechtlichen Grundsätzen nicht zu vertreten hat, beim Verkäufer bleibt. Denn dass der Verkäufer durch Nachbesserung auch solche Sachverschlechterungen sanieren müsste, die der Käufer nach der Übergabe der mangelhaften Sache durch ein fahrlässiges342 Verhalten verursacht hat und die in keinerlei Zusammenhang mit dem Sachmangel stehen, steht von vorneherein nicht zu vermuten. Im Folgenden ist deshalb allein auf diejenigen Ansichten einzugehen, die sich nicht nur gegen die Privilegierung des gesetzlich zum Rücktritt Berechtigten durch Anwendung des Maßstabs der eigenüblichen Sorgfalt wenden, sondern auch ablehnen, dass dem Käufer beim Rücktritt das Risiko der zufälligen Verschlechterung und des zufälligen Untergangs der mangelhaften Sache abzunehmen sei.

1)  Anwendung der Regelung nur bei Rücktritt wegen eines vom Verkäufer zu vertretenden Sachmangels? Eine Ansicht wendet sich nicht direkt dagegen, dass der Verkäufer im Anwendungsbereich des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 die Gefahr der zufälligen Verschlechterung und des zufälligen Untergangs der zurück zu gewährenden Sache zu tragen hat. Sie plädiert aber für eine erhebliche Einschränkung des Anwendungsbereichs dieser Regelung, durch die dem Verkäufer in vielen Fällen die Gefahr abgenommen wäre. Ausgangspunkt der Überlegung ist die Begründung des Reformgesetzgebers, dass die Gefahr­tragung des Rücktrittsgegners bei den gesetzlichen Rücktrittsrechten darauf beruhe, dass der Rücktrittsgegner typischerweise Anlass zu der Rückabwicklung des Vertrages gebe und deshalb nicht auf den Gefahrübergang auf den anderen Teil vertrauen dürfe. Nach ganz herrschender Meinung ist deshalb eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 auf solche gesetzlichen Rücktrittsrechte, die eine Pflichtverletzung des Rücktrittsgegners voraussetzen, geboten. Insbesondere bei einem Rücktritt gem. § 313 Abs. 3 soll die Vorschrift deshalb nicht zur Anwendung kommen. Nun meinen manche, die Anwendung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 sei nur dann gerechtfertigt, wenn der Rücktrittsgegner über das Erfordernis einer objektiven Pflichtverletzung hinaus die Pflichtverletzung zu vertreten habe.343 Dass ihn die Gefahr der zurück zu gewährenden Sache treffe, sei beim Rücktritt gem. § 323 nicht gerechtfertigt, 341 

Dazu: B.III.4. in diesem Zusammenhang stellt sich natürlich die Frage, unter welchen Voraussetzungen man von Fahrlässigkeit sprechen kann, weil in dieser Situation sinnvoller Weise kein verkehrsüblicher Sorgfaltsmaßstab angelegt werden kann. 343  Gaier in: MüKo (2012) – BGB, § 346 Rn. 54; Kamanabrou NJW 2003, 30 (31); vgl. Derleder NJW 2005, 2481 (2485) – jedenfalls für den Verkauf aus privater Hand; Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.11.2014) – BGB, § 346 Rn. 54 („zumindest eine objektive Pflichtverletzung“); in diese Richtung auch noch Kaiser JZ 2001, 1057 (1064). 342 Auch



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wenn er nur deshalb nicht vertragsgemäß geleistet habe, weil er durch höhere Gewalt (etwa Krieg) an einer vertragsgemäßen Leistung gehindert war.344 Übertragen auf den Rücktritt wegen Sachmangels beim Kauf heißt das, dass § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 nicht zu Lasten des Verkäufers soll angewendet werden dürfen, wenn er den Mangel an der Kaufsache nicht verursacht hat.345 Mit der wohl herrschenden Meinung346 ist dies vor allem deshalb abzulehnen, weil man so über das Haftungsprivileg des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 systemwidrig das Erfordernis des Vertretenmüssens in die verschuldensunabhängigen Rücktrittsrechte des BGB hineinlesen würde.347 Zwar macht die Gegenansicht den Rücktritt nicht als solchen von einem Verschulden des Rücktrittsgegners abhängig; die Systemwidrigkeit liegt aber darin, dass sie das Eingreifen einer Rechtsfolge, die der Gesetzgeber nur und gerade für die – dem Grunde nach verschuldensunabhängigen – gesetzlichen Rücktrittsrechte wegen einer (objektiven) Pflichtverletzung des Schuldners vorgesehen hat, von einem Verschulden abhängig macht. Gerade in Bezug auf den Kaufvertrag widerspricht der Vorschlag der Gegenansicht auch der Entscheidung des Gesetzgebers, in der Anwendung der (verschuldensunabhängigen) Mängelrechte keinen Unterschied zwischen dem auf einer nachträglichen Zufallsverschlechterung der Kaufsache beruhenden und einem sonstigen Sachmangel zu machen. Der Verkäufer ist (mindestens) bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er mit einer vertragsgemäßen Sache einen Tatbestand des Gefahrübergangs verwirklicht, umfassend mit dem Verschlechterungsrisiko belastet. Die Gesetzesbegründung, dass nicht auf die Endgültigkeit des Gefahrübergangs vertrauen dürfe, wer nicht ordnungsgemäß geleistet habe, ist auch nicht so zu verstehen, dass (nur) der unredliche Schuldner durch die Wirkung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 sanktioniert werden solle. Es geht nicht um pönale Zwecke,348 sondern vielmehr darum, dass es nur deshalb zum Rücktritt kommt, weil der Rücktrittsgegner seine Leistung nicht (ordnungsgemäß) erbracht hat, und dass er damit – im Unterschied zu dem Rücktrittsberechtigten – immerhin einen objektiven Zurechnungsgrund dafür gesetzt hat, ihm die Zufallsgefahr zuzurechnen.

2)  Keine Anwendung der Regelung bei Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen des Rücktrittsrechts? Nach anderer Ansicht soll mit der Kenntniserlangung von den rücktrittsbegründenden Umständen, also beim Kauf in dem Zeitpunkt, in dem der Käufer den Sachmangel bemerkt, nicht nur der Grund für die Anwendung des Maßstabs der 344  So noch Kaiser JZ 2001, 1057 (1064), die diese Ansicht inzwischen offenbar aufgegeben hat; vgl. dies. in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 207. 345 Vgl. Derleder NJW 2005, 2481 (2485). 346  Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 207; Faust in: JurisPK (2014) – BGB; § 346 Rn. 71; Forst ZGS 2011, 107 (109); Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (497). 347  Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 207. 348  Dazu schon oben nach Fn. 298.

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eigenüblichen Sorgfalt entfallen, sondern auch der Grund dafür, dem Rücktrittsberechtigten das Risiko abzunehmen, dass er die empfangene Sache infolge ihres zufälligen Untergangs oder einer zufälligen Verschlechterung nicht zurückgewähren kann. Dementsprechend sei der Anwendungsbereich des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 zeitlich begrenzt.349 Diese Ansicht überzeugt ebenfalls nicht. Wenn der Käufer damit zu rechnen hat, die empfangene Sache zurückgeben zu müssen, ist dies ausschlaggebend dafür, dass ihn eine Rechtspflicht trifft, die gelieferte Sache mit der verkehrsüblichen Sorgfalt vor Schäden zu bewahren.350 Dass ihm der Zufall nicht zur Last fällt, beruht nach der überzeugenden Gesetzesbegründung351 indes darauf, dass der Rücktrittsgegner derjenige ist, der durch seine vertragswidrige Leistung Anlass zur Rückabwicklung des Leistungsaustauschs gegeben hat. Dieser Grund entfällt nicht mit der Kenntniserlangung des Käufers von der Vertragswidrigkeit der Leistung. Auch wenn er damit rechnen muss, dass der Vertrag wegen eines ihm bekannten Sachmangels – etwa bei Ausbleiben oder Fehlschlagen der Nachbesserung – letztlich scheitern und rückabgewickelt werden könnte, wird der Rücktrittsberechtigte häufig auch darauf angewiesen sei, die gelieferte Sache einstweilen weiter zu benutzen.352 Es überzeugt insbesondere nicht, ihm das Zufallsrisiko aufzubürden, während für den Verkäufer die Nacherfüllungsfrist läuft.353 Jedenfalls dann, wenn ein behebbarer Mangel vorliegt und Nacherfüllung nur durch Nachbesserung in Betracht kommt, ist übrigens auch für die Zeit zwischen der Kenntniserlangung von dem Mangel und dem Ablauf der Nacherfüllungsfrist nicht einzusehen, warum für den Käufer ein strengerer Maßstab als derjenige der eigenüblichen Sorgfalt gelten sollte. Denn wenn es dem Verkäufer gelingt, den Mangel zu beseitigen, bleibt der Käufer auf jeglichen selbst verursachten Schäden „sitzen“, weil er diese nicht durch Rücktritt auf den Verkäufer abwälzen kann. Solange eine Nachbesserung in Betracht kommt, muss der Käufer ebenso damit rechnen, die Sache behalten zu „müssen“ (wenn die Nacherfüllung erfolgreich ist), wie damit, dass er sie (wenn die Nacherfüllung keinen Erfolg hat) an den Verkäufer zurück zu gewähren haben könnte. Den Interessen des Verkäufers wird dadurch genügt, dass der Rücktritt ausgeschlossen ist, wenn der Käufer in vertragswidriger Weise die Nachbesserung vereitelt (§§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 6 Alt. 1)354, und dass ihm sonst bei einer Beschädigung der zurück zu gewährenden Sache nach Kenntniserlangung von dem Mangel bereits bei einfacher Fahrlässigkeit ein Schadenersatzanspruch zusteht.

349 So etwa Linke (2007) – Rückabwicklung, S. 192. Zu dieser Ansicht m. w. N.: Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 141 f.; Gaier in: MüKo (2012) – BGB, § 346 Rn. 57 bei Fn. 353. 350  Nach zutreffender Ansicht ist die Herabsenkung der Sorgfaltsanforderungen auf das Maß der (einfachen) Fahrlässigkeit ab Kenntniserlangung von dem Rücktrittsgrund allerdings nicht durch eine teleologische Reduktion des Tatbestandes des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, sondern dadurch zu erreichen, dass bereits von diesem Zeitpunkt an eine Schadenersatzhaftung des Rücktrittsberechtigten begründet sein kann. 351  Dazu oben: B.III.5.b). 352  Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.11.2014) – BGB, § 346 Rn. 53 a. E. 353  Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 145. 354  Dazu sogleich: B.III.5.d)i), insbesondere nach Fn. 453.



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Überzeugend ist allerdings die Annahme einer Obliegenheit des Käufers, dem Verkäufer den Mangel innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls angemessenen Frist nach Kenntniserlangung anzuzeigen und ggf. den Rücktritt zu erklären, mit der Wirkung, dass dem Verkäufer nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist der Zufall nicht mehr zur Last fällt.355 Wenn der Käufer es in treuwidriger Weise ausnutzt, die Sache bis zur Verjährung seiner Mängelrechte auf Gefahr des Verkäufers weiternutzen zu können,356 kommt auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs in Betracht. Jedenfalls unter diesen Voraussetzungen ist § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 nach Sinn und Zweck tatsächlich nicht anwendbar.

3)  Korrektur der „überschießenden“ Gefahrbelastung des Verkäufers durch Rückgriff auf das Bereicherungsrecht? Ernst357 hat Flumes Gedanken von der vermögensmäßigen Entscheidung358 wieder aufgegriffen, für den sich seit der Schuldrechtsreform eine positiv-rechtliche Verankerung unmittelbar im Rücktrittsfolgenrecht benennen lässt. Denn gem. § 346 Abs. 3 S. 2 ist eine Bereicherung, die dem gemäß § 346 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 sowohl von der Rückgewähr- als auch von der Wertersatzpflicht befreiten Rücktrittsberechtigten sonst verbleiben würde, herauszugeben.359 Damit scheint immerhin einer der Haupteinwände gegen die von Flume bereits zum alten Rücktritts(folgen) recht befürwortete ergänzende Anwendung des Bereicherungsrechts entfallen zu sein.360 Ernst meint, es sei dem Käufer „wenn der Untergang als Folge von Einsatz oder Vorenthaltung der Kaufsache, zu denen sich der Käufer willentlich entschlossen hat[,] erfolgt, eine Entreicherung im Rechtssinne nicht zugute zu halten. Wegen der Folgen des Einsatzes der Kaufsache kann der Käufer sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, und zwar auch dann nicht, wenn der Untergang oder die Verschlechterung als solche ‚zufällig‘ eingetreten sind… Der Käufer setzt sein Vermögen durch Umsatz in den Kaufgegenstand, indem er diesen gebraucht, u. U. aber schon allein dadurch, dass er ihn vorhält, willentlich bestimmten Gefahren aussetzt. Verwirklichen sich diese Gefahren – sei es auch ‚zufällig‘ –, so hat der Käufer den Kaufgegenstand für sich ‚verbraucht‘. Was mit der Sache passiert ist, stellt für ihn einen

355 Vgl.

Hütte (2010) – Rückabwicklung, S. 146. Dieses Risiko war unter der Geltung der kurzen Verjährungsfrist des § 477 a. F. wesentlich geringer. 357 FS Huber (2006), 165 (233–236); ähnlich ders. in: HKK (2013) – BGB, §§ 434–445 Rn. 18, allerdings mit Bezugnahme auf Glaß. 358  Dazu bereits: B.II.4.a)iii)2) und: B.II.4.c)iii)1)(c). 359  Dazu oben: B.III.5.a)iii). 360 So Linke (2007) – Rückabwicklung, S. 123 mit Fn. 624, der darauf hinweist, dass eine ergänzende Anwendung des Bereicherungsrechts aber jedenfalls dann ausscheiden müsse, wenn eine Wertersatzpflicht gemäß § 346 Abs. 2 bestehe, weil diese ggf. abschließend geregelt sei; vgl. Kohler AcP  208 (2008), 417 (418): Reformgesetzgeber lasse Bereicherungshaftung als Rücktrittsfolge explizit zu. 356 

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gewöhnlichen Abschreibungsvorgang dar. Diese Abschreibung erfolgt richtigerweise am Vermögen des Käufers …“.361

Der Rechtsfolgenverweis auf das Bereicherungsrecht schließe jedoch auch § 818 Abs. 3 ein, so dass sich der Rücktrittsberechtigte auf den Wegfall der Bereicherung berufen könne, wenn der zurück zu gewährende Gegenstand beim Rückgewährgläubiger in gleicher Weise untergegangen oder beschädigt worden wäre; davon sei insbesondere bei Sachuntergang oder Sachverschlechterung infolge der Mangelhaftigkeit der Kaufsache auszugehen.362 Denn wenn der Kaufgegenstand aufgrund des Mangels untergehe oder eine weitere Verschlechterung erleide, sei dieser Verlust nicht der Entscheidung des Käufers zum Einsatz der Sache zuzurechnen, sondern dem Leistungsgegenstand, der zurückgegeben werden soll; wenn dieser sich „aus sich selbst heraus“ verschlechtere, mindere dies für den Käufer die erlangte Bereicherung, so dass er insoweit gem. § 818 Abs. 3 keinen Ausgleich schulde.363 Der Ansicht Ernsts bzw. Flumes, dass das Bereicherungsrechts neben dem Rücktrittsfolgenrecht korrigierend anzuwenden und die Bereicherung anhand des Kriteriums der Vermögensentscheidung zu bestimmen sei, hat sich Müller-Teckhof angeschlossen.364 Auch Korth ist der Meinung, dass die Wertung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 im Fall des zufälligen Sachuntergangs der verkauften Sache beim Rücktrittsberechtigten korrekturbedürftig sei und dass § 346 Abs. 3 S. 2 den Ausweg aus dieser „in Ansehung der Preisgefahrtragung des Käufers überschießenden Regelung“ weise.365 Weil es der Kaufvertrag selbst sei, der gemäß § 446 S. 1 die Zuweisung des Sachrisikos regele, erhebt Korth gegen das von Ernst vorgeschlagene Verfahren zur Bestimmung der im Fall des zufallsbedingten Sachuntergangs noch beim Rücktrittsberechtigten vorhandenen Bereicherung jedoch den Vorwurf der „Vertragsferne“.366 Die „vermögensmäßige Entscheidung“ liege nicht (erst) in der Übernahme der (mangelhaften) verkauften Sache in das Vermögen des Käufers (im Austausch gegen das Kaufgeld) und in deren Einsatz, sondern bereits im Eingehen der rechtsgeschäftlichen Bindung durch den Kaufabschluss, wodurch der Kaufvertrag mit der ihm inhärenten Gefahrverteilung (Gefahrübergang mit Übergabe) ins Werk gesetzt werde. Durch die Möglichkeit, wegen eines Sachmangels vom Vertrag zurückzutreten, sei dem Käufer lediglich das Risiko der Nichtvertrags361 

Ernst in: FS Huber (2006), 165 (235); Hervorhebung d. Verf. Ernst FS Huber (2006), 165 (224 mit Fn. 147; 235 f.); zust. Gaier in: MüKo (2012) – BGB, § 346 Rn. 58. 363  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (236). 364  Müller-Teckhof (2008) – Gefahr­tragung, S. 310 ff.; für eine eigenständige bereicherungsrechtliche Wertersatzpflicht im Falle des Rücktritts nach den Vorschlägen Ernsts auch Kohler AcP 208 (2008), 417 ff. mit grundsätzlicher Zustimmung zu den Vorschlägen Ernsts (420 f. mit Fn. 18, 19; 435 mit Fn. 64). 365  Das Rücktrittsrecht sei vermögensmäßig durch die kaufvertragliche Gefahr­tragungsordnung beschränkt; der Rücktrittsberechtigte dürfe sich nicht auf Kosten des Rücktrittsgegners bereichern. 366  Korth (2010) – Minderung, S. 83–87. 362 



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gemäßheit der Leistung, das „Beschaffenheitsrisiko“367, abgenommen. Dadurch werde die privatautonome Regelung des Risikos der Beschaffenheit der Kaufsache zur Geltung gebracht. Durch die Befreiung von der Wertersatzpflicht gemäß § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 erhalte der Käufer deshalb vermögensmäßig mehr, als ihm nach der vertraglichen Gefahr­tragungsordnung zustehe. Diese Bereicherung gehe auf Kosten des Verkäufers, weil der Käufer von einem Risiko befreit werde, das nach dem Vertrag ihm zugeordnet und das zu beseitigen auch nicht der Zweck des ausgebübten Rücktrittsrechts sei. Diese Begründung entspricht der Ansicht Lobingers368, wonach der Wertersatzpflicht gemäß § 346 Abs. 2 ohnehin eine originär bereicherungsrechtliche Ordnungsfunktion zukomme369 und § 346 Abs. 3 S. 2 den Weg weise, „wie die dysfunktionalen Wirkungen der Ausschlusstatbestände [des § 346 Abs. 3 S. 1] zu korrigieren sind“370. Beim Rücktritt dürfe der Berechtigte nicht besser stehen, als er stehen würde, wenn der andere Teil ordnungsgemäß erfüllt hätte. Ein Schaden, der ihn in diesem Fall gleichfalls betroffen hätte, müsse deshalb bei ihm verbleiben, und er habe „insoweit keinen Grund, sich von der mit dem Vertragsschluss getroffenen vermögensmäßigen Entscheidung wieder lösen zu können“.371 Nichts spreche dagegen, die Bereicherung, die ihm (auf Kosten des Rücktrittsgegners) verbliebe, wenn man ihm den Schaden abnehmen würde, abzuschöpfen.372 Dass dadurch der Ausschlussgrund des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 weitgehend leer laufe und es gesetzgebungstechnisch unschön erscheine, „wenn sich die Ausnahme von der Ausnahme als die eigentliche Regel erweist“, sei hinzunehmen, weil allein diese Anwendung des Gesetzes zu sachgerechten und konsistenten Ergebnissen führe.373 367 Dazu

Korth (2010) – Minderung, S. 78–83. Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 142 ff. 369  Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, Vor §§ 346 ff. Rn 18 ff., § 346 Rn. 63 f., 144 a. E., 150. Einen ähnlichen Gedanken hatte Medicus bereits in seinem Diskussionsbeitrag im Rahmen des Karlsruher Forums 2005 geäußert und vorgeschlagen, bei Rücktritt wegen Mangels der empfangenen Sache, sofern gemäß § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 kein Wertersatz wegen Verschlechterung oder Untergang zu leisten ist, die Rückforderung des gezahlten Kaufpreises auf den in Ansehung des Mangels zu viel gezahlten Betrag zu beschränken, dazu: Müller-Teckhof (2008) – Gefahr­ tragung, S. 312 mit Fn. 66; Korth (2010) – Minderung, S. 84 mit Fn. 305; Döll (2011) – Rückgewährstörungen, S. 339 mit Fn. 23; Lorenz in: FS Canaris I (2007), 793 (805 mit Fn. 56). 370  Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 138, vgl. auch Rn. 107, 144. 371  Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 113, 115, 120 unterscheidet das allgemeine Lebensrisiko, das der Käufer bei vertragsgemäßer und mangelhafter Vertragsabwicklung in gleichem Maße tragen müsse, von der mangelbedingten Schädigung, d. h. insbesondere der Verschlechterung bzw. Herausgabeunmöglichkeit, die auf einem Mangel beruht, für den der Rückgewährgläubiger (Verkäufer) gewährleistungsrechtlich einzustehen habe. Für letztere schulde der Rückgewährschuldner (Käufer) beim Rücktritt auch keinen bereicherungsrechtlichen Wertersatz. Außerdem hält es Lobinger für angemessen, dass das Risiko der Verschlechterung und des Untergangs einer bereits erbrachten Teilleistung, mit welcher der Käufer für sich allein genommen nichts anfangen kann, beim Verkäufer verbleibt, wenn der Käufer deshalb zurücktritt, weil die restliche Leistung ausbleibt und die erbrachte Teilleistung für den Käufer daher endgültig nutzlos ist; dazu mit Bsp. a. a. O. Rn. 116. 372  Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 142 f. 373  Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 145 a. E. 368 

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

Was die Ansicht Lobingers und Korths von derjenigen Ernsts unterscheidet, ist also lediglich das Verfahren zur Bestimmung der noch beim Käufer vorhandenen Bereicherung: Diese Ansicht stellt auf den bewussten Akt der Einverleibung der gelieferten Sache in das Vermögen des Käufers ab, durch den das Risiko der Sachverschlechterung und des Sachuntergangs übernommen werde. Nach jener ist maßgeblich, dass der Käufer sich auf einen Vertrag, dem eine bestimmte Gefahr­ tragungsordnung zugrunde liegt, eingelassen habe (und aufgrund dieser Gefahr­ tragungsordnung mit der Übergabe die Gefahr der Sachverschlechterung und des Sachuntergangs endgültig auf ihn übergegangen sei). Inwiefern der Unterschied zwischen diesen Begründungsansätzen erheblich ist, kann hier dahinstehen, weil es lediglich auf das Ergebnis ankommt: angestrebt wird eine „Korrektur“ des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 durch Anwendung der §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818.

(a)  Gegen eine bereicherungsrechtliche Korrektur der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 Zwarg374 ist dem Vorschlag, die Gefahrverteilung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 über das Bereicherungsrecht zu korrigieren, bei seiner Erläuterung der Gefahr­tragung aus dem Blickwinkel des kaufrechtlichen Nacherfüllungsanspruchs „ab Gefahrübergang bis einschließlich der Durchführung der Nacherfüllung“ in Zusammenschau mit den Vorschriften des Rücktrittsfolgenrechts entgegengetreten. Die von § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 durch den „Gefahrrückfall“ bezweckte Privilegierung des kraft Gesetzes zum Rücktritt Berechtigten dürfe nicht unterlaufen werden.375 § 346 Abs. 3 S. 2, der nach Wortlaut und Systematik eine bereicherungsrechtliche Wertersatzpflicht für den zufallsbedingt untergegangenen Rückgewährgegenstand durchaus trage, sei daher teleologisch zu reduzieren. Außerdem werde durch die Ansicht Ernsts die Dispositionsfreiheit des Käufers eingeschränkt, obwohl sie ihm vertraglich zugewiesen sei.376 Auch Döll377 lehnt Ernsts Vorschlag als eine „unzulässige Korrektur“ des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 ab. Bei der Bereicherung, die von § 346 Abs. 3 S. 2 gemeint sei, könne es nicht um den Leistungsgegenstand oder um dessen Wert an sich gehen. Die gesetzgeberisch intendierte Privilegierung des Rücktrittsberechtigten dürfe nicht dadurch übergangen werden, dass man dem Rückgewährschuldner statt der rücktrittsrechtlichen eine bereicherungsrechtliche Wertersatzpflicht auferlege. Die 374 

Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 292–294. Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 293 verweist auf die Gesetzesbegründung zum SMG, wonach derjenige, der vertragswidrig geleistet hat, also der Verkäufer, nicht auf die Endgültigkeit des Gefahrübergangs vertrauen darf. 376  Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 294. Dies überzeugt als Argument gegen die Lehre von der vermögensmäßigen Entscheidung allerdings nicht, wenn man davon ausgeht, dass die Dispositionsfreiheit dem Käufer aufgrund des Kaufvertrages (vor dem Rücktritt) nur deshalb zugewiesen ist, weil er – gegen die Zahlung des Kaufpreises – die verkaufte Sache und mit ihr die Gefahr übernommen hat. 377  Döll (2011) – Rückgewährstörungen, S. 340–342. 375 



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vorgeschlagene Lösung entspreche der bereits zum alten Schuldrecht vertretenen Lösung, wonach jedes freie Verhalten des Rücktrittsberechtigten zu einem Verschulden i. S. des § 351 a. F. führen sollte, welches das Rücktrittsrecht ausschloss. (dass der Wortlaut des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 gerade dieses Verständnis ausschließt, wurde bereits eingangs erwähnt378). Der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 2 komme schon vom Wortlaut her nicht die Bedeutung zu, die Ernst ihr beimessen wolle.379 Ebenso lehnt Kaiser380 den Vorschlag Ernsts ab. Die Lehre von der vermögensmäßigen Entscheidung sei an sich schon verfehlt;381 im Rahmen von § 346 Abs. 3 S. 2 könne sie keinesfalls angewendet werden, da die unbedingte Wertersatzpflicht für den Verlust der Sache bis zur Höhe der Gegenleistung die Befreiung des Rücktrittsberechtigten von der Zufallshaftung nach § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 konterkariere. Die Systemwidrigkeit dieser Auffassung zeige sich daran, dass sie sich zu Ausnahmen für die Fälle gezwungen sehe, in denen die Sache gleichermaßen beim Verkäufer, insbesondere aufgrund des zum Rücktritt berechtigenden Sachmangels untergegangen wäre.382 Die Privilegierung (nur) des gesetzlich zum Rücktritt Berechtigten beruhe darauf, dass er bis zur Kenntniserlangung von dem Rücktrittsgrund nicht mit einer Rückgewährpflicht zu rechnen und deshalb im Umgang mit der Sache (nur) die eigenübliche Sorgfalt anzuwenden habe.383

(b) Stellungnahme Es verdient zunächst festgehalten zu werden, dass auch diejenigen, welche die als zu weitgehend empfundene Gefahrbelastung des Verkäufers durch § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 über eine bereicherungsrechtliche Wertersatzpflicht des Käufers korrigieren wollen, davon solche Fälle, in denen der Gläubiger des Rückgewähranspruchs – also in der Situation des Rücktritts vom Kaufvertrag wegen eines Sachmangels: der Verkäufer – die Verschlechterung oder den Untergang der gelieferten Sache zu vertreten hat (vgl. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 1) ausnehmen wollen. Dabei wird dem Begriff des „Vertreten-müssens“ ein recht weites Verständnis zugrunde gelegt, das insbesondere den Fall des mangelbedingten Untergangs und der mangelbedingten Verschlechterung einschließt, also durchaus kein haftungsrechtliches Verschulden voraussetzt.384 Dies umschreibt den Bereich, 378 

Oben bei Fn. 281 und bei und in Fn. 297. Unter Verweis auf Lorenz in: FS Canaris I (2007), 793 (805 f.). 380  Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 219. 381  Mit Verweis auf Schwab in: MüKo (2012) – BGB, § 812 Rn. 128, 240, näher dazu unten in Fn. 392. 382  So komme diese Lehre unter Voraussetzungen, bei deren Vorliegen § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 die (rücktrittsrechtliche) Wertersatzpflicht ausschließt, über §§ 346 Abs. 3 S. 3, 818 Abs. 3 doch zu einer (bereicherungsrechtlichen) Wertersatzpflicht, um diese dann im Wege einer Rückausnahme aus den in § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 genannten Gründen wieder zu verneinen. 383  Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 204. 384  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (236); Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 98, 113, 115, 139; Korth (2010) – Minderung, S. 86. 379 

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

innerhalb dessen sich für den Verkäufer unstreitig die Preisgefahr realisiert, wenn es zum Rücktritt kommt. Der Annahme, dass der Verkäufer solche Verschlechterungen durch Nachbesserung beheben muss, wenn sie sich (mit zumutbarem Aufwand) beseitigen lassen,385 steht also keinesfalls der Einwand entgegen, dass der Verkäufer insoweit nicht mit der Leistungsgefahr belastet sein könne, weil die Preisgefahr bereits auf den Käufer übergegangen sei. Wenn der Verkäufer solche Verschlechterungen gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 „zu vertreten“ hat, schließt sie dies nicht vom Regelungsbereich der Gefahr­tragung aus. Denn Zufall i. S. d. Gefahr­tragung ist nur bei einem haftungsrechtlichen Vertreten-müssen einer Partei nicht gegeben. Darum geht es bei § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 aber nicht. Es erscheint denkbar, dem Verkäufer auch Schäden, die während der Nachbesserung auftreten, nach diesem Gedanken anzulasten.386 Auch weil die Voraussetzungen und Reichweite dieser Zurechnung umstritten sind,387 sollte nicht offen bleiben, wie viel Spielraum die Verteilung der Preisgefahr der Entwicklung der Leistungsgefahr maximal lässt. Deshalb ist im Folgenden zu den Ansichten, die im Anwendungsbereich des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 für einen Bereicherungsausgleich zugunsten des Verkäufers plädieren (wenn nicht die Verschlechterung oder der Untergang eine Folge des bei der Lieferung vorhandenen Mangels sind), Stellung zu nehmen. Denn diese besagen, dass der Leistungsempfänger zumindest das „allgemeine Lebensrisiko“ (Lobinger) in Bezug auf die empfangene Sache auf jeden Fall übernehme und deshalb wenigstens insoweit die Preisgefahr ohne Rücksicht auf die Sachbeschaffenheit endgültig auf ihn übergehe. Dies widerspricht auch der These der vorliegenden Arbeit, dass der Käufer das allgemeine Lebensrisiko der gelieferten Sache nur dann trägt, wenn er das empfangene Stück behält (insbesondere dann, wenn der Käufer Nachbesserung verlangt oder den Kaufpreis mindert), dass ihm mit dem Rücktrittsrecht also gerade die Befugnis eingeräumt ist, das empfangene Stück nachträglich zurückzuweisen388.

385 

Dazu oben: B.III.3. Vgl. zur Behandlung dieser Schäden als „quasi-mangelbedingte Schäden“ bzw. als Leistungsstörungen, die der Nachbesserungsschuldner im Rahmen der ihm obliegenden Leistungsgefahr zu überwinden hat, unten: B.III.8.h) bzw. B.III.8.i). In der Tat meint Ernst in: FS Huber (2006), 165 (211 f., 223 f.), der Verkäufer sei für mangelbedingte „Weiterfresserschäden“ an der Kaufsache sowie – unter engen Voraussetzungen – auch für Schäden, die er im Zusammenhang mit seinem Erfüllungshandeln noch nach der Übergabe an der Kaufsache verursache, in einem speziellen gewährleistungsrechtlichen Sinne verantwortlich, so dass dem Käufer deswegen die Rechte nach §§ 434, 437 zustünden; dazu noch unten: B.III.8.i) in Fn. 1095. 387  Es besteht keine Einigkeit darüber, unter welchen Umständen der Untergang oder die Verschlechterung noch als mangelbedingt anzusehen ist. 388  Dazu oben: B.III.3. 386 



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(i)  Entscheidung des Käufers, sich an den Vertrag zu binden und der mit ihm verbundenen Gefahr­tragungsordnung zu unterwerfen, steht unter der Bedingung der Mangelfreiheit Der von Korth betonte (vermeintliche) Vorzug der Argumentation Lobingers gegenüber derjenigen Ernsts, dass der Willensentschluss des Käufers nicht erst bezüglich des Einsatzes der Kaufsache, sondern bereits bezüglich des Kaufvertragsschlusses maßgeblich für die Übernahme des Sachuntergangs- und Sachverschlechterungsrisikos durch den Käufer (gemäß § 446 bzw. § 447) sei, überzeugt nur auf den ersten Blick. Denn mit dem Rücktritt bricht der Käufer die (weitere) Durchführung des Vertrages ab und macht geltend, dass er sich nicht auf das Geschäft, den Leistungsaustausch aufgrund des Vertrages, eingelassen hätte, wenn er gewusst hätte, dass er die Kaufsache nicht in einer bestimmten Beschaffenheit erhalten werde. Die Ausübung des Rücktritts soll es ihm gerade ermöglichen, den Vertragsschluss und den Leistungsaustausch aufgrund des Vertrages, soweit bereits vollzogen, ungeschehen zu machen. Der Vertrag und die mit ihm verbundene Gefahr­tragungsordnung können daher nach dem Rücktritt nicht mehr maßgeblich sein. Diesem Einwand, der in ähnlicher Weise die Saldotheorie und die Lehre vom faktischen Synallagma bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung unwirksamer Verträge trifft,389 zu begegnen, ist die „Willensentscheidungslehre“ Flumes, der sich Ernst zum neuen Schuldrecht angeschlossen hat, eher geeignet. Auch dagegen ist – noch unter der Geltung des alten Schuldrechts – vorgebracht worden, dass die Willensentscheidung des Käufers auf falschen Voraussetzungen beruhe und letztlich keinen Bestand haben könne, wenn infolge des Rücktritts mit dem Vertrag auch die Planung der Parteien mitsamt der vereinbarten Risikoverteilung zusammenbreche.390 Dem konnte Flume aber entgegen halten, dass die Willensentscheidung als Faktum von der Wirksamkeit des Kaufvertrages unabhängig sei.391 Darin liegt sozusagen der Vorzug der „Vertragsferne“, die Korth als Mangel der Begründung kritisiert.392 389  „Wenn die Parteien den unwirksamen Vertrag erfüllt haben, wird das Risiko für den Untergang der geleisteten Sache gleich verteilt, wie wenn der Vertrag gültig zustande gekommen wäre. Die blosse Erfüllung des ungültigen Vertrages mag jedoch nicht hinreichend zu begründen, warum die gleiche Risikoverteilung wie bei Gültigkeit des Vertrages bestehen soll“; Hartmann (2005) – Rückabwicklung, S. 156 (Rn. 374). – Zu trennen ist freilich die Situation der Rückabwicklung des Leistungsaustauschs aufgrund eines von Anfang an unwirksamen Vertrages von der Situation der Rückabwicklung nach Auflösung eines wirksam zustande gekommenen Vertrages wegen Mängeln der Vertragserfüllung. 390  Reinhardt (1998) – Gefahr­tragung, S. 104 mit Fn. 162. 391  Flume AcP 194 (1994), 427 (440). 392  An dem Topos der vermögensmäßigen Entscheidung wird allerdings gerade kritisiert, dass dahinter die Idee stehe, „der Schuldner könnte ungeachtet der Nichtigkeit des Kausalgeschäfts zurechenbar das Risiko bestimmter Vermögensminderungen übernommen haben“; Schwab in: MüKo (2009) – BGB, § 818 Rn. 128, 240: Die Annahme, dass das Risiko eines zufälligen wirtschaftlichen Verlustes ohne rechtsgültigen Vertrag wirksam übernommen werden könne, widerspreche dem Prinzip der Kohärenz von Vorteil und Risiko aufgrund eines wirksam geschlossenen Vertrages, welches (für den Kaufvertrag) in § 446 S. 1 und S. 2 angelegt sei. Außerdem störe an der

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Zwar kann man zugunsten der „vertragsnahen“ Lösung argumentieren, dass der Vertrag beim Rücktritt nach dem heute herrschenden dogmatischen Verständnis nicht ex tunc nichtig ist, sondern lediglich in ein auf Rückabwicklung gerichtetes Schuldverhältnis umgestaltet wird393. Deshalb, so könnte man meinen, kann die vereinbarte Risikoverteilung weiterhin maßgeblich bleiben. In der Tat betont Lobinger, der das herrschende Verständnis von den Rücktrittswirkungen und der Rechtsnatur der Rückgewähransprüche nicht teilt,394 dass der Rücktritt die Wirksamkeit des ursprünglichen Vertragsschlusses unberührt lasse.395 Allerdings ist anzunehmen, dass der Käufer zur Übernahme des Verlustrisikos in Höhe des Kaufpreises nur unter der Voraussetzung bereit ist, dass er auch wirklich das erhält, was der Verkäufer ihm versprochen hat.396 Gegen die Berücksichtigung der für die Vertragsdurchführung geltenden Gefahrverteilung auch bei der Rückabwicklung des Leistungsaustauschs spricht außerdem, dass das Gesetz insoweit gerade ein besonderes und sachlich abweichendes Gefahr­tragungsregime vorsieht. Genau das bestreitet Lobinger allerdings. Nach seiner Ansicht macht es allenfalls formal einen Unterschied, ob man die Wertersatzpflicht des Rückgewährschuldners über Abs. 2 S. 1 oder Abs. 3 S. 2 des § 346 begründet, weil es in der Sache hier wie dort darum gehe, die Bereicherung beim Rückgewährschuldner abzuschöpfen.397 Auch wenn man davon ausgeht, dass der Wertersatzpflicht diese bereicherungsrechtliche Ordnungsfunktion zukommt, muss aber im Ausgangspunkt eine Bereicherung beim Rückgewährschuldner festzustellen sein, die es abzuschöpfen gilt. Dieser Befund muss sich, weil es sich bei § 346 Abs. 3 S. 2 um eine Rechtsfolgenverweisung handelt,398 aus § 346 selbst ergeben. Wenn nach § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, dessen Regelungsbereich Lobinger – anders als die sachliche Berechtigung – nicht Idee der Vermögensentscheidung die Orientierung der Gefahr­tragung an Höhe bzw. Wert der versprochenen Gegenleistung, weil das Gesetz, das den Vertrag nicht akzeptiert, konsequenterweise nicht auf die in ihm enthaltene subjektive Äquivalenzvereinbarung abstellen dürfe. 393  Dazu oben: B.II.4.c)i)5)(c). 394  Die Annahme, dass die Rückabwicklungsansprüche ihre Grundlage im Vertrag finden, sei zumindest für den gesetzlichen Rücktritt eine nicht zu rechtfertigende Fiktion. Bei den beiderseitigen Ansprüchen auf Rückgewähr bzw. Wertersatz handele sich eigentlich um bereicherungsrechtliche Ansprüche. Ausführlich dazu Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, Vor § 346 Rn. 14 ff.; ähnlich Kohler AcP 208 (2008), 417 (425 f., 430 ff.). 395  Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, Vor § 346 Rn. 22, 23, 25, 51, § 346 Rn. 92 und öfter. Der Rücktritt wirke auf den Zeitpunkt zurück, zu dem der Rücktrittsgrund erstmals gegeben war (Vor § 346 Rn. 25–27), so dass der Vertrag nicht (mehr) als Rechtsgrund für den Leistungsaustausch anzusehen sei, weil die Primärleistungspflichten entfielen (Vor § 346 Rn. 19, 79, § 346 Rn. 59). Dagegen müsse das Risiko, dass sich die verkaufte Sache nach ihrer Übergabe an den Käufer zufällig verschlechtert oder untergeht, das der Käufer mit dem Abschluss des Vertrages übernommen habe, in jedem Fall beim Käufer verbleiben. Da die Verschlechterung und der Untergang auch zu seinen Lasten gehen würden, wenn er genau das erhalten hätte, was der Verkäufer ihm versprochen hat, dürfe ihm dieses Risiko auch beim Rücktritt nicht abgenommen werden; denn sonst würde er mehr erhalten, als ihm bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Vertrages zustünde (§ 346 Rn. 64, 96, 119, 124, 138 ff.). 396  Das räumt Lobinger im Zusammenhang mit der Berechnung des Wertersatzanspruchs bei Untergang mangelhafter Ware selbst ein. Dazu unten bei Fn. 408. 397  Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 144. 398  Siehe dazu die Gesetzesbegründung bei Fn. 260.



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bezweifelt, aber feststeht, dass der Rückgewährschuldner ausnahmsweise keinen Wertersatz schuldet, hat die Befreiung von der Wertersatzpflicht keine ungerechtfertigte Bereicherung zur Folge. Um die Bereicherung zu begründen, stellt Lobinger auf die vertragliche bzw. vom Gesetz (den typischen Vertragswillen gemäß §§ 446, 447 festschreibend) vorgegebene Gefahr­tragungsordnung ab.399 Dass diese maßgeblich sein kann, ist zu bezweifeln. Denn es ist anzunehmen, dass der Käufer sich auf den Vertrag und die ihm inhärente Gefahrverteilung nur unter der Voraussetzung eingelassen hat, dass der Verkäufer (vertragsgemäß) leistet. Jedenfalls ging der Gesetzgeber offensichtlich davon aus, dass die für die Erfüllung des Vertrages vorgesehene Gefahr­tragungsordnung für die Rückabwicklung des Vertrages nicht (mehr) maßgeblich sei. Es ist auch nicht vom Prinzip der Privatautonomie aus zwingend, den Käufer an der im Rahmen des an sich wirksamen Vertragsschlusses festgelegten Risikoverteilung festzuhalten und ihm also solche Verluste zuzuordnen, die er auch dann erlitten hätte, wenn der Vertrag erfüllt worden wäre. Der Schutz der Privatautonomie erfordert es vielmehr, den Käufer davor zu bewahren, dass ihm die Gefahr für eine Sache aufgedrängt wird, die er in Kenntnis des Mangels nicht erworben hätte.400 Auch wenn sich in einem Schadensereignis kein Sachmangel realisiert, sondern nur das allgemeine Lebensrisiko, war der Käufer doch nicht bereit, für die Sache, die er durch den Rücktritt zurückweist, das allgemeine Lebensrisiko zu übernehmen.401 Anders liegen die Dinge dann, wenn der Käufer wegen des Mangels Rechte geltend macht, die implizieren, dass er das mangelhafte Stück behalten will (Nachbesserung, Minderung, kleiner Schadenersatz).402

(ii)  Unzulässige Auslegung contra legem Gegen sämtliche Korrekturvorschläge, das Risiko des nicht-mangelbedingten Sachuntergangs und der nicht-mangelbedingten Sachverschlechterung zulasten des Käufers durch einen Bereicherungsausgleich gemäß §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 zur Geltung zu bringen, spricht deshalb, dass sie sich als Umgehung der entgegenstehenden eindeutigen gesetzlichen Wertung darstellen. Dass sie die teleologische Reduktion des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 in den Fällen des nicht mangelbedingten Sachuntergangs, die in Ermangelung einer planwidrigen (verdeckten) Regelungslücke unzulässig wäre, vermeiden und sich stattdessen an § 346 Abs. 3 S. 2, dessen Anwendungsbereich vor dem Hintergrund der nichtssagenden Gesetzesbegrün399  Zur Zuordnung der §§ 446, 447 zu den naturalia bzw. essentialia negotii des Kaufvertrages bereits oben bei und nach Fn. 267. 400 Vgl. Hartmann (2005) – Rückabwicklung, S. 181. 401  Dem könnte man entgegenhalten, dass der Käufer sich vor der Annahme der Sache davon vergewissern solle, ob die Sache vertragsgemäß beschaffen und also erfüllungstauglich ist, wenn er vermeiden wolle, dass allgemeine Lebensrisiko für eine vertragswidrige Sache zu übernehmen. Dem ist aber zu entgegnen, dass der Verkäufer derjenige ist, der sich zumindest (objektiv) pflichtwidrig verhält, indem er mangelhaft leistet. Daher sollte eine Obliegenheit zur Qualitätsprüfung ihn treffen: Will er vermeiden, dass das allgemeine Lebensrisiko in Bezug auf die zur Erfüllung eingesetzte Sache auf ihn zurückfällt, muss er sicherstellen, dass diese Sache erfüllungstauglich ist (und daher keinen Anlass zum Rücktritt gibt). Dieser Gedanke dürfte der Gesetzesbegründung entsprechen, dass es im Anwendungsbereich der gesetzlichen Rücktrittsrechte sachgerecht sei, von den beiden Vertragsparteien diejenige mit der Gefahr zu belasten, die durch ihre vertragswidrige Leistung den Rücktrittsgrund gesetzt hat. Dazu oben: B.III.5.b). 402  Formulierung von Ernst in: FS Huber (2006), 165 (192) im Zusammenhang mit dem Zurückweisungsrecht des Käufers.

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dung403 deutungsoffen erscheint, halten, kann darüber nicht hinwegtäuschen. Besonders deutlich wird dies, wenn die kritisierte Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 als „weitgehend irreparabel“ und alle Versuche einer normimmanenten Korrektur durch teleologische Reduktion oder analoge Erstreckung als „Herumdoktern an Symptomen, mit dem sachlich falsche Ergebnisse allenfalls punktuell und eher zufällig zu vermeiden sind“, bezeichnet werden und dazu aufgerufen wird, die „dysfunktionale Wirkung“ des „wortlautmäßig einschlägigen“ § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 durch einen Bereicherungsausgleich gemäß §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 zu neutralisieren.404 Es mag sein, dass dies de lege ferenda die bessere, sachgerechte(re) Lösung des Problems wäre; de lege lata ist es jedoch nicht die Lösung des Gesetzes.

(iii)  Bei Bereicherungsausgleich keine eigenständige Bedeutung des Rücktritts neben der Minderung Gegen die Ansätze der bereicherungsrechtlichen Korrektur ist außerdem einzuwenden, dass es im Ergebnis einer Minderung gleichkäme, wenn man im Falle des Rücktritts nach einer zufälligen Beschädigung oder Zerstörung der an den Käufer gelieferten mangelhaften Sache die – angebliche – Bereicherung des Käufers in Höhe des der Kaufsache durch die Kaufpreisvereinbarung beigemessenen Wertes405 abzüglich ihres mangelbedingten Minderwerts abschöpfte. Dadurch wäre dem Käufer faktisch das Rücktrittsrecht genommen.406 Der Käufer soll aber nicht nur mindern, sondern wahlweise vom Vertrag zurücktreten können, wenn der Mangel nicht unerheblich ist. Eine eigenständige Bedeutung behält der Rücktritt gegen Wertersatz gegenüber der Minderung trotz des Bereicherungsausgleichs allerdings dann, wenn der Wertersatz nicht am Maßstab der vereinbarten Gegenleistung, sondern nach dem objektiven Wert der gelieferten Sache (unter Berücksichtigung ihres Mangels) bemessen wird. In der Tat gehen die Vertreter des „Bereicherungsausgleichs“ diesen Weg.407 Dies offenbart allerdings einen Widerspruch in der Begründung dieser Lehre. Denn es heißt, die vereinbarte Gegenleistung könne (auch) deshalb nicht gemäß § 346 Abs. 2 S. 2 maßgeblich für die Höhe des Wertersatzanspruchs sein, 403  Dazu bei Fn. 260. „Sehr dürr“ findet die Gesetzesmaterialien insoweit auch Kohler JZ 2002, 682 (685). 404 So Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 138, 144. 405  Zu einem bereicherungsrechtlichen Verständnis des § 346 Abs. 2 S. 2: Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, vor § 346 Rn. 16. 406  So auch Thier in: FS Heldrich (2005), 439 (445). 407  Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 143, 96 f. Korth (2010) – Minderung, S. 85 f. hält die Orientierung an der Minderungsberechnung bei der Berechnung des Wertersatzes beim Rücktritt für nicht zwingend. Die Alternativität zwischen Minderungsrecht und Bereicherungsausgleich gemäß § 346 Abs. 3 S. 2, 818 Abs. 2 schütze den rücktrittsberechtigten Käufer vor einer starren Anwendung der minderungsrechtlichen Proportionalmethode und erweise sich damit als flexiblere Lösung.



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weil „die mit dem Vertragsschluss verbundene Bereitschaft des Leistungsempfängers, das Verlustrisiko in Höhe des Vertragspreises zu übernehmen, gerade auf der Erwartung einer vertragsgemäßen Leistung gründete“.408 Gleiches trifft aber für die Übernahme des Verlustrisikos überhaupt zu.

(iv)  Bereicherungsausgleich vereitelt Zweck des Rücktritts: Gläubiger darf Schlechtleistung als Nichterfüllung behandeln und sich wegen Ausbleibens der Leistung von der Verpflichtung zur Gegenleistung befreien Durch das Recht, vom Vertrag zurückzutreten, räumt das Gesetz dem enttäuschten Vertragsteil die Möglichkeit ein, die mangelhafte Leistung als eine solche zu behandeln, die nicht aufgrund des Vertrages und von daher sine causa erbracht wurde, weil der Leistungsempfänger den Vertrag grundsätzlich409 nur für eine vertragsgemäße Leistung als Rechtsgrund gelten lassen muss.410 Folglich ist die für die (ordnungsgemäße) Durchführung des Vertrages vereinbarte bzw. kraft Gesetzes bei Abschluss eines bestimmten Vertragstyps geltende Gefahr­tragungsordnung hinsichtlich der Sache, die Gegenstand der mangelhaften Leistung ist, nicht maßgeblich, wenn es zum Rücktritt kommt.411 Dies gilt nicht erst ab dem Zeitpunkt der Rücktrittserklärung, sondern bereits von dem Moment an, in dem der Rücktrittsgrund erstmals vorlag (und also die Leistung wegen ihrer Vertragswidrigkeit hätte zurückgewiesen sowie die Erbringung der Gegenleistung hätte verweigert werden dürfen).412 Dies entspricht der Verwandtschaft zwischen dem (gesetzlichen) Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung und dem Wegfall der Gegenleistung wegen Unmöglichkeit der Leistung im gegenseitigen Vertrag.413 In dem einen Fall wird der Gläubiger kraft Gesetzes von der Gegenleistung befreit, weil ohne weiteres feststeht, dass die Leistung des Schuldners ausfällt. In dem anderen Fall kann der Gläubiger, falls der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt, durch Setzung einer angemessenen Frist zur Leistung oder Nacherfüllung selbst die Voraussetzungen dafür schaffen, einen späteren (Nach-)Erfüllungsversuch so behandeln zu dürfen, als könne der Schuldner sein Leistungsinteresse nun gar nicht mehr befriedigen. Unter diesen Voraussetzungen ist er befugt, eine Schlechtleistung insgesamt als Nichtleistung zu behandeln.414 408 

Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 96. Zur Ausnahme siehe in Fn. 414. 410  Insoweit überzeugend: Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, vor § 346 Rn. 19, 23, 27, § 346 Rn. 59. 411  Dazu bereits: B.III.5.c)iv)3)(b)(i). 412 Vgl. Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, vor § 346 Rn. 27. 413  Dazu oben: A.3.d) und B. I. 3.b). 414  Wenn er die Schlechtleistung nicht von vorneherein als vertragswidrig abgelehnt, sondern es zugelassen hat, dass der Schuldner die nicht vertragsgemäße Leistung „bewirkt“, ist der Gläubiger gem. § 323 Abs. 5 S. 2 allerdings nur dann zum Rücktritt (zur nachträglichen Zurückweisung 409 

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

Der Schuldner/Verkäufer muss sich dann so behandeln lassen, als habe er überhaupt keine Leistung erbracht; deshalb verliert er den Anspruch auf die Gegenleistung/den Kaufpreis in vollem Umfang. Der Gegenstand seiner Leistung ist mit dem Rücktritt als Gegenstand der Erfüllung disqualifiziert. Deshalb steht das negative Sachschicksal in keiner Beziehung zu dem Leistungsaustausch und deshalb muss der Gläubiger auch nicht insoweit, wie eine Verschlechterung erst nach dem (spätestens jetzt wirkungslosen) Gefahrübergang erfolgt ist, die Gegenleistung erbringen. Denn auch insoweit hat er keine (Teil-)Leistung erhalten, die er vergüten müsste. Damit kommt der Rücktritt einer nachträglichen rückwirkenden Zurückweisung der Ware gleich. Das Gesetz räumt dem Käufer die Befugnis ein, geltend zu machen, dass er die Sache (und die mit ihr verbundene Gefahr) von vorneherein nicht übernommen hätte.415 Es handelt sich dann nicht um die „verkaufte Sache“ i. S. v. § 446 S. 1. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof jüngst entschieden, dass der Verkäufer nach dem Untergang der wegen Rücktritts zurück zu gewährenden mangelhaften Sache im Falle des Ausschlusses der Wertersatzpflicht gem. § 346 Abs. 3 S. 2 vom Käufer die Abtretung von Ansprüchen gegen einen Sachversicherer verlangen kann. Bereichert i. S. v. § 346 Abs. 3 S. 2 sei der Käufer aber nur, wenn solche Ansprüche tatsächlich bestehen.416 Auch der BGH ist also offensichtlich der Meinung, dass allein darin, dass die empfangene Sache beim Käufer untergegangen ist und er gem. § 346 Abs. 3 S. 1 keinen Wertersatz zu leisten hat, keine ungerechtfertigte Bereicherung des Käufers liege. Dass dem Verkäufer ggf. Versicherungsleistungen zustehen sollen, zeigt, dass er die Gefahr der Sache (die nicht Leistungsgegenstand ist) zu tragen hat, auch wenn er zum Zeitpunkt des Schadensereignisses nicht Sacheigentümer war. Es zeigt ferner, dass das Argument, derjenige müsse die Gefahr tragen, der das Risiko am besten versichern kann, die Verhältnisse auf den Kopf stellt. Denn es richtet sich nicht die Gefahrverteilung nach der Versicherbarkeit, sondern umgekehrt. Im Rahmen einer vertraglichen Beziehung lässt sich, wie das Urteil des BGH deutlich macht, eine asymmetrische Verteilung von Gefahr und Versicherung durch Ansprüche auf die Abtretung von Versicherungsleistungen ausgleichen.

Zwar besteht das Ideal der Rückabwicklung im Allgemeinen darin, für beide Parteien „die vor dem Vertragsschluss bestehende Rechtslage wieder herzustellen“.417 Ist das Recht zur Rückabwicklung aber nur einer Partei gegeben, und zwar gerade deshalb, weil die der anderen Partei obliegende Leistung nicht erbracht wurde oder diese Leistung aufgrund ihrer Vertragswidrigkeit insgesamt als nicht erbracht behandelt werden darf, geht es in erster Linie darum, diese Partei in den status quo ante zu versetzen. Deshalb darf der Umstand, dass die vor dem Rücktritt bestehende tatsächliche Lage aufgrund einer nachträglichen negativen Sachveränderung für die andere Partei nicht wiederhergestellt werden kann, dem Rücktritt der mangelhaften Lieferung) befugt, wenn die Pflichtverletzung (der Mangel) nicht unerheblich ist. Dazu: B.III.5)d)ii), B.III.9.c) und B.III.9.d). 415  Zu der entsprechenden Begründung der §§ 467 S. 1, 350, 351 a. F. bei der Wandelung unter dem BGB von 1900: B.II.4.c)iv). 416  BGH, Urt. v. 25.03.2015, Az. VIII ZR 38/14 (= BeckRS 2015, 08540), Rn. 19. 417  Dazu oben: B.III.5.b) bei Fn. 249.



5.  Sachliche Veränderungen des Rücktrittsfolgenrechts 

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jedenfalls dann nicht entgegenstehen, wenn dem Rücktrittsberechtigten dies nicht vorzuwerfen ist (so bereits die §§ 350, 351 a. F.). Das Modell der „Rückabwicklung dem Werte nach“ lässt es durchaus zu, dem oben angesprochenen Ideal der Wiederherstellung des früheren Zustandes selbst in diesem Fall möglichst nahe zu kommen, indem für die andere Partei (durch Wertersatz) wenigstens eine ihrem status qua ante entsprechende Vermögenslage hergestellt wird. Der Zweck des gesetzlichen Rücktrittsrechts wegen Nichterfüllung würde allerdings nicht voll verwirklicht, wenn der Berechtigte lediglich die von ihm erbrachte Leistung zurück fordern könnte. Es sind außerdem die für ihn nachteiligen Folgen der Vertragsdurchführung rückgängig zu machen. Es wäre nämlich inkonsequent, der enttäuschten Vertragspartei das Recht einzuräumen, vom (ganzen) Vertrag abzugehen, ihre Investitionsentscheidung zu revidieren, wenn und weil der Vertragspartner nicht (ordnungsgemäß) leistet, sie mit Blick auf die Gefahr­tragung jedoch an dem festzuhalten, worauf sie sich (nur) im Rahmen der Erfüllung des Vertrages einzulassen bereit war.418

v) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass der Verkäufer auch nach der Reform des Schuldrechts (nur dann) zu spüren bekommt, dass er über den Zeitpunkt der Lieferung mangelhafter Ware hinaus die Gefahr der zufälligen Verschlechterung und des zufälligen Untergangs der gelieferten Ware trägt, wenn der Käufer wegen des Sachmangels zurücktritt. Dies liegt daran, dass er derjenige ist, der durch seine vertragswidrige Leistung den Grund für die Rückabwicklung des Vertrages gesetzt hat. Deshalb ist er zwar nicht zu sanktionieren. Wenn und weil er nicht (ordnungsgemäß) leistet, hat er es aber nicht verdient, mit Blick auf den Leistungsaustausch so gestellt zu werden, als hätte er die ihm obliegende Leistung bereits bewirkt (Gefahrübergang). Wenn der Käufer – wegen der Nichterfüllung seitens des Verkäufers – das Recht hat, seine Investitionsentscheidung in jeder Hinsicht rückgängig zu machen, soll er nicht nur den Kaufpreis zurückerhalten, sondern auch von denjenigen Risiken befreit werden, die er aufgrund des Vertrages mit der Annahme der mangelhaften Leistung (in der Vorstellung, diese sei vertragsgemäß) eingegangen ist. Hier legitimieren sich die Rücktrittsfolgen unmittelbar aus dem Rücktrittsgrund. Das Rücktrittsfolgenrecht so auszugestalten, war eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. Gerade für den Fall, dass der Käufer wegen eines Sachmangels vom 418  So auch Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (498): Vor dem Hintergrund, dass der Käufer so gestellt werden solle, wie er stünde, wenn er den Vertrag nicht geschlossen hätte, und der Verkäufer durch seine Pflichtverletzung den Zurechnungsgrund für die Rückabwicklung des Vertrages gesetzt habe, sei es „nicht unbillig, wenn der Käufer auch die Nachteile, die ein Festhalten am Vertrag mit sich brächte – insbesondere in Gestalt mangelunabhängiger Verschlechterungen der Kaufsache –, nicht zu tragen braucht, sondern der Verkäufer mit ihnen belastet wird“. Dies sei „das Ergebnis einer bewussten Interessenabwägung durch den Gesetzgeber“.

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

Kauf zurücktritt, hat er nämlich die Ausnahme von der Grundsatzentscheidung gemacht, die Gefahr, die empfangene Sache nicht (im Lieferzustand) zurückgewähren zu können, dem Rückgewährschuldner aufzubürden. Dies war bis zur Reform des Schuldrechts der Regelungsbereich des besonderen Rechtsbehelfs der Wandelung,419 dem die Gefahrbelastung des Verkäufers inhärent war420. Der Verkäufer liefert eine mangelhafte Sache somit auf eigene Gefahr beim Käufer ab. Will er dies vermeiden, muss er im eigenen Interesse sicherstellen, dass die Ware, die er bei der Erfüllung einsetzt, vertragsgemäß ist und keinen Anlass zur Rückabwicklung des Vertrages gibt. Dies überzeugt mit Blick auf Schadensereignisse, die der Käufer nach haftungsrechtlichen Maßstäben nicht zu vertreten, also weder fahrlässig noch vorsätzlich verursacht hat. Weil der Käufer bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er Kenntnis von dem Mangel erlangt und deshalb in Betracht ziehen muss, dass es möglicherweise zur Rückabwicklung kommen könnte, keinen Anlass hat, mit der gelieferten Sache anders als mit anderen ihm gehörenden Sachen umzugehen, ist es auch sachgerecht, dass ihm mindestens bis zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung eine eigenübliche Fahrlässigkeit nicht zur Last fällt. Nach diesem Zeitpunkt lässt sich dies nur mit der Erwägung rechtfertigen, dass der Käufer regelmäßig jedenfalls vorläufig darauf angewiesen sein wird, die Sache weiter zu nutzen, zumal etwa während der Nacherfüllungsfrist noch offen ist, ob er sie behalten wird oder nicht. Dass er sie zurückgeben muss, steht erst fest, wenn er den Rücktritt wirksam erklärt. Weil aber ab Kenntniserlangung von dem Mangel eine Schadenersatzhaftung nach dem allgemeinen Verschuldensmaßstab in Betracht kommt, bedarf die Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 auch mit Blick auf den Haftungsmaßstab keiner teleologischen Reduktion oder sonstigen Korrektur. Dass er wegen Verschuldens (auf Schadenersatz) haftet, ändert nichts an der Grundsatzentscheidung, dass er die Gefahr nicht zu tragen hat und deshalb ohne Verschulden keinerlei Ersatz zu leisten hat.

d)  Ausschlussgründe („Rücktrittssperren“) Weil die Gefahrverteilung gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 unmittelbar damit zusammenhängt, aus welchem Grund (wegen der Nichterfüllung durch den Verkäufer) und zu welchem Zweck (um den Käufer weitestgehend so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er sich von vorneherein nicht auf den Leistungsaustausch eingelassen hätte) dem Käufer das gesetzliche Rücktrittsrecht gegeben ist, ergibt sich die Antwort auf die Frage, wann diese Gefahrverteilung nicht gerechtfertigt ist, von selbst: wenn das Rücktrittsrecht dem Grunde nach ausgeschlossen ist.

419  420 

Dazu oben: B.III.5. Dazu oben: B.II.4.c)ii)4) bis B.II.4.c)ii)6).



5.  Sachliche Veränderungen des Rücktrittsfolgenrechts 

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i)  Rücktrittsausschluss gem. §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 6 Alt. 1 In der Regelung der §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 6 Alt. 1 scheint die „Ausschlusslösung“ der §§ 350, 351 a. F. in einem engen Regelungsbereich421 weiterzuleben.422 Danach ist der Rücktritt nämlich ausgeschlossen, „wenn der Gläubiger [der Leistung, von deren Störung § 323 Abs. 1 handelt] für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist“. Dies entspricht der Regelung des § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1, wonach der Gläubiger bei Ausbleiben der Leistung wegen Unmöglichkeit ausnahmsweise zur Gegenleistung verpflichtet bleibt, wenn er „für den Umstand, aufgrund dessen der Schuldner nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich“ ist. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass es in den Fällen der „qualitativen Unmöglichkeit“ bzw. „irreparablen Schlechtleistung“ (Unmöglichkeit der Nacherfüllung), auf die gem. § 326 Abs. 5 statt § 326 Abs. 2 das Rücktrittsrecht nach § 323 Anwendung findet,423 nicht zu Wertungswidersprüchen kommt424: Der Gläubiger wird an der Gegenleistung festgehalten, wenn es an ihm liegt, dass der Schuldner seine Leistung nicht (wie geschuldet) erbringt, wenn er derjenige ist, der die maßgebliche Leistungsstörung zu vertreten hat. Der Käufer darf nicht zurücktreten, wenn er für das Entstehen des Sachmangels425 oder dafür verantwortlich ist, dass ein Mangel (nachträglich) die Schwelle des § 323 Abs. 5 S. 2426 übersteigt427. Darüber hinaus wird aus §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 6 Alt. 1 gefolgert, dass der Käufer auch dann nicht zurücktreten dürfe, wenn 421 

Dazu sogleich bei Fn. 444. Fest ZGS 2006, 173 ff.; Wagner in: FS Huber (2006), 591 (611–614); Ernst in: FS Huber (2006), 165 (227, 228 f., 231); Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 215–217; Faust in: JurisPK (2014) – BGB, § 346 Rn. 68; Kohler AcP 203 (2003), 539 (555 ff.); weitere Nachweise bei Döll (2011) – Rückgewährstörungen, S. 6 (in Fn. 30). Während es im Anwendungsbereich der §§ 467 S. 1, 351 a. F. darum ging, dem Käufer die Wandelung zu versagen, wenn er sich in vorwerfbarer Weise außerstande gesetzt hatte, die ihm ggf. obliegende Rückgewährpflicht zu erfüllen, kommt es bei § 323 Abs. 6 Alt. 1 vor dem Hintergrund der Möglichkeit einer „Rückabwicklung dem Werte“ nach darauf nicht mehr an. Bei Anwendung dieser Vorschrift auf die Schlechtleistung beim Kauf ist vielmehr entscheidend, dass der Gläubiger die fällige Nacherfüllungspflicht des Schuldners unmöglich werden lässt. Dazu Fest ZGS 2006, 173 (174, 176 mit Fn. 27). 423 Dazu: Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 326 Rn. 106 f.; ders. in: FS Huber (2006), 165 (230); Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.11.2014) – BGB, § 326 Rn. 33 f. 424 Vgl. Stadler in: Jauernig (2014) – BGB, § 323 Rn. 21: § 323 Abs. 6 sei § 323 Abs. 2 „nachgebildet“. 425  Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 437 Rn. 14, 439 Rn. 14b; Stadler in: Jauernig (2014) – BGB, § 323 Rn. 22; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 437 Rn. 33; vgl. Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 323 Rn. 258. Wenn der Käufer für das Entstehen des Mangels verantwortlich ist, kann er schon keine Nacherfüllung verlangen, so dass als weiterer Bezugspunkt des § 323 Abs. 6 Alt. 1 die Verursachung der Unmöglichkeit der Nacherfüllung von vorneherein ausscheidet. 426  Dazu sogleich: B.III.5.d)ii). 427  Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.11.2014) – BGB, § 323 Rn. 36 mit Verweis auf LG Dortmund, Urt. v. 21.07.2007, Az. 22 O 212/06. 422 Dazu:

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

die Beseitigung des Sachmangels der gelieferten Sache aus Gründen unterbleibe, für die er verantwortlich sei. Gedacht ist dabei an die Situation, dass der Käufer die Chance des Verkäufers, den Mangel zu beseitigen und sich auf diese Weise den Kaufpreis (in voller Höhe) zu verdienen, „vereitelt“. Dies ist jedenfalls bei der Selbstvornahme der Mangelbeseitigung428 der Fall und kommt auch bei der Verursachung des Untergangs429 des Nachbesserungsgegenstandes430 in Betracht; beides hat nämlich die (nachträgliche) Unmöglichkeit der Nacherfüllung zur Folge. Denkbar ist außerdem, dass der Käufer dafür verantwortlich ist, dass der zur Beseitigung des Sachmangels erforderliche Aufwand sich derart erhöht, dass der Verkäufer die Mangelbeseitigung gem. § 439 Abs. 3 verweigern darf.431 Ob man dem Käufer trotzdem gestattet, vom Vertrag abzugehen und die Rückabwicklung des Leistungsaustauschs einzuleiten, hängt außer von den inhaltlichen Anforderungen des Begriffs „verantwortlich“ (dazu sogleich) vor allem von dessen Bezugspunkt, namentlich davon ab, was man als den „Umstand, der [den Käufer] zum Rücktritt berechtigen würde“, ansieht: dass die Ware mit Sachmangel geliefert wurde und/oder dass die Beseitigung dieses Mangels ausbleibt? Diese Frage wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Manche erblicken diesen Umstand allein in der Lieferung einer mangelhaften Sache, was zur Konsequenz hat, dass die Behandlung der Fälle der Beschädigung oder Zerstörung der mangelhaften Kaufsache ausschließlich dem Rücktrittsfolgenrecht überlassen bleibt.432 Andere meinen, dass das Rücktrittsrecht bei einer behebbaren Schlechtleistung auf zwei Gründen beruhe: dem Mangel der Sache und seiner Nichtbeseitigung durch Nacherfüllung. Wenn der Schuldner durch Schlechtleistung den ersten Verantwortungsbeitrag für die Entstehung des Rücktrittsrechts geleistet habe und der Gläubiger durch Verursachung des Untergangs des mangelhaften Leistungsgegenstandes den zweiten, dürfe daher von einer ungefähr gleichrangigen Verantwortlichkeit gesprochen werden. Der Gläubiger sei deshalb nicht weit überwiegend 428 Dazu: Gsell in: Soergel (2005) – BGB, § 326 Rn. 52; Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 326 Rn. 108; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 437 Rn. 36; Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 439 Rn. 215–217; Pammler in: JurisPK (2014) – BGB, § 437 Rn. 61. 429  Auch durch eine bloße Verschlechterung kann die Beseitigung des ursprünglichen Mangels objektiv unmöglich werden, wenn sich die Verschlechterung als Fall des partiellen Untergangs darstellt. Dazu das Bsp. von Ernst in: FS Huber (2006), 165 (227 a. E.): „[D]er gekaufte Wagen hat einen Lackschaden; das Karosserieteil, das diesen Schaden aufweist, wird bei einem zufälligen Unfall in Gänze zerstört“. 430 Dazu: Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 326 Rn. 109; ders. in: FS Huber (2006), 165 (227–233); Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.11.2014) – BGB, § 326 Rn. 34; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 437 Rn. 34; Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 215– 217. 431 Der Aufwand zur Mangelbeseitigung kann sich insbesondere durch eine weitere Verschlechterung oder partielle Zerstörung der mangelhaften Sache erhöhen (vgl. bereits zur Folge der objektiven Unmöglichkeit: Fn. 429). Dazu: Ernst in: FS Huber (2006), 165 (228); Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 437 Rn. 34. 432  Wagner in: FS Huber (2006), 591 (613).



5.  Sachliche Veränderungen des Rücktrittsfolgenrechts 

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oder allein für den Rücktrittsgrund verantwortlich, nur weil er den Untergang des Nachbesserungsgegenstandes verursacht habe, und dürfe zurücktreten.433 Die Gegenansicht, nach der es ausreichen soll, wenn der Käufer für den Umstand, der die nachträgliche Unmöglichkeit der Mangelbeseitigung begründet, verantwortlich sei (dazu sogleich), verdecke begrifflich, dass der Verkäufer eine ganz erhebliche Mitverantwortung für den Rücktrittsgrund trage. Immerhin schulde er die Nacherfüllung nur, weil er mangelhaft geliefert hat. Sie widerspreche außerdem der Systematik des Gesetzes, das in § 323 Abs. 1 zwischen „Nichtleistung“ und „Schlechtleistung“ trenne und die Störung „Sachmangel“ in den §§ 434 ff. im Wesentlichen als einen Spezialfall der „Schlechtleistung“ erfasse.434 Der Ausschluss des Rücktrittsrechts über § 323 Abs. 6 Alt 1 widerspreche schließlich auch dem Willen des Gesetzgebers, die Alles-oder-Nichts-Lösung des § 351 a. F. durch einen Rücktritt gegen Wertersatz nach § 346 Abs. 2 und 3 zu ersetzen.435

Nach einer differenzierenden Ansicht soll eine Verantwortlichkeit des Käufers nur dann in Betracht kommen, wenn er Kenntnis von dem Vorliegen eines Mangels hat.436 Sein Rücktrittsrecht verliere er, wenn er „in Kenntnis um die Nachbesserungsberechtigung die Sache in einer Weise einsetzt, die das Risiko eines Untergangs und damit einer Vereitelung mit sich bringt“, und sich dieses Risiko verwirkliche, sowie (erst recht) dann, „wenn der Käufer (im Bewusstsein des Nachbesserungsrechts) die Sache und mit ihr das Substrat der Nachbesserungspflicht absichtsvoll zerstört“.437 Nach anderer Ansicht soll stets eine weit überwiegende Verantwortlichkeit des Käufers für den Rücktrittsgrund begründet sein, wenn der Käufer für den Umstand, auf Grund dessen die Möglichkeit des Verkäufers zur zweiten Andienung vor Ablauf der Nachfrist entfällt, verantwortlich ist. Dies wird mit dem hohen Stellenwert des Rechts der zweiten Andienung sowie damit begründet, dass der Käufer ggf. immerhin die letzte Ursache dafür gesetzt habe, dass er keinen mangelfreien Gegenstand bekommt.438 Ferner wird argumentiert, dass die Nacherfüllungspflicht zwar aus der mangelhaften Leistung im ersten Erfüllungsversuch resultiere, das Rücktrittsrecht aber erst mit dem erfolglosen Ablauf einer mit angemessener 433  Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.11.2014) – BGB, § 326 Rn. 34; Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 346 Rn. 217; Dauner-Lieb/Arnold in: FS Hadding (2004), 25 (27 f.); Heinrichs in: FS Schmidt (2005), 159 (163). 434 Vgl. Dauner-Lieb/Arnold in: FS Hadding (2004), 25 (28). In anderem Zusammenhang beschreiben Heyers/Heuser NJW 2010, 3057 ff. die Sachmängelpflicht des Verkäufers als „Schlechtleistungshaftung“ (3057) sowie als einen „spezielle[n], strukturell gleichartige[n] Fall der Schlechtleistung“ (3059) und erblicken in dem Fall des Untergangs des Nachbesserungsgegenstandes nach Übergabe den einzigen Fall der (qualitativen) Unmöglichkeit, dessen Erfassung durch das Sachmängelrecht sinnvoll sei (3060). 435  Kaiser in: Staudinger (2012) – BGB, § 439 Rn. 216 m. w. N. 436 Vgl. Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 326 Rn. 107–109; ders. in: FS Huber (2006), 165 (230–232). Dazu noch in Fn. 448. 437  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (231); ders. in: MüKo (2012) – BGB, § 326 Rn. 109 (Fall b) . 438  Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 437 Rn. 34; vgl. auch Kohler AcP 203 (2003), 539 (546–551).

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

Länge gesetzten Nachfrist entstehe. Diese Voraussetzung entspreche in der vergleichbaren Situation des Anspruchs auf Schadenersatz statt der Leistung einer objektiven Bedingung für die Anspruchsentstehung. Verursache der Käufer (wenigstens fahrlässig) die Unmöglichkeit der Nacherfüllung, entspreche es dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 2 (Vereitelung des Bedingungseintritts), dass er nicht zurücktreten dürfe.439 Dafür spreche auch, dass die erste Pflichtverletzung in Form der mangelhaften Leistung im Zeitpunkt der Unmöglichkeitsverursachung bereits abgeschlossen gewesen sei; die treuwidrige Herbeiführung der Bedingung bzw. der Entbehrlichkeit des erfolgslosen Fristablaufs könne sich deshalb nur auf die Vereitelung der allein fälligen Pflicht zur ordnungsgemäßen Nacherfüllung beziehen.440 Den zum Rücktritt berechtigenden Umstand (und damit den Bezugspunkt der Gläubigerverantwortlichkeit gem. § 323 Abs. 6 Alt. 1) im Falle der Lieferung einer behebbar mangelhaften Sache allein in dem Ausbleiben der Mangelbeseitigung (Nichtleistung) anstatt in der Lieferung einer mangelhaften Sache selbst (Schlechtleistung) zu sehen, widerspreche auch nicht der Systematik des Gesetzes.441 Nachdem der Verkäufer eine mangelhafte Sache beim Käufer abgeliefert habe, könne Schadenersatz statt der Leistung nur verlangt werden, wenn und weil der Verkäufer entweder den „Umstand, der die Unmöglichkeit beziehungsweise das dieser gleich gestellte Leistungsverweigerungsrecht“ (unbehebbarer Mangel) oder das Unterlassen der Nacherfüllung – genauer: „die Gründe, die zur Nichtvornahme der Nacherfüllung geführt haben“ – (behebbarer Mangel) zu vertreten habe. Denn beim Schadenersatz statt der Leistung gehe es nunmehr um solchen statt der Nacherfüllung. Auch wenn stets die in der Verletzung der Leistungspflicht gem. § 433 Abs. 1 S. 2 liegende Schlechtleistung Anlass zur Haftung des Verkäufers gebe, bedeute die Lieferung mangelhafter Ware strukturell entweder die Verzögerung oder die Unmöglichkeit der (mangelfreien) Vollleistung, ein Sachmangel stelle in qualitativer Hinsicht daher entweder eine Teilverspätung oder eine Teilunmöglichkeit der Leistung dar. Im Fall des behebbaren Mangels sei die Schadenersatzhaftung des Verkäufers allein eine solche wegen „Nichtleistung“ (§§ 437 Nr. 3,  281 Abs. 1 S. 1 Alt. 1). Übertragen auf das Rücktrittsrecht bedeute dies, dass § 323 Abs. 6 Alt. 1 den Rücktritt ausschließe, wenn der Käufer dafür verantwortlich sei, dass der Verkäufer den Sachmangel nicht mehr beseitigen kann.442   Jedenfalls soweit ein Ausschluss des Rücktrittsrechts gem. § 323 Abs. 6 nicht stattfindet, verschließt der Umstand, dass eine Nachfrist noch nicht abgelaufen war, dem Käufer aber keinesfalls die Begründung einer Rücktritts- und Schadensersatzbefugnis. Denn   „[d]ie materielle Störung, deretwegen dem Käufer das Rücktrittsrecht gegeben wird, tritt nicht erst mit dem Ablauf der Nachfrist ein. [Sie] liegt darin, dass der Verkäufer die Kaufsache in einem nicht vertragsgemäßen Zustand geleistet hat, dass mithin der Anspruch des Käufers auf vertragsgemäße Leistung unerfüllt ist. Geht die Kaufsache unter, bevor dem Verkäufer eine Frist gesetzt oder bevor eine gesetzte Frist abgelaufen ist, so wird das Setzen einer Frist sinnlos; ebenso das Zuwarten auf den Ablauf einer bereits gesetzten Frist. Damit erledigt sich nicht die zugrunde liegende Störung“.443

439 

Fest ZGS 2006, 173 (174–176). Fest ZGS 2006, 173 (175 mit Fn. 25) 441 Vgl. Lorenz NJW 2002, 2497 (2499, 2504 f.); ders. in: Karlsruher Forum – Schuldrechtsmodernisierung (2006), S. 65–78, insb. S. 65 f., 72 f.; ders. NJW 2007, 1 (4–7). 442  Lorenz NJW 2002, 2497 (2499); ders. NJW 2003, 1417 (1418); ders. in: Karlsruher Forum – Schuldrechtsmodernisierung (2006), 66 f., 90 f., 104, 173; ders. NJW 2006, 1175 (1177). 443  Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 326 Rn. 109 a. E. (= ders. in: FS Huber (2006), 165 (232)). 440 



5.  Sachliche Veränderungen des Rücktrittsfolgenrechts 

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Dies bedarf hier keiner Entscheidung. Denn um die Bedeutung der „Rücktrittssperre“ nach § 323 Abs. 6 Alt. 1 für die Verteilung der Preisgefahr (in ihrer die Leistungsgefahr begrenzenden Funktion) nach der Lieferung mangelhafter Ware einschätzen zu können, muss man sich zwei Dinge klarmachen: Erstens, das „Weiterleben“ der Rücktrittssperre nach dem Rechtsgedanken der §§ 350, 351 a. F. betrifft bei Lieferung einer mangelhaften Kaufsache allenfalls diejenigen Fälle, in denen die Nacherfüllung ausschließlich durch Nachbesserung erfolgen kann.444 Denn andernfalls kann der Käufer bei Untergang des Nachbesserungsgegenstandes auf die andere Nacherfüllungsvariante „umschwenken“ und (ggf. gegen Zahlung von Wertersatz gem. §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, da er die zuerst gelieferte Sache nicht zurückgeben kann) die Lieferung einer anderen (vertragsgemäßen) Sache verlangen. Zweitens, der Begriff der „Verantwortlichkeit“ lässt es jedenfalls nicht zu, eine „Risikoanlastung nach bloßen Risikosphären“ vorzunehmen.445 Auch wenn man nicht den speziellen Sorgfaltsmaßstab von § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 auf § 323 Abs. 6 Alt. 1 überträgt,446 muss der Käufer den Umstand, aufgrund dessen dem Verkäufer die Nachbesserung unmöglich ist, wenigstens (mit-)verursacht haben. Selbst die (Mit-)Verursachung des Untergangs des Nachbesserungsgegenstandes durch den Käufer ist aber, sofern sie nicht einen „Bezug zum vertraglichen Verhaltensprogramm“447 aufweist, für den Rücktrittsausschluss nicht ausreichend; „Verantwortlichkeit“ nach § 323 Abs. 6 Alt.  1 erfordert darüber hinaus vielmehr die Vertragswidrigkeit des (kausalen) Gläubigerverhaltens,448 ein „Element der 444 

Ernst in: FS Huber (2006), 165 (231). Kohler AcP 203 (2003), 539 (554, 555 f., 558, 559 f.); vgl. Lorenz NJW 2006, 1175 (1177); Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.11.2014) – BGB, § 323 Rn. 36; Otto in: Staudinger (2009) – BGB, § 326 Rn. F-9: Eine Verlagerung der Sachgefahr erfolge nur ausnahmsweise über die Rechtsfolgenseite (§ 346 Abs 3) zu Lasten des Rücktrittsberechtigten…“. 446  Eine derartige Privilegierung befürworten: Kohler AcP 203 (2003), (539, 551–554); Dauner-Lieb/Arnold in: FS Hadding (2004), 25 (29 f.); Lorenz in: Karlsruher Forum – Schuldrechtsmodernisierung (2006), S. 173 f.; Oetker/Maultzsch (2013) – Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2.251). Dagegen: Fest ZGS 2006, 173; Alpmann in: JurisPK (2014) – BGB, § 323 Rn. 68. 447  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (231); ders. in: MüKo (2012) – BGB, § 326 Rn. 109. 448 Vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (227, 230 f.), ders. in: MüKo (2012) – BGB, § 326 Rn. 109, wonach Verantwortlichkeit gem. § 323 Abs. 6 Alt. 1 wegen Fehlschlagens der Nacherfüllung nur dann gegeben sei, wenn der Gläubiger die Nacherfüllung durch ein zurechenbares Verhalten störe, das gegen diejenigen Mitwirkungen, die ihm nach dem Vertragsprogramm obliegen, verstoße. Davon könne erst ab Kenntnis von dem Mangel und seines Nachbesserungsanspruchs die Rede sein. Sofern der Rücktritt demnach zulässig ist, ist freilich zu beachten, dass Ernst in: FS Huber (2006), 165 (213–216, 233–236) die Ansicht vertritt, dass der Rücktrittsberechtigte bei Befreiung von der Wertersatzpflicht gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 grundsätzlich gem. §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 für den eingetretenen Zufallsschaden hafte, weil ihm im Fall des Sachuntergangs nur die wegen des Mangels begründeten Rechte erhalten bleiben sollten. Auf Wegfall der Bereicherung könne er sich berufen, wenn der Schaden gleichfalls beim Rücktrittsgegner/Verkäufer eingetreten wäre oder der Sachuntergang eine Folge des Mangels sei. Darauf, ob letzteres auch anzunehmen sein soll, wenn die mangelhafte Sache während der Nachbesserung beim Verkäufer untergeht, geht Ernst nicht ausdrücklich ein; siehe bereits: B.III.5.c)iv)3). 445 

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Vorwerfbarkeit“449. Andernfalls kann der Gläubiger nicht als solcher „verantwortlich“ sein.450 Dies setzt freilich voraus, dass der Käufer Kenntnis von dem Mangel hat und daher weiß, dass die Leistungspflicht nach § 433 Abs. 1 S. 2 fortbesteht und weiterhin anfällig für Störungen ist. Nur dann ist er gehalten, ein Verhalten zu unterlassen, das die (Nach-)Erfüllung vereiteln könnte. Im zeitlichen Anwendungsbereich des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 gibt es zwei Zäsur-Momente, nämlich die Kenntniserlangung des Käufers von dem Mangel, weil er von da an damit rechnen muss, dass es möglicherweise zu einer Rückabwicklung des Vertrages kommen wird, und die Rücktrittserklärung, mit der feststeht, dass er die empfangene Sache zurück zu geben hat. Daraus ergeben sich drei Phasen: Von der Lieferung mangelhafter Ware bzw. zur Kenntniserlangung des Käufers von dem Mangel (Phase 1), von da an bis zur Rücktrittserklärung (Phase 2) und schließlich von der Rücktrittserklärung bis zur Rückgewähr der gelieferten Sache (Phase  3).451 Das Problem der Vereitelung der Nacherfüllung erfasst § 323 Abs. 6 Alt. 1 in zeitlicher Hinsicht vom Auftreten des (behebbaren) Mangels, der den Verkäufer zur Mangelbeseitigung verpflichtet, bis zum Ablauf der Nacherfüllungsfrist, womit der Verkäufer das „Recht“ zur Nacherfüllung verliert452. Auch insoweit markiert der Zeitpunkt, in dem der Käufer von dem Mangel Kenntnis erlangt, aber eine Zäsur. Denn solange er um sein Nachbesserungsrecht noch nicht weiß,   „ist von Vertrags wegen ein besonderes Verhalten vom Käufer überhaupt nicht gefordert. Wenn der hinsichtlich des Mangels ahnungslose Käufer die Unmöglichkeit der Nacherfüllung verursacht, dann handelt es sich um einen Vorgang, der mit Blick auf den Vertrag und die Nacherfüllungsverpflichtung als ‚Zufall‘ zu werten ist, selbst wenn man die Herbeiführung des Sachuntergangs (zB im Straßenverkehr) als fahrlässig ansieht.“453   Zerstört der Käufer das mangelhafte Stück in Unkenntnis des Mangels in einer Weise, die das Privileg des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 überschreitet, und wird dadurch die Nacherfüllung unmöglich, ist er deshalb nicht daran gehindert, vom Vertrag zurückzutreten; ggf. muss er aber gem. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Wertersatz leisten.

Der danach anzulegende Sorgfaltsmaßstab kann durchaus strenger sein als derjenige der eigenüblichen Sorgfalt gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, insbesondere kann die Verantwortlichkeit des Käufers für die Unmöglichkeit der Mangelbeseitigung bereits bei Außerachtlassung der verkehrsüblichen Sorgfalt begründet sein. Darin liegt kein Widerspruch zu der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3. Denn diese 449  Lorenz NJW 2006, 1175 (1777) – Kohler AcP 203 (2003), 539 (551 ff.) versteht „Verantwortlichkeit“ entsprechend § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 als Nichteinhaltung der in eigenen Angelegenheiten üblichen Sorgfalt, wobei seiner Ansicht nach allerdings nicht § 277, sondern ein Maßstab „sui generis“ maßgeblich sei; näher dazu ders. AcP 206 (2006), 683 ff. 450  Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 326 Rn. 109: „Bei einer bloßen Verursachung durch den Käufer, die diesem nicht als ein Zuwiderhandeln gegen den Vertrag anzulasten ist, ist dieser nicht ‚als Gläubiger‘ iS des § 323 Abs. 6 verantwortlich.“; ders. in: FS Huber (2006), 165 (231). 451  Dieses „Phasen-Modell“ dient als Grundlage für die Diskussion darüber, inwieweit ein Ausschluss der Wertersatzpflicht nicht nur bei Zufall, sondern auch bei Einhaltung der eigenüblichen Sorgfalt angemessen sei, ab wann – statt oder neben der Wertersatzhaftung – eine Schadenersatzhaftung des Rücktrittsberechtigten in Betracht komme und welcher Sorgfaltsmaßstab insoweit zur Begründung der Fahrlässigkeitshaftung anzulegen ist. Dazu schon oben: B.III.5.c)iv) (bei und nach Fn. 326). 452 Vgl. Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 437 Rn. 35. 453  Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 326 Rn. 109 (= ders. in: FS Huber (2006), 165 (231).



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Rücktrittsfolge setzt voraus, dass es überhaupt zum Rücktritt kommt. 454 Dies ist wiederum bei behebbaren Mängeln dann nicht der Fall, wenn es am Käufer liegt, dass die Mangelbeseitigung ausgeblieben ist. Es kann somit sein, dass der Käufer im Rahmen des Rücktritts keinen Wertersatz wegen der Verursachung einer Verschlechterung leisten muss, die zum Ausschluss des Rücktrittsrechts geführt hätte, wenn ihretwegen die Nachbesserung unmöglich geworden wäre. Das liegt daran, dass die mangelhafte Sache in diesem Fall gerade als Leistungsgegenstand betroffen ist,455 während in jenem feststeht, dass die Verschlechterung die Leistungspflicht des Schuldners nicht berührt hat.456 Die Störung der eigenen (potentiellen) Rückgewährpflicht, die § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 regelt, unterliegt also anderen Voraussetzungen als die Störung der (aktualen) Leistungspflicht des Vertragspartners, welche die Regelung § 326 Abs. 6 Alt. 1 zum Gegenstand hat. Die vom Gläubiger zu vertretende Unmöglichkeit der Nacherfüllung hat für den Schuldner die gleichen Wirkungen wie die Erfüllung der ihm obliegenden Leistungspflicht oder ein (vorzeitiger) Übergang der Preisgefahr: Sein Anspruch auf die Gegenleistung verfestigt sich, obwohl er die eigene Leistung nicht (mehr) erbringen muss. Dies steht nicht im Widerspruch zu der erfüllungstheoretischen Begründung des Gefahrübergangs, sondern bestätigt diese. Denn der Grundsatz, dass ein untauglicher Erfüllungsversuch nicht geeignet ist, den Gefahrenübergang herbeizuführen, auch wenn der Schuldner die Schlechtleistung haftungsrechtlich nicht zu vertreten hat, unterliegt der Einschränkung, dass 454  Während § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 1 Nrn.  2 und 3 das Problem des Untergangs (und der Verschlechterung) der empfangenen Sache im Rahmen der Rückabwicklung infolge des Rücktritts lösen sollen, regelt § 323 Abs. 6 Alt. 1, sofern der Verkäufer Nachbesserung schuldet, das Problem der Verantwortlichkeit für den Rücktrittsgrund. Dort geht es um die Bewältigung der Rückabwicklung wegen einer anderen Leistungsstörung, hier gewissermaßen um die Vorfrage, ob der Vertrag wegen der anderen Leistungsstörung überhaupt rückabzuwickeln ist. Vgl. die Differenzierung zwischen dem „Ob“ und dem „Wie“ des Rücktritts bei Lorenz in: Karlsruher Forum – Schuldrechtsmodernisierung (2006), S. 90. Demgegenüber ging es „im früheren Recht [§§ 350, 351 a. F.] um die Unzulässigkeit des Rücktritts, weil das vom Empfänger zu vertretende Schicksal des Erlangten es nicht angemessen erscheinen ließ, dass dieser sich durch Rücktritt wieder von den dadurch entstandenen Nachteilen sollte befreien können“; Kohler AcP 203 (2003), 539 (573, vgl. 556–559). 455 Vgl. Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 326 Rn. 109: „Die Zerstörung der Sache muss dem Käufer/Nachbesserungsgläubiger nicht nur als Fahrlässigkeit vorzuwerfen sein, sondern als ein Zuwiderhandeln gegen die vertragliche Obliegenheit, die Sache zum Zweck der Nachbesserung als Substrat für den Verkäufer/Nachbesserungsschuldner bereit zu halten.“ (Hervorhebung d. Verf.). 456  Wenn die Nachbesserung erfolgreich ist, kann der Käufer weitere Verschlechterungen der gelieferten Sache, die in keinem Zusammenhang mit dem Mangel stehen, nicht auf den Verkäufer abwälzen. Deshalb ist jedenfalls bei Vorliegen eines behebbaren Mangels nicht einzusehen, warum der Käufer die Sache anders als jede andere ihm gehörende Sache (d. h. mit einer höheren als der eigenüblichen Sorgfalt) behandeln sollte, sofern sein Handeln nicht die Wirkung hat, dass der Verkäufer die Nachbesserungspflicht erfüllen kann. Der Käufer darf nicht selbst die Voraussetzung dafür schaffen, nicht-mangelbedingte Verschlechterungen durch einen Rücktritt auf den Verkäufer abzuwälzen, weil der Vorrang der Nacherfüllung dem Verkäufer gerade die Chance gibt, diese Folge abzuwenden (und sich den Kaufpreis in voller Höhe zu verdienen). Dazu oben: nach Fn. 353.

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dies nicht gilt, wenn es (allein oder weit überwiegend) am Käufer liegt, dass die Leistung nicht erfüllungstauglich ist (und bleibt). Aus demselben Grund bleibt der Käufer zur Kaufpreiszahlung verpflichtet, wenn der Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht, zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist (§ 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2), und ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn der Umstand, der den Gläubiger zum Rücktritt berechtigen würde, zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist und vom Schuldner nicht zu vertreten ist (§ 323 Abs. 6 Alt. 2).

