131 21 7MB
German Pages 627 [628] Year 2013
JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 173
Michael Nietsch
Freigabeverfahren Beschlusskontrolle bei Strukturveränderungen
Mohr Siebeck
Michael Nietsch, geboren 1970; Studium in Bonn, Münster und Bologna; 2003 Promotion; 2009 Habilitation; seit 2011 Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Unternehmensrecht und Kapitalmarktrecht an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden.
e-ISBN PDF 978-3-16-152303-8 ISBN 978-3-16-152203-1 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2013 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Textservice Zink in Schwarzach aus der Stempel-Garamond gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Meiner Mutter
Vorwort
Das Recht der aktienrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage (§§ 241 ff. AktG) besticht seit geraumer Zeit weniger durch seine Kontrollfunktion, als vielmehr durch die damit verbundenen Missbrauchsgefahren. Obwohl sich dahingehende Befürchtungen schon seit seiner Einführung bewahrheitet haben, sieht das Gesetz nach wie vor von einschneidenden Begrenzungen des Klagerechts ab. Allerdings hat der Gesetzgeber für bestimmte Beschlussgegenstände zur Überwindung aussichtsloser Klagen das sogenannte Freigabeverfahren geschaffen. Orientierung dafür bot die Hypothekenbankschwestern-Rechtsprechung des BGH und das Recht des einstweiligen Rechtsschutzes. Das Ergebnis des Gesetzgebungsprozesses und seiner Fortführung geht über beides jedoch entscheidend hinaus. So eröffnet die Freigabe nicht nur die Eintragung des Beschlusses, sondern stattet die auf seiner Grundlage durchgeführte Maßnahme zugleich mit Bestandsschutz aus. Eine derart weitreichende Folge ließe vermuten, dass die Freigabeentscheidung im Einklang mit dem Recht der Hauptsache getroffen werden müsste. Tatsächlich verliert der Gesichtspunkt der Erfolgsaussichten des Hauptsacherechts – anders als bei den Eilverfahren der ZPO – zulasten einer Folgenabwägung und einer für die Klage nicht geforderten Mindestbeteiligung des Klägers zunehmend an Bedeutung. Sowohl die Form der Entscheidungsfindung als auch ihre Verknüpfung mit Bestandsschutzwirkung entfernen das Freigabeverfahren weit vom ursprünglich angedachten Rechtsschutzmodell der einstweiligen Verfügung und erweisen sich für das System der Beschlusskontrolle folgenreicher, als man bislang wahrhaben will. Das gilt insbesondere für die Frage, ob der Erhalt einer Strukturänderung noch Raum für die Kassation des zugrundeliegenden Beschlusses lässt und ob es tatsächlich bei der Strukturänderung auf nichtiger Grundlage bleibt. Die vorliegende Untersuchung führt die Voraussetzungen und Wirkungen der Freigabe von Strukturveränderungsbeschlüssen einer grundlegenden Analyse zu und entwickelt die dazu begonnene Diskussion fort. Dazu stellt sie insbesondere bislang vernachlässigte Zusammenhänge des Verbands- und Verfahrensrechts, aber auch des Verfassungs- und Europarechts her. Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2008/2009 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der TU-Darmstadt zur Entscheidung angenommen. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Rechtsentwicklung durch Vorstöße aus der Wissenschaft und das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärs-Richtlinie (ARUG) nochmals maßgeblich beeinflusst. Die Reaktionen
VIII
Vorwort
in Rechtsprechung und Lehre ließen nicht auf sich warten und bedurften der Berücksichtigung. Die Arbeit befindet sich auf dem Stand 1.1.2012. Mein herzlicher Dank gilt zunächst meinem akademischen Lehrer, Herrn Professor Uwe H. Schneider, der nach Abschluss meiner Dissertation die Betreuung der Habilitation übernahm und mir in meiner Zeit als wissenschaftlicher Assistent am Institut für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stets ein offener Gesprächspartner war. Frau Professor Barbara Grunewald ermöglichte durch die zügige Erstellung des Zweitgutachtens den reibungslosen Ablauf des Habilitationsverfahrens. Auch ihr gilt mein herzlichster Dank. Wertvolle Anregungen für diese Arbeit verdanke ich auch Herrn Professor Dr. Peter Mülbert. Sie gehen auf den Umstand zurück, dass er in seiner eigenen Habilitationsschrift für das Freigabeverfahren grundlegende Fragen erarbeitet hat und wir am Mainzer Institut einen vielfältigen Austausch pflegen konnten. Schließlich gilt mein Dank in besonderer Weise auch der Wissenschaftsförderung der Sparkassen e. V. Sie hat durch ihre großzügige Unterstützung des Mainzer Instituts zur Finanzierung meiner Stelle beigetragen und zudem die Drucklegung ermöglicht. Wiesbaden, im August 2012
Michael Nietsch
Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII XI XLI
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1. Teil: Die gesetzliche Regelung und ihre konzeptionelle Einbettung im System der aktienrechtlichen Beschlusskontrolle . . . . . .
15
1. Abschnitt: Klagewirkung und Beschlussdurchführung
. . . . . . .
16
§ 1 Formelle und faktische Blockade der Eintragung . . . . . . . .
16
2. Abschnitt: Die Grundlagen der Freigabe . . . . . . . . . . . . . . .
33
§ 2 Zulässigkeit des Freigabeverfahrens . . . . . . . . . § 3 Unzulässigkeit und offensichtliche Unbegründetheit der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5 Bagatell-Quorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
33
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
44 57 84
. . . . . . . . .
93
§ 6 Eintragungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 7 Freigabe und Hauptsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 8 Bestandssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93 99 113
4. Abschnitt: Haftung für freigabevermittelte Eingriffe in die Mitgliedschaft und deren Verlust . . . . . . . . . . . . . . . . . .
133
§ 9 Haftung der Mitglieder von Leitungs- und Überwachungsorganen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 10 Der Verband als Haftungssubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . § 11 Haftung des Hauptaktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
134 152 160
5. Abschnitt: Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
178
§ 12 Schlussfolgerungen und weiterer Gang der Untersuchung . . .
178
2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
. . . . . . . . . . . . . .
191
§ 13 Eintragungs- und Bestandswirkungen als typisierende Verfahrensmerkmale . . . . . . . . . . . . . . .
191
3. Abschnitt: Rechtsfolgen der Freigabeentscheidung
X
Inhaltsübersicht
1. Abschnitt: Einordnung der umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
200
§ 14 Eintragungsbestandsschutz (§§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG) . . . . . . . . . . . . . . . . . § 15 Freigabevermittelter Bestandsschutz . . . . . . . . . . . . . . .
200 236
2. Abschnitt: Bestandsschutz aktienrechtlicher Strukturänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
259
§ 16 Eintragungsbestandsschutz – Übertragbarkeit des umwandlungsrechtlichen Regelungsmodells? . . . . . . § 17 Anwendung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auf Gründungsmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 18 Die Übertragung der Lehre der fehlerhaften Gesellschaft auf Strukturmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 19 Bestandsschutzwirkungen der aktienrechtlichen Freigabe § 20 Streitgegenstand von Freigabeverfahren und Hauptsache
. . . .
259
. . . .
265
. . . . . . . . . . .
288 323 353
3.Teil: Freigabegründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
369
1. Abschnitt: Abwägungsklausel und materielle Akzessorietät
. . . .
370
§ 21 Funktionen der Abwägungstatbestände im Verfahrensrecht . . § 22 Abwägungsklausel und „Schwere“-Formel als Grenzen aktienrechtlicher Beschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . .
371 400
2. Abschnitt: Prüfung der Sach- und Rechtslage . . . . . . . . . . . .
455
§ 23 Grundfragen im Umgang mit dem Hauptsacherecht . . . . . . § 24 Unzulässigkeit und offensichtliche Unbegründetheit . . . . . .
455 460
3. Abschnitt: Spezifizierung der freigaberechtlichen Sach- und Rechtsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
482
§ 25 Behauptungslast und Glaubhaftmachungslast . . . . . . . . . . § 26 Glaubhaftmachung der rechtserheblichen Tatsachen . . . . . . § 27 Rechtliche Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
482 498 523
4. Teil: Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
547
§ 28 Gegenwärtige und zukünftige Bedeutung des Freigabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 29 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen . . .
547 549
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
555 575
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII IX XLI
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1. Teil
Die gesetzliche Regelung und ihre konzeptionelle Einbettung im System der aktienrechtlichen Beschlusskontrolle 15 1. Abschnitt
Klagewirkung und Beschlussdurchführung 16 §1
Formelle und faktische Blockade der Eintragung
. . . . . . . .
A. Gesetzliche Regelung der Registersperre (§§ 16 II UmwG, 319 V, 327e II AktG) . . . . . . . . . I. Erfordernis des Negativattests . . . . . . . . . . . II. Dauer der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Abgabe vor Ablauf der Klagefrist . . . 2. Wirkungen der Zustellung „demnächst“ (§ 167 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtslage bei Klageerhebung . . . . . . . . . . . 1. Erhalt des status quo . . . . . . . . . . . . . . 2. Übergang der Entscheidungszuständigkeit auf das OLG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
16
. . . .
16 17 19 19
. . . . . . . . .
20 22 22
. . .
22
B. Formelle Registersperre und Freigabeverfahren . . . . . . . I. Fehlende Registersperre für Beschlussgegenstände nach § 246a AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auffassungen im Rahmen der Reformdiskussion . . .
23 23 24
XII
Inhaltsverzeichnis
III. Bedenken gegen einen Verzicht auf die Registersperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahrensrechtliche Abstimmung . . . . . . . . . 2. Bestandsschutzwirkungen der Eintragung . . . . . 3. Beschleunigungsinteressen der Gesellschaft bei Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträgen . . . . . . . . . . . . . . . IV. Aussetzung des Eintragungsverfahrens vor Einleitung des Freigabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . .
25 25 27
.
28
.
28
C. Verhältnis zur einstweiligen Verfügung . . . . . . . . . . . .
30
D. Ergebnisse
31
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschnitt
Die Grundlagen der Freigabe 33 §2
Zulässigkeit des Freigabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . .
33
A. Statthafter Verfahrensgegenstand . . . . . . . . . . . . . I. Numerus clausus freigabetauglicher Beschlüsse . II. Einbeziehung flankierender Beschlüsse . . . . . . 1. Ansätze in Rechtsprechung und Schrifttum . . 2. Einheit und Selbstständigkeit des flankierenden Beschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
33 33 34 34
. . .
35
. . . .
B. Rechtsformabhängigkeit des Verfahrens . . . . . . . . . . I. Institutionelle Konzeption des Umwandlungsrecht II. Entsprechende Anwendung des § 246a AktG auf die GmbH? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergleichbarkeit von Regelungssachverhalt und Regelungsbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsstellung des GmbH-Gesellschafters . . . 4. Gegenprobe: Institutioneller Charakter des Umwandlungsrechts . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung auf die S. E. . . . . . . . . . . . . . . .
§3
. . . .
. . . .
37 37
. . . .
37 38
. . . .
39 40
. . . .
40 41
C. Rechtsschutzbedürfnis trotz Eintragung? . . . . . . . . . . .
41
D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
Unzulässigkeit und offensichtliche Unbegründetheit der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
A. Unzulässigkeit der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fehlen der allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen . .
45 45
XIII
Inhaltsverzeichnis
II. Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Maßgeblicher Zeitpunkt des Fehlens der Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . B. Offensichtliche Unbegründetheit der Klage . . . . . . . I. Bisherige Ansätze zur Auslegung des Offensichtlichkeitsmerkmals . . . . . . . . . . . . . 1. Materialien und Vorarbeiten . . . . . . . . . . . 2. Rechtsprechung und Lehre . . . . . . . . . . . . a) Einschränkung des Prüfungsmaßstabs . . . . b) Zweifelsfreier Ausschluss des Klageerfolgs . c) Offensichtlich unbegründete und rechtsmissbräuchliche Klage . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anhaltspunkte der HypothekenbankschwesternRechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswirkungen der widerstreitenden Ansätze . . . 1. Unterschiede in der Methode der Erkenntnisfindung . . . . . . . . . . . . . . 2. Divergenzen in der Rechtsprechungspraxis . . . III. Zusammenfassung und Folgerungen für die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . §4
45 46
. .
47
. . . . .
. . . . .
48 48 48 48 49
. .
50
. . . .
51 53
. . . .
53 54
. .
56
Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
A. Regelungsstruktur der Abwägungsklausel
59
. . . . . . . . . .
B. Abwägungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wesentliche Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verzögerungsbedingte Nachteile . . . . . . . . a) Umwandlungsrechtliche Maßnahmen . . . b) Aktienrechtliche Maßnahmen . . . . . . . . 2. Darlegungsanforderungen . . . . . . . . . . . 3. Unbeachtlichkeit von Gestaltungsalternativen 4. Maßgebliche Interessensträger . . . . . . . . . a) Umwandlungsrecht . . . . . . . . . . . . . . b) Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Squeeze Out . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge . . . . . . . . . 5. Zeitliche Dimension des Vollzugsinteresses . . 6. Berücksichtigung nichtigkeitsbedingter Nachteile? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsvorstellung der UMAGBegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . .
60
. . . . . . . . . .
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60 60 60 62 62 63 64 65 65 66
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66 66
. . .
67
. . .
67
. . . . . . . . . .
XIV
Inhaltsverzeichnis
b) Aufnahme in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufschubinteresse . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftliche Folgen der Freigabe . . . 2. Isolierte Betrachtung des Klägerinteresses 3. Bedeutung der gerügten Rechtsverletzung a) Berücksichtigungsfähigkeit im Rahmen der Abwägung . . . . . . . . . . . . . b) Würdigung der Rechtsverletzung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . III. Abwägung im engeren Sinne . . . . . . . . . 1. Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
69 70 70 71 72
. . . . . .
72
. . . . . . . . . . . .
73 74
. . . . . . . . . . . .
75 76
C. Besondere Schwere des Rechtsverstoßes . . . . . . . . I. Verständnis im Gesetzgebungsverfahren . . . . . II. Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum III. Bewertungen der Rechtsverletzung unter früherem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . .
§5
. . . . .
. . . . .
. . . . . . . .
77 77 78
. . . . . .
79 81
D. Verhältnis von Abwägungsklausel zur offensichtlichen Unbegründetheit der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
Bagatell-Quorum
84
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
A. Gesetzliche Regelung der §§ 16 III Nr. 2 UmwG, 246a II Nr. 2, 319 VI Nr. 2, 327e II AktG . . . . I. Bildung des Quorums . . . . . . . . . . . . 1. Notwendige Beteiligungshöhe . . . . . . 2. Zeitliche Dimension der Beteiligung . . . II. Nachweis des Quorums . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen der Quorumsverfehlung . . . . 1. Freigabeverfahren . . . . . . . . . . . . . 2. Registerverfahren . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
84 85 85 86 87 89 89 89
B. Verfassungsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . .
90
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
XV
Inhaltsverzeichnis
3. Abschnitt
Rechtsfolgen der Freigabeentscheidung 93 §6
Eintragungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
A. Bindungswirkung der oberlandesgerichtlichen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
B. Verbleibende Prüfungskompetenz des Registergerichts bei stattgebenden Freigabebeschlüssen . . . . . . . . . I. Freigabe wegen Unzulässigkeit der Klage . . . . II. Freigabe wegen mangelnder Erfolgsaussichten der Hauptsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nicht geltend gemachte Wirksamkeitsdefizite 2. Nicht beschiedene Wirksamkeitsdefizite . . . a) Freigabe bei eingeschränkter Sachprüfung . b) Freigabe ohne Sachprüfung . . . . . . . . . III. Freigabe wegen überwiegenden Vollzugsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
94 95
. . . . .
. . . . .
95 95 96 96 97
. . .
98
. . . . .
C. Verbleibende Prüfungskompetenz bei Zurückweisung des Freigabeantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fortbestehen der Registersperre . . . . . . . . . . . . . II. Negative Bindungswirkung bei fehlender Registersperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §7
98 98 98
D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
Freigabe und Hauptsache
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
A. Rechtslage bei Zurückweisung des Freigabeantrags . . . . .
100
B. Rechtslage bei Stattgabe des Freigabeantrags und Eintragung des Beschlusses . . . . . . . . . . . . . I. Erledigung der ursprünglichen Klage? . . . 1. Erledigung im Sinne der ZPO . . . . . . 2. Bisheriges Verständnis in Rechtsprechung Lehre: Keine Erledigung der Hauptsache 3. Anhaltspunkte für eine Fortsetzung der Hauptsache als Gestaltungsprozess . . . 4. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . a) Notwendige Prämissen . . . . . . . . . b) Folgen für die Prozessbeendigung . . II. Rechtsschutzbedürfnis für die ursprüngliche Beschlussmangelklage? . . . . . . . . . . . . III. Übergang zum Schadensersatzprozess? . . . IV. Hauptsache als Nachverfahren? . . . . . . .
. . . . . . . . . und . . .
. . . . . . . . .
100 101 101
. . .
101
. . . .
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. . . .
102 103 103 104
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
105 107 108
. . . .
. . . .
. . . .
XVI
§8
Inhaltsverzeichnis
V. Fortsetzungsfeststellungsklage? . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsschutzmodell der Mangusta-CommerzbankEntscheidung, (BGHZ 164, 249) . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen an das Feststellungsinteresse . . . .
108
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
112
Bestandssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113
A. Regelungsbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
114
B. Gesetzliche Regelungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . I. Umwandlungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestandsschutz außerhalb des Freigabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestandsschutz im Rahmen der Freigaberegelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine allgemeine Bestandsschutzregelung . . . . . . 2. Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge . . a) Bestandskraft als mittelbare Folge des Freigabebeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweifache Regelung des Bestandsschutzes . . . . c) Ausschluss der Rückabwicklung auf schadensrechtlicher Grundlage . . . . . . . . . . d) Verbot der Eintragung der Nichtigerklärung . . e) Sonderfall: Unselbstständige Kapitalmaßnahmen (§ 249 I 3 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eingliederung (§ 319 VI 11 AktG) . . . . . . . . . . 4. Squeeze Out (§ 327e II AktG) . . . . . . . . . . . .
115 115
C. Bestandsschutz von Strukturänderungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . I. Verschmelzung und Unternehmensverträge . . . . . . II. Bestandswirkung nach §§ 34 III LwAnpG 1991, 37 II LwAnpG 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz und Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . 2. Übertragbarkeit auf §§ 20 II, 131 II, 203 III UmwG, 246a I u. IV AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Squeeze Out . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Dogmatische Grundlage und Reichweite des Bestandsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dauerhafter Ausschluss der Rückabwicklung . 1. Endgültiger Erhalt der Strukturänderung als Regelungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wertungsgrundlage: Eintragung . . . . . . .
109 110
115 117 118 118 118 118 119 120 120 121 122 123 123 124 125 125 126 127
. . . . . . . .
128 128
. . . . . . . .
128 130
XVII
Inhaltsverzeichnis
II. Abwicklung ex tunc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Regelungen als Heilungsnormen . . . . 2. Wertungsgrundlage: Lehre vom fehlerhaften Verband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
130 130
E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
131
131
4. Abschnitt
Haftung für freigabevermittelte Eingriffe in die Mitgliedschaft und deren Verlust 133 §9
Haftung der Mitglieder von Leitungs- und Überwachungsorganen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
134
A. Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
134
B. Anspruch aus § 25 I UmwG . . . . . . . . . . . . . . . I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftungsbegründende Pflichtverletzung . . . . . 1. Einheitlicher Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . 2. Umfang der Konkretisierung durch § 25 I 2 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Business Judgement Rule . . . . . . . . . . . . III. Kausalitätserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschluss der Naturalrestitution . . . . . . . 2. Schaden des Rechtsträgers . . . . . . . . . . . 3. Schaden der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . 4. Schaden der Anteilsinhaber . . . . . . . . . . . a) Fehlbewertungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Verstöße im Beschlussverfahren . . . . . . . V. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zuordnung der Anspruchsinhaberschaft . . . . . 1. Anspruchsberechtigung des übertragenden Rechtsträgers oder seiner Mitglieder? . . . . . 2. Anspruchsberechtigung der Gläubiger . . . . VII. Eignung der Schadensersatzpflicht als Kompensationsinstrument . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgleich von Eingriffen in die Mitgliedschaft 2. Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . .
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135 135 135 136
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137 137 139 139 139 140 140 141 141 142 143 143
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C. Anspruch aus §§ 93 II, 116 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Binnenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XVIII
Inhaltsverzeichnis
D. Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 823 I BGB (BGHZ 109, 297) . . . . . . . . . 2. § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Organhaftung gegenüber dem Verbandsmitglied? III. Haftung wegen fehlerhafter Kapitalmarktinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bewertung des deliktsrechtlichen Kompensationsund Präventionseffekts . . . . . . . . . . . . . . .
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147 147 147 148 149
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149
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E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
151
§ 10 Der Verband als Haftungssubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . .
152
A. Haftung für die Freigabe des strukturändernden Beschlusses (§§ 16 III 10 UmwG, 246a IV 1, 319 IV 10, 327e II AktG) . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftungsbegründender Tatbestand . . . . III. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Individual- oder Kollektivanspruch? . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschränkung auf die Liquidation von Individualschäden . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . .
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152 152 153 153 154 155
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160
§ 11 Haftung des Hauptaktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
160
C. Ergebnis
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. . . . . .
B. Ungeschriebene Haftung wegen der Verletzung von Mitgliedschaftsrechten? . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungsbedürfnis? . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorrangige Kompensationsinstrumente . . 2. Schmälerung der Ausgleichsverpflichtung .
. . . . . .
. . . . .
A. Haftung wegen Treupflichtverletzung bei Strukturänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anerkennung der Treupflicht zwischen den Aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhaltliche Konkretisierungen . . . . . . . . . . . . 1. Verbandszweck als Bezugsgegenstand . . . . . . 2. Konkretisierung durch den Beschlussgegenstand als eigennützig oder uneigennützig . . . . . . . . III. Satzungs- und Strukturänderungsbeschlüsse . . . .
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161 163 163
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XIX
Inhaltsverzeichnis
1. Grundsatz der zulässigen Verfolgung von Eigeninteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subsidiäre Funktionen der Treupflicht . . . . . a) Beschlüsse über gesetzlich nicht oder anders geregelte Organisationsänderungen . . . . . . b) Materielle Beschlusskontrolle . . . . . . . . . c) Treuwidriges Verhalten außerhalb der Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . d) Venire contra factum proprium . . . . . . . . IV. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Kausaler Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung wegen schädigender Einflussnahme (§ 117 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck und Rechtsnatur . . . . . . . . . . II. Auswirkungen der Streichung von § 117 VII Nr. 1 AktG? . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung bei Strukturänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung wegen Schutzgesetzverletzung . . . . . . . . . . Bewertung der Kompensations- und Präventionswirkung der Haftung für treuwidrige Stimmrechtsausübung und Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . .
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166 167
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172 172
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174 174 175 176 176
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176 177
§ 12 Schlussfolgerungen und weiterer Gang der Untersuchung . . .
178
A. Rechtstatsächlicher Befund: Verdrängung der Hauptsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
178
B.
C.
D. E.
F.
5. Abschnitt
Zusammenfassung 178
B. Legitimation der Freigabeentscheidung . . . . . . . . . . . . I. Rechtmäßigkeit des Beschlusses . . . . . . . . . . . . . 1. Prüfungsmaßstab der offensichtlichen Unbegründetheit und verfahrensrechtliche Absicherung . . . . . 2. Aufweichungen durch die Praxis . . . . . . . . . . . II. Abwägungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abwägungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . .
179 180 180 181 182 183 184
XX
Inhaltsverzeichnis
III. Materiell-rechtliche Wechselwirkungen . . . . . . . . .
185
C. Bestimmung der Freigabewirkungen . . . . . . . . . . . . . I. Einheitlicher Bestandsschutz . . . . . . . . . . . . . . . II. Normative Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
185 186 187
D. Weiteres Vorgehen im Rahmen der Untersuchung . . . . . . I. Untersuchungsspielraum und „Wille des Gesetzgebers“ . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Methodischer Ansatzpunkt für die weiteren Schritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
188 189 190
2. Teil
Rechtsnatur des Freigabeverfahrens 191 § 13 Eintragungs- und Bestandswirkungen als typisierende Verfahrensmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . A. Ansätze zur Verfahrensnatur in Rechtsprechung und Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Maßgebliches Einordnungskriterium . . . . . . . . . . I. Strukturelle Übereinstimmungsmerkmale mit dem einstweiligen Rechtsschutz nach §§ 916 ff. ZPO . II. Materielle Wirkungen der Feststellung . . . . . . III. Typologisierung zivilrechtlicher Eilverfahren . . 1. Leistungs- und Befriedigungsverfügung . . . . 2. Feststellungsverfügung . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsfälle der Feststellungsverfügung . . . . . . . . . . . . b) Begründungsdefizite . . . . . . . . . . . . . c) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis und weiterer Gang der Untersuchung
191 191
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192
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192 193 194 194 195
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195 196 196
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198
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1. Abschnitt
Einordnung der umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzregeln 200 § 14 Eintragungsbestandsschutz (§§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG)
. . . . . . . . . . . . . . . . .
200
A. Begriff und Wesensmerkmale der Heilung . . . . . . . . . . I. Bürgerliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
200 201
XXI
Inhaltsverzeichnis
II. Erscheinungsformen im Aktienrecht . . . . . . . . 1. Heilung durch bloße Handelsregistereintragung (§§ 242 I AktG, 20 I Nr. 4 UmwG) . . . . . . . 2. Heilung durch Handelsregistereintragung und Verstreichen der Dreijahresfrist (§ 242 II 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Heilung durch Genehmigung (§ 242 II 4 AktG) 4. Heilung durch Eintragung und Rechtsausübung (§§ 185 III, 198 III AktG) . . . . . . . . . . . . . 5. Vollzug als zusätzliches Erfordernis? . . . . . . 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen der Heilung . . . . . . . . . . . . . . 1. Relative Wirkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herstellung der Gesetzmäßigkeit . . . . . . . . IV. Materielle Präklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Einordnung der §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG . . . I. Heilbarkeit von Satzungsänderungen . . . . . . II. Gesetzeswortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entstehungsgeschichte und Begriff der „Entschmelzung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gemeinschaftsrechtlicher Regelungshintergrund 1. Verschmelzungsrichtlinie . . . . . . . . . . . a) Regelung zur zeitlichen Dauer der Eintragungswirkungen . . . . . . . . . . . b) Ausschluss der Nichtigkeitsklage . . . . . 2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . V. Systematischer Regelungszusammenhang . . . .
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202
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206 206 208 208 208 209 211 212
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218 219 219 220
C. Normative Begründung der Heilungswirkung . . . . . . . I. Legitimationswirkung der Handelsregistereintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. System der Normativbedingungen . . . . . . . . . a) Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organisationsänderungen . . . . . . . . . . . . 2. Registergerichtliche Prüfung von Beschlussmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nichtigkeits- und Unwirksamkeitsgründe . . . b) Anfechtungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entwicklungslinien . . . . . . . . . . . . . bb) Einbeziehung drittschützender Normen in den Prüfungskanon . . . . . . . . . . . . .
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220
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221 221 221 222
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224
XXII
Inhaltsverzeichnis
cc) Erweiterung durch Einbeziehung offenkundiger Verletzungen der Mitgliedschaft . c) Beibehaltung der begrenzten Normativbedingungen . . . . . . . . . . . . . . aa) Beeinflussung der Registerprüfung durch das Handelsrechtsreformgesetz (§§ 38 III AktG, 9c III GmbHG)? . . . . . bb) Geltung für die Eintragung von Strukturveränderungen? . . . . . . . . . . . d) Eintragungswidrigkeit bei Verletzungen der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis von Eintragung und materieller Präklusion mitgliedschaftlicher Beschlusskontrollrechte . . . . . 1. Fristenregelung der §§ 14 I, 195 I UmwG . . . . . 2. Materiell-rechtlicher Ausschluss von Beseitigungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Maßgeblicher Zeitrahmen für die Dauer der Registersperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine Heilung bei Eintragung vor Ablauf der Klagefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Heilung und Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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235
§ 15 Freigabevermittelter Bestandsschutz . . . . . . . . . . . . . . . .
236
D. Ergebnisse
A. Bestandssicherung der Verschmelzung bei anhängigem Beschlussmangelstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweipoligkeit der gesetzlichen Regelung . . . . . 2. Ausschluss von mitgliedschaftlichen Unterlassungsansprüchen und Beseitigungsrechten als Grundlage der Bestandssicherung . . . . . . . II. Eckpunkte der Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlen einer Klage auf Nichtigerklärung? . . . . . 2. Unangemessenheit einer materiell weitgehend einschränkungslos gewährten Vernichtbarkeit . . III. Rechtsnatur der mitgliedschaftlichen Folgenbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 1004 BGB (actio negatoria) . . . . . . . . . . . . 2. Einschränkungen durch subjektiv-rechtliche Betroffenheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Reichweite der Ausschlussregelung des § 16 III 9 2. Hs. UmwG . . . . . . . . . . . . . . . .
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242
XXIII
Inhaltsverzeichnis
1. Bedeutung der schadensrechtlichen Bezugnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Naturalrestitution als Inhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs . . . . . . . b) Wertungsgrundlage des Ausschlusses der Naturalrestitution . . . . . . . . . . . aa) Unverhältnismäßigkeit gem. § 251 II BGB . . . . . . . . . . . . . . bb) Unmöglichkeit der Wiederherstellung (§ 251 I 1 BGB) . . . . . . . . . . . .
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244
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245
(1) Objektive Unmöglichkeit der Herstellung des status quo ante . . . . . . . . . . . . . . (a) Keine „dingliche“ Entschmelzung . . . . (b) Neugründung, keine Wiederherstellung des früheren Zustands . . . . . . . . . . (2) Subjektive Unmöglichkeit – Verpflichtung zur Spaltung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Abwicklungspflichten der Beteiligten . . . (b) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verallgemeinerung des Prinzips – die Ausdehnung des Ausschlusses der Rückabwicklung auf Spaltung und Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abspaltung und Ausgliederung . . . . . . . . II. Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz der Identitätswahrung . . . . . . . 2. Diskontinuität der Verbandsverfassung . . . . 3. Rechtfertigung des Ausschlusses der Naturalrestitution . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Konzeptionelle Unvollkommenheit der umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzregelung . . . . . . . . . . . . . .
256
D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
257
XXIV
Inhaltsverzeichnis
2. Abschnitt
Bestandsschutz aktienrechtlicher Strukturänderungen 259 § 16 Eintragungsbestandsschutz – Übertragbarkeit des umwandlungsrechtlichen Regelungsmodells? . . . . . . . . . . . A. Entsprechende Anwendung der §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG? . . . . . I. Keine planwidrige Regelungslücke II. Systematische Voraussetzungen und Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . .
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260 261
B. Prinzip des Verbots der rückwirkenden Vernichtung von Strukturänderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begrenzung beachtlicher Satzungsfehler . . . . II. Obligatorische Mängelbeseitigungsmöglichkeit III. Klageprinzip und Fristgebundenheit der Klage IV. Auflösung der wirksamen Gesellschaft nach den Regeln der Liquidation . . . . . . . . . . . . . . V. Folgerungen und weitere Untersuchungsschritte
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§ 17 Anwendung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auf Gründungsmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
265
A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anerkennung und Begründungsansätze . . . . . . . 1. Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lehre von der Doppelnatur der Gesellschaft als Schuldverhältnis und Organisation . . . . . . . . 3. Faktische Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Rechtsscheins-Theorie als Gegenposition . II. Anwendung der Fehlerlehre auf Innengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Voraussetzungen der Anerkennung . . . . . . . . . . . I. Fehlerhafte Verbandsgrundlage . . . . . . . . . . 1. Tatbestand von Gründung oder Beitritt . . . . 2. Grundsatz der bestandserhaltenden Auslegung II. Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ingangsetzung der verfassten Organisation . . 2. Begriffsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beginn der Unternehmensträgerschaft . . . b) Zurechenbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . .
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XXV
Inhaltsverzeichnis
3. Handelsregistereintragung . . . . . . . . . . . . . . a) Juristische Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . C. Grenzen der Anerkennung: Vorrangige Interessen der Allgemeinheit oder schutzwürdiger Personen I. Insbesondere: Das Problem flankierender Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . a) Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . b) Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . aa) Verhältnis zur Rechtslage in der Publikumsgesellschaft . . . . . . . bb) Fehlen einer Abwicklungssperre . II. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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280 280 281 281 282
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D. Rechtsfolgen der Lehre der fehlerhaften Gesellschaft I. Wirksame Entstehung der Gesellschaft . . . . . II. Geltendmachung des Fehlers . . . . . . . . . . . III. Fehlerhaftigkeit als „wichtiger Grund“ i. S. d. §§ 723 I BGB, 133 HGB . . . . . . . . . . . . .
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E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 18 Die Übertragung der Lehre der fehlerhaften Gesellschaft auf Strukturmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
288
A. Einvernehmlich durchgeführte Strukturmaßnahmen . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Systematische Begründungsansätze für die Anwendung der Fehlerlehre . . . . . . . . . . . a) Fortschreibung zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ableitung aus dem fehlerhaftem Beitritt und Übertragung in das Umwandlungsrecht . . . 2. Gegenposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fehlende Bildung von Gesamthandsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlende Rechtsträgerschaft . . . . . . . . . . c) Rückabwicklungsschwierigkeiten als Anlass für die Ausnahme vom Grundprinzip der ex tunc-Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unternehmensverträge und Eingliederung (§§ 291 ff., 319 ff. AktG) . . . . . . . . .
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XXVI
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bb) Ausschluss von Minderheitsaktionären nach §§ 327a ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kapitalmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgeschäftliche Legitimationsgrundlage . . . . . 1. Tatbestandsvoraussetzungen einer Fortschreibung der Fehlerlehre als Problemschwerpunkt . . . . . 2. Tatbestandliche Beschlussanforderungen . . . . . a) Beschlusstatbestand und Wirksamkeitsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Grundsatz des rechtsgeschäftlichen Gesamttatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eingliedrige und mehrgliedrige Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bedeutung des Zustimmungsbeschlusses .
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(1) Beschränkung des rechtsgeschäftlichen Elements auf den Organisationsvertrag als dem „typusbildenden Geschäft“? . . . . . . . (2) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Einschränkung der Fehlerlehre durch das Mehrheitsprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . a) Heilbarkeit von Gründungsmängeln . . . b) Grenzen der Legitimationstauglichkeit des Mehrheitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . III. Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirkung der Handelsregistereintragung . . . 2. Vollzug ohne Handelsregistereintragung? . . a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . bb) Unternehmensverträge . . . . . . . . . (1) Meinungsstand im Schrifttum . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingliederung und Squeeze Out . . . . . . IV. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Übertragbarkeit der Fehlerlehre auf angefochtene Strukturmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge . 1. Entwicklung des Meinungsbilds im Schrifttum 2. Voraussetzungen der Fehlerlehre in der Anfechtungssituation . . . . . . . . . . . . . .
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XXVII
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a) Beeinflussung der Legitimationsgrundlagen durch die Anfechtung . . . . . . . . . . . . . b) Reichweite des Mehrheitsprinzips . . . . . . c) Ausgleich der widerstreitenden Positionen im Registerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Situation vor Klageerhebung . . . . . . . bb) Situation nach Klageerhebung . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eintragungen entgegen bestehender Registersperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 19 Bestandsschutzwirkungen der aktienrechtlichen Freigabe . . . .
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A. Das umwandlungsrechtliche Modell als Regelungspate . . .
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B. Legitimation des Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. These von der Vergleichbarkeit mit der Verschmelzung als Ausdruck einer Angemessenheitsbewertung dauerhaften Bestandsschutzes . . . . . II. Bestandsschutz und Kassationsrecht . . . . . . . . . .
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C. Bestandsschutz von freigegebenen Kapitalmaßnahmen . . . I. Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln . . . . . . . II. Effektive Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht . . . . . . 1. Ordentliche Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Genehmigtes Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausübungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ermächtigungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedingtes Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluss . . . 1. Regelungsanlass der Bestandskraft . . . . . . . . . . a) Liquiditätsbelastung der Gesellschaft . . . . . . . b) Fehlende Reparaturkonzepte . . . . . . . . . . . 2. Das Problem der mangelnden Ausgleichsfähigkeit einer fehlerhaften Bestandsentscheidung . . . . . . a) Prinzip des vollen Werts . . . . . . . . . . . . . . b) Ausgleich durch die Gesellschaft? . . . . . . . . c) Belastung des Inferenten? . . . . . . . . . . . . . aa) Differenzhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Haftung für fehlerhafte Festsetzung des Ausgabebetrags . . . . . . . . . . . . . . cc) Folgerung: Bestandsschutz trotz mangelnder Ausgleichsfähigkeit? . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . 1. Effektive Kapitalherabsetzung . . . . . . a) Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . b) Gesellschafterschutz . . . . . . . . . . 2. Nominelle Kapitalherabsetzung . . . . . a) Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . b) Gesellschafterschutz . . . . . . . . . . c) Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . V. Eintragung außerhalb des Freigabeverfahrens VI. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . .
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E. Bestandsschutz der freigegebenen Eingliederung . . . . . . .
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F. Bestandsschutz des freigegebenen Squeeze Outs . . . . . . .
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D. Bestandsschutz von freigegebenen Unternehmensverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsatz der Beendigungswirkung der Kassation . II. Wertungsgrundlage zukunftsgerichteten Bestandsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschluss der Kündigung im Verhältnis der beteiligten Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit des Zustimmungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestandsschutz im Aktionärsinteresse? . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Berücksichtigung der organisationsrechtlichen Natur von Unternehmensverträgen und ihrer Bedeutung für die Konzernorganisation . . . . . . . . . . . . . . 1. Leitbild der Eingliederung (§ 319 VI 11 AktG n. F.)? . . . . . . . . . . . . . . 2. Organisationsrechtliche Natur des Vertragskonzerns . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . .
G. Folgerung für die Zulässigkeit des Freigabeverfahrens mit dem Ziel der Bestandssicherung (Bestandssicherungsverfahren) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterscheidungsfähigkeit von Eintragung und Bestandsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzung der Bestandsschutzgewährung . . 3. Lösungsvorschlag de lege ferenda: Bestandsschutz als selbstständiger Verfahrensgegenstand . . . . .
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H. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 20 Streitgegenstand von Freigabeverfahren und Hauptsache . . . .
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A. Streitgegenstand des Unwirksamkeitsverfahrens . . . . . . .
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B. Streitgegenstand des Freigabeverfahrens . . . . . . . . . . . I. Eintragungsfähigkeit des Beschlusses und Bestandsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kassation trotz dauerhaften Bestandsschutzes? . . . . 1. Prämisse der Abstraktionsfähigkeit von Beschluss und Strukturänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz von der Einheit der Organisationsänderung . . . . . . . . . . . . . . aa) Beschluss als Wesensbestandteil der Änderung der Verbandsverfassung . . . . . . bb) Strukturänderungen auf faktischer Grundlage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vergleich einer Trennung von Beschluss und Durchführung mit dem sachenrechtlichen Abstraktionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . 2. Ergebnisse und Folgerung . . . . . . . . . . . . . . III. Ausschluss des Anfechtungsrechts als Grundlage des Bestandsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Negative Feststellungsverfügung . . . . . . . . . . . 2. Entzug des Anfechtungsrechts als negativer Gestaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Übereinstimmung oder Verschiedenheit der Streitgegenstände? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswirkungen des summarischen Verfahrenscharakters . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen der Interessenabwägung und des „Bagatell-Quorums“ . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erledigungsfähigkeit der Hauptsache . II. Fortsetzung als Feststellungsstreit und Weiterverweisung . . . . . . . . . . . . III. Einheitliches Prozessverhältnis? . . . .
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D. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . .
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XXX
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3. Teil
Freigabegründe 369 1. Abschnitt
Abwägungsklausel und materielle Akzessorietät 370 § 21 Funktionen der Abwägungstatbestände im Verfahrensrecht
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A. Zivilprozessuale Eilverfahren . . . . . . . . . . . . . . . I. Einstweilige Anordnungen . . . . . . . . . . . . . 1. Einstweilige Anordnung in Zwangsvollstreckungssachen . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Regelung als Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . . b) Ermessenskonkretisierung . . . . . . . . . . aa) Erfolgsaussichten des vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfs . . . . . . . . bb) Kriterien der Interessenabwägung . . . 2. Einstweilige Anordnung in Familiensachen . . a) Gesetzliche Ausgestaltung als Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . . b) Maßgeblichkeit des materiellen Rechts . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . II. Arrest und einstweilige Verfügung . . . . . . . . 1. Hauptsacherecht als Erkenntnisgegenstand der Eilmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abwägungserwägungen . . . . . . . . . . . . . III. Zulässigkeit einer „offenen Eilentscheidung“? . . 1. Zur These Leipolds . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundaussagen der gesetzlichen Regelung . aa) Zur Kritik an der Versicherung an Eides statt . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Glaubhaftmachung . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsbefriedung ohne Rechtsgewissheit b) Verfehlung der angestrebten Zielsetzung . . aa) Vermeidung richterlicher Selbstbindung bb) Besserer Schutz des Antragsgegners . . cc) Erhöhung der Richtigkeitsgewähr . . . dd) Offenheit bei endgültiger Entscheidung
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XXXI
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IV. Folgen für die freigaberechtliche Abwägungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Exkurs: Verfassungsprozessuales Eilverfahren . . . I. Gesetzliche Regelung des § 32 BVerfGG . . . II. Grundlagen der Entscheidung . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung des BVerfG . . . . . . . . a) Ausgangspunkt: „Kursorische“ Erfolgsprüfung . . . . . . . . . . . . . . b) Doppelte Folgenhypothese . . . . . . . 2. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . III. Meinungsstand im Schrifttum . . . . . . . . . IV. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . 1. Abwägung bei strukturell verfestigten Entscheidungskonflikten? . . . . . . . . . . 2. Zuweisungsgehalt der Folgenabwägung im verfassungsrechtlichen Streitverfahren . . . V. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Folgerung für die Funktion von „Abwägungsklauseln“ . . .
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D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 22 Abwägungsklausel und „Schwere“-Formel als Grenzen aktienrechtlicher Beschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Ausdruck des Missbrauchseinwands? . . . . . . . . . . . . . I. Entstehungsgeschichtlicher Zusammenhang . . . . . . II. Fehlender Niederschlag in der gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Ausdruck eines Verhältnismäßigkeitsprinzips? . . . . I. Verhältnismäßigkeit als materielle Schrankenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorschlag des Arbeitskreises Beschlussmangelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wesentlicher Inhalt . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschränkung der rückwirkenden Kassation III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswirkungen auf das System der Beschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . 2. Praktikabilität einer Abwägungslösung . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Begrenzung der Anfechtungsbefugnis des nicht unternehmerisch beteiligten Aktionärs? . . . . . . . . . . . .
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XXXII
Inhaltsverzeichnis
I. Die Rechtsstellung des Aktionärs zwischen Verbandsmitgliedschaft und Kapitalanleger (zur These Mülberts) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konzept vermögensbezogenen Aktionärsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen für die Beschlusskontrolle . . . . . a) Duldungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wegbereitungsfunktion der These für die Abwägungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begründbarkeit des Ansatzes innerhalb des geltenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschluss der Anfechtbarkeit wegen Sondervorteilen gegen Kompensation als Grundmodell (§ 243 II 2 AktG)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Uneingeschränkte Anfechtbarkeit nach § 255 II AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Gesamtanalogie zu den anfechtungsausschließenden Regelungen . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mitgliedschaftsrechte des außenstehenden Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einwirkungsmöglichkeiten der qualifizierten Mehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Klassengesellschaft in der abhängigen AG . b) Begrenzte Reichweite inhaltlicher Schranken der Stimmrechtsmacht . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gegenthese: Prinzip der Einheit der Mitgliedschaft . 1. Beteiligungsformen in der Einheitsgesellschaft . . 2. System des Minderheitenschutzes . . . . . . . . . a) Institutioneller Minderheitenschutz . . . . . . . b) Subjektivrechtlicher Minderheitenschutz . . . . c) Insbesondere: Mehrheitsfestigkeit von Mitgliedschaftsrechten unter Relevanzgesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Individuelle Anfechtungsbefugnis und freigaberechtliches Quorum . . . . . . . . . . . e) Kein kapitalmarktrechtlicher Minderheitenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mehrheitsmacht und Leitungsmacht . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XXXIII
Inhaltsverzeichnis
V. Wirtschaftliche Auswirkungen auf die Kapitalsammelfunktion der AG . . . . . . . . . . . . . D. Vorgaben des europäischen Gesellschaftsrechts . . . . . I. Rechtsstellung des Aktionärs im Regelungsbestand des europäischen Gesellschaftsrechts . . . . . . . . 1. Aktionärsrechte-Richtlinie . . . . . . . . . . . . 2. Grundlegende Bestimmungsfaktoren im verbandsrechtlichen Sekundärrecht . . . . . . . a) Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . b) Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . c) Hauptversammlungszuständigkeit, Beschlusserfordernis und Mitwirkungsrechte . . . . . . II. Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes . . . . . 1. Fehlende Sanktionierung von Eingriffen in Mitgliedschaftsrechte . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarkeit von Schranken der Beschlussanfechtbarkeit im nationalen Recht mit dem Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . b) EuGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . 3. Folgerungen für den gemeinschaftsrechtlich geschuldeten Rechtsschutzumfang . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . .
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F. Zusammenfassende Folgerung und Bestätigung der Vermutung von der Hilfsfunktion der Abwägungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Grundgesetzkonformität von Abwägungsklausel und „Schwere-Formel“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eigentumsgarantie und Freigabeverfahren . . 2. Effektiver Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . 3. „Schwere-Formel“ als unzumutbare Rechtsschutzbeeinträchtigung . . . . . . . . . II. Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzesbindung und Wesentlichkeitsvorbehalt . . . . . . . . . . . . 2. Mitgliedschaftliches „Recht“ ohne Durchsetzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Folgerungen für die grundgesetzliche Bewertung der „Abwägungs-Klausel“ . . . . . . . . . . . . .
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XXXIV
Inhaltsverzeichnis
2. Abschnitt
Prüfung der Sach- und Rechtslage 455 § 23 Grundfragen im Umgang mit dem Hauptsacherecht
. . . . . .
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A. Prüfungsgegenstand und Beweismaß . . . . . . . . . . . . . I. Verhältnis von Zulässigkeit und Begründetheit . . . . II. Offensichtliche Unbegründetheit und Glaubhaftmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Darlegungs- und Beweislast
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C. Zusammenfassung und Untersuchungsprogramm . . . . . .
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§ 24 Unzulässigkeit und offensichtliche Unbegründetheit
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A. Verhältnis von Unzulässigkeit und Unbegründetheit der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zuordnung der klagebezogenen Voraussetzungen der §§ 241 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. „Klageausschluss“ durch Verweisungen ins Spruchverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mangelndes Rechtsschutzbedürfnis . . . . . . . . IV. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bedeutung des Offensichtlichkeits-Merkmals . . . I. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Objektiver Bedeutungsgehalt . . . . . . . . 2. Bedeutungsgehalt in anderen Regelungszusammenhängen . . . . . . . . . a) Nichtigkeit nach § 44 I VwVfG . . . . . b) A-limine-Abweisung nach § 24 Satz 1 BVerfGG . . . . . . . . . . . aa) Offensichtliche Unbegründetheit in der Rechtsprechung des BVerfG . . bb) Folgerungsgehalt für die Beschlussfreigabe . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Normzweckspezifische Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals . . . . . . . . . . . . 1. Verhinderung missbräuchlichen Aktionärsverhaltens . . . . . . . . . . . . . a) Bezugnahme in Rechtsprechung und Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . .
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XXXV
Inhaltsverzeichnis
b) Keine Gleichsetzung mit dem Offensichtlichkeitsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wandel des rechtspolitischen Ansatzpunkts . 2. Richtigkeitsgewähr der Freigabeentscheidung . a) Entscheidungsgleichklang und Abweisungsgleichklang . . . . . . . . . . . . b) Erweiterung des Prüfungsansatzes . . . . . . aa) Aussagegehalt der Registersperre . . . . . bb) Entscheidungszuständigkeit und Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . .
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472 474 475
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475 476 476
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477
(1) Evidenz-Vorbehalt im ursprünglichen Regelungskontext . . . . . . . . . . . . . . (2) Überholung durch die lex lata . . . . . . . .
cc) Zeitliche Dimension der Entscheidung . . . III. Ergebnis und Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . .
477 478 479 480
3. Abschnitt
Spezifizierung der freigaberechtlichen Sach- und Rechtsprüfung 482 § 25 Behauptungslast und Glaubhaftmachungslast A. Art und Weise der Stoffsammlung . . . . I. Verhandlungsmaxime oder Untersuchungsgrundsatz? . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 2. Zuweisung des Freigabeverfahrens 3. Kontrollfunktion des Eintragungserfordernisses . . . . . II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . .
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482
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482 482 483
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485 486
B. Darlegungs- und Beweislastverteilung . . . . . . . . . I. Keine spezifische freigaberechtliche Darlegungsund Beweislastregel . . . . . . . . . . . . . . . . II. Darlegungs- und Beweislast bei negativer Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bedenken bei negativer Feststellungsverfügung im Grundsätzlichen . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bedenken an einer auf das Nichtbestehen des Anfechtungsrechts gerichteten Feststellungsentscheidung im Besonderen . . .
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487
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XXXVI
Inhaltsverzeichnis
V. Darlegungs- und Beweislastverteilung im Beschlussmängelstreit der Hauptsache . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung und Differenzierungen . . . . . . . . a) Anfechtungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auskunftsrechts- und Informationspflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Materielle Rechtsverletzungen . . . . . . . . . . aa) Bewegliche Stimmrechtsschranken . . . . . bb) Starre Stimmrechtsschranken . . . . . . . . cc) Inhalts- und Angemessenheitskontrolle . . VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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491 491 492 492 493 493
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494 495 495 496 496 497
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
498
§ 26 Glaubhaftmachung der rechtserheblichen Tatsachen . . . . . . .
498
A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
498
B. Notwendiges Beweismaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verhältnis von Glaubhaftmachung und Vollbeweis 1. Grundsatz: Überwiegende Wahrscheinlichkeit der Tatsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entstehungsgeschichtliche Begründung . . . . b) Funktionale Begründung . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahme: Überzeugung von der Wahrheit der Tatsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Folgerungen für das Beweismaß im Freigabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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500 501 502
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504
C. Beweisgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Statthaftigkeit der Versicherung an Eides statt . . . . . 1. Begriff, Erscheinungsformen und praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzliche Ausschlussgründe . . . . . . . . . . . . 3. Entstehungsgeschichtliche Funktionsbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fortbestehende Anerkennung als Mittel der Glaubhaftmachung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beschränkung auf präsente Beweismittel? . . . . . . . 1. Inhalt und Normzweck des § 294 II ZPO . . . . . 2. Grundsatz der mündlichen Verhandlung . . . . . . a) Relativierung der Beschränkung bei freigestellter mündlicher Verhandlung . . . . . . . . . . . . . .
505 506 506 507 508 509 509 510 511 511
XXXVII
Inhaltsverzeichnis
b) Obligatorische mündliche Verhandlung im Freigabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Statthafte Beweismittel und Praktikabilität . . . . . 1. Richterlicher Augenschein und Urkundsbeweis 2. Zeugenbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sachverständigengutachten . . . . . . . . . . . . a) Gegenstand und praktische Bedeutung . . . . b) Mangelnde zeitliche Verfügbarkeit des Beweismittels . . . . . . . . . . . . . . . . c) Prüfer als gerichtlicher Sachverständiger? . . aa) Exkurs: Rechtsprechung zur Prüferbestellung im Spruchverfahren . . bb) Stellungnahme und Lösungsvorschlag . . d) Privatgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Parteivernehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtfertigung erweiterter Anwendung . . . c) Zulässigkeit bei der Glaubhaftmachung . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
522
§ 27 Rechtliche Würdigung
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A. Bedeutung und Fragestellung
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B. Iura novit curia im Eilverfahren . . . . . . . . I. Auswirkungen des Prinzips der Glaubhaftmachung . . . . . . . . . . . . II. Grundsatz der vollständigen rechtlichen Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ordentliches Erkenntnisverfahren . . 2. Summarisches Verfahren . . . . . . . a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Offene und höchstrichterlich nicht geklärte Streitfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entscheidungszwang und Entscheidungsfreiheit II. Effektiver Rechtsschutz, Rechtsfortbildung und Rechtseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschluss der Rechtsbeschwerde und Instanzenverlust . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
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XXXVIII
Inhaltsverzeichnis
2. Auswirkungen auf die Behandlung streitiger Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis zur Fortsetzung des Rechtsstreits in der Hauptsache . . . . . . . . . . 1. Feststellungsfähigkeit erledigter Rechtsverhältnisse nach § 256 ZPO . . . . . . . . a) Gegenwärtigkeitserfordernis . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zur Leistungsklage . . . . . . . . . . c) Verlust der Rechtsschutzfunktion der Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . 2. Feststellungsinteresse bei kurzfristiger Erledigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erweiterung des verwaltungsgerichtlichen Fortsetzungsfeststellungsinteresses in der Rechtsprechung des BVerfG . . . . . . . . . . . b) Gefahr der Verkürzung effektiven Primärrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . 3. Prozessfortsetzung nach Bestätigungsbeschluss (§ 244 S. 2 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Systematische Einordnung des „rechtlichen Interesses“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterschiede bei der Situation nach Beschlussfreigabe . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Feststellungsinteresse durch fortbestehende Kontrollfunktion der Klage . . . . . . . . . . . . . a) Legalitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Präjudizierung von Folgeprozessen . . . . . . . c) Ausnahme: Schadensrechtlicher „Musterprozess“ . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inter omnes-Wirkung der Feststellung . . . bb) Prozessführungs- und Feststellungsbefugnis des Anfechtungsklägers . . . . . . . . . . . IV. Fazit für den Umgang mit divergierenden Rechtsansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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540 540 540
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D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
545
Inhaltsverzeichnis
XXXIX
4. Teil
Schlussbetrachtung 547 § 28 Gegenwärtige und zukünftige Bedeutung des Freigabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
547
§ 29 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen . . .
549
A. Registersperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
549
B. Eintragungs- und Freigabewirkungen . . . . . . . . . . . . .
550
C. Freigabegründe
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
552
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
555 575
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. abgedr. ABl. abl. abw. AcP ADHGB a. E. a. F. AG AGG AktG allg. Alt. amtl. amtl. Begr. Anh. Anm. AnwKomm arg. Art. ARUG AsylVfG Aufl. ausdr. ausf.
anderer Ansicht am angegebenen Ort abgedruckt Amtsblatt der Europäischen Union ablehnend abweichend Archiv für die civilistische Presse Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch am Ende alte Fassung Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift); Amtsgericht Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Aktiengesetz allgemein(e) Alternative amtlich amtliche Begründung Anhang Anmerkung(en) Anwalt-Kommentar argumentum Artikel Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechte Asylverfahrensgesetz Auflage ausdrücklich ausführlich
BaFin BAG BayObLG BayVBl. BayVGH BB BegrRegE bes. Beschl. betr. BeurkG BGB BGBl. BGH BGHZ Bsp.
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Der Betriebs-Berater Begründung des Regierungsentwurfs besondere(r), besonders Beschluss betreffen(d), betrifft Beurkundungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Beispiel(e)
XLII
Abkürzungsverzeichnis
BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerwG bzgl. bzw.
Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht bezüglich beziehungsweise
cic
culpa in contrahendo
DAV DAX DB DDR ders. d. h. DStR DVBl.
Deutscher Anwaltsverein Deutscher Aktien Index Der Betrieb Deutsche Demokratische Republik derselbe das heißt Zeitschrift für deutsches Steuerrecht Deutsches Verwaltungsblatt
E ebda. EG EGBGB entspr. ErbbauG EuGH EWG EWiR EWIV EWIV-VO
Entwurf ebenda Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch entsprechend Erbbaurechtsgesetz Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Verordnung der europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung
f., ff. FAZ FGG FGPrax Fn. FS FWB
folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit. Vereinigt mit OLGZ Fußnote Festschrift Frankfurter Wertpapierbörse
gem. GenG GG ggf. GK AktG GmbH GmbHG GmbHR GVG
gemäß Genossenschaftsgesetz Grundgesetz gegebenenfalls Großkommentar Aktiengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Gerichtsverfassungsgesetz
HdB HGB h. M. HRefG Hrsg.
Handbuch Handgesetzbuch herrschende Meinung Handelsrechtsreformgesetz Herausgeber
Abkürzungsverzeichnis
XLIII
hrsg. HRV Hs.
herausgegeben Handelsregisterverordnung Halbsatz
i. d. F. i. d. R. IDW i. E. i. e. S. i. H. v. rd. insb. i. R. d. i. S. d. i. S. e. i. S. v. i. Ü. i. V. m. i. w. S.
in der Fassung in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer im Ergebnis im engeren Sinne in Höhe von rund insbesondere im Rahmen der (des) im Sinne der (des) im Sinne einer (eines) im Sinne von im Übrigen in Verbindung mit im weiteren Sinne
Jus
Juristische Schulung
KG KGaA KOM krit.
Kammergericht, Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kommission der Europäischen Gemeinschaften Kritisch
LfG LG Lit. LPG LWAnpG
Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft Landgericht Literatur Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft Landwirtschaftsanpassungsgesetz
Mio. MoMiG Mrd. m. w. N. m. zust. Anm.
Millionen Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Milliarde(n) mit weiteren Nachweisen mit zustimmender Anmerkung
n. bek. NdsRpfl. n. F. NJW NVwZ Nw. NZG
nicht bekannt Niedersächsische Rechtspflege (Zeitschrift) neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nachweis(e) Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
OHG OLG OLGE OVG
offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Oberlandesgerichtsentscheidung Oberverwaltungsgericht
PartGG
Partnergesellschaftsgesetz
XLIV
Abkürzungsverzeichnis
plc. pp.
Public limited company prege perge
RefE RegBegr. RegBegrE RG RGZ Rn. Rspr.
Referentenentwurf Regierungsbegründung Begründung zum Regierungsentwurf Reichsgericht/Registergericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer Rechtsprechung
S. s. S.E. SE-Status SE-VO s. o. sog. str. s. u.
Satz, Seite siehe Societas Europaea (Europäische Gesellschaft) Status der Societas Europaea Verordnung über das Statut der Societas Europaea siehe oben sogenannt(e) str. siehe unten
teilw. TransPuG
Teilweise Transparenz- und Publizitätsgesetz
u. u. a. UMAG UmwBerG UmwG unstr. unzutr. u. U.
und, unten unter anderem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts Umwandlungsgesetz Unstreitig unzutreffend unter Umständen
v. VG VGH vgl. VO VwGO VwVfG
vom Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verordnung Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz
WM w. N. WpHG WpÜG WuB
Wertpapier-Mitteilungen weitere Nachweise Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht
z. B. ZGR ZHR ZIP ZPO zust.
zum Beispiel Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung zustimmend
Einführung A. Das Spannungsverhältnis von Beschlusskontrolle und Beschlussvollzug Die Ilias erzählt die Geschichte vom Feldzug der vereinten Griechen gegen Troja. Die Geschichte scheint hinlänglich bekannt,1 dennoch gibt sie immer wieder Rätsel auf.2 Ohne Zweifel aber ist sie Sinnbild für die Überwindung eines scheinbar unüberwindlichen Bollwerkes durch eine Kriegslist geworden. Die Rechtsentwicklung scheint mitunter ähnlichen Mustern zu folgen. So hat sich die aktienrechtliche Beschlusskontrolle lange gegenüber allen Angriffen im Wesentlichen in unveränderter Form behauptet. Im Ausgangspunkt hat nach wie vor jeder Aktionär – so klein seine Beteiligung auch sein mag – das Recht, gegen Beschlüsse der Hauptversammlung durch Anfechtungsklage vorzugehen. Dies steht ihm zu, obwohl bereits der historische Gesetzgeber von 1884 nicht frei von Bedenken formulierte: „Soll es jedem Aktionär freistehen, die Organisation und das gesunde Funktionieren der Gesellschaft zu gefährden? Soll jeder Aktionär Energie und verantwortliche Tätigkeit der Vorstände und Aufsichtsräte lähmen können?“3. Die Gefahr der Lähmung besteht namentlich bei der Eintragung von Organisationsänderungen. Hier gerät die Gesellschaft in Bedrängnis, weil die Eintragung Wirksamkeitsbedingung für die Änderung der Verbandsverfassung ist, aber nach Erhebung einer Beschlussmängelklage i. d. R. unterbleibt und Ausführungsmaßnahmen hindert. Die Vollzugshemmung und ihre teilweise gesetzliche Anordnung in Form ei1 Ziel des Feldzugs war, die Entführung der Helena, der Gattin des Königs von Sparta, durch Paris, den Sohn des trojanischen Königs Priamos, zu rächen. Trotz zehnjähriger Belagerung gelang es jedoch nicht, die stark befestigte Stadt zu erobern, als Odysseus die kriegsentscheidende List ersann: Die Belagerung scheinbar aufgebend, hinterließen die Griechen ein riesiges Holzpferd, in dessen Bauch einige Griechen unter dem Kommando des Odysseus verborgen waren. Dazu bewogen, das Pferd als ein Geschenk in ihre Stadt zu ziehen, brachen die Trojaner – da das Pferd zu hoch für die Stadttore war – eine Bresche in ihre unerstürmbare Mauer und brachten es in ihre Stadt. 2 Das gilt insbesondere für die Frage, ob es sich dabei um Dichtung oder Wahrheit handelt. Vgl. dazu die These Schrotts, der als Lichtgestalt der griechischen Klassik verehrte Homer sei ein Schreiber in assyrischen Diensten gewesen, vgl. Schrott, Homers Zuhause (2008). 3 Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 7. März 1884, abgedr. u. a. in: Schubert/ Hommelhoff (Hrsg.), Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 466.
2
Einführung
ner Registersperre (vgl. §§ 16 II 2 UmwG, 319 V, 327e VI AktG) erscheint aus Sicht der Rechtsschutzeffektivität zunächst auch geboten, andernfalls der klagende Aktionär vielfach vor vollendete Tatsachen gestellt würde. Die damit einhergehende Verzögerung der Durchführung eröffnet jedoch zugleich ein erhebliches Missbrauchs- und Erpressungspotential. Berichte über das Phänomen des „Auskaufens“ opponierender Aktionäre reichen demgemäß bis vor den Zeitpunkt der gesetzlichen Anerkennung des Anfechtungsrechts durch die Aktienrechtsreform von 1884 zurück.4 Ein Regelungsbedürfnis wurde dennoch lange Zeit nicht gesehen. Noch die Begründung des Regierungsentwurfs zum AktG 1965 ging davon aus, „wirklich mißbräuchliche Anfechtungsklagen seien in den letzten Jahren nicht bekanntgeworden“.5 Ungeachtet dessen brach Mitte der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts eine Welle spektakulärer Anfechtungsverfahren6 mit ebenso spektakulären „Ablösesummen“7 über die Unternehmen herein. Seitdem beherrscht das Thema der „räuberischen Aktionäre“ oder „Berufskläger“8 die beschlussrechtliche Diskussion und beansprucht in der Dauer-Novellierung des Aktienrechts seinen festen Platz.9
4 Zu erinnern ist insoweit an das berühmt gewordene Urteil RGZ 146, 385, 394, wonach auch eine an sich begründete Anfechtungsklage abzuweisen sei, wenn sich die Erhebung der Klage als unzulässige Rechtsausübung darstelle, selbst wenn die Voraussetzungen des § 226 BGB nicht gegeben seien. In der Rechtsentwicklung spielte sich diese Praxis dennoch zunächst weitgehend im Verborgenen ab, weswegen Rechtsprechung und Gesetzgebung hinsichtlich des Vorwurfs der missbräuchlichen Ausübung des Anfechtungsrechts sehr zurückhaltend waren. Auch die Debatten auf dem 24. Deutschen Juristentag von 1924 und dem 63. Deutschen Juristentag von 2000 blieben zunächst ohne Ergebnis; umfassender rechtshistorischer Überblick bei Baums, in: Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentages, Gutachten F 144 ff.; vgl. auch Noack, NZG 2008, 441, 445. 5 BegrRegE, abgedr. bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 332, 333. Im Hinblick darauf wurden die Schadensersatzhaftung wegen unbegründeter Anfechtungsklage und die Pflicht zur Sicherheitsleistung des Aktionärs (vgl. Art. 190 III, 190b, 222 ADHGB 1884, § 200 II AktG 1937) gestrichen. Charakteristisch der Titel eines Beitrags von Bokelmann, „Rechtsmißbrauch des Anfechtungsrechts durch den Aktionär?“ BB 1972, 733. 6 LG Bielefeld DB 1988, 385; OLG Hamm WM 1988, 1164; LG Köln AG 1988, 145; OLG Köln ZIP 1988, 1391; BGH ZIP 1989, 1388; BVerfG WM 1990, 755; LG Köln ZIP 1988, 649; OLG Köln ZIP 1988, 967; BGH AG 1992, 317. 7 Im Fall der Aachener Münchner Beteiligungs-AG waren für die Rücknahme von Widerspruch vor Klageerhebung 1,5 Mio. DM gezahlt worden; vgl. Baums, in: Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentages, Gutachten F 148. 8 Nach einer vorrübergehenden Zunahme der Zahl der Verfahren und der Kläger (vgl. Einzelheiten bei Baums/Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629 ff.; Verse, NZG 2009, 1127) sind derzeit wieder rückläufige Tendenzen der Klagen insgesamt zu beobachten (vgl. nunmehr Baums/ Drinhausen/Keinath, ZIP 2011, 2329 ff.). 9 Vgl. dazu zuletzt den Vorschlag zur Eindämmung der „nachgeschobenen Nichtigkeitsklage“ durch Einführung einer Befristung in § 249 II AktG-RefE des Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes vom 2.11.2010; dazu Bungert/Wettich, ZIP 2011, 160, 162 f.
Einführung
3
B. Freigabe von Beschlüssen zur Eintragung Im Mittelpunkt der Gesetzesentwicklung steht spätestens seit 2005 das sog. Freigabeverfahren (vgl. §§ 16 III UmwG, 246a, 319 VI, 327e II AktG). Es zielt darauf ab, die Eintragung von Strukturänderungen in das Handelsregister trotz erhobener Anfechtungsklage zu erlauben und beruht in seinen Ursprüngen auf einer dahingehend von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahme für den Fall, dass die Klage zweifelsfrei ohne Erfolgsaussicht sei.10 Der Gesetzgeber hat diesen Gedanken zunächst durch das UmwBerG aufgegriffen.11 Danach konnte das durch die Registersperre entstandene Eintragungshindernis durch Feststellung des Prozessgerichts überwunden werden, wenn die Klage gegen die Wirksamkeit des Beschlusses unzulässig oder offensichtlich unbegründet war oder das alsbaldige Wirksamwerden der Maßnahme nach freier Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung der Schwere der mit der Klage geltend gemachten Rechtsverletzung zur Abwendung der vom Antragsteller dargelegten Nachteile für die hieran beteiligten Rechtsträger und ihre Anteilsinhaber vorrangig erschien (vgl. noch § 16 III 1 UmwG a. F.). Der Anwendung dieses Verfahrens auf Maßnahmen nach dem UmwG und auf die Eingliederung (§ 319 VI 1 AktG) folgte die Ausdehnung auf den Ausschluss von Minderheitsaktionären (§ 327e II AktG).12 Mit dem im Jahre 2005 in Kraft getretenen „Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts“ (UMAG)13 wurde das Instrument des Freigabeverfahrens erneut in seinem gegenständlichen Anwendungsbereich erweitert und auf Klagen gegen Beschlüsse über Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge ausgedehnt (vgl. § 246a AktG), was nach Vorstellungen der Gesetzesväter das „Kernstück“ der Novelle14 bildete und eine zentrale Forderung der Regierungskommission Corporate Governance,15 des Schrifttums16 und des 63. Deutschen Juristentages aus dem Jahr 2000 erfüllte.17 Nachdem das Thema „Reform des Beschlussmängelrechts“ im Rahmen des 67. Juristentages von 2008 als Intermezzo erneut behandelt wurde,18 erleichtert das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechte-Richtlinie (ARUG)19 vom 30.7.2009 die Freigabe nochmals und sichert ihre Wirkungen in allgemeiner Form ab.20 10
BGHZ 112, 9 (sog. Hypothekenbankschwestern-Entscheidung). BGBl. 1994 I, 3210. 12 BGBl. 2001 I, 3822 WpAngebG. 13 BGBl. 2005 I, 2802. 14 Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 256. 15 Baums, (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rz. 153 ff. 16 Vgl. hierzu bereits Hommelhoff, ZGR 1990, 447, 459. 17 Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentages, O 76, Beschluss 14 A, BB; vgl. aber die Abweichungen in den Vorschlägen von Baums, Gutachten F zum 63. Deutschen Juristentag, 2000, S. 108; siehe auch die Stellungnahme von Bayer, NJW 2000, 2609, 2616 f. 18 Vgl. Seibert/Florstedt, ZIP 2008, 2145, 2151. 19 BGBl. I 2009, 2479. 20 Insoweit hat der Gesetzgeber die Pflicht zur Umsetzung der Regelungen der Richtlinien 2007/36/EG und 77/91/EWG dazu genutzt, um im Freigabeverfahren Ergänzungen zu schaffen. 11
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I. Neubewertung des Vollzugsinteresses Die Voraussetzungen für die Freigabe eines Beschlusses nach § 246a AktG entsprachen nach Vorstellung der Regierungsbegründung zum UMAG den „bewährten Kriterien“, welche bisher für die Freigabe von umwandlungsrechtlichen Maßnahmen, Eingliederung und Squeeze Out vorgesehen waren. Auf den ersten Blick konnte man deswegen versucht sein, die Neuregelung lediglich als eine gegenständliche Erweiterung des Verfahrens auf Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge anzusehen.21 Nicht nur die systematische Platzierung der Norm im Herzen der beschlussrechtlichen Vorschriften der §§ 241 ff. AktG, sondern auch die flankierenden Äußerungen gaben indessen schon damals Anlass zu der Frage, ob § 246a AktG als Ausdruck eines grundlegenden Wandels im Recht der Kontrolle von Strukturänderungsbeschlüssen zu verstehen war. 1. Erleichterung der Freigabe Paradigmatisch ist insbesondere die Entwicklung der Freigabegründe. War die Freigabe in ihrer ursprünglichen Konzeption an die Bewertung der Erfolgsaussichten angelehnt – ein anderer Freigabegrund als die Unzulässigkeit bzw. offensichtliche Unbegründetheit der Klage war im Modell der Hypothekenbankschwestern-Entscheidung und im Entwurf zu § 16 III UmwG nicht vorgesehen – so stützen sich nahezu sämtliche Entscheidungen im Freigabeverfahren in der aktuellen Rechtsprechungspraxis auf die sog. „Abwägungsklausel“ (vgl. §§ 16 III UmwG, 246a II, 319 VI jeweils Ziff. 3 AktG). Die Regierungsbegründung zu § 16 III 1 UmwG wies der – schließlich doch zugelassenen – Interessenabwägung gegenüber der Freigabealternative der Rechtmäßigkeitsprüfung zunächst allerdings nur subsidiäre Bedeutung zu. Die Abwägung sollte nur dann Platz greifen, wenn die Beschlussmängel nicht eindeutig festgestellt werden konnten.22 Weiter dürfte es sich auch nur um Fälle geringfügiger Fehler handeln. Die Kriterien dafür blieben der Rechtsprechung überlassen. Nachdem sich diese hierbei sehr zurückhaltend verhielt, erlangte die Interessenabwägung zunächst nicht die Bedeutung eines eigenständigen Freigabegrundes.23 UMAG und ARUG wollen hiervon bewusst abweichen. So führen schon die Materialien zur Einführung des § 246a AktG aus: „Wesentlich bedeutender (als die Feststellung der Unbegründetheit der Anfechtungsklage)24 ist aber die Interessenabwägungsklausel, die dazu dient, dem Prozessgericht 21 Der Gesetzgeber spricht von einer Erweiterung der „bewährten“ Freigabemöglichkeiten, vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 27. 22 BegrRegE zu § 16 III UmwG, BT-Drucks. 12/6699, S. 89 (vgl. „die behaupteten Mängel“). 23 Vgl. Veil, AG 2005, 567, 574 Fn. 68 m. N.; Bekannt geworden sind lediglich zwei Entscheidungen, in denen die Freigabe ausschließlich auf ein vorrangiges Vollzugsinteresse gestützt wurde (vgl. OLG Stuttgart AG 2003, 456 und OLG Nürnberg AG 1996, 229). 24 Ergänzung durch den Verfasser.
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eine Freigabe der Eintragung auch dann zu ermöglichen, wenn die Anfechtungsklage voraussichtlich oder gar zweifelsfrei begründet ist. (…) Gesetzgeberisches Ziel der Klausel ist eine Abwägung aller durch die Anfechtungsklage tangierten rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen, bei angenommenem Erfolg der Anfechtungsklage. (…) Eine Eintragung soll also auch dann möglich sein, wenn bei (wahrscheinlich) begründeter Anfechtungsklage, die der Gesellschaft durch eine Versagung der Eintragung drohenden Nachteile den Schaden überwiegen, der dem Anfechtungskläger durch eine Eintragung und Durchführung des rechtswidrigen Hauptversammlungsbeschlusses entsteht. Dies mag bei besonderer Schwere des behaupteten Rechtsverstoßes, also bei massiver Verletzung elementarer Aktionärsrechte anders zu gewichten sein.“25
Obwohl die Regelungsvorstellung der UMAG-Verfasser erkennbar über die ursprüngliche Funktion der Interessenabwägung hinausging, glaubte sich die Rechtsprechung im Freigabeverfahren in der Folgezeit weitgehend immer noch an die Erfolgsaussichten der Hauptsache gebunden. Der Anspruch des Mitglieds auf rechtmäßiges Verhalten des Verbands und die Notwendigkeit einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle seiner Willensbildung blieb also im Grundsatz nicht in Frage gestellt. Angesichts der nach wie vor großen Häufigkeit von Anfechtungsverfahren sah sich der ARUG-Gesetzgeber deshalb in eigenen Worten zu einer gesetzlichen „Klarstellung“26 seiner Intentionen veranlasst. So sei trotz der „gewichtige(n) Hinweise zur Auslegung der Interessenabwägungsklausel nach § 246a Abs. 2 AktG und der Parallelvorschriften (…) immer noch eine gewisse Unsicherheit über das Verständnis der Interessenabwägungsklausel geblieben“ und der Grundgedanke der UMAG-Begründung daher rechtlich zu positivieren gewesen.27 Das Ergebnis besteht darin, dass ein Freigabebeschluss ergehen darf, wenn das „alsbaldige Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses vorrangig erscheint, weil die vom Antragsteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Antragsgegner überwiegen, es sei denn, es liegt eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes vor. Der Vorteil dieser „Klarstellung“ soll darin liegen, dass „unzweifelhaft eine Abwägung zwischen dem Interesse des Klägers einerseits und den wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft und ihrer übrigen Aktionäre andererseits vorzunehmen ist“ und eine Freigabe nur bei besonders schwerwiegenden Rechtsverstößen zu unterbleiben habe. Das schwächt zwar die (ansonsten Pate stehende) Formulierung der UMAG-Materialien, wonach die Freigabe nur bei einem als „massive Verletzung elementarer Aktionärsrechte“ oder einem als Rechtsfolge „unerträglich“28 erscheinenden Verstoß auszuschließen war etwas ab, meint aber in der Sache nichts anderes. 25 26 27 28
BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 29. BegrRegE, BT-Drucks. 16/11642, S. 21. BegrRegE, BT-Drucks. 16/11642, S. 41. BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 29.
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Ausdruck einer gesetzlichen Neubewertung des Vollzugsinteresses ist sodann auch das sogenannte „Bagatell-Quorum“, also die in §§ 16 III UmwG, 246a II, 319 VI, 327e II AktG enthaltene Bestimmung, wonach die Freigabe zu erfolgen hat, wenn „der Kläger nicht binnen einer Woche nach Zustellung des Antrags durch Urkunden nachgewiesen hat, dass er seit Bekanntmachung der Einberufung einen anteiligen Betrag von mindestens 1000 € hält“. In diesem Zusammenhang betonen die Erläuterungen zwar, dass dies nur für das Freigabeverfahren gelte.29 Das ändert aber nichts daran, dass man hier möglicherweise zugleich mit dem Dogma der individuellen Rechtsschutzfunktion (auch) der Anfechtungsklage bricht. Miteinzubeziehen hat man darüber hinaus auch andere Verkürzungen des durch Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage vermittelten Primärrechtsschutzes. Dazu gehört insbesondere der im Interesse schnellen und flexiblen unternehmerischen Handelns zumindest im Zusammenhang mit wertbezogenen Informationsmängeln nunmehr kategorisch erfolgte Verweis auf den wertbezogenen Rechtsschutz durch das Spruchverfahren und Schadensersatzklagen (vgl. § 243 IV 2 AktG).30 2. Rechtsfolge der Bestandssicherung Ausdruck einer Neubewertung des Vollzugsinteresses zugunsten der Gesellschaft oder der Mehrheit ist weiter die Sicherung der Ergebnisse der Beschlussdurchführung. Anders als bei bloßer Klageabweisung in der Hauptsache (und unabhängig von deren Ausgang) soll die Gesellschaft durch die Freigabe nicht nur die Eintragung erlangen. Vielmehr soll die Freigabe die inter omnes wirkende dauerhafte Bestandsfestigkeit des Beschlusses erreichen. Das folgt aus der – nach dem ARUG allgemein geltenden – gesetzlichen Anordnung der §§ 20 II UmwG, 246a I u. IV 2, 1. Hs., 319 VI 10 AktG wonach „Beschlußmängel die Wirkungen der Eintragung unberührt (lassen)“ und die Rückgängigmachung auch nicht als Schadensersatz verlangt werden kann (vgl. §§ 246a IV 2, 2. Hs., 319 VI 10, 2. Hs. AktG, 16 III 6, 2. Hs. UmwG).31 Ein stattgebendes Urteil, durch das in der Hauptsache die Beschlussnichtigkeit festgestellt oder erklärt wird, kann auch nicht in das Handelsregister eingetragen werden. Ebenso wenig findet eine Amtslöschung statt (§ 242 II 2 AktG n. F.). Das Freigabeverfahren bildet damit nicht lediglich das rechtstechnische Mittel zur Überwindung einer gesetzlichen oder durch Aussetzung nach §§ 127 FGG a. F./381 FamFG entstehenden Registersperre, sondern sichert zugleich den materiellen Bestand der Maßnahme. Dieser Zusammenhang ist 29 Seibert, ZIP 2008, 906, 910; vgl. auch Baums/Drinhausen, ZIP 2008, 145; Noack, NZG 2008, 441, 445. 30 Vgl. schon BGHZ 136, 133; 146, 179; 164, 241. 31 Zuvor sah das Gesetz für Eingliederung und Squeeze Out keine mit den §§ 16 III 6, 2. Hs. UmwG, 246a IV 2, 2. Hs. AktG vergleichbare Bestandssicherungen vor.
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keineswegs selbstverständlich und dürfte bis zur Einführung des § 246a AktG als offen angesehen werden. Insoweit findet sich für die Bestandskraftanordnung des Freigabeverfahrens entgegen der Ansicht des UMAG-Gesetzgebers nicht nur kein „bewährtes“, sondern wohl überhaupt kein Vorbild. Tatsächlich liegt in der nunmehrigen Gesetzesfassung zumindest für Unternehmensverträge (§ 246a IV 2 AktG) auch ein Paradigmenwechsel. So hatte der Gesetzgeber des AktG 1965 für Unternehmensverträge für diese mit dem Argument auf die Schaffung einer Registersperre verzichtet,32 dass ein Unternehmensvertrag den rechtlichen Bestand der beteiligten Unternehmen unberührt lasse und, wie u. a. seine jederzeitige Kündbarkeit aus wichtigem Grund (§ 297 AktG) belege, auch nach Eintragung ohne unüberwindbare Schwierigkeiten wieder aufgelöst werden könne, wenn er sich aufgrund einer erfolgreichen Anfechtungsklage als unrechtmäßig herausstellt.33 II. Erhalt der Beschlusskontrolle und Erweiterungen der Mitgliedschaftsrechte als gegenläufige Tendenzen Der vorstehend skizzierte Befund steht in auffälligem Kontrast zu anderen, durchaus auf eine Stärkung der Mitgliedschaftsrechte gerichteten, Legislativtendenzen. Dazu gehört zum einen der kontinuierliche Ausbau der immer wieder im Wege der Anfechtungsklage gerügten Informationspflichten.34 Auch UMAG und ARUG sehen sich ausdrücklich der Stärkung von Aktionärsrechten verpflichtet, und Überlegungen wie die Schaffung einer Anwesenheitsprämie, zur elektronischen Hauptversammlung und sonstige Anreize zur Teilnahme an der Hauptversammlung und der Ausübung von Aktionärsrechten35 zeigen, dass es sich hier nicht um die bloße Verbrämung eines in der Sache durchweg „griechischen Geschenks“ an die Minderheitsaktionäre handelt. Zum anderen fällt auf, dass der Gesetzgeber am Recht zur Erhebung der Beschlussmängelklage als solcher bislang nichts Einschneidendes verändert hat, allen dahingehenden Vorschlägen konsequent die Gefolgschaft verweigert und betont, dass die Einschränkungen nur das Freigabeverfahren betreffen sol32 Ergänzende Stellungnahme zu konzernrechtlichen Bestimmungen des Referentenentwurfs eines Aktiengesetzes, Bundesverband der deutschen Industrie (Hrsg.), S. 22; BGHZ 112, 9, 16; mit dieser Feststellung auch, wenngleich krit. Hommelhoff, ZGR 1990, 447, 463. 33 BGHZ 112, 9, 17; vgl. auch Kort, BB 2005, 1577, 1580; folgerichtig ist auch das überwiegende Schrifttum bisher zu dem Ergebnis gelangt, dass die im Falle des Unternehmensvertrags anwendbare LfG zur vorläufigen Wirksamkeit und der Möglichkeit der ex nunc-Beendigung führt und eine in die Zukunft gerichtete Behandlung als wirksam nur in begrenzten Ausnahmefällen als geboten erscheint, vgl. Kort, Bestandsschutz, S. 130 ff. 34 So hatte der Gesetzgeber des Umwandlungsbereinigungsgesetzes noch festgestellt, der Einschränkung der Nichtigkeit entspräche, die Stellung der Anteilsinhaber vor dem Wirksamwerden der Verschmelzung durch Unterrichtungs- und Prüfungsrechte zu verstärken, vgl. BegrRegE zu § 20 II UmwG, BT-Drucks. 12/6699, S. 92. 35 Vgl. dazu jüngst wieder die Vorschläge für eine unterschiedliche Dividendenhöhe: Wand/ Tillmann AG 2006, 443–450; Klühs, ZIP 2006, 107–118.
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len.36 Der Aktionär befindet sich hinsichtlich der Klage selbst also weiterhin in einer sehr günstigen Position: Die Anfechtungsbefugnis erfordert kein Beteiligungsquorum, das Bagatell-Quorum für das Freigabeverfahren nach dem ARUG ist vergleichsweise bescheiden, die Anbindung der Klagebefugnis an eine gewisse Vorbesitzzeit (§ 245 Nr. 1 AktG) schränkt den Kreis möglicher Kläger kaum ein und die Klage führt – außer bei den Beschlüssen des § 246a AktG – zur Registersperre.37 Darüber hinaus ist das Freigabeverfahren weder ausdrücklich noch in analoger Anwendung auf andere Beschlussgegenstände übertragen worden.38 Insgesamt bietet sich zwischen der materiell-rechtlichen Kontrollbefugnis des Mitglieds und ihrer Wirklichkeit damit kein einheitliches Bild. Wo hinsichtlich der Anfechtungsbefugnis eine gewisse Pfadabhängigkeit fortzubestehen scheint, erfolgt mit den Freigaberegeln ein tiefgreifender Einschnitt in das bisherige System der aktienrechtlichen Beschlusskontrolle. Damit scheint – um beim Beispiel Troja zu bleiben – eine Bresche in die Mauer geschlagen und das Tor zu einer weitgehenden Beseitigung der Beschlussmängelklage bei den betroffenen Strukturveränderungen geöffnet worden zu sein.39 III. Bestimmungsfaktoren der Entwicklung 1. Missbrauch des Anfechtungsrechts Die jetzige Rechtslage ist vor allem das Ergebnis einer durch die Bekämpfung missbräuchlicher Aktionärsklagen motivierten, über die einschlägigen Fachkreise hinaus geführten Diskussion.40 Konnte sich der Gesetzgeber beim AktG 1965 noch mit der gegenteiligen Feststellung begnügen, so gewann das Geschäftsmodell des räuberischen Klagegewerbes spätestens seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts unverkennbar deutlich an Popularität. Empirische Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass die Anzahl der Beschlussmängelklagen im Zeitraum zwischen 1980 und 2006 um das 60-fache 36
Vgl. insbesondere zum Bagatell-Quorum BegrRegE, BT-Drucks. 16/11642, S. 41. Der Kläger muss die Eintragung also nicht durch einstweilige Verfügung verhindern und er geht durch die Klage – jenseits des § 826 BGB – regelmäßig keinerlei Haftungsrisiken ein (vgl. dagegen § 945 ZPO). 38 LG Köln AG 2007, 340, 341 f.; so schon LG Hanau WM 1996, 66. Namentlich hat § 246a AktG entgegen insoweit missverständlicher Feststellungen der UMAG-Materialien und anderer Materialien (vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 27; vgl. auch Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 256; Ihrig/Erwin, BB 2005, 1973; Weisenhaupt, WM 2004, 705, 711) kein „allgemeines“ und erst Recht kein rechtsformübergreifendes Freigabeverfahren geschaffen. Zur Anwendbarkeit des Freigabeverfahrens nach § 246a AktG Harbarth, GmbHR 2005, 970 ff.; Sauerbruch, GmbHR 2007, 189 ff.; näher u. § 2 B. 39 Vgl. zu der Verabschiedung materieller Positionen unter dem Deckmantel des Verfahrensrechts und dem trojanischen Pferd auch schon Bayer, ZGR 1995, 613, 625; Hirschberger, DB 2004, 1137, 1138. 40 Vgl. dazu namentlich Jahn, BB 2005, 1 ff. und dessen seit 2004 festzustellende regelmäßige Befassung mit der Thematik in der FAZ. 37
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und – unter Berücksichtigung der gestiegenen Zahl der Gesellschaften – um das 8-fache zugenommen habe.41 Beklagenswert ist dabei weniger die absolute Anzahl als vielmehr der Umstand, dass die überwiegende Mehrheit der Verfahren durch Vergleiche mit umfangreichen Zahlungen an die Kläger beendet werden und das Instrument der Anfechtungsklage seine Zielsetzung – die Gewährleistung von Einklang des Beschlusses mit Gesetz und Satzung – damit im Ergebnis verfehlt, weil sich die Frage der Rechtmäßigkeit nach Erzeugung der Vergleichsbereitschaft für die Beteiligten als gegenstandslos erweist. Neben der Blockadeproblematik unübersehbar sind auch die Kollateralschäden des Klagewesens für die Hauptversammlung. Anstelle einer strategieorientierten, international vermittelbaren Aktionärsveranstaltung, richtet sich die Aufmerksamkeit zu einem Großteil auf die Vermeidung von Beschlussmängeln, mit deren Provokation freilich dennoch zu kämpfen ist.42 2. Systemsprengende Wirkung des Freigabeverfahrens Ist die Motivation der derzeitigen Rechtsentwicklung vollauf nachvollziehbar, so birgt sie doch gewisse Gefahren in sich.43 Zunächst bleibt sie für das Bewusstsein der Beteiligten, namentlich der Rechtsprechung, nicht ohne Folgen. Dahingehend bestärkt sie vor allem die Sicht, wonach von ihren Kontrollrechten Gebrauch machende Gesellschafter generell eigensüchtig Druck auf die Gesellschaft ausübende Störer seien. Das Anfechtungsrecht des einzelnen Aktionärs wird sodann als unverhältnismäßiger Eingriff in die Mehrheitsmacht und die gesellschaftsinterne Kompetenzverteilung, also auch in die Leitungsmacht des Vorstands empfunden.44 Noch schwerer wiegen die Auswirkungen des Freigabeverfahrens auf das Instrument der Beschlusskontrolle als solches. Nach wie vor sieht man dazu zwar keine Alternative,45 man kann allerdings kaum die Augen davor verschließen, dass unter den nunmehr obwaltenden Bedingungen ein effektiver Rechtsschutz gegen fehlerhafte Strukturänderungsbeschlüsse nur sehr eingeschränkt besteht. Nicht nur wegen des damit einhergehenden Funktionsverlusts der Anfechtungsklage muss man fragen, ob sich der, mit dem Freigabeverfahren beschrittene Weg, widerspruchsfrei in das System der Beschlusskontrolle einfügt. Es überrascht daher wenig, wenn sich
41 42
Vgl. Baums/Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629 ff.; dazu auch Schulte, ZIP 2010, 1166. Vgl. zur Beschreibung des Phänomens auch Niemeier, ZIP 2008, 1148; Schulte, ZIP 2010,
1166. 43 Darauf weist schon Hommelhoff, ZGR 1990, 447, 449 hin; zu den Gefahren einer Beseitigung der Beschlusskontrolle bereits Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturveränderungen (1998), S. 74; Hirte, BB 1988, 1469 ff. 44 Vgl. OLG Frankfurt AG 2006, 246, 257 f., wo für die Freigabe augenscheinlich maßgeblich auf die aus der Anfechtungsbefugnis folgende Beschränkung der Gestaltungsmacht der Unternehmensleitung abgestellt wird. 45 So auch nachdrücklich noch BegrRegE, BT-Drucks. 16/11642, S. 42.
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im Schrifttum Bezeichnungen des Freigabeverfahrens als „Irrweg“46 oder „juristisches Niemandsland“47 vergleichsweise harmlos ausnehmen.48 Die Zweifel lassen sich als solche verfahrensrechtlicher, verbandsrechtlicher und verfassungsrechtlicher Natur begreifen und betreffen insbesondere die Abwägungsklausel. Zu den Fragen aus prozessrechtlicher Sicht gehört vor allem die These, wonach dem Freigabeverfahren gegenüber der Hauptsache ein selbstständiger Streitgegenstand zugrunde liegen soll.49 Dabei beschäftigt ferner, ob es ein von der Rechtslage gelöstes, sog. „offenes Eilverfahren“ geben darf.50 Hinzu treten allgemeine Grundfragen des Eilverfahrens, nämlich die Erkenntnis, dass „schnelles Recht“ aus Sicht einer Prozessordnung nicht „richtiges Recht“ ist,51 die Bewertung als „Eilverfahren“ nichts über die Anforderungen an den Verfahrensablauf im Einzelnen aussagt, sich das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutz nicht gegen eine Verschiebung der Parteirollen wehren kann und eine Denaturierung zum taktischen Kampfmittel droht, wo es Wirkungen herbeizuführen im Stande ist, die das Zivilverfahren nicht einmal im ordentlichen Verfahren kennt. Aus verbandsrechtlicher Sicht ist zu berücksichtigen, dass das Freigabeverfahren die präventive Wirkung der Beschlusskontrolle entscheidend abschwächt, und zwar gerade bei denjenigen Gegenständen, die sich als am folgenschwersten erweisen und an die das Gesetz umfassende Verfahrens- und Informationspflichten knüpft. Im Mittelpunkt steht dabei nicht nur eine Abschwächung der Polizeifunktion der Beschlussmängelklage, sondern die Frage, ob diese durch die Bestandsschutzwirkungen des Freigabeverfahrens nicht ganz entfällt. Dabei interessiert insbesondere, ob sich die Strukturveränderung von dem ihr zugrunde liegenden Beschluss trennen lässt, so dass dieser kassiert werden kann, ihre Durchführung aber – wie vom Gesetz formuliert – „unberührt“ bleibt.52 Als Problem erweist sich dabei nicht nur die mangelnde Rechtsschutzeffektivität, sondern auch, dass der Beschluss als Willensakt seinen Platz in der Rechtsgeschäftslehre sucht und nach wie vor nicht gefunden hat.53 Erschwert wird dadurch namentlich die Benennung der Wertungsgrundlage des Bestandsschutzes von Strukturänderungen, etwa bei der Frage, ob sich die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft (LfG) dafür eignet und welche Parallelen zwischen dem fehlerhaften Gesellschaftsvertrag und dem 46
Vgl. Niemeier, ZIP 2008, 1148. Noack, ZHR 164 (2000), 274, 288. 48 Von „Stück aus dem Tollhaus“, „skandalös“, „blanke Täuschung des Rechtspublikums“ und „legislatives Unrecht“ spricht dagegen Zöllner, in FS Westermann (2008), S. 1631 ff. 49 Sie ist von zentraler Bedeutung, weil sich an sie wesentliche Grundwertungen, etwa zu den Darlegungsanforderungen, zum Bestandsschutz und den Auswirkungen auf die Hauptsache knüpfen. 50 Vgl. zum Konzept der offenen Eilentscheidung näher u. § 21 A. III. 51 Heinze, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., Vor § 916 Rn. 16. 52 Hommelhoff, ZHR 158 (1994), 11, 14. 53 Vgl. dazu K. Schmidt, AG 2009, 248, 252; ders., AcP 206 (2006), 169, 171. 47
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mangelhaften Beschluss gezogen werden können. Im Klaren sein muss man sich weiter auch darüber, dass jede Relativierung der Vereinbarkeit des Beschlusses mit Gesetz und Satzung Folgefragen aufwirft: Dazu gehört etwa, ob sich das Beschlusserfordernis als solches vom Vorhandensein einer effektiven Rechtmäßigkeitskontrolle trennen und sich die Unterwerfung des Mitglieds unter das Mehrheitsprinzip dann (noch) rechtfertigen lässt. Zu nennen ist weiter, ob der Verzicht auf die präventive wie repressive Wirkung der Beschlusskontrolle durch eine Haftungs- oder Ausgleichsordnung kompensiert werden soll. In diesem Zusammenhang berührt die, in der jetzigen Fassung der Abwägungsklausel vorgesehene, Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten zentrale Grundfragen der Mitgliedschaft. Denn es geht um nicht weniger als den Übergang von dem mit eigenen Rechten ausgestatteten Gesellschafter eines Kapitalvereins zu einem dem „dulde und liquidiere“ unterworfenen Anlageaktionär. Die konzeptionellen Grundlagen für ein solches Verständnis sind zwar bereits erarbeitet,54 erscheinen aber dennoch überprüfungsbedürftig.55 Die zuletzt genannte Frage und das Problem der Rechtsschutzeffektivität müssen auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive beschäftigen. Zwar hat das BVerfG zu Zeiten, in denen Klagemissbräuche ihren Höhepunkt erreichten, zunächst wenig Bedenken im Hinblick auf das Freigabeverfahren gesehen,56 diese Entscheidung streift die Verfassungsgemäßheit des Freigabeverfahrens allerdings nur kursorisch und nur in Hinblick auf die Eigentumsgarantie. Abgesehen davon stellt sie für die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit auf mit dem ARUG aufgegebene Vorgaben, insbesondere die Möglichkeit einer Beschwerde gegen den Freigabebeschluss ab. In neuerer Zeit findet die Rechtsprechung des BVerfG wohl allmählich auf den Zusammenhang zwischen Beschlusskontrolle und Rechtsschutzeffektivität zurück.57 Aus diesem schließt sie auch Berufskläger nicht von vornherein aus.58 Unter dem Gesichtspunkt höherrangigen Rechts sind vorliegend aber nicht nur die grundgesetzlichen Gewährleistungen, sondern auch die europarechtlich verbürgten Garantien in die Betrachtung miteinzubeziehen, denn die dem Freigabeverfahren unterliegenden Kapitalmaßnahmen und Umwandlungen sind zugleich Gegenstand europäischer Harmonisierung. Die davon ausgehende Überlagerung des nati54
So liefert beispielsweise die Arbeit Mülberts, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. München 1996, ein grundlegendes Modell des lediglich vermögensbezogenen Aktionärsschutzes, wohingegen es für die zentrale Frage der Bestandswirkungen fehlerhafter Strukturänderungen selbst in umfassend angelegten Abhandlungen (wie etwa der von Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998) oder Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002)) an einer Auseinandersetzung mit den Wirkungen einer Beschlussmängelklage fehlt. 55 S. dazu u. § 22 C. 56 Vgl. BVerfG WM 2007, 1329 ff. 57 Vgl. BVerfG WM 2010, 170 ff. 58 Vgl. Gesmann-Nuissl, WuB II A. § 327e AktG 1.10.
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onalen Rechts bedarf hier insbesondere deshalb der Betrachtung, weil der EuGH Beschränkungen der gemeinschaftsrechtlichen Mitgliedschaftsrechte aus Gründen des Rechtsmissbrauchs bereits Grenzen gezogen hat.59
C. Anliegen und Gang der Untersuchung Die folgenden Überlegungen setzen sich zunächst zum Ziel, die vorstehend skizzierte „Systemrelevanz“ des gesellschaftsrechtlichen Freigabeverfahrens,60 also seine Auswirkungen auf das System der Beschlusskontrolle zu untersuchen. Die Aufgabe besteht dabei zunächst in einer Bestandsaufnahme der gesetzlichen Regelung und der mittlerweile umfangreichen Rechtsprechung (1. Teil). Letztere muss umso mehr betrachtet werden als das Freigabeverfahren zwar eine „Erfindung“ der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist, dieser aber wegen der Letztentscheidungszuständigkeit der Oberlandesgerichte (vgl. nunmehr §§ 16 III 7 UmwG, 246a III 4, 319 VI 7, 327e II AktG)61 praktisch entzogen wird. Einer Bestandsaufnahme zu den Voraussetzungen des Freigabeverfahrens bedarf es auch angesichts der gesetzlichen Dauer-Novellierung und seiner Abhängigkeit von bislang wenig betrachteten Systembedingungen wie z. B. dem Anspruch auf Schadensersatz bei rechtswidrigen Beschlüssen (vgl. §§ 16 III 10 UmwG, 246a IV 1, 319 VI 10, 327e II AktG). Im Anschluss daran wendet sich die Betrachtung der gesetzgeberischen Prämisse von der Verselbstständigung des Freigabeverfahrens gegenüber der Hauptsache, also dem Konzept der „offenen Eilentscheidung“ zu. Den Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage, ob sich insoweit überzeugend zwischen beiden Verfahren trennen lässt, bildet dabei die Rechtsnatur des Freigabeverfahrens (2. Teil). Auf dieser Grundlage sind die Freigabegründe zu untersuchen, wobei die Rolle der Interessenabwägung im Mittelpunkt steht (3. Teil), bevor unter Berücksichtigung der damit gewonnenen Erkenntnisse eine Bewertung der Tauglichkeit der Freigabekonzeption zur Verhinderung missbräuchlicher oder unverhältnismäßig erscheinender Vollzugsblockaden vorzunehmen ist (4. Teil). Ein Grundanliegen der Untersuchung besteht dabei darin, die Rechtstellung des Aktionärs als Mitglied oder Anleger zu bestimmen; ein weiteres darin, unter Berücksichtigung der verfahrensrechtlichen Realisierbarkeit zu einem sowohl von Widersprüchen wie überschießenden rechtspolitischen Bestrebungen befreiten Ausgleich der wechselseitigen Interessen im Spannungsver59 Vgl. EuGH C-367/96, Slg. 1998, I 2843 (Kefalas); C-441/93, Slg. 1996, I 1366 (Pafitis); C42/95, Slg. 1996, I 6017 (Siemens/Nold); C-373/00, Slg. 2000, I 1723 (Diamantis). 60 Begrifflich gehören dazu nur die §§ 246a 319 VI, 327e II AktG, 16 III UmwG, nicht dagegen das Freigabeverfahren des Schuldverschreibungsrechts (§ 20 SchVG), des geplanten Rechts zur Restrukturierung von Staatsanleihen (vgl. § 4i III BSchWG-E) und des Sanierungsrechts (§ 253 IV InsO). 61 Art. 1 des zweiten Gesetz zur Änderung des UmwG v. 19.4.2007, BGBl. I 2007, 542.
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hältnis von Beschlusskontrolle und unternehmerischer Handlungsfähigkeit zu gelangen. Von Bedeutung ist ein solches Verständnis des Freigabeverfahrens auch wegen seines Modellcharakters in anderem Zusammenhang.62 Diese Folgeentwicklungen müssen allerdings weiteren Überlegungen vorbehalten bleiben. Keine Berücksichtigung finden kann daher das schuldverschreibungsrechtliche und sanierungsrechtliche Freigabeverfahren (§§ 20 SchVG, 253 IV InsO).
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Vgl. §§ 20 SchVG, 4i III BSchWG-E und 253 IV InsO.
1. Teil
Die gesetzliche Regelung und ihre konzeptionelle Einbettung im System der aktienrechtlichen Beschlusskontrolle Für eine Untersuchung der vorstehend aufgeworfenen Fragen sind die Bestandteile der gesetzlichen Regelungen sowie die das Freigabeverfahren flankierenden Elemente zu betrachten. Dazu gehört zunächst die Beobachtung, dass die Freigabemöglichkeit „in eigenartiger Weise“1 neben dem Registerverfahren und der anhängigen Klage in der Hauptsache steht. Zudem steht sie wie die Hauptsache in Zusammenhang mit der verfahrensrechtlichen Sicherung mitgliedschaftlicher Schadens-, Abfindungs- und Ausgleichsansprüche. Zu diesen Wertsicherungsverfahren gehört vornehmlich das Spruchverfahren. Orientierung zum Verständnis der gesetzlichen Konzeption des Freigabeverfahrens und seiner Zusammenhänge bietet insoweit die Einteilung nach vier Regelungsebenen: (1) Registersperre und Eintragungsverfahren, (2) Freigabeprüfung, (3) Entscheidungswirkungen, (4) Ausgleichsansprüche. Zu beginnen ist mit den Wirkungen der Klageerhebung auf das Eintragungsverfahren.
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Noack, ZHR 164 (2000), 274.
1. Abschnitt
Klagewirkung und Beschlussdurchführung § 1 Formelle und faktische Blockade der Eintragung A. Gesetzliche Regelung der Registersperre (§§ 16 II UmwG, 319 V, 327e II AktG) Die aktienrechtliche Beschlusskontrolle gestattet jedem Aktionär, Beschlüsse der Hauptversammlung wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung durch Klage anzufechten (§§ 243, 246 AktG). Die Klage hindert dabei die Durchführung des Beschlossenen regelmäßig nicht.1 Sie besitzt – anders als etwa die Anfechtungsklage im Verwaltungsprozessrecht (vgl. § 80 I 1 VwGO) – keinen Suspensiveffekt. Dies entspricht dem Prinzip der Gestaltungsklage, wonach die Gestaltungswirkung erst mit Rechtskraft des Gestaltungsurteils eintritt,2 also der anfechtbare Beschluss trotz seiner Fehlerhaftigkeit bis zu diesem Ereignis im Rechtsverkehr als wirksam zu behandeln ist. Will der Kläger den status quo ante sichern, so muss er eine einstweilige Verfügung gerichtet gegen die Beschlussausführung erwirken (vgl. § 16 II HGB), wobei er das Risiko eingeht bei Unrechtmäßigkeit der Verfügung oder späterer Aufhebung verschuldensunabhängig zu haften (§ 945 ZPO).3 Anders verhält es sich dagegen bei einem Teil der sog. Strukturveränderungen, zu denen – jenseits aller begrifflichen Unschärfe4 – im Zusammenhang der vorstehenden Untersuchung neben den Umwandlungen i. S. d. UmwG auch Eingliederung, Squeeze Out, Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge gezählt werden sollen.5 Hier tritt eine Wirksamkeit ohne Eintragung nicht ein (§§ 189, 197, 200, 203 I, 224, 229 III, 238, 294 II, 320a I 1, 327e III 1 AktG, 20, 1 Eine andere Frage ist, ob der Vorstand Beschlüsse, an deren Rechtmäßigkeit Zweifel bestehen, auszuführen hat, dazu Volhard, ZGR 1996, 55 ff. 2 Vgl. K. Schmidt, JuS 1986, 35, 36 ff. 3 In bestimmten Fallgruppen besteht auch die Möglichkeit zur Verhinderung bereits der Beschlussfassung, vgl. dazu Nietsch, GmbHR 2006, 393 ff.; bei anderen Beschlüssen, wie etwa denen einer Wohnungseigentümergemeinschaft scheidet eine einstweilige Verfügung zur Verhinderung der Beschlussführung nach Ansicht der Rechtsprechung wegen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Suspensiveffekts dagegen grundsätzlich aus, vgl. LG München I, BeckRS 2008, 21317 und 21318. 4 Vgl. dazu Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturveränderungen (1998), S. 1 ff. 5 Vgl. zum Begriff der Strukturmaßnahme, Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturveränderungen (1998), S. 250 ff.
§ 1 Formelle und faktische Blockade der Eintragung
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125, 176, 202 UmwG). Die Eintragung hat also stets konstitutive Wirkung, sie bildet den vielbeschworenen „archimedischen Punkt“ jeder Bestandsregelung.6 Ohne Eintragung bleiben die gewollten Rechtswirkungen nicht nur aus, sie können nach zutreffender Ansicht auch nicht durch Umdeutung, etwa in eine Vermögensübernahme herbeigeführt werden, weil es an einem entsprechenden Willen der Beteiligten fehlt.7 Zwar kann faktisch so verfahren werden, als wäre die Maßnahme wirksam geworden, etwa die Leitung der Obergesellschaft befolgt, der Gewinn abgeführt. Unklar ist allerdings, ob dies von Dauer ist, eine Frage, die sich insbesondere bei Unternehmensverträgen im GmbH-Konzern in der Vergangenheit gestellt hat.8 Bei der Verschmelzung ergibt sich eine ähnliche Problemlage in Hinblick auf zwischen den Gesellschaften getätigte Geschäftsvorfälle. Hier lassen sich die steuerlichen Wirkungen der vor dem Eintragungszeitpunkt fortbestehenden Selbstständigkeit der Rechtsträger nicht neutralisieren.9 Die „Alles-oder-Nichts-Wirkung“ der Handelsregistereintragung führt zu einem Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse des Verbandes an der Umsetzung des Beschlusses und der Verhinderung der Schaffung weitgehend vollendeter Tatsachen des am Erhalt der Abwehrmöglichkeit interessierten Mitglieds. Diesen Konflikt entscheidet das Gesetz bei Umwandlung, Eingliederung und Squeeze Out, durch Errichtung formeller Eintragungshindernisse zunächst zugunsten des Letzteren (§§ 319 V, 327e II AktG, 16 II UmwG). Der Regelungsmechanismus besteht dabei aus zwei Stufen, zum einen dem Erfordernis des sog. Negativ-Attests und zum anderen der Anordnung einer Registersperre. I. Erfordernis des Negativattests Nach §§ 319 V 1, 327c II AktG, 16 II 1 UmwG haben die Vertretungsorgane der beteiligten Rechtsträger bei der Anmeldung zu erklären, dass „eine Klage gegen die Wirksamkeit des Beschlusses nicht oder nicht fristgemäß erhoben worden oder eine solche Klage rechtskräftig abgewiesen oder zurückgenommen worden ist“.
Liegt die Erklärung über einen dieser Sachverhalte nicht vor, fehlt eine formelle Eintragungsvoraussetzung. Die der Anmeldung beizufügenden Eintragungsunterlagen sind unvollständig, so dass der Beschluss vorbehaltlich notariell beurkundeten Klageverzichts (vgl. §§ 319 V 2, 327c II AktG, 16 II 2 6
Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturveränderungen (1998), S. 42 ff., 92 ff. BGH NJW 1996, 659. 8 Vgl. zu den Maßnahmen im Schwebezustand vor Eintragung etwa Hoffmann-Becking, im FS Fleck (1988), S. 105, 117 ff.; Kiem, ZIP 1999, 173 ff.; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 343 f. 9 Vgl. dazu Perwein, GmbHR 2011, 977 ff. 7
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
UmwG) nicht eingetragen werden darf. Zu einer Sachprüfung durch das Registergericht kommt es nicht.10 Die Bedeutung der gesetzlichen Regelung besteht gegenüber der alten Rechtslage nach § 345 II AktG a. F. insbesondere in der Klarstellung, dass die Klage ein formelles Eintragungshindernis begründet.11 Die Negativerklärung dient – anders als früher angenommen – also nicht der Information des Registerrichters12 zur Ermöglichung seiner Ermessensausübung über die Eintragung der Strukturentscheidung oder die Aussetzung des Verfahrens (§§ 127 FGG a. F./381 FamFG).13 Vielmehr beseitigt die gesetzliche Registersperre abweichend von dem oben genannten allgemeinen Grundsatz prinzipiell die Eintragung und Durchführung des Beschlusses während einer, gegen diese gerichtete, rechtshängige Klage.14 Die Registersperre bezweckt, den Eintritt der Umwandlungs-, Eingliederungsund Ausschlusswirkungen für den Fall einer Anfechtungsklage umfassend zu verhindern.15 Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers des UmwandlungsbereinigungsG die Stellung etwaiger Kläger und die Effektivität der Anfechtungsklage gestärkt werden.16 Dieser soll sich nicht vor vollendete Tatsachen in Form irreversibler Maßnahmen gestellt sehen.17 Veranlasst sah man sich dazu vor allem angesichts der dahingehend zur sog. Entschmelzung geführten Diskussion.18
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Bork, ZGR 1993, 343, 357. Volhard, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 16 Rn. 19. 12 In der großen Mehrzahl der deutschen Bundesländer ist derzeit von der Möglichkeit zur Vollübertragung des Handelsregisters B auf den Rechtspfleger kein Gebrauch gemacht worden, weswegen hier von einer richterlichen Entscheidung zu sprechen ist, vgl. Schulte, ZIP 2008, 1166, 1168. 13 Dies war für die alte Rechtslage durch BGHZ 112, 9 (Hypothekenbankschwestern) klarzustellen, weil insoweit Auslegungsspielraum bestand. So wurde die Ansicht vertreten, die Mitteilungspflicht nach § 345 II 1 a. F. bestehe nur zur Information des Registergerichts. Hierdurch sollte dieses zur Prüfung der Aussetzung nach § 127 FGG veranlasst werden (OLG Hamm WM 1988, 943, das im Ergebnis allerdings zu einem faktischen Ausschluss der Eintragung gelangte; a. A. OLG Frankfurt WM 1990, 1372). Die Negativerklärung wäre danach keine Eintragungsvoraussetzung gewesen, sondern lediglich ein Umstand, der die Prüfungsintensität des Registergerichts beeinflusst hätte. Zum Ganzen ausführlich Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 78 f., 85 f. 14 Ob das in der Weise geschieht, dass die Anmeldung als unzulässig zurückzuweisen ist (Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 94) oder entsprechend § 127 FGG auszusetzen ist (Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 12), sei hier dahingestellt. 15 Veil, ZIP 1996, 1065, 1069; Koppensteiner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 319 Rn. 22; ausdrücklich befürwortend Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 319 Rn. 15 a. E. 16 BegrRegE zu § 16 II UmwG, BT-Drucks. 12/6699, S. 88; vgl. aber sogleich zum UMAGGesetzgeber u. D. 17 Vgl. Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 9; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaft, 4. Aufl., § 48 Rn. 37. 18 Veil, ZIP 1996, 1065, 1069; dazu ausführlich u. § 14 B. III. 11
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II. Dauer der Sperrwirkung 1. Keine Abgabe vor Ablauf der Klagefrist Das Negativ-Attest muss unabhängig davon vorgelegt werden, ob mit einer Klageerhebung zu rechnen ist oder innerhalb geltender Fristen Klage erhoben wurde. Fraglich ist dabei zunächst, ab welchem Zeitpunkt die Vertretungsorgane das zur Eintragung erforderliche Negativ-Attest wirksam abgeben können, für welche Dauer die Sperrwirkung also eintritt. Das Gesetz gibt hierauf unmittelbar keine Antwort. Die Formulierung, wonach die Erklärung über die „nicht fristgemäß erhobene“ Klage lautet, legt nahe, dass die Klagefristen der §§ 246 I AktG, 14 I UmwG abgelaufen sein müssen, weil vorher eine dahingehende Erklärung jenseits eines allseitigen Klageverzichts schlechterdings nicht möglich ist. Allerdings lässt der Umstand, dass das Negativ-Attest auch über die „nicht erhobene Klage“ lauten kann, ebenso die Schlussfolgerung zu, dass eine dahingehende Erklärung schon vor Ablauf der Klagefristen statthaft sei. Das entspricht bislang auch teilweise der Sicht im Schrifttum.19 Allerdings hat unlängst der III. Zivilsenat des BGH zu § 16 II 1 UmwG im Einklang mit der wohl überwiegenden Auffassung in der Literatur den Standpunkt eingenommen, dass vor Ablauf der Klagefrist keine Negativerklärung abgegeben werden könne.20 Das Ergebnis leuchtet ein und verdient Zustimmung. Im Umwandlungsrecht folgt seine Richtigkeit schon aus dem Zusammenhang zwischen der durch das Verstreichen der Frist eintretenden umfassenden Präklusion des Negationsrechts (§ 14 I UmwG) und den weitreichenden Wirkungen der Eintragung und ihrem Bestandsschutz (insbesondere §§ 20, 131 UmwG).21 So bestimmt § 14 I UmwG, dass eine Klage gegen die Wirksamkeit eines Verschmelzungsbeschlusses binnen eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben werden muss. Nach heute einhelliger Auffassung ist damit die Anfechtungsklage ebenso wie jede andere Form der klageweisen Geltendmachung des Mangels ausgeschlossen.22 Das gilt sowohl für die Nichtigkeitsklage 19 Vgl. Bermel, in Goutier/Knopf/Tulloch, Kommentar zum Umwandlungsrecht (1996), Rn. 24; a. A. zu § 319 Grunewald, in MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 319 Rn. 40. 20 Vgl. BGH WM 2006, 2173; m. zust. Anm. Brinkmann, WuB II P. § 16 UmwG 1.07; so bereits Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 11; Decher, in Lutter, a. a. O., § 198 Rn. 36 u. 38; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Stand 2005, § 16 Rn. 73; Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 85 ff.; vgl. aus der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung schon OLG Karlsruhe DB 2001, 1483, 1484; OLG Hamm, ZIP 2006, 1296. 21 S. u. § 14 A. IV. 22 Dazu Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 14 Rn. 5; Gehling, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 14 Rn. 18; Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 14 Rn. 6; Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 53 f.; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 14 Rn. 1; Ausnahme lediglich für sog. „Geheimbeschlüsse“ Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), a. a. O.; Schöne, DB 1995, 1317; abw. noch Bork, ZGR 1993, 343, 355.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
wie auch für die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO. Grund hierfür sind die weittragenden Wirkungen der Eintragung.23 Markiert diese Regelung die zeitliche Grenze des mitgliedschaftlichen Klagerechts, so darf diese durch Vorabeintragung nicht weiter verkürzt werden.24 Entsprechendes gilt auch für das Aktienrecht, wo BVerfG und BGH dem Kläger im Fall des Squeeze Outs auch nach dessen Eintragung weiterhin die Anfechtungsbefugnis zubilligen.25 Kommt es zu der derzeit beabsichtigten Einführung einer einmonatigen Klagefrist für die Nichtigkeitsklage (vgl. § 249 I 3 AktG-Entwurf)26 entspricht die Rechtslage dem Aktienrecht überdies der des § 14 I UmwG. Dass sich bei Maßnahmen mit weniger einschneidenden Wirkungen, wie der Eingliederung oder dem Formwechsel kaum anders argumentieren lässt, legen ferner §§ 16 II 2 UmwG, 319 V 2, 327e II AktG nahe, denen im Umkehrschluss zu entnehmen ist, dass ausschließlich bei einem, den Formvorschriften entsprechenden, Klageverzicht bereits vor Ablauf der Anfechtungsfrist eingetragen werden kann. In der Konsequenz kann das Negativ-Attest von den Vertretungsorganen damit erst nach Ablauf der Fristen für Beschlussmängelklagen abgegeben, bzw. vom Registergericht berücksichtigt werden, so dass die Registersperre in ihrer Dauer der Klagefrist entspricht. 2. Wirkungen der Zustellung „demnächst“ (§ 167 ZPO) Eine nach wie vor bestehende Unsicherheit in der Sperrwirkung der §§ 16 II UmwG, 319 V, 327e II AktG folgt daraus, dass die Klagefristen der §§ 14 I UmwG, 246 I, 249 I 3 AktG auch nach ihrem Ablauf durch Zustellung der Klage „demnächst“ gewahrt werden können.27 Daran mag man Zweifel haben, wenn man berücksichtigt, dass es sich bei den betreffenden Klagefristen nach überwiegender Auffassung um materielle Ausschlussfristen handelt,28 für die die Vorschriften der ZPO nicht gelten. Im Ergebnis kann – nicht zuletzt wegen des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs auf Justizgewähr29 – aber 23
Vgl. BegrRegE, BT- Drucks. 12/6699, 1.2.1994, S. 87. Zum namentlichen Zusammenhang zwischen § 14 u. § 16 UmwG auch BegrRegE, BTDrucks. 12/6699, S. 87: Da § 16 Abs. 2 des Entwurfs an die Erhebung der Klage gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses aller Rechtsträger erhebliche Folgen in Gestalt einer Sperre gegen die Eintragung der Verschmelzung im Register knüpft, muss für alle Arten solcher Klagen und für alle Rechtsformen der Unternehmen eine Ausschlussfrist vorgesehen werden, weil sonst die Eintragung und damit das Wirksamwerden der Verschmelzung auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben werden würde. 25 BGHZ 189, 32. 26 Vgl. dazu den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (sog. „Aktienrechtsnovelle 2011“), S. 8; dazu Bungert/Wettich, ZIP 2011, 160, 162 f.; Drinhausen/ Keinath, DB 2011, 11, 15 f. 27 Dörr in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 246 Rn. 46; Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 246 Rn. 35; Schwab in K. Schmidt/Lutter § 246 Rn. 7; BGHZ 32, 318 (322). 28 Dörr in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 246 Rn. 12; Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 246 Rn. 23; Schwab in K. Schmidt/Lutter § 246 Rn. 4 m. w. N.; Bork in Lutter, UmwG, 3. Aufl., § 14 Rn. 7. 29 BVerfGE 40, 272ff. 24
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kein Zweifel bestehen, dass dem so ist und dem Kläger nicht zurechenbare Verzögerungen bei der Zustellung nicht zum Nachteil gereichen können. Für die Registersperre ergibt sich daraus die Frage, ob der Richter bei Vorliegen eines Negativ-Attests nach Ablauf der Klagefrist umgehend eintragen darf oder die §§ 16 II UmwG, 319 V, 327e II AktG nicht die Pflicht eines weiteren Zuwartens enthalten.30 Sie stellt sich umso mehr, weil die Klageerhebung angesichts der kurz bemessenen Frist der §§ 14 I UmwG, 246 I AktG häufig erst vor deren Ablauf erfolgt und die Zustellung der Klage an Vorstand und Aufsichtsrat erfolgen muss, da die Gesellschaft durch beide vertreten wird (vgl. § 246 II 2 AktG). In der Praxis kommt es deswegen augenscheinlich immer wieder zu Verzögerungen, so dass es sich bei der Wahrung der Klagefrist durch § 167 ZPO nicht um eine fernliegende Ausnahmeerscheinung handelt.31 Das BVerfG hat diesen Umständen zunächst wenig Bedeutung beigemessen und keinerlei Zweifel an der Wirksamkeit einer gleichwohl erfolgten Eintragung gehabt. Den Kläger hat es zur Begründung darauf verwiesen, gegen die Eintragung im einstweiligen Rechtsschutz vorzugehen.32 Unter dem Eindruck der damit verbundenen Rechtsschutzverkürzung erwägt es zuletzt allerdings die Möglichkeit einer Löschung nach §§ 144 II, 142 FGG a. F./398, 395 FamFG, bzw. die Eintragungswirkung – im Fall eines Squeeze Outs – hinsichtlich der Anfechtungsbefugnis des Klägers außer Betracht zu lassen.33 Der BGH ist ohne weitere Begründung, in der Sache aber zu Recht, letzterem gefolgt. Liegt bei Ablauf der Klagefrist keine Zustellung vor, wissen die Beteiligten nicht, ob es noch hierzu kommt, können aber im Regelfall davon ausgehen, dass dies nicht mehr geschieht. Da die Zustellung „demnächst“ i. S. v. § 167 ZPO u. U. überdies mehrere Wochen betragen kann, wäre dem Kläger auch nicht damit gedient, wenn mit der Eintragung noch für einige Tage abzuwarten wäre. Alles was darüber hinausginge, wäre angesichts des Bedürfnisses der Gesellschaft an zeitiger Eintragung und mit der erwähnten Rechtsnatur des Negativ-Attests als formelles Eintragungshindernis nicht vereinbar. Der Kläger muss zur Verhinderung der Eintragung auch nicht den risikoreichen Weg der einstweiligen Verfügung gehen, sondern kann das Registergericht durch bloße Mitteilung von der Klageerhebung zunächst zum Unterlassen der Eintragung anhalten.34 30
Für das Freigabeverfahren stellt sich die Frage, ob dieses trotz der erfolgten Eintragung durchgeführt werden kann, dazu u. §§ 2 C u. 19 C V. 31 Vgl. OLG Karlruhe DB 2001, 1483; OLG Hamburg, AG 2003, 695; BGH AG 2006, 934; BVerfG BB 2005, 1585; BVerfG WM 2010, 170; dazu Kort, BB 2005, 1577 ff. 32 BVerfG BB 2005, 1585; zust. Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 246a Rn. 36; a. A. Kort, BB 2005, 1577, 1581; ders., NZG 2007, 169, 171. 33 BVerfG WM 2010, 170, 172. 34 Verletzt das Registergericht die daraus folgende Pflicht zur Klärung durch Nachfrage beim Prozessgericht und trägt es unter Verzicht auf eine Aussetzung ein, liegt zwar eine Löschung nach §§ 142 FGG/395 FamFG nahe, doch dürfte die sofortige Löschung mit Bestandsschutzerwägungen unvereinbar sein.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
III. Rechtslage bei Klageerhebung 1. Erhalt des status quo Kommt es zur Klage gegen den Beschluss, kann das zur Eintragung erforderliche Negativ-Attest nicht mit der Wirkung abgegeben werden, dass das dadurch geschaffene Eintragungshindernis entfällt. Aus der einstweiligen Sperre des Registers wird eine dauerhafte, die dem Erhalt des bisherigen Zustands dient. Dies dient dem Rechtsschutzinteresse des Klägers. Dem Vollzugsinteresse der Gesellschaft kann nur durch einen dem Negativ-Attest gleichstehenden Freigabebeschluss des Prozessgerichts zur Geltung verholfen werden (vgl. die Formulierung in §§ 16 III 1 UmwG, 319 VI 1, 327e II AktG). Die Stellung des Klägers bleibt gestärkt. Weiterhin obliegt es nicht ihm, auf die flankierenden Instrumentarien des einstweiligen Rechtsschutzes zurückgreifen zu müssen. Vielmehr trifft diese Last – und die damit verbundenen Haftungsgefahren – die Gesellschaft. Der Berichterstatter Baums hatte anlässlich des 63. Deutschen Juristentages in Leipzig dagegen den Vorschlag unterbreitet, bei Anfechtungsgründen keine Registersperre entstehen zu lassen, sondern den Aktionär durch Betreiben eines Sperrverfahrens zu zwingen, die Eintragung zu verhindern.35 Dieser – auch an anderer Stelle wiederholte Vorschlag36 – hätte für das allgemeine Haftungsrisiko des Klägers (§ 945 ZPO) schwerwiegende Folgen gehabt. Dessen ungeachtet hat der Gesetzgeber an der bisherigen Rollenverteilung festgehalten.37 2. Übergang der Entscheidungszuständigkeit auf das OLG Die gesetzlichen Regelungen wollen nicht nur den möglichen Eintritt der Vollzugswirkungen vor Entscheidung über die Klage verhindern, sondern dienen auch dazu, die verfahrensrechtlichen Nachteile zu beseitigen, die sich nach allgemeinen Regeln bei der Anfechtung eintragungsbedürftiger Beschlüsse ergeben. Nach allgemeinen Regeln obliegt die Entscheidung, ob trotz eines vorgreiflichen Rechtsstreits einzutragen ist, ausschließlich dem Registergericht. Im Rahmen des ihm durch §§ 127 FGG a. F./381 FamFG eingeräumten Aussetzungsermessens hat es die Erfolgsaussichten der Klage zu beurteilen und die für und gegen die Eintragung sprechenden gegenläufigen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Beides erweist sich im Verfahren der Handelsregistereintragung für die hier in Rede stehenden Strukturmaßnahmen wenn schon nicht als unmögliche, so doch als regelmäßig kaum mit notwendiger Sicherheit zu bewältigende Aufgabe.38 Zudem besteht die Gefahr, 35
Vgl. Baums, in Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentages, Gutachten F 169 ff. Vgl. Niemeier, ZIP 2008, 1148, 1150. 37 Vgl. zur Frage der sich daraus ergebenden Folgerungen für oder gegen ein Vollzugsinteresse der Gesellschaft u. § 4 B. III n. C. III. 1. 38 Vgl. Lutter, EWiR 1990, 851; eindringlich Schulte, ZIP 2010, 1166, 1167; vgl. Satzl, Freigabe von Gesellschafterbeschlüssen im Kapitalgesellschaftsrecht, § 3 I., S. 12. 36
§ 1 Formelle und faktische Blockade der Eintragung
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dass sich das Prozessgericht der Würdigung der Rechtslage des Registergerichts nicht anschließen wird.39 Es kann also zu voneinander abweichenden Entscheidungen beider Gerichte kommen, die – rechtlich und/oder faktisch – vollendete Tatsachen schaffen. Bis zum UMAG verringerte die formelle Registersperre diese Gefahr, indem es die Entscheidung über die Eintragung, vom Registergericht auf das Prozessgericht überführte.40 Damit war einschließlich der Rechtsmittelinstanz sichergestellt, dass Freigabe und Hauptsache durch dieselben Spruchkörper zu bescheiden waren, was das Risiko einer Entscheidungsdivergenz wenn nicht völlig ausschloss, so doch auf ein geringes Maß reduzierte. Mit dem ARUG sind dagegen nunmehr regelmäßig drei Gerichte parallel mit der Klage befasst: Das Registergericht im Eintragungsverfahren, das OLG als erst- und letztinstanzliches Gericht der Freigabeentscheidung (vgl. §§ 16 III UmwG, 246a I 3, 319 VI 7, 327e II AktG) und das LG als Prozessgericht des ersten Rechtszugs (§ 246 III 1 AktG). Damit wird erneut eine Rechtslage geschaffen, bei der – wie schon zuvor nach der Hypothekenbankschwestern-Entscheidung41 – eine unterschiedliche Beurteilung der Hauptsache ohne Weiteres als möglich erscheint. Bislang findet der damit verbundene Eingriff in die Entscheidungszuständigkeit der Landgerichte (§ 246 III 1 AktG) allerdings keine Beachtung.42
B. Formelle Registersperre und Freigabeverfahren Bis zum UMAG war die Rollenverteilung zwischen Registergericht und Prozessgericht durch die formelle Registersperre klar geregelt. Anders ist es bei dem durch dieses Gesetz eingeführten § 246a AktG, für den auf eine solche verzichtet wurde.43 Daraus ergeben sich bei dieser Vorschrift sowohl Fragen in Hinblick auf die Funktion des Freigabeverfahrens wie auch die Kompetenzen des Registergerichts. I. Fehlende Registersperre für Beschlussgegenstände nach § 246a AktG Bei der Eintragung von Maßnahmen, für die das Gesetz im Fall der Klage eine Registersperre nach dem Vorbild des § 16 II UmwG anordnet, besteht die Funktion des Freigabeverfahrens zunächst darin, eben diesen Zustand wegen mangelnder Erfolgsaussicht oder überwiegender Interessen der beklagten Gesellschaft oder ihrer Anteilseigner zu überwinden, also trotz der noch anhän39
BegrRegE. zu § 16 II UmwG, BT-Drucks. 12/6699, S. 88 f. Im Gegensatz dazu ging BGHZ 112, 9 trotz der § 345 II AktG a. F. entnommenen Sperrwirkung noch davon aus, dass das Registergericht über die Eintragung entscheiden konnte. 41 BGHZ 112, 9. 42 Vgl. zu den Abwägungskriterien und ihrer Handhabung durch die Praxis u. § 4 B. 43 Dörr in Spindler/Stilz, AktG, 2.Aufl., § 246a Rn. 5; Heidel in ders., AktG, 3. Aufl., § 246a, Rn. 3. 40
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
gigen Hauptsache bereits die Eintragung als Grundlage der Beschlussdurchführung zu ermöglichen. Insoweit ging man bisher von einem systematischen Zusammenhang zwischen Registersperre und Freigabeverfahren aus.44 Bei § 246a AktG ist die Eintragung der Kapitalmaßnahme oder des Unternehmensvertrags dagegen trotz Klage grundsätzlich möglich, weshalb es also nicht zwingend eines Freigabeverfahrens bedarf. Dieser Umstand hat im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu der Kontroverse geführt, ob eine formelle Registersperre als notwendiger Bestandteil der gerichtlichen Unbedenklichkeitsfeststellung anzusehen ist. Der Gesetzgeber hat die Frage verneint, die Gründe für den Verzicht auf die Sperre hierbei aber offen gelassen, so dass nach wie vor klärungsbedürftig erscheint, ob zwischen Registersperre und Freigabeverfahren ein zwingender Zusammenhang besteht, bzw. wie sich ihr Fehlen auswirkt. II. Auffassungen im Rahmen der Reformdiskussion Namentlich Baums hatte in seinem Gutachten zum 63. Juristentag die Ausdehnung des Freigabeverfahrens auf weitere Beschlussgegenstände gerade deshalb abgelehnt, weil hierzu eine Erweiterung der formellen Registersperre erforderlich sei. Anderenfalls könne das Freigabeverfahren „technisch nicht ohne Weiteres, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten“ nur an die faktische Registersperre, also die in der Praxis häufig zu beobachtende Aussetzung nach §§ 127 FGG/381 FamFG angehängt werden, weil sich hier die Frage nach der materiellen Prüfungskompetenz des Registergerichts und der Bindungswirkung des Freigabebeschlusses des Prozessgerichts diesem gegenüber stelle. Zudem müssten die Rechtsmittel gegen die Aufhebung der Aussetzungsverfügung gemäß §§ 127 FGG/381 FamFG, d. h. Beschwerde und weitere Beschwerde, ausgeschlossen und der Anfechtungskläger wie bei den §§ 319 IV 5, 327e II AktG, 16 III 5 UmwG auf das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde verwiesen werden.45 Auch andere Stimmen haben darauf hingewiesen, dass die Sperre im Wesentlichen erforderlich sei, um das registerrechtliche Eintragungsverfahren mit dem Freigabeverfahren vor dem Prozessgericht „zu ver44 Baums, in Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentages, Gutachten F 168 ff.; ders., (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 153; Lutter, JZ 2000, 837, 840; Noack, ZHR 164 (2000), 274, 288; Schütz, DB 2004, 419, 423; Winter, in FS Ulmer (2003), S. 699, 708, 710, 713; dem zustimmend Meilicke/Heidel, DB 2004, 1479, 1484; a. A. Bayer, in Gesellschaftsrecht in der Diskussion (1999), S. 49, der die Erweiterung des Freigabeverfahrens „losgelöst vom Ansatz der Registersperre“ vorschlägt; vgl. auch Marsch-Barner, in Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentages, Sitzungsberichte, Diskussion und Beschlußfassung, O 60 ff., der die Anknüpfung des Freigabeverfahrens an die Aussetzung nach § 127 FGG für zutreffend ansieht; für überflüssig gehalten wird ein Freigabeverfahren ohne förmliche Registersperre von Timm, ZGR 1996, 247, 260, der meint, der Registerrichter müsse die angemeldete Maßnahme trotz der Klage regelmäßig eintragen. 45 Baums, in Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentages, Gutachten F 169.
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zahnen“.46 Diese Einschätzung ist von Seiten des Schrifttums im Ergebnis weitgehend geteilt worden.47 Bei der Beurteilung von deren Notwendigkeit standen allerdings nicht die von Baums genannten verfahrensrechtlichen Anpassungen, sondern Bedenken im Hinblick auf die mit der Eintragung bezweckte Bestandskraft des Beschlusses im Vordergrund.48 So sollte die formelle Registersperre der „Mindestpreis, den die Unternehmenspraxis für den dringend erforderlichen Bestandsschutz der Strukturmaßnahme zahlen muss“ sein.49 Auf ähnlicher – wenn auch mehr kapitalmarktorientierter – Linie lag auch die Überlegung der Regierungskommission Corporate Governance, die in ihrer Empfehlung für die Einführung einer Registersperre im Wesentlichen den Gesichtspunkt des Anlegerschutzes betont hatte.50 III. Bedenken gegen einen Verzicht auf die Registersperre 1. Verfahrensrechtliche Abstimmung Die mögliche Konsequenz des vorgenommenen Verzichts auf eine Registersperre besteht darin, dass u.U. drei Verfahren gleichzeitig geführt werden:51 Die seitens des Aktionärs im Wege der Beschlussmängelklage betriebene Hauptsache vor dem LG, das von der Gesellschaft geführte Eintragungsverfahren vor dem RG und das ebenfalls ihrerseits zu betreibende Freigabeverfahren vor dem OLG. Das sowohl dem Unbedenklichkeitsverfahren wie dem Registerverfahren gemeinsame Rechtsschutzziel der Eintragung könnte eine 46 Vgl. Schütz, DB 2004, 419, 423, dessen Verweis auf Baums, in Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentages, Gutachten F 168 nicht eindeutig ist. Baums schließt eine allgemeine Registersperre für einfache eintragungsbedürftige Beschlüsse und Satzungsänderungen aus (F 167) und kommt im Übrigen lediglich zu der Schlussfolgerung, wonach es „mißlich wäre, das Freigabeverfahren an eine Aussetzung des Registerrichters“ nach § 127 FGG zu knüpfen (vgl. F 169). Diese Äußerungen sind also mehrdeutig. Im Sinne von Schütz aber wohl Lutter, JZ 2000, 837, 840. 47 Vgl. Lutter, JZ 2000, 837, 840; Winter, in FS Ulmer, (2003), S. 699, 708, 710, 713; dem folgend Meilicke/Heidel, DB 2004, 1479, 1484; Noack, ZHR 164 (2000), 274, 288 (Registersperre für Kapitalerhöhungsbeschlüsse); vgl. auch den Diskussionsbericht von Veil, in Gesellschaftsrecht in der Diskussion (1999), S. 83; Schlitt/Seiler, ZHR 166 (2002), 544, 568; ebenso wohl auch Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 104 (Freigabe nur bei Registersperre „sinnvoll“). 48 Vereinzelt wird die Notwendigkeit eines Negativattests auch aus Gründen einer ausreichenden Information des Registergerichts von der Klageerhebung für erforderlich gehalten. Diesem soll hierdurch die Aussetzungsentscheidung ermöglicht werden, vgl. Meilicke/Heidel, DB 2004, 1479, 1484; a. A. Zöllner, in FS Westermann (2008), 1631, 1632 f. 49 Winter, in FS Ulmer, (2003), S. 699, 713; Noack, ZHR 164 (2000), 274, 288. 50 Baums, (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001), Rn. 153; in dieser Richtung, wenn auch anders, ebenfalls die Kritik von Meilicke/Heidel, DB 2004, 1479, 1484, der Gesetzgeber nähme es mit dem Verzicht auf die Sperre „offenbar billigend in Kauf, dass sich Gesellschaften die Handelsregistereintragung von Strukturmaßnahmen erschleichen, indem sie die Erhebung von Anfechtungsklagen verschweigen“. 51 Vgl. zu dahingehende Bedenken auch Schulte, ZIP 2010, 1166, 1167 ff.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
Abstimmung beider Verfahren bzw. den Ausschluss paralleler Entscheidungen erfordern.52 Eine dahingehende Regelung enthält § 246a AktG nicht, was vermutlich darauf beruht, dass man im Gesetzgebungsverfahren davon ausging, das Eintragungsverfahren sei mit Einleitung des Freigabeverfahrens nach §§ 127 FGG a. F./381 FamFG auszusetzen.53 Das Gesetz trägt dem Verhältnis von parallel geführten Eintragungs- und Freigabeverfahren indirekt allerdings dadurch Rechnung, dass es in § 246a III 5, 1. Hs. AktG die Bindungswirkung der Freigabeentscheidung für das Registergericht anordnet. Letzteres beinhaltet, dass das Eintragungsverfahren mit der Einleitung des Freigabeverfahrens zwingend auszusetzen ist.54 Zum einen setzt § 246a III 5, 1. Hs. AktG einen Vorrang der Freigabeentscheidung voraus, zum anderen entspricht dies dem allgemeinen Grundsatz, wonach im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anhängigen Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit nicht vorgegriffen werden soll.55 Begegnet werden kann damit zugleich Bedenken hinsichtlich der ohne Registersperre für notwendig gehaltenen Abstimmung des Rechtsmittelverfahrens,56 da auch das Landgericht als Beschwerdegericht im Registerverfahren der Bindungswirkung des § 246 III 5, 1. Hs. AktG unterliegt und eine wegen des Freigabeverfahrens verfügte Aussetzung nicht abändern darf.57 Grundsätzlich bleibt der Gesellschaft bei § 246a AktG-Beschlüssen daher zwar im Ausgangspunkt überlassen, die Eintragung im Registerverfahren zu verfolgen, das gilt jedoch nur solange sie diesen Antrag nicht selbst durch Einleitung des Freigabeverfahrens überholt.58 Bedenken in Bezug auf eine unabgestimmte Verfahrenshäufung, die eine formelle Registersperre erforderlich machen können, folgen daraus aber nicht.
52 Baums, in Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentages, Gutachten F 169. Krit. zu der nunmehr entstandenen Parallelität auch Schulte, ZIP 2010, 1166, 1167; vgl. auch Kort, BB 2005, 1577, 1580, der eine Registersperre im Wege der Analogie zu § 16 II UmwG für erwägenswert hält. 53 Vgl. Diekmann/Leuering, NZG 2004, 249, 254. 54 Sowohl, wenngleich aus anderen Gründen und mit der Unterstellung eines verbleibenden Ermessensspielraums des Registergerichts, Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 254; a. A. Schulte, ZIP 2010, 1166, 1167. 55 Vgl. dazu OLG Frankfurt a. M. AG 2008, 419, 421; OLG Köln FGPrax 2007, 143 (keine Vorstandsbestellung bzw. Aufsichtsratsbestellung bei anhängiger Wahlanfechtung); dagegen spricht nicht, dass die Materialien das Freigabeverfahren unmittelbar an die Klage als solche knüpfen und eine Aussetzung des Eintragungsverfahrens nicht für erforderlich halten, vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 27; für Anknüpfung an die Aussetzung aber Marsch-Barner, in Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentages, Sitzungsberichte, Diskussion und Beschlussfassung, O 60 ff. Den Materialien ging es insoweit nur um die Klarstellung, dass das Freigabeverfahren unabhängig vom Registerverfahren, also sofort, betrieben werden kann, was dessen Vorrang unterstreicht. 56 Vgl. Baums, in Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentages, Gutachten F 169.
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2. Bestandsschutzwirkungen der Eintragung Es fragt sich allenfalls, ob die Registersperre der „notwendige Mindestpreis“ für den angestrebten Bestandsschutz ist.59 Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass die Eintragung diesen auch tatsächlich vermittelt. Im Umwandlungsrecht ist das nach § 20 II UmwG der Fall, wobei noch zu klären sein wird, welcher Art diese Bestandswirkung ist.60 Für die hier zu beurteilende Regelung des § 246a AktG ist dagegen zu beachten, dass die Eintragung als solche ohne vorheriges Freigabeverfahren keine gesetzlichen Bestandswirkungen hat61. Es verbleiben allenfalls aus dem ungeschriebenen Institut der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft abzuleitende Einschränkungen der Nichtigkeitserklärung. Gesetzlich geregelt ist der Bestandsschutz nur beim Durchlaufen des Freigabeverfahrens.62 Damit wird ein Zustand hergestellt, der sich von dem der förmlichen Registersperre der §§ 16 II UmwG, 319 V, 327e AktG konstruktiv unterscheidet, deren Wirkungen aber weitgehend gleichkommt, weil die von der Gesellschaft erstrebten dauerhaften Wirkungen der Eintragung nur dann eintreten, wenn das mit der Freigabe zu befassende Gericht deren Aussichten abschlägig beschieden oder ein überwiegendes Interesse an der Eintragung festgestellt hat. Bleibt die Rückabwicklung der eingetragenen Kapitalmaßnahme oder des Unternehmensvertrags als Möglichkeit außerhalb des Freigabeverfahrens grundsätzlich erhalten, so bedarf es nicht zwingend der 57
Die Bedenken von Baums bezogen sich allerdings darauf, dass im Beschwerdeverfahren nach FGG unterschiedliche sachliche Zuständigkeiten geregelt waren. Das bisherige Beschwerderecht war durch eine Vielzahl von Beschwerdearten gekennzeichnet (Erstbeschwerde, weitere Beschwerde, einfache und sofortige Beschwerde, fristgebundene und Rechtsbeschwerde). Dementsprechend waren auch die Rechtsmittel im Registerverfahren (Beschwerde und weitere Beschwerde) und im Freigabeverfahren (sofortige Beschwerde) unterschiedlich geregelt. Dieses Problem stellte sich nach den Änderungen durch das ZivilprozeßreformG von 2001 nicht mehr, weil nach der Gesetzesnovelle lediglich noch die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde (vgl. §§ 567 ff. ZPO) als allgemeinem Rechtsbehelf und der Rechtsbeschwerde (§§ 574 ff. ZPO), statthaft nur für die dort genannten besonderen Fälle, übrig blieb. Damit war für den vorliegenden Zusammenhang sichergestellt, dass die beschwerdefähigen Entscheidungen des Registerverfahrens und des Unbedenklichkeitsverfahrens einheitlichen Regelungen unterliegen, was insbesondere für die Fristgebundenheit gilt (§ 569 I ZPO). Zugleich war dafür gesorgt, dass sie innerhalb berechenbaren Zeitraums formell rechtskräftig wurden. Mit dem ARUG entsteht nunmehr wieder eine Diskrepanz, da im Registerverfahren das LG, im Freigabeverfahren das OLG entscheidet, doch ist das für das Beschwerdeverfahren wegen der Bindungswirkung des § 246a III 5, 1. Hs. AktG hinzunehmen. 58 Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob das Freigabeverfahren nach erfolgter Eintragung noch statthaft ist (so OLG Celle, AG 2008, 217; a. A. LG Hannover AG 2007, 825); vgl. dazu u. §§ 2 C u. 19 C V; zur Frage der Aussetzung des Eintragungsverfahrens wegen der Möglichkeit der Einleitung des Freigabeverfahrens sogleich u. IV. 59 S. bereits oben Winter, in FS Ulmer (2003), S. 699, 713. 60 S. u. § 14. 61 Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 246a Rn. 36; Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 246a, Rn. 5; Dörr in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 246a Rn. 8. 62 Vgl. auch Schürnbrand, ZHR 171 (2007), 731, 746.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
förmlichen Registersperre. Der „Mindestpreis“ in Form der Registersperre muss im Ergebnis also nicht entrichtet werden, weil das erstrebte Gut der dauerhaften Bestandskraft durch die Eintragung allein nicht erworben werden kann. Was bleibt ist die Frage, ob der Gesellschaft mit einer derart „schwächeren Eintragung“ gedient ist. Ihre Beantwortung hängt maßgeblich davon ab, ob es außerhalb des Freigabeverfahrens einen zumindest bis zur Kassation reichenden Bestandsschutz gibt.63 3. Beschleunigungsinteressen der Gesellschaft bei Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträgen Der Verzicht des UMAG auf eine formelle Registersperre ist für die Beschlussgegenstände des § 246a AktG zudem auch aus anderen Gründen systemkonform. Er ist erkennbar von der Überzeugung getragen, dass jede formelle Registersperre die Gefahr von Verzögerungen mit sich bringen kann, die im Unbedenklichkeitsverfahren nicht immer zu beseitigen sind. Eine Gefahr besteht dahingehend bei Kapitalmaßnahmen, namentlich bei zuvor mit dem Registergericht abgestimmten Kapitalerhöhungen, von börsennotierten Gesellschaften. Diese lassen sich nur durchführen, wenn die Eintragung dem Beschluss bzw. der Zeichnungsphase zeitlich unmittelbar nachfolgen kann. Für Unternehmensverträge besteht ein Beschleunigungsinteresse u. a. deshalb, weil zur Begründung der steuerrechtlichen Organschaft allein der Zeitpunkt der Eintragung des entsprechenden Vertrags nach § 292 AktG und nicht der des Vertragsschlusses maßgeblich ist (§ 14 KStG). Die genannten Kapitalerhöhungen wären bei einer formellen Registersperre ausgeschlossen, weil hierbei – mit Ausnahme eines formellen Klageverzichts – nicht vor Ablauf der Klagefristen eingetragen werden darf.64 Bei Unternehmensverträgen könnten die damit angestrebten Steuervorteile nur mit Eintragung in den ersten 11 Monaten des Kalenderjahres realisiert werden. Beides zeigt, dass der, dem Verzicht auf eine formelle Registersperre geschuldete, Einbuße an effektivem Rechtsschutz legitime Bedürfnisse seitens der Gesellschaften gegenüberstehen. Im Ergebnis präsentiert sich dieser damit als zulässige rechtspolitische Ermessensentscheidung des UMAG-Gesetzgebers. IV. Aussetzung des Eintragungsverfahrens vor Einleitung des Freigabeverfahrens Im Blick zu behalten sind bei § 246a AktG die durch das Freigabeverfahren entstehenden Folgewirkungen für Registerverfahren. Das gilt namentlich für den im Rahmen des Aussetzungsermessens nach §§ 127 FGG a. F./381 FamFG anzuwendenden Prüfungsmaßstab für die Beurteilung der Erfolgs63 64
Dazu u. §§ 14 u. 16. S. soeben A. II. 1.
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aussichten der erhobenen Klage.65 Dem vorgelagert ist allerdings die Frage, ob bei der Anmeldung von Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträgen überhaupt wie bisher ein Ermessen über die Aussetzung der Eintragung besteht oder ob diese nicht schon allein wegen der bloßen Möglichkeit des Freigabeverfahrens zu verfügen ist66. Bisher fanden sich zur Aussetzung der Eintragung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen widerstreitende Positionen. Die eine vertrat den Standpunkt, die Eintragung sei grundsätzlich vorzunehmen. Nur wenn die Anfechtungsklage offensichtlich zulässig und begründet sei und dem Aktionär ein besonderer Nachteil drohe, gelte dies nicht.67 Wollte der Aktionär die Eintragung verhindern, müsse er sie durch eine einstweilige Verfügung des Prozessgerichts unterbinden (§ 16 II HGB). Die Gegenansicht wollte die Eintragung davon abhängig machen, dass die Klage unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist.68 Letzteres entsprach in der Sache BGHZ 112, 9, die erstgenannte Position einer – bislang vor allem bei Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträgen – vielfach geübten Praxis: Anstatt eine – mit Mitteln des FGG-Verfahrens schwerlich mögliche69 – Beurteilung der Erfolgsaussichten der Hauptsache vorzunehmen, gewährten die Registergerichte dem Kläger rechtliches Gehör mit dem Hinweis, die Eintragung durchzuführen, wenn der Gesellschaft nicht bis zum Ablauf einer bestimmten Frist der Vollzug des Beschlusses durch einstweilige Verfügung untersagt werde (vgl. §§ 146 FGG a. F./402 I FamFG).70 Seit Inkrafttreten des UMAG ist unklar, ob dieser Praxis die Grundlage entzogen ist.71 Zumindest rechtstatsächlich lässt sich beobachten, dass die Registergerichte die Gesellschaften nunmehr regelmäßig auf das Freigabeverfahren verweisen.72 Darin dürfte prinzipiell eine pflichtgemäße Ermessensausübung gem. §§ 127 FGG a. F./381 FamFG zu sehen sein. Nachdem die von Baums entwickelten Vorschläge eines vom Kläger zu betreibenden Sperrverfahrens keine Umsetzung erfahren haben, erscheint es mit der Gesetzessystematik kaum weiter vereinbar, den Kläger in das – weitgehend wirkungsgleiche – Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu drängen, das er ansonsten anstrengen müsste. Durch die Existenz des § 246a AktG ist vielmehr eine gegenteilige Rollenverteilung vorgegeben und sie sieht die Initiativlast bei der Gesellschaft. Das Fehlen einer formellen Registersperre soll daran nichts ändern, sondern 65
Vgl. Schulte, ZIP 2005, 1166, 1167; Veil, AG 2005, 567, 570 f. S. u. § 18 B I. 2. C) aa). 67 Altmeppen, in MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 294 Rn. 32; ähnlich Krieger, in Münch HdB AG, 3. Aufl., § 70 Rn. 57. 68 Emmerich, in Emmerich/Habersack, GmbH- und Aktienkonzernrecht, 5. Aufl., § 294 Rn. 22; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 294 Rn. 14; zust. Veil, AG 2005, 567, 571. 69 Vgl. Lutter, EWiR 1990, 851; Schulte, ZIP 2010, 1166, 1167. 70 Vgl. Vossius, ZGR 2009, 366, 408. 71 So Vossius, ZGR 2009, 366, 409. 72 Vossius, ZGR 2009, 366, 409. 66
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nur den oben genannten Eintragungsinteressen der Gesellschaft Rechnung tragen, was mit der Überwindung der zuvor bestehenden „faktischen Registersperre“ durch das Freigabeverfahren erfolgt ist.73 Dieses ist mit seinen – der streitigen Gerichtsbarkeit entlehnten – Elementen der Tatsachenfeststellung im Übrigen auch der sachgerechte Ort für die im Rahmen der Aussetzung erforderliche Beurteilung der Erfolgsaussichten der Hauptsache. Deswegen wird sich eine Regelaussetzung zumeist als pflichtgemäßes Ermessen erweisen. Allein in Fällen, in denen das Freigabeverfahren den Rechtsschutzinteressen der Gesellschaft wegen der besonderen Eilbedürftigkeit vorhersehbar nicht gerecht werden wird oder sich die Klage von vornherein als haltlos erweist, bleiben dem entlastenden Verweis auf das Freigabeverfahren durch das Registergericht Grenzen gesetzt und dieses zur (weiteren) Entscheidung über die Eintragung verpflichtet.74
C. Verhältnis zur einstweiligen Verfügung Das Freigabeverfahren dient wie gesehen nicht nur zur Überwindung einer gesetzlich vorgesehenen oder „faktisch“ entstehenden Registersperre, sondern verschafft der Gesellschaft auch ein Instrument zur Herbeiführung der Eintragung, welches ihr nach allgemeinen Grundsätzen nicht zusteht. Denn im Beschlussstreitverfahren kann die Eintragung aufgrund einstweiliger Verfügung zwar untersagt (vgl. § 16 II HGB), wegen des damit verbundenen Eingriffs in die Prüfungskompetenz des Registergerichts aber nicht angeordnet werden. Daraus folgt zugleich, dass das Freigabeverfahren in seinem Anwendungsbereich75 gegenüber der einstweiligen Verfügung vorrangig ist.76 Das schließt allerdings nicht aus, dass der Kläger sich ihrer bedient, wo die Missachtung der formellen Registersperre durch das Registergericht droht77 oder das Registergericht – bei § 246a AktG-Beschlüssen – eintragungswillig ist. Denn in diesem Fall ist nicht einzusehen, weshalb der Kläger der mit dem Verzicht auf die Registersperre ja als solcher nicht aufgehobenen Einschätzungsprärogative der Instanzgerichte nicht zur Geltung verhelfen können soll. Inso73 Als „faktische Registersperre“ bezeichnet, wird der Umstand, dass die Registergerichte in der Praxis trotz fehlender gesetzlicher Statuierung eines ausdrücklichen Eintragungshindernisses im Rahmen des ihnen angesichts der Klage zukommenden Aussetzungsermessens nach § 127 FGG üblicherweise von einer Eintragung absehen. 74 A. A. wohl Schulte, ZIP 2010, 1166, 1167 ff., der davon ausgeht, die Registergerichte seien durch den Verzicht auf die formelle Registersperre weiterhin in ein „quasi-kontradiktorisches FGG-Verfahren“ gezwungen. 75 Vgl. dazu sogleich u. § 2. 76 Vgl. Heidinger, in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 UmwG, Rn. 24; Hüffer, AktG, § 246a Rn. 28. 77 BVerfG BB 2005, 1585; zust. Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 246a Rn. 36; a. A. Kort, BB 2005, 1577, 1581; ders., NZG 2007, 169, 171.
§ 1 Formelle und faktische Blockade der Eintragung
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weit bleibt es bei den allgemeinen Regeln zur Verhinderung der Beschlussdurchführung.78 Statthaft ist eine einstweilige Verfügung gegen die Eintragung durch das Registergericht allerdings nur, solange die Gesellschaft kein Freigabeverfahren betreibt. Denn für diesen Fall ergibt sich aus der erst- und letztinstanzlichen Zuständigkeit des OLG, das dieses die Einschätzungsprärogative zur Vorgreiflichkeit der Klage ausüben soll. Die Gesellschaft kann gegen eine auf Untersagung der Eintragung gerichtete Verfügung demnach auf zweierlei Weise reagieren: Entweder durch Einleitung des Freigabeverfahrens – in diesem Fall wird das Verfahren der einstweiligen Verfügung unstatthaft und es tritt Erledigung ein – oder durch Beschwerde gegen den § 16 II HGB-Beschluss.
D. Ergebnisse Die Eintragung hat bei allen sog. Strukturveränderungen konstitutive Wirkung. Unterbleibt sie, scheitert bis auf Weiteres die Durchführung der beschlossenen Maßnahme. Ihre Wirkungen sind regelmäßig nicht auf andere Art und Weise herzustellen. Für Maßnahmen nach dem UmwG, die Eingliederung und dem Squeeze Out besteht eine gesetzliche Registersperre (§§ 16 II UmwG, 319 V, 327e AktG). Ihre Überwindung setzt ein erst nach Ablauf der Klagefrist wirksam abzugebendes Negativ-Attest der Vertretungsorgane voraus. Im Gegensatz zur Kontrolle nicht eintragungsbedürftiger Beschlüsse entsteht damit während des Zeitraums der Anfechtungsklage ein Suspensiveffekt. Der Kläger muss eine Veränderung des bestehenden Zustands weder durch einstweilige Verfügung verhindern (§ 16 II HGB) noch sieht er sich den damit verbundenen Haftungsrisiken (§ 945 ZPO) ausgesetzt. Im Falle der Klageerhebung bleibt die formelle Registersperre für die Dauer des Prozesses in Kraft, was zur Überleitung der Entscheidungszuständigkeit auf das im Freigabeverfahren erst- und letztinstanzlich berufene OLG führt. Ein Schwebezustand tritt nicht ein. Anders als bei Umwandlungen, Eingliederung und Squeeze Out verzichtet § 246a AktG für Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge auf eine formelle Registersperre. Die dadurch geschaffene Möglichkeit, die diesen Maßnahmen zugrundeliegenden Beschlüsse umgehend einzutragen, erweist sich für Kapitalerhöhungen börsennotierter Gesellschaften teilweise als Notwendigkeit, bei Unternehmensverträgen trägt sie zur Sicherung steuerrechtlicher Vorteile bei. Entgegen anderer Ansicht begegnet die Schaffung eines Freigabeverfahrens ohne formelle Registersperre keinen Bedenken. Weder baut das Freigabeverfahren systematisch auf einer Registersperre auf noch gibt es verfahrensrechtlichen unlösbaren Abgrenzungsbedarf. Kommt es zur Einleitung 78
Vgl. dazu Nietsch, GmbHR 2006, 393, vgl. auch u. § 18 B I 2 c) aa).
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
eines Freigabeverfahrens, so ist das Registergericht an den dort ergehenden Beschluss über die Eintragung gebunden (§ 246a III 5, 1. Hs. AktG). Daraus folgt, dass der Registerrichter das Eintragungsverfahren mit Einleitung eines Freigabeverfahrens auszusetzen hat. Vorher ist das Registergericht bei § 246a AktG-Beschlüssen bei erhobener Anfechtungsklage zu einer pflichtgemäßen Prüfung der Aussetzung nach §§ 127 FGG a. F./381 FamFG verpflichtet. Die bisher geübte Praxis, den Kläger auf die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung zur Untersagung der Eintragung (§ 16 II HGB) zu verweisen, ist nach Einführung des Freigabeverfahrens nicht mehr statthaft. Sofern nicht besondere Gründe für die Eintragung sprechen, führt nach erhobener Klage allein die Möglichkeit des Freigabeverfahrens dazu, dass die Aussetzung der Eintragung sich regelmäßig als ermessensgerecht darstellt.
2. Abschnitt
Die Grundlagen der Freigabe Der Freigabebeschluss ergeht, wenn der Antrag der Gesellschaft zulässig und begründet ist. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Verfahrens stellt sich vor allem die Frage seiner Rechtsformgebundenheit. Im Rahmen der Begründetheit besteht Untersuchungsbedarf insbesondere bei dem Begriff der offensichtlichen Unbegründetheit der Klage und dem Tatbestand des überwiegenden Vollzugsinteresses.
§ 2 Zulässigkeit des Freigabeverfahrens Das Freigabeverfahren muss wie jedes andere zivilprozessuale Verfahren den allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen genügen. Wegen seiner spezifischen Zweckrichtung bestehen allerdings Grenzen in Bezug auf den Verfahrensgegenstand, den Antragsteller und das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, denen es im Folgenden nachzugehen gilt.
A. Statthafter Verfahrensgegenstand I. Numerus clausus freigabetauglicher Beschlüsse Anknüpfungspunkt für das Freigabeverfahren ist die Zustellung der Klage. Das mag misslich sein und Verzögerungsgefahren heraufbeschwören.1 Eine Anknüpfung an die bloße Anhängigkeit der Sache, also allein die Klageerhebung, lässt sich der gesetzlichen Regelung jedoch nicht entnehmen, was aber insoweit erforderlich ist, als dass ohne Zustellung kein Prozessverhältnis entsteht, über das im Freigabeverfahren entschieden werden könnte. Gegenstand des Freigabeverfahrens können sodann nur Beschlüsse der Hauptversammlung (nicht anderer Organe) sein, und zwar im Grundsatz ausschließlich über die Wirksamkeit der vom Gesetz genannten umwandlungs- und aktienrechtli1 Führt dazu, dass Unternehmen die Zustellung beschleunigen, indem sie selbst den Prozesskostenvorschuss einzahlen. Die Einzahlung des Prozesskostenvorschusses per Verrechnungsscheck dauert nach Angaben aus der Praxis sonst etwa beim LG Berlin mindestens einen Monat.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
chen Maßnahmen. Entgegen manch anderer (unvorsichtiger) Lesart2 besteht namentlich kein allgemeines Freigabeverfahren.3 Vielmehr ist von einem numerus clausus der freigabetauglichen Beschlussgegenstände auszugehen. II. Einbeziehung flankierender Beschlüsse Schwierigkeiten bereitet im Rahmen der sachlich-gegenständlichen Reichweite des Verfahrens, ob auch die Strukturmaßnahmen flankierende Beschlüsse4 Gegenstand der Freigabe sein können. Beispiel (1): Im Rahmen des Beschlusses über die Umwandlung einer S. E. in eine KGaA wird zugleich die Aufhebung der Vorzüge beschlossen. Die Gesellschaft beantragt neben der Freigabe des Beschlusses über den Formwechsel auch, den Beschluss über die Aufgabe der Vorzüge für unbedenklich zu erklären.5 Beispiel (2): In der Hauptversammlung der Antragstellerin wird ihre Umwandlung in eine KG beschlossen. In diesem Zusammenhang wird auch der Gesellschaftsvertrag der KG beschlossen. Der Antragsgegner erhebt gegen beides Anfechtungsklage. Er ist der Auffassung, die Abfindungsregelung im Gesellschaftsvertrag der KG sei nach § 138 BGB nichtig. Von diesem Mangel sei auch der Umwandlungsbeschluss erfasst.6
1. Ansätze in Rechtsprechung und Schrifttum Zur Frage, inwieweit sich solche, die Strukturänderung flankierenden, Beschlüsse in das Freigabeverfahren statthaft einbeziehen lassen, finden sich in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedliche Ansätze. Im Beispiel (1) weist das OLG Frankfurt a. M. die Durchführung eines Freigabeverfahrens über den die Aufhebung der Vorzüge betreffenden (Sonder)Beschluss als generell unzulässig zurück.7 Die freigebende Feststellung nach § 16 III UmwG könne nur in den Fällen getroffen werden, in denen nach § 16 II UmwG eine Negativerklärung des Vorstands abzugeben war und eine Klage erhoben ist.8 Die Negativerklärung des Vorstands habe sich auf die Klagen des § 14 I UmwG zu beziehen, also auf Klagen gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses. Dass das Fehlen eines erforderlichen Sonderbeschlusses zur schwebenden Unwirksamkeit des Umwandlungsbeschlusses führe (§ 182 BGB), mache die Klage gegen den Sonderbeschluss nicht zu einer Klage gegen 2 Vgl. BegrRegE., BT-Drucks. 15/5092, S. 27; Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 256; Ihrig/Erwin, BB 2005, 1973; Waclavik, ZIP 2008, 1141, 1144; Weisenhaupt, WM 2004, 705, 711. 3 S. zu Recht Veil, AG 2005, 567, 575. 4 Man kann insoweit auch von sekundären, ergänzenden und teilweise auch Sonderbeschlüssen sprechen. 5 OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 2.12.2010 5 Sch 3/10. 6 OLG Düsseldorf AG 2002, 47; vgl. auch OLG Naumburg DB 1998, 251; LG Wiesbaden AG 1997, 274. 7 OLG Frankfurt a. M. a. a. O. Rn. 21. 8 OLG Frankfurt a. M a. a. O. Rn. 22; Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG § 16 Rn. 38.
§ 2 Zulässigkeit des Freigabeverfahrens
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die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses.9 Begründen lässt sich dies mit der Unterscheidung zwischen dem Strukturänderungsbeschluss und sonstigen Beschlüssen. Nur für den Ersteren sind – abweichend von der allgemeinen aktienrechtlichen Kassationsklage – auch die Nichtigkeitsgründe geltend zu machen. Dagegen unterliegt der flankierende Beschluss unabhängig von dem Fristensystem zur Kassation der Umwandlungsentscheidung den allgemeinen Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitseinwänden. Dass der Sonderbeschluss weder der Registersperre unterfällt noch freigabetauglich ist, ergibt sich auch aus dem Zweck der Regelung, durch eine Fristenregelung mit rechtlicher Registersperre rasch endgültige Klarheit über den Bestand des Umwandlungsbeschlusses herbeizuführen. Eine entsprechende Anwendung von § 16 III UmwG oder § 246a AktG will das OLG Frankfurt a. M. wegen des Ausnahmecharakters dieser Regelungen nicht in Betracht ziehen.10 Im Gegensatz dazu stellt das OLG Düsseldorf im von ihm entschiedenen Fall der Satzungsänderung (Beispiel 2) die Frage in den Vordergrund, ob die gerügten Mängel des Gesellschaftsvertrags auf den Strukturveränderungsbeschluss als solchen „durchschlagen“ (sog. Doppelrelevanz des Mangels)11. Danach ist in entsprechender Anwendung des § 139 BGB zu fragen, ob als Rechtsfolge des Mangels Gesamtnichtigkeit eintritt. Das soll zutreffen, wenn es sich um Bestimmungen handelt, die so bedeutungsvoll sind, dass mit ihnen der Gesellschaftsvertrag oder die beschlossene Maßnahme „stehen oder fallen“ soll.12 Ist wegen des behaupteten Mangels des Gesellschaftsvertrags Gesamtnichtigkeit in Betracht zu ziehen, so müsse die Rechtskontrolle notwendigerweise auf diesen erstreckt werden. Keinesfalls könne der Strukturänderung zur Wirksamkeit verholfen und der fehlerhafte Gesellschaftsvertrag durch die gesetzliche Regelung ersetzt, also einer geltungserhaltenden Reduktion zugeführt werden.13 Desgleichen dürfe er nicht der Entscheidung im Hauptverfahren vorbehalten bleiben. 2. Einheit und Selbstständigkeit des flankierenden Beschlusses Die Verneinung der Freigabefähigkeit von flankierenden Beschlüssen kann dazu führen, dass es durch Aussetzung von deren Eintragung zu einer „faktischen Registersperre“ kommt,14 in deren Folge unter Umständen die Struktur9
So auch Gehling, in Semler/Stengel/Gehling, UmwG, § 14 Rn. 6. OLG Frankfurt a. M. a. a. O. Rn. 23; so auch Weber/Kerjes, Hauptversammlungsbeschlüsse vor Gericht (2010), § 3 Rn. 13. 11 OLG Düsseldorf AG 2002, 47, 50. 12 OLG Düsseldorf AG 2002, 47, 49; Happ, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 233 Rn. 55; Nach anderer Deutung kommt es darauf an, ob mit der Strukturveränderung nicht nur eine Verschlechterung, sondern eine völlige Entwertung der Rechtsposition der Minderheitsgesellschafter in dem neuen Rechtsträger einhergeht, vgl. Klose, WuB II N. § 16 UmwG 1.02. 13 Happ, in Lutter (Hrsg.) UmwG, 3. Aufl., § 233 Rn. 55. 14 Das erkennt auch das OLG Frankfurt a. a. O. Rn. 22 an. 10
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
veränderung in ihrer Gesamtheit blockiert wird. Eine generelle Ausklammerung dieser Beschlüsse wäre dann geeignet, den Zweck des Freigabeverfahrens zu vereiteln und wäre als allgemeiner Grundsatz kaum sachgerecht, mag sie in Hinblick auf ihre rechtliche Selbstständigkeit und die Unzulässigkeit einer Verfahrensanalogie auch systematisch gut zu begründen sein. Zutreffender erscheint daher im Ausgangspunkt, darauf abzustellen, ob die Strukturänderung begleitende Beschlüsse mit dieser eine Einheit bilden. Die Position, welche auf die Relevanz des flankierenden Beschlusses für den Strukturänderungsbeschluss abstellt, weist insoweit die richtige Richtung. Allerdings darf zur Entscheidung darüber, ob der ergänzende Beschluss wegen seiner Einheit mit der Strukturänderung freigabefähig ist, nicht auf § 139 BGB (analog) abgestellt werden. Es geht nämlich nicht um die Auslegungsfrage, ob die Strukturänderung nach dem Willen der beschlusstragenden Mehrheit hinsichtlich aller gefassten Beschlüsse eine Einheit bilden soll. Vielmehr kommt es darauf an, ob sich diese Einheit zwingend aus der gesetzlichen Regelungssystematik ergibt oder darin zumindest vorgesehen ist. So gehört zum Formwechsel und der Verschmelzung durch Neugründung zwangsläufig eine Entscheidung über die Satzung oder den Gesellschaftsvertrag der Zielrechtsform. Bei der Verschmelzung durch Aufnahme ist regelmäßig eine Kapitalerhöhung obligatorisch. Derartige Beschlüsse sind daher stets in das Freigabeverfahren miteinzubeziehen. Dagegen ist bei Sonderbeschlüssen zu differenzieren: Handelt es sich – wie bei der Aufhebung von Vorzügen im Fall des OLG Frankfurt a. M. (Bsp. 1) – um eine Maßnahme, die von der Strukturveränderung unabhängig ist, scheidet eine Freigabe aus. Eine Einbeziehung würde zu einer – unzulässigen – Verfahrensanalogie des Freigabeverfahrens führen und dieses als Eilverfahren in nicht zu rechtfertigender Weise mit Streitstoff belasten. Zudem handelt es sich mit der den Sonderbeschluss ggf. treffenden Sperrwirkung um einen Nachteil, den der Antragsteller durch seine Verbindung mit der Strukturänderung selbst in Kauf nimmt.15 Ist die Strukturänderung dagegen z. B. wegen satzungsmäßiger Zustimmungsvorbehalte ohne den Beschluss schwebend unwirksam, liegen die Dinge nicht anders, als wenn über gesetzlich vorgesehene Ergänzungen beschlossen werden muss. Daher spricht nichts dagegen, über die Verweigerung der Zustimmung aufgrund eines satzungsmäßigen Zustimmungsvorbehalts im Rahmen des Freigabeverfahrens mitzuentscheiden.
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So zutr. auch OLG Frankfurt a. M. a. a. O. Rn. 22.
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B. Rechtsformabhängigkeit des Verfahrens I. Institutionelle Konzeption des Umwandlungsrechts Das Freigabeverfahren enthält nicht nur sachlich-gegenständliche Beschränkungen. Grenzen bestehen auch in Bezug auf seinen „persönlichen Anwendungsbereich“. Denn die §§ 246a, 319 VI, 327e II AktG finden unmittelbar nur auf die AG Anwendung. Einen Systembezug zum Beschlussmängelrecht anderer Verbände weist wegen des institutionellen Charakters des Umwandlungsrechts16 dagegen das dort geregelte Freigabeverfahren auf.17 So ist § 16 III UmwG neben den Beschlüssen bei Personengesellschaften insbesondere auch auf Beschlüsse einer GmbH-Gesellschafterversammlung anwendbar. In der Praxis gibt es hierfür bislang zwar keine Beispiele, im Ausgangspunkt lässt sich aus der umwandlungsrechtlichen Regelung aber immerhin folgern, dass der Gesetzgeber seine Anwendung in rechtsformübergreifender Form zumindest für möglich hält. Das führt zurück zu der Frage, ob §§ 246a AktG p. p. für die GmbH und die S. E. entsprechende Anwendung findet.18 II. Entsprechende Anwendung des § 246a AktG auf die GmbH? Die Frage, ob § 246a AktG entsprechende Anwendung auf die Beschlüsse einer GmbH-Gesellschafterversammlung findet, steht im Zusammenhang mit der von der Rechtsprechung übernommenen Aufgabe der Rechtsfortbildung im GmbH-Beschlussmangelrecht, die ihrerseits aus dem bewussten Verzicht des historischen Gesetzgebers auf dessen gesetzliche Regelung resultiert.19 Der BGH ist ihr in der Weise nachgekommen, dass die §§ 241 ff. AktG auf Beschlüsse der GmbH-Gesellschafterversammlung zwar nicht in ihrer Gesamtheit, aber im Einzelnen entsprechende Anwendung finden, soweit sich nicht aus den strukturellen Unterschieden beider Gesellschaftsformen etwas anderes ergibt.20 16 Dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 12 III 3, S. 352; vgl. Dörr in Spindler/ Stilz, AktG, § 246a, Rn. 5 f. 17 Vgl. dazu auch Seibert/Florstedt, ZIP 2008, 2145, 2146. 18 Für §§ 319 VI, 327e II AktG scheidet das schon wegen der aktienrechtsspezifischen Beschlussgegenstände aus, weil das GmbH-Recht Eingliederung und Squeeze Out nicht vorsieht. 19 „Rücksichtlich der Befugniß jedes einzelnen Mitglieds, Gesellschafterbeschlüsse wegen Verletzung des Gesetzes oder des Gesellschaftsvertrages durch Klage anzufechten, bedarf es keiner besonderen Bestimmung, da diese Befugniß sich aus allgemeinen Grundsätzen ergiebt. Einschränkende Bestimmungen über die formellen Voraussetzungen des Anfechtungsrechts, wie sie im Artikel 190a des Aktiengesetzes und im § 49 des Genossenschaftsgesetzes mit Rücksicht auf die große Zahl der Mitglieder getroffen sind, können hier als entbehrlich betrachtet werden“, vgl. Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung nebst Begründung und Anlagen (1891), S. 96; dazu auch RGZ 85, 311, 312; 87, 383, 385; 166, 129, 131; Fleischer, DB 2011, 2132, 2134. 20 Vgl. BGHZ 36, 207; 51, 209; 104, 66; ganz h. M., vgl. K. Schmidt, in Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 45 Rn. 36; Harbarth, GmbHR 2005, 966, 968 m. w. N.; a. A. Noack/Zöllner, ZGR 1989, 525, 535 ff.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
1. Rechtsprechung Ausgehend davon hat das KG die Anwendbarkeit des § 246a AktG auf Beschlüsse der GmbH-Gesellschafterversammlung jüngst verneint.21 In der Sache ging es dabei um die Freigabe eines Kapitalschnitts. Die Begründung stellt auf zwei Gesichtspunkte ab. Erstens: Zur Feststellung einer die analoge Anwendung gebietenden Regelungslücke sei von der dem Gesetz zugrundeliegenden Regelungsabsicht auszugehen. Das Gesetz müsse, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollkommen sein. Dahingehend stellt das KG fest, der Regelungszweck des Freigabeverfahrens erschöpfe sich in der Behebung festgestellter Missbräuche des Anfechtungsrechts. Da dieses Problem bei der GmbH nicht vorhanden sei, könne auch nicht von einer Regelungslücke ausgegangen werden.22 Zweitens: Der Gesetzgeber habe im Rahmen des MoMiG die Gelegenheit gehabt, das Freigabeverfahren auf die GmbH zu übertragen, dieses aber unterlassen, woraus nur geschlossen werden könne, dass dessen Einführung für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung nicht gewollt war.23 Beides überzeugt nicht: Angesichts der kaum zu übersehenden Dichte der amtlichen Begründung und dem Multiplikatoreffekt der jeweiligen Novellierungen ist dem Beschluss des KG zwar nachzusehen, dass für die Frage der Regelungslücke ausschließlich auf den vermeintlichen Willen des Gesetzgebers abgestellt wird. Übersehen werden darf dabei aber nicht, dass bei der Auslegung zwischen der Motivation des Gesetzgebers und der ratio legis zu unterscheiden ist.24 Methodisch ist die Erstere im Rahmen der Analogievoraussetzungen weitgehend unbrauchbar. Darüber hinaus bestehen vorliegend aber auch erhebliche Zweifel, ob der Gesetzgeber wirklich nur das Missbrauchsproblem (und nicht allgemein das Blockadeproblem der Beschlussanfechtung) lösen wollte.25 So beliebt das zweite Argument der Untätigkeit der Gesetzgebers sodann auch sein mag – den eingenommenen Standpunkt trägt es nicht. Sofern der Gesetzgeber nach Erlass einer Vorschrift untätig bleibt, lassen sich daraus allenfalls dann Schlüsse ziehen, wenn die Möglichkeit einer Regelung in Betracht gezogen und verworfen wurde.26 Lag die Einführung einer Vorschrift dagegen fern, spricht das nicht gegen eine Gesetzeslücke. So 21
KG ZIP 2011, 1474 (rechtskräftig). KG ZIP 2011, 1474 f. 23 KG ZIP 2011, 1475. 24 Vgl. Fleischer, DB 2011, 2132, 2133. 25 Darüber hinaus bestehen im konkreten Zusammenhang noch andere Zweifel an der Verwertbarkeit der Regierungsbegründung, dazu u. § 12 B. 26 Ein Beispiel dafür waren die Überlegungen zur Einführung der Schiedsfähigkeit von Beschlüssen der GmbH im Rahmen der Schiedsverfahrensneuordnung, die in Reaktion auf die ablehnende Entscheidung in BGHZ 132, 278 angestellt wurden, vgl. BT-Drucks., 13/0124, S. 44; Nietsch, ZIP 2009, 2269, 2270; zur eingeschränkten Bedeutung legislativen Unterlassens auch BVerfG NJW 2009, 1469. 22
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verhält es sich auch hier, da es bei den zu bekämpfenden Missbräuchen des MoMiG um ganz anders gelagerte Sachverhalte ging, als im Rahmen von UMAG und ARUG. 2. Vergleichbarkeit von Regelungssachverhalt und Regelungsbedürfnis In der Sache verdient die dem Beschluss des KG zugrundeliegende Verneinung der Regelungslücke allerdings aus anderen Gründen Zustimmung. Zuzugeben ist den Befürwortern einer entsprechenden Anwendung des § 246a AktG auf Beschlüsse der GmbH-Gesellschafterversammlung zwar, dass es auch hier zu Blockaden kommen kann, welche für die Gesellschaft notwendige Maßnahmen auf lange Zeit hin verhindern.27 Gegen eine Regelungslücke spricht dabei auch nicht, dass dem kein „Klagemodell“ wie bei der AG zugrunde liegt.28 Für die Annahme einer Lücke zu berücksichtigen sind aber die zur Verfügung stehenden anderweitigen Rechtsbehelfe zur Regelung des durch die Klage entstehenden Schwebezustands: Für ein Freigabeverfahren aus Sicht der GmbH besteht insoweit deshalb kein Bedürfnis, weil der Beschluss durch die Klage in seiner Vollziehung nicht gehindert wird. Vielmehr trägt sich der Streit hier mit umgekehrtem Vorzeichen zu: Der Kläger muss im Wege der einstweiligen Verfügung (§ 935 ZPO) für die Untersagung der Vollziehung sorgen. Die einstweilige Verfügung übernimmt dabei die Funktion eines „Sperrverfahrens“. Bei den Beschlussgegenständen des § 246a AktG besteht zwar die Gefahr der „faktischen Registersperre“. Eine sachgerechte Ausübung des Aussetzungsermessens (§§ 127 FGG a. F./381 FamFG) führt allerdings dazu, dass das Registergericht dem Kläger eine Frist zur Beantragung einer einstweiligen Verfügung setzen wird, was auch der vielfach geübten Praxis entspricht.29 Dadurch wird die Klage entweder vorab in einem summarischen Verfahren geprüft und die Eintragung für unbedenklich erklärt oder ein Verbot der Eintragung verfügt (vgl. § 16 II HGB). Macht der Kläger von der Möglichkeit der einstweiligen Verfügung keinen Gebrauch, besteht für eine „faktische Registersperre“ grundsätzlich keine Veranlassung. Etwas anderes mag dann gelten, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dem Kläger wegen der damit verbundenen Haftungsgefahren (§ 945 ZPO) nicht zuzumuten ist. Abgesehen von diesem verfahrensrechtlichen Rechtsbehelf ist es für die GmbH aber auch leichter als für die AG, gerügte Mängel durch eine weitere Gesellschafterversammlung unter deren Vermeidung oder zur Bestätigung (§ 244 AktG (analog)) aus der Welt zu schaffen und der Klage so die Blockadewirkung zu nehmen. Im Übrigen scheinen die Registergerichte mit der Ausübung des Aussetzungsermessens bei der GmbH
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Vgl. Harbarth, GmbHR 2005, 966, 969. So aber Sauerbruch, GmbHR 2007, 189, 191 f. Vgl. Vossius, ZGR 2009, 366, 408; dazu bereits o. § 1 B. IV.
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auch besser zurechtzukommen, als bei der AG.30 Im Ergebnis besteht für eine entsprechende Anwendung des § 246a AktG auf die GmbH damit nicht die erforderliche planwidrige Regelungslücke. Die Erstreckung des § 246a AktG mag allenfalls rechtspolitisch diskutabel sein. 3. Rechtsstellung des GmbH-Gesellschafters Ein maßgeblicher Gesichtspunkt dafür ist die Frage, ob das Freigabeverfahren mit der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung des GmbH-Gesellschafters vereinbar erscheint. Dagegen wird zunächst die gegenüber Aktien geringere Fungibilität von GmbH-Anteilen angeführt,31 doch greift das deswegen nicht durch, weil das Freigabeverfahren auch für die nicht börsennotierte AG i. S. v. § 3 II AktG gilt und hier ein vergleichbar geschlossener Gesellschafterkreis besteht.32 Gewichtiger ist der Umstand einzuschätzen, dass die Mitgliedschaft in der GmbH im Regelfall Beteiligungsrechte im Rahmen mitunternehmerischer Tätigkeit vermittelt. Damit ist unvereinbar, die Rechte der Beteiligten unter Hinweis auf deren mangelndes wirtschaftliches Interesse zu beschneiden und den regelmäßig kautelarisch geschaffenen Selbstschutz aufzuheben.33 Die mit dem Freigabeverfahren verbundene Verkürzung von Verfahrensrechten erscheint gleichermaßen untragbar, zumal der GmbH die vorstehend genannten Alternativen zu einer zeitnahen Durchführung der Strukturänderung zur Verfügung stehen. 4. Gegenprobe: Institutioneller Charakter des Umwandlungsrechts Gegen die vorstehend eingenommene Position scheint jedoch die gesetzlich vorgesehene Geltung des umwandlungsrechtlichen Freigabeverfahrens für die GmbH zu stehen. Dem ist aus zwei Gründen aber nicht so: Zum einen bedarf es im Umwandlungsrecht zwingend deswegen des Freigabeverfahrens, weil die gesetzliche Registersperre ansonsten nicht zu überwinden wäre. Zum anderen ist das Bedürfnis für Bestandsschutz bei Umwandlungen größer als bei den – der Abwicklung eher zugänglichen – § 246a-Beschlüssen. Eine Differenzierung gegenüber dem Umwandlungsrecht ist also durchaus gerechtfertigt. Im Ergebnis bleibt es daher dabei, dass für eine Ausdehnung des Freigabeverfahrens nach § 246a AktG auf Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bei der GmbH kein Raum besteht.
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Beispielhaft etwa OLG München ZIP 2011, 2057. Fleischer, DB 2011, 2132, 2135. So Harbarth, GmbHR 2005, 966, 969. Vgl. Fleischer, DB 2011, 2132, 2136; Sauerbruch, GmbHR 2007, 189, 193.
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III. Anwendung auf die S. E. Für die S. E. stehen die Freigabeverfahren der §§ 246a, 319 VI, 327e II AktG zur Verfügung. Das folgt aus der in Art. 9 c) iii) SE-VO geregelten Verweisung auf das nationale Aktienrecht. Zweifel werden hingegen an der Anwendbarkeit des umwandlungsrechtlichen Freigabeverfahrens geäußert.34 Argumentiert wird damit, dass Art. 66 I SE-VO die Verschmelzung nicht vorsehe und insoweit als abschließende Regelung gegenüber der allgemeinen Verweisung des Art. 9 c) iii) SE-VO anzusehen sei. Dem ist die Rechtsprechung in Einklang mit weiten Teilen der Literatur zu Recht entgegengetreten.35 Anders als die Gegenansicht meint, lässt sich auch hier aus der Entstehungsgeschichte des Art. 66 I SE-VO kein abschließender Regelungsgehalt dieser Vorschrift und damit keine Abweichung gegenüber Art. 9 c) iii) SE-VO begründen. Zutreffend ist allein der Befund, dass der Gesetzgeber die Verschmelzung in Entwürfen zu Art. 66 I SE-VO zunächst vorgesehen hatte und diese in die endgültige Fassung nicht übernommen wurde. Die Gründe dafür verlieren sich im Ungewissen, doch spricht einiges dafür, dass man die bereits in den nationalen Aktiengesetzen vorhandenen Vorschriften als ausreichend ansah und dahingehenden Regelungsbedarf verneint hat. Überdies würde eine Einschränkung der Verschmelzungsfähigkeit die Attraktivität der S. E beeinträchtigt haben.36 Im Ergebnis kann die S. E. daher verschmolzen werden. Darüber hinaus steht das Institut der umwandlungsrechtlichen Freigaben aber auch in seiner Gesamtheit, d. h. für die anderen Umwandlungsformen, für die S. E. zur Verfügung.
C. Rechtsschutzbedürfnis trotz Eintragung? Das Fehlen einer Registersperre hat für die Beschlussgegenstände des § 246a AktG zur Konsequenz, dass eine Eintragung auch ohne gerichtliche Freigabe erfolgen kann. Das hat den bereits genannten Vorteil der Eintragungsfähigkeit trotz Klage, führt aber dazu, dass der Beschluss nicht den mit dem Freigabeverfahren verbundenen Bestandsschutz erhält (§§ 246a I u. IV, 242 II 5 u. 6, 319 VI 10, 327e II AktG). Daraus ergibt sich die Frage, ob für eine bereits eingetragene Maßnahme das Freigabeverfahren mit dem Ziel beantragt werden kann, festzustellen, dass Mängel der Wirkung der Eintragung nicht entgegenstehen (sog. „Nachschieben des Freigabeverfahrens“). 34 Schäfer, in MünchKomm, AktG, 3. Aufl., SE-VO, Art. 66 Rn. 14; Schwanna, in Semler/ Stengel, UmwG, 2. Aufl., § 191 Rn. 12; Veil, in Jannot/Frodermann, HdB Europäische Aktiengesellschaft, Kapitel 10 Rn. 20; Vossius, ZIP 2005, 741, 749. 35 Vgl. OLG Frankfurt a. M. Beschluss v. 2.12.2010 – 5 Sch 3/10; Seibt, in Lutter/Hommelhoff, SE-VO, Art. 66, Rn. 3; Simon/Rubner, in KölnKomm UmwG, § 122a Rn. 31; Spindler/ Stilz, AktG, Art. 66 SE-VO Rn. 1. 36 Vgl. zu beidem OLG Frankfurt a. M. Beschluss v. 2.12.2010 – 5 Sch 3/10.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
Rechtsprechung und Lehre sind dem teilweise damit entgegengetreten, nach der Eintragung bestehe für ein Freigabeverfahren kein Rechtsschutzbedürfnis,37 und auch die Gesetzesverfasser scheinen dieser Auffassung gewesen zu sein.38 Demgegenüber wird für die Zulässigkeit einer solchen ergänzenden Bestandsschutzanordnung mit Hinweis auf die Erwartungen des Kapitalmarkts bei der Kapitalerhöhung sowie damit argumentiert, die Durchführung der Maßnahme würde die Gesellschaftsorgane angesichts der fortbestehenden Rechtsunsicherheit vor schwierige Fragen der Risikoabwägung stellen, die in der Konsequenz dazu führen würden, dass die Durchführung trotz der Eintragung unterbleibe.39 Außerdem sei Anknüpfungspunkt für das Freigabeverfahren allein die Klage.40 Ausgangspunkt der Diskussion ist eine Bemerkung in der Regierungsbegründung zum UMAG, wonach „es in der Sache nicht um eine formale Freigabe eines wegen Registersperre nicht eintragungsfähigen Beschlusses (…), sondern um eine Abwägungsentscheidung mit der Folge der Bestandssicherung“ ginge41. Dem wird entgegengehalten, der Zweck des Freigabeverfahrens beschränke sich auf die Eindämmung des Missbrauchs des Anfechtungsrechts. Das dazu erforderliche Drohpotenzial bestehe aber nach der Eintragung nicht mehr.42 Das ist im Ansatz sicherlich richtig, beantwortet die Frage nach dem Gegenstand und Rechtsschutzumfang des Freigabeverfahrens aber nur zum Teil. Denn eine Strukturänderung, deren rechtliche Grundlage von der Kassation bedroht ist, muss grundsätzlich spätestens mit der Rechtskraft des Urteils (rück)abgewickelt werden. Nur ist das keine Folge des Missbrauchs des Anfechtungsrechts, sondern eine Konsequenz des Umstands, dass im Rahmen der Beschlusskontrolle Gesetz und Satzung zur Beachtung verholfen wird. Liegt darin bereits eine Gegenindikation für das „Nachschieben eines Freigabeverfahrens“, so hängt die Entscheidung im Ergebnis wesentlich davon ab, welchen Inhalt der dadurch vermittelte Bestandsschutz hat. Beschränkt sich dieser ohnehin nur auf ein Verbot der Rückabwicklung bezogen auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung, so gewinnt die Gesellschaft durch den Unbedenklichkeitsbeschluss nichts. In diesem Fall wird der vorgenannte Streit gegenstandslos.43 Ist mit dem Freigabeverfahren dagegen als Rechtsschutzziel dauerhafter Bestandsschutz zu erreichen, kann die Entscheidung nicht von 37 Vgl. LG Hannover AG 2007, 825; dagegen aber OLG Celle AG 2008, 217; Schäfer, in FS K. Schmidt (2010), S. 1389, 1406; Zöllner, in FS Westermann (2008), 1631, 1633; so auch Satzl, Freigabe von Gesellschafterbeschlüssen im Kapitalgesellschaftsrecht (2011), S. 171 ff. 38 Vgl. Schütz, NZG 2005, 5, 9; ders./Seibert, ZIP 2004, 252, 257. 39 So Ihrig/Erwin, BB 2005, 1973, 1974; vgl. auch Wilsing, DB 2005, 35, 38; jetzt auch OLG Celle AG 2008, 217; näher u. § 18 B. II. 40 Vgl. M. Winter, in FG Happ (2006), 363. 369. 41 BegrRegE, BT-Drucksache, 15/5092, S. 27. 42 Vgl. Schütz, NZG 2005, 5, 9. 43 So Schäfer, in FS K. Schmidt (2010), S. 1389, 1406.
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dem – zufallsbedingten – Umstand abhängen, ob eingetragen wurde oder nicht. Dementsprechend ist die Beantwortung der vorliegenden Frage bis zur Klärung der Reichweite des freigaberechtlichen Bestandsschutzes zurückzustellen.44 Gesichert ist jedenfalls die Erkenntnis, dass ein Freigabeverfahren ohne anhängiges Beschlussmängelverfahren unzulässig ist.45
D. Zusammenfassung 1. Das Freigabefahren bedarf wie jedes andere Zivilverfahren allgemeiner Sachurteilsvoraussetzungen. Zu beachten sind dabei sowohl Grenzen seines sachlich-gegenständlichen wie seines persönlichen Anwendungsbereichs. 2. In sachlich-gegenständlicher Hinsicht besteht ein numerus clausus freigabefähiger Beschlüsse, der eine Anwendung des Verfahrens auf andere Beschlussgegenstände als die in den §§ 16 UmwG, 246a, 319, 327e II AktG Genannten verbietet. Freigabefähig sind lediglich diese notwendig ergänzenden Beschlüsse. 3. Für den persönlichen Anwendungsbereich ist zwischen der umwandlungsrechtlichen und der aktienrechtlichen Freigabe zu unterscheiden. Das umwandlungsrechtliche Freigabeverfahren teilt den institutionellen Charakter des Gesetzes und steht in dem Umfang zur Verfügung, wie die Beteiligungsfähigkeit von Rechtsträgern vorgesehen ist, also grundsätzlich in rechtsformunabhängiger Form. Das aktienrechtliche Freigabeverfahren erlaubt die Unbedenklichkeitsfeststellung von Beschlüssen der AG, der KGaA und der S. E. Dagegen scheidet eine analoge Anwendung von § 246a AktG auf die GmbH mangels Regelungslücke und grundsätzlicher Unterschiede der Rechtstellung des GmbH-Gesellschafters gegenüber dem Aktionär und der Beschlussfassung in beiden Rechtsformen aus. 4. Umstritten ist, ob das Freigabeverfahren auch nach Eintragung statthaft ist, um den damit verbundenen Bestandsschutz für die Strukturänderung zu erlangen. Die Frage ist das Ergebnis des Verzichts auf eine formelle Registersperre und stellt sich demgemäß nur bei § 246a AktG. Prima facie spricht das Ziel dafür, Missbräuche der Anfechtungsklage dagegen, dieser vor Durchführung der Hauptsache aufgrund eines Eilverfahrens carte blanche zu gewähren. Allerdings hängt die Entscheidung über die Frage von der Reichweite des freigaberechtlichen Bestandsschutzes ab, weswegen ihre Beantwortung zunächst zurückzustellen ist.
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Weiter dazu u. § 19 G. So zutr. Zöllner, in FS Westermann (2008), 1631, 1632.
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§ 3 Unzulässigkeit und offensichtliche Unbegründetheit der Klage Die sachlichen Voraussetzungen für die Begründetheit des Freigabeantrags stimmen für alle Verfahrensgegenstände überein (vgl. §§ 16 III 2 UmwG, 319 VI 2, 327e II, 246a II AktG), weshalb sie im Folgenden einheitlich, d. h. unbesehen der konkreten Maßnahme als Verschmelzung, Unternehmensvertrag, Squeeze Out usw., untersucht werden.46 Insoweit gilt: Ein Freigabebeschluss ergeht, wenn die Klage (1) unzulässig oder (2) offensichtlich unbegründet ist oder (3) wenn das alsbaldige Wirksamwerden der Maßnahme vorrangig erscheint. Das ARUG hat dem als weiteren Freigabegrund das sog. „Bagatell-Quorum“ hinzugefügt. Nach den §§ 16 III 3 Nr. 2 UmwG, 319 VI 3 Nr. 2, 327e II, 246a II Nr. 2 AktG ergeht ein Freigabebeschluss, wenn der Kläger nicht binnen einer Woche nach Zustellung des Antrags durch Urkunden nachgewiesen hat, dass er seit Bekanntmachung der Einberufung einen anteiligen Betrag von mindestens 1000 € hält. Darüber hinaus enthalten die gesetzlichen Regelungen – drittens – eine sog. „Abwägungsklausel“. Nach deren – durch das ARUG einheitlich und neu gefassten – Formulierung ergeht ein Freigabebeschluss, wenn das alsbaldige Wirksamwerden der Verschmelzung vorrangig erscheint, weil die vom Antragsteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger und ihre Anteilsinhaber nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Antragsgegner überwiegen, es sei denn, es liegt eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes vor. Im Folgenden ist zunächst die Freigabe wegen Unzulässigkeit oder offensichtlicher Unbegründetheit der Klage zu betrachten, bevor auf die Abwägungsklausel und das Bagatell-Quorum eingegangen wird. Mehr noch als sonst geht es bei allen Freigabegründen darum, trotz einer kaum mehr zu übersehenden Kasuistik in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung, Grundlinien und Divergenzen der Rechtsentwicklung zu untersuchen. Dabei soll mit einer Bewertung zunächst bewusste Zurückhaltung geübt werden, weil eine solche erst in der Gesamtschau mit den die Freigabe flankierenden Elementen des wirtschaftlichen Ausgleichs nach der Reichweite der Entscheidung (Bestandsschutz) möglich ist.47
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Zu den Unterschieden der Rechtsfolgen der Freigabe noch § 8 B. Siehe dazu daher erst u. 24 B.
§ 3 Unzulässigkeit und offensichtliche Unbegründetheit der Klage
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A. Unzulässigkeit der Klage I. Fehlen der allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen Der Unbedenklichkeitsbeschlussergeht zunächst bei Unzulässigkeit der erhobenen Unwirksamkeitsklage. Hierbei gelten die allgemeinen Regeln zur Zulässigkeit der Klage.48 Als Freigabegrund in Betracht kommen damit grundsätzlich alle gerichts-, partei- oder streitgegenstandsbezogenen Klagemängel, z. B. wegen sachlicher oder örtlicher Unzuständigkeit des Gerichts, mangelnder Prozessfähigkeit oder -vertretung, anderweitigen Rechtshängigkeit oder mangelnder Statthaftigkeit der Beschlussmängelklage als solcher.49 Von Amts wegen zu beachtende Prozessvoraussetzungen wie nur auf Einrede zu beachtende Prozesshindernisse50 sind gleichermaßen freigaberelevant.51 In der Praxis hat die Unzulässigkeit der Klage als Freigabegrund bislang wenig Bedeutung erlangt. Bislang bekannt geworden ist lediglich ein Fall, in dem die Prozessführungsbefugnis des klagenden Testamentsvollstreckers in Zweifel gezogen wurde, weil es sich um eine reine Abwicklungs- (vgl. §§ 2203 ff. BGB) und keine Dauervollstreckung (§ 2209 BGB) handelte.52 II. Prüfungsmaßstab Die Prüfung der allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen der Klage durch das Prozessgericht ist schon ausweislich des Wortlauts nicht auf offensichtliche Unzulässigkeitsgründe beschränkt.53 Das Gericht hat daher die Zulässigkeit der Klage vollumfänglich und nicht nur summarisch zu prüfen. Eine Beschränkung auf offensichtliche Mängel erfolgt nicht. Wie im Erkenntnisverfahren gilt der Grundsatz der Amtsprüfung in jeder Lage des Verfahrens (§§ 56 I, 88 I, 335 I Nr. 1, 341, 522, 577, 589 ZPO). Die Beibringungslast obliegt hierbei dem Kläger, der folglich frühzeitig in eine nachteilige Prozesssitu48
Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 16 Rn. 56. Vgl. dazu OLG Frankfurt ZIP 2007, 72 (Unzulässigkeit der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Konzernabschlusses sowohl nach § 256 AktG wie nach § 256 ZPO). 50 Dazu gehören auch nach Aufhebung von § 274 ZPO a. F. durch die Vereinfachungsnovelle in der ZPO die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit (vgl. abw. von BGHZ 132, 278 nunmehr BGHZ 180, 221; dazu K. Schmidt, BB 2001, 1857 ff.; Nietsch, ZIP 2009, 2269), Einwand der mangelnden Sicherheitsleistung (§§ 110 ff. ZPO) und Kostenerstattung (§ 269 III 2, VI ZPO); a. A. Jauernig, ZPO, 29. Aufl. § 33 III (S. 137); ebda. zum weiteren Streitstand. 51 Zur Frage, ob einzelne Bestimmungen der §§ 241 ff. AktG, insbesondere die Anfechtungsbefugnis, ihrer Rechtsnatur nach Sachurteilsvoraussetzungen sind und folglich im Rahmen der Unzulässigkeit der Klage zu berücksichtigen wären u. § 24 A. I. 52 Vgl. OLG München AG 2010, 715, 716. 53 Ganz h. M., vgl. Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 18; Brandner/Bergmann, in FS Bezzenberger (2000), S. 59, 63; Sosnitza, NZG 1999, 965, 968; Stratz, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 56; krit. und mit der Forderung einer Erstreckung des Offensichtlichkeitserfordernisses de lege ferenda Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 129. 49
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
ation gelangen kann. Gegenüber dem Hauptverfahren sind die erforderlichen Tatsachen allerdings nicht zu beweisen, sondern lediglich glaubhaft zu machen. Dies ergibt sich aus der für den Freigabegrund der Unzulässigkeit geltenden Anordnung der §§ 16 III 4 UmwG, 319 VI 4, 327e II, 246a III 2 AktG.54 III. Maßgeblicher Zeitpunkt des Fehlens der Zulässigkeitsvoraussetzungen Ein Problem entsteht für den Freigabegrund der Unzulässigkeit der Klage daraus, dass Mängel der Zulässigkeit der Klage ebenso wie des Sachvortrags bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Hauptsache behoben werden können. Vorbehaltlich der Verspätungsregelungen der §§ 296 ff. ZPO kann daher auch der zunächst unzulässigen oder unbegründeten Klage im Ergebnis in der Hauptsache Erfolg beschieden sein.55 Ob dies im Freigabeverfahren Berücksichtigung finden kann, wird dennoch bezweifelt.56 Hier soll nach teilweiser, wohl überwiegender Ansicht im Schrifttum auf den – im Vorfeld liegenden – Zeitpunkt der Freigabeentscheidung bzw. der dieser u. U. vorausgehenden mündlichen Verhandlung abzustellen sein.57 Daher müsste z. B. eine Unbedenklichkeitsfeststellung ergehen, wenn die Klage vor dem örtlich unzuständigen Gericht erhoben worden ist, der Kläger aber keinen Verweisungsantrag gestellt hat. Eine ältere Ansicht will behebbare Klagemängel als Freigabegrund dagegen außer Betracht lassen.58 Letztere Ansicht führt zwar dazu, eine Reihe von Unzulässigkeitsgründen im Freigabeverfahren nicht zu berücksichtigen, verdient gegenüber der Gegenauffassung aber den Vorzug. Deren Ausgangspunkt, im Rahmen des Unbedenklichkeitsverfahrens allein auf den Zeitpunkt des Beschlusserlasses abzustellen, überzeugt nicht. Zweck der im Rahmen des Freigabeverfahrens durchzuführenden Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache ist es, eine möglichst belastbare Prognose über den späteren Prozessverlauf, einschließlich des Instanzenzugs zu erstellen. Daher können prozessuale Mittel, die in der Hauptsache zur Verfügung stehen, nicht von vornherein ausgeblendet werden. Darüber hinaus beruht die Gegenauffassung auf der nach altem Recht bestehenden Möglichkeit zur Beschwerde gegen den Freigabebeschluss in ers54
Zur Geltung des § 294 ZPO für die Zulässigkeitsprüfung im Rahmen des Freigabeverfahrens Rettmann, Rechtsmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 129. 55 Eventuelle vorherige Mängel, wie etwa die Klageerhebung beim unzuständigen Gericht sind allein bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen, vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 281 Rn. 17. 56 Kösters, WM 2000, 1921, 1925; Sosnitza, NZG 1999, 965, 968. 57 Brandner/Bergmann, in FS Bezzenberger (2000), S. 59, 63; Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 40; Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 128; Schwab, in K. Schmidt/Lutter/Hommelhoff, AktG, § 246a Rn. 2. 58 Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 18.
§ 3 Unzulässigkeit und offensichtliche Unbegründetheit der Klage
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ter Instanz. Der Kläger sollte diesen zum Anlass nehmen, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage herzustellen und die Entscheidung im Freigabeverfahren mit Hinweis darauf mit der sofortigen Beschwerde angreifen.59 War die genannte Argumentation schon bislang nicht eben verfahrensökonomisch, so ist ihr mit Einführung der alleinigen Zuständigkeit des OLG und dem damit einhergehenden Verlust der Beschwerdemöglichkeit durch das ARUG jedenfalls die Grundlage entzogen. Im Ergebnis überzeugen kann daher allein, bis zur mündlichen Verhandlung in der Hauptsache behebbare Zulässigkeitsmängel der Klage als Freigabegrund außer Betracht zu lassen.
B. Offensichtliche Unbegründetheit der Klage Neben der Unzulässigkeit der Klage nennen die gesetzlichen Regelungen der §§ 16 III Nr. 1 UmwG, 246a II Nr. 1, 319 VI 6 Nr. 1, 327e II AktG als weiteren Grund für eine Freigabe aus Rechtsgründen die „offensichtliche Unbegründetheit“ der Klage. Obwohl diese Voraussetzung im Zuge der Ausdehnung des sachlichen Anwendungsbereichs des Verfahrens stets unverändert übernommen wurde, bereitet die Auslegung dieses Freigabegrunds nach wie vor Schwierigkeiten. Diese seien an folgenden Fallbeispielen nachvollzogen: Beispiel (1):60 Der Erfolg der Anfechtungsklage hängt von der Entscheidung einer neuen und streitigen Rechtsfrage ab. Die Rechtsauffassung des Klägers erscheint vertretbar, das Gericht möchte aber der Ansicht der Gesellschaft folgen. In der obergerichtlichen Judikatur findet sich kein einheitlicher Standpunkt. Höchstrichterliche Rechtsprechung gibt es ebenso wenig. Das Gericht fragt sich, ob es die Anfechtungsklage gleichwohl als „offensichtlich unbegründet“ bewerten und auf dieser Grundlage feststellen kann, dass die Klage der Eintragung nicht entgegensteht. Beispiel (2):61 Der Erfolg der Klage hängt von streitigen Tatsachen ab, welche die Grundlage für die Auslegung einer Vereinbarung der Anteilsinhaber sind. Es bedarf der Beweiserhebung. Kann die Klage ohne Beweiserhebung schon im Freigabeverfahren als „offensichtlich unbegründet“ bewertet werden?
59 Kösters, WM 2000, 1921, 1925; Schwab, in K. Schmidt/Lutter/Hommelhoff, AktG, § 246a Rn. 2. 60 Beispiele nach OLG Hamm AG 1999, 422 (ThyssenKrupp – Bedeutung des Verschmelzungsberichts); AG 2005, 361, 363 (Abweichung vom ursprünglichen Vertragsentwurf nach Gegenantrag des Großaktionärs); LG Berlin, Der Konzern 2003, 484 (Maßgeblichkeit des Börsenkurses als Berechnungsgrundlage der Verschmelzungswertrelation – Stichtags- oder Durchschnittsprinzip?). 61 Vgl. LG Frankfurt a. M. AG 2005, 740.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
I. Bisherige Ansätze zur Auslegung des Offensichtlichkeitsmerkmals 1. Materialien und Vorarbeiten Die Gesetzesmaterialien haben zunächst von jeglicher Erläuterung des Tatbestandsmerkmals der offensichtlichen Unbegründetheit abgesehen und sich darauf beschränkt, die Freigabe solle in Anlehnung an die höchstrichterliche Rechtsprechung – nicht ausdrücklich angesprochen, aber gemeint war hier BGHZ 112, 9 – möglich sein, wenn die Klage unzulässig oder offensichtlich unbegründet sei, was vor allem dann anzunehmen sei, wenn sie rechtsmissbräuchlich sei. Die Entscheidung über das damit erkennbar nicht abschließend beschriebene Offensichtlichkeitskriterium sollte aber ausdrücklich der Rechtsprechung überlassen bleiben.62 Die Regierungskommission Corporate Governance gelangte in diesem Zusammenhang lediglich zu der Einschätzung, dass eine Änderung der Freigabekriterien nicht zu empfehlen sei. Zuvor hatte man den Vorschlag diskutiert, die geltenden Fassungen durch das Kriterium der „hinreichenden Erfolgsaussicht“ der Klage zu ersetzen.63 Die Regierungsbegründung des UMAG zu § 246a AktG stellt für die Auslegung des Merkmals „offensichtlich unbegründet“ fest, es komme nicht darauf an, welcher Prüfungsaufwand erforderlich sei, um die Unbegründetheit festzustellen. Maßgeblich sei das Maß an Sicherheit, mit der sich die Unbegründetheit vorhersagen lasse. Offensichtlich unbegründet sei eine Anfechtungsklage dann, wenn sich mit hoher Sicherheit die Unbegründetheit der Klage vorhersagen lasse. Der für diese Prognose erforderliche Prüfungsaufwand sei nicht entscheidend.64 2. Rechtsprechung und Lehre a) Einschränkung des Prüfungsmaßstabs Die in der Regierungsbegründung zum UMAG enthaltene Feststellung zum Prüfungsaufwand bezieht sich auf eine, vor allem in der ersten Judikatur nach Schaffung des umwandlungsrechtlichen Freigabeverfahrens entwickelte Position, die aus dem Erfordernis der „Offensichtlichkeit“ ableitet, dass für die Beurteilung der Klage weder schwierige oder umstrittene Rechtsfragen zu beantworten noch weitere Tatbestandsermittlungen notwendig sein dürften. Deren Unbegründetheit müsse aufgrund „kursorischer“ oder „eingeschränkt summarischer Prüfung“65 feststellbar, also ohne weitere Aufklärungen in der 62
BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 29; zuvor schon BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699,
S. 89. 63 Baums, (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 154, in dem im Übrigen ausdrücklich davon abgeraten wurde, die geltenden Tatbestandsvoraussetzungen durch „hinreichende Erfolgsaussichten der Klage“ zu ersetzen. 64 BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 29. 65 Decher, AG 1997, 388, 390.
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Sache und ohne schwierige rechtliche Überlegungen erkennbar sein.66 In ähnlicher Formulierung heißt es, die Unbegründetheit müsse der Klage „auf die Stirn geschrieben sein“,67 „offen zu Tage liegen und dürfe nicht von schwierigen Rechts- oder Tatfragen abhängen“68 oder müsse „für jeden Sachkenner ohne weitere Nachforschungen erkennbar“69 sein. Unter Zugrundelegung dieses Ansatzes soll es namentlich dann an einem materiell-rechtlichen Freigabegrund i. S. d. zweiten Tatbestandsalternative der §§ 16 III 2 UmwG, 319 VI 2, 327e II, II 1 AktG fehlen, wenn die Gesetzeslage nicht eindeutig ist, Parteien und Gericht sich hiermit erst intensiv auseinandersetzen müssen oder wenn die Beurteilung der Erfolgsaussicht von nicht zweifelsfrei zu beantwortenden Rechtsfragen abhängt.70 Letzteres sei insbesondere zu bedenken, wenn die Rechtsfrage weder höchstrichterlich entschieden worden noch sonst hinreichend geklärt sei, so dass unklar bleibe wie sie im Instanzenzug abschließend beantwortet werden wird.71 Auch im Schrifttum wurden zunächst vergleichbare Umschreibungen der Offensichtlichkeit i. S. e. Evidenz der fehlenden Erfolgsaussichten der Klage entwickelt. So dürfe keine andere Entscheidung als die Zurückweisung der Klage in Betracht kommen bzw. die Unbegründetheit müsse sich „auf den ersten Blick“ offenbaren.72 b) Zweifelsfreier Ausschluss des Klageerfolgs Abweichend hiervon hat sich in der Rechtsprechung der meisten Oberlandesgerichte ein Verständnis herausgebildet, wonach offensichtliche Unbegründetheit nicht mit einfacher Erkennbarkeit der mangelnden Erfolgsaussichten gleichgesetzt werden darf. Seinen Ausgangspunkt findet es im Fall ThyssenKrupp.73 Da66 OLG Frankfurt a. M. AG 1997, 472; LG Hanau AG 1996, 90; LG Wiesbaden AG 1997, 274; in der Sache wohl auch OLG Stuttgart AG 1997, 138; aus der neueren Rechtsprechung wiederum LG Regensburg Der Konzern 2004, 811; mit dieser Tendenz auch nunmehr OLG München AG 2005, 407. 67 LG Hanau ZIP 1995, 1820; ebenso Rebmann, Die Ausweitung des aktienrechtlichen Spruchstellenverfahrens (1995), S. 20, 110; Schwarz, in Widmann/Mayer, UmwG § 16 Rn. 23.2. 68 LG Freiburg AG 1998, 536; ähnlich OLG Frankfurt a. M. ZIP 2000, 1928; LG Wiesbaden AG 1997, 274; in diesem Sinne auch Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 19a; so wohl auch Noack, ZHR 164 (2000), 274, 281 f.; ferner Saenger, AG 2002, 536, 540; Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 246a Rn. 3; offengelassen von Volhard, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 16 Rn. 30 f. 69 Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 309 Rn. 22. 70 LG Hanau ZIP 1995, 1820, 1821; s. auch OLG Frankfurt a. M. ZIP 2000, 1928; LG Berlin Der Konzern 2003, 484. 71 OLG Karlsruhe EWiR 1998, 469 m. zust. Anm. Bayer; OLG Hamburg AG 2003, 441, 444; vgl. auch OLG München ZIP 2010, 84; saarländisches OLG AG 2011, 343. 72 Vgl. Bermel, in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, § 16 Rn. 40; Bork, in Lutter/Winter, UmwG, § 16 Rn. 19a; Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 246a Rn. 3; ähnlich schon Kiem, AG 1992, 430, 432. 73 OLG Hamm AG 1999, 422; zuvor im Schrifttum schon Dehmer, UmwG, § 16 Rn. 52; krit. zur bis dato zu findenden restriktiven Auffassung in Rechtsfragen auch Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 114 ff.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
rin hielt das OLG Hamm die Klage für offensichtlich unbegründet, wenn die Ablehnung des Unwirksamkeitsgrundes für das erkennende Gericht „zweifelsfrei“ sei, ihm eine abweichende Würdigung im weiteren Verfahren auch unter Berücksichtigung des Instanzenzuges ausgeschlossen erscheine.74Andere Oberlandesgerichte haben in der Folge die hohe Wahrscheinlichkeit dafür ausreichen lassen.75 Entscheidend ist danach, mit welcher Sicherheit ein dauerhafter Misserfolg der Hauptsacheklage vorausgesehen werden kann.76 Hinsichtlich der für eine dahingehende Überzeugung erforderlichen Prüfungstiefe soll es nicht darauf ankommen, ob die Beurteilung der Erfolgsaussichten schwieriger rechtlicher Überlegungen bedarf oder ob die Unbegründetheit der Klage gleichsam „ins Auge“ springt. Vielmehr soll das Gericht gehalten sein, alle tatsächlichen und rechtlichen Fragen zu prüfen, auch wenn ihre Beantwortung schwierig ist und deshalb eine gründlichere Prüfung erfordert.77 Eine summarische Prüfung komme nur auf der Tatsachenebene in Betracht.78 Hier bleibe eine „kursorische“ Prüfung grundsätzlich erlaubt. Im Übrigen bleibe für eine kursorische Rechtsprüfung im summarischen Verfahren kein Raum.79 Danach wäre im Ausgangsfall (1) eine Freigabe aus diesem Grund möglich. Im Beispiel (2) bliebe dagegen allein die Freigabe wegen überwiegender Interessen. c) Offensichtlich unbegründete und rechtsmissbräuchliche Klage Teilweise findet sich sowohl in älteren, wie noch in jüngeren Quellen auch eine Gleichsetzung bzw. eine Einbeziehung der Rechtsmissbräuchlichkeit der 74 OLG Düsseldorf ZIP 1999, 793; AG 2002, 47 u. die nachfolgenden Rechtsprechungsnachweise. 75 So jetzt OLG Jena DB 2006, 2335, 2336. 76 OLG Düsseldorf DB 2006, 2223 f.; AG 2004, 267; KG KGR 2000, 386; OLG Hamburg AG 2005, 253, 254; LG Darmstadt AG 2006, 127, 128; OLG Frankfurt AG 2006, 249, 250; OLG Stuttgart AG 2003, 456; AG 2004, 105. 77 OLG Hamm AG 1999, 422; AG 2005, 774; OLG Hamburg AG 2003, 696; AG 2003, 441; AG 2005, 253; OLG München AG 2006, 296; OLG Karlsruhe AG 2007, 284, 285; OLG Köln AG 2004, 39; LG Köln AG 2008, 340, 342; OLG Schleswig ZIP 2007, 2162, 2163; offengelassen, aber in der Sache so verfahren OLG Saarbrücken AG 2005, 366; so i. E. auch die ganz überwiegende Ansicht im Schrifttum, vgl. Bayer/Riedel, EWiR 2001, 1161, 1162; Bayer, EWiR 1998, 665; Brandner/Bergmann, in FS Bezzenberger (2000), S. 59, 65 ff.; Büchel, in FS Happ (2006), S. 1, 11; Faßbender, AG 2006, 872, 875 f.; Fuhrmann/Linnerz, Der Konzern 2004, 817, 818; Göz/Holzborn, WM 2006, 157, 161; Habersack, in Emmerich/Habersack, GmbH- und Aktienkonzernrecht, 5. Aufl., § 319 Rn. 15 u. 35; Harbarth, GmbHR 2005, 970; Heidel/Lochner, in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 327e Rn. 8; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 319 Rn. 18; Koppensteiner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 319 Rn. 30; Koch, ZGR 2006, 769, 800 f.; Kösters, WM 2000, 1921, 1926; Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 41 ff.; Semler, in Münch HdB AG, 4. Aufl., § 41 Rn. 77; Schütz, DB 2004, 419, 424; Sosnitza, NZG 1999, 665, 677; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 16 Rn. 56 ff.;Veil, AG 2005, 567, 573; Vollhard, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 16 Rn. 31. 78 OLG Stuttgart ZIP 1999, 798; OLG Hamburg AG 2005, 253, 254; Kösters, WM 2000, 1921, 1926; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 319 Rn. 18; Volhard, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 16 Rn. 31 m. w. N. 79 OLG Düsseldorf DB 2006, 2223, 2224; OLG Jena DB 2006, 2335, 2336.
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Klage in das Merkmal der „offensichtlichen Unbegründetheit“.80 Rechtsmissbräuchlichkeit liegt nach der in der Kochs-Adler-Entscheidung des BGH aufgestellten Formel vor, „wenn die Klagen mit dem Ziel erhoben werden, die Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die der klagende Aktionär keinen Anspruch hat und auch billigerweise nicht erheben kann“81. Weitergehend als bei anderen Klagemängeln soll hier nach dem Schrifttum ein streitiger Sachverhalt nicht von vornherein der Annahme von „Offensichtlichkeit“ entgegenstehen.82 Auch in der jüngeren Rechtsprechung zum Freigabeverfahren wird zum Verhältnis von Missbrauchseinwand und Offensichtlichkeitskriterium Stellung genommen,83 ein Zusammenhang allerdings verneint. Dahinter steht die Erkenntnis, dass missbräuchliches Verhalten der Klage zwar die Erfolgsaussichten nimmt, der dahingehende Vorwurf jedoch nicht ohne Weiteres erkennbar sein muss und meist auch nicht sein wird.84 3. Anhaltspunkte der Hypothekenbankschwestern-Rechtsprechung Der in den Materialien zum UmwBerG enthaltene Hinweis, das Offensichtlichkeitsmerkmal sei an die höchstrichterliche Rechtsprechung angelehnt, gibt Anlass, die dem Freigabeverfahren zugrunde liegende Hypothekenbankschwestern-Entscheidung näher zu betrachten.85 Bei dieser hatte der BGH zunächst über die Frage zu befinden, ob aus der Vorschrift des § 345 II AktG a. F. eine formelle Registersperre folge. Die gesetzliche Regelung enthielt, ähnlich wie heute die §§ 16 II 1 UmwG, 319 V 1, 327c II AktG, lediglich das Erfordernis der Negativerklärung, verzichtete aber auf das im geltenden Recht enthaltende Eintragungsverbot.86 Daraus hatte sich eine divergierende Rechtsprechung des OLG Frankfurt a. M. und des OLG Hamm entwickelt. Ersteres hielt die Zurückweisung der Anmeldung ohne entsprechende Erklärung des Vorstands für zwingend geboten und verneinte ein Recht des Registergerichts zur Prüfung der Begründetheit der Klage und zur Aussetzung nach 80 Vgl. OLG Frankfurt AG 1996, 379, 380, wo neben der Rechtsmissbräuchlichkeit der Klage die Frage der Offensichtlichkeit nicht mehr selbstständig geprüft wurde; ferner MarschBarner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 41; siehe auch Bermel, in Goutier/ Knopf/Tulloch, UmwG, § 16 Rn. 40; Sosnitza, NZG 1999, 965, 969; vgl. auch BegrRegE, BTDrucks. 12/6699, S. 89. 81 BGHZ 107, 296, 310 ff. 82 Decher, AG 1997, 388, 391; Hüffer, AktG, § 246a Rn. 19. 83 Vgl. OLG Stuttgart BGH BB 2007, 1977, 1979; AG 2003, 456, 457; OLG München AG 2007, 335, 339. 84 Vgl. zur Deutung des Offensichtlichkeits-Kriteriums als Fall des Rechtsmissbrauchs schon B. I. 2. c) sowie noch u. § 24 B. II. 1. 85 BGHZ 112, 9. 86 § 345 I 1 AktG a. F.: „Bei der Anmeldung hat der Vorstand zu erklären, daß die Verschmelzungsbeschlüsse innerhalb der Anfechtungsfrist nicht angefochten worden sind oder daß die Anfechtung rechtskräftig zurückgewiesen worden ist“.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
§§ 127 FGG a. F./381 FamFG.87 Das OLG Hamm hatte dagegen den Standpunkt vertreten, die Aussetzung des Eintragungsverfahrens nach dieser Vorschrift sei zwar regelmäßig die für alle Verfahrensbeteiligten sachgerechte Lösung. Wenn die Würdigung des Registergerichts ergebe, dass die Anfechtungsklage zweifelsfrei völlig aussichtslos erscheine, könne es allerdings auch die Eintragung verfügen.88 Der BGH folgte dem Letzteren, wobei er zu den Voraussetzungen für die Überwindung der Regelsperrwirkung des § 345 II AktG a. F. ausführte:89 „Auch § 345 II 1 AktG will nur den Aktionär davor schützen, vor einer Entscheidung der zuständigen streitigen Gerichtsbarkeit über seine Anfechtungsklage vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden, der mit einer solchen Klage möglicherweise Erfolg haben kann. Es steht mithin nichts dagegen, das Gesetz einschränkend dahin auszulegen, dass Klagen, die zweifelsfrei ohne Erfolgsaussicht sind, die Eintragung nicht hindern, so dass das Registergericht in solchen Fällen eintragen kann, wenn es dies insbesondere auch unter Berücksichtigung der mit einem weiteren Aufschub verbundenen Folgen für geboten erachtet. Dazu gehören zum einen Klagen, die von vornherein unschlüssig oder unbegründet sind. Des Weiteren hat der Senat auch an sich begründeten Anfechtungsklagen den Erfolg versagt, wenn sie mit dem Ziel erhoben werden, die Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die der klagende Aktionär keinen Anspruch hat und auch billigerweise nicht erheben kann. In den genannten Fällen wird die Eintragung trotz schwebender Anfechtungsklage vor allem dann in Betracht kommen, wenn die Rechtsmissbräuchlichkeit der Klage offensichtlich ist. Es lässt sich jedoch nicht von vornherein ausschließen, dass die Eintragung ausnahmsweise auch dann erfolgen kann, wenn der Rechtsmissbrauch durch entsprechende gerichtliche Ermittlungen unschwer feststellbar ist oder bereits zuvor in einem anderen Verfahren so eindeutig festgestellt worden ist, dass nach menschlichem Ermessen eine abweichende Würdigung durch die Prozessgerichte ausgeschlossen erscheint. (…) Eine weitere Einschränkung des durch § 345 II 1 AktG bezweckten Rechtsschutzes ist hingegen aus den oben dargelegten Gründen auf der Grundlage des geltenden Rechts nicht möglich. Hängt die Entscheidung über die Begründetheit der schwebenden Anfechtungsklage also von nicht zweifelfrei zu beantwortenden Rechtsfragen oder von der Bewertung von Tatsachen, insbesondere auch Beweisergebnissen ab, die bei der gebotenen zurückhaltenden Betrachtung unterschiedlicher Würdigung zugänglich sind, so hat die Eintragung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Anfechtungsrechtsstreits zu unterbleiben, selbst wenn damit für die beteiligten Unternehmen nicht unbeträchtliche wirtschaftliche Nachteile verbunden sind.“
Diese Ausführungen lassen zunächst erkennen, dass das Gericht im damaligen Registerverfahren vor allem den Rechtsmissbrauch der Klage als eigenständigen Eintragungsgrund verstanden sehen wollte. Weiter fällt auf, dass sich das Kriterium der „Offensichtlichkeit“ dabei allein in diesem Zusammenhang fin87 88 89
OLG Frankfurt WM 1990, 1372. OLG Hamm WM 1988, 943. BGHZ 112, 9, 23 ff. (Hervorhebungen durch den Verfasser).
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det und nicht mit Hinweis auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Von Bedeutung erscheint sodann, dass „Offensichtlichkeit“ nicht deswegen ausgeschlossen sein sollte, weil die notwendige Feststellung Ermittlungen erfordert. Der Begriff der „Offensichtlichkeit“ wird also nicht mit der Entbehrlichkeit von Ermittlungen gleichgesetzt, die Rechtsmissbräuchlichkeit muss dem Geschehen also „nicht auf der Stirn geschrieben“ stehen. Ermittlungen müssen lediglich „unschwer“ sein. Klärungsbedürftig erscheint das allerdings insoweit, als nach allgemeinen Regeln des Zivilverfahrens auch eine unter anfänglichen Schlüssigkeitsmängeln leidende Klage im Ergebnis durchgreifen kann. Dass bei der Sachprüfung prinzipiell weder eine Beweiserhebung noch eine Würdigung von Rechtsfragen ausgeschlossen sein sollte, ergibt sich aus den Ausführungen zu den vom Gericht gezogenen Grenzen der Eintragung: Für Rechtsfragen bestehen diese, wenn es keine „zweifelsfreie“ Beantwortung gibt, bei der Bewertung von Tatsachen, wenn Beweisergebnisse „bei der gebotenen zurückhaltenden Betrachtung unterschiedlicher Würdigung zugänglich sind“. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den zu entscheidenden Fall ließ der BGH erkennen, dass für die geforderte Zweifelsfreiheit dem Fehlen höchstrichterlicher Rechtsprechung – es ging um die Erstattung eines gemeinsamen Verschmelzungsberichts durch die Vorstände der beteiligten Unternehmen – entscheidende Bedeutung beizumessen ist. Im Fall führte dies dazu, dass eine Eintragung abgelehnt wurde. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze wäre im Beispiel (1) eine Freigabe abzulehnen, im Beispiel (2) hätte eine Beweisaufnahme zu erfolgen, die Richtschnur von BGHZ 112, 9 liegt insoweit zwischen den derzeit vertretenen Ansichten. II. Auswirkungen der widerstreitenden Ansätze 1. Unterschiede in der Methode der Erkenntnisfindung Entgegen teilweise zu findender Ansicht unterscheiden sich die genannten beiden Auslegungsvarianten des Offensichtlichkeitskriteriums nicht nur in der Prüfungstiefe, sondern auch in ihrem Bezugsgegenstand. So sucht das ältere Begriffsverständnis die Richtigkeitsgewähr der Freigabeentscheidung methodisch in einer Beschränkung der richterlichen Erkenntnisfindung. Die „Offensichtlichkeit“ kennzeichnet im Wesentlichen nichts anderes als eine Einschränkung des kognitiven Prozesses der richterlichen Prüfung. Raum für eine als „zweifelsfrei“ gesicherte Bewertung der Klage als unbegründet besteht danach allein bei sofortiger Erkennbarkeit, die Zweifelsfreiheit muss Folge der mit der Offensichtlichkeit umschriebenen Einfachheit des Erkenntnisprozesses sein.90 Insoweit ist zwar nicht ausgeschlossen, dass beide Positionen zu 90 Umgekehrt Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 116: Rechtliche Prüfung ist Reflex der Notwendigkeit eines besonders hohen Gewissheitsgrades.
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übereinstimmenden Ergebnissen gelangen,91 die Schnittmenge der Gemeinsamkeit ist allerdings u. U. gering oder vom Zufall abhängig. Bei Rechtsfragen endet sie jenseits des höchstrichterlich geklärten Bodens und bloßer Vertretbarkeit der Klägerposition. Bei Sachfragen bleibt sie jedenfalls hinter der summarischen Prüfung im einstweiligen Rechtsschutz zurück. Methodischer Bezugspunkt der sich als herrschend etablierenden Auffassung ist dagegen ein weitgehender Verzicht auf eine sachlogische Verbindung zwischen richterlicher Überzeugung vom Misserfolg der Klage und den Grundlagen dieser Feststellung. Deshalb gilt es zu ihrer Erlangung alle zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen, was für die Rechtslage stets deren umfassende Klärung erfordert.92 Weniger eindeutig bis widersprüchlich ist die Aufklärung des Sachverhalts. Einerseits soll eine Entscheidung nur zulässig sein, wenn sie ohne „weitere“ Aufklärung in der Sache erfolgen kann.93 Andererseits soll das Gericht verpflichtet sein, neben den rechtlichen „auch alle tatsächlichen Fragen zu prüfen, auch wenn die Beantwortung schwierig ist und deshalb eine gründliche Prüfung erfordert“94. Danach bedarf streitiges Parteivorbringen ebenfalls der Klärung,95 was beinhaltet, dass den Parteien mit richterlichem Hinweis Ergänzung zu weiterem Vorbringen zu geben ist. 2. Divergenzen in der Rechtsprechungspraxis In der Rechtsprechung scheinen für beide Positionen allerdings Schwierigkeiten einer konsequenten Umsetzung zu bestehen. Jedenfalls zeigt eine nähere Betrachtung der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechungspraxis vielfache Widersprüche: So vertritt das OLG Stuttgart96 mit der früheren Auffassung einerseits die Notwendigkeit der sofortigen Erkennbarkeit, nimmt aber in der Sache die differenzierte Prüfung einer streitigen, höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfrage vor.97 Ganz ähnlich gelangt das OLG Schleswig98 zur Aussage, eine zweifelhafte Rechtsfrage müsse im Grundsatz der höchstrichterlichen Entscheidung zugeführt werden, um diese anschließend durch 91 A. A. LG Darmstadt AG 2006, 127, 128, das davon ausgeht, beide würden in der Regel zu übereinstimmenden Ergebnissen führen. 92 OLG Hamburg AG 2005, 253, 254; OLG Düsseldorf AG 2004, 207 unter Berufung auf die Grundsätze des einstweiligen Rechtsschutzes. 93 So noch die Formulierung von OLG Hamm AG 1999, 422; Brandner/Bergmann, in FS Bezzenberger (2000), S. 59, 68. 94 OLG Hamburg AG 2005, 253, 254; ähnl. bereits OLG Düsseldorf AG 2004, 207 m. zust. Anm. Sustmann, EWiR 2004, 467, 469. 95 So auch Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 16 Rn. 58; unklar Brandner/Bergmann, in FS Bezzenberger (2000), S. 59, 68. 96 OLG Stuttgart AG 1997, 138. 97 Konsequent gegen offensichtliche Unbegründetheit in einem solchen Fall dagegen OLG Karlsruhe EWiR 1998, 469. 98 OLG Schleswig ZIP 2007, 2162, 2163.