Wie auch immer man die Verantwortlichkeit des Käufers mit Blick auf die Umstände, die die Unmöglichkeit der Nachbesserung zur Folge haben, bestimmt, ist zu beachten, dass die soeben beschriebenen Wirkungen erst mit dem Eingreifen der „Rücktrittssperre“ nach den §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 6 Alt. 1 eintreten. Nicht bereits im Zeitpunkt der Lieferung der mangelhaften Ware, sondern erst im Zeitpunkt der Vereitelung der Nachbesserung geht demnach die Preisgefahr auf den Käufer über. Bis zu diesem Zeitpunkt steht der vermuteten Weiterentwicklung der Leistungsgefahr beim Verkäufer (durch „Ausdehnung“ der Nachbesserungspflicht auf weitere zufällige Sachverschlechterungen in bestimmten Fällen) also nicht der dogmatische Einwand entgegen, dass die Preisgefahr bereits übergegangen und es deshalb ausgeschlossen sei, dass der Verkäufer weiterhin mit der Leistungsgefahr belastet ist. Nach diesem Zeitpunkt ist dieser Einwand durchaus begründet. Allerdings sind die Fälle, in denen die Preisgefahr wegen Vereitelung der Nachbesserung auf den Käufer übergeht, ohnehin nicht diejenigen, für die eine fortschreitende Belastung des Verkäufers mit der Leistungsgefahr vermutet wird. Denn wenn der Käufer den Mangelunwert umfassend und endgültig selbst beseitigt, so dass eine Nachbesserung durch den Verkäufer ausscheidet (Selbstvornahme), ist es ausgeschlossen, dass die mangelhafte Kaufsache weiteren Schaden nimmt, der noch auf dem Mangelunwert beruht. Wenn der Käufer in vorwerfbarer Weise den Untergang des nachzubessernden Stücks herbeiführt, beruht dieser Untergang gerade nicht auf dem Mangel und kann keine weitere Verschlechterung auftreten. Falls die Nachbesserung infolge eines partiellen Untergangs (des mangelhaften Teils der Kaufsache) oder einer Verschlechterung, die den Nachbesserungsaufwand über die Schwelle der §§ 439 Abs. 3, 275 Abs. 2 hebt, unmöglich wird, kann es zwar zu einer (noch) weiteren mangelbedingten Verschlechterung kommen. Diese ist aber nicht mehr dem Verkäufer zuzurechnen, weil das Dazwischentreten des Käufers den Zurechnungszusammenhang unterbrochen hat. Der Entwicklung der Leistungsgefahr beim Verkäufer vor diesem Zeitpunkt steht also nicht der Einwand entgegen, dass die Preisgefahr schon auf den Käufer übergegangen ist. Und dass der Verkäufer nicht zur Leistung verpflichtet bleibt, nachdem der (einzige) Leistungsgegenstand untergegangen ist, versteht sich von selbst.457 457 

Wie soeben erwähnt (oben bei Fn. 444), funktioniert die „Risikobeschränkung“ des Ver-



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ii)  Rücktrittsausschluss gem. § 323 Abs. 5 S. 2 Eine weitere „Rücktrittssperre“ des reformierten Schuldrechts, bei deren Eingreifen dem Verkäufer das Risiko des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 abgenommen wird und somit der Käufer die Gefahr zu tragen hat, sieht § 323 Abs. 5 S. 2 vor: „Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.“458 In materiell-rechtlicher Hinsicht459 heißt dies, dass der Käufer nur dann zurücktreten und dadurch insbesondere die Anwendung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 begründen kann, wenn der Sachmangel erheblich ist. Diese Erheblichkeitsschwelle dient dem Prinzip der Vertragstreue, indem der Käufer einen Sachmangel nicht zum Anlass dazu nehmen darf, wegen Nichterfüllung vom Kaufvertrag zurückzutreten, wenn er – trotz des Mangels – im Wesentlichen das erhalten hat, was der Verkäufer zu liefern verpflichtet ist.460 Wenn die Verletzung der Leistungspflicht nicht einen erheblichen Schweregrad erreicht, ist der Gläubiger also nicht befugt, die angenommene Leistung nachträglich und rückwirkend als Nichtleistung zu behandeln. Dann wird auch nicht die Gefahr­tragung des Verkäufers gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 aktiviert. Dies setzt allerdings voraus, dass der Käufer die mangelhafte Sache nicht von vorneherein zurückgewiesen hat. Denn nur das durch die Annahme der mangelhaften Sache beim (redlichen) Verkäufer geschaffene Vertrauen darauf, dass seine Leistung im Wesentlichen ordnungsgemäß sei,461 rechtfertigt es, den Käufer, der prinzipiell einen Anspruch auf eine in jeder Hinsicht mangelfreie Sache hat, bei Vorliegen eines unerheblichen Mangels auf das „kleine“ Minderungsrecht zu verweisen, falls die Nachbesserung ausbleibt (§ 441 Abs. 1 S. 2).462 Dann überwiegt nämlich das Abwicklungsinteresse des Verkäufers das Leistungsinteresse des Käufers. Dies wird durch den Wortlaut der Vorschrift bestätigt. Denn „nicht käufers durch die §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 6 Alt. 1 nur in der Situation, in der ein Mangel ausschließlich durch Nachbesserung behoben werden kann. 458  Auch die problematisch erscheinende Gefahrbelastung des Rücktrittsgegners im Fall des § 313 Abs. 3 S. 1 (dazu oben in Fn. 302) lässt sich – außer durch die von der herrschenden Meinung befürwortete teleologische Reduktion des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 – durch eine restriktive Handhabung der Voraussetzungen des Rücktrittsrecht regulieren: Würde der Ausschluss der Wertersatzpflicht zu einer unzumutbaren Belastung des Vertragspartners führen, ist der Rücktritt gemäß § 313 Abs. 3 unzulässig. Vgl. Forst ZGS 2011, 107 (109) – es liege ggf. schon keine Störung der Geschäftsgrundlage vor. 459  In prozess-rechtlicher Hinsicht trägt der Verkäufer nach dem Wortlaut des § 323 Abs. 5 S. 2 freilich die Darlegungs- und Beweislast für die Unerheblichkeit des Mangels. 460  Die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 S. 2 dient damit einem anderen Zweck als diejenige des § 459 Abs. 1 S. 2 a. F. Es handelt sich nicht lediglich um eine „Bagatellschwelle“. Dazu: Otto/Schwarze in: Staudinger (2009) – BGB, § 323 Rn. C-25; Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 323 Rn. 243a, 243e; Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.05.2013) – BGB, § 323 Rn. 39; BGH, Urt. v. 30.05.2014, Az. V ZR 94/13 (= NJW 2014, 3229 ff.). 461  Dies rechtfertigt es auch, dass der Verkäufer nach der Annahme der mangelhaften Sache durch den Käufer wegen solcher Verschlechterungen, die in keiner Beziehung mehr zu der den Mangel begründenden Verletzung der Leistungspflicht stehen, keine Nachbesserung schuldet. Dazu oben: B.III.3.b)iv) und B.III.7.a)iii). 462  Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 433 Rn. 41.

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vertragsgemäß bewirkt“ ist die Leistung nur, wenn der Gläubiger die mangelhafte Kaufsache annimmt.463 Erkennt der Käufer die Mangelhaftigkeit der Kaufsache sogleich, kann er die Annahme ungeachtet des Umstandes, dass der Mangel die Schwelle des § 323 Abs. 5 S. 2 nicht erreicht, verweigern.464 Dies hat zur Folge, dass er das Risiko weiterer Verschlechterungen in keiner Weise zu tragen hat.465

Dies scheint in die Richtung der Lösung zu weisen, die Schilcher (für das österreichische Recht) vorgeschlagen hat und wonach nur solche Sachmängel dem Übergang der Preisgefahr im Wege stünden, die den Vertragszweck vereitelten, weil sie den vertragsgemäßen Gebrauch der Sache verhinderten und den Vertrag daher „rückabwicklungsreif“ stellten.466 Indessen ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Erheblichkeit nach § 323 Abs. 5 S. 2 weder derjenige des hypothetischen Gefahrübergangs noch derjenige der Annahme der mangelhaften Ware, sondern derjenige der Rücktrittserklärung. Man kann daher nicht bereits im Zeitpunkt der Lieferung der Sache abschließend beurteilen, ob der Mangel erheblich ist und zum Rücktritt berechtigt oder nicht. So wie es zugunsten des Verkäufers geht, wenn ein anfänglich erheblicher Mangel vor der Rücktrittserklärung unter die Erheblichkeitsschwelle „gesunken“ ist, sei es durch (teilweise) Nacherfüllung oder dadurch, dass sich der Mangel ohne Zutun des Verkäufers teilweise erledigt hat, geht es zu seinen Lasten, wenn sich ein anfänglich unerheblicher Mangel bis dahin „verschlimmert“ hat,467 und zwar auch dann, wenn diese Verschlimmerung auf einem zufälligen, d. h. nicht vom Käufer zu verantwortenden, Ereignis beruht, durch das sich der Beseitigungsaufwand erhöht (dazu sogleich). Hinzu kommt  – und insbesondere darin unterscheidet sich der Rücktrittsausschluss gem. § 323 Abs. 5 S. 2 auch von demjenigen gem. § 323 Abs. 6 Alt. 1 –, dass auch die zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung getroffene Feststellung, dass der Mangel nicht erheblich ist, kein endgültiger Befund ist, durch den der Käufer sein Rücktrittsrecht verliert. Diese Feststellung schließt es nämlich nicht aus, dass der Käufer zu einem späteren Zeitpunkt ein weiteres Mal und diesmal wirksam den Rücktritt erklären kann, wenn sich der ursprüngliche Mangel bis dahin ausgedehnt hat oder sich die Kaufsache sonst in einer Weise, die noch der Verletzung der Leistungspflicht aus § 433 Abs. 1 S. 2 zuzurechnen ist, weiter verschlechtert hat, so dass die Schwelle des § 323 Abs. 5 S. 2 nunmehr erreicht wird. Dem Verkäufer können (indirekt) sogar solche zufälligen nachträglichen Sachverschlechterungen zur Last fallen, die nicht mehr auf dem ursprünglichen Mangel 463 

Vgl. dazu unten bei Fn. 1166. Zurückweisungsrecht und zur Rücktrittsbefugnis bei Vorliegen eines unerheblichen (behebbaren/unbehebbaren) Mangels unten: B.III.9.c) und B.III.9.d). 465  Dazu oben: B.III.3.b)iv). 466  Schilcher JBl 1964, 395 (409); zur „Rückabwicklungsreife“ wegen Vereitelung des Vertragszwecks durch den Sachmangel bereits: B.II.3.b)ii)3) und B.II.4.a)i)2). 467  Vgl. zum Risiko des „Weiterfressens“ der Mangels in diesem Zusammenhang: Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 437 Rn. 25 mit Verweis auf BGH, Urt. v. 05.11.2008, Az. VIII ZR 166/07 (= NJW 2009, 508), Rn. 19 sowie Skamel ZGS 2009, 399 (400). 464  Zum



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beruhen (und die er deshalb an sich nicht beheben müsste), sich aber auf die Beseitigung desselben auswirken. Denn für die Frage, ob ein Mangel erheblich ist, kommt es insbesondere darauf an, welcher Aufwand zu seiner Beseitigung erforderlich ist.468 Auch wenn die Beeinträchtigung des Leistungsinteresses des Gläubigers nicht identisch ist mit den Beseitigungskosten (oder dem Minderwert oder dem Minderungsbetrag),469 kann die schwere Behebbarkeit eines an sich nicht schwerwiegenden Mangels diesen im Einzelfall zum erheblichen machen470. Diese schwere Behebbarkeit kann sich aber auch erst nach der Lieferung der mangelhaften Sache daraus ergeben, dass die Sache sich (weiter) verschlechtert, ohne dass dies einerseits noch mit dem ursprünglichen Mangelunwert zusammenhängt und andererseits vom Käufer zu verantworten ist. Bleibt die Nachbesserung in solch einem Fall aus,471 steht einem Rücktritt nicht § 323 Abs. 5 S. 2 entgegen. Solche nach der Übergabe der mangelhaften Sache erfolgende Verschlechterungen, die in keinem Zusammenhang mit dem ursprünglichen Mangel stehen, muss der Verkäufer an sich nicht durch Nachbesserung beheben; insoweit trägt der Käufer die Leistungsgefahr („Nachbesserungsgefahr“), wenn und weil er die Sache nicht zurückgewiesen hat.472 Es fällt dem Verkäufer aber zur Last, wenn sich der zur Beseitigung des ursprünglichen Mangels erforderliche Aufwand durch eine derartige (nicht-mangelbedingte) zufällige Verschlechterung erhöht. Dabei ist „Zufall“ nicht zwangsläufig ausgeschlossen, wenn der Käufer eine solche Verschlechterung verursacht hat. Er muss vielmehr verantwortlich sein. Dies setzt voraus, dass er den Mangel kennt und daher um das (potentielle) Bestehen einer Nachbesserungspflicht des Verkäufers sowie darum, dass Veränderungen der Kaufsache dessen Nacherfüllungsaufwand erhöhen können, weiß.473 Ist er dafür verantwortlich, dass ein im Zeitpunkt der Lieferung noch unerheblicher Mangel später die Schwelle des § 323 Abs. 5 S. 2 erreicht (erheblich wird), darf er gem. § 323 Abs. 6 Alt. 1 nicht zurücktreten.474 Ist der Käufer dagegen für diese Umstände nicht verantwortlich, geht dies zu Lasten des Verkäufers, der Käufer darf zurücktreten.

468  Schmidt in: BeckOK (Stand: 01.11.2014) – BGB, § 323 Rn. 39; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 437 Rn. 26. 469  Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 323 Rn. 243 f. 470  Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 437 Rn. 11. 471  Bleibt die Nachbesserung deshalb aus, weil dem Verkäufer infolge einer nicht vom Käufer zu verantwortenden nachträglichen Erhöhung des Nachbesserungsaufwandes das Leistungsverweigerungsrecht gem. § 439 Abs. 3 zusteht, wird der Mangel gerade angesichts des hohen Aufwandes, der zu seiner Beseitigung erforderlich ist, regelmäßig als nicht unerheblich anzusehen sein. 472  Dazu oben: B.III.3.b)iv). 473  So zutreffend Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 20. Dies ergibt sich nach hier vertretener Ansicht aus einer Parallele zu den §§ 323 Abs. 6 Alt. 1, 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1. Dazu bereits: B.III.5.d)i) (bei Fn. 453) sowie noch unten: B.III.7.b)iii)2)(a) (bei Fn. 846). 474  Dazu oben: B.III.5.d)i) (bei Fn. 427). Zur Behandlung des Falls, dass der Käufer dafür verantwortlich ist, dass die Beseitigung eines Mangels sich verteuert oder sogar so teuer wird, dass ein behebbarer Mangel nachträglich als unbehebbar i. S. v. §§ 439 Abs. 3, 275 Abs. 2 anzusehen ist (dazu bereits einleitend B.III.5.d)i) (bei und in Fn. 431) unten: B.III.7.b)iii)2)(a) und B.III.7.b) iii)2)(d).

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

Auch die „Rücktrittssperre“, die § 323 Abs. 5 S. 2 für den Fall der Schlechtleistung aufstellt, spricht also nicht dagegen, dass der Verkäufer derartige weitere Zufallsverschlechterungen der gelieferten Sache noch durch Nacherfüllung beheben muss.

e) Zwischenergebnis Im reformierten Schuldrecht bleibt der Verkäufer bei Lieferung mangelhafter Ware in der Weise mit der Gefahr der Verschlechterung und des Untergangs der gelieferten Sache belastet, dass der Käufer sich wegen des Sachmangels (bzw. wegen seiner Nichtbeseitigung) auch dann durch Rücktritt vom Vertrag von der Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung befreien kann, wenn er zur Rückgabe der gelieferten Sache (im Lieferzustand) nicht imstande ist. Einen von ihm nicht zu vertretenden (d. h. zufallsbedingten) Sachschaden oder -verlust hat er nicht durch Wertersatz auszugleichen. Diese Möglichkeit ist dem Käufer gegeben, wenn und weil die seitens des Verkäufers erbrachte Leistung in erheblichem Umfang hinter dem, was er schuldet, zurückgeblieben ist (vgl. § 323 Abs. 5 S. 2), ohne dass dem Käufer dies aufgrund eines vertragswidrigen Verhaltens zuzurechnen ist (vgl. § 323 Abs. 6 Alt. 1). Der Käufer darf deshalb die Schlechtleistung nachträglich und rückwirkend zurückweisen und insgesamt so behandeln, als habe der Verkäufer überhaupt nicht geleistet. Um dieses Ziel zu erreichen, stellt das Rücktrittsfolgenrecht sicher, dass jedenfalls der Käufer so gestellt wird, wie er stand, bevor er sich auf den vertraglichen Leistungsaustausch eingelassen hat. Deshalb darf er nicht nur den Kaufpreis einbehalten bzw. Erstattung des bereits gezahlten Kaufpreises verlangen (§ 346 Abs. 1), sondern wird auch von den Risiken freigestellt (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3), die er infolge des Abschlusses und der Durchführung des Vertrages eingegangen ist (und nur in der Annahme, dass der Verkäufer seine Leistung vertragsgemäß erbringe, einzugehen bereit war). Die damit spiegelbildlich verbundene Risikobelastung des Verkäufers ist also keine bloße Reflexwirkung des Rücktrittsfolgenrechts, sondern hängt unmittelbar mit dem Grund zusammen, aus welchem dem Käufer bei mangelhafter Leistung das gesetzliche Rücktrittsrecht gegeben ist. Die „Rücktrittssperren“, die dieses Risiko des Verkäufers beschränken (§ 323 Abs. 5, Abs. 6), indem sie das Rücktrittsrecht ausnahmsweise dem Grunde nach ausschließen, greifen nur in denjenigen Fällen ein, für die eine Weiterentwicklung der Leistungsgefahr beim Verkäufer (durch Ausdehnung der Nachbesserungspflicht) ohnehin nicht in Betracht kommt, bzw. greifen gerade in den Fällen nicht, in denen eine fortdauernde Belastung des Verkäufers mit der Leistungsgefahr in Form der „Nachbesserungsgefahr“ vermutet wird. Der dogmatische Einwand, dass der Verkäufer diese Gefahr nicht mehr tragen könne, weil die Preisgefahr bereits auf den Käufer übergegangen sei, verfängt deshalb auch in diesen Fällen nicht. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei noch einmal klargestellt: Mit der Aussage, dass es bei Lieferung mangelhafter Ware nicht zum (effektiven) Übergang der Preisgefahr komme, ist nicht gemeint, dass die Kaufpreisforderung des



5.  Sachliche Veränderungen des Rücktrittsfolgenrechts 

523

Verkäufers wegen einer weiteren zufälligen Verschlechterung oder des zufälligen Untergangs der beim Käufer abgelieferten mangelhaften Kaufsache – nach den allgemeinen Regeln der Gefahr­tragung (§§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1) – „automatisch“ teilweise oder ganz wegfiele oder – nach den Grundsätzen der „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“475 – den Käufer ohne weiteres dazu berechtigte, den Kaufpreis zu mindern oder sich durch Rücktritt vom Vertrag ganz von seiner Zahlungspflicht zu befreien. Die Aussage ist vielmehr zwingend mit dem Zugeständnis verbunden, dass sich allein aus den §§ 434, 437 ff. ergibt, ob und inwieweit sich die fortdauernde Belastung des Verkäufers mit der Preisgefahr auswirkt.476 Der Rechtswert des Befundes, dass die Preisgefahr bei Lieferung mangelhafter Ware nicht auf den Käufer übergeht, ist vielmehr systematischer Natur. Er lässt es zu, zumindest in gewissen Fällen schädliche Entwicklungen der bereits beim Käufer abgelieferten Sache noch dem Verkäufer anzulasten, obwohl er sie nach haftungsrechtlichen Maßstäben nicht zu vertreten hat, und zwar, soweit sich dieser Zufallsschaden mit verhältnismäßigen Mitteln beheben lässt, vorrangig durch die Verpflichtung des Verkäufers zur Nacherfüllung auch insoweit. Wäre die Preisgefahr dagegen schon mit der Übergabe der mangelhaften Ware auf den Käufer übergegangen, und sei es auch nur vorläufig oder bedingt (jeweils abhängig davon, ob der Käufer letztendlich vom Kaufvertrag zurücktritt), wäre eine Verpflichtung des Verkäufers zur Beseitigung von Qualitätsdefiziten, die zufallsbedingt erst nach der Lieferung aufgetreten sind, im Rahmen der Nacherfüllung prinzipiell ausgeschlossen. Denn die Reichweite dieser Verpflichtung ist in systematischer Hinsicht ein Regelungsthema der Leistungsgefahr.477 Die Leistungsgefahr kann aber auf keinen Fall länger auf dem Verkäufer lasten als die Preisgefahr.478 Damit ist freilich nur der Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen Schadensereignisse an der gelieferten Sache noch vom Verkäufer zu überwinden sein können.479 Ob und inwieweit seine Nacherfüllungspflicht auch auf die Beseitigung solcher Schadensereignisse, die zwischen der Lieferung und der endgültigen Erfüllung des Kaufvertrages auftreten, bezogen ist, wie weit die Leistungsgefahr des Verkäufers nach der Ablieferung mangelhafter Ware also tatsächlich reicht, soll im weiteren Verlauf dieser Arbeit aus dem Sinn und Zweck des Nacherfüllungsanspruchs heraus erschlossen werden.

475  Damit meint Ernst freilich nur die Mängelpflicht des Verkäufers für solche Sachmängel, die aufgrund einer zufälligen Sachverschlechterung zwischen dem Kaufabschluss und der Lieferung aufgetreten sind. 476  Dazu bereits: B.II.4.c)iv). 477  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (165), dazu auch bereits oben: B.III.2. 478  Dazu bereits: A.3.b)i) und A.3.c). 479  Vgl. dazu bereits: B.III.5.c)iv)3)(b).

524

B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

6. Ersatzlieferungsgefahr Der Begriff der Ersatzlieferungsgefahr besagt, dass der Verkäufer zumindest480 im Mangelfall, d. h. wenn feststeht, dass die zur Erfüllung eingesetzte Sache nicht die geschuldete Beschaffenheit aufweist, zur Ersatzlieferung verpflichtet ist.481 Das spezifische Risiko, das mit der Ersatzlieferung verbunden ist und es rechtfertigt, insbesondere in Abgrenzung von der „Nachbesserungsgefahr“ von der „Ersatzlieferungsgefahr“ zu sprechen, liegt darin, dass der Verkäufer nicht nur bei Auftreten behebbarer Sachverschlechterungen zur (Nach-)Erfüllung verpflichtet, sondern ihn auch das Auftreten einer irreparablen Verschlechterung (einschließlich der Fälle, in denen er die Nachbesserung gem. § 439 Abs. 3 verweigern darf) oder der Umstand, dass ein zunächst reparabler Mangel aus Gründen, für die der Käufer nicht allein oder weit überwiegend verantwortlich ist, irreparabel wird, nicht von der Verpflichtung zur (Nach-)Erfüllung befreit.482 Der Verkäufer muss zur Beschaffung einer Ersatzsache im Falle eines Sachmangels mitunter erheblichen zusätzlichen Aufwand betreiben, für den er (über den vereinbarten Kaufpreis hinaus) keine zusätzliche Gegenleistung erhält.483 Der Aufwand zur Beschaffung einer erfüllungstauglichen (Ersatz-)Sache am Markt kann sich in der Zeit zwischen dem Vertragsschluss und dem Ersatzlieferungsverlangen erhöht haben, so dass der Aufwand der Leistung (durch Ersatzlieferung) letztlich viel höher ist als ursprünglich geplant und „eingepreist“.484 Hinzu kommt, dass der Aufwand des ersten, untauglichen Erfüllungsversuchs grundsätzlich in vollem Umfang frustriert ist, weil der Käufer nur ausnahmsweise wegen einer bei ihm eingetretenen Verschlechterung oder eines bei ihm eingetretenen Untergangs der mangelhaften Sache Wertersatz (bemessen an dem vereinbarten Kaufpreis, in den der Verkäufer außer dem Wert der Kaufsache auch seinen ursprünglich erwarteten Erfüllungsaufwand einkalkuliert haben wird)485 leisten muss (§§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, S. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 3). Sachschäden, die bei Erfüllung unter Einsatz der zuerst gelieferten Sache (ggf. erst durch Nachbesserung) dem Käufer zur Last gefallen wären, fallen in diesem Zusammenhang auf den Verkäufer zurück. Daraus folgt aber keine prinzipielle Aussage über die Reichweite der Nacherfüllungspflicht oder über die Verteilung 480  Ob dies auch für den Fall des Untergangs gelten soll, hängt vom Parteiwillen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ab. Dazu unten: B.III.6.a)iv), insbesondere bei Fn. 691. 481  Skamel – (2008) – Nacherfüllung, S. 26, 46 f., 153 f. 482 Vgl. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 26 f., 49 f., 142 f., 147, 153 f. Dazu und zum Folgenden bereits: B.III.2.b)ii). 483  Dazu bereits: B.III.2.b)ii). 484  Dieses Risiko geht der Verkäufer beim Abschluss eines (unbeschränkten/marktbezogenen) Gattungskaufs typischerweise ein. Sofern der Verkäufer abseits des Gattungskaufs dem Grunde nach zur Ersatzlieferung verpflichtet ist (zu den Voraussetzungen sogleich: B.III.6.a)ii)), ist fraglich, wie das Risiko der Erhöhung des (Ersatz-)Beschaffungsaufwandes auf ein zumutbares Maß beschränkt werden kann. Dazu: B.III.6.a)iii). 485  Auch dazu bereits: B.III.2.b)ii).



6. Ersatzlieferungsgefahr

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der Leistungsgefahr bei der Ersatzlieferung.486 § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 ordnet nicht an, dass der Verkäufer bei der Nacherfüllung durch Ersatzlieferung auch nichtmangelbedingte zufällige Verschlechterungen der gelieferten mangelhaften Sache, die beim Käufer eingetreten sind, als solche beheben müsste.487 Dass die Ersatzlieferung im praktischen Ergebnis darauf hinausläuft, liegt daran, dass sie einen anderen Leistungsgegenstand hat als die Nachbesserung, weil der Verkäufer seine volle Leistung erneut488 (aber diesmal mangelfrei) erbringen muss489 und dazu eine andere Sache als diejenige, die er bei seinem ersten (untauglichen) Erfüllungsversuch verwendet hat, einsetzt. Deshalb erhält der Käufer durch die Ersatzlieferung ein qualitativ in jeder Hinsicht vollkommenes Stück. Dass dabei auch solche Qualitätsdefizite behoben werden, mit denen der Verkäufer dann, wenn er seine Pflicht zur sachmangelfreien Leistung an der bei dem ersten Erfüllungsversuch verwendeten Sache (durch Nachbesserung) erfüllen würde, nichts zu tun hätte, ist eine bloße Nebenwirkung. Solche Verschlechterungen lösen die Ersatzlieferungspflicht aber nicht aus, stellen also selbst kein Leistungshindernis dar, das der Verkäufer zur Erfüllung überwinden müsste.490 Denn sie treten an der Sache auf, die als Leistungsgegenstand disqualifiziert ist. Dass sie „mitbehoben“ werden, verursacht nicht einmal einen zusätzlichen Aufwand, weil der Verkäufer aus einem anderen Grund491 und aus einem anderen Anlass, nämlich wegen des festgestellten Sachmangels, ohnehin eine komplett mangelfreie Sache liefern muss. Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen es gerechtfertigt ist, dass der Käufer bei Vorliegen eines Sachmangels erneut eine „Vollleistung“ verlangen kann, für die der Verkäufer in vollem Umfang die Gefahr trägt, anstatt sich mit dem reduzierten Leistungsumfang der Nachbesserung („Restleistung“) zufrieden geben zu müssen, und dass den Verkäufer die soeben angesprochenen Belastungen und Nachteile treffen. Typischerweise ist dies beim Gattungskauf der Fall, bei dem der Verkäufer die Verpflichtung übernimmt, ohne Rücksicht auf den dazu erforderlichen (Beschaffungs-)Aufwand Ware einer bestimmten Qualität zu liefern, 486 

Lorenz/Bauer 487 Vgl. Faust in:

in: FS Kropholler (2008), 59 (65 f.). BeckOK (Stand: 01.08.2014)  – BGB, § 439 Rn. 16: Es gehe „weniger darum, den Käufer vor den Folgen [von Verschlechterungen, die von dem Sachmangel unabhängig sind] zu bewahren, als darum, ihm nicht als Folge der Verschlechterung entweder den betreffenden Rechtsbehelf zu versagen oder eine Zahlungspflicht aufzuerlegen.“ Zust. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 82 f. 488  Dogmatisch betrachtet ist diese Formulierung allerdings ungenau. Dazu bereits A.3.a)i) (in Fn. 70). 489  Nach Dieckmann hat der Käufer die Wahl zwischen der „Vollleistung“ (Ersatzlieferung) und „Restleistung“ (Nachbesserung), wenn sein Anspruch auf sachmangelfreie Leistung gem. § 433 Abs. 1 S. 2 wegen Lieferung mangelhafter Ware insgesamt unerfüllt ist. Dazu bereits: B.III.2.b)i) (in: Fn. 108) und noch: B.III.7.a)iii)1)(a), B.III.7.a)iii)1)(b). 490 Vgl. Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (65): „Die in § 346 Abs. 3 Nr. 3 geregelte Frage, wer das Risiko des Wertverlusts bei der Rückgewähr einer zufällig verschlechterten Sache tragen soll, hat mit dem Umfang der Nacherfüllungspflicht des Verkäufers … nichts zu tun.“ 491  Zu den Voraussetzungen der Ersatzlieferung und damit dem Anwendungsbereich der Ersatzlieferungsgefahr: B.III.6.a).

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

und selbstverständlich an dieser Verpflichtung festgehalten wird, wenn sich die gelieferte Ware als vertragswidrig erweist; die Übernahme der damit verbundenen Belastungen und Risiken wird bei diesem Geschäft regelmäßig von vorneherein bei der Kaufpreisbildung berücksichtigt.492 Die Regelung des § 439 Abs. 1 Alt. 2, die eine Nacherfüllung durch Ersatzlieferung vorsieht, setzt den Abschluss eines Gattungskaufs allerdings nicht voraus. Fraglich ist daher der Anwendungsbereich der Ersatzlieferungsgefahr.

a)  Anwendungsbereich der Ersatzlieferungsgefahr, insbesondere zu der Frage der Ersatzlieferung beim Stückkauf Die Zuweisung der Ersatzlieferungsgefahr zum Verkäufer setzt zuerst voraus, dass die Ersatzlieferung als Nacherfüllungsmethode überhaupt „in Betracht zu ziehen“493 ist. Dies ist der Fall, wenn außer der gelieferten mangelhaften Sache (mindestens) eine andere Sache erfüllungstauglich und der Verkäufer verpflichtet ist, diese/solch eine Sache zu beschaffen. Diese Voraussetzungen sind beim Gattungskauf (vor der Konkretisierung) idealtypisch erfüllt. Inwieweit sich die Frage stellt, ob sie auch beim Stückkauf (und beim Gattungskauf nach der Konkretisierung) erfüllt sein können, hängt maßgeblich davon ab, wie man den Gattungskauf definiert, namentlich davon, welche Bedeutung man ggf. dem Umstand, dass die Parteien beim Vertragsschluss auf eine bestimmte präsente Sache Bezug nehmen, beimisst. Die Schuldrechtsreform hat den Stückkauf nicht „abgeschafft“. Allerdings gibt der Stückkauf nicht mehr das Leitbild des Kaufrechts ab und ist so, wie er vor der Reform ausgeformt war (als reine Abgabeschuld mit bloßer Gewährleistungspflicht des Verkäufers bei Vorliegen von Sachmängeln)494 im Gesetz überhaupt nicht mehr vorgesehen.495 Wenn es im Folgenden darum geht, unter welchen Voraussetzungen beim „Stückkauf“ eine Ersatzlieferung als Nacherfüllungsvariante in Betracht kommt, sind damit in einem denkbar weiten Sinne all diejenigen Fälle gemeint, in denen die Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf ein konkretes real-körperliches Stück Bezug genommen haben, also wenigstens nach den äußeren Umständen ein bestimmtes Stück verkauft ist.

i) Problemstellung Darauf kommt es vor allem in der Fallgruppe des Kaufs im Selbstbedienungsladen an, die sich dadurch auszeichnet, dass der Käufer aus einem Vorrat ein bestimmtes Stück selbst aussucht, an der Kasse vorlegt und bezahlt.496 In aller Regel liegen 492 

Dazu schon: B.III.2.b)ii). darüber diskutiert wird, unter welchen Voraussetzungen die Ersatzlieferung (beim Stückkauf) „in Betracht kommt“, „möglich“ oder „zulässig“ ist, zeigt sich bereits in den Formulierungen das erhebliche Maß an Unsicherheit darüber, von welchem Ausgangspunkt das Problem anzugehen ist. 494  Dazu: B.III.1.c)i). 495  Dazu: B.III.1.c)ii). 496 Dazu: Kandler (2004) – Kauf, S. 469  f., 513; Schürholz (2005) – Nacherfüllung, 493  Wenn



6. Ersatzlieferungsgefahr

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dieser Form des Warenkaufs vertretbare, d. h. nach objektiven Kriterien austauschbare (vgl. § 91), Sachen zugrunde. Wird bei Vorlage des ausgesuchten Stücks an der Kasse – wirklich – ein Stückkauf geschlossen? Ist ggf. gleichwohl eine Ersatzlieferung gem. § 439 Abs. 1 Alt. 2 zulässig, wenn das ausgesuchte Stück sich als mangelhaft erweist? Und wenn ja, worin ist dies begründet? Darin, dass es sich lediglich „der äußeren Form nach“ um einen Stückkauf handelt und der Abschluss des Geschäfts als Stückkauf „(verkaufs-)systembedingt“497 ist, dass es sich bei der Ware nach der Verkehrsanschauung um eine vertretbare Sache handelt,498 dass es nach dem Parteiwillen nicht (unbedingt) auf das bestimmte Stück ankommt und dieses daher austauschbar ist499, oder darin, dass qua gesetzlicher Anordnung die Ersatzlieferung in aller Regel alternativ zur Nachbesserung geschuldet ist, sofern nur eine andere vertragsgemäße Sache beschafft werden kann (was jedenfalls beim Verkauf vertretbarer Sachen stets der Fall ist), und allein das Maß des dazu notwendigen Aufwandes der Leistungspflicht des Verkäufers eine Grenze zieht500? Illustrativ dafür, wie schwierig es sein kann, Stück- und Gattungskauf voneinander abzugrenzen, ist der Fall, dass der Kunde eines schwedischen Einrichtungshauses einen Stuhl selbst aus dem Regal nimmt, zur Kasse bringt und bezahlt, während er den (einen) passenden Tisch nur unter Verweis auf die Artikelnummer bezahlt und erst später an der Warenausgabe ausgehändigt bekommt.501 Nach einer, der wohl herrschenden, Ansicht schließt die Individualisierung eines bestimmten Stücks beim Kaufabschluss die Annahme eines Gattungskaufs aus, weil gerade in der (individuellen) Unbestimmtheit des Leistungsgegenstandes das wesentliche Charakteristikum der Gattungsschuld liege.502 Solch ein enges S. 131 ff.; Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 263 ff.; Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 141 f.; Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 23, 27; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 433 Rn. 30, § 439 Rn. 29; Tiedtke/Schmitt DStR 2004, 2016 (2020); Musielak NJW 2008, 2801 (2806); Oechsler NJW 2004, 1825 (1829); Schulze AcP 201 (2001), 232 ff. 497  Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 133; Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 267. 498  Vgl. Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 63. 499  Insoweit werden verschiedene Begründungen vertreten, auf die im Folgenden z. T. noch ausführlicher einzugehen sein wird: Das ausgewählte Stück diene ggf. lediglich als „Repräsentant“ einer Gattung; Ernst in: FS Huber (2006), 165 (201); dazu auch Fn. 505. Der Wille der Parteien zum Austausch der mangelhaften Ware sei anzunehmen, wenn der Verkäufer seine Leistungspflicht mit einer gleichartigen und gleichwertigen Sache erfüllen könne, Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 439 Rn. 11 f.; Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 208. Es fehle den Parteien an dem „besonderen Individualisierungsinteresse“; Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 168 f. Die Individualisierung des „primären“ Leistungsgegenstandes sei nach dem Parteiwillen durch den „Mangelfall“ auflösend bedingt; Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 17, 19 ff. Oder die Parteien hätten von vorneherein die Ersetzbarkeit der Primärleistung eingeplant; Canaris in: FS Westermann (2008), 137 ff. 500 Vgl. Bitter ZIP 2007, 1881 ff. 501  Zu diesem Beispiel, das Ackermann JZ 2002, 378 (381 f.) gebildet hat: Kandler (2004) – Kauf, S. 469 f.; Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 134, 137; Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 260; Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 23 f., 24 f.; Picker in: FS Konzen (2006), 687 (715); ders. in: FS Westermann (2008), 583 (601); vgl. Musielak NJW 2008, 2801 (2806). 502  Kandler (2004) – Kauf, S. 469; Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 123–125; Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 264, 306; Ernst ZEuP 1999, 583 (588 f.); Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (139–143).

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

Verständnis erhöht die Dringlichkeit einer Diskussion über die Voraussetzungen der Zulässigkeit der Ersatzlieferung beim Stückkauf oder die Etablierung einer neuen Kategorie des (Stück-)Kaufs, dem ein Platz zwischen oder neben den hergebrachten Kategorien von Stück- und Gattungskauf zugewiesen ist („mit dem Gattungskauf funktional vergleichbarer Stückkauf“503, „Stückkauf in Form der konkretisierten Gattungsschuld“504, „einem Gattungskauf gleichstehender Stückkauf“505, „[Kauf]Vertrag mit ersetzbarer Primärleistung“506). Soweit man hingegen der Meinung ist, dass die Präsenz eines bestimmten realkörperlichen Stücks beim Vertragsschluss die Annahme eines Gattungskaufs nicht zwingend ausschließe,507 kann man (vermeintliche) Fälle des Stückkaufs, bei denen eine Ersatzlieferung sachgerecht/angemessen/„wünschenswert“ erscheint – wie im Beispiel den Kauf des Stuhls –, als Gattungskäufe „entlarven“ („unechter Stückkauf“508, „verdeckter Gattungskauf“509 oder „erweiternde Qualifikation des Gattungskaufs“510).511 Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die Spezifizierung des Leistungsgegenstands häufig auch „nur ein Ersatz für die in vielen Lebenssituationen unpraktikable Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 I 1 BGB [sei]: Statt mit dem Verkäufer (etwa in einem Selbstbedienungsladen) über die gewünschten Beschaffenheitsmerkmale im Einzelnen zu verhandeln, wählt der Käufer ein bestimmtes, vertrauenserweckendes Gattungsexemplar aus dem Angebot des Verkäufers aus und bringt auf diese Weise zum Ausdruck, was er an Erfüllungsbemühungen vom Verkäufer erwartet“.512

503 

Oetker/Maultzsch (2013) – Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2. 201–207. Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 174. 505  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (201, 203): der Verkäufer sei „beim Spezieskauf“ (!) zur Ersatzlieferung verpflichtet, „wenn die Kaufsache zwar beim Vertragsschluss individualisiert wurde, wenn die individualisierte Sache vom Käufer aber nur als Repräsentant einer Gattung erworben wird und der Verkäufer Sachen der gleichen Gattung in größerer Zahl abzusetzen hat.“, Hervorhebung d. Verf. Zu dem Gedanken, dass das beim Vertragsschluss vorliegende Stück lediglich die entsprechende Gattung repräsentiere, gleichsam als „Demonstrationsobjekt“ diene: Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 266; Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 24; Oechsler NJW 2004, 1825 (1829); Picker in: FS Westermann (2008), 583 (591); Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (142). 506  Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (140 ff.). 507  Ackermann JZ 2002 378 (381); Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 140–146, 245; vgl. Picker in: FS Konzen (2006), 687 (715); Tiedtke/Schmitt DStR 2004, 2016 (2020); Musielak NJW 2008, 2801 (2806); vgl. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 24; noch zum alten Recht: Schulze AcP 201 (2001), 232 (235–238); weitere Nachweise bei Bitter ZIP 2007, 1881 (1883 Fn. 13). 508  Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 136, 167, 245, 246. 509  Donou (2006) – Erfüllung und Nacherfüllung, S. 52, 55. 510  Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 263 a. E., 271 f. 511 Vgl. Picker in: FS Konzen (2006), 687 (715); Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (139–143); Musielak NJW 2008, 2801 (2806): „Nicht wenige Meinungsunterschiede ließen sich beseitigen, wenn man sich über die genaue Definition des Begriffs des Stückkaufs verständigen würde.“ 512  Oechsler NJW 2004, 1825 (1829); vgl. Gsell JuS 2007, 97 (101). 504 



6. Ersatzlieferungsgefahr

529

Es ist allerdings zweifelhaft, dass sich bei Zugrundelegung solch eines weiten Verständnisses alle Fälle, in denen eine Ersatzlieferung sachgerecht/angemessen/ „wünschenswert“ erscheint, als Gattungskauf erfassen lassen.513 Beim Kauf von Frischobst im SB-Markt z. B.514 kann kaum die Rede davon sein, dass es dem Käufer, der nach sorgfältiger Prüfung etwa eine besonders saftige Mango ausgesucht hat, beim Vertragsschluss nicht gerade auf dieses Stück angekommen sei.515 Hier bedarf zunächst der Klärung, unter welchen Voraussetzungen eine Ersatzlieferung überhaupt sachgerecht/angemessen/„wünschenswert“ ist, wenn sich das ausgesuchte Stück als mangelhaft erweist. Diese Frage ist, wie bereits eingangs angedeutet, in zwei Schritten zu beantworten: Erstens muss eine Ersatzsache existieren, die gelieferte (mangelhafte) Sache also „ersetzbar“ oder „austauschbar“ sein. Zweitens muss es dem Verkäufer zuzumuten sein, sich in die Lage zur Ersatzlieferung zu versetzen, etwa durch Beschaffung der/einer Ersatzsache am Markt.516 Diese beiden Ebenen werden in der Diskussion nicht immer sauber auseinander gehalten und häufig ist bereits die Überlegung, ob die Ersatzlieferung an sich „möglich“ im Sinne von (faktisch) machbar ist,517 von normativen Erwägungen, ob der dazu notwendige Aufwand dem Verkäufer zuzumuten sei, überlagert. Dies geschieht unter der Prämisse, dass die Pflicht zur Ersatzlieferung gem. § 439 Abs. 1 Alt. 2 ihrer Natur nach Gattungsschuld (und der zumutbare Beschaffungsaufwand dementsprechend hoch anzusetzen) sei. So meint etwa Canaris518, dass der Parteiwillen dafür maßgeblich sei, ob die Primärleistung ersetzbar sei, während § 439 Abs. 1 Alt. 1 einzig für den Tatbestand, dass die Ersetzbarkeit (privatautonom) gewollt ist, als eine den Vertrag ergänzende Regelung des objektiven Rechts die Rechtsfolge der Ersatzlieferung anordne. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass das „Erfordernis der Beschaffung einer Ersatzsache … den Verkäufer mit erheblichen Kosten und Risiken belasten“ könne, wird die postulierte Trennung von Tatbestand und Rechtsfolge dann aber gerade nicht eingehalten. Canaris räumt nämlich ein, dass „der Zusammenhang zwischen dem (Tatbestands-)Merkmal der Vereinbarung der Ersetzbarkeit der Primärleistung und den gesetzlichen Rechtsfolgen des Anspruchs auf Ersatzlieferung sowie des Rechts 513  Picker in: FS Westermann (2008), 589 (615 f.). Auch wenn beide „Lehren“ (weites und enges Verständnis vom Gattungskauf) in praktischer Hinsicht oft zu gleichen Ergebnissen gelangen, kommt es zumindest bei der Erfassung von Kaufverträgen über individuell bestimmte (objektiv) vertretbare Sachen zu Divergenzen, dazu: Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 151–154; Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 271 f. 514 Dazu: Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 128, vgl. 133 f., 135, 136 f., 154, 160, 164; Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 143 f.; Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 268, vgl. 271 f., 300; Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (142); Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 27. 515  Canaris in: FS  Westermann (2008), 137 (142): Am Vorliegen eines Stückkaufs könne deshalb kein ernsthafter Zweifel bestehen; a. A. Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 143 f.: Keinesfalls komme es dem Käufer auf das konkrete Obststück an, er wolle durch seine Auswahl lediglich vermeiden, eine mangelhafte Frucht zu erhalten. 516 Vgl. Bitter ZIP 2007, 1881 (1884 f., 1888 f.). 517  Zur Bedeutung des Begriffs der Unmöglichkeit in diesem Zusammenhang noch unten bei und in Fn. 544. 518  FS Westermann (2008), 137 (147, 151).

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

der zweiten Andienung … ungewöhnlich eng“ sei. Die Ersetzbarkeit der Primärleistung lasse sich, auch wenn der (durch erläuternde oder ergänzende Auslegung) ermittelte Parteiwille nicht geradezu auf diese Rechtsfolgen gerichtet sein müsse, regelmäßig nicht überzeugend bejahen, „ohne dabei die Angemessenheit dieser Rechtsfolgen in den Blick zu nehmen“.519   Nimmt man an, dass der Aufwand der Nacherfüllung/Ersatzlieferung dann, wenn man eine entsprechende Pflicht erst einmal bejaht hat, sich auf der „Rechtsfolgenseite“ nicht mehr auf ein der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung angemessenes Maß beschränken lasse, bedarf es gewisser Korrekturen, die auf der „Tatbestandsebene“ vorgenommen werden müssen. Dies wiederum führt direkt in die zirkuläre Argumentation, dass das „Ob“ der Ersatzlieferung zwar vom Parteiwillen abhänge, das „Wie“ dagegen gesetzlich angeordnet sei, man aber bei der Ermittlung des Parteiwillens, ob eine Ersatzlieferung vernünftigerweise gewollt sei, immer auch auf die Rechtsfolgen zu „schielen“ habe. Dies stützt die These Pickers520, dass die „Ursache allen Streits über den Anspruch auf Nachlieferung letztendlich in dem Mangel eines materialen rechtlichen Grundes [für den Nacherfüllungsanspruch]“ liege und dass dieses „Legitimationsdefizit“ bei der Nachbesserung nur weniger ins Auge springe, weil die Änderung des Vertragsinhalts wegen der Identität des Leistungsobjekts nicht offensichtlich sei.

Aus der Annahme, dass die Pflicht zur Ersatzlieferung gem. § 439 Abs. 1 Alt.  2 ihrer Natur nach Gattungsschuld sei, ergibt sich auch der Haupteinwand gegen die Ersatzlieferung beim Stückkauf, dass dadurch eine vertraglich vereinbarte Stückschuld im Rahmen der Nacherfüllung kraft Gesetzes zur Gattungsschuld werde521 und dass dies das Prinzip der Privatautonomie verletze. Dabei kann der Umstand, 519  Fraglich ist, warum Canaris die Ersatzlieferungspflicht überhaupt als eine durch den Parteiwillen lediglich „ausgelöste“ Pflicht „aus dem Gesetz  – nämlich aus § 439 Abs. 1 Alt.  2“ begründet, anstatt sie unmittelbar auf die Parteivereinbarung zurückzuführen. Offenbar geht es darum, die Vorschrift des § 439 Abs. 1 so auszulegen, dass sie bei der Ersatzlieferung dieselbe Funktion hat, die ihr bei der Nachbesserung zwingend zukommen soll. Träte die „Rechtsfolge“ der Verpflichtung zur Ersatzlieferung gem. § 439 Abs. 1 Alt. 2 nur ein, wenn und weil die Parteien die „Ersetzbarkeit“ der verkauften Sache vereinbart haben, wäre es konsequent, die „Rechtsfolge“ der Verpflichtung zur Nachbesserung gem. § 439 Abs. 1 Alt. 1 davon abhängig zu machen, dass die Parteien autonom – d. h. grundsätzlich unabhängig von der objektiven/technischen „Machbarkeit“ einer Reparatur – die „Reparierbarkeit“ der verkauften Sache vereinbaren (zur Möglichkeit der Parteien, die „juristische Unbehebbarkeit“ sämtlicher Mängel zu vereinbaren und auf diese Weise die für den Stückkauf nach dem BGB a. F. geltende Rechtslage herzustellen: Ernst in: FS Huber (2006), 165 (204 f.)). Canaris geht allerdings davon aus, dass der Verkäufer sich der Verpflichtung zur Nachbesserung aus § 439 Abs. 1 Alt. 1 keinesfalls entziehen könne, dass diese Pflicht grundsätzlich bei jedem Stückkauf und bei der Gattungsschuld (anders als der Anspruch auf Ersatzlieferung) sogar noch nach der Konkretisierung bestehe. Wenn aber die Belastung des Verkäufers mit der Nachbesserung und dem dazu notwendigen Aufwand (bis zur Grenze des § 439 Abs. 3) nicht unmittelbar auf den Parteiwillen, genauer: darauf, dass der Verkäufer eine entsprechende Verpflichtung vertraglich übernommen und den dazu notwendigen Aufwand versprochen hat, zurückgeführt wird, muss § 439 Abs. 1, Abs. 3 zumindest insoweit als eine objektivrechtliche Anordnung verstanden werden. Dann wäre es aber inkonsequent, nur die erste Alternative des § 439 Abs. 1 dementsprechend zu deuten. Das dürfte der Grund dafür sein, dass auch die Ersatzlieferung, obgleich zumindest hinsichtlich des „Ob“ material mit dem Parteiwillen begründet, formal auf § 439 Abs. 1 (Alt. 2) zurückgeführt wird. Mit anderen Worten zwingt die Auffassung, dass die Nachbesserungspflicht eine gesetzlich angeordnete Rechtsfolge sei, dazu, auch die Ersatzlieferung als gesetzlich angeordnete Rechtsfolge zu begreifen. 520  FS Westermann (2008), 583 (594). 521  Picker in: FS Westermann (2008); 583 (589, 605, 609, 613); von einer „Haftungsfalle“



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dass der Verkäufer zur (Nach-)Erfüllung eine andere Sache liefern muss, die er sich zunächst zu beschaffen hat, für sich allein genommen die Ersatzlieferungspflicht allerdings genau so wenig zur Gattungsschuld machen wie der Umstand, dass beim Vertragsschluss eine bestimmte Sache präsent war, der Annahme einer Gattungsschuld zwingend entgegenstünde. Denn wesentlich für die Gattungsschuld ist außer dem Umstand, dass der Schuldgegenstand nach dem Parteiwillen beim Geschäftsabschluss noch nicht (endgültig) individualisiert ist, die vertragliche Übernahme grundsätzlich unbeschränkten Beschaffungsaufwandes durch den Schuldner. Historisch betrachtet wurde das Geschäft, das heute als Gattungskauf angesprochen wird, vor allem über die Merkmale mangelnder Warenverfügbarkeit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (Leerverkauf), was die Beschaffung der bestellten Ware als Vorbereitungshandlung der Lieferung notwendig machte, sowie des Auseinanderfallens der Zeitpunkte der Verpflichtung und Erfüllung, insbesondere des Aufschubs der Erfüllung des (Lieferungs-) Geschäfts auf einen ganz bestimmten Zeitpunkt, zu dem die Ware verfügbar sein soll (Termingeschäft), isoliert.522 Die Sichtweise, das wesentliche Charakteristikum der Gattungsschuld bestehe darin, dass das Schuldobjekt zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (noch) nicht realkörperlich individualisiert, sondern, wie § 243 Abs. 1 es beschreibt, „nur der Gattung nach bestimmt“ ist, ist erst in jüngerer Zeit vorherrschend geworden.   Im Rahmen der frühestens Bestrebungen, das Schuldrecht des BGB von 1900 zu reformieren, führte dieses Verständnis zu der bereits erwähnten523 Stellungnahme Hubers, dass die unzureichende Erfassung des Gattungskaufs und des Werklieferungsvertrags über vertretbare Sachen historisch bedingt sei, und zwar dadurch, dass bis zum Beginn des Industriezeitalters naturgemäß der Stückkauf dominiert habe. Dem hielt, wie ebenfalls bereits erwähnt524, Jakobs525 seinerzeit treffend entgegen, dass die Unterscheidung von Stückund Gattungsschuld davon abhänge, welchen Leistungserfolg und welchen Aufwand zu seiner Erreichung der Schuldner nach dem Inhalt der von ihm übernommenen Verpflichtung schuldet (und nicht von der „Natur der Sache“, deren Verschaffung er versprochen hat). Konstituierend für die Gattungsschuld ist demnach nicht das Merkmal der objektiven Austauschbarkeit (Ersetzbarkeit, Vertretbarkeit, Machbarkeit) des Leistungsgegenstandes, sondern die Übernahme prinzipiell unbeschränkten Leistungsaufwandes zur Beschaffung eines zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht (abschließend/unbedingt) realkörperlich individualisierten, sondern vielmehr idealtypisch-abstrakt (nach Qualitätsmerkmalen) bestimmten Leistungsobjekts. Einer („reinen“) Gattungsschuld liegt also notwendigerweise die Übernahme eines Beschaffungsrisikos durch den Schuldner zu Grunde. Das heißt aber nicht im Umkehrschluss, dass der Stückschuldner nicht auch unbedingten Aufwand zur Beschaffung übernehmen könnte. Dass dies bereits bei Entstehung des BGB keine Selbstverständlichkeit mehr war, kam in der Regelung des § 279 a. F. zum Ausdruck, die schon bald als zu restriktiv erkannt wurde, weil sie das unbedingte Einstehenmüssen des Schuldners notwendig und ausschließlich mit der Gattungsschuld verband und dabei außer Acht ließ, dass durchaus auch der Schuldner eines bestimmten Stücks hinsichtlich desselben ein Beschaffungsrisiko übernommen haben kann.526 für den Verkäufer sprechen Ackermann JZ 2002 378 (379); Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 160, 163. 522  Ausführlich dazu Ernst ZEuP 1999, 583 ff.; Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 123–125. 523  Dazu oben bei Fn. 67. 524  Dazu oben bei Fn. 69. 525  Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 81 mit Fn. 160. 526 Dazu: Schermaier in: HKK (2007) – BGB, § 275 Rn. 51, §§ 276–278 Rn. 100 (bei und in Fn. 903).

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Man darf deshalb einerseits die Frage der Zumutbarkeit des erforderlichen Beschaffungsaufwandes nicht auf die Frage der Ersetzbarkeit des Leistungsgegenstandes vorwirken lassen.527 Denn dies würde dem Verkäufer die Möglichkeit nehmen, sich den Kaufpreis durch einen überobligatorischen Aufwand zu verdienen. Würde man hier wegen des hohen Aufwands die Ersatzlieferung für ausgeschlossen halten, müsste der Käufer sich nämlich nicht darauf einlassen, selbst wenn sein Leistungsinteresse durch Lieferung einer gleichwertigen Sache befriedigt würde.528 Andereseits darf man nicht den Befund, dass der Leistungsgegenstand im Einzelfall ersetzbar ist, auf die „Primärebene“ zurückwirken lassen, indem man daraus den (Fehl-)Schluss zieht, der zugrunde liegende Kaufvertrag müsse als Gattungskauf qualifiziert werden. Denn dies ließe eine (der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung) angemessene Beschränkung des Nacherfüllungs-/Ersatzlieferungsaufwandes529 nicht mehr zu. Es nähme den Parteien außerdem die Möglichkeit, bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine bestimmte Sache zumindest als „primären“ Erfüllungsgegenstand (vorläufig) festzulegen.530 Die Frage, ob der Vertrag wenigstens auf der Sekundärebene (d. h. insbesondere im Rahmen der Nacherfüllung bei Vorliegen eines Sachmangels)531 durch Lieferung einer anderen Sache erfüllt werden kann, ist deshalb getrennt von der Frage zu beantworten, welchen Aufwand dies erfordert und ob dem Schuldner dieser Aufwand zuzumuten ist.

ii)  Das „Ob“ der Ersatzlieferung – zur Ersetzbarkeit/Austauschbarkeit des Leistungsgegenstandes Die Ersetzbarkeit/Austauschbarkeit des Leistungsgegenstandes setzt voraus, dass durch Lieferung einer anderen Sache das Leistungsinteresse des Gläubigers be527 

Dazu bereits: B.III.6.a)i). Man könnte dann allenfalls auf den Grundsatz von Treu und Glauben abstellen, um den Käufer die Ablehnung der Ersatzssache zu versagen. Mit entsprechender Begründung wurde die Befugnis des Verkäufers, die Minderung oder Wandelung durch unverzügliche Beseitigung des Mangels abzuwenden, bei den Beratungen der Zweiten BGB-Kommission abgelehnt. Zu der Diskussion über eine allgemeine Nachbesserungsbefugnis des Verkäufers: Prot.  I, S. 697 f.; zu der Diskussion über eine Ersatzlieferungsbefugnis des Verkäufers speziell beim Gattungskauf: Jakobs/Schubert (1980) – SchuldR II, S. 204–206 und Prot. I, S. 711–713; dazu bereits unter B.II bei Fn. 300, 326, 332, 644; vgl. auch unten bei Fn. 616). 529 Dazu Bitter ZIP 2007, 181 (1888 f.). 530  Mit diesem Argument gegen die „Vorwirkung“ der Ersatzlieferung auf die Primärleistungsebene: Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 24 f. Es müsse den Parteien auch beim Kauf über objektiv austauschbare Sachen möglich sein, „das Schuldverhältnis bereits durch das Leistungsversprechen auf eine bestimmte Sache zu beschränken, indem sie schon vor dem Bewirken der geschuldeten Leistung die mangelfreie Sache durch vertragliche Abrede individualisieren“, so etwa, wenn der Käufer seine Kaufentscheidung aufgrund seines persönlich gewonnenen Eindrucks der zuvor besichtigen Kaufsache getroffen habe. 531  Zu den Auswirkungen des Untergangs des (lediglich) primär geschuldeten Stücks unten: B.III.6.a)iv). 528 



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friedigt werden kann, insbesondere also, dass er sich keine Sache aufdrängen lassen (und diese bezahlen) muss, an der er kein Interesse hat. Es kommt daher nur eine Sache in Betracht, die aus der Sicht des Käufers im Vergleich zu der beim Vertragsschluss ausgewählten Sache gleichwertig ist. Dabei ist „Gleichwertigkeit“ durchaus wörtlich zu verstehen: Mit der „Ersatzsache“ muss der Käufer im Wesentlichen das erhalten, was er eigentlich gekauft hat und was ihm der Einsatz des Kaufgeldes (subjektiv) wert war. Denn indem er am Vertrag festgehalten wird, wird – auch – im Interesse des Verkäufers der Vertrag erhalten.532 Die so verstandene „Gleichwertigkeit“ der Ersatzsache ist aber nur notwendige, nicht hinreichende Bedingung der Ersetzbarkeit/Austauschbarkeit. Denn der Kaufvertrag und insbesondere der Zweck der Nacherfüllung gebieten es, dass außerdem das Interesse des Schuldners daran, die Sekundärrechte „abwehren“ (und sich den Kaufpreis verdienen) zu können, nicht in treuwidriger Weise vereitelt wird.533 Auch darf der Schuldner nicht dazu gezwungen werden, zwecks Ersatzlieferung eine andere (eigene) Sache abzugeben, die er nicht abgeben will.534

1)  Beliebigkeit der Kaufsache aufgrund ihrer Sacheigenschaften Ob die verkaufte Sache an sich gem. § 91 nach der Verkehrsauffassung vertretbar ist oder nicht, kann nicht allein maßgeblich sein. Denn dann würde nicht nur beim Stückkauf über objektiv unvertretbare Sachen ohne Rücksicht auf den Parteiwillen535 eine Ersatzlieferung in jedem Fall ausscheiden;536 es wäre auch die Ersatzlieferung beim Stückkauf über vertretbare Sachen stets „machbar“ und also geschuldet (sofern der dazu erforderliche Aufwand nur nicht unzumutbar ist). Im einleitend genannten „Mango“-Beispiel537 wäre der Käufer, da nach der Verkehrs532  Zur Bedeutung des Vorrangs der Nacherfüllung für die Vertragserhaltung im Kaufrecht: Kohler AcP 203 (2003), 539 (563 ff.); Lorenz in: FS Wolfsteiner (2008), 121 (1287 ff.); vgl. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 19. Es geht dabei nicht um die Frage, ob dem Käufer die Nacherfüllung/Ersatzlieferung i. S. von § 440 S. 1, 3.  Var. zumutbar ist, sondern darum, ob sie überhaupt möglich und deshalb geschuldet – oder andersherum formuliert: geschuldet und deshalb möglich – ist. 533 Vgl. Picker in: FS Westermann (2008), 583 (602 ff.). Er deutet die Ersatzlieferung beim Stückkauf in erster Linie als Gewährleistungsrecht des Verkäufers, aus dem sich lediglich reflexiv eine Gewährleistungspflicht ergebe. 534  Dazu sogleich bei und in Fn. 539. 535  Es steht den Parteien frei, solche Sachen, die nach der Verkehrsanschauung untereinander nicht austauschbar und also nicht vertretbar gem. § 91 sind, für ihre Zwecke zu einer gemeinsamen Gattung zusammenzufassen und also einen Gattungskauf über unvertretbare Sachen zu schließen. Dazu bereits: B.II.2.e)iii)1). Es ist aber denkbar, dass die Ersetzbarkeit/Austauschbarkeit der verkauften (unvertretbaren) Sache im Interesse der Parteien liegt, es ihnen aber primär auf die Erfüllung des Kaufvertrages mit einem bestimmten Stück ankommt und sie – anders als typischerweise beim Gattungskauf der Fall – keinen grundsätzlich unbeschränkten Beschaffungsaufwand zur Erfüllung mit einem sekundären Stück vereinbaren wollten. 536  Zum Kauf über gebrauchte Sachen, die nach § 91 regelmäßig nicht vertretbar sind, siehe das Beispiel von Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 29 f., 37 f. (antiquarischer Stuhl). 537  Oben bei Fn. 515.

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auffassung alle Mangos an der Obsttheke beliebig untereinander austauschbar sein dürften,538 dann verpflichtet, eine andere Mango anzunehmen und zu bezahlen, sofern diese nur nicht mangelhaft (faul oder schimmelig) ist; für den Verkäufer würde dies keinen nennenswerten Aufwand bedeuten. Es ist aber denkbar, dass der Käufer an einem „Umtausch“ gar kein Interesse hat und lieber sein Geld zurück hätte, weil er die eine oder keine Mango kaufen wollte. Dementsprechend kann auch das Interesse des Schuldners auf die Leistung eines ganz bestimmten Stücks beschränkt sein, obgleich dieses (mit geringem Aufwand) austauschbar wäre.539 Aus diesem Grund kann auch die von Bitter vorgeschlagene Formel nicht die Lösung des Problems sein. Diese Formel besagt, dass die verkaufte Sache an sich dann ersetzbar sei, wenn die (Nach-)Erfüllung des Vertrages auch durch eine Vielzahl von Nachbesserungsmaßnahmen, im Zuge derer alle (wesentlichen) Einzelteile der gelieferten Sache ausgetauscht würden, denkbar wäre, weil dies im praktischen Ergebnis einer Ersatzlieferung gleichkäme.540 Zwar nimmt Bitter davon Fälle des „Kaufs individualisierter Einzelstücke“ aus, in denen eine Ersetzung des Leistungsgegenstandes von vorneherein „unmöglich i. S. des § 275 Abs. 1“ sei.541 Die von ihm genannten Beispiele (von Stückkaufverträgen über unvertretbare Sachen) für diese Fallgruppe überzeugen aber nicht. Bitter nennt zwei Beispiel: Erstens den Kauf eines vermeintlich unfallfreien Gebrauchtwagens, dem eine persönliche Besichtigung vorangegangen ist, und zweitens den Kauf eines bestimmten Gemäldes eines alten Meisters als Original, das sich später als Fälschung herausstellt. Nach dem Gedanken der Summierung aller denkbaren Nachbesserungsmaßnahmen ist im Gebrauchtwagen-Beispiel (1.) eine Ersatzlieferung durchaus vorstellbar. Denn es dürften regelmäßig alle die vertragsgemäße Beschaffenheit des Gebrauchtwagens definierenden Bestandteile austauschbar sein. Dass dies sehr aufwändig und damit teuer wäre und der Verkäufer sich möglicherweise auf § 439 Abs. 3 berufen könnte, steht – auch 538  Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 136 f., 137–140: Unterscheidung zwischen dem Kauf von Gegenständen mit nach außen erkennbaren Unterscheidungsmerkmalen (Frischobst und andere Naturprodukte) und dem Kauf von innerhalb ihrer Gattung völlig identisch aussehenden Gegenständen (Dosenobst und andere Gegenstände aus industrieller Serienproduktion). 539  Dazu die Beispiele von Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (148): Der Verkäufer eines Stichs von Piranesi erklärt, der Käufer könne sich eines von zwei im wesentlichen gleichartigen Blättern aussuchen, aber nicht beide Blätter kaufen, weil er das zweite für einen anderen Käufer brauche und sich keinesfalls ein drittes Blatt besorgen wolle. Oder jemand verkauft oder vertauscht eine seltene Briefmarke und erklärt dem Vertragspartner, dass er sie entbehren könne, weil er sie doppelt habe. 540  Bitter ZIP 2007, 1881 (1884 f.) spricht von der „Wesensverwandtheit“ der beiden Nacherfüllungsvarianten: Die Nachbesserung durch Einbau von Ersatzteilen sei „in der Sache nichts anderes als eine partielle Ersatzlieferung“; so auch Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 204 f., 113; ähnlich Jud  (2003)  – Schadenersatz, S. 157: Jede Nachbesserung (ABGB: „Verbesserung“) inkludiere eine Art Austausch; zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung (ABGB: „Austausch“) bestehe daher nur ein quantitativer Unterschied; vgl. auch Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 110, der den „Charakter von Ersatzlieferung und Mangelbeseitigung als Rest- und Vollleistung“ betont; die Mangelbeseitigung stelle „als Restleistung ein Minus zur Ersatzlieferung als Vollleistung“ dar. Kritisch dazu Musielak NJW 2008, 2801 (2803). 541  Bitter/Meidt ZIP 2001, 2114 (2120); vgl. Bitter ZIP 2007, 1881 (1883).



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nach Ansicht Bitters – auf einem anderen Blatt. Die Frage ist, warum die Ersatzlieferung im Beispiel von vorneherein gem. § 275 Abs. 1 unmöglich sein sollte. Warum sollte der Käufer unter Berufung auf ein „diffuses Bauchgefühl“, das er bei einer persönlichen Besichtigung gewonnen hat, die Belieferung mit einem anderen Pkw, der genau die vertraglich geschuldete Beschaffenheit aufweist, ablehnen dürfen, sofern nicht etwa die Person des Vorbesitzers als Beschaffenheitsmerkmal festgelegt wurde? Und was das „Gemälde“-Beispiel (2.) angeht, erweist sich die „Wesensverwandtschaft“ zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung als untaugliches Kriterium zur Bestimmung der Ersatzlieferungspflicht. Denn eine Nachbesserung scheidet aus, sofern jedoch das Originalgemälde existiert und sein Eigentümer verkaufsbereit ist, kommt eine Ersatzbeschaffung und -lieferung sehr wohl in Frage. Die Parteien werden wohl kaum die Identität des gefälschten Bildes zum Inhalt des Kaufvertrages gemacht haben, wenn es dem Käufer gerade darum ging, das Original zu erwerben. Auf einem anderen Blatt steht auch hier, welchen Aufwand der Verkäufer für die Beschaffung tätigen muss.542

Außerdem bleibt unklar, auf welcher Ebene der vertraglichen Vereinbarung die Individualisierung, aufgrund derer die Ersetzung des Leistungsgegenstandes unmöglich sein soll, erfolgt. Es heißt lediglich, die Parteien hätten ggf. bestimmte Individualisierungsmerkmale „zum Inhalt des Kaufvertrages gemacht“543. Wenn nicht allein die dem verkauften Stück anhaftenden Eigenschaften (die Sachbeschaffenheit) maßgeblich dafür sind, ob der Vertrag auch mit einem anderen (genauso beschaffenen) Stück erfüllt werden kann, zeigt sich daran, dass der Begriff der Unmöglichkeit (gem. § 275 Abs. 1) gerade in der faktischen oder naturalistischen Bedeutung, die ihm im reformierten Schuldrecht zukommt,544 nicht als begrenzendes Kriterium für die Ersatzlieferung beim Stückkauf taugt. Käme eine Ersatzlieferung immer dann in Betracht, wenn sie objektiv möglich ist, und hinge es dann nur von dem dazu erforderlichen Aufwand ab, ob der Verkäufer die Ersatzlieferung bewirken muss oder sie gem. §§ 439 Abs. 2, 275 Abs. 2 verweigern darf, müsste der Verkäufer in sämtlichen Fällen, in denen die verkaufte Sache nach objektiven Kriterien ersetzt werden kann und ihm dies keinen unverhältnismäßigen Aufwand abverlangt, Ersatz liefern und der Käufer sich damit zufrieden geben. Das wird aber nicht in allen Fällen der vertraglichen Vereinbarung entsprechen. Denn „nicht irgendeine naturgesetzliche Realität, sondern allein die Unvereinbarkeit mit dem vertraglich Vereinbarten“ ist dafür maßgeblich, ob eine Ersatzlieferung in Betracht kommt oder nicht.545

542 Vgl. Picker in: FS Westermann (2008), 583 (587 f., 596 f., 613 f.); Oechsler NJW 2004, 1825 (1829). 543  Bitter/Meidt ZIP 2001, 2114 (2120). 544  Der Regelungsgehalt lässt sich auf den Satz bringen: Was nicht möglich ist, ist nicht geschuldet; vgl. bereits bei Fn. 517. 545  Picker in: FS Westermann (2008), 583 (608 f., 615).

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2)  Bedeutung der Individualität der Kaufsache (Individualisierungsinteresse/-abrede), insbesondere im Verhältnis zur „Soll-Beschaffenheit“ derselben Damit ist die Frage aufgeworfen, welche Bedeutung der Individualität der Kaufsache im Zusammenhang mit der Beschaffenheitsvereinbarung zukommt. Dies war eine der Kernfragen in der Diskussion über den Fehlerbegriff des „alten“ Kaufrechts. Flume verteidigte den subjektiven Fehlerbegriff gegen den Einwand, dass durch seine Anwendung der Unterschied zwischen Gattungs- und Stückkauf eingeebnet werde. Er argumentierte, dieser Unterschied bleibe dadurch gewahrt, dass einerseits (Gattungskauf) eine (beliebige) Sache, die durch Festlegung bestimmter Beschaffenheitsmerkmale und letztlich unter Bezugnahme auf ein reales Muster oder sogar einen abstrakten Idealgegenstand beschrieben werde, andererseits (Stückkauf) eine – „diese“ – (realkörperlich) bestimmte Sache als eine Sache mit bestimmten Eigenschaften (der dreibeinige Tisch als ein solcher mit vier Beinen) verkauft werde.546 Nach der Konzeption des alten Gewährleistungsrechts, insbesondere angesichts der Unterscheidung von Stück- und Gattungskauf und des Fehlens eines Nacherfüllungsanspruchs beim Stückkauf,547 war diese Unterscheidung von weitreichender Bedeutung. Denn es haftete der Stückverkäufer zwar bei (und wegen) Fehlen(s) vereinbarter Eigenschaften, allerdings nicht auf „Hinzufügen“ der fehlenden Eigenschaften, sondern lediglich gewährleistungsrechtlich im (engeren) Sinne der „Haftung“ für einen an sich nicht geschuldeten Erfolg durch Minderung und Wandelung.548 Heute ist die Geltung (auch) des subjektiven Fehlerbegriffs gesetzlich anerkannt (vgl. § 434 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1).549 Anders als nach altem Schuldrecht hat die „Haftung“ beim Verkauf einer bestimmten Sache als einer solchen mit bestimmten Eigenschaften bei Nichtvorliegen der vereinbarten Beschaffenheit jedoch gem. §§ 433 Abs. 1 S. 2, 439 Abs. 1 den Inhalt, dass der Verkäufer den vertragsgemäßen Zustand – falls möglich550 – herstellen muss. Denn er schuldet die Sache in forma specifica, seit der Reformgesetzgeber sich der sog. Erfüllungstheorie angeschlossen hat, und zwar nicht nur, um den Fall der Schlechtleistung weitgehend mit den Regelungen über die Nichterfüllung des allgemeinen Leistungsstörungsrechts 546 

Flume (1975) – Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 21, 50 f. Dazu oben: B.III.1.c)i). 548  Um im Beispiel zu bleiben: Der Verkäufer musste kein viertes Bein an den tatsächlich dreibeinigen, jedoch als vierbeinig verkauften Tisch schrauben; er musste es ggf. aber hinnehmen, dass der Käufer wegen des fehlenden Tischbeins den Kaufpreis minderte oder vom Vertrag zurücktrat (Wandelung forderte). 549  Westermann in: MüKo (2012) – BGB, §  434 Rn. 6, 9; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 434 Rn. 4; Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 434 Rn. 1, 40, 42, 73; Saenger in: Hk-BGB (2014), § 434 Rn. 1. 550 Anders, wenn der Mangel gem. § 275 Abs. 1, 2 unbehebbar ist oder der Verkäufer die Nacherfüllung gem. § 439 Abs. 3 verweigert. 547 



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erfassen zu können, sondern auch und gerade, um das dogmatische Fundament für den Nacherfüllungsanspruch zu legen.

(a)  Beschaffenheitsvereinbarung allein konstituierend für den Schuldgegenstand (Kaufsache), beim Stückkauf: Individualität als Beschaffenheitsmerkmal? Aus den §§ 433 Abs. 1 S. 2, 433 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, 439 Abs. 1 folgt, dass die Parteien – auch in Bezug auf ein im Zeitpunkt des Vertragsschlusses realkörperlich individualisiertes Stück – völlig frei darin sind, festzulegen, welche Beschaffenheit das (dieses) Stück haben muss, um erfüllungstauglich zu sein. Die so festgelegte Erfüllungstauglichkeit betrifft durchaus nicht nur die Pflicht zur sachmangelfreien Leistung. Denn die Erfüllung des Kaufvertrages lässt sich nicht sinnvoll aufspalten in die Erfüllung der Pflicht zur Übergabe und Übereignung gem. § 433 Abs. 1 S. 1 und die Pflicht zur mangelfreien Leistung gem. § 433 Abs. 1 S. 2, wenn man davon ausgeht, dass der Verkäufer die Mangelfreiheit gerade in Bezug auf diejenige Sache schuldet, die er zu verschaffen hat, bzw. dass er diejenige oder solch eine Sache zu verschaffen hat, welche die vertragsgemäße Beschaffenheit aufweist.551 Auch hier strahlt das neue Kaufleitbild aus. Denn „[d]er Kerngedanke des neuen § 433  I  2  BGB besteht  … darin, dass nicht die Spezifizierung des Objekts den Ausschlag für den Inhalt der Leistungspflicht des Verkäufers gibt, sondern die vereinbarten Qualitätsmerkmale.“552 Dementsprechend meint Musielak, wer die Grenze für einen Anspruch auf Ersatzlieferung danach ziehe, ob nach der vertraglich festgelegten Sollbeschaffenheit eine Austauschbarkeit in Betracht kommt, könne ebenso gut dieses Unterscheidungsmerkmal für die Abgrenzung zwischen Stückkauf und Gattungskauf verwenden.553 Haben die Parteien dem verkauften – besser gesagt: dem beim Verkauf konkret in Bezug genommenen – Stück eine Soll-Beschaffenheit zugeschrieben, die mit der Ist-Beschaffenheit schon zur Zeit des Vertragsschlusses nicht übereinstimmt, ist dieses Stück von vorneherein nicht erfüllungstauglich. Der Verkäufer muss es zur (Nach-)Erfüllung in den vertragsgemäßen Zustand bringen und damit letztlich eine Sache herstellen, die (so) bei Vertragsschluss tatsächlich nicht vorlag.554 Es stellt sich deshalb die Frage, was genau in solch einem Fall eigentlich die verkaufte Sache, der Kaufgegenstand, ist: die bestimmte Sache mit gewissen, ihr von den Parteien zugeschriebenen Eigenschaften oder eine Sache, die der beim Kauf 551 

Dazu bereits: Fn. 198. Oechsler NJW 2004, 1825 (1829). 553  Musielak NJW 2008, 2801 (2806) mit Verweis auf Gsell JuS 2007, 97 (100). 554 Insofern unterscheiden sich Nachbesserung und Ersatzlieferung nur in der Intensität, wenn ein vertragsanfänglicher Mangel gegeben ist. Anders verhält es sich, wenn die Sache ihre Erfüllungstauglichkeit aufgrund einer zwischen Vertragsschluss und Lieferung auftretenden Verschlechterung verliert. Denn dann führt die Nachbesserung zur Wiederherstellung der Erfüllungstauglichkeit derselben Sache, während durch die Ersatzlieferung ggf. eine andere (erfüllungstaugliche) Sache verschafft wird. 552 

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tatsächlich in Bezug genommenen Sache inklusive der ihr von den Parteien zugeschrieben Eigenschaften entspricht? Letzteres liefe darauf hinaus, dass – sofern die Parteien eine Beschaffenheit vereinbaren oder voraussetzen, welche die Sache beim Kaufabschluss tatsächlich (noch) nicht hat – das Schuldobjekt – entsprechend der Dogmatik der Gattungsschuld – zunächst nur abstrakt und idealtypisch beschrieben wäre und eine konkrete Sache der Parteivereinbarung erst durch einen vom Kaufabschluss verschiedenen Akt – ebenfalls entsprechend der Gattungsschulddogmatik –, nämlich durch eine „Konkretisierung“, die mit der Erfüllung bzw. (beim gegenseitigen Vertrag) mit einem vorzeitigen Übergang der Gegenleistungsgefahr zusammenfällt, zugeordnet würde. Auch555 beim Kauf einer bestimmten Sache wäre demnach nicht „diese Sache mit bestimmten Eigenschaften“, sondern „solch eine Sache mit bestimmten Eigenschaften“ verkauft; das individuelle Stück wäre dabei lediglich als realkörperliches Bezugsobjekt, als Repräsentant, des abstrakten Idealgegenstandes, den die Parteien durch die Beschaffenheitsvereinbarung oder die Festlegung des Verwendungszwecks der Kaufsache erschaffen, herangezogen.556

(b)  Soll-Beschaffenheit lediglich maßgeblich dafür, wie ein – ggf. anderweitig bestimmtes – konkretes Stück beschaffen sein muss, um sich als „die Kaufsache“ zu qualifizieren Eine Grenzziehung nach der Formel „Wenn eine Ersatzlieferung in Betracht kommt, weil eine andere als die beim Vertragsschluss ausgewählte Sache am Maßstab des § 434 als mangelfrei anzusehen ist, liegt eigentlich ein Gattungskauf vor“ überzeugt nicht.557 Erstens verkennt diese Formel, dass für die Gattungsschuld nicht allein der Umstand, dass mit Blick auf die Sachbeschaffenheit eine Vielzahl konkreter Stücke als erfüllungstauglich anzusehen sind, charakteristisch ist, sondern darüber hinaus die Übernahme grundsätzlich unbeschränkten Be555  Für den Gattungskauf versteht sich die für das Schuldobjekt konstitutive Wirkung der Beschaffenheitsvereinbarungen von selbst. Dazu oben: B.II.2.e)iii)3). Deshalb ist im Ergebnis dem zuzustimmen, was Bitter (ZIP 2007, 1881 (1885 f.)) auf anderem Wege herleitet, dass nämlich, wenn die beim Verkauf in Bezug genommene Gattung sich insgesamt als mangelhaft erweist, weil kein Stück der Gattung tatsächlich die vereinbarte Beschaffenheit aufweist, (Ersatz-)Lieferung von Ware aus einer „anderen“ Gattung, die der Beschaffenheitsvereinbarung entspricht, verlangt werden kann. Tatsächlich ist die „andere“ Gattung aber von vorneherein die einzig „richtige“ Gattung, wenn nur diese Ware vertragsgemäß ist. Die Parteien irrten ggf. bei Vertragsschluss gemeinsam über die Eigenschaften der konkret in Bezug genommenen Gattung oder es handelt sich um eine unschädliche Falschbezeichnung und damit um einen Anwendungsfall des Satzes falsa demonstratio non nocet. 556  Zu diesem Repräsentations-/Demonstrationsgedanken siehe bereits oben: Fn. 505. 557  Freilich ist auch Musielak der Meinung, dass es den Parteien überlassen sei, einen Stückkauf zu vereinbaren, und dass eine Ersatzlieferung ggf. nicht möglich sei. Nur überzeugt es nicht, die dazu erforderliche abschließende Individualisierung der Kaufsache als Teil der Beschaffenheitsvereinbarung zu erfassen.



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schaffungsaufwandes durch den Schuldner.558 Zweitens blendet diese Formel aus, dass die „Gleichwertigkeit“ der Ersatzsache lediglich notwendige Bedingung der Ersetzbarkeit ist.559 Es muss außerdem auf das Interesse des Verkäufers, seine (Nach-)Erfüllungspflicht auf ein bestimmtes Stück zu konzentrieren (durch Nachbesserung), Rücksicht genommen werden. Dies wäre nicht möglich, würde man aus der lediglich am Maßstab der „Soll-Beschaffenheit“ ermittelten Austauschbarkeit der gelieferten Sache den Schluss ziehen, dass eigentlich ein Gattungskauf abgeschlossen worden sei.560 Die mit Blick auf die Ersatzlieferungsgefahr „risikobeschränkende“ Individualisierung der Kaufsache durch die Parteien, die ggf. die Ersetzbarkeit/Austauschbarkeit des Kaufgegenstandes ausschließt, muss ihren Standort vielmehr außerhalb der Beschaffenheitsvereinbarung haben.561 Ergäbe sich die Individualisierung des Kaufgegenstandes aus der Soll-Beschaffenheit, gäbe es auch nur zwei Möglichkeiten, die Leistungsgefahr des Verkäufers auf die Nachbesserungsgefahr562 zu beschränken: entweder durch den vertraglichen Ausschluss der Ersatzlieferung (als Reaktion auf einen Beschaffenheitsmangel) oder dadurch, dass die Parteien die Individualität/Einzigartigkeit der beim Kaufabschluss vorliegenden Sache als Beschaffenheitsmerkmal vereinbarten. Der vertragliche Ausschluss der Ersatzlieferung stellt einen (partiellen) Ausschluss der Mängelrechte des Käufers dar, der beim Verkauf von Verbrauchsgütern von einem Unternehmer an einen Verbraucher gemäß § 475 Abs. 1 unzulässig ist. Außerhalb des Regelungsbereichs des § 475 Abs. 1 S. 1 können die Parteien die Nacherfüllung oder die Mängelrechte des Käufers überhaupt zwar ausschließen (vgl. § 444). Zu beachten ist aber, dass ein entsprechender Parteiwille ggf. im Wege der erläuternden Vertragsauslegung feststellbar sein muss. Dagegen verbietet es sich, durch ergänzende Vertragsauslegung zu dem Ergebnis zu kommen, dass es im 558  Dazu

oben: B.III.6.a)i). Zur Begrenzung des Leistungsaufwandes im Rahmen der Ersatzlieferung, wenn dieser kein Gattungskauf zugrunde liegt, unten: B.III.6.a)iii). 559  Dazu oben: B.III.6.a)ii). 560  Vgl. die Kritik von Picker in: FS Westermann (2008), 583 (605, 610 f.): „[S]o wenig wie das rechtlich verwegene Unternehmen, als Innovation der Schuldrechtsreform eine ‚Erfolgsbezogenheit der Erfüllungspflicht als hinter § 275 Abs. 2 BGB stehende Basiswertung‘ zu postulieren und daraus konkret für den Kaufvertrag eine ‚Typusveränderung‘ zu erschließen, durch die er mehr oder minder weit dem Werkvertrag gleichgestellt werde, so wenig kann auch der schon sprachlich aparte Versuch, Spezieskäufe wegen ihrer „funktionellen Verwandtschaft“ in einen ‚ähnlichen Vertrag wie einen Gattungskauf‘ umzudeuten, sachlich oder hermeneutisch noch Rettung bieten.“ Es darf dem Verkäufer nicht die Möglichkeit genommen werden darf, seinen (Nach-)Erfüllungsaufwand auf ein Minimum zu beschränken. Das wäre aber der Fall, wenn ein Gattungskauf immer dann angenommen würde, wenn die Lieferung einer anderen Sache, die der vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung entspricht, „machbar“ ist. 561  A. A. offenbar Gsell JuS 2007, 97 (101, 102)  – „Vertretbare Sachen: Individualität im Zweifel nicht geschuldet“, die meint, die Nacherfüllung durch Lieferung einer anderen, vertragsgemäßen Sache sei beim Verkauf eines bestimmten [nach objektiven Kriterien vertretbaren] Stücks nur dann ausgeschlossen, wenn der Käufer „die aus seiner Sicht einzigartige Qualität des gewählten Stücks bei Vertragsschluss deutlich … gemacht hat“, wenn „die Eigenart des konkreten Stücks vertraglich als Sollbeschaffenheit gewollt ist“. 562  Näher dazu unten: B.III.7.

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

Einzelfall „interessengerecht“ gewesen wäre, die Ersatzlieferung auszuschließen, und die Parteien dies deshalb (eigentlich) so gewollt haben würden. Denn zur Füllung der (vermeintlichen) Lücke in der vertraglichen Planung ist dispositives Gesetzesrecht vorgesehen (§§ 437 ff.), das gerade dann Geltung beansprucht, wenn die Parteien nichts Abweichendes (positiv) vereinbart haben. Das lässt in der Praxis wenig Raum dafür, aufgrund der Gewährleistungsmodalitäten eine Reduzierung des dem Verkäufer obliegenden Leistungsrisikos auf die Nachbesserungsgefahr anzunehmen, wenn eine „gleichwertige“ Sache für eine Ersatzlieferung vorhanden ist. Was die Möglichkeit einer „Risikobeschränkung“ durch die Festlegung der Einzigartigkeit der Kaufsache als Beschaffenheitsmerkmal angeht, unterliegt die Festlegung der Soll-Beschaffenheit durch die Parteien zwar nicht der Beschränkung des § 475 Abs. 1 S. 1.563 Die Fixierung der Leistungsgefahr des Verkäufers auf eine ganz bestimmte (vertretbare) Sache dürfte aber zumindest beim Verbrauchsgüterkauf ein unwirksames Umgehungsgeschäft (§ 475 Abs. 1 S. 2) darstellen.564 Der Annahme einer entsprechenden Verteilung der Leistungsgefahr sind außerdem auch im Allgemeinen praktisch enge Grenzen gezogen. Denn nicht anders als hinsichtlich der Frage, ob und inwieweit die Ersatzlieferung im Einzelfall ausgeschlossen sein sollte, hat auch dann, wenn man in der Beschaffenheitsvereinbarung nach einer angemessenen Regelung der Leistungsgefahr sucht, eine ergänzende Vertragsauslegung außer Betracht zu bleiben. Sofern die Parteien weder ausdrücklich noch konkludent eine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 S. 1 getroffen haben, greifen nämlich die Tatbestände des § 434 Abs. 1 S. 2 ein.565

(c)  Bestimmung eines konkreten Leistungsgegenstandes durch separate Individualisierungsabrede Dementsprechend meint auch Canaris, „[d]ie Abrede über die Ersetzbarkeit oder Unersetzbarkeit der Primärleistung“ stehe „teleologisch und strukturell der Ausgestaltung des Leistungsprogramms durch die vertragliche Vereinbarung der Sollbeschaffenheit der Kaufsache im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB sehr nahe“, sie sei jedoch weder mit der Vereinbarung über die Sollbeschaffenheit identisch noch mit der „vertraglichen Entscheidung darüber, ob eine Gattungsschuld markt-, produktions- oder vorratsbezogen ist und das mit ihr verbundene Beschaffungsrisiko des Verkäufers also mehr oder weniger weit reicht“, der sie sogar noch stärker ähnele.566 Die Vereinbarung der (Un-)Ersetzbarkeit der Primärleistung sei vielmehr „ein besonderes Merkmal des Vertrages auf der Tatbestandsseite“.567 563 Dazu

Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (149 m. w. N. in Fn. 29). Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (150). 565 Vgl. Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 434 Rn. 40. 566  Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (149). 567  Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (146 f.). 564 Vgl.



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Mit „auf der Tatbestandsseite“ sind die Voraussetzungen gemeint (die Annahme, dass der Leistungsgegenstand nach dem Pateiwillen ersetzbar ist), an welche § 439 Abs. 1 Alt. 2 nach Canaris’ Ansicht die gesetzliche Rechtsfolge der Verpflichtung zur Ersatzlieferung knüpft.568 Es geht also um die Unterscheidung der Frage, ob der Verkäufer Ersatz liefern kann (§§ 133, 157), von der Frage, ob er ggf. Ersatz liefern darf bzw. muss (§ 439 Abs. 1 Alt. 2).569

Die Verortung der Vereinbarung über die (Un-)Ersetzbarkeit der Primärleistung auf einer anderen Ebene als der Beschaffenheitsvereinbarung und der Verteilung der Leistungsgefahr macht diese Vereinbarung der ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich. Denn – im Unterschied zur Füllung (vermeintlicher) „Lücken“ in der vertraglichen Planung bezüglich der Soll-Beschaffenheit oder der Beschränkung der Leistungsgefahr durch einen Ausschluss der Nacherfüllung – steht einem Rückgriff auf diese Auslegungsmethode und den für diese maßgeblichen hypothetischen Parteiwillen nicht entgegen, dass das Gesetz bezüglich der Ersetzbarkeit der Kaufsache dispositive Regeln bereithielte. Denn nach Canaris’ Ansicht setzt § 439 Abs. 1 Alt. 2 voraus, dass der Leistungsgegenstand nach dem allein maßgeblichen (realen/hypothetischen) Parteiwillen ersetzbar sei, und ordnet nicht an, dass dies im Zweifel der Fall ist.570 Dies erlaubt eine privatautonome Verteilung der „Ersatzlieferungsgefahr“. Denn wenn die (Un-)Ersetzbarkeit allein vom Parteiwillen abhängt und insoweit auch eine ergänzende Auslegung zulässig ist, lässt sich im Einzelfall begründen, dass der Verkäufer keinen Ersatz liefern muss, obwohl er – bei objektiver Betrachtung – durchaus könnte.571 Ebenso lässt sich unter Umständen auch in Fällen, die wegen der vollständigen Individualisierung einer ganz bestimmten Sache im Zeitpunkt des Vertragsschlusses selbst auf der Grundlage eines weiten Verständnisses kaum „methodensauber“ als Gattungskauf erfasst werden können (z. B. Kauf eines bestimmten Neuwagens mit Tageszulassung, Kauf von an der Supermarktkasse vorgelegten Obststücken, die der Käufer selbst bewusst ausgewählt hat)572 oder in denen die verkaufte Sache an sich bei objektiver Betrachtung nicht austauschbar wäre,573 begründen, dass der Verkäufer Ersatz liefern muss (und darf). Auch Skamel vertritt die Ansicht, dass es den Parteien – ohne Rücksicht auf die Unterscheidung zwischen den hergebrachten Kategorien von Stück- und Gattungs-

568 

Dazu ausführlich bereits oben: B.III.6.a)i) bei und in Fn. 518. Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (146): „[D]ass der Verkäufer mit einer anderen – ursprünglich nicht geschuldeten – Sache erfüllen muss, nur weil damit erfüllt werden kann, ist ebenso wenig selbstverständlich wie die Konsequenz, dass er damit erfüllen darf. Diese Rechtsfolgen beruhen somit nicht unmittelbar auf dem Vertrag, sondern auf einer diesen ergänzenden Regelung des objektiven Rechts.“ 570  Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (146 f.). 571  Das gilt sogar hinsichtlich der Nacherfüllungspflicht des Verkäufers beim Verbrauchsgüterkauf, vgl. dazu Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (148–151). 572 Beispiele von Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (141 f.); vgl. dazu bereits bei Fn. 515. 573  Vgl. dazu Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (146, 148–151). 569 

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kauf574 – überlassen sein müsse, die „Ersetzbarkeit“ oder „Austauschbarkeit“ der verkauften Sache zu vereinbaren (oder auszuschließen).575 Er verortet diese Vereinbarung in einer Individualisierungsabrede, die ein besonderer Bestandteil des Kaufvertrags sei. Sofern die Parteien, anders als beim Gattungskauf, bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses („auf der Primärleistungsebene“) eine konkrete Sache als Kaufobjekt individualisiert hätten, sei – im Wege der Auslegung des realen oder hypothetischen Parteiwillens im Zeitpunkt des Vertragsschlusses576 – danach zu unterscheiden, ob diese Individualisierungsabrede endgültig und unbedingt oder unter der auflösenden Bedingung577 des „Mangelfalls“ geschlossen sei.578 Im ersten Fall, der dem Stückkauf, wie er im „alten“ Kaufrecht ausgeformt war (mit dem Unterschied, dass im Falle eines Sachmangels wenigstens eine Nachbesserung geschuldet ist), entspreche, könne die Nacherfüllung „nur unter Einbeziehung dieses konkreten Stücks und somit durch Nachbesserung erfolgen“;579 574  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 12, 21, 41 f. meint, die Anknüpfung an die aus dem früheren Recht übernommenen Kategorien von Stück- und Gattungskauf verstelle den Zugang zu einer auch im geltenden Recht überzeugend begründeten Antwort auf die Frage nach der Zulässigkeit und den Voraussetzungen der Ersatzlieferung beim Stückkauf. Durch das seit der Schuldrechtsreform geltende Recht sei die „zwingende Schlussfolgerung von der auf Primärleistungsebene geschlossenen Konkretisierung des Schuldverhältnisses auch auf Gewährleistungsebene“ systematisch nicht mehr notwendig vorgegeben, da die Anspruchsalternativen Ersatzlieferung und Nachbesserung ohne Rücksicht auf die vertragliche Individualisierung der geschuldeten Kaufsache begründet seien; entscheidend sei nicht, ob beim Stückkauf im Mangelfall (kraft Gesetzes) Ersatzlieferung verlangt werden könne, sondern „ob der Stückkauf im Mangelfall [nach dem Parteiwillen] Stückkauf bleibt.“ 575 Ähnlich, aber im Ausgangspunkt den Kategorien Stück- und Gattungskauf verhaftet, Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 159–177, die eine Ersatzlieferung beim Stückkauf über vertretbare Sachen (nur) dann zulassen will, wenn der Käufer kein besonderes Individualisierungsinteresse an der „Ursprungssache“ habe („Stückkauf in Form der konkretisierten Gattungsschuld“). 576  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 30 f. 577  Näher zur dogmatischen Einordnung der Individualisierungsabrede unten: B.III.6.a)iv)2) insbesondere bei Fn. 681. 578  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 17, 19–32; so zuvor bereits Schroeter AcP  207 (2007), 28 (49 f.): „Nur sofern die Parteien ihren Kaufvertrag in abschließender Weise auf einen individualisierten Kaufgegenstand beschränkt haben, scheidet ein Recht zur zweiten Andienung in der Spielart der Ersatzlieferung aus… Keine Rolle sollten in dieser Hinsicht dabei die Einordnung als Stückkauf in Abgrenzung zum Gattungskauf spielen…“ Es überzeuge nicht, eine Ersatzlieferung mit dem Argument abzulehnen, dass die Parteien einen Stückkauf vereinbart hätten, nur weil die Parteien beim Vertragsschluss einen bestimmten Kaufgegenstand festgeleget haben, „weil es sich bei der Einordnung als Stückkauf um eine rechtliche Bewertung der Parteivereinbarung handeln dürfte, nicht aber um die Vereinbarung selbst“. Eine Ersatzlieferung sei nur dann ausgeschlossen, wenn „die Vertragsparteien den im Vertrag benannten Kaufgegenstand auch und gerade für den Fall, dass sich dieser als i. S. d. §§ 434 ff. BGB nicht vertragsgemäß herausstellen sollte, tatsächlich als einzigen Gegenstand einstufen wollten, mit dem die Verkäuferpflicht zur Übergabe und Übereingung einer sach- und rechtsmängelfreien Sache (§ 433 Abs. 1 BGB) erfüllt werden kann (abschließende – also gerade für den Fall der Mangelhaftigkeit der bezeichneten Sache geltende – vertragliche Individualisierung).“ 579  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 7, 12, 17, 43.