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die Feststellung, dass ein Sonderbeschluss der Vorzugsaktionäre für die streitgegenständliche Maßnahme nicht erforderlich sei, selbst zu entscheiden.99 Das OLG Düsseldorf befasst sich im Freigabeverfahren mit dem Umfang der beim Formwechsel vom (zukünftigen) Kommanditisten hinzunehmenden rechtsformbedingten Änderungen,100 geklärt wurde die Thematik im Wesentlichen aber erst später durch den BGH.101Ähnlich weit und unter Verzicht auf höchstrichterliche Klärung wagen sich die OLG Hamm und Düsseldorf102 in anderen Entscheidungen vor.103 Auch haben die Fachgerichte bereits vor der Klärung durch das BVerfG durchweg die Grundgesetz-Konformität des Squeeze Outs für das Freigabeverfahren unterstellt,104 was angesichts der dazu geführten Kontroverse in der Lehre keinesfalls selbstverständlich war.105 Insgesamt lässt sich in der Rechtsprechung eine unabhängig vom Verständnis des Offensichtlichkeitskriteriums bestehende Bereitschaft erkennen, Rechtsfragen ungeachtet ihrer höchstrichterlichen Klärung und Vertretbarkeit der Klägerposition schon im Freigabeverfahren zu entscheiden. Trotz dem Bekenntnis zu einer größeren Prüfungstiefe verhält es sich anders mit streitigen Tatsachenfeststellungen. Eine Glaubhaftmachung streitigen Sachvortrags unter Verwendung anderer Beweismittel als der Versicherung an Eides statt erfolgt praktisch nicht.106 Der Rahmen für die Beweiserheblichkeit wird dabei so eng wie möglich gehalten. So bejaht etwa das OLG Schleswig107in Anwendung der eine nachhaltige Prüfung fordernden Auffassung zunächst die Notwendigkeit der vom Beschwerdeführer geforderten Beweiserhebung, um sodann auf eine rechtliche Argumentation auszuweichen, die zur Unerheblichkeit der streitigen Beweistatsache führt. Wo auch das schwerlich vertretbar erscheint, gelangen die meisten Senate zu einem non liquet und tendieren zur Freigabe wegen überwiegenden Vollzugsinteresses.108 Im Ergebnis unter-
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Zur weiteren Befassung mit der Begründung sodann OLG Schleswig a. a. O. S. 2164. OLG Düsseldorf AG 2002, 47, 48 ff. 101 Vgl. BGH ZIP 2005, 1318. 102 OLG Hamm AG 2005, 361; OLG Düsseldorf ZIP 99, 793; OLG Düsseldorf DB 2006, 2223. 103 Zu den Anforderungen an den Verschmelzungsbericht, dazu jetzt BGH BB 2007, 1979; Zur Rechtsstellung der Aktionäre nach Formwechsel in der KG und zur fehlenden Sondervorteilseigenschaft von Steuervorteilen jetzt BGH AG 2005, 613. 104 Vgl. LG Osnabrück AG 2002, 527; OLG Hamburg AG 2003, 696; AG 2005, 253; OLG Köln AG 2004, 105, 108; OLG Düsseldorf AG 2004, 207; OLG Hamm ZIP 2006, 133. 105 Vgl. nur Aha, BB 2003, 2310; Armbrüster, ZGR 2006, 683; Böckenförde, NZW 2009, 2484 („Die getarnte Enteignung“); Bungert, BB 2007, 1518; Fleischer/Schoppe, Der Konzern 2006, 329; Grunewald, NZG 2009, 332; Meilicke, AG 2007, 261; monographisch Bieder, Das ungeschriebene Verhältnismäßigkeitsprinzip als Schranke privater Rechtsausübung (2007), § 10 II 2 f. 106 Ausnahme OLG München AG 2010, 715, 716. 107 OLG Schleswig ZIP 2007, 2162, 2164. 108 Vgl. dazu § 4 B II 3 u. D. 100
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
bleibt damit regelmäßig eine – annähernd als vollständig zu bezeichnende – Sachprüfung.109 III. Zusammenfassung und Folgerungen für die weitere Untersuchung 1. Mit Blick auf die Erfolgsaussichten der Klage unterscheiden die FreigabeRegelungen zwischen der Unzulässigkeit und der offensichtlichen Unbegründetheit der Klage. Die Unzulässigkeit der Klage ist nach allgemeinen Grundsätzen zu prüfen. Eine Beschränkung auf offensichtliche Mängel wie bei der Begründetheit der Klage erfolgt nicht. Es gelten die allgemeinen Regeln der ZPO über die Prüfung der Sachurteilsvoraussetzungen von Amts wegen. Maßgeblicher Zeitpunkt der Zulässigkeitsprüfung ist bei behebbaren Mängeln nicht die mündliche Verhandlung der Freigabeentscheidung, da dem Kläger Gelegenheit zur Behebung des Zulässigkeitsmangels im Hauptsacheverfahren gegeben werden muss. Praktische Bedeutung erlangt hat die Unzulässigkeit der Klage so gut wie keine. 2. Zur Bedeutung des Tatbestandsmerkmals der offensichtlichen Unbegründetheit der Klage bestehen in Rechtsprechung und Lehre nach wie vor unterschiedliche Auffassungen. Als gesichert darf gelten, dass der Begriff nicht mit dem der Rechtsmissbräuchlichkeit gleichzusetzen ist. Darüber hinaus bleibt unklar, ob hierin eine Einschränkung der Sachprüfung liegt, was herkömmlicherweise bejaht wurde, nunmehr überwiegend aber abgelehnt wird. Die Bedeutung des Offensichtlichkeitskriteriums liegt vor allem darin, dass damit der Umfang vorgegeben wird, in dem im Freigabeverfahren der Beschlussmängelstreit in der Sache zu entscheiden ist.110 Bevor auf die Auslegung des Offensichtlichkeits-Kriteriums zurückzukommen sein wird111, stellt sich angesichts des häufigen Ausweichens auf die Interessenabwägung allerdings die Frage, ob und welche Bedeutung dies im Rahmen des Freigabeverfahrens überhaupt zukommt.
109 Diese Beobachtung entspricht vor allem einer nach Erlass des UMAG häufigen Praxis. Nach dem ARUG zeigt sich dagegen zumindest von Seiten einzelner Oberlandesgerichte die Neigung zu einer ausführlichen Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage und damit der Streitentscheidung im Freigabeverfahren, vgl. exemplarisch OLG München GWR 2011, 363; OLG München ZIP 2011, 1147; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 2.12.2010, 5 Sch 3/10 (nicht veröffentlicht). 110 Vgl. zum Bekenntnis zur Aufgabe der richterlichen Streitentscheidung im Freigabeverfahren OLG Hamburg AG 2003, 696. 111 S. u. § 24 B.
§ 4 Interessenabwägung
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§ 4 Interessenabwägung Die mangelnde Erfolgsaussicht der Klage bildete nach der Hypothekenbankschwestern-Rechtsprechung des BGH112 die alleinige Grundlage für die Handelsregistereintragung vor Entscheidung der Hauptsache. Auch der Referentenentwurf des UmwBerG beschränkte sich hierauf. Eine Abwägungsklausel war nicht vorgesehen und fand erst im Regierungsentwurf Eingang in die gesetzliche Regelung.113 Dem war Kritik von Seiten der Lehre vorausgegangen, man könne sich über die Aussichten einer Anfechtungsklage oft kein Bild machen.114 Die bisherigen Fälle in der Rechtsprechung hätten gezeigt, dass es im anfechtungsrelevanten Bereich, etwa des Verschmelzungsrechts, kaum Rechtsfragen gäbe, die von vornherein klar und sicher zu beantworten seien.115 Diese Einschätzung bezog sich zwar auf die Entscheidungssituation des Registerrichters und die damit verbundenen Einschränkungen. Gleichwohl folgte der Gesetzgeber auch für das vor dem Prozessgericht durchzuführende Freigabeverfahren der Eingabe, die Eintragung neben den materiell-rechtlichen Tatbestandsalternativen der Unzulässigkeit und offensichtlichen Unbegründetheit der Klage zugleich wegen eines überwiegenden Vollzugsinteresses zu ermöglichen. In der Folgezeit wurde die Abwägungsklausel in unveränderter Form in alle Vorabentscheidungsverfahren übernommen. Die UMAGMaterialien zu § 246a AktG nahmen dies zum Anlass, die Interessenabwägung ausdrücklich als „wesentlich bedeutsamer“ als die Feststellung der Unbegründetheit der Klage zu bezeichnen.116 Ausgehend davon hat die gesetzliche Regelung zuletzt Änderungen erfahren. Nach der Fassung des UMAG (vgl. noch §§ 16 III 1 UmwG, 246a II, 319 VI 1, 327e II AktG) erfolgte die Freigabe, „wenn das alsbaldige Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses nach freier Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung der Schwere der mit der Klage geltend gemachten Rechtsverletzungen zur Abwendung der vom Antragsteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre vorrangig erscheint“.117
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BGHZ 112, 9; dazu soeben unter § 3 B. I. 3. Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 16 Rn. 65; entsprechende Forderungen waren ausgegangen von Bork, ZGR 1993, 343, 363; Hoffmann-Becking, in IDW (Hrsg.), Reform des Umwandlungsrechts, S. 61; dort auch Röhricht, S. 64, 71 f.; Timm/Schick, DB 1990, 1221, 1222. 114 Kiem, AG 1992, 430, 432; Zöllner, in KölnKomm AktG, § 243 Rn. 44; ähnlich auch die seinerzeitige Kritik von K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 28 IV (S. 726); vgl. auch Lutter, EWiR 1990, 851, 852 und aus dem neueren Schrifttum Schulte, ZIP 2010, 1166, 1167. 115 Lutter, EWiR 1990, 851, 852. 116 BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 29. 117 Vgl. § 246a II 1 3. Alt. AktG; entsprechend zum Umwandlungsrecht § 16 III 2 3. Alt. UmwG, zu Eingliederung und Squeeze Out §§ 319 VI 2 3. Alt., 327e II AktG. 113
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
Das ARUG hat die Abwägungsklausel in der Weise neu gefasst, dass die Freigabe erfolgt, „wenn das alsbaldige Wirksamwerden der Verschmelzung vorrangig erscheint, weil die vom Antragsteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger und ihre Anteilsinhaber nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Antragsgegner überwiegen, es sei denn, es liegt eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes vor.“
Nach Ausführungen der Regierungsbegründung sollten damit die Grundgedanken der amtlichen Begründung zu § 246a AktG i. d. F. des UMAG in das positive Recht übernommen werden, um Unklarheiten über deren Auslegung abzuhelfen.118 Ein grundlegender Paradigmenwechsel soll sich mit der erneuten Fortschreibung der Abwägungsklausel nicht verbinden119 (vgl. noch die schon von der a. F. vorgegebenen Formulierung, wonach die Abwägung „unter Berücksichtigung der Schwere der Rechtsverletzung“ stattzufinden hatte), weswegen Rechtsprechung und Literatur zur vorherigen Fassung von Bedeutung bleiben.120 Dennoch fragt sich, ob mit dem ARUG eine Rechtslage geschaffen wird, bei der ein effektiver Rechtsschutz zugunsten des Aktionärs noch besteht. Zur Betrachtung von Regelungssystematik und Methodik der Klausel sei auch hier ein Fallbeispiel vorangestellt: Beispiel121: H hält 90% der Aktien an der A-AG. Er überträgt sie auf die G-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter er wird. Die G begibt eine Anleihe von 270 Mio. €, von denen sie 180 Mio. € als Sonderdividende an H ausschüttet. Ob die A für die Anleihe Sicherheiten bestellt hat ist streitig. Anschließend wird die A auf die jetzt erheblich höher verschuldete und inzwischen zur AG umgewandelte G verschmolzen. Der durch die Ausschüttung entstandene Refinanzierungsbedarf soll durch deren Börsengang gedeckt werden. Gegen die von X gegen den Verschmelzungsbeschluss erhobene Anfechtungsklage geht die A im Wege des § 16 III UmwG vor und macht geltend, aus einer Verschiebung des Börsengangs würden der G erhebliche Nachteile entstehen. X bestreitet u. a. die Absicht des Börsengangs. Außerdem habe die G das Freigabeverfahren erst vier Monate nach Erhebung der Anfechtungsklage erhoben.
Im Folgenden sollen zunächst die Regelungsstruktur und die, das Aufschubund Vollzugsinteresse bestimmenden, Elemente untersucht werden. Sodann ist der Frage nachzugehen, wie man sich das Verhältnis von Interessenabwägung und Erfolgsaussichten der Klage vorzustellen hat. Insoweit sei vorausgeschickt, dass nach der amtlichen Begründung zu § 246a AktG i. d. F. des UMAG auch bei zweifelsfrei begründeter Unwirksamkeitsklage Raum für eine zur Freigabe führende Interessenabwägung zugunsten der Gesellschaft 118
BegrRegE BT-Drucks. 16/11642 S. 41. So auch Hüffer, AktG, § 246a Rn. 21. 120 Aufschlussreich insoweit die identische Prüfungsfolge der Entscheidung LG Frankfurt NZG 2009, 1066 (zum alten Recht) und AG 2010, 842 (zur Abwägung nach dem ARUG). 121 Vereinfacht nach OLG Hamm AG 2011, 624 und OLG München ZIP 2010, 84. 119
§ 4 Interessenabwägung
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bestehen, das Prozessgericht sich also über alle formellen und materiellen Mängel der Anmeldung und des angefochtenen Beschlusses „nach freier Überzeugung“ hinwegsetzen können soll.122
A. Regelungsstruktur der Abwägungsklausel Sowohl der ursprünglichen Fassung wie der, ihr durch das ARUG verliehenen, Fassung lässt sich ein zweistufiger Aufbau der Abwägungsklausel entnehmen.123 Auf der ersten Stufe soll das Interesse der Gesellschaft am alsbaldigen Wirksamwerden des Beschlusses den Nachteilen gegenübergestellt werden, die dem klagenden Aktionär als Antragsgegner bei einer Freigabe drohen. Fällt diese Abwägung zugunsten der Gesellschaft aus, bedarf es auf zweiter Stufe der Prüfung, ob der mit der Klage gerügte Rechtsverstoß wegen seiner besonderen Schwere der Freigabe entgegensteht. Im Zusammenhang mit der Regelungssystematik wird darauf hingewiesen, dass es sich hierbei nicht um eine sachlogisch zwingend vorgegebene Prüfungsreihenfolge handelt. Da es sich bei der vom Gesetz geforderten Analyse und Gewichtung der den Parteien drohenden Nachteile um eine außerhalb des originären Tätigkeitsfelds des Gerichts liegende Aufgabe handele, läge es nahe, mit der Prüfung der besonderen Schwere des Rechtsverstoßes zu beginnen.124 Nur wenn dieser nicht feststellbar sei, bestehe Raum für eine Nachteilsabwägung, die folglich gänzlich zu unterbleiben habe, wenn dieser angenommen würde.125 Daran trifft zu, dass es aus verfahrensökonomischer Sicht vorteilhaft sein kann, mit der Schwere der Rechtsverletzung zu beginnen. Andererseits ist die Abfolge von Abwägung und Prüfung der Schwere des Rechtsverstoßes als Regel-Ausnahme-Verhältnis im Gesetzeswortlaut angelegt. Eine Fokussierung auf die Schwere der Rechtsverletzung verstellt zudem den Blick darauf, dass die Gesellschaft zunächst überhaupt einmal wesentliche Nachteile einer Aussetzung des Beschlussvollzugs darzulegen hat, die – wie auch das Fallbeispiel zeigt – durchaus streitig sein können.126 Schließlich lässt sich der Vorwurf einer besonderen Schwere des Rechtsverstoßes auch nicht stets von den Vollzugsinteressen trennen. Das schließt zwar nicht aus, dass ein überwiegendes Vollzugsinteresse bei offensichtlich schwerwiegender Rechtsverletzung sogleich zu 122
BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 29. Im Anschluss an die Erläuterungen in BegrRegE, BT-Drucks. 16/11642 S. 41 allg. Meinung; vgl. Göz, in Bürgers/Körber, AktG, § 246a Rn. 4; Drescher, in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 246a Akt, Rn. 8; Enders/Ruttmann, ZIP 2010, 2280, 2281; Sauter, ZIP 2008, 1706, 1712; in der Sache auch Hüffer, AktG, § 246a Rn. 22; Seibert/Florstedt, ZIP 2008, 2145, 2152; Singhof, in Spindler/Stilz, AktG, § 319 Rn. 4.; OLG Frankfurt Beschl. v. 11.4.2011 – 5 Sch 4/10. 124 Enders/Ruttmann, ZIP 2010, 2280, 2281. 125 Vgl. Rubel, DB 2009, 2027, 2029. 126 Vgl. dazu auch Enders/Ruttmann, ZIP 2010, 2280, 2281. 123
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
verneinen ist,127 im Grundsatz dürfte aber die in der Regelungssystematik angelegte Prüfungsreihenfolge vorzuziehen sein. Demgemäß ist stets mit der Abwägung im engeren Sinne zu beginnen.
B. Abwägungsentscheidung Für die damit vorrangige Abwägungsentscheidung sind im Wesentlichen zwei Fragen von Bedeutung: Erstens, welche Interessen auf Seiten der Beteiligten einzubeziehen sind und zweitens wie sich die Gewichtung, also die Abwägung im engeren Sinne, gestalten kann. Die gesetzliche Regelung schweigt zu beidem.128 Dem Wortlaut ist nur zu entnehmen, dass der Nachteil auf Seiten der Gesellschaft wesentlich sein muss, wohingegen es für den Kläger an einer derartigen Bewertung fehlt.129 I. Wesentliche Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre 1. Verzögerungsbedingte Nachteile Hinsichtlich der vom Gesetz zur Begründung des Vollzugsinteresses geforderten wesentlichen Nachteile nennt die Regierungsbegründung zum UmwBerG (im Zusammenhang mit Verschmelzungen) „solche, denen im Hinblick auf die durch die Verschmelzung beabsichtigten Vorteile einiges Gewicht zukommt“. Ziel der Formulierung sei, sicherzustellen, „dass für diese Nachteile nicht nur die wirtschaftlichen Überlegungen der jeweiligen Unternehmensleitung, sondern auch die Auswirkungen der Verzögerung der Verschmelzung auf die Anteilsinhaber maßgebend sind.“130 Gemeint sind damit im Kern zunächst verzögerungsbedingte Nutzenseffekte wirtschaftlicher Art.131 Diese können unmittelbarer wie mittelbarer Art sein und drücken sich regelmäßig in Form der Gesellschaft entgehender Vorteile aus. a) Umwandlungsrechtliche Maßnahmen Der Schwerpunkt bei den umwandlungsrechtlichen Maßnahmen liegt in der Praxis bei Verschmelzungen. Als wesentliche Nachteile i. S. v. § 16 III UmwG wurden in der Rechtsprechung dabei eingestuft: 127
So OLG München AG 2010, 842, 843, wegen Nichtzulassung des Klägers als herrschendem Aktionär zur Hauptversammlung. 128 Vgl. Enders/Ruttmann, ZIP 2010, 2280, 2282; Wilsing/Saß, DB 2011, 919, 924. 129 Auch für den Kläger die Wesentlichkeit des Nachteils voraussetzend aber OLG Hamm AG 2011, 624. 130 BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 89; vgl. dagegen die Betonung der Einschätzungsprärogative der Unternehmensleitung bei OLG Frankfurt a. M. AG 2006, 249, 257 f. 131 Vgl. zur Bezugnahme auf wirtschaftliche Interessen der Gesellschaft OLG Hamm AG 2011, 624, 625; AG 2011, 136, 138f.; KG AG 2010, 494; S. auch BegrRegE, BT-Drucks. 16/ 11642, S. 41; zur Berücksichtigung nicht verzögerungsbedingter, sondern aufgrund der Nichtigerklärung drohender Nachteile sogleich u. 6.
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Unmöglichkeit der Vollziehung nach einem bestimmten Zeitpunkt132 Drohende Insolvenz und Gefährdung von Sanierungsvorhaben133 Ausbleibende Synergie- und Rationalisierungseffekte134 Zinsverluste135 Zinsbelastungen136 Verlust von Geschäftschancen137 Schlechtere Veräußerbarkeit der Aktien durch Aktionäre138 Verlust von Steuervorteilen des Mehrheitsaktionärs oder der Gesellschaft139 Verunsicherung von Mitarbeitern und Abwanderung qualifizierten Personals140 – Verschlechterung der Wettbewerbsposition durch Verunsicherung von Geschäftspartnern und Ansehensverlust141 – Gefährdung oder Scheitern des geplanten Börsengangs142 – Attraktivität der Aktien durch infolge der Verschmelzung eintretende Senkung der Eigenkapitalquote143 – – – – – – – – –
Teile des Schrifttums lehnen die Einordnung nicht oder nur schwer bezifferbarer Folgen, wie etwa Marktirritationen oder Imagebeeinträchtigungen, als wesentliche Nachteile ab.144 Die gesetzliche Regelung und die Materialien schließen die Einbeziehung solcher mittelbarer wirtschaftlichen Folgen jedoch 132
OLG Hamm AG 2011, 624, 625 (geplanter Börsengang). OLG Nürnberg AG 1996, 229, 230: OLG Hamm AG 2005, 361, 364. 134 LG Essen NZG 1999, 556; OLG Düsseldorf ZIP 1999, 793, 798 (GrunderwerbssteuerMehrzahlung wegen zukünftiger Gesetzesänderung; Verkürzung der Anzahl von Vorstandsund Aufsichtsratsmitgliedern, Werbeaufwand); zu Letzterem auch OLG Hamm AG 2011, 624, 626; i. Ü. jeweils ohne nähere Spezifizierung in der Begründung OLG Stuttgart AG 2003, 456, 460; OLG Hamm AG 2005, 361, 364; LG Darmstadt AG 2006, 249, 256. 135 OLG Frankfurt a. M. ZIP 1996, 379, 381; LG Berlin Der Konzern 2003, 484, 494; OLG Jena DB 2006, 2335, 2341. 136 LG Berlin Der Konzern 2003, 484, 495; OLG Hamm AG 2011, 624, 625. 137 OLG Frankfurt a. M. AG 3003, 573, 575. 138 OLG Hamm AG 2011, 624. 139 OLG Düsseldorf AG 2002, 47, 49 (Verlust von Steuervorteilen des Mehrheitsgesellschafters); OLG Frankfurt a. M. ZIP 1996, 379, 381 (keine Verlustvortragsmöglichkeit für das Jahr der Beschlussfassung für die Gesellschaft); OLG Hamm AG 2011, 624, 625 f. (geringere Ertragssteuern durch Verschmelzung); Zurückhaltung dagegen bei LG Wiesbaden DB 1997, 671; vgl. auch OLG Frankfurt a. M. ZIP 1997, 1291, 1292. 140 OLG Hamm AG 2005, 361, 364; zust. im Grundsatz auch OLG München AG 2005, 407, 408. 141 OLG Düsseldorf ZIP 1999, 793, 798; LG Duisburg NZG 1999, 564. 142 OLG Hamm AG 2011, 624, 625. 143 OLG Hamm AG 2011, 624, 625. 144 Vgl. Noack, ZHR 164 (2000), 274, 284, der von „weichen Faktoren“ spricht; ähnlich wohl auch Kösters, WM 2000, 1921, 1926 f., der zwar alle Nachteile in die Betrachtung miteinbeziehen will, dies aber nur, wenn das Gericht von ihrem tatsächlichen Eintreten überzeugt ist; zurückhaltend jetzt auch OLG Hamm AG 2011, 624, 625 (allenfalls geringes Gewicht im Rahmen der Abwägung). 133
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nicht von vornherein aus. Im Schrifttum wird die Wesentlichkeit des Nachteils teilweise im Zusammenhang mit der Art der freizugebenden Maßnahme gesehen.145 So sei das Vorliegen wesentlicher Nachteile am ehesten bei einer Verschmelzung, sodann bei einer Eingliederung, danach bei einer Spaltung und am schwersten beim Formwechsel darzulegen.146 Teilweise wird auf die Auswirkungen auf den Unternehmenswert abgestellt, also die Situation mit und ohne die Durchführung der Maßnahme verglichen. Wesentlichkeit soll bei einer negativen Beeinflussung des Unternehmenswerts von 10 bis 20% anzunehmen sein.147 Andere stellen auf die Beeinträchtigung des Unternehmenserfolgs ab. Maßgeblich soll das Verhältnis zwischen hypothetischem Geschäftsergebnis bei sofortiger und bei verzögerter Verschmelzung sein.148 Die Rechtsprechung hat dahingehend zwar teilweise eine genaue Bezifferung der Nachteile149 oder sogar eine Unternehmensbewertung150 gefordert, hieran aber nicht konsequent festgehalten und auch keine weiteren Regeln aufgestellt.151 b) Aktienrechtliche Maßnahmen Bei den freigaberelevanten aktienrechtlichen Beschlüssen ist die Berücksichtigung von Kosten einer Hauptversammlung, die dadurch entstehen, dass die Eintragung einer Eingliederung nach § 319 AktG durch die Klage verzögert wird, umstritten. Das OLG Frankfurt a. M. hält dies für die Begründung eines wesentlichen Nachteils für unzureichend, anders entscheidet das OLG Hamm.152 Bei Kapitalmaßnahmen ohne Weiteres bejaht wird ein wesentlicher Nachteil wegen der, bei ihrem Scheitern drohenden, Insolvenz.153 Bei Unternehmensverträgen wird wie bei Verschmelzungen vor allem mit den (entgehenden) Synergieeffekten und Steuervorteilen argumentiert.154 2. Darlegungsanforderungen Unabhängig von der Berücksichtigungsfähigkeit sind die Anforderungen an die Darlegung der nachteilsbegründenden Umstände regelmäßig fraglich. 145
Decher, AG 1997, 388, 392 f.; vgl. auch Sosnitza, NZG 1999, 965, 971; Stratz, in Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 16 Rn. 68. 146 Decher, AG 1997, 388, 392. 147 Schwarz, in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 16 Rn. 26.5.1 bezogen auf die kumulierten Vermögenswerte bei der Verschmelzung; abl. Decher, AG 1997, 388, 392; Kösters, WM 2000, 1921, 1927. 148 Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 134. 149 LG Hanau ZIP 1995, 1820, 1821. 150 OLG Stuttgart ZIP 1997, 75, 77. 151 Vgl. zur unterschiedlichen Praxis in Hinblick auf die Darlegungslast sogleich u. 2 u. C. IV. 152 Dagegen OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 11.4.2011 – 5 Sch 4/10 (Kosten 100 000 €), wobei nicht klar wird, ob hier (auch) deren unzureichende Substantiierung ausschlaggebend war; dafür OLG Hamm, AG 2011, 136, 138 (Kosten 200 000 €). 153 Vgl. die Doppelbeschlüsse des KG AG 2010, 494 f. u. 497, 498 f. 154 Zu beidem OLG Düsseldorf AG 2009, 538 f.; OLG Frankfurt AG 2009, 203.
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Weitgehender Konsens herrscht in Rechtsprechung und Schrifttum noch dahingehend, dass die pauschale Behauptung des Entstehens hoher Kosten im Falle der Verzögerung der Eintragung für die Begründung eines wesentlichen Nachteils nicht ausreicht.155 Genauere Leitlinien lassen sich allerdings bislang nicht erkennen. So erwarten einige Oberlandesgerichte über die Nennung der allgemein durch die Verzögerung der Eintragung entstehenden Nachteile hinaus so gut wie keine fallspezifischen Darlegungen,156 wohingegen andere konkreten Sachvortrag fordern.157 In der Konsequenz nähern sich beide Verfahrensweisen jedoch weitgehend an, weil auch diejenigen Gerichte, welche einen höheren Grad an Substantiierung fordern, im Rahmen der Glaubhaftmachung allenfalls geringen Bezug zum Einzelfall voraussetzen158 und hierbei nahezu einschränkungslos die Versicherung an Eides Statt zulassen (§ 294 II ZPO),159 auf Erfahrungssätze abstellen,160 bzw. sogar einen Beweisverzicht wegen Offenkundigkeit zulassen (§ 291 ZPO).161 Ausnahmen bestätigen die Regel, doch lässt sich auch hier keinesfalls von einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung sprechen.162 So steht auch das OLG Hamm der im Fallbeispiel erhobenen Behauptung des beabsichtigten Börsengangs wohlwollend gegenüber, indem es ihr allein aufgrund einer – der Anfechtungsklage nachfolgenden (!) – Absichtserklärung des Vorstands zur künftigen Unternehmensstrategie Glauben schenkt.163 3. Unbeachtlichkeit von Gestaltungsalternativen Obwohl der Nachteil sich nach dem oben Gesagten als entgangener Vorteil darstellt, soll es nach überwiegender Auffassung nicht darauf ankommen, dass 155 OLG Frankfurt a. M. ZIP 1997, 1291, 1292; LG Hanau ZIP 1995, 1820, 1821; so auch Kösters, WM 2000, 1921, 1927; Fuhrmann/Linnerz, ZIP 2004, 2306, 2310 f. 156 Vgl. etwa OLG Düsseldorf ZIP 1999, 793, 798 („Verlust von Synergieeffekten liegt (…) ohne nähere Darlegung auf der Hand“); vgl. zum Bemühen um Schlüssigkeit der Nachteilsbegründung auch OLG Hamm AG 2011, 624, 625, wo die (vorgetragene) Veräußerbarkeit der Aktien nach Verschmelzung zwar nicht nachvollzogen wird, dafür aber i. S. e. erhöhten Fungibilität zugunsten der Gesellschaft gewertet wird. 157 OLG München AG 2005, 407, 408; AG 2006, 296, 297; LG Darmstadt AG 2006, 127, 132; OLG Karlsruhe EWiR 1998, 469 m. zust. Anm. Bayer. 158 Anders wohl OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 11.4.2011 – 5 Sch 4/10. 159 LG Heilbronn EWiR 1997, 43 (Versicherung an Eides Statt über die eigenen wirtschaftlichen Prognosen über die positiven Auswirkungen der Ausgliederung), mit abl. Anm. Bayer/ Schmitz-Riol, a. a. O.; OLG Düsseldorf ZIP 1999, 793, 798 (zur Vorgehensweise der Ermittlung von Synergievorteilen – Sachverständigenfrage?), ebenso OLG Hamm AG 2005, 361, 364; vgl. auch OLG Jena DB 2006, 2335, 2341 (Versicherung an Eides Statt zu Kostenvorteilen, Zinsverlusten); LG Darmstadt AG 2006, 249, 256 (Versicherung an Eides Statt zu Markterwartungen). 160 OLG Nürnberg AG 1996, 229, 230. 161 LG Darmstadt AG 2006, 249, 256 (zu sinkender Mitarbeitermotivation). 162 Vgl. insbesondere OLG Hamm AG 2011, 624, 626 mit einseitig zugunsten der Gesellschaft vorgenommener Zeugenvernehmung. 163 OLG Hamm AG 2011, 624, 625.
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sich die Vorteile der Maßnahme auch auf anderem Wege, d. h. durch die Verwendung anderer rechtlicher Strukturierungsmittel, erzielen ließen.164 Die unternehmerische Grundentscheidung sei in der gewählten Form als solche zu respektieren und nicht zugunsten der Aktionäre als Nachteil in die Abwägung einzubeziehen.165 Zudem trage der Beschluss die sachliche Rechtfertigung in sich, weil die gewählte Maßnahme in der gesetzlichen Regelung enthalten sei.166 Danach ist es also nicht von Belang, ob sich die angeführten Nachteile ggf. als nur vorübergehend auch auf andere Art und Weise bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vermeiden ließen. So hat es das KG etwa als unschädlich angesehen, dass eine Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss vorgenommen wurde, obwohl die wirtschaftlichen Ziele auch bei einer Barkapitalerhöhung mit Bezugsrecht hätten erreicht werden können.167 Das OLG Hamm lässt im Beispielsfall als Einwand gegen die Verschmelzung nicht gelten, dass ein geplanter Börsengang unabhängig von ihr erfolgen könne.168 Desgleichen hat man bisher auch nicht erwogen, ob die Gesellschaft oder den die Maßnahme betreibenden herrschenden Aktionär Obliegenheiten treffen könnten, die negativen Folgen einer Beschlussmängelklage zu vermeiden. Eine solche könnte beispielsweise eine frühe Terminierung der Beschlussfassung sein, die dem damit befassten Gericht in der ersten Instanz Gelegenheit zur Sachentscheidung oder notwendigen Beweiserhebung noch im laufenden Jahr bzw. anderer maßgeblicher Bemessungszeiträume gäbe. Hierdurch ließen sich die häufig vorgebrachten steuerlichen Nachteile beseitigen. Ebenfalls keinen Anklang gefunden hat bisher auch der Vorschlag, mit der Abwägung im Freigabeverfahren bis zum Abschluss einer erforderlichen Beweisaufnahme zuzuwarten.169 Unbeachtlich soll – auch das zeigt der Ausgangsfall – zudem sein, ob die Unternehmensleitung die mit der Strukturmaßnahme zu bewältigenden Nachteile zuvor selbst herbeigeführt hat.170 4. Maßgebliche Interessensträger Entscheidend für die Abwägung ist nicht die isolierte Bewertung des einzelnen Nachteils. Vielmehr hat eine Gesamtschau aller in Betracht kommender Umstände zu erfolgen. Die Einstufung kann sich also aus der Summe der ein164 OLG Düsseldorf ZIP 1999, 793, 798; AG 2002, 49, 51; OLG Stuttgart AG 1997, 138, 139; Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 21; a. A. (obiter) OLG Stuttgart AG 2003, 456, 460; Kösters, WM 2000, 1921, 1928; für möglich hält dies auch Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 134; ebenso Stratz, in Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 16 Rn. 70; vgl. auch BGHZ 80, 69, 74 f. 165 OLG Stuttgart AG 2003, 456, 460; OLG Hamm AG 2005, 361, 364; 2011, 624, 626; OLG Thüringen AG 2009, 788, 789. Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 22. 166 OLG Stuttgart AG 2003, 456, 460. 167 KG AG 2007, 359, 360. 168 OLG Hamm AG 2011, 624, 625. 169 Kösters, WM 2000, 1921, 1926 ff. 170 OLG Hamm AG 2011, 624, 625.
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zelnen Nachteile ergeben. Insoweit fragt sich, ob diese auch unterschiedliche Adressaten betreffen können und eine Bestandsaufnahme gestattet ist, die erlaubt, Nachteile erst im Wege einer quantitativen Gesamtbetrachtung als wesentlich zu bezeichnen. Die einzelnen Freigaberegelungen unterscheiden sich im Punkt der zu berücksichtigenden Interessenträger wie folgt: a) Umwandlungsrecht § 16 III UmwG stellt nicht allein auf die Belange der Gesellschaft ab. Es sind ausdrücklich auch diejenigen Nachteile in Betracht zu ziehen, die bei den „beteiligten Rechtsträgern und ihren Anteilsinhabern“ eintreten können (vgl. § 16 III 2 3. Alt. UmwG). Die Rechtsprechung macht hiervon Gebrauch, indem sie eine Abwägung auch allein zugunsten des Hauptaktionärs und zwar sogar zu Lasten der Gesellschaft zulässt:171 „Denn die Gesellschaft dient den Gesellschaftern dazu, persönliche Vorteile zu erzielen, insbesondere Gewinn. Dabei sei gleichgültig, auf welchem Wege dieser Gewinn erzielt wird. (…) Weiter fällt auch hier ins Gewicht, dass der Gesetzgeber sich entschlossen hat, die Entscheidung zur Umwandlung als unternehmerischen Akt ungeprüft hinzunehmen und deshalb die Zulässigkeit der Umwandlung nicht von einer inhaltlichen Überprüfung abhängig macht. Die Frage ob die Umwandlung für die Gesellschaft zweckmäßig oder vorteilhaft ist, entzieht sich damit einer Überprüfung. Würde man fordern, dass die (…) Nachteile neben ihren Anteilsinhabern auch die Gesellschaft treffen müssen, müsste mittelbar doch wieder (…) eine Zweckmäßigkeitskontrolle erfolgen.“
Im Ergebnis genügt insoweit, dass Nachteile auf Seiten des herrschenden Gesellschafters eintreffen.172 Wenig überraschen kann daher, dass die Nachteile einer Verzögerung im Ausgangsfall gar nicht den übertragenden (beschlussfassenden) Rechtsträger, sondern den aufnehmenden Rechtsträger treffen und die Maßnahme für die zu verschmelzende AG zweifelsohne nachteilig sind. Die Gesellschaft treffenden Nachteile bleiben zur Versagung der Freigabe folglich außer Betracht, die „Interessen der Gesellschaft“ werden denjenigen des Mehrheitsgesellschafters gleichgesetzt173 bzw. – sofern widerstreitend – diesen nachgeordnet. b) Aktienrecht Anders als im Umwandlungsrecht stellen die Regelungen des Aktienrechts enger auf die Interessen der „Gesellschaft und ihrer Aktionäre“ ab. Insoweit fragt sich, ob auch hier andere Rechtsträger einzubeziehen sein können. Das gilt etwa in Fällen der Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen für den Inferenten 171 OLG Hamm AG 2011, 624, 626; allein auf die Vorteile/Nachteile des Mehrheitsgesellschafters abstellend OLG Düsseldorf AG 2002, 47, 49. 172 Dazu insbesondere OLG Hamm AG 2011, 624, 625. 173 Vgl. Bayer/Riedel, EWiR 2001, 1161, 1162.
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und bei Unternehmensverträgen für das herrschende bzw. beherrschte Unternehmen und den dahinter stehenden Konzern. aa) Squeeze Out Die Rechtsprechung hatte die Frage für den Squeeze Out zunächst teilweise verneint. Bei diesem sei von einer „Stand-alone“-Betrachtung auszugehen. Es komme lediglich auf die Nachteile bei der antragstellenden Gesellschaft oder dem Hauptaktionär, nicht jedoch auf die weiteren konzernverbundenen Unternehmen, an.174 Eine Saldierung etwaiger Vor- und Nachteile innerhalb eines Konzerns wäre danach ausgeschlossen.175 Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass die Kraft Verweisung des § 327e II AktG beachtlichen „Interessen der Gesellschaft und ihrer Aktionäre“ nur solche des Hauptaktionärs und nicht der Gesellschaft sein könnten.176 Dafür soll sprechen, dass er Initiator und Nutznießer der Eintragung ist.177 Rechtfertigen ließe sich diese Feststellung mehr noch als beim Formwechsel, weil der Hauptaktionär auch die Folgen des Squeeze Outs alleine trage. Mit Sicherheit lässt sich das im Zeitpunkt der Freigabe allerdings nur sagen, sofern auszuschließen ist, dass die Minderheitsaktionäre nach Kassation wieder zu beteiligen sind.178 bb) Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge Im Rahmen des § 246a AktG will die Rechtsprechung für Beherrschungsverträge nicht nur die Interessen der Gesellschaft, sondern auch die Interessen der übrigen, an der Gesellschaft beteiligten Aktionäre, einschließlich des diese beherrschenden Mehrheitsaktionärs und den hinter ihr stehenden weiteren Gesellschaften des Konzerns berücksichtigen. Das folge nicht nur aus dem für eindeutig gehaltenen Wortlaut, sondern auch aus der gebotenen wirtschaftlichen Gesamtschau der Interessen, die vom rechtlich verselbstständigten Zusammenschluss der Mitglieder nicht zu trennen seien.179 Für Kapitalmaßnahmen liegen bislang noch keine Stellungnahmen vor. 5. Zeitliche Dimension des Vollzugsinteresses Die gesetzlichen Regelungen enthalten keine Antragsfrist für das Freigabeverfahren. Fraglich ist aber, ob eine zögerliche Antragstellung im Rahmen des Vollzugsinteresses negativ zu berücksichtigen ist. Das OLG München hat ein solches im – insoweit abgewandelten – Ausgangsfall mit der Begründung verneint, der Antrag auf Freigabe müsse im nahen zeitlichen Zusammenhang mit 174 175
Vgl. LG Regensburg Der Konzern 2004, 811. Fuhrmann/Linnerz, ZIP 2004, 2306, 2310; vgl. in der Sache auch schon BGH JZ 1976,
561. 176 177 178 179
Vgl. Kiem, in RWS-Forum Gesellschaftsrecht (2001), S. 329, 345. Vgl. Grunewald, ZIP 2002, 18, 20; Krieger, BB 2002, 53, 60; Vetter, AG 2002, 176, 190. Dagegen jetzt wohl BGHZ 189, 32. Vgl. OLG Düsseldorf AG 2009, 538, 539 f.
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der Erhebung der Anfechtungsklage gestellt werden, da der Gesetzgeber das Verfahren als spezielles Eilverfahren konzipiert und zahlreiche Regelungen zur Beschleunigung eingeführt habe. Die Eilbedürftigkeit müsse sich in der Art und Weise wie das Verfahren vom Antragsteller betrieben wird, widerspiegeln. Daran fehle es bei einer Antragsstellung mehr als drei Monate nach Erhebung der Klage, sofern nicht besondere Umstände hinzukämen, die eine Eilbedürftigkeit rechtfertigen würden.180 Entgegen anderer Darstellung181 zeigt auch die – im Ergebnis gegenteilige – Entscheidung des OLG Frankfurt a. M., dass ein längeres Zuwarten sich nachteilig auf die Bewertung des Vollzugsinteresses auswirken kann. Das KG182 verweist hingegen auf das Fehlen eines Fristerfordernisses und bewegt sich damit auf der Linie des, die Position des OLG München einhellig kritisierenden, Schrifttums.183 Dieses kommt zwar in der Sache kaum über den Vorwurf hinaus, das Freigabeverfahren werde dadurch konterkariert, trifft aber insoweit zu, dass die im Beschlussmangelstreit beklagte Gesellschaft nicht in das Freigabeverfahren gezwungen werden soll und sich dessen Einleitung erst später als sachgerecht erweisen kann. Dem trägt allerdings auch das OLG München Rechnung, dem überdies noch das Verdienst gebührt, die bislang in ihrer Allgemeinheit kaum hinterfragte Eilbedürftigkeit des Beschlussvollzugs in den Blickpunkt zu rücken184 und damit verbundene Folgen nicht nur zugunsten, sondern auch zu Lasten der Gesellschaft durchgreifen zu lassen, was im Lichte einer verfahrensrechtlichen Gleichbehandlung wünschenswert erscheint. 6. Berücksichtigung nichtigkeitsbedingter Nachteile? Von besonderer Brisanz ist die Frage, ob auch die Gefahr eines Prozessverlusts der Gesellschaft und Nichtigerklärung des Beschlusses als Nachteile i. S. d. Abwägungsregelung zu verstehen sind. a) Regelungsvorstellung der UMAG-Begründung In der Regierungsbegründung zum UmwBerG findet sich die Anmerkung, bei der Abwägung sei die Begründetheit der Anfechtungsklage zugunsten des Klägers zu unterstellen.185 Das wird in der Literatur teilweise so verstanden, dass ein Unbedenklichkeitsbeschluss selbst dann erlassen werden kann, wenn die Begründetheit der Unwirksamkeitsklage feststeht.186 Daraus ergibt sich die 180
OLG München ZIP 2010, 84, 87. Vgl. Wilsing/Saß, DB 2011, 919, 924. 182 KG AG 2010, 497. 183 Vgl. Habersack/Stilz, ZGR 2010, 710, 720; Linnerz, BB 2010, 340; Müller/Grenzebach, GWR 2010, 192; Wilsing/Saß, DB 2011, 919, 924. 184 Vgl. OLG München ZIP 2010, 84; dazu noch u. § 24 B. II. 2. c). 185 BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 89, Hervorhebung durch den Verfasser. 186 Kösters, WM 2000, 1921, 1929; zust. auch Büchel, in FS Happ (2006), S. 1, 13; so für Rechtsverletzungen minder schwerer Art jetzt auch OLG Jena DB 2006, 2335, 2336. 181
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Frage, ob in die Abwägung auch diejenigen Nachteile für die Gesellschaft einzubeziehen sein sollen, die bei einem später stattgebenden Urteil einträten. Bis zum UMAG lag eine dahingehende Schlussfolgerung fern und es dürfte als zweifelfrei gelten, dass nur solche Umstände aus Sicht der Gesellschaft beachtlich waren, die aus Verzögerung der Strukturmaßnahme während der Dauer des Rechtsstreits entstanden. So entsprach es der erkennbaren Intention der Hypothekenbankschwestern-Entscheidung,187 dem Sprachgebrauch in Rechtsprechung und Schrifttum188 sowie dem Ziel, dass aus der Verzögerung der Eintragung folgende Druckpotential „räuberischer“ oder „erpresserischer“ Klagen zu beseitigen. Auch die Regierungsbegründung zum UmwBerG war insoweit eindeutig: „Die Formulierung stellt sicher, dass (…) die Auswirkungen der Verzögerung der Verschmelzung auf die Anteilsinhaber maßgeblich sind.“189
Die UMAG-Materialien und weitere kommentierende Äußerungen eines ihrer Entwurfsverfasser legen allerdings nahe, dass durchaus eine von der materiellen Rechtslage unabhängige „offene“ Eilentscheidung gewollt ist.190 Darin heißt es im Zusammenhang mit den als abwägungserheblich beschriebenen Nachteilen der Nichteintragung:191 „In die Interessenabwägung sind nicht nur die Nachteile für die Gesellschaft einzubeziehen, die durch die Verzögerung der Eintragung infolge des Anfechtungsprozesses eintreten, sondern auch die Nachteile, die der Gesellschaft bei einem Erfolg der Anfechtungsklage entstehen. Gesetzgeberisches Ziel der Klausel ist eine Abwägung aller durch die Anfechtungsklage tangierten rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen, bei angenommenem Erfolg der Anfechtungsklage.“192
Die Tragweite eines solchen Satzes liegt auf der Hand: Denn weshalb soll es Aufgabe eines Eilverfahrens sein, die Wahrung von Mitgliedschaftsrechten durch bestandskräftigen Beschluss in einem ordentlichen Gerichtsverfahren a priori auszuschließen? Der an der Regierungsbegründung maßgeblich betei187
Vgl. BGHZ 112, 9. Abzulesen an der Verwendung der Begriffe des „verzögerungsbedingten Nachteils“ und des „Aufschubinteresses“, vgl. OLG Düsseldorf AG 2002, 49, 50; ZIP 1999, 793, 798; OLG Saarbrücken AG 2005, 366 unter Berufung auf Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 327e Rn. 3; Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 23; Brandner/Bergmann, in FS Bezzenberger (2000), S. 59, 68; Kösters, WM 2000, 1921, 1927; Noack, ZHR 164 (2000), 274, 284; Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 132 ff.; Sosnitza, NZG 1999, 965, 970 f.; so wohl auch Volhard, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 16 Rn. 33, der zwar von „in erster Linie“ mit der Verzögerung einhergehenden Nachteilen spricht, wobei Verzögerung allerdings hervorgehoben wird. 189 BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 89. 190 Zum Begriff der „offenen Eilentscheidung“ im vorliegenden Zusammenhang zuerst Sosnitza, NZG 1999, 965, 966. 191 BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 29. 192 BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 29. 188
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ligte Entwurfsverfasser Schütz kommentiert diese Ausführungen in der Weise, dass eine Eintragung auch dann möglich sein soll, wenn bei begründeter Anfechtungsklage die, der Gesellschaft durch eine Versagung der Eintragung drohenden, Nachteile den Schaden überwiegen, der dem Anfechtungskläger durch eine Eintragung des rechtswidrigen und damit nichtigen Hauptversammlungsbeschlusses entsteht. Eine Verkürzung der berücksichtigungswerten Schäden der Gesellschaft auf den durch die Verzögerung entstehenden Schaden verfehle den Zweck der Abwägungsklausel. Sie solle im Freigabeverfahren den Umstand ausgleichen, dass im Anfechtungsverfahren eine Abwägung des Schadens der Gesellschaft und der übrigen Anteilseigner gegen die Schwere der Rechtsverletzung nicht stattfindet, dort vielmehr jede noch so geringfügige Rechtsverletzung grundsätzlich zur Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses führt. Es gelte dieses absolute „Entweder/Oder des Anfechtungsverfahrens nach dem Willen des Gesetzgebers“ zu mindern.193 b) Aufnahme in Rechtsprechung und Schrifttum Im Schrifttum wird diese Auffassung ungeachtet ihrer Absonderlichkeit vielfach unkritisch wiedergegeben.194 Vereinzelt hat der damit verbundene Eingriff in das materielle Anfechtungsrecht aber auch scharfe Kritik erfahren.195 In der Rechtsprechung zeigt sich ungeachtet dessen durchaus Bereitschaft, sich auf eine Zurückdrängung des materiellen Rechts für das Freigabeverfahren einzulassen. So führt das KG im Rahmen seiner Abwägungsüberlegungen zur möglichen Verletzung des Auskunftsrechts des Klägers (§ 131 AktG) aus: „Diese „Relevanz“ kann im Sinne eines dem Beschluss anhaftenden Legitimationsdefizits eine Anfechtungsklage rechtfertigen, im Rahmen des Freistellungsverfahren sind die möglichen Verstöße aber als weniger gravierend zu behandeln, weil die Beschwerdegegnerin ihre Aktionäre jedenfalls im Ansatz informiert hat.“196
Zuvor hatte bereits das OLG Jena eine Freigabeentscheidung aufgrund vorrangigen Interesses der Gesellschaft erlassen, eine spätere Nichtigerklärung dabei für möglich gehalten.197 Auch das OLG Frankfurt a. M. zeigt sich dem gewogen, wenngleich es im Ergebnis nur auf verzögerungsbedingte und nicht auf aus der späteren Nichtigkeitserklärung resultierende Nachteile abstellt.198 193
Schütz, DB 2004, 419, 424. Vgl. Drinhausen/Keinath, BB 2008, 2078, 2082; Enders/Ruttmann, ZIP 2010, 2280, 2284; Hüffer, in MünchKomm AktG, 3. Aufl., § 246a Rn. 27 sieht für eine andere Auslegung angesichts des „Willens des Gesetzgebers“ keinen Raum und merkt an, man müsse das nicht überzeugend finden. 195 Vgl. Zöllner, in FS Westermann, S. 1631, 1643 („Stück aus dem Tollhaus“, „skandalös“, „blanke Täuschung des Rechtspublikums“, „legislatives Unrecht“); krit. auch Noack, NZG 2008, 441, 446; Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 246a Rn. 5. 196 KG AG 2007, 359, 361. 197 OLG Jena DB 2006, 2335, 2341; letztlich sei die Entscheidung aber „völlig offen“. 198 OLG Frankfurt a. M. AG 2006, 249, 257. 194
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Das OLG Hamm will nichtigkeitsbedingte Nachteile zumindest dann in die Abwägung miteinbeziehen, wenn kein besonders schwerer Rechtsverstoß vorliegt.199 Uneingeschränkt verfährt das OLG Düsseldorf, welches sich die oben genannten Erläuterungen unhinterfragt zunächst wörtlich zu Eigen macht, um dann für den streitgegenständlichen Unternehmensvertrag darauf zu verweisen, dass dieser bei einer begründeten Anfechtungsklage jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft zu beenden wäre. In der Folge könnten die „erheblichen“ Synergieeffekte nicht für die vorgesehene Dauer (des unbefristeten Vertrages), sondern nur bis zur Kündigung erzielt werden.200 Frühere Stimmen, die darauf hinweisen, dass bei einer nichtigen Beschlussfassung die Grundlage für die Strukturmaßnahme fehle, weswegen der Gesellschaft insoweit kein Nachteil entstehen könne, finden sich derzeit nicht mehr.201 II. Aufschubinteresse Auch auf Seiten des Klägers als dem Antragsgegner im Freigabeverfahren stellt sich die Frage, welche Interessen zu berücksichtigen sind und auf wen als Interessensträger abzustellen ist. Die jetzige Gesetzesfassung entbehrt wiederum konkreter Anhaltspunkte. Nach der früheren Fassung war das Gericht dagegen ausdrücklich zur Berücksichtigung der Schwere der mit der Klage geltend gemachten Rechtsverletzungen gehalten (vgl. noch §§ 16 III UmwG, 246a II, 319 VI, 327e II AktG a. F.). Damit stand auf Seiten des Klägers der mit der Klage gerügte Beschlussmangel im Mittelpunkt der Interessenabwägung. Die jetzige Gesetzesfassung wirft zum einen die Frage auf, ob die Rechtsverletzung im Rahmen der Abwägung – also der „ersten Stufe“ – noch eine Rolle spielt, oder ob sie wegen besonderer Schwere allein als Ausschlusskriterium dem Vollzugsinteresse der Gesellschaft entgegenwirken kann.202 Zum anderen fragt sich, welche sonstigen Interessen zugunsten des Klägers in die Abwägung einfließen. In Betracht kommt hierbei neben wirtschaftlichen Belangen auch das Interesse am Erhalt der Mitgliedschaft als solcher. 1. Wirtschaftliche Folgen der Freigabe Die Materialien zu § 246a AktG i. d. F. des ARUG sprechen allgemein von „dem Interesse“ des Klägers und dem wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft.203 Auch auf Seiten des Klägers ist aber an dessen wirtschaftliche Belange, zu bemessen nach dessen Beteiligungshöhe, gedacht.204 Die konkrete Nachteilsschwelle bestimme das Gericht. Sie könne sich an den Quoren der 199 200 201
Vgl. OLG Hamm AG 2011, 136, 139f. OLG Düsseldorf AG 2009, 538, 539 f. So noch OLG Frankfurt a. M. ZIP 2000, 1928, 1933; vgl. auch LG München AG 2000,
87. 202 203 204
Dazu sogleich u. 3. Vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 16/11642, S. 41. Seibert/Florstedt, ZIP 2008, 2145, 2152.
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§§ 122 II oder 148 I AktG orientieren, solle sich aber auch nach Art der Strukturmaßnahme davon entfernen. Der in nicht unerheblichem Umfang beteiligte Aktionär kann damit in der Abwägung auf eine Berücksichtigung seiner Position hoffen. Beim „gewerblichen Opponent mit Kleinstbeteiligung“ scheidet ein überwiegendes Interesse unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten von vornherein aus, was auch bewusst so gewollt ist.205 Faktisch sind wirtschaftliche Interessen damit erst ab einer gewissen – vom Gesetz nicht vorgegebenen – Beteiligungsschwelle beachtlich. Unabhängig davon findet sich in der Rechtsprechung zumindest bei § 327a AktG-Beschlüssen teilweise allerdings auch die Bereitschaft zur Berücksichtigung des Interesses am Erhalt der Mitgliedschaft als solcher. So hält etwa das OLG Frankfurt den Kosten weiterer Hauptversammlungen das „legitime Eigentümerinteresse der Minderheitsaktionäre“ entgegen.206 Hier wird von einer wirtschaftlichen Betrachtung des Klägerinteresses abgesehen. 2. Isolierte Betrachtung des Klägerinteresses Obwohl sich allein schon bei der Betrachtung der wirtschaftlichen Interessen regelmäßig kaum zugunsten des Klägers entscheiden lässt, sollte durch das ARUG klargestellt werden, dass allein auf die Nachteile für diesen (und nicht für andere Aktionäre und/oder die Gesellschaft) abzustellen ist.207 Damit wird der Kläger in der Sache seiner Funktion als Anwalt anderer Aktionärsinteressen sowie der Gesellschaft enthoben und die Beschlussmängelklage für das Freigabeverfahren auf ein Individualschutzinstrument reduziert. Um seine rechtstechnische Isolation zu vervollständigen, bleiben zudem auch die Interessen anderer Kläger, die nicht das im Freigabeverfahren vorausgesetzte Quorum erreichen oder ausgeschieden sind, außen vor.208 Das kann die beklagte Gesellschaft erheblich begünstigen, weil die wirtschaftlichen Interessen der nicht klagenden Streubesitz-Aktionäre, welche in ihrer Gesamtheit das wirtschaftlich begründete Vollzugsinteresse übersteigen können, unberücksichtigt bleiben. So verhielt es sich auch im Ausgangsbeispiel des vom OLG Hamm entschiedenen Falles.209 205 Vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 16/11642, S. 41; S. auch Seibert/Florstedt, ZIP 2008, 2145, 2152, wonach der gewerbliche Opponent mit Kleinstbeteiligung im Rahmen der Abwägung einen besonders schweren Rechtsverstoß vorzutragen habe, d. h. also ansonsten nicht über berücksichtigungsfähige Interessen verfügt. 206 OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.4.2011 – 5 Sch 4/10; a. A. wohl OLG Hamm AG 2011, 136, 138. 207 Vgl. Seibert/Florstedt, ZIP 2008, 2145, 2152. 208 Vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.4.2011 – 5 Sch 4/10; OLG München GWR 2011, 363; so wohl auch Hüffer, AktG, § 246a Rn. 20. 209 Vgl. Saarländisches OLG, AG 2011, 343 (insoweit nicht abgedruckt), wo die Kläger dem Kostennachteil der Gesellschaft von 663 000 € einen Gesamtschaden der außenstehenden Aktionäre von 8,44 Mio. € entgegenhalten wollten; ferner OLG Hamm AG 2011, 624, 626, wonach außenstehende Aktionäre betreffende Steuernachteile nicht zur Begründung des Aufschubinteresses heranzuziehen seien.
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3. Bedeutung der gerügten Rechtsverletzung a) Berücksichtigungsfähigkeit im Rahmen der Abwägung War die Abwägung nach der früheren Gesetzesfassung ausdrücklich unter Berücksichtigung der Schwere der geltend gemachten Rechtsverletzung vorzunehmen, so soll das nach der Neufassung durch das ARUG nur im Rahmen der zweiten Prüfungsstufe – also dem Ausschluss des Vollzugsvorrangs – geschehen.210 Die Schwere der Rechtsverletzung hätte danach nur „negative“, d. h. begrenzende Funktion.211 Zwar blieben leichte bis mittlere Rechtsverstöße schon in der Abwägung berücksichtigungsfähig. Allerdings soll es der Intention des Gesetzgebers entsprechen, die Rechtswidrigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses im Wege des Schadensersatzes auszugleichen.212 Danach würden kompensationsfähige Rechtsverstöße aus der Abwägung ausscheiden. Dem wird man so nicht zustimmen können. Die Kompensationsfähigkeit einer Rechtsverletzung mag einen Abwägungsgesichtspunkt betreffen,213 deren Beachtlichkeit als Abwägungselement aber nicht insgesamt in Frage stellen. Richtig ist weiter zwar, dass die Regelungssystematik den Eindruck erzeugt, das Freigabeverfahren könne nur bei schwerwiegenden Rechtsverletzungen keinen Erfolg haben. Die dahingehende These kann sich aber nicht auf die Intention des Gesetzgebers berufen. Die ARUG-Materialien selbst enthalten keine dahingehende Äußerung, sondern wollen vor allem den Grundgedanken der amtlichen Begründung zum UMAG stärkeren Ausdruck verleihen.214 Diese spricht indessen ausdrücklich davon, gesetzgeberisches Ziel der Klausel sei eine „Abwägung aller durch die Anfechtungsklage tangierten rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen“.215 Darüber hinaus schwächt die ARUG-Begründung die Erläuterungen der UMAG-Materialien im Zusammenhang mit den Anforderungen an eine schwerwiegende Rechtsverletzung auch – wenngleich nur geringfügig – ab. Zuzugeben ist der Gegenansicht lediglich zweierlei: Erstens, dass die Bewertung eines Beschlussmangels als „schwerwiegend“ oder „geringfügig“ unbestimmt ist und Schwierigkeiten bereitet sowie zweitens, dass die Berücksichtigung einzelner, für sich gesehen nicht zum Ausschluss des Vollzugsinteresses führender Rechtsverstöße in ihrer Gesamtheit eine andere Bewertung rechtfertigen kann, weswegen sie nicht im Rahmen der Abwägung schon bedacht werden müssen. Im Ergebnis dürfte es daher wohl keinen Unterschied machen, ob man die Rechtsverletzung im Rahmen der Abwägungsentscheidung als der ersten Stufe ausklammert.
210 211 212 213 214 215
Enders/Ruttmann, ZIP 2010, 2280, 2282; so wohl auch Sauter, ZIP 2008, 1706, 1712. Waclawik, ZIP 2008, 1141, 1144. Enders/Ruttmann, ZIP 2010, 2280, 2283. Dazu sogleich 4. Abschnitt (§§ 9–11). BegrRegE, BT-Drucks. 16/11642, S. 41. BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 29 (Hervorhebung durch den Verfasser).
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b) Würdigung der Rechtsverletzung in der Rechtsprechung Wichtiger erscheint die in der Rechtsprechung zu beobachtende Würdigung der gerügten Rechtsverletzung. Diese soll im Anschluss an die Gesetzesbegründungen zum UmwBerG216 und UMAG217 getätigten Äußerungen zwar zu Gunsten des Klägers zu unterstellen sein,218 in ständiger Rechtsprechung geübte Praxis der Oberlandesgerichte haben aber solche Rügen, die das Gericht für „offensichtlich unbegründet“ hält, auszuscheiden.219 Bis zum ARUG, aber auch danach haben sich die Gerichte stets vor der Bewertung einer Rechtsverletzung als „geringfügig“ gescheut. In der Sache enthalten die in den Beschlussgründen als „Abwägung“ bezeichneten Überlegungen vielfach eine – an sich jeweils nur nach Ziffer 1 der §§ 16 III UmwG, §§ 246a II, 319 VI, 327e II AktG zulässige – fortgesetzte Bewertung der Erfolgsaussichten der Klage, die letztlich das Ziel verfolgt weiteren Aufschluss über die Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache zu gewinnen.220 Die Bewertung des Gewichts der Rechtsverletzung entspricht bei Verfahrensfehlern dabei methodisch weitgehend einer (erneuten) Relevanzbetrachtung. So „unterstellt“ etwa das OLG Düsseldorf im Fall Thyssen/Krupp den dargelegten Informationsmangel einschließlich seiner Relevanz nach Verneinung der „offensichtlichen Unbegründetheit“ als gegeben, um sodann in der Abwägung zum gegenteiligen Ergebnis zu gelangen, nämlich dass der angegriffene Verschmelzungsbericht das Informationsbedürfnis der Aktionäre weitgehend abgedeckt habe.221 Diese Fortsetzung der rechtlichen Würdigung ist kritisch zu sehen. Abgesehen davon, dass sie keine Abwägung beinhaltet, besteht namentlich die Gefahr der Außerachtlassung verfahrensrechtlicher Grundsätze. Abzulesen ist das im Fall Thyssen/Krupp an der Einbeziehung von Abwägungsgesichtspunkten, die für die vorherige rechtliche Prüfung nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden konnten (§ 294 ZPO).222 In einer anderen Entscheidung vollzieht dasselbe OLG eine Umkehr der Darlegungslast, wo es entgegen § 16 III 1 UmwG darauf abstellt, dass die Antragsgegner die offensichtliche Begründetheit der Rüge dartun müssten.223 In ähnlich verfahrens216
BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 89. BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 29. 218 Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 20; Fuhrmann/Linnerz, ZIP 2004, 2306, 2308; Kösters, WM 2000, 1921, 1929; Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 44; Schmid, ZGR 1997, 493, 497 f.; Schütz, DB 2004, 419, 424; ders., NZG 2005, 5, 9; Veil, AG 2005, 567, 574; Volhard, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 16 Rn. 40; für eine reine Folgenbetrachtung auch schon Kiem, AG 1992, 430, 432. 219 Vgl. etwa OLG Hamm AG 2005, 361, 364; zust. Kösters, WM 2000, 1921, 1926 ff. 220 Besonders anschauliche Beispiele OLG Düsseldorf ZIP 1999, 793, 797 f.; OLG Frankfurt a. M. AG 2006, 249, 275. 221 Besonders anschauliche Beispiele OLG Düsseldorf ZIP 1999, 793, 797. 222 Vgl. OLG Düsseldorf ZIP 1999, 793, 797 – So wird die Negativprognose für den Fall der Nichteintragung im Rahmen der Abwägung als Tatsache unterstellt. 223 OLG Düsseldorf AG 2002, 47, 49; auf diese Weise verneint es eine – abwägungserhebliche – Rechtsverletzung als nicht dargetan. 217
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
rechtlich zweifelhafter Weise „unterstellt“ das OLG Frankfurt a. M. bei Freigabe der Verschmelzung T-Online/Telekom zwar die Rechtsverletzung in Form eines kollusiven Zusammenwirkens von Vorstand und Aufsichtsrat zur Verminderung des Unternehmenswerts vor der Verschmelzungsentscheidung als Nachteil der Kläger, scheidet aber diese Rüge als „unschlüssig“ und „nicht feststellbar“ anschließend aus der Abwägungsentscheidung wieder aus.224 Andere Rügen werden gar nicht gewichtet und das Überwiegen des Vollzugsinteresses letztlich mit allgemeinen, d. h. vom konkreten Sachverhalt unabhängigen Erwägungen begründet. Obwohl nach dem ARUG nicht mehr über die Geringfügigkeit der gerügten Rechtsverletzung, sondern „nur“ über deren fehlende besondere Schwere zu befinden ist, scheint man sich in der Rechtsprechung zu einer solchen Aussage nicht durchringen zu wollen. Stattdessen zeigt sich weiter die Tendenz zur Prüfung und Verneinung des Beschlussmangels innerhalb der „Abwägung“. So prüft und verneint das OLG Hamm im Ausgangsfall im Rahmen der besonderen Schwere der Rechtsverletzung ausführlich einen Verstoß gegen § 57 AktG.225 Das KG bescheinigt in einem anderen Fall dem angegriffenen Kapitalerhöhungsbeschluss im Ergebnis doch inhaltlich Mangelfreiheit226 und das saarländische OLG verneint im Rahmen der besonderen Schwere letztlich das Vorliegen eines Sondervorteils i. S. d. § 243 II AktG und verwirft damit die Rüge als solche.227 III. Abwägung im engeren Sinne Nach den insoweit übereinstimmenden Formulierungen der §§ 16 III Nr. 3 UmwG, 246a II Nr. 3, 319 VI Nr. 3, 327e II AktG entscheidet das Gericht im Rahmen der Interessenabwägung nach freier Überzeugung. Zwar hat das Vorhaben, die Gesetzesfassung im Rahmen des ARUG in der Weise zu ändern, dass der Freigabebeschluss nicht „ergeht“, sondern „ergehen darf“ keine Umsetzung erfahren,228 in der Sache ändert dies allerdings nichts an der wohl einhelligen Überzeugung, dass dem Gericht ein weites Ermessen zukommt.229 Indessen fragt sich, ob nach einer Bewertung des Gesellschaftsinteresses als „erheblich“ unter gleichzeitiger Anerkennung oder Unterstellung einer möglichen Rechtsverletzung überhaupt noch Raum für eine Abwägung besteht und wie eine Gewichtung der entscheidungserheblichen Interessen vorgenommen werden soll. 224
OLG Frankfurt a. M. AG 2006, 249, 257. OLG Hamm AG 2011, 624, 626 f. 226 KG AG 2011, 170, 172 bzw. 173. 227 Vgl. saarländisches OLG AG 2011, 343, 345f. 228 Vgl. dazu noch Seibert/Florstedt, ZIP 2008, 2145, 2152. 229 Dörr in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl.; § 246a Rn. 34; OLG Jena WM 2006, 2264 f.; OLG Nürnberg DB 1996, 973 f.; Heidel in ders., AktG, 3. Aufl., § 246a Rn. 22. 225
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1. Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum In Rechtsprechung und Literatur lassen sich dahingehend im Wesentlichen drei Tendenzen herausarbeiten. Die Rechtsprechung folgt der vorstehend beschriebenen Neigung, die gerügte Rechtsverletzung im Rahmen der „Abwägung“ letztlich doch zu verneinen230 oder aus anderen Gründen, insbesondere der anderweitigen Kompensationsmöglichkeit durch Regressansprüche jedenfalls als geringfügig zu bewerten.231 Eine Abwägung zugunsten des Aktionärs findet hier in der Sache nicht statt. Anders als nach früherem Recht ist für das Aufschubinteresse auch eine schwächere Quote der Mehrheitszustimmung neuerdings wohl unerheblich.232 Eine gewisse Sonderstellung kommt wiederum dem Ausschluss von Minderheitsaktionären nach §§ 327a ff. AktG zu. Da hier die Stellung des Mitglieds als solches betroffen ist, herrschte zunächst weitgehend einhellig die Ansicht, die Registersperre der §§ 319 V, 327e II AktG bestehe grundsätzlich für die Gesamtdauer des Anfechtungsstreits.233 Das allgemeine Vollzugsinteresse der Gesellschaft bzw. ihres Hauptaktionärs am Ausschluss der Minderheitsaktionäre könne nicht ausreichen, eine Feststellung nach § 327e II AktG zu rechtfertigen. Erforderlich sei hierfür, dass das Wirksamwerden des Beschlusses in erheblichem Maße eilbedürftig ist, weil weiterer Aufschub mit besonderen, atypischen Nachteilen für die Gesellschaft bzw. deren Hauptaktionäre verbunden wäre. Auch diese Betrachtung ist in der Sache unter dem Strich weitgehend statisch, hier allerdings zu Lasten der Gesellschaft. Vor allem im älteren Schrifttum findet sich in ähnlicher Weise die Auffassung, es bestünde generell ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Klägers. Wegen der gesetzlichen Registersperre sei der Aufschub der Eintragung der Regelfall, die vorzeitige Eintragung dagegen die Ausnahme. Die Registersperre begründe eine „widerlegliche Vermutung“ für den Vorrang des Aufschubinteresses.234 Sie beruhe darauf, dass das Gesetz den Kläger davor schüt230
S. soeben II. 3. b). Vgl. OLG Stuttgart AG 2003, 456, 460; OLG Hamm AG 2005, 361, 364; LG Münster BB 2006, 2322, 2324; in der Sache auch OLG Hamm AG 2011, 624. 232 Dazu noch OLG Frankfurt a. M. AG 2006, 249, 257; LG Frankfurt DB 1999, 2304; mit diesem Vorschlag Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 45; Noack, ZHR 164 (2000), 274, 285; Volhard, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 16 Rn. 38; das hätte im Beispielsfall des OLG Hamm (AG 2011, 624, wo die außenstehenden Aktionäre nahezu geschlossen gegen die Maßnahme gestimmt hatten (7,7% der Beteiligung) durchaus thematisiert werden können. 233 OLG Hamburg AG 2003, 441; OLG Saarbrücken AG 2005, 366; OLG München AG 2006, 296, 297; a. A. OLG Hamm AG 2011, 136, 139, wonach das Interesse am Erhalt der Mitgliedschaft als solches nicht anzuerkennen sei. 234 Bork, ZGR 1993, 343, 364; Kösters, WM 2000, 1921, 1929; auf die Registersperre abstellend auch OLG Karlsruhe EWiR 1998, 469, 470; ähnliche Tendenz aus Gründen des Minderheitenschutzes bei LG Wiesbaden AG 1997, 274; Sosnitza, NZG 1999, 965, 971; von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Klägers geht auch noch Sauter, ZIP 2008, 1706, 1712 aus. 231
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
zen wolle, durch die Eintragung vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Die Schutzbedürftigkeit sinke allenfalls und in dem Maße, wie der angefochtene Beschluss rückgängig gemacht werden könne. Gleichwohl dürfe das allgemeine Vollzugsinteresse der Gesellschaft auch in diesem Fall nicht zur Widerlegung der Vermutung ausreichen. Sie müsse vielmehr darlegen, aus welchen besonderen Gründen sie auf die vorzeitige Eintragung angewiesen sei. Einschränkend wollen andere die Annahme eines vorrangigen Aufschubinteresses nur für bestimmte Rechtsverletzungen, insbesondere Informationspflichtverletzungen als notwendig ansehen.235 Nach weiterer Differenzierung soll dies nur für den Fall eines offensichtlich begründeten, aber nicht wesentlichen Rechtsverstoßes gelten. Das neuere Schrifttum sieht dagegen weder im Vorhandensein einer formellen Eintragungssperre noch sonst Anhaltspunkte i. S. e. Regel-Ausnahme-Prinzips. Die Anordnung der Sperre gewährleiste lediglich, dass eine umfassende gerichtliche Abwägung vor dem Vollzug der Maßnahme stattfinde, so dass eine Wertung im Hinblick auf die Vorrangigkeit damit nicht verbunden sei.236 Das Gericht solle nach eigenem Ermessen entscheiden (vgl. „nach freier Überzeugung“), womit das Aufschubinteresse der Klage und das Vollzugsinteresse der Antragstellerin im Rahmen der Abwägung im Ansatz gleich zu gewichten seien. Dabei wird zwar eingeräumt, dass die Abwägung wegen der regelmäßig erheblichen wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft vielfach nur zu deren Gunsten ausgehen könne. Etwas anderes könne aber schon deswegen nicht gelten, weil sonst ohne erkennbaren Anlass zwischen § 246a AktG (dem es an einer Registersperre fehlt) und den übrigen Freigabeverfahren differenziert werden müsse.237 Dem ist zuzustimmen, da die Registersperre, wie oben aufgezeigt wurde, lediglich während der Klagefrist besteht und im Übrigen dazu dient, die Zuständigkeit vom Registergericht auf das zuständige Gericht der Hauptsache überzuleiten.238 2. Gesetzesmaterialien Dass – ganz im Gegenteil – eher ein statisches Überwiegen des Vollzugsinteresses durchaus im Sinne der Entwurfsverfasser von UMAG und ARUG ist, zeigt der Blick in die amtliche Begründung:239 „Gesetzgeberisches Ziel der Klausel ist eine Abwägung aller durch die Anfechtungsklage tangierten rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen (…). Eine Eintragung soll (…) möglich sein, wenn (…) die der Gesellschaft durch eine Versagung der Eintragung drohenden Nachteile den Schaden überwiegen, der dem Anfechtungskläger durch eine 235
Bayer, ZGR 1995, 613, 625. Kiem, in Hommelhoff/Röhricht (Hrsg.), RWS-Forum Gesellschaftsrecht (1997), S. 105, 123; vgl. auch Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 43. 237 Vgl. Enders/Ruttmann, ZIP 2010, 2280, 2281 und 2284; Sauter, ZIP 2008, 1706, 1712. 238 S. o. § 1 A. II. 239 BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 29. 236
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Eintragung und Durchführung des rechtswidrigen Hauptversammlungsbeschlusses entsteht. Dies mag bei besonderer Schwere des behaupteten Rechtsverstoßes, also bei massiver Verletzung elementarer Aktionärsrechte anders zu gewichten sein. Ein sehr geringes ökonomisches Interesse des klagenden Kleinaktionärs kann im Vergleich zu den regelmäßig erheblichen wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft im Einzelfall dadurch aufgewogen werden, dass der behauptete Rechtsverstoß so schwer wiegt, dass eine Bestandskraft nicht erträglich wäre.“240
Folgt man dem und lässt neben den wirtschaftlichen Belangen des einzelnen Aktionärs lediglich die „massive Verletzung elementarer Aktionärsrechte“ als Gegengewicht gelten, kann das nur i. S. e. Regeleintragung oder einer dahingehenden „Soll“-Vorschrift verstanden werden. Das Ergebnis bestünde dann in einem materiellen Rechtssatz des Inhalts, dass einem Freigabeantrag stattzugeben ist, sofern nicht ein Rechtsverstoß des genannten Ausmaßes vorliegt.241
C. Besondere Schwere des Rechtsverstoßes Setzt man den Inhalt der amtlichen Begründung gleichsam als Arbeitshypothese dem Inhalt des Gesetzes gleich242 lässt sich der Freigabe von Seiten des Aktionärs nach dem Gesagten im Regelfall nur mit dem Einwand der besonderen Schwere der Rechtsverstoßes begegnen. Dem an die UMAG-Begründung anknüpfenden Begriff kommt insoweit zentrale Bedeutung zu. I. Verständnis im Gesetzgebungsverfahren Die Begründung des Regierungsentwurfs zum ARUG will zur Auslegung des Begriffs des besonders schweren Rechtsverstoßes auf die Bedeutung der verletzten Norm und das Ausmaß der Rechtsverletzung abstellen.243 Für die Bedeutung der verletzten Norm sei die Unterscheidung zwischen nichtigen, anfechtbaren, durch die Eintragung heilbaren und bestätigungsfähigen Beschlüssen (vgl. §§ 241, 242 I bzw. §§ 243, 244 AktG) zu beachten. Ferner komme der Kompensationsfähigkeit durch Schadensersatzansprüche Bedeutung zu. Nicht jeder Nichtigkeitsgrund soll wegen eines „kleinen formalen Fehlers“ danach zu einer besonderen Schwere des Rechtsverstoßes führen. Die Regelung entspreche dem Gedanken des § 148 I Nr. 3 AktG, der für die Klagezulassung gegen Organe Tatsachen verlangt, welche den Verdacht einer Unredlichkeit oder groben Verletzung des Gesetzes oder der Satzung recht240
Die amtliche Begründung zum ARUG mildert dies kaum ab und spricht von „krass rechtswidrig“ und „unerträglich“. 241 Wie das mit einer Interessenabwägung unter freier richterlicher Überzeugung vereinbar sein soll bedarf allerdings der Darlegung, dazu noch u. § 12 B. II. u. III. 242 Dazu allerdings noch u. § 12 D. I. 243 BegrRegE, BT-Drucks. 16/11642 S. 41.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
fertigen.244 Für die Art der gerügten Rechtsverletzung sei deren mögliche Diskriminierungswirkung und ihre Zielgerichtetheit maßgeblich. Um eine weiter ins Detail gehende Erläuterung ist auch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses bemüht.245 Sie nennt als Beispiele die „Abhaltung einer Geheimversammlung, die bewusst einberufen wurde, um bestimmte Aktionäre von der Teilnahme auszuschließen“ oder „absichtliche Verstöße gegen die Treupflicht mit schweren Folgen“, „völliges Fehlen einer notariellen Beurkundung“ sowie die Unvereinbarkeit mit „besonders grundlegenden Strukturprinzipien des Aktienrechts“ wie etwa die Kapitalherabsetzung auf unter 50 000 €. II. Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum In der Rechtsprechung gibt es zwischen den einzelnen Oberlandesgerichten offenbar unterschiedliche Auffassungen, wie mit dem Einwand der besonders schweren Rechtsverletzung umzugehen ist. Zumindest ein Teil der Senate scheint, wie schon mit der vor dem ARUG geforderten Bewertung der Rechtsverletzung als „geringfügig“, Vorbehalte zu haben, was daran deutlich wird, dass die Entscheidungsbegründungen an dieser Stelle doch noch in das materielle Recht flüchten und den Rechtsverstoß schon als solchen verneinen.246 Explizit bejaht wird eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes nach dem ARUG soweit ersichtlich nur in zwei Fällen: So sieht das OLG München diese in dem zu Unrecht erfolgten Ausschluss des Klägers als dem Mehrheitsaktionär.247 Das KG bejaht einen solchen für einen Kapitalerhöhungsbeschluss, der Aktionären die Wahl lässt, anstelle einer Bareinlage eine Sacheinlage mit einer Forderung aus einem als Eigenkapitalersatz zu qualifizierenden Darlehen einzubringen.248 Das OLG Frankfurt a. M. stellt in einem zum früheren Recht ergangenem Beschluss fest, ein Ladungsmangel i. S. d. § 241 I Nr. 1 AktG stehe wegen seiner Schwere der Freigabe entgegen.249 Dagegen verneint das KG250 die besondere Schwere für Verstöße gegen die Auskunftspflicht nach § 131 AktG durch Nichtbeantwortung einzelner Fragen. Das OLG Hamm hält diese für Verstöße gegen § 57 AktG für möglich, verneint aber im Ergebnis einen solchen aus tatsächlichen Gründen.251 Das saarländische OLG verneint eine besondere Schwere mangels vorsätzlicher oder zielgerichteter Missachtung der Aktionärsrechte.252 244 245 246 247 248 249 250 251 252
BegrRegE, BT-Drucks. 16/11642 S. 41. Begr. Rechtsausschuss, BT-Drucks. 16/13098, S. 42. OLG Hamm AG 2011, 624; KG AG 2011, 170. OLG München WM 2010, 2043. KG AG 2010, 494, 496. OLG Frankfurt a. M. AG 2010, 212. KG Berlin AG 2010, 494. OLG Hamm AG 2011, 624, 626 f. Vgl. Saarländisches OLG AG 2011, 343, 346.
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Bemerkenswert erscheint, dass die Gerichte, welche das Vorliegen einer besonders schweren Rechtsverletzung ablehnen, sich zunächst regelmäßig die Vorgaben der Materialien zum ARUG zu Eigen machen. Auch im Schrifttum scheint man sich weitgehend unhinterfragt darauf abzustellen und die dortigen Erläuterungen allenfalls in Einzelfragen für ergänzungsbedürftig zu halten.253 Dazu gehört etwa im Hinblick auf die fehlende Indizwirkung der Beschlussnichtigkeit (§ 241 AktG) der Hinweis, die „bereits für das Klageverfahren unsachgemäßen Nichtigkeitsgründe würden sonst auf das Freigabeverfahren durchschlagen, zweifelhafte Wertungen somit ohne gesetzlich explizite Anordnung perpetuiert“,254 worin sich wiederum der, das materielle Recht ändernde, Charakter der Abwägungsklausel manifestiert. Dass zuvor die gegenteilige Auffassung von weitgehendem Konsens getragen wurde, also Nichtigkeitsgründe regelmäßig als Ausweis eines erheblichen Rechtsverstoßes angesehen wurden,255 empfindet man dabei augenscheinlich nicht als störend. III. Bewertungen der Rechtsverletzung unter früherem Recht Wirft man einen Blick auf die Bewertung der Rechtsverletzung nach altem Recht, so bestand weitgehende Übereinstimmung, dass die Beurteilung sich an der durch das Aktienrecht getroffenen Unterscheidung zwischen Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründen zu orientieren hatte.256 Nichtigkeitsbegründende Beschlussmängel sollten danach stets ein überwiegendes Vollzugsinteresse hindern.257 Bei Anfechtungsgründen war die Freigabe abzulehnen, wenn 253 Vgl. Bosse, NZG 2009, 807, 811; Drescher, in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 246a AktG, Rn. 9; Koch/Wackerbeck, ZIP 2009, 1603, 1607; Rubel, DB 2009, 2027, 2028 f.; Verse, NZG 2009, 1127, 1130 ff.; jeweils; Dörr in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 246a Rn. 28; so wohl auch Hüffer, in MünchKomm, AktG, 3. Aufl., § 246a Rn. 27 („enge Auslegung“). 254 Vgl. Enders/Ruttmann, ZIP 2010, 2280, 2281; Florstedt, AG 2009, 465, 471. 255 Vgl. dazu noch Decher, AG 1997, 388, 391; so auch Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 22; Noack, ZHR 164 (2000), 274, 284; Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 140; Sosnitza, NZG 1999, 965, 971; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 16 Rn. 69; Volhard, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 16 Rn. 37; zur Eingliederung Habersack, in Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktienund GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl., § 319 Rn. 36; Grunewald, in MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 319 Rn. 38. 256 Decher, AG 1997, 388, 391; so auch Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 22; Noack, ZHR 164 (2000), 274, 284; Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 140; Sosnitza, NZG 1999, 965, 971; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 16 Rn. 69; Volhard, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 16 Rn. 37; zur Eingliederung Habersack, in Emmerich/Habersack (Hrsg.), Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl., § 319 Rn. 36; Grunewald, in MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 319 Rn. 38. 257 Vgl. OLG München DB 2006, 608, 609; KG AG 2007, 359; schon bisher abl. MarschBarner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 44; Kösters, WM 2000, 1921, 1928; zu Recht weisen Fuhrmann/Linnerz, ZIP 2004, 2306, 2308 darauf hin, dass sich zumindest für die Beschlussgegenstände des § 246a AktG ergebe, dass Nichtigkeit einem Überwiegen des Vollzugsinteresses nicht von vornherein entgegensteht, weil sich aus § 242 II 5 AktG nunmehr ergibt, dass auch ein nichtiger Hauptversammlungsbeschluss freigegeben werden kann.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
die verletzte Norm im öffentlichen Interesse oder im Gläubigerinteresse bestand. In der Rechtsprechung wurde das für die Verletzung von Meldepflichten nach §§ 21 ff. WpHG bejaht.258 Bei Verletzungen der Mitgliedschaft sollte stets eine Einzelfallbewertung maßgeblich sein, nach deren Leitlinie inhaltliche Mängel schwerer wogen als Verfahrensfehler.259 Ein wesentlicher Informationsmangel sollte etwa nur deswegen Eingang in die Abwägung finden, weil überhaupt keine Information erteilt worden sei,260 eine Annahme die letztlich der Position des KG zur fehlenden besonderen Schwere nach geltendem Recht entspricht.261 Des Weiteren wurde für die Einstufung einer Rechtsverletzung als geringfügig auch auf die Behebbarkeit des Mangels abgestellt, die man etwa als gegeben sah, wenn die erforderliche Handlung nachgeholt werden konnte, etwa weil die geforderte Information erteilt wird oder der Beschluss nach § 244 AktG bestätigt werden konnte.262 Darüber hinaus hat die Rechtsprechung in der Möglichkeit zur Kompensation der Rechtsverletzung durch einen Schadensersatzanspruch Anlass für ein überwiegendes Vollzugsinteresse gesehen.263 Fasst man das Gesagte zusammen, lassen sich gegenüber der nach dem ARUG geübten Rechtspraxis enge Parallelen ziehen. Ein nennenswerter Unterschied besteht darin, dass für die Bewertung der Rechtsverletzung die Absichtlichkeit oder Vorsätzlichkeit eine Rolle spielen soll. Würde man dagegen allein die im Rahmen der Gesetzgebung diskutierten Beispiele als Maßstab für eine die Abwägung ausschließende Rechtsverletzung nehmen, bliebe für besonders schwere Rechtsverstöße so gut wie kein Raum. Geheimbeschlüsse, nachweislich unerträgliche Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot oder Verletzungen der gesetzlichen Mindestgrundkapitalziffer sind lebensfremd und können lediglich die Entschlossenheit der Entwurfsverfasser belegen, die auf der ersten Stufe regelmäßig zugunsten der Gesellschaft vorzunehmende 258
OLG München AG 2005, 407, 408. LG Darmstadt AG 2006, 127, 132; Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 22a; vgl. aber OLG Stuttgart AG 2003, 456, 460, wo der (unterstellte) Treupflichtverstoß durch die Kompensationsmöglichkeit eines Schadensersatzanspruchs und die mit 600 € bezifferte Schadenshöhe als aufgewogen angesehen wird. 260 Decher, AG 1997, 388, 391; Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 141. 261 Vgl. LG Essen NZG 1999, 556, 558, weil der Kläger die Information durch Nachfrage in der Hauptversammlung hätte erlangen können; so auch Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 22a; Decher, AG 1997, 388, 392; Volhard, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 16 Rn. 36. 262 OLG Stuttgart ZIP 1997, 75, 77; LG Berlin Der Konzern 2003, 483, 495; OLG Frankfurt a. M. AG 2006, 249, 257; Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 22a; Fuhrmann/ Linnerz, ZIP 2004, 2306, 2308; Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 44; Riegger/Schockenhoff, ZIP 1997, 2105, 2110; Volhard, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 16 Rn. 36. 263 OLG Stuttgart AG 2003, 456, 460; OLG Hamm AG 2005, 361, 364; LG Münster BB 2006, 2322, 2324. 259
§ 4 Interessenabwägung
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„Abwägung“ gegen den Vorwurf eines besonders schweren Rechtsverstoßes abzusichern. IV. Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines besonders schweren Rechtsverstoßes trägt nach einhelliger Auffassung der Kläger.264 Verwiesen wird dabei auf den Ausnahmecharakter des Tatbestandsmerkmals (vgl. „es sei denn“). Auch in diesem Punkt verdient die als Ausgangsfall gewählte Entscheidung des OLG Hamm nähere Betrachtung. Darin war im Bericht des Rechnungsprüfers angegeben, die abhängige Gesellschaft habe Sicherheiten für die zur Finanzierung der Sonderdividende begebenen Anleihe gestellt. Das darin liegende Indiz für einen möglichen Verstoß gegen § 57 AktG sah der Senat durch eine Aussage eines von der Beklagten benannten Zeugen als fehlerhaft und damit widerlegt an. Der vom Kläger geforderten Benennung des Prüfers des Konzernabschluss folgte es unter Hinweis auf den Charakter des Freigabeverfahrens als Eilverfahren nicht.265
D. Verhältnis von Abwägungsklausel zur offensichtlichen Unbegründetheit der Klage Die gesetzliche Regelung gibt nicht vor, in welcher Beziehung die Freigabegründe der offensichtlichen Unbegründetheit und des überwiegenden Vollzugsinteresses zueinander stehen. Insoweit stellt sich gleichwohl die Frage, ob es sich bei beiden um voneinander unabhängige Freigabegründe handelt oder ob die Abwägungsklausel nur ergänzend Anwendung findet. Letzteres entspräche dem einstweiligen Rechtsschutz nach §§ 916, 935 ZPO, Ersteres der bislang unhinterfragten Praxis bei Anwendung der §§ 16 III UmwG, 246a, 319 VI, 327e II AktG. Je nachdem, wie man das Verhältnis der Freigabegründe bewertet, gewinnt oder verliert das materielle Recht an Gewicht. Kommt es für die offensichtliche Unbegründetheit der Klage auf eine daran auszurichtende Prognose an, so konzentriert sich die Rechtsprüfung für die Interessenabwägung nach dem Gesagten im Wesentlichen nur noch auf die besondere Schwere des Rechtsverstoßes. Mit beidem verbindet sich zudem eine unterschiedliche Darlegungs- und Beweislast. Im Schrifttum finden sich unterschiedliche Standpunkte. So sei etwa bei offensichtlicher Begründetheit der Rüge wesentlicher Mängel der Verzicht auf eine Abwägung „erwägenswert“.266 Danach hätte die Prüfung der Erfolgsaus264
Vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 16/11642, S. 42; Dörr in Spindler/Stilz AktG 2. Aufl. 2010, § 246a Rn. 29; Bosse NZG 2009, 807, 311; Koch/Wackerbeck ZIP 2009, 1603, 1607. 265 Vgl. OLG Hamm AG 2011, 624, 626. 266 Decher, AG 1997, 388, 391; zust. Sosnitza, NZG 1999, 965, 972; krit. zur Gegenansicht auch Holzborn/Bunnemann, BKR 2005, 51, 58; ähnlich Riegger/Schockenhoff, ZIP 1997, 2105, 2109.
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sichten der Klage Vorrang.267 Vom Gegenteil – also Unerheblichkeit der Rechtslage – gehen in der Sache diejenigen aus, die für die Abwägung die Begründetheit der Rüge unterstellen und nicht nur die verzögerungsbedingten Nachteile, sondern auch diejenigen, die bei Erfolg in der Hauptsache entstünden, zur Begründung des Vollzugsinteresses in der Waagschale sehen wollen.268 Wie gesehen findet dieses Vorgehen auch in Teilen der Rechtsprechung Gehör.269 Entgegen anderem Verständnis270 gibt es dabei aber bislang keinen Fall, bei dem die Freigabeentscheidung allein auf der Abwägungsklausel beruht. Zutreffend ist zwar, dass die Abwägungsklausel mitunter als alleinige Grundlage der Freigabe erscheint und bezeichnet wird.271 Innerhalb der Begründung findet dabei jedoch, wie gesehen stets eine Auseinandersetzung mit der Hauptsache statt, die zumeist zu der Unbegründetheit aller272 oder einzelner Rügen273 gelangt. Die Prüfung der Erfolgsaussichten wird damit nur in die Abwägungsentscheidung verlagert, der Sache nach bleibt beides voneinander getrennt oder zumindest unterscheidbar. Die Gesetzesmaterialien geben zum Verhältnis der Freigabegründe (was angesichts ihrer sonstigen Interpretationsdichte beinahe schon verwundern muss) keine Erläuterung. Aus der Hervorhebung der Bedeutung der Interessenabwägung gegenüber der offensichtlichen Unbegründetheit und der Maßgabe, auch die Nachteile einer begründeten Klage in die Abwägung miteinzubeziehen274 lässt sich aber folgern, das von der Selbstständigkeit der jeweiligen Freigabegründe ausgegangen wird. Im Wortlaut der §§ 16 III UmwG, 246a III, 319 VI, 327e II AktG findet das insoweit auch Ausdruck als darin ein Alternativverhältnis (vgl. „oder“) enthalten ist.
E. Zusammenfassung 1. Die Hypothekenbankschwestern-Rechtsprechung des BGH nahm als Grund zur Eintragung der Verschmelzung trotz Klage allein deren (offensichtlich) fehlende Erfolgsaussichten. Ein Einfallstor für eine wertende Betrachtung lag allenfalls in dem (aber gleichfalls zur Unbegründetheit führen267 Lediglich bei unstreitigen, aber nicht wesentlichen Mängeln sei der Verzicht auf eine Abwägung nicht gerechtfertigt. Hier sei allenfalls an eine verschärfte Abwägung in der Weise zu denken, dass dem Vollzugsinteresse nur dann der Vorrang einzuräumen sei, wenn dem Rechtsträger oder seinen Anteilsinhabern bei einem Aufschub der Vollziehung „ganz unverhältnismäßige Nachteile“ entstehen würden. 268 Dazu soeben B. I. 6. 269 OLG Jena DB 2006, 2335, 2341; KG AG 2007, 359, 361; OLG Düsseldorf AG 2009, 538, 539 f.; OLG Hamm AG 2011, 136. 270 Vgl. Veil, AG 2005, 567, 574. 271 KG AG 2007, 359; AG 2011, 494; OLG Jena DB 2006, 2335, 2341. 272 OLG Nürnberg AG 1996, 229, 230. 273 OLG Stuttgart AG 1997, 138, 139; KG AG 2007, 359, 360. 274 BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 29.
§ 4 Interessenabwägung
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den) Einwand des Missbrauchs des Anfechtungsrechts. Die mit der Umwandlungsrechtsnovelle von 1994 Gesetz gewordene Fassung des § 16 III UmwG hat dem Tatbestand der offensichtlichen Unbegründetheit hingegen die Freigabe wegen überwiegenden Vollzugsinteresses der Gesellschaft oder der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger zur Seite gestellt, was für die in der Folgezeit erlassenen aktienrechtlichen Freigaberegelungen übernommen wurde. 2. Nach nunmehr vorherrschendem Verständnis bildet die Abwägungsklausel die zentrale Säule der Freigabeentscheidung. Dabei sollen zunächst die wirtschaftlichen Nachteile einer Verzögerung der Eintragung des Beschlusses für die Gesellschaft, ihre Aktionäre, Konzernunternehmen und ggf. weitere beteiligte Rechtsträger berücksichtigt werden. Unklar ist die Berücksichtigungsfähigkeit von Konsequenzen, die nicht verzögerungsbedingt sind, sondern daraus entstehen, dass der Beschluss in der Hauptsache für nichtig erklärt wird. Die dahingehende Vorstellung der Gesetzesmaterialien findet in der Rechtsprechung allerdings zumindest teilweise, im Schrifttum wohl überwiegend, Gefolgschaft. Für die Anerkennung als Nachteil soll es nicht darauf ankommen, ob diese von der Unternehmensleitung zuvor selbst geschaffen wurden oder auf anderem Wege hätten vermieden werden können. Die unternehmerische Entscheidung sei als solche zu akzeptieren. Für die Nachteilsdarlegung genügt zwar nicht deren pauschale Behauptung, an ihre Glaubhaftmachung werden jedoch nur geringe Anforderungen gestellt und ungeachtet ihres in der Natur der Sache liegenden Prognosecharakters, die Versicherung an Eides Statt zugelassen. Dem Aktionär stehen gegenbeweisliche Verteidigungsmittel wegen der Eilbedürftigkeit dabei regelmäßig nicht zur Verfügung. 3. Auf Seiten des Aufschubinteresses sind die wirtschaftlichen Folgen der Eintragung allein für den Aktionär zu berücksichtigen. Nachteile für an der Klage nicht beteiligte oder nicht über das Freigabequorum hinauskommende Aktionäre des Streubesitz-Anteils oder des Aktionariats in seiner Gesamtheit sind nicht zu werten. Unklar, aber zu bejahen ist, dass zugunsten des Aufschubinteresses auch die gerügten Rechtsverstöße beachtet werden müssen, was dazu führen kann, dass auch unterhalb der Schwelle des besonders schweren Rechtsverstoßes keine Freigabe erfolgt. Das Merkmal des besonders schweren Rechtsverstoßes hat nach diesem Verständnis nur den Charakter eines Ausschlusskriteriums, welches die Freigabe auch bei ansonsten überwiegendem Vollzugsinteresse verbietet. 4. Angesichts der Fokussierung auf das wirtschaftliche Interesse der Parteien unter gleichzeitiger Isolation des Klägers bei Erweiterung der relevanten Interessensträger auf Seiten der beklagten Gesellschaft entsteht eine Gewichtung, bei der sich ein Vollzugsinteresse schwerlich verneinen lässt. Kommentierende Anmerkungen der Entwurfsverfasser stellen zwar heraus, dass nicht statisch, sondern „nach freier Überzeugung“ zu entscheiden und so zu einem
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„abgestuften System“ zu gelangen sei. Auch ein, in nicht unerheblichem Umfang beteiligter, Aktionär hat dem dergestalt verstandenen Vollzugsinteresse aber regelmäßig wenig entgegenzusetzen. 5. Das ARUG hat die Formulierung, wonach unter Berücksichtigung der Schwere der Rechtsverletzung abzuwägen war, dahingehend verändert, dass eine Freigabe ausgeschlossen ist, wenn dem an sich gegebenen Vollzugsinteresse die besondere Schwere des Rechtsverstoßes entgegensteht. Die Materialien stellen hierfür auf Art und Umfang des Verstoßes ab und nennen neben einer Reihe von lebensfremden Beispielen dafür vorsätzliches oder gar absichtliches Handeln. Die Rechtsprechung hat Verstöße gegen Kapitalerhaltungsvorschriften und den ungerechtfertigten Ausschluss des Mehrheitsaktionärs von der Hauptversammlung bislang als besonders schweren Verstoß gelten lassen. Ähnlich wie bei der gegenbeweislichen Widerlegung eines Nachteils der Gesellschaft ist der Kläger bei der Darlegung des besonders schweren Rechtsverstoßes wegen der Beschränkung auf präsente Beweismittel im Nachteil. 6. In ihrer vorstehend verstandenen Form beinhaltet die Abwägungsklausel einen, das materielle Recht im Bereich der Beschlussgegenstände der §§ 16 III UmwG, 246a, 319 VI, 327e II AktG überlagernden richterlichen Eingriffstatbestand. Wie unverhohlen eingeräumt wird, gilt es an der Hauptsache und dem bei ihr anzuwendenden Recht vorbei eine bestandskräftige Regelung zu treffen.275 Es liegt auf der Hand, dass eine derartige Preisgabe von Rechtspositionen – erst Recht unter Hinweis auf wirtschaftliche Interessen – eine Vielzahl von Fragen aufwirft. Bevor darauf zurückzukommen ist,276 bedarf es allerdings zunächst der im Folgenden vorzunehmenden Untersuchung, welche Wirkungen der Freigabebeschluss hat und welche Ausgleichsinstrumente zur Verfügung stehen, um eine Reduzierung des primärrechtlichen Schutzes der Mitgliedschaft durch vermögensrechtliche Sekundäransprüche zu kompensieren.
§ 5 Bagatell-Quorum A. Gesetzliche Regelung der §§ 16 III Nr. 2 UmwG, 246a II Nr. 2, 319 VI Nr. 2, 327e II AktG Neben der Freigabe wegen mangelnder Erfolgsaussichten der Klage oder dem überwiegenden Vollzugsinteresse ergeht der Freigabebeschluss gem. §§ 16 III Nr. 2 UmwG, 246a II Nr. 2, 319 VI Nr. 2, 327e II AktG, wenn 275 Vgl. zu § 16 UmwG auch schon Bayer, ZGR 1995, 613, 623, der anmerkt, der materiellrechtliche Minderheitenschutz durch Information werde beim Interessenabwägungsmodell unter dem Deckmantel des Verfahrensrechts verabschiedet. 276 S. u. § 12 B.
§ 5 Bagatell-Quorum
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„der Kläger nicht binnen einer Woche nach Zustellung des Antrags durch Urkunden nachgewiesen hat, dass er seit Bekanntmachung der Einberufung einen anteiligen Betrag von mindestens 1000 € hält“.
Das sog. „Bagatell-Quorum“ wurde durch das ARUG eingeführt und bildet in der Praxis regelmäßig einen Schwerpunkt der Freigabeprüfung. Es wird neben der alleinigen Zuständigkeit des Oberlandesgerichts als der wichtigste Punkt der Neuregelung angesehen.277 Das Ziel der Regelung besteht darin, einer bislang verbreiteten Praxis von Aktionärsklagen zu begegnen, sich in geringfügiger, wirtschaftlich nicht sinnvoller Beteiligung flächendeckend „einzukaufen“, um bei möglicherweise angreifbarer Beschlusslage eigennützig Klage zu erheben. Gleichzeitig soll die Anfechtungsbefugnis aller Aktionäre in der Hauptsache dabei unangetastet gelassen werden.278 Entgegen anderer Auffassungen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Quorum der „Übersichtlichkeit des Freigabeverfahrens“ dienen sollte.279 Sie sind auch nicht anzuerkennen. Im Übrigen sieht die gesetzliche Regelung auch von der Einführung eines Quorums zur Begründung der Anfechtungsbefugnis ab.280 Es gelten also für die Hauptsache geringere Voraussetzungen, wobei man die Beschränkung auf das Freigabeverfahren als die mildere Variante versteht.281 I. Bildung des Quorums 1. Notwendige Beteiligungshöhe Der Begriff des „Betrags“ der Beteiligung bezeichnet nicht den aktuellen Börsenwert einer Beteiligung, sondern den Anteil am Grundkapital,282 also bei Nennbetragsaktien (§ 8 II AktG) den kumulierten Nennwert, bei Stückaktien (§ 8 III AktG) den auf die einzelne Beteiligung entfallenden anteiligen Betrag des Grundkapitals. Der ursprünglich im Regierungsentwurf vorgesehene Betrag lag bei 100 €283, wurde aber nach den Beratungen im Rechtsausschuss des Bundestages auf die nunmehr vorgesehene Höhe angehoben, wobei man davon ausging, dass diese zu einem Anlagevolumen von 10 000 € bis 20 000 € führen würde.284 Das erscheint bei Börsennotierungen nach der derzeitigen Fi277
Vgl. Waclavik, ZIP 2008, 1141, 1143; Wilsing/Saß, DB 2011, 919, 921. Vgl. Begr.RegE. BT-Drucks. 16/11642, S. 41 f.; Koch/Wackerbeck, ZIP 2009, 1603, 1605; Wilsing/Saß, DB 2011, 919, 921. 279 Vgl. dazu aber Wilsing/Saß, DB 2011, 919, 923. 280 Dazu Assmann, AG 2008, 208, 211; Hüffer, in FS Brandnder (1996), S. 57, 67 f.; Vetter, AG 2008, 177, 188; Schlaus, AG 1988, 113, 117. 281 BegrRegE, BT-Drucks. 16/11642, S. 41; zust. Kläsner/Wasse, AG 2010, 202, 204 f. 282 Vgl. OLG Stuttgart ZIP 2009, 2137; OLG Hamburg AG 2010, 215; Drescher, in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht, § 246a Rn. 5; Göz, in Bürgers/Körber, AktG, § 246a Rn. 4; Wilsing/Saß, DB 2011, 919, 921; Heidel in ders., AktG, 3. Aufl., § 246s Rn. 17e. 283 Vgl. noch BegrRegE, BT-Drucks. 16/11642, S. 42. 284 Vgl. Beschlussempfehlung, BT-Drucks. 16/13098, S. 60; krit. dazu Sauter, ZIP 2008, 1706, 1712 f. 278
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nanzkrise für viele Titel realistisch, könnte aber bei nachhaltig positiver Kursentwicklung zu überdenken sein.285 Zweifelhaft ist die gewählte Konzeption unabhängig davon auch bereits schon wegen der damit bestehenden Beteiligungsdiskrepanz. Wie auch bei anderen Beteiligungs-Quoren, an die sich verbandsrechtliche Folgen knüpfen, stellt sich die Frage, ob Beteiligungen einer Mehrheit von Antragsgegnern zusammenzurechnen sind. Das wird im Ergebnis einhellig zwar verneint,286 nicht ausgeschlossen ist damit aber, dass eine Mehrheit von Beschlussgegnern ihre Beteiligung zur Erreichung der notwendigen Schwellenwerte im Wege der Wertpapierleihe bündelt.287 Dagegen lässt sich weder anführen, eine Zusammenrechnung sei nur in den vom AktG ausdrücklich vorgesehenen Fällen erlaubt, noch liegt hierin ein Widerspruch zu dem Grundsatz, wonach im Rahmen des Freigabeverfahrens jede Klage gesondert zu prüfen sei.288 Es besteht auch keine hinreichende Gefahr, dass dem Geschäftsmodell von Berufsklägern hierdurch nicht begegnet werden muss. Denn die Notwendigkeit, das Quorum bereits vor Bekanntgabe der Tagesordnung zu erreichen, schließt „Vorrats-Bündelungen“ als Klagemodell regelmäßig aus. 2. Zeitliche Dimension der Beteiligung Die gesetzliche Regelung stellt darauf ab, dass die relevante Beteiligungshöhe „seit Bekanntmachung der Einberufung“ besteht. Ziel ist, wie schon bei der dahingehenden Begrenzung der Anfechtungsbefugnis durch das UMAG, durch Bekanntgabe der Tagesordnung veranlasste Eindeckungen zu Klagezwecken zu neutralisieren. Nicht entnehmen lässt sich der gesetzlichen Regelung, wie sich Veränderungen des Aktienbestands, die zu einer Unterschreitung der geforderten Beteiligungshöhe führen, auswirken. Nach der Rechtsprechung erstreckt sich der Zeitraum des erforderlichen Anteilsbesitzes mindestens bis zur Hauptversammlung.289 Im Schrifttum will man das Quorumserfordernis darüber hinaus und zumindest bis zur Einleitung des Freigabeverfahrens gelten lassen.290 An dieser Sichtweise trifft zu, dass der Gesetzes285 Die bspw. im DAX notierten Werte weisen Nennwerte zwischen 1 € und 3 € auf. Das führt bei einem für das Quorum geforderten Mindestanteil von 200 Stück zu einem Kapitaleinsatz zwischen ca. 277 € (für den am niedrigsten notierten Wert) und 28 390 € (für den am höchsten notierten Wert). 286 Vgl. OLG Stuttgart ZIP 2009, 2137; OLG Frankfurt a. M. ZIP 2010, 986; OLG Hamburg AG 2010, 215; NZG 2010, 666; noch zur Diskussion Drinhausen/Keinath, BB 2008, 2078, 2081; Koch/Wackerbeck, ZIP 2009, 1603, 1606; Lorenz/Pospiech, BB 2010, 2515, 1518. 287 Drescher, in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht, § 246a Rn. 5;Verse, NZG 2009, 1127, 1129. 288 Vgl. zu beidem gegen eine Zusammenrechnung der Beteiligung mehrerer Kläger Wilsing/ Saß, DB 2011, 919, 921; Lorenz/Pospiech, BB 2010, 2515, 1518. 289 Vgl. OLG Nürnberg AG 2010, 179. 290 Wilsing/Saß, DB 2011, 919, 922; ablehnend Drescher, in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht, § 246a Rn. 6.
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wortlaut keine Einschränkung der Haltedauer formuliert. Andererseits ist den gängigen Klage-Modellen, insbesondere dem, einen in seiner Höhe wirtschaftlich nicht sinnvollen Aktienbestand zu Klagezwecken vorzuhalten oder erst nach Kenntnis anfechtungsrelevanter Tagesordnungspunkte zu erwerben, mit der Anknüpfung an die Bekanntgabe Genüge getan. Daher erscheint es kaum angezeigt, den Kläger zur Vermeidung der Freigabe generell in seiner wirtschaftlichen Dispositionsbefugnis über die Beteiligung weiter einzuschränken. Auch die Möglichkeit, dass sich Berufskläger gleichsam spekulativ kurzfristig eindecken, rechtfertigt keine andere Beurteilung, dies zumal die geforderte Haltedauer gänzlich ungewiss ist, wenn man davon ausgeht, dass für die Einleitung des Freigabeverfahrens keinerlei zeitliche Befristung besteht.291 Im Ergebnis spricht daher vieles dafür, die gesetzliche Regelung in der Weise zu verstehen, dass die geforderte Beteiligungshöhe „bei“ Bekanntgabe der Einberufung vorliegt.292 II. Nachweis des Quorums Der gesetzlichen Regelung ist nicht ausdrücklich zu entnehmen, ob der Nachweis der Beteiligungshöhe stets oder nur auf Bestreiten der beklagten Gesellschaft erforderlich ist. Die Rechtsprechung geht teilweise davon aus, dass das Quorum als unstreitige Tatsache nicht des Urkundsbeweises bedürfe.293 Nach der Gegenansicht294 soll das dagegen stets der Fall sein, weil die vom Gesetz geforderte Wochenfrist für den Nachweis sonst ihren Sinn verlöre oder nur einzuhalten sei, wenn die Legitimation innerhalb der Frist unstreitig würde, was aber kaum praktikabel ist. Im Schrifttum wird dafür der Begriff der „Obliegenheit“ des Klägers verwendet, wegen der es auch keines richterlichen Hinweises auf den Nachweis der Beteiligung im Rahmen der Zustellung des Freigabeantrags bedürfen soll.295 Die Diskussion um den Nachweis des Quorums muss in Zusammenhang mit einem weiteren Streitpunkt gesehen werden: So ist die Beteiligungshöhe des Klägers wegen der zur Darlegung der Anfechtungsbefugnis notwendigen Ausführungen in der Hauptsache sowohl dem Zeitpunkt wie der Höhe nach regelmäßig unstreitig. Der Kläger führt dabei den Nachweis des erforderlichen Beteiligungszeitpunkts unter Vorlage eines Depotauszugs, aus dem sich zugleich der Umfang der Beteiligungshöhe ergibt. Bei Namensaktien ist der 291
Vgl. dazu OLG München ZIP 2010, 84; krit. Wilsing/Saß, DB 2011, 919, 922 f. So auch Rothley, GWR 2009, 312; gänzlich fehlgehen Überlegungen, ob der gesetzlichen Regelung nur bei einer Verpflichtung der Depotbank zur Mitteilung von Bestandsveränderungen Genüge getan ist; abl. Saarländisches OLG AG 2011, 343; dazu Wilsing/Saß, DB 2011, 919, 922. 293 OLG Frankfurt a. M. ZIP 2010, 986; OLG Nürnberg AG 2010, 179; so auch Drescher, in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht, § 246a Rn. 7. 294 KG Berlin AG 2011, 170; OLG Hamm, GWR 2011, 418. 295 Kläsner/Wasse, AG 2010, 202, 206. 292
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Gesellschaft die das Aktienregister führt, dessen Beteiligungshöhe ebenfalls bekannt. Unklar ist dennoch, ob die Beteiligungshöhe damit zugleich für das Freigabeverfahren als unstreitig zu behandeln ist.296 Wäre das der Fall, so käme der fehlende Nachweis der Mindestbeteiligung – ihr Erreichen vorausgesetzt – als Freigabegrund vielfach nicht in Betracht. Das OLG Nürnberg weicht diesem Einwand aus, indem es den unstreitigen Vortrag in der Hauptsache nicht auch im Freigabeverfahren als solchen gelten lässt. Beide Verfahren seien eigenständig, weswegen der Sachvortrag in dem einen als streitig und im anderen als unstreitig zu werten sei. Eine Zugrundelegung des Vorbringens in der Hauptsache sei auch nicht darstellbar, weil für beide Verfahren unterschiedliche Gerichte zuständig seien.297 Zumindest Letzteres ist nur vordergründig stichhaltig. Da im Freigabeverfahren die Rügen in der Hauptsache beurteilt werden müssen, sind die Prozessakten vom LG an das OLG zu übersenden und von diesem zu würdigen. Eine darin liegende Verzögerung ist unvermeidlich und rechtfertigt nicht, vom Kläger eine teilweise Wiederholung des bisherigen Vortrags unter kürzester Frist im Freigabeverfahren zu verlangen. Es ist auch unter allgemeinen Grundsätzen der Würdigung des Sachvortrags nicht davon auszugehen, dieser solle in entscheidenden Punkten im Freigabeverfahren nicht gelten. Die Frist für den Nachweis ist auch äußerst kurz bemessen, und zwar selbst unter dem Gesichtspunkt der Eilbedürftigkeit des Verfahrens.298 Das andere Argument des OLG Nürnberg (Selbstständigkeit von Hauptsache und Freigabeverfahren) dient hier wie auch an anderer Stelle dazu, divergierende Entscheidungen gegenüber der Hauptsache zu rechtfertigen. Es berührt die Frage nach dem Streitgegenstand beider Verfahren, ist grundlegender Natur und einstweilen zurückzustellen.299 Es scheint für sich gesehen allerdings kaum ausreichend, den – praktisch nicht erforderlichen – Nachweis der Beteiligungshöhe damit zu rechtfertigen. Legitimationsgrundlage des Bagatell-Quorums ist die Verfehlung einer wirtschaftlichen Mindestbeteiligung. Eine Freigabe bei unstreitig relevanter Beteiligung, die lediglich in kürzester Frist dem Gericht gegenüber nicht nachgewiesen wird, ist damit nicht gleichzusetzen und wohl kaum zu rechtfertigen. Aus diesem Grund ist die Nachweisfrist auch nicht materiell-rechtlicher Natur, was u. a. dazu führt, dass sie nicht als Ausschlussfrist anzusehen ist.300 Das hat zur Konsequenz, dass ein bis zur Entscheidung des Gerichts beigebrachter Nachweis noch zu berücksichtigen ist.301 296
Verneinend OLG Nürnberg AG 2010, 179; offengelassen von OLG München AG 2010,
170. 297
Vgl. OLG Nürnberg AG 2010, 179.; Wilsing/Saß, DB 2011, 919, 923. Dazu noch u. § 24 B. II. b) bb) ccc). 299 Dazu u. § 22. 300 Vgl. dazu OLG Frankfurt a. M. ZIP 2010, 986; Drescher, in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht, § 246a Rn. 7. 301 Drescher, in Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht, § 246a Rn. 7. 298
§ 5 Bagatell-Quorum
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Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass der Nachweis des erforderlichen Beteiligungsumfangs nur dann zu erfolgen hat, wenn dieser in der Hauptsache nicht unstreitig ist. III. Rechtsfolgen der Quorumsverfehlung 1. Freigabeverfahren Die Verfehlung des Quorums führt dazu, dass der Beschluss freizugeben ist, sofern dem nicht Freigabegründe entgegenstehen. Sind keine weiteren Antragsgegner vorhanden, besteht für eine Interessenabwägung oder Prüfung der Rechtslage kein Raum. Dem Freigabeantrag ist zu entsprechen. Ein Ermessen des entscheidenden Senats besteht nicht, so dass die gesetzliche Formulierung, wonach der Freigabebeschluss „ergeht, wenn …“ im Gegensatz zur früheren Formulierung „darf nur ergehen, wenn …“ für die Verfehlung der Mindestbeteiligung konsequent erscheint.302 Fraglich ist allerdings, ob der Vortrag des nicht hinreichend beteiligten Antragsgegners für die Freigabeentscheidung zu berücksichtigen bleibt, wenn wegen eines über einen hinreichenden Aktienanteil verfügenden Streitgenossen in die Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage oder die Interessenabwägung einzutreten ist. Für die Interessenabwägung wird das – wie gesehen – einhellig abgelehnt. Hier gilt die Maxime, den oder die (verbleibenden) Kläger weiträumig zu isolieren.303 Für die Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage geht die Rechtsprechung dagegen von der Berücksichtigungsfähigkeit des Sachvortrages der das Quorum verfehlenden Kläger aus.304 Diese Annahme fußt auf einer Überschneidung der Streitgegenstände von Freigabe- und Hauptsacheverfahren. Auch sie ist wiederum grundsätzlicher Natur. Im Schrifttum wird dem entgegengehalten, dass im Freigabeverfahren jede Klage einzeln darauf zu prüfen sei, ob sie der Eintragung entgegenstehe. Eine Würdigung des Vortrags des das Quorum verfehlenden Klägers soll zudem mit der Eilbedürftigkeit des Verfahrens nicht zu vereinbaren sein.305 2. Registerverfahren Unklar ist, welche Rechtsfolgen sich bei einer Freigabe wegen Verfehlung des Quorums für das Registerverfahren ergeben. Eine Bindungswirkung geht von dem Freigabebeschluss nach bisherigem Verständnis nur insoweit aus, als eine Prüfung der Rechts- und Interessenlage durch das OLG stattgefunden hat.306 302
Vgl. Noack, NZG 2008, 441, 446. S. dazu o. § 4 B. II. 2. 304 OLG München AG 2010, 170. 305 Lorenz/Pospiech, BB 2010, 2510, 2518; Kläsner/Wasse, AG 2010, 202, 204; Wilsing/Saß, DB 2011, 919, 923; zu dem zuletzt genannten Gesichtspunkt auch OLG München AG 2010, 170. 306 Vgl. Noack, NZG 2008, 441, 446. 303
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Da das beim Bagatell-Quorum nicht geschehe, sei der Registerrichter nach der Freigabe wieder zu den ansonsten für eine Prüfung der Aussetzung anzustellenden Erwägungen berufen. Zwar beschränkt sich die Prüfung dabei nach ganz herrschender Auffassung grundsätzlich nur auf Nichtigkeitsgründe.307 Trotzdem wirft ein dahingehendes Verständnis die beklagte Gesellschaft teilweise zurück. Zum einen droht eine zeitraubende Auseinandersetzung mit Fragen der Hauptsache in einem dafür nicht vorgesehenen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Zum anderen muss sie befürchten, dass die Eintragung an Gründen scheitert, die – zumindest nach derzeit verbreiteter Einschätzung – im Freigabeverfahren nicht zwangsläufig ein Hindernis darstellen. So ist kaum vorstellbar, dass sich das Registergericht in ähnlicher Weise wie das OLG (bei der Interessenabwägung) über Nichtigkeitsgründe hinwegsetzen kann, und es besteht auch die Möglichkeit, dass es Anfechtungsgründe in der Hauptsache für beachtlich hält, weil diese öffentliche Interessen berühren. Man wird das Problem nicht damit lösen können, indem man ein Wiederaufleben der Prüfungsbefugnis des Registergerichts verneint, mithin eine einschränkungs- und vorbehaltlose Bindung an den Freigabebeschluss fordert. Denn für eine Bindung besteht keinerlei Grundlage, es sei denn man räumt dem OLG die Befugnis ein, bei Verfehlung des Quorums zusätzlich noch die fehlenden Erfolgsaussichten und das überwiegende Vollzugsinteresse zu bescheiden. Da der Eintritt in eine derartige Prüfung aber gerade vermieden werden soll, besteht zu einem Wiedereintritt des Registergerichts in die Prüfung der anhängigen Unwirksamkeitsklage keine Alternative.