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im anderen Fall, den die Schuldrechtsreform als neuen Typus geschaffen habe,580 könne „auf der Nacherfüllungsebene“ eine Sache erfüllungstauglich werden, die dies „auf der Primärleistungsebene“ nicht gewesen sei. Der Fortfall der Individualisierung(sabrede) beruhe aber ggf. ebenso wie ihre Begründung auf dem Parteiwillen, nicht auf dem Gesetz.581 Schließlich spricht auch Picker davon, dass die Parteien unter Umständen „auch beim Stückkauf die hilfsweise Leistung einer anderen Sache eingeplant“582 haben könnten bzw. im Einzelfall zumindest eine „hypothetische Änderungswilligkeit“583 anzunehmen sein könne.

3) Zwischenergebnis Bei der Auslegung des Vertrages unter dem Aspekt, ob die „Ersetzbarkeit der Primärleistung“ (Canaris), „hilfsweise Leistung einer anderen Sache“ (Picker) oder „Auflösung der Individualisierungsabrede im Mangelfall“ (Skamel) – tatsächlich oder hypothetisch – gewollt ist, kommen die zu Beginn dieses Abschnitts erwähnten Kriterien zum Tragen: yy das Leistungsinteresse des Gläubigers muss durch die Lieferung einer anderen („gleichartigen“) Sache befriedigt werden können und yy der Schuldner muss eine angemessene Gelegenheit haben, die „Sekundärhaftung“ wegen des Sachmangels durch Lieferung einer anderen Sache abzuwenden, ohne dazu gezwungen zu sein, eine Sache abzugeben, die er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht abgeben wollte584. Für die Frage der „Gleichartigkeit“ ist allein maßgeblich, welche Beschaffenheit nach dem Kaufvertrag geschuldet ist.585 Im Übrigen geht es um die Interessen des 580 Vgl. Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (140–146, 160), der den „[Kauf]Vertrag mit ersetzbarer Primärleistung“ als „neue Rechtsfigur“ des Schuldvertragsrechts beschreibt. 581  Skamel (2008)  – Nacherfüllung, S. 20, vgl. 34: „Die Individualisierung der erfüllungstauglichen Sache befreit den Verkäufer von dem Risiko, im Mangelfall einen anderen Gegenstand aus seinem Vorrat leisten oder gar erst selbst aus der Gattung beschaffen zu müssen; den Käufer befreit sie von der (mangelbedingten) Pflicht, eine andere Sache als die verkaufte Sache annehmen und bezahlen zu müssen. Eine Auslegung, dies sich über diesen übereinstimmenden Willen zur Individualisierung der geschuldeten Sache und die dadurch erreichte Verteilung von Leistungsund Gegenleistungsrisiko hinwegsetzt, bedeutete einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Privatautonomie“. 582  Picker in: FS Westermann (2008), 583 (616). 583  Picker in: FS Westermann (2008), 583 (599, 601, 603, 605). 584  Dass der Verkäufer ein schutzwürdiges Interesse daran haben kann, andere Sachen, die er „vorrätig“ hat und daher nicht einmal beschaffen müsste, nicht im Wege der Ersatzlieferung abgeben zu müssen, übersehen Bitter ZIP 2007, 1881 ff., Gsell JuS 2007, 97 ff. und andere, die meinen, der Verkäufer sei „dem Grunde nach“ immer dann zur Ersatzlieferung verpflichtet, wenn nur eine andere Sache von vertragsgemäßer Beschaffenheit existiere, und es hänge allein von dem Maß des notwendigen Beschaffungsaufwandes ab, ob er Ersatz liefern müsse oder nicht. Dazu bereits bei und in Fn. 539. Zum Begriff des „Abgabegeschäfts“ siehe bereits bei Fn. 37 und in Fn. 52 sowie auch bei Gsell a. a. O. (98 mit Fn. 17). 585 Vgl. Gsell JuS 2007, 97 (100 f.); Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 31 f.

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Verkäufers, die Picker besonders betont:586 Die Ersatzlieferung sei beim Verkauf eines individuell bestimmten Stücks nur dann zuzulassen, wenn sie „für den einen Vertragspartner einen Vorteil [gegenüber Minderung und Rücktritt]587, für den anderen zumindest keinerlei Nachteile, schafft“, wenn sie also „weil schon angelegt im Vertrag, beiden Beteiligten das verschafft, was sie einander nach dessen Zielen und Zwecken zumindest hilfsweise zugesagt haben“588.

Wenn in diesem Zusammenhang von einer (vertraglich begründeten) Ersetzungsbefugnis die Rede ist, ist vor allem die Befugnis des Verkäufers gemeint, die eigentlichen Gewährleistungsrechte (Minderung, Rücktritt) durch die Lieferung einer anderen Sache, die der Käufer nicht ablehnen dürfe, abzuwenden, woraus sich gewissermaßen reflexiv oder sekundär erst die Pflicht zur Ersatzlieferung ergebe, auf deren Erfüllung der Käufer ggf. einen Anspruch habe.589 Insbesondere kann demnach, wenn der Käufer auf Nacherfüllung besteht, nicht ein Verkäufer, der bei Vertragsschluss seine Nacherfüllungsbereitschaft hat erkennen lassen, auf seine entsprechende Befugnis „verzichten“, etwa weil der Nacherfüllungsaufwand seit dem Vertragsschluss gestiegen ist und es von daher für ihn rentabler wäre, die Minderung des Kaufpreises oder den Rücktritt vom Vertrag hinzunehmen.590 Andererseits soll § 439 Abs. 1 es zulassen, dass ein Verkäufer, der bei Vertragsschluss keinen Anlass zu der Annahme gegeben hat, dass er bei Vorliegen eines Mangels zur Nacherfüllung bereit sei, sich später „durch Nachbesserungs- oder Nachlieferungsrechte gegen Forderungen nach Minderung oder Rücktritt sichert“, was für ihn insbesondere dann interessant sein kann, wenn der zur Nachbesserung oder Ersatzlieferung erforderliche Aufwand seit dem Vertragsschluss erheblich gesunken ist.591 Sofern nur der Käufer dadurch eine er586  Picker in: FS Westermann (2008), 583 (599 ff.); ders. in: FS Konzen (2006), 687 (705 ff.); zur Nachbesserung a. a. O. (708 ff.). 587  Vgl. zu der Erwägung, dass eine Ersatzlieferung vor allem dann in Betracht zu ziehen sei, wenn die Parteien bei einem Mangel des verkauften Stücks eine solche Rücktritt oder Minderung vorziehen würden, auch Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 130, 162. 588  Picker in: FS Westermann (2008), 583 (601). Dabei richtet Picker den Blick freilich von vorneherein nicht nur auf die „Ersetzbarkeit“ des Leistungsobjekts, sondern auch auf den zur Ersatzlieferung notwendigen Aufwand. 589  Picker in: FS Westermann (2008), 583 (602–608), dazu bereits in Fn. 533. 590 Vgl. Picker in: FS Westermann (2008), 583 (606): „Wer als Werkstattunternehmer seinen Kunden durch sein Geschäftsgebaren bedeutet, dass er eher gewillt ist, eine professionsgemäße Reparatur selbst auszuführen, als sie nach ‚teurerer‘ Minderung dem Konkurrenten zu überlassen, oder wer als reich bestückter Verbrauchswarenhändler erkennen lässt, dass er lieber eine Ersatzsache liefern als den Verlust des Kaufpreises hinnehmen will, der muss sich auch später bei seinem geschäftlichen ‚Wort‘ nehmen lassen. Er muss also bei entsprechender Forderung seines Käufers auch dann nacherfüllen, wenn ihm diese Gunterewährleistungsalternative wegen Sinneswandels oder veränderter Umstände nicht mehr ‚passt‘.“ 591  Dies steht durchaus nicht im Widerspruch zu der Prämisse, es komme auf den wirklichen oder hypothetischen Willen beider Parteien bei Vertragsschluss bzw. darauf an, was sich die Parteien bei verständiger Würdigung ihrer je eigenen Bekundungen beim Vertragsschluss wechselseitig versprochen haben (Picker in: FS Westermann (2008), 583 (601, 602, 616)). Denn wenn davon auszugehen ist, dass der Verkäufer zu den aktuell gegebenen Umständen bereits bei



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füllungstaugliche Sache erhält und mit dem Vorteil des Verkäufers für ihn also kein Nachteil verbunden ist,592 wäre es treuwidrig, dem Verkäufer keine „zweite Chance“ zu geben.593

iii)  Das „Wie“ der Ersatzlieferung – zur Bestimmung des zumutbaren Beschaffungsaufwandes Steht fest, dass der Verkäufer zur Ersatzlieferung verpflichtet ist, setzt die Erfüllung dieser Pflicht die Beschaffung einer tauglichen (mangelfreien) „Ersatzsache“ voraus, falls eine solche für den Verkäufer nicht verfügbar ist.594 Mit dieser Bestimmung des Inhalts des Nacherfüllungsanspruchs ist noch nicht darüber entschieden, welchen Aufwand der Verkäufer zur Erfüllung dieses Anspruchs schuldet.595 Insoweit behält die Unterscheidung zwischen Stück- und Gattungskauf bei der Berücksichtigung des ursprünglichen Vertragswillens der Parteien ihre Bedeutung; die Annahme einer Ersatzlieferungspflicht „dem Grunde nach“ lässt es also durchaus zu, ggf. Rücksicht darauf zu nehmen, dass der Verkäufer nach der autonomen Risikoverteilung des ursprünglichen Vertrages jedenfalls keinen unbegrenzten Beschaffungsaufwand zugesagt hat.596 Bitter597 ist darin zuzustimmen, dass der Verkäufer grundsätzlich unbeschränkten Aufwand zur Beschaffung der Ersatzsache nur dann schulde, wenn er im Vertrag „eine Beschaffungspflicht[598] Vertragsschluss zur Nacherfüllung bereits gewesen wäre, und wenn zugleich feststeht, dass der Käufer das erhält, was er nach dem Vertrag erhalten soll, wird nicht mehr und nicht weniger verwirklicht als der von Anfang an im Vertrag niedergelegte Wille der Parteien. 592 Vgl. Picker in: FS Westermann (2008), 583 (599, 605). 593 Vgl. Picker in: FS Westermann (2008), 583 (600); ders. in: FS Konzen (2006), 687 (714). 594  Kandler (2004) – Kauf, S. 471; Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 144; Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (151 f.); Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 205, 301. 595  Bitter ZIP 2007, 1881 (1888 f.). 596 Vgl. Jansen ZIP 2002, 877 (878 f.); Pammler NJW 2003, 1992 (1992); ders. in: JurPK (2006) – BGB, § 439 Rn. 21; Kamanabrou ZGS 2004, 57 (60); Kandler (2004) – Kauf, S. 472; Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 144, 162, vgl. 160 f. 597  Bitter ZIP 2007, 1881 (1888): „Der Nachlieferungsanspruch beim Stückkauf ist … zwar inhaltlich auf denselben Gegenstand gerichtet wie beim Gattungskauf… Der dafür geschuldete Aufwand ist aber geringer… Eine Beschaffungspflicht im Sinne der Gattungsschuld besteht generell nicht, soweit der Nacherfüllungsanspruch, sei er auf Nachbesserung oder Nachlieferung gerichtet, über das verkaufte Stück hinausreicht. Der Verkäufer schuldet insoweit keinen unbegrenzten Aufwand.“ Ähnlich Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (151 f.): „Zwar hat der Verkäufer die Ersatzsache erforderlichenfalls zu beschaffen, doch beruht das anders als bei der Gattungsschuld (und in den parallelen Fällen von Stückschulden) nicht auf einer primären, privatautonom eingegangenen, sondern lediglich auf einer sekundären und vom objektiven Recht auferlegten Leistungspflicht. Anders als dort hat der Schuldner sich daher nicht sehenden Auges dem Risiko ausgesetzt, eine Sache zu verkaufen, die er noch nicht hat oder von der er nicht sicher weiß, ob er sie bei Fälligkeit seiner Leistungspflicht noch haben wird, und anders als dort besitzt er auch keine wesentliche Dispositionsfreiheit hinsichtlich ihrer Beschaffung und kommt daher nicht in den Genuss der mit dieser verbundenen Vorteile wie einer günstigen Bestimmung der Einkaufsquelle, des Transportweges, der Lagerungsdauer usw.“ 598  Da die Beschaffung der Ersatzsache im Rahmen der Ersatzlieferung (ebenso wie bei der

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

im Sinne einer Gattungsschuld“ übernommen habe, und dass der geschuldete Nacherfüllungsaufwand ansonsten „niedriger zu bemessen“ sei. Fraglich ist, wie diese niedrigere Schwelle genau zu bemessen ist.

1)  „Mehraufwand“ bis zur Grenze der §§ 439 Abs. 3, 275 Abs. 2 kraft Gesetzes Aus dieser Diskussion, die von entscheidender Bedeutung für den Anwendungsbereich der Ersatzlieferungsgefahr und damit für die Frage ist, ob der Käufer die Möglichkeit hat, auch solche nachträglichen zufälligen Verschlechterungen der gelieferten mangelhaften Sache, die selbst keine Nacherfüllungspflicht des Verkäufers begründen würden, auf den Verkäufer abzuwälzen,599 hält Bitter sich heraus.600 Sein Ansatz impliziert aber, dass der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung in jedem Fall ein gewisses Maß an „Mehraufwand“ (bis zur Grenze der Unverhältnismäßigkeit gem. §§ 439 Abs. 3, 275 Abs. 2) schulde, das ihm kraft Gesetzes auferlegt werde; wenn nicht vertraglich zugesagt, sei dieser Aufwand nur nicht unbeschränkt. Denn gerade daraus, dass die Pflicht des Stückverkäufers im Vergleich zur alten Rechtslage durch die Einführung der (gesetzlichen) Verpflichtung zur Nachbesserung erweitert worden sei und die Nachbesserung oftmals nichts anderes als eine „partielle Nachlieferung“ darstelle, entwickelt er den Gedanken, dass auch eine „Komplett-Nachlieferung“ beim Stückkauf nicht prinzipiell ausgeschlossen sein könne.601 Demnach sollen offenbar autonome Kriterien (Parteivereinbarung) dafür maßgeblich sein, ob eine Ersatzlieferung in Betracht kommt, während sich in erster Linie nach heteronomen Kriterien (gesetzliche Anordnung) richten soll, wie die Ersatzlieferung ggf. zu erfolgen hat – insbesondere, welchen Aufwand der Ersatzlieferungsschuldner mindestens schuldet.602 Das heißt sich damit abzufinden, dass dem Verkäufer zur Beseitigung von Mängeln bzw. zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes durchaus ein Aufwand zugemutet wird, Beschaffung von Ersatzteilen zur Nachbesserung) eine notwendige Vorbereitungshandlung der eigentlichen Leistungshandlung der Nacherfüllung ist, sollte man insoweit aber nicht von einer Beschaffungspflicht sprechen; Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (151). Der Begriff der „Beschaffungsnotwendigkeit“ trifft es besser; dazu Gsell (1998) – Beschaffungsnotwendigkeit, S. 12 ff.; dies. JuS 2007, 97 ff. („Beschaffungsnotwendigkeit und Ersatzlieferung beim Stück- und beim Vorratskauf“). 599 Vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (201). Zur Diskussion dieser Fragen: B.III.2.b)ii), B.III.6 und B.III.6.b). 600  Bitter ZIP 2007, 1881 (1888): „In diese Diskussion ist hier nicht einzutreten, weil sie unabhängig von dem Anliegen dieses Beitrages ist: Egal wie man den Mehraufwand des schuldlosen Verkäufers beim Stückkauf konkret bestimmt, sind die insoweit aufzuwendenden Kosten jedenfalls von dem prinzipiell unbegrenzten Aufwand zu trennen, den der Verkäufer bei einer Beschaffungspflicht schuldet.“ 601 Ähnlich Gsell JuS  2007, 97 (99): „Dass das Nachbesserungsrecht geltendes Recht ist, lässt sich aber nicht bezweifeln. Dabei ist es für den Verkäufer nicht grundsätzlich mühsamer oder schwieriger, die Beschaffung einer Ersatzsache zu organisieren, als deren Reparatur. … Nur wenn Reparatur und Beschaffung unverhältnismäßig erschwert oder unmöglich sind, befreien §§ 439 III, 275 BGB den Verkäufer von der Nacherfüllungspflicht.“ 602  Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (147). Dazu bereits: B.III.6.a)i) in Fn. 518.



6. Ersatzlieferungsgefahr

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der über die Leistungsanstrengungen hinausgeht, die er ursprünglich zur Lieferung vertragsgemäßer Ware eingeplant und versprochen hat, und der möglicherweise sogar den Aufwand übertrifft, mit dem der Verkäufer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses rechnen konnte.603 Die Erkenntnis, dass selbst ein – im Vergleich zur Gattungsschuld – deutlich niedrigerer „Mehraufwand“ unterhalb der Schwelle der §§ 439 Abs. 3, 275 Abs. 2 den Verkäufer im Einzelfall noch unangemessen belasten würde, ringt Canaris das Zugeständnis ab, dass „sich die Ersetzbarkeit der Primärleistung in aller Regel … nicht überzeugend bejahen [lasse], ohne dabei die Angemessenheit dieser Rechtsfolgen in den Blick zu nehmen“, womit er dem Prinzip der Privatautonomie Rechnung trägt.604

2)  Begrenzung des Nacherfüllungsaufwandes allein durch den Vertrag Der These, dass die Parteivereinbarung nur mit Blick auf das „primäre“ Erfüllungsstadium maßgeblich sei, das autonome Leistungsprogramm – einschließlich des zur Erreichung des vereinbarten Erfolgs eingeplanten Aufwandes – jedoch bei Auftreten eines Mangels abrupt gegen ein „Sekundärprogramm“, das nach einem heteronomen Gesetzesbefehl ablaufen soll, auszutauschen sei, tritt mit einiger Vehemenz Picker605 entgegen. In der Tradition Flumes aus dem Prinzip der Privatautonomie heraus die alles überragende Bedeutung des Parteiwillens für Inhalt und Grenzen der einem Rechtsgeschäft entspringenden Leistungspflichten betonend, hält er die Grundannahme, dass sich allein aufgrund gesetzlicher Anordnung irgendeine Mehrleistungspflicht des Verkäufers zur Überwindung von (nachträglichen) mangelbedingten Erfüllungshindernissen, die er nicht zu vertreten habe, begründen lasse, für völlig verfehlt. Sofern die Mehrleistungspflicht weder eine vertragsrechtliche noch eine haftungsrechtliche Grundlage habe, sei sie sine causa.606 Es liege die „Ursache allen Streits über den Anspruch auf Nachlieferung letztendlich in dem Mangel eines materialen rechtlichen Grundes [für den Nacherfüllungsanspruch]“ und dementsprechend sei der Streit durch Behebung dieser Ursache zu lösen.607 Es gehe nicht nur fehl, dem Verkäufer im Rahmen der Ersatzlieferung generell einen unbeschränkten Leistungsaufwand zuzumuten, sondern gleichermaßen, ihm durch die Ersatzlieferung überhaupt einen zusätzlichen Aufwand – ein „Mehrleistungsrisiko“ – aufzubürden, sofern er dies nicht im Einzelfall vertraglich übernommen habe oder seine Haftung begründet sei.608 Denn dadurch werde der Kaufvertrag mehr 603 Vgl.

Gsell in: FS Picker (2010), 297 (303). Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (147). Dazu bereits: B.III.6.a)i) bei Fn. 518. 605  JZ 2003, 1035 ff.; FS Konzen (2006), 687 ff.; FS Westermann (2008), 583 ff. 606  Picker JZ 2003, 1035 (1041 f., 1044); ders. in: FS Konzen (2006), 687 (695 f.); ders. in: FS Westermann (2008), 583 (592 f.) – jeweils m. w. N. 607  Picker in: FS Westermann (2008), 583 (594). Dazu bereits: B.III.6.a)i) bei Fn. 520. 608  So auch Wilhelm DB 2004, 1599 ff., ders. in: FG Flume (1998), 301 (316 mit Fn. 59) und 604 Vgl.

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

oder minder weit dem Werkvertrag gleichgestellt.609 Es könne auch nicht angehen, den zur Ersatzlieferung erforderlichen Beschaffungsaufwand (beim Stückkauf) damit zu rechtfertigen, dass der Verkäufer dabei unstreitig jedenfalls zur Nachbesserung verpflichtet sei und wenigstens den dazu erforderlichen Mehraufwand schulde.610 Denn auch ein (verschuldensunabhängiger) Nachbesserungsanspruch sei gerade wegen des damit verbundenen Mehraufwandes beim Stückkauf grundsätzlich unbegründet.611 Wolle man die Privatautonomie nicht im Kern entleeren, müsse man zugeben, dass sie „neben der Vereinbarung, was durch den Vertrag bewirkt werden soll, zugleich auch bestimmt, wie es erreicht werden soll“.612 Picker meint, dass Nachbesserung oder Ersatzlieferung dann, aber auch nur dann geschuldet sei, wenn sie im Einzelfall613 auch und gerade unter Berücksichtigung des mit ihr verbundenen Aufwandes614 der einen Partei einen Vorteil und dem Vertragspartner zumindest keinen Nachteil bringe (weil seine Interessen Jakobs (1985) – Gesetzgebung, S. 92 ff., 96 ff. sowie Pickers Schüler Lobinger (2004) – Grenzen, S. 119 ff. , 214 ff. (zum Parallelproblem bei der Anwendung des § 275 Abs. 2). Zur Kritik an der Regelung der §§ 275 Abs. 2, 439 Abs. 3 siehe auch die weiteren Nachweise bei Gsell in: FS Picker (2010), 297 (302–305). 609  Picker in: FS Westermann (2008), 589 (605, 610). 610  Picker in: FS Konzen (2006), 687 (703 ff., 706–708). 611  Picker in: FS Konzen (2006), 687 (708–712); vgl. ders. in: FS Westermann (2008), 583 (595 mit Fn. 37). Vgl. das Gewährleistungskonzept Piskos zum ABGB, wonach der Verkäufer wegen nachträglicher Zufallsmängel keine Verbesserung schulde, weil dem Verkäufer aus der Verschiebung des Gefahrübergangs auf einen Zeitpunkt nach dem Vertragsschluss kein größerer Nachteil erwachsen könne/dürfe als der Verlust der Gegenleistung oder eines Teils davon. Dazu m. w. N. Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 197 ff. sowie oben: B.II.1.d)i)3) bei und nach Fn. 348. 612  Picker in: FS Westermann (2008), 583 (601 sowie mit Zitat 614): „Denn weil zwar der Gläubiger primär am Ergebnis, der Schuldner aber zumindest auch an der Begrenzung der Mittel interessiert ist, weil jedoch keiner der Partner im ordinären Vertrag seine Interessen ohne Abstriche durchsetzt, entscheidet der im Vertrag gefundene Ausgleich darüber, welcher Aufwand vom Schuldner erbracht werden muss, um den vereinbarten Erfolg zu erzielen. Eben weil folglich neben dem vereinbarten Leistungserfolg auch der geplante Leistungsaufwand als zentraler Faktor den Vertragsinhalt festlegt, kann die Vereinbarung der Parteien für ihn keine andere und mithin auch keine geringere Bedeutung als für jenen besitzen. Und eben weil so die vertraglich geschuldete Leistung immer notwendig beides festlegt, kann nicht anders als für die Erfüllung auch für die Nacherfüllung allein diese Vereinbarung maßgeblich sein, um neben dem Gegenstand auch den Aufwand der Ersatzleistung zu bestimmen“. 613  Es sei nicht so, dass das Gesetz prinzipiell von der Nacherfüllungspflicht des Verkäufers ausgehe und danach „im negativen Verfahren“ zu begründen sei, warum eine Ersatzlieferung beim Stückkauf im Einzelfall ausscheiden, sondern vielmehr so, dass die Nacherfüllungs- und so auch die Ersatzlieferungspflicht „als an sich unlegitimierte Mehraufwandspflicht grundsätzlich zu verneinen“ und nur von Fall zu Fall positiv zu begründen sei, „wenn sich ein entsprechender Wille nachweisen lässt“; Picker in: FS Westermann (2008), 583 (600–602); vgl. ders. in: FS Konzen (2006), 687 (705–708). 614 Vgl. Picker in: FS Westermann (2008), 583 (612): „Ist man sich darüber einig, dass der von den Parteien geschlossene Vertrag festlegt, was – notfalls auch nur hilfsweise – tauglich sein soll zu seiner Erfüllung, so lässt sich … auch die Nacherfüllung, die gerade die eingeplante hilfsweise Lösung zu realisieren bezweckt, allein aufgrund des Vertrages bestimmen. Alles andere wäre für den Verkäufer der Zwang zur Leistung nie versprochener Dinge.“



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durch eine gleichwertige Leistung gewahrt werden).615 Maßgeblich dafür seien, wenn die Parteien nicht von vorneherein tatsächlich hilfsweise die Lieferung einer Ersatzsache eingeplant und sich auch nicht nachträglich, bei Auftauchen des Mangels, darauf geeinigt haben, die Umstände im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. der daraus zu schließende Wille. Seien diese Umstände vernünftigerweise so zu deuten, dass der Verkäufer sich „durch Nachbesserungs- oder Nachlieferungsrechte gegen Forderungen nach Minderung oder Rücktritt sichert“ und „eher gewillt ist, eine professionsgemäße Reparatur selbst auszuführen als sie nach „teurerer“ Minderung dem Konkurrenten zu überlassen“ oder „lieber eine Ersatzsache liefern als den Verlust des Kaufpreises hinnehmen will“, stehe dem Verkäufer eine entsprechende „Abwendungsbefugnis“616 zu.617 Seine „systemkonforme Funktion“ erfülle § 439 Abs. 1 gerade dadurch, dass der Verkäufer an der so signalisierten Bereitschaft zur Nacherfüllung bei Auftreten eines Mangels festgehalten werde, auch „wenn ihm diese Gewährleistungsalternative wegen Sinneswandels oder veränderter Umstände jetzt nicht mehr passt“.618 Die Voraussetzungen für eine „Zusage“ der Nacherfüllung durch den Verkäufer sowie dafür, die mit Blick insbesondere auf die Ersatzlieferung erforderliche (hypothetische) Änderungswilligkeit anzunehmen, seien beim Verbrauchsgüterkauf geradezu idealtypisch erfüllt:619 615  Picker in: FS Konzen (2006), 687 (712–715); ders. in: FS Westermann (2008), 589 (599, 600, 601, 603). 616  Zu dem historischen Ursprung der Nacherfüllungspflicht in einem Nacherfüllungsrecht des Verkäufers: Picker in: FS Westermann (2008), 583 (606–608); vgl. ders. in: FS Konzen (2006), 687 (712 f.) sowie bei und in Fn. 528 sowie unter B.II: Fn. 300, 326, 332, 644. 617  Picker in: FS Westermann (2008), 583 (606); vgl. ders. in: FS Konzen (2006), 687 (713 f.). 618  Picker in: FS Westermann (2008), 583 (605 f.). 619 Vgl. Picker in: FS Westermann (2008), 583 (599 f., 606, 616); ders. in: FS Konzen (2006), 687 (712–715); so auch Korth (2010) – Minderung, S. 73–75 m. w. N.: „Die Derogation der überkommenen Regeln über die Zuweisung der Leistungsgefahr an den Käufer durch die §§ 439 Abs. 1, 434 Abs. 1 S. 1 BGB ist nicht auf der Grundlage eines Systemwechsels hin zu einer Konzeption einer verschuldensunabhängigen Garantiehaftung auf das Naturalleistungsinteresse erklärbar. Die Derogation der Regelung der Leistungsgefahr findet ihren alleinigen Grund in der durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz herbeigeführten Orientierung an dem Verbrauchsgüterkauf… In diesem spezifischen ökonomischen Kontext hat der Verkäufer ein Interesse daran, durch die Vorschaltung des Nacherfüllungsanspruchs gleichsam eine Ersetzungsbefugnis zu erhalten, weil er sich in den Fällen zufälliger nachträglicher Verschlechterung wie auch des Untergangs der Kaufsache weiterhin den Kaufpreis verdienen will und kann. Für den Verkäufer spielt es in diesen Fällen keine Rolle, ob die Kaufsache bereits bei Vertragsschluss mangelhaft war oder diese sich erst nach Vertragsschluss zufällig verschlechterte. Und aus diesem Grund räumt die durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen manifestierte Vertragspraxis beim Verbrauchsgüterkauf den Käufern einen Nacherfüllungsanspruch ein, der den Rechtsbehelfen der Wandelung und Minderung vorgeschaltet war. Der vorrangige Nacherfüllungsanspruch sicherte das Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung ab. Hat der Verkäufer dagegen die Leistungsgefahr nicht vertraglich übernommen, so muss es bei der Grundregel der Zuweisung der Leistungsgefahr an den Käufer, die in § 275 Abs. 1 BGB ihren gesetzlichen Ausdruck gefunden hat, bleiben. Ansonsten konstituierte § 439 Abs. 1 BGB eine verschuldensunabhängige, auf Naturalrestitution § 249 Abs. 1 BGB) gerichtete Schadenersatzhaftung für Leistungsstörungen. Das in § 280 Abs. 1 BGB positivierte Verschuldensprinzip stünde nur auf dem Papier.“

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

„Denn dann sind die Kosten von Nachbesserung und Nachlieferung in der Regel begrenzt und mit hoher Wahrscheinlichkeit vorab schon fixierbar. Darüber hinaus ist hier mit derselben Wahrscheinlichkeit auch der Erfolg der Investition zu unterstellen. Die Voraussetzungen, dass sich der Mehraufwand präsumtiv lohnt, und mit ihr die im Vertrag konkludent erklärte Bereitschaft, die Mehrkosten und die Risiken einer Nacherfüllung in Kauf zu nehmen, lassen sich also vollends hier in aller Regel bejahen.“620

Deshalb sei bei einem gewerblichen Verkäufer von Massenartikeln, umso mehr wenn er selbst Hersteller sei oder Reparaturwerkstätten betreibe, der (hypothetische) Wille anzunehmen, das Risiko (auch) des nutzlosen Mehraufwandes zu übernehmen, weil der Mehraufwand relativ gering und das Risiko der Vergeblichkeit des Mehraufwandes relativ zuverlässig kalkulierbar ist.

3) Stellungnahme Das von Picker angesprochene Legitimationsdefizit ist nicht zu bestreiten. Dies gilt gleichermaßen für die Nachbesserung wie für die Ersatzlieferung beim Stückkauf. Zu ergänzen ist, dass sich auch (sogar) beim Gattungskauf das Problem stellen kann, dass der zur Nacherfüllung erforderliche Aufwand dasjenige übersteigt, womit der Verkäufer gerechnet hat, namentlich dann, wenn der Verkäufer auf Nachbesserung in Anspruch genommen wird. Denn „wer einen Gattungskauf vereinbart, der wird typischerweise nicht daran denken, dass er später ein individuelles Stück reparieren oder gar ausbauen muss“,621 sondern vielmehr davon ausgehen, er könne etwaige Mängel unproblematisch durch Lieferung anderer vertragsgemäßer Ware beheben.622 Dieses Problem lässt sich aber dadurch in den Griff bekommen, dass der Verkäufer – falls er nicht aufgrund eines Verbrauchsgüterkaufs auch im Rahmen der Ersatzlieferung zum Ausbau des gelieferten mangelhaften Stücks und zum Einbau des nachgelieferten mangelfreien Stücks verpflichtet ist – die Einrede der relativen Unverhältnismäßigkeit erheben und auf die (ggf. günstigere) Ersatzlieferung ausweichen kann.

620 

Picker in: FS Westermann (2008), 583 (600). 621 Vgl. Gsell in: FS Picker (2010), 297 (302) zu

der Frage, inwieweit der für die Nachbesserung erforderliche Aufwand maßgeblich für die Frage sein kann, ob der Verkäufer im Rahmen der Ersatzlieferung den Ein-/Ausbau einer mangelhaften Sache schuldet: Man müsse sich fragen, „ob die ursprüngliche Pflicht zur Erfüllung eines Stückkaufes auch dann Maßstab für die Reichweite der Nachbesserungspflicht sein darf, wenn gar kein Stückkauf vorliegt, sondern  – wie meistens – ein Gattungskauf.“ Vgl. auch Kandler (2004) – Kauf, S. 324: „Während der Verkäufer beim Gattungskauf ursprünglich das Recht hat, eine Sache aus der Gattung auszuwählen, ist ihm das verwehrt, wenn der Käufer im Rahmen der Nacherfüllung Mängelbeseitigung wählt“. 622  Bemerkenswert ist, dass das BGB von 1900 in § 480 Abs. 1 a. F. für den Gattungskauf zwar einen Nachlieferungsanspruch, aber keinen Nachbesserungsanspruch vorsah. Dies begründete Götz (1960) – Sachmängelbeseitigung, S. 46 f. ebenso wie das Fehlen eines Nachbesserungsanspruchs beim Stückkauf damit, dass der Kauf als Verschaffungs-/Lieferungsvertrag und, anders als der Werkvertrag, nicht als Herstellungsvertrag konzipiert sei, dazu auch Kandler  (2004)  – Kauf, S. 106 f.).



6. Ersatzlieferungsgefahr

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(a)  Keine allgemeine Geltung des Prinzips der Zufallsbefreiung im reformierten Schuldrecht Auch wenn eine gesetzliche Regelung, die den Stückschuldner bei jeder (mehr als bagatellmäßigen) Leistungserschwerung, die er nicht zu vertreten und deren Überwindung er auch nicht versprochen hat, befreien würde,623 vorzugswürdig wäre, überzeugt die Annahme nicht, „es handele sich [dabei] um die einzige Regelung für das Problem der Leistungserschwerung, die der Gesetzgeber sub specie der Privatautonomie treffen könne“.624 Man mag dies für „platt-positivistisches Argumentieren“ halten,625 aber es ist nicht zu verkennen, dass der Gesetzgeber anders entschieden hat, und dies ist grundsätzlich zu respektieren.626 Schürholz hat in Auseinandersetzung mit den Thesen Ackermanns zu den Grenzen der Nachbesserungspflicht beim Stückkauf627 sowie mit der zum alten Schuldrecht geführten Diskussion über die Wiederbeschaffungspflicht des Verkäufers im Falle eines von ihm nicht zu vertretenen Verlusts der Verfügungsgewalt über das verkaufte Stück628 überzeugend dargelegt, dass der Satz, dass jeglicher Zufall den Schuldner ohne Rücksicht auf die tatsächliche Möglichkeit der Überwindung des Leistungshindernissen befreien muss (casus a nulla praestantur)629, 623 

So die Konzeption der §§ 433, 459 ff. a. F. Dazu oben: B.II.1.d)i). Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 275 Rn. 30a zur Parallelproblematik bei § 275 Abs. 2; vgl. ders. in: FS Huber (2006), 165 (202–204) zur Kritik des Schrifttums an der gesetzlichen Regelung der Leistungsgefahr beim nachträglichen Zufallsmangel: Die Möglichkeit des Gesetzgebers, den Kaufvertrag so zu formieren, wie er es getan habe, könne nicht bestritten werden; ähnlich Gsell in: FS Picker (2010), 297 (303). Allerdings vertritt Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 275 Rn. 102, dass die Grenze des grob unverhältnismäßigen Aufwandes in den Fällen der nicht vom Schuldner zu vertretenden Leistungshindernissen herabgesetzt sei und sich dem „Prinzip der Zufallsbefreiung“ nähere, „dem Prinzip also, wonach der Schuldner nicht (nennenswert) mehr Anstrengungen zu erbringen braucht, als er anfänglich versprochen hat, und dann, wenn diese Anstrengungen wegen zufällig veränderter Umstände nicht mehr zum Erfolg führen können, keiner Haftung wegen Nichterfüllung unterliegt.“ 625  So und schärfer die Kritik Pickers in: FS Konzen (2006), 687 (699); ders. in: FS Westermann (2008), 583 (589 f.) daran, dass die Regelung der §§ 275 Abs. 2, 439 Abs. 3 in der Literatur verbreitet akzeptiert wird, ohne dass ihre Legitimation prinzipiell in Frage gestellt würde, und lediglich die Kriterien zur Bestimmung der groben Unverhältnismäßigkeit diskutiert werden. 626  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (202–204); Gsell JuS 2007, 97 (98 f.); dies. in: FS Picker (2010), 297 (303); vgl. auch Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 143: „Im geltenden Recht ist das fehlende Vertretenmüssen der Sachverschlechterung nur im Rahmen der Bestimmung des zumutbaren Leistungsaufwandes nach § 275 Abs. 2 S. 2 und bei der Frage absoluter Unverhältnismäßigkeit des Nacherfüllungsaufwandes nachz § 439 Abs. 3 Satz 1 und 3 BGB zu berücksichtigen, für Inhalt und Umfang der Nacherfüllungspflicht nach § 439 Abs. 1 BGB dagegen ohne Bedeutung“; ders. DAR 2004, 565 (569). 627  JZ 2002, 378 (382 ff.). 628  Da das „alte“ Kaufrecht keine Nacherfüllungspflicht beim Stückkauf vorsah, schöpft Schürholz Argumente aus der zu den Voraussetzungen der (subjektiven) Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 2 a. F. geführten Diskussion; einen ähnlichen Ansatz verfolgte bereits Gsell (1998) – Beschaffungsnotwendigkeit, S. 37 ff., die aus diesem Streitstand eine Antwort auf die Frage nach der Befreiung des Gattungsschuldners beim Verschwinden der Ware vom Markt ableitete. 629  Zur Bedeutung und historischen Entwicklung dieser Regel: Mommsen (1853) – Unmög624 

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

im reformierten Schuldrecht nicht mehr allgemein gilt, die Leistungsbefreiung bei Zufall nun vielmehr die Ausnahme ist.630 Dem Argument, dass durch die „möglichst weitgehende“ Aufrechterhaltung der im Vertrag vereinbarten Leistungspflichten „die Bindung an den Vertrag (pacta sunt servanda) verwirklicht“ werde und „auf diese Weise der Privatautonomie [ge]dient“ sei,631 ist zwar entgegenzuhalten, dass das Leistungsversprechen des Schuldners nicht prinzipiell rein erfolgsbezogen verstanden werden darf632. Allerdings wird beim Kauf die dem Verkäufer obliegende Leistung regelmäßig allein durch die Beschreibung der zu liefernden Kaufsache umrissen.633 Gerade in Bezug auf die Leistungspflicht beim (Stück-)Kauf liegt es auch nicht fern, der Erklärung des Verkäufers, eine bestimmte Sache mit einer bestimmten Beschaffenheit zu liefern (vgl. § 433 Abs. 1 S. 2) – insbesondere im Falle des Abschlusses einer Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 Abs. 1 S. 1) –, die Bedeutung beizumessen, dass er auch bereit sei, etwaige Qualitätsdefizite vor der Lieferung zu beseitigen (und diese Leistung nachzuholen, sofern die Qualitätsdefizite erst nach der Lieferung erkannt werden).634 Zumindest ging der Reformgesetzgeber offenbar davon aus, dass dies regelmäßig dem Parteiwillen entspreche.635 Entsprechend dieser Auslegung des Leistungsversprechens des Verkäufers ist auch die Nichterfüllungshaftung (Schadenersatz statt der Leistung) im reformierten Schuldrecht nicht mehr durch die Bezugnahme auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses begrenzt.636 lichkeit, S. 228 ff.; Jakobs (1969) – Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 114–116; Schermaier in: HKK (2007) – BGB, Vor § 275 Rn. 20, 22 f., 28, 31, 49 ff., § 275 Rn. 6, 20 ff. 630  Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 177–206. 631 So Unberath in: BeckOK (Stand: 01.03.2011) – BGB, § 275 Rn. 54 m. w. N. zur Regelung des § 275 Abs. 2. 632  Vgl. zur Bedeutung der Parteivereinbarung nicht für die die Bestimmung des Leistungserfolges, sondern auch für die Mittel zur Erreichung dieses Erfolges: Picker in: FS Westermann (2008), 583 (613 f.). 633  Gsell in: FS Picker (2010), 297 (303). 634 Vgl. Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 195  f., 197, 198, 204. Kritisch: Lobinger (2004) – Grenzen, S. 261: Der Nacherfüllungsanspruch werde vor diesem Hintergrund „kaum zu recht  … als lediglich besondere Ausprägung des ursprünglichen Primärleistungsanspruchs“ verstanden. 635  Gsell JuS  2007, 97 (98 f.): „Man mag die Entscheidung des deutschen und des europäischen Gesetzgebers für den Rechtsbehelf der Nachbesserung kritisieren, stellt er doch unser herkömmliches Verständnis des Geschäftstyps „Kauf“ samt dessen Abgrenzung zum Werkvertrag in Frage und tut dem Parteiwillen u. U. durchaus Gewalt an. Dass das Nachbesserungsrecht geltendes Recht ist, lässt sich aber nicht bezweifeln.“ Außerhalb des Regelungsbereich des § 439 Abs. 1 lässt sich dagegen auch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung erreichen, dass der Schuldner bereits dem Grunde nach nicht zur Überwindung zufälliger Leistungserschwerungen verpflichtet ist und deshalb bei Auftreten solch einer Leistungserschwerung Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 vorliege; vgl. dazu Caspers in: Staudinger (2014) – BGB, § 275 Rn. 87. 636  Dagegen hatten die Verfasser des BGB von 1900 die Haftung wegen Fehlens zugesicherter Eigenschaften und arglistigen Verschweigens von Fehlern, anders als die ädilizische Sachmängelhaftung, gerade deshalb nicht auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs, sondern ausdrücklich auf den des Vertragsschlusses bezogen, um das „Missverständnis“ zu vermeiden, dass der Stückverkäufer verspreche und die Garantie dafür übernehme, dass die zugesicherte Eigenschaft noch zu



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Fraglich ist dann in der Tat allein, wodurch der Aufwand, den das „Erfolgsversprechen“ des Verkäufers voraussetzt, begrenzt wird. Hier greift das dispositive Gesetzesrecht ein, wenn die Parteien selbst keine Vereinbarung getroffen haben.637 Angesichts der Regelungsabsicht des Reformgesetzgebers, dass der Verkäufer einen Mangel des verkauften Stücks, der an sich behoben werden kann, in der Regel auch beheben muss, und zwar auch dann, wenn der Mangel auf einer nachträglichen Sachverschlechterung beruht, die der Verkäufer nicht zu vertreten hat,638 begegnet auch Pickers Annahme von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis, wonach wegen eines nachträglichen Zufallsmangels grundsätzlich keinerlei Nacherfüllung geschuldet sei und sich eine entsprechende Pflicht des Verkäufers nur fallweise – ausnahmsweise – begründen lasse, Bedenken.639 (Halb-)zwingend ist diese Regelung (§ 439 Abs. 1 Alt. 1) zwar nur in den Fällen, in denen Picker die Nacherfüllung ebenfalls regelmäßig sachgerecht findet, namentlich beim Verbrauchsgüterkauf (§ 475 Abs. 1). Insoweit ist es den Parteien verwehrt, einen „klassischen“ Stückkauf als reines Abgabegeschäft640 abzuschließen, bei dem der Käufer ab Vertragsschluss jegliche Leistungsgefahr trägt. Die Reichweite der Leistungsgefahr beim Verkäufer eines individuell bestimmten Stücks hängt – insbesondere mit Blick auf nicht-mangelbedingte Verschlechterungen nach der Übergabe – freilich davon ab, ob der Verkäufer (sekundär) zur Ersatzlieferung verpflichtet ist.

Im Übrigen steht es den Parteien frei, die gesetzliche Regelung abzubedingen. Problematisch sind aber diejenigen Fälle, in denen sich ein entsprechender realer Wille der Parteien nicht im Wege der erläuternden Vertragsauslegung ermitteln lässt. Denn der Annahme eines entsprechenden hypothetischen Parteiwillens im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung steht ggf. entgegen, dass gerade für diesen Fall dispositives Gesetzesrecht vorgesehen ist, um die fragliche Lücke zu füllen.641 Insoweit ist zu respektieren, in welcher Weise der Gesetzgeber den der Zeit vorhanden sei, zu welcher die Gefahr auf den Erwerber übergehe. Dazu bereits: B.II.2.b) ii). 637  Gsell in: FS Picker (2010), 297 (303). Dazu noch bei und in Fn. 647. 638  Deshalb kann – auch außerhalb des Regelungsbereichs des § 475 Abs. 1 – zumindest nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung angenommen werden, dass die „Unreparierbarkeit“ der verkauften Sache oder die „juristische Unbehebbarkeit“ sämtlicher Mängel gewollt wäre; dazu auch: B.III.6.a)i) (in Fn. 519) und sogleich in Fn. 645. 639 Vgl. Donou (2006) – Erfüllung und Nacherfüllung, S. 51–84: Es sei zwischen der „gesetzlich verankerten abstrakten Pflicht zur Nachlieferung“, die generell und damit auch beim Stückkauf gelte, und der „konkreten Möglichkeit der Nachlieferung“ (Leistungsfähigkeit) zu differenzieren. Die Parteien könnten die Leistungsfähigkeit des Verkäufers beschränken (durch Individualisierung/Konzentration auf eine Einzelsache) oder erweitern (durch Vereinbarung der Nachlieferung trotz Unvertretbarkeit (nach objektiven Kriterien)). Nicht das Entstehen des Nachlieferungsanspruchs sei folgerichtig im Fall des Stückkaufs betroffen, sondern vielmehr dessen Erlöschen (im Einzelfall). 640  Vgl. dazu oben bei und in Fn. 51. 641  A. A. Picker in: FS Westermann (2008), 589 (606 mit Fn. 75). – Allgemein zum Vorrang des dispositiven Gesetzesrechts vor der ergänzenden Vertragsauslegung: Busche in: MüKo (2012) –

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

Parteiwillen typisiert (genauer: den typischen Vertragswillen der Parteien beim Verbrauchsgüterkauf generalisiert) und den Kaufvertrag modellartig ausgestaltet hat.642

(b)  Ein gewisses Maß an Mehraufwand ist für die Nacherfüllung gesetzlich angeordnet Der Anwendungsbereich dieses dispositiven Gesetzesrechts lässt sich aber möglichst eng auslegen. Sofern es dem, was der Verkäufer vernünftigerweise versprochen hätte und was der Käufer vernünftigerweise erwarten würde, widerspricht, ist dies sogar dringend geboten643. Zwar spricht viel dafür, dass der Reformgesetzgeber die Ersatzlieferung nicht auf Fälle des Gattungskaufs beschränken wollte. Es lassen sich aber weder aus den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren noch aus dem Wortlaut oder der Systematik des Gesetzes (gesetzliche) Voraussetzungen einer Ersatzlieferung abseits des Gattungskaufs erschließen.644 Von daher kann insoweit – anders als bei der Nachbesserungspflicht, die – wohl oder übel – gesetzlich angeordnet ist,645 nur an autonome Kriterien angeknüpft, für die Frage, ob eine Ersatzlieferung (außerhalb des Gattungskaufs) im Einzelfall geschuldet ist, also nur auf den Parteiwillen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abgestellt werden. Dieser ist nach den bereits genannten Kriterien zu erforschen und, wo nötig, zu ergänzen. Sofern sich der Parteivereinbarung nicht im Wege der erläuternden Vertragsauslegung entnehmen lässt, welchen Aufwand die Parteien zur Ersatzlieferung eingeplant haben,646 steht insoweit freilich dispositives Gesetzesrecht zur Ver-

BGB, § 157 Rn. 45 (sofern der Gesetzgeber einen bestimmten Geschäftstyp „durchnormiert“ hat); Roth in: Staudinger (2010) – BGB, § 157 Rn. 15, 25, 46 (mit Ausnahme für „unpassendes“ Gesetzesrecht, das der Interessenlage der Vertragsparteien im Einzelfall offensichtlich nicht gerecht wird); Wendtland in: BeckOK (Stand: 01.05.2013) – BGB, § 157 Rn. 38. 642 Vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (203). 643 Vgl. Picker in: FS Westermann (2008), 589 (606 mit Fn. 75) m. w. N.: Wenn dispositives Gesetzesrecht eine Parteivereinbarung nicht im Regelfall überflüssig, sondern erst notwendig mache, verfehle es seine Funktion. Dazu schon: B.II.1.c)iii)4)(c)(i). 644  Zur Unergiebigkeit der Auslegung des Gesetzes nach Wortlaut, Systematik und Historie: Kandler (2004) – Kauf, S. 466 f.; Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 154–158; Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 272–274; Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 17–19. 645  Deshalb kann insoweit die gesetzliche Rechtsfolge der Nachbesserung tatbestandlich nicht voraussetzen, dass die Parteien die „Reparierbarkeit“ der Kaufsache bzw. die „Behebbarkeit“ etwaiger Mängel vereinbart haben, vgl. dazu oben: B.III.6.a)i) (in Fn. 519) und soeben in Fn. 638. Es steht dem Verkäufer – außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs (§ 475 Abs. 1 S. 2) aber frei, sich von der Leistungsgefahr frei zu zeichnen, indem er mit dem Käufer die „juristische Unbehebbarkeit“ nachträglicher Zufallsmängel vereinbart, was auch konkludent geschehen kann; dazu Ernst in: FS Huber (2006), 165 (204–206). 646  Diesbezüglich kann sich aus den Umständen des Vertragsschlusses insbesondere ein der „typologischen Trias von markt-, produktions- und vorratsbezogenem Kauf“ entsprechendes Beschaffungsrisiko ergeben. Dazu Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (151); grundlegend zu dieser „Trias“ in Bezug auf den Gattungskauf: Ballerstedt in: FS Nipperdey (1955), 261 ff.



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fügung.647 Denn wenn abseits des Gattungskaufs im Einzelfall einmal feststeht, dass die Ersatzlieferung als Nacherfüllungsvariante gewollt ist, lässt sich der damit verbundene Aufwand im Vergleich zu dem Aufwand bemessen, den der Verkäufer maximal zur Nachbesserung erbringen müsste. Das ist sachgerecht (zumindest dann, wenn man sich damit abfindet, dass es für den Verkäufer vor dem zur Nachbesserung erforderlichen Aufwand bis zur Grenze der §§ 439 Abs. 3, 275 Abs. 2 ohnehin kein „Entrinnen“ gibt, falls die Nacherfüllung oder die Mängelrechte insgesamt nicht zulässiger Weise abbedungen wurden). Denn auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Annahme einer – im Interesse der Parteien liegenden – Ersatzlieferungspflicht für den Verkäufer nicht zu einer (zusätzlichen) „Haftungsfalle“ wird. Muss der Verkäufer diesen Aufwand ohnehin aufbringen, ist kein Grund ersichtlich, warum er nicht, sofern die Ersetzung nicht gegen die Gläubigerinteressen verstößt, auch durch Ersatzlieferung sollte nacherfüllen dürfen; daran dürfte der Verkäufer vor allem dann interessiert sein, wenn sich für ihn eine Ersatzlieferung mit geringerem Aufwand als eine Nachbesserung erledigen lässt648.

(c)  Mehraufwand im Einzelfall mit Rücksicht auf die Frage des Vertretenmüssens und das Frustrationsrisiko zu bestimmen So bleibt die Frage zu beantworten, wo für die Nachbesserung aufgrund eines Stückkaufs gem. § 439 Abs. 3 die Grenze der „absoluten Unverhältnismäßigkeit“ verläuft, die ggf. auch den Aufwand einer Ersatzlieferung begrenzt. Es soll hier nicht im Einzelnen auf die zweifelhaften Quantifizierungsvorschläge eingegangen werden, die mittels Prozentangaben versuchen, eine allgemeingültige „Opfergrenze“ zu definieren.649 Denn es kann nur auf eine Einzelfallbetrachtung 647  Gsell in: FS  Picker (2010), 297 (303): Wenn es an einer klaren Vereinbarung des Erfüllungsaufwandes fehle und die Leistung vielmehr „von den Vertragsparteien lediglich anhand des Leistungserfolges – beim Kauf: der Beschreibung der zu lieferenden Kaufsache – näher umrissen“ werde, wolle der Verkäufer „die Grenze dessen, was ihm zur Bewirkung des Leistungserfolges abverlangt werden kann, typischerweise deutlich weiter unten ansetzen als der Käufer“. Der geschuldete Aufwand bestimmte sich dann mangels vertraglicher Vereinbarung nach dem dispositiven Gesetzesrecht. 648  Picker in: FS Westermann (2008), 583 (587, 596–598) lehnt den Grundsatz einer Ersatzlieferung beim Stückkauf auch deshalb ab, weil sonst den Verkäufer in allen Fällen, in denen er zur Erfüllung der Nachleistungspflicht „nicht nur gleichsam hinter sich greifen müsste, um einen geeigneten Ersatzgegenstand offerieren zu können“, eine „in ihrem Grund völlig offene, in ihrem Umfang völlig unberechenbare Beschaffungspflicht“ treffen würde. Dies werde in der Diskussion verkannt und „[d]ort, wo man über die Frage der Kosten- und Risikotragung schweigt, [erhelle] man die Problematik der Nachlieferung allenfalls für die eher harmlosen Fälle, in denen das vertragsadäquate Ersatzstück für den Verkäufer ohne weiteren Aufwand zur Hand ist…“. 649  Im Überblick dazu: Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 439 Rn. 24; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 50; Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 115. Kritisch zu sämtlichen Versuchen einer generellen Quantifizierung des Nacherfüllungsaufwandes anhand von Prozentangaben: Picker JZ 2003, 1035 (1037 ff.); ders. in: FS Konzen (2006), 687 (689 f.); ders. in: FS Westermann (2008), 583 (615); Lobinger (2004) – Grenzen, S. 161 ff.; Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 275 Rn. 89.

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unter Beachtung der in § 439 Abs. 3 genannten Kriterien ankommen, also mit Rücksicht insbesondere auf den Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung des Mangels.650 Dabei ist ferner zu beachten, dass die Steigerung des dem Schuldner zur Erfüllung abzuverlangenden Aufwands im Vergleich zu dem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers, das § 275 Abs. 2 für eine Leistungsbefreiung verlangt, beim Kauf651 im Rahmen von § 439 Abs. 3 enger begrenzt ist, weil der Verkäufer die Nacherfüllung bereits dann verweigern kann, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.652 Sofern es um Mängel geht, die der Verkäufer nach haftungsrechtlichen Maßstäben (§§ 276–278) nicht zu vertreten hat, wird man schließlich in Annäherung an das Prinzip der Zufallsbefreiung mit Blick auf die Unverhältnismäßigkeit noch einmal einen deutlichen Abschlag vornehmen müssen, auch wenn der Wortlaut des § 439 Abs. 3 es, anders als § 275 Abs. 2 S. 2, nicht ausdrücklich vorsieht, „zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat“.653 Zutreffend macht Picker darauf aufmerksam, dass das Risiko des Verkäufers selbst dann noch erheblich ist, wenn man, etwa den Vorschlägen Ackermanns654 oder Hubers655 folgend, die Unverhältnismäßigkeitsgrenze (durch den „Minderungsbetrag“ oder den „Kaufpreis“) vergleichsweise niedrig ansetzte.656 Denn mit der Nacherfüllungspflicht wird dem Verkäufer nicht nur ein Mehraufwand, sondern auch das Risiko der Frustration dieses Mehraufwandes aufgebürdet.657 Wenn das (geschuldete) Bemühen um die Herstellung des vertragsgemäßen Erfolges fehlschlägt, verliert er nämlich nicht nur den Kaufpreis (ganz oder teil650 Die Frage, ob auf die andere Art der Nacherfüllung (Ersatzlieferung) ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte, stellt sich nicht, wenn der Aufwand, den das Gesetz dem Verkäufer im Rahmen der Nachbesserung zumutet, bestimmt werden soll, um den Aufwand einer alternativen Ersatzlieferung zu begrenzen. 651 Nach vorzugswüdiger Ansicht begrenzt § 439 Abs. 3 den Aufwand, den der Verkäufer zur Erfüllung seiner Verpflichtung zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes tätigen muss, schlechthin, also unabhängig davon, ob der Käufer die mangelhafte Sache bereits angenommen (der Verkäufer durch „Bewirken“ einer Schlechtleistung wenigstens „angeleistet“ hat) oder nicht. So auch Bachmann AcP 211 (2011), 395 (417 f.) Dazu noch unten: B.III.6.a)iv)4). 652 So Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 275 Rn. 28. Eine „strikte Begrenzung“ auf den Betrag der bei Nichtbeseitigung möglichen Minderung sei jedoch nicht gesetzlich vorgegeben. 653 Vgl. Ernst in: MüKo (2012) – BGB; § 275 Rn. 103; ders. in: FS Huber (2006), 165 (203). 654  JZ 2002, 378 (382 ff.); so auch: Reinicke/Tiedtke (2009) – Kauf, Rn. 449 und Tiedtke/ Schmitt DStR 2004, 2060 (2064). 655  FS Schlechtriem (2003), 521 (546). 656  Kritisch zu diesen Vorschlägen auch: Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 439 Rn. 21, 26; Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 179–205; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 50 („auf Grund einer nicht mit Gesetzeswortlaut und Entstehungsgeschichte zu vereinbarenden Auslegung von § 275 Abs. 2“); Unberath in: BeckOK (Stand: 01.03.2011) – BGB, § 275 Rn. 55 unter Verweis auf Lorenz (2004) – Zwischenbilanz, S. 10; wie Lorenz bereits Canaris JZ 2004, 214 (215); zust. Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 275 Rn. 30a; 657  Ausführlich dazu: Picker JZ 2003, 1035 (1043); ders. in: FS Konzen (2006), (694 ff.) mit Bsp. (696 f.); ders. in: FS Westermann (2008), 583 (596–598); Korth (2010) – Minderung, S. 47 mit Fn. 175.



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weise) letztlich doch; überdies bleibt er auf dem vergeblichen Mehraufwand, den er zur Nacherfüllung getätigt hat, „sitzen“.658 Darin, dass der Gesetzgeber nicht hinreichend gewürdigt hat, dass die Erfolgsaussichten der Investition in die Nachbesserung oder Ersatzlieferung sich außerhalb des ökonomischen Kontexts des Verbrauchsgüterkaufs weniger gut abschätzen lassen, liegt die eigentliche Krux der abstrakt-generell angeordneten Nacherfüllungspflicht des Verkäufers; im Einzelfall entfernt sie sich mehr oder weniger weit von dem, was, sofern nicht die „schuldnerseitigen Aufwendungen, die schlussendlich zur Leistung erforderlich sind, vertraglich fixiert“ wurden,659 der Schuldner vernünftigerweise versprochen hätte und der Gläubiger vernünftigerweise erwarten würde.660 Auf der anderen Seite darf nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 439 Abs. 3 gerade dem Umstand Rechnung tragen wollte, dass die Nacherfüllung den Verkäufer „im Einzelfall“ unangemessen belasten könne, was „insbesondere für den nicht gewerblichen Verkäufer oder den Händler ohne Reparaturwerkstatt“ gelte.661 Demnach widerspricht es nicht dem Willen des Gesetzgebers, im Einzelfall einem hypothetischen Parteiwillen, der in die Richtung eines Ausschlusses der Nacherfüllung weist, dadurch gerecht zu werden, dass der (zusätzliche) Aufwand, den der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung erbringen muss, durch eine recht niedrige Schwelle662 begrenzt wird.

4)  Bereitschaft des Käufers zur Übernahme übermäßiger Nacherfüllungskosten schließt die Möglichkeit des Verkäufers zur Verweigerung der Ersatzlieferung aus Das Risiko des Verkäufers, dass der Käufer wegen des weiten Leistungsumfangs der Ersatzlieferung im Zusammenspiel mit den §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 in den Genuss kommt, solche Schäden an der gelieferten Sache auf ihn abzuwälzen, 658  Dieses Risiko bezeichnet Canaris als eine „nahezu zwangsläufige Konsequenz der Erfüllungspflicht“. Der Mehraufwand, den der Verkäufer im Rahmen der Nachbesserung tragen müsse, deute darauf hin, dass auch die allgemeine Regelung des § 275 Abs. 2 nicht zu beanstanden sei; JZ  2004, 214 (215). Dem hält Picker wiederum entgegen, dass die generelle Anordnung einer Nacherfüllungspflicht beim Kauf bei vom Verkäufer nicht zu vertretenden Mängeln an demselben Legitimationsdefizit leide wie § 275 Abs. 2 und daher die eine Regelung die andere nicht begründen könne; FS Konzen (2006), 687 (703 ff.). 659  Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 275 Rn. 30a. 660 Vgl. Ernst in: HKK (2013) – BGB, §§ 434–445 Rn. 40; ders. in: FS Huber (2006), 165 (203 f.). In der Annahme, dass die Zuweisung dieses Risikos an den Verkäufer nur dann berechtigt sei, wenn der Verkäufer sich bewusst darauf eingelassen habe, liegt der Grund, warum Picker betont, dass der Nacherfüllungsanspruch des Käufers aus der vertraglich begründeten Nacherfüllungsbefugnis des Verkäufers folge, dass § 439 Abs. 1 „[n]ur nach seinem sekundären Effekt, nämlich als Korrelat zu der genannten ‚Ersetzungsbefugnis‘ des Verkäufers … über die tradierten Figuren von Minderung oder Rücktritt heraus neue Rechte des Käufers“ schaffe. Ggf. müsse der Verkäufer aber „bei entsprechender Forderung seines Käufers auch dann nacherfüllen, wenn ihm diese Gewährleistungsalternative wegen Sinneswandels oder veränderter Umstände jetzt nicht mehr passt; Picker in: FS Westermann (2008), 583 (605 f.). 661  Reg.-Begr. SMG, BT-Drucks. 14/6040, S. 232. Dazu noch unten bei Fn. 697. 662  Oben bei Fn. 652 und 653.

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die im Rahmen der Nachbesserung dem Käufer selbst zur Last fielen, lässt sich allerdings nur bedingt dadurch begrenzen, dass der Verkäufer die Ersatzlieferung abseits des Gattungskaufs verweigern kann, wenn der Aufwand, den das Gesetz für die Nachbesserung anordnet, im Einzelfall überschritten würde. Denn wenn man dem Käufer erlaubt, die Verweigerung der gewählten Nacherfüllungsart durch den Verkäufer dadurch abzuwenden, dass er sich bereit erklärt, die übermäßigen Kosten selbst zu tragen,663 gesteht man ihm das Recht zu, sich die Ersatzlieferung und die mit ihr verbundenen Vorteile hinsichtlich der Gefahrverteilung zu „erkaufen“. Im Regelungsbereich des Verbrauchsgüterkaufs ist nunmehr zwingend vorgegeben, dass der Verkäufer selbst eine mit unverhältnismäßigem Aufwand verbundene Ersatzlieferung nicht verweigern kann, wenn der Käufer bereit ist, die übermäßigen Kosten zu übernehmen.664 Darin liegt eine erhebliche Ausweitung bzw. Einschränkung der Begrenzung des Anwendungsbereichs der Ersatzlieferungsgefahr.

Es ist kein Grund ersichtlich, warum man es dem Käufer versagen sollte, den Verkäufer ggf. an seinem Wort, im Mangelfall zu einer Ersatzlieferung (mit verhältnismäßigem Aufwand) bereit zu sein, festzuhalten, wenn er seinerseits nur bereit ist, sich an den (Beschaffungs-)Kosten zu beteiligen. Der Käufer drängt dem Verkäufer dadurch keine Risiken auf, die er mit dem Vertragsschluss nicht eingegangen ist. Es wird vielmehr verhindert, dass der Verkäufer sich einem von ihm übernommenen Risiko entzieht. Der Umstand, dass dem Verkäufer im Rahmen der Ersatzlieferung auch eine nicht-mangelbedingte Verschlechterung und der nicht-mangelbedingte Untergang des gelieferten (mangelhaften) Stücks zur Last fallen, die bei der Nachbesserung allein das Problem des Käufers wären,665 führt nicht dazu, dass die Ersatzlieferung für den Verkäufer nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich wäre und daher verweigert werden dürfte, wenn der Käufer sich nicht bereit erklärt, diese Schäden selbst zu tragen (Wertersatz zu leisten). Diese wirtschaftliche Belastung des Verkäufers hat mit dem Nacherfüllungsaufwand nichts zu tun (die mangelhafte Sache scheidet als Erfüllungsgegenstand ja gerade aus, wenn der Käufer zur (Nach-)Erfüllung die Lieferung einer anderen vertragsgemäßen Sache verlangt). Es handelt sich vielmehr um die Risiken, die de lege lata dem Verkäufer zugewiesen sind, wenn er zur Ersatzlieferung verpflichtet ist. Das Bestehen dieser Pflicht setzt voraus, dass der Leistungsgegenstand im Ergebnis der (ergänzenden) Auslegung der Parteivereinbarung (Individualisierungsabrede) als ersetzbar/austauchbar anzusehen ist666 und dass die (Beschaffung und) Lieferung eines Ersatzgegenstandes mit verhältnismäßigem Aufwand möglich ist. Die zuletzt genannte der beiden 663 

Dazu m. w. N. Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 48; vgl. Matuin: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 125. zumindest dann, wenn die Ersatzlieferung die einzig in Betracht kommende Nacherfüllungsvariante ist. Dazu unten: B.III.7.b)iii)2)(b). 665  Dazu noch unten: B.III.6.b). 666  Dazu oben: B.III.6.a)ii).

sche-Beckmann 664 Dies gilt



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Voraussetzungen, unter denen das Gesetz dem Verkäufer die genannten Risiken zuweist, kann eben auch dadurch erfüllt werden, dass der Käufer den „übermäßigen“ Kostenanteil abschöpft und selbst trägt. Deshalb vermeidet der Verkäufer die mit der Risikoverteilung bei der Ersatzlieferung verbundenen Nachteile nur dann effektiv, wenn die Ersatzlieferung schon tatbestandlich ausgeschlossen ist, weil die Parteien beim Kaufabschluss den Leistungsgegenstand endgültig und unbedingt individualisiert haben.

iv)  Konsequenzen für die Behandlung des Untergangs der beim Vertragsschluss individualisierten Kaufsache vor dem realen Gefahrenübergang Es ist schließlich noch zu der Frage Stellung zu nehmen, was daraus, dass der Verkäufer eines bestimmten Stücks zur Ersatzlieferung verpflichtet sein kann, falls sich dieses Stück als mangelhaft erweist, für den Fall des Untergangs zwischen Vertragsschluss und Lieferung folgt.

1)  Wertungswiderspruch bei unterschiedlicher Behandlung von Sachverschlechterung (Ersatzlieferung) und Sachuntergang (Leistungsbefreiung) zwischen Vertragsschluss und Lieferung? Zu Recht wird in der Literatur auf den Wertungswiderspruch hingewiesen, der bestünde, wenn der Verkäufer bei der „kleineren Leistungsstörung“ der (mangelbegründenden) Verschlechterung der Kaufsache zur Ersatzlieferung verpflichtet wäre, bei der „größeren Leistungsstörung“ der Unmöglichkeit hingegen frei würde.667 Dass darin ein Widerspruch läge, lässt sich nicht leugnen, und eine überzeugende Rechtfertigung ist nicht in Sicht.668 Insbesondere kann man den Unterschied nicht damit erklären, dass der Regelungsgegenstand des Unmöglichkeitsrechts „naturgemäß“ ein anderer sei als derjenige des Sachmängelrechts und dass der Verkäufer in dem einen Fall nicht schlechter, sondern nur anders stehe als in dem anderen.669 Denn die Regelungsbereiche überschneiden sich, weil auch irreparable 667  Ackermann

JZ 2003, 1154 (1154 f.); Balthasar/Bolten ZGS 2004, 411 (413); Gru2005, 707 (709 ff.); Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 274 ff.; Bitter ZIP 2007, 1881 (1886 f.); Picker in: FS Konzen (2006), 687 (706); ders. in: FS Westermann (2008), 587 (597 ff.); Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (153 ff.); Oetker/Maultzsch (2013) – Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2.205–207; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 28; ders. ZGS 2004, 252 (254); Musielak NJW 2008, 2801 (2804); Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 311 f.; Bachmann AcP 211 (2011), 395 (404 f.). 668  Faust ZGS 2004, 353 (254); Gruber JZ 2005, 707 (710); Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 274 ff. 669  So noch Canaris JZ 2003, 1156 (1156 f.): Diskrepanzen zwischen der Behandlung von Untergang und Mangelhaftigkeit seien unvermeidlich und kämen insbesondere auch beim Nachbesserungsanspruch vor; denn wenn die Nachbesserung möglich sei, stehe der Verkäufer auch anders (jedoch nicht schlechter, weil er den Anspruch auf den Kaufpreis behalte) als im Fall des ber JZ

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Mängel – also solche, die nicht durch Nachbesserung behoben werden können – einen Fall der (qualitativen) Unmöglichkeit der Leistung darstellen (die Möglichkeit einer „Mangelbeseitigung“ durch Ersatzlieferung, über die gerade gestritten wird, einmal außer Acht gelassen).670

2)  Ersatzlieferung hängt weder von der Intensität des Störungsereignisses („bloße“ Verschlechterung oder vollständiger Untergang) noch von dessen rechtlicher Qualfikation (Sachmangel oder Unmöglichkeit) ab Der Übergang von der Leistungsstörung „Sachmangel“, ob behebbar oder nicht, zur Leistungsstörung „Unmöglichkeit“ ist insgesamt fließend.671 Es geht also nicht um die unterschiedlichen Rechtsfolgen des Untergangs einerseits und der Verschlechterung andererseits, sondern um die Frage, ob es gerechtfertigt ist, die „totale Unmöglichkeit“ der nach § 433 Abs. 1 geschuldeten Leistung infolge des Untergangs anders zu behandeln als die „qualitative Unmöglichkeit“ infolge einer bloßen (irreparablen) Verschlechterung, und ob es für die Behandlung der „qualitativen Unmöglichkeit“ einen Unterschied macht, ob die sie begründenden Umstände vor oder nach der Lieferung entdeckt werden.672 Für die Frage, ob im Einzelfall eine Ersatzlieferung in Betracht kommt, kann es weder einen Unterschied machen, ob der Käufer die mangelhafte Ware zunächst angenommen hat, noch, ob er sie überhaupt annehmen könnte oder eine Übergabe infolge des Untergangs der Ware von vorneherein ausgeschlossen ist673. Sachuntergangs; zust. Fest ZGS 2005, 18 (20). Von dieser Ansicht ist Canaris inzwischen ausdrücklich abgerückt, ders. in: FS Westermann (2008), 137 (153 f.). 670  Balthasar/Bolten ZGS 2003, 411 (412); Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 280 f.; nunmehr auch Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (154). 671  Bitter ZIP 2007, 1881 (1886), und weiter: So wie die Nachbesserung als partielle Ersatzlieferung bzw. die Ersatzlieferung als totale Nachbesserung gedacht werden könne, stelle eine Verschlechterung einen partiellen Untergang, der Untergang die totale Verschlechterung der verkauften Sache dar; vgl. auch: Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 275: zwischen Sachmangel und -zerstörung bestehe nur ein gradueller Unterschied; Balthasar/Bolten ZGS 2003, 411 (412): die Unterscheidung zwischen Verschlechterung und Untergang (mit Blick auf die Pflicht zur Ersatzlieferung) zwinge zu einer vom Gesetz nicht gewollten und unpraktikablen Abgrenzung: „Ab welchem Grad der … Beschädigung nicht nur ein unbehebbarer Mangel, sondern sogar Zerstörung und damit Unmöglichkeit vorliegen sollen, ist dem Gesetz nämlich nicht zu entnehmen.“ 672 Vgl. Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (155 f.). 673  An diesen Umstand knüpft Fest ZGS 2005, 18 (20 f.) an: Nach dem Untergang der verkauften Sache bestehe die Pflichtverletzung des Verkäufers nicht darin, dass er mangelhafte Ware liefere, sondern darin, dass er gar nicht liefere, also seine Hauptleistungspflicht aus § 433 Abs. 1 S. 1 nicht erfülle. Die Sachmängelhaftung, der zufolge auch Ersatzlieferung geschuldet sei, knüpfe aber an die Verletzung der Hauptleistungspflicht aus § 433 Abs. 1 S. 2 an und setze die Übergabe (mangelhafter) Ware, also die Erfüllung der Pflicht aus § 433 Abs. 1 S. 1 voraus. Ähnlich Gsell JuS 2007, 97 (100), die mit der „prinzipiellen Doppelgleisigkeit“ des § 439 Abs. 1 argumentiert und meint, „[b]ei Störungen, bei denen eine Nachbesserung  … per se niemals in Betracht kommt, soll es keine Ersatzlieferung geben“. Dies sei beim Untergang („völlige Leistungsunmöglichkeit“) anders als beim Vorliegen eines Mangels der Fall.



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Dies veranschaulicht das Beispiel, dass die beim Kaufabschluss individuell bestimmte Kaufsache vor der Lieferung so schwerwiegend beschädigt wird, dass sie endgültig unbrauchbar ist. Hier kann es zwar gegenständlich noch zur Übergabe kommen. Ob es tatsächlich dazu kommt oder nicht, kann aber genau so wenig maßgeblich dafür sein, ob der Käufer eine andere (erfüllungstaugliche) Sache verlangen kann bzw. ob der Verkäufer eine andere erfüllungstaugliche Sache liefern darf, wie der Umstand, ob der Käufer vor oder nach der Übergabe herausfindet, dass der gelieferte Gegenstand völlig unbrauchbar und daher nicht erfüllungstauglich ist.674

Die „qualitative Unmöglichkeit“ schlägt nicht (erst) dadurch in einen (unbehebbaren) Mangel mit den in § 437 in Bezug genommenen Rechtsfolgen um, dass der Käufer die Ware annimmt. Vielmehr steht die – spezielle – Leistungsstörung „Sachmangel“ im Fall des unbehebbaren Mangels bereits in dem Moment endgültig fest, in dem der Mangel auftritt (frühestens mit dem Vertragsschluss),675 und es leuchtet nicht ein, warum es dem Käufer vor der Sachlieferung verwehrt sein sollte, die ihm deswegen zustehenden Rechte geltend zu machen.676 Auch in diesem Fall der Unmöglichkeit ist die Ersatzlieferung also nicht ausgeschlossen, wenn und weil es gar nicht erst zur Übergabe kommt. Der Käufer muss die mangelhafte Sache nicht annehmen; er kann unmittelbar Ersatzlieferung verlangen.677 Anderseits schließt das Vorliegen eines unbehebbaren Mangels im Falle einer (auch aufschiebend bedingten) Individualisierungsabrede das Recht des Käufers, die Lieferung gerade der mangelhaften Sache zu fordern, nicht aus, obgleich diese Sache am Maßstab der Soll-Beschaffenheit nicht als erfüllungstauglich anzusehen ist.678 Ggf. muss der Käufer dem Verkäufer aber vor der Minderung die Chance geben, sich den vollen Kaufpreis durch eine Ersatzlieferung zu verdienen.

Bei Vorliegen eines unbehebbaren Mangels ist es regelmäßig auch nicht zum Schutz des Verkäufers erforderlich, es ihm bis zur Lieferung selbst zu überlassen, mit welchen Mitteln und auf welche Weise er die vertragsgemäße Beschaffenheit herstellt.679 Denn wenn die Nachbesserung faktisch ausgeschlossen ist, hat der Verkäufer ohnehin keine Möglichkeit, durch eine freiwillige Nachbesserung vor der Lieferung seine Mängelpflicht nach den §§ 434 ff. zu vermeiden. Anders liegen die Dinge allerdings, wenn der Mangel deshalb als unbehebbar anzusehen ist, weil seine Beseitigung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dann wird man dem Verkäufer zugestehen müssen, die Ersatzlieferung und die mit ihr verbundenen Nachteile abzuwehren, indem er vor der Lieferung des Stücks, das Gegenstand der auflösend be674 Vgl. dazu mit Bsp.: Xander (2006) – Gattungsschuld, S.  278; Oetker/Maultzsch (2013) – Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2.206 f. (falls der Mangel durch Nachbesserung behebbar sei, habe der Verkäufer vor der Lieferung aber die Wahl, die Sache nachzubessern oder eine andere Sache zu liefern). 675  Dazu oben: B.III.3.a). 676 Vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (188, 194, 199 f., 202). Dazu bereits: B.III.3.a)iii) (in Fn. 149). 677  Dazu unten: B.III.9.a). 678  Dazu oben: B.III.1.c)ii)4)(c). 679  Vgl. dazu oben: B.III.3.a)iii).

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dingten Individualisierungsvereinbarung ist, freiwillig einen überobligatorischen Aufwand zur Nachbesserung tätigt. Auch wenn der Leistungsaufwand zur Nachbesserung in diesem Fall höher ist als derjenige zur Beschaffung und Lieferung einer Ersatzsache, kann sich dies aus Sicht des Verkäufers lohnen. Denn so kann er immerhin vermeiden, dass die mangelhafte Sache beim Käufer zufälliger Weise oder aufgrund eigenüblicher Fahrlässigkeit des Käufers zu Schaden kommt und ihm, dem Verkäufer, dieser Schaden im Rahmen der Ersatzlieferung zur Last fällt.   Fraglich ist, ob der Verkäufer aus demselben Grund vor der Lieferung auch befugt ist, unaufgefordert anstelle des Stücks, das Gegenstand der auflösend bedingten Individualisierungsvereinbarung ist und das sich als (unbehebbar) mangelhaft erweist, eine Ersatzsache zu liefern. Dies ist zu verneinen. Denn der Abschluss der Individualisierungsabrede dient in erster Linie dem Interesse des Käufers, (vorrangig) eine bestimmte Sache zu erhalten. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zum Gattungskauf, bei welchem dem Käufer gleichgültig ist, mit welchem konkreten Stück der Verkäufer seine Lieferpflicht erfüllt, wenn die Ware nur vertragsgemäß beschaffen ist. Die vom Käufer (vorrangig) ausgewählte Sache darf der Verkäufer dem Käufer deshalb auch dann nicht vorenthalten, wenn sie sich als mangelhaft erweist und die Lieferung einer Ersatzsache im Mangelfall nach dem Parteiwillen durchaus in Betracht kommt.680 Trotz der Beschreibung als „auflösend bedingt“ fällt die Individualisierungsabrede deshalb nicht ipso iure weg, wenn die jeweilige Sache sich als mangelhaft erweist.681 Bedingt ist vielmehr die Befugnis des Käufers, statt der primär ausgewählten Sache eine andere zu verlangen.

Die Abgrenzung, dass abseits des Gattungskaufs (nur) im Falle der Verschlechterung einer mit zumutbarem Aufwand nach dem (hypothetischen) Parteiwillen austauschbaren Sache eine Ersatzlieferungspflicht in Betracht komme, weil es sich insoweit um einen Anwendungsfall des Sachmängelrechts handele, während eine Ersatzlieferung im Falle des Untergangs stets ausgeschlossen sei und der Verkäufer von der Primärleistung frei werde, weil es sich um einen Fall des Unmöglichkeitsrechts handele, kann aus den genannten Gründen nicht richtig sein. Gegen diese Unterscheidung spricht schließlich auch, dass der Verkäufer sonst seine Mängelpflicht dadurch vermeiden könnte, dass er das individualisierte Stück nach einer bloßen Verschlechterung zerstört und auf diese Weise verhindert, dass es mangelhaft beim Käufer ankommt682.

3)  Auch insoweit ist der (hypothetische) Parteiwille maßgebend Fraglich ist, was diese Erkenntnis mit Blick auf den einleitend aufgezeigten Wertungswiderspruch bedeutet. Aus diesem können sehr unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen werden.683 680 

Vgl. aber oben bei und nach Fn. 678. A. A. offenbar Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 39 f. (dogmatische Einordnung der Individualisierungsabrede als auflösend bedingte Vereinbarung). 682  Durch einen Schadenersatzanspruch wegen vom Verkäufer zu vertretener Unmöglichkeit der Leistung ist dem Käufer nicht unbedingt geholfen; Gruber JZ 2005, 707 (709 f.); dazu auch Bitter ZIP 2007, 1881 (1886 bei und in Fn. 50). 683  Im Überblick: Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (153). 681 



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Man könnte sich schlicht damit abfinden, dass das Gesetz an den Untergang der Kaufsache andere Rechtsfolgen knüpft als an die Verschlechterung, die einen Sachmangel zur Folge hat (1.). Dies wird damit begründet, dass die Systematik des nationalen Rechts einer Ersatzlieferung abseits des Gattungskaufs grundsätzlich entgegenstehe. Deshalb sei eine solche allein insoweit anzuerkennen, wie das Gesetz eine Ersatzlieferung nach den (für den Verbrauchsgüterkauf zwingenden und für das restliche Kaufrecht als Vorbild dienenden) Vorgaben der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie allein für den „Mangelfall“ ausnahmsweise ohne Rücksicht auf die dogmatische Unterscheidung von Stück- und Gattungskauf als Nacherfüllungsvariante anordne.684 D. h. man akzeptiert die Ersatzlieferung im Mangelfall in bestimmten Fällen auch abseits des Gattungskaufs, hält sie insoweit aber für einen Fremdkörper im System des Schuldrechts, der nicht auf andere Fälle erstreckt werden dürfe. Will man den Wertungswiderspruch dagegen auflösen, sind nur zwei Lösungen denkbar: Entweder sieht man darin, dass außer beim Gattungskauf der Untergang der zu leistenden Sache den Schuldner befreit, die Bestätigung dafür, dass es nicht richtig sein könne, den Verkäufer im Fall der „bloßen“ Verschlechterung zur Lieferung einer anderen Sache anzuhalten (2.).685 Oder man nimmt – umgekehrt – an, dass dann, wenn im „Mangelfall“ eine Ersatzlieferung geschuldet ist, gerade deshalb für den Fall des Untergangs nichts anderes gelten könne (3.).686 Aufzulösen ist der Widerspruch also nur im Sinne eines „weder-noch“ oder eines „sowohl-als auch“. Sowohl die Ansicht, die den Wertungswiderspruch hinnimmt (1.), als auch die Ansicht, die ihn dadurch vermeiden will, dass sie eine Ersatzlieferung (auch) im „Mangelfall“ ablehnt (2.), ist vor dem Hintergrund der Annahme zu sehen, dass die Ersatzlieferungspflicht (abseits des Gattungskaufs) ggf. nach Inhalt („Ob“) und Reichweite („Wie“) allein aufgrund gesetzlicher Anordnung bestehe, wenn bestimmten heteronomen Kriterien genügt sei. Deshalb meint man auch, die Übergabe sei notwendige Voraussetzung dafür, dass der Käufer Ersatzlieferung verlangen könne. Denn auch wenn es heißt, der Nacherfüllungs- und also auch der Ersatzlieferungsanspruch sei dogmatisch die Fortsetzung des Erfüllungsanspruchs, geht man davon aus, dass er, wie die (anderen) Mängelrechte, grundsätzlich erst im Moment der Übergabe („des Gefahrübergangs“) kraft Gesetzes „entstehe“ bzw. der Erfüllungsanspruch in diesem Moment inhaltlich modifiziert werde, so dass ausnahmsweise ein ande-

684 

So i. E.: Gruber JZ 2005, 707 (711 f.); Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 304 f.; Oet-

ker/Maultzsch (2013) – Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2.205. 685  Mit diesem Argument gegen die prinzipielle Anerkennung

einer Ersatzlieferungspflicht beim Stückkauf: Picker in: FS Konzen (2006), 687 (706 f.); ders. in: FS Westermann (2008), 583 (595, 597 f.); so im Grunde auch Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 304 f., der den Wertungswiderspruch aufgrund des Vorrangs des europäischen Rechts i. E. aber hinnimmt. 686 Vgl. Balthasar/Bolten ZGS 2004, 411 (413 f.); Bitter ZIP 2007, 1881 (1886 f.); Canaris in: FS Westermann (2007), 137 (153 ff.); Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 311–316.

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res als das eigentlich (primär) geschuldete Stück als Gegenstand der Nacherfüllung verlangt werden dürfe.687

Beide Ansichten sind daher als „Abwehr-Reaktion“ zu verstehen, die auf der Annahme beruht, dass die Privatautonomie durch eine gesetzliche Regelung beeinträchtigt werde. Macht man dagegen mit der hier vertretenen Ansicht das Bestehen einer Ersatzlieferungspflicht dem Grunde nach von einem entsprechenden hypothetischen Parteiwillen abhängig688 und bestimmt den zur Erfüllung dieser Pflicht vom Verkäufer zu erwartenden Aufwand entsprechend dem Aufwand, den er (aufgrund dispositiven Gesetzesrechts) auch für eine Nachbesserung maximal aufbringen müsste (sofern er im Vertrag keinen höheren Aufwand zugesagt hat),689 ist eine Verletzung des Prinzips der Privatautonomie nicht zu befürchten. Vielmehr ist die Ersatzlieferungspflicht unter diesen Umständen zu allererst im (hypothetischen) Parteiwillen verankert. Diese Begründung gibt auch der Ansicht, dass das Bestehen einer Ersatzlieferungspflicht im Mangelfall dafür spreche, den Verkäufer auch im Falle des Sachuntergangs an der Pflicht zur (Ersatz-)Lieferung festzuhalten (3.), eine überzeugende Grundlage (denn auf die Intensität des Störungsereignisses oder dessen rechtliche Qualifikation als Sachmangel oder Fall der (vollständigen) Unmöglichkeit der Leistung kommt es insoweit nicht an)690. Sie erlaubt und erfordert nämlich, darauf Rücksicht zu nehmen, ob die Parteien nur für den Mangelfall oder auch für den Fall des Untergangs eine Ersatzlieferung gewollt haben bzw. hätten. Denn, wie Skamel richtig schreibt, besteht „die vertragliche Gestaltungsfreiheit der Parteien, die zunächst vereinbarte Individualisierung des geschuldeten Gegenstandes nachträglich aufzuheben, … unabhängig von dem in der Lieferung der mangelhaften Sache liegenden erfolglosen Erfüllungsversuch des Verkäufers und bleibt unberührt von dem sich hieraus grundsätzlich ergebenden Nacherfüllungsanspruch des Käufers. Anknüpfen kann der Parteiwille die Aufhebung der Individualisierung ebenso an jede andere Leistungsstörung, die das Bewirken der geschuldeten Leistung und damit den Erfolgseintritt hindert. Der Parteiwille kann die Aufhebung der zunächst vereinbarten Individualisierung folglich auch dann vorsehen, wenn der Erfüllungseintritt endgültig dadurch verhindert wird, dass das Unmöglichwerden der versprochenen mangelfreien Leistung den hieraus gerichteten Leistungsanspruch gem. § 275 Abs. 1 untergehen lässt.“691

Wenn ein entsprechender Parteiwille anzunehmen ist, wird weder durch den Untergang noch durch das Auftreten eines irreparablen Sachmangels die Erfüllung des 687 Vgl.

Xander (2006) – Gattungsschuld, S. 281. 688  Auslegungskriterien: das Leistungsinteresse des

Gläubigers muss durch die Lieferung einer anderen („gleichartigen“) Sache befriedigt werden und der Schuldner muss eine angemessene Gelegenheit haben, sich den Kaufpreis zu verdienen, ohne dazu gezwungen zu sein, eine Sache abzugeben, die er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht abgeben wollte. Dazu oben: B.III.6.a) ii)3). 689  Dazu oben B.III.6.a)iii)3) sowie sogleich im Text. 690  Dazu oben: B.III.6.a)iv)2). 691  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 35 (Hervorhebung d. Verf.); so zuvor bereits Schroeter AcP 207 (2007), 28 (50 mit Fn. 108).



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Vertrages schlechthin unmöglich; der Verkäufer kann den Vertrag nur nicht mehr mit dem vorzugsweise (primär) als Leistungsgegenstand bestimmten Stück erfüllen692 (es sei denn, der Käufer hält trotz Vorliegens eines irreparablen Mangels an der Individualisierungsabrede fest, fordert die Lieferung gerade des mangelhaften Stücks und lässt es als Erfüllungsgegenstand gelten)693.

4)  Es bedarf keiner Analogie zu § 439, insbesondere ist § 439 Abs. 3 auch im Falle des Untergangs des vorläufig individualisierten Stücks vor der Lieferung direkt anwendbar Es ist daher weder sinnvoll noch erforderlich, die Pflicht des Verkäufers, im Falle des Untergangs des beim Vertragsabschluss als Leistungsgegenstand (vorläufig bzw. bedingt) individualisierten Stücks den Vertrag mit einem anderen Stück zu erfüllen, in Analogie zu § 439 Abs. 1 Alt. 2 zu begründen.694 Der Grund der Ersatzlieferungspflicht ist auch in diesem Fall in dem Vertrag zu suchen und, wo ein entsprechender hypothetischer Parteiwille nicht anzunehmen ist, nicht gegeben. Einer Analogie zu § 439 bedarf es auch nicht mit Blick auf die in den Absätzen 2 bis 4 enthaltenen Regeln, welche die Abwicklung der Ersatzlieferung betreffen. Denn dass der Verkäufer die Kosten der Ersatzlieferung zu tragen hat (§ 439 Abs. 2), versteht sich von selbst, die Frage der Rückabwicklung (§ 439 Abs. 4) stellt sich beim Untergang nicht. Wenn man meint, es müsse § 439 Abs. 3 auf die Ersatzlieferung bei Untergang des zur Erfüllung eingesetzten Stücks analog angewendet werden, weil nicht einzusehen sei, dass der Verkäufer in diesem Fall einen höheren Ersatzlieferungsaufwand schulde (§ 275 Abs. 2  – Leistungsverweigerungsrecht erst bei „grober Unverhältnismäßigkeit“) als bei Vorliegen eines Sachmangels (§ 439 Abs. 3 – Leistungsbefreiung bereits bei „unverhältnismäßigen Kosten“), liegt dem die Annahme zugrunde, dass diese Regelung direkt erst nach der Lieferung und damit lediglich in Bezug auf die Ersatzlieferung wegen eines Sachmangels (nicht aber wegen des Untergangs) des zur Erfüllung eingesetzten Stücks anwendbar sei. Das trifft aber nicht zu. Denn es ist nicht so, dass § 439 Abs. 3 eine im Vergleich zu § 275 Abs. 2 herabgesetzte Schwelle für die Leistungsbefreiung vorsähe,695 wenn und weil der Verkäufer durch die Lieferung einer mangelhaften Sache bereits „angeleistet“ hat.696 692 Vgl.

Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (155). Dazu oben: B.III.1.c)ii)4)(c) und B.III.6.a)iv)2). 694  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 34; Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 314 f. (Rückgriff auf den „inhaltsgleichen Rechtsgedanken“ des § 433 Abs. 1 S. 2); offengelassen von Bitter ZIP 2007, 1881 (1887 f.); a. A. (für eine anloge Anwendung): Balthasar/Bolten ZGS 2004, 411 (413 ff.); Canaris in: FS Westermann (2008), 137 (155). 695  Dass die Schwelle zur Leistungsbefreiung bei § 439 Abs. 3 überhaupt niedriger liege als bei § 275 Abs. 2, bezweifeln: Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 439 Rn. 26 und MatuscheBeckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 114. 696  Dazu m. w. N. Bachmann AcP 211 (2011), 395 (417 f.). A. A. Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 113–115. 693 

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Vielmehr wollte der Reformgesetzgeber für den Verkäufer generell die Möglichkeit schaffen, unter – im Vergleich zu § 275 Abs. 2 – erleichterten Voraussetzungen von der Leistung befreit zu werden (sofern er nicht im Vertrag einen höheren Aufwand übernommen hat), wobei er den nicht-gewerblichen Verkäufer und den Händler ohne Reparaturwerkstatt vor Augen hatte.697 Die „Anleistung“ steht aber unter einem anderen Aspekt mit einer Entlastung des Verkäufers im Zusammenhang: Lässt der Käufer sich eine mangelhafte Sache übergeben, wird dem Verkäufer das Risiko weiterer Verschlechterungen, die nicht auf einer Verletzung der Leistungspflicht des Verkäufers beruhen noch vom Verkäufer unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten zu vertreten sind, abgenommen, wenn der Käufer sich dazu entscheidet, die entgegengenommene Sache auch zu behalten (Nachbesserung, Minderung, kleiner Schadenersatz). Unter diesen Umständen bestätigt der Käufer seine vorläufige AnnahmeEntscheidung und verzichtet gewissermaßen auf einen Ausgleich solcher Schäden, welche die Sache nicht mehr in ihrer Eigenschaft als Leistungs-/Nacherfüllungsgegenstand, sondern bereits als Bestandteil seines Vermögens erlitten hat.698

Nach der Vorstellung des Reformgesetzgebers sollte § 439 Abs. 3 also als Korrektiv dafür wirken, dass die Leistungspflicht des Verkäufers im Zuge der Schuldrechtsreform durch die Pflicht, die Ware in der vertragsgemäßen Beschaffenheit zu leisten und diese nötigenfalls herzustellen, generell ganz erheblich erweitert worden ist und dies im Einzelfall zu einer Überforderung des Verkäufers führen kann. Was diesen Regelungszweck angeht, dem wohl durch die § 275 Abs. 2 vorgesehenen Kriterien Rechnung hätte getragen werden können,699 kann vor der Lieferung nichts anders gelten als danach. Deshalb wird der Aufwand, den der Verkäufer zur Ersatzlieferung tätigen muss, einheitlich gem. § 439 Abs. 3 nach den oben erläuterten Kriterien700 bestimmt, ohne dass es einer analogen Anwendung dieser Vorschrift bedürfte.701 Deshalb können die §§ 439 Abs. 3, 275 Abs. 2 auch zusammen zitiert werden. Falls der Verkäufer nach dem Sachuntergang zur Ersatzlieferung verpflichtet ist, schuldet er jedenfalls keinen höheren Aufwand, als er im Rahmen der Ersatzlieferung wegen Lieferung einer mangelhaften Sache tätigen müsste.

v) Zwischenergebnis Ob eine Ersatzlieferungspflicht dem Grunde nach besteht oder nicht, ist aus dem (hypothetischen) Parteiwillen zu folgern. Dieser lässt beim Gattungskauf immer 697  Reg.-Begr. SMG, BT-Drucks., 14/6040, S. 232. Dazu bereits bei Fn. 661. Siehe auch Bachmann AcP 211 (2011), 395 (418). 698  Dazu oben: B.III.3.b)iv) sowie unten: B.III.7.a)iii)2). 699 Vgl. Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 439 Rn. 26 und Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 114. 700  Dazu B.III.6.a)iii)3). 701  Zum gleichen Ergebnis kommt Bitter ZIP  2007, 1881 (1888 f.). Er plädiert dafür, die Grenze für die Leistungsbefreiung gem. § 275 Abs. 2 und § 439 Abs. 3 einheitlich zu bestimmen.



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eine Ersatzlieferung zu, kann aber auch in anderen Fällen des Kaufs vorsehen, dass bei Vorliegen eines Sachmangels und/oder beim Untergang des von den Parteien für die Erfüllung des Kaufvertrages (primär) vorgesehenen Stücks der Kaufvertrag (sekundär) mit einem anderen Stück erfüllt werden soll. Dies ist der Gegenstand einer speziellen Individualisierungsabrede, die außerhalb der Beschaffenheitsvereinbarung steht und auch einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich ist. Durch Auslegung ist im Einzelfall zu klären, ob die Individualisierungsabrede unter bestimmten Voraussetzungen wegfallen soll. Als Voraussetzung kommen das Vorliegen eines Sachmangels und der Untergang der zunächst ausgewählten Sache in Betracht. Wenn insoweit von einer „auflösenden Bedingung“ die Rede ist, ist damit aber nicht gemeint, dass die Individualisierungsabrede bei Eintritt der jeweiligen Voraussetzung zwangsläufig ipso iure wegfällt. Dies wird zwar regelmäßig gewollt sein, wenn es im Ergebnis der (ergänzenden) Vertragsauslegung dem Parteiwillen entspricht, dass im Fall des Untergangs des zunächst ausgewählten Stücks ein anderes Stück zum Einsatz kommen soll. Soll der Vertrag dann, wenn sich der primäre Leistungsgegenstand als mangelhaft erweist, mit einem anderen Stück erfüllt werden können, wird es dagegen regelmäßig dem Käufer überlassen sein, ob er an der Individualisierungsabrede festhalten – das primär ausgewählte Stück trotz seines Mangels haben – will oder nicht.

Welchen Aufwand der Verkäufer im Rahmen der Ersatzlieferung schuldet, ist in Ermangelung einer vertraglichen Vereinbarung dem dispositiven Gesetzesrecht zu entnehmen. Der Reformgesetzgeber ist nämlich davon ausgegangen, dass es dem regelmäßigen Parteiwillen entspreche, dass der Verkäufer zusätzlichen Aufwand zur Herstellung der vertragsgemäßen Beschaffenheit ohne Rücksicht darauf, ob er eine bestimmte Beschaffenheit im engeren Sinne garantiert oder das Vorliegen von Sachmängeln haftungsrechtlich zu vertreten hat, auf sich nimmt. So hat der Verkäufer immerhin die Chance, sich den Kaufpreis in voller Höhe zu verdienen (Minderung und Rücktritt abzuwenden). Der Käufer erhält, soweit möglich, die Sachleistung, auf deren Erwerb es ihm ankommt und die ihm den Kaufpreis wert ist.

Wie hoch dieser Aufwand im Einzelfall anzusetzen ist, richtet sich nach der komplexen Abwägung der Kriterien, die § 439 Abs. 3 vorsieht, unter Berücksichtigung auch der Frage, ob der Verkäufer den Sachmangel zu vertreten hat (vgl. § 275 Abs. 2 S. 2). Ein gewisses Maß an zusätzlichem Aufwand mutet der Gesetzgeber dem Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung in jedem Fall zu. Sofern die Parteien keinen Gattungskauf abgeschlossen haben, der Verkäufer nicht gewerblich handelt, selbst Hersteller ist oder eine Reparaturwerkstatt betreibt oder sonst beim Kaufabschluss zu verstehen gegeben hat, dass er im Falle eines Sachmangels vorzugsweise den Mangel beseitigen wolle, anstatt ohne weiteres eine Kaufpreisminderung hinzunehmen, wird man die Schwelle zur Leistungsbefreiung gem. § 439 Abs. 3 aber tendenziell niedrig ansetzen müssen. Sofern nach diesen Kriterien im Falle eines Sachmangels eine Ersatzlieferung auch beim Verkauf eines individuellen Stücks zu erfolgen hat, liegt darin keine

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Verletzung des Prinzips der Privatautonomie, vielmehr wird dem Parteiwillen gerade entsprochen. Die Regelung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 ordnet nämlich nicht mit Gesetzesbefehl einen vertragswidrigen Austausch des Leistungsgegenstandes an, sondern sie stärkt die vertragliche Gestaltungsfreiheit, indem sie es zulässt, dass die Parteien auch abseits des Gattungskaufs eine Nacherfüllung durch Ersatzlieferung vorsehen können.702 Dass der Käufer in den Genuss der Ersatzlieferung mit ihrem (im Vergleich zur Nachbesserung) weiter reichenden Leistungsumfang kommt und die §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 zulasten des Verkäufers zur Anwendung kommen, vermeidet der Verkäufer nur dann effektiv, wenn die Ersatzlieferung schon tatbestandlich ausgeschlossen ist, weil die Parteien beim Kaufabschluss den Leistungsgegenstand endgültig und unbedingt individualisiert haben.703

b)  Diskussion über Anwendung und Reichweite der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 im Rahmen der Ersatzlieferung (§ 439 Abs. 4) Soweit die §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 bei der Ersatzlieferung zur Anwendung kommen, werden verschiedene Vorschläge gemacht, um die Gefahrbelastung des Verkäufers zu beschränken. Dass der Verkäufer im Rahmen der Ersatzlieferung die Gefahr der mangelbedingten Verschlechterung und des mangelbedingten Untergangs der gelieferten Sache zu tragen hat, ist allgemein anerkannt. Lediglich darüber, ob dies (nur) aus § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 (Zufall) oder (auch) aus § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 (Vertreten-müssen des Verkäufers) – jeweils i. V. m. § 439 Abs. 4 – folgt, gehen die Meinungen auseinander. Dies entspricht dem Stand der Diskussion über die Folgen des Rücktritts vom Kaufvertrag.704

702  Im

alten Schuldrecht blieb für solche Fälle des Stückkaufs, die sich nicht als Gattungskauf erklären ließen, nur die Möglichkeit einer anologen Anwendung des § 480 Abs. 1 a. F. Dazu m. w. N. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 21, 23. 703  Vgl. dazu unten: B.III.7.a)iii)2)(a) (bei Fn. 810). 704 Dazu oben: B.III.5.e). Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 277 f. unterscheidet insoweit zwischen dem „Zufall im eigentlichen Sinne“ (gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3) beim nicht-mangelbedingten Untergang und dem „Zufall im weiteren Sinne“ (d. h. nicht vom Verkäufer verschuldet, aber gleichwohl von ihm zu vertreten gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 1) beim mangeldingten Untergang. Kandler (2004) – Kauf, S. 551 spricht bzgl. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 vom „Vertretenmüssen im untechnischen Sinne“ bzw. von der „Sphäre des Rückgewährgläubigers“ und meint damit nur Fälle, in denen die Verschlechterung oder der Untergang auf ein Verhalten des Rückgewährgläubigers zurückzuführen sei. Den Fall, dass der Untergang oder die Verschlechterung noch auf dem Mangel beruht, erfasse § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 unabhängig davon, ob der Verkäufer den Mangel zu vertreten hatte oder ihn kennen musste, „über den Wortlaut hinaus“.



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i)  Kritik an der Zuweisung des Risikos nicht-mangelbedingter zufälliger sowie durch eigenübliche Sorgfalt des Käufers verursachter Schäden an der mangelhaften Sache zum Verkäufer Kritik richtet sich dagegen, dass der Verkäufer bei wortlautgetreuer Anwendung der §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 bei der Ersatzlieferung (wie beim Rücktritt)705 auch die Gefahr einer nicht-mangelverursachten Verschlechterung und des nicht-mangelverursachten Untergangs (sogar darüber hinaus die Gefahr, dass die Verschlechterung oder der Untergang durch eigenübliche Fahrlässigkeit des Käufers verursacht wird) zu tragen hat und dass dies bei der Ersatzlieferung darauf hinausläuft, dass der Verkäufer im Zuge der (Nach-)Erfüllung solche Schäden „mitbehebt“, die ihn bei der Nachbesserung nicht beträfen706.

1)  Unterschiedliche Zielsetzung von Rücktritt und Ersatzlieferung Anders als beim Rücktritt707 ist die entsprechende Entlastung des Käufers bei der Ersatzlieferung nicht damit zu begründen, dass der Käufer deshalb befugt sei, das gesamte Geschäft „ungeschehen“ und seine Investitionsentscheidung in jeder Hinsicht rückgängig zu machen, weil die Erfüllung des Vertrages vonseiten des Verkäufers ausbleibt. Denn bei der Ersatzlieferung wird der Verkäufer an der Erfüllung des Kaufvertrages festgehalten. Und wenn und weil er seine Leistungspflicht unter Einsatz einer Ersatzsache (nach-)erfüllt, wird auch der Käufer am Vertrag und damit an seiner Investitionsentscheidung festgehalten; er muss den Kaufpreis zahlen. Es geht deshalb bei der Ersatzlieferung nicht darum, den Käufer so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht mit dem Verkäufer ins Geschäft gekommen wäre708. Von daher erscheint es anstößig, dass der Käufer bei Anwendung der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 im Rahmen der Ersatzlieferung (§ 439 Abs. 4) bei einer Erfüllung „im zweiten Anlauf“ besser steht, als er stehen würde, wenn bereits der erste Erfüllungsversuch des Verkäufers erfolgreich gewesen wäre.709 Die Rechtfertigung dieser Regelung in Parallele zu ihrem Eingreifen beim Rücktritt reduziert sich in der Literatur daher auf das Argument, dass dem Käufer solche Mängelrechte, welche die Rückgabe der mangelhaften Sache zur Folge haben (Ersatzlieferung, Rücktritt sowie „großer“ Schadenersatz statt der Leistung), auch dann zustehen sollten, wenn er die gelieferte Sache nicht (unversehrt) zurückgeben kann. Von der Ausübung dieser Rechte solle er auch nicht durch die Auferlegung einer Wertersatzpflicht abgehalten werden, wenn ihm die Verschlech705 

Dazu oben: B.III.5.a)ii). Dazu oben: B.III.2.b)ii). 707  Dazu oben: B.III.5.c)iv)3)(b) und B.III.5.c)v). 708  So die „Einheitsformel“, welche die Verfasser des BGB von 1900 verwendeten, um die Folgen der Wandelung mit denen des gesetzlichen und vertraglichen Rücktritts weitestgehend einheitlich regeln zu können. Dazu oben: B.II.4.c)ii)5)(a). 709  Näher dazu: B.III.6.b)ii)2). 706 

570

B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

terung oder der Untergang der mangelhaften Sache nicht vorzuwerfen sei.710 Diese Privilegierung sei gerechtfertigt, weil der Verkäufer den Grund zur Rückabwicklung der mangelhaften Sachleistung gesetzt habe.711

2)  Keine Risikobeschränkung zugunsten des Verkäufers durch die Ausschlussregelungen des Rücktrittsrechts Ebenfalls ein Unterschied zum Rücktritt712 besteht darin, dass das Eingreifen der für den Verkäufer nachteiligen Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 bei der Ersatzlieferung nicht durch die Ausschlusstatbestände der Absätze 5 und 6 des § 323 („Rücktrittssperren“) reguliert wird. Der Rechtsgedanke des § 323 Abs. 6 Alt. 1 kommt aber darin zum Ausdruck, dass der Käufer von vorneherein keine Nacherfüllung verlangen kann, wenn er für das Entstehen des Sachmangels allein oder weit überwiegend verantwortlich ist.713 Und wenn der Käufer zwar nicht für das Auftreten des Mangels, aber dafür, dass die Nachbesserung als Nacherfüllungsvariante nachträglich ausscheidet,714 verantwortlich ist, wird man ihm das Ausweichen auf die Ersatzlieferung versagen müssen (außerdem darf er dann nicht zurücktreten). Die Regelung des § 323 Abs. 5 S. 2 gilt nicht für die Ersatzlieferung715 und passt dort auch nach ihrem Zweck, das Prinzip pacta sunt servanda abzusichern, nicht, weil der Käufer nicht vom Vertrag abgeht, sondern gerade an ihm festhält. Bei der Bewertung, ob die Ersatzlieferung dem Verkäufer einen unverhältnismäßigen Aufwand abverlangen würde, ist gem. § 439 Abs. 3 aber auch die „Bedeutung des Mangels“ zu berücksichtigen.716 Jedoch ist wiederum zu berücksichtigen, dass selbst der Verkäufer auch dann, wenn die Kosten der Ersatzlieferung angesichts der Geringfügigkeit eines Mangels als unverhältnismäßig anzusehen sind, nicht effektiv vor einer Ersatzlieferung und der mit ihr verbundenen Gefahr­tragung „geschützt“ ist, wenn man es dem Käufer gestattet, die Kosten insoweit, wie sie die

710  Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 16; Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 82 f.; vgl. Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 84 f. 711  Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (65). 712  Dazu oben: B.III.5.d). 713  Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 59; Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 129. 714  Das sind genau die Fälle, die § 323 Abs. 6 Alt. 2 direkt erfasst, wenn die Nacherfüllung von vorneherein nicht durch Ersatzlieferung möglich war. Dazu oben: B.III.5.d)i). 715  Oetker/Maultzsch (2013) – Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2.229 mit Fn. 526. 716 Unberücksichtigt müssen bei dieser Bewertung jedoch die wirtschaftlichen Nachteile bleiben, die sich bei der Ersatzlieferung für den Verkäufer aus der Anwendung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 ergeben. Sie führen keinesfalls dazu, dass eine Ersatzlieferung im Vergleich zur Nachbesserung, bei der den Verkäufer diese Nachteile nicht treffen, als unverhältnismäßig anzusehen ist. Dazu bereits: B.III.6.a)iii)4). Siehe auch Oetker/Maultzsch (2013) – Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2.229 mit Fn. 526.



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Grenze des § 439 Abs. 3 überschreiten, selbst zu tragen.717 Im Regelungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist dies sogar zwingend.718 Die Kostenbeteiligung betrifft aber nur den Aufwand der Lieferung der Ersatzsache. Die (frustrierten) Kosten des ersten Erfüllungsversuchs hat der Verkäufer im Rahmen der Ersatzlieferung dann (neben dem Wertverlust infolge der Verschlechterung oder des Untergangs des Stücks, das Gegenstand dieses Erfüllungsversuchs war) gem. §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 alleine zu tragen.719

ii)  Korrektur- und Umgehungsversuche Gleichwohl empfinden manche es als sachwidrig, dass der Verkäufer (auch) bei der Ersatzlieferung das Risiko einer beim Käufer eingetretenen nicht-mangelbedingten Zufallsverschlechterung und des entsprechenden Untergangs der zuerst gelieferten Sache (sogar bis zur Grenze der Nichteinhaltung der eigenüblichen Sorgfalt durch den Käufer) tragen soll. Es werden verschiedene Vorschläge gemacht, um dieses Ergebnis zu korrigieren.

1)  Übertragung der Kritik am Rücktrittsfolgenrecht auf die Ersatzlieferung Wer die Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 beim Rücktritt insgesamt für sachwidrig oder zumindest für überschießend hält, wird bei der Ersatzlieferung zu keiner anderen Einschätzung gelangen. Manche der Vorschläge, die zur Einschränkung oder Aushebelung dieser Regelung bei der Rückabwicklung des Leistungsaustauschs aufgrund eines gesetzlichen Rücktrittsrechts gemacht werden,720 lassen sich durchaus auf die Gefahrverteilung bei der Rückgewähr der mangelhaften Sache im Zuge der (Nach-)Erfüllung durch Ersatzlieferung übertragen. Dies betrifft insbesondere die Ansicht, dass den Käufer eine bereicherungsrechtliche Wertersatzpflicht gem. §§ 346 Abs. 3 S. 2, 818 treffe, wenn die mangelhafte Sache bei ihm einen Schaden erlitten hat, der nichts mit dem bei der Lieferung vorhandenen Mangel zu tun hat. Die Wertersatzleistung soll der „Preis“ sein, den der Käufer dafür zahlen müsse, dass er einen Zufallsschaden, den er eigentlich selbst tragen müsse, auf den Verkäufer abwälzt.721

717 

Dazu oben: B.III.6.a)iii)4). gilt zumindest dann, wenn die Nachbesserung als Alternative ausscheidet. Dazu bereits: B.III.6.a)iii)4) (bei Fn. 664). 719  Zu einer Beteiligung des Käufers an diesen Kosten kommt es nur im Rahmen der Wertersatzpflicht gem. § 346 Abs. 2. Dazu noch unten: B.III.6.b)iii) (bei Fn. 733). 720  Dazu: B.III.5.c)iv). 721  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (227). 718  Dies

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

2)  Eigenständige Kritik: Keine Anwendung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 im Rahmen der Ersatzlieferung (außer beim Verbrauchsgüterkauf) Stodolkowitz betont dagegen die Unterschiede zwischen der Rückabwicklung der mangelhaften Sachleistung beim Rücktritt einerseits und bei der Ersatzlieferung andererseits. Beim Rücktritt sei die Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 sachgerecht, nicht aber bei der Ersatzlieferung.722 Denn der Rücktritt ziele darauf ab, den status quo ante contractum herzustellen und insbesondere das negative Vertragsinteresse des Käufers zu ersetzen723; bei der Ersatzlieferung gehe es dagegen um die Erfüllung des Vertrages; nicht die Wirkungen des ganzen Vertrages, sondern lediglich die Auswirkungen der mangelhaften Leistung sollten dabei beseitigt werden. Angesichts dieser Unterschiede schlägt er eine Vereinheitlichung der Gefahr­ tragung während der Nacherfüllung durch Anpassung der Ersatzlieferung an die Nachbesserung vor. Dies soll durch eine teleologische Reduktion der Verweisung des § 439 Abs. 4 erreicht werden (die angesichts der Richtlinienvorgaben jedoch nicht für Verbrauchsgüterkäufe gelten dürfe724). Den Käufer träfen danach bei der Ersatzlieferung im Rahmen der Wertersatzpflicht725 genau diejenigen Risiken, die er auch bei vertragsgemäßer Leistung hätte tragen müssen und die ihm (deshalb) auch bei der Nachbesserung zur Last fallen würden. Die Zuweisung des Risikos der mangelbedingten Verschlechterung und des mangelbedingten Untergangs zum Verkäufer soll dabei durch eine Minderung der am Kaufpreis bemessenen Wertersatzpflicht (§§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, S. 2) entsprechend § 441 Abs. 3 verwirklicht werden.

iii) Stellungnahme Gegen den Vorschlag Stodolkowitz’ spricht, dass der Käufer damit (auch) im Falle des zufälligen Untergangs der mangelhaften Sache entgegen seiner ursprünglichen Absicht im Rahmen der Ersatzlieferung zwei Sachen kauft, nämlich erstens die mangelhafte Sache (abzüglich des mangelbedingten Minderwerts) und zweitens die ersatzweise gelieferte Sache. Darauf läuft es hinaus, weil er für die Ersatzlieferung den regulären Kaufpreis gem. § 433 Abs. 2 zu zahlen hat und der wegen des 722 

Stodolkowitz ZGS 2009, 496 ff. 723  Zum Verhältnis der Rückabwicklung

durch Rücktritt zu dem (Schadenersatz-)Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses: B.II.4.c)ii)5)(a)(ii). 724  Zu der Frage, ob eine Wertersatzpflicht des Käufers im (regulären) Anwendungsbereich der § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 bei der Ersatzlieferung mit dem Richtliniengebot der Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung zu vereinbaren ist: Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 35. 725  Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 141 weist darauf hin, dass die Verpflichtung zum Wertersatz wegen ihrer Orientierung an der Höhe der Gegenleistung gem. § 346 Abs. 2 S. 2 bei der Ersatzlieferung darauf hinauslaufen kann, dass der Käufer entgegen seiner ursprünglichen Absicht zwei statt nur einer Sache „kauft“.



6. Ersatzlieferungsgefahr

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Untergangs der mangelhaften Sache gem. §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 zu leistende Wertersatz gem. § 346 Abs. 2 S. 2 ebenfalls dem vereinbarten Kaufpreis (unter Berücksichtigung des Sachmangels) entspricht. Um sich angesichts des Vorrangs der Nacherfüllung kein zweites Geschäft aufdrängen lassen zu müssen, müsste der Käufer gänzlich davon absehen, Mängelrechte geltend zu machen (auch die Minderung könnte der Verkäufer durch eine Ersatzlieferung abwenden). Dies dürfte – nicht nur beim Verbrauchsgüterkauf – dem Gesetzeszweck der §§ 434 ff. zuwider laufen. Dem Verkäufer trotz der Möglichkeit einer Ersatzlieferung wegen einer drohenden Wertersatzpflicht des Käufers das „Recht der zweiten Andienung“ zu versagen und dem Käufer zu gestatten, sogleich zurückzutreten oder den Kaufpreis zu mindern, ist eine interessengerechte Lösung für Ausnahmefälle.726 Käme sie im Rahmen der Ersatzlieferung stets zur Anwendung, wenn die mangelhafte Sache zufallsbedingt untergegangen ist, drohte dies aber den Vorrang der Nacherfüllung auszuhöhlen. Auch angesichts des eindeutigen Willens des Gesetzgebers, die Modalitäten der Rückabwicklung der mangelhaften Leistung bei der Ersatzlieferung so wie beim Rücktritt zu regeln, und den Käufer grundsätzlich nicht durch Auferlegung einer Wertersatzpflicht davon abzuhalten, Rechte wegen eines Sachmangels geltend zu machen, dürfte es an einer hinreichenden Grundlage für eine teleologische Reduktion der Verweisung des § 439 Abs. 4 fehlen.727 Weiterhin ist dem Vorschlag einer teleologischen Reduktion der Verweisung des § 439 Abs. 4 entgegenzuhalten, dass der vermeintliche „Wertungswiderspruch“, der dadurch aufgelöst werden soll, sich nicht aus dieser Regelung ergibt. Dass die Verkäuferpflicht bei der Nachlieferung diejenige bei der Nachbesserung erheblich übersteigt, ist nämlich nicht in § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 angeordnet.728 Denn „[d]ie in § 346 Abs. 3 [S. 1] Nr. 3 geregelte Frage, wer das Risiko des Wertverlusts bei der Rückgewähr einer zufällig verschlechterten Sache tragen soll, hat mit dem Umfang der Nacherfüllungspflicht des Verkäufers … nichts zu tun.“729

Diese Regelung kommt erst und nur dann zur Anwendung, wenn feststeht, dass der Verkäufer durch Ersatzlieferung nachzuerfüllen hat. Diese Verpflichtung ist aber – ggf. unter Zuhilfenahme ergänzender Auslegung – aus dem Kaufvertrag herzuleiten.730 Wo sie besteht, geht sie nicht „zu weit“, weil sie im Wesentlichen identisch mit der Erfüllungspflicht des Verkäufers ist: Er wiederholt seinen Versuch, diese Pflicht zu erfüllen, unter Einsatz einer anderen Sache. Diese Sache 726  Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 141 schlägt sie für den Fall vor, dass der Käufer die mangelhafte Sache vorsätzlich oder grob fahrlässig zerstört hat und § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 deshalb nicht greift. 727 So auch Oetker/Maultzsch (2013) – Vertragliche Schuldverhältnisse, §  2.229 mit Fn. 525. 728  So aber Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (498). 729  Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (65). 730  Dazu oben: B.III.6.a)v).

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muss selbstverständlich (§§ 433 Abs. 1 S. 1, 434) in jeder Hinsicht vertragsgemäß beschaffen sein, damit wenigstens dieser zweite Erfüllungsversuch erfolgreich sein kann. Daran gemessen greift die Nachbesserungspflicht eher „zu kurz“, weil der Verkäufer nur gewisse Leistungsdefizite ausgleichen muss.731 Ist die Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 nicht die Ursache dafür, dass die Leistungspflicht des Verkäufers im Rahmen der Ersatzlieferung weiter reicht bzw. einen anderen Gegenstand hat als bei der Nachbesserung, ist es – unabhängig davon, ob und wie die unterschiedliche Reichweite der Leistungspflicht zu begründen ist – dogmatisch schief, die als zu weit reichend empfundene Leistungspflicht durch eine teleologische Reduktion dieser Vorschrift auf das vermeintlich angemessene Maß zu „verkürzen“.732 Das wird auch daran deutlich, dass der Käufer im Falle der Verpflichtung zum Wertersatz gem. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, S. 2 nicht an etwaigem zusätzlichen Aufwand der Ersatzlieferung beteiligt wird, der auf die als solche nicht geschuldete, im praktischen Ergebnis aber durchgeführte Beseitigung nichtmangelbedingter Zufallsschäden entfällt. Er hat ggf. lediglich an dem Aufwand der (mangelhaften) Erstlieferung teil.733 Unter diesem Gesichtspunkt ist der Vorschlag Donous konsequent. Auch er zielt auf eine Angleichung der Ersatzlieferung an die Nachbesserung ab, lässt allerdings die §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 unangetastet (und ist deshalb nicht direkt als Kritik an diesem Regelungskomplex zu verstehen). Nach seiner Lösung bedarf es keines finanziellen Ausgleichs dafür, dass der Verkäufer einen Wertverlust erleide, weil er die zuerst gelieferte Sache nicht (im Lieferzustande) zurückerhält, oder dass der Käufer dadurch ungerechtfertigt bereichert sei, dass dieser Wertverlust nicht ihn treffe. Vielmehr setzt er unmittelbar bei Inhalt und Reichweite der Verpflichtung zur Ersatzlieferung an: Der Käufer habe bei der Ersatzlieferung regelmäßig nur Anspruch auf die Lieferung einer gebrauchten Sache, die den Zustand aufweise, den die gelieferte Sache im Zeitpunkt des Ersatzlieferungsbegehrens hätte, falls sie mangelfrei geliefert worden wäre.734 Denn die Nacherfüllung ziele auch dann, wenn sie durch Ersatzlieferung erfolge, nicht auf die Herstellung des Zustandes ab, den die Sache bei der Lieferung hätte haben müssen, sondern es sei die Situation herzustellen, die im Zeitpunkt des Nacherfüllungsbegehrens bestehen würde, wenn der Verkäufer eine mangelfreie Sache geliefert hätte.735 731 Zur dogmatischen Begründung des geringeren Leistungsumfangs der Nachbesserung: B.III.7.a). 732  Deshalb kann die Wertung der §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 auch nicht herangezogen werden, um eine „Ausdehnung“ der Nachbesserung durch eine Angleichung an den Leistungsumfang der Ersatzlieferung zu begründen. Dazu unten: B.III.7.a)iii) (bei und in Fn. 782). 733  Dazu bereits: B.III.6.b)i)2) (in Fn. 719). 734  Donou (2006) – Erfüllung und Nacherfüllung, S. 72 ff.: Ersatzlieferung vorzugsweise durch Lieferung „einer fehlerfreien Sache im (gebrauchten) Zustand der ursprünglichen Kaufsache zum Zeitpunkt des Nacherfüllungsbegehrens“ (S. 81) bzw. „einer der mangelhaften Sache im Zeitpunkt des Nachlieferungsbegehrens entsprechenden mangelfreien Sache“ (S. 82). 735  Donou (2006) – Erfüllung und Nacherfüllung, S. 73 (bei und in Fn. 377) drückt es folgendermaßen aus: Geschuldet sei im Rahmen der Ersatzlieferung „lediglich die Beseitigung des Nachteils, der zum Nichteintritt der Erfüllung geführt hat“. Dafür spreche auch der Vergleich zur Nacherfüllungsvariante der Nachbesserung, „welche dem Käufer den gebrauchten (aber reparierten und damit fehlerfreien) Kaufgegenstand belässt.“ „Wertungsmäßig“ sei dieser Schluss



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  Gegen den Vorschlag Donous spricht zunächst der Mangel an Praktikabilität. Es trifft zu, dass die „zeitwertgerechte Reparatur“ (insbesondere beschädigter Gebraucht-Pkw durch die Verwendung von gebrauchten Ersatzteilen) im Schadensrecht praktiziert wird, und es mag sein, dass rechtspolitische Ziele, namentlich „der immer stärker werdende Gesichtspunkt eines Ressourcen schonenden und umweltverträglichen Umganges mit den natürlichen Rohstoffen“, es wünschenswert erscheinen lassen, einen „Sekundärmarkt für Gebrauchtgüter zu etablieren und auszubauen“. Bis ein solcher Markt mit entsprechend umfassendem Angebot besteht, eignet sich die Verwendung gebrauchter Sachen bei der Ersatzlieferung angesichts der Vielzahl denkbarer Gebrauchs- und Verschleißgrade sowie sonstiger (nicht-mangelbedingter) Verschlechterungen, die eine Sache innerhalb der regelmäßig zweijährigen Frist für die Ausübung der Sachmängelrechte seit ihrer Lieferung „erleiden“ kann, aus praktischen Gründen zumindest nicht als die generelle Lösung, um den vermeintlichen „Überschuss“ der Leistungspflicht des Ersatzlieferungsschuldners einzufangen. Der entscheidende Einwand gegen den Vorschlag Donous ist aber, dass der Ersatzlieferungsanspruch in Fortführung des Gedankens, dass durch Ersatzlieferung in natura im Wesentlichen der Zustand herzustellen sei, der bestehen würde, wenn der Verkäufer schon beim ersten Mal vertragsgemäße Ware geliefert hätte, ausgeschlossen sein müsste, falls feststünde, dass die Ware auch bei vertragsgemäßer Lieferung inzwischen untergegangen wäre. Dies steht offensichtlich im Widerspruch zu dem Zweck der Verweisung des § 439 Abs. 4 auf die §§ 346 ff., wodurch sichergestellt werden soll, dass der Käufer selbst dann, wenn er für die Verschlechterung oder den Untergang der mangelhaften Sache verantwortlich ist, Ersatzlieferung verlangen kann und eine Ersatzsache erhält, wenn er nur bereit ist, Wertersatz zu leisten.736

Zu dem Vorschlag, dass der Käufer nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zum Wertersatz verpflichtet sei, falls er aufgrund einer bei ihm aufgetretenen nicht mangelbedingten Zufallsverschlechterung oder des entsprechenden Untergangs der gelieferten Sache außer Stande ist, diese (unversehrt) zurückzugeben, ist hier nur insoweit erneut Stellung zu nehmen, wie sich aus der Situation bei der Ersatzlieferung Unterschiede zu der Begründung des entsprechenden Vorschlages beim Rücktritt737 ergeben. Unter diesem Aspekt scheinen vor allem zwei Erwägungen für diesen Vorschlag zu sprechen: Erstens, dass der Käufer deshalb „zu viel“ erhalte, weil er in den Anwendungsfällen der §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 nach einer erfolgreichen Ersatzlieferung besser steht, als er stehen würde, wenn der Verkäufer bereits beim ersten Erfüllungsversuch erfolgreich gewesen oder wenn die Nacherfüllung durch Nachbesserung erfolgt wäre. Zweitens, dass dem Argument, auch deshalb gerechtfertigt, „weil der Käufer die Abnutzung und damit die Verschlechterung der ursprünglich gelieferten Sache herbeigeführt hat“. 736  Deshalb ist es auch nicht so, dass der Vorschlag Donous allein aus Praktikabilitätsgründen scheitern würde (wenn der Verkäufer allein aus Praktikabilitätsgründen mehr leisten müsste, als er zu leisten verpflichtet wäre, läge es in der Tat nahe, eine ungerechtfertigte Bereicherung des Käufers anzunehmen). Donou meint, die Verwendung gebrauchter Ersatzsachen liege regelmäßig im Interesse der Parteien, weil ihnen auf diese Weise ein komplizierter Nutzungs- und Wertausgleich erspart werde. Genau diese Abwicklung dem Werte nach sieht das Gesetz aber vor. Das schließt nicht die Möglichkeit aus, dass der Anspruch auf Ersatzlieferung unter Umständen durch Lieferung einer gebrauchten, sonst mangelfreien Sache erfüllt werden kann. Es handelt sich dabei aber sicherlich nicht um die Lösung, die das Gesetz für den Regelfall vorsieht. 737  Dazu oben: B.III.5.c)iv)3)(b).

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der Käufer dürfe im Falle einer mangelhaften Leistung nicht besser stehen, als er nach der für den Vertrag maßgeblichen Gefahr­tragungsordnung stünde, wenn der Verkäufer gleich vertragsgemäß geleistet hätte, bei der Ersatzlieferung anders als beim Rücktritt nicht entgegen gehalten werden kann, dass der Vertrag und die mit ihm verbundene Regelung der Gefahr­tragung nicht gelte, weil das ganze Geschäft ungeschehen gemacht werden soll. Denn die Ersatzlieferung zielt gerade darauf ab, das Geschäft durchzuführen; der Vertrag ist weiterhin auf Abwicklung (nicht auf Rückabwicklung) des Leistungsaustauschs gerichtet.738 Beide Erwägungen überzeugen indes nicht. Gegen das erste Argument ist nach dem oben Gesagten einzuwenden, dass der Käufer durch die Ersatzlieferung tatsächlich nicht mehr erhält, als der Verkäufer ihm schuldet. Eine in jeder Hinsicht vertragsgemäße Sache steht ihm nämlich aufgrund des Kaufvertrages zu. Es ist deshalb keine „Zuvielleistung“ des Verkäufers, und auch aus dem Vergleich zur Nachbesserung ergibt sich nichts anderes, weil es sachliche Gründe für die Unterschiede im Leistungsumfang der beiden Nacherfüllungsvarianten gibt739. Dass dem Käufer gem. §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 der Schaden an der zuerst gelieferten Sache letztlich nicht zur Last fällt, steht auf einem anderen Blatt. Insofern gilt aber – entgegen dem zweiten Argument – nichts anderes als beim Rücktritt, obwohl der Vertrag gültig bleibt. Denn der Vertrag und die mit ihm verbundene Gefahrverteilung gelten nicht für die vertragswidrige Sache, wenn es zur Ersatzlieferung kommt. Dann ist erst und nur in der Lieferung der anderen (vertragsgemäßen) Sache die eigentliche Leistung zu sehen und die zunächst gelieferte, vertragswidrige Sache ist wie eine Nichtleistung zu behandeln. Dieses Argument trägt immerhin die – außerhalb des Verbrauchsgüterkaufrechts (§ 474 Abs. 5 S. 1)740 gesetzlich angeordnete – Verpflichtung des Käufers, bei der Ersatz738 

Dazu bereits: B.III.6.b)i)1). dazu: B.III.7.a). 740  Eine Verpflichtung des Käufers, den Wert der aus der zuerst gelieferten, mangelhaften Sache gezogenen Nutzungen zu ersetzen, hielt der EuGH für unvereinbar mit der Garantie der Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung. Auch der EuGH ist allerdings der Ansicht, dass erst in der Ersatzlieferung die eigentliche Leistung zu erblicken sei; EuGH, Urt. v. 17.04.2008, Rs C-404/06, Slg. 2008, I-2685 – Quelle AG (= NJW 2008, 1433), Rn. 41: „Wenn der Verkäufer ein vertragswidriges Verbrauchsgut liefert, erfüllt er die Verpflichtung, die er im Kaufvertrag eingegangen ist, nicht ordnungsgemäß und muss daher die Folgen dieser Schlechterfüllung tragen. Der Verbraucher, der seinerseits den Kaufpreis gezahlt und damit seine vertragliche Verpflichtung ordnungsgemäß erfüllt hat, wird durch die Erlangung eines neuen Verbrauchsguts als Ersatz für das vertragswidrige Verbrauchsgut nicht ungerechtfertigt bereichert. Er erhält lediglich verspätet ein den Vertragsbestimmungen entsprechendes Verbrauchsgut, wie er es bereits zu Beginn hätte erhalten müssen“. Dazu: Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 33 f.; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 439 Rn. 17 f.; Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 136 ff. Vgl. unter diesem Gesichtspunkt auch Wilhelm in: FG Flume (1998), 301 (316) zur Bedeutung der Unterscheidung von Gattungs- und Stückkauf im Kauf-Gewährleistungsrecht nach dem BGB a. F.: „Beim Gattungskauf ist die Lage, die beim Spezieskauf nur im aliud-Fall zutrifft, daß nämlich bei Abweichung der Lieferung von der vertraglichen Vereinbarung die vereinbarte 739  Ausführlich



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lieferung die aus der zuerst gelieferten Sache gezogenen Nutzungen herauszugeben bzw. stattdessen Wertersatz zu leisten.741 Denn dann lässt der Käufer die gelieferte Sache wegen ihres Mangels – und damit wegen ihrer mangelnden Erfüllungstauglichkeit – nicht als Erfüllungsgegenstand gelten und weist sie (nachträglich) im Rahmen der Ersatzlieferung zurück. Entsprechend der Lage bei Zurückweisung vertragswidriger Ware vor ihrer Übergabe bzw. Annahme als Erfüllung742, ist die zuerst gelieferte Sache im Falle der Ersatzlieferung (rückwirkend) dann so zu behandeln, als betreffe ihr Schicksal den Leistungsaustausch nicht. Der Grund dafür, dass der Verkäufer die Gefahr der zurück zu gewährenden Sache zu tragen hat, ist eben nicht der Wegfall des Vertrages, sondern der Wegfall der Zuordnung der mangelhaften Lieferung zu dem Vertrag.743

c) Zwischenergebnis Wenn es zur Ersatzlieferung kommt (die Voraussetzungen sind im Einzelfall durch (ergänzende) Auslegung des Parteiwillens zu ermitteln), wird der Kaufvertrag durch Lieferung einer in jeder Hinsicht vertragsgemäßen (anderen) Sache durchgeführt und gleichzeitig (nur) die mangelhafte Erstlieferung separat von dem Erfüllungsvorgang rückabgewickelt. Wird der Vertrag durch Ersetzung der zuerst gelieferten, erfüllungsuntauglichen durch eine erfüllungstaugliche Sache erfüllt, liegt erst und nur in der Lieferung der Ersatzsache die eigentliche Leistung. Allein auf diese ist die vertragliche Risikoverteilung bezogen. Die Gefahr des untauglichen ersten Erfüllungsversuchs bleibt deshalb in vollem Umfang beim Verkäufer. Der Käufer hat insbesondere keinen Wertersatz wegen einer zufälligen Verschlechterung oder des zufälligen Untergangs der zunächst empfangenen Sache an den Verkäufer zu leisten (§§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 1 Nr. 3). Denn dies würde darauf hinauslaufen, den Käufer an den Kosten des untauglichen Erfüllungsversuchs des Verkäufers zu beteiligen, weil in den Wertersatz wegen seiner Bemessung an dem vereinbarten Kaufpreis (§§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 2 S. 2) außer dem Wert der (mangelhaften) Sache auch der (weitere) Erfüllungsaufwand des Verkäufers „eingepreist“ ist. Im Rahmen der Ersatzlieferung trägt der Verkäufer die Leistungsgefahr im gleichen Umfang wie bei der eigentlichen Erfüllung  – also im maximalen Umfang – und zusätzlich fallen ihm der frustrierte Aufwand des ersten ErfüllungsLieferung überhaupt nicht erbracht ist, immer gegeben. Beim Gattungskauf ist folglich im Fall der Fehlerhaftigkeit die Rechtsfolge immer selbstverständlich, daß der Verkäufer auf Verlangen des Käufers zur Neulieferung verpflichtet ist (§ 480 Abs. 1 BGB [a. F.]).“, Hervorhebung d. Verf. 741  Wäre diese Sache zumindest bis zum Ersatzlieferungsverlangen die kaufvertraglich geschuldete Leistung gewesen, müsste der Käufer keinen Nutzungsersatz leisten, weil die Nutzungen der Kaufsache ihm ab der Lieferung zustehen. Dazu m. w. N. Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 80, 83, vgl. S. 85. 742 Dazu Ernst NJW 1997, 896 (899 mit Fn. 34); ders. in: FS Huber (2006), 165 (217). 743  Dazu oben: B.II.4.c)v)2)(a).

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versuchs und ein etwaiger Zufallsschaden an dem Stück, das Gegenstand der Erstlieferung war, zur Last. Für den Verkäufer einer nicht (endgültig) individualisierten Sache erhöht dies den Druck, bereits beim ersten Erfüllungsversuch erfolgreich zu sein.744

7. Nachbesserungsgefahr Die „Nachbesserungsgefahr“ ist dagegen das Minimum der Leistungsgefahr, das nach dem reformierten Kaufrecht in jedem Fall vom Vertragsschluss bis (mindestens) zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs745 beim Verkäufer verbleibt.746 Der Begriff beschreibt das Risiko des Verkäufers, eine nach Abschluss des Kaufvertrages aufgetretene behebbare Zufallsverschlechterung des zur Erfüllung eingesetzten Stücks gem. §§ 439, 439 Abs. 1 Alt. 1 durch Nachbesserung beheben zu müssen.747 Damit ist für den Verkäufer eine mitunter erhebliche (nur durch die §§ 439 Abs. 2, 275 Abs. 2 begrenzte) Erhöhung des Leistungsaufwands verbunden, die angesichts einer konstanten Gegenleistung nicht ausgeglichen wird. Hinzu kommt das Risiko, dass dieser Aufwand (bei einem Fehlschlag der Nachbesserung) frustriert wird und der Verkäufer also sogar trotz zusätzlicher Leistungsanstrengungen letztlich nicht einmal die ursprünglich vereinbarte Gegenleistung erhält (weil der Käufer den Kaufpreis mindert oder zurücktritt).748 Nach dem Übergang der „Ersatzlieferungsgefahr“749 ist die Leistungsgefahr des Verkäufers insoweit beschränkt. Für den Käufer bedeutet dies, bei Auftreten einer irreparablen Verschlechterung (einschließlich der Fälle, in denen der Verkäufer die Nachbesserung gem. §§ 439 Abs. 3, 275 Abs. 2 verweigern darf) sowie beim Untergang der (individualisierten) Kaufsache keine Nacherfüllung verlangen zu können. Dieser Gefahrübergang hängt mit der Individualisierung des Leistungsgegenstandes zusammen. Die maßgebliche Individualisierung kann bereits mit dem Vertragsschluss erfolgen. Es besteht indes die Möglichkeit, dass diese Individualisierung und der mit ihr verbundene Gefahrübergang nur vorläufig sind. Denn die Auslegung des Parteiwillens kann ergeben, dass die entsprechende (zweiseitige) Individualisie744  Zu der entsprechenden Obliegenheit des Verkäufers, die zur Erfüllung eingesetzte Ware auf ihre Erfüllungstauglichkeit zu überprüfen, bereits: B.III.3.b)iv)1) und B.III.5.c)iv)3)(b)(i) (bei und in Fn. 401) sowie bei: B.III.5.c)v). 745  Nach hier vertretener Ansicht wird dem Verkäufer die Nachbesserungsgefahr im Zeitpunkt der §§ 446, 447 nur dann in vollem Umfang und endgültig abgenommen, wenn die zur Erfüllung eingesetzte Sache zu dieser Zeit mangelfrei ist. Erweist sie sich in diesem Moment als mangelhaft, bleibt der Verkäufer zunächst mit dem Risiko, (weitere) Zufallsverschlechterungen durch Nachbesserung beseitigen zu müssen, belastet. 746  Vgl. dazu bereits: B.III.2. 747 Vgl. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 154. 748  Dazu bereits bei Fn. 657. 749  Dazu: B.III.6.



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rungsabrede automatisch oder nach Wahl des Käufers wegfallen soll, wenn sich das vorrangig ausgewählte Stück als mangelhaft erweist (insbesondere infolge einer nachträglichen Verschlechterung) oder untergeht.750 Mit dem Wegfall der Individualisierungsabrede springt die Ersatzlieferungsgefahr auf den Verkäufer zurück.751 Die endgültige Beschränkung der Nacherfüllungsgefahr des Verkäufers auf die Nachbesserungsgefahr erfordert also einen endgültigen Übergang der Ersatzlieferungsgefahr und damit eine unbedingte Individualisierungsabrede der Parteien.752 Wenn die Parteien keine Individualisierungsabrede getroffen haben, kann die Individualisierung kraft Gesetzes, namentlich nach Maßgabe des § 243 Abs. 2, einseitig durch den Schuldner bewirkt werden.753 Dazu muss das individuelle Stück, mit dem der Verkäufer den Kaufvertrag erfüllen möchte, im Zeitpunkt der Vornahme der erforderlichen Leistungshandlung aber mangelfrei sein. Denn in Ermangelung einer Individualisierungsabrede wird die Kaufsache ausschließlich über ihre Qualitätsmerkmale bestimmt (so typischerweise beim Gattungskauf). Könnte der Verkäufer einseitig auch mit einem mangelhaften Stück individualisieren, könnte der Käufer auch praktisch niemals Ersatzlieferung verlangen, sofern man nicht eine „Re-Konkretisierung“ zuließe, was die Konkretisierung allerdings überflüssig machen würde.754 Deshalb bewirkt bei Lieferung einer mangelhaften Sache, die nicht bereits vorher (vertraglich) individualisiert wurde, erst das Nachbesserungsverlangen des Käufers (oder die Minderungserklärung oder das Verlangen nach „kleinem“ Schadenersatz statt der Leistung) eine (einseitige) Individualisierung.755 Diese führt zum Übergang der Ersatzlieferungsgefahr – im Falle des Nachbesserungsverlangens allerdings (auflösend) bedingt durch den Erfolg der Nachbesserung.756 Wenn der Käufer sein Wahlrecht gem. § 439 Abs. 1 zugunsten der Nachbesserung ausübt, „verbraucht“ er also nicht endgültig sein Recht, Ersatzlieferung zu verlangen. Er kann auf die andere Nacherfüllungsvariante aber erst und nur dann ausweichen, 750  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 17, 19–32. Dazu oben: B.III.6.a)ii)2). Insbesondere zum Wegfall der Individualisierungsabrede im Fall des Sachuntergangs: Skamel a. a. O. S. 32–38. Dazu oben: B.III.6.a)iv). 751  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 26 f., 46 f., vgl. 142 f., 153 f. 752  Mit Blick auf die Möglichkeit der Ersatzlieferung entspricht diese Konstruktion dem Stückkauf-Modell des BGB von 1900; dazu: Ernst in: FS Huber (2006), 165 (200 f.); Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 41, 142. Unberührt bleibt freilich das Recht der Parteien, die Individualisierung jederzeit einvernehmlich rückgängig zu machen; dazu Skamel a. a. O. S. 47. 753  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (218 f.); Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 12, 42 ff. 754 Vgl. Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 153–162, 246 f. zur Gattungsschuld, wobei er dieser ein weites Verständnis zugrunde legt. Da das Vorliegen eines Sachmangels den gemeinsamen Übergang von Leistungs- und Gegenleistungsgefahr hindere, bestehe ggf. der Erfüllungsanspruch als Ersatzlieferungsanspruch fort. Liege kein Sachmangel vor, stelle sich die Frage der Nacherfüllung gar nicht. 755 Vgl. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 30. 756 Vgl. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 43: Erst die erfolgreiche Durchführung der Nachbesserung führe zur endgültigen Konkretisierung/Individualisierung.

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wenn die Nachbesserung nicht zum Erfolg führt. Das Bestehen dieses Wahlrechts des Käufers setzt voraus, dass die Parteien beim Kaufabschluss entweder keine Individualisierungsvereinbarung (Gattungskauf) oder eine solche getroffen haben, die bei Vorliegen eines Sachmangels nach dem Willen des Käufers wegfällt (Stückkauf mit Möglichkeit der Ersatzlieferung), sowie dass das bei dem Erfüllungsversuch eingesetzte Stück (spätestens) im Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs757 einen behebbaren Sachmangel aufweist. Obgleich die Ersatzlieferungsgefahr unter diesen Voraussetzungen nach dem soeben Gesagten erst übergeht, wenn der Käufer sich für die Nachbesserung oder ein anderes Recht, das impliziert, dass er die gelieferte (mangelhafte) Sache behalten möchte,758 entscheidet, markiert mit Blick auf die Nachbesserungsgefahr bereits die Entgegennahme der mangelhaften Sache durch den Käufer eine Zäsur. Denn danach auftretende Zufallsverschlechterungen der gelieferten (mangelhaften) Sache hat der Verkäufer an sich nicht durch Nachbesserung zu beseitigen, sofern sie nicht noch in einem hinreichenden Zusammenhang mit seiner Schlechtleistung stehen759. Es ist bereits angesprochen worden, dass die Nachbesserung damit einen „schmaleren“ Leistungsumfang als die Ersatzlieferung hat, bei welcher der Verkäufer zumindest im praktischen Ergebnis auch solche Verschlechterungen, die an der mangelhaften Sache nach ihrer Annahme durch den Käufer aufgetreten sind, neutralisiert.760 Dies lässt die Aussage zu, dass die Leistungsgefahr mit Blick auf zufällige Verschlechterungen nach der Annahme mangelhafter Ware unterschiedlich verteilt ist, weil der Leistungsumfang variiert, je nachdem ob der Verkäufer zur Ersatzlieferung oder zur Nachbesserung verpflichtet ist.761

a)  Dogmatische Begründung der Unterschiede zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung hinsichtlich des Leistungsumfangs und der Verteilung des Risikos der Verschlechterung der empfangenen mangelhaften Ware Es wurde an anderer Stelle herausgearbeitet, dass es weder sinnvoll noch erforderlich ist, die Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 im Rahmen der Ersatzlieferung unangewendet zu lassen, um eine Gleichstellung mit der Nachbesserung zu erreichen.762 Zu begründen ist dies vor allem damit, dass nicht aus der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 folgt, dass die Ersatzlieferung zur „Beseitigung“ gewisser Schäden führt, die der Verkäufer im Falle der Nachbesserung nicht beheben müss757 Zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des hypothetischen Gefahrübergangs für die Feststellung, ob ein (behebbarer) Sachmangel vorliegt: B.III.3.a). 758  Formulierung von Ernst in: FS Huber (2006), 165 (192) im Zusammenhang mit dem Zurückweisungsrecht des Käufers. 759  Es geht namentlich um solche Sachschäden, in denen sich die mangelbegründende Verletzung der Leistungspflicht fortsetzt oder die bei der Heilung dieser Pflichtverletzung entstehen. Zu diesen Fällen unten: B.III.7.d) und B.III.8. 760  Dazu oben: B.III.2. 761  Dazu bereits einleitend: B.III.2.b). 762  Dazu oben: B.III.6.b)iii).



7. Nachbesserungsgefahr

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te. Bereits in diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass die Ersatzlieferung einen weiteren Leistungsumfang als die Nachbesserung hat, aber durchaus nicht „zu weit“ geht. Im Folgenden ist zu untersuchen, ob es gerechtfertigt ist, dass die Nachbesserung kürzer greift oder ob es aus dogmatischen Gründen763 geboten ist, die Nachbesserung dem weit(er)en Leistungsumfang der Ersatzlieferung anzugleichen.

i)  Argumente für einen einheitlichen Leistungsumfang Bei Nachbesserung und Ersatzlieferung handelt es sich um zwei Varianten desselben Anspruchs. Dessen einheitliches Ziel ist die (Nach-)Erfüllung des Kaufvertrages oder – in den Worten der Verbrauchsgüterkauf-RL – die „Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes“. Man könnte meinen, weil das Leistungsziel dasselbe ist, müsse auch der Leistungsinhalt identisch sein, dürfe die eine Nacherfüllungsvariante nicht hinter der anderen zurückbleiben.764 Dieser Gedanke taucht in der Diskussion darüber, ob ein Schaden, der nach der Lieferung eines mangelhaften Stücks an demselben auftritt und mit dem bei der Lieferung vorhandenen Mangel in einem Zusammenhang steht, selbst noch als Sachmangel zu erfassen und daher ebenfalls durch Nachbesserung zu beseitigen sei,765 auf. In diesem Zusammenhang wird nämlich argumentiert, dass für die Nachbesserung nichts anderes gelten könne als für die Ersatzlieferung, bei welcher der Käufer solch einen nachträglichen Schaden auch nicht hinzunehmen habe, weil er dabei eine komplett mangelfreie Sache erhalte.766 Dass dieses Argument zumindest in diesem Zusammenhang nicht überzeugt, wird schon daran deutlich, dass in seiner logischen Konsequenz der Umfang der Nachbesserung überhaupt nicht sachgerecht zu begrenzen wäre und daher völlig ausufern müsste. Eine Gleichstellung der Nachbesserung mit der Ersatzlieferung würde nämlich darauf hinauslaufen, dass der Verkäufer sämtliche Schäden, die nach der Lieferung an der mangelhaften Sache aufgetreten sind, beheben müsste. Es würde allenfalls die Einschränkung erlauben, dass der Käufer unter den Voraussetzungen der §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 Wertersatz leisten muss.

Der Gedanke, dass die Nachbesserung in ihrem Leistungsumfang nicht hinter der Ersatzlieferung zurückbleiben dürfe, klingt in derselben Diskussion ferner in dem Argument an, dass nach den Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Ersatzlieferung und Reparatur verschiedene Mittel zu demselben Zweck der „Herstellung 763  Die Frage, ob dies unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes aufgrund der Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie geboten ist, wird separat untersucht: B.III.7.b). 764 Vgl. Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (64 f.); Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (498 ff.). 765  Dazu: B.III.7.d). 766 Vgl. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 82; Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 113; Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (498); Ewert (2007) – Gefahr­tragung, S. 106; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 15; Hesseler/Kleinhenz JuS 2007, 706 (709); Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 439 Rn. 9; Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 40.

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des vertragsgemäßen Zustandes“ seien, und dass die Nachbesserung sich deshalb jedenfalls im Regelungsbereich der Richtlinie nicht – wie es der Wortlaut des § 439 Abs. 1 Alt. 1 vorsieht – auf die „Beseitigung des Mangels“ beschränken dürfe.767

ii)  Argumente für einen unterschiedlichen Leistungsumfang Dass der Käufer dann, wenn die Nacherfüllung durch Nachbesserung erfolgt, etwaige Verschlechterungen, die an der mangelhaften Sache nach ihrer Annahme aufgetreten sind – anders als bei der Ersatzlieferung – selbst zu tragen hat, wird überwiegend damit begründet, dass der Gefahrübergang gem. §§ 446, 447 wirksam sei und wirksam bleibe, wenn er nicht ausnahmsweise gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 neutralisiert werden. Diese Norm sei aber nur dann anwendbar, wenn es zu einer Rückabwicklung der mangelhaften Leistung kommt.768 Dies ist bei der Nachbesserung, die nicht durch Austausch, sondern naturgemäß unter Einbeziehung der gelieferten Sache erfolgt,769 nicht der Fall. Es sei sachgerecht, dass der Käufer die Gefahr dieses Stücks tragen müsse, weil er durch das Nachbesserungsverlangen sein besonderes Interesse an diesem zu erkennen gebe.770 Er mache deutlich, dass er es behalten möchte771 (vorausgesetzt, die Nachbesserung wird Erfolg haben). Wenn und weil er demnach Eigenbesitzer und Eigentümer der gelieferten Sache bleiben wolle, müsse er nach dem Grundsatz casum sentit dominus auch die Sachgefahr tragen.772 Demnach beendet der Käufer durch sein Nacherfüllungsverlangen die Schwebelage, die nach der Lieferung einer mangelhaften Sache in Bezug auf nachträgliche nicht-mangelbedingte Verschlechterungen des gelieferten Stücks solange besteht, wie alternativ Nacherfüllung durch Ersatzlieferung in Betracht kommt, zu seinen eigenen Lasten.773 Dies sei eine autonome Entscheidung. Von daher liege keine Benachteiligung des Käufers darin, dass er mit Blick auf die weitere Verschlechterung der mangelhaften Sache bei der Nachbesserung „schlechter“ stehe als bei der Ersatzlieferung. Schließlich habe der Käufer die Wahl zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung und könne sich durch ein Ersatzlieferungsverlangen leicht der ihm ungünstigeren 767 Vgl.

Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (64). Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2734 f.); Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (63, 65). 769  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 7, 12; Kandler (2004) – Kauf, S. 421–423. 770  Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 85; Ernst in: FS Huber (2006), 165 (233). 771 Diesen wesentlichen Unterschied zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung betont auch Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (498 f.). 772  Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (65) unter Verweis auf den Grundsatz res perit domino; Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2735): Der Käufer behalte im Falle der Nachbesserung Eigentum und (jedenfalls) mittelbaren Besitz der gelieferten Sache und müsse deshalb auch ihre Gefahr tragen (unter Verweis auch auf die ratio legis des § 446). 773  Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 85: „Durch sein Nachbesserungsverlangen hat sich der Käufer … freiwillig dafür entschieden, die Sache einschließlich ihrer Nutzungen zu behalten, dafür aber auch Träger der Sachgefahr zu bleiben“. 768 



7. Nachbesserungsgefahr

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Gefahr­tragung entziehen.774 Die Entscheidung zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung sei „nicht gefahrtragungsneutral“775 und „keineswegs aleatorischer Natur“776.

iii) Stellungnahme Die genannten Argumente für einen identischen Leistungsumfang von Nachbesserung und Ersatzlieferung überzeugen nicht. Denn sie verkennen, dass der Verkäufer bei der Nachbesserung auf eine bereits erbrachte „Anleistung“ aufbaut.777 Der Käufer würde daher nicht genau so viel wie bei der Ersatzlieferung erhalten, wenn der Verkäufer auf diese „Anleistung“ – wie bei der Ersatzlieferung – eine komplette „Vollleistung“ aufsetzen müsste.778 Es wäre dann gerade nicht so, dass der Leistungserfolg der Nacherfüllung unabhängig davon, ob die Nacherfüllung durch Nachbesserung oder durch Ersatzlieferung erfolgt, derselbe wäre. Der Käufer würde bei der Nacherfüllung durch Nachbesserung summa summarum viel mehr erhalten als bei der Ersatzlieferung. Dem Argument, dass nach der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie die Nachbesserung nicht weniger als die Ersatzlieferung den „vertragsgemäßen Zustand“ herstellen solle, ist – ohne die Untersuchung der Frage, ob der Richtlinienzweck des Verbraucherschutzes im Vergleich der beiden Ansprüche auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes eine Art „Meistbegünstigung“ des Verbrauchers gebietet,779 vorwegzunehmen – überdies entgegen zu halten, dass mit diesem Argument inhaltlich für die Bestimmung der Reichweite weder der Ersatzlieferung noch der Nachbesserung etwas gewonnen ist. Denn es bleibt offen, welcher Zustand der vertragsgemäße ist. Darin, dass das Ziel von Nachbesserung und Ersatzlieferung dasselbe ist, unterscheiden sich die Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nach dem einleitend Gesagten übrigens auch nicht von der Nacherfüllung nach dem BGB. Denn auch die beiden Nacherfüllungsvarianten gem. § 439 Abs. 1 zielen einheitlich darauf ab, die Leistungspflicht nach § 433 Abs. 1 S. 2 zu erfüllen, also eigentlich den „vertragsgemäßen Zustand“ herzustellen. Nur ist dann, wenn sich die mangelhafte Sache nach ihrer Lieferung beim Käufer verschlechtert hat, das praktische Ergebnis, das durch die Nachbesserung erreicht wird, ein anderes als bei der Ersatzlieferung.

Sofern zur Begründung dafür, dass die Nachbesserung an sich im Leistungsumfang hinter der Ersatzlieferung zurückbleibt, argumentiert wird, dass § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 bei der Nachbesserung nicht zur Anwendung komme, weil die mangelhafte 774 

Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 85. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (216). 776  Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (65). 777  Dazu bereits: B.III.3.b)iv)1). 778  Näher zur Beschreibung des Verhältnisses von Nachbesserung und Ersatzlieferung mit den Begriffen „Restleistung“ und „Vollleistung“ (Dieckmann) unten: B.III.7.a)iii)1). 779  Dazu unten: B.III.7.b). 775 

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Leistung dabei nicht rückabgewickelt werde, vermag dies allerdings auch nicht zu überzeugen. Denn die Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 ist, wie gesagt, für den Leistungsumfang der Ersatzlieferung überhaupt nicht bestimmend.780 Deshalb kann sie von vorneherein nicht herangezogen werden, um eine „Ausdehnung“ der Nachbesserung durch Angleichung an den Leistungsumfang der Ersatzlieferung zu begründen.781 Im Übrigen würde dies auch nicht zu einer Gleichstellung des Leistungsaufwands bei Ersatzlieferung und Nachbesserung führen. Denn den Verkäufer belastet es ungleich mehr, Sachschäden/-verschlechterungen durch Nachbesserung beseitigen, als den entsprechenden Wertverlust im Rahmen der Ersatzlieferung oder des Rücktritts hinnehmen zu müssen.782 Die Ersatzlieferung geht deshalb weiter als die Nachbesserung, weil die Ersatzlieferung im Wesentlichen identisch mit dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch, während die Nachbesserung gewissermaßen nur ein Ausschnitt davon ist. Die Gründe, aus denen dies so ist, sind bereits im Zusammenhang mit der Bestimmung des Zeitpunkts, der für die Festlegung der Reichweite der Nachbesserungspflicht maßgebend ist, angesprochen worden.783 Denn der Zeitpunkt, in dem sich die Leistungspflicht auf die „Beseitigung des Mangels“ (§ 439 Abs. 1 Alt. 1) beschränkt, kann nicht losgelöst von den sachlichen Gründen, auf denen dieser Vorgang beruht, bestimmt werden. Im Folgenden sollen die maßgeblichen Erwägungen vertieft und näher untersucht werden, wie es zu dieser Beschränkung der Leistungspflicht kommt.

1)  Nachbesserungsanspruch als Ausschnitt des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs (Konkretisierung) In der Literatur wird dieser Vorgang so beschrieben, dass die Leistungspflicht des Verkäufers sich bei Lieferung mangelhafter Ware konzentriere784 oder konkretisiere785. 780 

Dazu oben: B.III.6.b)iii) (bei Fn. 729). Dazu bereits: B.III.6.b)iii) (bei und in Fn. 732). 782 Insbesondere weil die Beseitigungskosten die Wertminderung erheblich übersteigen können, lehnen Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 111; Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (65) und Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014), BGB, § 439 Rn. 16 eine Verpflichtung des Verkäufers zur Beseitigung solcher zufälliger Verschlechterungen der mangelhaften Kaufsache, die nach der Lieferung an den Käufer aufgetreten sind und die nicht unmittelbar auf dem ursprünglichen Mangel beruhen, ab. 783  Dazu oben: B.III.3.b)iv). 784 Dieser Begriff war in der älteren dogmengeschichtlichen Entwicklung des Gattungskaufs üblich; vgl. Fischer JherJb 51 (1907), 159 ff.; Eisser (1927) – Gefahr­tragung, S. 3 f., 9 f.; Filios (1964) – Gefahr­tragung, S. 41 f. Heute wird er meist im Zusammenhang mit der Wahlschuld verwendet. 785  Von Konkretisierung spricht in diesem Zusammenhang ausdrücklich Kandler (2004) – Kauf, S. 328 ff. Vgl. auch Berger in: Jauernig (2014) – BGB, § 439 Rn. 1; Stodolkowitz JA 2009, 492 (495) sowie OLG Saarbrücken NJW 2007, 3503 (3505): Die kaufrechtliche Leistungspflicht konkretisiere sich in Bezug auf den Kaufgegenstandmit der Lieferung der Sache und auf den (einzigen) bei Gefahrübergang gegebenen Mangel. Damit ist nicht die „Konkretisierung“ i. S. der 781 



7. Nachbesserungsgefahr

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Darauf, wie genau dies geschieht, sowie auf das Schicksal des Erfüllungsanspruchs im Übrigen wird selten näher eingegangen.786 Dabei stellt sich die Frage nach dem Schicksal des (ganzen) ursprünglichen Erfüllungsanspruchs auch dann, wenn man den Nacherfüllungsanspruch nicht als den (modifizierten) Primäranspruch, sondern als (vorrangiges) Sekundärrecht begreift, das den Erfüllungsanspruch „verdrängt“.

(a)  Keine, auch keine Teil-Erfüllung des Primäranspruchs bei Lieferung mangelhafter Ware Wegen Erfüllung erlischt ein Anspruch gem. § 362 Abs. 1 nur dann, wenn die geschuldete Leistung bewirkt ist. Da bei Lieferung mangelhafter Ware die Leistung aber gerade „nicht wie geschuldet“ (vgl. §§ 437 Nr. 3, 281 Abs. 1 S. 1), „nicht vertragsgemäß“ (vgl. §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1) erbracht bzw. bewirkt (§ 323 Abs. 5 S. 2) wird, kann die „Schlechtleistung“ nicht ohne weiteres eine Erfüllung zur Folge haben. Sie hat auch keine „Schlechterfüllung“ oder „nicht ordnungsgemäße Erfüllung“ zur Folge. Denn Erfüllung und Nichterfüllung des Schuldverhältnisses stehen „in einem Alternativverhältnis, ein Drittes ist nicht gegeben, jeder Zusatz unsinnig“.787 Und auch wenn man die mangelhafte Leistung als Fall der qualitativen Teilleistung bezeichnet, führt diese nicht zur Teilerfüllung, zu einer Reduktion des Anspruchs auf einen Restanspruch auf Resterfüllung.788 Denn die zu erbringende Leistung (§ 433 Abs. 1 S. 2) ist an sich nicht teilbar. Dies spricht dafür, dass der ursprüngliche Erfüllungsanspruch im Fall der Lieferung einer mangelhaften Sache im Grundsatz solange fortbesteht, bis der Schuldner die vollständige Leistung (durch Nacherfüllung) bewirkt hat.789 Entscheidung zwischen den beiden „alternativen Inhalten“ des § 439 Abs. 1 (Nachbesserung oder Ersatzlieferung) gemeint; vgl. dazu Jaensch Jura 2005, 649 (650, 655). 786 Zu dem Verhältnis der usprünglichen Erfüllung zur Nacherfüllung m. w. N.: Donou (2006) – Erfüllung und Nacherfüllung, S. 135–142. 787 So Schmidt (2007) – Unmöglichkeit, S. 64 (Fn. 210). 788 Vgl. Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 22, 100–102, 111 f., 249. 789  Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 22, 100–102, 111 f., 116 f., 176, 243 f., 249. Vgl. Skamel (2008)  – Nacherfüllung, S. 234: Bei Lieferung mangelhafter Ware kein Erlöschen des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs gem. § 362 Abs. 1 vor erfolgreicher Nacherfüllung; Kandler (2004) – Kauf, S. 322, 327: „Erfüllung tritt gem. § 362 I erst dann ein, wenn die geschuldete Leistung bewirkt wurde, dh der Verkäufer seinem Vertragspartner eine mangelfreie Sache verschafft hat. Hat er dagegen eine mangelhafte Sache geliefert, handelt es sich lediglich um einen untauglichen Erfüllungsversuch. … Der Anspruch aus § 433 I 2 geht mit Lieferung einer mangelhaften Sache nicht durch Erfüllung unter (§ 362 I), sondern findet in § 439 I seine Fortsetzung. Man kann daher den Nacherfüllungsanspruch als modifizierten Erfüllungsanspruch charakterisieren.“ A. A. Schmidt (2007) – Unmöglichkeit, S. 64 (Fn. 210): Man habe „im streng dogmatischen Sinne … den ursprünglichen Erfüllungsanspruch … auch bei mangelhafter Leistung als durch Erfüllung erloschen anzusehen“ (Hervorhebung d. Verf.). Aber weiter: Es erlösche nicht das Recht des Käufers, die Leistung überhaupt zu fordern, er könnte sie nur nicht mehr gem. § 433 Abs. 1 S. 2 fordern. Es sei „die mangelhafte Leistung insofern Erfüllung, als daß künftig nicht mehr diese, sondern allein noch Nacherfüllung verlangt werden kann.“

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(b)  Nachbesserung als „Restleistung“, die auf bereits angenommene Teilleistung aufbaut Diese Begründung trägt immerhin den Ersatzlieferungsanspruch, im Rahmen dessen der Käufer auch nach der Annahme der mangelhaften Ware790 Erfüllung noch im vollen Umfang verlangen kann. Begründet wird dies damit, dass der Ersatzlieferungsanspruch den Erfüllungsanspruch nahtlos fortsetze, dass er der modifizierte Primäranspruch791 sei.792 Wenn man mit der Rechtsnatur des Nacherfüllungsanspruchs argumentiert, kann man es sich aber nicht so einfach machen, die geringere Reichweite des Nachbesserungsanspruchs damit zu erklären, dass man lediglich die Betonung leicht verschiebt und in dieser Variante der Nacherfüllung hervorhebt, dass es sich eben „nur“ um den modifizierten Primäranspruch handelt.793 Denn fraglich ist ja gerade, was der Grund dieser Modifikation ist und wie sie sich vollzieht. 790 

Zu diesem Zäsurmoment: B.III.3.b)iv). Zur Rechtsnatur des Nacherfüllungsanspruchs als „modifizierter Primäranspruch“: Kandler (2004) – Kauf, S. 319- 333; Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 47–49; Donou (2006) – Erfüllung und Nacherfüllung, S. 29–51, 85–98; Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 100–112; Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 43–46; Ackermann JZ 2002, 378 (380); Huber NJW 2002, 1004 (1005); Oechsler NJW 2004, 1825 (1825 f.); Lorenz NJW 2002, 2497 (2502); ders. NJW 2006, 1175 (1175); Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2729); ders./Utlu Jura 2009, 721 (722); Stodolkowitz JA 2010, 492 (492, 494); Jaensch NJW 2012, 1025 (1025); Weidenkaff in: Palandt (2013) – BGB, § 439 Rn. 1; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 437 Rn. 1, § 439 Rn. 2; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 433 Rn. 38, § 439 Rn. 6; Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 1; Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 433 Rn. 132. Für Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 231–236 geben die systematische Einbettung des kaufrechtlichen Nacherfüllungsanspruchs in das Gewährleistungsrecht und die gesetzlichen Modifikationen des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs dagegen den Ausschlag dazu, den Nacherfüllungsanspruch dogmatisch als besonderes Gewährleistungsrechts zu klassifizieren; ähnlich Coester-Waltjen Jura 2006, 829 (833). 792  Vgl. BGH Urt. v. 17.10.2012, Az. VIII ZR 226/11 (= NJW 2013, 220–223), Rn. 24: „Bei der in § 439 Abs. 1 BGB als eine der beiden Alternativen der Nacherfüllung vorgesehenen Lieferung einer mangelfreien Sache decken sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers, wie schon aus der gesetzlichen Formulierung hervorgeht, der Nacherfüllungsanspruch und der ursprüngliche Erfüllungsanspruch hinsichtlich der vom Verkäufer geschuldeten Leistungen; es ist lediglich anstelle der ursprünglich gelieferten mangelhaften Kaufsache nunmehr eine mangelfreie – im Übrigen aber gleichartige und gleichwertige – Sache zu liefern. Die Ersatzlieferung erfordert daher eine vollständige Wiederholung der Leistungen, zu denen der Verkäufer nach § 433 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB verpflichtet ist; der Verkäufer schuldet nochmals die Übergabe des Besitzes und die Verschaffung des Eigentums einer mangelfreien Sache – nicht weniger, aber auch nicht mehr.“ Ggf. ist nur und erst in der Ersatzlieferung die eigentliche Leistung zu erblicken und die vorangegangene Mangelleistung im Grunde wie eine Nichtleistung zu behandeln; vgl. dazu m. w. N. Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 80, 83, vgl. 85 (bzgl. der Diskussion über eine Nutzungsherausgabe/-ersatzpflicht des Käufers bei Ersatzlieferung). 793 Vgl. Kandler (2004) – Kauf, S. 322, 327: „Die durch den Übergang gem. § 433 I 2 auf § 439 I ausgelösten Modifikationen lassen sich dogmatisch nur so erklären, dass sich der Inhalt des Schuldverhältnisses kraft Gesetzes ändert. Die Folge ist, dass der Käufer dann auf die Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs aus § 439 I beschränkt ist, dh nicht etwa wahlweise seinen Anspruch aus § 433 I 2 geltend machen kann, da sonst die Beschränkungen, denen der Anspruch aus § 439 I unterliegt, leer liefen“ (Hervorhebungen d. Verf.). A. A. Schmidt (2007) – Un791 



7. Nachbesserungsgefahr

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Überzeugender als das Argumentieren mit einer gesetzlichen Anordnung ist die Erklärung Dieckmanns: Demnach haben Mangelbeseitigung und Ersatzlieferung den Charakter von „Restleistung“ und „Vollleistung“, stellt die Mangelbeseitigung ein Minus zur Ersatzlieferung dar.794 Die Besonderheit der kaufrechtlichen Nacherfüllung bestehe darin, dass (ausnahmsweise)795 der Gläubiger (Käufer) die Wahl hat, ob der Schuldner (Verkäufer) zur Erfüllung seines Anspruchs durch Erbringung der Restleistung auf die bereits erbrachte Teilleistung aufbauen (Nachbesserung) oder die Vollleistung bewirken (Ersatzlieferung) soll.796 Weil die Schlechtleistung/qualitative Teilleistung auch dann keine Teilerfüllung zur Folge hat, keine trennscharfe Aufspaltung der Leistung gem. § 433 Abs. 1 S. 2 in einen bereits erfüllten (mangelfreien) und einen noch nicht erfüllten (mangelhaften) Teil zulässt, wenn der Käufer lediglich die noch ausstehende „Restleistung“ fordert, umschreibt § 439 Abs. 1 Alt. 1 Inhalt und Umfang dieser „Restleistung“: Der Verkäufer ist zur „Beseitigung des Mangels“ verpflichtet. Der Umfang des Mangels und damit der Nachbesserungspflicht ist aber nicht ohne weiteres gem. § 434 Abs. 1 zu bestimmen (Qualitätsprüfung im Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs).797   Im Unterschied dazu erfüllt der Verkäufer die Pflicht zur sachmangelfreien Leistung im Rahmen der Ersatzlieferung auf Verlangen des Käufers durch Erbringung der Vollleistung. Dabei bleibt die bereits erbrachte „Teilleistung“ außer Betracht. Dies ist der Grund, warum der Käufer ggf. unabhängig von dem Schicksal der zuerst gelieferten Sache die Lieferung einer anderen, in jeder Hinsicht vertragsgemäß beschaffenen Sache verlangen kann. Erst und nur in der Ersatzlieferung ist dann die eigentliche Leistung zu erblicken und die vorangegangene Mangelleistung ist als eine Nichtleistung zu behandeln.798 möglichkeit, S. 64 (Fn. 210): Es sei „die mangelhafte Leistung insofern Erfüllung, als daß künftig nicht mehr diese, sondern allein noch Nacherfüllung verlangt werden kann“; siehe dazu bereits in Fn. 789. 794  Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 110. 795  Außerhalb des Kaufrechts könne der Schuldner sich aussuchen, ob er die Leistung durch Erbringung der Restleistung oder (erneute) Vollleistung bewirkt. Er habe insoweit die „Dispositionsfreiheit, mit welcher Leistungshandlung er den Leistungserfolg herbeiführt“, Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 111 f., 176, 243 f., 249. 796 Ähnlich Bachmann AcP 211 (2011), 395 (416 f.): Der Nacherfüllungsanspruch sei „nichts anderes als die Fortsetzung des nach wie vor offenen Erfüllungsanspruchs und also mit diesem identisch“. Seine Besonderheit bestehe „allein darin, dass das Wahlrecht zwischen Nachbesserung und Nachlieferung nunmehr dem Käufer zusteht“, was als Ausgleich dafür verstanden werden könne, dass der Käufer sich eine „zweite Andienung“ durch den Verkäufer überhaupt gefallen lassen muss. 797  Ausführlich dazu oben: B.III.3.b). 798  Vgl. dazu m. w. N. Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 80, 83, vgl. 85 (bzgl. der Diskussion über eine Nutzungsherausgabe/-ersatzpflicht des Käufers bei Ersatzlieferung) sowie den EuGH, Rs C-404/06, Slg 2008, I-2685  – Quelle AG (=  NJW 2008, 1433), Rn. 41: „Wenn der Verkäufer ein vertragswidriges Verbrauchsgut liefert, erfüllt er die Verpflichtung, die er im Kaufvertrag eingegangen ist, nicht ordnungsgemäß und muss daher die Folgen dieser Schlechterfüllung tragen. Der Verbraucher, der seinerseits den Kaufpreis gezahlt und damit seine vertragliche Verpflichtung ordnungsgemäß erfüllt hat, wird durch die Erlangung eines neuen Verbrauchsguts als Ersatz für das vertragswidrige Verbrauchsgut nicht ungerechtfertigt bereichert. Er erhält lediglich verspätet ein den Vertragsbestimmungen entsprechendes Verbrauchsgut, wie er es bereits zu Beginn hätte erhalten müssen“.

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

Verlangt der Käufer nach der Annahme der mangelhaften Sache (nur) die Restleistung, gestattet er dem Verkäufer damit, auf die bereits erbrachte Teilleistung aufzubauen, obwohl diese nicht die Wirkung einer Teilerfüllung hat.799 Er kann sich deshalb mit Blick auf eine Verschlechterung der als Leistungsgegenstand (unter dem Vorbehalt, dass die Nachbesserung gelingen wird) angenommenen Sache nicht darauf berufen, noch keine (mangelfreie) Leistung erhalten zu haben, sofern die weitere Verschlechterung nicht noch als Folge der Verletzung der Leistungspflicht zur sachmangelfreien Lieferung anzusehen ist800.

(c)  Beschränkung der Erfüllungspflicht im Rahmen der Nachbesserung (Primärpflichtmodifikation) In Parallele zu der Beschränkung des (Gattungs-)Schuldverhältnisses gem. § 243 Abs. 2 wird der Verkäufer insoweit von der Leistung frei, obwohl er noch nicht erfüllt hat. Von daher ist die „Primärpflichtmodifikation“ gem. §§ 433 Abs. 1 Alt. 2, 439 Abs. 1 Alt. 1 mit dem Begriff „Konkretisierung“ zutreffend beschrieben. Der Umfang der Nachbesserungspflicht bestimmt sich also in negativer Abgrenzung von dem Risiko, das der Käufer durch seine Entscheidung, die mangelhafte Sache entgegenzunehmen und zu behalten, bei der Nachbesserung in Bezug auf die angenommene Sache übernimmt801. Dieses Risiko ist wesentlich die Sachgefahr, die mit dem Eigenbesitz und dem Eigentum zusammenhängt,802 die der Käufer durch die Lieferung erlangt, also die Gefahr des allgemeinen Lebensrisikos.803 Ob diese Gefahr mit der Annahme auf den Käufer übergegangen ist oder nicht, ist deshalb in der Schwebe, solange der Käufer die Wahl zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung hat, und diese Schwebelage wird erst und nur durch sein Nachbesserungsverlangen beendet.804 Nach der Entscheidung für die Nachbesserung kann der Käufer zwar nicht mehr willkürlich auf die Ersatzlieferung umschwenken. Der Übergang der Gefahr nicht-mangelverursachter Verschlechterung ist aber auch dann noch nicht unbedingt und endgültig erfolgt. Denn wenn die Nachbesserung fehlschlägt oder der Verkäufer sie pflichtwidrig unterlässt oder berechtigter Weise verweigert, kann der Käufer nach herrschender Meinung immer noch auf die Ersatzlieferung ausweichen. Auch insoweit überzeugt die Begründung Dieckmanns, wonach der Erfüllungsanspruch ungeachtet der mangelhaften Lieferung in vollem Umfang fortbesteht, bis der Verkäufer erfolgreich nacherfüllt hat, und der Käufer so lange über das „Wie“ der Erfüllung grundsätzlich disponieren kann (wie es außerhalb des Kaufrechts dem Schuldner zustehe).805 Dagegen begründet die herrschende Meinung die Möglichkeit des 799 

Dazu bereits: B.III.3.b)iv)1). Zu den Fallgruppen: B.III.7.d) und B.III.8. 801  Dazu oben: B.III.3.b)iv). 802  Vgl. zur Gefahr­tragung während der Nachbesserung: Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (65); Ernst in: FS Huber (2006), 165 (233). 803  Dazu bereits: B.III.3.b)iv)2). 804  Vgl. dazu bereits: B.III.3.b)iv)3). 805  Dieckmann (2007) – Nacherfüllung, S. 110–112. 800 



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Käufers, von der Nachbesserung unter Umständen auf die Ersatzlieferung „umzuschwenken“ damit, dass sie das Wahlrecht des Käufers dogmatisch als ius variandi in einem Fall der elektiven Konkurrenz erfasst. Denn dann führt die Entscheidung für die eine Art der Nacherfüllung nicht zu einer derartigen Bindung, dass die Möglichkeit, die andere Art zu verlangen, endgültig und unbedingt „verbraucht“ ist.806

Die Schwebelage geht zu Lasten des Verkäufers. Dies insofern, als es dem Käufer, wenn es nach der Lieferung, aber vor der Ausübung des Käuferwahlrechts zu einer zufälligen Verschlechterung der Kaufsache kommt, die in keinem Zusammenhang mit dem Mangel steht, grundsätzlich freisteht, den Verlust auf den Verkäufer abzuwälzen, indem er wegen des (spätestens) im Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs festgestellten807 Sachmangels Ersatzlieferung verlangt (oder zurücktritt).

2)  Rechtfertigung des unterschiedlichen Leistungsumfangs der beiden Nacherfüllungsvarianten mit autonomer Entscheidung des Käufers Dem Argument, dass die unterschiedliche Risikoverteilung, je nachdem, ob der Verkäufer durch Nachbesserung oder durch Ersatzlieferung nacherfüllt, hinzunehmen sei, weil der Käufer insoweit die Wahl habe, sich also bewusst dafür oder dagegen entscheide, das Risiko der nicht mit dem Mangel zusammenhängenden weiteren zufälligen Sachverschlechterung zu tragen,808 kann nicht entgegen gehalten werden, dass der Käufer diese Wahl nicht in jedem Fall habe.809 Denn dass die Ersatzlieferungsalternative nicht besteht, setzt voraus, dass der Käufer die entsprechende Entscheidung lediglich früher, nämlich bereits beim Vertragsschluss, getroffen hat. Der (mutmaßliche) Parteiwille in diesem Zeitpunkt ist nämlich ent806 Dazu: Kandler (2004) – Kauf, S. 436–440; Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 64–67; Donou (2006) – Erfüllung und Nacherfüllung, S. 98 ff.; Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 89–94; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 439 Rn. 4 f.; Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 9; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 10; Reinicke/ Tiedtke (2009) – KaufR, Rn. 412 f.; Oetker/Maultzsch (2013) – Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2.196; jeweils auch mit Nachweisen zur a. A. (Wahlschuld). Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 55 ff. weist darauf hin, dass die sachgerechte Entscheidung von Einzelfragen, zu denen er auch zählt, dass die Wahl einer Nacherfüllungsart nicht endgültig und unbedingt sei, nicht von der dogmatischen Einordnung des Wahlrechts als Wahlschuld oder ius variandi abhänge. Seine Überlegungen zu den Voraussetzungen der Ersatzlieferung und ihren systematischen Konsequenzen (a. a. O. S. 15 ff., 32 ff.) fortführend könnte man die Möglichkeit des Käufers, beim Ausbleiben der Nachbesserung auf die Ersatzlieferung umzuschwenken, auch damit begründen, dass die mit der Entscheidung für die Nachbesserung bekräftigte oder erstmals erfolgte Individualisierung des Leistungsgegenstandes wiederum unter der auslösenden Bedingung des Ausbleibens der Nachbesserung steht. 807  Dazu oben: B.III.3.a). 808  Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2735, 2739); Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (65); vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (216). 809  A. A.: Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 82; Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 113; Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (498); Ewert (2007) – Gefahr­tragung, S. 106; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 15; Hesseler/Kleinhenz JuS 2007, 706 (709).

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scheidend dafür, ob der Käufer in den Genuss der Vorteile kommen kann, die eine Ersatzlieferung mit Blick auf nicht-mangelbedingte Schäden an der gelieferten mangelhaften Sache mit sich bringt, bzw. ob der Verkäufer die entsprechenden Nachteile im Falle der Lieferung mangelhafter Ware nach Wahl des Käufers wird tragen müssen.810

(a)  Ob bei Lieferung mangelhafter Ware alternativ zur Nachbesserung eine Ersatzlieferung in Betracht kommt, ist nicht dem Zufall überlassen Ob (auch) abseits des Gattungskaufs eine Nacherfüllung durch Ersatzlieferung in Frage kommt, ist dementsprechend allein durch (ergänzende) Auslegung zu ermitteln.811 Es steht deshalb nicht zu befürchten, dass der Käufer allein aufgrund der Verkehrsanschauung oder der äußeren Umstände des Vertragsschlusses um sein Recht, im Mangelfall Ersatzlieferung verlangen zu können, gebracht würde. Auch wird dem Verkäufer nicht zugemutet, eine Ersatzsache beschaffen oder abgeben zu müssen, wo dies nicht auch seinem (hypothetischen) Vertragswillen entspricht. Es ist daher eigentlich nicht „vom Zufall abhängig, welche Form der Nacherfüllung möglich ist“812. Wenn die Nacherfüllung nur durch Nachbesserung erfolgen kann, dann nicht „aufgrund des Inhalts des Kaufvertrags [oder] der Natur der Kaufsache“813. Die Ersatzlieferung geschieht immer aufgrund des Inhalts des Vertrages; denn die Parteien entscheiden darüber, ob die verkaufte Sache für sie einzigartig oder austauschbar ist und unter welchen Umständen es ggf. zum „Austausch“ kommen soll. Der Kauf eines unbedingt individualisierten Stücks kommt so gesehen dem Verzicht auf die Ersatzlieferung gleich.814 Entsprechendes gilt, wenn die Ersatzlieferungsalternative deshalb ausfällt, weil der Verkäufer sich auf sein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 439 Abs. 3 beruft. Denn auch die Grenze der Unverhältnismäßigkeit ist in jedem Einzelfall 810 

Dazu oben: B.III.6.a)v) (bei Fn. 703). Dazu: B.III.6.a)ii). 812  So aber Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (498) zur Begründung der Gleichbehandlung von Nachbesserung und Ersatzlieferung hinsichtlich der Gefahr­tragung durch Anpassung der Ersatzlieferung an die Nachbesserung; ähnlich Ewert (2007) – Gefahr­tragung, S. 106: „Die Risikoverteilung in Bezug auf Untergang und Verschlechterung der Kaufsache können [sic] nicht davon abhängig sein, ob der Käufer Ersatzlieferung oder Nachbesserung verlangt.“ – allerdings mit der Konsequenz, dass die für die Ersatzlieferung geltende Gefahr­tragung generell auf die Nachbesserung zu übertragen sei; ähnlich Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 15 und Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 82 zur Begründung der Belastung des Verkäufers mit der Gefahr der mangelverursachten Verschlechterung der Kaufsache (auch) im Rahmen der Nachbesserung. 813  So aber Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (498). Er hebt hervor, dass die umstrittene Frage einer Nachlieferung beim Stückkauf eine entscheidende Rolle für die Gefahr­tragung spiele und dass – sinngemäß – der Käufer einer nur generisch bestimmten Sache gegenüber dem Stückkäufer sachwidrig bevorzugt würde, wenn man eine Ersatzlieferung beim Stückkauf ausschlösse und die Risikozuordnung gem. §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 deshalb nur beim Gattungskauf zur Anwendung kommen könnte. 814  Vgl. dazu bereits: B.III.6.a)iv)4) (bei Fn. 698) und B.III.6.b)iii). 811 



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mit Rücksicht auf die vertragliche Vereinbarung zu bestimmen;815 auch darin liegt also ein Risiko, auf das der Käufer zumindest zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Einfluss nehmen kann. Es steht den Parteien nämlich nicht nur frei, die Ersatzlieferung als Nacherfüllungsvariante zuzulassen, sondern auch, den damit verbundenen Aufwand festzulegen. Wenn die Auslegung etwa ergibt, dass der Verkäufer – wie insbesondere bei einem (unbeschränkten) Gattungskauf – bezüglich der Warenqualität eine unbegrenzte Beschaffungspflicht übernommen hat, kann er eine Ersatzlieferung grundsätzlich nicht wegen unverhältnismäßiger Kosten gem. § 439 Abs. 3 verweigern, weil er unbegrenzten Beschaffungsaufwand schuldet.816 Im Übrigen kann der Käufer die durch den maximalen Ersatzlieferungsaufwand gezogene Grenze auch dadurch überwinden, dass er die übermäßigen Kosten selbst trägt.817

(b)  Auch wenn nur Nacherfüllung durch Nachbesserung in Betracht kommt, steht es dem Käufer frei, die Annahme zu verweigern Hinzu kommt, dass der Käufer auch dann, wenn er sich auf ein Kaufgeschäft eingelassen hat, bei dem die Nacherfüllung allenfalls durch Nachbesserung erledigt werden kann, die Gefahr nicht-mangelbedingter Verschlechterungen nur und erst dann übernimmt, wenn er das angediente mangelhafte Stück annimmt. Denn in dem Verzicht darauf, die Ware zurückzuweisen,818 liegt eine weitere Entscheidung.819

(c)  Die ökonomischen Folgen einer „unklugen“ Ausübung seiner Wahlmöglichkeit(en) hat der Käufer zu tragen Dem Argument, dass der Käufer, der statt der Lieferung einer anderen (vertragsgemäßen) Sache die Nachbesserung der mangelhaften angenommenen Sache verlangt, sich quasi dagegen entscheide, das Verschlechterungsrisiko umfassend auf den Verkäufer abzuwälzen, kann schließlich auch nicht entgegengehalten werden, dass dem Käufer in der Praxis nicht zugemutet werden könne, die genannten gesetzgeberischen Wertungen zu erkennen, und dass das Wahlrecht gem. § 439 Abs. 1 dadurch entwertet würde820. Es dürfte jedem Käufer klar sein, dass die Ersatzlieferung einen „Umtausch“ der mangelhaften gegen eine mangelfreie Sache bedeutet. Dagegen erwartet ein verständiger Käufer nicht, dass defekte Ware, die er möglicherweise schon länger in Gebrauch hatte, durch eine Reparatur in 815 

Dazu: B.III.6.a)iii). Bitter ZIP 2007, 1881 (1888 f.). 817  Dazu oben: B.III.6.a)iii)4). 818  Zum Zurückweisungsrecht in diesem Fall: B.III.9.b). 819  Dazu bereits: B.III.3.b)iv)1). 820  So zur Behandlung mangelbedingter „Weiterfresser-Schäden“ an der Kaufsache: Hesseler/Kleinhenz JuS 2007, 707 (709); zust. Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 40. 816 Vgl.

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

ihren Neuzustand zurückversetzt werde. Da beide Nacherfüllungsvarianten – auf unterschiedlichem Wege  – zu dem Ziel der Mangelfreiheit/Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes führen,821 ist nicht zu befürchten, dass der – etwa beim Verbrauchsgüterkauf besonders schutzwürdige – Käufer infolge einer unbedachten Entscheidung einen „Rechtsverlust“ erleiden könnte.822 Der „Nebeneffekt“ der Ersatzlieferung, dass auch nicht mangelbedingte Zufallsschäden „beseitigt“ werden, mag diese Art der Nacherfüllung für den Käufer, der kein besonderes Interesse daran hat, gerade die gelieferte Sache zu behalten, wirtschaftlich attraktiver machen als die Nachbesserung. Die ökonomischen Folgen der Ausübung einer Wahlmöglichkeit, die ihm das Recht lässt, im Einzelfall abzuschätzen, ist aber in jedem Fall Sache des Käufers.823

iv)  Zwischenergebnis zu den dogmatischen Erwägungen Aus dogmatischen Gründen ist es nicht geboten, den Leistungsumfang der Nachbesserung auf denjenigen der Ersatzlieferung „auszudehnen“. Dass die Nachbesserung kürzer greift als die Ersatzlieferung, liegt daran, dass der Käufer sich ggf. entschieden hat, die mangelhafte Sache zu behalten und nur noch die „Restleistung“ zu fordern, damit an und mit dieser Sache die Erfüllungstauglichkeit hergestellt werde. Beim Verkäufer verbleiben in dieser Situation nur die Risiken der „Restleistung“ („Beseitigung des Mangels“, § 439 Abs. 1 Alt. 1). Die übrigen Risiken nimmt der Käufer dem Verkäufer ab.

b)  Anpassung der Nachbesserung an die Ersatzlieferung wenigstens beim Verbrauchsgüterkauf aufgrund europarechtlicher Vorgaben für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes (durch Nacherfüllung)? Auch wenn die aufgezeigten Unterschiede im Umfang der Leistung und in der Verteilung der Leistungsgefahr sich aus der Dogmatik der Nacherfüllung ergeben, könnte es sein, dass eine Gleichbehandlung beider Nacherfüllungsvarianten, und zwar durch Angleichung der Nachbesserung an die Ersatzlieferung, aufgrund der Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zumindest für den Verbrauchsgüterkauf geboten ist.824 Immerhin hat der EuGH ausdrücklich klargestellt, dass sich „aus der Systematik von Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie [ergibt], dass die beiden

821 

Dazu zuvor: B.III.7.a)iii)1). wäre dies nur, wenn die problematischen Fallgruppen der mangelbedingten Zufallsverschlechterung der gelieferten Sachen nicht auch von der Nachbesserungspflicht erfasst wären. Dies ist aber – einschließlich sog. Weiterfresserschäden – nicht der Fall. Dazu: B.III.7.d). 823  Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2735); vgl. Ernst in: FS Huber (2006), 165 (216). 824  Zu der Frage, was aus dem Richtliniengebot, dass die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen muss, für die Risikoverteilung während der Nachbesserung folgt, unten: B.III.8.f). 822 Anders



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in diesem Artikel genannten Arten der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands dasselbe Verbraucherschutzniveau gewährleisten sollen“.825

i)  Anspruch auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes nicht als (Nach-)Erfüllungsanspruch konzipiert Im Regelungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist nicht maßgeblich, welchen Inhalt und welche Reichweite die Verpflichtung des Verkäufers zur Nachbesserung der mangelhaften Kaufsache nach der Dogmatik der Nacherfüllung im Bürgerlichen Gesetzbuch hat. Denn diese Dogmatik liegt der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht zugrunde. Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gibt in Art. 3 lediglich vor, dass der Käufer dann, wenn das Verbrauchsgut sich im Zeitpunkt seiner Lieferung als vertragswidrig erweist, einen Anspruch auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes hat, yy der nach Wahl des Verbrauchers durch Reparatur oder durch Ersatzlieferung zu erfüllen ist (sofern dies nicht unmöglich oder unverhältnismäßig ist), yy dass dieser Anspruch Vorrang vor den (anderen) in der Richtlinie vorgesehenen Sekundärrechten, namentlich der Minderung und der Vertragsauflösung, hat und yy dass die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes innerhalb einer angemessenen Frist und für den Verbraucher unentgeltlich und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten erfolgen muss. Auch wenn das Ziel der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes die Erfüllung des Kaufvertrages ist, ist der Richtlinie nicht zu entnehmen, dass es sich bei den darauf gerichteten Ansprüchen ihrer Rechtsnatur nach jeweils noch um den vertraglichen Erfüllungsanspruch oder eine Fortsetzung desselben (Nach-Erfüllungsanspruch) handele.

ii)  Besonderes Sekundärrecht mit inhaltlicher Tendenz zu einer verschuldensunabhängigen Verpflichtung zur Naturalrestitution In der Rechtsprechung des EuGH zeichnet sich vielmehr das Verständnis ab, dass es sich um zwei spezielle (vorrangige) Sekundärrechte handele,826 deren Inhalt und Reichweite nicht allein durch die (privatautonome) Kaufvereinbarung, sondern in erster Linie durch den (rechtspolitischen) Zweck des Verbraucherschutzes bestimmt sind. So der EuGH827 ausdrücklich:

825  EuGH, Urt. v. 16.05.2011 in den verbundenen Rechtssachen C-65/09 und C-87/09 (Gebr.  Weber GmbH/Jürgen Wittmer; Ingrid Putz/Medianess Electronics GmbH), Slg.  2011, I-5257 (= NJW 2011, 2269 ff.), Rn. 51, 72. 826 Vgl Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 236. 827  EuGH, Urt. v. 16.05.2011, Slg. 2011, I-5257 (= NJW 2011, 2269 ff.), Rn. 59.

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

„Zwar wird nämlich nach Art. 2 der Richtlinie durch den Kaufvertrag der vertragsgemäße Zustand des Verbrauchsguts festgelegt und damit insbesondere bestimmt, was eine Vertragswidrigkeit darstellt, doch ergeben sich im Fall einer solchen Vertragswidrigkeit die Verpflichtungen des Verkäufers, die aus der Schlechterfüllung des Vertrags folgen, nicht nur aus diesem, sondern vor allem aus den Vorschriften über den Verbraucherschutz und insbesondere aus Art. 3 der Richtlinie, die Verpflichtungen auferlegen, deren Umfang unabhängig von den Bestimmungen des genannten Vertrags ist und die gegebenenfalls über die dort vorgesehenen Verpflichtungen hinausgehen können“.828

In Inhalt und Umfang kommen sie mitunter einer verschuldensunabhängigen Verpflichtung zur Naturalrestitution,829 und zwar zur Herstellung des Zustandes, den das Verbrauchsgut haben würde, wenn der Verkäufer von vorneherein vertragsgemäße Ware geliefert hätte,830 gleich. Von daher sind – zumindest im Regelungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie – die dogmatischen Argumente, die von der Rechtsnatur des Nacherfüllungsanspruchs ausgehen, nur von begrenztem Wert. Das gilt insbesondere für die Entscheidung kaufrechtlicher Einzelfragen anhand der Begriffsbildung des „modifizierten Primäranspruchs“.831 Für die Entscheidung kaufrechtlicher Einzelfragen ist damit nicht so viel gewonnen, wie es auf den ersten Blick scheint.832 Besonders in der Diskussion über den Erfüllungsort der Nacherfüllung sowie über die Reichweite der Ersatzlieferungspflicht nach Einbau mangelhafter Ware durch den Käufer833 ist dies deutlich geworden: Wer gegen Abweichungen von den für die Erfüllung geltenden Regeln argumentieren will, betont, dass es sich bei dem Nacherfüllungsanspruch im Grunde um den Erfüllungsanspruch handele. Wer das anders sieht, beruft sich darauf, dass dieser Anspruch immerhin modifiziert sei. Die Deutungshoheit hat im Regelungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ohnehin der EuGH, der sich bisher nicht gerade davon beeindruckt gezeigt hat, dass der deutsche Gesetzgeber das Recht des Käufers auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes dogmatisch als Nacherfüllungsanspruch ausgestaltet hat.

828  Da dies mit dem Inhalt der Ersatzlieferung als Nacherfüllung an sich nicht zu vereinbaren ist, kann es nicht überraschen, dass der Bundesgerichtshof mit einer richtlinienkonformen Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 argumentiert (Urt. v. 21.12.2011, Az. VIII ZR 70/08 (= NJW 2012, 1073–1080, Rn. 25–27)) und entschieden hat, dass dies bei einem Kaufvertrag zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern nicht gelte (Urt. v. 17.10.2012, Az. VIII ZR 226/11 (= NJW 2013, 220–223)). Der Gesetzgeber erwägt momentan jedoch die Einführung einer entsprechenden gesetzlichen Regelung, die für alle Kaufgeschäfte gelten soll; dazu Ulber JuS 2016, 584 ff. 829  Vgl. BGH Urt. v. 17.10.2012, Az. VIII ZR 226/11 (=  NJW 2013, 220 (222), Rn. 26 f.; Oetker/Maultzsch (2013) – Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2.182a–183c. 830  Dazu noch: B.III.7.b)iii)2)(b) (bei Fn. 853). 831  Vgl. dazu oben: B.III.7.a)iii)1)(b). 832  Dazu auch Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 233–236. 833  Dazu m. w. N.: Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 18–19c; Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 70–84.



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iii)  Maximale Belastung des Verkäufers mit dem Risiko, Zufallsverschlechterungen des vertragswidrigen Verbrauchsguts durch Reparatur beseitigen zu müssen, als Gebot des Verbraucherschutzes? Fraglich ist, ob der maßgebende rechtspolitische Zweck des Verbraucherschutzes es erfordert, dem Verkäufer in jedem Fall der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes – entsprechend der Ersatzlieferung im BGB834 – das Risiko jeglicher Verschlechterung des gelieferten vertragswidrigen Verbrauchsguts aufzuladen und ihn zur Versetzung des Verbrauchsguts in seinen „Neuzustand“ zu verpflichten. Auch insoweit ist freilich zwischen der Regelung der Gefahr­tragung mit Blick auf die Rückgabe des vertragswidrigen Verbrauchsguts (bei Rücktritt und Ersatzlieferung) einerseits und dem Umfang der Verpflichtung zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes in den beiden Varianten der Ersatzlieferung und Nachbesserung andererseits zu unterscheiden.

1)  Keine Vorgaben zur Rückabwicklung der vertragswidrigen Leistung bei Rücktritt und Ersatzlieferung Die Modalitäten der Rückabwicklung der mangelhaften Leistung regelt die Richtlinie weder im Rahmen der Ersatzlieferung noch im Rahmen des Rücktritts. Den Rücktritt spricht sie nur in seiner „vertragsauflösenden“ Funktion an und überlasst nach Erwägungsgrund 15 „[d]ie Regelungen über die Durchführung der Vertragsauflösung“ dem innerstaatlichen Recht. Deshalb macht die Richtlinie auch keine Vorgaben für die Verteilung der Gefahr mit Blick auf die Verschlechterung oder den Untergang des im Rahmen des Rücktritts zurück zu gewährenden (vertragswidrigen) Verbrauchsguts. Es wird lediglich klargestellt, dass nationale Regelungen, nach denen „eine dem Verbraucher zu leistende Erstattung gemindert werden kann, um der Benutzung der Ware Rechnung zu tragen“, zulässig sind.835 Hinsichtlich der Gefahrverteilung beim Verbrauchsgüterkauf enthält Erwägungsgrund 14 nur die ganz allgemein gehaltene Erklärung, dass die Bezugnahme der Haftung des Verkäufers für Sachmängel auf den Zeitpunkt der Lieferung die Regelungen der Mitgliedsstaaten über den Gefahrübergang unberührt lasse.

2)  Vorgaben an die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes durch Nachbesserung Für die Frage, wie weit die Leistungspflicht des Verkäufers reicht, wenn der Verbraucher Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes durch Ersatzlieferung verlangt, ist es aber – wie nach dem BGB – ohnehin unerheblich, wie die Gefahr des zunächst gelieferten vertragswidrigen Verbrauchsguts verteilt ist. 834 

Dazu oben: B.III.2.b)ii) und B.III.6. Von daher ist es also nicht zu beanstanden, wenn dem Käufer nicht der (vollen) Kaufpreis erstattet wird. Er darf nur nicht aktiv auf Zahlung in Anspruch genommen werden. 835 

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Dadurch, dass der Käufer gem. §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 wegen eines an der zuerst gelieferten Sache eingetretenen Zufallsschadens keinen Wertersatz leisten muss, wird im Regelungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vielmehr dem Gebot der Unentgeltlichkeit und damit der effektiven Durchsetzbarkeit der Ersatzlieferungspflicht Rechnung getragen. Denn der Käufer könnte sich davon abgehalten fühlen, sein Recht, vom Verkäufer die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes durch Ersatzlieferung zu verlangen, auszuüben, wenn er wegen jedes nach der Annahme des vertragswidrigen Verbrauchsguts an demselben aufgetretenen Schadens (Verschlechterung oder Untergang) Wertersatz leisten müsste.

Deshalb kann daraus auch nichts für die Reichweite der Pflicht zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes durch Nachbesserung abgeleitet werden. Diese Frage ist vielmehr aus dem Vertrag und auch und „vor allem aus den Vorschriften über den Verbraucherschutz und insbesondere aus Art. 3 der Richtlinie, die Verpflichtungen auferlegen, deren Umfang unabhängig von den Bestimmungen des genannten Vertrags ist und die gegebenenfalls über die dort vorgesehenen Verpflichtungen hinausgehen können“836,

zu erschließen. Es geht namentlich um die oben genannten837 Richtlinienvorgaben. Soweit der EuGH diese in letzter Zeit näher konkretisiert hat, ist ihnen allerdings nicht zu entnehmen, dass der Verkäufer im Rahmen der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes durch Nachbesserung weiterhin in vollem Umfang die Leistungsgefahr mit Blick auf eine (weitere) Verschlechterung der mangelhaften Kaufsache zu tragen habe.

(a)  Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes Die „Quelle-Entscheidung“838, in deren Folge der deutsche Gesetzgeber die Verpflichtung des Käufers zum Ersatz von Nutzungen und Gebrauchsvorteilen im Rahmen der Ersatzlieferungspflicht (§§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 1) beim Verbrauchsgüterkauf ausgeschlossen hat (§ 474 Abs. 2 S. 1 a. F., nunmehr § 474 Abs. 5 S. 1),839 besagt, dass die „dem Verkäufer auferlegte Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts unentgeltlich zu bewirken, sei es durch Nachbesserung, sei es durch Austausch des vertragswidrigen Verbrauchsguts“, den Verbraucher „vor drohenden finanziellen Belastungen schützen“ soll.840 836 

Dazu oben: B.III.7.b)ii) (bei Fn. 828). Siehe: B.III.7.b)i). 838  EuGH, Urt. v. 17.04.2008, Rs C-404/06, Slg 2008, I-2685 – Quelle AG (= NJW 2008, 1433). 839 Dazu: Lobinger in: Soergel (2010) – BGB, § 346 Rn. 48; Lorenz in: MüKo (2012) – BGB, § 474 Rn. 32–34; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 439 Rn. 17; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 33; Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S 169 ff.; vgl. zum Diskussionsstand vor der Quelle-Entscheidung: Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 136; Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 79–83; Kandler (2004) – Kauf, S. 552 ff.; Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 214 ff. 840  EuGH, Urt. v. 17.04.2008, Rs C-404/06, Slg.  2008, I-2685  – Quelle AG (=  NJW 2008, 1433), Rn. 34, Hervorhebung d. Verf. 837 



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Gerade bei der Nachbesserung ist der Käufer aber auch dann keiner Wert- oder Schadenersatzforderung des Verkäufers ausgesetzt, wenn ihm die Leistungsgefahr mit Blick auf nicht-mangelverursachte Verschlechterungen des vertragswidrigen Verbrauchsguts zugewiesen ist.841 Dass er die Beseitigung solcher Verschlechterungen vom Verkäufer nicht verlangen kann und sich also mit ihnen abfinden muss, bedeutet zwar einen Nachteil der Nachbesserung im Vergleich zur Ersatzlieferung. Der Käufer wird dadurch aber nicht davon abgehalten, überhaupt Nacherfüllung/ Nachbesserung zu verlangen, und praktisch dazu „gedrängt“, den Mangel hinzunehmen. Lediglich dann, wenn sich der Aufwand zur Beseitigung der bei der Lieferung vorhandenen Vertragswidrigkeit infolge einer nach der Lieferung eingetretenen Verschlechterung des Verbrauchsguts für den Verkäufer erhöht, stellt sich auch im Rahmen der Nachbesserung die Frage, ob der Käufer mit Ausgleichsansprüchen des Verkäufers konfrontiert werden könnte, die geeignet wären, ihn davon abzuhalten, Nachbesserung zu verlangen. Fraglich ist, woraus sich ein Anspruch des Verkäufers auf Beteiligung an den Nacherfüllungskosten gegen den Käufer ergeben könnte. Erhöht sich der Nacherfüllungsaufwand aufgrund von Umständen, für die der Käufer verantwortlich ist (etwa weil der Käufer in vorwerfbarer Weise eine Verschlimmerung des Mangels verursacht hat), so sehr, dass die Nachbesserung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist, kann der Verkäufer die Nacherfüllung gem. § 439 Abs. 3 verweigern.842 Wenn die vom Käufer zu verantwortende Erhöhung des Nachbesserungsaufwandes vergleichsweise gering ausfällt, meinen manche, könne ein Anspruch des Verkäufers auf (anteilige) Übernahme der Nacherfüllungskosten gem. § 254 unter Berücksichtigung der Wertungen der §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 2, Abs. 3 begründet sein, weil der Verkäufer die Nachbesserung dann nicht verweigern dürfe.843 Überzeugender ist es indes, dem Verkäufer auch in solch einem Fall wegen der Verantwortlichkeit des Käufers ein Leistungsverweigerungsrecht zuzugestehen, welches der Käufer nur dadurch „entkräften“ kann, dass er sich zur anteiligen Kostenübernahme bereit erklärt. Der entsprechende Anspruch des Verkäufers ergibt sich ggf. aus vertraglicher Vereinbarung.844

Allenfalls hierzu lässt sich in Parallele zu der Wertung der §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 begründen, dass eine Kostenbeteiligung des Käufers ausgeschlossen 841  Etwas anderes gilt nur, wenn der Käufer dafür verantwortlich ist, dass der Aufwand der Nachbesserung sich erhöht, vgl. bereits Fn. 431; zur Vereinbarkeit einer Beteiligung des Käufers an den Kosten der Nachbesserung mit dem Richtliniengebot der Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes: B.III.7.b)iii)2)(d). 842 Dazu: Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 60; Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 130. 843 Dazu: Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 20, 62; Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 132 a. E.; Reinking DAR 2002, 15 (19). In diesem Fall ist es dem Käufer nach hier vertretener Ansicht (vgl. oben: B.III.5.d)i)) zwar nicht gem. § 323 Abs. 6 Alt. 1 (analog) verwehrt, Ersatzlieferung zu verlangen oder zurückzutreten; er ist ggf. aber nach § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 zum Wertersatz verpflichtet, wenn die Voraussetzungen des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 nicht vorliegen. 844  Ist der Käufer nicht zur Kostenübernahme bereit und verweigert der Verkäufer deshalb weiterhin die Nacherfüllung, kann der Käufer entsprechend dem in Fn. 843 Gesagten Ersatzlieferung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten.

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ist, sofern der Käufer nicht für die Leistungserschwerung verantwortlich ist.845 Überzeugender dürfte die Frage der Verantwortlichkeit des Käufers sich aber in Anlehnung an die §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 6 Alt. 1 beantworten lassen.846 Denn diese Vorschriften behandeln eine Störung der Leistungspflicht des Verkäufers (als Nacherfüllungsschuldner), während es bei den §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 um die Störung der Rückgewährpflicht des Käufers im Hinblick auf die mangelhafte Sache geht. Entsprechend §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 6 Alt. 1 kommt eine Verantwortlichkeit des Käufers für eine Erschwerung der Mangelbeseitigung erst ab dem Zeitpunkt in Betracht, zu dem er von dem Vorliegen des Mangels und dem möglichen Bestehen der Nachbesserungspflicht Kenntnis erlangt. Ab diesem Zeitpunkt kann sie aber schon bei einfacher Fahrlässigkeit anzunehmen sein, weil der Gläubiger in besonderem Maße Rücksicht darauf zu nehmen hat, den Schuldner bei der Leistungserbringung nicht zu stören.847 Dass der Käufer dann, wenn er für eine Verschlechterung des empfangenen vertragswidrigen Verbrauchsguts im Rahmen der Ersatzlieferung Wertersatz zu leisten hat, und dann, wenn sich der Kostenaufwand zur Reparatur durch die Verschlechterung für den Verkäufer erhöht, möglicherweise an den Reparaturkosten zu beteiligen ist, versteht sich angesichts der europarechtlichen Verbraucherschutzvorgaben, insbesondere des Gebots der Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes, übrigens so oder so durchaus nicht von selbst.848

(b)  Gewährleistung eines einheitlich hohen Verbraucherschutzniveaus bei Nachbesserung und Ersatzlieferung Was die Reichweite der Nachbesserung angeht, zielt auch das Urteil zur Verpflichtung des Verkäufers zum Aus- und Einbau im Rahmen der Ersatzlieferung849, in dem der Europäische Gerichtshof ausdrücklich die Sicherstellung eines einheitlichen Verbraucherschutzniveaus bei Nachbesserung und Ersatzlieferung gefordert hat, nicht darauf ab, sämtliche Unterschiede zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung einzuebnen. Vielmehr ging es auch hier darum, eine „Barriere“850 845 So

Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 20, 62. Deren Rechtsfolge ist zwar nicht die Anordnung einer Wertersatzpflicht. Auch der Wertersatz gem. § 346 Abs. 2 zielt freilich nicht darauf ab, den Käufer an den Kosten der Nacherfüllung zu beteiligen. Es geht allein um den Aufwand der „Erstlieferung“. 847  Dazu bereits: B.III.5.d)i) sowie insbesondere in Fn. 430 und Fn. 473. 848  Dazu der Exkurs unten: B.III.7.b)iii)2)(d). 849  EuGH, Urt. v. 16.05.2011, Slg. 2011, I-5257 (= NJW 2011, 2269 ff.). 850  Diesmal ging es freilich um das Erfordernis, dass Nachbesserung und Ersatzlieferung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zu erfolgen haben. Dies ist nach dem EuGH in einem weiten Sinne zu verstehen, weil es gemeinsam mit den Erfordernissen, dass die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes unentgeltlich und innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen muss, „Ausdruck des offenkundigen Willens des Unionsgesetzgebers [sei], einen wirksamen Verbraucherschutz zu gewährleisten“; EuGH Slg. 2011, I-5257 (= NJW 2011, 2269 ff.), Rn. 52 f. 846 



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zu beseitigen, die den Käufer davon abhalten könnte, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes zu verlangen.851 In einer Situation, in der die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes allein durch Ersatzlieferung erfolgen kann, weil eine Nachbesserung nicht durchführbar ist, bestünde eine solche Barriere darin, dass der Käufer die Kosten des Ausbaus eines mangelhaft gelieferten Verbrauchsguts, das er im Vertrauen auf dessen Mangelfreiheit durch Einbau mit einer anderen Sache verbunden hat, sowie des erneuten Einbaus der ersatzweise gelieferten vertragsgemäßen Ware in vollem Umfang selbst tragen müsste. Dies könnte nämlich so aufwändig und kostenintensiv für den Käufer werden, dass er davon absieht, Ersatzlieferung zu verlangen. Deshalb zog das Gericht einen Vergleich zur Nachbesserung, die an dem Verbrauchsgut „in der Situation erfolgt, in der es sich zum Zeitpunkt des Auftretens des Mangels befand“, und daher den Ausbau des Verbrauchsguts erfordert, falls es nach seiner Lieferung (redlicher Weise) eingebaut wurde. Dahinter dürfe die Ersatzlieferung nicht zurückbleiben. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass der Käufer umgekehrt in einer Situation, in der eine Ersatzlieferung nicht in Betracht kommt, im Rahmen der Nachbesserung auch die Beseitigung sämtlicher Verschlechterungen verlangen könnte, die an dem mangelhaften Verbrauchsgut nach seiner Lieferung hinzugekommen sind, weil der Verkäufer bei der Ersatzlieferung auch ein in jeder Hinsicht vertragsgemäßes Verbrauchsgut liefern müsste. Auch dies ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH. Denn die Verpflichtung des Verkäufers auch zum (Wieder-) Einbau des reparierten Verbrauchsguts (bzw. zur Übernahme der diesbezüglichen Kosten) ergibt sich für den EuGH aus einem – „mangelfolgenorientierten“ – Verständnis. Danach zielt die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands darauf ab, das Verbrauchsgut in den Zustand und in die Lage zu versetzen, den/die es im Zeitpunkt des Nacherfüllungsbegehrens852 gehabt hätte, wenn es von vorneherein vertragsgemäß geliefert worden wäre. In dem Urteil heißt es, dass die „in Art. 3 der Richtlinie verliehenen Rechte  … nicht bezwecken, die Verbraucher in eine Lage zu versetzen, die vorteilhafter ist als diejenige, auf die sie nach dem Kaufvertrag Anspruch erheben könnten, sondern die Situation herstellen sollen, die vorgelegen hätte, wenn der Verkäufer von vornherein ein vertragsgemäßes Verbrauchsgut geliefert hätte“853. 851  Deshalb rechnet der EuGH die Pflicht zum Ausbau/Einbau auch nicht im engeren Sinne zum Inhalt der Ersatzlieferungspflicht des Verkäufers, sondern stellt in den Mittelpunkt, dass der Verkäufer unabhängig davon, ob er diese Arbeiten selbst vornehme, jedenfalls die Kosten tragen müsse (Slg. 2011, I-5257 (= NJW 2011, 2269 ff.), Rn. 61 f.). 852  Dies spricht dafür, dass der Käufer erst recht die Beseitigung solcher Schäden verlangen kann, die erst bei der Nachbesserung aufgetreten sind. Denn wenn der Verkäufer von vorneherein eine mangelfreie Sache geliefert hätte, hätte auch keine Nachbesserung durchgeführt werden müssen und wären folglich solche Schäden (zumindest in ihrer konkreten Gestalt) nicht aufgetreten. Ausführlich zu der Frage, ob und inwieweit dem Verkäufer ohne Rücksicht auf ein haftungsrechtliches Verschulden Schäden an der mangelhaften Sache, die bei der Nachbesserung entstehen, zur Last fallen: B.III.8. 853  EuGH Slg. 2011, I-5257 (= NJW 2011, 2269 ff.), Rn. 60, Hervorhebung d. Verf.

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Weil aber davon auszugehen ist, dass etwaige Schäden, die nach der ersten Lieferung der mangelhaften Kaufsache ohne jeglichen Bezug zu dem bei der Lieferung vorhandenen Mangel (oder dessen Beseitigung) aufgetreten sind, an dieser Sache auch aufgetreten wären, wenn sie schon bei dem ersten Erfüllungsversuch vertragsgemäß gewesen wäre,854 würde die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes durch Reparatur über das Ziel hinausschießen, wenn der Verkäufer auch solche Schäden beseitigen müsste.855 Sie würde den Verkäufer in nicht gerechtfertigter Weise belasten und dem Käufer einen Vorteil bringen, der ihm nicht zusteht. Unter diesem Gesichtspunkt sind Ersatzlieferung und Nachbesserung nicht miteinander vergleichbar, weil bei der Ersatzlieferung eine andere Sache als Leistungsgegenstand zum Einsatz kommt. Wird der in der Erstlieferung liegende Erfüllungsversuch des Verkäufers deshalb als ungeschehen behandelt, kann für die Reichweite der Ersatzlieferung auch nicht maßgebend sein, welchen Zustand die zuerst gelieferte Sache im Zeitpunkt des Ersatzlieferungsverlangens hatte. Maßgebend ist dann allein, wie schon bei dem ersten Versuch hätte geliefert werden müssen, um den Kaufvertrag zu erfüllen.

(c)  Ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher Fraglich ist, ob es mit dem Richtliniengebot, dass die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes für den Verbraucher ohne erhebliche Unannehmlichkeiten zu erfolgen hat, widerspricht, wenn dem Verbraucher sämtliche Verschlechterungen, die nach der Lieferung des vertragswidrigen Verbrauchsguts auftreten, zur Last fallen. Hätte der Verbraucher sämtliche nachträgliche Verschlechterungen zu tragen, könnte er nämlich auch wegen solcher Verschlechterungen, die während der Nachbesserung beim Verkäufer auftreten, ohne dass der Verkäufer sie haftungsrechtlich zu vertreten hat, weder Nachbesserung verlangen noch sonst Mängelrechte geltend machen.856 Auf dieses Risiko müsste er sich zumindest in solchen Fällen einlassen, in denen zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes ausschließlich die Nachbesserung in Betracht kommt, wenn er den Mangel nicht ersatzlos hinnehmen will. Den Kaufpreis mindern oder vom Vertrag zurücktreten kann er nämlich erst und nur dann, wenn er dem Verkäufer zuvor erfolglos eine angemessene Möglichkeit zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes gegeben hat. Darin könnte der EuGH möglicherweise einen Umstand sehen, der geeignet ist, den Verbraucher 854 Auch deshalb greift es zu kurz, unter Verweis auf den Wortlaut der Richtlinie damit zu argumentieren, dass nicht nur die Beseitigung „des“ Mangels (§ 439 Abs. 1 Alt. 1), sondern die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes geschuldet sei; vgl. zu diesem Argument: Lorenz/ Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (64); Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 41; Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 81. 855  Dazu noch: B.III.7.d)iii). 856  Dazu auch unten: B.III.8.f).



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davon abzuhalten, die ihm nach der Richtlinie zustehenden Rechte geltend zu machen.857 Infolgedessen könnte der EuGH zu dem Ergebnis kommen, dass der Verkäufer wenigstens Schäden, die während der Nachbesserung entstanden sind, durch Nachbesserung ohne Rücksicht auf ein haftungsrechtliches Vertreten-müssen beseitigen muss. Das Gericht kann jedenfalls nicht vorgeben, dass in solchen Fällen durch extensive Auslegung der Haftungsvoraussetzungen eine Schadenersatzpflicht des Verkäufers anzunehmen sei. Denn die Schadenersatzhaftung des Verkäufers ist in der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht geregelt. Dies mag auch dafür leitend sein, dass der EuGH die Verpflichtung des Verkäufers zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes zum Teil mit Inhalten auflädt, die einer verschuldensunabhängigen Verpflichtung zur Naturalrestitution nahekommen858.

Dem ist entgegen zu halten, dass es nicht das Ziel des Verbraucherschutzes ist, die Parteivereinbarung auszuhebeln und dem Käufer solche Risiken abzunehmen, die er mit dem Vertragsschluss oder durch eine nachträgliche privatautonome Entscheidung übernommen hat. Auch im Regelungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hängt nämlich von der Parteivereinbarung ab, ob im Falle der Vertragswidrigkeit des Verbrauchsguts der vertragsgemäße Zustand (auch) durch eine Ersatzlieferung hergestellt werden und der Käufer in den Genuss der mit einer Ersatzlieferung verbundenen Risikoverteilung kommen kann. Kommt nach dem Inhalt des Vertrages allein eine Nachbesserung in Betracht, hat der Käufer das beschriebene Risiko bereits mit dem Vertragsschluss angelegt und durch die Annahme des (vertragswidrigen) Stücks aktiviert. Ist er ausschließlich an dem beim Vertragsschluss ausgewählten Stück als Erfüllungsgegenstand interessiert und hat er die Entscheidung, dass der Vertrag mit diesem Stück erfüllt werden soll, durch die Annahme bekräftigt, muss er diejenigen Risiken tragen, die das Stück bereits als Bestandteil seines Vermögens (und nicht mehr als Gegenstand der Leistung des Verkäufers) betreffen. Dies gilt auch dann, wenn das einmal angenommene Stück sich zur Nachbesserung (wieder) beim Verkäufer befindet. Dies betrifft negative Sachveränderungen, die weder mit der Vertragswidrigkeit859 als solcher noch damit im inneren Zusammenhang stehen, dass der Verkäufer in Ansehung dieser Vertragswidrigkeit (weiterhin) zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes verpflichtet bleibt860, also im Wesentlichen das allgemeine Lebensrisiko.861 Dass die Zuweisung dieses Risikos auf seiner freien Entscheidung beruht, kommt noch deutlicher zum Ausdruck, wenn der Verbraucher noch bei oder nach der vertragswidrigen Lieferung die Wahl hat, ob der vertragsgemäße Zustand unter Einbeziehung des gelieferten Stücks (Nachbesserung) oder durch Einsatz eines anderen Stücks (Ersatzlieferung) hergestellt werden soll, und er das vertragswidrige 857 Vgl.

Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 64 (ohne Bezug zu § 439 Abs. 2). 858  Vgl. dazu beits: B.III.7.b)ii). 859  Näher dazu: B.III.7.d). 860  Näher dazu: B.III.8. 861  Dazu bereits: B.III.3.b)iv) vgl. auch B.III.7.a)iii).

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Stück zunächst annimmt und dann Nachbesserung verlangt. Diese Entscheidung ist nicht durch rechtspolitische Verbraucherschutzerwägungen zu korrigieren. Denn so, wie die Parteien festlegen, welches Stück der Leistungsgegenstand ist, können sie im Vollzug des Vertrages auch entscheiden, inwieweit dieses Stück noch als Gegenstand der Verkäuferleistung und inwieweit es bereits als Bestandteil des Käufervermögens von negativen Sachveränderungen betroffen ist.862

(d)  Exkurs: Zur Vereinbarkeit einer „Kostenbeteiligung“ des Käufers im Rahmen der Nacherfüllung mit dem Richtliniengebot der Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes Vor dem Hintergrund der europarechtlichen Verbraucherschutzvorgaben, insbesondere des Gebots der Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes, kann man selbst in solchen Fällen, in denen der Verbraucher für einen Schaden an der zurück zu gewährenden Sache oder für die Erschwerung der Nachbesserung (Erhöhung des Aufwandes) verantwortlich ist, in Frage stellen, ob es zulässig ist, den Verbraucher im Rahmen der Ersatzlieferung zum Wertersatz zu verpflichten oder im Rahmen der Nachbesserung ihn an den dazu erforderlichen Kosten zu beteiligen.863 Immerhin hat der EuGH in der Quelle-Entscheidung ausgeführt, „dass jede finanzielle Forderung des Verkäufers im Rahmen der Erfüllung seiner Verpflichtung zur Herstellung des vertragsmäßigen Zustands des Verbrauchsguts, auf das sich der Vertrag bezieht, ausgeschlossen ist“864.865 Auf diese Frage ist hier aber nur am Rande einzugehen, weil es nicht direkt den Regelungsbereich der Gefahr­tragung betrifft, wenn der Käufer verantwortlich und ein Zufallsereignis deshalb zu verneinen ist. Als Argument dafür, dass es nicht im Widerspruch zu der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie steht, den Käufer wegen eines von ihm zu verantwortenden Schadens an der gelieferten mangelhaften Sache – allgemein formuliert – im Rahmen der Nacherfüllung zu einer Zahlung an den Verkäufer zu verpflichten, könnte man die „Messner“-Entscheidung heranziehen. Darin hat der EuGH für die Rechtsfolgen des Widerrufs entschieden, dass das Recht der Mitgliedsstaaten den Verbraucher zur Zahlung eines angemessenen Wertersatz verpflichten dürfe, „wenn er die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt hat“.866 Faust gibt aber zu bedenken, dass das Gericht für die Rückabwicklung der mangelhaften Leistung im Rahmen der Ersatzlieferung anders entscheiden könnte. Denn obwohl die Wertersatzpflicht gem. §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 durchaus an eine vertrags862 

Vgl. dazu bereits: B.III.3.b)iv)2). Dazu bereits: B.III.7.b)iii)2)(a) (bei Fn. 848). 864  EuGH Slg 2008, I-2685 – Quelle AG (= NJW 2008, 1433), Rn. 34; Hervorhebung d. Verf. 865  Dazu auch Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 35. 866  EuGH, Urt. v. 03.09.2009 – Rs. C-489/07, Slg 2009, I-7315, Rn. 26. 863 



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widrige/treuwidrige Wertminderung des mangelhaften Verbrauchguts anknüpft (andernfalls wären die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 erfüllt), ist es dabei – anders als beim Widerruf – auf eine Pflichtverletzung des Verkäufers, namentlich der Vertragswidrigkeit des gelieferten Verbrauchsguts, zurückzuführen, dass es zur Rückabwicklung der Lieferung kommt.867 Andererseits gilt das Verbot jeglicher finanzieller Forderungen gegen den Käufer nur „im Rahmen der Erfüllung [der dem Verkäufer obliegenden] Verpflichtung zur Herstellung des vertragsmäßigen Zustands des Verbrauchsguts“868. Hält man den Verkäufer etwa für berechtigt, die Nachbesserung zu verweigern, wenn sie sich aufgrund von Umständen, für die der Käufer verantwortlich ist, „verteuert“ hat,869 erbringt der Verkäufer überobligatorischen Aufwand, wenn er die Nachbesserung gleichwohl durchführt.870 Man könnte argumentieren, dass das Gebot der Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes insoweit nicht greife. Durch die Verpflichtung zum Wertersatz im Rahmen der Ersatzlieferung wird der Käufer ohnehin nicht an den Kosten der Nacherfüllung (durch Ersatzlieferung) als solcher, sondern an dem Wertverlust der zuerst gelieferten Sache, die als Erfüllungsgegenstand gerade ausscheidet, beteiligt. Bei der Richtlinienvorgabe, dass die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes für den Käufer unentgeltlich erfolgen muss, geht es aber weniger um eine Inhaltsbestimmung der Verpflichtung des Verkäufers, als vielmehr darum, dass der Käufer nicht durch eine Zahlungspflicht davon abgehalten werden soll, die ihm wegen der Vertragswidrigkeit der Ware zustehenden (und durch die Vertragswidrigkeit der Ware begrenzten) Rechte geltend zu machen.871 Nur deshalb befand der EuGH in der „Quelle-Entscheidung“ eine Nutzungsersatzpflicht des Käufers im Rahmen der Ersatzlieferung für richtlinienwidrig, und dies ist auch der eigentliche Grund, warum das Gericht in seiner Entscheidung zur Reichweite der Ersatzlieferungspflicht noch einen Schritt weitergegangen ist und Ein- und Ausbau tatsächlich dem Inhalt der Verkäuferpflicht zugerechnet hat. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hätte der Käufer sich zwar keiner finanzieller Forderung des Verkäufers ausgesetzt, aber wenn der Ausbau des vertragswidrigen und der Einbau des ersatzweise gelieferten vertragsgemäßen Verbrauchsguts als seine Angelegenheit eingestuft worden wäre, wäre dies geeignet gewesen, ihn davon abzuhalten, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes, die in casu nur durch Ersatzlieferung erfolgen konnte, zu verlangen. Es ging also eigentlich nicht darum, den Verkäufer dazu zu verpflichten, Ein- und Ausbau selbst vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen. Es sollte lediglich sichergestellt, dass er insoweit die Kosten trägt. Den Vergleich zur Nachbesserung („einheitliches Verbraucherschutzniveau“) zog das Gericht nur, um dies nicht lediglich als Reflex des Erforder867 

Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 35; vgl. Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 169. 868  EuGH Slg 2008, I-2685 – Quelle AG (= NJW 2008, 1433), Rn. 34. 869  Dazu oben: B.III.7.b)iii)2)(a). 870  Dazu noch unten bei und nach Fn. 881. 871  Dazu bereits: B.III.7.b)iii)2)(a).

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nisses, den vertragsgemäßen Zustand für den Käufer unentgeltlich und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten herbeizuführen, sondern auch sachlich zu begründen.872

Dazu passt, dass der EuGH zugleich eine Ausnahme von dem generellen Verbot, den Käufer im Zusammenhang mit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes finanziellen Forderungen auszusetzen, zugelassen und damit auf die Grenzen der Unentgeltlichkeitsgarantie hingewiesen hat: Um zu vermeiden, dass der Verkäufer die Ersatzlieferung als die einzig mögliche Form der Nacherfüllung verweigern darf, wenn und weil sie den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des ersatzweise zu liefernden vertragsgemäßen Verbrauchsguts umfasst und infolgedessen einen unverhältnismäßig hohen (Kosten-)Aufwand erfordert,873 soll der Verkäufer zur Vornahme der Ersatzlieferung nämlich nur dann verpflichtet sein, wenn der Käufer die Kosten der Nacherfüllung insoweit trägt, wie sie die Grenze der Verhältnismäßigkeit überschreiten, bzw. wenn er sich insoweit zur Kostenerstattung bereit erklärt. Ausdrücklich heißt es in dem Urteil des EuGH, dass Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie es nicht ausschließe, „dass der Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung der Kosten[874] für den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts, falls erforderlich, auf einen Betrag beschränkt wird, der dem Wert, den das Verbrauchsgut hätte, wenn es vertragsgemäß wäre, und der Bedeutung der Vertragswidrigkeit angemessen ist. Eine solche Beschränkung lässt das Recht des Verbrauchers, Ersatzlieferung für das vertragswidrige Verbrauchsgut zu verlangen, nämlich unberührt“.875

Dies dient der Stärkung des Vorrangs der Naturalerfüllung im Interesse des (Verbraucher-)Käufers. Er muss auch in solchen Fällen, in denen die Herstellung des 872 

Dazu oben bei und nach Fn. 849. die „Möglichkeit …, die Ersatzlieferung zu verweigern, wenn sich diese Abhilfe als unverhältnismäßig erweist, weil sie ihm unzumutbare Kosten verursachen würde“, hatte der EuGH in der Quelle-Entscheidung ausdrücklich hingewiesen, Slg 2008, I-2685 – Quelle AG (= NJW 2008, 1433), Rn. 42. 874  Nach dem Urteil des EuGH hat der Verkäufer die Wahl, die notwendigen Aus- und Einbauarbeiten selbst vorzunehmen (mit Kostenbeteiligung des Käufers) oder dem Käufer die hierzu erforderlichen Kosten, soweit sie angemessen sind, zu erstatten, damit dieser die Arbeiten vornehmen kann. Dem Käufer steht es dagegen nicht zu, den Verkäufer wahlweise auf Geldzahlung in Anspruch zu nehmen, wenn dieser zur Nacherfüllung in natura bereit ist (BGH, Urt. v. 21.12.2011, Az. VIII ZR 70/08, Rn. 27 = NJW 2012, 1073 (1076)). Wenn der Verkäufer das eine wie das andere verweigert, kann der Käufer allerdings im Rahmen des Schadenersatzes statt der Leistung Ersatz der Mangelbeseitigungskosten in Höhe des noch angemessenen Betrages verlangen. Das ist bedenklich. Denn was der Käufer als Primärleistung (in natura) nicht verlangen kann, dass schuldet ihm der Verkäufer auch nicht statt der Leistung im Rahmen des Schadenersatzes. Es ist einer richtlinienkonformen Auslegung geschuldet und gilt daher weder für Werkverträge (BGH Urt. v. 11.10.2012, Az. VII ZR 179/11, Rn. 12 = NJW 2013, 370 (371 f.)) noch für Kaufverträge, die keinen Verbrauchsgüterkauf zum Gegenstand haben (BGH Urt. v. 04.04.2014 – V ZR 275/12, Rn. 34, 37). Insoweit ist der (kleine) Schadenersatz statt der Leistung auf den mangelbedingten Minderwert beschränkt, wenn der Werkunternehmer/Verkäufer die Nacherfüllung berechtigterweise verweigert, weil die hierfür erforderlichen Kosten unverhältnismäßig hoch sind (kein Ersatz der Mängelbeseitigungskosten). 875  EuGH Slg. 2011, I-5257 (= NJW 2011, 2269 ff.), Rn. 74. 873  Auf



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vertragsgemäßen Zustandes nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist, nicht auf die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes verzichten (und sich mit Minderung oder Rücktritt begnügen), wenn er bereit ist, einen Teil der Kosten selbst zu tragen. Diese Vorgaben des EuGH hat der BGH876 wie folgt umgesetzt: Wenn der Käufer keinen Zuschuss zu den Kosten leiste und sich auch nicht verbindlich bereit erkläre, dem Verkäufer einen Kostenanteil nachträglich zu erstatten, sei der Verkäufer berechtigt, den Ausbau der mangelhaften Sache auf eigene Rechnung zu verweigern und den Käufer darauf zu verweisen, den Ausbau selbst vorzunehmen und dafür von ihm die Erstattung eines angemessenen Kostenbetrags zu verlangen.877 In jedem Fall sei der Käufer gemäß § 440 S. 1, 3. Var. berechtigt, den Kaufpreis zu mindern oder, sofern die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts vorliegen, vom Kaufvertrag zurückzutreten, ohne dass der Verkäufer dies durch Nacherfüllung abwenden könne, weil dem Käufer die Nacherfüllung dann nicht zumutbar sei, wenn sie zu einer Kostenbeteiligung führte, mit der er nicht einverstanden ist.878 Für den Fall, dass der Käufer den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts selbst vornimmt, hat der BGH übrigens aus den Ausführungen des EuGH zur „Unentgeltlichkeitsgarantie“ in der QuelleEntscheidung gefolgert, dass der Käufer einen Anspruch auf Vorschuss der erforderlichen Kosten gegen den Verkäufer habe,879 wie ihn das Gericht kurz zuvor bereits mit Blick auf die Kosten zur Verbringung der mangelhaften Sache an den Leistungsort der Nachbesserung anerkannt hatte880.

Dieser Gedanken lässt sich auch zur Rechtfertigung einer Beteiligung des Käufers an den Nachbesserungskosten in solchen Fällen, in denen der Käufer für eine Verschlimmerung des Mangels oder sonst für eine Erhöhung des Nachbesserungsaufwandes verantwortlich ist und es dem Verkäufer deshalb nicht zugemutet werden kann, den vertragsgemäßen Zustand in vollem Umfang auf eigene Kosten herzustellen,881 heranziehen. Auch hierbei muss der Käufer nicht unbedingt auf die Nachbesserung verzichten. Der Verkäufer muss diese aber nur dann erbringen, wenn der Käufer einen seinem Verantwortungsbeitrag entsprechenden Kostenanteil zu tragen bereit ist.882 Auch aus Art. 2 Abs. 3, 3. Var. der Richtlinie, wonach dann keine die Mängelrechte des Käufers begründende Vertragswidrigkeit der Ware vorliegt, „wenn die Vertragswidrigkeit auf den vom Verbraucher gelieferten Stoff zurückzuführen ist“, kann abgeleitet werden, dass die vom Käufer zu verantwortende Verschlimmerung des Mangels oder sonstige Erschwerung der Nachbesserung die Pflicht des Verkäufers zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes beschränkt.883 876 

Urt. v. 21.12.2011, Az. VIII ZR 70/08 (= NJW 2012, 1073–1080). BGH NJW 2012, 1073 (1079 Rn. 53). 878  BGH NJW 2012, 1073 (1079 Rn. 48). 879  BGH NJW 2012, 1073 (1079 Rn. 49 f.). 880  Urt. v. 13.04.2011, Az. VIII ZR 220/10 (= NJW 2011, 2278 (2281 Rn. 37)). 881  Vgl. dazu bereits bei Fn. 870. 882  Andernfalls steht es dem Käufer frei, den Kaufpreis zu mindern oder vom Vertrag zurückzutreten. Es ist also nicht so, dass er „zahlen“ müsste, weil er andernfalls überhaupt keine Mängelrechte geltend machen könnte. Nur der Aufwand des Verkäufers ist auf ein – in Anbetracht des Verantwortungsbeitrages des Käufers – angemessenes Maß beschränkt. 883  Es ist allerdings (insbesondere mit Blick auf die Richtlinienkonformität des § 323 Abs. 6 877 

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

iv)  Zwischenergebnis zu den Richtlinienvorgaben für die Reichweite der Nachbesserung Es lässt sich weder unmittelbar aus der Richtlinie noch aus der verbraucherfreundlichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs herleiten, dass der Verbraucherschutz es erforderte, dem Verkäufer in jedem Fall der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes – wie bei der Ersatzlieferung im BGB884 – das Risiko jeglicher Verschlechterung des gelieferten vertragswidrigen Verbrauchsguts aufzuladen und ihn zur Versetzung des Verbrauchsguts in seinen „Neuzustand“ zu verpflichten.

c) Zwischenergebnis Weder die Dogmatik der Nacherfüllung noch der Schutzzweck der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gebieten es, die Nachbesserung der Ersatzlieferung in der Weise anzupassen, dass der Verkäufer die mangelhafte Sache in jeder Hinsicht in den „Neuzustand“ (zurück-)versetzen müsste, den sie im Zeitpunkt ihrer Lieferung hätte haben müssen. Der Verkäufer hat im Rahmen der Nachbesserung die Leistungsgefahr also nicht in einem umfassenden Sinne zu tragen, so dass er auch nach der Entgegennahme der mangelhaften Sache durch den Käufer noch jede an dieser Sache aufgetretene Zufallsverschlechterung beseitigen müsste. Das heißt aber nicht, dass er keinesfalls zur Beseitigung späterer Zufallsverschlechterungen belastet wäre.

d)  Fallgruppen der Erstreckung der Nachbesserung auf nach der Entgegennahme der mangelhaften Sache an derselben auftretende Verschlechterungen Die Abgrenzung solcher nachträglicher, d. h. nach der Entgegennahme des mangelhaften Stücks an diesem aufgetretenen Verschlechterungen, die – ohne Rücksicht auf ein haftungsrechtliches Vertreten-müssen – vom Verkäufer durch Nachbesserung zu beseitigen sind (und die sonst negativ auf die Kaufpreisschuld wirken, indem sie den Käufer zur Minderung oder zum Rücktritt berechtigen), von jenen, die sowohl die Leistungspflicht des Verkäufers als auch seinen Anspruch auf den Kaufpreis unberührt lassen, ist Gegenstand dieses Abschnitts. Nach den bisherigen Erkenntnissen dieser Arbeit hat die Entgegennahme des angedienten mangelhaften Stücks durch den Käufer mit Blick auf die Risikoverteilung vor Alt. 1) umstritten, ob daraus, dass dem Käufer wegen der Vertragswidrigkeit keine Rechte zustehen sollen, wenn die Vertragswidrigkeit auf einem vom Käufer bereitgestellten Stoff beruht, der Schluss gezogen werden darf, dass die Rechte auch und erst recht dann ausgeschlossen sind, wenn der Käufer unmittelbar für den Mangel verantwortlich ist, so Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 437 Rn. 40; zust. Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 437 Rn. 14. A. A. Gsell JZ 2001, 65 (70); zust. Hoffmann ZRP 2001, 347 (350). 884  Dazu oben: B.III.2.b)ii) und B.III.6.



7. Nachbesserungsgefahr

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allem zwei Wirkungen, die folgende Leitlinien für die Bestimmung des Umfangs der Nachbesserung nahelegen: Erstens gehört das entgegengenommene Stück zumindest im Verhältnis zum Verkäufer nach seiner Entgegennahme dem Käufer, und zwar auch dann, wenn das Eigentum noch nicht übergegangen und/oder wenn das Stück nicht vertragsgemäß beschaffen ist. Wenn der Käufer es behält, kann er sich wegen solcher Sachschäden (Verschlechterung und Untergang), die das Stück nach der Entgegennahme allein als Bestandteil seines Vermögens (und nicht mehr als Gegenstand der Verkäuferleistung) betreffen, nicht mehr an den Verkäufer halten. Solche Sachschäden beeinträchtigen nicht (mehr) sein Äquivalenzinteresse, sondern nur (noch) das Integritätsinteresse. Der Verkäufer hat solche Sachbeeinträchtigungen daher nicht (verschuldensunabhängig) allein aufgrund seines Leistungsversprechens auszugleichen, sondern nur bei Hinzutreten eines zusätzlichen Zurechnungsgrundes (Vertreten-müssen) für sie einzustehen. Ob der Käufer das entgegen genommene Stück behalten „muss“, hängt allerdings davon ab, ob er gem. §§ 434, 437 ff. zur nachträglichen Zurückweisung berechtigt ist – durch Ersatzlieferung, Rücktritt oder „großen“ Schadenersatz statt der Leistung.885 Dies wiederum hängt dann, wenn es sich um einen (erheblichen) behebbaren Mangel handelt und eine Ersatzlieferung ausscheidet oder der Käufer statt der Ersatzlieferung die Nachbesserung wählt, davon ab, ob es dem Verkäufer gelingt, die geschuldete Leistung mit und an dem gelieferten Stück zu bewirken. Die Erfüllungspflicht des Verkäufers besteht zwar in vollem Umfang fort, weil er durch die Lieferung einer mangelhaften Sache (die Erbringung einer mangelhaften Leistung) die ihm obliegende Leistung nicht, auch nicht anteilig bewirken kann. Durch die Entgegennahme des mangelhaften Stücks hat der Käufer aber – das ist die zweite Wirkung der Entgegennahme mit Blick auf die Risikoverteilung – dieses bis auf weiteres als Objekt der Erfüllung zugelassen und es in den Leistungsaustausch eingegliedert. Er akzeptiert es als „Anleistung“ des Verkäufers und dem Verkäufer ist es deshalb gestattet, den bereits begonnenen Erfüllungsvorgang fortzusetzen, indem er mit der Nacherfüllung auf seinen Leistungsversuch aufbaut886. Gegenstand seiner Restleistung ist die „Beseitigung des Mangels“ (§ 439 Abs. 1 Alt. 1), und Gegenstand dieses Abschnitts ist es, herauszufinden, was damit gemeint ist (und was nicht). Dabei versteht sich von selbst, dass der Verkäufer jedenfalls das Qualitätsdefizit des angedienten Stücks zu beseitigen hat, das der Erfüllung bzw. dem (vollumfänglichen) Gefahrübergang bei der Entgegennahme entgegengestanden hat. Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen negative Sachbeeinträchtigungen, die erst nach der Entgegennahme der mangelhaften Sache an derselben auftreten, die Sache 885 

Insoweit hat sich zur alten Rechtslage nichts geändert – abgesehen davon, dass das Gesetz mit einer Ersatzlieferung nicht mehr ausschließlich beim Gattungskauf rechnet. 886  Im Gegensatz zur Ersatzlieferung, bei der er zu einem komplett neuen Erfüllungsvorgang unter Einsatz eines anderen Stücks kommt.

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

noch als Leistungsobjekt (und nicht nur als Bestandteil des Käufervermögens) betreffen und also die Leistungssubstanz beeinträchtigen, so dass der Verkäufer sie noch auf der Grundlage seines Leistungsversprechens (verschuldensunabhängig) auszugleichen hat. Auch wenn der Erwerb der konkreten Sache abgeschlossen ist, steht der Erwerb des geschuldeten Leistungsgegenstandes immerhin noch aus. Fraglich ist mit anderen Worten, inwieweit der Verkäufer über den Zeitpunkt der Entgegennahme des angedienten mangelhaften Stücks durch den Käufer hinaus mit der Nachbesserungsgefahr belastet bleibt. Zur Annäherung an die Antwort werden im Folgenden die Fallgruppen untersucht, die in der Literatur unter der Fragestellung diskutiert werden, ob und inwieweit die Nachbesserung ausnahmsweise über die Beseitigung des (eigentlichen) Mangels hinaus auch auf (Folge-) Schäden, die nach der Lieferung an der Kaufsache auftreten, zu erstrecken sei.

i)  Intensivierung/Verschlimmerung des Ursprungsmangels Nach wohl allgemeiner Ansicht schuldet der Verkäufer auch insoweit Nachbesserung, wie sich „der“ Mangel seit der Lieferung verschlimmert hat.887 Stodolkowitz nennt das Beispiel des unerkannten Lackschadens, „der nach Gefahrübergang eine Durchrostung des Blechs zur Folge hat“.888 Der Verkäufer müsse hier nicht nur nachlackieren, sondern das Blech austauschen.

1)  Reichweite der Ersatzlieferung und Wortlaut der Verbrauchsgüter­kaufrichtlinie nicht maßgebend Dass dieses Ergebnis sich „mit den Rechtsfolgen der Ersatzlieferungswahl, bei der das Risiko der durch einen Mangel verursachten Verschlechterung und des Untergangs der gelieferten Sache dem Käufer zugewiesen ist“, deckt,889 ist nach den bisherigen Erkenntnissen dieser Arbeit offensichtlich nicht ausschlaggebend. Es geht nicht um eine Gleichstellung der Risikoverteilung bei Ersatzlieferung und Nachbesserung.890 Denn zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung bestehen 887  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 68–70, 81–86.; Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 110; Stodolkowitz JA 2010, 492 (494); Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 35–37; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 439 Rn. 12; Faust in: Beck-OK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 15 (m. w. N.); wohl auch Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 ff. und ders./Utlu Jura 2009, 721 (727) unter der Voraussetzung der „Stoffgleichheit“ der nachträglichen Verschlechterung mit dem Ursprungsmangel. 888  Stodolkowitz JA 2010, 492 (494). Wenig anschaulich ist dagegen das von Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 110 genannte Beispiel, dass „eine Uhr anfangs nur zwischenzeitlich, nunmehr dagegen auf Dauer stehen bleibt“. Denn es ist nicht ersichtlich, dass Inhalt und Umfang der Nachbesserungspflicht sich in diesen beiden Fällen überhaupt voneinander unterscheiden würden. 889  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 82. 890  A. A. Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 15: Es sei wenig überzeugend, „die Verteilung mangelbedingter Risiken davon abhängig zu machen, für welche Art der Nacherfüllung sich der Käufer entscheidet“.



7. Nachbesserungsgefahr

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sachlich begründete Unterschiede mit Blick auf den Leistungsumfang und die Auswirkungen einer zufälligen Beschädigung der vom Käufer empfangenen mangelhaften Sache, und allein aus den insoweit maßgebenden Sachgründen ist zu erschließen, ob und inwieweit der Verkäufer über den Zeitpunkt der Lieferung hinaus das Verschlechterungsrisiko – die Nachbesserungsgefahr – trägt. Auch dass der Verkäufer die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes schulde und davon nur die Rede sein könne, wenn die mangelhafte Sache den Zustand erlangt, den sie bereits bei der Lieferung hätte haben müssen,891 ist nicht entscheidend.892 Denn dieses Argument legt nicht offen, warum der Verkäufer solche Verschlechterungen der gelieferten Sache, die mit dem Mangel nichts zu tun haben, im Rahmen der Nachbesserung durchaus nicht beseitigen muss.893 Auch diese Verschlechterungen hätte die Sache im Zeitpunkt ihrer Lieferung ja nicht haben dürfen. Im Übrigen bezieht auch die Richtlinie, deren Vorgabe der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes der Pflicht, den Mangel zu beseitigen (§ 439 Abs. 1 Alt. 1), gegenübergestellt wird,894 die Haftung des Verkäufers für die Vertragswidrigkeit der Ware auf einen bestimmten Zeitpunkt, namentlich den Zeitpunkt der Lieferung.895 „Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes“ bedeutet deshalb nicht schlechthin „Versetzung der mangelhaften Sache in den Neu- bzw. Lieferzustand“.

2)  Ob „Mangelidentität“ anzunehmen ist, ist stets eine Wertungsfrage In den Fällen der Mangelintensivierung/-verschlimmerung lässt sich der „Ursprungsmangel“ bzw. der Mangel in seiner ursprünglichen Form aus tatsächlichen Gründen regelmäßig nicht mehr isoliert beheben.896 Um im Beispiel zu bleiben: Der kleine Lackschaden kann nicht – zumindest nicht effektiv – durch eine Neulackierung beseitigt werden, wenn das zu lackierende Blech mittlerweile völlig durchgerostet ist. Allein daraus folgt aber nicht zwingend, dass der Verkäufer das gesamte Blech austauschen muss. Denkbar erscheint es nämlich auch, daraus den Schluss zu ziehen, dass die Nachbesserung unmöglich ist oder dass der Käufer sich an den Kosten beteiligen muss, soweit durch die „überschießende Nachbesserung“ zwangsläufig Schäden mitbehoben werden, die der Verkäufer für sich allein genommen nicht beseitigen müsste897. 891  Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 36; Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 110. 892  Dazu bereits: B.III.7.a)iii). 893  Zur Behandlung der vom Mangel unabhängigen Schäden im Rahmen der Nachbesserung: B.III.7.d)iii). 894 So Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 41 zur Behandlung der Weiterfresserschäden an der Kaufsache infolge eines Sachmangels. 895  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 81. 896  Tiedtke/Schmitt DStR 2004, 2060 (2062); Reinicke/Tiedtke (2009) – KaufR, Rn. 441. 897  So etwa Reinking DAR 2002, 15 (19) für den Fall, dass im Zuge der Nachbesserung

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

Diese Erwägung macht deutlich, dass auch in den unstreitigen Fällen der späteren Intensivierung oder Verschlimmerung des bereits bei der Annahme vorhandenen Mangels die Bezogenheit der Nachbesserungspflicht auch auf die „Erweiterung“ des Mangels eigentlich nicht auf einer natürlichen Betrachtungsweise beruht, sondern das Ergebnis eines Wertungsvorgangs ist. Wenn es heißt, in den Fällen der Mangelidentität habe der ursprüngliche Mangel lediglich eine „schlimmere“ Form angenommen,898 handelt es sich deshalb nicht um einen technischen Befund, sondern um eine am Zweck der Nacherfüllung orientierte Zurechnung. Deutlicher kann man dies so formulieren, dass der Mangelunwert immer noch derselbe ist, wenn und weil der Mangel lediglich das von Anfang an vorhandene Potential seiner Verschlimmerung entfaltet hat.899 Entscheidend ist also, dass die weitere Verschlechterung noch als Verletzung der Leistungspflicht, deretwegen der Verkäufer an der Erfüllung seiner Leistungspflicht festgehalten wird, anzusehen ist. So verstanden steht die Reichweite der Nachbesserung im Einklang nicht nur mit Sinn und Zweck, sondern auch mit dem Wortlaut des § 439 Abs. 1 Alt. 1 (Beseitigung des Mangels).900 Der Nachbesserungsaufwand des Verkäufers ist selbstverständlich auch in den Fällen der nachträglichen Mangelintensivierung/-verschlimmerung durch § 439 Abs. 3 begrenzt. Soweit bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit auch die „Bedeutung des Mangels“ zu berücksichtigen ist, geht es freilich um den Mangel in seiner „verschlimmerten“ Form. Diese Form des Mangels ist ggf. auch für die Kaufpreisminderung maßgebend, wenn der Verkäufer die Nachbesserung verweigert und der Käufer nicht auf die Ersatzlieferung ausweichen kann, weil diese vertraglich nicht vorgesehen ist.

ii)  Weiterfressender Mangel (auch: „additiv entstandener Mangel“901) Diese Erkenntnis ist möglicherweise hilfreich dabei, auch solche Schäden, die durch einen bei der Entgegennahme der mangelhaften Sache vorliegenden Defekt später an einem anderen, funktional abgrenzbaren Teil derselben Sache verursacht werden, sachgerecht einzuordnen. Deren Behandlung ist nämlich umstritten. zwangsläufig ein Schaden mitbehoben wird, den der Käufer verursacht hat („Beispiel: Austausch einer mangelhaften Antriebswelle mit einer Unwucht, die der Käufer verursacht hat“). 898 Vgl. Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 36; Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 110. 899  A. A. Stodolkowitz JA 2010, 492 (494) zu dem o. g. Bsp. Sofern der Verkäufer zum Austausch des Blechs verpflichtet sei, gehe die Nachbesserung „über den ursprünglichen Mangelunwert hinaus“. Dies müsse aber so sein, weil der ursprünglich vorhandene Lackschaden nicht effektiv entfernt werden könnte (etwa durch Nachlackieren), ohne die Durchrostung des Blechs zu beseitigen. Dies meint wohl auch Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 ff. und ders./Utlu Jura 2009, 721 (727) mit dem Kriterium der „Stoffgleichheit“. Diese sei insbesondere anzunehmen, „wenn der Grundmangel nicht bzw. nicht mit verhältnismäßigen Mitteln beseitigt werden kann, die spätere Verschlechterung also zwangsläufig bedingt“. 900  Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 36 und, ihr folgend, Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 110: (auch) der Wortlaut des § 439 Abs. 1 Alt. 1 deute in diese Richtung. 901  Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 111.



7. Nachbesserungsgefahr

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Bereits die abstrakte und wertfreie Beschreibung der Frage, die diese Fallgruppe aufwirft, ist schwierig. Denn wenn man sagt, es gehe darum, ob Schäden an der Kaufsache, die durch den Mangel verursacht werden, noch von der Nacherfüllungspflicht umfasst sind, setzt dies begrifflich voraus, dass solche Schäden nicht als Mangel anzusehen sind. Beschreibt man die Situation (in Abgrenzung zu den soeben behandelten Fällen der „Mangelintensivierung/-verschlimmerung“, bei der die spätere Verschlechterung bei natürlicher Betrachtung mit dem ursprünglichen Qualitätsdefizit identisch ist) so, dass der Weiterfresser-Schaden „nicht stoffgleich“ mit dem Ursprungsmangel sei,902 bedeutet dies zumindest nach dem herkömmlichen Verständnis von der Abgrenzung der Regelungsbereiche der „Nichterfüllungshaftung“ von der Haftung wegen Eigentumsverletzung, dass der Schaden nicht der „im Mangel verkörperten Entwertung der Sache für das Äquivalenz- und Nutzungsinteresse“903 zuzurechnen ist.904

Neutral formuliert lässt sich die Frage danach stellen, ob solche Schäden Bestandteil „des Mangels“ sind, dessen Beseitigung § 439 Abs. 1 Alt. 1 anordnet. Zur Veranschaulichung folgende Beispiele: „K kaufte bei Kfz-Händler V einen Pkw-Austauschmotor, den dieser von der Herstellerin D erworben hatte. Diese hatte die erforderliche stirnseitige Befestigungsschraube des Nockenwellensteuerrades nicht angebracht, so dass das Rad von der Nockenwelle heruntergerutscht war. Dies führte nach einiger Zeit zu einer erheblichen Beschädigung des Motors.“905

Oder: K erwirbt einen Autobus mit defektem Gaszug, dieser Defekt führt später zu einem Auffahrunfall und Schäden an der Frontpartie des Fahrzeugs.906

1)  Kompensation auch des Weiterfresser-Schadens an der gelieferten Sache durch Nachbesserung (Beeinträchtigung des Äquivalenzinteresses) Die herrschende Meinung befürwortet es, die Nachbesserungspflicht des Verkäufers auch auf solche Schäden zu beziehen.907 In der Begründung dieser (ver902 

So aber Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 87. BGH Urt. v. 18.01.1983, Az. VI ZR 310/79 = BGHZ 86, 256 (259) = NJW 1983, 810 (811). 904  Otto in: Staudinger (2009) – BGB, § 280 Rn. C-27; Schwarze in: Staudinger (2014) – BGB, § 280 C-38, E-20, § 281 Rn. C-10; Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2730 f.). Kritisch zur Fortgeltung dieses Verständnisses unten: B.III.7.d)ii)3)(c). 905  Tiedtke/Schmitt DStR 2004, 2060 (2062). 906  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 87. Weitere Beispiele: Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 111–113; Stodolkowitz JA 2010, 492 (494); Faust JuS 2008, 179 (180). 907  Oetker/Maultzsch (2013) – Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2.185, 284, 346; Tiedtke/Schmitt DStR 2004, 2060 (2062); Faust JuS 2008, 179 (180); ders. in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 437 Rn. 65, 146, § 439 Rn. 15; Skamel (2008)  – Nacherfüllung, S. 86 f.; Zwarg (2010)  – Nacherfüllung, S. 111–118 („additiv entstandener Mangel“); Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (498); ders. JA 2010, 492 (494); ders. ZGS 2010, 448 (448); Haedicke ZGS 2006, 55 (58 f.); Brors WM 2002, 1780 (1783 f.); Tettinger JZ 2006, 641 (644 ff.); Hesseler/ Kleinhenz JuS 2007, 706 (709 ff.); Reinicke/Tiedtke (2009) – KaufR, Rn. 441; Berger in: Jauernig (2014) – BGB, § 439 Rn. 20; Westermann in: MüKo (2012) – BGB; § 439 Rn. 9; Grunewald in: Erman (2014) – BGB, § 439 Rn. 3, 8; Cziupka/Kliebisch JuS 2008, 855 (855 f.); Beckmann in: Eckpfeiler (2014/15), S. 940, 961 (N. 82, N. 122); kritisch, aber i. E. zustimmend: Matusche903 

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

meintlichen) Erweiterung der Nachbesserungspflicht gehen die Ansichten allerdings auseinander: Manche ziehen vergleichend die Ersatzlieferung heran, bei welcher der Verkäufer schließlich auch eine in jeder Hinsicht vertragsgemäße Sache liefern müsse.908 In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die Nachbesserung immerhin gelegentlich durch eine „partielle Ersatzlieferung“ erfolge.909 Auch wird – hinsichtlich des Verbrauchsgüterkaufs – mit den Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie argumentiert, wonach der Verkäufer nicht lediglich die Beseitigung „des“ Mangels schulde (§ 439 Abs. 1 Alt. 1), sondern ausdrücklich den vertragsgemäßen Zustand herzustellen habe (Art. 3 Abs. 2 RL).910 Andere stellen eine Parallele zu der Fallgruppe der Verschlimmerung oder Ausdehnung des ursprünglichen Mangels (bei „Mangelidentität“)911 her: Wenn der ursprüngliche Mangel die Ursache für (andere) Schäden an der Kaufsache sei, liege auch darin wertungsmäßig eine Ausdehnung des ursprünglichen Mangels auf andere, bislang mangelfreie Teile der gelieferten Sache.912 Zum Teil wird dabei ausdrücklich betont, dass der Weiterfresser-Schaden an der Kaufsache „den ursprünglichen Mangelunwert übersteige“;913 gleichwohl müsse der Verkäufer ihn beseitigen, weil die Nachbesserungspflicht auf die „Beseitigung des ursprünglichen Mangelunwerts und seiner unmittelbaren Folgen“914 (an der mangelhaften Sache selbst) abziele. Es entspreche dem hohen Stellenwert der Nacherfüllung im neuen Schuldrecht, insoweit von einer Beeinträchtigung des vertraglichen Äquivalenzinteresses (und nicht lediglich des – auch deliktsrechtlich geschützten – Integritätsinteresses) ausBeckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 38–41; zur vergleichbaren Rechtslage nach dem ABGB m. w. N. Rabl (2002) – Gefahtragung, S. 251. 908  Grunewald in: Erman (2014) – BGB, §  439 Rn.  3; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 15 (unter Verweis auf § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 1); Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 439 Rn. 9; Hesseler/Kleinhenz JuS 2007, 706 (709); Tettinger JZ 2006, 641 (644 f.). 909  Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 113. 910  Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 41; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 15; Grunewald in: Erman (2014) – BGB, § 439 Rn. 3; Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 112; Beckmann in: Eckpfeiler (2014/15), S. 940 (N. 82); vgl. Haedicke ZGS 2006, 55 (58). 911  Dazu oben: B.III.7.d)i). 912  Stodolkowitz JA 2010, 492 (494); vgl. ders. ZGS 2009, 496 (498); ders. ZGS 2010, 448 (448); Tiedtke/Schmitt DStR 2004, 2060 (2062); Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 86 f. Dass das Risiko mangelbedingter Verschlechterungen nach der Ablieferung einer mangelhaften Sache beim Verkäufer verbleibe, leitet Skamel freilich zunächst im Zusammenhang mit der Behandlung der Intensivierung des Mangels aus § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 ab (a. a. O., S. 82–86) und kommt aufgrund dessen dazu, dass der Verkäufer „im selben Umfang wie bei der Intensivierung des Mangels“ auch „das Risiko der Ausdehnung des Mangels auf andere Teile der gelieferten Sache tragen“ müsse. 913  Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (498); ders. ZGS 2010, 448 (448); ders. JA 2010, 492 (495); vgl. auch Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 69 ff. 914  Stodolkowitz JA 2010, 492 (495), Hervorhebung d. Verf.



7. Nachbesserungsgefahr

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zugehen.915 Auch der mangelbedingte Weiterfresser-Schaden an der mangelhaften Sache gehöre noch zu dem Mangel(schaden), dessen Kompensierung Gegenstand des Nacherfüllungsanspruchs sei916. Er wird demnach im Ergebnis einer wertenden Betrachtung noch als Problem der Nichterfüllung des Kaufvertrages – primär als Gegenstand der Nacherfüllung, sekundär als Posten des Schadenersatzes statt der Leistung – und nicht wie die Beschädigung der außerhalb der eigentlichen Vertragserfüllung liegenden Rechtsgüter des Käufers – ausschließlich sekundär als Posten des „einfachen“ Schadenersatzes neben der Leistung bzw. deliktsrechtlich als Eigentumsverletzung – behandelt. Nach dieser Ansicht hat die hergebrachte Unterscheidung des Mangelschadens vom Mangelfolgeschaden bzw. der Verletzung des Äquivalenz- vom Integritätsinteresse des Käufers sich mit der Schuldrechtsreform also zumindest mit Blick auf mangelbedingte Schäden an der Kaufsache selbst917 erledigt. Das neue Recht biete vor allem deshalb Anlass und Möglichkeiten, diese Abgrenzungsschwierigkeiten zu überwinden, da es Ziel der Schuldrechtsreformkommission gewesen sei, der Kontroverse um die Abgrenzung von Mangelschaden und Mangelfolgeschaden ein Ende zu setzen918 und die aus dem Begriffspaar erwachsenen Unsicherheiten zu beseitigen.919 Die hergebrachte Terminologie könne nur noch zur Veranschaulichung dienen; Abgrenzungsfragen, die sich unter Geltung des neuen Schuldrechts stellen, vermöge sie nicht zu beantworten.920 Die Zwecke der Nacherfüllung921 sprächen dagegen, von dem Kriterium der Stoffgleichheit abhängig zu machen, ob der Käufer wegen der mangelbedingten weiteren Verschlechterung der Kaufsache (verschuldensunabhängig) Nacherfüllung und, falls diese ausbleibt und der Verkäufer sich nicht gem. § 280 Abs. 1 S. 2 exkulpieren kann, Schadenersatz statt der Leistung oder von vorneherein nur (vorbehaltlich der Exkulpation des Verkäufers) Schadenersatz neben der Leistung wegen Verletzung des (mangelfreien) Eigentums an der gelieferten Sache gem. § 280 Abs. 1 verlangen kann.922

Die Einbeziehung von Weiterfresser-Schäden an der Kaufsache in die Nacherfüllung soll allein davon abhängen, ob dadurch „die Zwecke der Nacherfüllung 915 

Stodolkowitz JA 2010, 492 (494); vgl. Cziupka/Kliebisch JuS 2008, 855 (855 f.). Tiedtke/Schmitt DStR 2004, 2060 (2062); Reinicke/Tiedtke (2009) – KaufR, Rn. 441. 917  Bei Schäden an anderen Sachen des Käufers ist die Anwendung der §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 dagegen „evident ausgeschlossen“, weil die Nacherfüllung sich allein auf den Erfüllungsgegenstand, die Kaufsache, beziehen kann: Otto in: Staudinger (2009) – BGB, § 280 Rn. C-27 a. E.; vgl. Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 17; Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 46; Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 118; Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 90–100; Beckmann in: Eckpfeiler (2014/15), S. 940, 961 (N. 82, N. 122). 918  Dazu auch Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 70–77, vgl. S. 94 f. 919  Hesseler/Kleinhenz JuS 2007, 706 (709). 920  Hesseler/Kleinhenz JuS 2007, 706 (709). 921  Aus Sicht des Verkäufers: das „Recht der zweiten Andienung“ als Abwendungsbefugnis gegenüber Minderung, Rücktritt und Schadenersatz statt der Leistung und damit als Chance, sich den (ungeschmälerten) Kaufpreis zu verdienen; aus Sicht des Käufers: Stärkung des Anspruchs auf die Naturalerfüllung. 922  Tettinger JZ 2006, 641 (644 ff.); Stodolkowitz JA 2010, 492 (494); Hesseler/Kleinhenz JuS 2007, 706 (710). 916 

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

zwischen den Parteien erreicht werden können“923. Weil eine gedachte Nacherfüllung (durch Beseitigung des Ursprungs- und des Folgemangels) im letztmöglichen Zeitpunkt zu einer vollständigen Beseitigung des eingetretenen Schadens führen würde,924 soll der Käufer dem Verkäufer eine Frist zur Beseitigung (auch) des „Folgemangels“ setzen müssen, bevor er (bei Vertreten-müssen) Schadenersatz statt der Leistung verlangen kann.925 Schließlich wird  – und dies ist nichts anderes als die „Übersetzung“ der Abgrenzung zwischen Nichterfüllung (Nichterfüllungs-/Mangelschaden) und (sonstiger) Schädigung des Käufers (Eigentumsverletzung/Mangelfolgeschaden) in die Pflichtverletzungsdogmatik des „neuen“ Schuldrechts – noch der „Pflichtwidrigkeitszusammenhang“926 zwischen dem Ursprungsmangel und dem WeiterfresserSchaden an der Kaufsache betont. Der „Weiterfresser-Schaden“ sei immerhin auf eine (mindestens objektive) Pflichtverletzung des Verkäufers zurückzuführen; weil der Verkäufer insoweit jedoch keinen Schadenersatz schulde, wenn er den ursprünglichen Mangel nicht zu vertreten habe, müsse seine Pflichtwidrigkeit durch den Nachbesserungsanspruch aufgefangen werden.927 Der Verkäufer trage insoweit die Verantwortung, und zwar selbst dann, wenn er sich nach § 280 Abs. 1 S. 2 exkulpieren könne.928 923 

Oechsler NJW 2004, 1825 (1830). 924  Allgemein dazu: Ernst in: MüKo (2012) –

BGB, § 280 Rn. 66; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 437 Rn. 56; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 437 Rn. 32; Otto in: Staudinger (2009) – BGB, § 280 Rn. E-7, E-24 ff.; Schwarze in: Staudinger (2013) – BGB, § 280 Rn.  E-3 ff., E-15 ff.; Unberath in: BeckOK (Stand: 01.03.2011) – BGB, § 280 Rn. 27 f.; Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 75; vgl. Tettinger JZ 2006, 641 (649). 925 Vgl. Hesseler/Kleinhenz JuS 2007, 706 (709 f.); Cziupka/Kliebisch JuS 2008, 855 (855). 926  Cziupka/Kliebisch JuS 2008, 855 (855 f.). 927 Vgl. Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 15 und Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 113. – Auch der EuGH ist in seiner Rechtsprechung zu Inhalt und Umfang der Verpflichtung des Verkäufers zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes möglicherweise dadurch motiviert, durch diese Verpflichtung auch Aspekte des Schadenersatzes aufzufangen (die in der Richtlinie nicht geregelt sind). Dazu: B.III.7.b)ii) und: B.III.7.b)iii)2)(c). 928  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (223 f.) zur vertragsrechtlichen Bewältigung des Weiterfresserschadens“. Unklar ist, welche Folgen Ernst daraus zieht. Er meint, wegen der Verantwortlichkeit des Verkäufers gehe es nicht um eine Frage der Gefahr­tragung (keine zufällige Sachverschlechterung). Deshalb könne der Verkäufer sich „auf den herbeigeführten Gefahrübergang nicht berufen“. Auf Schadenersatz hafte er aber nur, wenn er sich nicht gem. § 280 Abs. 1 S. 2 exkulpieren könne. Der Käufer sei, „um die Kaufpreisverpflichtung abzuwehren, nicht darauf angewiesen, zurückzutreten (…)“, sondern könne „auch jedes andere Käuferrecht wählen und gleichwohl den eingetretenen Schaden von sich abwälzen, indem er hierfür Schadenersatz beansprucht; §[§] 280, 281 BGB (Entlastungsbeweis vorbehalten)“. Der Verweis auf die Anspruchsgrundlage für den Schadenersatz statt der Leistung lässt vermuten, dass auch Ernst davon ausgeht, dass der Verkäufer bezüglich des „Weiterfresser-Schadens“ vorrangig (verschuldensunabhängig) Nachbesserung schulde. Allerdings wird das Problem a. a. O. nur im Zusammenhang der Preisgefahr erörtert („um die Kaufpreisverpflichtung abzuwehren“). Im Gesamtzusammenhang mit Ernsts Ausführungen kann man annehmen, dass die Gewährleistung für den mangelbedingten Weiterfresser-Schaden nicht „kraft Gefahr­tragung“, sondern aufgrund eines eigenständigen Haftungsgrundes erfolgt. Diesen sieht Ernst offenbar in der „Verantwortlichkeit“ des Verkäufers,



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2)  Weiterfresser-Schaden nur (bei Vertreten-müssen) im Wege des Schadenersatzes neben der Leistung zu ersetzen (Beeinträchtigung des Integritätsinteresses) Nach Ansicht Schollmeyers ist an dem Kriterium der Stoffgleichheit festzuhalten, um die Verletzung des Äquivalenzinteresses des Käufers, die der Verkäufer durch Nachbesserung zu beheben hat und für die er sonst (bei Vertreten-müssen) statt der Leistung auf Schadenersatz haftet, von einer Verletzung des Integritätsinteresses, für die der Verkäufer (bei Vertreten-müssen) ohne weiteres neben der Leistung haftet, zu unterscheiden.929 Dementsprechend sei eine beim Käufer aufgetretene Verschlechterung der mangelhaften Sache nur dann Gegenstand der Nachbesserung, wenn sie mit dem „ursprünglichen Mangelunwert“ stoffgleich sei. Dies sei insbesondere dann anzunehmen, „wenn der Grundmangel nicht bzw. nicht mit verhältnismäßigen Mitteln beseitigt werden kann, die spätere Verschlechterung also zwangsläufig bedingt“.930 D. h. soweit der mangelhafte Teil nicht (mit verhältnismäßigem Aufwand) von der restlichen (insoweit mangelfreien) Sache zu isolieren ist, ist die Sache von vorneherein insgesamt mit dem Sachmangel infiziert, „so dass man den mangelbedingten weitergehenden Schaden als bereits latent im ursprünglichen Mangel angelegt und daher in diesem bereits mitenthalten ansehen kann“931. Schollmeyer ist der Meinung, nur unter diesen engen Voraussetzungen könne (auch) der später eingetretene Schaden noch als Sachmangel, der gem. § 434 Abs. 1 S. 1 bereits im Zeitpunkt der Übergabe vorliegen müsse, erfasst werden; andern-

die zwischen Zufall (Gefahr­tragung) und Vertreten-müssen (Schadenersatz) angesiedelt ist und (lediglich) die Sachmängelrechte des Käufers auslöst. Zu diesen zählt aber auch – und zwar mit Vorrang vor der anderen Mängelrechten – der Anspruch auf Nacherfüllung. Dazu sogleich mehr: B.III.7.d)ii)3)(c)(iii) (bei und nach Fn. 966) sowie: B.III.8.i) (bei und in Fn. 1095). 929  Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 ff.; ders. NJW 2009, 2724; ders./Utlu Jura 2009, 721 (727). 930  Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2730); ders./Utlu Jura 2009, 721 (727). Gemeint ist damit offenbar, dass der „Grundmangel“ sich nicht bzw. nicht mit verhältnismäßigen Mitteln von dem übrigen, später von dem Weiterfresser-Schaden betroffenen Teil der Kaufsache trennen und also beseitigen lasse, so dass „bei wirtschaftlicher Betrachtung … die tatsächlich erst später eingetretene Verschlechterung der Kaufsache schon bei Eigentumswerb bzw. – aus Sicht des Kaufrechts – bei Gefahrübergang vor[lag]“ (vgl. das Bsp. „Bodenkontamination“). Vgl. auch den BGH im „Gaszug“-Fall, BGH, Urt. v. 18.01.1983, Az. VI ZR 310/79, BGHZ 86, 256 (262): „Die Frage, ob ‚Stoffgleichheit‘ zwischen dem geltend gemachten Schaden und dem von Anfang an der Sache anhaftenden Mangelunwert besteht, kann vielfach schon durch eine natürliche bzw. wirtschaftliche Betrachtungsweise beantwortet werden (…). Diese Frage muß danach z. B. in den Fällen bejaht werden, in denen das mit dem Fehler behaftete Einzelteil mit der Gesamtsache bzw. dem später beschädigten (zunächst aber einwandfreien) anderen Teil zu einer nur unter Inkaufnahme von erheblichen Beschädigungen trennbaren Einheit verbunden ist (…), sowie in den Fällen, in denen der Mangel nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise behoben werden kann (…)“. 931  Näher zu der Bedeutung des Kriteriums der Stoffgleichheit in diesem Zusammenhang: Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 40 (i. E. ablehnend).

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falls sei allein das Integritätsinteresse des Käufers betroffen und kein (weiterer) Sachmangel gegeben932 Die Gefahr­tragung gem. §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 sei eine Ausnahme, die auf spezifisch rücktrittsrechtlichen Wertungen beruhe. Sie sei im Rahmen der Ersatzlieferung sachgerecht, weil es dabei zur Rückabwicklung der mangelhaften Sachleistung komme, jedoch nicht auf die Nachbesserung zu übertragen.933 Insofern gelte der Grundsatz der §§ 434, 446, dass jegliches Verschlechterungsrisiko ab der Übergabe allein dem Käufer zugewiesen sei.934

3) Stellungnahme Die Kritik an den zur Begründung der herrschenden Meinung vorgebrachten Argumenten ist zum Teil zutreffend. Im Ergebnis überzeugt es gleichwohl, dass der Verkäufer auch solche Schäden an der Kaufsache, die eine Folge des ursprünglichen Sachmangels sind, durch Nachbesserung beseitigen muss.