B. Verfassungsrechtliche Bedenken Gegen das Bagatell-Quorum wurden im Wesentlichen drei verfassungsrechtlich begründete Einwände erhoben: Der Erste betrifft die – hier nicht weiter zu behandelnde – Berücksichtigung für laufende Verfahren als Problem der Rückwirkung.308 Der Zweite lautet, das Bagatellquorum verletze das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit. Denn es sei unklar, ob mit der Beteiligung der Börsenwert oder der Anteil am Grundkapital gemeint sei. Der Dritte betrifft die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG). Dem Vorwurf der mangelnden Bestimmtheit sind Rechtsprechung und Schrifttum zutreffend damit begegnet, die fehlende Angabe im Gesetzeswortlaut sei durch eine Auslegung zu ergänzen, die zweifelsfrei ergäbe,
307 Grundlegend Lutter, NJW 1969, 1873; vgl. auch Noack, NZG 2008, 441, 446; K. Schmidt, in GK AktG, § 243 Rn. 72. 308 Vgl. dazu noch OLG Stuttgart NZG 2010, 27, 28; Kläsner/Wasse, AG 2010, 202, 205; Nikoleyczik/Butenschön, NZG 2010, 218, 219; Saß/Ogorek, NZG 2010, 337, 338; Wilsing/Saß, DB 2011, 919, 920.
§ 5 Bagatell-Quorum
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dass die Beteiligung am Grundkapital gemeint sei.309 Einer Verletzung von Art. 14 GG wird entgegengehalten, das Bagatell-Quorum im Freigabeverfahren sei maßvoller als ein Quorum zur Beschränkung der Anfechtungsbefugnis.310 Weder sei die Privatnützigkeit noch die Verfügungsbefugnis über das Anteilseigentum betroffen. Ein notwendiger Vermögensschutz sei durch die Möglichkeit des Schadensersatzanspruchs ausreichend dargestellt. Überdies ergäbe sich die Vereinbarkeit des Quorums mit Art. 14 GG aus einem Vergleich mit dem Squeeze Out. Da das BVerfG sogar für den Ausschluss von Minderheitsaktionären – mithin bei einer Beteiligung von sogar 5% – von der Verfassungsmäßigkeit des Freigabeverfahrens ausgehe,311 gelte das erst recht für das erheblich geringere Bagatell-Quorum.312 Überzeugen muss das nicht, da es bei beidem wohl um unterschiedliche Fragen geht und die Aussagekraft der bisherigen BVerfG-Rechtsprechung zum Freigabeverfahren – wie noch zu sehen sein wird – eng begrenzt ist.313 Angesichts der Wiederentdeckung des Justizgewähranspruchs im vorliegenden Kontext314 liegt durchaus nahe, dass das Bagatell-Quorum bei einer kritischen Entscheidung, etwa einer solchen, die allein wegen Versäumung der Nachweisfrist erginge, Gegenstand verfassungsrechtlicher Rügen werden dürfte.
C. Zusammenfassung 1. Mit den §§ 16 III Nr. 2 UmwG, 246a II Nr. 2, 319 VI Nr. 2, 327e II AktG macht der Gesetzgeber die Effektivität einer Beschlussmängelklage von dem Erreichen einer wirtschaftlichen Mindestbeteiligung, dem sog. Bagatell-Quorum abhängig. Von einer dahingehenden Regelung auf Ebene der Anfechtungsbefugnis sieht er dagegen weiter ab. Die geforderte Mindestbeteiligung kann nicht durch Zusammenrechnung des Aktienbesitzes einer Klägermehrheit erfolgen. Allerdings sind Aktionäre nicht gehindert, ihre Beteiligungen vor dem relevanten Bemessungszeitraum durch dingliche Übertragungsgeschäfte, wie sie etwa im Rahmen der Aktienanleihe erfolgen, zu bündeln. 2. Die gesetzliche Regelung ist hinsichtlich des relevanten Beteiligungszeitraums so zu verstehen, dass der geforderte Aktienbesitz spätestens bei Einberufung vorliegen muss. Unklar bleibt, wie lange er zu bestehen hat. Sachgerecht erscheint, den Kläger mindestens bis zur Durchführung der Haupt309 Zu den Gründen noch OLG Stuttgart NZG 2010, 27; KG NZG 2010, 224; OLG Hamburg AG 2010, 214; aus dem Schrifttum Kläsner/Wasse, AG 2010, 202, 204; Nikoleyczik/Butenschön, NZG 2010, 218; Saß/Ogorek, NZG 2010, 337; Wilsing/Saß, DB 2011, 919 f. 310 Kläsner/Wasse, AG 2010, 202, 204 f.; Wilsing/Saß, DB 2011, 919, 920. 311 Vgl. BVerfG BB 2007, 1515. 312 Vgl. OLG Hamburg AG 2010, 214 u. 215; Grunewald, NZG 2009, 967; Kläsner/Wasse, AG 2010, 202, 205; Wilsing/Saß, DB 2011, 919, 920. 313 S. u. § 22 E. 314 Vgl. BVerfG WM 2010, 170.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
versammlung zu binden. Dass eine Beteiligung bis zur Einleitung des Freigabeverfahrens oder sogar während des Verfahrens zu fordern ist, kann der gesetzlichen Regelung nicht entnommen werden und erscheint zur Verwirklichung ihrer Ziele auch nicht geboten. 3. Materiell-rechtliche Legitimation einer auf die §§ 16 III Nr. 2 UmwG, 246a II Nr. 2, 319 VI Nr. 2, 327e II AktG gestützten Freigabe ist die Verfehlung einer wirtschaftlich als nicht unternehmerisch typisierten Beteiligung, nicht dagegen die Versäumung des Nachweises innerhalb der vom Gesetz genannten Wochenfrist. Diese ist lediglich prozessualer, nicht dagegen materiellrechtlicher Natur. Daran knüpfen sich als wesentliche Folgen, dass der Nachweis nur bei streitiger Beteiligungshöhe erforderlich ist und er bis zur Entscheidung nachgeholt werden kann. 4. Die Verfehlung der Mindestbeteiligung oder ihres ggf. erforderlichen Nachweises führt dazu, dass der Beschluss ungeachtet einer Prüfung der materiellen Rechtslage oder einer Bewertung von Vollzugs- und Aufschubinteresse freizugeben ist. Für das Registerverfahren ergibt sich daraus die Frage, welche Bindungswirkung von einem dergestalt formalen Bescheid ausgehen soll. Die besseren Gründe sprechen dafür, das Registergericht vor der Eintragung zu einer Prüfung der Sach- und Rechtslage verpflichtet zu sehen, die einer Bewertung der Erfolgsaussichten und der Art des Beschlussmangels dient. Dabei gelten die allgemeinen Grundsätze des Handelsregisterverfahrens, was dazu führt, dass ein nichtiger Beschluss nicht eingetragen werden darf. 5. Verfassungsrechtliche Rügen des Bagatell-Quorums haben nicht überzeugen können. Allerdings könnte die Diskussion hier erst noch bevorstehen, sofern es in der Rechtsprechung zu Freigabebeschlüssen kommt, die in Bezug auf rechtliches Gehör Zweifelsfragen aufwerfen.
3. Abschnitt
Rechtsfolgen der Freigabeentscheidung Hinsichtlich der Rechtsfolgen der Freigabe ist zwischen solchen zu unterscheiden, die unmittelbar aufgrund des stattgebenden rechtskräftigen Freigabebeschlusses eintreten und solchen, die sich erst aufgrund der Eintragung ergeben.1 Unmittelbare Folgen hat der Freigabebeschluss zunächst nur für das Registerverfahren. Hier stellt sich die Frage der Bindungswirkung für das Registergericht. Die weiteren Folgen der Freigabe (Bestandsschutz, Eintragungsverbot bei Obsiegen in der Hauptsache und Haftung der Gesellschaft) treten nur dann ein, wenn es auch zur Eintragung kommt. Sie sind mittelbarer Natur. Im Folgenden soll zunächst der Umfang der registergerichtlichen Bindung an den Freigabebeschluss betrachtet werden, bevor im Anschluss der davon ausgehende Bestandsschutz und die Konsequenzen für die Hauptsache zu untersuchen sind.
§ 6 Eintragungsverfahren A. Bindungswirkung der oberlandesgerichtlichen Entscheidung Das OLG entscheidet im Freigabeverfahren nur die klagebezogenen Gesichtspunkte der Eintragung in das Handelsregister, verfügt diese aber nicht selbst. Damit die Gesellschaft die Früchte des Freigabeverfahrens in das Handelsregisterverfahren tragen kann, bedarf es einer Anordnung, aus der sich ergibt, dass der Registerrichter an die Feststellung des OLG gebunden ist. Die an die Registersperre anknüpfenden Freigaberegelungen verzichten auf eine ausdrückliche Festlegung des Registerrichters auf den Freigabebeschluss. Eine solche ergibt sich auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen. Denn danach gilt, dass die Organe der streitigen Gerichtsbarkeit und der freiwilligen Gerichtsbarkeit voneinander unabhängig sind.2 Die Bindungswirkung kommt allerdings im Normtext durch die Gleichstellung des Freigabebeschlusses mit dem Negativattest zum Ausdruck. Die Gesetzesbegründung zum UmwBerG führt zum rechtstechnischen Bindeglied beider Verfahren aus: 1 So auch Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 174 f. 2 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., § 11 II 2.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
„Durch den einleitenden Wortlaut (von § 16 III 1 UmwG)3 wird sichergestellt, dass eine rechtskräftige Entscheidung des Prozessgerichts das Registergericht bindet, dieses also die Eintragung nicht mehr mit dem Hinweis auf die erhobene Klage oder das Fehlen der Negativerklärung ablehnen darf.“4
Für die Freigabe von Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträgen war aus Gründen der Abstimmung von Freigabe- und Registerverfahren5 demgegenüber eine ausdrückliche Anordnung der Bindungswirkung erforderlich. Diese findet sich in § 246a III 5 AktG, nach dem gilt, dass der rechtskräftige Beschluss für das Registergericht bindend ist und für und gegen jedermann gilt. Sie soll den bereits vorhandenen Verfahrensfolgen des Umwandlungsrechts und der §§ 319 VI, 327e II AktG entsprechen.6 Die Freigaberegelungen ordnen damit eine gegenüber § 16 HGB spezialgesetzliche Bindung des Registergerichts an den Beschluss des OLG an.
B. Verbleibende Prüfungskompetenz des Registergerichts bei stattgebenden Freigabebeschlüssen Fraglich ist der Umfang der Bindung an den Beschluss des OLG. Insoweit ist im Ausgangspunkt zwischen stattgebenden und zurückweisenden Freigabebeschlüssen zu unterscheiden. Bei Beschlüssen mit gesetzlicher Registersperre ersetzt der Freigabebeschluss das Negativattest und beseitigt das durch sein Fehlen ausgelöste formale Eintragungshindernis.7 Bei stattgebender Entscheidung darf der Registerrichter die Eintragung im Grundsatz nicht mehr mit Hinweis auf die Klageerhebung8 zurückweisen bzw. im Fall des § 246a AktG nach §§ 127 FGG a. F./381 FamFG aussetzen. Zu prüfen hat er aber auch nach der Freigabe die (weiteren) formellen Voraussetzungen der Eintragung.9 Die ihm verbleibende materielle Prüfungskompetenz wird in ihrem Umfang durch den Inhalt der Freigabeentscheidung und die darin gegenständlich gewordenen Beschlussmängel bestimmt. Daraus ergeben sich im Wesentlichen drei inhaltliche Ausprägungen der Bindungswirkung:
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Anm. des Verfassers. BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 89. 5 Dazu bereits o. § 1 B. III. 1. 6 BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 27; vgl. auch Schütz, DB 2004, 419, 424; s. dazu auch Grunewald, Münchkomm AktG, 2. Aufl., § 319 Rn. 41. 7 S. o. § 1 A. I. 8 Vgl. zu früheren Überlegungen einer uneingeschränkten Bindungswirkung noch Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 30 ff.; dazu auch Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 223 m. w. N. 9 Vgl. Noack, ZHR 164 (2000), 287; Zöllner, in FS Westermann (2008), S. 1631, 1634. 4
§ 6 Eintragungsverfahren
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I. Freigabe wegen Unzulässigkeit der Klage Keine Einschränkung des allgemeinen Prüfungskanons besteht bei Unbedenklichkeitsbeschlüssen, die auf der Unzulässigkeit der Klage beruhen.10 Sie entsprechen, vergleichbar mit einem bloßen Prozessurteil, einem „Prozessbeschluss“. Das OLG hat zu den geltend gemachten Mängeln keine Stellung bezogen. Das Registergericht bleibt in seiner Würdigung frei und muss – der zutreffenden herrschenden Meinung folgend -11 vor der Anmeldung prüfen, ob der Beschluss an einem Nichtigkeitsgrund leidet oder Bestimmungen verletzt, die nicht ausschließlich im Interesse des Aktionärs, sondern auch der Gläubiger oder Dritter liegen. In diesem Fall ist der Beschluss als eintragungswidrig zurückzuweisen.12 Dasselbe gilt beim Fehlen formeller Eintragungsvoraussetzungen.13 II. Freigabe wegen mangelnder Erfolgsaussichten der Hauptsache Bei einer abschlägigen Bescheidung der Erfolgsaussichten der Hauptsache kann die Eintragung grundsätzlich nur aus verfahrensrechtlichen Gründen abzulehnen sein. Im Übrigen greift die Bindungswirkung des § 246 III 5 AktG. Anders ist es, wenn sich der Freigabebeschluss mit der im Registerverfahren behaupteten Beschlussrüge nicht auseinandergesetzt hat. Das kann zum einen der Fall sein, weil diese nicht Gegenstand der Klage oder des Freigabeverfahrens war, zum anderen, weil das OLG nicht in eine Sachprüfung eingetreten ist. Beides kann unterschiedliche Ursachen haben, aus denen sich Auswirkungen für den Umfang der vom Freigabebeschluss ausgehenden Bindungswirkung ergeben können. 1. Nicht geltend gemachte Wirksamkeitsdefizite Wegen des im Freigabeverfahren geltenden Dispositionsgrundsatzes werden nur diejenigen Beschlussmängel streitgegenständlich, welche vom Kläger zum Gegenstand des Vortrags der Unwirksamkeitsklage gemacht und in das Ver10 BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 27; Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 31; Drescher, in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 246a AktG Rn. 18; Dörr, in Spindler/Stilz, AktG, § 246a Rn. 34; Geßler, AktG, Loseblatt Stand Juni 2006, § 246a Rn. 10; Göz, in Bürgers/Körber, AktG, § 246a Rn. 5; Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 222 u. 224; Schütz, DB 2004, 419, 424. 11 Im Anschluss an Lutter, NJW 1969, 1873, 1878 ff.; vgl. dazu etwa Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturveränderungen (1998), S. 44 f.; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 243 Rn. 51 ff.; Sosnitza, NZG 1999, 965, 973; zur Gegenmeinung BayObLG BB 1991, 1729. 12 Zum Begriff der Eintragungswidrigkeit Zöllner, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., Anh. § 47 Rn. 11; zum ganzen auch Bokelmann, DB 1994, 1341, 1344 ff. 13 BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 27; so auch Bokelmann, DB 1994, 1341, 1344 ff.; Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 31; Dörr, in Spindler/Stilz, AktG, § 246a Rn. 33; Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 222 u. 224; Schütz, DB 2004, 419, 424; Sosnitza, NZG 1999, 965, 973.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
fahren eingeführt wurden. Wirksamkeitsdefizite, die nicht Gegenstand der Klage sind, dürfen daher nicht beschieden werden, und zwar auch dann nicht, wenn sie – absichtlich oder versehentlich – durch die antragstellende Gesellschaft in das Verfahren eingeführt worden sind, etwa um sich in bestandskräftiger Weise dahingehende Unbedenklichkeit bescheinigen zu lassen ohne auf Heilung oder Bestätigung (§§ 242, 244 AktG) angewiesen zu sein.14 Angesichts der Anknüpfung der Freigabegründe an die Klage erscheint das allerdings nicht statthaft, so dass es dazu kommen kann, dass der Freigabe nachfolgend im Registerverfahren neue/andere Beschlussmängel behauptet werden. Die Eintragung hindern können dabei insbesondere Nichtigkeitsgründe, teilweise (und trotz regelmäßig verstrichener Anfechtungsfrist) auch Anfechtungsgründe, deren Beachtung zumindest auch im öffentlichen Interesse liegt, ohne dass das Gesetz diese der Nichtigkeitsfolge des § 241 AktG unterwirft. Eintragungswidrigkeit begründend sind insbesondere die §§ 180 I 4, 182 IV, 183 I 1, 192 II, 208 II 3, 222 III, 229 II, 237 I 2 AktG.15 2. Nicht beschiedene Wirksamkeitsdefizite Hat das Prozessgericht in der Sache Stellung bezogen, so ist das Registergericht im Grundsatz vollumfänglich an die getroffene Einschätzung gebunden. Das gilt sowohl bei der Rüge reiner Individualrechtsverletzungen wie bei Verstößen gegen Normen im öffentlichen Interesse. Zu erwägen sind auch hierbei jedoch drei Ausnahmen: a) Freigabe bei eingeschränkter Sachprüfung Dazu gehört zum einen der Fall des Unbedenklichkeitsbeschlusses, bei dem die der Klage bescheinigte offensichtliche Unbegründetheit allein auf – im Eintragungsverfahren nicht geltenden – Prozessmaximen des streitigen Verfahrens beruht. Zu denken ist hier vor allem an diejenigen Einschränkungen der prozessgerichtlichen Sachprüfung, die sich aus der Verhandlungs- oder Beschleunigungsmaxime ergeben. Die Frage verdeutlicht zunächst, welche Probleme sich aus dem Nebeneinander mehrerer Verfahrensordnungen mit unterschiedlichen Verfahrensmaximen ergeben. Hier steht der Amtsermittlungsgrundsatz des Registerverfahrens nicht nur gegen die Dispositionsmaxime, sondern auch den Verhandlungsgrundsatz des streitigen Verfahrens. Für den Erhalt eines registergerichtlichen Beurteilungsspielraums spricht dabei, dass es hierbei u. U. um die Kontrolle der Beachtung von im öffentlichen Interesse bestehenden Vorschriften geht. Zu berücksichtigen ist dabei ferner, 14 Zum Problem der Statthaftigkeit des Freigabeverfahrens zur Erlangung von Bestandsschutz o. § 2 C. 15 Vgl. Zöllner, in FS Westermann (2008), S. 1631, 1635; ders., in KölnKomm AktG, § 241 Rn. 25; ferner Bokelmann, DB 1994, 1344 und bereits Lutter, NJW 1969, 1873, näher u. § 14 C. I.
§ 6 Eintragungsverfahren
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dass die im Zivilprozess geltende Waffengleichheit zumindest nach den derzeit zu beobachtenden Entwicklungstendenzen im Freigabeverfahren nur noch eingeschränkt Beachtung findet.16 Allerdings würde die Anerkennung eines verbleibenden registergerichtlichen Beurteilungsspielraums dazu führen, dass die Ziele des Freigabeverfahrens, insbesondere die beschleunigte Entscheidung und ihre Verlagerung auf das OLG in Frage gestellt werden könnte. Eine Relativierung der Bindungswirkung hätte erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge, was dafür spricht, auch die Freigabeentscheidung, welche auf gegenüber dem Registerverfahren divergierenden Verfahrensmaximen beruht, gleichwohl als bindend anzusehen. b) Freigabe ohne Sachprüfung Bedeutsam ist zum anderen, ob eine Bindung besteht, wenn das Gericht den Beschluss zwar wegen der Unbegründetheit der Klage freigegeben hat, diese Einschätzung aber nur auf Gründen formalen Charakters beruht. Der wichtigste Fall ist hier sicherlich die Versäumung der Anfechtungsfrist. Ebenfalls zu nennen sind das Fehlen der Anfechtungsbefugnis mangels ausreichender Vorbesitzzeit (§ 245 Nr. 1 AktG) oder wegen des Rechtsverlusts aufgrund der Verletzung von Meldepflichten nach §§ 20 I bzw. 28 WpHG, 59 I WpÜG.17 Gleichfalls hierher gehört auch die Freigabe wegen Rechtsmissbrauchs des Anfechtungsrechts. Alle diese Gründe führen zur Abweisung der Klage als unbegründet, was aber für das Registerverfahren ohne das Freigabeverfahren irrelevant wäre. So beseitigt das Verstreichen der Anfechtungsfrist des § 246 I AktG nicht die Prüfungsbefugnis des Registergerichts; diese bezieht sich nicht nur auf Nichtigkeitsgründe, sondern auch auf im Drittinteresse bestehende Anfechtungsgründe.18 Im Schrifttum finden sich daher Stimmen, welche die Bindungswirkung des Freigabebeschlusses relativieren wollen. Folgt man dem, kann und muss der Registerrichter selbstständig prüfen, ob der Beschluss wirksam ist oder Beschlussmängel der Eintragung entgegenstehen.19 Dasselbe gilt, wenn der Beschluss wegen Verfehlung der Mindestbeteiligung (dem Nichterreichen des Bagatell-Quorums) freigegeben wurde.20
16 Bedenklich ist hierbei insbesondere die soeben aufgezeigte Praxis, verfahrensrechtliche Darlegungsprinzipien und Glaubhaftmachungsanforderungen im Rahmen der Interessenabwägung auszuschalten, vgl. soeben § 4 B. I. 2. 17 Vgl. dazu BGH WM 2006, 1151; Nietsch, WM 2007, 917, 923 f. 18 Bokelmann, DB 1994, 1341, 1344; str. für § 14 I UmwG, dazu Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 48 ff. 19 Für eine fortbestehende Prüfungsbefugnis auch bei Klageabweisung wegen Rechtsmissbrauchs Bokelmann, DB 1994, 1341, 1346; zust. Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 222 u. 224. 20 Noack, NZG 2008, 441, 446.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
III. Freigabe wegen überwiegenden Vollzugsinteresses Wird der Unbedenklichkeitsbeschluss wegen vorrangigen Vollzugsinteresses der Gesellschaft erlassen, so ist das Registergericht hieran nach einhelliger Auffassung uneingeschränkt gebunden.21 Sofern es sich um eine wirtschaftliche Abwägungsentscheidung handelt, folgt das schon aus der Vorrangigkeit der Einschätzung des OLG. Zudem findet im Rahmen der Interessenabwägung aber auch in der Sache eine mehr oder weniger intensive Befassung mit den Rügen, zumindest ihre Bewertung als nicht besonders schwerwiegend, statt.
C. Verbleibende Prüfungskompetenz bei Zurückweisung des Freigabeantrags I. Fortbestehen der Registersperre Kommt es zur Zurückweisung des Freigabeantrags, bleibt es für die Beschlussgegenstände des Umwandlungsrechts, die Eingliederung und den Squeeze Out beim Fortbestand der gesetzlich vorgesehenen Registersperre. Das gilt unabhängig davon, worauf die Zurückweisung des Freigabeantrags beruht. Dem Registerrichter verbleibt keine Möglichkeit, die Klage gegen die Wirksamkeit des Beschlusses abweichend vom OLG als nicht fristgemäß erhoben oder unsubstantiiert anzusehen oder das Vollzugsinteresse vorrangig zu bewerten. Nach der Ablehnung des Freigabebeschlusses ist ihm jeglicher eigener – und zwar auch der nach BGHZ 112, 9 bestehende – Beurteilungsspielraum verwehrt und hinsichtlich der klagebezogenen Eintragungshindernisse die uneingeschränkte Einschätzungsprärogative des Prozessgerichts zu beachten.22 II. Negative Bindungswirkung bei fehlender Registersperre Dieser Grundsatz gilt auch beim Fehlen einer Registersperre. Bei den Beschlussgegenständen des § 246a AktG lässt sich die negative Bindungswirkung insoweit entweder mit in einer Reduzierung des Aussetzungsermessens nach §§ 127 FGG/381 FamFG auf null begründen oder als Ausdruck des bisher schon in § 16 II HGB zum Ausdruck gelangenden Rechtsgedankens ansehen. Die Zurückweisung der Freigabeentscheidung bewirkt bei § 246a AktG-Beschlüssen damit erstmals die Entstehung einer Registersperre.
21 Vgl. Dörr, in Spindler/Stilz, AktG, § 246a Rn. 34; Geßler, AktG, Loseblatt Stand Juni/ 2006, § 246a Rn. 10b; Kösters, WM 2000, 1921, 1929; Hüffer in Münchkomm, 3. Aufl., AktG, § 246a Rn. 34; Heidel in ders., 3. Aufl., § 246a, Rn. 29. 22 Wie hier Zöllner, in FS Westermann (2008), S. 1631, 1635, der die Gegenansicht von Volhard, in Semler/Stengel, UmwG, § 16 Rn. 46 als „starker Tobak“ bezeichnet.
§ 7 Freigabe und Hauptsache
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D. Zusammenfassung 1. Der Freigabebeschluss besitzt für das Registergericht sowohl bei Beschlüssen mit gesetzlicher Registersperre wie bei § 246a AktG-Beschlüssen Bindungswirkung (vgl. dort § 246a III 5 AktG). Das Registergericht ist auf die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage und eine etwaige Bewertung des Eintragungsinteresses durch das OLG festgelegt. Nur die Pflicht zur Prüfung formeller Eintragungsvoraussetzungen bleibt von der Bindungswirkung unberührt. 2. Keine Bindungswirkung besteht hinsichtlich solcher Mängel fort, die nicht Streitgegenstand der Beschlussmangelklage sind oder die im Freigabeverfahren nicht beschieden werden. Dazu gehört auch, wenn die Erfolgsaussichten der Klage auf formeller Grundlage verneint werden. In der Konsequenz kann das Registergericht die Eintragung wegen Verletzung von Normen, die zumindest teilweise Interessen der Allgemeinheit zu dienen bestimmt sind, trotz der Freigabeentscheidung ablehnen. Eine Ausnahme von der Bindungswirkung ist abzulehnen, wenn die fehlende Bescheidung der Erfolgsaussichten auf den Verfahrensmaximen des streitigen Verfahrens beruht und nach den im FGG-Verfahren geltenden Maximen möglicherweise erfolgt wäre. Der Einschränkung der Bindungswirkung vorzuziehen ist die Entwicklung von Verfahrensprinzipien, welche eine umfassende Prüfung der Freigabevoraussetzungen sicherstellen. 3. Die Zurückweisung des Freigabeantrags bewirkt eine negative Bindungswirkung. Bei Beschlüssen, für die das Gesetz eine Registersperre vorsieht, besteht diese fort. Das Registergericht hat keinen Spielraum, um die Eintragung zu bewirken. Bei § 246a AktG-Beschlüssen begründet die Zurückweisung des Freigabeantrags erstmals eine Registersperre. Das an sich nach §§ 127 FGG/381 FamFG bestehende Aussetzungsermessen reduziert sich zu einer Aussetzungspflicht.
§ 7 Freigabe und Hauptsache Die §§ 16 III UmwG, 246a, 319 VI, 327e AktG bestimmen nur die Bindungswirkung des Freigabebeschlusses für das Registerverfahren. Gesetzlich lediglich teilweise geregelt sind dagegen dessen Auswirkungen auf die rechtshängige Beschlussmängelklage. Wie bei der Frage nach dem Verhältnis zum Registerverfahren ist dazu im Ausgangspunkt zwischen den prozessualen Folgen bei der Zurückweisung des Freigabeantrags einerseits und denen einer Stattgabe andererseits zu unterscheiden.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
A. Rechtslage bei Zurückweisung des Freigabeantrags Die Zurückweisung des Freigabeantrags hat zur Folge, dass die Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister unterbleibt. Das ergibt sich für diejenigen Beschlussgegenstände mit gesetzlicher Registersperre aus deren Fortgeltung, für Beschlüsse i. S. d. § 246a AktG aus der Bindung des Registergerichts an die gerichtlichen Ablehnung der Unbedenklichkeitsfeststellung. Hier kommt es erst durch die Zurückweisung des Freigabeantrags zu einer Registersperre.23 Das mit der Beschlussmangelklage verfolgte Rechtsschutzziel kann rechtlich wie tatsächlich in unveränderter Form weiterverfolgt werden. Die gerichtliche Vorabentscheidung entfaltet dahingehend keine präjudizielle Wirkung. Das Gericht ist folglich nicht an einer von dem Freigabeverfahren abweichenden Beurteilung gehindert, kann die Klage also auch dann abweisen, wenn es sie vorher als nicht offensichtlich unbegründet oder sogar als wahrscheinlich erfolgreich beurteilt hat. Begründet wurde das zunächst mit der Annahme, wonach beide Verfahren unterschiedliche Streitgegenstände haben24, was angesichts der kaum zu übersehenden Überschneidung beider Streitgegenstände allerdings Anlass zu Bedenken gibt.25 Tragfähiger erscheint daher, die Versagung der Präjudizwirkung mit dem summarischen Charakter des Freigabeverfahrens und den damit verbundenen Einschränkungen der gerichtlichen Prüfung26 sowie nach dem ARUG der Unterschiedlichkeit der entscheidenden Gerichte – Hauptsache erstinstanzlich LG/Freigabe OLG – zu begründen.27 Bei Zurückweisung des Freigabeantrags lässt sich auch nicht daran zweifeln, dass es sich nur um eine einstweilige Regelung handelt, deren Wirkungen durch die Klageabweisung wegfallen können. Denn eine Bestandsschutzregelung kommt nicht in Frage.
B. Rechtslage bei Stattgabe des Freigabeantrags und Eintragung des Beschlusses Ein stattgebender Freigabebeschluss hat keine Auswirkung auf die Hauptsache, wenn die Eintragung des streitgegenständlichen Beschlusses in das Handelsregister unterbleibt. Der Beschluss gelangt nicht zur Entstehung, erwächst nicht in Bestandskraft und zeitigt keine Präjudizwirkung. Das Gericht kann ihn nach allgemeinen Grundsätzen kassieren oder Nichtigkeit feststellen. Näherer Betrachtung bedürfen dagegen die Auswirkungen der Freigabe bei der 23
So schon o. § 6 C. I. Vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 90. 25 Vgl. OLG München AG 2010, 170; S. o. § 5 A. II. sowie u. § 20. 26 Vgl. Bork, ZGR 1993, 343, 365; Kösters, WM 2000, 1921, 1929; Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 257; Wilsing, DB 2005, 35, 38. 27 So auch Zöllner, in FS Westermann (2008), S. 1631, 1636. 24
§ 7 Freigabe und Hauptsache
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im Regelfall erfolgenden Eintragung des Beschlusses. Angesichts der Rechtsfolgen der Eintragung fragt sich dabei als Erstes, ob nicht in der Hauptsache Erledigung eintritt und wenn ja, wie der Prozess fortgesetzt werden kann. I. Erledigung der ursprünglichen Klage? 1. Erledigung im Sinne der ZPO Erledigung im Sinne der ZPO liegt vor, wenn die ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein späteres Ereignis gegenstandslos, d. h. unzulässig oder unbegründet wird.28 Die Parteien können darauf nach allgemeinen Regeln in zweifacher Form reagieren: Entweder sie erklären den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt – dann entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands nur noch über die Kosten (§ 91a ZPO), oder es kommt zu einer einseitigen Erledigungserklärung des Klägers unter Widerspruch des Beklagten. Diese ist regelmäßig als (zulässige) Klageänderung auf die Feststellung, dass der Rechtsstreit sich erledigt habe, zu verstehen. Die ursprüngliche Klage wird als Feststellungsklage aufrechterhalten (§ 256 ZPO). In diesem Fall wird neben der Zulässigkeit und der Begründetheit auch die Erledigung geprüft.29 In der Gerichtspraxis kommt es nach erfolgter Freigabe nahezu stets zur beiderseitigen Erledigungserklärung.30 2. Bisheriges Verständnis in Rechtsprechung und Lehre: Keine Erledigung der Hauptsache Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung zur Wirkung der Eintragung auf den Beschlussmangelstreit. Nach den Vorstellungen der Materialien zum UmwBerG soll eine solche jedoch ausscheiden:31 „Durch den Beschluss (…) wird das anhängige Klageverfahren nicht berührt, da Streitgegenstand des besonderen Rechtsbehelfs nach Absatz 3 nur das Bestehen oder Nichtbestehen einer registerverfahrensrechtlichen Voraussetzung ist, nämlich die Frage, ob die anhängige Klage der Eintragung entgegensteht; demgegenüber betrifft die anhängige Klage nicht die Eintragungsfähigkeit der Verschmelzung, sondern die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses.“32
Rechtsprechung und Schrifttum gehen ebenfalls nahezu einhellig davon aus, dass sich die Hauptsache durch die Eintragung nicht erledigt und der Kläger 28
BGHZ 83, 12, 13. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl., § 91a Rn. 170; Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. Aufl., Rn. 43; BGH NJW 2008, 2580; BGH NJW-RR 1993, 391. 30 Das ergab die Rückfrage bei den LG Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Stuttgart u. München. 31 BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 90. 32 Die Rechtsprechung hat sich dies zu Eigen gemacht und hieraus insbesondere die Selbstständigkeit des Freigabeverfahrens gegenüber der Hauptsache hergeleitet; vgl. OLG Düsseldorf AG 2004, 207. 29
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
unverändert zur Fortsetzung des Prozesses berechtigt bleibt.33 Nur vereinzelt wird das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschlussmängelklage einschränkend unter dem Vorbehalt der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen als fortbestehend erachtet.34 Die genannte h. M. beruht im Wesentlichen auf drei Erwägungen: Erstens der angenommenen Selbstständigkeit der Streitgegenstände von Freigabeverfahren und Hauptsache,35 zweitens der Rechtsnatur des Freigabeverfahrens als einem dem vorläufigen Rechtsschutz zuzuordnenden Verfahren, das wegen seines summarischen Charakters keine Auswirkungen auf das „schwebende“ Hauptverfahren habe36 und drittens der Unterscheidung zwischen der vollzogenen Strukturmaßnahme einerseits und dem ihr zugrunde liegenden Beschluss andererseits.37 Die Eintragung bewirke nicht die Heilung des Beschlusses, sie berühre deshalb im Grundsatz weder die Anfechtungsbefugnis noch die Gestaltungswirkung der erfolgreichen Anfechtungsklage und stehe auch der Rechtskrafterstreckung (vgl. § 248 AktG) nicht entgegen. Die Kassation bleibe daher möglich. 3. Anhaltspunkte für eine Fortsetzung der Hauptsache als Gestaltungsprozess Für den genannten Ansatz scheinen sich im Gesetz in der Tat drei Anhaltspunkte zu finden: So sieht zum einen § 28 UmwG vor, dass „die Klage gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses“ eines übertragenden Rechtsträgers nach Eintragung der Verschmelzung in das Register gegen den übernehmenden Rechtsträger zu richten (ist)“. Das beinhaltet die Möglichkeit der Fortführung der ursprünglichen Beschlussmängelklage als solcher und bedeutet, dass die – den Beschluss nach § 20 II UmwG an sich unberührt lassenden – Mängel der Verschmelzung zur Kassation des Beschlusses führen können. Sodann sind die freigaberechtlichen Schadensersatzanspruchsregelungen aus §§ 16 III 10 UmwG, 246a IV 1, 319 VI 10, 327e II AktG daran geknüpft, dass „sich die Klage als begründet“ erweist. Die Schadensersatzpflicht scheint also von einer erst im ordentlichen Verfahren vorzunehmenden Vollprüfung des ursprüngli-
33 Vgl. OLG Stuttgart, AG 2004, 271; KG NZG 2010, 462; Göz, in Bürgers/Körber, AktG § 246a Rn. 5; Meilicke, AG 2007, 261, 269; Dörr, in Spindler/Stilz, AktG, § 246a Rn. 40; Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 246a Rn. 34; a. A. wohl aber Sosnitza, NZG 1999, 965, 974. 34 Winter, in FS Happ (2006), S. 263. 35 OLG Düsseldorf AG 2004, 654; Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 47: „Es handelt sich um ein summarisches Verfahren, das (…) allein die registerrechtliche Frage der Eintragungsfähigkeit der Verschmelzung zum Gegenstand hat“. 36 Vgl. schon Bork, ZGR 1993, 343, 365; Kösters, WM 2000, 1921, 1929; Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 257; Wilsing, DB 2005, 35, 38. 37 OLG Stuttgart AG 2004, 271 272 f.; zur dahin gehenden Abstraktion schon Zöllner, AG 1993, 68; krit. Hommelhoff, ZHR 158 (1994) 11.
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chen Gesuchs abzuhängen.38 Die genannten Vorschriften sprechen auch nur von dem Anspruch auf Schadensersatz, setzen also nicht voraus, dass ein Übergang vom Beschlussmängel- in den Schadensersatzprozess stattgefunden haben muss. Als weiterer letzter Anhaltspunkt für die Fortsetzung des ursprünglichen Prozesses und gegen seine Erledigung ergibt sich auch aus dem durch das UMAG eingefügten § 242 II 5 AktG, wonach gilt: „Ist ein Hauptversammlungsbeschluss nichtig, so kann das Urteil nach § 248 I 3 AktG nicht mehr eingetragen werden, wenn gemäß § 246a I AktG rechtskräftig festgestellt wurde, dass Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen.“ Die hier geregelte Situation der Eintragung der Kassation stellt sich überhaupt nur, wenn ein entsprechendes Nichtigkeitsurteil ergehen kann. 4. Kritische Würdigung a) Notwendige Prämissen So eindeutig das Gesetz von der Fortsetzungsfähigkeit des Gestaltungsprozesses auszugehen scheint, so unklar sind die dem Gesagten zugrundeliegenden Prämissen. Im Wesentlichen bestehen zwei Ansatzpunkte: Zum einen lässt sich aus der Fortsetzungsfähigkeit folgern, dass der mit Freigabe und Eintragung des Beschlusses eintretende Bestandsschutz nur vorübergehender Natur ist, also lediglich eine Rückabwicklung von Durchführungsmaßnahmen bis zur Kassation ausschließt. Die Rechtsfolge der Freigabe könnte dann als eine Art „Vorbehaltseintragung“ beschrieben werden. Entsprechende Überlegungen dazu hat vor Schaffung des Freigabeverfahrens Hommelhoff angestellt,39 aber auch danach sehen Teile des Schrifttums die Wirkung der Eintragung durch die spätere Nichtigerklärung beschränkt.40 Stellt man sich dagegen auf den Standpunkt, die Eintragungswirkungen müssten dauerhafter Art sein, so bereitet die gleichzeitige Anerkennung einer fortbestehenden Kassationsmöglichkeit Schwierigkeiten. Der gedankliche Ansatzpunkt zur Lösung des Problems soll in der Unterscheidbarkeit der Strukturveränderung als solcher (also dem realen Sozialakt) und dem Beschluss als der dieser zugrunde liegenden Rechtsgrundlage liegen.41 Auf derselben Linie liegt auch die Begründung für die Unterschiedlichkeit der Streitgegenstände in Freigabeverfahren und Hauptsache.42 Der Grundgedanke dabei ist letztlich der, dass sich Rechtsakt und Gesellschaftsverhältnis gegenüberstehen. Wohingegen das gesetzliche Wirksamkeitsdefizit zur Nichtigkeit des ersteren führt, wird das letztere hier38 39 40 41 42
12 ff.
Dazu Gehrlein, BB 2006, 1587. Hommelhoff, ZGR 1990, 447, 465. Vgl. dazu u. § 6 B. II. Vgl. dazu näher u. § 20 B. II. 1. b). OLG Stuttgart AG 2004, 271, 272 f.; vgl. auch dazu Hommellhoff, ZHR 158 (1994), 11,
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durch nicht ohne weiteres beseitigt.43 Bekannt ist das Prinzip aus der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft. Sein deutlichster Ausdruck ist der Vorschlag zur Anerkennung sogar lediglich faktischer Gesellschaftsverhältnisse. Allerdings stößt gerade das wegen des damit verbundenen Verzichts auf privatautonome Legitimation heute durchweg auf Ablehnung und wird an sich für überwunden gehalten.44 Zudem bezieht sich das Schrifttum mit der Unterscheidung zwischen Rechtsakt und Sozialakt auch nur auf dessen Aufrechterhaltung für die Vergangenheit. Dies leistet also wiederum keinen Beitrag zur Vereinbarkeit von Kassation und dauerhaftem Bestandsschutz, zumal hier umso mehr erklärungsbedürftig erscheint, wie eine Strukturänderung ohne rechtliche Grundlage legitimiert werden kann. Sofern es nicht gelingt, dessen Wirkung in überzeugender Weise auf den der Eintragung nachfolgenden Sozialakt, also die tatsächliche Durchführung der Strukturänderung zu beschränken, kann der Beschluss als solcher kaum für nichtig erklärt werden, ohne dass sich hieraus Konsequenzen für die Strukturänderung ergeben. b) Folgen für die Prozessbeendigung Folgt man der Ansicht, wonach keine Erledigung der Hauptsache eintritt, hätte das überdies zur (befremdlichen) Folge, dass der Beschlussmangelprozess weder durch beiderseitige Erledigungserklärung (nach § 91a ZPO) noch durch einseitige Erledigungserklärung des Klägers beendet werden könnte. Bei einer beiderseitigen Erledigungserklärung nach § 91a ZPO prüft das Gericht zwar nicht, ob das erledigende Ereignis im Fall eingetreten ist.45 Die Erledigung muss aber abstrakt möglich sein. Daran würde es fehlen, wenn man dem Freigabebeschluss diese Wirkung generell absprechen müsste. Gleichermaßen ist unbestritten, dass ein Gericht bei einem von der Rechtsordnung nicht anerkannten Anspruch nicht zum Erlass eines Anerkenntnisurteils verpflichtet werden kann.46 Zwar darf nicht übersehen werden, dass die Einschränkungen der Dispositionsbefugnis beim Anerkenntnisurteil wegen seiner weiterreichenden Wirkungen als Sachurteil und Vollstreckungstitel anderer Art sind als bei der Erledigungserklärung (die nur verfahrensbeendigende Wirkung hat). Spätestens bei der einseitigen Erledigungserklärung wird das Dilemma aber offenbar, weil diese voraussetzt, dass sich der Streitgegenstand als solcher erledigen kann und das im zu entscheidenden Fall auch geschehen ist. Es wäre kaum einzusehen, weswegen einseitige und beiderseitige Erledigungserklärung nach Freigabe generell unterschiedlich entschieden werden 43 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 6 I 1 a) Beispiel Nr. 1 (S. 137) bezogen auf die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft. 44 S. dazu u. § 14 A I 3. 45 Lindacher, in MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 91a ZPO. 46 Vgl. Musielak, in MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 307 Rn. 17.
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müssen. Folgt man der h. M. so scheiden beide Formen der Prozessbeendigung daher aus, wenn man eine Erledigungswirkung der Eintragung ablehnt. Übrig bleibt allein die Klagerücknahme nach § 269 ZPO. Sie setzt nach Beginn der mündlichen Verhandlung allerdings die Einwilligung der Beklagten voraus und hat für den Kläger die zumeist nachteilige Kostenregelung nach § 269 III 2 ZPO zur Folge. Im Ergebnis bestehen daher sowohl aus beschlussrechtsdogmatischen wie aus prozessualen Gesichtspunkten Zweifel am Ausbleiben der Erledigungswirkung einer bestandskräftigen Freigabe. II. Rechtsschutzbedürfnis für die ursprüngliche Beschlussmangelklage? Die Auffassung, wonach auch eine in Bestandskraft erwachsende Freigabe keine Auswirkungen auf die Hauptsache hat, wirft zudem für das Rechtsschutzbedürfnis Fragen auf. Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage setzen – wie jede Klage – ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis voraus. Eine klägerseitige Qualifizierung durch Verfolgung eigener rechtlicher oder wirtschaftlicher Interessen ist dabei nicht erforderlich, weil die Klage nach dem ursprünglichen Grundverständnis nicht der Durchsetzung von Eigeninteressen des Gesellschafters, sondern als Instrument zur Kontrolle von Rechts- und Gesetzmäßigkeit der Willensbildung im Verband dient,47 sie also die Funktion eines objektiven Beanstandungsverfahrens hat. Ob allein das bei bestandsgeschützten Beschlüssen eine Fortsetzung des ursprünglichen Prozesses rechtfertigt, erscheint aber schon deshalb zweifelhaft, weil in anderen Zusammenhängen trotz seiner Legalitätssicherungsfunktion anerkannt ist, dass ein Bedürfnis für die Beschlussmängelklage entfällt, wenn die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses keine Auswirkungen auf die Sach- oder Rechtslage hat.48 Das ist bei der Bestandskraft bewirkenden Freigabe letztlich kaum anders zu bewerten. Denn auch dort soll die Klage keinen rechtmäßigen Zustand (mehr) herstellen. Dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage nicht mehr uneingeschränkt fortwirken kann, ergibt sich zudem aus § 244 AktG. Nach S. 1 der Vorschrift kann die Anfechtung nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die Hauptversammlung den anfechtbaren Beschluss durch einen neuen Beschluss bestätigt hat und dieser innerhalb der Anfechtungsfrist nicht angefochten worden ist. Diese Bestätigungswirkung hat eine Erledigung der Hauptsache zur Folge,49 die nach heute wohl allgemeiner Auffassung aber 47 Es gilt der Satz vom Anfechtungskläger als dem Anwalt der beleidigten Interessen aller Aktionäre, vgl. Flechtheim, in FS Zitelmann (1913), S. 13. 48 So K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 246 Rn. 60; ähnlich Zöllner, in KölnKomm AktG, § 246 Rn. 27; zu der Rechtslage bei Bestätigungsbeschluss vor Einführung des § 244 AktG: BGHZ 21, 354; vgl. auch LG Frankfurt AG 2003, 534 (Rücktritt vom Verschmelzungsvertrag nach Anfechtung des Verschmelzungsbeschlusses); BayObLG ZIP 2004, 2190 (zum Bestellungsverfahren nach § 104 AktG). 49 Hüffer, AktG, 7. Aufl., § 244 Rn. 8.
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nicht ex tunc, sondern nur ex nunc eintritt.50 Der Bestätigungsbeschluss entfaltet also keine Rückwirkung, er beseitigt nicht einen etwaigen, zeitlich davor liegenden rechtswidrigen Zustand. Aus diesem Grund kann der Kläger nach § 244 S. 2 AktG die Anfechtung weiterhin mit dem Ziel geltend machen, den Beschluss „für diese Zeit“ für nichtig erklären zu lassen.51 Voraussetzung dafür ist allerdings ein rechtliches Interesse an der Nichtigerklärung. Dahingehend besteht weitgehende Einigkeit, dass eine bloße Klärung der Rechtslage nicht ausreicht. Ein „rechtliches Interesse“ an der Nichtigerklärung für die Vergangenheit wird daher etwa nur dann angenommen, wenn der angefochtene Beschluss auf die Mitgliedschaft einwirkt oder auf seiner Grundlage vor der Bestätigung weitere Maßnahmen beschlossen worden sind,52 wenn durch die Nichtigerklärung für die Gesellschaft ein anderer Rechtszustand geschaffen wird als der, der bestünde, wenn die Anfechtungsklage insgesamt abgewiesen würde.53 Gedacht ist dabei etwa daran, das bei Vorzugsaktien die Dividendenherabsetzung rechtswidrig war und der Aktionär für den vor der Bestätigung liegenden Zeitraum eine höhere Dividende verlangen kann54 oder der Aktionär zu Unrecht ausgeschlossen war und zwischenzeitlich gefasste Beschlüsse wegen der Verletzung seines Teilhaberechts mangelhaft sind.55 Im Ergebnis vermittelt § 244 S. 2 AktG damit die Erkenntnis, dass eine Fortsetzung des Anfechtungsverfahrens auch nach der Bestätigung zwar sinnvoll und zulässig sein kann, zugleich bestätigt sich aber die Vermutung, dass das im Dienste der Legalitätssicherung weitgehend vorbehaltlos gewährte Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage entfällt und eigens begründet werden muss, wenn das ursprüngliche Rechtsschutzziel der Beseitigung der Beschlusswirkungen nicht mehr erreicht werden kann. Im Ergebnis fehlt der Beschlussmängelklage nach Eintritt der Bestandsschutzwirkungen damit regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis (was wiederum einen Erledigungsgrund beinhaltet).
50 BGH NJW 1972, 1320; Habersack/Schürnbrand, in FS Hadding (2004), S. 391, 393; Hüffer, AktG, 7. Aufl., § 244 Rn. 6; Kiethe, NZG 1999, 1086, 1092; K. Schmidt, in: Großkomm. AktG, § 244 Rn. 16. 51 In der Praxis hat diese Möglichkeit bislang nahezu keine Bedeutung erlangt. Die Erfahrungen dort zeigen, dass stattdessen von der Möglichkeit zur Anfechtung des Bestätigungsbeschlusses, mitunter auch in mehrfacher Form Gebrauch gemacht wird, so dass einer aus Beschlüssen und Bestätigungsbeschlüssen bestehenden Kaskade, eine Kaskade von Anfechtungsprozessen gegenübersteht. Wird der Bestätigungsbeschluss für nichtig erklärt, fällt man zurück in den ersten Anfechtungsprozess, der zumeist bis zur Entscheidung über den oder die Bestätigungsbeschlüsse ausgesetzt worden ist (vgl. Zöllner, AG 2004, 397, 398). 52 Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 244 Rn. 20; Hüffer, in MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 244 Rn. 15. 53 Kiethe, NZG 1999, 1086, 1092; Zöllner, AG 2004, 397, 403. 54 Hüffer, in MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 244 Rn. 2; Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 244 Rn. 20. 55 BGH NJW 1972, 1320 f. (zur GmbH); Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 244 Rn. 20.
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III. Übergang zum Schadensersatzprozess? Nach dem vorstehend Gesagten bestehen Zweifel, ob der Kläger nach bestandskräftiger Eintragung mit seinem Antrag auf Nichtigerklärung noch Erfolg haben kann. Das führt zur Frage, ob und auf welche Weise er das ursprüngliche Klagebegehren in geänderter Form weiterverfolgen kann. Teile des Schrifttums sind der Ansicht, der Kläger habe ein Wahlrecht zwischen der Fortsetzung des Beschlussmangelstreits und der Umstellung auf eine Schadensersatzklage. Letzteres soll als zulässige Klageänderung i. S. d. § 264 Nr. 3 ZPO anzusehen sein.56 Andere sehen diese insoweit als zwingend an als für das Rechtsschutzbedürfnis der weiteren Beschlussmängelklage die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen vorausgesetzt wird.57 Allerdings fragt sich, weswegen der Kläger dann nicht direkt auf Schadensersatz klagen müssen soll. Eine Antwort könnte zunächst in den zivilprozessualen Grenzen der Klageänderung liegen. Denn nach § 264 Nr. 3 ZPO kann der Kläger die Klage ohne Zustimmung des Beklagten nur dann ändern, wenn statt des ursprünglich geforderten Gegenstands ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird. Daran fehlt es hier, weil ein eventuell geltend zu machender Schadensersatz nicht als Surrogat des Anspruchs auf Nichtigerklärung anzusehen ist. Ein Übergang zum Schadensersatzprozess ist daher allenfalls unter analoger Anwendung der Vorschrift denkbar. Er fügt sich in das System des Zivilprozesses allerdings nur dann ein, wenn der Kläger damit einen über seine Verfahrenskosten hinausgehenden Schaden verfolgt. Das ist zwar eine Frage des Einzelfalls. Bei regelmäßigem Verlauf der Dinge liegt der Schaden im vorliegenden Zusammenhang aber nur in der Auferlegung der Kosten aus dem Freigabeverfahren, und gerade diesen Fall hebt auch das Schrifttum als Hauptanwendungsbeispiel hervor.58 Dafür wäre entweder die einseitige Erledigungserklärung, der Beschluss nach § 91a ZPO oder die diesem angenäherte Entscheidung nach § 269 III ZPO das probate Mittel. Alternativ wäre darüber nachzudenken, die Freigabeentscheidung nach § 927 ZPO (analog) zumindest teilweise aufzuheben und dabei die bisherige Kostenentscheidung zu revidieren.59 Die Kosten des Rechtsstreits würden in allen diesen Fällen unmittelbar der Beklagten auferlegt. Prozessual wäre eine eigenständige Verurteilung zur Leistung nicht erforderlich. Der Klage würde es am Rechtsschutzbedürfnis fehlen, da die einseitige Erledigungserklärung der einfachere und billigere Weg zur Abwehr der Kostenlast wäre. Ein Übergang von Anfechtungs- zum Schadensersatzprozess ist folglich nur dann zulässig und auch nur dann anzunehmen, wenn der Kläger einen durch den Beschluss bzw. 56
Decher, AG 1997, 390; Sosnitza, NZG 1999, 965, 974. Winter, in FS Happ (2006), S. 263. 58 Vgl. etwa Göz, in Bürgers/Körber, AktG, § 246a Rn. 5; Ziemons, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 319 Rn. 44. 59 Vgl. Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 246a Rn. 31. 57
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seine Durchführung entstehenden (weiteren) Schaden verfolgt, der nicht in der Kostenlast besteht. Im Ergebnis kann ein Übergang zum Schadensersatzprozess daher zwar nach bestandskräftiger Freigabe vorgenommen werden. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Schadensersatzklage besteht aber nur insoweit als ein über die Kosten des Freigabeverfahrens hinausgehender Schaden geltend gemacht wird. IV. Hauptsache als Nachverfahren? Wenn man davon ausgeht, dass das Freigabeverfahren der Gesellschaft einen „schnellen Titel“ auf Eintragung des Beschlusses verschaffen soll und sich der dadurch geschaffene Bestandsschutz auf den Zeitraum bis zur rechtskräftigen Kassation beschränkt, könnte man das Verhältnis zwischen Freigabe und Hauptsache auch i. S. e. Vor- und eines Nachverfahrens deuten. Ein Vorbild liefert der Urkunden- und Wechselprozess (§ 600 ZPO). Die dabei erreichte Beschleunigung beruht maßgeblich auf einer Beschränkung des Beweises der anspruchsbegründenden und anspruchshindernden Tatsachen auf bestimmte Beweismittel (§§ 592 Satz 1, 595 II u. III ZPO), was zu bestimmten Überschneidungen mit dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes führt, an dem sich die §§ 16 III UmwG, 246a, 319 VI, 327e II AktG erklärtermaßen orientieren.60 Allerdings hängt auch dieser Erklärungsansatz von der Einschränkung des Bestandsschutzes ab und auch die Einordnung des Freigabeverfahrens als solches des einstweiligen Rechtsschutzes ist überprüfungsbedürftig. Gegen ein Nachverfahren spricht zudem, dass dem Kläger an keiner Stelle die Ausführung seiner Rechte vorbehalten bleibt. Im Anwendungsbereich des § 246a AktG formuliert § 242 II 5 AktG eher das Gegenteil, wenn dort vorgesehen ist, ein obsiegendes Urteil nicht mehr einzutragen. Das Verhältnis von Hauptsache und Freigabe lässt sich also im Ergebnis auch nicht widerspruchsfrei als ein solches zwischen Vor- und Nachverfahren deuten. V. Fortsetzungsfeststellungsklage? Bejaht man die Prämisse eines dauerhaften Bestandsschutzes, bedarf es der Überprüfung, ob sich die vom Gesetz augenscheinlich vorausgesetzte Fortführbarkeit der Beschlussmängelklage als solche in Form einer Feststellungsklage erklären lässt. Das Begehren wäre dann auf die richterliche Feststellung, dass der angegriffene Beschluss bis zur Eintragung nichtig oder für nichtig zu erklären war (bzw. bei der Nichtigkeitsfeststellung auf diese) gerichtet. Erwähnung findet ein dahingehender Ansatz in der DAV-Stellungnahme zum UMAG-Regierungsentwurf. Darin war gefordert worden, der Kläger müsse seinen ursprünglichen Antrag von der Nichtigkeitsfeststellung bzw. -erklä60
Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 246a Rn. 1, RegBegrE, BT-Drucks. 15/5092, S. 28.
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rung im Wege der Klageänderung auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit umstellen. Als Vorbild wird dabei auf die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 I 4 VwGO verwiesen.61 Danach spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass ein Verwaltungsakt, der sich durch Zurücknahme oder anders erledigt hat, rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger an der Feststellung ein berechtigtes Interesse hat. Eine solche Klageart ist in der ZPO allerdings nicht vorgesehen. Gegenstand der Feststellungsklage nach § 256 ZPO ist vielmehr ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis.62 Darüber hinaus ist ungesichert, ob sich die verwaltungsprozessuale Fortsetzungsfeststellungsklage mit ihren Funktionen auf den verbandsrechtlichen Beschlussmängelstreit übertragen lässt.63 1. Rechtsschutzmodell der Mangusta-Commerzbank-Entscheidung, (BGHZ 164, 249) Für die Anerkennung eines derart nachgelagerten Rechtsschutzkonzeptes neben der oberlandesgerichtlich schon geübten Kassation von zuvor freigegebenen Beschlüssen64 leistet insbesondere die höchstrichterliche Rechtsprechung zur gerichtlichen Kontrolle genehmigten Kapitals im Fall Mangusta-Commerzbank einen Beitrag.65 Bei dieser Entscheidung ging es um die Berichtspflichten des Vorstands bei der Ausnutzung genehmigten Kapitals und den dagegen zur Verfügung stehenden Rechtsschutz. Die erste Parallele zur vorliegenden Situation betrifft die Ausgangssituation einer starken Begrenzung des negatorischen Primärrechtsschutzes des Mitglieds gegen Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital. So hatte die Siemens/Nold-Rechtsprechung66 sowohl die formellen als auch die materiellen Anforderungen an den Hauptversammlungsbeschluss zur Ermächtigung des Vorstands abgesenkt. Ist danach als ausreichend anzusehen, dass die Maßnahme „im wohlverstandenen Unternehmensinteresse“ liegt und sie der Hauptversammlung „in allgemeiner und abstrakter Form“ bekannt gegeben werde,67 besteht für Rügen gegen den Ermächtigungsbeschluss kaum Spielraum. In dieser Situation belässt die Mangusta/Commerzbank-Entscheidung dem einzelnen Aktionär zwar ein Instrument des Primärrechtsschutzes die vorbeugende Unterlassungsklage zur Abwehr der Ausnutzung des genehmigten Kapitals durch den Vorstand. Da sie im gleichen Zug aber eine Pflicht, den Aktionären vor Ausübung der Ermäch61
Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, ZIP 2005, 778, 780; so nachfolgend auch Winter, in FS Happ (2006), S. 363, 371. 62 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 20. Aufl., § 256 Rn. 5; Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl. Rn. 3a. 63 Dazu nachfolgend unter 1. sowie noch u. § 26 C. II. 64 Vgl. KG NZG 2010, 462. 65 BGHZ 164, 241. 66 BGHZ 136, 133. 67 BGHZ 136, 133, 140. Danach genügt für den Ermächtigungsbeschluss die weitgehend abstrakte Begründung, etwa durch die Kapitalerhöhung „in geeigneten Einzelfällen“ Beteiligungen durch Aktientausch erwerben zu können.
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tigung zu berichten, verneint,68 besteht zu ihrer Erhebung oder einer einstweiligen Verfügung praktisch keine Gelegenheit. Vereitelt der BGH damit die praktische Tauglichkeit der von ihm anerkannten Unterlassungsklage und erteilt zudem der entsprechenden Anwendung der §§ 241 ff. AktG auf den Vorstandsbeschluss69 eine Absage,70 so besteht gegen die Ausübung des genehmigten Kapitals im Ergebnis kein wirksamer Primärrechtsschutz. Zum Ausgleich postuliert die Entscheidung ein alternatives bzw. nachgelagertes Rechtsschutzmodell. Dazu stellt der BGH fest, dass mit der Siemens/Nold-Entscheidung „keinesfalls der vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutz der Aktionäre herabgesetzt und der Kompetenzbereich des Vorstands zu Lasten der Hauptversammlung erweitert werden (sollte). Angesichts der Lockerung der präventiven Schranken bei der Erteilung der Ermächtigung müsse sichergestellt sein, dass im Rahmen der Ausübung der Ermächtigung eine angemessene, systemkonforme gerichtliche Kontrollmöglichkeit zur Verfügung steht“.71 Kommt dabei der dafür auf der ersten Stufe vorgesehenen vorbeugenden Unterlassungsklage auch kaum praktische Bedeutung zu, so soll es dem Mitglied auf der zweiten Stufe daher möglich sein, die Rechtmäßigkeit des Vorstandshandelns im Wege der allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO überprüfen zu lassen. Diese Konzeption beinhaltet ihrerseits eine Reihe von offenen Fragen.72 Abgesehen von dem Widerspruch, mit der Unterlassungsklage ein Rechtsschutzinstrument anzuerkennen und diesem durch Verneinung der Vorabberichtspflicht umgehend wieder den Boden zu entziehen fügt sich die genannte Feststellungsklage in das aktienrechtliche System der Beschlusskontrolle nur begrenzt ein.73 Ungeachtet dessen können als grundsätzliche Übereinstimmungen zur Situation nach Freigabe des Beschlusses jedoch die Betonung der unternehmerischen Handlungsfreiheit zu Lasten einer gerichtlichen Kontrolle bei gleichzeitigem Bedürfnis, wenigstens eine nachgelagerte gerichtliche Kontrolle zu etablieren, festgehalten werden. 2. Anforderungen an das Feststellungsinteresse Wie groß das Unbehagen des BGH über die Verdrängung eines effektiven Primärrechtsschutzes sein muss, offenbart sich daran, dass die nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vorstandshandelns weitgehend unbesehen eines konkreten Rechtsschutzziels als statthaft angesehen wird. Anders als bei §§ 113 I 4 VwGO, 244 S. 2 AktG, 256 ZPO, wo das Erfordernis des „berechtigten Interesses“ an der Feststellung als Filter wirkt, soll die Prüfung der 68 69 70 71 72 73
BGHZ 164, 241, 244 ff. Vgl. dazu Baums, ZGR 1983, 300, 340; Paefgen, ZIP 2004, 145, 149 ff. BGHZ 164, 249, 252. BGHZ 164, 249, 254 ff. Nähere Einzelheiten bei Nietsch, WuB II A. § 202 AktG 1.06. Vgl. dazu auch Bartels, ZGR 2008, 727.
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Ausübung des genehmigten Kapitals durch den Vorstand zulässig sein, ohne dass sich hieraus Präjudizwirkungen für einen möglichen (Schadensersatz-) Anspruch der Gesellschaft oder des Mitglieds ergeben müssen.74 Als Klageziel genügt lediglich die „Klarheit über die Wirksamkeit des Verwaltungshandelns“. Der Aktionär habe die „begründete Aussicht, dass die Leitungsorgane hieraus die notwendigen Konsequenzen (ziehen) und künftige Maßnahmen unterlassen bzw. eingetretene Rechtsverletzungen kompensieren würden“.75 Auch soll dies bei der Entlastung nicht unberücksichtigt bleiben. Besondere Anforderungen an das Feststellungsinteresse formuliert der Senat im Ergebnis also nicht. Er lässt damit eine Aktionärsklage zur Kontrolle von Organhandeln zu, die in eigenartiger Weise zwischen dem Recht der Beschlusskontrolle der §§ 241 ff. AktG und den Einwirkungsmöglichkeiten des dazu an sich berufenen Aufsichtsrats steht. Dass die möglichen Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Abwicklung des genehmigten Kapitals danach weit reichen können, offenbart eine im Anschluss an BGHZ 164, 249 ergangene Rechtsprechung des OLG Frankfurt a. M., welche deswegen zur Anfechtbarkeit eines späteren Ermächtigungsbeschlusses gelangt.76 Allerdings auch unabhängig von dem eröffneten Einfallsreichtum wirft eine derartige Fortsetzungsfeststellungsklage die Frage nach einem dafür bestehenden Regelungs- und Rechtsschutzbedürfnis auf. Wie gesehen, fehlt der Anfechtungsklage nach bestandskräftiger Freigabe ein individuell durch das Rechtsschutzziel zu begründendes Rechtsschutzbedürfnis. Im Rahmen von § 113 I 4 VwGO sind verschiedene Fallgruppen anerkannt, in denen ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzuerkennen ist. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob sich diese hier übertragen lassen: So gibt es im Zivilprozess grundsätzlich kein Rehabilitationsinteresse77 gegenüber der anderen Partei. Bei einer Wiederholungsgefahr78 ist im Grundsatz die vorbeugende Unterlassungsklage statthaft und es ist schwer ersichtlich, dass aus einem Verstoß Rechtsfolgen wie die vom OLG Frankfurt a. M. ergangene Anfechtbarkeit eines späteren Beschlusses entstehen sollen. Die dritte Fallgruppe des § 113 I 4 VwGO – Herstellung der Präjudizwirkung für einen Schadensersatzprozess79 – ist schon bei dieser Norm zweifelhaft. Im vorliegenden Zusammenhang entsteht dem Kläger sodann – wie gesehen – vielfach kein über die Kosten des Freigabeverfahrens hinausgehender Schaden. Wo das der Fall ist, 74
BGHZ 164, 249, 255 ff. BGHZ 164, 249, 256. 76 Vgl. OLG Frankfurt a. M. ZIP 2011, 1613. 77 Vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 113 Rn. 142; Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl., § 113 Rn. 92. 78 Vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 113 Rn. 14; Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl., § 113 Rn. 86a. 79 Vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 113 Rn. 136; Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl., § 113 Rn. 87. 75
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kann er die Klage aber im Rahmen einer zulässigen Klageänderung umstellen.80 Das schließt nicht aus, dass es im Einzelfall anders sein mag, etwa weil der Kläger im Rahmen der Beschlussfassung ehrkränkend und diskriminierend behandelt wurde, doch lässt sich hieraus kein allgemeiner Grundsatz ableiten. Ein Bedürfnis für den Fortsetzungsfeststellungsprozess könnte daher am ehesten in der Fortwirkung des, die Beschlusskontrolle ursprünglich legitimierenden, Rechtsschutzbedürfnisses liegen. Zu erwägen ist insoweit, ob sich eine derartige Klage wegen des institutionellen Charakters des Beschlussmängelstreits als Mittel der Legalitätssicherung und der Rechtsfortbildung als notwendig erweist und den Verzicht auf ein besonderes Interesse des Klägers an berechtigter Feststellung auf diese Weise zu begründen vermag. Ob das der Fall ist, hängt maßgeblich von der Art der Entscheidungsfindung im Freigabeverfahren ab. Je mehr sie sich von der Hauptsache unterscheidet – augenscheinlich am meisten, wenn die Entscheidung unbesehen des materiellen Rechts oder sogar gegen dieses ergeht – umso mehr erscheint es naheliegend, dem Kläger erstmalig die Geltendmachung seiner Rechte zu ermöglichen. Weitere Überlegungen zum Verhältnis von Freigabe und Hauptsache erfordern damit nicht nur eine Untersuchung der Bestandswirkungen des Freigabebeschlusses, sondern auch der Entscheidungsgrundlagen. Lediglich wenn man unterstellt, dass es bei dem derzeit wohl herrschenden Verständnis bleibt, wonach im Freigabeverfahren mit dauerhafter Wirkung auch gegen das Gesetz entschieden werden kann, wäre das Bedürfnis für eine allgemeine Fortsetzungsfeststellungsklage einsichtig. An dieser Stelle ist daher als Zwischenergebnis lediglich festzuhalten: Weder die ZPO noch die §§ 241 ff. AktG kennen eine dem § 113 I 4 VwGO vergleichbare Fortsetzungsfeststellungsklage. Es erscheint denkbar, dass eine solche wegen der spezifischen Funktion der Beschlusskontrolle, namentlich ihrer institutionellen Bedeutung in ungeschriebener Form im Aktienrecht anzuerkennen ist. Darauf ist nach Behandlung der vorstehend genannten Prämissen zurückzukommen.81
C. Zusammenfassung 1. Bei den Auswirkungen des Freigabebeschlusses ist zwischen der Zurückweisung und Stattgabe, der die Eintragung nachfolgt, zu unterscheiden. Bei Zurückweisung des Freigabeantrags besteht die Registersperre der §§ 16 II UmwG, 319 V, 327e II AktG fort, im Fall des § 246a AktG entsteht sie erstmalig durch die negative Bindungswirkung des Registergerichts (§ 246a III 3, 1. Hs. AktG), so dass sich der Freigabeantrag hier durchaus als zweischneidiges Schwert erweisen kann. Auswirkungen auf die Hauptsache ergeben sich nicht. 80 81
Weitere Bedenken ergeben sich je nach Art des Schadens, dazu u. § 8 A II 4 d) bb). S. u. § 23.
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Sie wird unverändert als Beschlussmängelstreit nach Maßgabe der §§ 241 ff. AktG und der diese ergänzenden prozessualen Bestimmungen durchgeführt. 2. Dasselbe gilt nach der h. M. auch bei Stattgabe des Antrags, nach der eine Erledigung der Hauptsache nicht eintreten soll. Stimmig erscheint das indessen nur, solange der Beschluss noch nicht zur Eintragung gelangt. Ist das der Fall und kommt der Strukturmaßnahme damit dauerhafter Bestandsschutz zu, liegt die Annahme eines erledigenden Ereignisses nahe, weil das mit der Klage verfolgte Rechtsschutzziel, die Beseitigung des Beschlusses und die Verhinderung seiner Durchführung nicht mehr zur Disposition stehen dürfen. Das derzeit herrschende Verständnis tritt dem im Kern damit entgegen, dass der Bestandsschutz der Strukturänderung eine Kassation nicht ausschließe, was die Frage aufwirft, wie die Durchführung als sozialer Akt ohne Rechtsgrundlage auskommen soll. 3. Unterstellt man, dass der Beschluss an den Bestandsschutzwirkungen der Eintragung teilnimmt, steht dem Kläger eine Umstellung auf den Schadensprozess als zulässige Klageänderung nach § 264 Nr. 3 ZPO (analog) offen. Ein Rechtsschutzbedürfnis hierfür ist allerdings nur anzuerkennen, wenn ihm ein über die Kosten des Freigabeverfahrens hinausgehender Schaden entstanden ist. 4. Es ist zu erwägen, ob die gesetzlichen Vorschriften, welche an die Fortführbarkeit des Beschlussmangelprozesses anknüpfen (§§ 242 II 5, 246 IV 1 AktG pp., 28 UmwG) die Möglichkeit einer Feststellungsklage über die Wirksamkeit bzw. die Rechtmäßigkeit des Beschlusses beinhalten. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat einen vergleichbaren Weg für die Überprüfung der Ausnutzung genehmigten Kapitals geschaffen. Darzulegen erscheinen dabei allerdings neben den Anforderungen an das Feststellungsinteresse die Rechtsfolgen, die ein darauf ergehendes Urteil haben soll.
§ 8 Bestandssicherung Gegenstand des Freigabebeschlusses ist zunächst die Prüfung einer registerverfahrensrechtlichen Voraussetzung, nämlich der Frage, ob die Klage der Eintragung entgegensteht.82 Die stattgebende Entscheidung beseitigt das von der Registersperre bzw. der Aussetzung nach §§ 127 FGG a. F./381 FamFG ausgehende Eintragungshindernis und befreit die Gesellschaft von der Blockadewirkung der Klage.83 Die Ausrichtung auf die Ermöglichung der Registrierung bestimmte zunächst das Verständnis des Verfahrens als einem bloßen 82
BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 90. Zu Bindungswirkung des Beschlusses und verbleibender Prüfungskompetenz des Registergerichts ist o. § 6 B. u. C. 83
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Eintragungszulassungsverfahren, was sich in den Erläuterungen der Materialien zu § 16 UmwG unter anderem in der Weise widerspiegelt, als es dort heißt: „Streitgegenstand (des Freigabeverfahrens) ist nur das Bestehen oder Nichtbestehen einer registerverfahrensrechtlichen Voraussetzung, nämlich die Frage, ob die anhängige Klage der Eintragung entgegensteht“.84 Bei erster Betrachtung könnte man daraus folgern, die Freigabe sei von der Wirksamkeit des Beschlusses zu abstrahieren und rein vorläufiger Natur85 ggf. sogar als „Formalakt“86 anzusehen. Allerdings wird eine solche Einschätzung weder den mit der Eintragung eintretenden Rechtsfolgen noch den tatsächlichen Konsequenzen der Durchführung einer Organisationsänderung gerecht.87 Darüber hinaus beschränkt das Gesetz die Freigabe spätestens seit Einführung des § 246a AktG auch nicht auf die Ermöglichung der Eintragung, sondern trifft Regelungen, die dem Erhalt der Strukturmaßnahme im Falle einer späteren Nichtigerklärung des ihr zugrunde liegenden Beschlusses dienen sollen. Das ARUG hat diese auf die Eingliederung und den Squeeze Out ausgedehnt. Im Folgenden soll die entstandene Regelungssystematik und das bisherige Verständnis zu Reichweite und dogmatischer Rechtfertigung des damit geschaffenen Bestandsschutzes untersucht werden.
A. Regelungsbedürfnis Ein Bedürfnis für Bestandsschutz von Strukturänderungen besteht zunächst, wenn man mit wohl einhelliger Meinung annimmt, dass das Kassationsurteil Wirkung ex tunc hat.88 Zu deren Begründung wird darauf verwiesen, dass Nichtigkeit und Nichtigerklärung (§ 241 Nr. 5 AktG) von Beschlüssen dieselben Wirkungen haben sollen, wie Nichtigkeitsgründe im bürgerlichen Recht, also zum gänzlichen Ausbleiben der gewollten Rechtsfolgen führen.89 Zudem 84 BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 90; Die Rechtsprechung folgert hieraus insbesondere die Selbstständigkeit des Freigabeverfahrens gegenüber der Hauptsache, vgl. OLG Düsseldorf AG 2004, 207, Hervorhebung durch den Verfasser. 85 Zum Vorschlag einer Vorbehaltseintragung bereits Hommelhoff, ZGR 1990, 447, 461 ff. 86 Vgl. Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 20 Rn. 138, der die auf das Fehlen der Eintragung abstellende Argumentation von BGH NJW 1996, 659 als „formal“ bezeichnet; s. auch Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 47: Es handelt sich um ein summarisches Verfahren, das (…) allein die registerrechtliche Frage der Eintragungsfähigkeit der Verschmelzung zum Gegenstand hat. 87 S. dazu bereits o. § 1 A. sowie u. § 20 B. II. 1. 88 Vgl. Dörr, in Spindler/Stilz, AktG, § 248 Rn. 7; Hommelhoff, ZHR 158 (1994), 11, 25; Hüffer, in MünchKomm AktG, 3. Aufl., § 241 Rn. 14 u. § 248 Rn. 14; ders., AktG, 8. Aufl., § 248 Rn. 6; ders., ZGR 2001, 833, 837 u. 851; K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 241 Rn. 20; § 248 Rn. 5; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 293 f.; Sosnitza, NZG 1998, 335; Würthwein, in Spindler/Stilz, AktG, § 241 Rn. 24; Zöllner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 248 Rn. 9 u. 17 ff.; Kort, ZGR 1994, 291. 89 Vgl. Hüffer, in MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 241 Rn. 14.
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wird der Rückwirkungsgrundsatz auf die Natur der Gestaltungswirkung der Kassation, also die Parallele zur Anfechtung nach § 142 BGB gestützt90 und schließlich als notwendige Konsequenz der Kontrollfunktion der Anfechtungsklage verstanden.91 Mit alledem soll unvereinbar sein, dass sich die als gesetz- oder satzungswidrig festgestellte Entscheidung bis zur Rechtskraft des Urteils durchsetzt. Gleichzeitig wird seit langem anerkannt, dass eine Rückabwicklung verbandsrechtlicher Organisationsakte ex tunc die davon Betroffenen, nicht nur für die Gründung, vor mitunter kaum lösbare Schwierigkeiten stellt, die Umsetzung einer Strukturveränderung aber nicht für die Dauer eines Anfechtungsrechtsstreits hinausgeschoben werden kann.92 Das Prinzip der Rückwirkung, ja unter Umständen sogar das der Kassation als solcher, steht also in einem Spannungsverhältnis zu einem Bedürfnis für den Bestandsschutz der Strukturmaßnahme.
B. Gesetzliche Regelungssystematik Das Gesetz reagiert auf die Problematik für die der Freigabe zugänglichen Beschlüsse, indem es unterschiedliche Vorkehrungen für deren Erhalt trifft. Umwandlungsrecht und Aktienrechts folgen hierbei einer teilweise übereinstimmenden, teilweise abweichenden Regelungssystematik. I. Umwandlungsrecht Im Umwandlungsrecht ergibt sich mit § 20 II UmwG einerseits und § 16 III 6 2. Hs. UmwG andererseits eine zweispurige Systematik des mit der Eintragung verbundenen93 Bestandsschutzes, je nachdem, ob die entsprechende Maßnahme unangefochten oder als Gegenstand eines Freigabebeschlusses eingetragen wird. 1. Bestandsschutz außerhalb des Freigabeverfahrens Bei der unangefochtenen Verschmelzung wird gemäß § 20 I Nr. 4 UmwG zunächst der Mangel der notariellen Beurkundung des Verschmelzungsvertrags und erforderlicher Zustimmungs- oder Verzichtserklärungen einzelner Anteilsinhaber geheilt. Allgemein bestimmt § 20 II UmwG sodann:
90 Vgl. Dörr, in Spindler/Stilz, AktG, § 248 Rn. 7; dazu auch Casper, in Spindler/Stilz, AktG, Vor § 241 Rn. 9. 91 Vgl. Dörr, in Spindler/Stilz, AktG, § 248 Rn. 7; Hüffer, in MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 248 Rn. 14. 92 Dazu sogleich u. 93 Von diesem zu unterscheiden ist derjenige Bestandsschutz, der zu der Unangreifbarkeit der Maßnahme führt, also namentlich die materielle Präklusion (§§ 14 I, 195 I UmwG). Beides steht jedoch in Zusammenhang (s. u. § 14 C III).
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„Mängel der Verschmelzung lassen die Wirkungen der Eintragung nach Absatz 1 unberührt“.94
Mit dieser Regelung kombiniert das Gesetz den unmittelbaren Eintritt der in § 20 I UmwG genannten Rechtsfolgen mit deren Absicherung gegen sämtliche Wirksamkeitsdefizite, welche die Strukturänderung betreffen können: In sachlicher Hinsicht immunisiert die Eintragung erstens gegen Mängel eines zwischen den beteiligten Rechtsträgern geschlossenen Vertrags z. B. des Verschmelzungsvertrags. Es bleibt allein eine Vertragsanpassung durch ergänzende Vertragsauslegung. Bei insgesamt nichtiger vertraglicher Grundlage der Strukturmaßnahme soll auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen und des zum Ausdruck gelangten Parteiwillens ein angemessener Vertragsinhalt gelten.95 Zweitens bleiben Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses unabhängig von ihrer Art und Schwere ohne Auswirkung. Es kommt also nicht darauf an, ob es sich um eine Verletzung des Beschlussverfahrens oder einen materiell-rechtlichen Verstoß handelt und in welchem Umfang Rechtsverstöße begangen werden. Auch der nichtige Beschluss soll bestandskräftig werden. Drittens stehen auch Mängel des Registerverfahrens dem Eintritt der Bestandswirkung nicht entgegen, was insbesondere dann praktische Bedeutung besitzt, wenn die Eintragung unter Missachtung der Registersperre und den hiergegen gegebenen Rechtsschutz erfolgt ist.96 Eine Amtslöschung nach §§ 142, 144 II FGG a. F./395, 398 FamFG durch das Registergericht scheidet aus.97 Die hierdurch ausgeübte Aufsichtsfunktion des Registergerichts entfällt. Keine Bestandswirkung entfalteten die §§ 20 II, 131 II, 203 III UmwG allein für solche Regelungen, die nicht zur Strukturveränderung im engeren Sinne gehören, also namentlich flankierende Satzungsregelungen, deren Anfechtbarkeit diese nicht durch Gesamtnichtigkeit in Frage stellen.98 Deren Mängel werden durch die Eintragung also nicht geheilt. Sie können auch nach Eintragung durch Urteil im Anfechtungsprozess für nichtig erklärt und ihre Beseitigung verlangt werden, solange keine Heilung nach allgemeinen 94 § 20 II UmwG bezieht sich gegenständlich nur auf die Verschmelzung. Das Regelungsprinzip gilt aber aufgrund §§ 131 II, 202 III UmwG für Spaltung und Formwechsel gleichermaßen. Die Geltung des § 20 II UmwG für die Vermögensübertragung folgt dagegen aus der Verweisungsnorm des § 176 I UmwG; vgl. zum folgenden Kreuznacht, Wirkungen der Eintragung der Verschmelzungen von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach § 20 Abs. 2 UmwG (1998). 95 Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 40. 96 So BGH (III. ZR) ZIP 2006, 2312, 2315; krit. Büchel, ZIP 2006, 2289, 2292; anders im Nachgang zu BVerfG WM 2010, 170 aber BGHZ 189, 32; näher zum Bestandsschutz der sperrwidrig eingetragenen Maßnahme u.§ 18 B. II. 97 Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 73; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 20 Rn. 125; so auch, obwohl im Grundsatz nicht von Irreversibilität der Eintragung ausgehend K. Schmidt, ZIP 1998, 181, 187. 98 Dazu bereits o. § 2 A. II.
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Grundsätzen, d. h. in entsprechender Anwendung von § 242 II AktG eingetreten ist.99 Nicht zu entnehmen ist der gesetzlichen Regelung, mit welcher Dauer die Wirkungen der Umwandlung bestehen bleiben sollen. Bereits für die Vorgängerregelung des § 352a AktG a. F. stellen die Materialien allerdings fest, es gelte Strukturmaßnahmen als gesellschaftsrechtliche Organisationsakte möglichst zu erhalten.100 Mängel der Maßnahme sollen deren Wirksamkeit nach der Eintragung wegen der großen rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten einer Rückabwicklung grundsätzlich nicht in Frage stellen. Fehlern der Strukturmaßnahme sei durch Ansprüche gegen die dafür verantwortlichen Personen Rechnung zu tragen.101 2. Bestandsschutz im Rahmen der Freigaberegelung § 16 III UmwG enthält zwar keine dem § 20 II UmwG und seinen Parallelvorschriften gleichlautende Bestimmung. Augenscheinlich sah sich der Gesetzgeber des UmwBerG zu einer diesen flankierenden Regelung veranlasst, aus der hervorgeht, dass eine Beseitigung auch nicht im Wege des bei einer Kassation zu leistenden Schadensersatzes verlangt werden kann. § 16 III 10 2. Hs. UmwG sieht insoweit vor: „Als Ersatz des Schadens kann nicht die Beseitigung der Wirkungen der Eintragung der Verschmelzung im Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers verlangt werden.“
Hierdurch sollen Löschung und Beseitigung der Durchführungsmaßnahmen als Form der Naturalrestitution umfassend ausgeschlossen und ersatzfähig nur Vermögensschäden sein.102 Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, dies in Form einer Ergänzung der §§ 20 II, 131 II, 203 III UmwG klarzustellen.103 Auch in diesem Zusammenhang wird auf den Willen des Gesetzgebers, gesellschaftsrechtliche Akte möglichst zu erhalten, hingewiesen.104 Ob das durch die Vorschrift gelingt, wird wegen der Rechtsnatur des Beseitigungsanspruchs im Schrifttum teilweise bezweifelt.105 Die herrschende Meinung lehnt dies indes99 Zur entsprechenden Anwendung des § 242 II auf Mängel der Ursprungssatzung BGHZ 99, 211; 144, 365; Casper in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 242 Rn. 29; Schwab in Schmidt/ Lutter, AktG, 2. Aufl, § 242 Rn. 24. 100 S. u. § 14 B. III. 101 BegrRegE, BT-Drucks. 9/1065, S. 20; vgl. auch BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 90. 102 Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 34; Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 52 f.; Sosnitza, NZG 1999, 965, 973; Volhard, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 16 Rn. 51; im Ergebnis so auch Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 16 Rn. 73. 103 Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 53; zur Forderung nach Klarstellung im Rahmen der Gesetzesentstehung Bork, ZGR 1993, 343, 365. 104 BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 90; Sosnitza, NZG 1999, 965, 973; krit. Schmid, ZGR 1997, 493, 511 ff.; ders., ZIP 1998, 1057, 1058. 105 Vgl. Schmid, ZGR 1997, 493, 511 ff.; ders., ZIP 1998, 1057, 1058; näher u. § 15 A. III. u. IV.
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sen ab: Für die Gesellschafter bestehe außerhalb des Unwirksamkeitsverfahrens kein schuldrechtlicher Anspruch auf Beseitigung der Beschlusswirkungen, und zwar weder auf schadensrechtlicher noch auf negatorischer Grundlage (§ 1004 BGB (analog)).106 Einschränkend soll es zugunsten des einzelnen Aktionärs lediglich möglich sein, ex nunc die faktischen Wirkungen einer ordnungsgemäßen Maßnahme herzustellen oder im Innenverhältnis einen schuldrechtlichen Anspruch auf Ausgleich zuzubilligen,107 was hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem vorstehend Gesagten und seiner näheren Ausgestaltung aber fraglich erscheint.108 II. Aktienrecht 1. Keine allgemeine Bestandsschutzregelung Anders als das Umwandlungsrecht enthält das Aktienrecht keine den §§ 20 II, 131 II, 203 III UmwG entsprechende, d. h. allein aufgrund der Eintragung in das Handelsregister entstehende Bestandsschutzwirkungen. Wichtigstes rechtstechnisches Mittel zur Verfestigung des fehlerhaften Beschlusses ist seine durch die Präklusionsnorm des § 246 I AktG eintretende Unanfechtbarkeit. Der nichtige Beschluss wird erst durch Heilung unangreifbar (vgl. §§ 242, 256 VI AktG)109. Eine Ausnahme von der Regel, dass die Eintragung keinen Bestandsschutz auslöst, gilt seit dem UMAG für Kapitalerhöhungen im Zusammenhang mit Verschmelzungen (§ 249 I 3 AktG).110 2. Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge a) Bestandskraft als mittelbare Folge des Freigabebeschlusses Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge sind dagegen nach erfolgreichem Durchlaufen des Freigabeverfahrens nach § 246a I u. IV AktG mit gesetzlichem Bestandsschutz ausgestattet. Die Rechtslage unterscheidet sich vom UmwG also zunächst durch den Umstand, dass die Bestandsschutzregelung unmittelbar Teil des Freigabebeschlusses ist – so die Feststellung im Tenor (vgl. § 246a I AktG) – bzw. in Folge der auf die Freigabe folgenden Eintragung eingreift – so die an § 20 II UmwG angelehnte salvatorische Klausel (vgl. § 246a IV AktG). Hinzu kommen registerbezogene Vorgaben zur Nichteintragung eines Kassationsurteils (vgl. § 242 II 5 u. 6 AktG). Damit existieren für Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge zwei unterschiedliche Arten 106 Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 73; Sosnitza, NZG 1999, 965, 974; a. A. Schmid, ZGR 1997, 497, 510 ff. 107 So zur Verschmelzung Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 20 Rn. 125 f. 108 Vgl. zur Rechtsnatur mitgliedschaftlicher Restitutionsansprüche § 15 A. III. 109 vgl. Casper in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. § 242 Rn. 12 ff; Schwab in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 242 Rn. 14 ff.; Hüffer in MünchKomm, AktG, 3. Aufl., § 242 Rn. 19 ff. 110 Dazu sogleich u. 2. e).
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von Beschlusseinträgen in das Handelsregister, nämlich solche mit und solche ohne gesetzlich geregelten Bestandsschutz.111 b) Zweifache Regelung des Bestandsschutzes Fraglich ist, was bei § 246a-AktG-Beschlüssen Grundlage des Bestandsschutzes ist. Der Tenor der Freigabeentscheidung enthält nach § 246a I AktG – ebenfalls in Abweichung von § 16 III 1 UmwG – zwei Feststellungen, zum einen die auch in den §§ 16 III 1 UmwG, 319 VI I, 327e II AktG enthaltene Aussage, „dass die Erhebung der Klage der Eintragung nicht entgegensteht“ und zum anderen die, „dass Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen“. Beides versieht das Gesetz neben der Bindungswirkung für das Registergericht mit materieller Entscheidungswirkung inter omnes (§ 246a III 5 1. u. 2. Hs. AktG). Ausgehend von § 246a I AktG wäre damit die, der entsprechenden Tenorierung im Freigabebeschluss nachfolgende, Eintragung des angefochtenen Beschlusses. Darüber hinaus enthält § 246a IV 2 1. Hs. AktG aber zusätzlich die Aussage, dass Mängel des Beschlusses nach der Eintragung „seine Durchführung“ unberührt lassen. Auffällig ist damit neben dem Zusammentreffen von gerichtlicher Feststellung (in Abs. 1) und gesetzlicher Festlegung derselben Rechtsfolge als solcher (in Abs. 4), dass der angestrebte Bestandsschutz nicht allein aufgrund der Eintragung, sondern erst mit der „Durchführung“ des Beschlusses eintritt und zumindest dem Wortlaut nach nur diese betrifft. Anders als bei § 20 II UmwG erwächst dieser also nicht schon mit der Registrierung, sondern erst im Zuge von Vollzugsmaßnahmen. Die Materialien liefern keine Anhaltspunkte, worauf die unterschiedliche redaktionelle Ausgestaltung des Gesetzes beruht. Dass man sich im Rahmen der Bestandsschutzregelung im Wesentlichen die Kapitalerhöhung erhalten wollte,112 lässt lediglich vermuten, Eintragung und Durchführung seien einander gleichgesetzt worden. Der Durchführung käme dann keine eigenständige Bedeutung als Voraussetzung zur Erlangung von Bestandsschutz neben der Eintragung zu. Denn Gegenstand der Eintragung der Kapitalerhöhung ist deren Durchführung (§ 189 AktG). Für Unternehmensverträge fehlt es hingegen an einer Erklärungsmöglichkeit der Fassung von § 246a IV 2 1. Hs. AktG. Hier kann zumindest der Wortlaut nur so verstanden werden, dass die Bestandskraft nicht schon mit der Eintragung, sondern erst mit der Durchführung eintritt. Denkbar ist aber auch, dass der Bestandsschutz für Unternehmensverträge nicht nach § 246a IV 2 AktG eintritt, sondern nur aufgrund der dahingehenden Feststellung im Tenor (§ 246a I AktG), und dass er anderer Art ist als bei Kapitalmaßnahmen.113 111
So auch Ihrig/Erwin, BB 2005, 1973, 1975; Kort, BB 2005, 1577, 1581. Vgl. zu den einschlägigen rechtspolitischen Forderungen nur Winter, in FS Ulmer, (2003), S. 699, 702 ff. 113 Dazu u. § 19 D. 112
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c) Ausschluss der Rückabwicklung auf schadensrechtlicher Grundlage Wie im UmwG bleibt offen, ob mit § 246a IV 2 1. Hs. AktG nur ein rückwärtiger, die Abwicklung ex tunc hindernder Bestandsschutz verbunden ist oder auch deren Ausschluss für die Zukunft. Den Materialien lässt sich keine in die eine oder andere Richtung weisende Regelungsintention entnehmen. Wie § 16 III 10 UmwG, enthält die gesetzliche Regelung in § 246a IV 1 AktG aber einen verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch, für den die Beseitigung der Wirkungen der Eintragung inhaltlich ausgeschlossen wird (§ 246a IV 2 2. Hs. AktG). Bezeichnenderweise knüpft das Gesetz hierfür nicht an die Durchführung der Maßnahme an, was darauf beruhen dürfte, dass man die Formulierung aus dem UmwG übernommen hat. d) Verbot der Eintragung der Nichtigerklärung Da nach Auffassung der Materialien wie der Rechtsprechung und Lehre trotz der Freigabe die Kassation in der Hauptsache möglich bleibt,114 verhindert das Gesetz ausdrücklich die Eintragung des obsiegenden Urteils und die Amtslöschung. § 242 II 5 AktG sieht vor: „Ist ein Hauptversammlungsbeschluss nach § 241 Nr. 5 oder § 249 nichtig, so kann das Urteil nicht mehr eingetragen werden, wenn gemäß § 246a I rechtskräftig festgestellt wurde, dass Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen; § 144 II des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet keine Anwendung.“
Sachlich handelt es sich bei dem Eintragungsverbot des ersten Halbsatzes zunächst um eine Ergänzung bzw. Fortwirkung der in § 246a III 5 AktG angeordneten Bindung des Registergerichts. Es darf nach der Freigabe die Qualität der Anfechtungsrüge als Eintragungshindernis nicht nur nicht mehr eigenständig bewerten, sondern ist auch nach Nichtigerklärung durch das Prozessgericht gehindert, den Beschluss durch Eintragung des der Klage stattgebenden Urteils mittels Vermerk nach § 44 HRV als nichtig zu bezeichnen. Systematisch entspricht § 242 II 5 AktG einer Ausnahme zu der aus § 248 I 3 AktG folgenden Löschungspflicht.115 Der Ausschluss der Amtslöschung im zweiten Halbsatz bildet seinerseits eine Ausnahme von dem in § 242 II 4 AktG enthaltenen Vorbehalt der Amtslöschung trotz Heilung. Er stellt klar, dass eine Löschung des nichtigen Beschlusses auch nicht auf registerrechtlicher Grundlage erfolgen kann.116 114
Dazu schon § 7 B. I. 2. Weshalb diese Regelung in § 242 II AktG anstatt in § 248 I AktG eingefügt wurde, erschließt sich nicht; vgl. auch Zöllner, in FS Westermann (2008), S. 1631, 1636, der einen § 248 III AktG fordert. 116 Aber auch das ist unklar, denn die Rechtsfolge des Bestandsschutzes folgt nicht aus einem der Heilungstatbestände des § 242 II AktG, sondern aus § 246a AktG. Allenfalls lässt sich § 242 II 5 2. Hs. AktG ein Hinweis entnehmen, dass die mit der Unbedenklichkeitsfeststellung versehene Eintragung umgehend zur Heilung etwaiger Beschlussmängel führt. 115
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Im Ergebnis soll damit eine Nichtigerklärung durch das Prozessgericht nach erfolgreicher Klage zwar weiterhin möglich sein. Zumindest bei Beschlüssen nach § 246a AktG unterbleibt aber die Eintragung des Urteils (§ 242 II 6 AktG), so dass die Nichtigerklärung angesichts des entgegenstehenden Handelsregisterinhalts ins Leere geht. e) Sonderfall: Unselbstständige Kapitalmaßnahmen (§ 249 I 3 AktG) Ist ein zur Durchführung der Verschmelzung erforderlicher Kapitalerhöhungsbeschluss des übernehmenden Rechtsträgers nichtig, wirksam angefochten oder schwebend unwirksam und kommt eine neue fehlerfreie Beschlussfassung (§ 244 AktG) oder ihre Nachholung nicht in Betracht, so ist die eingetragene Verschmelzung als solche gleichwohl nach § 20 II UmwG wirksam. An dieser Rechtsfolge hat schon nach bisher weitgehend einhelliger Auffassung auch die Kapitalerhöhung teil.117 Sie erwächst also mit der Verschmelzung in Bestandskraft, und zwar sogar dann, wenn sie nur beschlossen und angemeldet, aber ihre Eintragung unter Verstoß gegen die §§ 53, 66 UmwG bis dahin unterblieben war.118 Umstritten war lediglich, ob die Eintragung auch eine Kapitalerhöhung sichert, die nicht zur Durchführung, sondern zur Vorbereitung der Verschmelzung durchgeführt wurde. Das gilt etwa für den Fall einer Kapitalerhöhung zum Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, die erst anschließend auf die Erwerberin verschmolzen werden soll.119 Nunmehr stellt § 249 I 3 AktG klar, dass auch die vorbereitende Kapitalerhöhung am Bestandsschutz der Umwandlungsmaßnahme teilhat. Danach gilt § 20 II UmwG entsprechend für Hauptversammlungsbeschlüsse, welche die Voraussetzungen für eine Umwandlung nach § 1 UmwG schaffen.120 Insoweit handelt es sich um eine gegenständliche Ausdehnung des umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzes, die bisher in Form einer Analogie begründet worden war.121
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Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturveränderungen (1998), S. 210 f.; Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 49 f.; Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 42; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 20 Rn. 133; Winter, in FS Ulmer, (2003), S. 699, 702. 118 Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 45; Stratz, in Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 20 Rn. 122. 119 Vgl. Kübler, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 20 Rn. 97; Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 43; a. A. OLG Karlsruhe WM 1991, 1759; LG Mannheim ZIP 1990, 992; so auch Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 80. 120 Obwohl danach nur § 20 II UmwG entsprechende Anwendung findet, also nur eine Verschmelzung vorbereitende Beschlüsse in den Genuss der dadurch vermittelten Bestandskraft kommen, wird man aus der Bezugnahme auf § 1 UmwG schließen dürfen, dass damit alle im Zusammenhang mit einer Umwandlung stehenden Beschlüsse gemeint sind, mithin der Konnex bei einem Formwechsel, einer Spaltung usw. (§§ 131 II, 202 III UmwG) ebenfalls gegeben ist. 121 Vgl. BegrRegE., BT-Drucks. 15/5092, S. 30.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
3. Eingliederung (§ 319 VI 11 AktG) Die Eingliederung ist ein korporationsrechtlicher Vorgang, der es bei der rechtlichen Selbstständigkeit der einzugliedernden Tochtergesellschaft belässt, jedoch ein Konzernverhältnis zwischen ihr und der Hauptgesellschaft begründet, welches dieser die Ausübung einer sehr weitgehenden Leitungsmacht ermöglicht, die der einer Betriebsabteilung vergleichbar ist.122 Sie soll aus diesem Grund weitgehend der Verschmelzung nahe kommen.123 Das spräche an sich für eine § 20 II UmwG vergleichbare gesetzliche Bestandsschutzregelung. Gleichwohl hat das Gesetz bis zum ARUG auf jegliche Bestandsregelung verzichtet und sich darauf beschränkt, dass mit der Eintragung der Eingliederung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft, die Gesellschaft in die Hauptgesellschaft eingegliedert wird (§ 319 VII AktG). Für den Squeeze Out galt aufgrund der Verweisungsregelung des § 327e II AktG entsprechendes. Das Gesetz enthielt also weder eine § 20 II UmwG vergleichbare salvatorische Regelung noch einen § 16 III 6 2. Hs. UmwG nachgebildeten Ausschluss der Naturalrestitution für den – auch hier gewährten (vgl. § 319 VI 6 AktG) – freigaberechtlichen Schadensersatzanspruch. Abgesehen davon kam der Eintragung der Eingliederung auch keine Heilungswirkung zu (vgl. dagegen § 20 I Nr. 4 UmwG). Nachdem im Schrifttum erwogen war, die fehlenden Bestandsschutzordnungen im Wege der Gesamtanalogie zu den umwandlungsrechtlichen Regelungen und des § 246a IV 2 AktG zu ergänzen124 bzw. einer Rückabwicklung ex tunc durch Anwendbarkeit der Grundsätze über die LfG auszuschließen,125 wurde durch das ARUG eine § 246a IV 2 AktG entsprechende Regelung in § 319 VI 11 AktG eingefügt. Eingliederung und Squeeze Out verfügen regelungstechnisch daher über denselben freigaberechtlich vermittelten Bestandsschutz wie Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge. Die Regierungsbegründung beschränkt sich hierzu schlicht auf den Hinweis, dies diene dem Gleichlauf aller Freigabeverfahren.126 Wie weit der dadurch vermittelte Bestandsschutz reicht, geht auch hier weder aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung noch aus den Materialien hervor. Das frühere Fehlen einer Bestandsschutzregelung wurde in der Weise verstanden, dass die erfolgreich angefochtene Eingliederung unabhängig von ih-
122 Vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 319 Rn. 1; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturveränderungen (1998), S. 184; BegrRegE., abgedr. bei Kropff, AktG 1965, S. 429, 431; Jaursch in Heidel, AktG, § 319 Rn. 3. 123 BegrRegE., abgedr. bei Kropff, AktG 1965, S. 421; Grunewald, in MünchKomm AktG, 3. Aufl., Vorb. § 319 Rn. 3; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturveränderungen (1998), S. 184; Krieger, ZGR 1990, 517, 525. 124 So Kort, BB 2005, 1577, 1578. 125 Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturveränderungen (1998), S. 188 f.; Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 43; Zöllner, in FS Westermann (2008), S. 1631, 1638. 126 Begr. RegE. BT-Drucks. 16/11642 S. 43.
§ 8 Bestandssicherung
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rer Eintragung ex nunc für nichtig zu erklären sei.127 Dafür ließ (und lässt sich weiterhin) insbesondere anführen, dass § 327 AktG zur Abwicklung der Eingliederung führende Gründe enthält, woraus zu folgern ist, dass das Gesetz eine solche zumindest nicht ausschließt.128 4. Squeeze Out (§ 327e II AktG) Gemäß § 327e II AktG gelten die soeben besprochenen Vorschriften des § 319 V und VI AktG sinngemäß. Auch für den Squeeze Out der Minderheitsaktionäre war eine Rückgängigmachung nach erfolgreicher Beschlussmangelklage damit nicht qua lege ausgeschlossen. Ebenso wenig richtete sich der Anspruch des antragsgegnerischen Aktionärs aus dem Freigabeverfahren nach § 319 VI i. V. m. § 327e II AktG von vornherein auf Geldersatz, sondern erlaubte die Naturalrestitution.129 Umstritten war deswegen insbesondere, ob haftungsrechtlich die Rückübertragung der Aktien begründet werden konnte. Das wird teilweise damit verneint, dass sich der freigaberechtliche Ersatzanspruch gegen die AG richte, Inhaber der Aktien aber der Hauptaktionär sei.130 Nach der Änderung der Bezugsvorschrift des § 319 VI 11 AktG gilt das dazu Gesagte entsprechend. Allerdings wird für den Squeeze Out nunmehr auch in der Rechtsprechung bezweifelt, dass dem dadurch geschaffenen Bestandsschutz dauerhafte Wirkung beschieden ist.131
C. Bestandsschutz von Strukturänderungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat zu der Frage des zeitlichen und sachlichen Umfangs der Bestandsverfestigung von Strukturänderungsbeschlüssen bisher nicht ausdrücklich Stellung bezogen. Allein der für Amtshaftungsklagen zuständige Zivilsenat des BGH ist in einer Entscheidung jüngeren Datums indirekt von einem Ausschluss der Amtslöschung ausgegangen.132 127 So Köhler, ZGR 1985, 307, 321 ff.; so wohl auch Noack, ZHR 164 (2000), 274, 280; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 320 Rn. 21 (Naturalrestitution, soweit sich die Eingliederungsfolgen rückgängig machen lassen); gegen Irreversibilität auch Koppensteiner, in KölnKomm AktG, § 319 Rn. 28. 128 Weiter dazu u. § 19 F. 129 Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 327e Rn. 3a; Grunewald in MünchKomm, 3. Aufl. § 327e Rn. 9. 130 Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 327e Rn. 3a; H. Schmidt, AG 2004, 299, 300 ff.; a. A. Grunewald, in MünchKomm, AktG, 3. Aufl., § 327e Rn. 10; Fleischer, ZGR 2002, 757, 788; Krieger, BB 2002, 53, 60; vgl. auch Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht, 5. Aufl., § 327e Rn. 8, der einen Anspruch auf Rückübertragung in Form eines Anspruchs auf Teilauseinandersetzung nach den für die fehlerhafte Gesellschaft geltenden Grundsätzen für möglich hält. 131 Vgl. BGHZ 189, 32. 132 Vgl. BGH ZIP 2006, 2312.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
Auch der Landwirtschaftssenat hatte sich – ebenfalls nur indirekt – mit der Reichweite der §§ 20 II, 131 II, 203 III UmwG, 246a I u. IV AktG zu befassen. Anhaltspunkte für die Eintragung der Verschmelzung und des Unternehmensvertrags enthält ferner die Hypothekenbankschwestern-Entscheidung. I. Verschmelzung und Unternehmensverträge Die Hypothekenbankschwestern-Entscheidung hatte sich zunächst der zwischen den Vorinstanzen umstrittenen Frage zuzuwenden, ob aus der Vorschrift des § 352a AktG a. F. lediglich die Pflicht zur Information des Registergerichts über die anhängige Anfechtungsklage oder aber ein Eintragungshindernis folge. Der II. Zivilsenat bezog hierbei zugunsten des OLG Frankfurt Position, welches von einer entsprechenden Sperrwirkung der Klage ausgegangen war.133 Maßgeblich waren dabei Erwägungen zu den Folgen der Eintragung der Verschmelzung. So sei die Eintragung der angefochtenen Verschmelzung dem Grundsatz nach deswegen zu vermeiden, weil mit ihr Wirkungen einträten, die nur schwer rückgängig gemacht werden könnten, wenn der Anfechtungsklage später stattgegeben und der Verschmelzungs-Beschluss für nichtig erklärt werde. Anders sei dies bei Unternehmensverträgen, weswegen der Gesetzgeber des AktG 1965 hierfür bewusst auf die Schaffung einer Registersperre verzichtet habe.134 Ein hierzu ergangener Zustimmungs-Beschluss könne trotz dagegen erhobener Anfechtungsklage vollzogen werden, ohne eine spätere Rückabwicklung auszuschließen oder zu gefährden. Der Unternehmensvertrag lasse den rechtlichen Bestand der beteiligten Unternehmen unberührt. Zudem könne er, wie unter anderem seine jederzeitige Kündbarkeit aus wichtigem Grund (§ 297 AktG) belege, auch nach Eintragung wieder aufgelöst werden. Dementsprechend bliebe er einer Abwicklung zugänglich, wenn sich der Zustimmungsbeschluss aufgrund einer erfolgreichen Anfechtungsklage als unrechtmäßig herausstellen sollte.135 Diese Ausführungen lassen vermuten, dass der II. Zivilsenat in der Frage des Bestandsschutzes eine differenzierte Betrachtung nach Art der Strukturmaßnahme und der mit der Rückabwicklung verbundenen Schwierigkeiten für angemessen hält. Sie enthalten sich zwar Feststellungen zu einer möglichen zukunftsgerichteten Wirkung. Die Gegenüberstellung der Unterschiede von Verschmelzung und Unternehmensvertrag deuten aber daraufhin, dass eine dauerhafte Verfestigung nur für die Erstere als gerechtfertigt angesehen wird.136 133
Vgl. BGHZ 112, 9, 16. Ergänzende Stellungnahme zu konzernrechtlichen Bestimmungen des Referentenentwurfs eines Aktiengesetzes, Bundesverband der deutschen Industrie (Hrsg.), S. 22; BGHZ 112, 9, 16; mit dieser Feststellung auch, wenngleich krit. Hommelhoff, ZGR 1990, 447, 463. 135 BGHZ 112, 9, 17; vgl. auch Kort, BB 2005, 1577, 1580. 136 Vgl. auch die beiläufige Interpretation durch den 2. Zivilsenat in BGHZ 168, 48, 52 mit der Hervorhebung der Unumkehrbarkeit. 134
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II. Bestandswirkung nach §§ 34 III LwAnpG 1991, 37 II LwAnpG 1990 1. Grundsatz und Ausnahmen Die für die Feststellungen des Landwirtschaftssenats des BGH entscheidungserheblichen §§ 34 III LwAnpG 1991, 37 II LwAnpG 1990 enthielten eine den §§ 20 II, 131 II, 203 III UmwG, 246a I u. IV AktG gleichlautende Regelung. Auch danach war bestimmt, dass Mängel des Formwechsels dessen Wirkungen unberührt lassen. Angesichts der Vielzahl und der Art von Gesetzesverstößen bei Umwandlungen der früheren LPGen sah sich der Senat veranlasst, zum dadurch vermittelten Bestandsschutz einschränkend Stellung zu nehmen. In den einschlägigen Entscheidungen137 stellte er zwar zunächst fest, dass eine Einschränkung der durch die §§ 34 III LwAnpG 1991, 37 II LwAnpG 1990 vermittelten Bestandswirkung wegen Art und Schwere des Mangels in der Regel nicht in Betracht komme.138 Grund für eine Ausnahme hiervon sah der Senat aber namentlich in drei Fällen: Erstens sei Voraussetzung für einen umfassenden Bestandsschutz, dass überhaupt ein Umwandlungsbeschluss gefasst wurde. Die auf einem Nicht-Beschluss beruhende Eintragung erlange keinen Bestandsschutz.139 Der gefasste Beschluss müsse sodann zweitens eine Umwandlung beinhalten, die dem numerus clausus des LwAnpG entspreche.140 Drittens sei der Eintragung der dauerhafte Bestand zu versagen, wenn ein gravierender Verstoß gegen Mitgliedschaftsrechte vorliege. Das war in den entschiedenen Fällen zum einen beim Zwangsausschluss von Mitgliedern im Zuge von Formwechseln der Fall,141 zum anderen bei einem Verstoß gegen das Prinzip der Kontinuität der Mitgliedschaft, den der BGH bejahte, weil die Beteiligung an der umgewandelten Gesellschaft durch die Einsetzung eines Treuhandkommanditisten mediatisiert worden war.142 Das Gebot verfassungskonformer Auslegung gebiete hier, den Ausschluss nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung und einer angemessenen Entschädigung zu gestatten.143 Daraus ergäbe sich ein differenziertes, nicht zwangsläufig durch die Art der jeweiligen Maßnahmen kategorisiertes Bild. So dürfte das gänzliche Fehlen eines Beschlusses in aller Regel nicht zu beanstanden sein. Zudem wurden an diesen auch keine hohen Anforderungen gestellt, es vielmehr für ausreichend 137
BGHZ 132, 353, 360; 137, 134, 138; 138, 371, 375; 142, 1, 5. BGHZ 132, 352, 359; a. A. noch Lohlein, ZIP 1994, 1065, 1067; ähnlich BGH WM 1995, 434, 437; vgl. auch Laumann, in: Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, § 202 Rn. 29. 139 BGHZ 132, 353, 360; 138, 371; ungenau Hörtnagl, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 131 103, der die Rechtsprechung in der Weise deutet, es müsse von der Gesamtnichtigkeit der Umwandlung auszugehen sein. 140 BGHZ 132, 353, 360; 137, 134, 138; 138, 371, 375; 142, 1, 5. 141 BGHZ 138, 371; BGH WM 1999, 1120; so auch Kübler, in: Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 202 Rn. 38. 142 BGHZ 142, 1, 5. 143 A. A. Decher, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 202 Rn. 63, der einen Ausgleich im Wege des schuldrechtlichen Anspruchs auf Beteiligung für möglich hält. 138
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
erachtet, dass der Wille zur Umwandlung „in irgendeinem Beschluss“ zum Ausdruck gekommen sei.144 Auch Verstöße gegen den umwandlungsrechtlichen numerus clausus werden angesichts der vielfältigen Umwandlungsmöglichkeiten des UmwG nur selten Anlass zur Durchbrechung der Regelbestandskraft geben. Zweifelhaft ist deren Versagung insbesondere auch deshalb, weil der umwandlungsrechtliche numerus clausus eine notwendige Rechtsfortbildung weder hindern soll noch kann.145 Grundsätzlichere Bedeutung könnte von den genannten Fallgruppen dagegen die dritte haben. Sie würde u. U. in maßnahmeübergreifender Form dazu führen, dass der Umfang der Bestandskraft auch nach der Eintragung davon abhinge, wie Fortbestand und Schwere des Verstoßes im Einzelfall ins Verhältnis zu setzen wäre. Dazu würde auch der im Rahmen der Interessenabwägung bestehende Schwerevorbehalt passen.146 Allerdings geht es hier nicht um die Frage der Eintragungsfähigkeit des Beschlusses, sondern den Erhalt der Eintragungswirkungen nachdem sich nachträglich dessen Fehlerhaftigkeit herausstellt. 2. Übertragbarkeit auf §§ 20 II, 131 II, 203 III UmwG, 246a I u. IV AktG Allerdings ist die Übertragbarkeit der genannten Rechtsprechung auf die Bestandsschutzregelungen des UmwG in der Literatur angezweifelt und geltend gemacht worden, die zu den §§ 37 II LwAnpG 1990 und 34 III LwAnpG 1991 ergangenen Entscheidungen schränkten die Eintragungswirkungen nicht ein, weil es sich hierbei nicht um allgemein tragende Erwägungen, sondern um die Berücksichtigung der vereinigungsbedingten Sondersituation gehandelt habe.147 Zudem hätten die LPG-Umwandlungen ihre Legitimation auch nicht in einer frei getroffenen und vom Willen der Anteilseigner getragenen Entscheidung gefunden. Dem ist an anderer Stelle jedoch unter Hinweis auf die wortgenaue Übereinstimmung der streitgegenständlichen Vorschriften der LwAnpG mit der Regelung des § 352a a. F. und den §§ 20 II, 131 II, 203 III UmwG, 246a I u. IV AktG widersprochen worden. Hingewiesen wurde in diesem Zusammenhang zutreffend darauf, dass die zunächst so speziell erscheinenden Normen der 144 Zuvor schon OLG Brandenburg ZIP 1995, 1457, 1458; Kübler, in: Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 202 Rn. 36; zu den Anforderungen an den rechtsgeschäftlichen Entstehungstatbestand auch BGHZ 141, 1, 12; BGH WM 2006, 2254. 145 Das hat sich in jüngerer Zeit anhand der Anerkennung der grenzüberschreitenden Verschmelzung durch die Sevic-Rechtsprechung des EuGH gezeigt (AG 2006, 80). Ist danach gegen § 1 UmwG eine entsprechende Anwendung der gesetzlichen Umwandlungsmöglichkeiten gegeben, so ist auch der dafür vorgesehene Bestandsschutz geboten. So auch schon Decher, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 202 Rn. 61. 146 S. o. § 4 C. 147 Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 20 Rn. 128; Drygala WuB II N § 34 LwAnpG 1. 96; ähnlich auch Henze, BB 1999, 2208, 2210; offenlassend Veil, AG 2005, 567, 571 f.