(a)  Vergleich zur Ersatzlieferung und Verweis auf den Wortlaut der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie helfen (auch hier) nicht weiter Die Erstreckung der Nachbesserungspflicht auf Weiterfresser-Schäden an der gelieferten mangelhaften Sache ist nicht durch einen Vergleich mit der Ersatzlieferung zu begründen.935 Denn die Unterschiede, die zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung im Leistungsumfang und in der Behandlung der Folgen der Verschlechterung des (zuerst gelieferten) mangelhaften Stücks bestehen, sind aus dogmatischen Gründen gerechtfertigt.936 Davon abgesehen würde solch eine Angleichung wiederum eine Erklärung dafür erfordern, dass der Verkäufer nicht auch Schäden an der Kaufsache, die mit dem Ursprungsmangel in keinem Zusammenhang stehen, durch Nachbesserung zu beseitigen hat.937 Immerhin werden bei der Ersatzlieferung im praktischen Ergebnis auch solche Schäden beseitigt. Auch das Argument, dass die in der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vorgesehene Verpflichtung des Verkäufers zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes  – wie auch an dem unterschiedlichen Wortlaut deutlich werde – über die Nachbesserungspflicht nach § 439 Abs. 1 Alt.  1 hinausgehe und allein deshalb jedenfalls bei einem Verbrauchsgüterkauf auch der Weiterfresser-Schaden an der Kaufsache durch Nachbesserung beseitigt werden müsse, überzeugt nicht. Denn es beruht auf 932 

Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2732). Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2733–2736). 934  Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2732). 935  Kritisch zu diesem Argument auch Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 40. 936  Ausführlich dazu: B.III.7.a). 937 Vgl. Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2735). Zur Behandlung dieser Fallgruppe sogleich: B.III.7.d)iii). 933 



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einem zu engen Verständnis von dem Wortlaut des § 439 Abs. 1 Alt. 1 (Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels) im Zusammenhang mit den §§ 433 Abs. 1 S. 2, 434 Abs. 1 einerseits und auf einem zu weiten Verständnis des Wortlauts von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie andererseits. Auch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erfordert keine Angleichung der Nachbesserung an die Ersatzlieferung.938 Auch nach der Richtlinie wird die Verpflichtung des Verkäufers zur Nachbesserung dadurch ausgelöst, dass das Verbrauchsgut sich in einem bestimmten Zeitpunkt, namentlich dem Zeitpunkt der Lieferung (Art. 3 Abs. 1), als vertragswidrig erweist.939 Zwar gibt die Richtlinie nicht ausdrücklich vor, dass die Verpflichtung des Verkäufers zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes durch Nachbesserung sich ausschließlich auf die Beseitigung der zu dieser Zeit festgestellten Vertragswidrigkeit beziehe. So eng ist § 439 Abs. 1 Alt. 1 aber auch nicht zu verstehen. Denn § 434 bestimmt lediglich den Maßstab für die Qualitätsprüfung sowie den Zeitpunkt, zu welchem die Sache mangelfrei zu sein hat, damit der Verkäufer keinen Mängelrechten ausgesetzt ist (also nicht nacherfüllen muss und sich den Kaufpreis in vollem Umfang verdient hat); inwieweit er im Rahmen der Nachbesserung an der (Nach-)Erfüllung festgehalten wird (sonst den Anspruch auf den Kaufpreis durch Minderung einbüßt), falls die Sache sich als mangelhaft erweist, ist damit nicht unbedingt vorgegeben. Im Grundsatz bleibt der Verkäufer auch nach dem BGB in vollem Umfang zur Erfüllung verpflichtet, weil die Pflicht aus § 433 Abs. 1 S. 2 nicht teilbar und daher auch nicht teilweise erfüllbar ist (dementsprechend heißt es in § 434 Abs. 1 S. 1 auch nicht: „Die Sache ist frei von Sachmängeln, soweit…“).940 Inwieweit weitere Verschlechterungen der gelieferten Sache ihre Erfüllungstauglichkeit weiter beeinträchtigen, ist § 434 nicht zu entnehmen. Nach den bisherigen Erkenntnissen dieser Arbeit wird der Verkäufer (erst) mit der Annahme der mangelhaften Sache durch den Käufer davon befreit, jegliche weitere Verschlechterung des bei dem Erfüllungsversuch eingesetzten Stücks als Erfüllungshindernis im Rahmen seiner Leistungspflicht (durch Nachbesserung) überwinden zu müssen, um mit diesem Stück erfüllen zu können.941 Wenn der Käufer Nachbesserung verlangt, nimmt er die Leistung gewissermaßen mit Ausnahme des bei der Annahme der Leistung bestehenden Erfüllungshindernisses und unter dem Vorbehalt der Beseitigung dieses Erfüllungshindernisses ab. Deshalb beschränkt (konkretisiert) die Erfüllungspflicht des Verkäufers sich auf das, was erforderlich ist, um dieses Hindernis effektiv zu überwinden („Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes“). Bereits in der Auseinandersetzung mit den Fällen der Mangelintensivierung/verschlimmerung, in denen aus faktischen Gründen offensichtlich zu sein scheint, 938  Ausführlich

dazu: B.III.7.b). Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 81 mit Fn. 60. 940  Dazu bereits: B.III.2.b)i), insb. bei Fn. 111. 941  Dazu oben: B.III.2.b)i), B.III.3.b) und B.III.7.a)iii). 939 

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dass es sich bei der (weiteren) Verschlechterung im Wesentlichen noch um den anfänglichen Mangel handelt, hat sich gezeigt, dass dies eigentlich das Ergebnis eines Wertungsvorgangs ist.942 Das zu beseitigende Erfüllungsdefizit („Beseitigung des Mangels“) ist demnach nicht physisch fest umrissen. Es ist vielmehr – auch nach § 439 Abs. 1 Alt. 1 – wertend zu bestimmen, was und wieviel der Verkäufer leisten muss, um aus der mangelhaften Sache eine mangelfreie (d. h. den vertragsgemäßen Zustand) herzustellen, und insbesondere, inwieweit er dazu auch solche Sachverschlechterungen, die erst nach der Annahme auftreten, noch durch Nachbesserung zu beseitigen hat. Maßgeblich ist, ob spätere Sachverschlechterungen noch in einem hinreichenden Zusammenhang mit der Verletzung seiner Leistungspflicht stehen.943 Auf diese Frage gibt weder der Wortlaut des § 439 Abs. 1 Alt. 1 noch derjenige des Art. 3 der Richtlinie eine Antwort. Auch der etwas offener formulierte Wortlaut der Richtlinienvorgabe lässt übrigens keine Differenzierung zu, warum der Verkäufer etwa während der Nachbesserung aufgetretene Schäden an der Kaufsache zu beseitigen haben sollte, nicht aber solche, die an der mangelhaften Sache nach ihrer Ablieferung beim Käufer aufgetreten sind, ohne dass sie in irgendeiner Weise mit dem Mangel zusammenhingen.944

(b)  Rechtsnatur des Nacherfüllungsanspruchs nach dem BGB im Regelungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht maßgebend Das von Schollmeyer vertretene Verständnis von der Reichweite des Nachbesserungsanspruchs gem. § 439 Abs. 1 Alt. 1 ist aber ebenfalls zu eng. Er meint, der Verkäufer könne deshalb nicht im Rahmen der Nacherfüllung schlechthin zur Herstellung des Zustandes „in dem sich die Kaufsache befände, wenn sie von An942 

Dazu: oben: B.III.7.d)i)2). dazu sogleich: B.III.7.d)ii)3)(c). Im hiesigen Zusammenhang geht es um die Zurechnung des später aufgetretenen Schadens an der Kaufsache zu der (objektiven) Verletzung der Leistungspflicht zur Lieferung mangelfreier Ware. Ein hinreichender Zusammenhang mit dem (pflichtwidrigen) Leistungshandeln des Verkäufers, der es rechtfertigt, spätere Schäden an der Kaufsache noch als Sachmängel zu behandeln, kann aber auch mit Blick auf solche Schäden bestehen, die im Zuge der Nachbesserung – durch Nacherfüllungshandeln verursacht – an der Kaufsache auftreten. Näher dazu sogleich: B.III.8.i). 944 Vgl. Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 36, 40, 44. Sie argumentiert, dass Art. 3 Abs. 2 von der „Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes“ und nicht nur von der „Beseitigung des Mangels“ spreche, mache eine richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 notwendig, wonach auch mangelbedingte Weiterfresser-Schäden an der Kaufsache durch Nachbesserung zu beseitigen seien (Rn. 40). Mit Blick auf die Fälle der „Verschlimmerung bei sog. Mangelidentität“ schreibt sie, dass die Nacherfüllung grundsätzlich die mangelfreie Sache zum Ziel habe, und dass dieses Ziel durch Herstellung der Beschaffenheit zu erreichen sei, die die Sache bei Gefahrübergang hätte haben müssen: „Bei Gefahrübergang hätte die Sache den Mangel nicht haben dürfen – weder in der ursprünglichen noch in seiner verschlimmerten Form“ (Rn. 36). Zur Behandlung von Schäden, die völlig unabhängig von dem Mangel der gelieferten Sache beim Käufer aufgetreten sind, meint sie, dass es fernliegend sei, sich auf den Standpunkt zu stellen, dass der Verkäufer den vertragsgemäßen Zustand wiederherzustellen habe, weil die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht den Zweck habe, den Käufer vor Schäden, die mit dem Mangel nichts zu tun haben, auf Kosten des Verkäufers freizustellen (Rn. 44). 943  Näher



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fang an mangelfrei gewesen wäre“, verpflichtet sein, weil die Nacherfüllung kein sekundärer Rechtsbehelf sei, der neben den schadenersatzrechtlichen Anspruchsgründen der §§ 280 ff. stehe und „aus gesetzlicher Wertung“ folge.945 Dieses Argument, das auf die Rechtsnatur der Nacherfüllungspflicht als fortgesetzte Erfüllungspflicht abstellt, wird den Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie aber nicht gerecht und kann bereits deshalb zumindest beim Verbrauchsgüterkauf nicht überzeugen. Denn der EuGH sieht in der Nachbesserung durchaus eher ein besonderes Sekundärrecht, das den Verkäufer verschuldensunabhängig dazu verpflichtet, „die Situation [herzustellen], die vorgelegen hätte, wenn [er] von vornherein ein vertragsgemäßes Verbrauchsgut geliefert hätte“.946 Für dessen Inhalt und Reichweite soll nicht allein die vertragliche Vereinbarung der Parteien, sondern auch der Zweck des Verbraucherschutzes bestimmend sein.947 Gerade den Zweck, den er nach Ansicht Schollmeyers nicht erfüllen dürfe, muss der Nacherfüllungsanspruch aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben daher zumindest beim Verbrauchsgüterkauf erfüllen.

(c)  Wertende Bestimmung des Mangelunwerts Nach dem soeben Gesagten948 vermag die enge Betrachtungsweise Schollmeyers allerdings auch außerhalb des Regelungsbereichs der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht zu überzeugen. Denn obwohl der kaufrechtliche Nachbesserungs-/ Nacherfüllungsanspruchs im BGB dogmatisch als Fortsatz des aus dem vertraglichen Schuldnerversprechen folgenden Erfüllungsanspruchs konzipiert ist, ist dieses Versprechen mit Blick auf die Beseitigung etwaiger Mängel nicht unbedingt „auf die Leistung bei Gefahrübergang beschränkt“949. Die §§ 446, 447 markierten den maßgeblichen „Zeitpunkt der Äquivalenzbewertung“.950 Schollmeyer meint, weil das, was nach dem Zeitpunkt der §§ 446, 447 der Kaufsache zustoße, aus diesem Grund (und ggf. auch wegen des abgeschlossenen Eigentumserwerbs) nur noch das Integritätsinteresse des Käufers betreffe, könne ein weitergehender Schaden an der mangelhaften Sache nur dann Gegenstand der Nachbesserung sein, wenn auch dieser Schaden bei wertender Betrachtung bereits „bei Gefahrübergang“ vorgelegen [habe] und daher „Sachmangel i. S. des § 434 I BGB“ sei. Dies soll anhand des Kriteriums der Stoffgleichheit (zwischen dem ursprünglichen Mangelunwert und dem späteren Schaden) ermittelt werden. Davon abgesehen, dass Schollmeyer dieses Kriterium zu eng handhabt951, bedarf es aber auch keiner Rückbeziehung auf den Zeitpunkt des § 434 Abs. 1 S. 1. Mit „bei Ge945 

Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2732 f.). 946  EuGH Slg. 2011, I-5257 (= NJW 2011, 2269 ff.),

Rn. 60; dazu auch Oetker/Maultzsch (2013) – Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2.182a–183c sowie oben: B.III.7.b)ii). 947  EuGH Slg. 2011, I-5257 (= NJW 2011, 2269 ff.), Rn. 59, dazu bereits: B.III.7.b)ii). 948  Oben: B.III.7.d)ii)3)(a). 949  Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2732 f.). 950  Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2731 f.). 951  Dazu sogleich: B.III.7.d)ii)3)(c).

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fahrübergang“ bezeichnet § 434 Abs. 1 S. 1 lediglich den Zeitpunkt, in dem der Verkäufer „vorzeitig“ von dem Risiko, bei Auftreten von Zufallsverschlechterungen an der Leistung festgehalten zu werden oder den Anspruch auf die Gegenleistung einzubüßen, befreit wird, wenn die zur Erfüllung eingesetzte Sache sich dann als erfüllungstauglich erweist. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, ist und bleibt der Verkäufer aus diesem Grund verpflichtet, dafür zu sorgen, an und mit dem als mangelhaft qualifizierten Stück einen einwandfreien Sachzustand herzustellen. So gesehen, könnte man es auch als die Regel formulieren, dass weitere Schäden an der mangelhaften Sache ihre Erfüllungstauglichkeit weiter beeinträchtigen, und dann bedürfte es der Rechtfertigung, wenn dies ausnahmsweise einmal nicht der Fall sein soll. Die Rechtfertigung liegt vor allem darin, dass der Käufer bei der Nachbesserung die Leistung mit Ausnahme des bei der Annahme des mangelhaften Stücks bestehenden Erfüllungshindernisses und unter dem Vorbehalt der effektiven Beseitigung dieses Hindernisses akzeptiert.952 Die danach beim Verkäufer bleibende Verpflichtung zur Überwindung des Erfüllungshindernisses bzw. zur Herstellung der Erfüllungstauglichkeit lässt sich nicht zwingend punktuell und statisch an einem bestimmten Sachschaden festmachen.953 Es kommt, wie gesagt,954 insoweit nicht auf eine substanzbezogene Betrachtungsweise in dem Sinne an, dass „Mangelidentität“ allenfalls dann noch angekommen werden könnte, wenn der im Zeitpunkt der Lieferung vorhandene Mangel sich flächenmäßig ausgebreitet oder tiefer gefressen und der zu seiner Beseitigung erforderliche Aufwand sich deshalb erhöht hat. Weil es bei der Bestimmung des Mangelunwerts um die Reichweite der Verletzung der Erfüllungspflicht des Verkäufers geht, die durch die Nacherfüllung kompensiert werden soll, ist die Frage, welche konkreten Schäden an der gelieferten Sache der Verkäufer noch durch Nachbesserung zu beseitigen hat, vielmehr stets wertend zu beantworten.955

(i)  Stoffgleichheit als Kriterium zur Abgrenzung der beim Verkäufer verbliebenen Leistung(sgefahr) von der vom Käufer übernommenen Sachgefahr Solch eine Wertung erlaubt das Kriterium der Stoffgleichheit durchaus. Dieses wird von Schollmeyer aber zu strikt gehandhabt. Er betont zwar, dass Stoffgleichheit 952 

Dazu oben: B.III.7.d)ii)3)(a) (bei und nach Fn. 941). Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 82: Mangelidentität werde nicht durch eine spätere Verschlimmerung/Intensivierung des Mangels aufgehoben. 954  Oben: B.III.7.d)i)2) und: B.III.7.d)ii)3)(a). 955 Vgl. Hesseler/Kleinheinz Jus 2007, 706 (709) zum mangelbedingten WeiterfresserSchaden: Nach dem Konzept des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts „muss der Verkäufer seinen ursprünglichen Verstoß gegen das vertragliche Pflichtenprogramm – namentlich die Verletzung der in § 433 I 2 BGB statuierten Pflicht zur Übergabe und Übereignung einer mangelfreien Kaufsache – stets vollständig kompensieren. Da auch die nachträglichen Weiterungen auf einer Pflichtverletzung des Verkäufers beruhen, sollen auch sie im Rahmen der Nacherfüllung zu beseitigen sein.“ 953 Vgl.



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„insbesondere“ dann anzunehmen sei, „wenn der Grundmangel nicht bzw. nicht mit verhältnismäßigen Mitteln beseitigt werden kann, die spätere Verschlechterung also zwangsläufig bedingt“. Unerwähnt lässt er allerdings, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine derartige „natürliche bzw. wirtschaftliche Betrachtungsweise“ nicht allein- oder letztentscheidend ist, sondern etwaige Abgrenzungsschwierigkeiten von Fall zu Fall durch eine wertende Betrachtung unter der Fragestellung, ob sich der geltend gemachte Schaden mit dem Unwert, welcher der Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit schon bei ihrem Erwerb anhaftete, deckt, gelöst werden sollen956. Diese wertende Gesamtbetrachtung im Einzelfall zielt ab auf die Unterscheidung des (auch) durch das Deliktsrecht (sowie durch den „einfachen“ Schadenersatz gem. § 280 Abs. 1) geschützten Integritätsinteresses von dem Schaden, „der lediglich den auf ihrer Mangelhaftigkeit beruhenden Unwert der Sache für das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse des Erwerbers ausdrückt“ und daher „allein auf enttäuschte Vertragserwartungen zurückzuführen“ ist.957 Wenn aber der spätere Weiterfresser-Schaden in dem früheren „Grundmangel“ oder „Ursprungsmangel“ bereits angelegt war, dann beeinträchtigt es die Vertragserwartung des Käufers, wenn diese „Anlage“ ihr schädliches Potential entfaltet. Bezogen auf das einleitend genannte958 Beispiel: Die stirnseitige Befestigungsschraube des Nockenwellensteuerrades muss auch und gerade deshalb fest angebracht sein, damit das Rad von der Nockenwelle nicht herunterrutscht und den Motor beschädigt. Der Käufer verlässt sich darauf und darf sich darauf verlassen, dass der Pkw so beschaffen ist, dass er sich nicht „selbst zerstört“.959

Diesem Argument hält Schollmeyer entgegen, dass es für die Reichweite der Nacherfüllungspflicht nicht ausschlaggebend sein könne, weil § 439 Abs. 1 sonst „kausale Folgeschäden schlechthin“, einschließlich Rechtsgutsverletzungen an anderen Sachen des Käufers erfassen müsse. Denn auch dabei sei „der nachträgliche Schaden im Grundmangel ‚angelegt‘“.960 Bezogen auf das andere einleitend genannte Beispiel: Wegen des defekten Gaszugs stößt der Käufer mit dem erworbenen Autobus gegen sein eigenes Garagentor. Außer der Frontpartie des Busses wird auch das Garagentor beschädigt. Soweit ersichtlich, spricht sich niemand 956  BGH, Urt. v. 18.01.1983, Az. VI ZR 310/79, BGHZ 86, 256 (259, 262) = NJW 1983, 810 (811 f.). 957  BGHZ 86, 256 (259) = NJW 1983, 810 (811 f.). 958  Oben: B.III.7.d)ii). 959  Dagegen gehen schädliche Einwirkungen „von außen“ von der Übergabe an grundsätzlich zu Lasten des Käufers, sofern er nicht aufgrund des bereits bei der Übergabe vorliegenden Mangels dazu berechtigt ist, das angenommene Stück nachträglich zurückzuweisen. Etwas anderes gilt nur für solche Schäden, die durch die Nachbesserung verursacht werden; dazu: B.III.8. 960  Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2732): „Niemand wird etwa bezweifeln, dass mangelbedingte Rechtsgutsverletzungen an anderen Sachen des Käufers (der verkaufte Zuchtkater steckt Tiere des Käufers mit einer Pilzinfektion an, der mangelhafte Gasherd führt zu einem Wohnungsbrand) Integritätsschäden sind, deren Beseitigung der Verkäufer aus § 439 Abs. 1 BGB nicht schuldet.“ Dies bezweifelt in der Tat niemand, dazu m. w. N. bereits in Fn. 917.

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dafür aus, dass der Verkäufer im Zuge der Nachbesserung (verschuldensunabhängig) das Garagentor reparieren müsse.

(ii)  Leistungsbezogenes Integritätsinteresse Dieser Einwand geht fehl. Denn anders als die Unversehrtheit anderer Sachen des Käufers lassen sich die körperliche Integrität der verkauften und gelieferten Sache und der darin verkörperte Wert dem vertraglichen Äquivalenzinteresse nicht gegenüberstellen, sie sind vielmehr der wichtigste Bestandteil desselben.961 Insoweit kann man vom „leistungsbezogenen Integritätsinteresse“962 sprechen.963 Auch dies ergibt sich aus dem Leitbild des reformierten Kaufrechts, das nicht mehr allein von der Verkäuferpflicht zur „Sachverschaffung“ geprägt ist, die eine nach erfolgter Übergabe eingetretene Verschlechterung grundsätzlich als eine von dem eigentlichen Erfüllungsvorgang getrennte Beschädigung des dem Käufer bereits übertragenen Gegenstandes erscheinen lässt. Vielmehr obliegt dem Verkäufer mit Blick auf die Qualität der Kaufsache eine Beschaffungs-/Herstellungslast: Er schuldet nicht nur die Verschaffung des Sachgegenstandes, sondern auch die Herstellung bestimmter Sacheigenschaften (an diesem Gegenstand). Solange der Verkäufer nicht aus bzw. an der Substanz derjenigen Sache, die er beim Käufer abgeliefert, diesem möglicherweise sogar bereits übereignet hat, das über die SollBeschaffenheit definierte Erfüllungsobjekt hergestellt hat, können Verletzungen der körperlichen Integrität dieser Sache ihre Erfüllungstauglichkeit und damit das Erfüllungsinteresse des Käufers noch beeinträchtigen. Die Abgrenzung danach, inwieweit der Verkäufer durch die Lieferung bereits „mangelfreies Eigentum“ erhalten habe, dessen spätere Verletzung infolge eines bereits bei der Lieferung vorhandenen Mangels nicht mehr das Erfüllungs-, sondern nur noch das Integritätsinteresse des Käufers beeinträchtige, wird dem aktuellen Kaufleitbild nicht mehr gerecht.

(iii)  Eigentumsübertragung hat Gefahrübergang nicht zur Folge, wenn und soweit die Leistung mit und an der übereigneten Sache noch nicht bewirkt ist Dementsprechend ist gegen Schollmeyers Ansicht schließlich auch einzuwenden, dass sie von der Prämisse ausgeht, der Übergang der (Verschlechterungs-)Gefahr sei im Kaufrecht unbedingt von dem Eigentumserwerb964 bzw. von der Risiko961 

Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 94 m. w. N. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 96–99. 963  Vgl. bereits die Argumente bei B.III.7.d)ii)1) sowie Oechsler NJW 2004, 1825 (1830) zum Werkvertragsrecht: „In planerische und handwerkliche Werkleistungen werden die Rechtsgüter des Bestellers oft so unmittelbar einbezogen, dass eine Differenzierung zwischen Mangelund Mangelfolgeschäden willkürlich erscheint.“; dies gilt umso mehr für das Integritätsinteresse des Käufers bzgl. der Kaufsache, die selbst der Erfüllungsgegenstand ist. 964  Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2731) zum „Bodenkontaminationsfall“ (BGH, Urt. v. 12.12.2000, Az. VI ZR 242/99, BGHZ 146, 144 = NJW 2001, 1346 – keine Stoffgleichheit): „Bei wirtschaftlicher Betrachtung lag die tatsächlich erst später eingetretene Verschlechterung der 962 



7. Nachbesserungsgefahr

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zuweisung nach „Sphären“965 abhängig. Die Eigentumslage als solche ist für die Frage der obligatorischen Gefahr­tragung aber nicht maßgeblich. Wenn man den Gedanken der „Sphäre“ schon bemüht, darf im Übrigen nicht verkannt werden, dass sich in der beim Käufer aufgetretenen mangelbedingten Schaden an der Kaufsache ein Risiko verwirklicht, das noch aus der Sphäre des Verkäufers stammt. In diese Richtung dürfte das Argument Ernsts zu verstehen sein, dass sich der Verkäufer bezüglich der „mangelverursachten ‚Selbstzerstörung‘“ der Kaufsache nicht auf den Gefahrübergang berufen könne, weil es sich um eine Pflichtverletzung handele, „für die [er] die Verantwortung trägt“.966 Daran ändere sich selbst dann nichts, wenn er nicht schadenersatzpflichtig sei, weil er sich gem. § 280 Abs. 1 S. 2 entlasten könne.967 Ernst führt dieses Argument nicht direkt, um zu begründen, dass der Verkäufer auch den Weiterfresser-Schaden beseitigen muss. Er meint aber, der Käufer könne „den eingetretenen Schaden von sich abwälzen, indem er hierfür Schadenersatz beansprucht, [§]§ 280, 281 BGB (Entlastungsbeweis vorbehalten)“968. Die Entscheidung für den Anspruch auf Schadenersatz statt der Leistung impliziert, dass die Beseitigung der weiteren Verschlechterung der Kaufsache infolge ihres Mangels als Gegenstand der (Nach-)Erfüllungspflicht betrachtet wird. Dementsprechend muss auch insoweit der Vorrang der Nacherfüllung gelten, d. h. der Verkäufer verpflichtet (und berechtigt) sein, die weitere Verschlechterung zu beheben. Bei Ernst heißt es dazu Kaufsache mithin schon bei Eigentumserwerb bzw. – aus Sicht des Kaufrechts – bei Gefahrübergang vor.“; Hervorhebung d. Verf. 965  Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2732). 966  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (223 f.). Dazu auch: B.III.7.d)ii)1) (bei und in Fn. 928) und B.III.8.i) (Fn. 1095). Ähnlich Skamel (2008)  – Nacherfüllung, S. 77 f.: „Nicht anders als der Nacherfüllungsanspruch dient der Anspruch auf Ersatz des ‚einfachen‘ Schadens aus § 280 BGB (auch) der Regulierung solcher Schäden, die durch die Verletzung der Verkäuferpflicht zur Übergabe und Übereignung einer mangelfreien Sache verursacht wurden. Nicht die haftungsbegründende Pflichtverletzung, sondern allein der mangelverursachte Schaden ist daher tauglicher Anknüpfungspunkt einer Abgrenzung von Nacherfüllung und einfachem Schadenersatz. Diese Abgrenzung und die Frage nach dem Umfang der Nacherfüllungsverpflichtung sind nur durch eine Beschreibung der Verantwortungsbereiche der am Kaufvertrag beteiligten Parteien zu beantworten. Dabei geht es um nichts anderes als die wertende Zuweisung von Risiken, die sich für Käufer und Verkäufer aus der Verletzung der Pflicht aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Übergabe und Übereignung einer mangelfreien Sache ergeben. Hat der Verkäufer die Pflichtverletzung zu vertreten, haftet er dem Käufer nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB für alle adäquat kausal sich daraus ergebenen Schäden. Erleidet der Käufer Schäden, ohne dass den Verkäufer ein Vertretenmüssen trifft, können diese lediglich durch Nacherfüllung und Rücktritt oder Minderung reguliert werden. Im Verhältnis von Nacherfüllung und Schadenersatz ist daher von entscheidender Bedeutung, welche Partei in welchem Umfang das Risiko von Schäden trägt, die an Vermögensgegenständen des Käufers durch Mängel verursacht werden, die der Verkäufer nicht zu vertreten hat. Die Risikound Verantwortungsbereiche von Käufer und Verkäufer ergeben sich dabei aus dem Zusammenspiel der in der kaufvertraglichen Vereinbarung liegenden privatautonomen Selbstbindung und der gesetzlichen Regelung der Gewährleistungsbehelfe.“ Zur Beschreibung des Verantwortungsbereichs des Verkäufers orientiert sich Skamel sodann insbesondere an den Wertungen der §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 2, Abs. 3; ähnlich Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 275 ff. 967  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (223). Dies entspricht der Auslegung des Begriffs des Vertreten-müssens des Rückgewährschuldners gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 1, der nach h. M. nicht im haftungsrechtlichen Sinne zu verstehen ist, sondern auch den Fall der mangelbedingten Verschlechterung und des mangelbedingten Untergangs der zurück zu gewährenden Sache meint. Dazu oben: B.III.5.a)i) bei Fn. 243 und 244. 968  Ernst in: FS Huber (2006), 165 (224).

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

freilich nur, der Käufer könne auch (anstatt zurückzutreten) „jedes andere Käuferrecht“ wählen.969

(iv)  Kein Widerspruch zur Erfassung des Weiterfresser-Schadens (auch) über § 823 Abs. 1 Es steht auch nicht unbedingt in Widerspruch dazu, diesen Schaden auch über § 823 Abs. 1 zu liquidieren, wenn man die Nachbesserungspflicht auf den mangelbedingten Weiterfresser-Schaden an der Kaufsache bezieht und dieser deshalb im Haftungsfall Bestandteil des Schadenersatzes statt der Leistung ist.970 Denn bei der Abgrenzung des Nichterfüllungsschadens von einer über das Deliktsrecht (sowie über die Grundsätze der positiven Vertragsverletzung)971 geschützten Schädigung des Käufers ging es in Bezug auf die Kaufsache niemals darum, den Schutz des Integritätsinteresses des Käufers zu verkürzen oder gar auszuschließen.972 Von dem Ausmaß der Beeinträchtigung des Integritätsinteresses des Käufers hängt vielmehr ab, ob die Haftung „nur im Rahmen der vertraglichen Äquivalenzstörungshaftung reguliert [wird] und ab welchem Umfang sie einen zusätzlichen deliktischen Anspruch begründen [kann]“973. Bei Verletzungen des leistungsbezogenen Integritätsinteresses des Käufers wird man die Haftung des Verkäufers gem. § 823 Abs. 1 BGB freilich vom fruchtlosen Ablauf einer Nacherfüllungsfrist abhängig machen müssen, sei es durch analoge Anwendung der § 281 Abs. 1 bis 3 oder dadurch, dass man annimmt, § 823 Abs. 1 werde verdrängt, soweit und solange der Vorrang der Nacherfüllung es gebietet.974

4) Zwischenergebnis Der Verkäufer muss auch solche Schäden, die durch einen bei der Entgegennahme der mangelhaften Sache vorliegenden Defekt später an einem anderen, funktional abgrenzbaren Teil dieser Sache verursacht werden, verschuldensunabhängig durch Nacherfüllung beheben. Sie beeinträchtigen immer noch das Erfüllungsinteresse des Käufers, das durch die Lieferung des (mangelhaften) Stücks solange nicht be969 

Ernst 970 Dazu:

in: FS Huber (2006), 165 (224). Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 92–100; Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 114–118; vgl. Stodolkowitz JA 2019, 492 (494): a. A. Tettinger JZ 2006, 641 (649). 971  Insoweit ging es um die Abgrenzung des (eigentlichen) Mangelschadens von den Mangelfolgeschäden. Während der Verkäufer garantiemäßig nur auf Ersatz des Mangelschadens gem. §§ 463, 480 Abs. 2 a. F. bei Fehlen zugesicherter Eigenschaften und arglistigem Verschweigen von Fehlern haftete, hatte er für Mangelfolgeschäden nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung einzustehen, was mindestens Fahrlässigkeit voraussetzte; dazu Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 70 ff. 972  Vgl. BGHZ 86, 256 (260) = NJW 1983, 810 (811). 973  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 86, 93–95 mit dem Zitat auf S. 95 a. E., Hervorhebung d. Verf. 974  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 98; Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 117 f.; vgl. Brors WM 2002, 1780 (1784).



7. Nachbesserungsgefahr

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friedigt ist, wie der Verkäufer nicht an diesem Stück die geschuldete Beschaffenheit hergestellt hat. Denn sie sind auf das unzureichende Erfüllungshandeln des Verkäufers zurückzuführen. Damit liegt auch in diesen Fällen eine Ausdehnung des ursprünglichen Mangelunwerts vor, obgleich die schädlichen Wirkungen des Mangels sich bei (sach)gegenständlicher Betrachtung nicht auf den bereits ursprünglich „schadhaften“ Teil der Kaufsache beschränken975. Notwendig ist nämlich nicht die (sach)gegenständliche Identität von „Ursprungsmangel“ und „Folgemangel“, sondern derselbe Pflichtwidrigkeitszusammenhang: Die (weitere) Verschlechterung der Kaufsache muss noch auf der Verletzung der Leistungspflicht des Verkäufers nach § 433 Abs. 1 S. 2 beruhen. Dies bringt die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie durch den Begriff der Vertragswidrigkeit sprachlich besser als das deutsche Recht mit seiner Anknüpfung an „den“ Sachmangel zum Ausdruck. Nach dem Kaufleitbild des reformierten Kaufrechts und insbesondere dem Sinn und Zweck der Nacherfüllung ist „der“ Sachmangel i. S. des § 439 Abs. 1 Alt. 1 aber auch nichts anderes als eine erfolgsbezogene Beschreibung der Verletzung der Leistungspflicht, die der Verkäufer durch Nachbesserung heilen muss. Unter Wertungsgesichtspunkten besteht daher in der Tat kein Unterschied zwischen dem weiterfressenden Mangel und der – hier gesondert behandelten976 – Fallgruppe der Mangelintensivierung.977 Der Mangelunwert ist in beiden Fällen identisch.978 Die Verpflichtung des Verkäufers, auch mangelbedingte weitere Schäden an der Kaufsache zu beheben, ist also durchaus nicht allein die Konsequenz der kausalen Verknüpfung zwischen Mangel und Folgeschaden, die in der Tat kein hinreichendes Kriterium für die in den und durch die Mängelrechte ausgeformte Gefahrverteilung ist979.

iii)  Mangelunabhängige Schäden an der gelieferten Sache Nach den bisherigen Erkenntnissen leuchtet ein, dass solche nach der Entgegennahme der mangelhaften Sache an derselben auftretende Schäden, die in keinerlei Zusammenhang mit der Verletzung der Leistungspflicht des Verkäufers, die sich in dem Sachmangel der entgegengenommenen Sache manifestiert, stehen, keinesfalls mehr Erfüllungshindernisse darstellen, die vom Verkäufer im Rahmen der Nach975  In diesem Sinne spricht Skamel (2008)  – Nacherfüllung, S. 87 von „nicht stoffgleich“, dazu bereits: B.III.7.d)ii). 976  Siehe oben: B.III.7.d)i). 977  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 86; Stodolkowitz JA 2010, 492 (494); vgl. auch Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 15; Reinicke/Tiedtke (2009) – KaufR, Rn. 441 und Tiedtke/Schmitt DStR 2004, 2060 (2062), die die Fälle der Mangelverschlimmerung/-vergrößerung und der Mangelausdehnung „in einem Atemzug“ (jeweils unter dem Aspekt des „Weiterfresserschadens“) nennen. 978  Dies erkennt auch Schollmeyer an, indem er den Verkäufer bei Stoffgleichheit für zur Nacherfüllung verpflichtet hält (dazu bereits: B.III.7.d)i)2) (in Fn. 899)); nur handhabt er das Kriterium der Stoffgleichheit, wie bereits dargelegt wurde, zu eng. 979  Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2732, 2735); Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 251.

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

besserung zu überwinden wären (oder sonst eigenständig Mängelrechte begründen würden). Beispiele sind das Fahrrad, das mit defektem Sattel an den Käufer übergeben und dessen Klingel dann von einem Dritten entwendet wird980, oder der Pkw, der mit defektem Radio ausgeliefert wird und an dem unbekannte Dritte dann einen Lackschaden verursachen981. Es handelt sich hierbei um Schäden, die in ihrer konkreten Gestalt ebenso gut hätten auftreten können, wenn der Verkäufer von vorneherein eine mangelfreie Sache geliefert hätte. Aus den genannten Gründen982 übernimmt der Käufer solche Alltagsrisiken bezüglich der entgegengenommenen Sache, wenn er diese letztlich behält983. Zur Erfüllung mit dieser Sache muss der Verkäufer im Beispielsfall deshalb lediglich den Sattel bzw. das Radio reparieren, nicht jedoch eine neue Klingel anbringen bzw. den Blechschaden beseitigen. Es bedarf freilich nur einer geringfügigen Modifikation, um gewisse Zweifel aufkommen zu lassen: Was gilt etwa, wenn der Käufer den gerade erworbenen Pkw wegen eines Motordefekts bis zum nächsten Tag am Straßenrand abstellen muss, wo er einige Stunden später einem heftigen Unwetter schutzlos ausgeliefert ist und einen Hagelschaden erleidet? Ohne den Motordefekt hätte der Pkw sich nicht zu dieser Zeit an diesem Ort befunden, womöglich hätte er sicher in der heimischen Garage gestanden. In dieser Abwandlung zeigt sich deutlich, was es heißt, dass Kausalität kein hinreichendes Kriterium ist, sondern dass es auf eine wertende Betrachtung ankommt. Diese stellt auf den inneren Zusammenhang zwischen der in der Lieferung mangelhafter Ware liegenden Verletzung der Leistungspflicht und dem späteren Schadensereignis ab. Dabei geht es um Schutzzweckerwägungen, namentlich um die Frage, ob sich in dem späteren Schaden ein durch den Mangel geschaffenes, naheliegendes Risiko der Verletzung der körperlichen Integrität des Leistungsgegenstandes verwirklicht hat. Dass Schrauben im Motorraum eines Pkw festsitzen, ist kein Selbstzweck; es dient gerade der Vermeidung von Schäden im Motorraum durch umherfliegende Einzelteile und stellt damit die Nutzbarkeit des Pkw sicher; ebenso müssen die Bremsen eines Pkw auch und gerade deshalb ordnungsgemäß funktionieren, damit der Pkw nicht verunfallt und dabei zu Schaden kommt.984 Man mag im Einzelfall darüber streiten, wo genau die Grenze verläuft. Ein Hagelschaden ist jedenfalls kein Schadenspotential, das ein mangelhafter Motor typischerweise in sich trägt. Der notwendige Pflichtwidrigkeitszusammenhang fehlt hier. Das wird meist so ausgedrückt, dass diese Schäden mit dem originären 980 

Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 110 f. Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 16; vgl. Schollmeyer  NJOZ 2009, 2729 (2735). 982  Dazu oben: B.III.2.b)i), B.III.3.b)iv) und B.III.7.a). 983  Zu dieser Einschränkung sogleich bei Fn. 990. 984  Zu diesen Beispielen für die Poblematik des „weiterfressenden Mangels“, in denen die h. M. eine Nachbesserungspflicht bejaht: B.III.7.d)ii). 981 



7. Nachbesserungsgefahr

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Mangel nichts zu tun haben und dass die Nacherfüllungspflicht deshalb ohne sachlichen Grund über ihren eigentlichen Anwendungsbereich hinausginge, wenn der Verkäufer sie beseitigen müsste.985 Anderer Ansicht könnte man nur sein, wenn man davon ausginge, dass die Nachbesserung denselben tatsächlichen Erfolg haben müsste wie die Ersatzlieferung.986 Diese Ansicht ist, wie bereits dargelegt wurde,987 nicht überzeugend zu begründen. Eine Gleichstellung der beiden Nacherfüllungsvarianten wäre durch eine Übertragung der (vermeintlichen) Wertung der §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 auch nicht zu erreichen. Denn die Situation unterscheidet sich dadurch, dass der Verkäufer durch die bloße Wertminderung des Fahrrads – d. h. dass er vom Käufer im Falle der Ersatzlieferung keinen Wertersatz für die Klingel verlangen könnte – wirtschaftlich weniger belastet wäre als durch die Verpflichtung zur Beschaffung und Lieferung einer neuen Klingel.988

Es fällt allerdings dem Verkäufer zur Last, wenn der Aufwand zur Beseitigung des ursprünglichen (Mangel-)Schadens sich infolge solcher Ereignisse, für die der Käufer nicht verantwortlich ist, bis zur Grenze des § 439 Abs. 3 erhöht.989 Übersteigt der Aufwand wegen des hinzugekommenen Zufallsschadens diese Grenze oder wird die Nachbesserung unmöglich, kann der Käufer (wenn nicht alternativ zur Nachbesserung eine Ersatzlieferung in Betracht kommt und der Mangel nicht nur unerheblich ist) vom Kaufvertrag zurücktreten und Erstattung des Kaufpreises in voller Höhe verlangen, ohne selbst Wertersatz leisten zu müssen (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3). Unter diesem Aspekt bleibt der Verkäufer also in Ansehung mangelunabhängiger Schäden durchaus mit der Preisgefahr belastet.990 Dies deshalb, weil dem Käufer solche Schäden nicht mit dem Argument zugewiesen werden können, dass sie ihm auch bei mangelfreier Leistung zur Last gefallen wären, wenn er befugt ist, wegen des Mangels bzw. des Ausbleibens seiner Beseitigung die Erfüllung des Kaufvertrages (mit dem entgegengenommenen Stück) insgesamt abzulehnen

985  Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 110 f.; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 16; Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 44; Stodolkowitz JA 2010, 492 (494); Schollmeyer NJOZ 2009, 2729 (2735); Beckmann in: Eckpfeiler (2014/15), S. 940 (N. 82). 986  So offenbar Ewert (2007) – Gefahr­tragung, S. 106: Der Verkäufer müsse im Rahmen der Nachbesserung auf eigene Kosten solche weiteren Schäden an der mangelhaften Sache beseitigen, für die der Käufer bei Rückabwicklung der mangelhaften Leistung im Rahmen der Ersatzlieferung gem. §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 keinen Wertersatz leisten müsste. Dazu noch: B.III.8.f) (in Fn. 1054). 987  Dazu oben: B.III.7.c). 988  Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 111; Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (65); Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014), BGB, § 439 Rn. 15 f. 989  Vgl. dazu: B.III.7.b)iii)2)(a). – Bei der Grenzziehung im Einzelfall wird man allerdings entsprechend § 275 Abs. 2 S. 2 zu berücksichtigen haben, dass der Verkäufer die Erschwerung/Verteuerung der Nachbesserung weder im haftungsrechtlichen Sinne noch unter dem Gesichtspunkt eines Zusammenhangs mit seinem unzureichenden Erfüllungshandeln zu vertreten hat. 990  Zur vergleichbaren Situation bei Zufallsschäden, die ohne inneren Bezug zur Nacherfüllung „bei Gelegenheit der Nachbesserung“ auftreten: B.III.8.i)iv) (bei Fn. 1125).

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

und sich wegen des Ausbleibens der Verkäuferleistung von der Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung zu befreien.991

iv) Zwischenergebnis Bis hierher kann man den Umfang der Nachbesserungsgefahr, d. h. der Belastung des Verkäufers mit der Leistungsgefahr durch die Verpflichtung zur Nachbesserung, folgendermaßen beschreiben: Der Verkäufer hat yy sämtliche (behebbaren) Verschlechterungen des zur Erfüllung vorgesehenen Stücks zu beseitigen, die zwischen dem Kaufabschluss und dem Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs aufgetreten sind, und er schuldet dann, wenn seine Leistung sich im Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs als mangelhaft erweist, Nachbesserung ferner yy wegen sämtlicher Verschlechterungen, die zwischen diesem Zeitpunkt und der Entgegennahme der mangelhaften Sache durch den Käufer an derselben auftreten, sowie yy noch über den Zeitpunkt der Entgegennahme hinaus wegen solcher (weiterer) Verschlechterungen der mangelhaften Sache, die im inneren Zusammenhang damit stehen, dass der Verkäufer seine Leistung mangelhaft erbracht hat. Dass der Verkäufer wegen sämtlicher Verschlechterungen nachzubessern hat, die bis zum Zeitpunkt des hypothetischen Gefahrübergangs auftreten, liegt daran, dass dieser Zeitpunkt derjenige der Leistungserbringung ist und also regelmäßig erst dann die Leistung des Verkäufers feststeht und bezüglich der realkörperlichen Beschaffenheit des als Leistungsobjekts eingesetzten konkreten Stücks auf ihre Erfüllungstauglichkeit hin zu überprüfen ist (durch einen Vergleich mit dem idealtypisch beschriebenen abstrakten Leistungsgegenstand). Solange über diesen Zeitpunkt hinaus jede Sachverschlechterung des mangelhaften Stücks dessen Erfüllungstauglichkeit (weiter) beeinträchtigt, beruht dies darauf, dass der Verkäufer es ggf. nicht verdient hat, die Rechtslage im Verhältnis zum Käufer einseitig so umzugestalten, als hätte er selbst bereits erfüllt (Übergang der Leistungsgefahr) und sich somit den Kaufpreis schon verdient (Übergang der Preisgefahr). Wenn der Käufer es aber zulässt, dass der Verkäufer seine Leistung mangelhaft „bewirkt“, indem er das angediente mangelhafte Stück entgegennimmt (anstatt es sofort zurückzuweisen), hat der Verkäufer nur noch eine Restleistung zu erbringen, um den Kaufvertrag unter Einsatz dieses Stücks zu erfüllen. Im Rahmen dieser Restleistung, die Gegenstand der Nachbesserung ist, muss er die Leistung mit und an diesem Stück vollenden. Er muss dazu nicht nur die konkreten Qualitäts991 

Näher dazu: B.III.3.b)iv)3) und B.III.5.e).



8.  Zuweisung der mit der Nachbesserung als solcher verbundenen Risiken 

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defizite, in denen sich die Verletzung seiner Leistungspflicht an der zur Erfüllung eingesetzten Sache bereits bei ihrer Entgegennahme manifestiert hat, beseitigen, sondern auch etwaige weitere schadhafte Auswirkungen seines unzureichenden Erfüllungshandelns, in denen die Verletzung seiner Leistungspflicht auf diese Sache fortwirkt, kompensieren. Im Übrigen schuldet der Verkäufer keine Leistung mehr, die Erfüllungstauglichkeit der entgegengenommenen mangelhaften Sache wird insbesondere nicht mehr dadurch beeinträchtigt, dass sie Schäden erleidet, die in keinerlei Zusammenhang mit der Verletzung der Leistungspflicht des Verkäufers stehen und ebenso aufgetreten sind oder hätten auftreten können, wenn die Sache mangelfrei geliefert worden wäre. Daher kann man  – vorläufig  – formulieren: Durch Nachbesserung hat der Verkäufer an und mit dem mangelhaften Stück den Zustand herzustellen, der im Zeitpunkt des Nacherfüllungsverlangens bestehen würde, wenn der Verkäufer von vorneherein eine mangelfreie Leistung erbracht hätte.

8.  Zuweisung der mit der Nachbesserung als solcher verbundenen Risiken Selbstverständlich begründen weitere zufällige Verschlechterungen der mangelhaften Sache unter den soeben erörterten Voraussetzungen992 auch dann Sachmängel, die möglichst vom Verkäufer zu beseitigen sind, wenn sie nicht beim Käufer auftreten, sondern im Zusammenhang mit oder bei der Nachbesserung beim Verkäufer (oder einem von ihm beauftragten Dritten). Jedenfalls in diesen Fällen hat die räumliche Lage der (mangelhaften) Kaufsache nämlich nichts mit dem Grund zu tun, aus dem der Verkäufer zur Nachbesserung verpflichtet ist. Fraglich ist allerdings, ob der Verkäufer während der Nachbesserung darüber hinaus in einem umfassenden Sinne mit der Leistungsgefahr belastet ist, so dass er wieder, d. h. wie vor der Entgegennahme der mangelhaften Sache durch den Käufer, jede (behebbare) Verschlechterung, die auftritt, während die mangelhafte Sache sich zur Reparatur bei ihm oder einem von ihm beauftragten Dritten befindet oder in diesem Zusammenhang transportiert wird, beseitigen (und sonst einen Abzug am Kaufpreis hinnehmen) muss. Nach den bisherigen Erkenntnissen kann es nicht ausreichen, dass das Vorliegen eines (behebbaren) Sachmangels conditio sine qua non dafür ist, dass im Zusammenhang mit der Nachbesserung ein Schaden aufgetreten ist, der in seiner konkreten Gestalt nicht aufgetreten wäre, wenn der Verkäufer von vorneherein eine mangelfreie Leistung erbracht hätte und es deshalb nicht zur Nachbesserung gekommen wäre.993 In den bisher untersuchten Fallgruppen ist der (weitere) Scha992  993 

Dazu: B.III.7.d)iv). Dazu oben: B.III.7.d)ii)4) und B.III.7.d)iv).

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

den deshalb als „Folgemangel“ (und nicht nur als „Mangelfolge“) zu qualifizieren, weil sich in ihm die Verletzung der Leistungspflicht durch den Verkäufer fortsetzt, indem er sich als eine natürliche, geradezu zwangsläufige Folge des „Grundmangels“ darstellt. Davon unterscheiden Beschädigungen der nachzubessernden Sache im Zusammenhang mit der Nachbesserung sich dadurch, dass sie gerade bei der Heilung dieser Leistungspflichtverletzung auftreten und nicht in der Sachsubstanz selbst angelegt sind; unmittelbar ursächlich für sie ist vielmehr eine eigenständige schädliche Einwirkung auf die Sache. Deshalb wird diese Fallgruppen in einem gesonderten (diesem) Abschnitt untersucht. Von der Einordnung hängt ab, ob der Käufer wenigstens die Beseitigung solcher bei der Nachbesserung an der Kaufsache entstandenen Schäden, die mit zumutbarem Aufwand behoben werden können, verschuldensunabhängig im Rahmen der Nacherfüllung verlangen kann oder ob der Verkäufer insoweit nur bei Verschulden unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes haftet. Soweit die Beseitigung solcher Schäden prinzipiell noch dem (Nach-)Erfüllungsprogramm des Verkäufers zugewiesen ist, handelt es sich bei dem entsprechenden Schadenersatz um solchen statt der Leistung, den der Käufer grundsätzlich nur und erst nach fruchtlosem Ablauf einer angemessenen Nacherfüllungsfrist verlangen kann (sofern nicht der Schaden unbehebbar oder eine Fristsetzung gem. §§ 440, 281 Abs. 2 ausnahmsweise entbehrlich ist).

a)  Einschlägige Rechtsprechung Soweit ersichtlich, sind bislang im engeren Sinne nur zwei Urteile zu dem Thema dieses Abschnitts ergangen, erstaunlicherweise beide durch das Oberlandesgericht Saarbrücken.994

i)  OLG Saarbrücken, Urt. v. 23.07.2007 (1. Senat) In dem ersten Urteil vom 23. Juli 2007995 entschied der 1. Senat, dass es sich bei einer „bei Gelegenheit der Nachbesserung” verursachten Beschädigung der ansonsten, d. h. von dem die Nachbesserungspflicht auslösenden Mangel abgesehen, unbeschädigten Kaufsache um einen solchen Schaden handele, der

994  In einem anderen Zusammenhang steht OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.02.2014, Az. I-23 U 62/13 (= NJW 2014, 2802). Das Problem in dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall bestand nämlich nicht darin, dass bei der Nachbesserung (§ 634 Abs. 1 Alt. 1) ein Schaden an der nachzubessernden Sache aufgetreten wäre. Vielmehr wurde das Werk mit einem anderen Mangel neu hergestellt (§ 634 Abs. 1 Alt. 2). Das entspricht beim Kauf der Situation, dass der Verkäufer zur Ersatzlieferung eine andere, ebenfalls nicht erfüllungstaugliche Sache einsetzt, und hat mit der Gefahr der Beschädigung der zuerst gelieferten mangelhaften Sache im Zuge der Nachbesserung nichts zu tun. 995  Az. 1 U 467/06 (= NJW 2007, 3503 ff.).



8.  Zuweisung der mit der Nachbesserung als solcher verbundenen Risiken 

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„über den den Mangel begründenden Nachteil an der verkauften Sache hinausgeht und der als so genannter Begleit- oder Mangelfolgeschaden nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Schuldrecht den Anwendungsbereich der positiven Forderungsverletzung (pFV) eröffnete“.996

Nach dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Mitarbeiter des Verkäufers im Zusammenhang mit der (erfolgreichen) Beseitigung eines Motordefekts fahrlässig eine Beschädigung der Karosserie des verkauften Pkw verursacht. Bei der Durchführung eines Startversuchs fuhr der Pkw – wohl wegen eines eingelegten Gangs – nach vorne und stieß gegen eine Werkbank. Der Verkäufer behob zwar freiwillig den Karosserieschaden, verweigerte aber den Ersatz des unfallbedingten (nicht behebbaren) technischen Minderwerts des Pkw. Daraufhin erklärte der Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte – auch unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes statt der Leistung – die Rückzahlung des gesamten Kaufpreises. Das Gericht verurteile den Verkäufer zum Ersatz der Wertminderung unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes neben der Leistung, und wies die Klage im Übrigen ab. Die verbliebene Beschädigung des Pkw in Form des Minderwerts rechtfertige weder einen Rücktritt gem. §§ 437 Nr. 2, 440, 323 noch einen Schadensersatzanspruch statt der ganzen Leistung gem. §§ 437 Nr. 3, 440, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1, 283 und auch die Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, 282 seien nicht gegeben.

ii)  OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.04.2013 (4. Senat) In Abgrenzung bzw. Ergänzung dazu entschied der 4. Senat in seinem Urteil vom 18. April 2013997: „Im Rahmen der Nacherfüllung eintretende Beschädigungen der Kaufsache sind – jedenfalls soweit sie nicht nur aus einer Verletzung von Neben- und Schutzpflichten gelegentlich der Nacherfüllung in Bezug auf die ansonsten unbeschädigte Kaufsache herrühren (…), – so zu behandeln wie bei Gefahrübergang bestehende Mängel. Sie sind im Zuge der Nachbesserung wieder zu beseitigen und führen, wenn das nicht geschieht, dazu, dass nicht ordnungsgemäß nachgebessert wurde und der Käufer deshalb Sekundärrechte erwirbt“.998

In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall hatte einige Tage nach der Übergabe ein Mitarbeiter des Verkäufers auf eine Mängelanzeige des Käufers hin vor dessen Hausanwesen den defekten Zahnriemen an dem verkauften Pkw ausgetauscht. Bei der Montage und Einstellung der Zahnriemen-Spannrolle unterlief ihm aber ein schwerer Ausführungsfehler, der einen Motorschaden zur Folge hatte.999 Das Gericht verurteilte den Verkäufer insbesondere zum Ersatz der Kosten für die Reparatur des Motors, die der Käufer von einem Dritten hatte durchführen lassen. Der Senat ließ ausdrücklich dahinstehen, „ob der Käufer bei mangelhafter Nacherfüllung in jedem Fall ohne 996 

OLG Saarbrücken NJW 2007, 3503 (3504). U 52/12 (= NJW-RR 2013, 1388 ff.). 998  Hervorhebung d. Verf. 999  Das Gericht sprach dem Kläger die begehrten Reparaturkosten „aus §§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3, 434 Abs. 1 S. 1 und 2, 439, 440 BGB“ mit der oben zitierten Begründung zu. 997  Az. 4

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Fristsetzung Schadensersatz verlangen kann“.1000 Einer Fristsetzung zur Nachbesserung bedürfe es jedenfalls dann nicht, wenn diese dem Käufer unzumutbar sei (§ 440 S. 1 Fall 3). Das gelte erst Recht, wenn der Käufer dem Verkäufer – wie hier – einen ersten Nachbesserungsversuch gewährt hat und es dem Käufer auf Grund bestimmter Umstände unzumutbar ist, einen zweiten Versuch zu gestatten. Dazu genügt es zwar noch nicht, dass der erste Nachbesserungsversuch nicht erfolgreich war; „[d]a der Verkäufer gem. § 439 I BGB eine nachhaltige Nachbesserungsmaßnahme schuldet, muss allerdings bereits der erste Nachbesserungsversuch, auch wenn er im Ergebnis fehlschlägt, sachgemäß sein“. Ein Recht des Käufers zum Rücktritt ohne Gewährung eines zweiten Nachbesserungsversuchs könne demnach zu bejahen sein, wenn dem Verkäufer beim ersten Nachbesserungsversuch gravierende Ausführungsfehler unterlaufen oder dieser Nachbesserungsversuch von vornherein nicht auf eine nachhaltige, sondern nur eine provisorische Mängelbeseitigung angelegt gewesen sei. Diese besonderen Umstände sah das Gericht im Streitfall gegeben, weil der von einem Mitarbeiter des Verkäufers unternommene Reparaturversuch unsachgemäß war.1001

iii)  „Dackel-Urteil“ des BGH In einer gewissen Nähe zu dem Thema dieses Abschnitts steht möglicherweise auch das sog. „Dackel-Urteil“ des Bundesgerichtshofs.1002 An dem verkauften Rauhaardackelwelpen wurde einige Monate nach der Lieferung eine Fehlstellung des Sprunggelenks der rechten Hintergliedmaße diagnostiziert, die zu einer „übermäßigen O-Beinigkeit“ führte. Durch eine operative Behandlung konnte zwar die Fehlstellung des Sprunggelenks beseitigt werden, indem am Schienbein des Dackels eine Lochplatte mit sechs Schrauben eingesetzt wurde, die dort verblieb. Die Operation hatte aber zur Folge, dass der Hund zweimal jährlich zur Kontrolle des schmerzfreien Sitzes der Platte und des Laufbildes tierärztlich untersucht werden musste. Der BGH qualifizierte die „O-Beinigkeit“ des Dackels als unbehebbaren Mangel, obwohl die Fehlstellung des Sprunggelenks, die Ursache der „O-Beinigkeit“ war, durchaus geheilt werden konnte. Dadurch habe aber „der vorgegebene genetische Defekt“ nicht beseitigt werden können: „Operativ korrigiert wurden zwar die Fehlstellung des Sprunggelenks und damit die übermäßige O-Beinigkeit des Dackels. Durch die Operation wurde der Hund aber nicht in einen vertragsgemäßen Zustand (§ 433 I 2 BGB) versetzt, wie es § 439 BGB für die Mangelbeseitigung als eine der beiden Modalitäten der Nacherfüllung verlangt. Vielmehr wurde die Korrektur des äußeren Erscheinungsbildes des Hundes mit einem anderen Sachmangel erkauft. … Der Hund bleibt damit lebenslang nicht frei von Mängeln i. S. der §§ 90a, 434 BGB. Eine Maßnahme, die – wie die hier durchgeführte Operation – den körperlichen Defekt eines Tieres nicht folgenlos beseitigen kann, sondern andere, regelmäßig zu kontrollierende ge1000 

OLG Saarbrücken NJW-RR 2013, 1388 (1390). einer fachgerechten und vorschriftsgemäßen Reparatur laut Anweisung des Automobilherstellers wäre der Wechsel des Zahnriemens bzw. der Spannrolle mit erheblichem Arbeitsaufwand in einer Fachwerkstatt verbunden gewesen und hätte den Einsatz von Spezialwerkzeug voraussetzt. Dementsprechend konnte der Reparaturversuch des Mitarbeiters des Verkäufers mit Blick auf die Umstände der Ausführung am Hausanwesen des Käufers und weitere grobe Fehler bei der Einstellung nach Einschätzung des Gerichts nicht als sachgemäß bezeichnet werden. 1002  BGH, Urt. v. 22.06.2005, Az. VIII ZR 281/04 (= NJW 2005, 2852 ff.). 1001 Bei



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sundheitliche Risiken selbst erst hervorruft, ist zu einer nachhaltigen Beseitigung des Mangels nicht geeignet und stellt deshalb keine Mangelbeseitigung i. S. der § 439 BGB dar.“1003

Dieser Fall zeichnet sich also dadurch aus, dass der an der nachzubessernden Sache aufgetretene Schaden seine unmittelbare Ursache zwar in dem Nacherfüllungshandeln des Verkäufers1004 findet, dieses aber zwangsläufig eine (anderweitige) nachhaltige Schädigung der Kaufsache mit sich brachte. Letztere stellte nur das „kleinere Übel“ im Vergleich zu dem „eigentlichen“ Mangel dar und war daher wertungsmäßig in diesem enthalten. Auf die Implikationen dieser speziellen Fallgestaltung sowie auf die Begründung der beiden Urteile des OLG Saarbrücken wird in der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Argumenten eingegangen, die in der Literatur für und gegen die Annahme, dass ein während der Nachbesserung auftretender (Zufalls-)Schaden an der Kaufsache als Sachmangel zu behandeln sei, vertreten werden.

b)  Der zweifelhafte Wille des Reformgesetzgebers Gegen die Belastung des Verkäufers mit der Gefahr der zufälligen Verschlechterung während der Nacherfüllung wird argumentiert, dass der Gesetzgeber sich bewusst gegen eine entsprechende Regelung entschieden habe.1005 Der Hintergrund ist folgende Stellungnahme Reinkings zu dem Diskussionsentwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes: „Das Nacherfüllungsrecht der Mängelbeseitigung schafft für den Käufer eine neue Gefahrenlage… Um dem Verkäufer die Nachbesserung zu ermöglichen, ist [er] gezwungen, die mangelhafte Sache vorübergehend aus der Hand zu geben. Während der Zeit der Fehlerbeseitigung trägt er aber weiterhin die Sachgefahr. Kommt die in der Obhut des Verkäufers befindliche Sache ohne dessen Verschulden zu Schaden  … besitzt der Käufer keine Ansprüche gegen den Verkäufer. … [Er] bedarf aber des Schutzes vor Gefahren, die ihm aus dem (neuen) Recht des Verkäufers auf Fehlerbeseitigung erwachsen. Es macht keinen Sinn, die Rechtsfolgen in Abhängigkeit davon unterschiedlich zu regeln, ob sich das zum Schaden führende Ereignis vor Gefahrübergang oder danach ereignet hat. Im einen wie im anderen Fall befindet sich die Kaufsache in der Sphäre des Verkäufers, die sich der Einwirkung des 1003 

BGH, Urt. v. 22.06.2005, Az. VIII ZR 281/04, Rn. 19 (= NJW 2005, 2852 (2854)); Hervorhebung d. Verf. Hilfsweise (Rn. 27–30 = NJW 2005, 2852 (2855)) stellte das Gericht darauf ab, dass der Verkäufer in diesem Fall zumindest berechtigt gewesen war, die Nachbesserung wegen Unzumutbarkeit (§§ 439 Abs. 3, 275 Abs. 2) zu verweigern. Denn auch die – von vorneherein absehbaren – durch die Operation erforderlich gewordenen regelmäßigen Kontrolluntersuchungen wären dann noch von der Nacherfüllungspflicht des Verkäufers umfasst gewesen. Dies hätte auch unter Berücksichtigung des Leistungsinteresses des Käufers, namentlich wegen der ohnehin nur teilweise möglichen Beseitigung des Mangels, für den Verkäufer einen unzumutbaren Aufwand bedeutet. 1004  Weil der Verkäufer sich geweigert hatte, die Operation durchzuführen, beauftragte der Kläger damit einen Dritten. Dies machte aber keinen Unterschied, weil der Verkäufer oder ein von ihm beauftragter Tierarzt die Operation nicht anders (besser) hätte durchführen können. 1005  Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 85; Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (497); vgl. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 83 f.

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Käufers entzieht. Die Forderung nach Gleichbehandlung beider Sachverhaltsvarianten ergibt sich zwangsläufig aus der Natur des Nacherfüllungsanspruchs. … Es ist daher anzuregen, die Regelung der Gefahr­tragung (§ 444 Entw.) dahingehen zu ergänzen, dass der Verkäufer die Gefahr der zufälligen Verschlechterung in der Zeit trägt, in der sich die Kaufsache zum Zwecke der Nacherfüllung in seinem Gewahrsam oder im Gewahrsam eines von ihm beauftragen Dritten befindet.“1006

Dieser Anregung ist der Reformgesetzgeber offensichtlich nicht nachgekommen. Daraus ziehen einige den Schluss, der Gesetzgeber habe sich bewusst gegen eine entsprechende Regelung entschieden, weil er den Verkäufer gerade nicht mit dem Risiko habe belasten wollen, erst während der Nachbesserung an der Kaufsache aufgetretene Schäden (verschuldensunabhängig) selbst ebenfalls durch Nachbesserung beseitigen zu müssen.1007 Diese (vermeintliche) Entscheidung wird damit gerechtfertigt, dass die Rückgabe der Sache zum Zwecke der Nachbesserung nichts daran ändere, dass der Käufer mit der Übergabe an ihn (Eigen-) Besitz und regelmäßig auch Eigentum an der verkauften Sache erworben habe1008 und ihm (deshalb) auch von der Übergabe an die Nutzungen dieser Sache zugewiesen seien1009. Immerhin trage der Verkäufer das Risiko, dass die Nachbesserung unmöglich werde, unter dem Aspekt, dass der Käufer ggf. auf eine alternativ zur Nachbesserung in Betracht kommende Ersatzlieferung „umschwenken“1010 und sonst vom Vertrag zurücktreten könne (jeweils mit der ihm vorteilhaften Wirkung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3).1011 Er habe daher das Risiko des zufälligen Untergangs zu tragen, das Risiko ihrer zufälligen Verschlechterungen sei aber dem Käufer zugewiesen.1012 Dass der Reformgesetzgeber bei der Fassung der §§ 446, 447 dem Regelungsvorschlag Reinkings nicht gefolgt ist, zwingt durchaus nicht zu dem Schluss, dass sich darin der Wille des Reformgesetzgebers manifestiere, den Verkäufer davon freizustellen, auch solche zufälligen Verschlechterungen der (mangelhaften) Sache, die erst während der Nachbesserung auftreten, durch Nachbesserung beseitigen zu müssen. Dieser Annahme kann allerdings nicht entgegen gehalten werden, dass die §§ 446, 447 nicht der richtige Standort für eine Regelung mit dem von Reinking vorgeschlagenen Sachgehalt gewesen wären, weil diese den Umfang der Nacherfüllung (und nicht die Verteilung der Preisgefahr) betreffe.1013 Denn es geht 1006 

Reinking DAR 2001, 8 (12 f.). Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 85; Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (497); vgl. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 83 f. 1008 Vgl. Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 85; Ernst in: FS Huber (2006), 165 (233); Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (65). 1009  Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 85. 1010  Ggf. erhält der Käufer eine komplett neue Sache. 1011  Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 84; vgl. Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 84. 1012  Schürholz (2005) – Nacherfüllung, S. 84 f. unterscheidet das Risiko der Zerstörung der Kaufsache von dem Risiko ihrer Verschlechterung; Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (497) spricht davon, dass dem Käufer die Gefahr im Sinne des „Verschlechterungsrisikos“ zugewiesen sei. 1013  So aber Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 84. 1007 



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nicht allein um den Umfang der Nacherfüllungspflicht, wenn man sich klar macht, dass während der Nachbesserung auch solche Schäden an der Kaufsache auftreten können, die nicht (mit zumutbarem Aufwand) behoben werden können, und es insoweit allein um die Frage geht, ob der Käufer insoweit den Kaufpreis zahlen muss oder mindern darf, in der Sache also um die Preisgefahr. Zutreffend ist allerdings, dass dieses Regelungsthema die Reichweite der Leistungspflicht des Verkäufers betrifft. Im Prinzip geht es nämlich darum, ob Schäden an der mangelhaften Kaufsache im Zuge der Nachbesserung, die nicht im Sinne der Intensivierung oder des Weiterfressens auf einer „Ausdehnung“ des Mangel(unwert)s beruhen, noch die Leistungspflicht des Verkäufers und damit das Erfüllungsinteresse des Käufers verletzen – ob sie die Erfüllungstauglichkeit der Sache (weiter) in der Weise beeinträchtigen, dass der Verkäufer sie als überwindbare Leistungshindernisse überwinden (Leistungsgefahr) und ansonsten eine Anpassung der Gegenleistung an das Defizit der eigenen Leistung hinnehmen muss (Preisgefahr).

c)  Gemeinsame Projektgruppe „Gewährleistung und Garantie“ der Verbraucherschutzministerkonferenz und der Justizministerkonferenz Selbst wenn der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes die unterstellte Regelungsabsicht1014 gehabt haben sollte, müsste dies allerdings nicht sein letztes Wort gewesen sein. Denn die 9. Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK, 2013) war (einstimmig) der Meinung, dass es notwendig sei, „die zum Schutz der Verbraucher bestehenden Vorschriften zum Gewährleistungsrecht beim Kaufvertrag weiter zu entwickeln“, und dass insbesondere eine gesetzgeberische Lösung notwendig sei, „um den Verbraucher durch eine angemessene Gefahr­tragungsregel davor zu schützen, dass er nach der Aufforderung des Verkäufers zur Mangelbeseitigung insbesondere während des Transports der Ware zum Verkäufer die Folgen eines unverschuldeten Verlusts oder einer unverschuldeten Beschädigung trägt“.1015

Daraufhin hat die Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz eine Projektgruppe „Gewährleistungsrechte und Garantie beim Verbrauchsgüterkauf“ eingerichtet, an der sich auch die Justizministerkonferenz beteiligt1016. Die Projektgruppe hat den Auftrag, die notwendigen gesetzlichen Änderungen näher zu untersuchen und über mögliche Lösungen zu berichten. Als ersten Schritt erstellte sie ein Arbeitspapier1017, das sich unter anderem mit der Frage befasst, ob hinsichtlich 1014 

Soeben bei Fn. 1005. Ergebnisprotokoll der 9. VSMK am 17. Mai 2013 in Bad Nauheim, TOP  47, S. 65 f. (unten: Anhang 1). 1016  Beschlüsse der 84. JuMiKo am 12. und 13. Juni 2013 in Perl-Nenning, TOP I. 6 (unten: Anhang 2). 1017  Zitiert wird das Arbeitspapier i. d. F. vom 16. September 2014 (unten: Anhang 3). Dieses 1015 

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der Gefahr­tragung während der Nacherfüllung Regelungsbedarf besteht und auf welche Weise eine gesetzgeberische Korrektur ggf. umgesetzt werden könnte.1018 In dem Arbeitspapier wird nach Abwägung der Argumente für und gegen die Zuweisung der Verantwortung für zufällige Beschädigungen während der Nachbesserung an den Verkäufer gesetzgeberischer Handlungsbedarf bejaht. Entsprechend ihrem Auftrag hat die Arbeitsgruppe auch gleich erste Vorschläge zur rechtlichen Umsetzung gemacht. Diese sehen eine Ergänzung des § 439 Abs. 2 vor, wonach die Gefahr (erst)1019 dann wieder auf den Verkäufer übergehen soll, „wenn die mangelhafte Ware zum Zwecke der Nachbesserung die Sphäre des Käufers verlässt“, insbesondere weil damit „ein hinreichender innerer Zusammenhang zwischen der Mangelhaftigkeit und der Beschädigung“ sichergestellt werde, der die Erweiterung der „Gewährleistungspflichten“ des Verkäufers zu rechtfertigen vermöge.1020 Gewissermaßen in Umkehrung der §§ 446, 447 soll dies regelmäßig mit der Rückgabe an den Verkäufer, ausnahmsweise bereits mit der Übergabe an eine Transportperson der Fall sein. Endpunkt der Gefahr­tragung des Verkäufers müsse in jedem Fall die Übergabe der reparierten Sache an den Käufer sein.1021 Solange der Verkäufer demnach (wieder) mit der Gefahr belastet ist, soll zu seinen Lasten in entsprechender Anwendung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 auch bei leichter Fahrlässigkeit des Käufers noch von „Zufall“ auszugehen sein. Die erneute Zuweisung der Gefahr an den Verkäufer soll zur Folge haben, dass etwaige Verschlechterungen der verkauften Sache während dieses Zeitraums neue Sachmängel begründen. Es erscheine „[s]ach- und praxisgerecht, dem Käufer also wiederum die Rechte nach § 437 einzuräumen, d. h. der Beschädigung wie bei der Gewährleistung vorrangig durch Mangelbeseitigung oder Ersatzlieferung abzuhelfen“.1022 Soweit die Projektgruppe diejenigen Argumente aufgreift, die in der rechtswissenschaftlichen Literatur bereits seit einigen Jahren zu diesem Thema diskutiert werden, erfolgt im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit eine nach Argumenten getrennte Auseinandersetzung (auch) mit dem Arbeitspapier. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse sei zu dem Arbeitspapier insgesamt aber bereits an dieser war Grundlage der schriftlichen Praxisanhörung, aus der Stellungnahmen hervorgegangen sind, die – soweit sie öffentlich zugänglich sind – im weiteren Verlauf der Arbeit zitiert werden. Nach Auswertung der schriftlichen Stellungnahmen wurde im Rahmen einer Projektgruppensitzung im Juni 2015 eine mündliche Expertenanhörung durchgeführt, über die Genaueres nicht öffentlich bekannt ist. Derzeit werden die Berichte der Unterarbeitsgruppen, die Grundlage des Arbeitspapiers sind, überarbeitet. Sie sollen in einen Abschlussbericht mit Gesetzesentwurf zur Vorlage an die zuständige Ministerkonferenz eingehen (siehe hierzu im Nachwort). 1018  Arbeitspapier, S. 16–22. 1019  Alternativ war erwogen worden, die Gefahr bereits mit der Mängelanzeige auf den Verkäufer zurückspringen zu lassen. 1020  Arbeitspapier, S. 20 f. 1021  Arbeitspapier, S. 21. 1022  Arbeitspapier, S. 19 f. sowie „Variante 2“ der Formulierungsvorschläge auf S. 22: „Trägt der Verkäufer … die Gefahr, hat der Käufer wegen des Untergangs oder der Verschlechterung der Sache in entsprechender Anwendung die Rechte nach § 437“.



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Stelle angemerkt, dass jedenfalls die Annahme, dass §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 die Verteilung der (Leistungs-)Gefahr während der Ersatzlieferung regele, ebenso grundverkehrt ist wie die Annahme, dass „[d]ie Interessenlage, die den Gesetzgeber dazu bewog, nach § 439 Abs. 4 i. V. m. § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB die Gefahr des zufälligen Untergangs bei der Ersatzlieferung dem Verkäufer zu übertragen, […] in gleichem Maße bei der Nachbesserung besteht“ und dass deshalb „[z]wischen der Gefahr­tragung des Verkäufers bei Ersatzlieferung und Rücktritt einerseits und der Gefahr­tragung des Käufers bei Beschädigungen während der Nachbesserung andererseits“ ein korrekturbedürftiger Wertungswiderspruch“ bestehe.1023

Bei konsequenter Übertragung der (vermeintlichen) Wertung der §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 auf die Nachbesserung hätte der Verkäufer auch nicht nur bei der Nachbesserung auftretende Beschädigungen, sondern sämtliche zufallsbedingte Verschlechterungen, die an der Kaufsache seit ihrer Lieferung an den Käufer aufgetreten sind, zu beseitigen.

d)  Einheitliche Behandlung der „bloßen Beschädigung“ und der „völligen Zerstörung“ der Kaufsache während der Nachbesserung? Das folgende Argument zur Begründung der Zuweisung zufälliger Verschlechterungen der mangelhaften Sache, die im Zuge der Nachbesserung auftreten, zum Verkäufer, wird, soweit ersichtlich, nur in dem Arbeitspapier, aber so nicht in der Kommentarliteratur vertreten: Dem Verkäufer müssten auch deshalb während der Nachbesserung an der nachzubessernden Sache auftretende zufällige Sachschäden zur Last fallen, weil andernfalls auch „im Verhältnis zwischen der bloßen Beschädigung und der Zerstörung der Kaufsache während der Nachbesserung“ ein Wertungswiderspruch bestehe.1024 Die (vermeintliche) Besserstellung des Käufers im Falle einer vollständigen Zerstörung der mangelhaften Sache begründet die Arbeitsgruppe damit, dass der Käufer ggf. statt der Nachbesserung Ersatzlieferung verlangen oder sonst von dem Kaufvertrag zurücktreten kann und in beiden Fällen „in den Genuss der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3“ komme, so dass den Sachverlust letztlich der Verkäufer trägt.1025 Dass der Käufer infolge des Untergangs der nachzubessernden Sache mitunter fristlos zurücktreten kann und der Verkäufer ggf. den vollen Kaufpreis zu erstatten hat, wird in der Kommentarliteratur mit dem Satz beschrieben, „dass während der Nachbesserung der Verkäufer die Gefahr trägt“1026. Dies veranlasst die Projektgruppe offenbar zu dem Schluss, der Verkäufer müsse erst recht die Ge1023 

Arbeitspapier, S. 17–19. Arbeitspapier, S. 18. 1025  Arbeitspapier, S. 17. 1026 So ausdrücklich Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 439 Rn. 14b (bei Fn. 95); ähnlich: Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 93; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 23. Dazu noch: B.III.8.f). 1024 

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fahr der zufälligen Verschlechterung tragen. Denn sie hält es für „nicht erklärbar, weshalb der Käufer im Falle einer vollständigen Zerstörung der Kaufsache besser gestellt wird als bei einer bloßen Beschädigung“.1027

i)  Zum Verständnis des Satzes, dass der Verkäufer während der Nachbesserung die Gefahr (des zufälligen Untergangs) trage Dieses Argument ist nicht geeignet, Wertungen speziell für die Gefahrverteilung während der Nachbesserung abzuleiten und gibt insbesondere nichts für die angestrebte Belastung des Verkäufers mit der Leistungsgefahr (Nachbesserungspflicht bezüglich während der Nachbesserung entstandener Beschädigungen der Kaufsache ohne Rücksicht auf ein haftungsrechtliches Vertreten-müssen des Verkäufers) her.

1)  „Während der Nachbesserung“ Unzutreffend ist das Verständnis von dem Anwendungsbereich der Belastung des Verkäufers mit der Gefahr des zufälligen Untergangs der nachzubessernden Kaufsache. Dass der Verkäufer „während“ oder „bei“ der Nachbesserung die Gefahr des zufälligen Untergangs zu tragen habe, meint nämlich nichts anderes, als dass ihn gewisse Nachteile treffen, die sich daran anschließen, dass die Nachbesserung im Falle des Untergangs des nachzubessernden Stücks unmöglich wird und der Kaufvertrag deshalb – zumindest durch diese Variante der Nacherfüllung – nicht mehr erfüllt werden kann.1028 Der Eintritt dieser Nachteile ist aber völlig unabhängig davon, an welchem Ort und zu welcher Zeit die mangelhafte Sache untergeht. Sie treffen den Verkäufer insbesondere auch dann, wenn das mangelhafte Stück noch beim Käufer – d. h. zwischen seiner Entgegennahme und der Rückgabe zum Zwecke der Nachbesserung – zufällig untergeht. Denn auch dann wird die Nachbesserung ja unmöglich. Diese Belastung des Verkäufers mit der Gefahr des zufälligen Untergangs „bei der Nachbesserung“ hat also nichts mit dem eigentlichen Nachbesserungsvorgang oder damit zu tun, dass die Sache gerade dann untergeht, während sie sich zur Nachbesserung beim Verkäufer oder auf dem Weg dorthin befindet. Auch wenn man der Meinung ist, dass der Käufer für den Rücktrittsgrund allein oder weit überwiegend verantwortlich (und der Rücktritt deshalb gem. §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 6 Alt. 1 ausgeschlossen) sei, wenn er für den Untergang des mangelhaften Stücks verantwortlich ist, reicht es für die Annahme solcher Verantwortlichkeit nicht aus, dass das mangelhafte Stück zwischen der Entgegenahme und der Rückgabe in seiner Obhut untergeht; selbst wenn 1027  Arbeitspapier,

S. 19, Hervorhebung d. Verf. Näher zu diesen Nachteilen, also zum Inhalt der „Gefahr“, die in diesem Zusammenhang angesprochen ist, sogleich: B.III.8.d)i)2). 1028 



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der Käufer den Untergang verursacht hat, ist dies nach vorzugswürdiger Ansicht nicht ausreichend.1029

Wäre aus dem Befund, dass der Verkäufer in Bezug auf die Nachbesserung die Gefahr des zufälligen Untergangs trägt, abzuleiten, dass er auch die Gefahr der zufälligen Verschlechterung zu tragen habe, müsste dies deshalb auf eine umfassende Gefahrbelastung hinauslaufen: Jede zufällige Beschädigung des zur Erfüllung eingesetzten Stücks, gleich an welchem Ort und zu welcher Zeit, insbesondere auch nach der Entgegennahme durch den Käufer, wäre dem Verkäufer anzulasten.1030 In konsequenter Gleichstellung mit der Behandlung des Untergangs der nachzubessernden Sache wäre der Verkäufer sogar mit der Gefahr solcher Verschlechterung belastet, die der Käufer in Unkenntnis des Mangels (d. h. des potentiellen Bestehens einer Nachbesserungspflicht) selbst verursacht. Denn eine Verantwortlichkeit des Käufers, die im Falle des Untergangs möglicherweise zur Folge hätte, dass bestimmte sonst an die Unmöglichkeit der Nachbesserung für den Verkäufer sich anschließenden Nachteile nicht einträten, wäre unter diesen Umständen nicht begründet.1031

2)  „Gefahr“ (des zufälligen Untergangs) Unzutreffend ist ferner die Einschätzung der Projektgruppe in Bezug auf den Inhalt der Gefahr­tragung des Verkäufers, die mit dem Satz, „dass während der Nach­besserung der Verkäufer die Gefahr [des zufälligen Untergangs] trägt“, beschrieben ist. Es geht dabei um die Preisgefahr unter dem Gesichtspunkt, dass der Verkäufer dann, wenn der Käufer infolge des zufälligen Untergangs der nachzubessernden Sache wegen des Sachmangels bzw. dem Ausbleiben seiner Beseitigung (aufgrund der Unmöglichkeit der Nachbesserung) zurücktritt, ungeachtet des nach der Lieferung aufgetretenen Schadensereignisses den vollen Kaufpreis erstatten muss (§ 346 Abs. 1) und selbst vom Käufer keinen Wertersatz (in Höhe des Kaufpreises) verlangen kann (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3). Die Leistungsgefahr, die der Verkäufer nach dem Vorschlag der Projektgruppe (auch) zu tragen hat, weil er vorrangig dazu verpflichtet sein soll, solche Schäden, die zufallsbedingt im Zuge der Nachbesserung an der nachzubessernden Sache der Kaufsache auftreten, ebenfalls auf eigene Kosten durch Nachbesserung zu beseitigen, spielt insoweit keine Rolle. Wenn 1029 

Dazu oben: B.III.5.d)i). sei denn, man nimmt an, dass der Käufer für Verschlechterungen der mangelhaften Ware zwischen ihrer Übergabe an ihn und ihrer Rückgabe an den Verkäufer (zur Nachbesserung) grundsätzlich verantwortlich sei. Das ist aber ohne erhebliche Systembrüche nicht zu vertreten. Dazu oben: B.III.5.d)i). Im Übrigen wären dann konsequenterweise bei Untergang das Ausweichen auf die Ersatzlieferung sowie der Rücktritt ebenfalls aufgrund der Verantwortlichkeit des Käufers ausgeschlossen. Dann wiederum bestünde der (vermeintliche) Wertungswiderspruch zwischen der Behandlung des Untergangs und der Verschlechterung überhaupt nicht. Der Käufer wäre im einen wie im anderen Fall „rechtlos“ gestellt. 1031  Dazu soeben bei Fn. 1029. 1030  Es

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die Nacherfüllung/Nachbesserung unmöglich ist, ist sie dem Verkäufer gerade abgenommen (und trifft den Käufer). Einer strikten Gleichstellung der Behandlung einer „bloßer Beschädigung“ mit der Behandlung der „vollständigen Zerstörung“ der nachzubessernden Sache würde es daher entsprechen, wenn der Käufer in Ansehung einer während der Nachbesserung auftretenden zufälligen Beschädigung den Kaufpreis mindern oder ebenfalls zurücktreten dürfte.1032 Den Verkäufer diesbezüglich zur Nachbesserung zu verpflichten, würde dagegen wiederum eine Ungleichbehandlung gegenüber der Zerstörung der Kaufsache bedeuten.

ii)  „Besserstellung“ des Käufers bei Untergang während der Nachbesserung im Vergleich zur Beschädigung? Es trifft ohnehin nicht zu, dass der Käufer beim zufälligen Untergang der Kaufsache während der Nachbesserung durchweg „besser“ stünde als bei einer bloßen Beschädigung. Der Käufer erwirbt ja nicht wegen des Untergangs der nachzubessernden Kaufsache zusätzliche Mängelrechte. Deshalb kann zumindest aus der rechtlichen Behandlung des zufälligen Untergangs der mangelhaften Sache nicht hergeleitet werden, dass ihm solche bei/wegen einer Beschädigung zustehen müssten. Der Käufer kann vielmehr wegen des Sachmangels, auf den sich die Nachbesserungspflicht des Verkäufers bezieht, (fristlos) zurücktreten, wenn infolge des Untergangs der mangelhaften Sache die Nacherfüllung ausgeschlossen ist. Damit tritt quasi die aufschiebende Bedingung ein, unter der die Sekundärrechte bereits vorher begründet waren. Das gilt auch für die Regelung, dass der Käufer den Sachuntergang auf den Verkäufer abwälzen kann (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3); auch diese besteht nicht wegen des Sachuntergangs, sondern wegen des Rücktritts, der den Käufer dazu befugt, die mangelhafte Sache auch nach ihrer Entgegennahme als Erfüllungsgegenstand zurückzuweisen und sich wegen des Ausbleibens der Erfüllung effektiv von der Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung zu befreien. Auch bei einer „bloßen Beschädigung“ behält der Käufer im Grunde genau die Rechte, die ihm wegen der mangelhaften Leistung des Verkäufers zustehen, einzig mit dem Unterschied, dass der Verkäufer regelmäßig seine Befugnis, diesen Rechte durch Nachbesserung die Grundlage zu entziehen (Recht zur zweiten Andienung, Vorrang der Nacherfüllung), behält (es sei denn, die Beschädigung schließt die 1032  Dann wäre lediglich zu erwägen, dem Verkäufer, der zu einer freiwilligen Nachbesserung auch der späteren Beschädigung bereit ist, eine Abwendungsbefugnis zuzugestehen. Denn es mag sein, dass sein (zusätzlicher) Aufwand zur Nachbesserung geringer wäre als der Verlust, den er im Rahmen einer Kaufpreisminderung erleiden würde. Insofern trifft es übrigens auch nicht unbedingt zu, dass der zufällige Untergang der Kaufsache für den Verkäufer stets von Vorteil sei, weil er dadurch von der Pflicht zur Nachbesserung befreit würde. Deshalb kann man auch nicht sagen, dass ihm die Zerstörung der Kaufsache als die „größere“ Leistungsstörung günstiger sei als die „kleinere“ Leistungsstörung der bloßen Beschädigung und dass (auch) darin ein Wertungswiderspruch liege.



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Möglichkeit der Nachbesserung aus1033). Im Vergleich dazu bedeutet es aber nicht unbedingt eine Besserstellung des Käufers, wenn dieser im Falle des Sachuntergangs wegen des Wegfalls der Abwendungsbefugnis des Verkäufer ohne weiteres zurücktreten darf und somit eine Kaufpreiserstattung erhält und „in den Genuss der Regelung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3“ gelangt. Denn für den Käufer hat in dieser Situation der Untergang der mangelhaften Sache, auch wenn er ihren Wertverlust letztlich nicht spürt, in erster Linie zur Folge, dass sein Erfüllungsinteresse unbefriedigt bleibt (wenn der Verkäufer weder den Mangel noch das Ausbleiben seiner Beseitigung zu vertreten hat, wird dem Käufer das positive Interesse auch nicht in Geld ersetzt – Schadenersatz statt der Leistung). Dagegen erhält er im Falle einer „bloßen Beschädigung“  – unabhängig davon, wie weit die Nachbesserung reicht und insbesondere ob und inwieweit der Verkäufer auch einen erst im Zuge der Nachbesserung entstandenen Schaden reparieren muss – nach erfolgreicher Nachbesserung in jedem Fall die Sache, die haben zu wollen er durch ihre Entgegennahme erklärt hat. Von dieser Erklärung kann der Käufer nicht ohne weiteres abrücken, wenn nicht nach dem Parteiwillen für den Mangelfall die Möglichkeit der Ersatzlieferung vorgesehen ist. Ansonsten steht es ihm nur dann, wenn die Nachbesserung ausbleibt, weil sie unmöglich ist oder weil der Verkäufer sie – zu Recht oder zu Unrecht – nicht bewirkt, frei, die entgegengenommene Sache durch den Rücktritt nachträglich zurückzuweisen.

iii)  Keine „Schlechterstellung“ des Käufers bei „bloßer Beschädigung“ im Vergleich zur „vollständigen“ Zerstörung“, weil Verschlechterung und Untergang nicht in einem Stufenverhältnis stehen Unzutreffend ist schließlich auch die Perspektive, von der aus die Projektgruppe die Behandlung der (vollständigen) Zerstörung mit der (bloßen) Beschädigung der Kaufsache vergleicht: Bei äußerer Betrachtung ist der Unterschied zwischen diesen (Schadens-)Ereignissen in der Tat nur gradueller Natur: der Untergang kann als die maximale Verschlechterung, jede Verschlechterung kann als ein partieller Untergang der Kaufsache beschrieben werden. Dies lässt aber nicht den Schluss zu, dass der Verkäufer deshalb, weil er „sogar“ mit der Gefahr des zufälligen Untergangs belastet ist, wenn Nacherfüllung nur durch Nachbesserung in Betracht kommt, „erst recht“ die Gefahr zufälliger Verschlechterungen tragen müsse. Denn es geht nicht um die „Schwere“ des jeweiligen Schadensereignisses an sich, sondern darum, ob und inwieweit es die Leistung des Verkäufers stört, ob es für den Verkäufer leistungsbefreiend wirkt (Unmöglichkeit) oder ob der Verkäufer an seiner Leistungspflicht festgehalten und sogar mit einem „Mehraufwand“1034 1033 

iii).

1034 

Dazu sogleich: B.III.8.d)iii). Grundlegend dazu Picker in: FS Konzen (2006), 687 (703 ff.); vgl. dazu bereits B.III.6.a)

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(zur Überwindung des Leistungshindernisses „Verschlechterung“ durch Mangelbeseitigung) belastet wird (Nacherfüllung). Während der Untergang der mangelhaften Sache bereits aus faktischen Gründen zur Unmöglichkeit der Nachbesserung (und, wenn eine Ersatzlieferung ausscheidet, der gesamten Nacherfüllung) führt, sind die Auswirkungen einer „bloßen“ Beschädigung nicht derart evident. Sie kann die Unmöglichkeit der Nachbesserung zur Folge haben, weil ihretwegen die Beseitigung des eigentlichen Sachmangels tatsächlich nicht mehr möglich ist oder sich der dazu erforderliche Aufwand über die Schwelle der §§ 439 Abs. 2, 275 Abs. 2 hinaus erhöht. Dann ist der Käufer ebenfalls zum Rücktritt mit der Folge des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 berechtigt, unter diesem Umständen fällt ihm also auch die „bloße Beschädigung“ nicht zur Last. Sie kann die Möglichkeit des Verkäufers, den Sachmangel, auf den die Nachbesserung sich bezieht, zu beseitigen, aber auch unberührt lassen. Dies ist auch dann der Fall, wenn sie die Erfüllung der Nachbesserungspflicht zwar erschwert, die Erhöhung des Nacherfüllungsaufwandes aber nicht die Schwelle der §§ 439 Abs. 3, 275 Abs. 2 erreicht. Allein für diesen Fall lässt sich aus den §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 6 Alt. 1 für den Zusammenhang zwischen einer (bloßen) Beschädigung der Kaufsache und der Reichweite der Nachbesserungspflicht des Verkäufers etwas ableiten, nämlich dass der Verkäufer den erhöhten Nachbesserungsaufwand allein zu tragen hat, wenn der Käufer für die Beschädigung nicht verantwortlich ist.1035

Angesichts der unterschiedlichen rechtlichen Auswirkungen, die eine Beschädigung auf die Verpflichtung des Verkäufers zur Nachbesserung haben kann, kann nicht die Rede davon sein, dass es systemwidrig sei, wenn die Beschädigung der Kaufsache nicht in jedem Fall genau so behandelt wird wie die Zerstörung. Geboten ist keine naturalistische Betrachtung des störenden Ereignisses, sondern eine normative Beurteilung desselben.1036 Ob und mit welchem Inhalt der Verkäufer bei Beschädigung oder Zerstörung bzw. bei Verschlechterung und Untergang der zur Erfüllung eingesetzten Sache zur Leistung verpflichtet bleibt, lässt sich mit dem von Skamel eingeführten Begriffspaar1037 der „Nachbesserungsgefahr“ und „Ersatzlieferungsgefahr“ präziser beschreiben als durch die schlichte Unterscheidung zwischen der Gefahr der zufälligen (totalen) Zerstörung und der Gefahr der zufälligen (bloßen) Verschlechterung.

1035 

Vgl. dazu: B.III.7.b)iii)2)(a). Es geht auch hier um die „Regelungskonkurrenz“ zwischen Unmöglichkeits- und Kaufmängelrecht, über die im Rahmen der Diskussion um eine Ersatzlieferung beim Stück- und konkretisierten Gattungskauf gestritten wird. Dazu oben: B.III.6.a)iv), vgl. auch bei B.III.1.c)ii)4)(a) und (b). 1037  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 26 f., vgl. 46 f., 50, 142 f., 147, 153 f.). 1036 



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e)  Rückgabe zur Nachbesserung als actus contrarius zur Übergabe gem. § 446 S. 1 Manche meinen, die Rückgabe der mangelhaften Sache an den Verkäufer zur Nachbesserung bewirke „die Aufhebung des den Gefahrübergang herbeiführenden Tatbestandes“1038. Dies erscheint naheliegend, wenn man die Anordnung des Gefahrübergangs mit Übergabe (§ 446) und die Bezugnahme des Sachmangel-Tatbestandes auf diesen Zeitpunkt (§ 434 Abs. 1 S. 1) nach dem Sachherrschaftsgedanken darin begründet sieht, dass das zur Erfüllung eingesetzte Stück die „Sphäre“ des Verkäufers verlässt bzw. in die „Sphäre“ des Käufers eintritt.1039, Dementsprechend heißt es auch in dem Arbeitspapier der Projektgruppe, der Käufer habe zumindest ab der Inbesitznahme durch den Verkäufer nicht mehr die Möglichkeit, das Risiko der zufälligen Beschädigung zu beeinflussen; die Ware befinde sich ab diesem Zeitpunkt in der Sphäre des Verkäufers; es erscheine deshalb unbillig, den Käufer mit den Folgen einer zufälligen Beschädigung zu belasten;1040 der Verkäufer sei auch regelmäßig besser als der Käufer in der Lage, sich gegen bestimmte Risiken zu versichern1041. Zweifel kommen allerdings auf, wenn man bedenkt, dass der Erfüllungsort der Nachbesserung nicht zwingend beim Verkäufer liegt,1042 es also durchaus nicht immer so ist, dass der Verkäufer die räumliche „Sphäre“, in der die Nachbesserung stattfindet, beherrscht. Dagegen spricht außerdem, dass die infolge der Übergabe hergestellte räumliche Beziehung zu der Kaufsache und die dadurch vermittelte Möglichkeit der Gefahrenabwehr tatsächlich nicht die tragenden Gründe (sondern nur eine ergänzende Erwägung) des Gefahr(en)übergangs beim Kauf sind,1043 und daher auch für das Zurückspringen der Gefahr(en) mit der Rückgabe zum Zwecke der Nachbesserung nicht entscheidend sein können. Der hier vertretenen erfüllungstheoretischen Begründung des Gefahrübergangs mit Übergabe würde es aber entsprechen, darauf abzustellen, dass der Verkäufer als derjenige, der die Nachbesserung schuldet, die mit der Erfüllung dieser Pflicht verbundenen Risiken zu 1038  Hager (1982) – Gefahr­ tragung, S. 172; zust. Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 446 Rn. 61. Dazu (ablehnend) Ernst in: FS Huber (2006), 165 (233); vgl. auch Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (62 bei Fn. 7). 1039  Kandler (2004) – Kauf, S. 456: Dass der Verkäufer die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung während der Vornahme der Nachbesserung zu tragen habe, folge „aus dem allgemeinen Prinzip der kaufrechtlichen Gefahr­tragung, dass grundsätzlich jede Partei die Gefahr trägt, solange sich die Sache in ihrem Herrschaftsbereich befindet.“ Die Kaufsache befinde sich während der Nachbesserung in der Sphäre des Verkäufers, die sich dem Käufer entziehe; (auch) deshalb könne nichts anderes gelten als vor der gefahrüberwälzenden Übergabe. So wohl auch Oetker/Maultzsch (2013) – Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2.185a (auf die Rückübertragung des Besitzes an den Verkäufer abstellend). 1040  Arbeitspapier, S. 17. 1041  Arbeitspapier, S. 18. 1042 Zur Bestimmung des Erfüllungsorts der Nachbesserung: BGH, Urt. v.  13.04.2011, Az. VIII ZR 220/10 (=NJW 2011, 2278–2284); dazu noch unten: B.III.8.i)iii)2) (bei: Fn. 1112). 1043  Dazu oben: B.II.3.e).

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beherrschen hat. Dies deutet darauf hin, dass ein bestimmter Zusammenhang zwischen dem (Nach-)Erfüllungshandeln des Verkäufers und den im Zusammenhang mit der Nachbesserung entstandenen Schaden an der nachzubessernden Sache gegeben sein muss. Dieser Gedanke wird später vertieft werden.1044

f)  Ableitung aus § 439 Abs. 2 In der Kommentarliteratur wird auch vertreten, (auch) aus § 439 Abs. 2 ergebe sich, dass der Käufer während der Nachbesserung die Gefahr zu tragen habe. Was genau damit gemeint ist, bleibt undeutlich.

i)  Unklare Bedeutung der Bezugnahme auf § 439 Abs. 2 in der Kommentarliteratur Faust bezieht dieses Argument (nur) auf den zufälligen Untergang der Kaufsache, solange sie sich zum Zweck der Nachbesserung im Gewahrsam des Verkäufers oder im Gewahrsam eines Dritten befindet, und führt Stodolkowitz als Vertreter der Gegenansicht an.1045 Letzterer vertritt zumindest in Bezug auf den Untergang1046 aber gar nichts anderes.1047 Und Reinking, den Faust und übrigens auch Matusche-Beckmann1048 als Befürworter der Ansicht nennen, wonach sich aus § 439 Abs. 2 ergebe, dass der Verkäufer während der Nachbesserung die Gefahr des zufälligen Untergangs trage, stützt seine Ansicht, nach welcher der Verkäufer (auch) die Gefahr einer zufälligen Verschlechterung der Kaufsache während der Nachbesserung tragen müsse,1049 am angegebenen Ort1050 nicht auf § 439 Abs. 2. Westermann, der ebenfalls sowohl von Faust als auch von Matusche-Beckmann genannt wird, vertritt zwar – wiederum nur in Bezug auf den Untergang –, dass „man im Ergebnis sagen kann, dass während der Nachbesserung der Verkäufer die Gefahr trägt“, dies aber ohne jeden Bezug zu § 439 Abs. 2.1051 1044 

Dazu unten: B.III.8.i). Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 23. 1046  Faust vertritt an anderer Stelle (a. a. O. Rn. 64 sowie JuS 2008, 179 ff.), dass der Verkäufer während der Nachbesserung auch die Gefahr zufälliger Verschlechterungen zu tragen habe, dies allerdings mit anderer Begründung. 1047  Er betont lediglich, dass dies nicht (unmittelbar) aus § 439 Abs. 2, sondern „aus der Systematik des Gewährleistungsrechts“ folge. Auch wenn der zufällige Untergang im Rahmen der Nachbesserung dem Verkäufer zur Last falle, sei er nur zur Beseitigung des Mangels und solcher Schäden, die mit ihm zusammenhängen, verpflichtet und habe sonstige Verschlechterungen nicht zu beseitigen: „Insofern trägt der Käufer die Gefahr im Sinne des ‚Verschlechterungsrisikos‘. Etwas anderes gilt auch nicht dann, wenn sich die Sache zur Nachbesserung beim Verkäufer befindet und sich dort verschlechtert.“ Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (496 f.), Hervorhebung d. Verf. 1048  Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 94. Dass dem Verkäufer Verschlechterungen zur Last fallen, die dieser während der Nachbesserung verursacht, ohne dies haftungsrechtlich zu vertreten zu haben, lehnt sie bei Rn. 45 ab. Dazu noch bei Fn. 1075. 1049  Dazu oben bei Fn. 1006. 1050  DAR 2001, 8 (12 f.). 1051  Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 439 Rn. 14b; siehe auch oben: B.III.8.d)i). Wes1045 



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Was Faust, Westermann und Matusche-Beckmann übereinstimmend und völlig zutreffend beschreiben, ist lediglich der Befund, dass die Nachbesserung infolge des zufälligen Untergangs der Kaufsache unmöglich wird und der Käufer ggf. (wenn nicht alternativ eine Ersatzlieferung in Betracht kommt) fristlos Sekundärrechte geltend machen kann.1052 Damit hat aber § 439 Abs. 2 eigentlich nichts zu tun1053 und es gilt auch nicht nur für die Zeit, während der sich die mangelhafte Sache zur Nachbesserung beim Verkäufer befindet.1054 Die Unergiebigkeit der genannten Kommentarfundstellen in Bezug auf dieses Argument muss so deutlich hervorgehoben werden. Denn die Bundesrechtsanwaltskammer hat in ihrer Stellungnahme zu dem Arbeitspapier der Projektgruppe den Bedarf einer Regelung, wonach während der Nachbesserung verursachte zufällige Beschädigungen der Kaufsache vom Verkäufer durch Nachbesserung zu beseitigen sein sollen, mit der Begründung verneint, dass sich dies nach „ganz überwiegender Ansicht“ bereits im geltenden Recht aus § 439 Abs. 2 ergebe, und in diesem Zusammenhang auf die soeben zitierten Kommentierungen Bezug genommen.1055 Damit ist für das Gemeinte freilich keine tragfähige Begründung geliefert.

ii)  Richtlinienvorgabe: Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher Das heißt aber nicht, dass sich nicht ein Zusammenhang zwischen § 439 Abs. 2 und der Frage, welcher Partei zufällige Beschädigungen der Kaufsache während der Nachbesserung zuzuweisen sind, herstellen ließe. Dieser liegt nur woanders. Zwar spricht der Wortlaut der Norm nicht von „Gefahr“, „Verschlechterung“ und „Beschädigung“, sondern von den „zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten“.1056 Nach Sinn und Zweck steht dahinter aber der insbesondere in den – für den termann nimmt a. a. O. auf Reinking DAR 2002, 15 (19) Bezug. Dort geht es überhaupt nicht um die Gefahr­tragung. 1052  Dazu oben: B.III.5.d)i) und B.III.8.d). Die Meinungen darüber, ob und inwieweit dem Verkäufer während der Nachbesserung auftretende zufällige Verschlechterungen zur Last fallen, gehen dagegen erheblich auseinander. Dazu später im Text. 1053 So auch Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (496) und Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (62). 1054  Soweit ersichtlich, leitet lediglich Ewert (2007) – Gefahr­tragung, S. 106 (auch) aus § 439 Abs. 2 ab, dass der Verkäufer sämtliche (!) Verschlechterungen, die seit der Lieferung der mangelhaften Ware an den Käufer entstanden seien, ohne dass ihm dies entsprechend den §§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, 277 vorzuwerfen sei, im Rahmen der Nachbesserung zu beseitigen habe. Dazu bereits: B.III.7.d)iii) (bei und in Fn. 986). Sie wird mit dieser Begründung, die sie auch nicht weiter vertieft, aber nirgends zitiert. 1055 Stellungnahme der BRAK zu Neuregelungen der Gewährleistung beim Verbrauchsgüterkauf vom 05.11.2014. 1056  Dagegen differnzierte die zeitgleich in das BGB eingeführte Regelung des § 357 Abs. 2 S. 2 (bis zu der Neuregelung, die am 13.06.2014 in Kraft getreten ist) hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs ausdrücklich zwischen Kosten- und Gefahr­tragung.

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Verbrauchsgüterkauf zwingenden – Richtlinienvorgaben, dass die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes für den Verbraucher unentgeltlich und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten erfolgen muss (Art. 3 Abs. 3), zum Ausdruck kommende Gedanke, dass dem Käufer bei der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes kein unzumutbarer Nachteil entstehen darf.1057 Es scheint, als wäre es damit nicht zu vereinbaren, wenn der Käufer es hinnehmen müsste, dass die zur Nachbesserung gegebene Kaufsache zwar ohne den zunächst vorliegenden Mangel, nunmehr aber mit einem neuen Schaden, den der Verkäufer mangels Verschuldens nicht ersetzen muss, an ihn zurückgelangt.1058 Dem wurde bereits entgegengehalten, dass es nicht das Ziel des Verbraucherschutzes ist, die Parteivereinbarung auszuhebeln und dem Käufer solche Risiken abzunehmen, die er mit dem Vertragsschluss oder durch eine nachträgliche privatautonome Entscheidung übernommen hat.1059 Auch die Projektgruppe vertritt in ihrem Arbeitspapier aber die Meinung, dass man nicht von einer Abhilfe ohne erhebliche Unannehmlichkeiten sprechen könne, „wenn der Käufer sein repariertes Kfz mit einem Hagelschaden oder die reparierte Kaffeemaschine mit einem Transportschaden zurückerhält“.1060 Dazu passt, dass sie ihre Regelungsvorschläge zur Zuweisung der Gefahr zufälliger Beschädigungen der Kaufsache während der Nachbesserung zum Verkäufer in dem Arbeitspapier nicht etwa in § 434 oder in den §§ 446, 447, sondern in § 439 Abs. 2 verortet. Dies schießt aber wenigstens in einem Punkt über die Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hinaus. Denn dem Käufer sollen wegen einer im Zuge der Nachbesserung entstandenen Beschädigung der mangelhaften Sache sämtliche Mängelrechte zustehen, der Verkäufer soll den Schaden also vorzugsweise ebenfalls durch Nachbesserung beseitigen (oder eine Ersatzsache liefern) müssen. Dagegen sieht die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in Art. 3 Abs. 5 lediglich vor, dass der Verbraucher in solchen Fällen, in denen der Verkäufer „nicht ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher Abhilfe geschaffen hat“, den Kaufpreis mindern oder vom Kaufvertrag zurücktreten darf, ohne dem Verkäufer zuvor die Chance geben zu müssen, sich durch eine Reparatur den Kaufpreis in voller Höhe zu verdienen. Für eine Erweiterung der Verpflichtung des Verkäufers zur Nachbesserung (Leistungsgefahr) in Ansehung sämtlicher (auch zufälliger) Schäden, die während der Nachbesserung auftreten, ist daraus nichts abzuleiten.

1057  Kandler (2004) – Kauf, S. 456 leitet daraus ab, dass der Verkäufer die Gefahr der mangelhaften Sache zum Ort der Nachbesserung auch dann zu tragen habe, wenn nicht er oder ein von ihm beauftragter Transporteur, sondern der Käufer selbst den Transport durchführt oder den Versand veranlasst. Zu dem Verständnis des EuGH von dem Gebot, dass die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes ohne erhebliche Unnannehmlichkeiten für den Verbraucher zu erfolgen habe, und den Zusammenhang mit dem Unentgeltlichkeitsgebot, bereits: B.III.7.b)iii)2)(b) (in Fn. 850). 1058 Vgl. Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 64 (ohne Bezug zu § 439 Abs. 2). 1059  Dazu oben: B.III.7.b)iii)2)(c). 1060  Arbeitspapier, S. 17.



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g)  Herleitung aus der Leistungspflicht zur sachmangelfreien Lieferung bzw. zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes Vereinzelt wird vertreten, wenn durch den „Nachbesserungsversuch“1061 des Verkäufers „ein neuer Mangel“ an der gekauften Sache verursacht wurde, sei „die (durch § 439 I BGB modifizierte) Pflicht des Verkäufers, dem Käufer die gekaufte Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen (§ 433 I 2 BGB), trotz ‚Nacherfüllung‘ noch nicht erfüllt“

und der Käufer könne deshalb erneut die Rechte aus § 437 geltend machen.1062 Diese Argumentation ist zirkulär, weil dabei vorausgesetzt wird, was es zu begründen gilt. Denn gerade davon, ob die während der Nachbesserung verursachte Beschädigung einen Sachmangel darstellt bzw. ob sie wie ein solcher zu behandeln ist, hängt ab, ob dieser Schaden ein Qualitätsdefizit ist, das die Erfüllung der Verkäuferpflicht gem. §§ 433 Abs. 1 S. 2, 439 Abs. 1 zu hindern vermag. Dass hier ein „neuer Mangel“ vorliegt, bedarf also gerade der Begründung. Es ist, wie ausführlich begründet wurde,1063 nämlich durchaus nicht so, dass im praktischen Ergebnis einer erfolgreichen Nachbesserung – der Ersatzlieferung entsprechend – der Käufer die1064 in jeder Hinsicht in ihren ursprünglich geschuldeten Neuzustand (zurück-)versetzte Sache erhalten müsste.1065 Das ist auch beim Verbrauchsgüterkauf aus den bei der Untersuchung der Behandlung von (mangelbedingten) „Weiterfresser-Schäden“ an der Kaufsache genannten Erwägungen1066 nicht mit dem Wortlaut der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (Verpflichtung des Verkäufers zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes statt „nur“ zur Beseitigung des Mangels) zu begründen.1067

Weil im Falle der Lieferung mangelhafter Ware der nach § 433 Abs. 1 S. 2 geschuldete Leistungserfolg ausbleibt, ist es zwar möglich, dass eine weitere negative Sachveränderung des gelieferten Stücks ein (weiteres) Erfüllungshindernis darstellt und damit ein Sachmangel ist. Zugleich ist aber zu berücksichtigen, dass der Käufer es zulässt, dass der Verkäufer seine Leistung mangelhaft bewirkt, wenn er die angediente mangelhafte Sache entgegennimmt, und dass er deshalb die Leistung mit diesem Stück (anders bei der Ersatzlieferung, bei der später mit einem anderen Stück (nach-)erfüllt wird) zumindest insoweit gelten lassen muss, wie die

1061  Gemeint ist hier der Fall, dass die Nachbesserung bezüglich des bei Gefahrübergang vorhandenen Mangels erfolgreich ist, dabei aber ein (neuer) Schaden an der Kaufsache entsteht. 1062  Auktor NJW 2003, 120 (121); vgl. Roth in: Schuldrechtsreform (2001), 225 (245 f.). 1063  Dazu oben: B.III.7.a). 1064  Im Unterschied zur Ersatzlieferung, bei der die Lieferung einer (anderen) mangelfreien Sache geschuldet ist. 1065 Vgl. auch Stodolkowitz JA 2010, 492 (494, 495); Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (64 f.). 1066  Dazu: B.III.7.d)ii)3)(a); vgl. auch: B.III.7.a)iii)1) und: B.III.7.d)ii)4). 1067 Vgl. Lorenz/Bauer in: FS Kropholler (2008), 59 (65 bei und in Fn. 16).

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sachliche Integrität dieses Stücks – die Leistungssubstanz1068 – nicht durch die in diesem Moment vorliegende Qualitätsabweichung beeinträchtigt wird. Wie sich in der Auseinandersetzung mit dem mangelbedingten WeiterfresserSchaden (deutlicher als in der Auseinandersetzung mit den Fällen der Mangelintensivierung/-verschlimmerung) gezeigt hat, kommt es für diese Beeinträchtigung aber nicht auf eine physische, sondern auf eine wertende Betrachtung an. Deshalb schließt der Umstand, dass ein später – auch erst im Zuge der Nachbesserung – an der vom Käufer entgegengenommenen Sache auftretender Sachschaden nicht substanziell identisch mit dem „Schaden“ ist, der schon bei der Entgegennahme vorlag, durchaus nicht zwingend aus, den späteren Schaden noch in „den“ Mangel einzubeziehen.

h)  Ähnlichkeit mit Weiterfresser-Mangel – „quasi-mangelbedingter Schaden“ Von daher überrascht es nicht, dass andere zur Begründung der Belastung des Verkäufers mit der Gefahr der zufälligen Verschlechterung während der Nachbesserung eine wertungsmäßige Parallele zur Behandlung der Weiterfresser-Mängel herstellen: Es leuchte nicht ein, warum es einen Unterschied machen sollte, „ob der Schaden von allein „weiterfrisst” oder dadurch, dass der Verkäufer bei dem Versuch, ihn zu beheben, die Kaufsache anderweitig beschädigt?“1069. Weil Weiterfresser-Mängel unter Wertungsgesichtspunkten den Fällen der Intensivierung des ursprünglichen Sachmangels (bei „Mangelidentität“) gleichgestellt würden, könne für Schäden, die der Verkäufer oder seine Leute während der Nachbesserung verursachen, ebenfalls  – wiederum „wertungsmäßig“  – nichts anderes gelten. Denn nicht anders als die „Weiterfresser-Schäden“ beträfen sie die mangelhafte Sache selbst und wären nicht aufgetreten, wenn diese mangelfrei geliefert worden wäre. Im einen wie im anderen Fall könne der ursprüngliche Mangelunwert nicht hinweg gedacht werden, ohne dass die Beschädigung entfiele, weil es ohne den Sachmangel gar keiner Nachbesserung bedurft hätte.1070 Man könnte deshalb auch von „quasi-mangelbedingten“ Verschlechterungen der Kaufsache oder „uneigentlichen Weiterfresser-Schäden“ sprechen. Betont wird jeweils der

1068 

Zum „leistungsbezogenen Integritätsinteresse“ oben: B.III.7.d)ii)3)(c)(ii). Faust JuS 2008, 179 (180). 1070  Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 84, 203; Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 113 f.; vgl. Kandler (2004) – Kauf, S. 455, die mit Verweis auf Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 446 Rn. 61 die Zuweisung der Transportrisiken zum nachbesserungspflichtigen Verkäufer auch damit begründet, dass der Transport nur wegen der Mangelhaftigkeit der Kaufsache stattfinde. Ähnlich Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 257–259 zur Verteilung der Leistungsgefahr (und Preisgefahr), wenn sich die Ware zur „Verbesserung“ beim Verkäufer befindet (einschließlich des Transports): Für die Belastung des Verkäufers spreche, dass ihn aufgrund seiner Verbesserungspflicht wieder eine Erfüllungspflicht treffe, der Vertrag von seiner Seite aus nicht erfüllt sei, solange er die Verbesserung nicht durchgeführt und dem Käufer die Ware übergeben habe, und dass sich die Ware in seiner „Gefahrensphäre“ befinde. 1069 Vgl.



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Zusammenhang zwischen der Beschädigung und der Verletzung der Leistungspflicht des Verkäufers.1071

i)  kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Mangel(-unwert) und späterem Schaden, Schaden beruhe nur auf Schutzpflichtverletzung An diesen „Pflichtwidrigkeitszusammenhang“ knüpft indessen auch die Kritik. Den Unterschied zwischen dem Weiterfresser-Mangel und einem Schaden, der während der Nachbesserung entsteht, erblickt Stodolkowitz darin, dass jener eine unmittelbare Folge des Mangels, gleichsam aus dem „ursprünglichen Mangelunwert“ heraus entstanden, wenn auch nicht mit diesem identisch sei, während dieser lediglich mittelbar mit dem Mangel(unwert) zusammenhänge.1072 Im Vertragsstadium der Nacherfüllung komme es zu einer weiteren Verletzung der Leistungspflicht nur dann, wenn der Verkäufer seine Nacherfüllungspflicht nicht erfüllt. Sofern zufällige Schäden, die während der Nachbesserung an der nachzubessernden Sache auftreten, die Erfüllung der Nachbesserungspflicht unberührt ließen, verletzten sie daher nicht die Leistungspflicht bzw. das Äquivalenzinteresse des Käufers. Solche Schäden „bei Gelegenheit der Nachbesserung“1073 beruhten lediglich auf der (objektiven) Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme „auf das Interesse des Käufers an der Integrität seiner sonstigen Rechtsgüter“1074. Matusche-Beckmann spricht von der „Verletzung der Nebenpflicht des Verkäufers, keine weiteren Schäden an der ansonsten mangelfreien ‚Restsache‘ herbeizuführen“1075. Auch das OLG Saarbrücken hat in der ersten der beiden eingangs erwähnten Entscheidungen betont, dass die Schädigung der mangelhaften Sache während der Nachbesserung „zwar im naturwissenschaftlichen Sinne kausal bedingt [ist] durch die ursprünglich mangelhafte Leistung, da es ohne sie nicht zu der anderweitig schadensträchtigen Nachbesserung gekommen wäre. Maßgeblich ist der Schadensfall jedoch verursacht worden nur ‚bei Gelegenheit der Nachbesserung‘ durch eine Schutzpflichtverletzung in Bezug auf den Kaufgegenstand im Übrigen, die sich schadensträchtig allein zufälligerweise auf dieses Rechtsgut und nicht ein anderes auswirkte, so dass es jedenfalls am erforderlichen engen und unmittelbaren Zusammenhang zum Mangel fehlt.“1076 1071 Vgl. Zwarg (2010) – Nacherfüllung, S. 112 f. zur Behandlung der („eigentlichen“/„echten“) Weiterfressermängel: Da diese durch ein pflichtwidriges Verhalten des Verkäufers verursacht worden seien, aber ein Schadenersatzanspruch ausscheide, müsse die (objektive) Pflichtwidrigkeit des Verkäufer von der Nachbesserungspflicht aufgefangen werden. Dazu bereits: B.III.7.d)ii)1) (bei Fn. 927). 1072  Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (498); ders. JA 2010, 492 (494–496); ders. ZGS 2010, 448 (454). 1073  Stodolkowitz ZGS 2009, 496 (496); ders. JA 2010, 492 (495 f.); ders. ZGS 2010, 448 (454). 1074  Stodolkowitz JA 2010, 492 (496); Hervorhebung d. Verf. 1075  Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 45. 1076  OLG Saarbrücken Urt. v. 25.07.2007, Az. 1 U 467/06 Rn. 28 (= NJW 2007, 3503 (3504)).

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

ii)  wertungsmäßiger Unterschied zur Beschädigung anderer Gegenstände des Käufers im Zuge der Nachbesserung Auch wenn die Abgrenzung zwischen einer Verletzung des Äquivalenz- und des Integritätsinteresses bei Beschädigungen der Kaufsache während der Nachbesserung „erschwert“ sei, genügt der Verkäufer nach Meinung des 1. Senats des OLG Saarbrücken dem Äquivalenz- oder Erfüllungsinteresse, wenn er letztlich eine Kaufsache liefert, die „den einzigen bei Gefahrübergang vorliegenden Mangel nicht mehr [aufweist]“. Beschädige er die „ansonsten unbeschädigte Kaufsache“ während der Nachbesserung, verletzte dies den Käufer dagegen ausschließlich in seinem Integritätsinteresse „bezogen auf das Eigentum an der Kaufsache im Übrigen“. Es liege dann „kein wertungsmäßiger Unterschied vor zu einer Fallgestaltung, bei der der Verkäufer im Zuge der geschuldeten Nachbesserung andere Gegenstände des Käufers beschädigt“.1077 Dem stimmt ein beachtlicher Teil der Literatur zu.1078

iii)  „Mangelfreier“ Teil der Kaufsache steht einer anderen Sache des Käufers nicht gleich Dass der Verkäufer auch dann nicht zur Nachbesserung verpflichtet wäre, wenn andere Sachen des Käufers im Zuge der Nachbesserung zu Schaden kämen, schließt eine Nachbesserungspflicht in Bezug auf einen entsprechenden Schaden an der nachzubessernden Sache selbst aber durchaus nicht zwingend aus. Auch in der Diskussion um die Behandlung von „Weiterfresser-Schäden“ ist immerhin die Meinung herrschend, dass der Verkäufer den nach der Entgegennahme auftretenden mangelbedingten Schaden an einem funktional von der bereits bei der Entgegennahme „schadhaften“ Stelle abgrenzbaren Teil der Kaufsache durch Nachbesserung beheben (sonst durch Schadenersatz statt der Leistung kompensieren) muss, während er keine Nacherfüllung (allenfalls, bei Vertreten-müssen, Schadenersatz neben der Leistung oder deliktischen Schadenersatz) schulde, wenn andere Sachen des Käufers in Mitleidenschaft gezogen werden.1079 Auch insoweit wird mit dem Zweck der Nacherfüllung argumentiert. Auch insoweit ist anzuerkennen, dass die 1077  Hervorhebung d. Verf., und weiter: „… da es sich in beiden Fällen um die Verletzung einer Nebenpflicht zum Schutz des Käufers handelt. Die kaufrechtliche Leistungspflicht in Bezug auf den Kaufgegenstand hat sich konkretisiert mit der Lieferung der Sache und der Nachbesserung des einzigen bei Gefahrübergang vorliegenden Mangels. Alle weiteren Schutzpflichten stellen Nebenpflichten i. S. des § 241 II BGB dar, deren Verletzung nicht den Anwendungsbereich des § 281 I BGB eröffnet“. 1078  Stodolkowitz JA 2010, 492 ff.; ders. ZGS 2010, 448 (450, 451 ff.); ders. ZGS 2009, 496 (499, 501); Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 439 Rn. 43; Pammler in: JurisPK (2014) – BGB, § 440 Rn. 35 § 437 Rn. 46; Kaiser in: Eckpfeiler (2014/15), S. 628 (I. 185); vgl. Schwarze in: Staudinger (2014) – BGB, § 280 Rn. C-38, E-19, § 281 Rn. B-68, C-9 f.; Otto/ ders. in: Staudinger (2009) – BGB, § 323 Rn. B-85. 1079  Dazu oben: B.III.7.d)ii)1). Ob der 1. Senat des OLG Saarbrücken das auch so sieht, ist den Urteilsgründen nicht eindeutig zu entnehmen. Das Gericht nimmt aber an, dass die Nach-



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Verletzung der Integrität der mangelhaften Sache im Zuge der (Nach-)Erfüllung keine „gewöhnliche“ Verletzung des Integritätsinteresses des Käufers ist.1080 Man wird der Besonderheit der Situation nicht gerecht, wenn man die Kaufsache, die sich zur Nachbesserung beim Verkäufer befindet, wie eine beliebige Sache des Käufers behandelt, auf die der Verkäufer wie ein beliebiger Dritter einwirke, weil es sich immerhin um das Leistungsobjekt der Vertragsbeziehung, deren Erfüllung insgesamt noch in der Schwebe steht, handelt. Deshalb überzeugt auch der Vergleich zu dem „klassischen Schulbeispiel eines Malers, der bei der Durchführung von Nachbesserungsarbeiten an einer Wohnzimmerwand eine Vase zerstört“, den Cziupka/Kliebisch1081 ziehen, nicht. Denn obgleich zuzugeben ist, dass niemand ernsthaft die Behauptung aufstellen würde, der Schaden an der Vase sei wie ein Mangel der Malerarbeiten zu bewerten, ist der Schaden an der Vase gar nicht mit der Situation der Beschädigung des Nachbesserungsgegenstandes selbst vergleichbar. Dem entspricht vielmehr die Situation, dass der Maler bei der Durchführung von Nachbesserungsarbeiten an der Wohnzimmerwand einen Teil der Wand, der bereits tadellos angestrichen war, verschmutzt.

iv)  Verkäufer steht der nachzubessernden Sache nicht wie beliebiger Dritter gegenüber Die Einwirkung des Verkäufers ist, zumindest was das eigentliche (Nach-)Erfüllungshandeln angeht, auch nicht mit dem Verhalten eines beliebigen Dritten, den der Käufer (nach Verweigerung der Nacherfüllung durch den Verkäufer) mit der Reparatur der Sache beauftragt hat, zu vergleichen.1082 Denn wenn der Mangel (mit verhältnismäßigem Aufwand) behebbar ist, muss der Käufer dem Verkäufer wegen des Vorrangs der Nacherfüllung die Gelegenheit zur Nachbesserung geben (es sei denn, es kommt alternativ eine Ersatzlieferung in Betracht), weshalb ja auch argumentiert wird, es sei mit der Richtlinienvorgabe, wonach die Herstellung des vertragsmäßen Zustandes ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Käufer erfolgen muss (vgl. auch § 439 Abs. 2), nicht zu vereinbaren, den Käufer während der Nachbesserung mit der Gefahr zu belasten. Dagegen ist nicht einzuwenden, dies sei ein Risiko, dass der Käufer mit dem Vertragsschluss eingegangen sei, indem er sich den Verkäufer als Vertragspartner ausgesucht und von der Möglichkeit, die Ersatzlieferung (mit ihrem weiteren Leistungsumfang und ihrer der Zuweisung der Gefahr von Zufallsschäden an der entgegengenommenen Sache zum Verkäufer) im Einvernehmen mit dem Verkäufer für den Mangelfall einzuplanen, keinen Gebrauch gemacht habe. Denn in jedem besserung sich auf die Beseitigung des „den Mangel begründenden Nachteils an der verkauften Sache“ bezieht, was Weiterfresser-Schäden einschließen dürfte. 1080  Zum „leistungsbezogenen Integritätsinteresse“: B.III.7.d)ii)3)(c)(ii). 1081  JuS 2008, 855 (857); vgl. auch Faust JuS 2008, 179 (180). 1082  So aber Stodolkowitz JA 2010, 492 (495). Dagegen auch Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 437 Rn. 195. Siehe noch: B.III.8.i).

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Fall muss der Verkäufer eigentlich schon rechtzeitig zu dem ersten Erfüllungsversuch für die Mangelfreiheit sorgen, und es ist kein Grund ersichtlich, warum er von dem Risiko, bei der Vorbereitung der Leistung durch die Beseitigung etwaiger Qualitätsdefizite die Qualität der für die Erfüllung vorgesehenen Sache anderweitig zu beeinträchtigen, befreit werden sollte, wenn er dieser Pflicht nicht genügt. Zwar liegt in der Entgegennahme der mangelhaften Sache eine gewisse Zäsur für die Reichweite der Leistung(sgefahr) hinsichtlich des entgegengenommenen Stücks; der Käufer nimmt dem Verkäufer dadurch aber auch nicht jedes Risiko ab.1083

v) Zwischenergebnis Eine Gemeinsamkeit zwischen dem „Weiterfresser-Mangel“ und dem in diesem Abschnitt interessierenden während der Nachbesserung auftretenden Schaden an der nachzubessernden Sache besteht jedenfalls in dem natürlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Qualitätsdefizit, das Anlass zur Nachbesserung gegeben hat, und dem später auftretenden Schaden. Dieser Kausalzusammenhang ist aber im einen wie im anderen Fall kein hinreichendes Kriterium für die Erstreckung der Nacherfüllungspflicht auch auf den späteren Schaden. Es bedarf außerdem einer wertenden Zurechnung. Gerade bei dieser Zurechnung wird allerdings auch ein Unterschied zwischen den Fallgruppen erkennbar. Denn die Erwägung, die diese Zurechnung beim „Weiterfresser-Mangel“ (als „echtem“ bzw. unmittelbar mangelbedingten Schaden) trägt, ist auf die Fallgruppe der „quasi-mangelbedingten“ Beschädigung nicht übertragbar, weil sich dabei in der Verschlechterung während der Nachbesserung kein mit der konkreten anfänglichen Qualitätsabweichung als solcher zusammenhängendes „Schadensrisiko“ verwirklicht. Deshalb ist ein Zurechnungszusammenhang, der die Erfassung des bei der Nachbesserung aufgetretenen Schadens als Sachmangel rechtfertigen würde, aber nicht zwingend ausgeschlossen. Eine Einbeziehung des Schadens in die Nichterfüllung kommt immerhin unter dem Aspekt in Betracht, dass sich ein mit der Beseitigung dieser Qualitätsabweichung verbundenes Schadensrisiko, eine „nachbesserungsspezifische Gefahr“1084, verwirklicht. Von daher lässt sich folgende Parallele herstellen: Während beim Weiterfresser–Mangel die Zurechnung zur mangelbedingten Verletzung des Äquivalenzinteresses dadurch begründet wird, dass der spätere Schaden noch auf das unzureichende Erfüllungshandeln zurückzuführen ist,1085 könnte eine entsprechende Zurechnung bei einem im Zuge der Nachbesserung entstandenen Schaden vermittelt werden, wenn und weil dieser Schaden auf unzureichendem Nacherfüllungshandeln des Verkäufers, durch das die Verletzung der Leistungspflicht (das unzureichende Erfüllungshandeln) „geheilt“ werden soll, beruht. Angesichts der bestehenden Unterschiede zwischen 1083 

Dazu: B.III.3.b)iv). Dazu bereits: B.III.8.e) (bei Fn. 1044). 1085  Dazu oben: B.III.7.d)ii)4). 1084 



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den beiden Fallgruppen, ist die Rechtfertigung der Behandlung eines während der Nachbesserung verursachten Schadens an der Kaufsache als Sachmangel aber nicht allein durch eine „Analogie“ zur Behandlung der „mangelbedingten Weiterfresser-Schäden“ zu erledigen.

i)  Zusammenhang mit dem (Nach-)Erfüllungshandeln und nachbesserungstypische Risiken Die Gedanken, die aus der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Argumenten für und wider die Erfassung solcher Schäden an der Kaufsache, die im Zuge der Nachbesserung auftreten, gewonnen wurden, sollen im Folgenden zu einer eigenständigen Lösung zusammengeführt werden.

i)  Differenzierung geboten: Beschädigungen „bei Gelegenheit der Nachbesserung“ vs. „Beschädigungen bei der Nachbesserung“ oder „durch die Nachbesserung“ Ein Schaden, der lediglich „bei Gelegenheit der Nachbesserung“ an der nachzubessernden Sache auftritt, verletzt das Integritätsinteresse des Käufers in der Tat nicht in anderer Weise als die Beschädigung sonstiger Sachen des Käufers, mit denen der Verkäufer bei der Nachbesserung in Berührung kommt. Auf solche Schäden ist die Nachbesserungspflicht nicht zu erstrecken, der Verkäufer haftet (nur) bei Vertreten-müssen (§ 280 Abs. 1) bzw. Verschulden (§ 823 Abs. 1). Anders als der 1. Senat des OLG Saarbrücken und insbesondere Stodolkowitz meinen, trifft dies aber nicht auf alle Schäden zu, die im Zuge der Nachbesserung an der Kaufsache auftreten. Dementsprechend fällt auch das zweite Urteil des 4. Senats des OLG Saarbrücken differenzierter aus: „Im Rahmen der Nachbesserung eintretende Beschädigungen der Kaufsache“ stellten (nur) dann eine Verletzung allein des Integritätsinteresses dar, wenn sie lediglich „aus einer Verletzung von Neben- und Schutzpflichten gelegentlich der Nacherfüllung in Bezug auf die ansonsten unbeschädigte Kaufsache herrühren“; andernfalls seien sie „so zu behandeln wie bei Gefahrübergang bestehende Mängel“.1086 Fraglich ist, welcher Zusammenhang zwischen der Nachbesserung und der Beschädigung der Kaufsache bestehen muss, damit der Schaden noch als Sachmangel zu erfassen und nicht lediglich als „bei Gelegenheit“ derselben entstanden anzusehen ist. Auch Schwarze1087 betont, dass „die Beschädigung [der nachzubessernden Sache], die gelegentlich eines Nachbesserungsversuchs verursacht wird (z. B. Verkäufer verursacht anlässlich Behebung eines bei Lieferung vorhandenen Bremsdefekts einen Lackschaden am verkauften Kfz)“, die Haftung des Verkäufers allein 1086  1087 

Dazu: B.III.8.a)ii). Staudinger (2014) – BGB, § 280 Rn. C-38, E-19, § 281 Rn. B-68.

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nach Maßgabe des § 280 Abs. 1 begründe. Dies soll seiner Ansicht nach aber offenbar für jeden Schaden gelten, der nicht gerade den mangelhaften Teil der Kaufsache betrifft und die Kaufsache in gleicher Weise wie der zu beseitigende Mangel beeinträchtigt1088 (das entspricht der Fallgestaltung im „Dackel-Urteil“1089). Diese Sichtweise ist zu eng. Im Ausgangspunkt beruht sie auf der Annahme, dass „[m]it Bewirkung der Leistung und dem Erlöschen des Leistungsanspruchs (§ 362) … der Leistungsgegenstand in die Integritätssphäre des Gläubigers über[gehe]“, von da an in seine „Vermögenssphäre“ gehöre. Dem ist zuzustimmen. Es überzeugt allerdings nicht, diese Begründung kurzerhand auf den Fall der Übergabe einer mangelhaften Sache zu übertragen1090. Denn die mangelhafte Sache ist – insgesamt – gerade nicht erfüllungstauglich, ihre Lieferung führt auch nicht zu einer Teilerfüllung. Damit bleiben die Erfüllung in der Schwebe und der gesamte Leistungsgegenstand grundsätzlich anfällig für Schäden, welche die Erfüllung der Leistungspflicht beeinträchtigen können. Selbstverständlich ist hier eine Einschränkung geboten, die dem Umstand Rechnung trägt, dass der Käufer die mangelhafte Sache angenommen und es zugelassen hat, dass der Verkäufer seine Leistung mangelhaft bewirkt1091. Es überzeugt aber nicht, dem Verkäufer das Risiko solcher Schäden abzunehmen, die er dadurch verursacht, dass er nachholt, was er eigentlich schon vor der Lieferung hätte erledigen müssen. Denn dadurch würde er geradezu dafür belohnt, dem Käufer eine „unvollendete“ Sache untergeschoben zu haben. Diese Erwägung spricht dafür, zur Abgrenzung den soeben1092 im Vergleich mit der Fallgruppe des „mangelbedingten Weiterfresser-Schadens an der Kaufsache“ entwickelten Gedanke aufzugreifen: Ein Zusammenhang mit der Verkäuferleistung an und mit der Kaufsache, der es rechtfertigt, den Schaden als Verletzung (auch) des Äquivalenzinteresses des Käufers und damit als Sachmangel zu erfassen, ist dann gegeben, wenn der Schaden gerade auf das unzureichende Nacherfüllungshandeln des Verkäufers zurückzuführen ist. Begrifflich lässt sich demnach die Beschädigung der Kaufsache „bei Gelegenheit der Nachbesserung“ der Beschädigung der Kaufsache „durch Nachbesserung“ gegenüberstellen. In dem zweiten Fall, über den das OLG Saarbrücken entschied und bei dem das Vorliegen eines Sachmangels bejaht wurde, wurde die Beschädigung der Kaufsache unmittelbar durch die (nicht fachgerecht durchgeführte) Reparatur durch einen Mitarbeiter des Verkäufers verursacht. Jedenfalls unter solchen Umständen besteht ein derart enger Zusammenhang zwischen dem Leistungshandeln des Verkäufers (bzw. seines Erfüllungsgehilfen) 1088 Vgl. Schwarze in: Staudinger (2014) – BGB, § 280 Rn. E-19: „Führt die Nachbesserung zu einem neuen Mangel (im Beispiel: Austausch der defekten Bremsanlage gegen eine neue, aber ebenfalls defekte Bremse“, ist das Leistungsinteresse betroffen und es sind §§ 281, 323 einschlägig.“ 1089  Dazu: B.III.8.a)iii). 1090  Schwarze in: Staudinger (2014) – BGB, § 280 Rn. C-38, E-19: „Dies gilt auch …“. 1091  Dazu: B.III.7.a)iii)1)(a). 1092  Dazu: B.III.8.h)v).



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und dem Schaden, dass von einer Verletzung des Leistungsinteresses des Käufers infolge einer Verletzung der Leistungspflicht des Verkäufers auszugehen ist. Im Vergleich zu dem der ersten Entscheidung des OLG Saarbrücken zugrunde liegenden Fall zeichnete sich dieser Fall außerdem dadurch aus, dass der Wechsel des Zahnriemens die Funktionsfähigkeit des Motors, also desselben Teils, das im Zuge der Nachbesserung beschädigt wurde, betraf. In dem anderen vom OLG Saarbrücken zu entscheidenden Fall wurde mit der Karosserie dagegen ein anderes als das reparierte Fahrzeugteil (Motor) beschädigt. Dieser Unterschied rechtfertigt aber keine Ungleichbehandlung der Fälle.1093

ii)  Beschädigung durch Nachbesserung nur bei haftungsrechtlichem Vertreten-müssen des Verkäufers als Sachmangel zu erfassen? In den beiden vom OLG Saarbrücken entschiedenen Fällen begehrte der Käufer nicht Verurteilung des Verkäufers zur Mangelbeseitigung, sondern Schadenersatz (statt der (mangelfreien) Leistung bzw. statt der Nachbesserung). Der Verkäufer hatte die Beschädigung der Kaufsache im Zuge der Nachbesserung jeweils zu vertreten, weil Mitarbeiter sie fahrlässig verursacht hatten (§§ 276, 278). Es ging deshalb vornehmlich um die Frage, ob die sonstigen Voraussetzungen des Schadenersatzes statt der Leistung vorlägen. Mit Blick auf die zweite Entscheidung, in der das OLG diese Frage bejaht hat, kann man sagen, dass bislang nur für den Fall, dass der Verkäufer im Zuge der Nachbesserung eine Beschädigung der Kaufsache schuldhaft verursacht hat, entschieden worden ist, dass diese Beschädigung als Sachmangel zu erfassen ist. Fraglich ist, ob es in dieser Fallgestaltung ausnahmsweise bereits für die Begründung der Nacherfüllungspflicht auf der „Primärebene“ – gewissermaßen als zusätzlicher Zurechnungsgrund – notwendig ist, dass der Verkäufer die Beschädigung der Kaufsache im Zuge der Nachbesserung haftungsrechtlich zu vertreten hat. Dieser Ansicht ist offenbar Ernst.1094 Er geht davon aus, dass die Gefahr gem. §§ 446, 447 auch bei Vorliegen eines Sachmangels übergehe, der Gefahrübergang aber „eine zeitliche Grenze nur für die Zufallsmängel darstellt“. Es sei deshalb möglich, auch nach diesem Zeitpunkt auftretende Schäden an der Kaufsache noch als Sachmangel zu erfassen. Dies setze aber voraus, „dass der Eintritt des sachmangelhaften Zustands noch dem Erfüllungshandeln des Verkäufers zugerechnet werden kann“ und dass der Verkäufer die Verursachung dieses Zustandes im haftungsrechtlichen Sinne1095 zu vertreten hat. 1093 

Dazu noch unten: B.III.8.i)ii) (bei Fn. 1109). Ernst in: FS Huber (2006), 165 (210 f.), freilich ohne Bezugnahme auf die erst später ergangenen Entscheidungen des OLG Saarbrücken. 1095  Zur „vertragsrechtlichen Bewältigung des Weiterfresserschadens“ lässt Ernst in: FS Huber (2006), 165 (223) es dagegen ausreichen, dass der später eingetretene Schaden noch auf dem ursprünglichen Sachmangel beruhe, ohne Rücksicht darauf, ob der Verkäufer diesen im haftungsrechtlichen Sinne zu vertreten hat: „Hinsichtlich des eingetretenen Schadens kann sich der Verkäufer auf den herbeigeführten Gefahrübergang nicht berufen. Dies liegt schon daran, dass es an einem Zufall und damit an einer Situation fehlt, die von den Gefahr­tragungsnormen erfasst wird. 1094 

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Es komme darauf an, „ob der Eintritt des vertragswidrigen Sachzustands sich noch als eine Verletzung der Verkäuferpflicht zur Leistung der Sache im mangelfreien Zustand darstellt“. Erforderlich sei, dass der Schädiger noch als Verkäufer handelt. Es bestehe „daher wohl eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Sachmangel noch in einem engeren zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe der Kaufsache auftritt“. Diese Voraussetzung dürfte bei Beschädigungen der Kaufsache im Zuge der Nachbesserung aber auch zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt sein. Denn unzweifelhaft handelt der Verkäufer hierbei als solcher in Erfüllung seiner kaufvertraglichen Leistungspflicht zur Verschaffung einer sachmangelfreien Sache (und muss sich dementsprechend das Verhalten Dritter, die er mit der Nachbesserung beauftragt hat, zurechnen lassen).

iii)  Verursachung durch (Nach-)Erfüllungshandeln notwendig, aber auch ausreichend Diese Ansicht fasst die Voraussetzungen für die Erfassung von „Nachbesserungsschäden“ als Sachmangel zu eng. Notwendig, aber auch ausreichend muss es sein, dass der Verkäufer oder ein von ihm beauftragter Dritten bei einem Verhalten, das im inneren Zusammenhang mit der Nachbesserung steht – durch die Nachbesserung –, einen Schaden an der Kaufsache verursacht hat. Dies ist notwendig, weil andernfalls in der Tat nicht einzusehen wäre, warum „der Eintritt des vertragswidrigen Sachzustands … noch als eine Verletzung der Verkäuferpflicht zur Leistung der Sache im mangelfreien Zustand“ erfasst werden sollte. Es ist ausreichend, weil sich in der Verursachung des Schadens im Zuge der Nachbesserung durch den Verkäufer (oder eine Zurechnungsperson) nicht das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht, das der Käufer mit der Entgegennahme des mangelhaften Stücks in Bezug auf dasselbe (unter der Bedingung, dass mit ihm der Vertrag letztlich erfüllt werden wird)1096 übernommen hat,1097 sondern im engeren Sinne das Risiko der Leistungserbringung, das der Verkäufer nach dem Vertrag übernommen hat und das sich als das spezifische Risiko der „Restleistung“ fortsetzt.

1)  Nachbesserungsspezifischer Risikozusammenhang Die Nachbesserung besteht vor allem darin, dass der Verkäufer das nachholt, was er schon vor der „Erstlieferung“ hätte erledigen müssen. Hätte er bei der Behebung Der Sachmangel als die Ursache des Untergangs (oder der Verschlechterung) ist eine Pflichtverletzung, für die der Verkäufer die Verantwortung trägt.“ (Hervorhebung d. Verf.); ähnlich Köhler in: Staudinger (1995) – BGB, § 446 Rn. 24. Dazu schon oben: B.III.7.d)ii)1) (in Fn. 928) und: B.III.7.d)ii)3)(c)(iii) (bei und nach Fn. 966). 1096  Wenn der Käufer wegen Ausbleibens der Nachbesserung letztlich Ersatzlieferung verlangt oder vom Vertrag zurücktritt, wird der Vertrag entweder gar nicht oder mit einer anderen Sache erfüllt. In beiden Fällen ist die zuerst gelieferte Sache als Leistungsgegenstand disqualifiziert, so dass ihr Sachschicksal keine Auswirkungen auf die Leistung oder Gegenleistung hat. Das Risiko der zufälligen Verschlechterung und des zufälligen Untergangs dieses Stück trifft dann in jeglicher Hinsicht den Verkäufer (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3). Dazu: B.III.5.c)iv)3)(b)(i), B.III.5.c)v) und B.III.6.b)iii). 1097  Dazu: B.III.3.b)iv)2), B.III.7.a)iii)1)(c) und B.III.7.a)iii)2)(b).



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eines Erfüllungshindernisses vor dem ersten Erfüllungsversuch einen (anderen) Schaden an der Kaufsache verursacht und diesen vor der Lieferung nicht beseitigt, hätte dies selbstverständlich ohne Rücksicht auf ein Verschulden bei der Lieferung wiederum ein Erfüllungshindernis begründet, dessen Beseitigung der Käufer hätte verlangen können. Warum der vertragswidrig leistende Verkäufer, der sich mit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes verspätet, privilegiert werden sollte, ist nicht ersichtlich.1098 Der Verkäufer könnte dem Käufer bewusst eine „unfertige“ (mangelhafte) Sache zuschieben, um sich von dem Risiko zu befreien, bei einer komplizierten und möglicherweise besonders „gefahrgeneigten“ Reparatur (weitere) Schäden zu verursachen.1099 Dem ist nicht entgegenzuhalten, dass sich eine Begrenzung der Gefahr­tragung des Verkäufers auf Schäden, die er in zurechenbarer Weise bei der Nachbesserung an der Kaufsache verursacht, so nicht erklären lasse, weil Verschlechterungen, die vor der Erstlieferung an der Kaufsache auftreten, dem Verkäufer nicht nur ohne Rücksicht auf ein Verschulden, sondern auch ohne Rücksicht darauf, ob er sie überhaupt verursacht hat, als Sachmängel zur Last fallen. Denn insoweit macht den entscheidenden Unterschied, dass der Käufer die angediente Sache inzwischen entgegengenommen hat und dann, wenn die Nachbesserung erfolgreich ist, behalten wird.1100 Auch der notwendige Zusammenhang zwischen einem später an der gelieferten Sache auftretenden Weiterfresser-Schaden und der Verletzung der Leistungspflicht durch den Verkäufer wird durch ein konkretes Verhalten des Verkäufers, nämlich die Übergabe mangelhafter Ware, vermittelt.1101 Um ebenfalls als Sachmangel erfasst zu werden, muss ein im Zuge der Nachbesserung entstandener Schaden an der nachzubessernden Sache dementsprechend auf spezifisches Nacherfüllungsverhalten des Verkäufers zurückgeführt werden. Dagegen kann ferner nicht eingewendet werden, dass Beschädigungen, die der Verkäufer im Zuge der Nachbesserung verursacht, keine „spezifischen Gefahren der Nacherfüllung mehr“ seien, weil sie „anstelle des Verkäufers ebenso einem 1098 

Dazu bereits: B.III.8.h)iv). Dem ist nicht entgegenzuhalten, dass der Verkäufer dadurch keinen Vorteil hätte, weil er bei einer vorsätzlichen Mangellieferung auf Schadenersatz haftet. Denn statt der Leistung ersetzen muss der Verkäufer mit Blick auf die Beseitigung des Mangels ggf. nur die für die Reparatur erforderlichen Kosten, nicht aber Schäden, die bei der Selbstvornahme der Mangelbeseitigung durch den Käufer oder einen von ihm beauftragten Dritten verursacht werden. Im Übrigen kann Schadenersatz statt der Leistung grundsätzlich auch erst verlangt werden, nachdem der Verkäufer Gelegenheit zur Nacherfüllung hatte. 1100  Dazu oben: B.III.3.b)iv) und: B.III.7.a)iii) sowie unten: B.III.9. 1101  Die maßgebliche Verletzung der Leistungspflicht liegt dagegen nicht in der Verursachung des bei der Lieferung vorliegenden Sachmangels. Dies wird daran deutlich, dass der Verkäufer für einen auf einer zufälligen, nicht einmal vom ihm verursachten Verschlechterung zwischen dem Vertragsschluss und der Übergabe entstandenen Schaden mit Blick auf Minderung und Rücktritt (zur „Gewährleistung kraft Gefahr­tragung“: B.II.2) sowie Nacherfüllung (zur „Belastung des Verkäufers mit der Leistungsgefahr kraft Verpflichtung zur Nacherfüllung“: B.III.2.a)) genau so „haftet“ wie bei einer vorsätzlichen Sachbeschädigung in diesem Zeitraum oder beim bewussten Verkauf eines bereits anfänglich mangelhaften Stücks. 1099 

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Dritten unterlaufen [könnten], den der Käufer beispielsweise mit der Reparatur des Mangels betraut, nachdem der Verkäufer die Nacherfüllung verweigert hat“.1102 Wegen des Rechts des Verkäufers auf die zweite Andienung, das sich aus dem systematischen Vorrang der Nacherfüllung ergibt, darf der Käufer die Nachbesserung grundsätzlich gerade nicht von einem beliebigen Dritten durchführen lassen (zumindest nicht auf Kosten des Verkäufers).1103 Erhält der Verkäufer die Chance, den Mangel seiner Leistung selbst auszugleichen und sich auf diese Weise „im zweiten Anlauf“ den Kaufpreis (in voller Höhe) zu verdienen, spricht dies dafür, ihn auch mit den Risiken zu belasten.1104 Nutzt er diese Chance nicht, fallen ihm auch die Risiken der Nachbesserung nicht zur Last. Etwaige Schäden, die im Zuge einer Reparatur auftreten, die der Käufer selbst vornimmt oder von einem Dritten durchführen lässt, nachdem der Verkäufer eine angemessene Nacherfüllungsfrist hat verstreichen, hat der Verkäufer selbst dann, wenn er die mangelhafte Leistung als solche sowie das Ausbleiben der Nacherfüllung zu vertreten hat, nicht zu ersetzen.1105 Wenn der Verkäufer selbst nicht nachbessert, steht es dem Käufer in jedem Fall frei, den Kaufpreis zu mindern oder vom Kaufvertrag zurückzutreten. Entscheidet er sich darauf hin, den Mangel von einem Dritten beseitigen zu lassen, trägt er in vollem Umfang die Gefahr der (seiner) Sache, weil sie im Verhältnis zu Dritten lediglich Substrat und – anders als im Verhältnis zu dem nachbesserungspflichtigen Verkäufer – nicht aber (auch) Objekt der Leistung ist.

So dürfte auch das von Kandler vertretene Argument zu verstehen sein, dass (u. a.) aus der Natur des Nacherfüllungsanspruchs folge, dass die Gefahr­tragung während der Nachbesserung nicht anders zu beurteilen sei als vor Gefahrübergang gem. §§ 446, 447, weil es sich bei der Nacherfüllung um einen Bestandteil des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs (auf Lieferung einer mangelfreien Sache) handele und daher für sie grundsätzlich nichts anderes gelten könne als für den ersten Erfüllungsversuch.1106 Im Unterschied zu den oben behandelten Fallgruppen, in denen die Verpflichtung des Verkäufers zur Nachbesserung auch noch auf nach der Entgegennahme der mangelhaften Sache an derselben auftretende Schäden bezogen wird, wenn und weil sich darin die in der Lieferung mangelhafter Ware liegende Verletzung der Leistungspflicht des Verkäufers fortsetzt (Erweiterung des „Mangelunwerts“ in Form einer Mangelintensivierung/-verschlimmerung oder eines Weiterfresser1102 Vgl.

Stodolkowitz JA 2010, 492 (495). Dazu bereits: B.III.8.h)iv). 1104  Übrigens liegt darin auch nicht unbedingt eine Belastung des Verkäufers. Angenommen, er hat eine Beschädigung der Kaufsache im Zuge der Nachbesserung, die sich mit geringem Aufwand beheben ließe, gem. § 276 zu vertreten und versäumt es, diese freiwillig vor der erneuten Lieferung der Kaufsache an den Käufer zu beheben, kann er durchaus daran interessiert sein, eine Schadenersatzhaftung durch Nachbesserung abzuwenden. Eine entsprechende Befugnis hätte er nur, wenn man diesen Schaden als einen solchen statt der Leistung einstufte (Vorrang der Nacherfüllung). Vgl. dazu auch Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 64. 1105  Dazu bereits: B.III.8.i)iii) (in Fn. 1099). 1106  Kandler (2004) – Kauf, S. 456 mit Verweis auf Reinking DAR 2001, 8 (13). 1103 



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Schadens), hängt die Erfassung von Schäden, die im Zuge der Nachbesserung auftreten, als Sachmangel davon ab, dass sie auf einer objektiven Verletzung der Nacherfüllungspflicht, durch die der Verkäufer sein unzureichendes Erfüllungshandeln gerade ausgleichen soll, beruhen. Mit dem Erfordernis eines Vertretenmüssens ist dies allenfalls durch die Formulierung in Verbindung zu bringen, dass der Verkäufer vor wie nach dem Zeitpunkt des § 446 S. 1 (nach-)erfüllungstypische Risiken zu vertreten hat.1107 Bei Anwendung dieser Kriterien wäre der Karosserieschaden in dem ersten vom OLG Saarbrücken1108 entschiedenen Fall, den der Verkäufer freiwillig behob, als Sachmangel zu erfassen gewesen, so dass der Verkäufer ihn hätte beheben müssen und wegen des verbleibenden (nicht behebbaren) technischen Minderwerts des Pkw der Anwendungs- und Schutzbereich der §§ 283, 326, 323 eröffnet gewesen wäre. Entscheidend ist, auf welche Weise der Schaden entstanden ist (nicht, an welchem Teil der Kaufsache er aufgetreten ist1109). Der Mitarbeiter des Verkäufers machte nach der (erfolgreichen) Lösung der „Anspringproblematik“ des Motos offenbar einen Startversuch, um sich von dem Erfolg der Nachbesserung zu überzeugen, wobei das Auto – wohl wegen eines eingelegten Gangs – einen Satz nach vorne machte, gegen eine Werkbank stieß und einen Karosserieschaden erlitt. Damit wurde der Schaden noch unmittelbar durch Nacherfüllungshandeln verursacht. Denn dazu wird man auch noch den Funktionstest der Kaufsache nach der eigentlichen Reparatur zählen müssen.

2)  Insbesondere: Transportrisiken Fraglich ist, wie solche Schäden an der nachzubessernden Sache zu behandeln sind, die bei einem Transport im Zusammenhang mit der Nachbesserung auftreten. Wenn die Reparatur nicht beim Käufer bzw. am Belegenheitsort der mangelhaften Sache durchgeführt wird, muss diese Sache nämlich zu einem anderen Ort – zum Verkäufer oder einem von ihm beauftragten Dritten – verbracht werden (Abtransport), und nach der Reparatur muss sie wieder zum Käufer gelangen (Rücktransport). Qualifiziert man die Beschädigung der Kaufsache bei einem Funktionstest nach der Reparatur noch als eine solche „durch Nachbesserung“, die es rechtfertigt, den Schaden als Mangel zu erfassen,1110 kann man eine entsprechende Behandlung solcher Schäden, die beim Abtransport oder beim Rücktransport auftreten, zumin-

1107 Vgl. Rabl (2002) – Gefahr­tragung, S. 257–259 zur Verteilung der Leistungsgefahr (und Preisgefahr), wenn sich die Ware zur „Verbesserung“ beim Verkäufer befindet (einschließlich des Transports), hierzu bereits Fn. 1070. 1108  Dazu: B.III.8.a)i). 1109  Dazu bereits: B.III.8.i)i) (bei Fn. 1093). Dagegen war der 1. Senat des OLG Saarbrücken der Meinung, dass „die durch die Karosseriebeschädigung bedingte Wertminderung … außerhalb des unmittelbar auf die Mangelbeseitigung bezogenen Pflichtenprogramms“ des Verkäufers stehe. 1110  Dazu soeben: B.III.8.i)iii)1) a. E.

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

dest nicht mit der Begründung ablehnen, dass die Transporte nicht die eigentliche Erfüllungshandlung der Nachbesserung – die Reparatur –, sondern eine vor- bzw. nachbereitende Tätigkeit sind. Es muss aber jedenfalls ein innerer Zusammenhang zwischen dem (Transport-)Schaden und der Nacherfüllung bestehen; dass der Transport nur wegen der Mangelhaftigkeit der gelieferten Sache stattfindet,1111 ist nicht ausreichend. Ob und wie eng die Transporte mit der Nacherfüllungspflicht des Verkäufers zusammenhängen, richtet sich vor allem danach, wo man den Erfüllungsort der Nacherfüllung lokalisiert.1112 Ist der Belegenheitsort der mangelhaften Sache zugleich der Nacherfüllungsort, muss der Verkäufer eigentlich anreisen (den Kundendienst schicken), um die Sache dort zu reparieren.1113 Möchte er sie woanders reparieren (z. B. in einer Werkstatt), hat er für die Organisation und Durchführung des Transports dorthin sowie des Rücktransports zu sorgen. Weicht der Nacherfüllungsort vom Belegenheitsort ab, ist es dagegen allein Angelegenheit des Käufers, für den Abtransport und für den Rücktransport zu sorgen.1114 Es bietet sich folgende Differenzierung an: Hat der Verkäufer die mangelhafte Sache im Rahmen der Nacherfüllung zu transportieren, ist er mit dem Risiko belastet, dass Transportschäden als Sachmängel behandelt werden, die er (verschuldensunabhängig) ebenfalls vorzugsweise beseitigen muss.1115 Denn insoweit besteht ein notwendiger Zusammenhang zwischen dem Transport und der Nacherfüllung, der es rechtfertigt, Transportschäden so zu behandeln, als verursache der Verkäufer sie bei der eigentlichen Reparatur. Um dem rechtspolitischen Anliegen des Verbraucherschutzes möglichst weit entgegen zu kommen, ist der Nacherfüllungsort bei einem Verbrauchsgüterkauf daher beim Käufer oder dort zu lokalisieren, wo die mangelhafte Sache sich (bestimmungsgemäß) befindet. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass sämtliche Transportschäden dem Verkäufer als Sachmängel zur Last fallen. Zwingend ist dies aber nicht, weil auch der Zweck des Verbraucherschutzes 1111  Kandler (2004) – Kauf, S. 455, dazu bereits: B.III.8.h) (in Fn. 1070); sowie zur vertraglich vereinbarten Nachbesserung unter dem BGB von 1900: Köhler in: Staudinger (1995), BGB, § 446 Rn. 24; Huber in: Soergel (1991) – BGB, § 446 Rn. 61 (in der Annahme, Erfüllungsort sei der Sitz des Käufers); Westermann in: MüKo (1994) – BGB, § 446 Rn. 3; vgl. Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 174 (dazu oben: B.III.8.e)). 1112 Zur Bestimmung des Erfüllungsorts der Nachbesserung: BGH, Urt. v.  13.04.2011, Az. VIII ZR 220/10 (= NJW 2011, 2278–2284); vgl. dazu oben: B.III.8.e) (bei Fn. 1042). 1113  Insoweit hat der Verkäufer die Dispositionsbefugnis. Transportiert der Käufer die mangelhafte Sache aus eigener Initiative zum Verkäufer, ist fraglich ob es sich insoweit um eine Selbstvornahme der Nacherfüllung handelt, die den Vorrang der Nacherfüllung unterläuft. Dazu Hellwege AcP 206 (2006), 136 (153 ff.). 1114  Umstritten ist, ob und unter welchen Voraussetzungen der Käufer Ersatz der erforderlichen Transportkosten auch dann verlangen kann, wenn der Verkäufer den Transport als solchen im Rahmen der Nacherfüllung nicht schuldet. Diese Diskussion betrifft die Rechtsnatur des § 439 Abs. 2 und das Verhältnis dieser Regelung zu § 439 Abs. 1. Dazu m. w. N.: Hellwege AcP 206 (2006), 136 (158); Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 439 Rn. 13 f., 21a; vgl. Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 439 Rn. 6 f. 1115  Vgl. auch Skamel ZGS 2006, 227 (231); Reinking NJW 2008, 3608 (3610 f.).



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die Privatautonomie zu respektieren hat.1116 Liegt der Leistungsort der Nacherfüllung beim Verkäufer, dann nur auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarung, d. h. der Käufer hat sich ggf. auf das Risiko des Ab- und Rücktransports zur Nachbesserung eingelassen.1117

Schuldet der Verkäufer den Transport nicht im Rahmen der Nacherfüllung, führt er ihn aber gleichwohl durch, geschieht dies eigentlich auf der Grundlage eines von dem Kaufvertrag unabhängigen Auftrags- oder Gefälligkeitsverhältnisses. Insoweit fallen dem Verkäufer während des Transports auftretende Schäden, die er haftungsrechtlich nicht zu vertreten hat, nicht als Hindernisse für die Erfüllung der Leistungspflicht aus dem Kaufvertrag zur Last. Sie begründen – selbst bei Verschulden – keine Sachmängel, weil die mangelhafte Sache im Rahmen des Transports außerhalb der Nacherfüllung nicht Objekt der Leistung ist und Transportschäden daher auch nicht die Integrität der Leistungssubstanz beeinträchtigen. Schließlich ist es denkbar, dass der Käufer den Transport durchführt, obwohl der Verkäufer diesen im Rahmen der Nacherfüllung schuldet. Es handelt sich um eine Selbstvornahme, wenn die Transporte zum Zwecke der Nachbesserung vom Vorrang der Nacherfüllung umfasst sind. Ist diese nicht mit dem Verkäufer abgesprochen, ist zweifelhaft, ob der Käufer insoweit Kostenersatz verlangen kann. Sein vertragswidriges Verhalten schließt jedenfalls die Geltendmachung von Mängelrechten, die wegen eines Schadens während des vom Verkäufer durchgeführten Transports begründet wären, aus. Führt der Käufer den Transport dagegen auf Verlangen des Verkäufers selbst aus, spricht viel dafür, dass dem Käufer seine Kulanzbereitschaft mit Blick auf die Risikoverteilung auch1118 hier nicht zum Nachteil gereichen soll. Die Situation ist dann so zu behandeln, als führte der Verkäufer den Transport durch. Für diese Lösung spricht nicht zuletzt der Rechtsgedanke des § 447 Abs. 1.1119 Selbstverständlich stehen dem Käufer aber wegen eines (Transport-)Schadens, für den er selbst verantwortlich ist, den er also (mindestens) leicht fahrlässig verursacht hat, keine Mängelrechte zu. Ggf. kann der Käufer wegen seiner Verantwortlichkeit für das Entstehen des „Mangels“ diesbezüglich keine Nachbesserung verlangen oder sonst Mängelrechte geltend machen. Hat ein vom Käufer zu verantwortender Transportschaden zur Folge, dass die Beseitigung des Sachmangels sich verteuert, darf der Verkäufer die Nachbesserung verweigern, wenn der 1116 

Vgl. dazu: B.III.7.b)iii)2)(c) und B.III.8.f)ii). Skamel ZGS 2006, 227 (231). 1118  Dazu: B.II.4.b)iii)3) und B.III.9.b). 1119  Beim Versendungskauf, bei dem der Verkäufer auf Verlangen des Käufers eine Sache liefert, die der Käufer nach der Vereinbarung des Leistungsorts eigentlich selbst beim Verkäufer abzuholen hätte, ist dem Verkäufer während des Transports die Gefahr in vollem Umfang abgenommen. Denn er soll nicht dadurch schlechter gestellt werden, dass der Käufer die Ware nicht abholt und der „gewöhnliche“ Gefahrübergang durch Übergabe sich deshalb verzögert. Dem Käufer fallen daher sämtliche Schäden zur Last, die ihn auch dann betroffen hätten, wenn er die Sache am Leistungsort abgeholt hätte. Seine Risikobelastung gilt deshalb nicht nur für „typische Transportgefahren“. Es ist nicht einmal notwendig, dass der Transport ursächlich für die Schadensentstehung war. Dazu: Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 447 Rn. 21; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 447 Rn. 19; Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 447 Rn. 26. 1117 Vgl.

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Käufer nicht bereit ist, sich in einem seinem Verantwortungsbeitrag entsprechenden Umfang an den Nacherfüllungskosten zu beteiligen. Wenn der vom Käufer zu verantwortende Transportschaden die Unmöglichkeit der Nachbesserung zur Folge hat, kann dies sein Recht, wegen des Mangels, der durch die Nachbesserung beseitigt werden sollte, zurückzutreten, ausschließen; bei Nichteinhaltung der eigenüblichen Sorgfalt muss er wegen des Sachschadens im Rahmen des Rücktritts jedenfalls Wertersatz leisten (§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3).

Auch bei einer Selbstvornahme des Transports durch den Käufer auf Verlangen des Verkäufers kann es aber an dem notwendigen inneren Zusammenhang zwischen dem Transport(-Schaden) und der Nacherfüllung, der in jedem Fall Grundvoraussetzung dafür ist, dem Verkäufer Schäden (bei oder durch Nachbesserung) als Sachmängel zuzurechnen, fehlen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Wahl des Weges für den Abtransport oder den Rücktransport durch den Käufer nur mit privaten, eigenwirtschaftlichen Gründen zu erklären ist.1120 Liegt der Fall so, dass der Käufer dem Verkäufer überhaupt von sich aus anbietet, den Ab- und/oder Rücktransport selbst zu erledigen (also: nicht auf Verlangen des Verkäufers), liegt es nahe, darin eine umfassende „Risikoübernahme“ durch den Käufer zu sehen (im Unterschied zum eigenmächtigen Selbsttransport kann der Käufer aber Erstattung der Transportkosten verlangen). Unabhängig davon, welche Partei den Transport eigentlich durchzuführen hat und wer ihn tatsächlich durchführt, gilt auch1121 insoweit: Wird die Nachbesserung wegen einer Verschlechterung oder des Untergangs der nachzubessernden Sache unmöglich, kann der Käufer (wenn er nicht für das Unmöglichwerden der Nachbesserung verantwortlich ist) vom Kaufvertrag zurücktreten und die Erstattung des vollen Kaufpreises verlangen. Die Preisgefahr trifft den Verkäufer unter diesem Aspekt also unabhängig davon, wo man den Leistungsort der Nacherfüllung lokalisiert; auf den Käufer geht sie nur und erst dann über, wenn der Verkäufer mit dem erfolgreich reparierten Stück seine Leistung bewirkt oder wenigstens die Voraussetzungen der §§ 446, 447 erfüllt. 1122 Sowohl dann, wenn der Verkäufer den Transport durchführt, als auch dann, wenn der Käufer die mangelhafte Sache auf Verlangen des Verkäufers transportiert, ist außerdem zu beachten: Es mag sein, dass die bereits dem Käufer gehörende mangelhafte Sache bei einem Transport im Zusammenhang mit der Nachbesserung durch eine haftungsbegründende Fremdeinwirkung einen Schaden erleidet, der dem Verkäufer als Sachmangel zur Last fällt. Hat der Käufer dem Grunde nach zwar einen Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger, allerdings keinen Schaden, weil er den Transportschaden gegenüber dem Verkäufer als Mangel geltend machen kann, und hat der Verkäufer deshalb den Schaden, jedoch keinen Anspruch, liegen die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation, die auch auf deliktische Ansprüche anwendbar ist,1123 vor. Entsprechend den anerkannten Fällen der sog. obliga1120  Man wird sich an den Grundsätzen der Unmittelbarkeit, die im Versicherungsrecht zum Wegeunfall gelten, orientieren können. 1121  Vgl. dazu oben: B.III.7.d)iii) (bei Fn. 990) sowie sogleich: B.III.8.i)iv) (bei Fn. 1125). 1122  Skamel ZGS 2006, 227 (231). 1123  Schubert in: BeckOK (Stand: 01.03.2011) – BGB, § 249 Rn. 156.



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torischen Gefahrentlastung1124 muss es dem Käufer hier gestattet sein, den Schaden des Verkäufers geltend zu machen, den „kompletten“ Schadenersatzanspruch hat er dann an den Verkäufer abzutreten. Wird etwa der mangelhafte Pkw auf dem Weg zur Kfz-Werkstatt ohne Verschulden der Transportperson in einen Verkehrsunfall verwickelt, besteht Bedarf für eine regelrechte Drittschadensliquidation, weil weder die § 421 Abs. 1 S. 2 und 3 HGB noch § 285 dem Verkäufer weiterhelfen. Daraus darf der schädigende Dritte keinen Vorteil ziehen.

iv)  Nicht vom Verkäufer zu vertretende Beschädigungen bei Gelegenheit der Nachbesserung fallen dagegen dem Käufer zur Last Aus der Begründung des Risikos des Verkäufers, gewisse Beschädigungen der nachzubessernden Sache als Sachmangel kompensieren zu müssen, ergibt sich zugleich eine wichtige Einschränkung desselben: Für Schadensereignisse, die in keinem inneren Zusammenhang mit der Vorbereitung oder Durchführung der Nachbesserung durch ein dem Verkäufer zuzurechnendes Verhalten verursacht werden, haftet der Verkäufer allein unter den Voraussetzungen des Schadenersatzes neben der Leistung, falls er sich nicht gem. § 280 Abs. 1 S. 2 exkulpieren kann. Dringen etwa Dritte auf das (sorgfältig gesicherte) Betriebsgelände des Autoverkäufers/ Werkstattinhabers ein und beschädigen den dort zur Nachbesserung befindlichen Pkw oder erleidet der auf dem Betriebsgelände geparkte Pkw nach einem plötzlichen und unerwarteten Wetterumschwung einen Hagelschaden, fällt dies allein dem Käufer zur Last insofern, dass er wegen des hinzugekommenen Schadens keine Nacherfüllung verlangen (und auch sonst keine Mängelrechte geltend machen, insbesondere nicht vom Kaufvertrag zurückzutreten und den Sachschaden gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 auf den Verkäufer abzuwälzen) kann.   Es fällt allerdings dem Verkäufer zur Last, wenn sich der Aufwand zur Beseitigung des ursprünglichen (Mangel-)Schadens infolge solcher Ereignisse, für die der Käufer nicht verantwortlich ist, bis zur Grenze des § 439 Abs. 3 erhöht. Wird die Mangelbeseitigung wegen des hinzugekommenen Zufallsschadens unmöglich, kann der Käufer (wenn nicht alternativ zur Nachbesserung eine Ersatzlieferung in Betracht kommt und der Mangel nicht nur unerheblich ist) vom Kaufvertrag zurücktreten und Erstattung des Kaufpreises in voller Höhe verlangen, ohne selbst Wertersatz leisten zu müssen (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3). Unter diesem Aspekt der Preisgefahr gilt also für Schäden, die nur bei Gelegenheit der Nachbesserung eintreten, nichts anderes als für (andere) „mangelunabhängige Schäden“1125.

Dies rechtfertigt sich aus denselben Erwägungen, aufgrund derer der Käufer eine bei ihm auftretende zufällige Verschlechterung der mangelhaften Sache, die in keinem Zusammenhang mit dem bei der Entgegenahme der angedienten Sache vorhandenen Sachmangel steht, selbst zu tragen hat.1126 Will er jegliches (allgemeine Lebens-)Risiko der Sachverschlechterung nicht tragen, darf er die mangelhafte Sache gar nicht erst entgegennehmen, ist also gut beraten, sie bei ihrer Lieferung sorgfältig zu überprüfen und ggf. bei Mängeln von vorneherein zurück1124  Zu

dieser Fallgruppe (kritisch): Oetker in: MüKo (2012) – BGB, § 249 Rn. 299–304;

ders. JuS 2001, 833 ff. 1125  Dazu: B.III.7.d)iii) (bei

1126 

Dazu: B.III.7.d)iii).

Fn. 990).

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zuweisen.1127 Denn dass gewisse Schäden während der Nachbesserung dem Verkäufer zur Last fallen, hat nichts mit einer abstrakten „Sphärenverantwortlichkeit“ für seinen Sachherrschaftsbereich zu tun, sondern mit den spezifischen Risiken der „zweiten Chance“, die ihm gegeben ist, um seinen untauglichen ersten Erfüllungsversuch zu kompensieren und sich den Kaufpreis in voller Höhe zu verdienen.

j) Zwischenergebnis Nach diesem Abschnitt kann die zuvor entwickelte1128 vorläufige Formulierung zum Gegenstand der Nachbesserung wie folgt ergänzt werden: Der Verkäufer hat im Rahmen der Nachbesserung yy den Zustand herstellen, den die gelieferte Sache im Zeitpunkt der Nachbesserung hätte, wenn der Verkäufer von vorneherein eine vertragsgemäße Leistung erbracht hätte, sowie yy solche Schäden als Sachmängel zu beseitigen1129, die er oder eine Person, deren Verhalten er sich gem. § 278 zurechnen lassen muss, bei Durchführung der Nachbesserung verursacht hat (auf ein haftungsrechtliches Vertreten-müssen kommt es insoweit nicht an); dazu zählen insbesondere Schäden bei einem im inneren Zusammenhang mit der Nachbesserung durchgeführten Transport der mangelhaften Sache. Alle anderen Zufallsschäden an seiner Sache fallen dem Käufer zur Last, wenn der Kaufvertrag letztlich mit diesem Stück erfüllt wird. Sie bilden dann keine (zusätzlichen) Erfüllungshindernisse. Wenn infolge eines vertragswidrigen Käuferverhaltens1130 (kein Zufall) der zur Mangelbeseitigung erforderliche Aufwand mehr als nur unerheblich steigt, kann der Verkäufer die Nachbesserung verweigern, wenn der Käufer sich nicht verpflichtet, den von ihm zu verantwortenden erhöhten Aufwand selbst zu tragen; das gilt auch im Regelungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie1131. In dem nächsten und letzten Abschnitt ist der Frage nachzugehen, unter welchen Voraussetzungen der Käufer berechtigt ist, mangelhafte Ware sofort zurückzuweisen und auf diese Weise dafür zu sorgen, dass der Verkäuer mit dem Risiko 1127  Es handelt sich um eine Obliegenheit des Käufers. Diese hat allerdings nichts mit der Prüf- und Rügeobliegenheit beim Handelskauf (§ 377 HGB) zu tun. Denn der Käufer büßt die ihm wegen des bei der Lieferung vorhandenen Mangels zustehenden Rechte nicht ein, wenn er die Prüfung und Zurückweisung unterlässt. Vgl. auch Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 150 f. (mit Fn. 35) zur Begründung des Gefahrübergangs gem. § 446 S. 3, wenn der Käufer die ihm angediente mangelhafte Sache nicht annimmt, ohne die Annahme wegen des Mangels zu verweigern. 1128  Dazu: B.III.7.d)iv) a. E. 1129  Bei Ausbleiben der Nachbesserung sind auch in Bezug auf diesen Schaden die anderen Mängelrechte begründet. 1130  Voraussetzung: Kenntnis von dem Mangel und damit von dem möglichen Bestehen einer Nachbesserungspflicht sowie mindestens fahrlässige Verursachung der die Erhöhung des Nachbesserungsaufwandes begründenden Umstände. 1131  Dazu: B.III.7.b)iii)2)(d).



9.  Abwendung des Übergangs jeglicher Gefahr durch Zurückweisung 

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belastet bleibt, dass jede weitere – (nur) nicht vom Käufer zu verantwortende – Verschlechterung/Beschädigung des angedienten Stücks einen (vorzugweise durch Nacherfüllung zu beseitigenden) Sachmangel begründen.

9.  Abwendung des Übergangs jeglicher Gefahr durch Zurückweisung mangelhafter Ware Nach dem bisher Gesagten hängen die Reichweite der Nachbesserungspflicht sowie der Kaufpreisminderung in Ansehung einer weiteren Verschlechterung der bei einem untauglichen Erfüllungsversuch eingesetzten mangelhaften Ware, die weder auf dem Mangel beruht noch im inneren Zusammenhang mit der Nachbesserung selbst verursacht worden ist, entscheidend davon ab, welche Partei die Sachgefahr und damit im Wesentlichen das allgemeine Lebensrisiko in Bezug auf die mangelhafte Ware trägt. Dies richtet sich wiederum danach, ob der Käufer diese Gefahr durch die Annahme des mangelhaften Stücks – nur in Bezug auf dieses Stück und unter der Bedingung, dass mit ihm der Kaufvertrag erfüllt werden wird – übernommen hat oder nicht. Letztlich hängt es deshalb von den Voraussetzungen ab, unter denen der Käufer befugt ist, mangelhafte Ware zurückzuweisen. Der Paradigmenwechsel des Sachmängelrechts von einer reinen Gewährleistungspflicht hin zu einer Nacherfüllungspflicht und Nichterfüllungshaftung des Verkäufers im Zuge der Schuldrechtsreform hat sich auch auf Grund und Umfang der Berechtigung des Käufers, mangelhafte Ware zurückzuweisen und auf diese Weise den Übergang jeglicher Gefahr zu verhindern, ausgewirkt.1132 Angesichts der Aufwertung der Sachmangelfreiheit zum Inhalt der dem Verkäufer obliegenden Leistungspflicht findet das Zurückweisungsrecht seinen Grund nunmehr eindeutig darin, dass der Käufer eine Leistung, die nicht erfüllungstauglich ist, grundsätzlich nicht akzeptieren muss.1133 Auch beim Stückkauf finden die §§ 266, 293 nunmehr unmittelbar Anwendung. Bietet der Verkäufer eine mangelhafte Sache an, obwohl ihm eine mangelfreie Leistung möglich ist, handelt es sich mit Blick auf § 433 Abs. 1 S. 2 um eine Verzögerung der Leistung und insgesamt um eine (qualitative) Teilleistung, die der Käufer als Gläubiger gem. § 266 nicht anzunehmen braucht.1134 Dass Zurückweisungsrecht ist daher theoretisch unabhängig von der Befugnis, die mangelhafte Ware im Rahmen des Rücktritts oder der Ersatzlieferung zurück zu

1132  Jud JuS 2004, 841 (842 ff.). 1133  Dazu m. w. N. Donou (2006) –

Erfüllung und Nacherfüllung, S. 149. JuS 2004, 841 (843–845); Lorenz NJW 2013, 1341 (1343); ders. in: BeckOK (Stand: 01.05.2014) – BGB, § 266 Rn. 3a; vgl. Ernst in: MüKo (2012) – BGB, § 323 Rn. 240 in Fn. 443: „qualitative Teilnichtleistung“. 1134  Jud

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gewähren, zu begründen, und bedarf auch keine Ableitung mehr aus besonderen Vorschriften des Kaufrechts (vgl. § 464 a. F.)1135.1136 Fraglich ist allerdings, welchen Unterschied dies praktisch macht. Man könnte sich nämlich auf den Standpunkt stellen, dass der Käufer gerade deshalb, weil er nunmehr in Bezug auf die Sachqualität einen Anspruch auf Erfüllung hat und behält (Nacherfüllung), zumindest bei Vorliegen eines behebbaren Mangels die Annahme nicht verweigern dürfe, wenn der Verkäufer zu einer Nachbesserung bereit sei; immerhin ist er in solch einem Fall zum Rücktritt nur und erst dann berechtigt, wenn die Nachbesserung ausbleibt; fraglich ist allerdings, unter welchen Voraussetzungen der Käufer eine Nachbesserung an seinem Ort zu dulden hat.1137 Unverändert steht fest, dass der Käufer die mangelhafte Ware jedenfalls dann nicht erst annehmen muss, wenn er unmittelbar Rechte ausüben kann, im Rahmen derer er sie sogleich zurückgewähren bzw. einen anderen Leistungsgegenstand verlangen könnte (Ersatzlieferung, Rücktritt, „großer Schadenersatz statt der Leistung“). Unproblematisch erscheinen daher die Fälle, dass dem Käufer ein Anspruch auf Ersatzlieferung oder ein sofortiges Rücktrittsrecht (weil die Nacherfüllung in beiden Varianten ausgeschlossen oder einer der Tatbestände der §§ 323 Abs. 2, 440 erfüllt ist) zusteht.1138

a)  Bedeutung des Zurückweisungsrechts bei Anspruch auf Ersatzlieferung und sofortigem Rücktrittsrecht wegen Vorliegens eines erheblichen unbehebbaren Mangels Fraglich ist allerdings, ob dem Zurückweisungsrecht unter diesen Voraussetzungen eine eigenständige Bedeutung zukommt. Selbstverständlich muss der Käufer die Ware nicht erst annehmen, um sie sogleich wieder an den Verkäufer zurückgewähren zu dürfen. Das Zurückweisungsrecht wäre neben dem Anspruch auf Ersatzlieferung und dem Rücktrittsrecht aber funktionslos, wenn der Käufer den Vertragsvollzug nicht in der Schwebe halten könnte. Kann der Käufer, dem ein Anspruch auf Ersatzlieferung zusteht, also das angebotene mangelhafte Stück zurückweisen, ohne Ersatzlieferung zu verlangen? Darf er, falls eine Ersatzlieferung nicht in Betracht kommt, die Annahme des angedienten Stücks verweigern, weil es einen erheblichen unbehebbaren Mangel aufweist, ohne zugleich vom Vertrag zurückzutreten? In dem ersten Fall wird man in der Zurückweisung eine unbestimmte Aufforderung zur Mangelbeseitigung zu sehen haben, wobei es ausnahmsweise dem Verkäufer überlassen ist, ob er den gerügten Mangel vor dem nächsten Erfüllungsversuch durch Nachbesserung des mangelhaften Stücks beseitigt oder ein ver1135  Zu den Folgen der Aufhebung des § 464 a. F. für die Zurückweisung mangelhafter Ware: Pammler in: JurisPK (2014) – BGB, § 433 Rn. 137. 1136  Zur Begründung des Zurückweisungsrechts im alten Kaufrecht: B.II.4.b). 1137  Dazu: B.III.9.b). 1138  Jud JuS 2004, 841 (843); Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 437 Rn. 16.



9.  Abwendung des Übergangs jeglicher Gefahr durch Zurückweisung 

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tragsgemäß beschaffenes anderes Stück einsetzt. So oder so geriete der Käufer bei dem nächsten Erfüllungsversuch in Annahmeverzug, falls er die ihm angediente, nunmehr mangelfreie Sache nicht annähme, und die Gefahr ginge gem. § 446 S. 3 in vollem Umfang auf ihn über. In dem zweiten Fall scheint es praktisch sinnlos zu sein, die Ware zurückzuweisen, ohne zugleich den Rücktritt zu erklären, weil ohnehin keine Nachbesserung erfolgen kann. Dementsprechend wird auch vertreten, dass der Käufer bei Unbehebbarkeit des Mangels die Ware zwar nicht anzunehmen brauche; er müsse bei der Zurückweisung aber gleichzeitig den Rücktritt erklären (wenn auch die Ersatzlieferung ausgeschlossen ist), weil nicht einzusehen sei, warum er den Vertragsvollzug „in der Schwebe“ halten dürfen sollte, wenn er gem. § 275 keinen Anspruch auf die Mangelfreiheit des angedienten Stücks (mehr) habe. Weise er die Ware zurück, ohne zugleich den Rücktritt zu erklären, komme er deshalb in Annahmeverzug. Bei der „qualitativen Teilunmöglichkeit“ seien auch die Voraussetzungen des § 266 nicht erfüllt, weil der Verkäufer mit der irreparabel mangelhaften Sache die ganze (noch) geschuldete Leistung anbiete.1139 In solchen Fällen, in denen sich die Unbehebbarkeit des Mangels aus § 275 Abs. 1 ergibt, hat das Zurückweisungsrecht in der Tat keine eigenständige Bedeutung, sondern muss mit dem Rücktritt zusammenfallen. Allerdings kann sich die Unbehebbarkeit des Mangels auch daraus ergeben, dass der Verkäufer die Nachbesserung wegen unverhältnismäßigen Aufwandes gem. §§ 439 Abs. 3, 275 Abs. 2 verweigert. Der Käufer könnte daran interessiert sein, den Verkäufer durch Zurückweisung der Ware unter Androhung des Rücktritts zu einem überobligatorischen Aufwand anzuspornen.1140 Wenn der Verkäufer daraufhin (freiwillig) innerhalb einer angemessenen Frist den Mangel beseitigt, ist der Käufer allerdings zur Annahme und Bezahlung der Ware verpflichtet. Er kann sich nicht darauf berufen, dass der Verkäufer die Ware nicht mehr habe reparieren und auf diese Weise die Annahmeobliegenheit des Käufers begründen dürfen, nachdem er dies zunächst abgelehnt hatte, ohne zugleich den Rücktritt zu erklären; häufig wird aber in der Zurückweisung des unbehebbar mangelhaften und unersetzbaren Stücks eine konkludente Rücktrittserklärung zu sehen sein.

b)  Vorliegen eines behebbaren erheblichen Sachmangels bei Ausscheiden der Ersatzlieferung Fraglich ist, ob der Käufer nur dann zur Zurückweisung berechtigt ist, wenn er nach der Annahme sofort Rechte geltend machen dürfte, im Rahmen derer er die

1139 

Lorenz NJW 2013, 1341 (1344); ähnlich Jud JuS 2004, 841 (845). 1140 Auf diese Weise konnte der Käufer bereits unter der alten Rechtslage

faktisch Druck ausüben, um den Verkäufer zu einer Nachbesserung zu veranlassen, obwohl der Verkäufer dazu (gesetzlich) nicht verpflichtet war.

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B.III.  Veränderungen durch die Schuldrechtsreform 2002

Ware wieder an den Verkäufer zurückgeben könnte. Dies betrifft den Fall, dass die angebotene Sache einen erheblichen Mangel aufweist, der nur durch Nachbesserung zu beheben ist. Denn dann darf der Käufer nur und erst dann vom Vertrag zurücktreten, wenn er dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Chance zur Nachbesserung gegeben hat. Die Beantwortung dieser Frage hängt wiederum davon ab, ob der Käufer die Annahme auch dann verweigern darf, wenn der Verkäufer die Nachbesserung bei ihm vornehmen will. Denn wenn die Nachbesserung beim Verkäufer zu erfolgen hat, versteht sich – wie beim Rücktritt und der Ersatzlieferung – von selbst, dass der Käufer die als mangelhaft erkannte Sache nicht erst anzunehmen braucht, um sie sogleich wieder zur Reparatur zurückschicken zu dürfen. Jansen vertritt – offenbar in der Annahme, dass der Leistungsort der Nachbesserung jedenfalls nach der Annahme mangelhafter Ware regelmäßig beim Käufer liege1141 – die Ansicht, dass der Käufer nicht zur Ablehnung der mangelhaften Ware berechtigt sei, falls der Verkäufer den Kaufvertrag mit dem angebotenen Gegenstand erfüllen und seiner Pflicht zur Nacherfüllung mittels einer Nachbesserung beim Käufer nachkommen darf.1142 Aus dem Vorrang der Nacherfüllung („Recht der zweiten Andienung“) ergebe sich insoweit eine Berechtigung des Verkäufers zur Andienung mangelhafter Ware und eine Ausweitung der Obliegenheit des Käufers, solche Ware anzunehmen.1143 Die Annahmeobliegenheit 1141  Dies trifft nicht in jedem Fall zu, jedenfalls impliziert die Obliegenheit des Käufers, dem Verkäufer Nacherfüllungsmaßnahmen zu gestatten, nicht, dass die Nachbesserung in den Räumen des Käufers stattfinden müssen, wenn und weil dem Verkäufer dies günstig ist; vgl. Oechsler NJW 2004, 1825 (1827). Seit BGH, Urt. v. 13.04.2011, Az. VIII ZR 220/10 (= NJW 2011, 2278– 2284) ist höchstrichterlich geklärt, dass für die Bestimmung des Erfüllungsorts der Nacherfüllung beim Kauf die allgemeine Vorschrift des § 269 Abs. 1 gilt. 1142  Zunächst bezog er sich insbesondere auf die Lieferung großer sperriger Sachen, deren Rücktransport zum Verkäufer unverhältnismäßigen Aufwand bereiten würde, und auf den Fall, dass der Verkäufer berechtigt ist, die Ersatzlieferung zu verweigern, weil eine Nachbesserung einfach(er) und günstig(er) zu erledigen sei; ZIP 2002, 877 (878 f.). Nach der Kritik Lamprechts hat er dies dahin eingeschränkt, dass der Verkäufer nur dann gem. § 439 Abs. 3 auf eine Nachbesserung am Ort des Käufers bestehen dürfe, wenn die im Großen und Ganzen funktionsfähige Sache für den Käufer nutzbar sei; ZIP 2002, 1794. Dazu noch bei Fn. 1143. 1143  Jansen ZIP 2002, 877 (878 f.), ders. ZIP 2002, 1794; vgl. dazu bereits in Fn. 1142; zust. Saenger in: Hk-BGB (2014), § 433 Rn. 10: Die Rechtsfolgen der Nichterfüllung von Hauptpflichten des Verkäufers ergäben sich aus § 437. Eine Zurückweisung der mangelhaften Kaufsache komme deshalb nur bei Geltendmachung des Rechts auf Nacherfüllung in Betracht, soweit Nachlieferung begehrt werde; eine Aushöhlung des „Verkäuferrechts zur zweiten Andienung“ befürchtet auch Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 437 Rn. 16 f.: Nicht selten müsse wegen § 439 Abs. 2, Abs. 3 die Nachbesserung ohne Rückgabe der Sache beim Käufer oder in dessen Räumen geschehen. Der Käufer sei regelmäßig durch das Recht, die Kaufpreiszahlung zu verweigern, ausreichend geschützt. Darauf, ob und inwieweit der Käufer auch nach Annahme mangelhafter Ware gem. § 320 zur Verweigerung der Kaufpreiszahlung verpflichtet ist („allgemeine Mängeleinrede“ beim Kauf?), ist hier nicht weiter einzugehen. Dazu: Emmerich in: MüKo (2012) – BGB, § 320 Rn. 3–5; Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 437 Rn. 20; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 437 Rn. 167 f.; Pammler in: JurisPK (2014) – BGB, § 437 Rn. 60; Otto in: Staudinger (2009) – BGB, § 320 Rn. 30; Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, vor §§ 433 ff. Rn. 28–30; Joost in: FS Canaris I (2007), 513 ff.



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und der mit der Beachtung derselben verbundene Gefahrübergang gem. § 446 S. 1 (sonst: § 446 S. 3) sei dann eine adäquate Folge der Übergabe mangelhafter Ware, wenn diese „im Großen und Ganzen funktionsfähig“ sei und der Verkäufer daher „im Wesentlichen vertragsgemäß geleistet“ habe.1144 Der Verkäufer habe ggf. „das Recht, den Gefahrübergang mit der angebotenen, mangelhaften Sache herbeizuführen“.1145 Die herrschende Meinung1146 sieht dies zu Recht anders. Der Verkäufer hat „prinzipiell kein Recht, dem Käufer zunächst die mangelhafte Sache zu liefern und dann die Reparatur beim Käufer vorzunehmen“.1147 Dies kann auch in einem ErstRecht-Schluss dem § 266 entnommen werden, weil es den Käufer noch stärker als eine Teilleistung belasten würde, mangelhafte Ware annehmen und ihre Reparatur an seinem Ort dulden zu müssen.1148 Denn § 266 soll sicherstellen, dass der Gläubiger sich nicht durch mehrere Leistungshandlungen des Schuldners belästigen lassen muss.1149 Die Zurückweisung ist ein legitimes Druckmittel, um den Verkäufer zu der (möglichen) ordnungsgemäßen Leistung zu „nötigen“.1150 Dies steht nicht im Widerspruch zum Vorrang der Nacherfüllung. Denn dieser erschwert die Lösung vom Vertrag (Rücktritt erst nach fruchtlosem Ablauf der Nacherfüllungsfrist), die Annahmeverweigerung fördert in ihrer Funktion als Druckmittel aber gerade die Durchführung desselben.1151 Der Käufer ist auch nicht gehalten, dem Verkäufer die Nacherfüllung so bequem wie möglich zu machen. Vielmehr muss der Verkäufer als derjenige, der vertragswidrig leistet, die unnötigen Kosten eines mangelhaften Erfüllungsversuchs (einschließlich der Kosten des Rücktransports zur Nachbesserung) tragen.1152 Der Käufer hat prinzipiell ein Recht auf mangelfreie Ware (§ 433 Abs. 1 S. 2)1153 und muss daher in möglichst weitem Umfang die Gelegenheit haben, Verschlechterungen der Rechtslage und Unannehmlichkeiten, die mit der Entgegennahme mangelhafter Ware verbunden sind, entgegenzuwir-

1144  Jansen 1145  Jansen

ZIP 2002, 1794. ZIP 2002, 877 (878). 1146  Lamprecht ZIP 2002, 1790 (1791 f.); Jud JuS 2004, 841 (843–845); Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 433 Rn. 40; Donou (2006) – Erfüllung und Nacherfüllung, S. 152– 154; Lorenz NJW 2013, 1341 (1343). Vgl. auch: Oechsler NJW 2004, 1825 (1827); Ernst in: FS Huber (2006), 165 (191) – lediglich (aufschiebend) bedingte oder vorläufige Zurückweisung bis zum erfolglosen Ablauf der Nachfrist; so bereits ders. NJW 1997, 896 (903). 1147  Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 433 Rn. 40. 1148  Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 433 Rn. 40. 1149  Lamprecht ZIP 2002, 1790 (1790 bei und in Fn. 7). Zur ratio legis des § 266: Lorenz in: BeckOK (Stand: 01.05.2014) – BGB, § 266 Rn. 1; Krüger in: MüKo (2012) – BGB, § 266 Rn. 1; Kerwer in: JurisPK (2014)  – BGB, § 266 Rn. 2; Bittner in: Staudinger (2014) – BGB, § 266 Rn. 1. 1150  Jud JuS 2004, 841 (844–846). 1151  Lamprecht ZIP 2002, 1790 (1791); vgl. Jud JuS 2004, 841 (844–846). 1152  Lamprecht ZIP 2002, 1790 (1791). 1153  Berger in: Jauernig (2014) – BGB, § 437 Rn. 29; vgl. Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 433 Rn. 220; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 433 Rn. 41.