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§§ 37 II LwAnpG 1990 und 34 III LwAnpG 1991 Bestandteile des allgemeinen Umwandlungsrechts seien.148 Das bestätigen nicht nur die ausdrücklichen mehrfachen Bezugnahmen des BGH auf die Vorschrift des § 352a AktG a. F. Vielmehr hat auch der für Grundstücksrecht zuständige V. Zivilsenat des BGH die Rechtsprechung des Landwirtschaftssenats in einer späteren Entscheidung ausdrücklich auf die Bestandsanordnung nach § 20 II UmwG bezogen.149 Daraus erhellt, dass die scheinbar singulären LPG-Umwandlungsfälle unter Umständen durchaus Hilfestellung für das Verständnis der gesetzlichen Bestandsschutzregelungen insgesamt leisten können.150 III. Squeeze Out Fragen gibt auch die neuere Rechtsprechung des BVerfG und des BGH zu einem den Squeeze Out betreffenden Fall auf, bei dem es im Rahmen einer Zustellung der Anfechtungsklage „demnächst“ (§ 167 ZPO) zur Eintragung gekommen war.151 Das BVerfG hat hierzu zwei Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt: Entweder könne die Eintragung im Wege der Amtslöschung (§§ 142 FGG a. F./395 FamFG) beseitigt werden, oder § 245 Nr. 1 AktG sei dahingehend auszulegen, dass dem Kläger trotz Ausschluss weiterhin die Anfechtungsbefugnis erhalten bleibe.152 Der BGH ist letzterer Möglichkeit gefolgt,153 was allerdings die in dem Urteil nicht beantwortete Frage nach sich zieht, welche Auswirkungen eine damit möglich werdende Kassation des § 327a AktGBeschlusses hat, also ob in diesem Fall eine Rückabwicklung des Ausschlusses vorzunehmen ist. Stellungnahmen aus dem Schrifttum lehnen das einhellig ab.154 Grundlage des mit dem Ausschluss verbundenen Übergangs der Aktien von den Minderheitsaktionären auf den Hauptaktionär sei nicht der (möglicherweise) nichtige Beschluss, sondern die Eintragung (§ 327e III AktG). Solange diese bestehe, fielen die Aktien nicht wieder an die ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre zurück.155 Das trifft zwar zu, doch wird dabei übersehen, dass die Kassation des ohne Freigabeverfahren eingetragenen Beschlusses nach allgemeinen Regeln in das Handelsregister einzutragen ist (§ 248 I 3 AktG) und es – anders als bei §§ 319 VI 11, 242 II 5 AktG – keine gesetzliche
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K. Schmidt, ZIP 1998, 181, 182. Vgl. auch BGH WM 1995, 434, 437; a. A. Drygala WuB II N § 34 LwAnpG 1. 96. 150 So schon K. Schmidt, ZIP 1998, 181, 182. 151 BVerfG WM 2010, 170; BGHZ 189, 32; zum Problem der Eintragung vor Ablauf der Klagefrist und der Eintragung trotz Möglichkeit ihrer Wahrung durch Klagezustellung „demnächst“ bereits o. § 1 A. II. 2. 152 BVerfG WM 2010, 170, 171 f. 153 BGHZ 189, 32. 154 Vgl. Ihrig/Seibel, BB 2011, 1617; Goslar, EWiR 2011, 329; Schockenhoff, AG 2010, 436, 438 ff.; differenzierend Müller-Eising/Stoll, GWR 2011, 349. 155 Vgl. Schockenhoff, AG 2010, 436, 439 ff. 149
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
Grundlage für einen Erhalt seiner Wirkungen gibt.156 Das führt zu der Frage, ob es einer solchen Bedarf bzw. wie die freigaberelevanten Bestandsschutznormen dogmatisch zu erfassen sind.
D. Dogmatische Grundlage und Reichweite des Bestandsschutzes Schon für die Vorgängerregelung zu den §§ 20 II, 131 II, 203 III UmwG, 246a I u. IV AktG – die in Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie157 geschaffene Vorschrift des § 352a AktG a. F. – war umstritten, ob hierdurch eine umfassende – zukunftsgerichtete – Bestandswirkung herbeigeführt oder nur die von der herrschenden Meinung angenommene, auf die allgemeinen Regeln des Zivilrechts gestützte Rückabwicklung ex tunc ausgeschlossen werde.158 Die Frage ist in Rechtsprechung und Lehre nach wie vor nicht geklärt. Zu unterscheiden sind namentlich zwei gegensätzliche Positionen, von denen die eine für einen dauerhaften Bestandsschutz eintritt, wohingegen die andere durch diese Vorschriften nur den Erhalt der Konstitutivwirkungen der Eintragung bis zur Nichtigerklärung oder Löschung angeordnet sehen will. Beidem liegen unterschiedliche Auffassungen von der Wertungsgrundlage der gesetzlichen Regelung zugrunde. I. Dauerhafter Ausschluss der Rückabwicklung 1. Endgültiger Erhalt der Strukturänderung als Regelungsziel Diejenigen, welche von einer dauerhaften Verfestigung der eingetragenen Maßnahme ausgehen159 verweisen zur Begründung auf den Willen des Gesetzgebers, die „allgemeine Tendenz, gesellschaftsrechtliche Akte möglichst zu erhalten“160 und die praktischen Schwierigkeiten einer Rückabwicklung, welche die Materialien namentlich für die Verschmelzung bereits bei Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie (§ 352a AktG a. F.) hervorgehoben habe: „Die Einschränkung der Nichtigkeit der Verschmelzung ist von deutscher Seite stets begrüßt worden, weil die Zurückübertragung der verschmolzenen und in der Regel 156 Vgl. Müller-Eising/Stoll, GWR 2011, 349, 350, die aus diesem Grund eine gesetzliche Regelung i. S. v. § 20 II UmwG für das AktG fordern. 157 Dritte Richtlinie des Rates vom 9.11.1978 gemäß Art. 54 Abs. 3 g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften, ABl. Nr. L 295 v. 20.10.1978, S. 36 ff. 158 Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 71. 159 So Brinckmann, WuB II P § 16 UmwG 1.07; Decher, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 202 Rn. 56 ff., allerdings mit Einschränkungen, vgl. Rn. 60 ff.; dem Grundsatz nach vorbehaltlos Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 71 ff.; Hörtnagl, in Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 131 Rn. 103 ff.; Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 33 ff.; Sosnitza, NZG 1999, 965, 973 f.; Veil, AG 2005, 567, 571 f.; so wohl auch Geßler, Aktiengesetz, § 246a Rn. 16 ff.; indirekt OLG Stuttgart AG 2004, 271, 272 f.; tendenziell auch Büchel, ZIP 2006, 2289, 2293. 160 BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 91 u. 144.
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auch tatsächlich vermischten Vermögensmassen der Gesellschaften im Wege der „Entschmelzung“ auf große praktische und rechtliche Schwierigkeiten stößt, wenn nicht gar unmöglich ist. Deshalb ist (…) in Aussicht genommen (…) worden, die Nichtigkeit der Verschmelzung selbst nach deren Wirksamwerden ganz auszuschließen (…), so daß die Wirksamkeit der Verschmelzung nach der Eintragung nicht mehr fraglich sein kann.“161
Auch die Gesetzesmaterialien zum UmwandlungsbereinigungsG stellten hinsichtlich der Verschmelzung fest, dass eine „Entschmelzung im Sinne einer Rückübertragung jedes einzelnen Vermögensgegenstands praktisch nicht möglich (sei)“.162 Die Übertragung des § 352a AktG a. F. auf den Formwechsel erscheine gerechtfertigt, „weil die Rückabwicklung (…) bei Umwandlungsfällen aller Art mit besonderen Schwierigkeiten, insbesondere bei der Rückführung neu erlangter Strukturelemente, verbunden sein kann“.163
Die fehlerhafte Strukturveränderung muss nach dieser Auffassung weder ex tunc rückabgewickelt werden164 noch kann eine Beseitigung der Fehlerfolgen ex nunc für die Zukunft erzwungen werden. Neben der dergestalt erzwungen Rückabwicklung soll sogar eine „freiwillige“ Rückabwicklung der Strukturmaßnahme durch die Gesellschaft, etwa durch die Aufhebung von Umwandlungsvertrag oder -beschluss ausscheiden. Actus contrarius könne also nur eine nach dem Gesetz vorgesehene freiwillige gegenteilige Maßnahme sein, so z. B. im Fall der Verschmelzung die Spaltung durch Ausgliederung des erworbenen Vermögens in eine neu zu gründende AG mit anschließendem Angebot der Aktien an die Aktionäre der früheren Überträgerin.165 In Kauf zu nehmen seien beim Ausschluss dieser freiwilligen Rückabwicklung durchaus auch negative Folgen, wozu namentlich solche steuerrechtlicher Art gehören, die daraus resultieren, dass die Gegenmaßnahme nicht innerhalb des maßgeblichen Bemessungszeitraums erfolgt bzw. nicht mit Rückwirkung erfolgen kann.166 Eine Einschränkung soll lediglich für den Fall der Nichtdurchführung der Maßnahme trotz Eintragung im Register gegeben sein, weil in diesem Fall keine Vermischung der Vermögensmassen stattgefunden habe.167 Das passt zum bereits herausgestellten Befund, wonach auch der Gesetzeswortlaut von § 246a IV 2 AktG als an die tatsächliche Durchführung anknüpfend verstanden werden kann.168 161
BegrRegE, BT-Drucks. 9/1065, S. 19 f. BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 91. 163 BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 144. 164 Synonym hierzu wird im Folgenden auch von „echter Rückabwicklung“ gesprochen; so schon Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 187 ff. 165 Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 47. 166 Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 20 Rn. 122 u. 137. 167 Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 74. 168 S. soeben B. II. 2. 162
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
2. Wertungsgrundlage: Eintragung So weitreichend die Folgen der §§ 20 II, 131 II, 203 III UmwG, 246a I u. IV, 319 VI 11 AktG im Schrifttum damit beschrieben werden, so wenig lässt sich dies für die Auseinandersetzung mit den dogmatischen Grundlagen feststellen. Überwiegend fehlt es gänzlich daran. Zumeist wird eher beiläufig von einer „Heilung“ ausgegangen, was beinhaltet, dass die genannten Regeln einer spezialgesetzlichen Ausprägung des § 242 AktG entsprächen.169 Teilweise findet sich der Hinweis darauf, Grundlage für den Erhalt der Strukturveränderung sei zwar der Beschluss, diese könne jedoch mit der Nichtigerklärung entfallen, ohne dass die Maßnahme selbst davon betroffen sei. Denn die Rechtswirkungen träten nicht aufgrund des Beschlusses, sondern aufgrund seiner Eintragung in das Handelsregister ein. Insoweit seien die Rechtsfolgen der Strukturänderung gesetzlicher Natur. So gingen beispielsweise die Aktien beim Squeeze Out nicht aufgrund des Hauptversammlungsbeschlusses, sondern aufgrund der Eintragung auf den Hauptaktionär über.170 II. Abwicklung ex tunc 1. Gesetzliche Regelungen als Heilungsnormen Die Gegenansicht lehnt einen derartig umfassenden Bestandsschutz fehlerhafter Strukturveränderungen im Grundsatz ab. Sie unterscheidet zunächst zwischen der Heilungswirkung und der Konstitutivwirkung der Eintragung. Danach soll es sich bei den §§ 20 II, 131 II, 203 III UmwG, 246a I u. IV, 319 VI 11 AktG systematisch nicht um Vorschriften zur Regelung des Rückabwicklungsproblems handeln, sondern um die gesetzliche Klarstellung, dass die Konstitutivwirkung der Eintragung trotz Wirksamkeitsdefiziten ihrer Rechtsgrundlagen zunächst eintreten.171 Der Regelungsinhalt, dass Mängel der Maßnahme die Wirkungen der Eintragung unberührt lassen, besagt danach allein, dass diese die Rechtsfolgen der Eintragung trotz fehlender Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht hindern. Beseitigt werden damit also Zweifel an dem Eintritt der Beschlusswirkungen aber nicht an deren Fortbestand. Die gerichtliche Nichtigerklärung und ihre Eintragung in das Handelsregister bleiben möglich, ebenso Ansprüche auf Folgenbeseitigung.172 Die erfolg169
Vgl. zur begrifflichen Verwendung etwa Martens, AG 1986, 57, 63 (zu § 352a); näher auch Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 291 ff. 170 So für den vorliegenden Zusammenhang Schockenhoff, AG 2010, 436, 439; zur Rechtsfolge des § 327e III AktG als Übertragungstatbestand kraft Gesetzes Grunewald, in MünchKomm, AktG, 3. Aufl., § 327e Rn. 10; Habersack, in Emmerich/Habersack, GmbH- und Aktienkonzernrecht, 6. Aufl., § 327e AktG Rn. 8; Hüffer, AktG, § 327e Rn. 4. 171 So K. Schmidt, ZIP 1998, 181, 185 f.; ders., Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 6 IV 5 (S. 156), § 13 I 2 c) bb). 172 Schmid, ZGR 1997, 493, 511 ff.; so auch Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 195 ff.; vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 6 IV 5 (S. 157), § 13 I 2 c) bb) (S. 362).
§ 8 Bestandssicherung
131
reich angefochtene Strukturänderung ist demgemäß im Grundsatz ex nunc abzuwickeln.173 Eine Einschränkung wird teilweise dahingehend vorgenommen, dass der Kläger durch den mit der Eintragung herbeigeführten Zustand gegenwärtig in seinen subjektiven Rechten verletzt sein muss.174 Nach anderer Ansicht soll sich die Einschränkung an den tatsächlichen Schwierigkeiten der Rückabwicklung orientieren. Daraus ergibt sich eine an der Art der Maßnahme orientierte Abstufung. Darüber hinaus schließen die §§ 20 II, 131 II, 203 III UmwG, 246a I u. IV, 319 VI 11 AktG nach teilweiser Ansicht zugleich die Möglichkeit der Amtslöschung nach §§ 144 II FGG a. F./398 FamFG dauerhaft aus.175 2. Wertungsgrundlage: Lehre vom fehlerhaften Verband Als Funktion wird den §§ 20 II, 131 II, 203 III UmwG, 246a I u. IV, 319 VI 11 AktG letztlich damit einerseits die Klarstellung zugewiesen, dass Wirksamkeitsdefizite die Konstitutivwirkungen der Handelsregistereintrag nicht hindern ohne, dass es deswegen allerdings zu einer Heilung kommt. Zum anderen sind diese als Ausdruck der LfG bzw. der im vorliegenden Zusammenhang terminologisch treffenderen Lehre vom fehlerhaften Verband.176
E. Zusammenfassung 1. Das Freigabeverfahren wurde und wird teilweise auch weiterhin als ein formales Eintragungszulassungsverfahren verstanden. Da sämtliche der zu erwirkenden Registrierungen nicht nur rechtsbegründende bzw. -ändernde, sondern mitunter irreversible Wirkung haben, wird das der eigentlichen Bedeutung des Verfahrens nicht gerecht. Für weitere Überlegungen verdient der Umfang des der Strukturänderung zukommenden Bestandsschutzes daher besondere Beachtung. 2. In der umwandlungsrechtlichen Regelungssystematik erfährt der Aspekt des Bestandsschutzes in zweifacher Form der Regelung: Im Vordergrund steht 173 In dieser Vorbehaltlosigkeit insbesondere Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 191 ff.; Schmid, ZGR 1997, 493, 511 ff. 174 K. Schmidt, ZIP 1998, 181, 187; ders., AG 1991, 131, 136. 175 K. Schmidt, ZIP 1998, 181, 187; a. A. Büchel, ZIP 2006, 2289, 2292 f.; so wohl auch Custodis, GmbHR 2005, 904, 909 f. 176 Vgl. dazu Büchel, ZIP 2006, 2289, 2292 f.; G. Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, 21. Aufl. § 29 VI 2 e); Heermann, ZIP 1999, 1861, 1868; Martens, AG 1986, 57, 63 (noch zu § 352a); Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 182; K. Schmidt, ZIP 1998, 181, 185 ff.; ders., DB 1996, 1859; ders., AG 1991, 131, 133 ff.; ders., ZGR 1991, 373, 380, 391 ff.; für den Formwechsel auch Veil, ZIP 1998, 361, 364 f.; ders., ZIP 1996, 1065, 1068; ders., AG 2005, 567, 571 f.; Ulmer, in MünchKomm, 4. Aufl., § 705 Rn. 323; jetzt mit a. A. für § 246a; Decher, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 202 Rn. 60 ff.; Hommelhoff/Schubel, ZIP 1998, 537, 544; indirekt gegen die Notwendigkeit irreversibler Wirkung auch Custodis, GmbHR 2006, 904, 909 f.; Hommelhoff, ZGR 1990, 447 ff.; Hirte, DB 1993, 77, 78 ff.; Schmid, ZGR 1997, 497, 510 ff.; vgl. auch Bork, ZGR 1993, 343, 365.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
die – unabhängig von der Durchführung eines Freigabeverfahrens geltende – Bestimmung des § 20 II UmwG, wonach Mängel der Verschmelzung deren Wirkungen nach der Eintragung unberührt lassen. Abgesichert wird die Strukturänderung damit nicht nur gegen Beschlussmängel, sondern auch gegen alle anderen Wirksamkeitsdefizite, wie etwa die Nichtigkeit eines zu ihrer Ausführung geschlossenen Vertrages oder die Amtslöschung. In § 16 III UmwG wird der dadurch erreichte Bestandsschutz durch den Ausschluss der Beseitigung der Maßnahme im Wege des Schadensersatzanspruchs (§ 16 III 10 2. Hs. UmwG) lediglich flankiert. 3. Im Gegensatz dazu kennt das Aktienrecht keinen auf die Eintragung allein gegründeten Bestandsschutz. Ein solcher wird allein in Zusammenhang mit der gerichtlichen Freigabe gewährt. Nachdem das zunächst nur für § 246a AktG geschehen war, hat das ARUG die dahingehende Feststellung auch auf §§ 319 VI, 327e II AktG erstreckt. 4. Das Gesetz enthält zur zeitliche Reichweite der Bestandsschutzregelungen keine Regelung. Ein Teil des Schrifttums geht von einer umfassenden, d. h. alle Umwandlungsformen und wohl auch die in §§ 246a, 319, 327a AktG genannten Maßnahmen übergreifenden, dauerhaften Verfestigungswirkung aus, was einer Charakterisierung als Heilung nahe kommt. Die Gegenposition entnimmt den §§ 20 II, 131 II, 203 III UmwG, 246a I u. IV AktG hingegen nur, dass die mit der Eintragung verbundenen Rechtswirkungen unabhängig von etwaigen Mängeln der Maßnahme eintreten. Mit der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist damit nur die Rückabwicklung ex tunc, nicht aber die Abwicklung nach der Nichtigerklärung, wie sie sich auch nach den Prinzipien der LfG ergibt. 5. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bisher vermieden, sich zu den Auswirkungen der §§ 20 II, 131 II, 203 III UmwG, 246a I u. IV, 319 VI 11 AktG auf die Kassation im Beschlussmängelstreit festzulegen. Hierzu getroffenen Feststellungen ergeben kein klares Bild. Lässt sich der Hypothekenbankschwestern-Entscheidung für die Verschmelzung andeutungsweise ein Verständnis entnehmen, wonach die Eintragung endgültige Tatsachen schafft, wird dies für den Unternehmensvertrag indirekt verneint. Ein Festhalten hieran ist auch vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich erfolgten gesetzlichen Regelungen nicht ausgeschlossen, weil die gesetzliche Grundaussage des damals geltenden § 352a AktG in den §§ 20 II pp. UmwG, 246a I u. IV AktG fortbesteht. Entscheidungen in Bezug auf den Formwechsel liegt im Ansatz zwar ebenfalls die Vorstellung einer von Art und Schwere des festgestellten Mangels unabhängigen Bestandskraft zugrunde. Andererseits hat die Rechtsprechung zu den dem § 20 II UmwG nachgebildeten §§ 34 III LwAnpG 1991, 37 II LwAnpG 1990 Ausnahmen von einem dauerhaften Bestandsschutz letztlich anerkannt. Zu einer Abwicklung führen kann auch die Zulassung der Anfechtung des Squeeze Outs trotz Eintragung ohne ein durchgeführtes Freigabeverfahren, wie sie der BGH ebenfalls zulässt.
4. Abschnitt
Haftung für freigabevermittelte Eingriffe in die Mitgliedschaft und deren Verlust Bereits die Regierungsbegründung zu dem der Umsetzung von Art. 22 der Verschmelzungsrichtlinie1 dienenden § 352a AktG führte aus, sachliche Mängel der die Verschmelzung vorbereitenden Rechtshandlungen könnten nur zu Ansprüchen gegen die dafür verantwortlichen Personen führen.2 Herausgestellt werden sollte damit, dass die Strukturmaßnahme als solche Bestandsschutz genießt. Auch an anderer Stelle wird im vorliegenden Zusammenhang auf die Funktion des Schadensrechts als Ausgleichsinstrument bzw. zur Rechtfertigung des überwiegenden Vollzugsinteresses hingewiesen. So sieht die Rechtsprechung das Bestehen einer Kompensationsmöglichkeit in Form eines Schadensersatzanspruches etwa bei der Verletzung von Treupflichten3 oder von Informationspflichten4 als geeignet an, um ein überwiegendes Vollzugsinteresse zu rechtfertigen. Die haftungsrechtliche Kompensation ist dabei vor allem im freigaberechtlichen Schadensersatzanspruch nach §§ 16 III 10 UmwG, 246a IV 1, 319 VI 10, 327e II AktG angelegt, nach welchem die Gesellschaft, die den Freigabebeschluss erwirkt hat, dem Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der ihm aus einer auf dem Beschluss beruhenden Eintragung erwachsen ist, sofern sich die Klage als begründet erweist. Die zweite Säule des Vermögensausgleichs für Eingriffe in die Mitgliedschaft bildet der Anspruch auf angemessenen Ausgleich oder Abfindung. Beide führen zu einer kategorischen Verkürzung des materiellen bzw. effektiven Anfechtungsrechts und sind damit für die Bewertung der Freigabegrundlagen und den daraus folgenden Bestandsschutz von Bedeutung. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob die schadensrechtlichen Konsequenzen einer rechtswidrigen Freigabe und die gesetzlichen Abfindungs- und Ausgleichspflichten die mit dem Verlust der Abwehr begründete Duldungspflicht eine aus Sicht des Einzelnen angemessene vermögensrechtliche Kompensation ermöglichen und 1 Dritte Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9.10.1978 gemäß Art. 54 Abs. 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (Verschmelzungsrichtlinie), ABl. EG Nr. L 295 vom 20.10.1978, S. 36. 2 Vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 9/1065, S. 20. 3 OLG Stuttgart AG 2003, 456, 460; OLG Hamm AG 2005, 361, 364; LG Münster BB 2006, 2322, 2324. 4 OLG Stuttgart AG 2003, 456, 459 f.; vgl. auch OLG Köln AG 2004, 39, 41; OLG Hamm AG 2005, 361, 364.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
den Verlust der von der Kassation ausgehenden Präventivwirkung zu substituieren vermögen. Mögliche Ansprüche des Mitglieds auf Schadensersatz ergeben sich bei der Freigabe fehlerhafter Strukturänderungen nicht nur unmittelbar aus den Regelungen des Freigabeverfahrens (vgl. §§ 16 III 10 UmwG, 246a IV 1, 319 VI 10, 327e II AktG), sondern auch aus den allgemeinen Bestimmungen der (§§ 93, 116 S. 1 AktG). Hinzu kommen Vorschriften des UmwG und des Bürgerlichen Rechts. Hinsichtlich der Haftungsadressaten ist zwischen den Leitungsorganen des Verbands, diesem selbst und schließlich der Verantwortlichkeit der die Strukturänderung betreibenden Mitglieder zu unterscheiden.
§ 9 Haftung der Mitglieder von Leitungs- und Überwachungsorganen A. Gesetzessystematik Eine Schadensersatzverpflichtung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats wegen pflichtwidrigen Verhaltens im Rahmen der Organisationsänderung ergibt sich zum einen aus den allgemeinen Vorschriften des Aktienrechts, also insbesondere den §§ 93 II, 116 S. 1 AktG.5 Bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags folgt sie auch aus §§ 309 II, 310 AktG, bei einer Konzernlage nach §§ 311 ff. AktG aus den §§ 317 III, 318 AktG. In Einzelfällen hat die Rechtsprechung die Leistungsorgane von Körperschaften auch deliktsrechtlich für verantwortlich gehalten. Im Umwandlungsrecht ist die Haftung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats des übertragenden Rechtsträgers spezialgesetzlich geregelt (§§ 25, 205 UmwG).6 Die hervorstechende Besonderheit besteht gegenüber den allgemeinen Bestimmungen dabei in einer unmittelbaren Verantwortung des Organmitglieds gegenüber den Anteilsinhabern und den Gläubigern der Gesellschaft.7 Erklärt wird sie damit, dass die Verschmelzung für beide Personengruppen gravierende Folgen haben kann. Der damit verbundenen Sorgfaltspflichten, die über die üblichen Anforderungen an die Unternehmensführung hinausgehen, sollte sich das Vertretungsorgan in Ansehung der Schadensersatzpflicht bewusst sein.8 Die §§ 25, 5 Zur jüngeren Entwicklung Lutter, in Uwe H. Schneider/Krieger, HdB Managerhaftung (2007), § 1 Rn. 10 ff. 6 Für den aufnehmenden Rechtsträger bleibt es demgegenüber bei den allgemeinen Bestimmungen. 7 Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 3; Kübler, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 25 Rn. 1; Pöllath/Philipp, DB 2005, 1503, 1505; Schnorbus, ZHR 167 (2003), 666. 8 Pöllath/Philipp, DB 2005, 1503, 1505; Schnorbus, ZHR 167 (2003), 666.
§ 9 Haftung der Mitglieder von Leitungs- und Überwachungsorganen
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205 UmwG führen prima facie zu einer erheblichen Erweiterung der haftungsrechtlichen Verantwortung, sind aber insgesamt wenig untersucht. Rechtsprechung existiert – soweit ersichtlich – nicht. Das soll als Anlass genommen werden, den Beitrag dieser Vorschriften zum haftungsrechtlichen Kompensationsrahmen eingehender zu betrachten.
B. Anspruch aus § 25 I UmwG I. Anwendungsbereich Geregelt ist die umwandlungsrechtliche Haftung der Mitglieder des Vertretungsorgans und des Aufsichtsorgans zum einen im Rahmen der Verschmelzung (§ 25 I UmwG), zum anderen findet sich eine identische Norm für den Formwechsel (§ 205 I UmwG). Da die Verweisungsregelungen der §§ 125, 176 UmwG auch die Vorschrift des § 25 I UmwG mitumfassen, ist die Vorschrift der Gesetzessystematik nach auch auf die Spaltung und die Vermögensübertragung anwendbar (vgl. auch § 133 I 2 1. Hs. UmwG). Daran bestehen allerdings aus zwei Gründen Zweifel: So ist zum einen der Gläubigerschutz bei der Spaltung mit dem Haftungsverband des § 133 UmwG weitgehend umfassend gewährleistet. Zum anderen erscheint die Geltung der in § 25 UmwG vorgesehenen Außenhaftung – also die Ausnahme zum Grundsatz der Binnenhaftung – im Wesentlichen mit dem Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers zu rechtfertigen.9 Dazu kommt es im Rahmen der Spaltung nur bei der Aufspaltung (§ 123 I UmwG), nicht aber bei der Abspaltung (§ 123 II UmwG) und der Ausgliederung (§ 123 III UmwG). Bei der Vermögensübertragung finden sich – anders als bei der Spaltung – dementsprechend differenzierende Verweisungsnormen, je nachdem, ob es sich um eine solche zur Auflösung handelt (§ 174 UmwG) – dann gelten die Verschmelzungsvorschriften (§ 176 UmwG) – oder um eine Teilübertragung – dann gelten die Spaltungsvorschriften (§ 177 UmwG). Das spricht dafür, § 25 I UmwG allgemein nur auf diejenigen Umwandlungen anzuwenden, welche der Verschmelzung eines übertragenden Rechtsträgers, d. h. dessen Erlöschen, entsprechen. II. Haftungsbegründende Pflichtverletzung Nach § 25 I 1 UmwG sind die Leitungs- und ggf. die Aufsichtsorgane als Gesamtschuldner zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den dieser Rechtsträger, seine Anteilsinhaber oder seine Gläubiger durch die Verschmelzung erleiden. Mitglieder der Organe, die bei der Prüfung der Vermögenslage der Rechtsträger und beim Abschluss des Verschmelzungsvertrags ihre Sorgfaltspflicht beobachtet haben, sind nach Satz 2 der Vorschrift von der Ersatzpflicht befreit. Im Vergleich zu § 93 AktG auffällig ist dabei zunächst, dass das Gesetz den 9
Dazu, wenngleich in anderem Zusammenhang, Schnorbus, ZHR 167 (2003), 666, 673.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
Gegenstand der zu beachtenden Sorgfalt nicht positiv normiert (so aber § 93 I AktG), sondern in § 25 I Satz 2 UmwG negativ lediglich sagt, dass bei der Prüfung der Vermögenslage der Rechtsträger und dem Abschluss des Verschmelzungsvertrags eine Exkulpationsmöglichkeit besteht. Genaugenommen setzt § 25 I 1 UmwG überhaupt keine Sorgfaltspflichtverletzung voraus und statuiert die Schadensersatzverpflichtung unabhängig von einer solchen. Auch hier beruht die Haftung aber auf der Organstellung des Schuldners und den daraus folgenden Pflichten. Es handelt es sich um eine spezialgesetzliche Ausprägung der Organhaftung gegenüber dem Rechtsträger. Daher kann nicht zweifelhaft sein, dass der Haftungsgrund in einer Sorgfaltspflichtverletzung liegen muss. Klärungsbedürftig sind dabei zwei Fragen: Erstens bedarf der Prüfung, ob angesichts der Verantwortlichkeit gegenüber Anteilsinhabern und Gläubigern ein einheitlicher Sorgfaltsmaßstab besteht; zweitens ist zu fragen, ob § 25 I 1 UmwG nur die in Satz 2 der Vorschrift genannten Sorgfaltspflichten, für die eine Exkulpationsmöglichkeit besteht, sanktioniert. 1. Einheitlicher Sorgfaltsmaßstab Die zuerst genannte Frage ist im Einklang mit dem Schrifttum10 dahingehend zu beantworten, dass ein einheitliches, d. h. durch das Verhältnis zum Rechtsträger vorgegebenes, Pflichtenprogramm besteht. Spezielle Sorgfalts- und Schutzpflichten gegenüber den Gläubigern bestehen nicht. Sie wären erstens weitgehend unbestimmt.11 Zweitens und darüber hinaus entziehen sie sich wohl auch der einheitlichen Festlegung. Den Gläubigern fehlt es an einem Interessengleichlauf untereinander und auch hinsichtlich der Mitglieder ist dieser bei kapitalistischer Beteiligung zumindest über die statutarische Festlegung auf die gemeinsame Zweckverfolgung bei einem in Auflösung befindlichen Rechtsträger nicht als selbstverständlich zu unterstellen. Das Schrifttum verweist ferner auf den Ausnahmecharakter des § 25 UmwG. Wenn das Gesetz schon von dem Prinzip der Verantwortlichkeit allein gegenüber der Gesellschaft abweiche und die Haftung erweitere, hätte es einer eindeutigen Regelung bedurft, wenn hierfür unterschiedliche Maßstäbe gelten sollten. Die Anspruchsberechtigung von Anteilsinhabern und Gläubigern wäre nur aus einer reflexiven Verletzungshandlung gegenüber der Gesellschaft und einer mittelbaren Beeinträchtigung ihrer Eigeninteressen zu erklären. Ein Indiz dafür bietet § 26 I 1 UmwG, nach dem die dadurch begründeten Ansprüche der 10
Vgl. Pöllath/Philipp, DB 2005, 1503, 1506; Schnorbus, ZHR 167 (2003), 666, 679; im Ergebnis auch Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 14. 11 Beleg für diesen allgemein verbandsrechtlichen Befund ist die sich wandelnde „Existenzvernichtungshaftung“ als Erweiterung des gesetzlichen Gläubigerschutzes bei der Kapitalgesellschaft (dazu zuletzt BGH BB 2007, 1970 – Trihotel) und die deliktische Haftung des Vorstands (BGHZ 109, 297) bzw. des Verbands (BGHZ 110, 323) gegenüber den Mitgliedern.
§ 9 Haftung der Mitglieder von Leitungs- und Überwachungsorganen
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Geltendmachung durch einen gemeinsamen Vertreter bedürfen (§ 26 I 1 UmwG);12 ein weiteres liegt darin, dass der erloschene Rechtsträger nach § 26 II UmwG hinsichtlich seiner Ansprüche als fortbestehend gilt. 2. Umfang der Konkretisierung durch § 25 I 2 UmwG Darüber hinaus will das Schrifttum unter Berufung auf § 25 I 2 UmwG auch nicht das gesamte, an sich relevante Spektrum der kaufmännischen Sorgfaltspflichten als sanktionsbewehrt ansehen, sondern nur die darin genannten Pflichtverletzungen bei der Prüfung der Vermögenslage oder dem Abschluss des Verschmelzungsvertrags. Denn die Entlastungsmöglichkeit des § 25 I 2 UmwG sei nur sinnvoll, wenn sich auch das Fehlverhalten auf diesen Punkt beziehe.13 Geschuldet ist die Einschränkung wohl auch hier mehr der Auffassung, dass § 25 I 1 UmwG als Ausnahmetatbestand eng auszulegen ist.14 Zwingend erscheint das indessen nicht, denn denkbar wäre auch, die von diesem Teil der Vorschrift genannten Tätigkeiten nur exemplarisch, aber nicht abschließend zu verstehen. Auch hat man sich darüber bewusst zu sein, dass der mit der Vorschrift bezweckte Schutz der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers nur dann erreicht werden kann, wenn auch die in § 25 I 2 UmwG genannten Tätigkeiten bei der Vorbereitung der Verschmelzung mit der erforderlichen Sorgfalt vorgenommen werden müssen. 3. Business Judgement Rule Die den Organmitgliedern obliegenden Sorgfaltspflichten müssen auch nicht kategorisch reduziert werden, wenn man § 25 I UmwG dem Anwendungsbereich der Business Judgement Rule zuordnet. Dieser erst nach dem UmwandlungsbereinigungsG durch die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung15 ins Bewusstsein gerückte und durch § 93 I 2 AktG im Rahmen des UMAG auch durch den Gesetzgeber anerkannte Grundsatz beinhaltet: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftiger Weise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“ An der Geltung dieser Regel sollte man nicht zweifeln, weil § 25 UmwG keine § 93 I 2 AktG gleichlautende Bestimmung enthält. Angesichts der 12
So die Begründung von Pöllath/Philipp, DB 2005, 1503, 1506. Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 9; Kübler, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 25 Rn. 8; Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 6; Pöllath/Philipp, DB 2005, 1503, 1505; Schnorbus, ZHR 167 (2003), 666, 679 ff.; krit., aber ohne rechte Überzeugung vom Gegenteil Schöne, DB 1995, 1317, 1320; vgl. auch Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, § 16 Rn. 33. 14 Vgl. Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 14. 15 Vgl. zuvor BGHZ 135, 244 (ARAG/Garmenbeck); näher Fleischer, ZIP 2004, 685 ff.; Lutter, in Uwe H. Schneider/Krieger, HdB Managerhaftung, § 1 Rn. 15 ff; Krieger, a. A. O. § 3 Rn. 4 ff.; konzeptionell bereits Uwe H. Schneider, in: FS Werner (1984), S. 795 ff. 13
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
Chronologie der Gesetzgebung dürfte ohne weiteres von einer Regelungslücke auszugehen sein, was insoweit konsequent ist, als es § 25 I UmwG als Ausprägung der allgemeinen Organhaftung und die Anspruchsberechtigung der Anteilsinhaber und Gläubiger nur als Reflex der Binnenhaftung begreift.16 Probleme ergeben sich jedoch in der Weise, dass nicht klar ist, ob es sich bei den von § 25 UmwG sanktionierten Sorgfaltspflichten um „unternehmerische Entscheidungen“ handelt. Bei Umwandlungen geht die Initiative regelmäßig von Teilen der Anteilsinhaber aus. Zumeist handelt es sich um Konzernverschmelzungen.17 Je mehr man die Rolle von Vorstand und Aufsichtsrat dabei als „dienend“ betrachtet und je weniger als unternehmerisch, desto eher wird man für die Business Judgement Rule keine Anwendung sehen. Richtigerweise lässt sich eine Aussage, die Tätigkeit der Verwaltung sei rein vorbereitender Art aber in dieser Allgemeinheit nicht treffen. Dabei ändert die tatsächliche Initiative des Hauptaktionärs nichts an der Weisungsunabhängigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat,18 und ebenso wenig daran, dass die dazu notwendigen Schritte eigenverantwortlich durch den Vorstand der AG eingeleitet werden müssen. Die den Verwaltungsträgern obliegenden Durchführungsaufgaben sind auch nicht formaler Natur, sondern beinhalten neben zahlreichen Prognoseentscheidungen, also solchen, die unter Chancen- und Risikogesichtspunkten getroffen werden müssen, auch andere Merkmale, die typischerweise von der Business Judgement Rule geregelt werden. Hierzu gehören namentlich die Notwendigkeit und die Verpflichtung des Vorstands, bei den Verhandlungen das Gesellschaftsinteresse zu vertreten.19 Damit ist unvereinbar, die Verschmelzung aus eigensüchtigen Gründen zu betreiben,20 was vor allem im Rahmen von Private-Equity-Transaktionen sowie bei Management-Buy Outs Konfliktpotential bietet, und zwar unabhängig davon, ob die Beteiligung der Verwaltung vor oder nach der Verschmelzung erfolgt.21 Im Ergebnis kommen Vorstand und Aufsichtsrat damit die Ermessensfreiräume des § 93 I 2 AktG zugute.
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Für die Geltung der Business Judgement Rule allein aus diesem Grund Pöllath/Philipp, DB 2005, 1503, 1506 f.; Schnorbus, ZHR 167 (2003), 666, 681. 17 Vgl. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl., Rn. 6.108; ders., DB 1993, 77, 78. 18 Dazu Pöllath/Philipp, DB 2005, 1503. 19 Vgl. nur Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 11 Fn. 5 a. E.; allgemein Lutter, in: FS Canaris, Band II, München 2007, S. 245 ff.; Fleischer, ZIP 2004, 685, 690; Krieger, in Uwe H. Schneider/Krieger, HdB Managerhaftung (2007), § 3 Rn. 10 f. 20 So auch Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 11 Fn. 5 a. E.; Kübler, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 25 Rn. 13. 21 Für eine Beteiligung an der Akquisitionsgesellschaft vor der Verschmelzung wegen der allgemeinen Erleichterungen des UmwG Pöllath/Philipp, DB 2005, 1503, 1504.
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III. Kausalitätserfordernis Als ersatzfähiger Schaden anzusehen ist nach § 25 I 1 UmwG jeder Vermögensnachteil, der „durch die Verschmelzung“ eingetreten ist, sich mithin aus einem Vergleich des Vermögens der Anspruchsberechtigten vor und nach der Verschmelzung ergibt. Das Gesetz bringt damit zum Ausdruck, dass nur eine wirksame Verschmelzung die Haftungsfolgen auslöst.22 Nicht gemeint ist trotz der weiten Formulierung, dass der Schaden auf die Verschmelzung zurückzuführen sein muss. Die Tatsache der Verschmelzung stellt für sich gesehen keinen Schaden dar. Haftungsbegründend wie -ausfüllend23 ist vielmehr die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden.24 IV. Schaden Ob und inwieweit ein solcher Kausalzusammenhang möglich ist und sich schadensrechtlich auswirkt, muss für die möglichen Anspruchsinhabergruppen unterschiedlich beurteilt werden. Insoweit stellt sich die Frage, wer welchen Schaden durch die tatbestandsrelevanten Pflichtverletzungen erleiden kann. 1. Ausschluss der Naturalrestitution Einheitlich für alle Gläubigergruppen des § 25 I UmwG gemeinsam festzustellen ist allein der Ausschluss der Naturalrestitution als schadensrechtlicher Negativregelung. Nach § 249 I BGB hätte der Anspruchsgegner an sich den Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Geschuldet wäre damit u. U. die Rückgängigmachung der Strukturänderung. Das Schrifttum begegnet dem einhellig mit dem Hinweis, dass Mängel der Verschmelzung diese nach der Eintragung unberührt lassen (§ 20 II UmwG), weswegen die „Entschmelzung“ ausgeschlossen sei.25 Unabhängig davon, ob das zutrifft, kann dem im Ergebnis hier aber aus zwei Gründen zugestimmt werden: Erstens dem vorgenannten Gesichtspunkt, dass die Verschmelzung selbst weder als haftungsbegründend noch als Schaden angesehen werden kann. Sie stellt lediglich eine notwendige Bedingung des Restitutionsanspruchs dar. Zweitens können die Vertretungsorgane die Rechtsgrundlagen der Verschmelzung, den Verschmelzungsvertrag und den Verschmelzungsbe22 Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 18; Pöllath/Philipp, DB 2005, 1503, 1507; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 25 Rn. 15. 23 Zur nur bedingten Unterscheidbarkeit zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität Geigel, Haftpflichtprozess, 26. Aufl. 2011, 1. Kap. Rn. 15. 24 Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 17; Pöllath/Philipp, DB 2005, 1503, 1507; Schnorbus, ZHR 167 (2003), 666, 691 f.; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 25 Rn. 15. 25 Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 17; Pöllath/Philipp, DB 2005, 1503, 1507; Schnorbus, ZHR 167 (2003), 666, 691.
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schluss nicht beseitigen. Mit dem Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers entfällt das Recht zur Anfechtung des Vertrages nach §§ 119, 123 BGB. Den Zustimmungsbeschluss selber kann der Vorstand als Organ zwar anfechten (vgl. § 245 Nr. 4 AktG), doch begründet eine Pflichtverletzung i. S. d. § 25 I UmwG nicht zwangsläufig einen anfechtungsrelevanten Beschlussmangel, was insbesondere für hieraus resultierende Fehler der Verschmelzungswertrelation gilt, da diese für den übertragenden Rechtsträger ausnahmslos in das Spruchverfahren führen (§ 243 IV 2 AktG). Die Konsequenz besteht darin, dass dem anspruchsschuldenden Organ die Rückabwicklung rechtlich nicht möglich ist (§ 251 I BGB) und an die Stelle der Naturalrestitution die Schadenskompensation tritt.26 2. Schaden des Rechtsträgers Nach § 25 I 1 UmwG gehört zu den Anspruchsberechtigten zunächst der übertragende Rechtsträger. Bei Umwandlungen unter Fortbestand desselben, d. h. Abspaltung, Ausgliederung, Teilvermögensübertragung und Formwechsel leuchtet das – so man § 25 I UmwG hierfür einschlägig hält27 – ohne weiteres ein. Erklärungsbedürftig erscheint dagegen wie ein durch die Verschmelzung erlöschender Rechtsträger einen Schaden erleiden kann. Das Schrifttum nennt als mögliche Beispiele rufschädigendes Verhalten oder Geheimnisverrat.28 Bei einem darauf beruhenden und vor der Verschmelzung eintretenden Vermögensschaden soll – den Wortlaut des § 25 I 1 UmwG einschränkend – nur der Gesellschaft ein Ersatzanspruch zustehen. Denn die Organmitglieder hätten nur einmal Ersatz zu leisten, und nur so könne ein ordnungsgemäßes Verteilungsverfahren stattfinden. Die durch die unmittelbare Schädigung der – relativen oder absoluten – Rechtsgüter des Verbands mittelbar „reflexartige“ Verschlechterung der Stellung der Anteilsinhaber durch Entwertung ihrer Anteile bleibe dann außer Betracht.29 3. Schaden der Gläubiger Aus Sicht der Gläubiger hat § 25 I 1 UmwG vor allem den Fall der Verschmelzung der Gesellschaft mit einer hochverschuldeten oder gar insolventen Gesellschaft vor Augen. Der Schaden der Gläubiger kann dabei zunächst in einer Wertbeeinträchtigung ihrer Forderungen, im teilweisen oder gänzlichen Ausfall oder in der Erschwerung ihrer Durchsetzbarkeit liegen. Ist die Einbeziehung der Gläubiger in den Kreis der Anspruchsberechtigten nach § 25 I 26
Dazu auch noch u. § 15 A. IV. 1. b). Vgl. zu den Bedenken soeben A II 1. 28 Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 14; Kübler, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 25 Rn. 13; Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 9; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 25 Rn. 18. 29 Ebda. 27
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UmwG damit im Ausgangspunkt nachvollziehbar, so wird diese zum einen mit dem Argument in Frage gestellt, dass Gläubigern grundsätzlich nicht die Aufrechterhaltung einer bestimmten Eigenkapitalquote garantiert ist.30 Zum anderen ermögliche ihnen das Gesetz, sich vor nachteiligen Folgen der Verschmelzung durch den Anspruch auf Sicherheitsleistung (§ 22 UmwG) zu schützen. Unter Hinweis auf diese Regelung sieht das Schrifttum einen Gläubigerschaden i. S. d. § 25 I 1 UmwG nur, wenn es bei einer ordnungsgemäßen Prüfung der Vermögenslage „nicht zur Verschmelzung gekommen wäre“31 oder diese „nicht hätte umgesetzt werden dürfen“.32 Letzteres soll von einem haftungsfreien Ermessen der Verwaltungsträger abhängig sein,33 was im Ergebnis darauf hinauslaufen würde, dass den Gläubigern regelmäßig kein Anspruch nach § 25 I 1 UmwG zusteht. 4. Schaden der Anteilsinhaber Aus Sicht der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers ergeben sich namentlich zwei Problemkreise: Dazu gehört erstens die schon genannte Frage, ob ihre Anspruchsberechtigung bei unmittelbaren Schädigungen des Verbands ausgeschlossen ist. Sodann ist – zweitens – überprüfungsbedürftig, ob bei Verletzungen der Mitgliedschaft ein ersatzfähiger (Vermögens)Schaden entsteht. a) Fehlbewertungen Der Hauptfall des § 25 I 1 UmwG betrifft aus Sicht des Mitglieds die Unterbewertung der eigenen Gesellschaft. Sie schlägt sich in einer ungünstigeren Verschmelzungswertrelation und dem daraus resultierenden Umtauschverhältnis nieder. Die Überprüfung der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses (oder einer Abfindung) erfolgt jedoch im Spruchverfahren. Dort besteht die Möglichkeit, bisherige Fehlbewertungen zu korrigieren und mit einem zusätzlichen Ausgleichsanspruch zu verbinden, so dass dem Mitglied im Letzten kein Schaden entsteht.34 Für § 25 I UmwG bleiben lediglich unabhängig von der Unangemessenheit des Ausgleichs entstehende, insbesondere verzögerungsbedingte Nachteile. Zu denken ist beispielsweise an die Folgen einer Liquiditätskrise des Mitglieds, welche auf einer anfänglichen Unterbewertung der übertragenden Gesellschaft durch die Organe beruht. In Betracht kom30
Schnorbus, ZHR 167 (2003), 666, 694. Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 16. 32 Pöllath/Philipp, DB 2005, 1503, 1507. 33 So auch Schnorbus, ZHR 167 (2003), 666, 694. 34 Im Schrifttum wird daraus geschlossen, die Unterlassung der Antragstellung im Spruchverfahren begründe ein Mitverschulden nach § 254 II BGB auf Seiten des Mitglieds; vgl. Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 15; Kübler, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 25 Rn. 23; umso bedenklicher, damit verbundene Verzögerungen des Ausgleichs dem Mitglied anzulasten; so aber BVerfG AG 2007, 483; dazu § 7 B IV 2. 31
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men ferner den Börsenkurs mindernde Einflussnahmehandlungen, welche den Wert der Abfindung – und damit des in der Aktienanlage enthaltenen Vermögensrechts – einstweilen schmälern;35 ferner die Insolvenz des ausgleichspflichtigen Rechtsträgers. Problematisch erscheint hierbei zwar, dass der ausgleichspflichtige Rechtsträger nicht in Verzug ist, weil der zunächst eingeräumte Anspruch auf Ausgleich erst durch den Beschluss im Spruchverfahren umgestaltet wird, doch steht das einem Schadensersatzanspruch nicht entgegen, sofern man § 25 UmwG als eine hiervon unabhängige Konzeption begreift. b) Verstöße im Beschlussverfahren Das zweite zentrale Problem des Schadens der Anteilsinhaber liegt darin, dass zahlreiche Sorgfaltspflichtverstöße der Verwaltungsträger – so man sie auch hier wieder gegen das Schrifttum wegen § 25 I 2 UmwG überhaupt für tatbestandsmäßig erachtet36 – nicht zu einer Vermögensbeeinträchtigung führen. Das betrifft zunächst die Auskunftspflichtverletzung. Entweder sie begründet eine Bewertungsrüge, dann besteht das Spruchverfahren, oder sie ist nicht vermögensrechtlicher Natur, dann entsteht kein Schaden. An der Schnittstelle liegt der Fall des Verschweigens von Sondervorteilen, die nach § 5 I Nr. 8 UmwG eigentlich im Verschmelzungsvertrag aufzuführen wären. Einerseits liegt es nahe, die damit bezweckte Transparenz haftungsrechtlich zu bewehren. Andererseits kommt ein eigener Schaden der Anteilseigner nur in Betracht, wenn sie deswegen weniger für ihre ursprünglichen Anteile erhalten.37 Ebenfalls ein Grenzfall besteht, wenn die Informationspflichtverletzung dazu führt, dass der Aktionär an der Angemessenheit keinen Zweifel haben kann und das Spruchverfahren deshalb unterbleibt bzw. er dort mangels Darlegungsmöglichkeiten erfolglos bleibt. Bedenkenswert ist ferner, ob Verletzungen von Berichtspflichten haftungsrechtlich relevant sein können. Stellt man sich auf den Standpunkt, hiermit solle allein dem kollektiven Informationsrecht des Verbandes genügt werden38 und hält man für dessen Selbstinformation das Organ Vorstand, mehr für zuständig denn im technischen Sinne verpflichtet,39 so wäre es inkonsequent, das Mitglied in den Schutzbereich der Norm einzubeziehen und daraus einen Schaden ableiten zu wollen. 35 Bedenklich sind daher den aktuellen Börsenkurs unterschreitende „freiwillige“ Kaufangebote und andere Bewertungssignale. Vgl. dazu FAZ v. 4.5.2006 zur Verschmelzung der TOnline AG auf die Deutsche Telekom AG: „Gutachter: T-Online-Kurs wurde heruntergeredet“. 36 Vgl. zur Begrenzung der sanktionierten Pflichtverstöße soeben II. 2. 37 Schnorbus, ZHR 167 (2003), 666, 693. 38 Vgl. dazu K. Schmidt, ZHR-Sonderheft 57, 1984, S. 15 ff.; Weißhaupt, WM 2004, 705, 706; Wilde, ZGR 1998, 423, 435 ff. 39 Weißhaupt, WM 2004, 705, 706.
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Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass die Schadensersatzhaftung des § 25 I 1 UmwG keine Gewähr für die Einhaltung der verbandsrechtlichen Informationspflichten bietet. V. Verschulden Die Haftung aus § 25 I 1 UmwG ist verschuldensabhängig.40 Dies ergibt sich aus dem Begriff der „Sorgfalt“, welche wie bei der Organhaftung im Allgemeinen fahrlässiges Handeln ausschließt.41 Wie dort wird durch die Anknüpfung des Verschuldens an die „Sorgfalt“ deutlich, dass die Unterscheidung zwischen Pflichtverletzung und deren Vorwerfbarkeit nicht ohne weiteres möglich ist und nur die Funktion hat, die Darlegungs- und Beweislastverteilung zu klären: Der Anspruchsinhaber muss nur seinen Schaden und die Kausalität mit dem Organhandeln beweisen. Hinsichtlich der Pflichtverletzung und des Verschuldens ist es Sache des Organmitglieds sich zu entlasten.42 VI. Zuordnung der Anspruchsinhaberschaft Eine Schwierigkeit der Konzeption des § 25 I UmwG besteht in der parallelen Anspruchsberechtigung des übertragenden Rechtsträgers, seiner Gläubiger und Anteilsinhaber. Die bisherigen Überlegungen nehmen die Grundannahme, dass die betreffenden Organmitglieder nur einmal Schadensersatz zu leisten haben,43 zum Anlass, nach Art der Pflichtverletzung zu differenzieren (so im Verhältnis Gesellschaft – Anteilsinhaber) bzw. reduzieren die Vorschrift teleologisch (so aus Sicht der Anspruchsberechtigung der Gläubiger). Beides vermag nicht zu überzeugen. 1. Anspruchsberechtigung des übertragenden Rechtsträgers oder seiner Mitglieder? Im Verhältnis der Anspruchsberechtigung der Mitglieder und der Gesellschaft erscheint zwar zunächst plausibel, dass unmittelbare Schädigungen des Verbands auch nur zu dessen alleiniger Anspruchsinhaberschaft führen können. Und davon geht § 25 II 1 UmwG mit seiner Fiktion des Fortbestands des übertragenden Rechtsträgers zur Verfolgung der Ansprüche auch aus.44 Dabei bleibt aber unberücksichtigt, dass aus der Pflichtverletzung entstehende Vermögensnachteile im Ergebnis nur den aufnehmenden Rechtsträger (als Rechts40 Vgl. Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 13; Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 7; Pöllath/Philipp, DB 2005, 1503, 1506; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 25 Rn. 20 ff. 41 Kübler, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 25 Rn. 11; Pöllath/Philipp, DB 2005, 1503, 1506. 42 Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 13. 43 Vgl. Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 25 Rn. 14. 44 A. A., aber ohne rechte Begründung Schnorbus, ZHR 167 (2003), 666, 695.
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nachfolger) oder die bisherigen Anteilsinhaber treffen. Letzteres ist der Fall, wenn sich die Schädigung in einer für sie nachteiligen Verschmelzungsrelation ausgewirkt hat. Im Regelfall kommt die vom Gesetz angenommene Legitimation des übertragenden Rechtsträgers dem aufnehmenden Rechtsträger (als Rechtsnachfolger) zugute. Denn ein Vermögenszuwachs in Form von Schadensersatzleistungen auf Seiten des – erloschenen – übertragenen Rechtsträgers ist ausgeschlossen und fällt beim aufnehmenden Rechtsträger an. Wird durch die Anspruchsberechtigung des übertragenen Rechtsträgers im Ergebnis der aufnehmende Rechtsträger begünstigt, so gehen ausgeschiedene Mitglieder des übertragenen Rechtsträgers leer aus. Das ist lediglich dann gerechtfertigt, wenn sich der Schaden, etwa in Form einer Rufschädigung erst beim aufnehmenden Rechtsträger realisiert. Tritt er dagegen schon vor der Eintragung der Verschmelzung, nämlich durch Berücksichtigung im Rahmen der Umtauschwertrelation ein, gebührt seine Liquidation den Mitgliedern des übertragenden Rechtsträgers. Im Ergebnis konsequenter ist daher, den Anspruch über den Schadensbegriff nur einem von den beiden bzw. in Abhängigkeit der Schadenshöhe beiden zuzuordnen. Nur so werden die Beteiligten, zu denen neben den Mitgliedern auch der aufnehmende Rechtsträger gehört, auch entsprechend der Zielsetzung von § 25 I UmwG vor den Gefahren des Erlöschens geschützt. 2. Anspruchsberechtigung der Gläubiger Hinsichtlich der Gläubiger führt das bisherige Verständnis im Schrifttum dazu, dass diese entgegen dem Wortlaut von § 25 I 1 UmwG regelmäßig über keinen eigenen Schadensersatzanspruch verfügen. Im Wesentlichen beruht das auf dem parallelen Schutz durch den Anspruch auf Sicherheitsleistung (§ 22 UmwG). Dahinter steht der Gedanke, der von § 22 UmwG nicht Gebrauch machende Gläubiger verstoße gegen seine Schadensminderungspflicht und müsse sich dies als Mitverschulden anlasten lassen (§ 254 BGB).45 Ein Fall der Mitwirkung an der Schadensentstehung (vgl. § 254 I BGB) liegt i. d. R. nicht vor. Ein Unterlassen der Schadensabwendung i. S. d. § 254 II 1 1. Alt. BGB, d. h. dem fehlenden Hinweis gegenüber dem Schuldner (Schädiger) auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens, den dieser weder kannte noch kennen musste, scheidet ebenfalls aus. Dahingehende Bewertungen treffen die Verwaltungsträger der Verschmelzungspartner, nicht ihre Gläubiger. Es bleibt die allgemeine Schadensminderungspflicht bzw. -vermeidungspflicht des § 254 II 1 2. Alt. BGB. Insoweit ist aber erstens zu berücksichtigen, dass auch die Gläubiger grundsätzlich nicht zu einer eigenständigen Prüfung der Verschmelzungsfolgen und einer Bonitätsrevision verpflichtet sind bzw. ihr Unterlassen keine Obliegenheitsverletzung darstellt. Zweitens ist zu bedenken, 45 So etwa Kübler, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 25 Rn. 24; Pöllath/Philipp, DB 2005, 1503, 1507; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 25 Rn. 16.
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dass § 22 UmwG das Recht zur Sicherheitsleistung – anders als § 303 AktG – nicht weitgehend vorbehaltlos gewährt, sondern die Glaubhaftmachung der Gefährdung der Erfüllung der Forderung voraussetzt. Im Ergebnis schützt das Gesetz die Gläubiger vor den oben genannten Gefahren daher neben dem präventiv wirkenden § 22 UmwG durch einen eigenen Schadensersatzanspruch. VII. Eignung der Schadensersatzpflicht als Kompensationsinstrument 1. Ausgleich von Eingriffen in die Mitgliedschaft Folgt man dem bisherigen Verständnis von § 25 I 1 UmwG vermittelt die Norm nur einen stark eingeschränkten Ausgleich für pflichtwidriges Handeln im Rahmen von Umwandlungen. Zwar sieht das Gesetz eine unmittelbare Außenhaftung der Verwaltungsmitglieder des übertragenden Rechtsträgers vor. Ausgehend von der Überlegung, dass es hierbei nur darum geht, das Mitglied vor den Gefahren des Erlöschens des Rechtsträgers zu schützen, soll die Anwendbarkeit der Vorschrift allerdings auf Verschmelzung, Spaltung und der Vermögens(voll)übertragung beschränkt sein. Eine weitere Einschränkung folgt daraus, dass eine haftungsbewehrte Pflichtverletzung allein in der Prüfung der Maßnahme und dem Vertragsschluss begangen werden soll, den Organmitgliedern die Business Judgement Rule zugutekommt und zur Schadensliquidation letztlich in vielen Fällen doch nur der übertragende Rechtsträger berechtigt ist. Damit unterschiede sich die Situation nicht wesentlich von der ansonsten bei der allgemeinen Organhaftung geltenden Binnenhaftung gegenüber dem Verband. Folgt man dem hier vorgezogenen Normverständnis, vermittelt § 25 I 1 UmwG dagegen zumindest konzeptionell eine weiterreichende Kompensation für Pflichtenverstöße im Rahmen von Umwandlungen. So erstreckt sich die Haftung auch auf Abspaltung, Ausgliederung, Teilvermögensübertragung und Formwechsel. Die Anspruchsberechtigung ist zudem entsprechend dem Dogma vom Gläubigerinteresse mit der Schadensträgerschaft verbunden. Dass § 25 I 1 UmwG einen allgemeinen Ausgleich für Pflichtverletzungen schafft und einen Verzicht auf präventiven Rechtsschutz rechtfertigt, muss hingegen auch bei einem weiten Normverständnis verneint werden. Eine schadensrechtliche Kompensation der Verletzung von Mitgliedschaftsrechten scheitert zunächst generell, wo keine vermögensrechtliche Position betroffen ist. Damit fehlt es an einer Sanktion von allgemeinen Informationspflichtverletzungen. Bei bewertungsrelevanten Pflichtverletzungen entsteht kein Schaden, wenn und weil der wahre Wert der Beteiligung im Rahmen des Spruchverfahrens realisiert werden kann. Insoweit lässt sich argumentieren, dass für eine ergänzende Haftung der Vertretungsorgane kein Bedürfnis bestehe, doch setzt das voraus, dass der „wahre Wert der Beteiligung“ in angemessener Zeit realisiert werden kann. Zudem können Verzögerungsschäden nicht durch das
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Spruchverfahren ausgeglichen werden. Ihre Durchsetzung dürfte indessen häufig an der Verjährung nach § 25 III UmwG scheitern. Denn die Schadensentstehung wird erst durch die Fehlbewertung im Spruchverfahren offenbar, was aber regelmäßig erhebliche Zeit beansprucht. 2. Gläubigerschutz Im Ansatz günstiger fällt die Bewertung der Kompensationsfähigkeit von Gläubigerinteresse beeinträchtigenden Pflichtverletzungen aus. Die herrschende Meinung tut sich zwar schwer, § 25 I UmwG zugunsten der Gläubiger selbstständige Sorgfaltspflichten zu entnehmen. Die gegenüber der Gesellschaft angenommenen Pflichten kommen ihnen aber in der Weise zugute, dass eine Strukturänderung, welche die Bonität des Rechtsträgers empfindlich schwächt, zugleich die ihm gegenüber bestehenden Sorgfaltspflichten verletzt. Die Möglichkeit, nach § 22 UmwG Sicherheit zu erlangen, steht der Haftung der Organmitglieder nicht entgegen. Die Effektivität des Gläubigerschutzes dürfte allerdings darunter leiden, dass der Einzelne einen Schaden, etwa in Form höherer Refinanzierungskosten oder die Kausalität mit der Pflichtverletzung, so namentlich bei der Insolvenz des übernehmenden Rechtsträgers, schwer wird dartun können. Im Übrigen kann die Reichweite des durch § 25 I UmwG vermittelten Gläubigerschutzes auch deswegen dahingestellt bleiben, weil es bei der Beschlusskontrolle im Regelfall zumeist um Mitgliedschaftsrechte geht.
C. Anspruch aus §§ 93 II, 116 S. 1 AktG I. Anwendungsbereich Die Vorschrift des § 25 I UmwG gilt nur für die Verwaltungsträger der übertragenden Gesellschaft. § 27 UmwG spricht zwar in seiner – offiziellen – Überschrift von der „Schadensersatzpflicht der Verwaltungsträger des übernehmenden Rechtsträgers“, enthält nach allgemeiner Auffassung aber keine eigenständige Anspruchsgrundlage, sondern regelt lediglich in einheitlicher Form die Verjährung der Haftung.46 Damit bleibt es aus Sicht der aufnehmenden Gesellschaft grundsätzlich bei den allgemeinen Regeln. Für eine entsprechende Anwendung des § 25 I UmwG fehlt es sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke wie auch der Vergleichbarkeit der Regelungssachverhalte. Anders kann dies nur sein, solange man das folgenschwere Konzept aus Binnen- und Außenhaftung der Verwaltungsträger nicht durch das Erlöschen der Gesellschaft, sondern durch die Gefahren einer Fehlbewertung der beteiligten Unternehmen begründet sieht.47 Dem steht aber entgegen, dass das Aktien46 Vgl. Kübler, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 25 Rn. 1; Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 27 Rn. 2; Schnorbus, ZHR 167 (2003), 666, 675. 47 Vgl. aber Schnorbus, ZHR 167 (2003), 666, 675, der die ratio legis maßgeblich in der vermeintlich überlegenen Verhandlungsposition der aufnehmenden Gesellschaft begründet sieht.
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recht keine § 25 I UmwG vergleichbare Norm mit der Folge der Außenhaftung der Organmitglieder vorsieht, und zwar auch dann nicht, wenn die Situation der Verschmelzung durch Aufnahme entspricht, also bei der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss mit der Rüge der Unangemessenheit des Ausgabepreises (§ 255 II AktG). Zudem sind auch Bewertungsrügen nicht ausgeschlossen, der Primärrechtsschutz also dahingehend nicht beschränkt (vgl. dagegen § 14 II UmwG). Im Ergebnis sind Anspruchsgrundlagen für die Haftung der Organmitglieder damit wie bei allen anderen der hier interessierenden Organisationsänderungen allein die §§ 93 I, 116 S. 1 AktG.48 II. Binnenhaftung Das Gesetz verwirklicht im Rahmen der §§ 93, 116 AktG konsequent das Prinzip der Binnenhaftung.49 Danach haftet das Organmitglied unmittelbar weder gegenüber den Gesellschaftern noch den Gläubigern, sondern ausschließlich gegenüber dem Verband, was bezweckt, dass die praktische Durchsetzung zu dessen Gunsten nicht erschwert wird. In der Insolvenz kann der Anspruch gegen die Gesellschaft nur zugunsten der Insolvenzmasse geltend gemacht werden (vgl. § 93 InsO (analog)). Die Kehrseite dieses Konzepts besteht darin, dass das einzelne Mitglied keinen Anspruch, auch nicht pro rata, hat und es den der Gesellschaft außer unter den Voraussetzungen des § 148 AktG nicht geltend machen kann. Letztlich ist es damit auf Primärrechtsschutz angewiesen, so dass der Verweis auf Schadensersatzansprüche den Verzicht auf diesen nicht zu legitimieren vermag.
D. Deliktische Haftung Neben den verbandsrechtlichen Ansprüchen hat die Rechtsprechung vereinzelt eine Außenhaftung der Organe auf deliktsrechtlicher Grundlage zugelassen, und zwar sowohl zugunsten der Gläubiger wie der Verbandsmitglieder. I. Gläubigerschutz 1. § 823 I BGB (BGHZ 109, 297) Eine Anwendung des § 823 I BGB zugunsten der Gläubiger findet sich im zur GmbH entschiedenen Baustoff-Fall.50 Zu der an sich nur von der Gesellschaft 48 §§ 309, 310, 317 III, 318 AktG betreffen die Haftung für spezifische Pflichtverletzungen im Rahmen wirksamer oder als wirksam anzusehender Beherrschungsverhältnisse, nicht jedoch deren Zustandekommen. 49 Dazu, aber auch zu der Berücksichtigung der Konzernverantwortung Uwe H. Schneider/ Sven H. Schneider, AG 2005, 57, 58. 50 BGHZ 109, 297: Der Geschäftsführer hatte die Weiterverarbeitung unter verlängertem Eigentumsvorbehalt gelieferter Waren zugelassen, obwohl dieser mit einem Abtretungsverbot des Auftraggebers kollidierte. Der BGH sah die nach § 946 BGB zum Verlust des Eigentums-
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geschuldeten Beachtung des verlängerten Eigentumsvorbehalts führte der BGH aus, dass auch der Geschäftsführer unmittelbar hafte, wenn er persönlich eine unerlaubte Handlung begehe.51 Zwar treffe die Einstandspflicht gegenüber Dritten bei einem persönlichen Versagen des Geschäftsführers bei der Erfüllung seiner Organpflichten prinzipiell nur die Gesellschaft. Das gelte aber nicht, wenn mit den Pflichten aus der Organstellung gegenüber der Gesellschaft Pflichten einhergingen, die von dem Geschäftsführer nicht mehr nur gegenüber dieser, sondern aus besonderen Gründen auch gegenüber Dritten bestünden. Dies könne im außervertraglichen Bereich insbesondere wegen einer dem Geschäftsführer zugewiesenen oder von ihm jedenfalls in Anspruch genommenen Garantenstellung zum Schutz fremder Rechtsgüter i. S. d. § 823 I BGB der Fall sein, die ihre Träger der Einflusssphäre der Gesellschaft anvertraut haben.52 Eine solche Verantwortlichkeit gegenüber den Gläubigern sah der BGH in Form einer Organisationspflicht i. S. e. Verkehrssicherungspflicht zur abredegemäßen Verwendung des Vorbehaltsguts.53 Ist damit eine unmittelbare deliktische Verantwortlichkeit der Leitungsorgane gegenüber den Gläubigern eröffnet, so knüpft diese an die Verletzung absoluter Rechtsgüter an. Dafür dürfte im Rahmen der hier relevanten Strukturänderungen regelmäßig kein Raum bestehen. 2. § 826 BGB Die auch reine Vermögensschädigungen erfassende und daher am weitesten reichende Außenhaftung des Organmitglieds entsteht bei einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung i. S. d. § 826 BGB. Nachdem sich die Rechtsprechung nunmehr im Rahmen der Trihotel-Entscheidung zur Einordnung der Existenzvernichtungshaftung des GmbH-Gesellschafters in diese Norm entschieden hat,54 besteht Anlass zu der Annahme, dass der an sich für den Gesellschafter formulierte Haftungsmaßstab auch für Leitungsorgane gelten könnte.55 Allerdings müsste dann bedacht werden, dass die Rechtsprechung die Existenzvernichtungshaftung nunmehr als Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft einordnet.56 Geht man davon aus, dass dem Wechsel vom Konzept der Außenhaftung zur Innenhaftung maßgeblich die Erwägung innewohnt, die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für die Geltendmachung der Forderung zu begründen, ohne dass es einer Analogie zu § 93 InsO bedarf, 51 führende Verbindung von Baumaterialien mit dem Grundstück als eine Eigentumsverletzung an, weil die im Wege des verlängerten Eigentumsvorbehalts seitens des Verkäufers hierzu erteilte Ermächtigung unter dem Vorbehalt gestanden habe, dass er die dem Käufer zuwachsende Forderung erwerbe. 51 BGHZ 109, 297, 302; BGH NJW 1974, 1371, 1372. 52 BGHZ 109, 297, 303. 53 BGHZ 109, 297, 304 f. 54 BGH NJW 2007, 2689. 55 Vgl. BGH NJW 2007, 2689, 2693. 56 BGH NJW 2007, 2689, 2691.
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so spricht dies dafür, bei der auf § 826 BGB gestützten Organhaftung entsprechend zu verfahren. Demgemäß kann der einzelne Gläubiger die Vertretungsorgane nur außerhalb der Insolvenz unmittelbar selbst in Anspruch nehmen. II. Organhaftung gegenüber dem Verbandsmitglied? Zugunsten des Mitglieds hat die Rechtsprechung in dem das Vereinsrecht betreffenden Schärenkreuzer-Fall57 zu Ausnahmen vom Grundsatz der Binnenhaftung des Organs gefunden. Wie im Baustoff-Fall handelte es sich aus Sicht des erkennenden II. Zivilsenats nicht um ein Problem des Verbandsinnenrechts, sondern des Tatbestands des § 823 I BGB, nämlich der Frage, ob die Mitgliedschaft gegenüber Eingriffen des Vorstands als „sonstiges Recht“ anzuerkennen ist.58 Dies sah der Senat gegeben. Die Handlung des Vorstands habe „das Recht des Klägers als Vereinsmitglied auf Schutz und Förderung seiner Interessen (…) auch gegenüber Dritten“ verletzt. Dies begründe „ähnlich der positiven Vertragsverletzung“ Schadensersatzpflichten, für die der Verein nach § 31 BGB hafte.59 Daneben werde das Mitgliedschaftsrecht allgemein zugleich als sonstiges Recht nach § 823 I BGB angesehen, dessen Verletzung Schadensersatzansprüche nach deliktischen Grundsätzen auslösen könne. Das bezieht sich sowohl auf den Verein60 wie dessen Organe.61 Die zwischen dem Verein und dem Mitglied bestehende Sonderbeziehung könne nicht rechtfertigen, das Recht der unerlaubten Handlungen bei Verletzung deliktsrechtlich geschützter Positionen generell von einer Anwendung auszunehmen. Zwar gäbe es zwischen Vorstand und Mitglied keine Sonderverbindung. Es sei jedoch anerkannt, dass das Mitgliedschaftsrecht zugleich als „sonstiges Recht“ i. S. d. § 823 I BGB zu gelten habe und dessen schuldhafte Verletzung Schadensersatzansprüche nach sich ziehen könne. III. Haftung wegen fehlerhafter Kapitalmarktinformation Der Grundsatz der Binnenhaftung ändert nichts daran, dass Organmitglieder wie jedermann für vorsätzlich sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB ein57
BGHZ 110, 323. Der Vorstand eines Idealvereins hatte dem Veranstalter einer Regatta mehrfach mitgeteilt, das Boot des Klägers, einem Vereinsmitglied, erfülle nicht die vom Verein festgelegten Klassenvorschriften für einen „Schärenkreuzer“. Das Mitglied wurde daraufhin von der Regattateilnahme ausgeschlossen. Um das Boot wenigstens als Ausgleichsyacht nutzen zu können, ließ der Kläger das Boot umbauen. Unter Berufung auf die Unrichtigkeit der Angabe des Vereinsvorstands gegenüber dem Regattaveranstalter – das Boot erfüllte tatsächlich die geltenden Klassenvorschriften – verlangte er die Umbaukosten als Schadensersatz vom Verein und dessen Vorstandsvorsitzenden. 59 BGHZ 110, 323, 327; zur Haftung des Vereins und Zurechnung nach § 31 BGB auch schon BGHZ 90, 92, 95. 60 BGHZ 110, 323, 327 f. 61 BGHZ 110, 323, 334 f. 58
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zustehen haben, einerlei ob sie diese den Mitgliedern oder Dritten zufügen und es sich um reine Vermögensschäden oder Verletzungen absoluter Rechtsgüter handelt. Bedeutung erlangt hat diese Haftungsgrundlage zuletzt bei fehlerhafter Kapitalmarktinformation.62 Auch im Zusammenhang mit Strukturänderungen können sich hieraus Ansprüche für Mitglieder börsennotierter Gesellschaften ergeben, doch wird man diese angesichts der engen Tatbestandsvoraussetzungen und der in der Praxis offenbar gewordenen Beweisschwierigkeiten nicht als regelmäßige Kompensationsinstrumente für fehlerhaftes Organhandeln in Betracht ziehen dürfen. Neben § 826 BGB erscheint bei kapitalmarktbezogenen Einwirkungen auch ein Anspruch aus § 823 II BGB i. V. m. § 20a WpHG, also wegen Marktmanipulation, möglich. Angesichts der zunehmenden Ausdehnung des Marktmanipulations-Tatbestands63 können sich hieraus auch Schadensersatzansprüche des Mitglieds ergeben. Allerdings ist die Schutzgesetzeigenschaft von § 20a WpHG wie bei anderen, kapitalmarktfunktionsbezogenen Normen zweifelhaft.64 IV. Bewertung des deliktsrechtlichen Kompensations- und Präventionseffekts Im Ergebnis gelangt man für die hier interessierenden Strukturänderungen trotz der geschilderten Rechtsprechung grundsätzlich nicht zu einer deliktsrechtlich begründbaren Außenhaftung der Leitungsorgane gegenüber dem Mitglied. Sowohl der Baustoff- wie der Schärenkreuzer-Fall werfen in mehrfacher Hinsicht Fragen auf, die eine deliktsrechtliche Lösung als verfehlt erscheinen lassen.65 Das betrifft in beiden Fällen schon die Rechtsgutsverletzung als solche. Da der Gläubiger im Baustoff-Fall in die Verbindung des Vorbehaltsguts mit dem Baugrundstück wirksam eingewilligt hatte, handelte es sich nicht um eine Verletzung des Eigentums, sondern des Anspruchs auf Abtretung der Forderung als Sicherungsrecht. In der Konsequenz wird der Gläubiger hierdurch in seinen Vermögensrechten geschützt. Die Einstufung der Mitgliedschaft als „sonstiges Recht“ i. S. d. § 823 I BGB im Schärenkreuzer-Fall ist in der Lehre ebenfalls eher auf Ablehnung denn auf Zuspruch gestoßen.66 Die Diskussion soll hier aber nicht wieder aufgegriffen oder nachgezeichnet werden. Denn zum einen liegt es auf der Hand, dass einer 62 BGHZ 160, 134; BGH AG 2007, 620; einschränkend trotz Verstoß gegen § 20a WpHG OLG Düsseldorf AG 2011, 706. 63 Vgl. etwa BGH AG 2011, 702; EuGH NZG 2011, 951; dazu Klöhn, NZG 2011, 934. 64 Krit. Vogel, in Assmann/U. H. Schneider, WpHG 5. Aufl., § 20a Rn. 31. 65 Zur Kritik Grunewald, ZHR 157 (1993), 451 ff. 66 Grundlegend und prinzipiell bejahend Habersack, Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht (1996), S. 117 ff.; vgl. zur herrschenden Gegenansicht Hadding, in FS Kellermann (1991), S. 91 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 21 V (S. 651 f.); Schmolke, Organwalterhaftung für Eigenschäden von Kapitalgesellschaften (2003), 50 ff. 71.
§ 9 Haftung der Mitglieder von Leitungs- und Überwachungsorganen
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derart pauschalen Einbeziehung der Mitgliedschaft das Konfliktpotential innewohnt, die verbandsrechtlichen Regeln in sehr weitem Umfang zu verändern und die spezifischen Besonderheiten der Verbandsbeziehung außer Acht zu lassen. Zum anderen ist die hier interessierende Problematik der Organaußenhaftung für Pflichtverletzungen bei der Vorbereitung und Durchführung von Beschlüssen nach einhelliger Meinung kein Fall des § 823 I BGB. Das ergibt sich schon unmittelbar aus der Begründung, wo es heißt: „Für Vereinsorgane kommt eine solche Haftung allerdings grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn sie bei der schädigenden Handlung nicht ausschließlich in Vollzug sie bindender Mehrheitsentscheidungen der insbesondere auch durch die Mitgliederversammlung verkörperten Gesamtheit der Mitglieder gehandelt haben. Insofern überlagert ihre Stellung als ausführende Organe der Mitgliederversammlung ihre persönliche Verantwortlichkeit für ihr Handeln. Es wäre im Regelfall unvertretbar und auch mit der vereinsinternen Zuständigkeitsordnung nicht vereinbar, den Vereinsvorständen bei Sanktion der unbeschränkten persönlichen Haftung die generelle Verpflichtung zur Rechtmäßigkeitskontrolle von Beschlüssen der Mitgliederversammlung aufzuerlegen.“67
Das lässt sich auf die AG übertragen. Zwar hat der Vorstand das Recht, die Ausführung rechtswidriger Beschlüsse zu verweigern und die Befugnis zur Beschlusskontrolle (§ 245 Nr. 3 AktG). Auch korrespondiert damit die Pflicht, hiervon in begründeten Zweifeln Gebrauch zu machen. Doch folgt hieraus auch für die AG keine generelle Notwendigkeit der Kontrolle durch den Vorstand.68 Als weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu, dass auch diejenigen, welche die Anerkennung der Mitgliedschaft als „sonstiges Recht“ nach § 823 I BGB im Grundsatz befürworten, hiervon in Zusammenhang mit Beschlussmängeln keinen Gebrauch machen wollen, sondern die §§ 241 ff. AktG für vorrangige Spezialnormen erachten, von denen der Gesellschafter zur Rechtswahrung Gebrauch machen soll.69 Das gilt ausnahmslos und namentlich auch für Informationspflichtverletzungen, also Pflichtenverstöße, die unmittelbar beim Vorstand anzusiedeln sind und der Vorbereitung der Strukturänderung dienen.70
E. Zusammenfassung Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass sich das Desiderat des Gesetzgebers des VerschmelzungsrichtlinieumsetzungsG einer umfassenden Organ67
BGHZ 110, 323, 327 f. Vgl. Volhard, AG 1998, 397. 69 Vgl. Habersack, Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht (1996), S. 341 ff. 70 Auch hier hat man sich für Berichtspflichten wiederum darauf zu besinnen, dass der Schutzbereich das „kollektive Informationsrecht des Verbandes“ ist (vgl. Weißhaupt, WM 2004, 705, 706 u. soeben II. 4. bb), was gegen eine Verlagerung in die Mitgliedschaft und die Sanktionierung von Verstößen nach § 823 I BGB spricht. 68
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
verantwortlichkeit für Pflichtverletzungen von Strukturänderungen nicht verwirklicht hat. Im Umwandlungsrecht besteht mit § 25 I UmwG ein konzeptionell weiter Ansatz, der aber insbesondere bei nichtvermögensrelevanten Mitgliedschaftsrechtsverletzungen ins Leere geht und bei der Verletzung von Vermögensrechten häufig nicht durchsetzbar ist. Außerhalb des Umwandlungsrechts, also für die Beschlussgegenstände der §§ 246a, 319, 327a AktG besteht keine unmittelbare Organaußenhaftung. Die allgemeine deliktische Verantwortlichkeit gegenüber Mitgliedern und Gläubigern, wie sie die Rechtsprechung vereinzelt angenommen hat, besteht jedenfalls regelmäßig nicht im Zusammenhang mit beschlussbezogenen Pflichtverletzungen. Unabhängig von der konzeptionellen Schwäche einer Organverantwortlichkeit stellt sich ohnehin die Frage, ob in Gestalt der Organmitglieder ein finanziell ausreichend ausgestatteter Schuldner vorhanden ist. Insgesamt vermag die Verantwortlichkeit der Unternehmensleiter den Verzicht auf einen anfechtungsrechtlichen Primärrechtsschutz und die dauerhafte Bestandskraft von Strukturänderungen entgegen der Prämisse der Gesetzesmaterialien und der derzeitigen oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung damit nicht zu rechtfertigen.
§ 10 Der Verband als Haftungssubjekt Neben dem unmittelbar handelnden Organmitglied kommt als Haftungssubjekt auch der Verband selbst in Betracht: Dies zum einen wegen der Beschlussfreigabe (§§ 16 III 10 UmwG, 246a IV 1, 319 IV 10, 327e II AktG), zum anderen unter dem Gesichtspunkt seiner allgemeinen Verantwortlichkeit für die Wahrung der Rechte des Mitglieds durch seine Organe.
A. Haftung für die Freigabe des strukturändernden Beschlusses (§§ 16 III 10 UmwG, 246a IV 1, 319 IV 10, 327e II AktG) I. Regelungszweck Für die Freigabe von Beschlüssen gilt gemäß § 16 III 10 UmwG und den aktienrechtlichen Parallelvorschriften, dass der Rechtsträger, der den Beschluss erwirkt hat, dem Antragsgegner zum Ersatz des durch die Eintragung entstandenen Schadens verpflichtet ist. Hintergrund ist der Umstand, dass das Obsiegen des Klägers in der Hauptsache nichts daran zu ändern vermag, dass der Unbedenklichkeitsbeschluss zu Eintragung und Vollzug der Verschmelzung bzw. der im Einzelfall gegebenen Strukturmaßnahme führt. Zum Ausgleich soll es dem Kläger nach den Vorstellungen der Regierungsbegründung zum
§ 10 Der Verband als Haftungssubjekt
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UmwBerG möglich sein, „sein durch die Klage verfolgtes Individualinteresse als Schadensersatzanspruch weiterzuverfolgen“.71 II. Haftungsbegründender Tatbestand Ausgehend vom Wortlaut steht der Schadensersatzanspruch dem Kläger zu. Nach teilweiser Auffassung soll auch der Nebenintervenient anspruchsberechtigt sein. Das folge aus der Natur des Schadensersatzanspruchs als „Lohn des erfolgreichen Kampfes“ und dem den Nebenintervenienten treffenden Kostenrisiko (§§ 101 II, 100 ZPO).72 Alleinige weitere Anspruchsvoraussetzung des haftungsbegründenden Tatbestands ist, dass sich die Klage als unbegründet erweist. Sie ist erfüllt, wenn in der Hauptsache rechtskräftig i. S. d. Klageantrags entschieden ist. Ein Verschulden der antragsstellenden Gesellschaft ist nicht erforderlich. Die freigaberechtliche Schadensersatzregelung orientiert sich insoweit am Vorbild des § 945 ZPO, dessen Rechtsnatur sie wohl auch teilt.73 III. Schaden Ob der Anspruch aus §§ 16 III 10 UmwG, 246a IV 1, 319 IV 10, 327e II AktG den Verzicht auf einen effektiven Primärrechtsschutz rechtfertigt, hängt wiederum von der Reichweite der schadensrechtlichen Präventionswirkung ab. Fragt man demgemäß nach dem Schaden i. S. d. §§ 249 ff. BGB, gelangt man auch hier zu der bereits obigen Feststellung,74 dass dem Mitglied durch die Missachtung verfahrensrechtlicher Bestimmungen grundsätzlich kein Vermögensschaden entsteht. Keine abweichende Beurteilung ergibt sich für bewertungsbezogene Informationspflichtverletzungen, da damit zusammenhängende Fehlbewertungen im Spruchverfahren kompensiert werden. Denkbar ist, dass die Verweigerung einer geschuldeten Information das Mitglied von Vermögensdispositionen abhält und daraus ein Schaden entsteht. Unter Berücksichtigung der Beweisanforderungen bei der – in der Sache wohl vergleichbaren – Haftung für fehlerhafte oder unterlassene Ad-hoc-Mitteilungen dürfte das allerdings kaum darlegbar sein.75 Abgesehen davon begründen verfahrensrechtliche Normen vielfach keine Individualrechte des Klägers, sondern nur Minderheitenrechte oder Kollektivrechte des Verbands. Eine Restitutionspflicht wäre hier allenfalls zu seinen Gunsten zu rechtfertigen.76 71
BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 90. Vgl. Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 246a Rn. 29; Heidel in ders. AktG, § 246a Rn. 33. a. A. K. Schmidt, in FG Happ (2006), S. 259, 274. 73 So auch Zöllner, in FS Westermann (2008), S. 1631, 1637. 74 S. § 5 B. IV. 4. b). 75 Vgl. BGH WM 2004, 1731; ZIP 2007, 679 u. 681; ZIP 2007, 1560; näher dazu Sethe, in Assmann/Schneider, WpHG, 5. Aufl., §§ 37b, 37c Rn. 119 ff. 76 Dazu sogleich u. IV. 72
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
Materiell-rechtliche Beschlussmängel bewirken ebenfalls regelmäßig keinen (unmittelbaren) Schaden des einzelnen Mitglieds. So hat ein Sondervorteil zugunsten des herrschenden Gesellschafters häufig keinen damit korrespondierenden – „stoffgleichen“ – Nachteil auf Seiten der Minderheitsaktionäre, sondern einen solchen der Gesellschaft zur Folge. Diese erleiden allenfalls einen mittelbaren Nachteil (Reflexschaden). Zu bedenken ist das insbesondere bei aus steuerlichen Gründen zugunsten des Hauptaktionärs und von diesem durchgeführten Strukturänderungen.77 Damit gilt im Grundsatz das bereits oben Gesagte: Anspruchsinhaberin ist grundsätzlich nur die Gesellschaft. Lediglich beim Squeeze Out und der Eingliederung könnte es sich anders verhalten, wenn man hier von einer Einheit zwischen der Gesellschaft und dem allein verbleibenden materiell-rechtswidrig handelnden Gesellschafter ausgeht.78 Haftungsrechtlich sanktioniert sind dann allerdings nur treuwidrige Schädigungen durch den Hauptaktionär. Sondervorteile i. S. d. § 243 II AktG lässt das Gesetz bei den die Mitgliedschaft der Minderheitsaktionäre beendenden Strukturänderungen dagegen ausdrücklich zu (vgl. §§ 320b II 1, 327f S. 1 AktG). Im Schrifttum sieht man hauptsächlich die im Freigabeverfahren aufgewandten Prozesskosten als Schaden an.79 Bei § 246a AktG hält man einen solchen auch in Form des Verwässerungsschadens bei einer Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts für denkbar,80 wohingegen für den Unternehmensvertrag auf die Ausgleichspflicht (§§ 304, 305 AktG) und ihre Geltendmachung im Spruchverfahren hingewiesen wird.81 Angesichts augenscheinlicher Beweisschwierigkeiten soll dem Kläger eine Schadensschätzung nach §§ 287 ZPO, 738 BGB (analog) zugutekommen. Zusammenfassend bestätigt sich aber auch hier der bereits oben zu § 25 I UmwG getroffene Befund einer weitgehend lückenhaften schadensrechtlichen Prävention des Beschlussrechts im Verband.82 IV. Individual- oder Kollektivanspruch? Wenigstens teilweise anders zu bewerten wäre der vorgenannte Befund, wenn zumindest in den Fällen, bei denen ein Schaden in Betracht kommt, nicht nur der Kläger, sondern die außenstehenden Aktionäre insgesamt anspruchsbe77
Vgl. OLG Düsseldorf AG 2002, 47. So auch Zöllner, in FS Westermann (2008), S. 1631, 1638. 79 Vgl. etwa Göz, in Bürgers/Körber, AktG § 246a Rn. 5; Habersack, in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 319 Rn. 43; Hüffer, AktG, § 246a Rn. 27; Ziemons, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 319 Rn. 44. 80 Vgl. Hüffer, AktG, § 246a Rn. 27; Ihrig/Erwin, BB 2005, 1973, 1977; Koch, ZGR 2006, 769, 799; Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 246a Rn. 30. 81 So zu Recht Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 246a Rn. 30. 82 Grds. krit. auch Hüffer, AktG, § 246a Rn. 27; Spindler, NZG 2005, 825, 830; Veil, AG 2005, 567, 572 f.; M. Winter, in FS Ulmer (2003), S. 699, 719 ff. 78
§ 10 Der Verband als Haftungssubjekt
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rechtigt wären. Damit ist die Frage angesprochen, ob es sich bei §§ 16 III 10 UmwG, 246a IV 1, 319 VI 10, 327e II AktG um ein Instrument des kollektiven Schadensausgleichs handeln könnte. Nur letzterer scheint überhaupt zur Entfaltung einer Präventionswirkung in der Lage, da die Verpflichtung zum Ersatz von Schäden des einzelnen Anfechtungsklägers i. d. R. niemanden von Rechtsverstößen abhalten wird. Die Frage stellt sich namentlich für solche Strukturänderungen, bei denen es an einem primärrechtlichen Ausschluss des Anfechtungsrechts fehlt und kein Spruchverfahren vorgesehen ist, also bei der Freigabe von Umwandlungsbeschlüssen auf Seiten aufnehmender Rechtsträger und bei Kapitalerhöhungen, die gestützt auf § 255 II AktG angefochten werden. 1. Meinungsstand Sowohl die Regierungsbegründung zum UmwBerG wie zum UMAG sprechen im Zusammenhang ausschließlich vom „Individualinteresse“ des Klägers83 bzw. dem „Ersatz der ihm persönlich entstandenen Schäden gegen Nachweis“.84 Beides deutet darauf hin, dass ausschließlich der im Freigabeverfahren unterlegene Kläger anspruchsberechtigt sein soll, eine Annahme die im Abschlussbericht der Regierungskommission Corporate Governance in der Weise Bestätigung findet, dass eine Erstreckung des Schadensersatzanspruchs auf andere von der Strukturmaßnahme betroffene Aktionäre nicht in Betracht komme.85 Die dafür gegebene Begründung lautet: „Wer als Aktionär selbst nicht Klage gegen einen anfechtbaren Beschluss erhebt, sondern ihn hinnimmt, braucht nicht entschädigt zu werden, wenn die Klage eines anderen Aktionärs später erfolgreich ist. Eine Haftung der Gesellschaft gegenüber allen vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionären kommt auch praktisch nicht in Betracht, da die Gesellschaft unter Umständen gar nicht in der Lage sein wird, die als Schadenersatz allein in Frage kommenden eigenen Aktien zu beschaffen. (…) Indes dürften sich aus der Beschränkung des Schadenersatzanspruchs auf den oder die Anfechtungskläger letztlich keine erheblichen Probleme ergeben, da die Gerichte in der Sache im Freigabeverfahren wie im Hauptsacheverfahren in gleichem Sinne entscheiden werden, sich somit üblicherweise keine Abweichungen ergeben werden, und die Frage des Schadenersatzes gemäß § 16 III S. 6 UmwG insoweit kaum einmal praktisch werden dürfte.“
Dagegen wendet sich an vereinzelter Stelle das Schrifttum mit Hinweis auf die institutionelle Funktion der Anfechtungsklage.86 Der Umstand, dass diese als Individualrecht ausgestaltet sei, ändere nichts daran, dass die Anfechtungsklage sowohl Elemente des Individualschutzes als auch institutionelle Merk83
Vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 90. BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 29 (Hervorhebung durch den Verf.). 85 Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 153. 86 Vgl. Winter, in FS Ulmer (2003) S. 699, 717 f.; Zöllner, in FS Westermann (2008), S. 1631, 1638 f. 84
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male aufweise, weil sie sowohl dem subjektiven Interesse des Klägers als auch dem objektiven Interesse der Gesellschaft und der übrigen Beteiligten an der Herstellung einer rechtmäßigen Beschlusslage diene. Die Auffassung der Baums-Kommission laufe auf die These hinaus, mit der zur Bestandskraft führenden Eintragung entfalle zugleich das institutionelle Element der Anfechtungsklage, weswegen der Kläger auf Individualansprüche verwiesen werden könne. Zum anderen sei das Problem durchaus relevant, weil die Gerichte allein aufgrund des unterschiedlichen Prüfungsmaßstabs im Hauptsacheverfahren sehr wohl anders zu entscheiden in der Lage seien als im Freigabeverfahren.87 2. Beschränkung auf die Liquidation von Individualschäden Dass der zuletzt genannte Gesichtspunkt im Abschlussbericht der BaumsKommission („Schadensersatz kaum jemals praktisch relevant“) keinerlei Geltung haben kann und besser unerwähnt geblieben wäre, braucht gewisslich keiner näheren Ausführung. Denn eine Regelung, die „kaum einmal praktisch werden dürfte“ hat im Gesetz nichts zu suchen. Noch bedenklicher ist sie, wenn sie als Verlegenheitslösung dazu dient, die in praxi eintretende Ausgleichslosigkeit von Eingriffen in Mitgliedschaftsrechte zu kaschieren.88 Überdies hat die Wirklichkeit das Gegenteil gezeigt.89 Ein Auftrag des Klägers, nach der Freigabe den kollektiven Schadensausgleich gegen die Gesellschaft zu betreiben, kann der gesetzlichen Regelung gleichwohl dennoch nicht entnommen werden. Der an erster Stelle genannte Hinweis auf den institutionellen Gehalt der Anfechtungsklage ist als solcher zwar richtig, nur lassen sich daraus keine Schlussfolgerungen für einen möglichen Sekundäranspruch ziehen. Denn mit der Anerkennung eines Bestandsschutzes der Strukturänderung entscheidet sich das Gesetz für die Aufgabe des institutionellen Schutzzwecks der Anfechtungsklage. Das allgemeine Interesse an der Rechtmäßigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses tritt hinter dem an der mit der Bestandskraft intendierten Rechtssicherheit zurück.90 Sie lässt sich nicht dadurch unterlaufen, dass die Gesellschaft letztlich doch vollumfänglich in die Pflicht genommen wird. Abgesehen davon stehen für Rechtsverletzungen, die keine Vermögenseinbußen zur Folge haben, auch keine schadensrechtlichen Kategorien zur Verfügung. Ein Kollektivschadensausgleich folgt auch nicht aus der inter omnes-Wirkung des obsiegenden Anfechtungsurteils (§ 248 I AktG), da es sich hierbei lediglich um eine Anordnung der Rechtskrafterstreckung handelt. Die Gestaltungswirkung erfordert 87
Winter, in FS Ulmer (2003) S. 699, 718. In ähnlicher Weise bedenklich die RegBegr. zur Streichung von § 117 VII Nr. 1, BTDrucks. 15/5092, S. 12; dazu sogleich u. C. II 4. 89 Vgl. KG NZG 2010, 462. 90 Zu den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Rechtsnatur der §§ 20 II UmwG pp. u. §§ 11 f. AktG. 88
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ebenso wenig, dass hinsichtlich möglicher Sekundäransprüche einheitlich und aufgrund der Prozessführung des Anfechtungsklägers entschieden wird.91 V. Zwischenergebnis Im Ergebnis bleibt es daher bei der bereits getroffenen Feststellung, dass sich aus den §§ 16 III 10 UmwG, 246a IV 1, 319 IV 10, 327e II AktG lediglich Ansprüche des Klägers und ggf. seiner Streithelfer ergeben. Diese werden jedoch regelmäßig am Fehlen eines Schadens scheitern. Zusammengefasst geht von den genannten Vorschriften daher weder eine Kompensationswirkung für den Verzicht auf anfechtungsrechtlichen Primärrechtsschutz aus noch begründen sie einen Präventionseffekt.
B. Ungeschriebene Haftung wegen der Verletzung von Mitgliedschaftsrechten? Angesichts der Defizite des freigaberechtlichen Schadensersatzanspruchs gelangt man zu der Frage, ob die Restitutionsinteressen der außenstehenden Aktionäre auf andere Weise zu wahren sind. Schwierigkeiten bereitet dabei zunächst die Anspruchsgrundlage. I. Anspruchsgrundlage Das AktG enthält keine ausdrückliche gesetzliche Regelung einer Schadensersatzverpflichtung des Verbands wegen Verletzungen der Mitgliedschaft. Geht man von dem Holzmüller-Grundsatz aus, wonach „jeder Aktionär einen verbandsrechtlichen Anspruch (hat), dass die Gesellschaft seine Mitgliedsrechte achtet und alles unterlässt, was sie über das durch Gesetz und Satzung gedeckte Maß hinaus beeinträchtigt“,92 besteht allerdings eine Sonderverbindung, deren Verletzung im Beschlussverfahren nach § 280 I BGB haftungsbewehrt sein könnte. Dieser Anspruch führt im Kontext von Strukturänderungen für die Gesellschaft zu der Pflicht, dem einzelnen Aktionär eine ungehinderte und sachgemäße Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte zu ermöglichen und alles zu unterlassen, was dieses Recht beeinträchtigen könnte.93 Damit steht zwar zunächst nur fest, dass eine materiell begründete Rechtsverfolgung grundsätzlich nicht daran scheitern darf, dass die dem AktG
91 Das alles besagt freilich nicht, dass es aufgrund von §§ 16 III 6 1. Hs. UmwG pp. keinen Kollektivschadensausgleich in der Weise geben kann, dass der Anfechtungskläger zur Präjudizierung eines gegen den Inferenten/Schädiger gerichteten Schadensersatzanspruchs und der Erzwingung seiner Durchsetzung nach der Freigabe nicht in anderer Form weiter prozessieren kann. Dazu näher u. § 25 C. III. 4. c). 92 BGHZ 83, 122, 133. 93 BGHZ 127, 107, 111.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
eigenen Rechtsbehelfe tatbestandsmäßig versagen.94 Unklar bleibt aber, ob die daraus entstehende Befugnis sich auf ein Abwehrrecht beschränkt oder zugleich Grundlage für Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft bildet. Die Holzmüller-Entscheidung hat das für möglich gehalten, scheint als Sanktion aber eher die Versagung der Entlastung für Vorstand und Aufsichtsrat vor Augen gehabt zu haben.95 Auch die neuere Mangusta/Commerzbank-Rechtsprechung96 hat hierauf Bezug genommen, ohne eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Verbandes zu erwähnen. Und die Schärenkreuzer-Rechtsprechung hält den Verband ebenfalls selbst für einstandspflichtig, mag dies auf der gewählten deliktsrechtlichen Grundlage fragwürdig sein. Auch die gesetzliche Regelung bestätigt in §§ 320b I 6 2. Hs., 327b II 2. Hs. AktG (im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Verzinsung der Barabfindung), dass die Geltendmachung eines „weiteren Schadens“ nicht ausgeschlossen ist. Hierbei handelt es sich nach einhelliger Auffassung im Schrifttum allerdings nicht um eine eigenständige Anspruchsgrundlage, sondern nur die Klarstellung, dass Vorschriften wie die §§ 280 I u. II, 288 BGB durch den Anspruch auf Verzinsung nicht verdrängt werden.97 Der Ersatz eines „weiteren Schadens“ kann danach etwa bei Verzug der Hauptgesellschaft und Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 286 BGB beansprucht werden. II. Regelungsbedürfnis? 1. Vorrangige Kompensationsinstrumente Im Schrifttum wird eine schadensrechtliche Flankierung mitgliedschaftlicher Kompetenzschutzansprüche sowohl für die allgemeine Pflichterfüllung der Gesellschaftsorgane98 wie die der Holzmüller-Doktrin zugrunde liegende „fehlende Satzungsänderung“ angenommen.99 Dem ist zuzustimmen. Zur Annahme eines ungeschriebenen Schadensersatzanspruchs wäre zumindest erforderlich, ein Regelungsbedürfnis dafür darzutun. Ein solches scheint auf den ersten Blick beim Fehlen anderer Ausgleichsansprüche, also namentlich im Rahmen der Kapitalerhöhung bei Unangemessenheit des Ausgabepreises (§ 255 II AktG) und Umwandlungen unter Beteiligung aufnehmender Gesellschaften zu bestehen. Allerdings besteht hier das Recht und die Pflicht der Abwehr des Eingriffs, also gerade kein „Dulde und Liquidire“. Zudem führen Pflichtverletzungen hinsichtlich des unangemessenen Ausgabebe94
Vgl. BGHZ 83, 122, 127. Vgl. BGHZ 83, 122, 126. 96 BGHZ 164, 249, 255 ff.; dazu bereits o. § 7 B. V. u. § 26 C. III. 4. b). 97 Grunewald, in Münchkomm AktG, 2. Aufl., § 320b Rn. 12; Habersack, in Emmerich/ Habersack, GmbH- und Aktienkonzernrecht, 5. Aufl., § 320b Rn. 13; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 320b Rn. 7; Koppensteiner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 320b Rn. 12. 98 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 649. 99 Schwab, Prozeßrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten (2005), S. 36 ff. 95
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trags zuvorderst zu einer Schädigung der Gesellschaft. Die sich daraus ergebende Anteilsentwertung durch übermäßige Verwässerung oder negative Umtauschrelation begründet auf Seiten des Mitglieds nur einen Reflexschaden. Da es widersinnig wäre, die ohnehin geschädigte Gesellschaft noch mit Ansprüchen einzelner Mitglieder zu belasten, vermag hier ein Anspruch auf Schadensersatzleistung des Mitglieds nur zugunsten des Verbandes zu begründen sein.100 Wirtschaftlich sinnvoll kann eine Verantwortung der Gesellschaft nur dann sein, wenn die Mitgliedschaft der Minderheitsaktionäre endet (also bei Squeeze Out und Eingliederung), so dass die Folgen der Restitutionspflicht den allein verbliebenen früheren Mehrheitsaktionär treffen. 2. Schmälerung der Ausgleichsverpflichtung Gerade dafür erscheint eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Verbandes aber wenig plausibel. Denn die mit der Holzmüller-Rechtsprechung angenommene Kompetenzschutzklage sichert die Mitgliedschaft gegen das pflichtwidrige Handeln der Gesellschaftsorgane und nicht der Gesellschaftermehrheit. Denkbar wäre dieser Anspruch lediglich, wo es um die Einflussnahme auf die Gesellschaftsorgane geht und im Spruchverfahren bestehende Lücken zu schließen sind. Anlass, darüber nachzudenken bieten dabei Sachverhalte wie sie teilweise der Rechtsprechung des BGH zum Fortbestand der Anfechtungsbefugnis beim Squeeze Out101 zugrunde lagen. In der Sache geht es dabei um Schädigungshandlungen im Vorfeld einer Strukturänderung, die das Ziel verfolgen, den Unternehmenswert vor dem für das Angemessenheitsurteil maßgeblichen Bewertungsstichtag zu verringern.102 Der BGH lässt die Anfechtung der den Schädigungshandlungen zugrunde liegenden Beschlüssen aber auch nach dem Ausschluss der Aktionäre mit der Erwägung zu, dass sich hieraus für das Spruchverfahren Konsequenzen ergeben.103 Dahinter steht der Gedanke, letzteres von einer eigenständigen Überprüfung der fraglichen Beschlüsse und damit der Schadensersatzpflicht freizuhalten. Unabhängig davon, ob man dem folgt, bleibt Grundlage der den Ausgleich ergänzenden Haftung aber ein Anspruch gegen die Unternehmensleitung (aus §§ 93, 116 AktG, 25 I UmwG) bzw. den beteiligten Gesellschafter (aus § 280 BGB wegen Verletzung der Treupflicht), nicht dagegen gegen den Verband. In der Konse100 Daran ändert sich auch nichts, wenn man zur Begründung des Anspruchs auf den Befolgungsanspruch aus dem Mitgliedschaftsverhältnis verweist. Vgl. dazu Schwab, Prozeßrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten (2005), S. 38 ff. 101 BGH NZG 2007, 26; WM 2011, 1032. 102 Vgl. etwa LG Mainz BB 2004, 1132 f.; Heise/Dreier, BB 2004, 1126, 1128; in ähnlicher Weise wurde bei der Verschmelzung der T-Online auf die Telekom AG seitens der Minderheitsaktionäre behauptet, die Mutter habe den Unternehmenswert der Tochter bewusst negativ dargestellt (vgl. dazu Gutachten von Baums im Fall OLG Frankfurt AG 2006, 249 (nicht veröffentlicht, Bericht in: FAZ v. 5.5.2006, S. 18)). 103 Vgl. BGH NZG 2007, 26; zu Einzelheiten Nietsch, NZG 2007, 451.
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quenz wird man ein Regelungsbedürfnis für einen gegen den Verband zu richtenden ungeschriebenen Schadensersatzanspruch auch wegen möglicher „Vorfeld-Schädigungen“ nicht anerkennen können.
C. Ergebnis Im Ergebnis wird man einen ungeschriebenen Schadensersatzanspruch des Aktionärs gegen den Verband wegen rechtswidriger Eingriffe in die Mitgliedschaft mangels Regelungsbedürfnis im Grundsatz zu verneinen haben. Eine Ausnahme mag dort bestehen, wo es an einer Ausgleichspflicht wertbeeinträchtigender Schädigungen fehlt und die wirtschaftlichen Folgen der Haftung des Verbandes allein den dafür verantwortlichen herrschenden Aktionär treffen. Denkbar ist das bei Squeeze Out und Eingliederung. Wie schon beim freigaberechtlichen Schadensersatzanspruch lässt sich ein Verzicht auf anfechtungsrechtlichen Primärrechtsschutz damit weder mit Hinweis auf wirtschaftliche Kompensation noch einen Präventionseffekt rechtfertigen.
§ 11 Haftung des Hauptaktionärs Neben der Haftung der Gesellschaft und ihrer Organe ist im vorliegenden Zusammenhang die Haftung des herrschenden Aktionärs bzw. der beschlusstragenden Aktionäre in Betracht zu ziehen. Die Ausgangslage erscheint wenig verheißungsvoll: Zum einen sind die Aktionäre im Regelfall nicht Adressaten der beschlussrechtlichen Normativbedingungen. Zu deren Einhaltung sind der Verband und dessen Geschäftsführungs- bzw. Aufsichtsorgane verpflichtet. Zum anderen ist die Haftung für schädigende Einflussnahme auf den Verband zwar nach mehreren Anspruchsgrundlagen denkbar (§§ 117, 317, 309 AktG; 280, 826, 823 II BGB). Die dogmatischen Grundlagen, Voraussetzungen, das Verhältnis der einschlägigen Vorschriften zueinander und ihr individualschützender Charakter ist aber insgesamt wenig geklärt, auch wenn die damit verbundenen Fragen zuletzt wieder in den Blick der Diskussion geraten.104 Eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Mitglieds für die mitverwaltende Tätigkeit durch Stimmrechtsausübung war in Rechtsprechung und Lehre zunächst lange Zeit auch außerhalb jeglicher Vorstellung. „Entdeckt“ wurde sie in den zwanziger Jahren des vergangen Jahrhunderts, und zwar im Zuge der Erfahrungen mit gesellschaftsschädigender Beeinflussung der Verwaltung im Konzern. Gleichwohl entsprach es auch danach noch lange Zeit allgemeiner Auffassung, dass für die Stimmrechtsausübung in der AG al104
Vgl. etwa Voigt, Haftung aus Einfluß auf die Aktiengesellschaft (2004).
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lenfalls eine deliktische Haftung nach § 826 BGB in Frage komme.105 Grund hierfür war die in § 117 VII Nr. 1 AktG a. F. enthaltene Ausschlussregelung, wonach die in Absatz 1 normierte Haftung nicht galt, „wenn das Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats (…) durch Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung zu der schädigenden Handlung bestimmt worden (ist)“. Den daraus gezogenen Umkehrschluss hielt man für zwingend: Wenn schon die Schädigung durch vorsätzliche Verfolgung eines gesellschaftsfremden Sondervorteils nicht zum Schadensersatz verpflichten sollte, dann erst recht nicht jede in ihrer Vorwerfbarkeit darunter liegende Form der Schädigung. Die Zweckmäßigkeit des § 117 VII Nr. 1 AktG a. F. wurde zwar schon damals in Frage gestellt,106 ungeachtet dessen erfolgte aber erst durch das UMAG ihre Streichung. Allerdings hatte sich die Rechtsentwicklung bereits zuvor schon von § 117 AktG gelöst und das Problem in den Bereich der Treupflichtverletzung verlagert. Demgemäß könnte die Haftung aus § 117 AktG heute auch als solche konzipiert werden.107 Die Anerkennung der Treupflicht hat die deliktische Haftung allerdings nicht verdrängt,108 weswegen eine Betrachtung der Haftung für Stimmrechtsausübung bzw. im Kontext mit der Beschlussfassung beide Kategorien zu würdigen sind.