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ken1154. Deshalb darf der Verkäufer dem Käufer nicht mangelhafte Ware und die damit verbundenen Nachteile aufdrängen.1155 Diese Nachteile liegen insbesondere darin, dass solche Verschlechterungen, in denen sich nicht die mangelbegründende Verletzung der Leistungspflicht fortsetzt und die auch nicht bei Heilung dieser Pflichtverletzung (durch Nachbesserung) verursacht werden,1156 der Umkehr der Beweislast für die Mangelhaftigkeit (§ 363), dem Beginn der kürzeren kaufrechtlichen Verjährungsfrist (mit Ablieferung, § 438 Abs. 2 Alt. 2) sowie darin, dass die Rückabwicklung des Kaufvertrages erschwert ist, nachdem der Käufer die mangelhafte Sache erst einmal angenommen hat (insbesondere Risiko der Wertersatzhaftung gem. § 346 Abs. 2).1157 Der Käufer muss die Chance haben, diese Nachteile abzuwenden, wenn die Ware nicht erfüllungstauglich ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien den Leistungsort der Nacherfüllung durch vertragliche Vereinbarung beim Käufer lokalisiert haben. In Ermangelung solch einer Vereinbarung wird man, wenn der Käufer die Annahme der mangelhaften Leistung ausdrücklich von vorneherein verweigert, allerdings grundsätzlich nicht gem. § 269 Abs. 1 aus den Umständen folgern können, dass die Nachbesserung bei ihm zu erfolgen habe. Insbesondere ist selbst in solchen Fällen, in denen der Käufer nach der Annahme der mangelhaften Ware eine Nachbesserung an seinem Ort zu dulden hätte, daraus nicht zu folgern, dass der Käufer zur Annahme verpflichtet sei.1158 Selbst wenn er ausnahmsweise einmal gem. § 242 gehalten ist, den Verkäufer an seinem Ort nachbessern zu lassen, weil es einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde, die angediente (mangelhafte) Sache zur Reparatur wieder abzutransportieren, während die Reparatur beim Käufer in kurzer Zeit, mit sehr hoher Erfolgswahrscheinlichkeit und unter geringen Unannehmlichkeiten für ihn möglich ist,1159 ist die Zurückweisung der Ware nicht unberechtigt mit der Wirkung, dass die Gefahr etwa nach § 446 S. 3 übergehen 1154 Vgl.

Lamprecht ZIP 2002, 1790 (1791); Jud JuS 2004, 841 (844–846). Lamprecht ZIP 2002, 1790 (1791): Die Abnahme der Kaufsache besitze die „Kraft des Faktischen“. 1156  Siehe oben: B.III.2.b)i), B.III.7.d)iv) und B.III.8.j). 1157  Lamprecht ZIP 2002, 1790 (1790); Jud JuS 2004, 841 (844); noch zur alten Rechtlage Rieble JZ 1997, 485 (486). 1158  Lamprecht ZIP 2002, 1790 (1791). 1159  Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 433 Rn. 40; vgl. auch Lorenz NJW 2013, 1341 (1343): Auch das Zurückweisungsrecht des Gläubigers unterliege der allgemeinen Grenze des § 242; Oechsler NJW 2004, 1825 (1827): „Ist der Transport der Kaufsache besonders kostspielig oder stehen entsprechende Einwendungen in keinem Verhältnis zu der mangelbedingten Werteinbuße und den zu erwartenden Beeinträchtigungen beim Käufer, wird dieser nicht rechtmäßig zurückweisen dürfen“; einschränkend Lamprecht ZIP 2002, 1790 (1791 f.): Die Gefahr, dass die Abwicklung des Kaufvertrages verteuert und gefärdet wird, weil der Käufer die Kaufsache wegen eines Mangels nicht abnimmt, müsse grundsätzlich beim Verkäufer bleiben, weil er es sei, der hinter seinen Vertragspflichten zurückbleibt. In Ermangelung einer vertraglichen Vereinbarung werde daher nur selten angenommen werden dürfen, dass das Interesse des Verkäufers an der Abnahme das Interesse des Käufers an der Lieferung einer mangelfreien Sache ausnahmsweise überwiegt; dazu auch Bachmann AcP 211 (2011), 395 (404). 1155 



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würde; der Käufer hat dem Verkäufer lediglich gem. §§ 280, 241 Abs. 2 erhöhte Transport- oder Reparaturkosten zu ersetzen.1160 Auch dann, wenn der Käufer die als mangelhaft erkannte Ware unter Vorbehalt annimmt, um dem Verkäufer eine Nachbesserung an Ort und Stelle zu ermöglichen, bleibt die Gefahr in vollem Umfang beim Verkäufer, weil der Käufer nicht für seine Kulanz bestraft werden darf.1161

c)  Vorliegen eines behebbaren unerheblichen Sachmangels bei Ausscheiden der Ersatzlieferung Sogar bei Vorliegen eines unerheblichen Mangels kommt eine berechtigte Zurückweisung in Betracht, wenn der Mangel durch Nachbesserung behebbar ist. Auch dies ergibt sich vor allem aus den Vorschriften über die Verzögerung der (Teil-) Leis­tung (mangelhafte Lieferung als Verzögerung der Leistung aus § 433 Abs. 1 S. 2) sowie aus der Funktion der Zurückweisung als „Druckmittel“, um den Verkäufer zur Nachbesserung anzuhalten.1162 Dem steht nicht entgegen, dass der Gläubiger (bei Ausbleiben der Nacherfüllung) gem. § 323 Abs. 5 S. 2 im Falle der nicht vertragsgemäß bewirkten Leistung nicht vom Vertrag zurücktreten kann, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.1163 Denn diese Vorschrift schränkt nur das Recht des Käufers ein, vom Vertrag abzugehen, nicht aber seinen Erfüllungsanspruch.1164 Dementsprechend unterliegt das Recht zur „präventiven“ Zurückweisung geringeren Voraussetzungen als das Recht zur Rückabwicklung (nach erbrachter Leistung).1165 Vor allem hier macht sich bemerkbar, dass die Sachmangelfreiheit zum Bestandteil der Leistungspflicht aufgewertet wurde und der Primäranspruch des Käufers dadurch gestärkt wurde. Nach Verweigerung der Annahme einer Sache mit unerheblichem Mangel darf der Käufer deshalb ohne Rücksicht auf die Unerheblichkeit des Mangels vom Vertrag zurücktreten (oder Schadenersatz statt der ganzen Leistung fordern), wenn der Verkäufer den Mangel nicht beseitigt. Erst und nur durch die Annahme als Erfüllung schafft er nämlich einen Vertrauenstatbestand 1160  Lamprecht ZIP 2002, 1790 (1792); vgl. Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 433 Rn. 17; Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 433 Rn. 40 f.; a. A. Berger in: Jauernig (2014) – BGB, § 433 Rn. 28, § 437 Rn. 29. 1161 Vgl. Hager (1982) – Gefahr­tragung, S. 175; Lamprecht ZIP  2002, 1790 (1792): kein Gefahrübergang, wenn Käufer die als mangelhaft erkannte Ware nur unter Protest annimmt. 1162  Jud JuS 2004, 841 (844 f.); vgl. Lamprecht ZIP 2002, 1790 (1790 f.). 1163  In Extremfällen kann dies gegen Treu und Glauben verstoßen, wobei die Voraussetzungen dieses Einwands deutlich enger sind als die Voraussetzungen der Unerheblichkeit der Pflichverletzung. Vgl. dazu: Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 433 Rn. 220; Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 437 Rn. 21, § 434 Rn. 161; Oechsler NJW 2004, 1825 (1827); Lorenz NJW 2013, 1341 (1343). 1164  Lorenz NJW 2013, 1341 (1343); zust. Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 437 Rn. 21. 1165 Vgl. Oetker/Maultzsch (2013) – Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2.148).

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für den Verkäufer, der es rechtfertigt, dass er sich mit der mangelhaften Sache und einem Ausgleich in Geld (Minderung oder „kleiner“ Schadensersatz) zufrieden geben muss; für diese Lösung spricht auch der Wortlaut der §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 („Hat der Schuldner … bewirkt“).1166

d)  Vorliegen eines unerheblichen unbehebbaren Mangels bei Ausscheiden der Ersatzlieferung Umstritten ist, ob der Käufer auch bei Vorliegen eines unerheblichen unbehebbaren Mangels zur Zurückweisung der Ware berechtigt ist. Das Problem liegt darin, dass er Nacherfüllung nicht verlangen kann und wegen §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 5 S. 2 jedenfalls nach der Annahme der mangelhaften Ware zum Rücktritt nicht berechtigt wäre. D. h. das Zurückweisungsrecht dient in diesem Fall nicht als Druckmittel, um den Verkäufer zur ordnungsgemäßen Erfüllung anzuhalten, und es wird anscheinend auch nicht von einem Rücktrittsrecht getragen. Nach der wohl herrschenden Meinung soll der Käufer Ware, die mit einem unerheblichen unbehebbaren Mangel behaftet ist, nicht ablehnen dürfen.1167 Im Fall der qualitativen Unmöglichkeit gelte – anders als bei Vorliegen eines behebbaren unerheblichen Mangels1168 – die Einschränkung des § 323 Abs. 5 S. 2 nämlich bereits vor der Annahme (Bewirkung) der mangelhaften Leistung.1169 Denn § 323 finde gem. § 326 Abs. 5 lediglich entsprechende Anwendung. Dass § 323 Abs. 5 S. 2 das Rücktrittsrecht erst nach Annahme der Schlechtleistung („Bewirkung“ der nicht vertragsgemäßen Leistung) einschränke, passe aber nicht auf die Situation der qualitativen Unmöglichkeit. Bei Vorliegen eines unbehebbaren Mangels könne ein Rücktrittsrecht eine Druckmittel-Funktion, den Verkäufer zu einer ordnungsgemäßen Leistung zu bewegen, nämlich zu keinem Zeitpunkt erfüllen, und daher überwiege bereits vor der Annahme der Schlechtleistung der Zweck, den Gläubiger bei einer nur unerheblichen Pflichtverletzung so weit wie möglich an dem Vertrag festzuhalten.1170 Andernfalls bestehe eine unauflösbare Pattsituation.1171 Dies läuft auf eine Annahmeobliegenheit des Käufers hinaus.1172 Er muss demnach hinnehmen, dass die gekaufte Sache einen (unerheblichen) Mangel hat, und wird durch eine Kaufpreisminderung, der die Unerheblichkeit des Mangels nicht 1166  Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 433 Rn. 41 m. w. N.; Lorenz NJW 2013, 1341 (1343); Oetker/Maultzsch (2013) – Vertragliche Schuldverhältnisse, § 2.250. 1167  Lamprecht ZIP 2002, 1790 (1790); Jud JuS 2004, 841 (846); Lorenz NJW 2013, 1341 (1344); so wohl auch Westermann in: MüKo (2012) – BGB, § 437 Rn. 16. 1168  Siehe zuvor: B.III.9.c). 1169  Jud JuS 2004, 841 (846); Lorenz NJW 2013, 1341 (1344). 1170 Vgl. Lorenz NJW 2013, 1341 (1342 f.). 1171 Vgl. Jud JuS 2004, 841 (846). 1172  Lorenz NJW 2013, 1341 (1344); Jud JuS 2004, 841 (846), wobei sie annimmt, dass die Pflichtverletzung nur dann unerheblich sei, wenn der Käufer die Sache auch bei Kenntnis des Mangels (zu einem geringeren Preis) gekauft hätte.



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im Wege steht (§ 441 Abs. 1 S. 2), abgefunden (bei Verschulden kann er auch „kleinen“ Schadenersatz statt der Leistung verlangen).1173 Überzeugender ist die Gegenansicht, die betont, dass die Unmöglichkeit der Mangelbeseitigung ebenso wenig wie die Unerheblichkeit des Mangels etwas daran ändere, dass der Käufer prinzipiell einen Anspruch auf Ware hat, die frei von jeglichen – auch von unerheblichen – Mängeln ist.1174 Denn diese wird der Aufwertung der Sachmangelfreiheit zu einem Bestandteil der Leistungspflicht eher gerecht. Zwar sind die Pflicht des Verkäufers, die Sache mangelfrei zu leisten, und der entsprechende Anspruch des Käufers im Falle der qualitativen Unmöglichkeit gerade ausgeschlossen. Dass der Käufer die Sache deshalb nur noch mit Mangel verlangen kann,1175 heißt aber nicht, dass er sie mit Mangel annehmen muss.1176 Streng genommen ist die unbehebbar mangelhafte Sache, auch wenn der Mangel unerheblich ist, nämlich nicht die verkaufte Sache.1177 Der Verkäufer hat deshalb kein Recht, dem Käufer diese Sache aufzudrängen, wenn er sie nicht haben will (der Käufer darf sie aber aufgrund des Kaufvertrages verlangen und behalten)1178. Wenn der Käufer die Annahme verweigert, kann der Eindruck, dass er die angediente (mangelhafte/nicht erfüllungstaugliche) Sache für seinen Lieferanspruch haben wolle, der es rechtfertigen mag, dem Käufer nach der Annahme bei Unerheblichkeit des Mangels an dem Vertrag festzuhalten (vgl. § 323 Abs. 5 S. 2), beim Verkäufer gar nicht erst entstehen. Nur wenn man, wie von Jud vorgeschlagen,1179 die Unerheblichkeit der Pflichtverletzung rein subjektiv bestimmt, gebietet es das Prinzip der Vertragstreue, dem Käufer die Annahmeverweigerung und den Rücktritt zu versagen. Überzeugender als mit der Unerheblichkeit der Pflichtverletzung dürfte sich dieses Ergebnis aber mit dem Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242) begründen lassen.1180 1173  Jud JuS 2004, 841 (845 f.); Lorenz NJW 2013, 1341 (1344); Lamprecht ZIP 2002, 1790 (1790); Berger in: Jauernig (2014) – BGB, § 433 Rn. 28, § 437 Rn. 29. 1174  Faust in: BeckOK (Stand: 01.08.2014) – BGB, § 433 Rn. 41 f.; so wohl auch Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 433 Rn. 220). 1175  Obwohl die Leistung des Verkäufers weder in Bezug allein auf die Mangelfreiheit (§ 433 Abs. 1 S. 2) noch im Verhältnis der Mangelfreiheit (§ 433 Abs. 1 S. 2) zur Übergabe und Übereignung der Sache (§ 433 Abs. 1 S. 1) teilbar ist, trifft es nicht zu, dass bei Vorliegen eines unbehebbaren Mangels der Anspruch auf Lieferung des mangelhaften Stücks, auf das die Parteien den Vertragsschluss bezogen haben, gem. § 275 insgesamt ipso iure ausgeschlossen sei, so dass der Käufer dieses nicht fordern dürfe. Vielmehr hat der Käufer die Wahl, die unbehebbar mangelhafte Sache zu fordern und gegen Minderung des Kaufpreises zu behalten oder die Annahme der Sache wegen der Unmöglichkeit der Erfüllung der Pflicht gem. § 433 Abs. 1 S. 2 von vorneherein zu verweigern und vom Kaufvertrag zurückzutreten. Ausführlich dazu: B.III.1.c)ii)4). 1176 Vgl. Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 437 Rn. 21 a. E. 1177 Vgl. Heyers/Heuser NJW 2010, 3057 (3057 f., 3061); Skamel (2008) – Nacherfüllung, S. 36 f.; Matusche-Beckmann in: Staudinger (2014) – BGB, § 437 Rn. 21. Dazu bereits: B.III.1.c) ii)4). 1178  Dazu bereits in Fn. 1175. 1179  Dazu in Fn. 1172. 1180  Vgl. dazu schon oben in Fn. 1163.

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e) Zwischenergebnis Wenn ihm eine mangelhafte Sache angedient wird, ist der Käufer in jedem Fall dazu berechtigt, die Annahme zu verweigern, mit der Folge, dass die Gefahr unter keinem Gesichtspunkt auf ihn übergeht. Die Voraussetzungen der §§ 446 S. 1 und 3 sind ggf. nicht erfüllt, weil es nicht zur Übergabe kommt und auch kein Annahmeverzug eintritt, da der Verkäufer seine Leistung nicht wie geschuldet anbietet. Dementsprechend fällt dem Verkäufer jede weitere Zufallsverschlechterung des erfolglos angedienten Stücks zur Last. Er behält die mangelhafte Sache auf eigenes Risiko. Der Käufer trägt auch nicht das allgemeine Lebensrisiko für diese Sache. Deshalb fallen auch solche zufälligen Verschlechterungen, die in keinem Zusammenhang mit dem Mangel, dessentwegen der Käufer die Annahme verweigert hat, stehen, dem Verkäufer zur Last. Dies gilt insbesondere für jede Beschädigung des mangelhaften Stücks, die im Zuge der Herstellung der Mangelfreiheit an diesem Stück auftritt. Sie beeinträchtigt die Erfüllungstauglichkeit des erfolglos angedienten Stücks – anders als in der Situation, dass der Käufer die einmal entgegengenommene Sache zur Nachbesserung zurückgibt – auch dann, wenn der Verkäufer oder seine Leute sie nicht verursacht haben, und begründet einen Sachmangel, wenn der Verkäufer dieses Stück bei einem weiteren Erfüllungsversuch einsetzt, ohne den Schaden vorher behoben zu haben.

C. Schluss Die Frage, ob beim Kauf eine zufällige Verschlechterung des zur Erfüllung eingesetzten Stücks ein Leistungshindernis in der Form des Sachmangels begründet, ist wesentlich eine Frage der obligatorischen Gefahr­tragung. Mit Blick auf das (Nicht-)Bestehen einer Nacherfüllungspflicht (Überwindung des Leistungshindernisses durch Nachbesserung oder „Wiederholung“1 der Leistung durch Ersatzlieferung) geht es um die Leistungsgefahr, mit Blick auf die Aufrechterhaltung oder den Ausschluss der Kaufpreisschuld (Minderung, Rücktritt) um die Preisgefahr. Weil die Wertungen, nach denen das Gesetz die Leistungs- und die Preisgefahr beim Kauf als einem gegenseitigen Vertrag verteilt, das dogmatische Fundament sind, auf dem die Mängel-„Haftung“ des Verkäufers wegen Zufallsverschlechterungen aufbaut, ist aus ihnen abzuleiten, wie das Risiko in dem bislang nicht ausdrücklich geregelten Fall, dass die mangelhafte Sache sich nach ihrer Übergabe an den Käufer (weiter) verschlechtert, insbesondere im Zuge der Nachbesserung einen Schaden erleidet, mittels der §§ 434 ff. zwischen den Kaufparteien sachgerecht zu verteilen ist. In den Fällen, dass sich der Mangel weiter ausbreitet (verschlimmert oder intensiviert) oder weiterfrisst, lässt sich eine Ausdehnung der Mängelrechte des Käufers dagegen nicht überzeugend mit dem Argument bejahen, dass die jeweilige Sachbeeinträchtigung noch mit dem ursprünglichen Mangel identisch oder eine unmittelbare Folge desselben und daher nicht zufällig, sondern vielmehr vom Verkäufer zu vertreten sei. Denn der Verkäufer „haftet“ auch für den ursprünglichen Mangel ohne Rücksicht darauf, ob er ihn verschuldet oder auch nur verursacht hat. Ist seine Verantwortlichkeit für eine Leistungsstörung aber ohne Rücksicht auf ein haftungsrechtliches Vertreten-müssen begründet, dann geht es durchaus um einen Fall der Gefahr­tragung.

Die vorliegende Arbeit hat diese Wertungen offengelegt. Sie hat gezeigt, dass der Gefahrenübergang davon abhängt, dass der Verkäufer die ihm obliegende Leistung wie geschuldet erbringt und es allein am Käufer liegt, wenn die Leistung dadurch noch nicht bewirkt worden ist. Sie hat gezeigt, dass das Verständnis, dass die Gefahr der zufälligen Verschlechterung und des zufälligen Untergangs auch bezüglich einer mangelhaften Sache in vollem Umfang mit der Sachübergabe auf den Käufer übergehe, deshalb auf den Kauf, wie ihn das BGB heute ausgestaltet, nicht mehr zutrifft. 1  Dogmatisch ist das ungenau, weil der erste (untaugliche) Erfüllungsversuch des Verkäufers als Nichtleistung behandelt wird. Dazu bereits: A.3.a) in Fn. 70.

676

C. Schluss

Es wurde nachgewiesen, dass dieses Verständnis daher rührt, dass die dem Verkäufer obliegende Leistung im gesetzlichen Regelfall unter dem BGB von 1900 im Wesentlichen noch so konzipiert war wie im römisch-gemeinen Recht, nämlich als Übertragung eines realkörperlich bestimmten Stücks in das Käufervermögen (Sachgegenstandsschuld), während Sachmängel auf einer von der Erfüllung getrennten Gewährleistungsebene behandelt wurden. Den Gefahrübergang beim Kauf im BGB von 1900 mit der Übergabe an den Akt zu knüpfen, der die verkaufte Sache in das Käufervermögen bringt, entsprach trotz der formalen Unterschiede sachlich der Regelung des römisch-gemeinen Rechts: Der Käufer trägt die Gefahr der beim Kaufabschluss ausgewählten Sache, sobald sie ihm zumindest im Verhältnis zum Verkäufer gehört. Während dies in dem „Rechtsakt-orientierten“ Denken der römischen Juristen eine besondere Ausprägung des Satzes casum sentit dominus war, konstruierten die Verfasser des BGB von 1900 diese Regelung aufgrund der Vorstellung vom Kauf als einem komplexen Rechtsverhältnis mit gegenseitigen Leistungspflichten als besondere Ausprägung des „höheren“ Prinzips, dass im Austauschvertrag jede Partei als Schuldner die Gefahr der Gegenleistung bis zur Bewirkung der eigenen Leistung trägt. Mit der gefahrüberwälzenden „Übergabe“ ist also die Erreichung eines bestimmten Erfüllungsstadiums gemeint. Ein Zusammenhang mit dem Prinzip casum sentit dominus besteht allerdings, wenn die Leistung sich darin erschöpft, dass der Verkäufer den Käufer zum dominus einer bestimmten Sache machen muss. Solange und soweit die Sachmangelfreiheit nicht als echte Erfüllungsvoraussetzung erfasst wurde, lag es dagegen fern, den Gefahrübergang bei Vorliegen von Sachmängel prinzipiell in Frage zu stellen. Hinzu kommt, dass die Erfüllungswirkung der gefahrüberwälzenden Übergabe überhaupt hinter den durch sie geschaffenen faktischen Verhältnissen zu verblassen neigt und der Blick auf der Suche nach den Gründen des Gefahrübergangs sich deshalb leicht auf das Offensichtliche, nämlich auf die durch die Übergabe hergestellte Sachlage richtet. Dies hat den Eindruck verstärkt, dass die Gefahr­ tragung des Käufers vor allem davon abhänge, dass er nach der Übergabe (besser als der Verkäufer) in der Lage sei, die Sache vor schädlichen Einflüssen zu schützen, was für die Verfasser des BGB von 1900 durchaus nicht die wichtigste Erwägung gewesen war.

Während sich unter dem BGB von 1900 beim Stückkauf lediglich über das sog. Zurückspringen der Preisgefahr bei der Wandelung zeigte, dass das Vorliegen von Sachmängeln zumindest indirekt auf die Gefahrverteilung (zurück-)wirkte, wird beim Gattungskauf seit jeher deutlich, dass es den Gefahr(en)übergang von vorneherein beeinträchtigt, wenn die Sachmangelfreiheit integraler Bestandteil der Verkäuferleistung ist. Denn die Leistungsgefahr geht nur dann mit der Übergabe über, wenn das zur Erfüllung eingesetzte Stück in diesem Moment erfüllungstauglich beschaffen ist. Andernfalls hat der Verkäufer nämlich keine erfüllungstaugliche Leistung erbracht, die es gerechtfertigt erscheinen ließe, ihn mit Blick auf die obligatorische Gefahr­tragung so zu behandeln, als habe er die geschuldete Leistung bereits bewirkt. Insofern besteht eine Parallele zu dem Leitbild des reformierten Kaufrechts, wobei der Verkäufer immer auch die Mangelfreiheit schuldet und wenigstens insofern mit der Leistungsgefahr belastet ist, dass er bei Vorliegen eines Sachmangels, der auf einer zufälligen Verschlechterung des zur Erfüllung eingesetzten Stücks beruht, vorrangig zur (Nach-)Erfüllung verpflichtet bleibt. Die vorliegende Arbeit hat sich deshalb ausführlich mit den Gründen für das Zurückspringen der Gefahr sowie mit der Dogmatik der Gattungsschuld, insbesondere ihrer Gefahr­tragungsordnung befasst, und daraus Antworten auf die Frage



C. Schluss

677

abgeleitet, wie es sich im reformierten Kaufrecht auf die Risikoverteilung in der weiteren Vertragsdurchführung auswirkt, wenn die zur Erfüllung eingesetzte Ware sich im Zeitpunkt der §§ 446, 447 als mangelhaft erwiesen hat. Es hat sich gezeigt, dass die Möglichkeit des Käufers, wegen eines Sachmangels vom Kaufvertrag zurückzutreten und sich auf diese Weise von der Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung zu befreien, ohne wegen einer zufälligen Verschlechterung oder des zufälligen Untergangs der empfangenen mangelhaften Sache Wertersatz leisten zu müssen, kein bloßer Reflex des Sachmängelrechts (mehr) ist, sondern eine eigene dogmatische Begründung darin findet, dass die Lieferung mangelhafter Ware nicht erfüllungstauglich und daher auch nicht geeignet ist, den Gefahrübergang zu bewirken. Unter diesem Aspekt sind der Belastung des Verkäufers mit der Leistungsgefahr also keine Grenzen gesetzt. Wenn der Käufer – wie naturgemäß bei der Gattungsschuld – im Falle der Lieferung eines mangelhaften Stücks seinen Anspruch auf die Lieferung eines (anderen) mangelfreien Stücks weiterverfolgen kann, bleibt der Verkäufer auch ungeachtet des Sachschicksals der mangelhaften Stücks in vollem Umfang zur Leistung verpflichtet. Mit Blick auf die Leistungsgefahr liegt allerdings ein entscheidender Unterschied zur Gattungsschuld vor, wenn das zur Erfüllung eingesetzte Stück das einzige ist, das als Erfüllungsgegenstand in Betracht kommt. Dies ist, wie ausführlich dargelegt wurde, nach der gesetzlichen Konzeption zwar durchaus nicht (mehr) bei jedem Stückkauf der Fall, weil das Gesetz nunmehr auch für den Stückkauf, bei dem die Parteien dies wollen, eine Regelung der Ersatzlieferung bereithält. Wo es der Fall ist, weil die Parteien keine Ersatzlieferung eingeplant haben oder der Käufer statt der Ersatzlieferung eine Nachbesserung verlangt, kommt zwar die Erwägung zum Tragen, dass der mangelhaft leistende Verkäufer den Gefahr(en) übergang eigentlich nicht verdient hat. Ist die Leistung mit und an dieser Sache noch nicht bewirkt und das Schuldverhältnis, in das diese Sache eingebunden ist, noch nicht erloschen, spricht dies dafür, dass die zufällige Verschlechterung und der zufällige Untergang nicht nur die körperliche Integrität dieser Sache (Sachsubstanz) und damit das Vermögen des Käufers, sondern möglicherweise auch (weiter) die Erfüllungstauglichkeit des Leistungsobjekts und damit das Leistungsinteresse des Käufers beeinträchtigen. Hinzu kommt aber die weitere – für den Übergang der Preisgefahr beim Stückkauf unter dem BGB von 1900 allein maßgebende – Erwägung, dass mit der Übergabe der Erwerb des zum Erfüllungsgegenstand bestimmten Stücks im Wesentlichen abgeschlossen ist und es unter diesem Gesichtspunkt nicht mehr die dem Verkäufer obliegende Leistung zu beeinträchtigen vermag, wenn die gelieferte Sache einen Zufallsschaden erleidet. Etwas anderes gilt nur, falls die zur Erfüllung der Leistungspflicht eingesetzte Sache letztlich als Erfüllungsgegenstand disqualifiziert und deshalb nachträglich, aber rückwirkend von dem Leistungsaustausch isoliert wird. Dazu kommt es, wenn der Käufer wegen des Sachmangels die Erfüllung des Kaufvertrages mit einem anderen (erfüllungstauglichen) Stück verlangt (Ersatzlieferung) oder vom Kaufvertrag zurücktritt. In beiden Fällen darf er die (mangelhafte) Sache nicht aufgrund des Kaufvertrages behalten und auch die aus ihr

678

C. Schluss

gezogenen Nutzungen stehen ihm nicht zu, so dass er die Sache zurückgeben und Nutzungsersatz leisten2 muss. Auch zu Gunsten des Käufers wird die Situation aber so behandelt, als habe er (noch) keine Leistung erhalten: Er muss die Lieferung dieser (mangelhaften) Sache nicht vergüten, auch dann nicht, wenn sie sich bei ihm inzwischen verschlechtert hat oder untergegangen ist, und er muss sich – das gilt nur für die Ersatzlieferung – auf den Leistungsumfang der Erfüllung mit einer (anderen) vertragsgemäßen Sache, auf die er nach dem Vertrag immerhin einen Anspruch hat, auch nicht „anrechnen“ lassen, dass er die Leistung mit der zuerst gelieferten Sache gewissermaßen schon verbraucht habe, soweit sich diese Sache bei ihm verschlechtert hat.3 Nur wenn die Verschlechterung oder der Untergang der gelieferten Sache nicht auf die in der mangelhaften Leistung des Verkäufers liegende Pflichtverletzung zurückzuführen ist und sich in ihr auch nicht das allgemeine Lebensrisiko realisiert hat,4 sondern dieses Ereignis dem Käufer vorzuwerfen ist, sieht der Gesetzgeber es als angemessen an, dass der Käufer die mangelhafte (Erst-)Lieferung quasi vergüten muss. Denn der Wertersatz, den er in Ansehung des Untergangs oder der Verschlechterung ggf. zu zahlen hat, orientiert sich an dem vereinbarten Kaufpreis (abzüglich des Minderungsbetrages wegen des Sachmangels).

Es kommt nach der Entgegennahme des mangelhaften Stücks, durch die der Käufer es zulässt, dass der Verkäufer die ihm obliegende Leistung „nicht vertragsgemäß bewirkt“ (vgl. § 323 Abs. 5 S. 2), gewissermaßen zu einer Konkurrenz und Überlagerung verschiedener Prinzipien der Gefahr­tragung. Diese macht eine Abgrenzung solcher Verschlechterungen, die noch dem Verkäufer zur Last fallen, obwohl der Käufer die zur Erfüllung eingesetzte Sache bereits erworben hat, von solchen Verschlechterungen, die bereits dem Käufer zur Last fallen, obwohl die zur Erfüllung eingesetzte Sache sich wegen eines Mangels eigentlich (noch) nicht als „die verkaufte Sache“ qualifiziert, erforderlich. Davon hängt ab, inwieweit der Käufer wegen einer weiteren Verschlechterung der mangelhaften Sache, die der Verkäufer haftungsrechtlich nicht zu vertreten hat, Nachbesserung verlangen (Leistungsgefahr) oder den Kaufpreis mindern (Preisgefahr) darf. In Anlehnung an die Dogmatik der Leistungsgefahr bei der Gattungsschuld wurde der Gedanke entwickelt, dass dieses Abgrenzung nicht dadurch erfolgt, dass der ursprüngliche Erfüllungsanspruch in einem bestimmten Zeitpunkt untergeht und durch einen Nachbesserungsanspruch bestimmten Inhalts (geringeren Umfangs) ersetzt wird oder der eine Anspruch sich in den anderen „verwandelt“. Vielmehr besteht der ursprüngliche Erfüllungsanspruch fort, er kann aber im Rahmen der Nachbesserung nur beschränkt geltend gemacht werden, weil der Verkäufer in bestimmtem Umfang von der Leistung frei wird, obwohl er die ihm obliegende Leistung noch nicht bewirkt hat.

2 

Das gilt nicht im Rahmen der Ersatzlieferung beim Verbrauchsgüterkauf. spricht insbesondere gegen den Vorschlag Donous, dass die Ersatzlieferung vorzugweise mit gebrauchten Sachen zu erfolgen habe, die dem Zustand entsprechen, den die zuerst gelieferte Sache haben würde, wenn sie bei ihrer Lieferung nicht mangelhaft gewesen wäre. Dazu: B.III.6.b)iii). 4  Dieses ist dem Verkäufer als demjenigen, dem die Sache zusteht, zugewiesen. 3  Das



C. Schluss

679

Zu der Frage, inwieweit der Verkäufer auch in Ansehung einer nach der Entgegennahme der mangelhaften Sache durch den Käufer an derselben auftretende Zufallsverschlechterung zur Leistung (Leistungsgefahr: Nachbesserung) verpflichtet bleibt und bei Ausbleiben dieser Leistung insoweit den Verlust der Kaufpreisforderung hinnehmen muss (Preisgefahr: Minderung oder Rücktritt), kommt die vorliegende Arbeit zu dem Ergebnis, dass dem Verkäufer solche Verschlechterungen zur Last fallen, die in einem inneren Zusammenhang damit stehen, dass er seine Leistung mangelhaft erbracht hat. Er trägt ferner die Gefahr, dass er selbst oder eine von ihm mit der Nachbesserung beauftragte Person die mangelhafte Sache bei der Nachbesserung weiter beschädigt. In dieser Beschädigung setzt sich zwar nicht das in der Vergangenheit liegende mangelhafte Leistungshandeln (Lieferung mangelhafter Ware) fort. Es soll dem Verkäufer aber nicht zum Vorteil gereichen, wenn der Schaden durch eine Tätigkeit verursacht wird, die er bereits vor der Lieferung hätte vornehmen müssen und die ggf. Mängelrechte des Käufers begründet hätte. Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Regelungsvorschläge die Projektgruppe „Gewährleistung und Garantie“ dem Gesetzgeber machen wird und ob der Gesetzgeber diese aufgreifen und die Gefahr­tragung während der Nachbesserung speziell regeln wird. Weil es sich um ein sehr komplexes Problem handelt, das dogmatische Grundfragen berührt (das Verhältnis von Erfüllung und Nacherfüllung, Gefahr­tragung und Haftung, Äquivalenz- und Integritätsinteresse), ist vor einer vorschnellen und zu detailfreudigen Regelung zu warnen. Es sollte Wissenschaft und Rechtsprechung überlassen bleiben, sich an das Problem heranzutasten und Lösungen zu entwickeln. Diese Arbeit leistet einen Beitrag dazu. Für den Fall, dass der Gesetzgeber eine Regelung für notwendig hält, sei ihm aufgrund der Ergebnisse dieser Arbeit empfohlen, § 434 um einen neuen Absatz 4 mit dem folgenden Wortlaut zu ergänzen: Absatz 1 gilt entsprechend, wenn die mangelhafte Sache sich nach der Übergabe an den Käufer aufgrund ihres Mangels verschlechtert oder durch den Verkäufer oder eine Person, derer er sich zur Nachbesserung bedient, bei der Nachbesserung beschädigt wird. Abweichend von den vorläufigen Regelungsvorschlägen der Projektgruppe erscheint es aus systematischen Gründen vorzugswürdig, die Regelung in § 434 zu integrieren, der den Maßstab für die Prüfung, ob die Leistung mangelhaft ist, bestimmt und klarstellt, dass dem Verkäufer jegliche Sachverschlechterungen, die nach dem Gefahrübergang gem. §§ 446, 447 auftreten, (auch) nicht mehr als Sachmängel zur Last fallen, wenn seine Leistung sich im Zeitpunkt des Gefahrübergangs als mangelfrei erwiesen hat. Durch die Bezugnahme auf die Übergabe ist einerseits klargestellt, dass bis zur Übergabe sämtliche Verschlechterungen, die das zur Erfüllung eingesetzte Stück, das sich „bei Gefahrübergang“ als mangelhaft erweist, erleidet, noch dem Verkäufer zur Last fallen.5 Andererseits ergibt sich 5  Aus

Sinn und Zweck des § 447 Abs. 1 ergibt sich nach hier vertretener Ansicht, dass dies

680

C. Schluss

daraus, dass nach der Übergabe auftretende Verschlechterungen dem Verkäufer ausschließlich unter den weiteren Voraussetzungen der Vorschriften (als Mangel) zur Last fallen. Diese weiteren Voraussetzungen sind so formuliert, dass der Rechtsprechung genügend „Spielraum“ gelassen ist, um kasuistisch konkretisieren zu können, wann eine Sachverschlechterung als „auf dem Mangel beruhend“ (in Abgrenzung von mangelunabhängig) oder die mangelhafte Sache als „bei der Nachbesserung“ im Sinne von „bei Erfüllung der Nachbesserungspflicht“ (in Abgrenzung von „bei Gelegenheit der Nachbesserung“) beschädigt anzusehen ist. Sie geben dem Weg, den das OLG Saarbrücken mit seinen beiden Entscheidungen eingeschlagen hat, eine Richtung. Sie liefern außerdem begriffliche Anknüpfungspunkte für die rechtswissenschaftliche Diskussion. Zu dieser Diskussion trägt die vorliegende Arbeit außer den Regelungsvorschlag selbst auch Vorschläge zu dessen Auslegung bei. Sie beruhen auf der Annahme, dass „Mangel“ nicht ausschließlich auf einen abgrenzbaren schadenhaften Bereich der zur Erfüllung eingesetzten Sache, ein realkörperlich fest umrissenes Qualitätsdefizit als solches zu beziehen ist, sondern auf die Verletzung der Leistungspflicht aus § 433 Abs. 1 S. 2. Diese manifestiert sich in solch einem Qualitätsdefizit, sie kann das zur Erfüllung eingesetzte Stück aber auch abseits davon beeinträchtigen (so insbesondere beim weiterfressenden Mangel).6 Im Rahmen der Verpflichtung, die Verletzung seiner Leistungspflicht durch Beseitigung der konkreten Sachbeeinträchtigungen, in denen die Verletzung der Leistungspflicht sich manifestiert, zu heilen, trägt der Verkäufer auch das Risiko weiterer Sachschäden, die gerade durch die Nachbesserung verursacht werden. Er erhält eine „zweite Chance“, sich den vollen Kaufpreis zu verdienen, und muss die inhaltlich damit verbundenen Risiken tragen. Die Anordnung der entsprechenden Anwendung des § 434 Abs. 1 in der vorgeschlagenen Regelung bedeutet, dass nach einer Verschlechterung oder Beschädigung, welche die Voraussetzungen des empfohlenen Absatzes 4 (de lege ferenda) erfüllt, zu prüfen ist, ob diese eine Abweichung der tatsächlichen von der vereinbarten (Satz 1), vorausgesetzten (Satz 2 Nr. 1) oder zu erwartenden (Satz 2 Nr. 3, ggf. i. V. m. Satz 3) Beschaffenheit zur Folge hat. Ist das der Fall, liegt (auch insoweit) ein Mangel vor, der nach Maßgabe der §§ 437 ff. zu behandeln ist.

ausnahmsweise nicht für solche Schäden gilt, welche die bei ihrer Absendung mangelhafte Sache auf dem Transportweg erleidet. Sie fallen dem Verkäufer nur zur Last, wenn sie „mangelbedingt“ sind. Dazu B.III.3.b)ii)2). 6  Wegen des „Fortsetzungszusammenhangs“ der mangelhaften Leistung ist es auch nicht ausgeschlossen, einen Schaden, der bei dem Rücktransport der reparierten Sache zum Käufer an derselben auftritt, noch als Beschädigung der mangelhaften Sache (bei der Nachbesserung) im Sinne der vorgeschlagenen Regelung zu erfassen, wenn der Rücktransport noch zur Erfüllung der Nachbesserungspflicht zählt.

Anhänge

[Anhang I]

9. Verbraucherschutzministerkonferenz



1.  Beschluss der 9. Verbraucherschutzministerkonferenz am 17. Mai 2013 in Bad Nauheim

683

1.  Beschluss der 9. Verbraucherschutzministerkonferenz TOP 47

Gewährleistungsrechte und Garantien beim Verbrauchsgüterkauf

Beschluss 1. Die Verbraucherschutzministerkonferenz sieht die Notwendigkeit, die zum Schutz der Verbraucher bestehenden Vorschriften zum Gewährleistungsrecht beim Kaufvertrag weiter zu entwickeln. 2. Nach Ansicht der Verbraucherschutzministerkonferenz sind gesetzgeberische Lösungen vor allem notwendig, um a) den Verbraucher davor zu bewahren, dass er Nachteile in Bezug auf seine Rechte aus der gesetzlichen Gewährleistung erleidet, wenn er auf Veranlassung des Verkäufers bei Mängeln der Kaufsache Abhilfe im Rahmen einer Herstellergarantie sucht, b) Klarheit darüber zu schaffen, dass die Verjährung der Gewährleistungsansprüche nach Reparatur und Ersatzlieferung innerhalb eines festzulegenden zeitlichen Rahmens neu beginnt und c) den Verbraucher durch eine angemessene Gefahrtragungsregel davor zu schützen, dass er nach der Aufforderung des Verkäufers zur Mangelbeseitigung insbesondere während des Transports der Ware zum Verkäufer die Folgen eines unverschuldeten Verlusts oder einer unverschuldeten Beschädigung trägt. Zu untersuchen wäre außerdem, ob und unter welchen Umständen ein Verkäufer verpflichtet werden könnte, dem Verbraucher eine Ersatzsache zur Verfügung zu stellen, wenn die Reparatur der mangelhaften Kaufsache oder eine Ersatzbeschaffung einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt und der Verbraucher auf die Nutzungsmöglichkeit angewiesen ist.

[Seite 66 von 75, jeweils vom Verfasser hinzugefügt] Seite 66 von 75

9. Verbraucherschutzministerkonferenz am 17. Mai 2013 in Bad Nauheim 684

Anhänge

3. Die Verbraucherschutzministerkonferenz bittet die Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz, eine Projektgruppe einzurichten, die die notwendigen gesetzlichen Änderungen näher untersucht und der Verbraucherschutzministerkonferenz über mögliche Lösungen berichtet. Sofern die Justizministerkonferenz dem zustimmt, soll sich die Projektgruppe aus Vertretern der Verbraucherschutzressorts und der Justizressorts zusammensetzen und ebenfalls der Justizministerkonferenz berichten. 4. Die Vorsitzende wird gebeten, diesen Beschluss der Justizministerkonferenz zu übermitteln.

Ergebnis: 16

:

0

:

0

Der Bund hat an der Beschlussfassung mitgewirkt:

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[Seite 67 von 75]

ja:

nein: X



2.  Beschluss der 84. Justizministerkonferenz

2.  Beschluss der 84. Justizministerkonferenz [Anhang II]

Beschluss TOP I.6:

Gewährleistungsrechte und Garantien beim Verbrauchsgüterkauf

Berichterstattung: Bayern

1. Die Justizministerinnen und Justizminister haben den Beschluss der Verbraucherschutzministerkonferenz vom 17. Mai 2013 zur Kenntnis genommen und sich mit dem Anliegen, die Vorschriften zum Gewährleistungsrecht beim Kaufvertrag weiter zu entwickeln, auseinandergesetzt. 2. Die Justizministerinnen und Justizminister sind bereit, sich mit der Verbraucherschutzministerkonferenz an einer Arbeitsgruppe zu beteiligen, die die Notwendigkeit gesetzlicher Änderungen näher untersucht und der Verbraucherschutzministerkonferenz sowie der Justizministerkonferenz über die Ergebnisse berichtet. Die Justizministerinnen und Justizminister halten die Einbeziehung der Wirtschaftsministerkonferenz bei dieser Arbeitsgruppe für erforderlich.

685

[Anhang III]

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Anhänge

Projektgruppe der Verbraucherschutzministerkonferenz und Justizministerkonferenz 3.  Arbeitspapier der Projektgruppe „Gewährleistung und Garantie“ Gewährleistung und Garantie (Auszug „Gefahr­tragung

während der Nacherfüllung“)

Arbeitspapier 16. September 2014

Inhalt I. II. III. IV. V. VI.

I.

Einführung ......................................................................................................................................... 1 Zusammenfassung .......................................................................................................................... 2 Neubeginn der Verjährung nach Nacherfüllung .......................................................................... 6 Gefahrtragung während der Nacherfüllung ............................................................................... 16 Gewährleistung und Garantie ...................................................................................................... 23 Vermeidung des Nutzungsausfalls bei Nacherfüllung ............................................................. 37

Einführung Die Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) und die Justizministerkonferenz (JuMiKo) haben sich im Jahr 2013 mit verbraucherpolitischen Ansätzen zur Fortentwicklung des Gewährleistungsrechts beim Verbrauchsgüterkauf befasst. Auf Grundlage der Beschlüsse der beiden Ministerkonferenzen wurde eine Projektgruppe eingerichtet, die folgende Aspekte des Gewährleistungsrechts beim Verbrauchsgüterkauf untersucht: •

Neubeginn der Verjährung nach Nacherfüllung



Gefahrtragung während der Nachbesserung



Gewährleistung und Garantie



Nutzungsausfall bei der Nacherfüllung.

Aufgrund des engen thematischen Zusammenhangs hat sich die Projektgruppe außerdem der Frage zugewandt, ob die anfängliche Beweislastumkehr nach § 476 BGB zur Stärkung der Gewährleistungsansprüche verlängert werden sollte. Das vorliegende Arbeitspapier enthält das Ergebnis der bisherigen Arbeiten der Projektgruppe und gibt den Stand der zum Teil kontrovers geführten Diskussion wieder. Zu zahlreichen Aspekten hat die Projektgruppe unterschiedliche Lösungsansätze diskutiert, ohne jedoch bislang eine Festle-

[Seitenzahlen v. Verf. hinzugefügt]

[1]

1



[Anhang III] 3.  Arbeitspapier der Projektgruppe „Gewährleistung und Garantie“

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gung getroffen zu haben. Das Arbeitspapier dient als Grundlage für eine schriftliche Anhörung von Verbänden und Interessenvereinigungen, die von der Thematik berührt sind, der gerichtlichen Praxis, ausgewählter Rechtswissenschaftler und der betroffenen Länderressorts. In der Zusammenfassung, die den einzelnen Kapiteln vorangestellt ist, sind die aus Sicht der Projektgruppe wesentlichen Fragen hervorgehoben, auf die in der Anhörung besonders eingegangen werden sollte. Die im Rahmen der Anhörung gewonnenen Erkenntnisse werden in die weiteren Arbeiten der Projektgruppe und den Abschlussbericht einfließen, der der VSMK und JuMiKo vorgelegt wird. Die Projektgruppe erwägt neben der schriftlichen Anhörung auch ein Gespräch mit ausgewählten Experten.

[Seitenzahlen v. Verf. hinzugefügt]

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[Anhang III]

688 IV.

Anhänge Gefahrtragung während der Nacherfüllung

1. Problembeschreibung Es kommt immer wieder vor, dass ein Käufer eine mangelhafte Kaufsache nach einem Reparaturversuch des Verkäufers mit zusätzlichen Beschädigungen zurück erhält. Typischer Fall sind Transportschäden, die sich auf dem Weg der Ware zum Verkäufer oder vom Verkäufer zurück an den Verbraucher ereignen. Aber auch Naturereignisse wie Blitzschlag und Hagel, nicht näher aufklärbare Beschädigungen durch Dritte oder unsachgemäße Reparaturmaßnahmen kommen als Schadensursachen in Betracht. Derartige Fälle spielen in der Beratungspraxis der Verbraucherzentralen eine zunehmende Rolle, auch wenn sie häufig im Kulanzwege gelöst werden. Eine Quantifizierung der Fälle ist im Rahmen des vorliegenden Projekts allerdings nicht möglich. Da für die Phase der Nachbesserung – anders als bei der Ersatzlieferung – keine Gefahrtragungsregel besteht, treffen die Folgen der zufälligen Beschädigung rechtlich betrachtet den Käufer. Schadensersatzansprüche kann er nur im Falle einer vom Verkäufer verschuldeten Beschädigung geltend machen. Hierbei besteht für den Käufer die Schwierigkeit, ein Verschulden auf Verkäuferseite nachzuweisen. Dies gilt auch, wenn man als Erfüllungsort der Nacherfüllung stets den Ort ansieht, an dem sich die Kaufsache befindet (Belegenheitsort, siehe hierzu Mü/Ko, § 439 BGB, Rn. 7 und 14), und damit der Verkäufer rechtlich zum Transport der Ware einschließlich ihrer sicheren Aufbewahrung verantwortlich wäre. Denn auch insoweit besteht für etwaige Ansprüche des Käufers ein Verschuldenserfordernis. Weiter ergibt sich auch aus dem Gewährleistungsrecht selbst kein Anspruch, im Rahmen der Nachbesserung hinzukommende Schäden zu beseitigen. Zwar wird vereinzelt die Auffassung vertreten, anlässlich einer Nachbesserung auftretende neue Mängel wie solche zu behandeln, die bereits bei Übergabe vorhanden waren (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 18.04.2013, Az.: 4 U 52/12), jedoch erschiene dies allenfalls bei solchen Beschädigungen denkbar, die sich als unmittelbare Folge eines unsachgemäßen, fehlerhaften Reparaturversuchs darstellen. Hat der Käufer dagegen einen Anspruch auf Ersatzlieferung und entscheidet er sich für diese, ist er weitgehend vor den Folgen einer zufälligen Beschädigung oder Zerstörung geschützt. Er erhält eine neue Ware, ohne Wertersatz für die zwischenzeitlich beschädigte oder zerstörte mangelhafte Sache leisten zu müssen, sofern er die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten beobachtet hat. Dafür sorgt die Regelung in §§ 437 Nr. 1, 440, 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB.

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[16]

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[Anhang III] 3.  Arbeitspapier der Projektgruppe „Gewährleistung und Garantie“

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Auch im Falle einer vollständigen Zerstörung oder des Verlusts der Kaufsache während der Nachbesserung ist der Käufer rechtlich besser gestellt als bei einer bloßen Beschädigung. Handelt es sich um einen Gattungskauf, wird man dem Käufer das Recht zubilligen, von der ursprünglichen Nachbesserung, die nun unmöglich geworden ist, auf Ersatzlieferung überzugehen und damit in den Genuss der Regelung des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB zu gelangen. Handelt es sich um einen Stückkauf, ist die Nacherfüllung unmöglich geworden. Der Käufer kann dann unter den Voraussetzungen der §§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB immerhin vom Kaufvertrag zurücktreten und die wirtschaftlichen Folgen der Zerstörung oder des Verlusts von sich abwenden. Dabei wird man annehmen können, dass der Käufer allenfalls für die Zerstörung während des Transports, nicht jedoch für die Mangelhaftigkeit als mitbestimmende Ursache verantwortlich und daher der Rücktritt nicht nach § 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen ist (Palandt/Grüneberg, § 323, Rn. 29). 2. Handlungsbedarf Wenn der Käufer während der Nachbesserung die Folgen einer zufälligen Beschädigung tragen muss, wird er mit Risiken belastet, die in einem kausalen Zusammenhang mit der Mangelhaftigkeit und dem daraus resultierenden Nachbesserungsbedarf stehen. Unter Abwägung der nachstehend aufgeführten Gründe ist dies nicht sachgerecht. Daher besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf. a) Gründe für eine Gefahrtragung des Verkäufers Für eine Zuweisung der Verantwortung für zufällige Beschädigungen während der Nachbesserung an den Verkäufer sprechen folgende Gründe: Der Verkäufer hat mit seiner nicht vertragsgemäßen Leistung eine Ursache für die Beschädigung der Kaufsache gesetzt, wenn sie sich beim Transport oder in einem Zeitpunkt ereignet, in dem sich die Ware zum Zwecke der Reparatur beim Verkäufer befindet. Der Käufer hat zumindest ab der Inbesitznahme durch den Verkäufer keine Möglichkeit mehr, das Risiko der zufälligen Beschädigung zu beeinflussen. Die Ware befindet sich ab diesem Zeitpunkt in der Sphäre des Verkäufers. Es erscheint daher unbillig, den Käufer mit den Folgen einer zufälligen Beschädigung zu belasten. Die bestehende Risikoverteilung kann außerdem den Käufer davon abhalten, seine Gewährleistungsrechte geltend zu machen. Dies gilt vor allem dann, wenn die mangelhafte Ware über eine längere Entfernung, ggf. sogar zu einem im Ausland ansässigen Verkäufer versandt werden muss. Die Interessenlage, die den Gesetzgeber dazu bewog, nach § 439 Abs. 4. i.V.m. § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB die Gefahr des zufälligen Untergangs bei der Ersatzlieferung dem Verkäufer zu über-

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[Anhang AnhängeIII]

tragen, besteht in gleichem Maße bei der Nachbesserung. Nach Auffassung des Gesetzgebers sollte derjenige, der nicht ordnungsgemäß geleistet hat, nicht darauf vertrauen dürfen, dass der Gefahrübergang auf den Käufer endgültig ist (BT-Drs. 14/6040, S. 196). Zwischen der Gefahrtragung des Verkäufers bei Ersatzlieferung und Rücktritt einerseits und der Gefahrtragung des Käufers bei Beschädigungen während der Nachbesserung andererseits besteht damit ein korrekturbedürftiger Wertungswiderspruch. Ein Wertungswiderspruch besteht im Übrigen auch im Verhältnis zwischen der bloßen Beschädigung und der Zerstörung der Kaufsache während der Nachbesserung, da der Käufer infolge der Unmöglichkeit der Nachbesserung entweder ohne Wertersatz vom Vertrag zurücktreten oder, sofern dies möglich ist, anstelle der Nachbesserung Ersatzlieferung verlangen kann. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (Richtlinie 1999/44/EG) nicht nur die Unentgeltlichkeit der Abhilfe (Art. 3 Abs. 2), sondern auch eine Abhilfe ohne erhebliche Unannehmlichkeiten verlangt (Art. 3 Abs. 3, 3. UA). Die Entscheidung des EuGH, dass ein Nutzungsersatz im Falle der Ersatzlieferung gegen die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie verstößt („QuelleEntscheidung“ – Rs. 404/604), liefert ein deutliches Indiz dafür, dass das europäische Recht den Verbraucher nicht mit den Folgen einer zufälligen Beschädigung der Kaufsache während der Nachbesserung belasten will. Der EuGH führt in der genannten Entscheidung nämlich u.a. aus, dass der Verkäufer, der ein vertragswidriges Verbrauchsgut liefert, die Folgen dieser Schlechterfüllung tragen muss (Rdnr. 41). Dazu zählen bei entsprechendem Ursachenzusammenhang auch Beschädigungen, zu denen es während der Nacherfüllung kommt. Zudem wird man nicht mehr von einer Abhilfe ohne erhebliche Unannehmlichkeiten sprechen können, wenn der Käufer sein repariertes Kfz mit einem Hagelschaden oder die reparierte Kaffeemaschine mit einem Transportschaden zurückerhält. Weiter spricht für eine Korrektur, dass der Verkäufer regelmäßig besser in der Lage ist als der Käufer, sich gegen bestimmte Risiken zu versichern. b) Argumente gegen eine gesetzgeberische Korrektur Gegen eine Korrektur der bestehenden Rechtslage kann angeführt werden, dass eine Vielzahl der Fälle im Kulanzwege gelöst wird. Außerdem ließe sich die in § 439 Abs. 4 i.V.m. § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB getroffene Regelung als Ausnahmebestimmung ansehen, die in bestimmten Fallkonstellationen, beispielsweise wenn der Mangel erst nach der Beschädigung der Kaufsache zutage tritt, dem Käufer unangemessene Vorteile verschafft. Korrekturbedürftig sei daher § 439 Abs. 4 BGB. Zumindest sollte die Vorschrift auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt und nicht über die Ersatzlieferung hinaus erweitert werden. Auch liefe eine Gefahrtragungsregel zugunsten des Käu-

[Seitenzahlen v. Verf. hinzugefügt]

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[Anhang III] 3.  Arbeitspapier der Projektgruppe „Gewährleistung und Garantie“

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fers im Ergebnis auf einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch für Schäden hinaus, bei denen sich lediglich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht. c) Abwägung der Argumente In der Abwägung der vorgetragenen Argumente ist ungeachtet der rechts- und verbraucherpolitischen Zielsetzungen maßgeblich die Wertentscheidung des europäischen Gesetzgebers zu beachten, der dem Käufer einen Anspruch auf unentgeltliche Abhilfe ohne erhebliche Unannehmlichkeiten einräumt. Daher scheidet eine Aufhebung der Gefahrtragungsregel des § 439 Abs. 4 BGB für den Verbrauchsgüterkauf aus. Wenn der Verbraucher im Falle der Nachbesserung das Risiko einer zufälligen Beschädigung trägt, wird sein Recht auf eine unentgeltliche Nachbesserung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten unzulässig erschwert. Ein sachlicher Differenzierungsgrund zwischen der Gefahrtragung bei Ersatzlieferung einerseits und Nachbesserung andererseits besteht nicht, zumal die wirtschaftliche Belastung des Verkäufers im Falle der Ersatzlieferung ohne Wertersatz sogar regelmäßig größer sein dürfte als bei einer Nachbesserung mit Kompensation von zufälligen Schäden. Auch ist nicht erklärbar, weshalb der Käufer im Falle einer vollständigen Zerstörung der Kaufsache besser gestellt wird als bei einer bloßen Beschädigung. Etwaige dogmatische Konflikte mit der grundsätzlichen Verschuldensabhängigkeit des deutschen Schadensersatzrechts sind nach mehrheitlicher Auffassung der Projektgruppe kein unüberwindbares Hindernis. Auch ist zu berücksichtigen, dass das grundsätzlich verschuldensgeprägte deutsche Schadensersatzrecht den EuGH nicht davon abgehalten hat, den Verkäufer auf Grund der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zur Übernahme der Ein- und Ausbaukosten bei mangelhafter Ware zu verpflichten (Rechtssache Weber Rs. C-65/09).

3. Lösungsansätze Um den Käufer nicht mit den Folgen einer zufälligen Beschädigung während der Nachbesserung zu belasten, muss die Verantwortung für diese auf den Verkäufer übertragen werden. a) Rechte des Käufers (Rechtsfolgen) Das Interesse des Käufers besteht darin, so gestellt zu werden, als wäre die Kaufsache nicht beschädigt worden. Dabei ist allerdings zu erwägen, die Dispositionsfreiheit des Käufers zwischen Naturalrestitution und Geldersatz, die den Schadensersatzanspruch nach § 249 BGB prägt, mit Blick auf die Belange des Verkäufers einzuschränken. Sach- und praxisgerecht erschiene es, die Ansprüche des Käufers entsprechend den Rechten nach § 437 BGB auszugestalten, d.h. der Beschädigung wie bei der Gewährleistung vorrangig durch Mangelbeseitigung oder Ersatzlieferung

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abzuhelfen. Soweit Mangelbeseitigung und Ersatzlieferung nicht in Frage kommen, wäre der Schaden durch Minderung des Kaufpreises auszugleichen oder dem Käufer ein Rücktrittsrecht einzuräumen. b) Rechtliche Umsetzung Um die Verantwortung für Beschädigungen während der Nachbesserung auf den Verkäufer zu übertragen, kommen eine Gefahrtragungsregel und eine ausdrückliche Regelung der gewünschten Rechtsfolgen in Betracht. Eine Gefahrtragungsregel könnte sich an der Gefahrtragung für die Rücksendung bei Widerruf gemäß § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB bzw. § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB orientieren. Sie könnte beispielsweise wie folgt formuliert werden: „Mit der Übergabe der mangelbehafteten Sache zur Nachbesserung an den Verkäufer geht die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf diesen über.“ Üblicherweise knüpfen Gefahrtragungsregeln an eine Verpflichtung einer Vertragspartei an, von der sie befreit werden soll (Lieferung, Rückgewähr, Wertersatz). Da allerdings der Verkäufer seine Pflicht zur Beseitigung des ursprünglichen Mangels mit der Übergabe der insoweit reparierten Ware an den Käufer erfüllt, ist nicht ganz eindeutig, welche Rechtsfolgen sich aus der Gefahrtragung ergeben. Eine derartige Gefahrtragungsregel könnte beispielsweise als Ausnahme vom Verschuldenserfordernis des § 280 BGB verstanden werden. Eindeutiger, aber in der konkreten Gestaltung auch aufwendiger, wäre eine ausdrückliche Regelung der Rechtsfolgen. Von der Projektgruppe nicht näher untersucht wurde, ob die Regelung auch auf Beschädigungen im Zusammenhang mit der Ersatzlieferung erstreckt werden und mit § 439 Abs. 4 BGB zusammengeführt werden sollte. c) Maßgeblicher Zeitraum und innerer Zusammenhang Im Gegensatz zu § 439 Abs. 4 BGB wird der Zeitraum, innerhalb dessen die Gefahr auf den Verkäufer übergehen soll, sinnvoller Weise einzugrenzen sein. In Betracht käme, den Gefahrübergang ab •

Mängelanzeige



Übergabe der Kaufsache an eine Versandperson

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Empfang der Ware durch den Verkäufer

eintreten zu lassen. Für einen Gefahrübergang in einem frühen Stadium, d.h. ab Mängelanzeige, spräche der Vergleich mit der für die Ersatzlieferung getroffenen Regelung. Auch könnte ein späterer Zeitpunkt des Gefahrübergangs möglicherweise denjenigen Verkäufer unbillig entlasten, der die Mangelbeseitigung und den Rücktransport verzögert. Um jedoch die Verantwortung des Verkäufers nicht zu überdehnen, erscheint es angemessen, die Gefahr erst dann übergehen zu lassen, wenn die mangelhafte Ware zum Zwecke der Nachbesserung die Sphäre des Käufers verlässt. Damit wird auch ein hinreichender innerer Zusammenhang zwischen der Mangelhaftigkeit und der Beschädigung sichergestellt, der die Erweiterung der Gewährleistungspflichten des Verkäufers zu rechtfertigen vermag. Da trotz der Kostentragungsregel in § 439 Abs. 2 BGB nicht eindeutig ist, wo der Leistungsort der Nacherfüllung liegt und wann der Verkäufer den Rücktransport der Ware selbst durchführen muss (vgl. BGH vom 13. April 2011, Az. VIII ZR 220/10), bietet es sich an, den Gefahrübergang entsprechend den §§ 446, 447 BGB zu regeln. Die Gefahr sollte damit regelmäßig erst mit Übergabe auf den Verkäufer übergehen. Im Falle des Versendungskaufs würde entsprechend dem Gedanken des § 447 BGB die Gefahr mit der Übergabe an die Transportperson übergehen. Darüber hinausgehend könnte überlegt werden, in jedem Falle die Gefahr mit der Übergabe an eine Transportperson auf den Verkäufer übergehen zu lassen (z.B. auch beim Abschleppen des infolge eines Mangels liegen gebliebenen Kfz zum Händler). Dagegen bliebe beim Eigentransport die Gefahr bis zur Übergabe beim Käufer, da sich die Ware noch in seiner Verantwortungssphäre befindet. Dies erscheint auch sachgerecht, da der Käufer es in diesem Fall in der Hand hätte, die Sache zu schützen. Endpunkt der Gefahrtragung des Verkäufers ist die Übergabe der reparierten Ware an den Käufer. d) Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten Wählt man für die Gefahrtragung des Verkäufers einen engen Zeitraum, spielt eine mögliche Verursachung der Beschädigung durch den Käufer eine untergeordnete Rolle. Gleichwohl sollte entsprechend § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB die Gefahrtragung auch bei lediglich leichter Fahrlässigkeit des Käufers gelten, um den Käufer nicht mit dem Einwand der unsorgfältigen Auswahl des Transportunternehmens zu belasten.

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694 e) Beweisbarkeit des Mangels

Die Beweisbarkeit des Mangels ist nur bei vollständiger Zerstörung der Kaufsache erschwert, bei der im Regelfall bereits de lege lata die Gefahr der Verkäufer trägt. f) Formulierungsvorschläge Variante 1: § 439 Abs. 2 Sätze 2 und 3 (neu): „Mit der Übergabe der mangelbehafteten Sache zur Nachbesserung an den Verkäufer geht die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf diesen über. Im Fall der Rücksendung geht die Gefahr auf den Verkäufer über, sobald der Käufer die Sache der zur Ausführung der Rücksendung bestimmten Person übergeben hat.“ Variante 2: § 439 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 (neu): "Hat der Käufer die Beseitigung des Mangels gewählt oder hat der Verkäufer seine Verpflichtung auf diese beschränkt, trägt der Verkäufer ab Empfang der Sache die Gefahr des Untergangs und der Verschlechterung bis zur Übergabe der mangelfreien Sache an den Käufer, es sei denn, der Käufer hat den Untergang oder die Verschlechterung grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht. Im Fall der Rücksendung geht die Gefahr auf den Verkäufer über, sobald der Käufer die Sache der zur Ausführung der Rücksendung bestimmten Person übergeben hat. Trägt der Verkäufer nach Satz 2 oder Satz 3 die Gefahr, hat der Käufer wegen des Untergangs oder der Verschlechterung der Sache in entsprechender Anwendung die Rechte nach § 437.“

Erläuterung der Unterschiede zwischen Variante 1 und 2: Variante 1 verzichtet auf eine ausdrückliche Bezeichnung der Rechtsfolge, die sich aus dem Rückfall der Gefahrtragung auf den Verkäufer ergibt, ebenso auf eine Bestimmung des Haftungsmaßstabs des Käufers. Variante 2 versucht darüber hinaus dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Entscheidung zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung nicht nur in der Hand des Käufers liegt und auch noch nicht zwingend im Moment der Übergabe feststehen muss. Außerdem wird das Ende der Gefahrtragung ausdrücklich geregelt.

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Nachwort Die Projektgruppe „Gewährleistung und Garantie“ hat unter dem 3. Februar 2016 ihren Abschlussbericht1 verfasst. Dieser enthält eine Problembeschreibung2, fasst die Ergebnisse der Anhörung von Wirtschaftsverbänden, Verbraucherschutzorganisationen, gerichtlicher Praxis sowie Vertretern der Rechtswissenschaft zu dem Arbeitspapier i. d. F. vom 16. September 20143 zusammen4 und begründet anschließend umfangreich die Auffassung der Projektgruppe, „dass der Verbraucher nicht ausreichend vor zufälligen Beschädigungen der Kaufsache während der Nachbesserung geschützt ist und insoweit gesetzgeberische Maßnahmen geboten sind“5. Die Projektgruppe schlägt schließlich die folgende Neuregelung in einem neuen Absatz 4 in § 439 vor (der bisherige Absatz 4 soll Absatz 5 werden): „Ist die Pflicht zur Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels zu erfüllen und tritt an der Sache, nachdem sie dem Verkäufer oder der zur Ausführung der Rücksendung bestimmten Person übergeben worden ist, vor Rückgabe an den Käufer eine Verschlechterung ein, stehen dem Käufer insoweit die Rechte aus § 437 zu. Dies gilt nicht, wenn 1. der Käufer den Schaden verursacht und dabei diejenige Sorgfalt nicht beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt oder 2. der Käufer bei Eintritt des Schadens im Verzug der Annahme war und der Schaden vom Verkäufer nicht zu vertreten ist. Das Recht, nach § 280 Schadenersatz zu verlangen, bleibt unberührt.“6 Ferner soll § 438 Abs. 2 um einen neuen Satz 2 ergänzt werden: „In den Fällen des § 439 Abs. 4 beginnt die Verjährung mit der Rückgabe an den Käufer.“7 1  Bericht „Gewährleistung und Garantie“ der Projektgruppe der Verbraucherschutzministerkonferenz und Justizministerkonferenz vom 3. Februar 2016 (abrufbar auf der Website der VSMK unter: https://www.verbraucherschutzministerkonferenz.de/VSMK-Dokumente.html), im Folgenden „Abschlussbericht“. 2  Abschlussbericht, S. 20 f. 3  Hierzu bereits oben: B.III.8.c) in Fn. 1017. 4  Abschlussbericht, S. 21–23. 5  Abschlussbericht S. 23–29. 6  Abschlussbericht, S. 29 f. 7  Abschlussbericht, S. 30.

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Nachwort

Sowohl der 12. Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) am 22. April 2016 als auch der 87.  Justizministerkonferenz (JuMiKo) am 1./2. Juni 2016 hat die Projektgruppe ihren Abschlussbericht vorgelegt. Beide Konferenzen haben hierzu Beschlüsse gefasst. Die VSMK sieht sich in der Auffassung bestätigt, dass die Vorschriften des BGB zu den Rechten des Käufers bei Mängeln der Kaufsache überarbeitet werden sollten. Sie hat den Bund gebeten, insbesondere „zur Verantwortung des Verkäufers für Beschädigungen der Kaufsache während der Nachbesserung“ einen Gesetzesentwurf gemäß den Vorschlägen der Projektgruppe vorzulegen, der vorsieht, dass „der Verkäufer auch für von ihm nicht verschuldete Beschädigungen der mangelhaften Sache bis zu ihrer Rückgabe an den Käufer grundsätzlich die Verantwortung übernimmt, wenn diese ihm zum Zweck der Mangelbeseitigung übergeben oder an ihn versandt worden war“.8 Mit weitaus mehr Zurückhaltung hat die JuMiko das Bundesministerium für Justiz- und Verbraucherschutz gebeten, „die Ergebnisse der Projektgruppe zu prüfen und gegebenenfalls bei zukünftigen Gesetzgebungsvorhaben zu berücksichtigen“; ferner hat sie den Abschlussbericht der Projektgruppe der Konferenz der Wirtschaftsminister zur Kenntnis gegeben.9

8  Ergebnisprotokoll der 12. Verbraucherschutzministerkonferenz vom 22. April 2016 in Düsseldorf (abrufbar auf der Website der VSMK unter: https://www.verbraucherschutzministerkon ferenz.de/Beschluesse.html), S. 89 f., TOP 53. 9  Beschlüsse der 87. Konferenz der Justizministeriennen und Justizminister vom 1. bis 2. Juni in Nauen (abrufbar u. a. auf der Website des Justizministeriums des Landes Nordrhein Westfahlen unter: https://www.justiz.nrw/JM/leitung/jumiko/beschluesse/index.php), TOP I. 4.

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Literatur

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Sachregister Abgabeschuld/-geschäft  28, 37, 95, 290, 432, 436, 437 ff., 526, 553 ABGB  71 f., 92, 109, 110, 113, 115–117, 126, 146 f., 151, 171, 208 f., 214, 219, 302–305, 335, 370, 534, 548, 611 f. Absorption  185, 251, 287 ff. Abwendungsbefugnis/-recht  167 f., 223, 225, 228, 549, 613, 640 actio –– empti  37–40, 44, 55, 117, 208, 329 f., 332 f., 364, 366 –– de dolo  78 –– in factum 78 –– praescriptis verbis  77 f., 82 –– quanti minoris  39, 329 f., 333 –– redhibitoria  10, 28, 39, 46, 328 ff., 360, 362 ff., 380, 405, 408 –– venditi  37, 40, 44, 56 admetiri s. mensura ADHGB  135, 337 ff., 343, 347, 353 Ädilen (Edikt der kurulischen Ä.)  39, 46, 328 ff., 364 ff., 405 Äquivalenz(-Interesse)  207, 213, 330, 352, 421, 444, 448, 504, 607, 611 ff., 649 ff., 679 Anfechtung  273, 311 f., 349, 384 f. 395 Annahme als Erfüllung  244, 317 ff., 415, 418 ff., 441, 459  , 464 ff., 577, 671 f. Annahmeverzug  23, 44 f., 60, 62, 97 f., 102–104, 174–212, 263–268, 295, 316, 322, 418, 427, 456, 461–465, 477, 667, 674 Auslegung, Vertrags- (erläuternd/ergänzend)  153 ff., 257 f., 297, 530, 539 ff., 552 ff., 578 f., 590 f., 594, s. a. Parteiwille Ausscheidungstheorie  101 ff., 174, 193, 198 f. Ausschlusslösung  20, 363 ff., 369 f., 378–380, 388, 404 f., 410, 417, 449, 474 f., 511 ff., 570 f.

Austauschgedanke  72, 250, 253, 256 f., 260, 266, 272, 275, 277, s. a. Synallagma Badisches Landrecht   107 Barkauf  34, 50 ff., 62 ff., 111, 114 Bayerischer Entwurf  127 Beherrschbarkeit(-sprinzip)  44, 219 ff., 251 ff., 281 ff., 287 ff. Beschädigung, Sach-  12, 257–259, 382 f., 471, 512, 518, 560, 641 f. Beschaffungslast  14, 95, 437, 481 Beschaffungsnotwendigkeit 546 Beschaffungsrisiko  11 f., 175, 181, 184, 247, 420, 439 f., 531, 540, 554 Beschaffungsschuld  37, 232, 432, 436 bona fides, bonae fidei iucicium  39, 45, 58, 62, 78 Bringschuld  100, 103 ff., 174, 183, 427 f. casum sentit dominus  3 ff., 8, 11, 16 f., 20, 27, 41, 52 ff., 62, 71, 73, 88, 92 f., 108, 128, 144, 146 f., 151 f., 248, 250, 252, 258, 269 ff., 275 ff., 365 f., 376, 399 ff., 426, 428 f., 468, 481, 582, 676 , s. a. res perit domino casus   14 f., 43, 57 f., 74, 92 –– fortuitus  43, 49, 74 f. –– minor  45 –– a nulla praestantur  14, 58, 74, 551 ff. Code Civil (fr.)  7, 67, 71 f., 107, 207, 335, 368, 372 commodum/-a, incommoda  55, 57, 61 f., 127, 132, 395, 508 condictio –– causa data causa non secuta  77, 79, 82 ff., 89 –– ex paenitentia/poenitentia, ius p.  76 f., 80, 83, 94 –– ob rem  76, 79

724

Sachregister

–– sine causa 81 conditio tacita  25 f., 80 f., 83, 86 f., 89, 92, 114, 159, 334 f., 336 f., 349 f. Corpus Iuris Civilis  3, 66 f. culpa  49, 60, 63 –– in contrahendo (c. i. c.)  35, 374, 491 –– in custodiendo  49 –– in (non) faciendo  43, 49 –– lata  49, 208 –– levissima  49 custodia (venditoris), periculum custodiae  43 ff., 47 ff., 251, 253, 281, 284, 363, 397 datio ob rem  76 f. diligentia –– in custodiendo  48 f. –– exactissima  48 f. –– paterfamilias  48 f. –– quam in suis  485 do ut des  24 ff., 76, 90 dolus  45, 49, 78, 90, 208, 329 dominus, dominium  3, 55, s. a. casum sentit dominus Dresdner Entwurf  109, 112, 115, 127 f., 210 f., 341, 342, 343, 357, 362, 369 Eigenbesitz  118–120, 140, 320, 429, 582, 588, 634 Eigentumsverschaffungsprinzip  s. Rechtsverschaffungsprinzip Eigentumsvorbehalt  118–120, 139, 145, 204, 247, 249, 257 f., 262, 268, 271, 294 Eigentümer-Besitzer-Verhältnis  379 f. emptio –– ad mensuram  32, 36, 42, 69, 96, 99, s. a. mensura –– contracta  41 –– perfecta  41 f., 44 f., 52, 55 f., 63, 97, 107, 311 –– pondere numero mensura  36 –– venditio  33, 37–39, 49–58, 62, 67–70, 95–98, 116 f., 222, 276 Einheitsformel  349, 353–361, 373 f., 415, 478 f., 569 Entäußerungstheorie  39 f., 52–65, 93, 114 f., 129, 249 f., 276 f. Entreicherung(-sgefahr)  273, 311, 383, 390 f., 482, 497 Erfüllungsinteresse/-schaden  166 f., 210,

216, 231, 336–345, 347, 350, 362, 374, 622, 624, 635, 641, 650, s. a. Äquivalenzinteresse Erfüllungstheorie –– zur ratio legis von § 446 a. F. 256–264 –– zum Gewährleistungsrecht (§§ 459 ff. a. F.)  59, 166, 228, 235, 299–301, 314, 322, (auch Nichterfüllungstheorie)  416, 425, 434, 536 –– zur Anwendbarkeit der periculum est  s. Lieferungstheorie emptoris-Regel auf den Gattungskauf Ersatzgeschäfte (Gattungskauf-)  49 f., 69, 96, 222 Erste Kommission (BGB)  123 Eviktion(-sprinzip)  56, 95, 112, 116 f., 130, 137, 429 f. Fehlerbegriff (obj./subj.)  220, 232–240, 299 f., 322, 442, 536 Flucht in die Nacherfüllung  465 Frustration/Fruststrationsrisiko  27, 79, 271, 524, 555–557, 571, 577 f. Gattungskauf  29 f., 33, 36 f., 43, 49 f., 68 f., 94–106, 172–205, 221–246, 435, 526–545 Gebrauchtwagenfälle  303, 384 f., 389, 395 Gefahr –– Ersatzlieferungs-  12, 445, 466, 471 f., 524–578, 579 f., 642 –– Gegenleistungs-  2, 6, 8, 11, 15 f., 18–26, 58, 97, 112, 125, 138 f., 141, 156, 159, 162 f., 169, 176 f., 182, 203 f., 256 f., 266, 285 f., 297, 352 f., 398, 429, 538, 579, 676 s. a. Preisgefahr –– Leistungs-  1, 2, 8, 11–18, 20 f., 30 f., 41 f., 44, 57 f., 69, 97–99, 103, 156, 162–206, 213, 221, 227, 229, 231, 239–241, 243–245, 247, 266 f., 302, 325, 407, 419–424, 426, 430–434, 437, 441, 444–453, 457 f., 460–475, 481, 493 f., 502, 515, 518, 521–525, 539–541, 549–554, 577–580, 592, 596 f., 606, 628, 628 f., 635, 638 f., 646, 657, 675–679 –– Nachbesserungs-  12, 445, 471–473, 521 f., 524, 539 f., 578–628, 642 –– Nacherfüllungs-  12, 444–453, 473, 579

Sachregister

–– obligatorische  6 f., 8 ff., 11, 17, 27, 29 f., 40, 72, 106, 117, 125, 128 f., 132, 139, 141–148, 248 f., 255, 264, 277, 366, 623, 675 f., s. a. periculum obligationis –– Preis-  1 f., 11, 13, 15 f., 18–21, 27, 29, 31, 41, 56, 69, 98 f., 156, 160, 162–165, 171–206, 213, 216, 219, 221, 230 f., 240–246, 263, 265 f., 271, 279, 295, 300, 302, 304 f., 324 f., 326 f., 396, 405–407, 419–427, 430–431, 433 f., 444–448, 450, 453, 455–458, 461–463, 466, 469–471, 473–476, 481, 493 f., 498, 501 f., 515, 517 f., 522 f., 613, 627 f., 634 f., 639, 662 f., 675–679, s. a. Gegenleistungsgefahr –– des Rechts  6 f., 20, 270, 399 f., s. a. periculum juris –– Rückabwicklungs-  19 f., 74, 305, 399, 471, 474, 476, s. a. Wertersatz-/ Ausschlusslösung, Zurückspringen der Gefahr –– Sach-  4, 8, 11 f., 16 f., 20, 27, 29 f., 40 f., 56 f., 61, 106, 111, 125, 139 f., 248, 271, 365, f., 386, 393, 399–403, 441, 468, 508, 582, 588, 620–622, 633, 665, s. a. periculum rei, casum sentit dominus –– des Wertes  4, 6, 20, 270 f., 399, 401, s. a. periculum aestimationis Gefahrtragung kraft Nacherfüllung  444– 446, 657 Gefahrübergang –– allg. Systematik und Wirkung  19, 21 f., 23, 41, 59, 105, 143, 162, 204, 255, 265, 274, 509, 517, 628 –– Ersatzlieferungsgefahr  472, 579 f. –– fiktiver/hypothetischer  242 ff., 418, 426, 441, 455–461, 463–465, 520, 580, 587, 589, 628 –– Leistungsgefahr  11–15, s. a. Konkretisierung –– Nachbesserungsgefahr  472, 628 f., 664 f. –– Preisgefahr  19, 23, 59, 255, 517 Geld  34 f., 38, 41 genus non perit  97, 173, 180 f. Gewährleistung kraft Gefahrtragung 206 ff., 436, 444, 446, 473, 523, 657 Gewährleistungstheorie  150, 164, 228, 235, 299 f., 303, 314, 322 Gläubigerverzug,  s. Annahmeverzug

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Glossatoren  66–69, 82 f., 90, 96–99 Handkauf  34, 263 Hessischer Entwurf  127, 221 Höhere Gewalt  9, 43, 45, 74, 385, 495 Holschuld  37, 62, 103–105, 174, 183 f., 463 impossibilium nulla (est) obligatio  14, 58 in diem addictio 331 Individualisierungsabrede/-vereinbarung 30, 172, 234, 443, 472, 527, 531 f., 536–545, 553, 558, 561–565, 567, 578–580, 589,590 Integritätsinteresse  469, 607, 612–624, 624, 650 f., 653, 679 Kanonisten  24, 66, 80 ff., 110, 269 f., 334 f. Kauf –– auf Probe  117, 134, 331, 360 f., s. a. pactum displicentiae –– mit Vorbehalt der Reue  343 f., 359, 371, 375, 393 –– nach Beschrieb  436 f. Kauf-/Käuferklage  s. actio empti Kommentatoren  66, 83, 98 Konkretisierung  13 f., 36, 69, 96–106, 150, 172–206, 227 f., 229, 235, 238–248, 290, 320, 417, 419 f., 423, 426–428, 433 f., 447, 465, 467, 470, 472, 526, 528, 530, 538, 542, 579, 584–589, 617, 642, 650 Konzentration  69, 102, 175, 358, 447, 467, 553 Leistungsgefahrtragung kraft Nacherfüllungspflicht  s. Gefahrtragung kraft Nacherfüllung Leistungsverzug  14, 44–46, 57, 75, 78, 144, 168, 202, 215, 217, 230, 326, 336–358, 483, 490, 514, 665, 671 lex commissoria  89, 331 f., 336 f., 339, 341 f., 345 f., 356, 362 Lieferungstheorie  60, 102–106, 125, 131, 174, 176, 189, 192–194, 198 f., 205, 222, 249, 266 f., 300, 456, 462 f. Lieferungsvertrag, Werk-  173, 232, 337, 531, 550 locatio conductio  82 f., 91

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Sachregister

mancipatio/Manzipation  34 f., 38, 41, 276 Mangelfolgeschaden  329, 333, 342, 613 f., 621 f., 624 f., 631 Mangelschaden  333, 613 f., 624, 631 Marktkauf/-These  39 f., 52, 62 ff., 211 f., 277, 328, 332 f., 353 Massenprodukte/-ware  236, 436, 437 f., 550, 534 Mehraufwand/-leistung  11 f., 15, 167, 171, 214, 219, 444 f., 546–559, 557, 641 f. mensura  36, 42, 46, 69, 96–100, 102 f., 107 mortuus redhibetur  331, 363–370, 396, 400 Naturalkauf  34, 52 Naturrecht, rationalistisches  s. Vernunftrecht negatives Interesse  215, 330, 342, 349–351, 361, 373 f., 572 neminem laedere  3 Obligationenrecht (OR, schweiz.)  62, 67 f., 107, 155, 158, 487 pacta adiecta  331 pacta sunt servanda  24, 83, 93 f., 334, 552, 570 pactum displicentiae   331, s. a. Kauf auf Probe Parteiwille  131 f., 135 f., 140, 148, 153– 161, 238, 248, 251, 262, 268, 280, 292, 334 f., 350, 429, 439, 524, 527–533, 539, 541–578, 589, 641, s. a. Auslegung periculum –– aestimationis  4–7, 20, 270, s. a. Gefahr d. Wertes –– creditoris (est)  85, 89, 114 f., 207 –– culpae sive custodia 45 –– custodiae  44 f., 98, 253 –– emptoris (est)  27, 33–109, 110 f., 114– 117, 125, 127, 140, 145–147, 151,153, 155, 157, 160 f., 166, 173 f., 186, 207, 249 f., 255, 269 f., 275 f., 281, 290 f., 363–367, 396 f. –– juris rei  s. periculum rei –– obligationis  7, 21, 270 –– rei  4 f., 8, 20, 270 f. –– venditoris  44 f., 47 f.

perpetuatio obligationis  57, 78 Phasen-Modell  491 ff., 516 Prätor  24, 39, 64, 78, 329, 333 f. preußisches Landrecht (prALR)  71 f., 92, 101, 103, 107–110, 113–117, 126–128, 131, 143, 146 f., 151, 160, 168, 208–211, 269, 335, 344, 368 f., 372, 396 Primärpflichtmodifikation  186, 205 f., 588 f. Privatautonomie  156 ff., 238, 291 f., 439, 487, 499, 505, 529–531, 541–552, 564, 567 f., 593, 601, 623, 646, 660 f. pro vivo habendus est  363 f. Realkauf  34 f., 37, 52 Rechtsakt  35, 38, 55–57, 676 Rechtsverhältnis  35, 55 f., 676 Rechtsverschaffung(-sprinzip) 112, 116–122, 130, 137, 152, 256, 264, 279, 429 f. Repräsentation  527 f., 538 res (nec) mancipi  35 res perit domino  3 ff., 70 ff., 88, 582, s. a. casum sentit dominus res, quae pondere numero mensura ­constant  36 restitutio in integrum  330, 344 Rückabwicklung dem Werte nach  s. Wertersatzlösung/-modell Rücktrittsverbot  81, 84, 88, 332, 335 Sacheigenschaftsschuld  17, 279, 428 f., 433 f., 437, 468, 533 ff., 622 Sachgegenstandsschuld  17, 65, 274, 428, 432, 436 f., 439 ff., 676 Sächsisches BGB  106 Saldotheorie  274, 384 f., 390, 479, 503 Schädigungsverbot s. neminem laedere Schickschuld  37, 100 f., 104, 131, 174–204, 249, 266–268, 427 f., 462 f., s. a. Versendungskauf Schuldnerverzug  s. Leistungsverzug Selbstbedienung(-skauf)  527 ff. Serienproduktion  s. Massenprodukte Sorgfalt –– eigenübliche/in eigenen Angelegenheiten 383, 389, 403, 412, 414, 449, 478, 480, 483–485, 488–496, 501, 510, 516 f., 562, 569, 571, 662

Sachregister

–– eines ordentlichen Hausvaters  49, 136, 387, 408 f. –– verkehrsübliche  287, 484 f., 488 f., 492, 494, 496, 516 Sphäre  10, 82, 220, 245, 250–269, 285 f., 287 ff., 371 f., 388, 393, 402, 411, 429, 515, 568, 622 f., 633 f., 636, 643, 648, 654, 659, 664 stipulatio/Stipualtion  38 f., 51, 57, 81–83, 97, 329, 332 f. Straßenverkehr  386–389, 516 stricti iuris/iudicia stricta  39, 78, 97 f. Synallagma, synallagmatisches Prinzip  7, 19, 22–26, 46, 58, 68, 71, 73–94, 112–115, 118, 126, 141, 147, 151 f., 154, 156, 159, 161, 248–250, 253–269, 280 f., 295, 314, 324–326, 328, 381, 389 f., 396, 398 f., 415, 417, 419 f., 432 f. Transportschaden/-risiken  9, 100, 102, 131–136, 159, 176, 188, 192, 194, 220, 260, 294 f., 322, 427 f., 453, 462 f., 629, 635, 645 f., 648, 659–663, 679 f. Übergabe –– Erfüllungsakt  29, 149 f., 151 f., 251, 261–264, 268, 277, 279, 297 f., 314, 425, 429 f., 432 f. –– Besitz-/Eigentumsverschaffung  117–120, 128 f., 138, 141, 145 f., 149, 151 f., 246–248, 261 f., 267, 298, 429 –– Wertzufuhr  274, 277 Unmöglichkeit  13–15, 17, 22 f., 57 f., 73 f., 92, 112–115, 133 f., 162 f., 165 f., 168–170, 180 f., 186 f., 197–202, 205 f., 207–209, 214, 217 f., 255, 257–259, 260 f., 264 f., 337, 344, 441 f., 443 f., 513 f., 530, 535, 551–554, 559–565, 641 f., 673 Untergang, Sach-  12, 257–259, 382 f., 471, 512, 518, 560, 641 f. venire contra factum proprium  388, 395, 411 f. Verantwortlichkeit des Gläubigers  23, 79 f., 207–209, 282, 285, 385–389, 394 f., 407–413, 417–419, 475, 477, 483 ff., 511–519, 597 f., 638 f., 661

727

Verewigung der Obligation  s. perpetuatio obligationis Vermögensherr(-schaft)  115, 148, 152 f., 250 ff., 269 ff., 277 f., 428 f. Vermögensmäßige Entscheidung  252, 273, 311 f., 323, 371, 390 f., 401 f., 497–503 Vernunftrecht  7, 17, 68, 70–94, 110, 114, 159, 334–336, 350, 368 Verschaffen (frei von Mängeln)  454 f. Verschaffung, Sach-  2, 17, 27–29, 71, 73, 274, 279, 429, 432, 435, 468, 550, 622, 656, s. a. Sachgegenstandsschuld Verschlechterung, Sach-  s. Beschädigung Verschulden –– des Käufers  s. Verantwortlichkeit des Gläubigers –– gegen sich selbst  251, 387 f., 410 f., 413, 486 Verschuldenstheorie  39 f. 59–65, 104, 127, 221, 249, 277, 286, 290 Versendungskauf  9, 37, 100 f., 103 f., 125, 131–133, 135, 143, 145, 154 f., 158–160, 163 f., 173 f., 176 f., 181, 188 f., 191– 196, 204, 220, 222, 249, 268, 294 f., 322, 427, 456, 462 f., 661, s. a. Schickschuld Versicherung, Versicherbarkeit  5, 184, 251, 289, 293–295, 396, 403, 508, 643 vertretbare Sachen  232 f., 236, 438 f., 526 f., 529, 531, 533–545, 553, s. a. res, quae pondere numero mensura constant Vindikation 121 Vorkommission (Erste BGB-Kommission) 123 Vorkommission (Reichsjustizamt)  142 Wahlschuld  123, 192, 194, 584, 589 Werkvertrag(-srecht)  9 f., 177, 200, 214, 285, 318, 354, 362, 432, 435 f., 454, 465, 539, 544, 547 f., 550, 552, 604, 622, 630 Wertsatzlösung/-Modell  20, 364, 369 f., 404 f., 410, 417, 449 f., 474 ff., 509, 511, 575 widersprüchliches Verhalten, Verbot s. venire contra factum proprium Zerstörung, Sach-  s. Untergang Zufall  2, 9, 14 f., 23, 44, 49, 57 f., 74, 82 f., 92, 107, 136, 201, 202 f., 204, 207–209, 259, 282–286, 309, 368, 383, 388–390,

728

Sachregister

394, 402, 407–413, 431, 476–478, 483, 485–487, 494, 502, 516, 520, 521, 551–554, 568, 602, 614 f., 636, 655 f. –– echter  78, 208, 391, 477, 483, 486, 490 f. –– im weite(re)n Sinne  568, 477

–– höherer  43, 45 –– niederer  41, 43 f., 45, 49, 251 Zurückspringen der Gefahr  16, 20, 29, 74, 104, 298 f., 304 f., 306–317, 326 ff., 381, 383, 387, 406, 420, 423 f., 425, 477 f., 479, 481, 493, 636, 643, 676 Zweite Kommission (BGB)  142