A. Haftung wegen Treupflichtverletzung bei Strukturänderungen Die Grundfragen der Haftung wegen Treupflichtverletzung lauten erstens, ob es bei der AG überhaupt Treupflichten zwischen den Aktionären gibt, die als Sonderverbindung haftungsbegründend wirken können, zweitens, welchen Inhalt diese im Rahmen der Stimmrechtsausübung im Allgemeinen und bei der Organisationsänderung im Besonderen aufweisen, drittens, welcher Verschuldensmaßstab gilt und viertens, ob die übrigen Aktionäre aus einer Verletzung einen kausalen, zu ihren Gunsten liquidationsfähigen Schaden erleiden. I. Anerkennung der Treupflicht zwischen den Aktionären Die lange Zeit stiefmütterliche Würdigung von Treupflichten im Recht der Körperschaften fand ihre Ursache nicht nur in der haftungsausschließenden Regelung des § 117 VII Nr. 1 AktG a. F., sondern vor allem in ihrer fehlenden 105 BGHZ 31, 258, 278; vgl. zur Entwicklung und dem damaligen Meinungstand auch Henze, BB 1996, 489 ff.; Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S. 429 f. 106 Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S. 430 Rn. 31 m. w. N. 107 Vgl. BGH NJW 1992, 3167, 3172; so auch Henze, in FS Kellermann (1991), S. 141, 148; Hüffer, AktG, § 117 Rn. 2; Hommelhoff/Witt, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 117 Rn. 2; a. A. Voigt, Haftung aus Einfluß auf die Aktiengesellschaft (2004), S. 80 f. 108 BGHZ 65, 15; 129, 136, 172 ff.; BGH NJW 1992, 3167.
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Anerkennung als solcher. Da die Treupflicht als Ausdruck eines vom gegenseitigen Vertrauen getragenen Gemeinschaftsverhältnisses angesehen wurde und sie ihren Gehalt auch von diesem empfing, war sie zunächst ausschließlich eine Erscheinung des Personengesellschaftsrechts. Sowohl im Verhältnis der Aktionäre untereinander wie gegenüber der Gesellschaft sah man dagegen zunächst keine Grundlage.109 Dem hatte allerdings schon früh das Reichsgericht in seiner Victoria-Entscheidung die Vorstellung entgegengesetzt, „im Rahmen des Gesamtinteresses auch den berechtigten Belangen der Minderheit Berücksichtigung angedeihen zu lassen und ihre Rechte nicht über Gebühr zu verkürzen“.110 In der Folgezeit setzte sich die Erkenntnis durch, dass das Bild von der „personenbezogenen Arbeitsgemeinschaft“ wegen ihrer regelmäßig personalistischen Struktur vielfach auf die GmbH übertragen werden könne. Dementsprechend erlangte ungeachtet ihrer körperschaftlichen Verfassung zunächst die Treupflicht des Mitglieds gegenüber der Gesellschaft in der Rechtsprechung des BGH Bedeutung,111 bevor sie durch das ITT-Urteil auch im Verhältnis der Gesellschafter untereinander anerkannt wurde.112 Obwohl darin bereits ihre rechtsformübergreifende Geltung angelegt war, verneinte der 2. Zivilsenat zwar im Fall Audi/ NSU für die AG nochmals eine Treupflicht der Aktionäre untereinander.113 Mit der Linotype-Entscheidung gelangte der Gedanke einer vom rechtsformorientierten Denken losgelösten und an der Realstruktur des Verbandes auszurichtenden Anerkennung der Treupflicht aber zur dauerhaften Verfestigung. Die Begründung von Linotype bezieht sich zwar noch ausdrücklich auf die Realstruktur, beruht aber weniger darauf als auf der Bedeutung der Treupflicht. Auch für die AG ist die schon in der ITT-Entscheidung enthaltene Grundaussage entscheidend:114 109 Paradigmatisch sind die Ausführungen von A. Hueck: „Es wäre einen Illusion, eine Treubindung der Aktionäre untereinander anzunehmen, da zwischen ihnen keine unmittelbaren Beziehungen zu bestehen brauchen, weder tatsächlicher noch rechtlicher Natur, ja sie sich oft gegenseitig gar nicht kennen. Aber auch eine Treupflicht des Aktionärs gegenüber der AG ist zu verneinen. Es kann keine Rede davon sein, dass der Aktionär zur aktiven Wahrnehmung der Interessen der AG verpflichtet wäre, wie es eine wirkliche Treupflicht fordern würde. (…) Die Zusammenfassung der nur mit einer Kapitalanlage beteiligten Aktionäre einer AG ist keine echte, keine personenrechtliche Gemeinschaft. Ganz etwas anderes ist es, dass, wenn der Aktionär von seinen Mitverwaltungsrechten, insbesondere von seinem Stimmrecht in der Hauptversammlung Gebrauch macht, für ihn Bindungen bestehen, er namentlich nicht bewusst gesellschaftsfremde Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft und ihrer Aktionäre verfolgen darf. Das verlangen im Grunde schon die guten Sitten, jedenfalls aber Treu und Glauben, dazu bedarf es nicht der Annahme einer besonderen Treuepflicht.“ 110 RGZ 132, 149, 168. 111 Vgl. BGHZ 9, 157, 163; 14, 25, 38. 112 BGHZ 65, 15. 113 BGH JZ 1976, 561, 562; Bestätigung von BGHZ 14, 25, 38. 114 BGHZ 65, 15, 18.
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„Zudem verlangt auch hier insbesondere die für eine Gesellschaftermehrheit bestehende Möglichkeit, durch Einflussnahme auf die Geschäftsführung die gesellschaftsbezogenen Interessen der Mitgesellschafter zu beeinträchtigen als Gegengewicht die gesellschaftsrechtliche Pflicht, auf diese Interessen Rücksicht zu nehmen.“
Der Bezug auf die Realstruktur war schon damals nicht erforderlich, und er ist es heute umso weniger.115 Bestätigt und auch für den Minderheitsgesellschafter festgeschrieben wird die Haftungsrelevanz der Treupflicht bei Stimmabgabe sodann durch die Girmes-Entscheidung,116 nach der jeder Aktionär seine Mitgliedschaftsrechte, insbesondere seine Mitverwaltungs- und Kontrollrechte unter angemessener Berücksichtigung der Gesellschaftsbelange oder der gesellschaftsbezogenen Interessen der anderen Aktionäre auszuüben hat. II. Inhaltliche Konkretisierungen 1. Verbandszweck als Bezugsgegenstand So gesichert die Existenz einer als Treupflicht bezeichneten Sonderverbindung zwischen den Mitgliedern und dem Verband sowie untereinander heute erscheint, so klärungsbedürftig ist ihre inhaltliche Konkretisierung. Grund hierfür ist der im Vergleich zur Personengesellschaft nach wie vor unklare rechtsfunktionelle Anknüpfungspunkt.117 Anders als dort dominiert bei den Körperschaften nicht die mitgliedschaftliche Zweckförderungspflicht,118 sondern die Begrenzung der Mehrheitsmacht.119 Die Rechtsprechung hat sich im Rahmen der Anerkennung der Treupflicht auf einzelne generalisierende Merkmale beschränkt. Dazu heißt es in der ITT-Entscheidung:120 „Unter welchen besonderen Voraussetzung eine Treupflichtverletzung angenommen werden kann, die als Folge einen unmittelbaren Anspruch des davon betroffenen Gesellschafters auf Ausgleich des entstandenen Schadens begründet, ist hier nicht weiter zu erörtern; dies wird davon abhängen, welche satzungsmäßigen Zwecke die GmbH verfolgt, wie sie gesellschaftsintern gestaltet ist und welchen Umfang die Mitgliedschaft 115 Vgl. Röhricht, in Hommelhoff/Hopt/v.Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, S. 513, 523. 116 BGHZ 129, 136. 117 Zurückhaltend ohne die Treupflicht als solche in Frage zu stellen und mit Betonung des funktionellen Gehalts auch G. Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, 21. Aufl. § 30 V 3. 118 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 20 IV 2 d); dafür Henze, BB 1996, 489, 493; Röhricht, in Hommelhoff/Hopt/v.Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, S. 513, 541 f.; K. Schmidt, in GroßKomm AktG, 4. Aufl., § 243 Rn. 50; Windbichler, in: RWSForum Gesellschaftsrecht (1995), S. 24, 25 f.; vgl. zur Unterscheidung auch noch Lutter, AcP 180 (1980), 85, 123 ff. 119 So auch Röhricht, in Hommelhoff/Hopt/v.Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, S. 513, 541. 120 BGHZ 65, 15, 18.
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hat, außerdem aber auch, ob bereits die gesetzlichen und satzungsmäßigen Regelungen den benachteiligten Mitgliedern ausreichenden Rechtsschutz gewähren und den aus einer Treupflichtverletzung abgeleiteten Ansprüchen vorgehen.“
Im Fall sah der BGH die Treuwidrigkeit in der Beeinflussung der Geschäftsführung zur Eingehung einer wirtschaftlich nicht sachgerechten Umlageverpflichtung.121 Das ließ sich im Fall Linotype nicht uneingeschränkt übertragen und wird bei der AG regelmäßig wegen der Weisungsunabhängigkeit des Vorstands (§ 76 AktG) auch nicht ohne weiteres zu begründen sein.122 Eine Treuwidrigkeit erscheint bei der AG daher in erster Linie denkbar, wenn das mit diesem Vorwurf konfrontierte Mitglied zugleich selbst eine Organstellung innehat; ferner bei einer faktischen Einflussnahme auf Organe an der Hauptversammlung vorbei.123 Von der Treuwidrigkeit eines solchen Verhaltens bis zum dahingehenden Vorwurf bei der Stimmrechtsausübung ist es aber ein weiter Weg. Auch die Linotype-Entscheidung beruht nicht darauf, sondern auf dem Verbot von Sondervorteilen (§ 243 II AktG), dessen Verletzung der BGH für möglich hielt, weil dem Kläger und den anderen Minderheitsaktionären die Chance genommen worden war, sich um den Erwerb des vom Beklagten übernommenen Unternehmensteils zu bemühen und das Unternehmen fortzuführen.124 Vorgegeben ist damit nur die grobe Zielrichtung der Treupflicht: Sie fordert vom Mitglied, das ihm jeweils zu Gebote stehende Einflusspotential bei der Ausübung seiner mitgliedschaftlichen Mitverwaltungs- und Mitwirkungsrechte und hier insbesondere sein Stimmgewicht in der Hauptversammlung unter angemessener Rücksichtnahme auf die Belange der Gesellschaft und der in ihr zusammengefassten schutzwürdigen Interessen der anderen Aktionäre einzusetzen.125 Fragt man nach der näheren Ausgestaltung der Treupflicht, so zeigt die Rechtsprechung neben dem Gebot schonender Rechtsausübung nur den Hinweis auf den Verbandszweck. Der Schutz beschränkt sich also nur auf den durch den Gesellschaftsvertrag umschriebenen mitgliedschaftlichen Bereich, nicht aber auf die außergesellschaftlichen Interessen und die nicht in die Gesellschaft eingebrachten Vermögenswerte der Mitgesellschafter. Denn Ent121
So auch schon zur KG BGH NJW 1973, 2198. Zudem übt auch das Aufsichtsratsmitglied seine Tätigkeit frei von Weisungen aus und ist nur dem Gesellschaftsinteresse verpflichtet. Vgl. auch DCGK 5.5.1; ferner Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl., § 10 Rn. 765 ff.; Krieger, in Uwe H. Schneider/ Krieger, HdB Managerhaftung (2007) § 3 Rn. 15 ff.; Uwe H. Schneider/Nietsch, in FS Westermann (2008), S. 1447, 1462. 123 Von Bedeutung ist das derzeit insbesondere für einzelne Investorengruppen, namentlich Hedgefonds und Private Equity Fonds, die zahlreiche Versuche unternehmen, über die Geschäftsleitung auf die Unternehmensstrategie einzuwirken; dazu Uwe H. Schneider/ Anzinger, NZG 2007, 88 ff.; Uwe H. Schneider/Nietsch, in FS Westermann (2008), S. 1447 f. 124 BGHZ 103, 184, 196. 125 Röhricht, in Hommelhoff/Hopt/v.Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, S. 513, 524. 122
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stehungsgrundlage der Mitgliedschaft als solcher ist der Organisationsvertrag, und die hieraus hervorgegangene Satzung bestimmt notwendigerweise die hiermit verbundene Treubindung.126 2. Konkretisierung durch den Beschlussgegenstand als eigennützig oder uneigennützig Im Schrifttum wird zur Bestimmung der Intensität der Treupflicht zwischen eigennützigen und uneigennützigen Mitgliedschaftsrechten unterschieden.127 Uneigennützige Rechte sollen im Interesse der gemeinsamen Zweckverfolgung gegeben sein und einer strikten Bindung an das durch Satzung, Verbandszweck und Unternehmensziel zu konkretisierende Gesellschaftsinteresse unterliegen.128 Bei eigennützigen Rechten sind dagegen nur die Schranken einzuhalten, die sich aus dem Verbot einer willkürlichen oder unverhältnismäßigen Rechtsausübung ergeben.129 Als Beispiele für die Kategorie der uneigennützigen Beschlüsse genannt werden Abstimmungen über Geschäftsführungsangelegenheiten (§ 119 II AktG)130 oder über die Durchführung eines Geschäfts, das durch Satzungsregelung oder Aufsichtsratsbeschluss unter den Vorbehalt der Zustimmung gestellt worden ist und dessen Ausführung der Aufsichtsrat nicht zugestimmt hat (vgl. § 111 IV 2 u. 3 AktG).131 Bei eigennützigen Mitgliedschaftsrechten kann der Aktionär seine Entscheidung – vorbehaltlich der genannten Schranken – dagegen allein nach seinen Interessen ausrichten. Hierzu soll etwa ein Gewinnverwendungsbeschluss zählen, der keine Maßnahmen nach § 58 III AktG anordnet, sondern unter Zugrundelegung des festgestellten Jahresabschlusses über die Gewinnverwendung nach den Vorgaben von Vorstand und Aufsichtsrat zur Abstimmung steht.132 Ferner soll zu den eigennützigen Rechten aber auch die Stimmrechtsausübung bei Strukturmaßnahmen der hier interessierenden Art gehören, da diese den Gesellschaftszweck nicht berühre.133 Man mag der Durchführbarkeit einer solchen Unterscheidung134 und der fehlenden Relevanz des Gesellschaftszwecks für Strukturänderung Zweifel 126 Vgl. BGH ZIP 1992, 1464; Henze, BB 1996, 489, 492; Röhricht, in Hommelhoff/Hopt/ v.Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, S. 513, 525; Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S. 63 ff. 127 Vgl. Henze, BB 1996, 489, 492; A. Hueck, in FS Hübner (1935), S. 72 ff.; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172, 175; Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S. 19 ff. 128 Henze, BB 1996, 489, 492; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 53a Rn. 16; Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S. 19 ff., 95 ff., 121 ff. 129 Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 53a Rn. 16. 130 BGHZ 129, 136, 159. 131 Henze, BB 1996, 489, 493. 132 Vgl. ebda. 133 Henze, BB 1996, 489, 493; Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S. 85 ff., 89 f. 134 So Röhricht, in Hommelhoff/Hopt/v.Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, S. 513, 536.
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entgegenbringen. Der Grundgedanke, den Gehalt der Treupflicht am materiellen Beschlussgegenstand zu bemessen, weist gleichwohl den richtigen Weg.135 Da hierbei der Grundsatz der freien Stimmrechtsausübung136 nicht unterlaufen werden darf, führt das im Ergebnis zu einem hohen Maß an kontrollfreiem Entscheidungsspielraum, der erst dann überschritten ist, wenn das Abstimmungsverhalten willkürlich ist und die Belange des Verbands in einer mit plausiblen Erwägungen nicht mehr nachvollziehbaren Weise verletzt sind. Nur das war auch Gegenstand der Girmes-Entscheidung, die tatrichterlich von der Behauptung abhing, allein das von der Verwaltung zur Abstimmung gestellte Sanierungskonzept habe Erfolg versprechen können, dessen Ablehnung jedoch unausweichlich zur Insolvenz der Gesellschaft führen müssen.137 III. Satzungs- und Strukturänderungsbeschlüsse 1. Grundsatz der zulässigen Verfolgung von Eigeninteressen Die Anerkennung von Treupflichten bei der Stimmrechtsausübung führt nicht dazu, dass sich das Mitglied dabei grundsätzlich von der Rücksichtnahme auf die Minderheit oder den Gesellschaftszweck leiten lassen muss. Es ist in der Würdigung des Beschlussantrags frei und kann in die Stimmrechtsausübung eigene Interessen einfließen lassen. Die Tragweite von Strukturänderungen darf nicht dazu verleiten, für diese anders zu entscheiden. Denn in dem Maße, in welchem Gesetz und Satzung Änderungen des Unternehmensgegenstands, der Verbandskonstitution oder gar der Mitgliedschaft der Mitgesellschafter (also deren Ausschluss) erlauben, hat es die Belange der Beteiligten gegeneinander abgewogen, weshalb aus dem ungeschriebenen Institut der Treupflicht keine gegenteilige Wertung hergeleitet werden darf. Entgegen anderer Einschätzung in der Lehre138 lässt das Gesetz bei Strukturänderungen daher sehr wohl zu, dass Gesellschafter ihre bisherige Pflichtenstellung „an der Garderobe abgeben“ oder diese wechseln. Vom Gesetz vorausgesetzte Legitimationsgrundlage dafür ist regelmäßig allein ein formal ordnungsmäßiger Beschluss, welcher mit der erforderlichen qualifizierten Mehrheit ergeht. Durch beides wird erreicht, dass die Organisationsänderung keiner zusätzlichen Rechtfertigung bedarf, sie diese vielmehr „in sich trägt“.139 Besonders deutlich ist der Verzicht auf eine Treubindung in denjenigen Fällen, in denen das Gesetz die Verfolgung von Sondervorteilen gegen Kompensation sogar ausdrücklich zulässt (§§ 320b II 3, 327f S. 3 AktG). Ist der Unternehmens135
Henze, BB 1996, 489, 493. Vgl. dazu Marsch-Barner, ZHE 157 (1993), 172, 177. 137 BGHZ 129, 136. 138 So aber und mit dieser Formulierung Wiedemann, in FS Barz (1974), S. 561, 569. 139 Vgl. Röhricht, in Hommelhoff/Hopt/v.Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, S. 513, 534; vgl. zum Missbrauch bei der Einpersonengesellschaft Uwe H. Schneider, NZG 2007, 888. 136
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zweck oder die Anteilseignerschaft derart zur Disposition der qualifizierten Mehrheit gestellt, so besteht für die Formulierung eines darauf bezogenen Rücksichtnahmegebots kein Raum. Die Mehrheit darf ihre Eigeninteressen verfolgen.140 2. Subsidiäre Funktionen der Treupflicht Die Treupflicht entfaltet ihre Funktion bei Strukturveränderungen damit nur durch Begrenzungswirkungen, die im Wesentlichen in drei Fällen zur Ergänzung der gesetzlichen Regelungen benötigt werden. a) Beschlüsse über gesetzlich nicht oder anders geregelte Organisationsänderungen Eines durch die Treupflicht zu bildenden Korrektivs der freien Stimmrechtsausübung bedarf es zunächst, wo eine vom Gesetz nicht oder nicht in dieser Weise vorgesehene Maßnahme beschlossen werden soll. Beispiel dafür ist der der Linotype-Entscheidung zugrunde liegende Beschluss – eine übertragende Auflösung und Übernahme des Gesellschaftsvermögens durch den Hauptaktionär, die in ihren Wirkungen weitgehend dem – damals noch nicht geregelten – Ausschluss der Minderheitsaktionäre entspricht. Gelöst hat die Entscheidung das Problem zwar unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs. Der Sache nach hat sie das Interesse des Hauptaktionärs an der Freisetzung des investierten Kapitals dem der Minderheitsaktionäre am Erhalt und Verbleib in der Gesellschaft gegenübergestellt, was letztlich nichts anderes als die mit dem Treupflichtgedanken bezweckte Abwägung der schutzwürdigen Belange und die darauf gestützte Konkretisierung der Rücksichtnahmepflicht beinhaltet. Eine zweite Fallgruppe betrifft Situationen, in denen eine vom Gesetz anerkannte Strukturänderung zweckentfremdet oder dafür vorgesehenen Grenzen umgangen werden, so dass die grundsätzlich in Kauf genommene Benachteiligung der Minderheit über das vorgesehene Maß hinausgeht.141 Ein Beispiel hierfür ist die Umgehung der Beschränkung des Squeeze Out auf die AG. Sie lässt als bedenklich erscheinen, wenn eine GmbH ausschließlich zum Zwecke, die anderen Gesellschafter auszuschließen, in eine AG umgewandelt wird.142 Bereits die Umwandlung kann treuwid140 Ein ähnliches Defizit des Instituts der Treupflichtverletzung als Haftungsgrundlage offenbart sich beim Alleingesellschafter. Auch steht das Gesellschaftsinteresse in der Definitionshoheit des Alleingesellschafters; vgl. etwa Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 8. Aufl., § 30 1 b). Zu den folgenschweren Konsequenzen eines daraus folgenden „dulde und liquidiere“ Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, näher u. § 22 C. 141 Vgl. Grunewald, ZIP 2002, 18, 21; ähnlich Bolte, DB 2001, 2587, 2589; noch weitergehend Lutter, in ders. (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl, § 13 Rn. 39 (Keine Durchsetzung nicht umwandlungsbedingter Veränderungen). 142 So Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 327a Rn. 28; Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1210; Krieger, BB 2002, 53, 61; Grunewald, ZIP
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rig sein, weil sie letztlich der Verwirklichung eines vom Gesetz nicht vorgesehenen Organisationsakts für diese Rechtsform dient. Keinen Fall der Treupflicht bilden Fälle, bei denen das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Strukturänderung zweifelhaft ist. Dazu gehören die derzeit ebenfalls bei Squeeze Out-Fällen zu beobachtenden „strukturierte Mehrheiten“, bei denen die vom Gesetz geforderten 95%-Mehrheit durch Pooling, Übertragungen auf eine eigens für § 327a AktG gegründete Zweckgesellschaft143 oder durch Wertpapierleihe144 hergestellt werden sollen.145 b) Materielle Beschlusskontrolle Eine weitere Funktion der Treupflicht liegt in der Konkretisierung der ausnahmsweise stattfindenden Inhaltskontrolle.146 Eine solche ist für Strukturänderungsbeschlüsse im geltenden Recht jedoch nicht angelegt.147 Für die übertragende Auflösung hat die Rechtsprechung sie ausdrücklich abgelehnt.148 Die Gegenposition, nach welcher die vom Gesetzgeber gewährte Autonomie des Mehrheitsgesellschafters zu Eingriffen in die Mitgliedschaft wegen der treuhänderischen Rolle der Gesellschaft stets eine die Minderheitsinteressen schonende Kompetenzausübung gebietet,149 hat sich nicht durchgesetzt. Eine Aus-
143 2002, 18, 21 f.; Fleischer, ZGR 2002, 757, 787; Withun/Giermann, MDR 2003, 372, 373; ablehnend: Hasselbach, in: KölnKomm AktG § 327a Rn. 56 ff.; a. A. auch Markwardt, BB 2004, 277, 278 ff. 143 Näher zu den Fallgestaltungen Markwardt, BB 2004, 277, 278 ff. 144 So noch OLG München, Beschl. v. 16.11.2005 – 23 W 2384/05; dagegen aber BGHZ 180, 154. 145 Vgl. auch zum Problem der Mehrheitsbeteiligung von 95% nur vorübergehend zum Zwecke der Durchsetzung des Ausschlussverfahrens Hüffer, AktG, § 327a Rn. 12; Habersack, in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 327a Rn. 26; Krieger, DB 2002, 53, 62; Halasz/Kloster, DB 2002, 1253, 1255; Witthuhn/Giermann, MDR 2003, 372 ff. 146 Vgl. Henze, BB 1996, 489, 491; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 53a Rn. 17; a. A. Lutter, AcP 180 (1980), 85, 123; Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S. 351 f.; krit. auch Kort, Bestandsschutz von Strukturveränderungen (1998), S. 65 f. Die Gegenansicht geht von einer zweistufigen Kontrolle aus. Die Treupflicht bildet eine bewegliche Stimmrechtsschranke für die Mehrheitsherrschaft (ebenso wie der Gleichbehandlungsgrundsatz). Die materielle Rechtfertigung, von Lutter als zweite Stufe beschrieben, umfasst eine Überprüfung des Beschlusses unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit, der Eignung und des geringstmöglichen Eingriffs, soweit die Mehrheitsentscheidung nicht nach ihrem Gegenstand vom Gesetz speziell oder allgemein wegen ihres Inhalts freigestellt wird. Richtigerweise handelt es sich trotz dieser Unterscheidung um zwei Seiten derselben Medaille. 147 Henze, BB 1996, 489, 490 f.; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 243 Rn. 26 ff.; Kort, Bestandsschutz von Strukturveränderungen, S. 66; Uwe H. Schneider, in Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 121, 129; zurückhaltend auch Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 356 ff. 148 BGHZ 103, 184. 149 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 7 III 2a) (S. 382 ff.); ders., ZGR 1980, 156 ff; so auch Lutter, AcP 180 (1980), 85, 121 ff., soweit nicht ein spezielles Ausgleichssystem besteht (§§ 304, 305 AktG).
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nahme besteht für die Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss,150 die nur unter gebührender Berücksichtigung der für die ausgeschlossenen Aktionäre eintretenden Folgen durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt ist. Solche Gründe hat die Rechtsprechung angenommen für die Leistung von Sacheinlagen im Sanierungsfall. Ferner hat sie ein sachliches Interesse für den Bezugsrechtsausschluss anerkannt für die Platzierung von Aktien an ausländischen Kapitalmärkten, mit der unter Umsetzung eines wirtschaftsstrategischen Konzepts der Kreis dort ansässiger Privatanleger oder institutioneller Investoren erweitert werden sollte.151 Der Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital und der Ausgabe von Genussscheinen unterliegt nach der Rechtsprechung ebenfalls diesen Kriterien,152 wobei nach der Beseitigung des dagegen gerichteten Primärschutzes der Beschlussanfechtung durch die Entscheidungen Siemens/Nold153 und Mangusta/Commerzbank154 zunehmend unklarer wirkt, was von dem Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung noch übrig bleibt. c) Treuwidriges Verhalten außerhalb der Stimmrechtsausübung Die dritte zentrale Funktion der Treupflicht betrifft nicht den Beschluss der Organisationsmaßnahme als solchen, sondern dessen Rahmenbedingungen. In diesem Kontext sind namentlich drei – eng beieinander liegende – Fallgruppen herauszustellen: Die erste Fallgruppe betrifft Rechtspflichten des Hauptaktionärs bei der Ausübung seiner Organisationsänderungsmacht. Beispielhaft ist die Audi/ NSU-Entscheidung, in der Schadensersatz mit der Begründung gefordert wurde, wegen der mangelnden Bekanntgabe des Erwerbsangebots habe der Anspruchsteller an den dadurch eintretenden Kurssteigerungen nicht teilhaben können. Ein weiteres Beispiel ist die von Linotype unter Treupflichtgesichtspunkten als Rücksichtnahme bezeichnete „Nebenpflicht“, den Minderheitsaktionären die Gesellschaft zum Erwerb anzubieten. Allerdings sind derartige Anforderungen an den herrschenden Aktionär trotz der im Kapitalmarktrecht inzwischen erreichten Regelungsdichte nur schwach konturiert und die Beachtung dessen, was gilt, obliegt den Leitungsorganen und nicht dem herrschenden Gesellschafter. Nur bei einer Beeinflussung durch den Mehrheitsgesellschafter, nicht schon aufgrund seiner „treuhänderischen Stellung“ gegenüber der Minderheit155 erscheint es sachnah, seine Organisationsmacht als begrenzt anzusehen.
150 151 152 153 154 155
BGHZ 71, 40. BGHZ 125, 239. BGHZ 83, 319; 120, 141; 125, 239. BGHZ 136, 129. BGHZ 164, 249. Vgl. Lutter, AcP 180 (1980), 85, 127.
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Damit ist die Zweite und praktisch wohl wichtigste Funktion der Treupflicht angesprochen, an dem ihre Anerkennung intuitu personae durch ITT nicht ohne Grund auch ihren Ausgangspunkt gefunden hat: Die Außerkraftsetzung der gesetzlichen Schutz- und Ausgleichsmechanismen durch Einflussnahme auf die Leitungsorgane. Sie kann zum einen im unmittelbaren Kontext mit der Strukturänderung stehen. Sie kann zum anderen aber auch Vorfeldhandlungen betreffen. Dazu gehören insbesondere die in der forensischen Praxis häufiger erhobenen Vorwürfe eines gesellschaftsschädigenden Verhaltens mit dem Ziel, den als Bemessungsgrundlage für Ausgleichszahlungen heranzuziehenden Unternehmenswert zu verringern. Ein Beispiel hierfür bietet der Fall der Verschmelzung der T-Online AG auf die Deutsche Telekom AG, bei dem vorgetragen wurde, dass die Muttergesellschaft einen konzerninternen Wettbewerb zulasten der T-Online veranlasst und auch durch weitere Vorgaben und Informationen deren Wert vermindert zu haben, um die geplante Verschmelzung zu ihren Gunsten zu gestalten.156 d) Venire contra factum proprium Fraglich ist, ob die Freiheit zu eigennützigen Strukturänderungen auch unter dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium Einschränkungen erfährt. Sie ist insbesondere für die abhängige Publikumsgesellschaft von Bedeutung, bei der mit bestimmten unternehmensstrategischen Aussagen neue Gesellschafter geworben oder diese zu einer Erhöhung ihrer Beteiligung veranlasst worden sind und der herrschende Gesellschafter zeitnah darauf eine Eingliederung, die Verschmelzung oder sogar einen Squeeze Out vornehmen möchte.157 Lutter hat zur Bedeutung des venire contra factum proprium angemerkt, das Mitglied könne eine positive Änderung der Rechtslage zu seinen Gunsten zwar nicht auf allgemeine Loyalitätserwägungen stützen. Anders sei es aber bei einem zusätzlichen Tatbestand des „konkreten Vertrauens in eine von den anderen Mitgliedern bewusst geschaffene Lage, also auf Vertrauen in konzeptionelle, nicht nur beliebige Entscheidungen dieser anderen Mitglieder“.158 Dem ist zuzustimmen. Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ist als übergeordnetes Prinzip in allen rechtsgeschäftlich begründeten Sonderverbindungen angelegt und beeinflusst nicht nur den Inhalt der Leistung, sondern auch die Einwirkungsmacht auf die Rechtsbeziehung als solche. Die an sich 156 Vgl. FAZ v. 4.5.2006, S. 11 zu dem diese Vorwürfe beinhaltenden Gutachten von Baums; ferner FAZ v. 5.5.2006, S. 18; krit. auch Hofmann/Krolop, AG 2005, 866, 873. 157 Anschauung bietet auch hier der Fall der Verschmelzung der T-Online AG auf die Deutsche Telekom AG. So war deren Börsengang seitens der Muttergesellschaft namentlich mit den besseren Wachstumschancen als eigene Gesellschaft und anderen konkreten Aussagen zu deren Umsetzung begründet worden. Die Beteiligung wurde auf 72% des Grundkapitals verringert. Nachdem sich die Erwartungen an die Unternehmensentwicklung weitgehend erfüllten, betrieb die Muttergesellschaft drei Jahre darauf die Verschmelzung der Tochter. 158 Lutter, AcP 180 (1980), 85, 125.
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gegebene Organisationsänderungsgewalt des herrschenden Unternehmens erfährt hierdurch eine Schranke. Wie weit sie reicht, lässt sich nur einzelfallspezifisch feststellen. Auch hier zeigt der Fall T-Online jedoch, dass dies durchaus in Betracht zu ziehen ist.159 IV. Verschulden Fraglich ist, welcher Verschuldensmaßstab für die Haftung wegen treuwidrigem Verhalten bei Strukturänderungen gelten soll. Grundsätzlich müsste der Schuldner angesichts der mitgliedschaftlichen Sonderverbindung für Vorsatz und Fahrlässigkeit einstehen (§ 276 BGB). Nach der – auf § 826 BGB gestützten – Girmes-Rechtsprechung setzt die Haftung wegen Treupflichtverletzung den Vorwurf vorsätzlichen Handelns voraus.160 Auch der Anspruch nach § 117 I AktG ist auf vorsätzliche Schädigungen beschränkt. Für die Treupflichtverletzung bei der Stimmrechtsausübung hat der BGH das unter Hinweis auf diese Vorschrift ebenfalls für geboten erachtet.161 Die Regelung beruhe auf dem Gedanken, eine Haftung für die Stimmrechtsausübung erscheine nicht angemessen, weil es dem Aktionär grundsätzlich nicht versagt sei, sein Stimmrecht zum eigenen Vorteil auszuüben. Die vom Gesetz als Sanktion gegen einen nicht hinnehmbaren Beschluss vorgesehene Anfechtung sei auf den Fall beschränkt, dass ein Aktionär mit der Ausübung des Stimmrechts Sondervorteile zu Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu erlangen suche. Dieses Bestreben setze Vorsatz voraus.162 Eine dahingehende Beschränkung sei zudem erforderlich, um eine weitgehend freie Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung zu gewährleisten. Müsste der Aktionär wegen einer fahrlässig begangenen Treupflichtverletzung Schadensersatzforderungen befürchten, würde er von der Ausübung des Stimmrechts abgeschreckt. Denn häufig sei er kaum in der Lage, komplexe und schwierige Tagesordnungspunkte sachgemäß zu beurteilen.163 Dem wird man – trotz allen die Rechtsnatur des § 117 AktG und sein Verhältnis zur Treupflicht betreffenden Unklarheiten164 – zustimmen müssen, weil das Stimmrechtsausübung sonst durch Haftungsrisiken entwertet werden könnte.165
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Dafür LG Darmstadt AG 2006, 127; a. A. OLG Frankfurt AG 2006, 249. BGHZ 129, 136, 162. 161 Er hat hierbei allerdings auf die – eine Haftung ganz beseitigende – Ausschlussregelung des § 117 VII Nr. 1 abgestellt, vgl. BGHZ 129, 136, 162. 162 BGHZ 129, 136, 162. 163 BGHZ 129, 136, 163. 164 Soeben III. 165 BGHZ 65, 15, 18. 160
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V. Kausaler Schaden Fraglich ist sodann, ob dem Mitglied durch die Verletzung der Treupflicht ein eigener, kausaler Schaden entsteht. Die ITT-Rechtsprechung hat aus der Treubindung der Mitglieder untereinander zwar die Konsequenz eines eigenen Anspruchs gezogen, allerdings nur auf Leistung an die Gesellschaft.166 Das entspricht dem bereits festgestellten Befund, dass der Schaden des Mitglieds meist in der Entwertung seiner Anteile besteht und lediglich mittelbarer Art ist (Reflexschaden). Die Haftung wegen Treupflichtverletzung wird hierdurch zu einem fremdnützigen Institut. Auch nach §§ 117 I 2, 309 IV, 317 I 2 AktG sind Aktionäre nur ersatzberechtigt, wenn sie Schäden erleiden, die ihnen nicht durch die Schädigung der AG zugefügt sind, also nicht für die schon genannten Reflexschäden,167 die aus der Vermittlung durch Wertminderung der Aktien resultieren. Der Schadensausgleich erfolgt insoweit über das Gesellschaftsvermögen. Die Rechtsprechung schränkt die Ersatzfähigkeit des Schadens allerdings dadurch weiter ein, dass er – wenngleich nicht über das Gesellschaftsvermögen auszugleichen – so doch im „gesellschaftsrechtlichen Bereich“ eingetreten sein muss. Das soll sich aus dem auf den Gesellschaftszweck bezogenen Inhalt und dem Schutzzweck der Treupflicht ergeben.168 Eigenständige Bedeutung soll der Treupflicht gegenüber den Gesellschaftern danach nur zukommen, soweit nicht die Interessen der Gesellschaft berührt sind.169 Darüber hinaus erleidet das Mitglied wiederum keinen Schaden, wenn es einen anderweitigen Ausgleich von der Gesellschaft verlangen kann.
B. Haftung wegen schädigender Einflussnahme (§ 117 AktG) Neben der Haftung für Treupflichtverletzungen fragt sich, welche Bedeutung § 117 AktG für die Kompensation fehlerhafter Beschlüsse zukommt. I. Regelungszweck und Rechtsnatur § 117 AktG dient dem Schutz des Gesellschaftsvermögens und der Vermögensinteressen der Aktionäre durch Schadensprävention und Schadensausgleich.170 Regelungsziel ist zudem der Schutz der Integrität des Verwaltungshandelns. Die Rechtsnatur des aus dieser Vorschrift folgenden Anspruchs wird in neuerer Zeit wieder kontrovers diskutiert. Die h. M. sieht ihn nach 166
BGHZ 65, 15, 18; BGHZ 129, 136. Dazu BGHZ 105, 121, 130 f. u. Müller, in FS Kellermann (1991), S. 317 ff. 168 BGH NJW 1992, 3167, 3172. 169 BGH NJW 1992, 3167, 3172 unter Berufung auf Ulmer, Großkomm HGB, 4. Aufl., § 105 Rn. 241. 170 Vgl. BGH NJW 1992, 3167, 3172; Hüffer, AktG, § 117 Rn. 1; Kort, AG 2005, 453; a. A. Voigt, Haftung aus Einfluß auf die Aktiengesellschaft (2004), S. 46. 167
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Entstehungsgeschichte und Textfassung als Tatbestand des Deliktsrechts,171 die Gegenmeinung als „quasi-organschaftlich“.172 An die Einordnung als „Quasi Organ“ knüpft sich einerseits eine erhebliche Erweiterung des von der Haftpflicht potentiell betroffenen Adressatenkreises (dieses können z. B. Kreditinstitute als „Shadow Directors“ sein).173 Andererseits kommt dem Schuldner wegen seiner unternehmerischen Rolle ein Ermessensspielraum zugute. Bewegt er sich innerhalb von dessen Grenzen, verwirklicht sich dadurch lediglich das unternehmerische Risiko, nicht aber das von § 117 AktG sanktionierte Risiko der Fremdbestimmtheit.174 Die h. M. gelangt über das – mit der deliktsrechtlichen Rechtsnatur verbundene – Erfordernis der Rechtswidrigkeit und des Vorsatzes zu – wohl im Ergebnis vielfach ähnlichen – Beschränkungen der Haftung. Innerhalb der Rechtswidrigkeit will sie eine – der Ermittlung des Umfangs der Treubindung nicht unähnliche – Interessenabwägung vornehmen.175 II. Auswirkungen der Streichung von § 117 VII Nr. 1 AktG? Fraglich ist zudem, welche Bedeutung in diesem Zusammenhang die Streichung der Haftungsprivilegierung für Stimmrechtsausübung aus § 117 VII Nr. 1 AktG durch das UMAG hat. Sie hatte zur Folge, dass die Abbedingung von § 117 I AktG für die Stimmrechtsausübung aufgehoben wurde. Wohingegen vorher eine Haftung des Aktionärs praktisch allein aus § 826 BGB zu begründen war, genügt jetzt Vorsatz (ohne Sittenwidrigkeit). Begründet wird sie unter Einbeziehungen der Vorüberlegungen des Schrifttums176 und der Empfehlungen des 63. Deutschen Juristentages sowie der Regierungskommission Corporate Governance177 mit der Erwägung, dass eine Privilegierung für vorsätzliche Schädigungen nicht angezeigt sei. Sie stehe zudem in Widerspruch zu § 317 AktG, der eine vergleichbare Begünstigung des herrschenden Unternehmens nicht enthalte. Ob das damit in der Sache verfolgte Angleichungsbestreben gelungen ist, muss man bezweifeln. Richtigerweise verzichtet § 317 II AktG nicht nur auf den Vorwurf der Sittenwidrigkeit, sondern auch auf andere subjektive Tatbestandsmerkmale. Da es schon bei der Nach171 BGH NJW 1992, 3167, 3172; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 117 Rn. 2; Kropff, in MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 117 Rn. 5; Mertens, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 117 Rn. 9; m. w. N. Kort, AG 2005, 453 f., der aber aufgrund seines Rechtsvergleichs zu dem Ergebnis kommt, alle einheitlichen Begründungsansätze seien defizitär (S. 459). 172 Voigt, Haftung aus Einfluß auf die Aktiengesellschaft (2004), S. 60. 173 Abl. Kort, AG 2005, 453, 459. 174 Voigt, Haftung aus Einfluß auf die Aktiengesellschaft (2004), S. 58 ff. 175 Vgl. Hüffer, AktG, § 117 Rn. 6. 176 Vgl. Mertens, in KölnKomm AktG, 2. Aufl., § 117 Rn. 20; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 8 IV 1 a) (S. 454 f.); Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S. 428; BGHZ 129, 136, 158. 177 Baums, (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 164.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
teilszufügung auf ein Veranlasserbewusstsein nicht ankomme,178 könne auch ein sonstiger Verschuldensvorwurf nicht Voraussetzung für die Haftung sein.179 Demgemäß bestehen mit § 117 AktG – Haftung für Vorsatzschädigung – und § 317 II AktG – Haftung für fehlenden oder nicht rechtzeitigen Nachteilsausgleich – nach wie vor zwei Haftungsregime mit unterschiedlichen subjektiven Erfordernissen nebeneinander, die auch idealkonkurrierend Anwendung finden.180 Abgesehen davon ändert sich durch die Streichung von § 117 VII Nr. 1 AktG auch deswegen wohl nicht viel, weil vorsätzliche Schädigungen regelmäßig als sittenwidrig angesehen werden müssen.181 Einen wesentlichen Unterschied zur Rechtslage gegenüber dem vorher allein einschlägigen § 826 BGB lässt sich nicht ersehen. Die Regierungsbegründung bestätigt diese Vermutung, indem sie die Haftungsschwelle gerade wegen des Vorsatzerfordernisses als „sehr hoch“ bezeichnet, die Norm also augenscheinlich auch weiterhin nur in Ausnahmefällen gelten lassen will.182
C. Haftung wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung bei Strukturänderungen I. Sittenwidrigkeit Neben der erst in der jüngeren Vergangenheit anerkannten Haftung wegen Treupflichtverletzungen steht wie bisher die Haftung aus § 826 BGB. Auch sie war Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Fall Girmes. Dabei wurde die übliche Formel eines Verstoßes „gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“183 wie folgt verwendet:184 „Die Voraussetzung kann als erfüllt angesehen werden, wenn das angewandte, unter anderen Umständen nicht zu beanstandende Mittel im Verhältnis zu dem angestrebten, für sich genommen billigenswerten Zweck unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls außer Verhältnis steht. Das ist der Falle, wenn der angerichtete Schaden außer Verhältnis zu dem erstrebten Nutzen steht oder wenn der durch das Verhalten eingetretene Schaden unausweichlich war, ohne dass sein Eintritt durch ein gerechtfertigtes Interesse gedeckt würde.“
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Dazu Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 311 Rn. 16. Vgl. Habersack, in Emmerich/Habersack, GmbH- und Aktienkonzernrecht, 5. Aufl., § 317 Rn. 5 u. 7; Koppensteiner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 317 Rn. 11 u. 14; a. A. Altmeppen, ZHR 171 (2007), 320, 331 f. 180 Vgl. Hüffer, 8. Aufl., § 117 Rn. 14; Schall, in Spindler/Stilz, AktG, § 117 Rn. 9; a. A. Brüggemeier, AG 1988, 93, 101 f., der § 317 für die lex specialis hält. 181 Vgl. auch BGHZ 129, 136, 172. 182 Vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 12. 183 RGZ 48, 114, 124; BGHZ 17, 327, 332. 184 BGHZ 129, 136, 172. 179
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Diese Definition bezieht sich erkennbar auf den im Fall geprüften Vorwurf der Obstruktion des Minderheitengesellschafters.185 Bei Ablehnung des Sanierungsvorschlages ergab sich eine negative Fortführungsprognose, weil die Gläubiger nicht bereit waren, den vom Beklagten unterbreiteten Sanierungsvorschlag zu akzeptieren. Die Formel passt genauso auf die aus der Treupflicht oder aus § 117 AktG abgeleitete Schrankenwirkung gegenüber der Stimmrechtsmacht. Als Instrumente zur Sanktionierung des Gebrauchs der Strukturänderungsmacht des Mehrheitsgesellschafters sind beide daher gleichermaßen ungeeignet. Auch hier stehen im Übrigen der Grundsatz der legitimen Verfolgung des Eigeninteresses und der daraus folgende Verzicht auf die sachliche Rechtfertigung des Beschlusses im Vordergrund. Wird der Vorwurf der Sittenwidrigkeit auf die bloße Unverhältnismäßigkeit reduziert, so nähert das § 826 BGB in seiner Reichweite der Haftung wegen Treupflichtverletzung oder aus § 117 AktG deutlich an. II. Vorsatz Der Eindruck, wonach der Anwendungsbereich von § 117 AktG der Treuhaftung und § 826 BGB sich weitgehend decken, bestätigt sich auch in Hinblick auf die Definition des Vorsatzes im gegebenen Zusammenhang. So liegt dieser bereits bei einem „bewussten Verschließen“ vor Kenntnis der Tatumstände und -folgen vor, was durchweg anzunehmen sei, wenn diese auf gewissenlosem oder grob fahrlässigem Handeln beruht.186 Demgemäß ließ der Senat im Girmes-Fall nicht gelten, der Beklagte habe die „Hoffnung“ haben können, die von ihm favorisierte Form der Sanierung habe Erfolg haben können. Der – durch den Vorwurf der Sittenwidrigkeit indizierte – Vorsatz sei nur zu verneinen, wenn ausgeschlossen werden könne, dass sich aus Art und Weise des Handelns ein entsprechender Rückschluss ergebe. Damit geht mit der Sittenwidrigkeit regelmäßig die Bejahung des Vorsatzerfordernisses einher. Im Ergebnis führen die genannten Grundsätze – Vorsatzerfordernis für die Treupflichtverletzungen einerseits unter gleichzeitiger Reduzierung des Sittenwidrigkeits-Urteils auf Verhältnismäßigkeitserwägungen mit vorsatzindizierender Wirkung bei § 826 BGB andererseits – dazu, dass die Haftungsvoraus-
185 Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang auch die, die Haftung des Anfechtungsklägers aus § 826 BGB erstmals bejahende, Entscheidung des LG Frankfurt a. M. (AG 2007, 824). Danach nehme das Gesetz die aufgrund der Klage eintretende Verzögerung der Handelsregistereintragung zwar in Kauf, die Sittenwidrigkeit des Handelns folge jedoch aus der Relation des verwendeten Mittels zu dem angestrebten Zweck – hier der Erlangung von Bezugsrechten, auf die der Kläger keinen Anspruch hatte – unter gleichzeitigem Missbrauch einer vom Gesetz eingeräumten Position. Sie führt in dieser Form dazu, dass mit dem Rechtsmissbrauch i. S. d. Kochs/Adler-Entscheidung (BGHZ 107, 296) bei erkennbarem Schadenseintritt regelmäßig die Haftung aus § 826 BGB korrelieren würde. 186 BGHZ 10, 228, 233; 129, 136, 176.
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setzungen weitgehend einander angenähert werden und die Treupflicht weitgehend dem Auffangtatbestand des § 826 BGB entspricht.187 III. Schaden Anders als bei der Haftung wegen Treupflichtverletzung und die §§ 117, 317, 309 AktG kennt der Anspruch aus § 826 BGB keine Beschränkung des Schadens. Das Mitglied kann daher den auf ihn entfallenden Schaden selbst liquidieren.
D. Haftung wegen Schutzgesetzverletzung Bei der Einflussnahme auf Vorstand und Aufsichtsrat kommt neben der Haftung aus §§ 117, 317 AktG, 826 BGB auch eine solche aus Schutzgesetzverletzung in Betracht (insbesondere §§ 823 II BGB i. V. m. 263 StGB und §§ 823 II BGB i. V. m. 399 I Nr. 4 AktG).188
E. Bewertung der Kompensations- und Präventionswirkung der Haftung für treuwidrige Stimmrechtsausübung und Einflussnahme Bewertet man die vorstehenden Feststellungen, so ergibt sich, dass Eingriffe in die Mitgliedschaft immerhin dem Grunde nach durch Schadensersatzansprüche gegen den die Strukturänderung betreibenden Hauptaktionär ausgeglichen und offene Flanken des Ausgleichssystems geschlossen werden können. Die Anerkennung der Treupflicht führt zwar nur zu einer relativ geringfügigen Begrenzung der Stimmrechtsmacht, leistet aber notwendige Flankierungen, wo die gesetzlichen Ausgleichsregelungen versagen, weil sie an typisierte Bewertungen anknüpfen oder die beschlossene Maßnahme als solche ihre Rechtfertigung nicht „in sich trägt“. Zudem trifft die Haftung den Verursacher und führt nicht – wie der freigaberechtliche Schadensersatzanspruch – zu einer Sozialisierung der Schadensfolgen im Verband. Dass ein Schadensersatzanspruch wegen treuwidrigen Handelns die beschlussrechtliche Abwehrklage nicht zu substituieren vermag und an ihre Präventionswirkung nicht herankommt, beruht auf den zusätzlichen Voraussetzungen, die eine haftungsrechtliche Lösung aufstellt: Das betrifft zum einen das Erfordernis des kausalen Schadens, zum anderen seine Darlegung. Hohe Anforderungen bestehen auch mit dem Vorsatz als Verschuldensmaßstab. Auch die ergänzenden Haftungstatbestände der §§ 117 AktG, 826 BGB schaffen hier keine Erleichterung. Denn auch bei ihnen gilt, die Stimmrechtsausübung nicht durch eine Haftung für bloße Fahrlässigkeit zu beeinträchtigen. 187 So im Ergebnis auch schon BGHZ 129, 136, 164; vgl. ferner BegrRegE, BT-Drucks. 15/ 5092, S. 12. 188 BGH NJW 1992, 3167, 3172 f.
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F. Zusammenfassende Würdigung 1. Die vorliegende Betrachtung hat gezeigt, dass die schadensrechtliche Dogmatik der Mitgliedschaft nur wenig verfestigt und nach wie vor durch Einflüsse des Deliktsrechts geprägt ist. 2. Eingriffe in die Mitgliedschaft durch Organe führen i. d. R. nur zu deren Verantwortlichkeit gegenüber dem Verband, nicht aber einer unmittelbaren Außenhaftung gegenüber dem Mitglied oder den Gläubigern. Die davon abweichende Ausnahmevorschrift des § 25 I UmwG ist nach bisheriger Auffassung eng auszulegen. 3. Die Verantwortlichkeit des Verbands gegenüber dem Mitglied ist konzeptionell nur als Kompetenzschutzklage grundsätzlich anerkannt, begründet jedoch keine Schadensersatzverpflichtung. Zudem vollziehen sich Eingriffe in die Mitgliedschaft – soweit überhaupt vermögensrelevant – teilweise in Form von nicht kompensationsfähigen Selbstschädigungen des Verbandes. Daher ist er als Ausgleichsträger ungeeignet, sofern er nach dem Eingriff nicht ausnahmsweise nur noch als wirtschaftliche Einheit mit dem Schädiger anzusehen ist. Die freigaberechtlichen Haftungsnormen der §§ 16 III 10 UmwG, 246a IV, 319 VI 10, 327e II AktG erweisen sich insoweit systematisch wenig abgesichert und führen dazu, das eine Sozialisierung des Schadens stattfindet, ohne einen etwaigen Vermögensgewinn beim herrschenden Aktionär abzuschöpfen. Wirtschaftlich tragbar ist er ohnehin nur dadurch, dass ihm eine kollektive Geltung zugunsten des nicht klagenden Aktionariats verweigert wird, was aber beim Ausschluss eines institutionellen Rechts wie der Beschlussmängelklage zweifelhaft ist. 4. Eine damit an sich naheliegende Haftung des die Schädigungshandlung verursachenden Mitglieds schließlich ist durch den Schadensausgleich zugunsten des Verbands überlagert. Sie unterliegt tatbestandlich engen Grenzen, wozu namentlich das Vorsatzerfordernis zu zählen ist. Eine Loslösung von diesem Konzept erscheint kaum denkbar, da die mit der Strukturänderungsmacht legitimierte unternehmerische Initiative des Hauptaktionärs anderenfalls durch kaum abzusehende Haftungsrisiken belastet würde. 5. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass das Konzept einer Verweisung des Klägers vom Beschlussmängelstreit in den Schadensersatzprozess, wie es sowohl in den Materialien als auch in der Rechtsprechung vertreten wird, eine nur schwach gesicherte Grundlage aufweist, die umso fragiler wirkt, als der Ausgleich im Spruchverfahren nicht für alle Beschlussarten zur Verfügung steht, bestimmte Wertminderungen im Vorfeld des Bewertungsstichtags nicht erfasst werden und das Spruchverfahren auch nach seiner Neuordnung eine Dauer beansprucht, welche die notwendige Verfügbarkeit des freizusetzenden Kapitals der außenstehenden Aktionäre in angemessener Zeit kaum gewährleistet.
5. Abschnitt
Zusammenfassung § 12 Schlussfolgerungen und weiterer Gang der Untersuchung Nach Meinung der Entwurfsverfasser des UMAG handelt es sich bei der Freigaberegelung um ein „bewährtes“ Verfahren.1 Bewährt hat es sich zumindest insoweit, als es zu einem deutlichen Rückgang der im vergangenen Jahrzehnt angestiegenen Zahl von Anfechtungsklagen mit zweifelhaftem Hintergrund beigetragen hat.2 Das gebietet immerhin Zweifel an seiner Praxistauglichkeit zur Bekämpfung „räuberischer Klagen“ Einhalt.3 Fragt man dagegen nach der rechtssystematischen Überzeugungskraft der Konzeption, ergeben sich angesichts der damit verbundenen Einschnitte in das System der Beschlusskontrolle und die sich beim bisherigen Verständnis ergebenden Widersprüche erhebliche Bedenken.
A. Rechtstatsächlicher Befund: Verdrängung der Hauptsache Zu den Unzuträglichkeiten gehört aus tatsächlicher Sicht zunächst das immer wieder gezeichnete Bild des Freigabeverfahrens als einer Art „Beigabe“ oder „Nebenverfahren“ des Beschlussmängelverfahrens ( Stichwort: „Reines Eintragungsverfahren“).4 Aus der Perspektive der HypothekenbankschwesternEntscheidung5 war es sicherlich noch richtig. Der Freigabe waren enge Grenzen gesteckt, was der Maxime entsprach, dass „nach menschlichem Ermessen eine abweichende Würdigung durch das Prozessgericht ausgeschlossen erscheint und die spätere Klageabweisung zweifelsfrei feststeht“6 und mit der 1
Vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 2; vgl. auch Noack, ZHR 164 (2000), 278, der dem umwandlungsrechtlichen Verfahren eine „insgesamt gelungene“ Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten attestiert. 2 Sie hat sich im Zeitraum von 2008 bis 2011 halbiert; vgl. Bayer, Studie zur Auswirkung der Zuweisung der erstinstanzlichen Zuständigkeit im Freigabeverfahren an die Oberlandesgerichte (Studie im Auftrag des BMJ), S. 21. 3 Dagegen aber noch Niemeyer, ZIP 2008, 1148. 4 Vgl. Zöllner, in FS Westermann (2008), S. 1631, 1632, der damit aber wohl nicht den IstZustand meint, sondern zum Ausdruck bringen will, was das Freigabeverfahren sein sollte. 5 BGHZ 112, 9, 25. 6 BGHZ 112, 9, 24.
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dazu „gebotene(n) zurückhaltende(n) Betrachtung“ sowohl entscheidungserhebliche Rechtsansichten wie Tatsachen betraf. Zudem ging es nur um die Eintragung der Strukturänderung. Stellt man dem den derzeitigen Ist-Zustand gegenüber, kann von Zurückhaltung keine Rede mehr sein. Die Gerichte verlassen schon im Freigabeverfahren den gesicherten Bereich höchstrichterlich geklärter Fragen und gesicherter tatsächlicher Feststellungen und nehmen bereits dort eine letztlich abschließende Bewertung der Anfechtungsklage vor. An die Stelle richterlicher Selbstbeschränkung im Eilverfahren ist ein Selbstverständnis der richterlichen Aufgabe der Streitentscheidung getreten, welches unverkennbar zum Ziel hat, die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen zu wahren.7 Dies führt in der Konsequenz zu einer Vorverlagerung der Beschlusskontrolle vom Haupt- in das Freigabeverfahren. Eine Fortsetzung in der Hauptsache findet regelmäßig nicht mehr statt. Das Verfahren endet üblicherweise durch Klagerücknahme (§ 269 ZPO) oder Erledigungserklärung (§ 91 ZPO),8 was aus Sicht der Kläger nur allzu nachvollziehbar ist: Die Aussichten für einen Erfolg in der Hauptsache haben sich bei lebensnaher Betrachtung nahe Null reduziert,9 eine „Kassation“ des Beschlusses geht bei einem dauerhaften Bestandsschutz ins Leere und Schadensersatzansprüche, deren Durchsetzung von der Präjudizwirkung profitieren könnte, bestehen regelmäßig nicht.
B. Legitimation der Freigabeentscheidung Findet damit die „Schlacht im Freigabeverfahren statt“10 und ist dies angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Eintragung für die Gesellschaft bei den hier vorliegenden Maßnahmen prinzipiell geboten, so gibt es daran nichts zu beanstanden, sofern die Entscheidung in gleicher oder doch zumindest ähnlicher Weise eine Richtigkeitsgewähr wie im Hauptverfahren beanspruchen kann. Nur dann kann sie im Ausgangspunkt als hinreichend legitimiert gelten, da anderenfalls eine verfahrensrechtliche Preisgabe materieller Rechts7
Vgl. zu beiden Gesichtspunkten OLG Hamburg AG 2003, 696; Veil, AG 2005, 567, 573. Vgl. OLG Stuttgart AG 2004, 217 u. KG NZG 2010, 462 als bislang einzig veröffentlichte Fälle, in denen das Verfahren in der Hauptsache anhängig blieb. 9 Zwar präjudiziert die Unbedenklichkeitsfeststellung das Hauptverfahren nicht formell, zu berücksichtigen ist jedoch, dass die im Freigabeverfahren eingenommene Position zumindest in Rechtsfragen fortwirkt. Eine Ausstrahlungswirkung besteht aber auch in Tatsachenfragen. Hier lassen sich nach der Durchführung einer Beweisaufnahme in der Hauptsache zwar gegenteilige Feststellung noch gesichtswahrend treffen. Die Bereitschaft hierzu ist jedoch erfahrungsgemäß beschränkt und eine indiziell negative Wirkung des Vorabentscheidungsverfahrens wirkt sich hier auch deshalb besonders nachteilig aus, weil die in der Hauptsache verbleibende Revision zum BGH allein eine Überprüfung der rechtlichen Feststellungen erlaubt. Faktisch handelt es sich damit auch bei den Tatsachenfeststellungen um eine Letztentscheidung im Freigabeverfahren. 10 So Hoffmann-Becking auf verschiedenen Veranstaltungen. 8
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
positionen erfolgt. Diese Funktion nehmen die Freigabegründe nach bisherigem Verständnis aber nur unzureichend wahr. I. Rechtmäßigkeit des Beschlusses Um eine vergleichbare Richtigkeitsgewähr wie der Beschlussmangelprozess in der Hauptsache zu bieten, muss die Freigabe an die Erfolgsaussichten der Klage anknüpfen. Damit steht die Frage nach der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Beschlusses im Mittelpunkt. Denn nur insoweit lässt sich der schon von BGHZ 112, 9 angestrebte Entscheidungsgleichklang darstellen.11 1. Prüfungsmaßstab der offensichtlichen Unbegründetheit und verfahrensrechtliche Absicherung Der Freigabegrund der offensichtlichen Unbegründetheit trägt dem Bedürfnis nach materieller Richtigkeitsgewähr zwar Rechnung, doch geschieht das nur eingeschränkt. Ausgehend vom allgemeinen Wortsinn dürften gemäß der auch ursprünglich in Rechtsprechung und Lehre praktizierten Form an den Erkenntnisvorgang keine gesteigerten Anforderungen gestellt werden. Das erscheint in Hinblick auf das prozessrechtliche Prinzip, wonach die Abkürzung von Verfahren regelmäßig nur bei Evidenz gerechtfertigt ist, durchaus plausibel, begünstigt aber recht pauschal den Kläger und verträgt sich aber nicht mit dem Verständnis des Freigabeverfahrens als der Regelentscheidung. Der Versuch der h. M., sich über das Offensichtlichkeitskriterium damit hinwegzusetzen, es käme nicht auf die Erkennbarkeit, sondern das Maß der richterlichen Überzeugung von den fehlenden Erfolgsaussichten der Klage an, ist nachvollziehbar und im Kern richtig. Bezweifelt werden muss aber, ob sich die für eine den Instanzenzug übergreifende Bewertung der Erfolgsaussichten der Klage notwendige Prüfungstiefe mit dem Verständnis als Eilverfahren verträgt und verfahrensrechtlich überhaupt vorgesehen ist. So besteht für tatsächliche Feststellungen gegenüber der Hauptsache zunächst das Problem, dass entscheidungserhebliche Tatsachen nur glaubhaft zu machen sind (§§ 16 III 5 UmwG, 246a III 2, 319 VI 5, 327e II AktG) und ein niedriges Beweismaß besteht. Denn die Glaubhaftmachung erstrebt die Begründung eines geringen Grades von Wahrscheinlichkeit, stellt gegenüber dem Regelbeweis also eine Abschwächung dar.12 Andererseits ergeben sich aus dem Prinzip der Glaubhaftmachung drei – der richterlichen Erkenntnisfindung Grenzen setzende – Mindestvorgaben: Erstens die Beachtung der für den materiell geltend gemachten Anspruch maßgeblichen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislastverteilung. Zweitens die Bindung an den Strengbeweis. Und Drittens die Beschränkung auf präsente Beweismittel. Diese Vorgaben bleiben im Freigabeverfahren 11
BGHZ 112, 9, 24. Vgl. Prütting, in MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 294 Rn. 24; Leipold, in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 294 Rn. 7. 12
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nicht ohne Auswirkung: Die Beibringungslast unterscheidet sich – zumindest nach allgemeinen Grundsätzen – gegenüber der Hauptsache dadurch, dass hier die Gesellschaft die Unbegründetheit der Rügen dartun muss und nicht der Kläger deren Begründetheit. Es gilt die Verhandlungsmaxime, was dazu führt, dass eine mögliche Nichterweislichkeit zu Lasten der beweisbelasteten Partei geht und im Eilverfahren nicht ohne Weiteres überwunden werden kann (was schon deswegen Beachtung verdient, weil das Unbedenklichkeitsverfahren vielfach als besonderes Eintragungsverfahren angesehen wird und damit nicht der streitigen, sondern der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzurechnen wäre). Die Beschränkung auf präsente Beweismittel führt dazu, dass Erkenntnisquellen nicht vollständig ausgenutzt werden können, was theoretisch zu Lasten beider Parteien gehen kann, sich in der Praxis aber bislang eher zum Nachteil der Kläger auswirkt.13 Für Rechtsfragen ergibt sich ein Problem daraus, dass man die von der herrschenden Meinung selbstgesteckten Erwartung instanzenübergreifenden Bestands nur dann erfüllen kann, wenn eine abweichende Beurteilung auch in der Revisionsinstanz ausgeschlossen ist. Mit Sicherheit prognostizieren kann man das nur, wenn man es mit einer unvertretbaren Position zu tun hat. Das würde auf den Standpunkt der Hypothekenbankschwestern-Rechtsprechung zurückführen und widerstrebt der Praxis. 2. Aufweichungen durch die Praxis Die nunmehr im Vordringen befindlichen Formeln zum Begriffsinhalt der offensichtlichen Unbegründetheit weichen von dem Maßstab der Evidenz ab, verfehlen aber in der überwiegenden Mehrzahl das selbstgesteckte Ziel, die mangelnden Erfolgsaussichten der Klage mit hoher Sicherheit vorauszusagen. Aus diesem Grund kommen die wenigsten Freigabebeschlüsse mit dem Freigabegrund der offensichtlichen Unbegründetheit aus und greifen auf die Interessenabwägung zurück. Angesichts der dort bestehenden Unklarheiten findet sich hier aber lediglich eine – vom Zwang zur Beachtung verfahrensrechtlicher Regeln ersichtlich – befreite Fortsetzung der materiell-rechtlichen Prüfung statt. Dass es mit der Qualität solcher Entscheidungen nicht zum Besten steht, kann wenig überraschen. Es kommt zur Verkennung der Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast14 und mannigfaltigen Widersprüchen.15 Von einer Waffengleichheit der Parteien kann zudem dort keine Rede sein, wo 13 Vgl. OLG Hamm AG 2011, 624, wo die naheliegende Vernehmung des Abschlussprüfers wegen Widersprüchen im Streitstoff unter Hinweis auf § 294 II ZPO und den Charakter des Freigabeverfahrens als Eilverfahren abgelehnt wird. 14 Abzulesen an Entscheidungen wie etwa OLG AG 2003, 456, 458, bei der die Freigabe nicht, wie vom Gesetz gefordert, darauf gestützt wird, dass die offensichtliche Unbegründetheit festgestellt wird, sondern – umgekehrt – sich ihr Erfolg nicht sicher vorhersagen lässt. 15 Hier ist exemplarisch erneut auf das OLG Düsseldorf (ZIP 1999, 793, 797) zu verweisen, welches die Unbegründetheit der Informationspflichtverletzung in der Sachprüfung verneint, in der Interessenabwägung aber – aufgrund freier Würdigung – zum Ergebnis kommt, sie sei nicht hinreichend dargelegt worden.
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im Tatbestand aufgrund Versicherung an Eides statt (§ 294 I ZPO) die Behauptungen der Gesellschaft zugrunde gelegt, dem Antragsteller der Gegenbeweis unter Hinweis auf mangelnde Präsenz der Beweismittel aber abgeschnitten wird.16 Zudem zeigt die Rechtsprechung die Gefahr, durch rechtspolitische Leerformeln in juristisches Niemandsland vorzustoßen. Dazu gehören nicht nur Gemeinplätze wie die Betonung der „Streitentscheidung als richterlicher Aufgabe“,17 sondern auch Missachtungen grundlegender verbandsrechtlicher Bestimmungen. Wo etwa die Freigabe damit gerechtfertigt wird, die Gesellschaft könne sich sonst als Großunternehmen über Jahre hinweg nicht so strukturieren, „wie es die Unternehmensleitung für erforderlich hält“18 und anderenfalls „die Kompetenzordnung im Unternehmen durch die Klage auf Jahre hinaus auf den Kopf gestellt würde“19 wird schnell deutlich, dass die Zuständigkeit der Hauptversammlung bei Strukturveränderungen, wenn nicht sogar verkannt, so jedenfalls als sekundär begriffen wird. Im Ergebnis wird letztlich losgelöst von materiellen Rechtmäßigkeitsanforderungen entschieden. An die Stelle des Rechts tritt Billigkeit, deren Beliebigkeit umso mehr irritiert, als mit nichtssagenden Floskeln eine Auseinandersetzung mit den keinesfalls immer aus der Luft gegriffenen, teilweise sorgfältig unterlegten Rügen, in der Sache vermieden wird.20 Die Implikationen dieses Umgangs mit der Klage gehen allerdings über den Einzelfall hinaus und führen neben einem Verlust an Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit auch zu einer unerfreulichen Diskrepanz innerhalb der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung. Würdigt man die vorliegenden Entscheidungen in einer Gesamtschau, kann man ein deutliches „Nord-Süd-Gefälle“ ausmachen: Wohingegen auf Seiten der OLG Hamburg, Hamm und dem KG erkennbar danach gesucht wird, mit allen Mitteln zur Freigabe zu gelangen, ist beim OLG Frankfurt senatsabhängig eine differenzierteres Bild zu verzeichnen. Den Entscheidungen des OLG München ist am ehesten das Bestreben zu entnehmen, die mit der Klage erhobenen Beschlussrügen umfassend zu bescheiden. Kaum verwunderlich kommt hier eine Zurückweisung des Freigabeantrags vergleichsweise häufig vor. II. Abwägungsklausel Die vorstehend genannten Mängel bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses können freilich dahinstehen, wenn es überhaupt nicht darauf ankommt. Diese Frage stellt sich wegen der sog. Abwägungsklausel als dem 16
Vgl. dazu nochmals OLG Hamm 2011, 624. 626. Vgl. OLG Hamburg AG 2003, 696. 18 OLG Frankfurt a. M. AG 2006, 249, 257. 19 Vgl. OLG Frankfurt a. M. AG 2006, 249, 258. 20 Mit diesem Eindruck wohl auch Zöllner, in FS Westermann (2008), S. 1631, 1643: „platte Interessenabwägung“. 17
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Hauptproblem der Freigabegrundlagen. Auch sie vermag nach bisheriger Lesart aber keine hinreichende Legitimationswirkung zu erzeugen. 1. Funktion Wie gesehen formulieren die Materialien als gesetzgeberisches Ziel der Klausel eine „umfassende Abwägung aller durch die Anfechtungsklage berührten Interessen“.21 Dazu zählen sie einerseits die Nachteile einer klagebedingten Verzögerung der Eintragung. Andererseits sollen aber nicht nur diese in die Abwägung einzubeziehen sein, sondern „auch die Nachteile, die der Gesellschaft bei einem Erfolg der Anfechtungsklage entstehen“.22 Eine Berücksichtigung allein der durch die Verzögerung entstehenden Schäden verfehle den Zweck der Regelung. Sie solle dem Gericht die Möglichkeit geben, die Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses auch dann freizugeben, wenn der Hauptversammlungsbeschluss unterstelltermaßen rechtswidrig ist und damit im Anfechtungsverfahren für nichtig zu erklären wäre. Die Abwägungsklausel gleiche im Freigabeverfahren den Umstand aus, dass im Anfechtungsverfahren eine Abwägung des Schadens der Gesellschaft und der übrigen Anteilseigner gegen die Schwere der Rechtsverletzung nicht stattfinde. Dieses absolute „Entweder/Oder“ des Anfechtungsverfahrens solle nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Abwägungsklausel gemildert werden.23 Ein solches Regelungsverständnis geht weit über die Bedeutung von Abwägungen in anderen Eilverfahren hinaus und erscheint in jeder Hinsicht bemerkenswert: Der Richter der Freigabeentscheidung soll darüber befinden, ob das „an sich“ geltende Recht wegen damit verbundener Nachteile für eine Partei nicht anzuwenden ist. Folgt man dem, führt das zu einer Änderung des materiellen Rechts der Beschlusskontrolle in einem die Hauptsache überholenden Sonderverfahren.24 Da die Abwägung kaum zugunsten des einzelnen Klägers ausfallen kann, nur dessen Interessen aber nach vorgegebenem Regelungsverständnis (isoliert) zu betrachten ist, verliert die Anfechtungsklage den Charakter eines kollektiven Rechtsschutzinstruments. Ihr Versagen als Kontrollinstrument wird bewusst in Kauf genommen. Im Verhältnis von unterschiedlichen materiell-rechtlichen Maßstäben für Hauptsache und Eilverfahren liegt allerdings nicht der einzige Widerspruch. Behält man den Zusammenhang zwischen Freigabe und Eintragungsverfahren im Auge, so versagt auch die darin enthaltene (hier auf das Prozessgericht verlagerte) Kontrollfunktion des Registerverfahrens. Verfassungsrechtlich ist eine solche Eingriffsbefugnis des 21
BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 29. Ebda. 23 Vgl. Schütz, BB 2004, 419, 424. 24 Vgl. auch schon Bork, in Lutter (Hrsg.) Kölner Umwandlungsrechtstage (1995), S. 271; Zöllner, in FS Westermann (2008), S. 1631, 1643; einschränkend Winter, in FS Ulmer (2003), S. 699, 516 (Relativierung der Anfechtungsgründe). 22
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Freigabegerichts mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip und die durch Art. 14 GG garantierten Elemente der Mitgliedschaft gleichfalls nicht unbedenklich. Zu berücksichtigen ist ferner, dass im Bereich der Kapitalmaßnahmen und Verschmelzungsbeschlüsse effektiver Rechtsschutz zugleich durch europäisches Richtlinienrecht verbürgt ist. Der durch das ARUG eingefügt Vorbehalt, wonach die Freigabe bei besonders schwerwiegender Rechtsverletzung unterbleiben soll, verschafft gegenüber diesen Bedenken kaum Linderung. Die dafür angeführten Beispiele sind abenteuerlich, lebensfremd und werfen eine differenzierte Beschlussrechtsdogmatik weit zurück.25 Paradigmatisch und geradezu als anmaßend zu bezeichnen sind Sätze der Entwurfstexter, wie etwa die, wonach Nichtigkeitsgründen kein Indiz für eine besonders schwere Rechtsverletzung entnommen werden dürfe, weil sonst „zweifelhaften Wertungen ohne explizite Anordnung perpetuiert würden“.26 2. Abwägungsmethode Unabhängig der vorgenannten Fundamentalkritik erweist sich die Abwägungsklausel in ihrem derzeitigen Gewand auch als intrikate Regelung. Wiederum sind die Vorstellungen dazu von der Abwägungstechnik im einstweiligen Rechtsschutz so weit entfernt, dass es Schwierigkeiten bereitet, gemeinsame Grundlinien zu erarbeiten. Das gilt bereits für den eigentümlich anmutenden Ausgangspunkt, wonach die Begründetheit der Klage für die Abwägung zu unterstellen ist,27 betrifft den Kreis der Abwägungsbestandteile so wie den fadenscheinigen Hinweis auf nicht bestehende schadensrechtliche Kompensation und gipfelt in der (Dis-)Qualifizierung von Rechtsverletzungen als geringfügig. Als besonders gewunden darf man die Anweisungen zur isolierten Gewichtung der Klägerposition unter Außerachtlassen des finanziellen Effekts für die nicht anfechtenden Aktionäre und die Gesellschaft ansehen, zumal dieser Verengung auf der einen Seite die breitflächige Einbeziehung auch gesellschaftsfremder Drittinteressen (!) als Vollzugsgrund gegenübersteht. So verstanden liegt keine Abwägungsklausel, sondern eine „Soll“Vorschrift vor, nach der grundsätzlich freizugeben ist. Der genannte Befund muss nicht nur aus Gerechtigkeitserwägungen aufstoßen. Er führt auch zu einer kaum zu lösenden Perplexität innerhalb der Freigabegründe selbst. Denn wenn das Offensichtlichkeitskriterium den Kläger schützt (Gleiches gilt für die Unterstellung der Begründetheit der Klage zu 25 Wie stets mit deutlichen Worten Zöllner, in FS Westermann (2008), S. 1631, 1642 ff.: „skandalös“, „blanke Täuschung des Rechtspublikums“, „legislatives Unrecht“, „Verletzung elementarer Prinzipien sachlicher Wertung“. 26 Vgl. Florstedt, AG 2009, 465, 471; zust. Enders/Ruttmann, ZIP 2010, 2280, 2281; wenig hilfreich insoweit sicherlich auch die Vorschläge des Arbeitskreises Beschlussmängelrecht, AG 2009, 617, 620; krit. auch K. Schmidt, AG 2009, 248, 258. 27 Vgl. auch Zöllner, in FS Westermann (2008), S. 1631, 1641 f. „gewundene Formulierung“, „delphisch“.
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seinen Gunsten), ist kaum ersichtlich, weswegen derselbe Kläger jenseits „besonders schwerwiegender Rechtsverletzungen“ im Ergebnis zwangsläufig zu deklassieren ist. III. Materiell-rechtliche Wechselwirkungen Die Frage, inwieweit die Interessen der Beteiligten im Einzelfall überhaupt gegeneinander abgewogen werden können sollen, offenbart einen Gesichtspunkt, der für das Thema der vorliegenden Untersuchung grundsätzliche Bedeutung hat, nämlich den nach der Vereinbarkeit der Freigaberegelung mit den Wertungsgrundlagen der Beschlusskontrolle und der Mitgliedschaft in der AG insgesamt. Auf die Friktionen mit dem Recht der Anfechtungsklage wurde bereits hingewiesen. Die Folgewirkungen reichen aber darüber hinaus, weil hinter der Abwägungsklausel eine rigorose Bevorzugung der Vermögensinteressen eines Gesellschafters gegenüber denen der Gesellschaft und den außenstehenden Aktionären sowie dem Prinzip des rechtmäßigen Verbandsverhaltens steckt. Die Fokussierung auf die finanziellen Interessen der Beteiligten impliziert eine Kategorisierung der Mitgliedschaft, nämlich als Anlageaktionär und Unternehmensaktionär. Dahingehend hat man zu fragen, ob das Gesetz die Mitgliedschaft zu der eines Finanzinvestors modifizieren und bislang gesellschaftsrechtlich vermittelten Befugnisse des Aktionärs zugunsten anderer, überwiegend vermögensbezogener Schutzinstrumente ersetzen will.28 Dem widerspricht freilich schon, dass die gesetzlichen Reformen bis hin zum ARUG die Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen durch das einzelne Mitglied in ihrem Kern unverändert gelassen haben wollen, was sich namentlich an der entgegen zahlreicher anderer Vorschläge nach wie vor geübten Verweigerungshaltung gegenüber einem Quorum ablesen lässt. Zudem bleibt die Anfechtungsbefugnis weiterhin allein an die Aktionärseigenschaft als solche und nicht die Geltendmachung der Verletzung subjektiver Mitgliedschaftsrechte gebunden (vgl. § 245 Nr. 1 u. 3 AktG). Auch hier hat der Gesetzgeber entsprechenden Vorschlägen in der Diskussion die Gefolgschaft verweigert und den die Anfechtungsklage als objektives Beanstandungsverfahren erhalten. Was bleibt ist der Widerspruch, der durch die kategorische Preisgabe dieser Positionen im Freigabeverfahren entsteht.
C. Bestimmung der Freigabewirkungen Die genannten Überlegungen zu den Freigabevoraussetzungen stehen in Zusammenhang mit der Frage nach den Wirkungen des Unbedenklichkeitsbeschlusses. Hierin liegt eine weitere grundlegende Schwäche des derzeitigen 28 Vgl. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1996), S. 54 ff.
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Stands der Freigabedogmatik, und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen geht es um die Verbindung von Verfahren und materiellem Recht. Dahingehend hat Altmeppen jüngst in anderem Zusammenhang,29 wie wichtig es ist, zwischen beidem zu unterscheiden. Wo verfahrensrechtliche und materiellrechtliche Wirkungen – wie hier Eintragung und Bestandsschutz – innerhalb einer gesetzlichen Regelung miteinander kombiniert werden, drohen Verwerfungen, die mitunter kaum lösbare Probleme mit sich bringen. Die Verbindung von Freigabe und Bestandsschutz führt zunächst dazu, dass die Notwendigkeit eines Gleichklangs zwischen Unbedenklichkeitsverfahren und Hauptsache umso dringlicher zu rechtfertigen wären, wie hierdurch irreversible Folgen für die Beteiligten geschaffen werden, Erledigung eintritt und kein Verfahren nachgelagerten Rechtsschutzes zur Verfügung stehen. Insoweit kann sich die Segnung des Bestandsschutzes durchaus als Hemmschuh erweisen, weil sie hohe Hürden vor der Entscheidung als solche aufbaut. Umgekehrt wird man eine durch Eilbedürftigkeit veranlasste Verkürzung des Entscheidungsmaßstabs eher für vertretbar erachten können, als keine endgültige Vorwegnahme erfolgt und die Folgen für die Beschlusskontrolle sich zu guter Letzt in Grenzen halten. Damit erlangt die Frage nach der Reichweite des durch die Eintragung und das Freigabeverfahren vermittelten Bestandsschutzes und seiner normativen Begründung entscheidende Bedeutung. I. Einheitlicher Bestandsschutz Wie gesehen, ergibt sich aus §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG die Anordnung, dass Mängel des Beschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen. § 16 III 6 2. Hs. UmwG ist zu entnehmen, dass die Rückgängigmachung des Beschlusses auch bei einem Obsiegen in der Hauptsache nicht als Schadensersatz verlangt werden können soll. Diese Norm hat aber lediglich Ergänzungsfunktion. Die Zentralnorm des Bestandsschutzes bildet § 20 II UmwG und seine Parallelnormen. Sie ist allerdings zunächst außerhalb des Freigabeverfahrens entstanden und – an in der umwandlungsrechtlichen Regelungssystematik noch erkennbar – von diesem zu unterscheiden. Trotzdem hat der Gesetzgeber das Modell für die Freigabe von Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge (§ 246a AktG) übernommen und zuletzt (mit dem ARUG) noch auf die Eingliederung und den Squeeze Out übertragen. Damit hat der Wechsel von einem System des gestuften Bestandsschutzes zu einem Einheitsmodell stattgefunden. Dass dies gemäß der äußerst knappen amtlichen Begründung im Schrifttum als Vereinheitlichung willkommen geheißen wird, steht in auffälligem Widerspruch zu der dort zuvor gestellten Frage, ob es für die Eingliederung und den Squeeze Out überhaupt eines gesetzlichen Bestandsschutzes 29
Vgl. Altmeppen, ZIP 2011, 1937.
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bedarf und worin er besteht. Damit ist eine Frage angesprochen, die sich in gleicher Weise für § 246a AktG und die übrigen Freigabegegenstände stellt. II. Normative Grundlagen Die Unsicherheit über Notwendigkeit und Reichweite des Bestandsschutzes ist sowohl der mangelnden Klarheit des Begriffs wie seiner normativer Grundlagen geschuldet. Nach teilweiser Ansicht beruht der Bestandsschutz eines zu Unrecht eingetragenen Strukturveränderungsbeschlusses auf denselben Prinzipien wie die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft. Dementsprechend sah man teilweise schon vor der Neuregelung durch das ARUG auch den fehlerhaften Ausschluss und die Eingliederung gegenständlich in den Anwendungsbereich des Bestandsschutzes einbezogen. Aus der Geltung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft wird aber nur der Ausschluss der Rückabwicklung (ex tunc) gefolgert. Sie hindert aber nicht den Eintritt der Nichtigkeitsfolgen ex nunc. Nach anderer Ansicht ist den gesetzlichen Regelungen der §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG, 246a I, IV, 242 II 5 u. 6 AktG dagegen ein ungeachtet von Art und Schwere etwaiger Mängel dauerhaft wirkender Bestandsschutz der eingetragenen Maßnahme zu entnehmen. Die Grundlage hierfür bleibt aber letztlich offen. Die praktischen Konsequenzen der widerstreitenden Grundpositionen sind erheblich, da sie darüber entscheiden, ob die der Freigabe nachfolgende Eintragung irreversible Wirkung hat oder ob sie lediglich einen vorläufigen Zustand schafft, über dessen endgültigen Bestand erst mit rechtskräftigem Urteil in der Hauptsache Klarheit entsteht. Spätestens seitdem die Rechtsprechung die Anfechtungsbefugnis beim Squeeze Out trotz dessen Eintragung fortbestehen lässt,30 sind sie auch nicht nur theoretischer Natur. Es überrascht daher, dass der Zusammenhang zwischen der Eintragung und dem Bestand der Strukturveränderung bei der Schaffung des Freigabeverfahrens nur geringe Beachtung gefunden hat. Die Gesetzgebung hat sich auch hier einer Kette von ursprünglich nicht auf das Freigabeverfahren gemünzten, größtenteils aus der Verschmelzungsrichtlinienumsetzung stammender Leerformeln bedient, wonach es der „allgemeinen Tendenz“ folgend gelte, „einmal entstandenen Organisationsakte möglichst zu erhalten“. Das hat dazu geführt, dass der Versuch einer Benennung ihrer normativen Grundlage nur in Einzelfällen und nicht mit dem bewussten Fokus auf die Freigabe unternommen worden ist.31 Das 30
BGHZ 189, 32. In früheren Veröffentlichungen, wie etwa der von Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 100, wird sie mehr oder weniger unterstellt, vergeblich sucht man nach näheren Ausführungen. Eine Ausnahme bilden die Werke von Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998) und Schäfer, Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), beide jedoch außerhalb des vorliegenden Kontexts; erstmals unter Berücksichtigung des Freigabeverfahrens Schäfer, in FS K. Schmidt (2010), S. 1389 ff. 31
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
erscheint aber schon deshalb als notwendig, weil einem solchen Verständnis ein kaum zur Kenntnis genommener Paradigmenwechsel vorausgegangen zu sein scheint. Wie schon eingangs erwähnt, hatte der Gesetzgeber des AktG 1965 nach bewusster Abwägung von der Schaffung einer § 345 II AktG a. F. entsprechenden Regelung, also einer Registersperre für Unternehmensverträge deswegen abgesehen, weil die Eintragung gerade keinen Ausschluss der Rückabwicklung zur Folge habe, die beteiligten Rechtsträger vielmehr fortbestünden und der Vertrag beendet werden könnte (§ 297 AktG). Folgerichtig ist vor der Schaffung des § 246a AktG auch das überwiegende Schrifttum davon ausgegangen, die im Falle des mangelhaften Unternehmensvertrags anwendbare LfG bedinge nur dessen vorläufige Wirksamkeit, lasse aber die Möglichkeit der ex nunc-Beendigung nicht entfallen.32 Für die Behandlung der fehlerhaften Kapitalerhöhung hat das Schrifttum – wenn auch wenig praktikabel empfundene – Reparaturkonzepte entworfen.33 Zudem ist darauf verwiesen worden, dass die Rückabwicklungsschwierigkeiten bei den einzelnen Strukturänderungen nicht identisch seien und eine pauschalierende Normierung in Form eines dauerhaft zukunftsgerichteten Bestands in der Sache kaum geboten erscheine.34 Aber selbst die nur vorläufige Verfestigung einer Strukturmaßnahme bereitet im vorliegenden Zusammenhang Schwierigkeiten. Denn eine Begründung mit der LfG muss sich damit auseinandersetzen, dass sich diese nur auf die Gründung bezieht und ihre Übertragung auf andere Organisationsakte anders geartete Fragen aufwirft. Dazu gehört vor allem, dass in der Situation des Anfechtungsprozesses nicht über die Bewältigung, sondern die Schaffung eines sozialen Zustands zu entscheiden ist und hinsichtlich dessen Grundlage kein allseitiges Vertrauen in die Wirksamkeit der rechtsgeschäftlichen Grundlage besteht. Genauswenig kann von einer einvernehmlichen Vollziehung gesprochen werden. Zudem ist der sich hiergegen wehrende Kläger an dem zugrunde liegenden Beschluss nicht in der Weise beteiligt gewesen, wie bei der Gründung der Gesellschaft, der er ausdrücklich zugestimmt haben muss. Die Einbeziehung der angefochtenen Strukturänderung in den Anwendungsbereich der Fehlerlehre unterscheidet sich damit in grundlegender Form von dem Fall des fehlerhaften Gründungsakts, der (lediglich) über längere Zeit unerkannt geblieben ist.
D. Weiteres Vorgehen im Rahmen der Untersuchung Im vorliegenden Untersuchungszusammenhang verspricht eine klassischen Methoden folgende Normauslegung wenig Aussicht auf Erfolg. Zu groß sind 32 33 34
Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 130 ff. Grundlegend Zöllner, AG 1993, 68 ff.; näher u. § 16 B III. Vgl. Veil, ZIP 1996, 1065, 1069.
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die Widersprüche, zu stark die rechtspolitische Überfrachtung als dass eine grammatikalische, entstehungsgeschichtliche oder teleologische Auslegung der einzelnen Regelungsmerkmale den Weg zu einer sachgerechten Lösung ebnen könnte. Eine systematische Betrachtung stößt gleichfalls an Grenzen, teils aus denselben Gründen, teils, weil es an einem Normzusammenhang fehlt – so etwa im Verhältnis von §§ 16 III UmwG und 20 II UmwG –, teils, weil prinzipielle Zusammenhänge nicht durchgängig berücksichtigt werden35 und schließlich auch deshalb, weil schon das norminterne Alternativverhältnis von materiell und interessenbasierter Freigabe augenscheinliche Widersprüche offenbart.36 I. Untersuchungsspielraum und „Wille des Gesetzgebers“ Im ersten Schritt bedarf der Klärung in dieser Situation, ob eine Untersuchung des geltenden Rechts, überhaupt zu anderen, als den bislang dargestellten Ergebnissen führen kann oder ob der „Wille der Gesetzgebers“ eine Sicht vorgibt, die allein de lege ferenda zu berücksichtigen ist. Denn die Regieanweisungen der amtlichen Begründung sind, zumindest was die Abwägungsklausel anbelangt, von einer Dichte, die für ein abweichendes Verständnis allenfalls Spielraum in Form kritischer Äußerungen erlauben könnte. Dem ist aber nicht so. Erstens ist die Werthaltigkeit einer Regierungsbegründung in der historischen Gesetzesanalyse eine verhältnismäßig schwache Brücke und für sich gesehen selten geeignet, ein fragwürdiges Ergebnis allein zu begründen. Methodisch zu unterscheiden ist zwischen dem Gesetzesanlass, also der Motivation des Gesetzgebers (der causa impulsiva) und den tragenden Gründen des Gesetzes, also dem Gesetzeszweck (der causa finalis).37 Die moderne Gesetzgebungslehre bezeichnet dies als „Problemimpuls“, der von dem Gesetzesinhalt zu unterscheiden ist.38 Im Vorliegenden bildet das Problem des Missbrauchs der Beschlussmangelklage demgemäß den Gesetzesanlass, aber es bestimmt nicht den gesetzlichen Regelungsinhalt. Zweitens ist die für den Entwurf verantwortlich zeichnende Bundesregierung nicht „der Gesetzgeber“,39 und dieser macht sich mit der Beschlussfassung die amtliche Begrün35 So z. B. Anordnung einer gesetzlichen Registersperre bei Eingliederung und Ausschluss (§§ 319 VI, 327e II AktG), aber (früher) kein Bestandsschutz; Bestandsschutz, aber keine Registersperre bei § 246a AktG. 36 Dazu insbesondere der Schutz des Klägers durch das „Offensichtlichkeits-“ Kriterium und seine Beseitigung im Rahmen der Abwägungsentscheidung; S. soeben II 2. 37 Dazu Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff (1982), S. 631, 641 f., 643; Fleischer, DB 2011, 2132, 2133; Noll, Gesetzgebungslehre (1972), S. 72. 38 Vgl. Noll, Gesetzgebungslehre (1972), S. 72; man kann auch schlicht sagen: Dem Gesetz muss Gelegenheit gegeben werden, klüger als seine Väter zu werden. 39 Vgl. dazu im Zusammenhang mit der Auslegung der Interessenabwägungsklausel Halfmeier, WM 2006, 1465, 1467 f.; allgemein v. Bogdandy, Gubernative Rechtssetzung (2000); Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl., S. 329.
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1. Teil: Die gesetzliche Regelung
dung auch nicht prinzipiell zu Eigen.40 Eine norminterpretierende Wirkung kommt derartigen Äußerungen allenfalls dann zu, wenn sie in das Gesetz aufgenommen werden. Diesen – sehr seltenen Fall – muss man hier allerdings in Erwägung ziehen, weil die Regierungsbegründung des ARUG genau das beansprucht. Das gilt jedoch ausdrücklich nur für die Abwägungsklausel,41 und selbst für diese lässt sich im Ergebnis nicht feststellen, dass der Inhalt der früheren Regierungsbegründung in den Gesetzeswortlaut Eingang gefunden hat. Im Übrigen führt ein solches Vorgehen auch nur dann zu einer Interpretationshoheit der Materialien, wo es zu einem aussagekräftigen, in sich stimmigen Ergebnis führt. Im vorliegenden Zusammenhang lässt sich das nicht feststellen: Die Erläuterungen der amtlichen Begründung bedienen sich einer Vielzahl tautologischer Beschreibungen, beziehen diese aus ursprünglich anderen Zusammenhängen, die nur kaskadenartig fortgeschrieben werden. Teilweise sind sie schlicht widersprüchlich, aber von so einschneidenden Konsequenzen für andere Regelungen, dass im Ergebnis eine gewisse Perplexität vorherrscht. Nach der vorstehenden Bestandsaufnahme besteht daher kein Zweifel, dass eine Verbindlichkeit der amtlichen Begründung als „Wille des Gesetzgebers“ daher sehr zurückhaltend zu würdigen ist, so dass davon abweichende Ergebnisse innerhalb der lex lata bedenkenlos sind. II. Methodischer Ansatzpunkt für die weiteren Schritte Im Folgenden ist zunächst das gedankliche Raster der konkreten Freigaberegelung zunächst zu verlassen und der Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale eine Einordnung des Freigabeverfahrens in den Gesamtzusammenhang zivilprozessrechtlicher Eilverfahren voranzustellen. Angesprochen ist damit die Frage nach der Rechtsnatur des Freigabeverfahrens, die es durch Untersuchung seiner wesentlichen typologischen Merkmale zu beantworten gilt. Die Frage trägt einerseits dem Umstand Rechnung, dass die gesetzliche Regelung ihre Herkunft im Eintragungsverfahren findet, andererseits aber in das prozessgerichtliche Verfahren verlagert worden ist, wobei sich der Gesetzgeber des UmwBerG am einstweiligen Rechtsschutz nach den Regeln der ZPO orientiert hat. Ob diese Orientierung wirklich durchgehalten wurde und welche Aussagekraft der Vergleich mit den §§ 916, 935 ZPO hat, bedarf allerdings der Überprüfung. Dazu sind die typisierenden Strukturelemente des Freigabeverfahrens zu bestimmen.
40 Das gilt vor allem für kommentierende Äußerungen der Entwurfsverfasser im Schrifttum, mit denen nachgelegt werden soll; vgl. dagegen Fleischer, NJW 2005, 3525, 3529, der von einer „nachträglich-authentischen Interpretation durch die Bundesregierung spricht“. 41 Vgl. BT-Drucks. 16/11642 S. 41.
2. Teil
Rechtsnatur des Freigabeverfahrens § 13 Eintragungs- und Bestandswirkungen als typisierende Verfahrensmerkmale A. Ansätze zur Verfahrensnatur in Rechtsprechung und Lehre Die Frage nach der Rechtsnatur der §§ 16 III UmwG, 246a, 319 V, 327 II AktG hat bisher nur geringe Aufmerksamkeit in Rechtsprechung und Lehre gefunden. Dazu vorliegende Äußerungen im Schrifttum bezeichnen das Freigabeverfahren zumeist ohne weitere Begründung in knapper Form als einstweilige Anordnung,1 als Verfahren des einstweiligen2 oder des vorläufigen3 Rechtsschutzes bzw. als „Eilverfahren sui generis, für das die Regeln der ZPO gelten“4 oder – was dem entspricht – schlicht als „besondere Art des Eilverfahrens“.5 In der Rechtsprechung hat die Frage nach der Rechtsnatur des Freigabeverfahrens in zwei Teilaspekten Bedeutung erlangt, nämlich im Hinblick auf sein Verhältnis zur Hauptsache und die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde.6 Hierbei war darüber zu befinden, ob die Nebenintervention im Prozess zugleich zu einer entsprechenden Beteiligung im Freigabeverfahren führt, was unter Hinweis auf die Unterschiedlichkeit der Streitgegenstände verneint wurde.7 Im Rahmen seiner Entscheidung zur Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde gegen den Freigabebeschluss hat der BGH sodann angemerkt, der Gesetzgeber habe die Freigabe ähnlich wie das Verfahren der einstweiligen Verfügung oder des Arrests nach §§ 916 ff. ZPO ausgestaltet. Handele es sich
1
Winter, in FS Ulmer (2003), S. 699, 709. So etwa Bork, ZGR 1993, 343, 363; K. Schmidt, in FS Happ (2006), S. 259, 263 ff. 3 Decher, ZIP 2006, 746, 748 f.; Gehrlein, BB 2006, 1587; vgl. auch Schmid, ZIP 1998, 1057 ff. 4 Holzborn/Bunnemann, BKR 2005, 51, 57; Kösters, WM 2000, 1921, 1922; so auch die am UMAG beteiligten Entwurfsverfasser Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 257; Schütz, DB 2004, 419, 423; vgl. ferner Rettmann, Die Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 100; Sosnitza, NZG 1999, 965, 966; in der Sache auch Noack, ZHR 164 (2000), 274, 282; Schlitt/Seiler, ZHR 166 (2002), 545, 566 f. 5 G. Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, 21. Aufl. § 29 VI 2 e). 6 OLG Stuttgart AG 2005, 662; OLG Düsseldorf AG 2005, 654 bzw. BGHZ 169, 48. 7 OLG Düsseldorf AG 2005, 654. 2
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
um ein Eilverfahren, so stehe der in §§ 542 II, 547 I 2 ZPO zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke einer Rechtsbeschwerde entgegen.8
B. Maßgebliches Einordnungskriterium I. Strukturelle Übereinstimmungsmerkmale mit dem einstweiligen Rechtsschutz nach §§ 916 ff. ZPO Ausgehend von diesen – skizzenhaften – Einschätzungen könnte die Erfassung der Rechtsnatur des Unbedenklichkeitsverfahrens im Wesentlichen von seiner Einordnungsfähigkeit in das System zivilprozessualer Eilverfahren abhängen. Man könnte daran denken, diese Aufgabe durch Herausarbeitung und Abgleich der in der ZPO geregelten Verfahrensarten und deren charakteristischen Merkmalen unterschieden nach Verfahrenszweck, Anordnungsvoraussetzungen und Anordnungswirkungen, zu erfüllen. Als mögliche Regelungsleitbilder und Vergleichsgröße für das Freigabeverfahren zu betrachten wären insoweit neben dem Arrest und der einstweiligen Verfügung auch die einstweilige Anordnung.9 Für ein solches Vorgehen scheint prima facie die Übereinstimmung mit einer Reihe von einzelnen Strukturmerkmalen zu sprechen. Das Freigabeverfahren ist aus der zeitlichen Dauer des Beschlussmangelstreits geboren und dient dazu, die daraus erwachsenden Rechtsschutzdefizite zu vermeiden.10 Wie bei § 920 II ZPO genügt die Glaubhaftmachung der entscheidungserheblichen Tatsachen und der Beschluss kann, wie nach § 937 II ZPO, in dringenden Fällen ohne mündliche Verhandlung ergehen. Erweist sich die Klage als begründet, so unterliegt der Antragsteller der verschuldensunabhängigen Haftung für Schäden, die der Kläger durch die Freigabe erleidet.11 Was die Besonderheit einer Entscheidung durch Interessenabwägung, also in Form der sogenannten „offene Eilentscheidung“, anbelangt, wird darauf hingewiesen, der Gesetzgeber habe sich den dazu schon vor längerem für den einstweiligen Rechtsschutz unterbreiteten Vorschlägen von Leipold12 angeschlossen.13 Die damit verbundene Verlagerung der maßgeblichen Erwägungen im Rahmen des Verfügungsanspruchs stelle damit nur eine Nuancierung dar, führe aber keine grundlegende Wesensverschiedenheit herbei. Zwar bedinge der Freigabebeschluss in einigen Fällen die endgültige Wirksamkeit der 8
BGHZ 168, 48, 51 f.; Gehrlein, BB 2006, 1587. Zu den Parallelen mit dem Freigabeverfahren, insbesondere dem im Vorfeld des UMAG diskutierten Vorschlag eines Sperrverfahrens von Baums, vgl. K. Schmidt, in FS Happ (2006), S. 259, 266 (§ 769 ZPO ähnelnder Zwischenstreit); ferner Winter, in FS Ulmer (2003), S. 699, 709. 10 Vgl. BGHZ 168, 48, 51. 11 Vgl. ebenfalls BGHZ 168, 48, 52; Decher, ZIP 2006, 746, 748 f. 12 Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971); dazu im einzelnen § 18 A. II 4. 13 So Sosnitza, NZG 1999, 965, 966. 9
§ 13 Eintragungs- und Bestandswirkungen als typisierende Verfahrensmerkmale 193
Maßnahme, was aber an der Vergleichbarkeit mit den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nichts ändere, da auch dieser zur dauerhaften Befriedigung führen könne. Trotz der endgültigen Wirkung der Eintragung bleibe zudem eine Entscheidung im Hauptverfahren möglich. Hinsichtlich des Ziels auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme und auf Schutz seiner Vermögensinteressen vor einer Strukturmaßnahme habe das Freigabeverfahren daher nur vorläufigen Charakter.14 II. Materielle Wirkungen der Feststellung Ob diese Vergleichsüberlegungen ausreichend wären, erscheint sowohl wegen der materiellen wie der verfahrensrechtlichen Besonderheiten des Freigabeverfahrens zweifelhaft. Unabhängig von der Frage der Reichweite eines etwaigen Bestandsschutzes dürfen bereits die von der Eintragung ausgehenden materiellen Wirkungen nicht schlichtweg damit ausgeblendet werden, sie seien nicht Folge des Freigabe-, sondern des Registerverfahrens. Eine solche Argumentation verkürzt die Bedeutung des Freigabeverfahrens schon deshalb, weil nicht – was die Überlegungen der h. M. suggerieren – über „irgendeine“ formale registerverfahrensrechtliche Voraussetzung, sondern über die Vorgreiflichkeit der Klage für die Eintragung entschieden wird. Ins Wanken gerät auch das Argument, wonach dem Freigabeverfahren (als Registerverfahren im weitesten Sinne) und der Hauptsache (als Unwirksamkeitsverfahren) unterschiedliche Streitgegenstände zugrunde lägen.15 Zumindest eine, dem Grundprinzip nach ja gewollte Beseitigung jeglicher Rechtswirkungen des fehlerhaften Beschlusses durch Kassation ex tunc16 lässt sich schon bei einem zeitlich begrenzten Bestandsschutz nicht herstellen. Kommen infolge der Freigabe noch die Folgenbeseitigung sogar ex nunc ausschließende Bestandswirkungen hinzu, erlangt der hauptsacheverdrängende Charakter der Entscheidung zu viel Gewicht, um streitgegenständliche Zuweisungen zwischen der Freigabe und der Hauptsache auf formaler Grundlage vorzunehmen. Darüber hinaus ist das Wesen des Freigabeverfahrens aber auch in anderer Hinsicht noch nicht hinreichend beschrieben. Unklar ist namentlich, was der Unbedenklichkeitsfeststellung zugrunde liegt. Das kann zum einen ein rein prozessuales Recht aus dem, zwischen den Parteien mit der Unwirksamkeitsklage begründeten, Prozessverhältnis sein.17 Denkbar ist allerdings zugleich ein Recht auf negative Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses i. S. d. § 256 ZPO. In Erwägung zu ziehen ist sogar, dass die Entscheidung im Freigabeverfahren über eine bloße Feststellung hinausgeht, indem sie die Anfechtungsbefugnis des Aktionärs als solche beseitigt. In 14 15 16 17
Vgl. Decher, ZIP 2006, 746, 749. Dazu schon o. §§ 5. A. II., 7 B. I. 2., 8. B.; näher u. § 20 B. VI. Würthwein in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 241 Rn. 254 m. w. N. Vgl. zur Möglichkeit eines Zwischenstreits u. § 20 B. VI.
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
beiden Fällen käme es im Freigabeverfahren wie in der Hauptsache zu einer Überlagerung der Streitgegenstände, welche eine künstliche Aufspaltung der Verfahren als nicht plausibel erscheinen lassen würde. III. Typologisierung zivilrechtlicher Eilverfahren 1. Leistungs- und Befriedigungsverfügung Die Einordnung des Freigabeverfahrens berührt darüber hinaus aber auch Grundfragen der Typologisierung zivilrechtlicher Eilverfahren. Dazu gehört zunächst das Grundproblem der Befriedigungs- oder Leistungsverfügung in einem Erkenntnissystem, welches lediglich auf vorläufige Sicherung angelegt ist. Angesprochen ist damit das Verhältnis von Sicherungsverfügung und Regelungsverfügung, bei dem schon über den Nutzen einer Unterscheidung Uneinigkeit herrscht.18 Unklar ist auch, inwieweit es sich bei der Leistungs- bzw. Befriedigungsverfügung gegenüber den Sicherungsverfügungen der §§ 916, 935 ZPO um eine eigenständige Kategorie handelt.19 Trotz gewisser struktureller Übereinstimmungsmerkmale der jeweiligen Verfügungsarten ist eine präzise, am Verfügungsinhalt zu orientierende Unterscheidung sowohl im Allgemeinen wie auch im vorliegenden Zusammenhang aber notwendig, um die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Anordnung zu konkretisieren und eine hauptsacheverdrängende Rechtsfindung aufgrund „allgemeiner Erwägungen“ oder „Empfindungen“ zu vermeiden.20 Es geht also weniger um die von der h. M. in den Vordergrund gestellten äußerlichen Strukturmerkmale der Freigabe als Verfügung, sondern vielmehr um die (wiederum letztlich streitgegenstandsbezogene) Eingrenzung und die Frage, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen bereits das summarische Verfahren zur Befriedigung führen und die Hauptsache vorwegnehmen darf. Auch insoweit bestätigt sich die Notwendigkeit, die vom Freigabeverfahren ausgehenden Wirkungen herauszuarbeiten.
18 Für selbstständige Konkurrenz etwa Huber, in Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 935 Rn. 2; Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 22. Aufl., § 34 II; für § 940 ZPO als bloße Ergänzungsnorm Bruns/Peters, Zwangsvollstreckungsrecht, 3. Aufl., S. 341, 345; vgl. auch Heinze, in MünchKomm ZPO, 2. Aufl., Vor § 916 Rn. 57, dort auch Überblick bei Vor § 916 Rn. 3 ff. Die Praxis verzichtet zumeist auf eine Abgrenzung. Ist die Zuordnung zu der einen oder anderen Gruppe nicht eindeutig, so erlässt der Richter die einstweilige Verfügung im Regelfall „gemäß §§ 935, 940 ZPO“, vgl. Huber, in Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 935 Rn. 1; Überblicksdarstellung bei Teplitzky, JuS 1980, 882, 883 f. 19 Als dritte Art der einstweiligen Verfügung bezeichnet werden diese etwa von Huber, in Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 935 Rn. 1; vgl. zur Kategorisierung Sicherungsverfügung – Regelungsverfügung- Leistungsverfügung auch Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 22. Aufl., § 34 II. 20 OLG Stuttgart NJW 1981, 1914; v. Gerkan, ZGR 1985, 169; Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 22. Aufl., § 34 II.
§ 13 Eintragungs- und Bestandswirkungen als typisierende Verfahrensmerkmale 195
2. Feststellungsverfügung Beim Freigabeverfahren ist die systematische Vergleichbarkeit mit dem einstweiligen Rechtsschutz nach §§ 916 ff. ZPO aber nicht nur durch eine mögliche Vorwegnahmewirkung erschwert, sondern überdies dadurch, dass es im Gegensatz zum Normalfall des Eilverfahrens an der Parallelität der Angriffsrichtungen fehlt. Als Antragsteller tritt nicht der Kläger, sondern die beklagte Gesellschaft auf. Nur ihr wird ein außerordentliches prozessuales Verteidigungsmittel zur Verfügung gestellt. Für diese Situation findet sich im System des einstweiligen Rechtsschutzes keine Parallele. Damit einher geht als weitere Besonderheit, dass die Entscheidung zumindest dem Tenor nach feststellenden Charakter hat. Das erweist sich insoweit der näheren Betrachtung bedürftig, weil im allgemeinen Zivilprozessrecht wenig geklärt ist, ob es im einstweiligen Rechtsschutz überhaupt Verfügungen feststellenden Inhalts geben kann. a) Anwendungsfälle der Feststellungsverfügung Die Feststellungsverfügung ist allerdings auch dem allgemeinen Zivilprozessrecht nicht mehr durchgehend fremd. Zumindest lassen sich in bestimmten Gebieten mit gewisser Regelmäßigkeit Verfügungen ausmachen, die im Tenor – wie bei § 256 I ZPO – darauf beschränkt sind, dass ein Recht oder Rechtsverhältnis nicht besteht.21 Beispiele betreffen zunächst arbeitsgerichtliche Streitigkeiten,22 finden sich aber auch im Mietrecht23 und im Gesellschaftsrecht.24 So sieht man im Schrifttum die Feststellungsfähigkeit bei Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Beschlüssen bei der Personengesellschaft im Wege der Verfügung als möglich an.25 Die Unwirksamkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses wegen unzureichender Information der Arbeitnehmer soll ebenfalls dieser Entscheidungsform zugänglich sein.26 Gleiches wird für den Abberu21 Vgl. dazu Jacobs, Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 93 ff. u. Zulässigkeit der einstweiligen Verfügung auf Feststellung (2000). 22 So kann das Betriebsratsmitglied die Erforderlichkeit einer Weiterbildungsveranstaltung vorab im Wege der Feststellungsverfügung klären lassen, um das Risiko einer mit einer Fehleinschätzung verbundenen finanziellen Belastung in Form des Verlusts des Arbeitsentgelts zu begrenzen (vgl. LAG Hamm EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 3; DB 1974, 2486, 2488; a. A. LAG Düsseldorf LAGE § 37 BetrVG 1972 Nr. 44). Dem Arbeitgeber wird das Recht zugebilligt, feststellen zu lassen, dass eine Weiterbeschäftigungspflicht angesichts fehlerhaften Widerspruchs des Betriebsrats nicht besteht (LAG Brandenburg LAGE § 102 BetrVG 1972 Nr. 13; Arbeitsgericht Bochum DB 1974, 729, 731) und im Arbeitskampf soll die Möglichkeit der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Streiks bestehen (BAG EzA § 256 ZPO Nr. 32; Dütz, BB 1980, 533 f.); vgl. zum Ganzen auch Jacobs, Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 94 f. 23 Beispiel: Zulässigkeit der Feststellung der Berechtigung, die Mietsache reparieren zu dürfen, um Zweifel über den Verwendungsbegriff vorab auszuräumen (Grunsky, in Stein-Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 935 Rn. 60). 24 Vogg NJW 1993, 1357, 1359. 25 Vgl. Grunsky, in Stein-Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 935 Rn. 60; Semler, BB 1979, 1535; dazu auch Jacobs, Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 95. 26 LG Hannover ZIP 1989, 1330.
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
fungsbeschluss nach § 84 III AktG gefordert, um einer Entwertung der Mitwirkungsrechte von Aufsichtsratsmitgliedern bis zur Klärung in der Hauptsache entgegenzuwirken.27 Für den durch Kaduzierung ausgeschlossenen Gesellschafter soll ebenfalls offen stehen, den Fortbestand seiner Gesellschaftereigenschaft durch einstweilige Verfügung feststellen zu lassen.28 Einen in allgemeiner Form gesetzlich geregelten Fall einer Feststellungsverfügung bildet § 16 II HGB. b) Begründungsdefizite Insgesamt bietet sich hinsichtlich der Anerkennungsfähigkeit der Feststellungsverfügung im Schrifttum kein einheitliches Bild. Die wohl überwiegende Zahl der Stellungnahmen ist kritisch bis ablehnend.29 Die Gründe hierfür wurzeln zum Teil in den Bedenken gegen die Feststellungsfähigkeit von Rechtsverhältnissen und Rechten im Grundsätzlichen und unterscheiden sich insoweit wenig von der Kritik an der Ausdehnung der Feststellungsklage als solcher. Zum Teil richten sie sich auch gegen die bei dieser ebenfalls fehlenden Vollstreckbarkeit. Das daraus resultierende Versagen der Feststellungsentscheidung als einem Instrument der Verhaltenssteuerung stelle aber die Feststellverfügung in besonderem Maße in Frage.30 Prozesswirtschaftlich sinnvoll sei sie allenfalls, wenn der Antragsgegner die freiwillige Befolgung erwarten lasse, indem er die Bereitschaft signalisiere, sich an der Verfügung zu orientieren.31 Mitunter wird auch auf ihre Notwendigkeit zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 IV GG) verwiesen.32 c) Folgerungen Die im vorliegenden Zusammenhang geäußerten Bedenken finden ihren Ausgangspunkt sowohl in grundsätzlichen Einwänden gegen die Feststellung als Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens wie auch in der damit vielfach verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache. Demgemäß sollen – wie auch sonst 27 Vgl. OLG Stuttgart ZIP 1985, 539; Zulässigkeit der einstweiligen Verfügung auf Feststellung (2000), S. 12; so auch Mertens, in KölnKomm § 84 Rn. 98. 28 Vgl. OLG Rostock GmbHR 1997, 449; Jacobs, Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 95; Starek, Zulässigkeit der einstweiligen Verfügung auf Feststellung (2000), S. 14. 29 Vgl. Berger, ZZP 110 (1997), 290 ff.; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 1595; Dütz, BB 1980, 533f.; Gerhard, ZZP 109 (1996), 543; Heinze, in MünchKomm ZPO, 2. Aufl., Vor § 916 Rn. 57; Starek, Zulässigkeit der einstweiligen Verfügung auf Feststellung (2000), S. 43 ff.; Vollkommer, in Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 940 Rn. 8; pointiert auch Jacobs, Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 501 ff. „Abschied von der Feststellungsverfügung“; allg. dafür Vogg, NJW 1993, 1357 ff. 30 Vgl. Jacobs, Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 98. 31 Vgl. Jauernig, ZZP 79 (1966), 325; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 11. Aufl., § 76 II 2d) (S. 1015); Vogg, NJW 1993, 1365. 32 LAG NZA 2001, 53, 55; OVG Münster PersV 1992, 90, 91; Vogg, NJW 1993, 1360; Zeuner, FS Schumann (2001), S. 595, 604, 608.
§ 13 Eintragungs- und Bestandswirkungen als typisierende Verfahrensmerkmale 197
bei der Leistungsverfügung – an den Verfügungsgrund strenge Voraussetzungen zu stellen sein: In jedem Einzelfall sei zu prüfen, ob die Verfügung „dringend geboten“33 sei, ein „existenzieller Notfall“34 vorläge, „handgreifliche Auseinandersetzungen“35 zu verhindern stünden oder das Abwarten der Hauptsache „schlechterdings unzumutbar“36 sei. In den genannten Formeln drückt sich nicht weniger aus, als der Versuch, zwischen der Systemwidrigkeit hauptsacheverdrängender Eilverfahren einerseits und ihrer – angesichts der sonst eintretenden Rechtsschutzvereitelung eintretenden – Unverzichtbarkeit ein Gleichgewicht zu schaffen. Dieses Anliegen besteht auch beim Freigabeverfahren, das insoweit gegenüber der grundsätzlichen, mit der Befriedigungsoder Leistungsverfügung verbundenen Fragestellung keine Besonderheiten darstellt. Wiederum weist der Weg zu einer sachgerechten Lösung also auf die Ermittlung der mit der Freigabe verbundenen Bestandswirkungen. Denn sie sind es, die darüber entscheiden, ob und inwieweit der Freigabe die Vorwegnahme der Hauptsache beikommt oder es bei der Kassations- und Abwicklungsfähigkeit der Strukturmaßnahme bleibt und die der Akzeptanzfähigkeit einer Verfügung feststellenden Charakters zumindest insoweit keine Hinderungsgründe bereiten. Hinsichtlich der übrigen gegen die Feststellungsverfügung gerichteten Bedenken bedarf es der Differenzierung. Anders als im allgemeinen Zivilprozessrecht lässt sich im vorliegenden Zusammenhang zunächst kein Einwand daraus ableiten, eine solche Maßnahme sei sach- oder wesensfremd bzw. erweise sich als Mittel der Verhaltenssteuerung wirkungslos oder vom Wohlverhalten der Parteien abhängig. Geschuldet ist das dem hier zu beachtenden Kontext von Freigabe und Registerverfahren. So übt die gerichtliche Feststellungsverfügung in ihrem gesetzlich vorgesehenen Umfang Bindungswirkung für das Handelsregisterverfahren aus. Diese ist bei § 16 II HGB negativer Natur – die Eintragung muss unterbleiben –, bei den Freigabeverfahren kann sie sowohl negativer wie auch positiver Natur sein – die Eintragung darf nicht aus Gründen der Vorgreiflichkeit zurückgewiesen oder ausgesetzt werden.37 In der Befreiung der handelsregisterbezogenen Feststellungsverfügung von der Ungewissheit ihrer Befolgung mag zugleich der Grund ihrer Anerkennung in der allgemeinen Form des § 16 II HGB liegen. Unabhängig davon, ob dem so sein mag, ist die Zulässigkeit der Feststellung als einer eigenen Verfügungskategorie des Eilverfahrens für die vorliegende Problematik jedenfalls nicht grundsätzlich anzuzweifeln.
33 34 35 36 37
LAG Berlin NZA 2001, 53, 55. Heinze, in MünchKomm ZPO, 2. Aufl., vor § 916 Rn. 89. Kohler, ZZP 103 (1990), 184, 208. Grunsky, in Stein-Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 935 Rn. 60. Vgl. Jacobs, Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 1 ff.
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
Eine Renaissance erleben dagegen u. U. auch im hier interessierenden Zusammenhang die gegen die Ausdehnung der gerichtlichen Feststellung38 insgesamt – also unabhängig von einem Eilverfahren – geltend gemachten Bedenken.39 Sie beziehen sich insbesondere auf den Verzicht auf das Tatbestandsmerkmal des gegenwärtigen Rechtsverhältnisses (§ 256 I ZPO),40 der eintritt, wenn man die Kassationsfähigkeit nach Freigabe verneint, dem Kläger aber die Fortsetzung der Klärung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses in der Hauptsache weiterhin erlaubt.41 Auch der Beantwortung dieser Frage vorgelagert, ist allerdings diejenige nach der Reichweite der Bestandsschutzwirkungen der Freigabe.
C. Ergebnis und weiterer Gang der Untersuchung Die bislang h. M. sucht eine typologische Zuordnung des Freigabeverfahrens zum Recht des einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 916 ff. ZPO. Die dabei genannten strukturellen Übereinstimmungsmerkmale sind allerdings nur von begrenzter Aussagekraft, weil sie die Wirkungen des Beschlusses nahezu vollständig ausblenden und eine zumindest überprüfungsbedürftige Unterschiedlichkeit der Streitgegenstände unterstellen. Methodisch geben die Entscheidungswirkungen der Verfügungsart ihr eigentliches Gepräge. Zentrales Abgrenzungsmerkmal ist dabei, ob das mit der Verfügung verfolgte Rechtsschutzziel einstweilige, vorläufige oder aber endgültige Wirkung zeitigt. Das Rechtsschutzziel ist seinerseits Dreh- und Angelpunkt für die Festlegung des Streitstoffes in der Hauptsache. Beides weist daraufhin, dass der Reichweite eines mit der Freigabe faktisch oder rechtlich verbundenen Bestandsschutzes und seiner Auswirkungen auf den Streitgegenstand der Hauptsache im ersten Schritt nachgegangen werden muss. Die Beseitigung eines effektiven Primärrechtsschutzes unterstellt, begegnet die Freigabe nämlich einerseits denselben Bedenken wie jede andere Form der Leistungs- oder Befriedigungsverfügung. Andererseits kann sie zu ihrer Rechtfertigung auch auf diese Kategorien verweisen. Die Eigenschaft einer Feststellungsverfügung als solche erweist sich dagegen im Grundsatz wegen der von ihr ausgehenden Bindungswirkungen für das Registerverfahren als unbedenklich. Ausgehend von dem Gesagten sollen im Folgenden die mit der Freigabe begehrten Rechtsfolgen näher betrachtet werden. Die obige Betrachtung hat gezeigt, dass sich AktG und UmwG zwar nunmehr einer Bestandsschutzformel mit einheitlicher Begriff38 Vgl. dazu Jacobs, Gegenstand der Feststellungsverfahrens (2004), S. 21 f., 81 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., S. 603; Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 256 Rn. 37; Reichold, in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 256 Rn. 8; Greger, in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 256 Rn. 3a. 39 Vgl. Jacobs, Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 1 ff., 272 ff. 40 Vgl. Jacobs, Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2005), S. 272 ff. 41 Dazu näher u. § 25 C. III. 1. c).
§ 13 Eintragungs- und Bestandswirkungen als typisierende Verfahrensmerkmale 199
lichkeit bedienen, der Bestandsschutz im Aktienrecht aber vom Durchlaufen des Freigabeverfahrens abhängt. Die weitere Untersuchung unterscheidet daher ausgehend von der gesetzlichen Differenzierung zwischen den Wirkungen der Eintragung von Umwandlungen und denjenigen, die von der Eintragung der hier relevanten aktienrechtlichen Maßnahmen ausgehen. Zu beginnen ist dabei mit dem UmwG, weil es sich bei der Grundnorm des § 20 II UmwG um eine unabhängig vom Freigabeverfahren und bereits vor diesem geschaffene Regelung handelt (§ 352a AktG a. F.), so dass sich hieraus am ehesten Schlüsse für die systematische Einordnung des Bestandsschutzes und seine Reichweite ziehen lassen. Das Hauptaugenmerk richtet sich auf die Frage der Wertungsgrundlage der in dem jeweiligen Gebiet vorzufindenden Bestandsschutzregelung. Wegen der in den verschiedenen Novellierungen zum Ausdruck gebrachten Intention, Strukturveränderung weitestgehend zu erhalten, ist zunächst die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass es sich bei § 20 II UmwG nicht nur um eine gesetzliche Ausprägung der LfG, sondern um eine gegenüber § 242 AktG vorrangige Heilungsvorschrift handelt. Um dem nachzugehen, sollen im Folgenden die Grundlagen der LfG bei fehlerhaften Strukturänderungen einerseits und die der Heilung andererseits betrachtet werden, um sich sodann mit deren Übertragbarkeit auf den freigaberechtlichen Bestandsschutz zu befassen. Innerhalb des Aktienrechts nimmt dabei die Frage, ob dieser allein aufgrund der nunmehr einheitlich gefassten Bestandsschutzformel maßnahmenunabhängig auch tatsächlich einheitliche Wirkung entfaltet oder es insoweit einer Differenzierung bedarf, den entscheidenden Raum ein.
1. Abschnitt
Einordnung der umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzregeln § 14 Eintragungsbestandsschutz (§§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG) Die Bestimmungen der §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG regeln die Wirkungen der Eintragung unbesehen einer Freigabe oder einer Anfechtung.1 Um der Frage nach ihrer dogmatischen Einordnung nachzugehen, ist es sinnvoll, diese zunächst isoliert, also unabhängig von den Wirkungen des Freigabeverfahrens zu betrachten und zu prüfen, ob sich ein dadurch erreichter Eintragungsbestandsschutz entsprechend der bislang teilweise anzutreffenden Charakterisierung als Heilung ansehen lässt. Dies erfordert zunächst Klarheit über die Wesensmerkmale und den Begriff der Heilung fehlerhafter Beschlüsse.
A. Begriff und Wesensmerkmale der Heilung Die maßgebliche Zentralnorm für die Heilung nichtiger Beschlüsse im Aktienrecht (§ 242 AktG) ist seit ihrer Schaffung durch das AktG 19372 weitgehend unverändert geblieben.3 Sie hat in der Lehre bis zu ihrer eingehenden Untersuchung durch Casper vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit erfahren.4 Nach seiner Definition besteht die Figur der Heilung in dem an einen bestimmten Tatbestand geknüpften Wirksamwerden eines bisher unwirksamen Rechtsgeschäfts ohne Beseitigung des bisherigen Nichtigkeitsgrunds, und zwar in endgültiger Form, also auch für die Zukunft auf die materielle Rechtslage einwirkendes Institut.5
1
S. o. § 8 B. I. 1. Ursprünglich § 196 AktG 1937. 3 Das AktG 1965 beschränkte sich auf eine klarstellende Ergänzung durch § 242 II 2 u. III. Dabei war in erster Linie an die Klärung der seinerzeit umstrittenen Frage nach einer Hemmung der Frist des § 242 II 1 durch Erhebung der Nichtigkeitsklage gedacht. 4 Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998). 5 Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 57; dem folgend Schäfer, Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 182. 2
§ 14 Eintragungsbestandsschutz (§§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG)
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I. Bürgerliches Recht Das bürgerliche Recht sieht eine Überwindung von Wirksamkeitsdefiziten für eine Vielzahl von unterschiedlichen Anwendungsfällen vor, ohne den Begriff der „Heilung“ dabei als solchen zu verwenden. Im Vordergrund steht hierbei die Beseitigung der Formnichtigkeit (vgl. §§ 311b I 2,6 507 II 2,7 518 II, 766 S. 3 BGB, 11 II ErbbauRG, 4 III WEG). Der Eintritt einer fehlenden Wirksamkeitsvoraussetzung wird ebenfalls häufig als Heilung bezeichnet.8 Dazu gehört insbesondere die fehlende Genehmigung nach §§ 108 I, 177 I, 185 II BGB. Ferner wird der Begriff dazu verwendet, um die Folgen der Neuvornahme eines Rechtsgeschäfts oder seiner Bestätigung,9 des Verstreichens der Anfechtungsfrist oder der Verwirkung zu kennzeichnen.10 Dies verträgt sich indessen nur zum Teil mit der vorstehend vorgeschlagenen Definition. So beruht die schwebende Unwirksamkeit auf einer fehlenden Rechtsbedingung, nicht auf einem Rechtsmangel i. S. e. dauerhaft bestehenden Wirksamkeitsdefizits. Ihre Beseitigung geschieht durch die Nachholung der fehlenden Rechtshandlung, so dass die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts genaugenommen keiner näheren Begründung bedarf und man allenfalls von einer „Heilung im weiteren Sinne“ sprechen kann.11 Ähnlich wie bei der Nachholung fehlender Rechtsbedingungen ist auch die Bestätigung des Rechtsgeschäfts nicht als Heilung (im engeren Sinne) zu verstehen. Das Gesetz beurteilt sie regelmäßig als erneute Vornahme, und damit im Gegensatz hierzu als eine vollständige Nachholung des Rechtsgeschäfts mit Wirkung ex nunc (vgl. § 141 I BGB).12 Auch bei § 507 II BGB, nach dessen Satz 1 das Teilzahlungsgeschäft nichtig ist, wenn die Schriftform des § 492 I BGB nicht eingehalten ist oder wenn eine der in Art. 247 §§ 6, 12 und 13 EGBGB vorgeschriebenen Angaben fehlt, liegt kein Fall der Heilung i. e. S. vor. Zwar ordnet § 507 II 2 BGB ungeachtet dessen die Gültigkeit an, wenn dem Verbraucher die Sache übergeben oder die Leistung erbracht wird. Anders als bei den §§ 311b I 2, 507 II, 518 II, 766 S. 2 BGB bleibt der Mangel der Form jedoch nicht schlicht unbeachtlich, weil das Gesetz eine typisierte Inhaltsregelung zu Teilzahlungspreis oder effektivem 6
Entspricht § 313 S. 2 BGB a. F. Entspricht § 6 III VerbrKrG. 8 Etwa von Flume, AT II/1 § 58 (S. 915); Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 49 Fn. 72 m. w. N. 9 Vgl. Ulmer, in MünchKomm, BGB, 5. Aufl., § 709 Rn. 110. 10 Etwa bei Ulmer, in MünchKomm, BGB, 5. Aufl., § 709 Rn. 110; Zöllner, in KölnKomm, § 243 Rn. 5. 11 Ähnlich auch Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 39 ff., 55. 12 Im Aktienrecht ist die Bestätigung fehlerhafter Beschlüsse (§ 244 AktG) zudem auf Fälle der Anfechtbarkeit begrenzt. Bei nichtigen Beschlüssen bleibt nur die Neuvornahme (allg. Meinung, vgl. OLG Stuttgart AG 2004, 457; Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 244 Rn. 2; K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 244 Rn. 5 u. 28); Göz in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 244 AktG Rn. 6. 7
202
2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
Jahreszins zugunsten des Verbrauchers treten lässt (vgl. § 507 II 4 ff. BGB). Sachlich handelt es sich hierbei um eine durch das Gesetz angeordnete inhaltliche Ergänzung des Finanzierungsvertrages. Sie gleicht systematisch eher einer Vertragsanpassung als einer Heilung. Wegen der mit der gesetzlichen Fixierung des Inhalts einhergehenden Beseitigung des Rechtsmangels ist § 507 II 2 BGB ebenfalls nicht zur Heilung im engeren Sinne zu zählen.13 Allein bei Formvorschriften liegt damit letztlich eine Heilung i. S. e. Verzichts auf die Wahrung der Rechtsbedingung vor. Begründet wird sie teilweise im Anschluss an die ältere reichsgerichtliche Rechtsprechung14 mit dem darin liegenden Ausdruck einer Bestätigung des Rechtsgeschäfts.15 Andere sehen darin eine formlos gültige Rechtsgrundabrede über das Behaltendürfen der auf nichtiger Grundlage ausgetauschten Leistungen.16 Mitunter wird die Begründung im Erreichen des Formzwecks gesucht17 oder als eine gesetzliche Ausprägung des Verbots des venire contra factum proprium verstanden.18 Teilweise ergänzend verweisen andere zur Rechtfertigung auf das Interesse an Rechtssicherheit.19 Die Heilung bilde das rechtstechnische Mittel zum Ausschluss des Bereicherungsanspruchs.20 II. Erscheinungsformen im Aktienrecht Der Erfüllung des Schuldverhältnisses entspricht – verstanden als seiner Durchführung – im vorliegenden Zusammenhang als Anknüpfungspunkt der Heilung sinngemäß der Vollzug des Beschlusses. Das Aktienrecht verbindet die Heilung jedoch grundsätzlich nicht mit diesem, sondern mit der Handelsregistereintragung (§ 242 I AktG) und dem Verstreichen einer zeitlichen Frist von drei Jahren nach der Eintragung (§ 242 II AktG). Dabei enthält das Gesetz keine inhaltlich-gegenständlichen Beschränkungen. Heilbar sind also grundsätzlich alle Regelungsgegenstände,21 wobei sich die Voraussetzungen 13 Im Verbandsrechts stellt sich bei lückenhaften oder widersprüchlichen Beschlussinhalten die Frage nach der Unbestimmtheit oder der Perplexität des Beschlusses. Sie ist ebenfalls eine solche der Vertragsauslegung und nicht der Heilung. 14 RGZ 75, 113, 115 (aufgegeben durch RGZ 115, 6, 12); vgl. zu den folgenden Begründungsansätzen die zusammenfassende Übersicht bei Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 61 ff. 15 Vgl. Lange, AcP 144 (1938), 149, 154 ff. 16 Vgl. Hefermehl, in Soergel BGB, 13. Aufl., § 125 Rn. 29. 17 RGZ 82, 272, 274; BGHZ 82, 398, 403 f.; 85, 245, 250; Habersack, in MünchKomm, BGB, 4. Aufl., § 766 Rn. 28. 18 Lorenz, AcP 156 (1957), 381, 404 f. 19 Kanzleitner, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 311b Rn. 72. 20 Vgl. Pohlmann, Heilung formnichtiger Verpflichtungsgeschäfte (1992), S. 65 ff., 89 ff., der den Rechtfertigungsgrund ausgehend von der konkreten Heilungsvorschrift bestimmt. 21 Zweifel werden an der Heilbarkeit von Satzungsänderungen und Bestandteilen der Ursprungssatzung geäußert (dazu sogleich u. B. I.). Nicht heilbar sind Beschlüsse nach §§ 192 IV, 212 AktG, was darauf beruht, dass sie zum Inhalt des Handelsregisters in Widerspruch stehen und es deswegen an einer tatbestandlichen Grundlage i. S. d. § 242 AktG fehlt.
§ 14 Eintragungsbestandsschutz (§§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG)
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nach der Art des Nichtigkeitsgrunds richten. Da die Wirkungen des Bestandsschutzes nach § 20 II UmwG allein an die Eintragung anknüpfen, bedarf der Klärung, worin der Grund für die unterschiedlichen Anforderungen an die Heilung – einerseits durch bloße Eintragung, andererseits zusätzlich durch Fristablauf – liegt. 1. Heilung durch bloße Handelsregistereintragung (§§ 242 I AktG, 20 I Nr. 4 UmwG) Die fehlende oder fehlerhafte Beurkundung (Nichtigkeitsgrund gemäß § 241 Nr. 2 i. V. m. § 130 I, II oder IV AktG) wird durch bloße Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister geheilt (§ 242 I AktG, 20 I Nr. 4 UmwG). Diese muss lediglich wirksam sein, was ihre Vornahme durch das für die Gesellschaft zuständige Gericht voraussetzt.22 Die Heilungsmöglichkeit beseitigt allerdings nicht die Eingangskontrolle des Registergerichts.23 Dieses bleibt zur Prüfung des Vorhandenseins und der ordnungsgemäßen Beurkundung des Beschlusses verpflichtet und darf die Eintragung nicht verfügen, wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist. Allerdings führt ein Verstoß hiergegen – er ist in der Praxis eher bei den Fällen der unvollständigen als der nicht ordnungsgemäßen Beurkundung zu suchen24 – ebenfalls nur zur Fehlerhaftigkeit, nicht dagegen zur Unwirksamkeit der Eintragung als solcher. Die Heilung nach § 242 I AktG kann auch während eines anhängigen Nichtigkeitsprozessen eintreten. Sie hat dann zur Folge, dass der Nichtigkeitsgrund nach § 242 Nr. 2 AktG entfällt.25 Allerdings beschränkt sich die Wirkung nur auf den Nichtigkeitsgrund des Beurkundungsmangels. Leidet der Beschluss auch an anderen Nichtigkeitsmängeln oder ist ein Beschluss des eingetragenen Inhalts überhaupt nicht gefasst und auch nicht wirksam festgestellt worden, so behebt § 242 I AktG diese Mängel nicht.26 Fragt man nach der Legitimation der Wirkungen dieser Vorschrift, so findet sich wie für § 242 II AktG der Hinweis auf die Herstellung von Rechtssicherheit als gesetzgeberisches Leitmotiv. Indessen ist nicht frei von Zweifeln, ob es sich bei der Eintragung des nach § 130 AktG i. V. m. § 125 S. 1 BGB formnichtigen Beschlusses tatsächlich um eine Heilung im oben genannten (engeren) Sinne handelt. So verweist Zöllner darauf, die Heilung des formnichtigen Be22 Vgl. § 14 AktG (Sitz der Gesellschaft), bei Sitzverlegung kommt es auf den neuen Gesellschaftssitz an (§ 45 II 4 AktG); vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 242 Rn. 2; K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 242 Rn. 6. 23 K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 242 Rn. 5. 24 Vgl. Hüffer, in Geßler, AktG, § 242 Rn. 5; Casper in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 242 Rn. 6. 25 K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 242 Rn. 6 f. 26 K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 242 Rn. 7; Zöllner, in KölnKomm AktG, § 242 Rn. 18; Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 242 Rn. 3; a. A. Casper in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., Rn. 6.
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schlusses rechtfertige sich daraus, dass der Formzweck mit der Eintragung ins Handelsregister erfüllt und ein Fortbestehen der Nichtigkeit daher nicht veranlasst sei. Grundgedanke der sofortigen Heilung sei, dass die Handelsregistereintragung die fehlende oder fehlerhafte notarielle Beurkundung voll zu ersetzen vermöge.27 Dies unterstellt, würde die Heilung auf der nachträglichen Herstellung der gesetzlichen Wirksamkeitsbedingung, mithin der Beseitigung des Mangels beruhen. Dem wird zwar teilweise mit dem Hinweis widersprochen, dass dem Formerfordernis des § 130 AktG streng genommen nicht nachträglich genügt werden könne.28 Ausschlaggebend ist aber, dass sowohl dieses wie die Registrierung der Sicherstellung der Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen an die Beschlussfassung dient. Wegen dieser Übereinstimmung des Regelungszwecks spricht vieles dafür, den sofortigen Eintritt der Heilung nach § 242 I AktG, wenn auch nicht durch „Nachholung“ im strengen Sinne, so doch als zusätzliche, die fehlende Beurkundung obsolet erscheinen lassende Kontrolle anzusehen. Da sie zur Beseitigung des Mangels führt, liegt allerdings keine Heilung i. S. d oben genannten Begrifflichkeit vor. 2. Heilung durch Handelsregistereintragung und Verstreichen der Dreijahresfrist (§ 242 II 1 AktG) Handelt es sich bei § 242 I AktG nicht um einen Fall der Heilung im engeren Sinne, tritt eine solche gem. § 242 II 1 AktG nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des Ablaufs einer dreijährigen Frist, beginnend mit dem Eintragungstag, ein.29 Diese verlängert sich gemäß § 242 II 2 AktG, wenn vorher eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit rechtshängig wird, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung hierüber. Im Gegensatz zur Ablaufhemmung und Unterbrechung ist damit im Regelfall die Dauer des Gerichtsverfahrens maßgeblich. Mit seiner Beendigung später als drei Jahre nach der Eintragung tritt zeitgleich Heilung ein. Grundgedanke der Vorschrift des § 242 II AktG ist, dass durch die Eintragung im Handelsregister Rechtssicherheit eintreten soll, wenn nicht binnen einer längeren Frist die Nichtigkeit durch gerichtliche Klage geltend gemacht worden ist.30 Die Argumentation berührt sich hier mit den Überlegungen zur Rechtfertigung der LfG, was zeigt, das sich beide Institute nicht randscharf voneinander unterscheiden lassen.31 So weist bereits das ältere Schrifttum dar27 Zöllner, in KölnKomm AktG, § 242 Rn. 3; so auch Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 130 Rn. 1; Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 242 Rn. 2. 28 Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 50. 29 Vgl. zum Fristbeginn Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 242 Rn. 3; Göz in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 242 Rn. 4; Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 242, Rn. 6. 30 Zöllner, in KölnKomm AktG, § 242 Rn. 3; Casper in Spindler/Stilz, 2. Aufl., § 242 Rn. 4; Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 242 Rn. 1; Schwab im K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 242 Rn. 1; Göz in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 242 Rn. 1. 31 S. u. § 17 A. I. zu deren Begründungsansätzen.
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auf hin, dass auch dem nichtigen Rechtsgeschäft faktische Wirkung zukomme. Das Gesetz ordne zwar die Wirkungslosigkeit an, gleichwohl sei der nichtige Vertrag oder Beschluss „in der Welt“.32 Die beteiligten Verkehrskreise gingen auch regelmäßig von einer wirksamen Rechtsquelle aus, und zwar zum einen, weil die Nichtigkeit häufig nicht erkennbar sei, zum anderen, weil den Beschlüssen nach der formellen und materiellen Prüfung ihrer Wirksamkeit durch den Registerrichter eine gesteigerte Publizität zukomme. Es entstehe ein Konflikt zwischen der gesetzlichen Norm – die dem Rechtsgeschäft die Wirksamkeit nicht zuerkenne – und dem faktischen Zustand, der von dessen Wirksamkeit ausgehe. Ihn löse der Gesetzgeber mittels einer generellen, abstrakten Interessenabwägung zugunsten des Letzteren, wobei er – im Gegensatz zur LfG – zugrunde lege, dass bei einem Unterbleiben der Geltendmachung über einen Zeitraum von drei Jahren das Interesse der Rechtsklarheit gegenüber dem an konsequenter Durchsetzung der Normativbedingung dauerhaft überwiege. Entscheidend ist danach, dass derjenige, der sich auf die Nichtigkeit berufen möchte, zu einer gerichtlichen Klage binnen einer bestimmten Frist gezwungen wird. Daran zeigt sich, dass – im Gegensatz zur LfG – der dauerhafte Bestandserhalt seiner Rechtsnatur nach, stark derjenigen einer Präklusion durch Fristablauf ähnelt und sich das Wesen der Heilung von der Rechtslage bei den Anfechtungsgründen (§ 246 I AktG) nur durch die Dauer der Frist unterscheidet.33 Auch aus den Materialien geht hervor, dass die Heilung nach § 242 II AktG als eine Befristung der Nichtigkeitsklage angesehen wurde.34 3. Heilung durch Genehmigung (§ 242 II 4 AktG) Ist ein Hauptversammlungsbeschluss wegen Verstoßes gegen § 121 II nach § 241 Nr. 1 AktG nichtig, so kann die Nichtigkeit nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der nicht geladene Aktionär den Beschluss genehmigt (§ 242 II 4 AktG). Diese, für die so genannte kleine AG, geschaffene Regelung orientiert sich an der Rechtslage im GmbH-Recht. Der Sache nach nähert sich der Nichtigkeitsgrund des § 241 Nr. 1 AktG in diesem Fall einem Unwirksamkeitsgrund.35 Die ordnungsgemäße Ladung kann als Wirksamkeitsbedingung für die in der Hauptversammlung zu fassenden Beschlüsse durch die Geneh32 Kipp, in Winscheid, Pandektenrecht, S. 424 (bei Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 74). 33 So Zöllner, in KölnKomm AktG, § 242 Rn. 3; zu den sich daraus möglicherweise ergebenden Konsequenzen sogleich unter IV. sowie C III. 34 So sah der 1. Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften (1930) „von einer zeitlichen Begrenzung der Geltendmachung der Nichtigkeit“ als Heilungsregelung ab, auszugsweise bei Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 17. Dort auch zur Rechtsnatur als Fristenregelung S. 146 f. 35 Vgl. K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 242 Rn. 17, der von einem Unwirksamkeitsgrund ausgeht.
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migung des übergangenen Gesellschafters ersetzt werden. Anders als bei den entsprechenden Wirksamkeitsvorbehalten des bürgerlichen Rechts und des Verbandsrechts, aber wie gesehen auch im Fall der Heilung der fehlenden oder nicht ordnungsgemäßen Beurkundung des Beschlusses durch Eintragung (§ 242 I AktG), erfolgt zwar keine Nachholung des vom Gesetz geforderten Verhaltens. Der Konflikt zwischen den Wirksamkeitsdefiziten der Hauptversammlung und der Anerkennung der darauf gefassten Beschlüsse wird aber durch einen in das Belieben des übergangenen Gesellschafters gestellten Verzichts gelöst. Es handelt sich ebenfalls nicht um einen Fall der Heilung im ursprünglichen Sinne. 4. Heilung durch Eintragung und Rechtsausübung (§§ 185 III, 198 III AktG) Eine besondere tatbestandliche Anknüpfung besteht für die Heilung des nichtigen Zeichnungsscheins (§ 185 III AktG) und der nichtigen Bezugserklärung (§ 198 III AktG). Hinsichtlich der Zeichnung bedarf es der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung.36 Ferner ist erforderlich, dass der Zeichner auf Grund des Zeichnungsscheins als Aktionär Rechte ausgeübt oder Verpflichtungen erfüllt hat. Bei Bezugsaktien, die ungeachtet der Nichtigkeit einer Bezugserklärung ausgegeben werden, kann sich der Erklärende auf die Nichtigkeit ebenfalls nicht mehr berufen, wenn er aufgrund der Bezugserklärung als Aktionär Rechte ausgeübt oder Verpflichtungen erfüllt hat. Zur Begründung dieser Regelung wird zum Teil auf den Gedanken der Verkehrssicherheit verwiesen.37 Andere verstehen die §§ 185 III, 198 III AktG als eine dem Korporationsrecht angepasste Ausprägung des Verbots des venire contra factum proprium.38 Augenscheinlich besteht hier wiederum ein Berührungspunkt mit der LfG. So weisen die Anforderungen an die Rechtsausübung bzw. die Erfüllung der Aktionärspflichten erkennbare Übereinstimmungen mit dem von ihr vorausgesetzten Merkmal des einvernehmlichen Vollzuges auf.39 Im Übrigen lässt sich aus dem speziellen Fall des Umgangs mit Wirksamkeitsdefizite der Zeichnungserklärung nichts herleiten. 5. Vollzug als zusätzliches Erfordernis? Hinsichtlich der Heilungsvoraussetzungen lässt sich die Frage stellen, ob es über die gesetzlichen Voraussetzungen hinaus auch eines Vollzugs des Beschlusses bedarf. Stein vertritt dahingehend den Ansatz, dass § 242 AktG als 36
Vgl. Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. § 242 Rn. 22 zur entsprechenden Anwendung des § 242 AktG bei anderen Fällen der Eintragung der Maßnahme statt des Beschlusses. 37 Wiedemann, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 185 Rn. 2 u. 66. 38 So Lutter, in KölnKomm AktG, § 185 Rn. 60. 39 S. u. § 18 B. I. 2.
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ungeschriebenes Merkmal den Vollzug der Maßnahme voraussetzt.40 Ausgangspunkt ist die Unterscheidung zwischen vollzogenen Beschlüssen und solchen, die lediglich die Ermächtigungsgrundlage für zukünftiges Handeln bilden, wozu exemplarisch die Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital genannt wird. Begründet wird die Verbindung der Heilungswirkung mit dem Vollzug mit einer verfassungskonformen teleologischen Reduktion des § 242 II AktG. Die Anwendung der Norm auf noch nicht vollzogene Satzungsnormen sei unverhältnismäßig, da der Normkonflikt einseitig zugunsten der Gesellschaft entschieden werde, obwohl der Individualrechtsschutz keine unerträglichen Folgen hätte.41 Zudem folge die Notwendigkeit des Vollzugs auch aus einer spiegelbildlichen Anwendung der LfG. Sie dränge Nichtigkeitsfolgen nur in dem Maße zurück, wie es das Bestandsinteresse der Gesellschaft erfordere.42 Diese Auffassung ist in der Lehre einhellig auf Kritik gestoßen.43 Sie besteht im Kern in der Weigerung, den Regelungszweck der Heilung nur auf die Vermittlung von Bestandsschutz zu reduzieren. Vielmehr verfolge die Norm auch die Sicherung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Einer überschießenden Tendenz der Heilungswirkung sei durch die in § 242 II 3 AktG vorgesehene Möglichkeit zur Amtslöschung vorgebeugt. Das verdient in der Sache Zustimmung, erstens, weil die Gelegenheit zur Nichtigkeitsfeststellung mit der Dreijahresfrist ausreichend bemessen scheint und zweitens der, der Heilungswirkung gegenüber gestellte, Individualschutz des Mitglieds von § 241 AktG ohnehin nur sehr begrenzt Berücksichtigung findet. Vor allem aber trifft zu, dass die Sicherung der Rechtssicherheit nicht nur die vollzogenen rechtlichen Verhältnisse betrifft (also der Vermeidung von Rückabwicklungsschwierigkeiten dient), sondern auch ihre zukünftigen Rechtsverhältnisse erfassen muss (weil diese für die Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen bereits im Vorfeld Bedeutung haben). Sowohl im Innenverhältnis wie im Außenverhältnis besteht ein Bedürfnis dafür, über die Beachtlichkeit von Vorratsbeschlüssen spätestens nach Ablauf der Dreijahresfrist Klarheit zu haben. Im Übrigen ist sehr zweifelhaft, ob der Ansatz Steins nicht schon daran scheitert, dass der Beschluss bereits mit Eintragung als „vollzogen“ angesehen werden muss. Diese Frage stellt sich auch für die LfG.44
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Vgl. Stein, ZGR 1994, 478 ff. Vgl. Stein, ZGR 1994, 478, 483 ff. 42 Vgl. Stein, ZGR 1994, 478, 485 f. 43 Vgl. Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 222 ff.; K. Schmidt, AG 1996, 385, 388; Schultz, Mängel von Organisationsakten (1997), S. 216. 44 Dazu § 17 B. III. 2. 41
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6. Zwischenergebnis Für den Begriff der Heilung ist der Fortbestand des Wirksamkeitsdefizits von prägender Bedeutung. Betrachtet man den Umgang mit Mängeln der Form in §§ 242 I AktG, 20 I Nr. 4 UmwG als funktionelle Nachholung der Normativbedingungen und den Fall des § 242 II 4 AktG als Verzicht hierauf, liegt hierin keine Heilung im engeren Sinne. Im Übrigen lässt das Gesetz die Handelsregistereintragung allein für die Heilung nicht genügen. Das gibt Anlass zu der Frage, weshalb es bei § 20 II UmwG anders sein soll, also auf weitergehende Voraussetzungen verzichtet wird. Bevor ihr nachzugehen ist, sollen die Rechtsfolgen der Heilung betrachtet werden. III. Rechtsfolgen der Heilung Das Gesetz beschreibt die Rechtsfolgen der Heilung in § 242 AktG in der Weise, dass „die Nichtigkeit nicht mehr geltend gemacht werden (kann)“. Einigkeit besteht insoweit zur Wirkung des § 242 I AktG: Da es hier an einem Vorbehalt der Amtslöschung nach §§ 144 II FGG/398 FamFG fehlt, erlangt der Beschluss umfassende Gültigkeit.45 Umstritten ist dagegen die Rechtsfolge des § 242 II AktG. Hier werden im Wesentlichen zwei Ansätze vertreten. 1. Relative Wirkung? Nach der älteren, zur Bestimmung der wortgleichen Vorläuferbestimmung des § 196 AktG 1937 vertretenen Auffassung folgt auch für § 242 II AktG eine Beschränkung des Kreises der Personen, die sich auf die Nichtigkeit des Beschlusses berufen können sowie des Verfahrens, in dem dies geschieht.46 „Geltend gemacht“ werden kann sie danach nur noch durch das Registergericht, dessen Befugnis zur Amtslöschung bei Mängeln nach § 241 Nr. 1, 3 u. 4 AktG trotz Ablauf der Dreijahresfrist fortbesteht (§ 242 II 3 AktG), nicht hingegen von den Gesellschaftern und ebenso wenig von Dritten, namentlich den Gläubigern.47 Abweichend hiervon findet sich für die entsprechende Anwendung des § 242 II AktG im GmbH-Recht allerdings der Standpunkt, dass sich die Heilung auf das Innenverhältnis der Gesellschafter beschränke, Dritten gegenüber aber keine Wirkung entfalte.48 Damit soll erreicht werden, dass Vereinbarungen der Gesellschafter, die direkt oder indirekt zu Lasten der Gesell45 So wohl auch diejenigen, die dies für § 242 II AktG bestreiten, vgl. etwa Schlegelberger/ Quasowski, AktG, § 196 Anm. 3. 46 Baumbach/Hueck, AktG, § 242 Rn. 2; Mestmäcker, BB 1961, 945, 948; Schlegelberger/ Quasowski, AktG, § 196 Anm. 3 m. 3a; aus dem neueren Schrifttum Cahn, JZ 1997, 8, 11; Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 150 Fn. 2 m. w. N. 47 Vgl. Schlegelberger/Quasowski, AktG, § 196 Anm. 3; ähnl. Baumbach/Hueck, AktG, § 196 Anm. 3a. 48 Ulmer, in Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 54 Rn. 103.
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schaftsgläubiger gehen, diesen nicht entgegengehalten werden können.49 Im Ergebnis hat dies für die GmbH eine relative Heilungswirkung zur Folge.50 Für die AG findet sich im Schrifttum zwar kein vergleichbarer Vorbehalt zugunsten gesellschaftsfremder Personen. Auch hat die Rechtsprechung – soweit sich ihr der Gedanke einer lediglich relativen Wirkung des § 242 AktG überhaupt entnehmen lässt – darin zum Ausdruck gebracht, dass der Beschluss in Hinblick auf die Gläubiger gleichermaßen verbindlich und allein im Verhältnis zum Registergericht als nicht geheilt anzusehen ist.51 Andererseits hat das Argument für eine Relativität der Heilungswirkung rechtsformübergreifenden Charakter,52 beruht es doch allein auf dem Umstand, dass Dritte wie Gläubiger oder Arbeitnehmer der Gesellschaft nicht befugt sind, Nichtigkeitsklage gemäß § 249 AktG zu erheben. Da es sich bei dem Beschluss aus ihrer Sicht um ein Drittrechtsverhältnis handelt, ist auch die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 I ZPO nur bei Vorliegen eines besonderen Feststellungsinteresses zulässig.53 In der Konsequenz fehlt ihnen damit nicht nur die Möglichkeit, die Nichtigkeit mit Wirkung inter omnes feststellen zu lassen (§§ 249, 248 AktG). Eine Feststellung inter partes scheidet als Mittel zur Verhinderung der Geltung des Beschlusses ebenfalls im Regelfall aus. 2. Herstellung der Gesetzmäßigkeit Die Zweifel an der relativen Wirkung der Heilung veranlassen Schrifttum und Rechtsprechung54 heute überwiegend zu der Auffassung, dass die Heilungswirkung in einer Umgestaltung der materiellen Rechtslage i. S. e. gesetzmäßigen Zustands besteht. Mit Eintritt der Heilungsvoraussetzungen erlangen die von der Hauptversammlung gewollten Rechtsfolgen volle Wirk-
49 Beispiel: Ein in sittenwidriger Weise beschränkter Abfindungsanspruch soll auch nach Ablauf der Dreijahresfrist bei der Pfändung noch in voller, durch ergänzende Vertragsauslegung zu ermittelnden Höhe geltend zu machen sein (Ulmer, in Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 54 Rn. 104). 50 Vgl. auch Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 158. 51 Vgl. zu der dahingehenden Anerkennung einer Relativ-Wirkung in der Rechtsprechung BGHZ 80, 212, 216. 52 Insbesondere lässt sich m. E. nicht auf den in anderem Zusammenhang vielfach bemühten Umstand der Weisungsunabhängigkeit des Vorstands und seiner Beschlusskontrollbefugnisse (§ 249 I 2. Alt. AktG) zurückgreifen. In der Kommentarliteratur ist kein einziger Fall einer Nichtigkeitsklage durch den Vorstand einer AG erwähnt. 53 Vgl. dazu Bork, ZGR 1991, 125, 128 f.; Jacobs, Gegenstand der Feststellungsklage (2005), S. 272 ff. 54 Vgl. BGH NJW 1989, 904, 905: „daß sich eine Versäumung der Frist für die Nichtigkeitsklage rechtsändernd, nämlich heilend auswirkt …“; ferner BGHZ 99, 211, 216, wo der Senat davon spricht, dass der Kläger den Beschluss als gesetzmäßig hinzunehmen habe; ausführliche Interpretation der Wortwahl u. w. N. bei Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 142 ff.
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samkeit.55 Die Berufung Dritter auf die Nichtigkeit ist umfassend ausgeschlossen.56 Für das Mitglied ist sowohl die Nichtigkeitsklage wie die einredeweise Geltendmachung der Nichtigkeit (vgl. § 249 I 2 AktG) ausgeschlossen.57 Die Heilungswirkung beschränkt sich aber nicht nur darauf, sondern sie umfasst die (volle) Gesetzmäßigkeit des Beschlusses.58 Sie hat zum einen die Verpflichtung der Gesellschaftsorgane zur Vornahme gegebenenfalls erforderlicher Ausführungsmaßnahmen zur Folge.59 Die Organhaftung ist zwar nicht notwendigerweise ausgeschlossen (§ 93 IV 1 AktG). Der Vorwurf der Pflichtwidrigkeit kann allerdings nicht in Bezug auf die Ausführung, sondern lediglich die Herbeiführung des fehlerhaften Beschlusses und das Unterlassenen seiner Beseitigung erhoben werden.60 Die Vorzugswürdigkeit dieser Auffassung lässt sich namentlich in dreifacher Weise begründen: Erstens mit den betroffenen Nichtigkeitsgründen des § 241 Nr. 3 u. 4 AktG. Danach kann ein zur Nichtigkeit führender Verstoß gegen das Wesen der Aktiengesellschaft i. S. d. § 241 Nr. 3 1. Alt. AktG darin begründet liegen, dass der Beschluss in unentziehbare Mitgliedschaftsrechte eingreift oder mit der Kompetenzordnung der AG unvereinbar ist.61 Ihre Wahrung lässt sich von den öffentlichen Interessen und dem Schutz der Gläubiger – beiden verpflichten sich § 241 Nr. 3 durch die 2. u. 3. Alt. AktG zudem eigenständig – nicht immer konsequent trennen.62 Zweitens ergibt sich die um55 Vgl. Geßler, AktG, § 242 Rn. 2; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., 2.C Rn. 127; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 242 Rn. 7; Semler, in Münchener HdB GesR, Bd. 4, 2. Aufl., § 41 Rn. 42, K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 242 Rn. 13; Wiedemann, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 181 Rn. 54; Zöllner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 242 Rn. 44; so im Ergebnis auch Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 153, dort auch S. 142 Fn. 7 m. w. N. 56 Zöllner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 242 Rn. 39, 44. 57 Zöllner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 242 Rn. 44. 58 Vgl. BGHZ 99, 211, 216; K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 242 Rn. 13. 59 Vgl. K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 242 Rn. 13; Zöllner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 242 Rn. 46; eingehend Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 171 f. 60 Vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 242 Rn. 7; Zöllner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 242 Rn. 46; zur fehlenden Entlastungswirkung des § 93 IV 1 auch Mertens, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 93 Rn. 58; teilw. abw. Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 188 f. Allerdings wirkt das nicht recht schlüssig, was sich an der im Schrifttum zu findenden Einschränkung ablesen lässt, wonach ein Sorgfaltsverstoß allerdings kaum bejaht werden könne, wenn das Registergericht die Eintragung in Kenntnis ihm von der Verwaltung zugetragener Bedenken eingetragen oder die Löschung nicht veranlasst habe. 61 Vgl. Zöllner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 242 Rn. 416; ferner LG Stuttgart, AG 1992, 236, 237 f. 62 Die überwiegende Ansicht sieht die Nichtigkeit wegen Wesensverstoßes deswegen im Grundsatz allein mit der Verletzung von Vorschriften begründet, die überwiegend im öffentlichen Interesse bestehen. Ihr komme Auffangfunktion für Verstöße gegen Grundgedanken des Aktienrechts zu, die aber regelmäßig im aktienrechtlichen ordre public (dem öffentlichen Interesse) aufgingen (Hüffer, MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 241 Rn. 48; vgl. auch Schilling, in Großkomm AktG, 4. Aufl. Anm. 18, mit der Schlussfolgerung, dass man auf diesen Nichtig-
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fassende Drittwirkung der Heilung durch die fortbestehende Befugnis zur Amtslöschung. Denn diese setzt voraus, dass die Beseitigung des Beschlusses in öffentlichem Interesse erforderlich erscheint, was nur der Fall sein kann, wenn die Heilungswirkung dem zuwider eintreten kann. Anderenfalls würde es auch hier an einem Bedürfnis für die Löschung fehlen und die Löschung wäre insoweit kein rechtsgestaltender, sondern allein deklaratorischer Akt der Registerpublizität. Das entspricht aber weder dem Zweck des Vorbehalts des § 242 II 3 AktG noch den Voraussetzungen der §§ 144 II FGG a. F./395 FamFG – denn die Amtslöschung knüpft an die tatsächliche Beeinträchtigung öffentlicher Interessen an, sie ist kein bloßer Akt zur Wiederherstellung der Registerwahrheit. Drittens lässt sich Bestandsschutz nicht nach Innenverhältnis und Außenverhältnis aufspalten.63 Diese Erkenntnis dringt im Rahmen der LfG zunehmend dort ins Bewusstsein, wo deren Wirkung unter Hinweis auf vorrangige öffentliche Interessen in Frage gestellt wird.64 IV. Materielle Präklusion Die Erkenntnis, dass die Heilung trotz Fehlens der an sich erforderlichen Normativbedingung Gesetzmäßigkeit nach sich zieht, veranlasst dazu, nach der Bedeutung der materiellen Präklusion von Beseitigungsrechten zu fragen, genauer danach, ob diese Voraussetzung für die durch die Handelsregistereintragung vermittelte Heilung ist. Denn charakteristisches Merkmal der Heilung durch Zeitablauf ist der damit einhergehende Verlust der gegen die Maßnahme gerichteten Abwehrrechte. Dieser Umstand trat in der historischen Debatte deutlicher hervor als heute, weil die Beteiligten hier zunächst von einer bloßen Befristungsregelung ausgingen (welche man zunächst als grundsatzwidrig erachtete). In der Rechtsprechung ist sie noch teilweise erkennbar.65 Die Heilung ist mit der materiellen Präklusion aber nicht nur eng verwandt,66 vielmehr ist diese augenscheinlich deren notwendige Prämisse. Das deutet darauf hin, dass sich die Weichenstellung zwischen der vorläufigen Bestandssicherung (bis zur Nichtigerklärung) und der dauerhaften Bestandssicherung (in die Zukunft) danach richtet, ob und welche gegen die einzutragende Maßnahme gerichteten negatorischen Rechte das Gesetz ausschließt.67
63 keitsfall auch hätte verzichten können); Begründen Verletzungen der Mitgliedschaft nach überwiegender Auffassung keinen Wesensverstoß i. S. d. § 241 Nr. 3 AktG, besteht für eine Heilung kein Bedürfnis. Nimmt man die Verletzung von Drittinteressen von der Heilung aus, so wäre § 242 II AktG umgekehrt seines wesentlichen Anwendungsbereichs beraubt. 63 Vgl. auch Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 40; Gegenposition bei Paschke, ZHR 155 (1991), 1, 19 ff. 64 Vgl. Schäfer, Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 257 ff. 65 BGH NJW 1989, 904, 905 spricht von Versäumung der Frist für die Nichtigkeitsklage. 66 Zöllner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 242 Rn. 3. 67 Dazu u. C. III.
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
V. Zwischenergebnisse Die Heilung bezeichnet begrifflich im engeren Sinne das Wirksamwerden des bislang nichtigen Rechtsgeschäfts ohne Beseitigung des Nichtigkeitsgrunds. Die Heilung führt damit nicht zur Herstellung, aber der Anerkennung des Beschlusses als gesetzmäßig. Im bürgerlichen Recht findet sie in begrifflich erweiterter Form auch dann Verwendung, wenn die Nichtigkeit auf einem Wirksamkeitsdefizit beruht und dieses nachträglich beseitigt wird. Das Aktienrecht knüpft die Heilung nichtiger Beschlüsse stets an deren Eintragung im Handelsregister. Im Weiteren differenziert es nach dem Grund der Nichtigkeit. Bei der fehlenden oder fehlerhaften notariellen Beurkundung i. S. d. § 241 Nr. 2 AktG tritt die Heilung allein aufgrund der Eintragung ein. Allerdings ist zweifelhaft, ob sich das Wirksamwerden des Beschlusses tatsächlich als Heilung i. e. S. verstehen lässt, da der Formmangel des § 241 Nr. 2 AktG wegen der weitgehenden Übereinstimmung der Funktionen von notarieller Beurkundung und Handelsregistereintragung nur noch eingeschränkt Bedeutung hat. Ähnliches gilt für die Heilung von Einberufungsmängeln durch Genehmigung der übergangenen Aktionäre. Die Heilung von Einberufungsmängeln (§ 241 Nr. 2 AktG) und Inhaltsmängeln (§ 241 Nr. 3 u. 4 AktG) erfordert neben der Eintragung den Ablauf einer dreijährigen Frist, welche sich im Falle der Erhebung einer Nichtigkeitsklage bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens verlängert. Grundlage der Heilung ist hier, dass die Beteiligten über längere Zeit Gelegenheit gehabt haben, die Nichtigkeit des Beschlusses geltend zu machen. Die Heilung beinhaltet die materielle Präklusion gegen sie gerichteter negatorischer Rechte und wirkt erga omnes. Anders als bei der Bestandsschutzgewährung nach der LfG ist die tatsächliche Vollziehung neben der Registereintragung nicht zusätzlich erforderlich.
B. Einordnung der §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG Die vorstehenden Überlegungen haben gezeigt, dass das Gesetz die Heilung von mangelhaften Beschlüssen, verstanden als die Herstellung ihrer Gesetzmäßigkeit ohne Beseitigung des ihnen anhaftenden Wirksamkeitsdefizits allein aufgrund der Handelsregistereintragung nur in einem Fall vorsieht (§ 242 I AktG), im Übrigen aber zusätzlich auf das Unterbleiben einer Geltendmachung der Nichtigkeit innerhalb dreijähriger Frist abstellt (§ 242 II AktG). Im Folgenden ist zu prüfen, ob und auf welcher Grundlage die §§ 20 I Nr. 4, 131 I Nr. 4, 202 III UmwG ebenfalls als Heilungsnormen anzusehen sein können. Zweifel bestehen dabei insoweit als fraglich ist, wie allein an die Eintragung sich diese Rechtsfolge zu legitimieren vermag.
§ 14 Eintragungsbestandsschutz (§§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG)
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I. Heilbarkeit von Satzungsänderungen Bezweifeln lässt sich bereits, ob Strukturänderungen wegen ihres satzungsändernden Charakters überhaupt der Heilung zugänglich sind. Nach einer, namentlich von Säcker,68 vertretenen Position fallen satzungsändernde Beschlüsse nicht in den Anwendungsbereich des § 242 AktG. Sie stützt sich zum einen auf die Feststellung, dass der Wortlaut der Vorschrift dies nicht vorsehe; zum anderen darauf, dass die Gesellschaft sonst gegen den im Drittinteresse bestehenden Grundsatz der Satzungsstrenge verstoßen könne. Entgegen § 23 V AktG würde hierdurch eine gewisse Dispositivität des sonst zwingenden Aktienrechts hergestellt und auf ewig sanktioniert. Die fortbestehende Möglichkeit zur Amtslöschung bilde dagegen kein ausreichendes Korrektiv.69 Zudem stünde die Heilbarkeit einer nichtigen Satzungsbestimmung in einem Wertungswiderspruch zu ursprünglichen Satzungsbestandteilen, welche, da sie nicht auf einem Beschluss beruhen, keiner Heilung unterlägen.70 Dieser Auffassung sind die überwiegende Stellungnahmen im Schrifttum71 und die Rechtsprechung zunächst für die Satzungsänderung72 und jüngst auch für die Heilung der Ursprungssatzung73 nicht gefolgt. Dabei hat der BGH zunächst die Bedenken gegen eine weniger strenge Behandlung der nichtigen Satzungsänderung gegenüber der gegen § 23 V AktG verstoßenden Urfassung der Satzung zurückgewiesen und auf das Bedürfnis nach Rechtssicherheit abgestellt. Anders als die Kritik hat er dabei auch die Möglichkeit der Amtslöschung als geeignetes und augenscheinlich ein der Gründungskontrolle vergleichbares Instrument angesehen, womit sichergestellt werde, dass die Gesellschaft nicht uneingeschränkt mit einer gegen wesentliche Bestimmungen verstoßenden Satzung leben dürfe. Sodann hat der BGH in jüngerer Zeit und ebenfalls unter Betonung des Aspekts der Rechtssicherheit die Heilung der Ursprungssatzung durch entsprechende Anwendung des § 242 II AktG zugelassen.74 Dem ist – auch wenn mit der Möglichkeit zur Amtslöschung in der Praxis kaum Staat zu machen ist – zuzustimmen. Für die Geltung des § 242 II AktG für Satzungsänderungen und seine analoge Anwendung auf die Ursprungssatzung sprechen neben den genannten Überlegungen, dass das Gesetz nach zutreffender Auffassung nicht jeden inhaltlichen Verstoß gegen zwingendes Recht nach § 241 Nr. 3 AktG der Nichtigkeit unterwirft, sondern nur einen 68 Säcker, in FS Stimpel (1985), S. 867, 884; ders., JZ 1980, 82, 84; ähnlich auch Würdinger, Aktienrecht, 4. Aufl., § 10 II 1d), S. 41 f. 69 Säcker, in FS Stimpel (1985), S. 867, 884; krit. auch Stein, ZGR 1994, 472, 478. 70 Säcker, in FS Stimpel (1985), S. 867, 884; ders., JZ 1980, 82, 84. 71 Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 199 ff.; Geßler, ZGR 1980, 427, 453; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 242 Rn. 7; K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 242 Rn. 8; Zöllner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 242 Rn. 23. 72 BGHZ 99, 211, 217 f. 73 BGHZ 144, 365, 367 f.; dazu Schwab in K. Schmidt/Lutter AktG, 2. Aufl., § 242 Rn. 24. 74 BGHZ 144, 365, 368.
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
solchen, der eine Verletzung von vorwiegend im Drittinteresse bestehenden Normen beinhaltet. Anderenfalls wäre die Nichtigkeit des gesetzeswidrigen Beschlusses die regelmäßige Folge und nicht die Ausnahme. Damit nimmt es zugleich einen – wenn auch begrenzten – Verzicht auf den Grundsatz der Satzungsstrenge für spätere Änderungen in Kauf. Da es sich zudem bei der Satzungsänderung um den wesentlichen Anwendungsfall eines von § 242 II AktG vorausgesetzten (und zugleich allein dafür vorgesehenen) eintragungsbedürftigen Beschlusses handelt, gilt überdies, dass sie anderenfalls weitgehend bedeutungslos wäre.75 Im Ergebnis steht der satzungsändernde Charakter des der Strukturveränderung zugrunde liegenden Beschlusses daher einer Heilung im Ansatz nicht entgegen. II. Gesetzeswortlaut Der Wortlaut der gesetzlichen Regelungen der §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG, wonach Mängel der Verschmelzung bzw. der Spaltung oder des Formwechsels die „Wirkungen der Eintragung“ unberührt lassen, klingt auf den ersten Blick nach einer präzisen Umschreibung derjenigen Wirkungen, wie sie nach dem oben Gesagten einer Heilung im engeren Sinne entsprechen: Die Rechtsfolgen der Strukturmaßnahme erlangen Gültigkeit, obwohl diese wegen eines Mangels des ihr zugrunde liegenden Beschlusses oder eines sonstigen Wirksamkeitsdefizits – das Gesetz spricht von Mängel(n) der Verschmelzung, also der Maßnahme in ihrer Gesamtheit – fehlerhaft ist und dieser nicht behoben wird. Zugleich ist mit den „Wirkungen der Eintragung“ klargestellt, dass es sich um die in den §§ 20 I Nr. 1-3, 131 I Nr. 1-3, 202 I Nr. 1 u. 2 UmwG aufgeführten rechtlichen Folgen der Strukturänderung und nicht etwa rein faktische „Wirkungen“ i. S. v. Vollzugsmaßnahmen handelt. Der hier entscheidende Gesichtspunkt der zeitlichen Dauerwirkung tritt allerdings weniger deutlich hervor. Hierfür fehlt es an einer entsprechenden Ergänzung der Umschreibung der Rechtsfolge durch eine Formulierung wie etwa „Mängel der Verschmelzung pp. lassen die Wirkungen der Eintragung dauerhaft unberührt“ oder „Mängel (…) lassen die Wirkungen endgültig unberührt“. Demgemäß lässt sich der von den Verfechtern der LfG gezogene Folgerung, das Gesetz bestätige allein den Eintritt der konstitutiven Wirkung der Eintragung, nicht dagegen ihren Fortbestand,76 aus dem Wortlaut nichts entgegenhalten.
75 So auch Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 200 f.; Zöllner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 242 Rn. 23. 76 Kübler in Semler/Stengl, UmwG, 2. Aufl., § 20, Rn. 85 f.
§ 14 Eintragungsbestandsschutz (§§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG)
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III. Entstehungsgeschichte und Begriff der „Entschmelzung“ Die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 20 II UmwG verweist zunächst auf die „allgemeine Tendenz, gesellschaftsrechtliche Akte möglichst zu erhalten“. Sodann heißt es: „Zudem ist eine „Entschmelzung“ im Sinne einer Rückübertragung jedes einzelnen Vermögensgegenstandes auch praktisch nicht möglich. Die durch das Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz eingeführte Vorschrift des § 352a solle deshalb für alle Verschmelzungen gelten.“77
Diese Umschreibung der Wirkung des § 20 II UmwG lässt unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten zu. Die „Rückübertragung jedes einzelnen Vermögensgegenstands“ weist daraufhin, dass der Gesetzgeber mit der „Entschmelzung“ den Ausschluss einer ex tunc bezogenen Abwicklung verbunden hat. Das entspricht durchaus dem Hintergrund der damaligen Regelungssituation. So wurde die „Entschmelzung“ vor der Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie durch die Vorgängerregelung des § 352a AktG a. F. als Rückabwicklung ex tunc verstanden.78 Dem lag die Annahme zugrunde, dass die Eintragung der fehlerhaften Verschmelzung keinerlei Wirkung hatte, so dass die übertragende Gesellschaft nur scheinbar erloschen, deren Vermögen nur scheinbar im Ganzen auf die übernehmende Gesellschaft übergegangen und – bei der Verschmelzung durch Neugründung – die übernehmende Gesellschaft nur scheinbar entstanden war.79 Im Anschluss daran hat sich zu § 352a AktG a. F. ein Verständnis entwickelt, wonach es sich bei der „Entschmelzung“ um einen actus contrarius zur Verschmelzung handele, also die ex nunc stattfindende Abwicklung durch Spaltung, Liquidation oder die Neuerrichtung unter (Einzel)einbringung des der aufnehmenden Gesellschaft fehlerhaft zugefallenen Vermögens.80 Die Motive zu § 352a AktG a. F. lassen jedoch gleichermaßen den Schluss zu, man habe nicht nur die Rückabwicklung ex tunc, sondern diese insgesamt überwinden wollen:81 „Art. 22 der Richtlinie schränkt die Möglichkeit, die Nichtigkeit oder Vernichtbarkeit einer Verschmelzung vorzusehen oder beizubehalten, stark ein. Es bleibt für das deutsche Recht lediglich der Fall, die Verschmelzung wegen Nichtigkeit eines Hauptver77
BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 91 f. Vgl. C. Schäfer, in FS K. Schmidt (2010), S. 1389, 1393ff. 79 Kiem, Die Eintragung der angefochtenen Verschmelzung (1991), S. 168 ff. m. w. N.; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 188; K. Schmidt, AG 1991, 131, 133. 80 Kiem, Die Eintragung der angefochtenen Verschmelzung (1991), S. 171 f.; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 188; K. Schmidt, AG 1991, 131, 134. 81 So zu verstehen wohl auch Priester, NJW 1983, 1459, 1465, der von einem „grundsätzlichen Wandel“ spricht; ferner Köhler, ZGR 85, 307, 324; zust. Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., Rn. 233. 78
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sammlungsbeschlusses für nichtig zu erklären. Diese Einschränkung (…) ist von deutscher Seite stets begrüßt worden, weil die zur Übertragung der verschmolzenen und in der Regel auch tatsächlich vermischten Vermögensmassen der Gesellschaften im Wege der „Entschmelzung“ auf große praktische und rechtliche Schwierigkeiten stößt, wenn nicht gar unmöglich ist. Deshalb ist schon während der Verhandlungen in der EG in Aussicht genommen und von den deutschen Wirtschaftskreisen begrüßt worden, die Nichtigkeit der Verschmelzung selbst nach deren Wirksamwerden ganz auszuschließen. (…) Diese kann auf zwei Gruppen von Gründen beruhen. Einmal kann sie auf Mängel derjenigen Rechtshandlungen zurückgehen, die für die Verschmelzung erforderlich sind (…), wie z. B. der Verschmelzungsvertrag und die Beschlüsse der Hauptversammlungen. Zum anderen kann aber auch etwa die Eintragung der Verschmelzung mit Mängeln behaftet sein. Beide Fälle sollen durch die neue Bestimmung erfaßt werden, so daß die Wirksamkeit der Verschmelzung nach der Eintragung nicht mehr fraglich sein kann.“82
Diese Ausführungen lassen an einem dauerhaften Ausschluss der Rückabwicklung keinen Zweifel, enthalten sie doch die für den Normtext geforderte, aber nicht darin zu findende Ergänzung. Denn wenn die Wirksamkeit der Verschmelzung nach der Eintragung „nicht mehr“ fraglich sein kann, so bedeutet dies „endgültig“. Dies bestätigt sich auch durch den Satz, die Nichtigkeit der Verschmelzung „ganz“ auszuschließen. Damit ist zugleich indiziert, dass die später für § 20 II UmwG gebrauchte Formulierung der „Einschränkung der Nichtigkeit“ keinen zeitlich begrenzten Vorgang bezeichnet, sondern eine Beseitigung dieser Rechtsfolge beinhaltet. Einen weiteren Hinweis hierfür bildet ferner der nachfolgende Zusatz: „Als Möglichkeit für die wirtschaftliche Rückabwicklung einer Fusion, die sich nachträglich als unzweckmäßig erweist, steht die Spaltung nach dem Dritten Buch dieses Gesetzes zur Verfügung.“83
Denn dieser Hinweis auf einen an sich völlig selbstverständlichen actus contrarius war nur dann notwendig, wenn an der dauerhaften Verfestigung der Verschmelzung im Übrigen kein Zweifel bestand. Anderenfalls hätte es seiner nicht bedurft. Die Begründung zum Formwechsel (§ 202 III UmwG) – Ausführungen zur Parallelvorschrift bei der Spaltung (§ 131 II UmwG) fehlen – deutet ebenfalls auf den Willen zur Schaffung einer endgültigen Regelung hin. Sie rechtfertigt dessen Bestandskraft nach § 202 III UmwG zunächst ebenfalls mit Bezug auf die „allgemeine Tendenz zur Erhaltung gesellschaftsrechtlicher Akte“. Zum Begriff Reichweite der Rückabwicklungssperre heißt es in diesem Zusammenhang sogar deutlicher als bei § 20 II UmwG:
82 83
BegrRegE, BT-Drucks. 9/1065, S. 19 f. BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 92.
§ 14 Eintragungsbestandsschutz (§§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG)
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„Es scheint gerechtfertigt, die Regelung auf andere Umwandlungsfälle zu erstrecken, weil die Rückabwicklung des Formwechsels bei Umwandlungsfällen aller Art mit besonderen Schwierigkeiten, insbesondere bei der Rückführung neu erlangter Strukturelemente, verbunden sein kann.“84
Denn auch bei einer Rückabwicklung ex tunc kommt es zu einer „Rückführung“ von Strukturelementen und diese zu vermeiden, bedeutet die Rechtsfolgen der Nichtigkeit ganz auszuschließen. Scheinen die Materialien damit in mehrfacher Form zu belegen, dass der Gesetzgeber mit der „Entschmelzung“ eine endgültige Wirksamkeit angestrebt hat, so wird an folgender zu § 352a AktG a. F. ergangenen Anmerkung in Zweifel gezogen, dass es sich dabei um eine Heilung handele: Dagegen betrifft die Vorschrift nicht die Rechtshandlungen als solche, die für die Verschmelzung erforderlich sind. Sie heilen also insbesondere nicht den Verschmelzungsvertrag und die Hauptversammlungsbeschlüsse (…). Die Heilung sachlicher Mängel vorzusehen, würde einen zu weitgehenden und durch die Richtlinie nicht gebotenen Eingriff in allgemeine Grundsätze des Zivilrechts bedeuten. Allerdings können solche sachlichen Mängel der Verschmelzung vorbereitenden Rechtshandlungen nur zu Ansprüchen gegen diejenige Person führen, die für sie verantwortlich sind. Auf die Wirksamkeit einer einmal eingetragene Verschmelzung und ihre Rechtsfolgen haben sie dagegen keinen Einfluß.“85
Diese Erläuterung beinhaltet zwar einerseits die Feststellung, wonach es sich bei § 352a AktG nicht um eine Heilung handele, was augenscheinlich auf der Annahme beruht, dass dann auch Schadensersatzansprüche ausgeschlossen sein müssen. Demgemäß schien ihm die lediglich gegenteilige Klarstellung erforderlich, dass dem im Falle des § 352a AktG a. F. nicht so ist. Unabhängig davon, ob dieses Verständnis des Heilungsbegriffs zutreffend ist,86 bestätigt sodann der letzte Satz aber wiederum die oben vermutete Deutung, dass eine Aufhebung der Verschmelzung nicht in Betracht kommen solle. IV. Gemeinschaftsrechtlicher Regelungshintergrund 1. Verschmelzungsrichtlinie87 Angesichts des in der Begründung zu § 352a AktG a. F. enthaltenen Hinweises auf die Vorgaben der Verschmelzungsrichtlinie fragt sich, welche Regelung diese zu den Eintragungswirkungen vornimmt.
84
BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 144. BegrRegE, BT-Drucks. 9/1065, S. 92. 86 So auch Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 72. 87 Vgl. allgemein zur Verschmelzungsrichtlinie: Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 25; Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 8 I, S. 236 ff. 85
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
a) Regelung zur zeitlichen Dauer der Eintragungswirkungen Die Verschmelzungsrichtlinie88 verfolgt ausweislich des 9. Erwägungsgrunds das Ziel, „die Fälle der Nichtigkeit der Verschmelzung wegen der Rechtssicherheit in den Beziehungen zwischen den beteiligten Gesellschaften, zwischen diesen und Dritten sowie unter den Aktionären zu beschränken“. Art. 22 I a) erfordert insoweit, dass die Nichtigkeit durch gerichtliche Entscheidung ausgesprochen werden muss. Nach lit. b) dieses Absatzes kann eine wirksam gewordene Verschmelzung nur für nichtig erklärt werden, wenn festgestellt wird, dass der Beschluss der Hauptversammlung nach innerstaatlichem Recht nichtig oder anfechtbar ist. Gemäß lit. c) kann die Klage nicht mehr erhoben werden, wenn eine Frist von sechs Monaten verstrichen ist, nachdem die Verschmelzung demjenigen gegenüber wirksam geworden ist, der sich auf die Nichtigkeit beruft, oder wenn der Mangel behoben worden ist. Zu den Folgen der Nichtigerklärung bestimmt lit. g): „Die gerichtliche Entscheidung, durch welche die Nichtigkeit der Verschmelzung ausgesprochen wird, berührt für sich allein nicht die Wirksamkeit der Verpflichtungen, die vor der Offenlegung der gerichtlichen Entscheidung, jedoch nach dem in Art. 17 bezeichneten Zeitpunkt (des Wirksamwerdens), zu Lasten oder zugunsten der übernehmenden Gesellschaft entstanden sind“.
Die Auffassungen zum Verständnis dieser Regelung sind geteilt. So hält Habersack hiermit nur einen umfassend wirkenden Ausschluss der Entschmelzung für vereinbar.89 Grund hierfür sei, dass das deutsche Recht eine Nichtigkeitsklage im Sinne des Art. 22 I a) nicht vorsehe. Nach anderer Ansicht ist der Verschmelzungsrichtlinie über das Ausmaß der Bestandskraft von § 20 II UmwG bzw. § 352a AktG a. F. nichts zu entnehmen. Welche Rechtsfolgen die Nichtigerklärung nach sich ziehen solle, bliebe offen.90 Andere wollen einen umfassenden Ausschluss der Geltendmachung von Beschlussmängeln aus Gründen des Minderheitenschutzes als nicht richtlinienkonform angesehen.91 Nach zutreffender Bewertung äußert sich die Richtlinie zu der Frage der Reichweite der Bestandskraft nur in der Form, dass eine Rückabwicklung nicht gänzlich, sondern nur ex tunc ausscheidet. Das folgt aus dem Umstand, dass sie die Rechtsfolgen der Nichtigerklärung ausdrücklich auf den Zeit88 „Dritte Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9.10.1978 gemäß Art. 54 Abs. 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (Verschmelzungsrichtlinie)“, ABl. Nr. L 295 vom 20.10.1978, S. 36. 89 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., Rn. 233; offenlassend Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 657. 90 So K. Schmidt, AG 1991, 131, 132; zust. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 190; vgl. zur Problematik auch Riesenhuber, NZG 2004, 15 ff. 91 So im deutschen Schrifttum wohl Schmid, ZGR 1997, 493, 508; so auch zur Vorschrift des dem deutschen Recht nachgebildeten Art. 2504-quarter CC im italienischen Recht Aferini, Corriere giruidico 1991, 407 u. a.; vgl. Kindler, ZGR 1995, 225, 231 m. w. N.
§ 14 Eintragungsbestandsschutz (§§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG)
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punkt nach der Offenlegung der dahingehenden gerichtlichen Entscheidung begrenzt und damit die Wirksamkeit der Verschmelzung bis zu diesem Zeitpunkt aufrecht erhält. Der Einwand von Habersack, im deutschen Recht fehle es dafür an einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 22 I a) überzeugt nicht. Er beruht auf der Überlegung, dass es eines für die Verschmelzung geltenden Gegenstücks zur Nichtigkeitsklage nach §§ 275 AktG, 75 GmbHG, 93 GenG ermangele. Einer solchen Regelung bedurfte es im deutschen Recht jedoch nicht, da für Verschmelzungen die allgemeinen Bestimmungen der §§ 241 ff. AktG zur Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gelten.92 Ebenso wenig bedürfte es einer Typisierung der zulässigen Anfechtungsgründe wie sie § 275 I AktG vornimmt. Denn zu den eine Nichtigerklärung rechtfertigenden Mängeln zählt Art. 22 I b) sämtliche nach innerstaatlichem Recht zur Anfechtbarkeit führende Fehler des Verschmelzungsbeschlusses.93 b) Ausschluss der Nichtigkeitsklage Bezieht sich Art. 22 I a) nur auf die Eintragungswirkungen bei erfolgreich erhobener Klage, lässt sich für die Wirkung der Eintragung als solche, wie sie die Norm des § 20 II UmwG (§ 352a AktG a. F.) regelt, wenig folgern. Hinsichtlich einer Begrenzung der zeitlichen Dauer der Bestandskraft ist insoweit nicht diese Vorschrift, sondern Art. 22 I lit. c) einschlägig. Dieser sieht für die Klage eine Frist von höchstens sechs Monaten vor. Da die Nichtigerklärung nur durch Klage erreicht werden kann (Art. 22 lit. c)), lässt sich dem entnehmen, dass zumindest nach Verstreichen dieser Frist eine Beseitigung der Eintragungsfolgen (erst recht) ausscheidet. 2. Zwischenergebnis Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben enthalten zwei unterschiedliche Formen des Bestandsschutzes: Bei Unterbleiben einer Klage tritt er nach Ablauf von sechs Monaten nach Wirksamwerden der Maßnahmen in zeitlich unbegrenzter Form ein. Dagegen wird ein Bestandsschutz für die erfolgreiche Nichtigerklärung nicht gefordert. Sofern man daran die Vermutung knüpft, der Gesetzgeber habe sich bei der Umsetzung nur im Rahmen des durch die Richtlinie gebotenen bewegen wollen,94 dürfte man den Ausschluss der Rückabwicklung im nationalen Recht nur bis zur Kassation gelten lassen. Die Materialien enthalten hierfür zwar einen Hinweis, zugleich aber kommt der Wille einer dauerhaften Bestandswirkung zum Ausdruck. Der Begriff der Heilung wird dabei vermieden, da er mit einer zum Ausgleich geltenden Schadensersatzverpflichtung für unvereinbar gehalten wird.
92 93 94
Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 191. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 190 f. Das legt BegrRegE, BT-Drucks. 9/1065, S. 92 indirekt nahe.
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
V. Systematischer Regelungszusammenhang Ein im Schrifttum durchaus zentraler und bereits in den Materialien zu § 352a AktG a. F. zu findender systematischer Einwand gegen die Einordnung der §§ 20 I, 131 I, 202 III UmwG als Heilungsnormen soll aus dem Verhältnis zu §§ 20 I Nr. 4, 131 I Nr. 4 UmwG folgen. Da diese ausdrücklich von Heilung sprechen, ergebe sich im Umkehrschluss, dass in §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG etwas anderes gemeint sein müsse, da anderenfalls die §§ 20 I Nr. 4, 131 I Nr. 4 UmwG überflüssig wären.95 Dieser auf den ersten Blick stichhaltige Gesichtspunkt relativiert sich indessen, wenn man die Regelungsgegenstände von § 20 I Nr. 4 und II UmwG gegenüberstellt. Wohingegen sich § 20 I Nr. 4 UmwG mit dem Verschmelzungsvertrag befasst, behandelt Absatz 2 der Vorschrift den Beschluss. Ob dieser auch in den Anwendungsbereich des § 20 I Nr. 4 UmwG fällt, ist unklar. Zwar können die dadurch geheilten fehlenden Zustimmungserklärungen sich auch hierauf beziehen, doch der Wortlaut legt eher nahe, dass nur der Vertrag gemeint ist. Sofern es um fehlende Zustimmungserklärungen generell ginge, hätten diese eine Unwirksamkeit des Beschlusses zur Folge. Dabei handelt es sich aber nicht um einen anfechtungsoder nichtigkeitsbegründenden Beschlussmangel, sondern um ein Defizit, welches zur schwebenden Unwirksamkeit der Willensbildung führt. Auch insoweit ließe sich § 20 I Nr. 4 UmwG von dem Folgeabsatz abgrenzen, der nur von „Mängel(n)“ spricht und damit augenscheinlich die Anfechtbarkeit und Nichtigkeit im Auge hat. Darüber hinaus ist das genannte Argument auch nur in dem Umfang schlüssig, wie man sich die Prämisse der Gesetzesverfasser, die Heilung schließe schadensrechtliche Konsequenzen aus, zu eigen macht.
C. Normative Begründung der Heilungswirkung Lassen sich weder aus dem Wortlaut der Norm noch ihrer systematischen Stellung oder der Gesetzeshistorie eindeutige Anhaltspunkte für die Rechtsnatur der §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG als Heilungsnormen gewinnen, so fragt sich, ob diese Einordnung mit den normativen Wertungen des § 242 AktG und des Umwandlungsrechts in Einklang steht. Dabei darf sich das Augenmerk nicht auf die in der rechtspolitischen Diskussion hervorgehobene Zweckmäßigkeit eines Ausschlusses der „Entschmelzung“ beschränken. Denn weder sind die Rückabwicklungsschwierigkeiten von vornherein für alle Umwandlungsarten zu verallgemeinern noch betrifft die Heilung allein den Bestandsschutz vorgenommener Organisationsakte.96 Befassen muss sich die Betrachtung vielmehr mit zwei Fragen, nämlich zum einen, ob zur Legiti95 Kiem, Eintragung der angefochtenen Verschmelzung (1991), S. 163 f.; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 189 f.; BegrRegE., BT-Drucks. 9/1065, S. 20 zur Vorgängerbestimmung der § 346 V a. F. (entspr. § 20 I Nr. 4 UmwG). 96 S. o. A. II.
§ 14 Eintragungsbestandsschutz (§§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG)
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mation einer dauerhaften Verfestigung der Beschlusswirkungen die Handelsregistereintragung für sich allein ausreicht und zum anderen, welche Bedeutung die materielle Präklusion von Beseitigungsrechten hierbei hat. I. Legitimationswirkung der Handelsregistereintragung Fragt man nach der von der Handelsregistereintragung ausgehenden Legitimationswirkung so ist damit die Frage angesprochen, inwieweit das Registerverfahren als Instrument der Rechtskontrolle geeignet ist, das Vorhandensein von Mängeln in einem Umfang auszuschließen, der sie als regelmäßig „richtig“ erscheinen lässt. Die Richtigkeitsgewähr und die damit geschaffene Reichweite des durch die Handelsregistereintragung geschaffenen Vertrauens ist eine solche des dabei geltenden Prüfungsmaßstabs. 1. System der Normativbedingungen a) Gründung Die Organisationsgesetze treffen dazu nur für die Gründung eine Regelung. Bei dieser hat das Registergericht zu prüfen, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet und angemeldet ist (vgl. § 38 I AktG).97 Ist dies nicht der Fall, so hat es die Eintragung abzulehnen. Hierbei bezieht sich die formelle Prüfung auf die Ordnungsmäßigkeit der Anmeldung, die materielle Prüfung auf den Errichtungsvorgang und hierzu gehörende Gegenstände i. S. d. § 38 II AktG. Der Umfang der registergerichtlichen Prüfung ist durch das Normativsystem der Gründungsvorschriften oder derjenigen Rechtssätze bestimmt, die für die Maßnahme im Einzelfall zu beachten sind.98 Allerdings kann hierbei schon 97
Bei der GmbH ergibt sie sich mittelbar aus der Ablehnungspflicht für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Errichtung (vgl. § 9c I GmbHG); vgl. Winter, in Fischer/Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 9c Rn. 4. 98 Ulmer, in Hachenburg, 8. Aufl., § 9c Rn. 6; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 44; Abweichend von dem System der Normativbedingungen haben sich für die Entstehung der juristischen Person zwei weitere Systeme herausgebildet: Das System der freien Körperschaftsbildung und das Konzessionssystem. Das System der Normativbedingungen erfordert für die Verbandsgründung die Einhaltung bestimmter – gesetzlicher oder gewohnheitsrechtlicher – Mindestbedingungen. Es beschreibt den Mittelweg zwischen dem System der freien Körperschaftsbildung – dieses überlässt die Entstehung der juristischen Person ganz dem Willen der Gründer – und dem Konzessionssystem, welches die Verleihung der Rechtsfähigkeit in die Hand einer Verwaltungsbehörde legt. Hierbei erfolgt eine Verbindung von Rechtsform und Verbandszweck. Sie kommt im deutschen Recht abgesehen von wenigen Ausnahmen nicht mehr vor. Zudem ergibt sich aus dem Konzessionssystem die Verbindung von Rechtsfähigkeit und Tätigkeitskontrolle. Diese macht sich allerdings auch das herrschende System der Normativbedingungen zu Eigen, nämlich indem es zur ordnungsgemäßen Gründung nicht nur die verbandsrechtlichen Anforderungen, sondern auch die des öffentlichen Rechts, namentlich eventuell erforderliche Gewerbeerlaubnisse zählt. Das System der Normativbedingungen wird demgemäß teilweise auch als Registrierungssystem bezeichnet, was verdeutlicht, dass die Entstehung der juristischen Person neben der Kontrolle auch von der Publizität des Rechtsakts abhängt. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 4 II 1 c), S. 207.
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unter Praktikabilitätsgesichtspunkten und solchen der Verfahrensdauer keine allumfassende, sondern nur eine eingeschränkte Kontrolle, nämlich bestimmter Mindestbedingungen erfolgen.99 Aufgedeckt werden sollen nur bestimmte, besonders häufige oder besonders gefährliche Gründungsmängel,100 namentlich solche, welche die Finanzverfassung der Gesellschaft beeinträchtigen. Zudem folgt aus dem System der Normativbedingungen, dass vor der Eintragung allein eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme erfolgt, nicht dagegen ihrer Zweckmäßigkeit oder wirtschaftlichen Stimmigkeit. Daher sind regelmäßig weder die Angemessenheit und Ausgewogenheit des Gesellschaftsvertrags noch die ausreichende Kapitalisierung der Gesellschaft Gegenstand der Registerprüfung.101 Unmittelbar im Gesetz findet die Beschränkung der rechtlichen Kontrolle darüber hinaus ihren Niederschlag durch die im Rahmen des Handelsregisterreformgesetzes von 1998102 eingefügten §§ 9c II GmbHG und 38 III AktG. b) Organisationsänderungen Die §§ 9c GmbHG, 11a GenG, 38 AktG sind Ausdruck eines allgemeinen verbandsrechtlichen Rechtsprinzips:103 Wo das Gesetz für die Wirksamkeit einer Maßnahme die Eintragung fordert gibt es zu erkennen, dass der diese verfügende Registerrichter die Voraussetzungen der Eintragung kontrollieren und auf die Einhaltung der Normativbestimmungen achten soll.104 In gegenständlicher Hinsicht betrifft die Registerprüfung sämtliche Elemente der Strukturveränderung. Sie umfasst damit neben dem Beschluss insbesondere die dazugehörigen Berichte, Prüfungen und Organisationsakte, mithin die gesamte Strukturänderung.105 Uneinigkeit herrscht über die Überprüfung des Beschlusses. 2. Registergerichtliche Prüfung von Beschlussmängeln a) Nichtigkeits- und Unwirksamkeitsgründe Übereinstimmung besteht hinsichtlich der registergerichtlichen Prüfungskanons noch in der Weise, dass die Prüfungsbefugnis sich auf alle erkennbaren Gründe für die Nichtigkeit oder die Unwirksamkeit des Beschlusses er99 So schon K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 8 II 5; zur Rechtsentwicklung Schubert, ZGR 1981, 285, dort auch zu den einzelnen Normativbedingungen. 100 Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 44. 101 Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 9c Rn. 4; Winter, in Fischer/ Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 9c Rn. 10 ff., 36; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 9c Rn. 13. 102 Vgl. Art. 8 HRefG v. 22.6.1998, BGBl. I S. 1474. 103 Bokelmann DB 1994, 1341, 1342. 104 Bokelmann, in MünchKomm HGB, 2. Aufl., § 8 Rn. 73; ders., DB 1994, 1341, 1342. 105 Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 75.
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streckt.106 Das sind neben den in § 241 AktG genannten Wirksamkeitsdefiziten zum einen die für Maßnahmen der Kapitalerhöhung und der Kapitalherabsetzung geltenden §§ 192 IV, 212, 217 II, 228 II, 234 III, 235 III AktG; ferner Zustimmungsvorbehalte aller oder einzelner Mitglieder, deren Verletzung zur Unwirksamkeit des Beschlusses führt. (vgl. etwa §§ 13 II, 128, 193 UmwG). Demgemäß ist konsequent, dass Mängel der Zustimmungserklärungen geheilt werden. Allerdings geschieht dies dem Wortlaut nach nur für fehlende Erklärungen einzelner (vgl. §§ 20 I Nr. 4, 131 I Nr. 4 jeweils 2. Alt. UmwG). b) Anfechtungsgründe Weniger eindeutig als bei den Nichtigkeits- und Unwirksamkeitsgründen ist der registerliche Prüfungskanon hinsichtlich der Eintragung anfechtbarer Beschlüsse. aa) Entwicklungslinien Die Problematik ist so alt wie das Normativsystem selbst. Schon in der Denkschrift zum Entwurf des ADHGB von 1897 hatte sich der historische Gesetzgeber mit der Frage befasst, ob das Registergericht die Eintragung eines angemeldeten Beschlusses nach Ablauf der Anfechtungsfrist ablehnen könne, „wenn es die Gültigkeit lediglich aus Gründen beanstandet, die sich auf die Verletzung einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrags oder einer nicht vorwiegend im öffentlichen Interesse gegebenen gesetzlichen Vorschrift beziehen“.107 Ebenso wie der heutige Gesetzgeber, hat er von einer Regelung abgesehen und die Frage der Entscheidung durch die Rechtsprechung überlassen. Diese hat in der Folge zunächst zu keiner einheitlichen Tendenz gefunden. Wohingegen die Untergerichte zunächst dazu neigten, alle Beschlussmängel als Eintragungshindernisse zu verstehen, hat das KG erst die Verletzung von Vorschriften für unbeachtlich erklärt, die ausschließlich dem Schutz der Aktionäre dienen108 und ist nach einer Phase, in der es ein eigenständiges Ablehnungsrecht des Registerrichters für möglich hielt109 zu der Auffassung gelangt, dass der Beschluss nach Ablauf der Anfechtungsfrist auf jeden Fall – also auch bei der Berührung von öffentlichen Interessen – einzu106 Dazu Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 243 Rn. 53; Wiedemann, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 181, Rn. 23 f.; Zöllner, KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 181 Rn. 33 f.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 54 Rn. 6 ff.; Priester, in Fischer/Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 54 Rn. 38 ff.; Zöllner, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 54 Rn. 17 ff. 107 Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 6, Materialien zum HGB, Neudruck 1983, S. 317 (entspricht S. 152 der Denkschrift); vgl. hierzu Bokelmann, DB 1994, 1341, 1343; Lutter, NJW 1969, 1873, 1874. 108 KGJ 12 (1892), 37, 40; KGJ 34 (1907), 136, 141; KGJ 35 (1907), 162, 166; KGJ 39 (1910), 122, 124. 109 KGJ 31 (1905), 158, 160.
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tragen sei.110 Diese Auffassung hat auch im Schrifttum Bestätigung gefunden. Der Registerrichter sei nach Ablauf der Klagefrist unbedingt zur Eintragung verpflichtet, „weil die Nichtigkeit nur durch die Anfechtungsklage hätte herbeigeführt werden können, und da das nicht geschehen ist, hinfort niemand mehr, auch nicht der Registerrichter, aus dem Verstoß gegen Gesetz oder Satzung Einwendungen gegen die Gültigkeit des Beschlusses herleiten dürfe“.111 Diese Auffassung wird auch heute noch vertreten.112 Sie ist allerdings nicht mit der Befugnis des Registergerichts zur Eintragung trotz Anhängigkeit der Anfechtungsklage gleichzusetzen.113 bb) Einbeziehung drittschützender Normen in den Prüfungskanon Der Auffassung, wonach das Registergericht nur Nichtigkeitsgründe zu prüfen habe, trat im Jahre 1969 Lutter mit folgenden Beobachtungen entgegen:114 Zum einen gebe es im Aktienrecht zahlreiche Vorschriften, die zwar im öffentlichen Interesse bestehen, deren Verletzung nach überwiegender Einschätzung aber weder die Nichtigkeit noch ein Anfechtungsrecht begründen.115 Würde man hier von einer Eintragungspflicht ausgehen, bliebe ein Verstoß folgenlos. Die einzige Gelegenheit zur Rechtmäßigkeitskontrolle besteht im Rahmen der Registerprüfung.116 Hier habe das Gericht von sich aus einzuschreiten, und 110 KGJ 34 (1916), 34, 38; so auch noch in neuerer Zeit OLG Köln WM 1981, 1263, 1264 f.; BB 1982, 579; vgl. zum Ganzen Lutter, NJW 1969, 1873, 1874; mit teilweise anderem Verständnis aber Bokelmann, DB 1994, 1341, 1343, der diese Entscheidung für „wenig glücklich und widersprüchlich“ hält, weil sie auf die Entscheidung KGJ 34 (1907), 136, 141 Bezug nimmt, in der die Ablehnung nach Verstreichen der Anfechtungsfrist zwar für unzulässig angesehen wird, es sich hierbei aber um einen Fall handelt, in dem der Beschluss ausschließlich die Interessen der Aktionäre berührte. 111 Vgl. A. Hueck, Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen bei Aktiengesellschaften (1924), S. 189, 253; Baums, Eintragung und Löschung von Gesellschafterbeschlüssen (1981), S. 64 ff.; vgl. Lutter, NJW 1969, 1873, 1874 Fn. 17 m. w. N. 112 Vgl. Baums, in Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentages, Gutachten F 173. 113 So aber missverständlich BGHZ 122, 211, 222; K. Schmidt, in Fischer/Scholz GmbHG, 10. Aufl., § 45 Rn. 126; Jansen, FGG, § 127 Rn. 7; ferner Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 127 Rn. 13. 114 Lutter, NJW 1969, 1873. 115 Die Ablehnung der Anfechtbarkeit beruht auf der Einordnung dieser Vorschriften als Ordnungsregeln (so schon Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. (1968), Anm. 7; Krieger, Münchener HdB AG, 4. Aufl., § 56 Rn. 6, Zöllner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 243 Rn. 63); Das überzeugt nicht, weil das Anfechtungsrecht keine Betroffenheit in eigenen Rechten voraussetzt, sondern auch die Verletzung von allein in öffentlichem oder Gläubigerinteresse bestehenden Normen geltend gemacht wird. Das Anfechtungsrecht entsteht nur dann nicht, wenn es sich um eine reine, nach wertender Betrachtung unbedeutende Normverletzung handelt (so auch Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 182 Rn. 29). 116 Diese Fallgruppe betrifft im Wesentlichen „Soll“-Vorschriften, wie etwa die Maßgabe, das Grundkapital nicht zu erhöhen, solange ausstehende Einlagen auf das bisherige Grundkapital noch erlangt werden können (§ 182 IV 1 AktG), die Zweckbestimmungen bei der bedingten Kapitalerhöhung (§ 192 II AktG) oder die Grenzen der Umwandlungsfähigkeit von Kapitalrücklagen bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 208 AktG); exemplarisch fer-
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zwar im Hinblick auf seine Stellung als eine öffentliche Wirtschaftskontrolle ausübende Behörde.117 Zum anderen bestehe die Anfechtbarkeit nicht nur wegen der Beeinträchtigung von Mitgliedschaftsrechten, sondern auch wegen der Verletzung von im öffentlichen Interesse zu beachtenden Rechtssätzen. Deren Wahrung könne nicht allein dem Aktionär überlassen bleiben.118 Die Kontrollmöglichkeit des Vorstands (vgl. § 245 Nr. 3 u. 4 AktG) könne ebenfalls keinen Ausgleich schaffen, ebenso wenig die Beteiligung anderer Institutionen, wie des den Beschluss beurkundenden Notars oder des ihn feststellenden Versammlungsleiters. Schließlich sei das frühere Verständnis, wonach Nichtigkeit die Verletzung öffentlicher Interessen und Anfechtbarkeit die Verletzung von Gesellschafterrechten sanktioniere, nicht anzuerkennen. Im Gegenteil hätten die verschiedenen Aktienrechtsnovellen zu einer wesentlichen Vermehrung von Normativbestimmungen im Bereich der Hauptversammlungsbeschlüsse geführt, deren Verletzung ausschließlich mit der Anfechtung geltend gemacht werden könnten.119 Nur ein Teil der, der allgemeinen Ordnung des Aktienwesens dienenden Normativbestimmungen, sei daher durch die ipso iure eintretende Unbeachtlichkeit nach § 241 AktG abgesichert. Aus dieser „Untersicherung“ folge, dass die Legalitätskontrolle durch den Registerrichter auch auf die Fälle der Anfechtbarkeit, in denen neben den Mitgliedschaftsrechten öffentliche Interessen oder Gläubigerinteressen (mit)berührt seien, anzuwenden ist. Allein in Fällen, wo der Beschluss nur die rechtlich geschützten Individualinteressen des Aktionärs betreffe, sei es sachgerecht, ausschließlich diesem die Korrektur der Rechtslage zu überlassen. Selbst bei offensichtlichen Verstößen gegen Regeln der Einberufung der Verletzung des Auskunftsrechts usw. habe der Registerrichter daher ohne weiteres einzutragen.120 cc) Erweiterung durch Einbeziehung offenkundiger Verletzungen der Mitgliedschaft In Erweiterung dieses Ansatzes hat Wiedemann die Ansicht vertreten, dass auch die Verletzung nur rechtlich geschützter Individualinteressen den Regisner117die Zweckbestimmungen der §§ 222 III, 229 I 2, 237 II 1, IV 4 AktG. Diese Beschlüsse kennzeichnet Zöllner als „eintragungswidrige Beschlüsse“. Als Kategorie sind damit Rechtsverstöße gemeint, die dem Registerrichter die Ablehnung der Eintragung unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Anfechtungsrechts gestatten. Vgl. Zöllner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 181 Rn. 35; ders. in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., Anh. § 47 Rn. 11; s. auch Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen (1989), S. 12. So verstanden wird die Kennzeichnungskraft des Begriffs allerdings verschenkt: Entscheidend ist nicht die Anfechtungsmöglichkeit – sie ist im Regelfall zu bejahen –, sondern die Tatsache, dass es sich um einen Anfechtungsgrund handelt, der zur Verweigerung der Eintragung berechtigt. 117 Lutter, NJW 1969, 1873, 1876. Betonung dieses Gesichtspunkts auch bei Wiedemann, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 181, Rn. 25. 118 Lutter, NJW 1969, 1873, 1878; vgl. zu den daraus folgenden Kontrolldefiziten und den Folgen für das Registerverfahren BayObLG ZIP 2001, 70, 71. 119 Lutter, NJW 1969, 1873, 1877. 120 Lutter, NJW 1969, 1873, 1879.
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terrichter zur Verweigerung der Eintragung berechtigt. Sie soll namentlich dann in Betracht zu ziehen sein, sofern die Rechtswidrigkeit evident ist.121 Denn die Wahrnehmung der Aktionärsinteressen in einer Publikumsgesellschaft liege ebenfalls im öffentlichen Interesse. c) Beibehaltung der begrenzten Normativbedingungen Mit Einnahme des zu letztgenannten Standpunkts Wiedemanns ließe sich der Registerkontrolle eine umfassende Legitimationsfunktion bescheinigen. Sie könnte als allgemeine Rechtskontrolle eine abstrakte Richtigkeitsgewähr beanspruchen, was eine gleichzeitig eintretende Heilung rechtfertigen würde. Für diese Position streiten auch beachtliche Argumente: So zeigt die Berücksichtigung von Unwirksamkeitsgründen, dass das Registerverfahren auch Individualinteressen zu dienen bestimmt sein kann. Denn diese werden häufig auf der fehlenden, aber notwendigen Zustimmung einzelner Aktionäre beruhen.122 Das gleiche gilt auch für den Nichtigkeitsgrund des Einberufungsmangels nach § 241 Nr. 1 AktG, welcher ausschließlich Mitgliederschutz gewährleistet. Einer gleichzeitigen Beeinträchtigung von Interessen der Gläubiger oder der Allgemeinheit bedarf es in beiden Fällen nicht. Darüber hinaus erscheint es fragwürdig, jenseits der Verletzung von durch zwingendes Recht gesicherten Mitgliedschaftsrechten einen Verstoß gegen die allgemeine Ordnung des Aktienwesens kategorisch auszuschließen. Denn der durch die Satzungsstrenge gesicherte Bestand zwingenden Rechts soll die Aktie im Interesse der Kapitalmarktfähigkeit zu einem standardisierten Investitionsgut und Finanzierungsinstrument ausgestalten.123 Damit steht die zwingende Ausgestaltung der Verbandsverfassung in gewissem Umfang zugleich im Interesse der Allgemeinheit und der Ordnung des Aktienwesens. Hinzu kommt als weiterer Gesichtspunkt nach dem UMAG, dass die von Lutter zugrunde gelegte Prämisse, der Aktionär sei für die Abwehr bloßer Individualrechtsverletzungen selbst verantwortlich, nur noch beschränkt Gültigkeit besitzt. Denn da das Gesetz für die Klagebefugnis auf den Zeitpunkt des Aktienerwerbs vor Bekanntgabe der Tagesordnung abstellt (§ 245 Nr. 1 AktG) sind die danach bis zur Hauptversammlung hinzukommenden Aktionäre von der Anfechtung ausgeschlossen. Hinzu kommen der Ausschluss von Bewertungsrügen und damit zusammenhängender Informationsrechtsverletzungen (§§ 14 II, 243 IV AktG). Schließt man diese auch von der Registrierungsprüfung aus, so fehlt insoweit im Ergebnis ein primärrechtlicher Rechtsschutz insgesamt.
121 Wiedemann, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 181, Rn. 25; teilweise wohl auch Zöllner, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 54 Rn. 19. 122 Vgl. Wiedemann, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 181, Rn. 25. 123 Vgl. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl., § 9 Rn. 19.
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aa) Beeinflussung der Registerprüfung durch das Handelsrechtsreformgesetz (§§ 38 III AktG, 9c III GmbHG)? Andererseits erscheint es im Interesse eines schnellen und effektiven Eintragungsverfahrens naheliegend, dass der Registerrichter nicht jeden Verstoß gegen zwingendes Recht nachprüfen kann und das im System der begrenzten Normativbedingungen auch nicht soll. Das geltende Recht hat sich vom Konzessionssystem des 19. Jahrhunderts zudem bewusst distanziert. Daher kann und soll das Registergericht keinesfalls die Aufgabe eines staatlichen Aktienamts ausüben. Das gilt nicht nur für eine Zweckkontrolle, sondern zugleich für die Rechtskontrolle. Denn Verfahrensökonomie und Verfahrensbeschleunigung im Interesse einer überschaubaren Gründungszeit sind ebenfalls Allgemeingüter und damit einer Abwägung mit anderen Allgemeinbelangen im Grundsatz durchaus zugänglich.124 Auch angesichts der jüngeren Rechtsentwicklung durch das Handelsrechtsreformgesetz (HRefG) erscheint zweifelhaft, ob für eine umfassende Berücksichtigung von Anfechtungsgründen noch Raum besteht. Denn nach der dadurch geschaffenen Fassung der §§ 9c IV GmbHG, 38 III AktG darf das Gericht die Eintragung wegen einer mangelhaften, fehlenden oder nichtigen Satzungsbestimmung nur ablehnen, soweit der Mangel 1. Tatsachen oder Rechtsverhältnisse betrifft, die nach § 23 III AktG (bzw. § 3 I GmbHG) oder aufgrund anderer zwingender gesetzlicher Vorschriften in der Satzung bestimmt sein müssen oder die in das Handelsregister einzutragen sind, 2. Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, oder 3. die Nichtigkeit der Satzung zur Folge hat. Diese, von Hüffer125 zu Recht als „systematisch wenig glücklich und aus sich heraus schwer verständlich“ bezeichnete Vorschrift führt dazu, dass sich die Registerprüfung im Grundsatz nur noch auf das Vorhandensein der obligatorischen Satzungsbestandteile beschränkt, wohingegen fakultative Satzungsbestimmungen in weitem Umfang von der registergerichtlichen Prüfung grundsätzlich ausgenommen sind.126 Zuvor galt die oben genannte Unterscheidung zwischen der ausschließlichen Verletzung von Interessen der Gründer untereinander oder der Gesellschaft (dann Eintragung) und solchen der Gläubiger, der künftigen Aktionäre oder die öffentliche Ordnung des Aktienwesens 124 Zu den hierbei beachtlichen Rechtspositionen Baums, in Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentages (2000), Gutachten F 163. 125 Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 38 Rn. 11. 126 Dazu Pentz, in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 38 Rn. 80 ff. Das Vorhandensein der obligatorischen Satzungsbestimmungen ist dagegen noch zu prüfen. Vgl. dazu ders., Rn. 77.
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(dann keine Eintragung).127 Die §§ 9c IV Nr. 2 GmbHG, 38 III Nr. 2 AktG lehnen sich dagegen an die Prüfung an § 241 Nr. 3 AktG an, verzichten aber auf die – wenigstens noch einen beschränkten Individualschutz vermittelnde – Variante des Wesensverstoßes.128 Als Eintragungshindernis maßgeblich ist damit allein noch ein Verstoß, der im Fall einer Satzungsänderung als Nichtigkeitsgrund anzusehen wäre. bb) Geltung für die Eintragung von Strukturveränderungen? Diese Einschränkungen gelten unmittelbar nur für die Gründung der Gesellschaft und nur für fakultative Satzungsbestimmungen. Es fragt sich aber, ob sich hieraus nicht auch Folgen für die Eintragung von Strukturänderungen ergeben. Anlass hierzu gibt insbesondere Baums, der in seinem Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag eine vergleichbare Beschränkung der Prüfung auf Nichtigkeitsgründe vertritt und damit auf die oben genannte Linie des KG zurückfindet. Nach seinem Vorschlag soll die Aussetzung des Eintragungsverfahrens wegen anhängiger Beschlussmängelklage durch den Registerrichter nicht erfolgen, wenn der Beschluss „gegen Vorschriften verstößt, deren Verletzung lediglich die Anfechtbarkeit (nicht die Nichtigkeit) zur Folge hat“.129 Zwar ist die Handhabung der Aussetzung, wie gesagt, nicht mit der Prüfungsbefugnis zu verwechseln. Dass die genannte Unterscheidung in verallgemeinernder Form für den Prüfungsmaßstab der Eintragung insgesamt gelten soll, liegt aber aus Gründen der Vereinheitlichung nahe und bestätigt sich im Gutachten sodann auch durch den unmittelbaren Verweis auf die §§ 38 III AktG, 9c II GmbHG.130 Konsequent hätte der Registerrichter demnach bei Verstreichen der Anfechtungsfrist nur die Eintragung nichtiger Beschlüsse abzulehnen.131 Dem ist jedoch nicht zuzustimmen und auch aus dem HRefG ergibt sich keine dahingehend beachtliche Wertung. Nach § 57a GmbHG findet für die Ablehnung der Eintragung durch das Gericht § 9c I GmbHG entsprechende Anwendung. Daraus lässt sich folgern, dass die Einschränkungen des § 9c II GmbH nicht gelten sollen. Zwar lässt sich dieses Ergebnis aus der Vorschrift des § 57a GmbHG wegen der systematischen Stellung der Vorschrift unmittelbar nur für Kapitalmaßnahmen herleiten. Die Materialien zu den §§ 38 III AktG, 9c II GmbHG zeigen allerdings, dass die dafür geltenden Überlegun127 Pentz, in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 38 Rn. 81; Röhricht, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 38 Rn. 20. 128 Krit. Röhricht, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 38 Rn. 58. 129 Baums, in Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentags (2000), Gutachten F 173. 130 Baums, in Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentags (2000), Gutachten F 171 ff. 131 So schon A. Hueck, Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen bei Aktiengesellschaften (1924), S. 189, 253; K. Schmidt, in Fischer/Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 45 Rn. 126; Jansen, FGG, § 127 Rn. 7; ferner Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 127 Rn. 13; Säcker, in FS Stimpel (1985), S. 867 ff.
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gen allgemeiner Natur sind und deshalb für Satzungsänderungen insgesamt gelten: So hatte wegen der einschneidenden Rechtswirkungen der Eintragung von Strukturmaßnahmen bereits die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Handelsrecht und Handelsregisterrecht“ 1994 darauf hingewiesen, dass es bei einer umfassenden gerichtlichen Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen auch in Zukunft bleiben müsse.132 Diese Einschätzung hat sich der Gesetzgeber zu Eigen gemacht, indem er klargestellt hat, dass sich die Neuregelung auf die Errichtungsprüfung beschränken solle.133 Zur Begründung hat er in diesem Zusammenhang angeführt, nur bei der Entstehung der Gesellschaft sei dem Interesse an einer baldigen Eintragung Vorrang vor der vollständigen inhaltlichen Überprüfung aller Satzungsbestimmungen einzuräumen. Für nachträgliche Satzungsänderungen sei ein vergleichbarer Interessenkonflikt, der dieselbe Abwägung erfordern würde, nicht anzuerkennen, weshalb hier dem Registergericht grundsätzlich auch die Prüfung in formeller und inhaltlicher Hinsicht zustehen sollte. Das mag man in dieser Allgemeinheit bezweifeln, die Position verdient dennoch Zustimmung: Maßgebliche Rechtfertigung für die Beschränkung der Gründungskontrolle ist zum einen, dass das einzutragende Verbandsverhältnis auf einem im Konsens geschlossenen Errichtungsvertrag beruht, wohingegen die rechtsgeschäftliche Grundlage seiner Änderung dem Mehrheitsprinzip unterliegt. Das Schutzbedürfnis ist hier ungleich größer, was sich für Bestandserwägungen außerhalb der Heilung als folgenschwer erweisen kann.134 Zum anderen besitzt die Eintragung der Gründung nur eingeschränkt präjudizielle Wirkung für den Bestand einzelner Satzungsteile. Rechtswidrige Regelungen sind und bleiben bis zu einer Heilung entsprechend § 242 II AktG nichtig. Die Nichtigkeit kann bis dahin in den Grenzen der LfG somit über einen längeren Zeitraum geltend gemacht werden, wohingegen die Unvereinbarkeit des Strukturänderungsbeschlusses mit Gesetz und Satzung als Anfechtungsgrund regelmäßig nur zeitlich befristet angegriffen werden kann. Als Zwischenergebnis ist danach festzuhalten, dass dem geltenden Recht für Struktur- und Satzungsänderungen keine Einschränkung des registerrechtlichen Prüfungskanons zu entnehmen ist, welche lediglich die Beachtlichkeit von Nichtigkeitsgründen zur Folge hat. Sie ist gegen Baums auch de lege ferenda abzulehnen. d) Eintragungswidrigkeit bei Verletzungen der Mitgliedschaft Ist damit die amtswegige Beachtlichkeit von Mängeln jenseits der Nichtigkeit abgesichert, so bedarf es auf der anderen Seite der Überlegung, ob das Prü132 Bundesanzeiger v. 9.8.1994; Beilage 148a, S. 35; vgl. auch Winter, in Fischer/Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 9c Rn. 4. 133 BegrRegE., BT-Drucks. 13/8444, S. 80. 134 S. u. § 18 B. I. 2. c).
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fungsspektrum den Einschränkungen des lutterschen Ansatzes unterliegt, oder ob dem umfassenderen Verständnis von Wiedemann der Vorzug zu geben ist. Für Letzteres sprechen mit den oben genannten Überlegungen gute Gründe. Nach vorliegender Überzeugung ist dennoch der Ansicht Lutters zu folgen. Das ergibt eine Gesamtabwägung zwischen den Vorteilen der dadurch erreichten Beschleunigung der Eintragungsprüfung und den Nachteilen etwaiger Rechtsschutzdefizite. Entgegen der Auffassung von Wiedemann lässt sich ein öffentliches Interesse am Unterbleiben der Eintragung, wenn überhaupt, nur für die börsennotierte Publikumsgesellschaft begründen. Hinsichtlich der entstehenden Rechtsschutzdefizite ist sodann für die hier interessierenden Beschlüsse zu berücksichtigen, dass diese nicht nur seitens des Registergerichts, sondern auch durch sachverständige Personen i. S. d. §§ 9, 125, 176 UmwG, 293b, 327c II 1 AktG geprüft werden. Die Begutachtung bezieht sich hierbei im Wesentlichen auf die Umtauschrelation bzw. die Abfindungshöhe (§§ 12 II, 125, 176 UmwG, 293e I 2 ff., 327c II AktG) und schafft hierdurch einen gewissen Ausgleich dafür, dass die Klage gegen die Wirksamkeit der zugrunde liegenden Beschlüsse hierauf nicht gestützt werden kann (vgl. §§ 14 II, 125, 176, 195 II UmwG, 243 IV 2, 327 f AktG). Eine Verbesserung der Wahrung der gesetzlichen Bestimmungen hat bei dieser Präventivkontrolle und nicht der repressiven Prüfung durch das Registergericht anzusetzen.135 Eine Rechtsschutzlücke verbleibt zwar bei Fehlen der Anfechtungsbefugnis wegen mangelnder Vorbesitzzeit (§ 245 Nr. 1 AktG). Sie lässt sich aber eher durch eine teleologische Reduktion136 oder eine dann ausnahmsweise eingreifende Beachtlichkeit im Registerverfahren füllen als durch eine umfassende Prüfungspflicht durch das Registergericht. Dagegen spricht nicht nur die bereits genannte Entscheidung für eine Begrenzung der Normativbedingungen und eine umfassend institutionalisierte staatliche Kontrolle. Gegen den Ansatz Wiedemanns streiten auch Gründe der Praktikabilität. Hierzu gehört einmal die mangelnde Tauglichkeit des Kriteriums der Evidenz der Rechtsverletzung. Es ist unscharf und daher als Abgrenzungskriterium für eine Festlegung des registergerichtlichen Prüfungsmaßstabs ungeeignet. Darüber hinaus ist das Registerverfahren aufgrund seiner Ausgestaltung und seiner Verfahrensgrundsätze auch weder für eine umfassende Rechtskontrolle konzipiert noch geeignet. Es ist nicht zuletzt diese Erkenntnis, die den Gesetzgeber trotz der durch die Hypothekenbankschwestern-Entscheidung des BGH eröffnete Eintragungsmöglichkeit zur Schaffung des Freigabeverfahrens veranlasst hat.
135 Zu sichern und verbessern ist hierbei insbesondere die Unabhängigkeit des sachverständigen Prüfers. 136 Vgl. Schwab, in K. Schmidt/Lutter/Hommelhoff, AktG, § 245 Rn. 7.
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3. Folgerung Ist die Kontrollbefugnis des Registergerichts damit im Ergebnis neben den Nichtigkeitsgründen nur bei solchen Anfechtungsgründen gegeben, bei denen zugleich Interessen der Allgemeinheit oder der Gläubiger berührt sind, so folgt aus einer derartigen Begrenzung andererseits, dass der darauf gestützten Eintragung schwerlich die Aussage einer umfassenden Richtigkeitsgewähr entnommen werden kann. In der Konsequenz darf ihr allein deshalb auch nur auf eine begrenzte Eignung als Legitimationsmedium zur Heilung von Wirksamkeitsdefiziten zuerkannt werden. Die Vorschrift des § 242 II AktG bestätigt diese Wertung, anderenfalls nicht zu erklären wäre, weshalb das Gesetz für Mängel i. S. d. § 241 Nr. 1, 3 und 4 AktG zusätzlich auf das Unterbleiben der Geltendmachung innerhalb dreijähriger Frist abstellen würde. Die entscheidende Rechtfertigung für die nach § 242 I AktG sogleich und allein mit der Eintragung eintretende Heilung wird man daher nicht in der Registerprüfung, sondern darin zu sehen haben, dass die Verlautbarung des Beschlusses im Handelsregister den darin genannten Beschlussmangel – die fehlende oder mangelhafte notarielle Beurkundung – voll zu ersetzen vermag und sie das bestehende Wirksamkeitsdefizit funktional beseitigt.137 An einem derartigen Ausgleich des Wirksamkeits- oder Rechtmäßigkeitsdefizits lassen es die §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG fehlen. Das spricht dagegen, fehlerhafte Beschlüsse nach §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG allein aufgrund der durch die Eintragung vermittelten Registerkontrolle geheilt zu sehen. II. Verhältnis von Eintragung und materieller Präklusion mitgliedschaftlicher Beschlusskontrollrechte Möglicherweise ergibt sich eine hinreichende Legitimation der allein durch Eintragung vermittelten Heilung aber aus einem Zusammenspiel der damit verbundenen (Teil-)Kontrolle mit dem Prinzip der materiellen Präklusion. Entscheidend für die festgestellte Beschränkung des registerrechtlichen Prüfungsrechts streitet, dass dem Mitglied eigene Rechte der Beschlusskontrolle zustehen, so dass diese – zumindest soweit es allein seine Interessen anbelangt – nur ihm überlassen werden kann. Lässt das Gesetz die gegen den Beschluss gerichteten Gestaltungsrechten aber entfallen, so beinhaltet dies eine der Heilung stark angenäherte Wertung.138 Dementsprechend liegt nahe, die Heilungswirkung der §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG – abweichend von § 242 I AktG – nicht aus der Nachholung der bislang fehlenden Rechtsbedingung im Registerverfahren, sondern damit zu begründen, dass zuvor eine materielle
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Vgl. Zöllner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 242 Rn. 3. Zum Zusammenhang zwischen Heilung und materieller Präklusion und der Wahrnehmung des § 242 II AktG als einer Befristung der Nichtigkeitsklage soeben A. IV. 138
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
Präklusion aller übrigen – d. h. mitgliedschaftlicher wie unabhängig von der Mitgliedschaft gegebener – Beseitigungsrechte eintritt. 1. Fristenregelung der §§ 14 I, 195 I UmwG Wohingegen sich bei § 242 II AktG eine Präklusionswirkung aus der der Dreijahresfrist für die Nichtigkeitsklage ergibt, bestimmen die §§ 14 I, 195 I UmwG: „Eine Klage gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses (bzw. bei § 195 I UmwG „der Umwandlung“) muß binnen eines Monats nach der Beschlußfassung erhoben werden.“
Nach heute einhelliger Auffassung ist damit die Anfechtungsklage ebenso wie jede andere Form der klageweisen Geltendmachung des Mangels ausgeschlossen.139 Das gilt sowohl für die Nichtigkeitsklage wie auch die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO. Entfällt danach die Möglichkeit zur Klage, so bleibt für eine – weitere – Heilungsfrist wie sie § 242 II AktG vorsieht, kein Anwendungsspielraum. Nach teilweiser Auffassung verdrängen die §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG aus diesem Grund § 242 II AktG. Für eine Heilung in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift bestehe kein Raum.140 Dem hat K. Schmidt entgegengehalten, dass man die Fristen der §§ 14 I, 195 I UmwG als prozessuale Regelungen, mithin als besondere Sachurteilsvoraussetzung anzusehen habe. Die Verfristung der Nichtigkeitsklage nach diesen Vorschriften stehe der Heilung der Nichtigkeit nach § 242 AktG nicht gleich, weswegen es auch nicht zu einem Wertungskonflikt zu den §§ 14 I, 195 I UmwG komme.141 Insoweit komme eine Heilung fehlerhafter Umwandlungsbeschlüsse nur nach dieser Grundnorm bzw. der Umwandlung als solcher aufgrund ihrer entsprechenden Anwendung in Betracht. Der erste Teil dieser Aussage – keine Heilung allein aufgrund Fristablaufs – trifft zu, weil anderenfalls das Registergericht gehalten wäre, nach Verfristung auch Umwandlungen auf mangelhafter oder gar nichtiger Beschlussgrundlage einzutragen und diese Folge nicht ernstlich gewollt sein kann. Vielmehr be139 Dazu Bork, in Lutter, UmwG, 3. Aufl., § 14 Rn. 5; Gehling, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 14 Rn. 18; Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 14 Rn. 6; Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 53 f.; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 14 Rn. 1; Ausnahme lediglich für sog. „Geheimbeschlüsse“ Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), a. A. O.; abw. noch Bork, ZGR 1993, 343, 355. 140 So wohl Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 291, der sich gegen eine analoge Anwendung des § 242 II AktG ausspricht, indem er hierfür eine planwidrige Regelungslücke verneint; so wohl auch Schöne, DB 1995, 1317, 1319, der von einer „Kollision des § 14 I UmwG mit § 242 II AktG“ spricht; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 14 Rn. 8; vgl. ferner Bork, ZGR 1993, 343, 355, der in diesem Zusammenhang von „Heilung“ spricht; jetzt aber klarstellend ders., in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 14 Rn. 12. 141 Vgl. K. Schmidt, DB 1995, 1849.
§ 14 Eintragungsbestandsschutz (§§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG)
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steht der Zweck der durch das Registergericht ausgeübten Kontrolle gerade darin, die Rechtmäßigkeit der Satzungsänderung unabhängig vom Verhalten des Mitglieds und den Gebrauch der ihm zustehenden Beseitigungsrechten auszuüben. Demgemäß ist zu Recht anerkannt, dass aus dem Verstreichen der Anfechtungsfrist keine Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister folgt.142 Nicht beantwortet ist damit allerdings die hier interessierende Frage, ob dies einer nach dem Ablauf der Frist erfolgende Eintragung die Heilungswirkung entgegensteht. Daran bestehen gegen K. Schmidt aus zwei Gründen Zweifel. 2. Materiell-rechtlicher Ausschluss von Beseitigungsrechten Das gilt zunächst für die Einordnung der §§ 14 I, 195 I UmwG als prozessuale Klagefristregelungen. Denn diese entsprechen in ihrer Funktion der Vorschrift des § 246 I AktG. Sie dienen dem Zweck, die klageweise Geltendmachung von Beschlussmängeln umfassend, d. h. für alle Arten von Beschlussmängeln und in rechtsformübergreifender Form zu begrenzen. Erreicht wird damit, dass die gerichtliche Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses auch bei denjenigen Verbänden einer Frist unterworfen ist, für deren Beschlüsse kein Anfechtungsklageerfordernis besteht. Von praktischer Bedeutung ist das de lege lata insbesondere für den Verein und die Personengesellschaften, bei denen nach herrschender Meinung jeder Mangel zur Nichtigkeit führt und dieser bis zur Grenze der Verwirkung im Wege der allgemeinen Feststellungsklage geltend gemacht werden kann. Bei der aktienrechtlichen Frist des § 246 I AktG handelt es sich indessen nach einhelliger Ansicht nicht um eine prozessuale, sondern eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist.143 Dementsprechend widersprüchlich wäre es, im Umwandlungsrecht von diesem Regelungsverständnis für die §§ 14 I, 195 I UmwG abzuweichen und ein geringeres Ausmaß an Rechtssicherheit in Kauf zu nehmen. Diese sind daher wie § 246 I AktG ebenfalls als materiell-rechtliche Ausschlussfrist zu charakterisieren.144 Entsprechend geht mit dem Ablauf der Monatsfrist deswegen eine materiellen Präklusion des mitgliedschaftlichen, wie aller Beseitigungsrechte Dritter, einher. 3. Maßgeblicher Zeitrahmen für die Dauer der Registersperre Die §§ 14 I, 195 I UmwG markieren zugleich den Rahmen der zeitlichen Geltung der Registersperre. Das lässt sich der über die §§ 14 I, 16 I und 20 II UmwG pp. verteilten Regelungssystematik zwar nicht auf den ersten Blick entnehmen. Ferner verbietet das Gesetz dem Registergericht nicht ausdrücklich, die Umwandlung bereits vor Ende eines Monats nach Beschlussfassung einzutragen. Die Maßgeblichkeit der materiellen Ausschlussfristen ist aber 142 143 144
Bokelmann, DB 1994, 1341, 1342. Dazu statt aller Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 246 Rn. 4. So auch Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 14 Rn. 11.
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
gleichwohl anzuerkennen. Sie findet Bestätigung in dem nunmehr auch von der höchstrichterliche Rechtsprechung in Einklang mit dem überwiegenden Teil des Schrifttums eingenommenen Standpunkt, dass vor Ablauf der Klagefrist keine Negativerklärung i. S. d. § 16 II 1 UmwG abgegeben werden kann.145 Seine Richtigkeit folgt daraus, dass erst nach diesem Zeitpunkt beurteilt werden kann, ob eine Klage „nicht oder nicht fristgemäß“ erhoben worden ist. Das Ergebnis findet schon Rückhalt in der früheren gesetzlichen Regelung des § 345 II 1 AktG a. F., wonach der Vorstand oder die Geschäftsführer zu erklären hatten, dass die Verschmelzungsbeschlüsse „innerhalb der Anfechtungsfrist“ nicht angefochten worden seien. Nur eine solche Auslegung trägt zudem den schutzwürdigen Interessen der klageberechtigten Anteilsinhaber Rechnung. In der Konsequenz darf die Eintragung nicht erfolgen bis die Monatsfrist abgelaufen ist. Bei ordnungsgemäßem Ablauf, d. h. sofern sich das Registergericht hierüber nicht hinwegsetzt, sind Eintragung und materielle Präklusion der Beseitigungsrechte deshalb aufeinander abgestimmt. Die Eintragung findet immer erst dann statt, wenn eine Geltendmachung des Beschlussmangels ausgeschlossen ist. Dieses Zusammenspiel der §§ 14 I, 195 I UmwG mit § 16 II UmwG entspricht ausweislich der Materialien der Regelungsintention des Gesetzes:146 „Da § 16 II (…) erhebliche Folgen in Gestalt einer Sperre gegen die Eintragung der Verschmelzung im Register knüpft, muß für alle Arten solcher Klagen und für alle Rechtsformen der Unternehmensträger eine Ausschlußfrist vorgesehen werden, weil sonst die Eintragung (…) auf unbestimmte Zeit verschoben würde. Dies sieht Absatz 1 des § 14 vor, der sachlich und redaktionell an § 246 I AktG anknüpft.“
Ist damit die Eintragung an die materielle Ausschlusswirkung der §§ 14 I, 195 I UmwG geknüpft, so folgt daraus, dass ihre Konstitutivfunktion mit der Wirkung einer Heilung verbunden und beides als Einheit anzusehen ist. Konsequenterweise sind die §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG ihrer Rechtsnatur nach als die jeweils in Absatz 1 bezeichneten Konstitutivwirkungen ergänzende Heilungsnormen zu sehen. Weiterer Legitimationsvoraussetzungen i. S. d. § 242 II AktG bedarf es nicht.147
145
BGH WM 2006, 2173; so bereits Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 16 Rn. 11; Decher, in Lutter, a. A. O., § 198 Rn. 36 u. 38; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 16 Rn. 73; Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 85 ff.; abw. Bermel, in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, § 16 Rn. 24; a. A. zu § 319 Grunewald, in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 319 Rn. 40; vgl. aus der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung schon OLG Karlsruhe DB 2001, 1483, 1484; OLG Hamm, ZIP 2006, 1296. 146 Vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 9/1065, S. 87. 147 Bestätigt wird dieses Ergebnis für die Verschmelzung der AG auch durch Art. 22 I lit. c) der Verschmelzungsrichtlinie. Daraus folgt, dass die Frist zur Geltendmachung von Mängeln auf höchstens 6 Monate zu bemessen ist. Aus diesem Grund wäre ohne die Monatsfrist des § 14 I UmwG die Frist des § 242 II AktG richtlinienkonform entsprechend zu kürzen.
§ 14 Eintragungsbestandsschutz (§§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG)
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4. Keine Heilung bei Eintragung vor Ablauf der Klagefrist Aus dem Konnex zwischen Präklusionswirkung der §§ 14 I, 195 I UmwG und Bestandsschutz folgt, was die Rechtsprechung nunmehr zumindest vom Ergebnis her auch berücksichtigt,148 dass eine unter Verstoß gegen die Registersperre erfolgte Eintragung keine Heilung etwaiger Beschlussmängel bewirken und demgemäß nicht nach § 20 II UmwG Bestandsschutz genießen kann. Dieses Ergebnis steht zwar zu den, mit der Handelsregistereintragungen an sich, verbundenen Wirkungen in Widerspruch. Allerdings ist eine Eintragung unter Verstoß gegen die Registersperre als ein so schwerwiegender Eintragungsmangel anzusehen, dass sich hiermit ohne weiteres die Nichtigkeit verbinden lässt.149 Eine Anerkennung der Wirksamkeit der Strukturveränderung auf dieser Grundlage kommt allein nach der LfG in Betracht, doch bestehen daran insoweit Zweifel, als es an einem einvernehmlichen Vollzug fehlt.150 III. Heilung und Haftung Die Annahme einer Heilung ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die für die Herbeiführung der Maßnahme verantwortlichen Personen der Schadensersatzverpflichtung für etwaige Verletzungen von Mitgliedschaftsrechten unterliegen sollen.151 Richtig ist zwar, dass sich die mit der Heilung zu verbindende Gesetzmäßigkeit des Beschlusses152 mit dem Fortbestand von Regressansprüchen schlecht zu vertragen scheint. Dennoch hält die h. M. zu Recht beides für miteinander vereinbar und attestiert der gegenteiligen Einschätzung der Materialien und der darauf gestützten Zurückhaltung gegenüber dem Heilungsbegriff zutreffend Irrtümlichkeit. Die Pflichtwidrigkeit ergibt sich hierbei aus dem rechts- bzw. pflichtwidrigen Tun bei der Herbeiführung des Beschlusses, nicht dagegen aus seiner Ausführung nach Eintritt der Heilung.
D. Ergebnisse Rechtsfolge der bestandsschutzrechtlichen Zentralnormen der §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG ist die Heilung von bei der Eintragung bestehenden Beschlussmängeln. Sie erfasst sowohl Anfechtungs-, wie Nichtigkeitsgründe und schließt auch eine Berufung auf Wirksamkeitsdefizite von dritter Seite aus. 148
Vgl. BVerfG WM 2010, 170; BGHZ 189, 32. Dahingehend auch BVerfG WM 2010, 170, 171. 150 Vgl. u. § 18 B. 151 BGHZ 33, 175, 178 f.; Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998), S. 183 ff.; Hopt in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 93 Rn. 318; a. A. Mertens/Lahn KölnKomm, 3.Aufl., § 93 Rn. 155; Zölner in KölnKomm, 1. Aufl. § 242 Rn. 46; Mestmäcker BB 1961, 945, 947 f.; differenzierend dazu Schwab in K. Schmidt/Lutter AktG, 2. Aufl., § 242 Rn. 17. 152 S. o. A. III. 2. 149
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
Dieses Ergebnis folgt zwar nur eingeschränkt aus dem Wortlaut, entspricht aber erkennbar den Motiven. Die dagegen gerichteten Vorbehalte bei Ausarbeitung der Vorgängerregelung des § 352a AktG a. F. beruhen auf dem irrtümlichen Vorverständnis, dass die gewollten schadensrechtlichen Konsequenzen anderenfalls ausgeschlossen seien. Zwar lässt sich bei einer Betrachtung der registergerichtlichen Prüfungspflichten nur teilweise eine Berechtigung für die Heilungswirkung allein durch die Eintragung erkennen. Sie ergibt sich aber im Zusammenspiel mit der durch die §§ 14 I, 195 I UmwG angeordneten materiellen Präklusion. Entspricht diese mit ihrer negativen Rechtsgestaltung (Ausschlusswirkung) bereits weitgehend einer Heilung, so bildet sie zugleich die notwendige Bedingung für die Eintragung. Denn nach nunmehr als zutreffend anerkannter Auffassung besteht das Eintragungshindernis des § 16 II UmwG bis zum Ablauf der Klagefrist aus §§ 14 I, 195 I UmwG.
§ 15 Freigabevermittelter Bestandsschutz A. Bestandssicherung der Verschmelzung bei anhängigem Beschlussmangelstreit Die vorstehenden Überlegungen galten der Rechtsnatur und den Wirkungen der §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG bei Eintragung nicht angefochtener Beschlüsse. Nunmehr ist der Frage nachzugehen, ob es auch dann zur Heilung von Beschlussmängeln kommt, wenn gegen den Beschluss Klage erhoben ist und die Registersperre des § 16 II UmwG durch das Unbedenklichkeitsverfahren überwunden wird bzw. – verneinendenfalls – was Grundlage und Reichweite eines etwaigen Bestandsschutzes ist. I. Grundlagen 1. Zweipoligkeit der gesetzlichen Regelung Das Umwandlungsrecht trifft zu den Wirkungen einer durch den Unbedenklichkeitsbeschluss vermittelten Eintragung keine eigenständige positiv-rechtliche Regelung. Anders als § 246a I und IV AktG enthält es also weder eine den §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG vergleichbare Anordnung, wonach Mängel den Beschluss nach der Eintragung unberührt lassen, noch findet sich ein Verweis auf deren entsprechende Geltung. Vielmehr beschränkt sich das Gesetz im Rahmen des dem Kläger nach § 16 III 9 1. Hs. UmwG gewährten Schadensersatzanspruch im 2. Halbsatz der Vorschrift auf die (Negativ-)Aussage, wonach „als Ersatz des Schadens nicht die Beseitigung der Wirkungen der Eintragung der Verschmelzung im Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers verlangt werden (kann).“ Insoweit stellt sich die Frage, ob die
§ 15 Freigabevermittelter Bestandsschutz
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§§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG ebenfalls gelten. Nach teilweiser Auffassung ist das der Fall, d. h. bei § 16 III 9 2. Hs. soll es sich nur um eine klarstellende Ergänzung dieser Vorschriften handeln.153 Zu entnehmen ist das allerdings weder dem Gesetzeswortlaut noch der Regelungssystematik.154 Noch zweifelhafter ist, ob die mit der klarstellenden „Ergänzung“ implizit behauptete Geltung derselben Prämissen dieser Bestimmungen gegeben ist. Denn als wesentlichen Unterschied zu berücksichtigen hat man insoweit, dass bei einer fristgemäß erhobenen Klage weder von der Rechtmäßigkeit des Beschlusses ausgegangen werden kann noch eine materielle Präklusion des Kassationsrechts eingetreten ist. Die Rechtslage bei Klageerhebung ist von derjenigen bei „schlichter“ Eintragung also grundverschieden. Das spricht prima facie dafür, den Bestandsschutz einer freigegebenen Strukturänderung allein bei § 16 III 9 UmwG zu verorten. Augenscheinlich will sich das Gesetz mit dieser eigenständigen Regelung unter den strukturell zur Verfügung stehenden Lösungsmöglichkeiten155 auch eines Lösungsweges bedienen, der zwischen der Beschlusskontrolle einerseits und den sich daraus ergebenden Folgeansprüchen andererseits unterscheidet.156 2. Ausschluss von mitgliedschaftlichen Unterlassungsansprüchen und Beseitigungsrechten als Grundlage der Bestandssicherung Findet § 20 II UmwG keine Anwendung, so besteht die Möglichkeit einer Kassation des rechtswidrigen Beschlusses zunächst fort. Das Anfechtungsrecht als solches bleibt also unberührt. Allerdings deutet sich in § 16 III 9 2. Hs. UmwG das Bestreben an, den daran anknüpfenden Anspruch auf Abwicklung der Strukturänderung oder Unterlassung ihrer weiteren Durchführung auszuschließen. Die Suche nach der Reichweite des freigabevermittelten Bestandsschutzes darf sich daher zunächst nicht an dem Schicksal des gestaltungsrechtlichen Abwehrrechts auf Nichtigerklärung orientieren, sondern hat danach zu fragen, ob und in welchem Umfang sich daran anknüpfende Besei153 Vgl. Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 53; so wohl auch Sosnitza, NZG 1999, 965, 973; zur Forderung nach Klarstellung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens Bork, ZGR 1993, 343, 365. 154 Vgl. dazu auch Bork, ZGR 1993, 343, 365 „Man kann sich aber auch auf den Standpunkt stellen, daß § 29 II RefE bei der auf einen Unbedenklichkeitsbeschluß beruhenden Eintragung nicht gelten soll“; so seinerzeit auch Hirte, DB 1993, 77, 78 ff. Die systematisch selbstständige Stellung der §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG allein ist dabei allerdings nicht entscheidend. Sie ist zwar auch keine bloße regelungstechnische Zufälligkeit, wohl aber dem Umstand geschuldet, dass es sich bei diesen um eine Nachfolgeregelung zu § 352a AktG handelt. Die Systematik beruht also auf einer Rechtslage, bei der es das Freigabeverfahren noch nicht gab. 155 1. Nichtigerklärung und Abwicklung nach allgemeinen Grundsätzen (ex tunc), 2. Nichtigerklärung und Abwicklung ex nunc, 3. Ausschluss der Nichtigerklärung nach Freigabe (keinerlei Abwicklung) und 4. Vorbehalt der Nichtigerklärung aber Ausschluss einer daran anknüpfenden Abwicklung. 156 S. o. § 8 B. I. 2. U. II 2. b).
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
tigungsansprüche von der Eintragung beeinflusst werden. Auch insoweit bedarf es allerdings erneut einer Überprüfung der These vom Verbot der „Entschmelzung“. II. Eckpunkte der Lehre Die – insbesondere in der Kommentarliteratur nahezu einhellig vertretene – These vom Ausschluss der Entschmelzung nach erfolgter Freigabe besagt, dass der Anspruch auf Rückabwicklungen umfassend und mit Dauerwirkung für die Zukunft ausgeschlossen ist.157 Gestützt wird sie von Teilen der Lehre bemerkenswerterweise allerdings weniger auf die Vorschrift des § 16 III 9 2. Hs. UmwG als schon auf das Fehlen eines mitgliedschaftlichen Beseitigungsanspruchs insgesamt. 1. Fehlen einer Klage auf Nichtigerklärung? Die Leugnung eines Anspruchs auf Entschmelzung in jedweder Form beruht zunächst auf der Feststellung, dass das Gesetz – anders als für die Nichtigerklärung der Verbandsgründung – weder eine eigenständige Klage vorsehe. Es fehle an einem Gegenstück zu den §§ 275 ff. AktG, 75 ff. GmbHG und damit an einem geeigneten Rückabwicklungsinstrumentarium.158 Denn die nach dem Umwandlungsrecht zur Verfügung stehende Spaltung sei nur für eine einverständliche Vermögenszuteilung gedacht, nicht aber für den Fall einer – meist durch Klage erzwungenen – Verschmelzung.159 Die in jüngerer Zeit namentlich von Schäfer bekräftigte Gegenposition weist das zurück:160 Eines Äquivalents zur „Nichtigkeitsklage“ nach dem Vorbild der §§ 275 ff. AktG zur Erzwingung der Entschmelzung bedürfe es nicht. Die allgemeinen Verfahren zur Geltendmachung von Beschlussmängeln seien für diese Funktion geeignet. Erforderlich sei lediglich, die Urteilswirkungen nach den Regeln der LfG anzupassen, d. h. um die Rückwirkung zu reduzieren.161 Im Übrigen zeige sich 157 Vgl. Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 34; Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 71; Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 52; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 16 Rn. 73 u. § 20 Rn. 125; so wohl auch Volhard, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 16 Rn. 50. 158 Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 71; K. Schmidt, ZGR 1991, 373, 393; vgl. auch Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., Rn. 233; gegen ein Beseitigungsrecht und lediglich für Schadensersatzanspruch auch, Döss, Die Auswirkungen von Mängeln einer Verschmelzung durch Aufnahme auf die rechtliche Struktur einer übertragenden Gesellschaft und ihre Aktionäre (1990), S. 104 ff. 159 Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 71; K. Schmidt, ZGR 1991, 373, 392 f. 160 Schäfer, Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 192 ff.; zuvor bereits Hirte, DB 1993, 77, 78 f.; Kiem, Die Eintragung der angefochtenen Verschmelzung (1991), S. 174 ff. u. 248 ff.; Martens, AG 1986, 54, 57 ff., 63 f. 161 Schäfer, Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 192; so auch schon Hommelhoff, ZHR 158 (1994), 11 ff.; der Sache nach ders., ZGR 1990, 447, 465 mit dem Vorschlag einer Vorbehaltseintragung; Zöllner, AG 1993, 68, 75.
§ 15 Freigabevermittelter Bestandsschutz
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bei der Nichtigerklärung von Verschmelzungsbeschlüssen kein kategorischer Unterschied gegenüber der Auflösung einer fehlerhaft gegründeten Gesellschaft. Denn auch die erfolgreiche Nichtigkeitsklage nach §§ 275 ff. AktG bedürfe der Umsetzung im Wege der Liquidation. Dieser Einwand Schäfers, wonach die Funktion des § 275 AktG die allgemeinen Institute der Anfechtungsund der Nichtigkeitsklage (§§ 243 ff., 249 AktG) bzw. die negative Feststellungsklage nach § 256 ZPO wahrnehmen, trifft zu. Damit fehlt es zumindest nicht an der notwendigen gesetzlichen Regelung einer Gestaltungsklage als solcher. Die Anwendbarkeit der §§ 243, 249 AktG auf den die Strukturänderung tragenden Beschluss ist auch zu recht noch von niemandem in Zweifel gezogen worden. Sie richten sich zwar genaugenommen nicht auf die Nichtigerklärung der Strukturänderung selbst, sondern nur auf die Kassation des ihr zugrunde liegenden Beschlusses. Insoweit unterscheiden sie sich durchaus von den §§ 275 ff. AktG pp., bei denen sich die Klage nicht etwa gegen die fehlerhafte Satzung richtet, sondern darauf, dass die Gesellschaft als solche für nichtig erklärt und abgewickelt wird.162 Doch wird man daraus nicht auf das Fehlen eines Rechtsschutzinstruments gegen die Strukturänderung schließen dürfen: Zum einen wäre dies ein Rückzug auf das dem deutschen Recht fremden Actionen-Denken. Zum anderen steht außer Frage, dass das Mitglied nach §§ 241 ff. AktG nicht nur den Beschluss beseitigen kann, sondern auch einen Annex-Anspruch gerichtet auf Beseitigung seiner Folgen erwirbt.163 2. Unangemessenheit einer materiell weitgehend einschränkungslos gewährten Vernichtbarkeit Im Kern richtet sich das vorgenannte Argument aber auch nicht auf das Fehlen eines gesetzlichen Rechtsschutz- und Rückabwicklungsinstruments, sondern die Unangemessenheit einer aufgrund §§ 241 ff. AktG grundsätzlich einschränkungslosen, d. h. namentlich von der Art und Schwere der Rechtsverletzung unabhängigen, Vernichtbarkeit. Das dahingehende Unbehagen ist angesichts der mit der Verschmelzung verbundenen verbandskonstituierenden Wirkungen verständlich. Die Verschmelzung ist in ihrer Tragweite der Verbandsgründung als solcher vergleichbar, ja geht sogar über diese hinaus, weil sie das Entstehen eines neuen Rechtssubjekts mit dem Vergehen mindestens eines seiner Vorgänger vereint. Diese Nähe zur Gründung könnte es geboten erscheinen lassen, den Grundgedanken des § 275 AktG zur Geltung zu verhelfen und die Vernichtung der Verschmelzung – anders als die §§ 241 ff. AktG – 162 Insoweit trifft zu, dass die §§ 241 ff. AktG demgegenüber nur eine eingeschränkte Regelung zu den sich aus der Kassation des Beschlusses ergebenden weiteren Rechtsfolgen treffen, während § 277 AktG die Wirkungen der Eintragung der Nichtigkeit explizit regelt und als zentrale Rechtsfolge die Abwicklung der Gesellschaft nach den Vorschriften über die Abwicklung bei Auflösung vorschreibt (vgl. Absatz 1). 163 Vgl. bereits RGZ 3, 123, 138; Kiem, AG 1992, 430, 432; Heermann, ZIP 1999, 1861, 1866 f.; dazu sogleich u. III.
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nicht wegen jeglichen Rechtsmangels, sondern allein wegen solcher Defizite zuzulassen, die eine derart schwerwiegende Rechtsfolge geboten erscheinen lassen. Für die Gründung sieht § 275 I AktG deswegen eine Beschränkung des materiellen Rechts der Nichtigerklärung in der Weise vor, dass diese nur wegen des Fehlens einer Satzungsbestimmung über die Höhe des Grundkapitals oder über den Gegenstand des Unternehmens oder deren Nichtigkeit ausgesprochen werden darf. Das Korrektiv für die Beschlussanfechtung wird teilweise in der Verhältnismäßigkeit der Nichtigerklärung gesucht (vgl. auch § 275 II AktG),164 deren Ausdruck auch Vorschläge sind, die Entschmelzung auf Fälle zu beschränken, in denen die Verschmelzung in „grob sittenwidriger oder grob gesetzeswidriger Weise“ herbeigeführt wurde.165 Sie vermögen den vollständigen Ausschluss der Entschmelzung als solchen aber nicht zu erklären und finden im Gesetzeswortlaut auch keinen Anhalt. Nicht zuletzt deswegen muss man sich zunächst doch dem Ansatz zuwenden, welcher zur Bewertung des von der Freigabe ausgehenden Bestandsschutzes, das Annex zur Kassation entstehende Beseitigungsrecht des Klägers ins Visier nimmt. Zur Untersuchung des Problems hat man sich zunächst Klarheit darüber zu verschaffen, welche Ansprüche dem Mitglied dahingehend zur Verfügung stehen. III. Rechtsnatur der mitgliedschaftlichen Folgenbeseitigung 1. § 1004 BGB (actio negatoria) Als absolutes Recht ist die Mitgliedschaft sowohl durch Abwehransprüche (gerichtet auf Unterlassung und Folgenbeseitigung) wie durch Schadensersatzansprüche gegen rechtswidriges Verhalten des Verbands geschützt. Das gilt zum einen für kompetenzwidrige Ein- und Übergriffe, also namentlich die Holzmüller-Situationen, bei denen eine Maßnahme der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf, aber ohne diese durchgeführt werden soll. Dem Abwehrcharakter entspricht hierbei eine Orientierung am verletzten Recht: Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass rechtswidrig in die als absolutes Recht geschützte Mitgliedschaft eingegriffen wird.166 In entsprechender Anwendung von § 1004 BGB bestehen drei Voraussetzungen:167 – bestehende oder bevorstehende Beeinträchtigung der Mitgliedschaft – Zurechenbarkeit des Eingriffs gegenüber dem Verband (Störereigenschaft) – Rechtswidrigkeit des Eingriffs 164 Vgl. zu beidem Schäfer, Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 197; Arbeitskreis Beschlussmängelrecht AG 2008, 617, 621 f. 165 Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 280. 166 Vgl. Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 277 f.; Schmid, ZGR 1997, 509 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 21 V 1. 167 Vgl. aber die abweichende Zusammenstellung der Voraussetzungen bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 21 V 1 (S. 646).
§ 15 Freigabevermittelter Bestandsschutz
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Von entscheidender Bedeutung zur Begrenzung des dadurch begründeten Abwehrrechts erweist sich die mit der Voraussetzung der Beeinträchtigung der Mitgliedschaft zu verbindende subjektiv rechtliche Betroffenheit des Mitglieds. Die actio negatoria besteht zum anderen gegen rechtswidriges Verhalten des Organs, dem der Kläger selber als stimmberechtigtes Mitglied angehört, also gegen die Folgen rechtswidriger Hauptversammlungsbeschlüsse, die dem Verband in gleicher Weise zuzurechnen ist, wie die Willensbildung seiner Leitungsorgane.168 Auch hier folgt sie aus § 1004 BGB (analog).169 Im Gegensatz zu dem auf die Abwehr der von Leitungsorganen ausgehenden Eingriffe stellt sich hier aber die Frage, ob der Anspruch auf Unterlassung/Beseitigung eine subjektiv-rechtliche Beeinträchtigung erfordert.170 2. Einschränkungen durch subjektiv-rechtliche Betroffenheit? Ein schadensrechtlicher Beseitigungsanspruch knüpft über die Mitgliedschaft schon tatbestandlich an die Verletzung einer subjektiv-rechtlichen Position.171 Zweifelhaft ist eine dahingehende Notwendigkeit dagegen für den mit Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage in Zusammenhang stehenden Folgenbeseitigungsanspruch. Als Grund für einen Verzicht auf die subjektiv-rechtliche Betroffenheit kann man einmal auf die eigene Zugehörigkeit des Mitglieds zu dem rechtswidrig handelnden Organ „Hauptversammlung“ verweisen. Das Argument erweist sich in der großen Publikumsgesellschaft allerdings als wenig überzeugend. Gewichtiger wirkt dagegen der Umstand, dass das in den §§ 241 ff. AktG enthaltene Prinzip ein solches der objektiven Beanstandung der rechtswidrigen Willensbildung ist und keine Verletzung eigener Interessen erfordert. Die Ausgestaltung der Beschlusskontrollklage als Individualrecht ist auch keine positivistische Erfindung des Aktienrechts, sondern das Korrelat des auf Praktikabilität zielenden Mehrheitsprinzips. Begründen lässt es sich 168
So schon dazu RGZ 3, 123, 138. Vgl. Kiem, AG 1992, 430, 432; ausf. ders., Die Eintragung der angefochtenen Verschmelzung (1991), S. 257 ff.; Martens, AG 1986, 57, 64 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 21 V 3; Schmid, ZGR 1997, 493, 510 ff. 170 Dazu sogleich u. 3. 171 Für die Holzmüller-Konstellation ist das unstreitig, was den Umstand reflektiert, dass es keinen allgemeinen Anspruch des Einzelgesellschafters gegen die Leitungsorgane auf rechtmäßige Erfüllung ihrer Pflichten gibt. Nur wo der Bereich des Leitungsermessens evident verlassen ist, kann die Mitgliedschaft als absolutes Recht berührt sein, besteht Raum für die Abwehrklage. Gemeint sind damit die Fälle der „faktischen Satzungsänderung“. Schwierigkeiten bereitet allerdings trotz den durch die Gelatine-Rechtsprechung (BGHZ 159, 30; BGH ZIP 2007, 24) vorgenommenen Konkretisierungen die Abgrenzung, wann eine Pflichtwidrigkeit zur Rechtsverletzung gegenüber dem einzelnen Gesellschafter wird. Das gilt insbesondere bei verdeckten Ausschüttungen an Gesellschafter und nahestehende Dritte, die einen Eingriff in die Finanzverfassung darstellen und die durch Regressansprüche möglicherweise gar nicht oder nur zu spät ausgeglichen werden können. Auch für diese Problematik gleichwohl gegen einen Unterlassungsanspruch BGHZ 76, 160; krit. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 21 V 3. 169
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
in seiner Weite im Gegensatz zur nur beschränkten Abwehr rechtswidrigen Verhaltens der Leitungsorgane auch damit, dass die Willensbildung als Kompetenz der Hauptversammlung zugewiesen ist, mithin ein Kompetenzkonflikt nicht besteht. Ist das Recht der Beschlusskontrolle als solches damit überindividueller Natur, so kann dies für einen daran anknüpfenden Folgenbeseitigungsanspruch nicht ohne Folgen bleiben. Demgemäß können weder die allgemein für § 1004 BGB vorgenommenen Beschränkungen eingreifen172 noch kann eine Fortdauer der Beeinträchtigung oder gar eine Wiederholungsgefahr173 erforderlich sein. Dem dahingehend aufgegriffenen Gedanken von K. Schmidt – Anspruch auf Rückabwicklung der fehlerhaften Strukturveränderung nach der von ihm für anwendbar gehaltenen LfG nur bei fortbestehender Rechtsverletzung174 – kann daher nicht gefolgt werden. Er führt zu einem erkennbaren Widerspruch zur Beanstandungsfunktion der Kassation und zur Unvollständigkeit der von ihr ausgehenden Präventionswirkung. Überdies bleibt unklar, was unter der Fortdauer einer Rechtsverletzung zu verstehen ist. Im Ergebnis unterscheiden sich haftungsrechtliche und über die actio negatoria vermittelte Folgenbeseitigung damit nicht nur hinsichtlich eines etwaigen Verschuldens erheblich. IV. Reichweite der Ausschlussregelung des § 16 III 9 2. Hs. UmwG § 16 III 9 2. Hs. UmwG schließt seinem Wortlaut nach die Rückabwicklung der Verschmelzung nur als Gegenstand eines Schadensersatzanspruches aus. Fraglich ist, ob davon in gleicher Weise ein in entsprechender Anwendung von § 1004 BGB zu begründender Anspruch auf Folgenbeseitigung ausgeschlossen ist. 1. Bedeutung der schadensrechtlichen Bezugnahme Problematisch ist dabei zunächst der schadensrechtliche Kontext, d. h. die Ergänzung des § 16 III 9 1. Hs. Sie legt zunächst nahe, dass es nur um den freigaberechtlichen Schadensersatzanspruch des Klägers geht, der Folgenbeseitigungsanspruch aus § 1004 (analog) jedoch nicht erfasst ist. Denn er entsteht nicht aus der zu Unrecht erfolgten Freigabe, sondern als Annex zur Kassation des Beschlusses in der Hauptsache.175 Zweifel bestehen auch, weil die Norm 172 Sie setzten namentlich bei der erforderlichen Beeinträchtigung, wie der Rechtswidrigkeit und der Störer-Eigenschaft an; Einzelheiten bei Medicus, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 1004 Rn. 11 ff. 173 So Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl., § 12 IV 1 Rn. 20; Bassenge, in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 1004 Rn. 27; Medicus, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 1004 Rn. 24; Gursky, in Staudinger, BGB, 13. Aufl., § 1004 Rn. 17; Gegenposition vertritt namentlich Pickers, AcP 183 (1983), 369, 513. 174 Vgl. K. Schmidt, ZIP 1998, 181. 175 A. A. Döss, Die Auswirkungen von Mängeln einer Verschmelzung durch Aufnahme auf die rechtliche Struktur einer übertragenden Gesellschaft und ihre Aktionäre (1990), S. 104 ff.
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als Ausschluss der Naturalrestitution ausschließlich schadensrechtlichen Charakter zu haben scheint. Demgemäß wird mit gewichtigen Argumenten gegen die Annahme einer irreversiblen Wirkung der Eintragung der Verschmelzung vorgebracht, dass § 16 III 9 2. Hs. UmwG die Pflicht zur Folgenbeseitigung aufgrund der mitgliedschaftlichen actio negatoria unberührt lasse.176 a) Naturalrestitution als Inhalt des Folgenbeseitigungsanspruchs Ein schadensrechtlicher Konnex des § 16 III 9 2. Hs. UmwG würde allerdings nicht gegen eine Anwendung auf die mitgliedschaftliche actio negatoria sprechen, wenn die §§ 249 ff. BGB auch auf eine danach geschuldete Beseitigung Anwendung finden würden. Die Frage, ob dem so ist, wird schon für die unmittelbare Anwendung des § 1004 BGB nicht einheitlich beantwortet, weil zweifelhaft ist, ob eine danach gegebene Restitutionsverpflichtung überhaupt mögliche Schäden umfasst. Das Auffinden der Grenze zwischen Beseitigung und Schadensersatz bildet „das am wenigsten gelöste Problem des § 1004 BGB“.177 Unklar ist dabei zunächst, ob die nach § 1004 BGB geschuldete Beseitigung überhaupt der Naturalrestitution entsprechen kann. Eine Abgrenzung erweist sich als notwendig, damit § 1004 BGB nicht zur Grundlage einer dem Schadensersatz gleichstehenden Rechtsfolge ohne Verschulden wird.178 Häufig findet sich die Formulierung, die Beseitigung richte sich auf die Verhinderung künftiger Beeinträchtigungen, während Schadensersatz auch die in der Vergangenheit abgeschlossene Beeinträchtigung umfasse.179 Der Störer schulde nur den contrarius actus seiner störenden Tätigkeit. Dagegen brauche er nicht die Behinderung oder Beschädigung zu beseitigen, die sich aus dem störenden Eingriff als weitere Folge ergeben.180 Der Störer muss also im für den vorliegenden Zusammenhang regelmäßig als Beispiel genannten Fall eines Dammbruchs das Loch im Damm stopfen, nicht aber für die Trockenlegung181 oder gar die Erneuerung des abgeschwemmten Erdreichs182 sorgen.183 Nur die Störquelle ist zu beseitigen, nicht die weiteren Folgen der Störung. Dieser engere Standpunkt ist als Abgrenzungskriterium allerdings nur bedingt tauglich, wo Beseitigung und Schaden übereinstimmen. In diesen Fällen kann als Folge176
Vgl. Schmid, ZGR 1997, 497, 510 ff. Vgl. Medicus, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 1004 Rn. 71. 178 Widersprüche bestehen hierbei aber nicht nur zum Verschuldenserfordernis als solchem, d. h. z. B. zu § 823 BGB, sondern auch zu den §§ 989 ff. BGB, da danach der redliche unverklagte Besitzer privilegiert ist. 179 Vgl. BGHZ 28, 110, 113; Bassenge, in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 1004 Rn. 28; Mühl, in Soergel, BGB, 13. Aufl., § 1004 Rn. 112. 180 So die Umschreibung von Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl., § 12 IV Rn. 20. 181 Vgl. Medicus, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 1004 Rn. 71 f.; so aber LG Göttingen NdsRpfl. 1951, 101. 182 So aber OLG Stuttgart OLGE 41, 162. 183 W. N. zu der eher ausweitenden Tendenz in der Rechtsprechung bei Medicus, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 1004 Rn. 71. 177
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beseitigung daher nach § 1004 BGB auch durchaus die Naturalrestitution geschuldet sein.184 So verhält es sich im Ausgangspunkt auch bei Durchführung einer fehlerhaften Verschmelzung, bei der nicht genügt, sie „nicht weiter“ zu betreiben, sondern zum Erreichen einer Beseitigung Wiederherstellungsmaßnahmen zugunsten der verschmolzenen Rechtsträger ergriffen werden müssen. Allerdings ist zu beachten, dass die Diskussion im Rahmen des § 1004 BGB um die Erweiterung der actio negatoria kreist. Vorliegend geht es dagegen um die Frage, ob ein dadurch begründeter Anspruch schadensrechtlich erklärt und damit der Einschränkungswirkung des § 16 III 9 2. Hs. UmwG unterworfen werden kann. Um sie zu beantworten, muss untersucht werden, ob eine Vergleichbarkeit der Wertungsgrundlagen von schadensrechtlicher und durch § 1004 BGB begründeter Restitution besteht. Insoweit ist zu erwägen, ob es sich bei § 16 III 9 2. Hs. UmwG um einen spezialgesetzlichen Ausdruck der Schadenskompensation handelt (§ 251 I u. II 1 BGB). b) Wertungsgrundlage des Ausschlusses der Naturalrestitution aa) Unverhältnismäßigkeit gem. § 251 II BGB Anstelle der Naturalrestitution ist auf Schadenskompensation zu erkennen, „soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist“ (vgl. § 251 I BGB) bzw. „wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist“ (vgl. § 251 II BGB). Nahe liegt insbesondere die Anwendung der letzteren Vorschrift. Allerdings ist die Anwendbarkeit des § 251 II BGB auf § 1004 BGB umstritten. Für eine solche Einschränkung wird angeführt, die in der Schadenskompensation liegende Wohltat für den Schadensersatzschuldner müsse erst recht dem schuldlosen Beseitigungsschuldner zugutekommen.185 Die Rechtsprechung ist zum selbigen Ergebnis gelangt, indem sie die §§ 251 II, 633 II 2 BGB a. F. (jetzt § 635 III BGB) als „allgemeinen Rechtsgedanken“ angesehen hat, der auch auf § 1004 BGB anwendbar sei.186 Für die Einschränkung der Beseitigungspflicht sollten dabei auch „Art und Grund eines etwaigen Verschuldens“ des Störers berücksichtigt werden.187 Teile des Schrifttums haben dem zwar entgegengehalten, dieser Rechtsgedanke habe bereits Eingang in das Gesetz gefunden, allerdings nur in bestimmten Sondervorschriften (z. B. §§ 904, 912 I BGB). Deren Einschränkungen, wie etwa der sofortige Widerspruch des Eigentümers, Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Nachbarn bei der Pflicht zur Duldung des
184
S. Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl., § 12 IV Rn. 21. Vgl. etwa Bassenge, in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 1004 Rn. 47; Larenz/ Canaris, Schuldrecht II 2, 13. Aufl., § 86 IV 2 a); Oetker, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 251 Rn. 37. 186 BGHZ 62, 688, 691; 143, 1, 6; BGH DB 1974, 673. 187 BGH DB 1974, 673. 185
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Überbaus (§ 912 I BGB), dürften nicht bedeutungslos gemacht werden.188 Ist damit gegen eine Anwendung des § 251 II 1 BGB auf § 1004 BGB grundsätzlich nichts einzuwenden, so passt dieser jedoch nicht auf reine Nichtvermögensschäden.189 Das spricht auch dagegen, § 16 III 9 2. Hs. UmwG als spezialgesetzliche Regelung der Schadenskompensation i. S. d. §§ 249, 251 BGB anzusehen. Daher stellt sich die Frage, ob sich die Regelung als typisierter Ausschluss der Naturalrestitution wegen Unmöglichkeit der Wiederherstellung (§ 251 I 1 BGB) verstehen lässt. bb) Unmöglichkeit der Wiederherstellung (§ 251 I 1 BGB) Beruht § 16 III 9 2. Hs. UmwG nicht auf einer Einzelfallbetrachtung der Verhältnismäßigkeit der Naturalrestitution, sondern formuliert den Ausschluss des Anspruchs auf Beseitigungen der Wirkungen der Verschmelzung in abstrakt-genereller Form, d. h. soll nicht geprüft werden, ob die „Entschmelzung“ im konkreten Sachverhalt unangemessen ist, sondern dies als allgemeinverbindlicher Topos formuliert werden, so bietet es sich namentlich deswegen an einen Fall des § 275 I BGB anzunehmen, weil schon die Regierungsbegründung zu § 16 III 9 2. Hs. UmwG für die „Entschmelzung“ auf deren „Unmöglichkeit“ verweist. Allerdings besteht über die Unmöglichkeit einer Rückabwicklung in diesem Zusammenhang keineswegs Konsens. Insoweit fragt sich, ob eine dahingehende Typisierung sachlich gerechtfertigt ist. (1) Objektive Unmöglichkeit der Herstellung des status quo ante. Von den Tatbestandsalternativen des § 275 I BGB könnte die „Entschmelzung“ der objektiven Unmöglichkeit i. S. d. § 275 I 1 Alt. BGB unterfallen. Sie liegt vor, wenn die Erfüllbarkeit der Leistung aus sachlichen Gründen ausgeschlossen ist, die Leistung also von niemandem (den Schuldner eingeschlossen) erbracht werden kann.190 Das kann einmal auf einer naturgesetzlichen Unerbringlichkeit beruhen, zum anderen auf rechtlichen Gründen. Letzteres führt nur dann zu einer objektiven Unmöglichkeit, wenn es an einem rechtlichen Instrument fehlt, welches zur Wiederherstellung des vor der Verschmelzung bestehenden Zustands führen kann. (a) Keine „dingliche“ Entschmelzung. Die in der Literatur herrschende Meinung verdient nach vorliegender Überzeugung in dieser Einschätzung Zustimmung. Unmöglich ist die Verschmelzung zunächst in „dinglicher“ Hin188 Vgl. Medicus, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 1004 Rn. 79; ders., JuS 1969, 449, 454 ff.; der aber nunmehr unter Hinweis auf § 275 II BGB n. F. die Position der Rechtsprechung für vertretbar hält (a. A. O. Rn. 80). 189 So wohl jetzt h. M., vgl. Esser/Schmidt, Schuldrecht AT 2, § 32 II 2 b) (S. 208); G. Kuckuck, in Erman, BGB, 11. Aufl., § 251 Rn. 25; Oetker, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 251 Rn. 48; E. Schmidt, JuS 1986, 517, 518. 190 Vgl. Stadler, in Jauernig, BGB, 12. Aufl., § 275 Rn. 12.
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sicht:191 Da trotz der Fehlerhaftigkeit der Verschmelzung die übertragende Gesellschaft – also bei der Verschmelzung durch Neugründung alle beteiligten Rechtsträger – erlischt (§ 20 I Nr. 1 Satz 2 UmwG), kann die Rückabwicklung nicht in der Weise erfolgen, dass der Vermögensübergang von dem rechtswidrig entstandenen Rechtsträger auf seine Rechtsvorgänger nach allgemeinen schuld- und sachenrechtlichen Vorschriften rückgängig gemacht wird. Mit dem Erlöschen fehlt, unbesehen möglicher Schwierigkeiten einer Trennung der verschmolzenen Gesellschaftsvermögen, das rechtlich notwendige Zuordnungssubjekt. Ebenso wie die Aussonderung des übertragenen Vermögens ist damit auch ein automatisches Wiedereinrücken der Gesellschafter in ihre ursprüngliche Gesellschafterstellung ausgeschlossen. Zu einem anderen Ergebnis würde man allenfalls dann gelangen, wenn man das Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers nur als Fiktion oder als von Anfang an niemals erfolgt ansehen wollte. Das würde allerdings zu unauflösbaren Widersprüchen mit der zwischenzeitlichen Anerkennung des durch die Verschmelzung entstandenen Rechtsträgers führen und wird zu Recht nicht vertreten – auch nicht von den Befürwortern der Entschmelzung. Aus diesem Grund scheitert auch eine rückwirkende Neugründung. (b) Neugründung, keine Wiederherstellung des früheren Zustands. Die Revision der eingetragenen Verschmelzung setzt also zwingend mindestens eine Neugründung voraus. Zur Verfügung stehender actus contrarius ist nach Schäfer die Spaltung nach dem UmwG. Zwar bedürfe sie erheblicher Vorarbeit durch den Vorstand. Sie scheitere aber keineswegs schon an nicht behebbaren tatsächlichen Schwierigkeiten. Das bei der aufnehmenden Gesellschaft vorhandene Vermögen könne nach dem ursprünglichen Wertverhältnis auf die im Wege der Spaltung neu zu begründenden Gesellschaften verteilt, eindeutig zuzuordnende und noch vorhandene Vermögensgegenstände entsprechend ihrer Herkunft aufgeteilt werden.192 Auch im Rahmen der Liquidation sei anerkannt, dass Unternehmensveräußerung, Ausgründung und Umwandlungsvorgänge als Abwicklungsmaßnahmen in Betracht kämen. Daher relativierten sich auch die Unterschiede zur Spaltung. Unabhängig hiervon gibt Hirte zu bedenken, dass es sich bei der Mehrzahl der Verschmelzungen um Maßnahmen der Konzernorganisation handele, die aus geschäftspolitischen Gründen durchgeführt und aus ebensolchen Gründen auch wieder rückgängig gemacht werden könnte.193
191
Vgl. zum Begriff der „dinglichen Entschmelzung“ K. Schmidt, ZGR 1991, 373, 391 f.; ders., AG 1991, 131, 133 f.; übernommen von Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 280. 192 Kiem, Die Eintragung der angefochtenen Verschmelzung (1991), S. 174; Schäfer, Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 193. 193 Vgl. Hirte, DB 1993, 77, 78.
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Selbst wenn man eine dafür erforderliche und sogleich näher zu behandelnde Rechtspflicht zur Spaltung unterstellt, überzeugt das jedoch nicht. Angelehnt sind die Überlegungen Schäfers augenscheinlich an die nach § 277 I AktG vorgesehene Liquidation. Sie ist hier jedoch nicht geschuldet. Zudem wird man den durch eine Spaltung ex tunc geschaffenen Zustand auch nicht als actus contrarius zur Verschmelzung ansehen dürfen, weil der aufgelöste Verband zwar formal, aber bei lebensnaher Betrachtung nicht tatsächlich wiederhergestellt wird. Auch hier gilt, dass der übertragende Rechtsträger mit der zwischenzeitlichen Verschmelzung so umfassenden sachlichen und personellen Veränderungen unterworfen war, dass er sowohl im Innenverhältnis wie im Außenverhältnis von der Diskontinuität der Verschmelzungswirkungen geprägt ist. Die obligatorische Entschmelzung ex nunc vermag also den vorherigen Zustand nicht herbeizuführen. Sie ist demgemäß auch nicht als actus contrarius geschuldet, sondern bildet allenfalls ein Surrogat des ursprünglichen Anspruchs auf Unterlassung der Durchführung der Verschmelzung. (2) Subjektive Unmöglichkeit – Verpflichtung zur Spaltung? Folgt man dem nicht, so stellt sich die Frage, ob einer Wiederherstellung ex nunc nicht die subjektive Unmöglichkeit entgegensteht. Sie liegt vor, wenn zwar der Schuldner sie nicht erbringen kann, sie aber von Dritten erbracht werden könnte, mithin ein ausschließlich in der Person des Schuldners liegendes Leistungshindernis besteht.194 Dies könnte hier ebenfalls ein rechtliches Leistungshindernis sein, nämlich das Unvermögen der beklagten Gesellschaft zur Vornahme der Spaltung. (a) Abwicklungspflichten der Beteiligten. Die Rechtsgrundlage für die im Rahmen der obligatorischen Entschmelzung vorzunehmenden einzelnen Schritte liegt nach Auffassung Schäfers für den Vorstand darin, dass er nach der Kassation des Verschmelzungsbeschlusses auf die geänderte Situation ebenso einzugehen habe, wie er andererseits einen rechtmäßigen Beschluss ausführen müsse. Die Pflicht zur Herbeiführung der Spaltung sei die Kehrseite seiner allgemeinen, in § 83 II AktG klargestellten Pflicht zur Ausführung rechtmäßiger Beschlüsse. Alternativ sei sie auf eine Folgenbeseitigungspflicht zu stützen. Die Mitgesellschafter seien aufgrund der Treupflicht gehalten, an der Beseitigung der Folgen des rechtswidrigen Beschlusses mitzuwirken. Sie dürften mithin notwendigen Komplementärbeschlüsse keineswegs generell blockieren, sondern seien grundsätzlich zur Zustimmung verpflichtet.195 Das überzeugt jedoch nicht. Zwar mag man eine Pflicht der Geschäftsleitung zur Vorbereitung einer Spaltung in umgekehrter Anwendung des § 83 I AktG noch annehmen. Für die erforderliche Zustimmung der Gesellschafter 194 195
Vgl. Stadler, in Jauernig, BGB, 12. Aufl., § 275 Rn. 17. Schäfer, Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 194.
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
trifft das aber nicht zu. Zustandsstörer und Schuldner der Beseitigungshandlung ist zum einen allein die Gesellschaft. Zum anderen muss der zur Kassation führende Beschlussmangel nichts mit einer Verfehlung der Mehrheit (i. S. e. Treuwidrigkeit) zu tun haben. Genauso wenig sind die übrigen Mitglieder wegen der Gestaltungswirkung der Entscheidung und ihrer inter omnes eintretenden Rechtskraftwirkung zu einer Zustimmung zur Spaltung verpflichtet. Das deckt sich mit dem allgemeinen Befund zur fehlenden Reparaturpflicht fehlerhafter Beschlüsse196 und folgt daraus, dass sich der Kassation kein kontradiktorisches Gegenteil im Sinne einer Per se-Rechtswidrigkeit der Verschmelzung als solcher ergibt. Zudem kann der Beschlussmangel dem einzelnen Gesellschafter nicht dadurch zugerechnet werden kann, dass er sich als Befürworter an der Abstimmung beteiligt hat. Nach Kategorie des § 1004 BGB, ist er durch seine Stimmabgabe nicht zugleich mittelbarer Störer. (b) Ausnahmen. Zu einem anderen Ergebnis mag man kommen, wenn die Verschmelzung seitens der Mehrheit in grob sittenwidriger oder grob gesetzeswidriger Weise herbeigeführt wurde.197 Allerdings führt auch dieser Umstand nicht dazu, dass die betreffenden Mitglieder gegenüber der Gesellschaft zur Zustimmung zur Spaltung verpflichtet sind. Vielmehr bezieht sich ein solcher Vorwurf zwangsläufig auf das Verhältnis zu anderen Mitgesellschaftern. Auch hier bleibt es beim rechtlichen Unvermögen der Gesellschaft. Allerdings ist hier die Restitutionsverpflichtung der beschlusstragenden Gesellschafter aufgrund treuwidrigen Handels oder des § 826 BGB dargetan. Durchzusetzen ist er entweder im Wege der Leistungsklage auf Zustimmung zur Spaltung (was wegen der mit einer Spaltung verbundenen Handlungsalternativen kaum zu einem vollstreckbaren Inhalt führen dürfte) oder durch die Verpflichtung der Gesellschaft, einen Beschluss über die Spaltung herbeiführen. Nach dessen möglicher Ablehnung hat der Kläger hiergegen im Wege der Anfechtung vorzugehen und diese mit der Klage auf positive Feststellung der Annahme des Spaltungsantrags zu verbinden. 2. Ergebnis Als Ergebnis bleibt festzuhalten: Die Vorschrift des § 16 III 9 2. Hs. UmwG stellt sich als spezialgesetzlicher Ausdruck der, dem Anspruch auf Folgenbeseitigung aus § 1004 BGB (analog) entgegenwirkenden, Unmöglichkeit der Naturalrestitution (§ 251 I 1 BGB) dar. Gegenüber der Schadenskompensation wegen Unverhältnismäßigkeit (§ 251 II BGB) hat das vor allem den Vorteil, dass es deren Darlegung im Einzelfall nicht bedarf. Lediglich in den vorgenannten Ausnahmen lässt sich der Ausschluss der Naturalrestitution mit 196
Dazu Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 280. Vgl. zu diesem Vorbehalt Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 280; ferner Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl., § 46 Rn. 70. 197
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§ 251 I 1 BGB nicht erklären. Er verdient hinsichtlich des mitgliedschaftlichen Folgenbeseitigungsanspruchs aus § 1004 BGB (analog) dann auch keine Anerkennung. V. Zusammenfassung Die Anwendung des § 20 II UmwG gegenüber dem Anfechtungskläger bereitet Schwierigkeiten, weil diesem gegenüber nach fristwahrender Klageerhebung keine materielle Präklusion nach § 14 I UmwG eintritt. Das Gesetz setzt insoweit folgerichtig mit § 16 III 9 2. Hs. UmwG nicht bei dem Recht auf Anfechtung/Nichtigkeitsfeststellung, sondern bei dem daraus folgenden Anspruch auf Beseitigung an (Annex- oder Folgenbeseitigungsanspruch). Diese Regelung ist nicht als schadensrechtlich begrenzter Ausschluss der Naturalrestitution zu begreifen, sondern als Ausdruck eines auch die Wiederherstellung auf anderer Rechtsgrundlage betreffenden Unmöglichkeitsgrunds. Die Wiederherstellung des status quo ante ist mit der Verschmelzung objektiv unmöglich geworden. Nach Eintritt der Verschmelzungswirkungen ist der übertragende Rechtsträger als Zuordnungssubjekt aufgelöst. Die Neugründung im Wege der Verschmelzung, diskutiert unter dem Gesichtspunkt einer „Entschmelzung“ ex tunc, vermag an die ursprüngliche Rechtslage nicht anzuknüpfen. Sie führt in der Sache nicht zur Wiederherstellung des alten übertragenden Rechtsträgers, sondern eines neuen, damit weder tatsächlich noch rechtlich vergleichbaren Verbands. Sie bildet demgemäß keinen actus contrarius, sondern ein Surrogat des ursprünglichen Unterlassungsanspruchs. Auch kann die Gesellschaft wegen der ihr fehlenden rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf das Abstimmungsverhalten der Mitglieder und dem hieraus zu folgernden Unvermögen nicht zur Spaltung verpflichtet werden. Anders verhält es sich nur dort, wo die Mitglieder im Ausnahmefall wegen Treuwidrigkeit oder aus § 826 BGB unmittelbar zur Restitution verpflichtet sind.
B. Verallgemeinerung des Prinzips – die Ausdehnung des Ausschlusses der Rückabwicklung auf Spaltung und Formwechsel Die Herausbildung allgemeiner Lehren aus dem durch Gesetze, Gerichtsentscheidungen und Anschauung vorgegebenen Material wird als Institutionenbildung bezeichnet.198 Das Umwandlungsrecht ist in besonderem Maße Ausdruck dieses Prinzips und seiner Verfolgung durch den Gesetzgeber. Denn es überwindet nicht nur in vielfacher Form rechtsformspezifischen Besonderheiten bei der Umwandlung, sondern beinhaltet durch seine umfassende Verweisungstechnik zugleich eine weitgehende Vereinheitlichung der für die einzelnen Umwandlungsarten vorgesehenen Bestimmungen. Demgemäß gilt die 198
Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 3 III 3 (S. 53), dort auch Fn. 19 m. w. N.
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Ausschlussnorm des § 16 III 9 2. Hs. UmwG nicht nur für die Verschmelzung, sondern auch die Spaltung und den Formwechsel (vgl. §§ 125, 198 III UmwG). Da es bei der Institutionenbildung jedoch nicht darum gehen kann, gesellschaftsrechtlich vorgegebene Differenzierungen durch Einebnung aller Unterschiede zu überwinden, sondern diese – eingebettet in allgemeinen Lehren – einer sachgerechten Lösung zuzuführen, bedarf der Überprüfung, inwieweit sich vorstehenden Überlegungen auch zur Rechtfertigung der Ausschlusswirkung bei der Spaltung und dem Formwechsel eignen. Klärungsbedürftig erscheint die Frage der Erforderlichkeit einer solchen Regelung auch angesichts des mit dem Bestandsschutz verbundenen Eingriffs in die grundgesetzlich geschützte Mitgliedschaft. Denn unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten muss ihre Erforderlichkeit im Rahmen der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers mindestens als vertretbar erscheinen.199 I. Spaltung 1. Aufspaltung Bei der Spaltung ist nach den einzelnen Arten ihrer Erscheinungsformen zu unterscheiden. Bei der Aufspaltung nach § 123 I UmwG erlischt der betreffende Rechtsträger (vgl. § 131 I Nr. 2 UmwG). Insoweit entspricht die Sachlage der Verschmelzung. Zwar bereitet eine Zuordnung der Vermögen der aus der Spaltung hervorgegangenen Rechtsträger, keine Schwierigkeiten bei der Aufspaltung durch Neugründung (§ 123 I Nr. 2 UmwG), weil das Vermögen der aufnehmenden Gesellschaften ausschließlich von dem aufgespaltenen Rechtsträger herrührt. Auch hier gilt jedoch das soeben Gesagte entsprechend: Mit einer Neugründung des erloschenen Rechtsträgers ließe sich nur dem äußeren Bild nach eine Wiederherstellung des vor der Spaltung bestehenden Zustands erreichen. Die in der Zwischenzeit eingetretenen Veränderungen der sozialen Wirklichkeit lassen sich nicht mehr verändern. Bei der Aufspaltung zur Aufnahme, also der Übertragung der Vermögensteile auf bestehende Rechtsträger (§ 123 I Nr. 1 UmwG) kommt es dagegen zu einer Teilverschmelzung, so dass sich ebenfalls die vielfach beschworenen Probleme einer Teilung ergeben. Zudem würde die Rückabwicklung in die Rechtssphäre eines Dritten eingreifen. 2. Abspaltung und Ausgliederung Anders als bei der Aufspaltung führt die Abspaltung (§ 123 II UmwG) und die Ausgliederung (§ 123 III UmwG) nicht zum Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers, sondern nur zu einer Übertragung eines oder mehrerer Vermögensteile. Werden diese Maßnahmen im Wege der Aufnahme (§ 123 II Nr. 1 199 Vgl. zur Vereinbarkeit der „Abwägungs-Klausel“ mit grundgesetzlichen Gewährleistungen sodann noch u. § 22 E.
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und III Nr. 1 UmwG) durchgeführt, stimmt die Situation allerdings mit der Aufspaltung durch Aufnahme (§ 123 I Nr. 1 UmwG) dahingehend überein, dass eine Vermögensvermischung stattfinden, welche den Ausschluss der Rückabwicklung geboten erscheinen lässt.200 Unabhängig davon, ob die Durchführung im Wege der Aufnahme oder der Neugründung erfolgt, führt die Abspaltung nach § 123 II UmwG aus Sicht der übertragenden Gesellschaft auch zur subjektiven Unmöglichkeit der Rückabwicklung. Denn die Anteile am übernehmenden Rechtsträger werde nicht an diese, sondern an deren bisherige Anteilsinhaber gewährt (§ 123 II letzter Hs. UmwG). In der Konsequenz ist der übertragende Rechtsträger als Beklagter im Anfechtungsrechtsstreit rechtlich nicht mehr zur Rückabwicklung in der Lage. Gleichzeitig sind aber auch dessen Anteilsinhaber – die jetzt auch Anteilsinhaber an dem durch die Abspaltung entstandenen Rechtsträger sind – im Regelfall nicht zur Zustimmung verpflichtet.201 Entsprechendes gilt für beide Formen der Spaltung, wenn an dem aufnehmenden Rechtsträger nicht nur die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers oder dieser selbst Anteilsinhaber werden, sondern bisher unbeteiligte Dritte, bzw. die Spaltung nicht verhältniswahrend erfolgt. In diesem Fall ist auch eine Heilung durch Bestätigung ausgeschlossen,202 weswegen ein gesteigertes Bedürfnis an einer entsprechenden Regelung durch § 16 III 9 2. Hs. UmwG naheliegt.203 Ein anderes Bild ergibt sich dagegen für die Ausgliederung durch Neugründung und einer Anteilsgewährung an die übertragende Gesellschaft (§ 123 III Nr. 2 UmwG). Hier entsteht eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der übertragenden Gesellschaft, die wieder auf diese rückverschmolzen werden kann. Die Inanspruchnahme der übertragenden Gesellschaft als der Beklagten im Anfechtungsrechtstreit gegen die Ausgliederung ist insoweit möglich und es erscheint für sich gesehen nicht ausreichend, dass eine abweichende Differenzierung für § 123 III Nr. 2 UmwG gegenüber den anderen Formen der Spaltung „misslich“ wäre und potentielle Drittinteressen beseitigen könnte.204 Auch hier wird man vielmehr an dem zur Rückabwicklung der Ausgliederung 200 Wie hier die h. M., vgl. Kallmeyer, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 131 Rn. 16; Kübler, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 131 Rn. 32 f.; Hörtnagl, in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 131 Rn. 105; Teichmann, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 131 Rn. 16; a. A. Veil, ZIP 1998, 361, 365; vgl. auch Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl., § 46 Rn. 70. 201 Eine Zustimmungspflicht unter Treupflichtgesichtspunkten ist nicht anzuerkennen, S. o. bb) bbb) (1). 202 Vgl. Teichmann, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 131 Rn. 15. 203 Insoweit bestätigt sich, dass der von Schäfer, Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 198, angeführte Zeitgewinn durch Gelegenheit zur Heilung nach § 244 zwar für die Verschmelzung, nicht aber die Spaltung greift. 204 So aber Teichmann, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 131 Rn. 16; die Rückabwicklung dagegen nicht prinzipiell ausschließend Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl., § 46 Rn. 70.
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
notwendigen Verschmelzungsbeschluss anzusetzen und zu fragen haben, ob die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträger diesem aufgrund der Kassation zuzustimmen haben. In Anlehnung an die oben gemachten Ausführungen muss das für den Regelfall wiederum verneint werden. Solange aus dem Kassationsurteil im konkreten Fall nicht die Unzulässigkeit der Spaltung als solche folgt, besteht keine Grundlage, um die Gesellschafter für die Herbeiführung eines konträr wirkenden Verschmelzungsbeschlusses in die Pflicht zu nehmen. II. Formwechsel 1. Grundsatz der Identitätswahrung Anders als die Verschmelzung, die Spaltung und die Vermögensübertragung ist der Formwechsel nicht durch die Rechtsfigur der Universalsukzession, sondern die der Identitätswahrung geprägt. Sie besteht im Vergleich zu den übrigen Umwandlungstatbeständen darin, dass der Rechtsträger als solcher fortbesteht und unter Wahrung seiner Identität eine andere Rechtsform annimmt. Ausdruck dieses Prinzips ist § 202 I Nr. 1 UmwG: „Der formwechselnde Rechtsträger besteht in der in dem Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiter.“ Auch § 190 I UmwG setzt durch seine Fassung „Ein Rechtsträger kann durch Formwechsel eine andere Identität erhalten“, dessen Fortbestand voraus. Angesichts dieser seit 1994 auch für die Umwandlung der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft geltenden Gesetzeslage ist das frühere Verständnis einer Universalsukzession der alten Gesellschaft auf die neue Gesellschaft, also die übertragende Umwandlung, bei der uno actu die alte Gesellschaft erlischt, eine neue Gesellschaft entsteht und das Gesamtvermögen der alten Gesellschaft auf die neue übergeht, überholt.205 Es lebt auch nicht in § 197 I 1 UmwG fort, nach dem auf den Formwechsel die für die neue Rechtsform geltenden Gründungsvorschriften anzuwenden sind. Denn diese Vorschrift stellt den Formwechsel nicht der Neugründung gleich, sondern bezweckt nur die Wahrung der Normativbedingungen. Sie dürfen vor allem bei Kapitalgesellschaften nicht umgangen werden, nur weil diese statt aus einem Gründungsvorgang aus einem Formwechsel hervorgeht.206 Die Kontinuität des Rechtsträgers beinhaltet auch, dass im Regelfall Anteilsidentität besteht. Sofern ein Anteilsinhaber nicht im Zuge des Formwechsels nach § 207 UmwG seinen Austritt erklärt, sind alle Anteilsinhaber vorher wie
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So statt anderer K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 12, IV 2 a) (S. 354 f); vgl. auch Decher, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl. § 202 Rn. 10 ff.; krit. zu der Vereinbarkeit von Rechtsformwechsel und Identität gleichwohl noch Zöllner, in FS Claussen (1997), S. 424 („Tollkühnheit“) und S. 428 („Mumpitz“). 206 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 13 II a) (S. 372); so auch OLG Frankfurt DB 1999, 733.
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nachher mit gleichen Anteilen beteiligt (vgl. § 202 I Nr. 2 UmwG).207 Es besteht auch208 eine umfassende Kontinuität im Außenverhältnis. Arbeits- und Dienstverträge bestehen fort, ohne dass es einer Anwendung von § 613a BGB bedarf, desgleichen Prokuren,209 schuldrechtliche Beziehungen210 und auch die Firma kann in den Grenzen des § 200 UmwG weitergeführt werden.211 Eine differenzierte Lösung wählt das Gesetz für die Rechtsstellung der Organe. Während es für den Aufsichtsrat nach § 203 UmwG die Amtskontinuität seiner Mitglieder vorsieht, wenn das maßgebliche Organisationsstatut im Hinblick auf die Bildung und die Zusammensetzung des Aufsichtsrats unverändert bleibt, gilt dies nicht für die vertretungsberechtigten Organe. Zwar ist das Schicksal des vertretungsberechtigten Organs des formwechselnden Rechtsträgers im UmwG nicht ausdrücklich geregelt. Aus § 197 Satz 1 UmwG, ergänzt durch § 246 II UmwG, ergibt sich jedoch, dass die Anmeldung des Formwechsels zugleich die Anmeldung der Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführungsmitglieder des umgewandelten Rechtsträgers enthalten muss.212 2. Diskontinuität der Verbandsverfassung Besteht die Wirkung des Formwechsels nicht im Erlöschen und der Neuentstehung des betreffenden Rechtsträgers oder seiner Rechtsbeziehungen, sondern nur in der Diskontinuität seiner Verfassung, also der Änderung seiner rechtlichen Grundlage, so bereitet die Annahme einer dauerhaften Bestandswirkung nach § 16 III 9 2. Hs. UmwG Probleme. Eine Rückgängigmachung setzt nicht die Neugründung voraus, sondern geschieht im Wesentlichen durch eine erneute Änderung der Organisationsverfassung. Zwar tritt diese nicht bereits ipso iure mit der Kassation ein. Die Mitglieder haben eine Änderung von Gesellschaftsvertrag und Satzung zu beschließen, neu gebildete Organe sind aufzulösen bzw. wieder zu installieren, sofern nicht ausnahmsweise Amtskontinuität besteht. Veil hat deswegen gefolgert, die nachteiligen Folgen 207 Zur Zulässigkeit der Regelung des Ein- und Austritts insbesondere bei der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine GmbH & Co.KG und viceversa bzw. dem nicht verhältniswahrenden Formwechsel Decher, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl. § 202 Rn. 13 ff. bzw. 20 ff. 208 Kübler in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl., § 202 Rn. 9. 209 Decher, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl. § 202 Rn. 45; Kübler in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl., § 202 Rn. 10. 210 Decher, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl. § 202 Rn. 47 Kübler in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl., § 202 Rn. 9. 211 Weitere Einzelheiten bei Decher, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl. § 202 Rn. 29 ff; Kübler in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl., § 202 Rn. 15; § 200. 212 Im Schrifttum wird allerdings gefolgert, der Wille der Bestellungsberechtigten, welcher der Amtskontinuität zugrunde liege, könne nicht fortwirken, diese hätten vielmehr wegen der erheblichen Veränderung des Organisationsrahmens des formwechselnden Rechtsträgers einen neuen Willensentschluss zu bilden (vgl. Buchner/Schlobach, GmbHR 2004, 1, 4; Decher, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl. § 202 Rn. 44).
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der Rückabwicklung seien allein im wirtschaftlichen Bereich anzusiedeln.213 Aufgrund der daraus folgenden Lockerung der Bestandsregelung könne der Formwechsel eher als andere Umwandlungsmaßnahmen freigegeben werden. Andere legen für den Formwechsel denselben Bestandsschutzrahmen an wie für § 16 III 9 2. Hs. UmwG.214 Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich diesbezüglich noch nicht festgelegt, bei einem Verstoß gegen das Prinzip der Kontinuität der Mitgliedschaft durch Bestellung eines Treuhandkommanditisten an dem Rechtsträger neuer Rechtsform für § 34 III LwAnpG allerdings die LfG angewandt.215 Im Ausgangspunkt kann der darin liegenden Abkehr vom Prinzip des § 16 III 9 2. Hs. UmwG weder die gesetzgeberische Intention, gesellschaftsrechtliche Akte so weit wie möglich zu bewahren, entgegengehalten, noch die in § 198 III UmwG zu findende Verweisung auf § 16 UmwG als Hinweis auf einen uneingeschränkten Bestandsschutz verstanden, werden.216 Denn eine sachlich unangemessene Preisgabe der aus der Mitgliedschaft folgenden Rechte lässt sich nicht allein aufgrund der Vervollkommnung einer gesetzlichen Verweisungstechnik rechtfertigen. Auch der Grundsatz von der Einheit der Rechtsordnung gebietet eine Entsprechung des Bestandsschutzes zwischen Formwechsel und Verschmelzung nur dann, wenn dieser erforderlich und angemessen ist, zumal er sich mit Veil durchaus auch als zweischneidige Waffe, welche die Freigabe erschwert, zu Lasten der Gesellschaft auswirken kann.217 Angesichts des Prinzips der Identitätswahrung steht überdies auch ein rechtliches Instrument zur Rückführung durch den Formwechsel erlangter Strukturelemente zur Verfügung. 3. Rechtfertigung des Ausschlusses der Naturalrestitution Die Materialien äußern sich allerdings gerade für den Formwechsel deutlich im gegenteiligen Sinne, d. h. zugunsten seiner Bestandssicherung.218 Daher fragt sich, welche Wirkungen des Formwechsels eine umfassend dauerhafte Bestandskraft rechtfertigen und als verhältnismäßig erscheinen lassen können. Nach vorliegender Auffassung lässt sie sich nicht mit der Diskontinuität der Organe begründen. Sie stellt zwar eine Zäsur dar, schließt aber nicht unbedingt eine weitere personelle Identität der Unternehmensleitung aus. Näher liegt, die mit dem Formwechsel verbundenen Auswirkungen für die Mitglied213
Vgl. Veil, ZIP 1996, 1065, 1069. Decher, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl. § 202 Rn. 57, 60 ff.; Meister/Klöcker, in Kallmeyer (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 202 Rn. 57. 215 BGHZ 142, 1, 5; dazu bereits o. § 8 C. II.; so auch Kübler, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 202 Rn. 38; differenzierend auch Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 202 Rn. 11 f. 216 So aber Decher, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl. § 202 Rn. 57. 217 Vgl. dazu bereits Hirte, DB 1993, 77, 78. 218 BegrRegE., BT-Drucks. 12/6699, S. 144. 214
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schaftsrechte zu berücksichtigen. Aus der Kontinuität der Mitgliedschaft und des Rechtsträgers folgt nicht, dass die sich daraus ergebenden Rechte unverändert fortbestehen. Die Gesellschaft lebt fortan unter einer anderen Rechtsordnung, die zur Konsequenz haben kann, dass einzelne Rechtspositionen neu entstehen und sich bestehende Rechtspositionen erweitern, wohingegen umgekehrt vorhandene Rechte beseitigt oder in ihrem Umfang gemindert werden können.219 Zwar führt der Wechsel der Rechtsform nicht zu einem vollständigen Bruch aller bisherigen Grundsätze – wesentliche Individual- und Minderheitenrechte bestehen als allgemeine Grundprinzipien des Gesellschaftsrechts wenigstens in einem unveränderlichen Kern fort220 – doch wird man die sich hieraus ergebenden Veränderungen als so wesentlich zu erachten haben, dass die Schaffung dauerhaft klarer Verhältnisse im Interesse der Beteiligten und der Allgemeinheit liegt. Die Folgewirkungen sind erheblich, man denke etwa an die Ausgestaltung der Mitbestimmung nach Umwandlung einer Gesellschaft in eine S. E. oder daran, dass bestimmte wirtschaftliche Betätigungen nur in vorgegebenen Rechtsformen ausgeübt werden können. Zu denken ist ferner (und allgemeiner) an den Börsengang nach Umwandlung in die Rechtsform der AG. Zwar könnte man erwägen, den Bestandsschutz des Formwechsels von der Darlegung solcher besonderen Veränderungen abhängig zu machen. Die Wahl der Rechtsform (und ihre Nichtanerkennung) erweist sich jedoch generell als derart schwerwiegend, dass eine dahingehende Vermutung als Rechtfertigung für einen generellen Bestandsschutz als zutreffend anzusehen und dessen Legitimation zu bewirken in der Lage ist. Sofern die Ausschöpfung des Gestaltungspielraums der Zielrechtsform in willkürlicher Weise ausgenutzt wird,221 ist sodann zu berücksichtigen, dass der Bestandsschutz nur die Beseitigung des Formwechsels als solchem, nicht aber die Rückführung einzelner Gestaltungselemente ausschließt. Für den Fall der missbräuchlichen oder sittenwidrigen Ausnutzung der durch den Formwechsel eingeräumten Strukturierungsmöglichkeit gilt überdies das bereits oben Gesagte: Die Möglichkeit des Missbrauchs steht der Anerkennung der Dauerhaftigkeit der Bestandsschutzwirkung für die Gesellschaft nicht entgegen. Diese beseitigt allerdings auch nicht einen Restitutionsanspruch gegen den handelnden Gesellschafter. Dieser kann daher auf Zustimmung zu einem actus contrarius in Anspruch genommen werden.222 Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass denkbare materielle Defizite der Umwandlung nicht gegen die umfassende Geltung der Ausschlusswirkung 219
Vgl. Decher, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl. § 202 Rn. 22 f. Kübler in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl., § 202 Rn. 12. 220 Vgl. Decher, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl. § 202 Rn. 23; dazu Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 7 I S. 357 ff. 221 Vgl. Decher, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl. § 202 Rn. 23. 222 Soeben A IV. 1.b).
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des § 16 III 9 2. Hs. UmwG für den Formwechsel als solchen gelten. Die für die Verschmelzung festgestellte Ausschlusswirkung hinsichtlich der aus der Anfechtung entstehenden Folgenbeseitigungsrechte erscheint daher auch hier gerechtfertigt. III. Ergebnisse § 16 III 9 2. Hs. UmwG schließt die Rückabwicklung wie bei der Verschmelzung, der Spaltung und dem Formwechsel aus. Dieser Befund beruht bei der Spaltung auf der weitgehenden Vergleichbarkeit der damit andernfalls bestehenden Schwierigkeiten einer Rückabwicklung sowie darauf, dass die an einer Rückabwicklung obligatorisch zu beteiligenden Personen nicht Störer i. S. d. § 1004 BGB und damit auch nicht Schuldner des Folgenbeseitigungsanspruchs sind. Die für die Verschmelzung festgestellte Unmöglichkeit der Rückabwicklung besteht auch hier und ist geeignet, einen dauerhaften Ausschluss von Beseitigungsrechten des Mitglieds legitimiert erscheinen zu lassen. Zwar gebietet das den Formwechsel seit dem UmwG 1994 umfassend beherrschende Prinzip der Identitätswahrung keine gleichlautende Schlussfolgerung. Für diesen ist indessen zu berücksichtigen, dass sich Anfechtungsrügen in der Regel nicht gegen die Umwandlung als solche, sondern nachteilige Gestaltungen von Mitgliedschaftsrechten in der Zielgesellschaft richtet. Den Formwechsel lässt das im Grundsatz unberührt, weswegen ein Anspruch auf dessen Beseitigung schon unabhängig von § 16 III 9 2. Hs. UmwG ausscheidet.
C. Konzeptionelle Unvollkommenheit der umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzregelung Die vorstehenden Überlegungen haben gezeigt, dass sich das Umwandlungsrecht einer differenzierten Bestandsschutzregelung bedient, je nachdem, ob gegen den Beschluss Unwirksamkeitsklage erhoben wird oder nicht. Im erstgenannten Fall kommt es zur Heilung etwaiger Mängel,223 bei erhobener Klage beschränkt sich das Gesetz dagegen darauf, die mitgliedschaftlichen Beschlussmangelfolgeansprüche zu „kassieren“. Offen bleibt dabei aber das Schicksal des Anfechtungsrechts und damit des Fortbestands des der Umwandlung zugrundeliegenden Beschlusses.224 Der damit erreichte Ausschluss der „Entschmelzung“ und vergleichbarer Abwicklungen der Spaltung und des Formwechsels mag zwar sachlich legitimierbar erscheinen, allerdings kann man sich nicht des Eindrucks einer konzeptionell weitgehenden Unvollkommenheit des damit geschaffenen Bestandsschutzes erwehren. Schlicht formuliert ist die vorstehend behandelte Regelungstechnik des § 16 III 9 UmwG 223 224
S. o. § 14 Dazu u. § 20 B. II. 1.
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nichts anderes als eine Beseitigung der primärrechtlichen Schutzwirkungen des Anfechtungsrechts „durch die Hintertür“. Mag schon dieser Mangel Zweifel an regelungstechnischer Kohärenz wecken, so lässt sich der These von einer fortbestehenden Kassationsfähigkeit kaum anderes als legislative Unaufrichtigkeit bescheinigen. Darüber hinaus mag das sachliche Bedürfnis für eine dauerhafte Verfestigung der Strukturänderung zwar die Sachgerechtigkeit einer solchen Rechtsfolge darzulegen und einer Bewertung als verfassungskonform den Weg bereiten. Man hat allerdings gleichermaßen zu erklären, welches Schicksal das – angesichts der Klage nicht präkludierte(!) – mitgliedschaftliche Anfechtungsrecht ereilt, d. h., ob nicht ungeachtet des Fehlens einer den §§ 20 II UmwG, 246a I u. IV pp. AktG vergleichbaren gerichtlichen Feststellung dessen Präklusion mit der Freigabe einhergeht. Da sich diese Frage in gleicher Weise für das Aktienrecht aufdrängt, ist sie an dieser Stelle zunächst zurückzustellen und einer Prüfung der Grundlagen des aktienrechtlichen Bestandsschutzes der Vorrang einzuräumen.225 Schon an dieser Stelle bleibt aber die konzeptionelle Unvollkommen einer allein auf dem Ausschluss von Beseitigungsrechten ruhenden Bestandsschutzregelung hervorzuheben.
D. Zusammenfassung 1. Das Gesetz schließt in § 16 III 9 2. Hs. UmwG eine Beseitigung der mit der Eintragung eintretenden Rechtsfolgen und der auf ihrer Grundlage vorgenommenen Handlungen aus. Ein solcher Anspruch besteht zwar nicht in schadensrechtlicher Form. Grundlage ist vielmehr die in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB anzuerkennende actio negatoria als Annex-Anspruch zum Recht der Beschlussanfechtung. Sie ist aber in gleicher Weise ausgeschlossen, wie ein Schadensersatzanspruch. § 16 III 9 2. Hs. UmwG ist dabei nicht als schadensersatzrechtliche Verhältnismäßigkeitsregelung i. S. d. § 251 II 1 BGB zu qualifizieren, wohl aber als gesetzlich geregelter Fall der Unmöglichkeit der (§ 251 I BGB) Naturalrestitution durch Entschmelzung. Das beruht zum einen darauf, dass die Wiederherstellung des status quo ante nach zutreffender Einschätzung der Materialien nicht erreicht werden kann und eine Wiederherstellungsversuch ex nunc diesem nicht entspricht. Sie beruht zum anderen und in ergänzender Form auch darauf, dass die Gesellschaft als Beseitigungsschuldnerin zur Herbeiführung eines actus contrarius selbst nicht in der Lage ist und die hierzu erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung nicht erzwungen werden kann. Eine (enge) Ausnahme besteht dort, wo in der Zustimmung zur Verschmelzung eine vorsätzlich sittenwidrige Handlung liegt. Auch dann bleibt es zwar bei der Ausschlusswirkung des § 16 III 9 2. Hs. UmwG. Dem dissen225 Vgl. zur Frage der Freigabewirkungen auf das mitgliedschaftliche Kassationsrecht sodann u. § 20 B. III.
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
tierenden Gesellschafter ist aber durch einen Anspruch auf Zustimmung zur Spaltung abzuhelfen. Das für die Verschmelzung gefundene Auslegungsergebnis zu § 16 III 9 2. Hs. UmwG gilt für die Spaltung und den Formwechsel entsprechend. Für Erstere folgt dies aus einer weitgehenden Vergleichbarkeit mit den Rechtsfolgen der Verschmelzung und dem Fehlen der rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten des beklagten übertragenden Rechtsträgers. Für den Formwechsel sind es dagegen nicht die mit der Verschmelzung vergleichbaren Rückabwicklungsschwierigkeiten, sondern die der Gesellschaft dabei drohenden wirtschaftlichen Konsequenzen sowie der Umstand, dass vielfach nicht der Beschluss selbst, sondern lediglich die damit im Zusammenhang stehende, die Nichtigkeit des Beschlusses nicht erfordernde Gestaltungsregelungen der Zielrechtsform rechtswidrig sind. 2. Mag ein dauerhafter Bestandsschutz gemäß dem vorstehend Gesagten auch zu legitimieren sein, so erweist sich eine allein auf die Leugnung von Kassationsfolgeansprüchen gestützte Regelung doch als erkennbar unvollkommen und der Bedeutung des Anfechtungsrechts nicht systemgerecht. Auszuschließen ist allein, dass es – anders als beim Unterbleiben der Klage – zur Heilung kommt. Es bleibt aber an anderer Stelle zu untersuchen, ob mit der umwandlungsrechtlichen Freigabe nicht auch eine Beseitigung des mitgliedschaftlichen Kassationsrechts einhergeht.
2. Abschnitt
Bestandsschutz aktienrechtlicher Strukturänderungen § 16 Eintragungsbestandsschutz – Übertragbarkeit des umwandlungsrechtlichen Regelungsmodells? Nachdem bisher die Rechtslage im Umwandlungsrecht Gegenstand der Betrachtung war, richtet sich der Blick nunmehr auf die Situation der freigaberechtlichen Beschlussgegenstände des Aktienrechts. Hier ergibt sich insoweit ein gegenüber dem Umwandlungsrecht abweichendes Bild als eine den §§ 20 II, 131 II 202 III UmwG entsprechende Heilungsvorschrift fehlt.1 Es soll allerdings erwogen werden, ob das Aktienrecht Raum für eine analoge Anwendung dieser Vorschriften bietet.
A. Entsprechende Anwendung der §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG? I. Keine planwidrige Regelungslücke Gegen die Annahme einer dazu erforderlichen planwidrigen Regelungslücke spricht dabei der Umstand, dass bis zum ARUG bei der Eingliederung und dem Squeeze Out auf eine Bestandsschutzregel gänzlich verzichtet wurde und man eine solche selbst im Freigabeverfahren für überflüssig erachtete. So meinte die Regierungsbegründung zu § 319 VI AktG:2 „Nicht übernommen wird jedoch die Regelung in Artikel 1 § 16 Abs. 3 Satz 6 zweiter Halbsatz UmwG, da – anders als bei einer Umwandlung – einer Rückgängigmachung der Eingliederung wirtschaftlich und rechtlich nichts entgegensteht (vgl. § 327 AktG).“
Diese Einschätzung entbehrt nicht einer gewissen Fragwürdigkeit, zumal der Gesetzgeber im Zuge des AktG 1965 noch auf die Nähe der Eingliederungswirkungen zu denjenigen der Verschmelzung hingewiesen hatte3 und diese Einschätzung auch weitverbreiteter Lehrmeinung entspricht.4 Das hätte bei Schaffung der Regelung nach dem UmwandlungsbereinigungsG eine gleiche 1
S. o. § 8 II 1. BT-Drucks. 12/6699, S. 179. 3 Vgl. BegrRegE., abgedr. bei Kropff, AktG 1965, S. 429, 431; so auch Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 184; Krieger, ZGR 1990, 517, 525 f.; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 319 Rn. 2. 4 Vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 319 Rn. 1. 2
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
Regelung zur Folge haben müssen. Sie ist aber als Ausdruck einer hier – negativen – Regelungsintention eindeutig. Denn anders als sonst in Gesetzesmaterialien häufig, ist sie durch die Bezugnahme auf die Beendigungstatbestände des § 327 AktG normativ begründet.5 Für den Squeeze Out traf der Gesetzgeber zwar keine vergleichbar klare Aussage. § 327e II AktG hätte das indessen nahegelegt, hatte es im Vorfeld nicht an Forderungen zu einer den §§ 20 II UmwG pp. vergleichbaren Regelung gefehlt.6 Zwar könnte man angesichts der späteren Kampfansage an das „Klageunwesen“ erwägen, ob der damalige Überzeugungsstand überholt sei. Gleichwohl bestätigt auch die jüngere Gesetzgebung, dass man für das Aktienrecht nach wie vor kein Regelungsbedürfnis für einen Eintragungsbestandsschutz i. S. d. §§ 20 II, 131 II 202 III UmwG sieht. Das folgt im Umkehrschluss aus § 249 I 3 AktG. Denn einer Einbeziehung der Kapitalerhöhung im Zuge von Verschmelzungsmaßnahmen bedürfte es dann nicht. Was bleibt, ist die Überlegung, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, dass der Gesetzgeber seine für das UmwBerG dargelegte Position mit der durch das ARUG eingeführten Bestandsschutzregelung des § 319 VI 11 AktG aufgegeben hat. Daraus könnte sich eine Lücke in Form eines außerhalb des Freigabeverfahrens eingreifenden Bestandsschutzes ergeben. Davon ist jedoch nicht auszugehen. Die Einführung des § 319 VI 11 AktG wird mit – wenig aussagekräftigen „Vereinheitlichungsbestrebungen“ begründet. In der Sache geht es allein darum, die nachteiligen Rechtswirkungen von Beschlussmängelklagen weiter zu begrenzen. Bei den §§ 20 II pp. UmwG geht es jedoch um einen außerhalb des Freigabeverfahrens und der Klagesituation angesiedelten Bestandsschutz. Für diese lässt sich der späten Einführung des freigaberechtlichen Bestandsschutzes nichts – d. h. auch keine Regelungslücke – entnehmen. II. Systematische Voraussetzungen und Vergleichbarkeit Darüber hinaus ist auch die Vergleichbarkeit der Regelungssituation mit dem Umwandlungsrecht fraglich, und es fehlt an den systematischen Voraussetzungen für eine Analogie. So besteht zwar eine vergleichbare Bedeutung der Handelsregistereintragung.7 Sie allein vermag eine Heilungswirkung aber 5
Hinzu kommt, dass die von den Materialien des AktG 1965 – wohl eher beiläufig – gezogene, wenngleich auch im Schrifttum anzutreffende Parallele zwischen Eingliederung und Verschmelzung nicht ganz frei von Zweifeln ist. Sie bestehen darin, dass die Eingliederung als Maßnahme der Konzernorganisation fungiert, wobei der Unterschied gegenüber dem Beherrschungsvertrag maßgeblich in einer Intensivierung der Weisungsbefugnis besteht. Trotz der Erlangung der Stellung einer Betriebsabteilung im Innenverhältnis ist hiermit aber gerade nicht das Erlöschen des einzugliedernden Rechtsträgers verbunden. Deswegen fehlt es an einem wesentlichen Element der Verschmelzung. 6 Vgl. DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2001, 1003, 1008; Krieger, BB 2002, 53, 60. 7 So insbesondere Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 94; dazu ausführlicher u. § 15 A I 1 a).
§ 16 Eintragungsbestandsschutz – Übertragbarkeit des Regelungsmodells?
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nicht zu rechtfertigen.8 Die durch sie herbeigeführte Konstitutivwirkung legt allenfalls nahe, von einem Bestandsschutz für die Vergangenheit auszugehen.9 Im Übrigen fehlt es aber an den systematischen Vorbedingungen der §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG. Ein Bestandsschutz allein durch Eintragung steht – wie nunmehr in der Sache von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zutreffend bestätigt – im systematischen Konnex mit der materiellen Präklusion sämtlicher Klagerechte (§§ 14 I, 195 I UmwG).10 Ohne Registersperre kann also noch innerhalb der Anfechtungsfrist eingetragen werden. Anders als im UmwG besteht auch keine Abstimmung der dazu erforderlichen Fristenregelungen. Die Geltendmachung von Anfechtungsgründen unterliegt der Monatsfrist des § 246 I AktG, Nichtigkeitsgründe können mit Ausnahme des § 241 Nr. 1 AktG prinzipiell drei Jahre geltend gemacht werden (§ 242 II AktG) und Unwirksamkeitsgründe unterliegen – sieht man von einer möglichen Analogie des § 242 AktG einmal ab11 – allein der Verwirkung. Zudem liefe die entsprechende Anwendung der §§ 20 II, 131 II 202 III UmwG auf eine Verallgemeinerung der Heilung hinaus, wobei das Verhältnis zu § 242 II AktG unklar wäre. Rückabwicklungsschwierigkeiten lassen sich sodann zwar auch für fast alle aktienrechtlichen Strukturänderungen in gleicher Weise wie für das Umwandlungsrecht bestätigen,12 allerdings uneingeschränkt nur, soweit es um die Umsetzung einer Nichtigerklärung ex tunc geht. Anders ist es für die Rückabwicklung ex nunc. Dazu legen die gesetzlich vorgesehenen Beendigungsmöglichkeiten der §§ 297 und 327 AktG nahe, dass einer solchen nichts im Wege steht. Für Kapitalmaßnahmen – wo es an einer vergleichbaren Regelung fehlt – wird man dies prüfen müssen. Hierauf wird an anderer Stelle erneut einzugehen sein.13 III. Ergebnis Im Ergebnis belegen die vorstehenden Erwägungen, dass es nicht nur an einer planwidrigen Regelungslücke, sondern auch an einer Vergleichbarkeit der Regelungssituation des Umwandlungsrechts mit dem Aktienrecht fehlt. Eine entsprechende Anwendung der §§ 20 II, 131 II 202 III UmwG scheidet daher aus.
8 9 10 11 12 13
S. o. § 11 C II. Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 99. Dazu bereits o. § 14 A. IV u. C. III. Vgl. dazu Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht (1998). Dazu noch unter § 18 B. S. dazu u. § 18 B. I.
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
B. Prinzip des Verbots der rückwirkenden Vernichtung von Strukturänderungen? Fragt man nach der Grundlage eines außerhalb der Freigabe anzunehmenden Bestandsschutzes so verweisen die bisherigen Überlegungen auf die als Ausdruck der LfG verstandenen §§ 275 AktG, 75 GmbHG, 93 GenG. Dahingehend wird ein allgemeines Prinzip des Verbots der rückwirkenden Vernichtbarkeit eingetragener Strukturänderungen erwogen,14 dessen vier Grundaussagen dieser, für das Aktienrecht maßgeblich auf der EG-Publizitätsrichtlinie15 beruhenden, Normen lassen sich wie folgt zusammenfassen:16 I. Begrenzung beachtlicher Satzungsfehler Erstens sehen die genannten Bestimmungen eine enge Begrenzung der relevanten Mängel vor. Die Auflösungsgründe reduzieren sich auf das Fehlen bzw. die Unwirksamkeit der Satzungsbestimmungen über das Grund- bzw. Stammkapital oder des Unternehmensgegenstands. Letzterer Nichtigkeitstatbestand ist überdies eng auszulegen. So muss sich die Nichtigkeit – die Hauptfälle liegen in der Verletzung von Vorschriften, die in öffentlichem Interesse geboten sind17 – nach der Marleasing-Rechtsprechung des EuGH18 und dem daraus folgenden Gebot richtlinienkonformer Auslegung für die AG aus dem Wortlaut ergeben. Tatsächliche Verhältnisse, also die Rechtswidrigkeit des wirklich verfolgten, aber nicht angegebenen Unternehmensgegenstands, bleiben außer Betracht.19 Für andere Fehler bleibt allein die Amtslöschung, welche ihrerseits enumerativ auf bestimmte schwerwiegende Regelungsdefizite der Satzung beschränkt ist und zudem erfordert, dass der Gesellschaft Gelegenheit zur Heilung gegeben worden ist. Lediglich das Genossenschaftsrecht wahrt mit seinem Gleichlauf von Nichtigkeitsgründen und „wesentlichen Satzungsbestimmungen“ i. S. d. § 95 I GenG eine beschränkte Parallele zu den allgemeinen Nichtigkeitstatbeständen (insbesondere § 241 Nr. 3 AktG).
14 So Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 95 f.; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 130 ff. 15 Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. EG v. 14.3.1968 Nr. L 65 S. 8. 16 Vgl. auch Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, (2002), S. 139 f. 17 Vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 275 Rn. 11. 18 EuGH Slg. 1990 I, 4135, 4159 f. 19 Str. a. A. Röhricht, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 23 Rn. 128; Kraft, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 275 Rn. 19, 23 ff.; Wiedemann, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 275 Rn. 3. Für die GmbH und die Genossenschaft bleibt dagegen Raum, auf den tatsächlichen Verbandszweck abzustellen, wofür insbesondere § 117 BGB spricht.
§ 16 Eintragungsbestandsschutz – Übertragbarkeit des Regelungsmodells?
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II. Obligatorische Mängelbeseitigungsmöglichkeit Zweitens sieht das Gesetz zwingend die Möglichkeit zur Heilung durch satzungsändernden Beschluss vor. Sie bedarf im GmbHG der Einstimmigkeit (§ 76 GmbHG),20 wohingegen das Gesetz bei der AG und der Genossenschaft auf die Regeln über Satzungsänderungen verweist (§§ 276 AktG, 95 II GenG), mithin eine Dreiviertelmehrheit ausreichen lässt. Abweichend von § 244 AktG, der eine Bestätigung nur im Falle der Anfechtbarkeit vorsieht und auch anders als der Allgemeine Teil des BGB (§ 141 BGB), welcher bei Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts ebenfalls die Neuvornahme erfordert, besteht hier also eine erweiterte, dem dauerhaften Bestandserhalt der ursprünglichen Maßnahme dienende Vorkehrung. Allerdings ist sie auf Mängel des Unternehmensgegenstands beschränkt (§ 276 AktG). Wegen ihrer Art sind fehlende Bestimmungen über die Höhe des Grundkapitals dagegen nicht heilbar.21 III. Klageprinzip und Fristgebundenheit der Klage Drittens können die nach den gesetzlichen Einschränkungen beachtlichen Fehler nur im Wege der Gestaltungsklage und nicht durch bloße Einrede geltend gemacht werden.22 Diese wird vom Gesetz als „Klage auf Nichtigerklärung“ (§§ 275 AktG, 94 GenG) bzw. „Nichtigkeitsklage“ (§ 75 GmbHG) bezeichnet und stellt in der Sache eine Auflösungsklage dar.23 Hierfür legt das Aktienrecht eine Dreijahresfrist fest und verweist im Übrigen auf die für die Anfechtung geltenden §§ 246 II bis IV, 247, 248 I, 248a, 249 II AktG bzw. trifft ergänzend diesen gleichlautende Anordnungen (vgl. § 275 IV AktG). Dagegen enthalten das GmbHG und das GenG weder eine eigenständige Fristenregelung noch eine Bezugnahme auf § 275 III AktG. Das GmbH-rechtliche Schrifttum kommt deswegen zu der Schlussfolgerung, dass eine Geltendmachung der Nichtigkeit bis zur Grenze der sich aus dem venire contra factum proprium ergebenden Verwirkung zulässig ist.24 Diese Auffassung muss erstaunen, liegt eine Analogie zu §§ 275 III AktG bzw. zu 242 II AktG doch umso näher, als letzterer nach herrschender Meinung nunmehr auch Mängel der Ursprungssatzung erfasst.25 Tatsächlich offenbart sich hierbei allerdings ein sachlogisches Regelungsdefizit des § 275 III AktG. So stellt sich die Frage, 20
Str. a. A. insbesondere K. Schmidt, in Fischer/Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 76 Rn. 5. Für die AG unstr., vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 276 Rn. 1; Kraft, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 276 Rn. 4; Wiedemann, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 276 Rn. 1; anders für die GmbH K. Schmidt, in Fischer/Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 76 Rn. 5. 22 So aber noch RGZ 64, 187, 193; 114, 7, aufgegeben durch RGZ 148, 225, 231. 23 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 139. 24 Vgl. Altmeppen, in ders./Roth, GmbHG, 4. Aufl., § 75 Rn. 24; K. Schmidt, in Fischer/ Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 75 Rn. 19; Schulze-Osterloh, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 75 Rn. 18 (dort auch m. w. N.). 25 Zur Anerkennung durch die Rechtsprechung BGHZ 144, 365, 367 f.; dazu bereits o. § 14 B I. 21
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welches Interesse eine Rechtsordnung hat, Mängel, die kraft Natur der Sache nicht geheilt werden können (nach § 276 AktG nur die nichtige Bestimmung über den Unternehmensgegenstand) Klageprinzip und materieller Präklusion zu unterwerfen. So ändert der Fristablauf nichts daran, dass die Satzung auch weiter keine Bestimmungen über die Höhe des Grundkapitals oder den Unternehmensgegenstand enthält, und an der dadurch vorhandenen Lücke ändert sich auch durch Ablauf der Dreijahresfrist des § 275 III AktG nichts.26 IV. Auflösung der wirksamen Gesellschaft nach den Regeln der Liquidation Viertens folgt aus der gesetzlichen Regelung, dass die Nichtigkeit erst mit Rechtskraft des Nichtigkeitsurteils und nur für die Zukunft wirkt.27 Die eingetragene Gesellschaft besteht damit trotz des Gründungsmangels bis zu diesem Zeitpunkt als juristische Person.28 Das ist trotz der stark an die Vorläuferregelung des HGB 1897 angelehnten, von der Eintragung der „Nichtigkeit der Gesellschaft“ sprechenden und überflüssigerweise die Wirksamkeit der im Namen der Gesellschaft eingegangenen Geschäfte betonenden Vorschrift des § 277 AktG unstreitig. Zur Abwicklung verweisen sämtliche Regelungen der „nichtigen“ Körperschaft auf die Abwicklung nach den Vorschriften der Liquidation (§§ 277 I AktG, 77 I GmbHG, 97 II GenG) und verlangen von den Mitgliedern die Leistung der Einlagen, soweit es zur Erfüllung der eingegangen Verpflichtungen nötig ist (jeweils Abs. 3). V. Folgerungen und weitere Untersuchungsschritte Das AktG kennt keine den §§ 20 UmwG pp. vergleichbare Heilungsvorschriften. Bestandssicherung des Beschlusses und Rechtssicherheit der dadurch geregelten Verbandsverhältnisse beruhen maßgeblich auf der Anfechtungsfrist und der Heilung nach § 242 AktG. Für eine Analogie des umwandlungsrechtlichen Instituts fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, den systematischen Voraussetzungen und auch einem in dieser Allgemeinheit zu verneinenden vergleichbaren Regelungsbedürfnis. Damit gelangt man zu der Frage einer Bestandserhaltung fehlerhafter Struktur- und Satzungsänderungen nach der LfG. Hierfür ist von Bedeutung, inwieweit die gesetzlichen Regelungen der Nichtigkeitsklage ein prinzipielles Verbot der rückwirkenden Ver26 Die Situation entspricht derjenigen des außergesetzlichen Nichtigkeitsgrunds des unbestimmten und des perplexen Beschlusses, die zur Folge hat, dass diesem entweder überhaupt keiner oder kein eindeutiger Regelungsgehalt entnommen werden kann (vgl. dazu Emde, ZIP 1998, 1475). Man wird insoweit bei § 275 AktG allein den tatsächlich verfolgten Unternehmenszweck und die tatsächlich nachweislich praktizierte Anteilseignerstruktur als Gegenstand einer Bestandsregelung nehmen können. Scheitert auch das, so kann es eine zeitliche Grenze der Nichtigkeitsklage nicht geben. 27 Vgl. BegrRegE, abgedr. bei Kropff, AktG 1965, S. 363. 28 Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 277 Rn. 1; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, (2002), S. 140.
§ 17 Anwendung der Lehre auf Gründungsmängel
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nichtung von Strukturänderungen formulieren. Das hat Bedeutung nicht nur für die grundsätzliche Beachtlichkeit des Instituts, sondern vor allem für seine Ausgestaltung: Denn zum einen gehen die §§ 275 AktG, 75 GmbHG, 94 GenG über die LfG hinaus, indem sie der weitaus überwiegenden Zahl von Gründungsmängeln die Relevanz versagen. Des Weiteren führen die obligatorische Gestaltungsklage (im Gegensatz zur Berufung auf die Nichtigkeit) und das Fristenprinzip zu weiteren, in der LfG unbekannten Einschränkungen. Zum anderen bereitet aber auch die Einbettung der Fehlerlehre in das Recht mangelhafter Beschlüsse Schwierigkeiten. So ist einerseits unklar, welche Besonderheiten sich bei der Strukturänderung gegenüber der Gründung ergeben und welche tatbestandlichen Voraussetzungen eine solche „Lehre vom fehlerhaften Verband“ (Schäfer) statuieren muss, um die Ausnahme zu dem Grundsatz der ex tunc-Nichtigkeit, wie er sowohl in der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre als auch der Lehre von den fehlerhaften Beschlüssen besteht, zu erklären.29 Die weiteren Überlegungen betrachten zunächst die an der Verbandsgründung entwickelten Prinzipien der LfG bevor dem Ansatz einer Übertragung auf die Änderung der Verbandsstruktur nachgegangen werden soll. Dabei ist – wie bereits oben – zuerst die Situation der anfänglich unumstrittenen Maßnahme zu betrachten, bevor auf das Verhältnis von LfG im Rahmen eines Beschlussmängelprozesses eingegangen wird.
§ 17 Anwendung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auf Gründungsmängel A. Grundlagen Die LfG ist in erster Linie ein Verdienst der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ein Ergebnis pragmatischer Überlegungen.30 Der Nachteil einer solchen Entwicklung besteht darin, dass es nicht immer gelingt, die Grundlagen der für sachgerecht erhaltenen Wertung systematisch darzulegen und abzugrenzen. Abzulesen ist das für die vorliegende Thematik an der nach wie vor festzustellenden Unterschiedlichkeit der Begründungsansätze und ihrem sachlichen Anwendungsbereich.
29 Abgesehen davon ist die LfG als Rechtsinstitut bereits für die Verbandsgründung hinsichtlich ihrer dogmatischen Verankerung wie den daraus abzuleitenden Folgen nach wie vor nicht randscharf konturiert ist. Das zeigt sich namentlich für die Anwendbarkeit der Rechtsfigur auf die stille Gesellschaft, betrifft aber auch ihren Tatbestand wie ihre Rechtsfolgen. Deutlich geworden sind Zweifelsfragen in letzter Zeit etwa bei der Bewältigung der Rechtsprobleme der sogenannten „Göttinger Gruppe“ gezeigt. 30 Vgl. Ulmer, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 705 Rn. 347.
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I. Anerkennung und Begründungsansätze 1. Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen Die Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen sucht die Anerkennung der Gesellschaft methodisch in einer teleologischen Reduktion der Nichtigkeitsfolge, aufgrund derer an die Stelle der Nichtigkeit die bloße Auflösung der Gesellschaft tritt, sobald diese in Vollzug gesetzt ist.31 Sie steht maßgeblich unter dem Eindruck der Unmöglichkeit der Rückabwicklung.32 Paradigmatisch ist der Satz in BGHZ 55, 5, 8, wonach es „zu unerträglichen, mit dem Zweck der Anfechtungs- und Nichtigkeitsvorschriften nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnissen führen würde, eine auf Dauer angelegte und tatsächlich vollzogene Leistungsgemeinschaft, für die die Beteiligten Beiträge erbracht und Werte geschaffen, Gewinnchancen genutzt und gemeinschaftlich Risiken getragen hätten, mit rückwirkender Kraft aus dem Rechtsleben zu streichen.33“
Wertungsgrund der Reduzierung der Nichtigkeitsfolge ist das Fehlen eines gesetzlichen Rückabwicklungsinstrumentariums, das sich in Hinblick auf Gründe der Rechtssicherheit, des Verkehrsschutzes, aber auch des gesamtwirtschaftlichen Interesses an Werterhaltung als geeignet bezeichnen lässt. Anzuerkennen ist die Gesellschaft deswegen nicht nur im Außenverhältnis. Vielmehr wirkt das Fehlen einer Rückabwicklungsmöglichkeit auch im Innenverhältnis.34 2. Lehre von der Doppelnatur der Gesellschaft als Schuldverhältnis und Organisation Die namentlich von Flume und Ulmer vertretene Lehre von der Doppelnatur des Gesellschaftsverhältnis als Schuldverhältnis und Organisation führt die uneingeschränkte Wirksamkeit der in Vollzug gesetzten fehlerhaften Gesellschaft im Innen- und Außenverhältnis im Gegensatz dazu auf die einverständliche Schaffung von Gesamthandvermögen zurück und stellt damit den Gesellschaftsvertrag in den Vordergrund.35 Grund für die Abkehr von den bis zum Vollzug uneingeschränkt geltenden Nichtigkeits- und Anfechtungsregeln 31 Zu deren Vertretern gehören insbesondere A. Hueck, OHG, § 7 III 1, S. 79 ff., 86 f.; R. Fischer, in GroßKomm HGB, 4. Aufl., § 105 Rn. 78; Beitzke, Nichtigkeit (1948), S. 61; H. P. Westermann, in Erman, BGB, 12. Aufl., § 705 Rn. 74. 32 H. P. Westermann, in Erman, BGB, 12. Aufl., § 705 Rn. 74. 33 Ob die Rechtsprechung weiter daran festhält ist indessen fraglich, vgl. die Kritik von Goette, DStR 1996, 266, 267. 34 Grundlegend RGZ 165, 194; dazu auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 6 I 3. 35 Grundlegend Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1 (1977), § 2 III; § 4; Ulmer, in FS Flume II (1978), S. 301, 308 ff.; ders., in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 705 Rn. 354 ff.; ders., in Großkomm HGB, 4. Aufl., § 105 Rn. 345 ff.; so auch Hadding, in Soergel, BGB, 13. Aufl., § 705 Rn. 88; Wiesner, Fehlerhafte Gesellschaft (1980), S. 81 ff.; Paschke, ZHR 155 (1991) 1, 5.
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soll seine durch organisationsrechtliche Elemente geschaffene Überlagerung sein. Bei der typischen Personengesellschaft als Gesamthandsgemeinschaft mit Außenwirkung handele es sich nicht um ein bloßes Schuldverhältnis, sondern eine von der Rechtsordnung anerkannte Personenverbindung mit eignen Organen, eigenem Vermögen und eigener Haftungsordnung. Daraus entstehe eine Rechtsfigur, die sich vom Schuldverhältnis unterscheide. Die für mangelhafte Willenserklärungen geltenden Nichtigkeitsgründe der Rechtsgeschäftslehre seien für diese weder geeignet noch bestimmt.36 In der Konsequenz ergebe sich ein gegenüber der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre geltendes Sonderrecht, also eine „Bereichsausnahme“ und nicht nur eine teleologische Reduktion wie nach der Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen. Damit hat die Unterscheidung gegenüber der Lehre von der Begrenzung der Nichtigkeitsfolgen nicht nur theoretische Bedeutung,37 was sich u. a. an der deutlicheren Betonung der Bedeutung des Vollzugs zeigt und, wie sich später noch näher zeigen wird, gerade für die fehlerhafte Strukturveränderung zu der Frage führt, ob der entscheidende Grund für ihre Anerkennung in der als wirksam ins Leben getragenen „Wirkungseinheit“38 oder in der Handelsregistereintragung liegt.39 Die Lehre von der Doppelnatur des Gesellschaftsverhältnisses als Schuldverhältnis und Organisation verdient aber noch aus anderem Grund Beachtung. Denn sie greift systematisch den oben genannten Gedanken von v. Gierkes von der „korporativen Schöpfungshandlung“ auf.40 Damit beruft sie sich in der Sache auf eine ähnliche Grundlage wie die für überwunden erklärte Lehre der faktischen Gesellschaft.41 36 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1 (1977), § 4 II; Ulmer, in FS Flume II (1978), S. 301, 309. 37 So aber Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 18 f. 38 Vgl. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1 (1977), § 2 III; Hüffer, in MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 275 Rn. 7; s. auch Ulmer, in FS Flume (1978), Bd. II, S. 301, 311 f. 39 So nachdrücklich Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 32; so auch, wenn teilweise unklar Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), vgl. einerseits S. 293 (kein systematischer Konnex zwischen registergerichtlicher Prüfung und den Regeln der LfG), andererseits s. S. 374 ff. (keine Anwendung ohne Eintragung bei konstitutiver Wirkung derselben). 40 So die zutreffende Beobachtung von Ulmer, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 705 Rn. 356 und Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 126; vgl. v. Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S. 170 ff.; ders., Das Wesen der menschlichen Verbände (1902), S. 102 ff. 41 Dass sie die Notwendigkeit des Gesellschaftsvertrags dabei als solche nicht leugnet und den Vollzug nicht als bloßes Faktum, sondern dessen Vollendung ansieht, ändert daran nichts, wie Formulierungen, dass „die rechtliche Existenz des Verbandes als Organisationsgefüge nicht kraft Schuldvertrages, sondern willensunabhängig kraft Gesetzes Anerkennung finde“ zeigen; vgl. dazu Paschke, ZHR 155 (1991) 1, 5; insoweit zurückhaltend Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 129, Fn. 162, der die Folgerung Paschkes als „nicht ungefährlich“ bezeichnet.
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3. Faktische Gesellschaft Anders als die heute herrschenden Ansätze hielt die Doktrin von den faktischen Vertragsverhältnissen einen rechtsgeschäftlichen Tatbestand als Grundlage der fehlerhaften Gesellschaft für verzichtbar. Sie ging davon aus, dass die Rechtsgeschäftslehre in bestimmten sozialen Bereichen verfehlt sei und beruht auf einem Verständnis, das die verbandsbegründenden Rechtsakte des Gesellschaftsvertrags oder der Satzungserrichtung nicht als Vertrag, sondern einen „Vereinigungsakt“ ansieht, als „ein(en) sozialrechtlichen Konstitutivakt, der im Individualrecht kein Vorbild hat und daher nicht unter den Begriff irgend eines Rechtsgeschäfts gebracht werden darf“.42
Ausgehend hiervon wurde die Gründung als „körperschaftliche Schöpfungshandlung“ gedeutet und hieraus auf die Gleichwertigkeit von Gesellschaften mit und ohne Vertragsgrundlage gefolgert.43 Hinter diesem zunächst metaphysisch-konstruktiv anmutenden Gedanken verbirgt sich ein rechtökonomisches Prinzip, welche seinen Niederschlag im Rahmen der Vorarbeiten zu einem „Volksgesetzbuch“ fand.44 Nicht das liberale Vertragsdenken des BGB und das Prinzip der Privatautonomie, sondern die instrumentelle Funktion des Vertrages als Mittel zur zweckmäßigen Verteilung knapper Güter stand hierbei im Vordergrund. Die Wirtschaftlichkeit erfordere, eher ein nicht geglücktes, aber tragbares Geschäft bestehen zu lassen, als die Kräfte der Beteiligten in umfangreichen Rückabwicklungen zu verbrauchen. Dogmatisches Mittel hierzu war die Unterscheidung zwischen Vertrag, also der Vereinbarung und Vertragsverhältnis, d. h. dem tatsächlich geschaffenen Zustand, wie sie einem seinerzeit verbreiteten Rechtsdenken entsprach.45 Die daraus abgeleiteten Vorschläge des Volksgesetzbuchs sahen vor, von einer Rückabwicklung aufgrund nichtiger Verträge abzusehen, wenn diese gesamtwirtschaftlicher Notwendigkeit widerspreche oder bei Abwägung der beiderseitigen Interessen einen Teil unzumutbar belaste. Hinsichtlich der Anfechtung räumte der Gesetzesvorschlag dem anderen Vertragsteil ein Widerspruchsrecht ein, wenn sein Interesse an der Aufrechterhaltung des Vertrages das Interesse des Anfechtenden an der Rückgängigmachung überwiege oder wenn gesamtwirtschaftliche Interessen entgegenstehen.46 Nicht zuletzt wegen der sich darin niederschlagenden totalitären Rechtsideologie wurde diesen Vorschlägen in der Nachkriegszeit nachdrücklich wi42
v. Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S. 133. Siebert, in Festschrift für Hedemann (1938), S. 266 ff., 287 ff. 44 Vgl. hierzu Gschnitzer, JherJb 76 (1926), 317 ff.; Lange, JherbJb. 89 (1941), 277 ff.; nähere Einzelheiten dazu bei Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 30 ff. 45 Lange, JherbJb. 89 (1941), 277, 293 ff.; vgl. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 30, Fn. 32 f. m. w. N. 46 Wortlaut der Vorschläge abgedruckt bei Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 32, Fn. 36. 43
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dersprochen:47 „Indem die Lehre von der faktischen Gesellschaft den sozialen Tatbestand über den Vertragstatbestand stellt, hebt sie das ganze Funktionsund Schutzsystem der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre aus den Angeln (und) gibt bewährte Rechtsmechanismen voreilig preis“. Heute glaubt man sie weitgehend einhellig überwunden und daher vernachlässigen zu können.48 Was für die dahinterstehende Ideologie sicherlich zutrifft, gilt jedoch nicht für ihre konstruktiven Eigenheiten. Zum einen ist es nur eine Frage der graduellen Verschiebung, wann aus der von den herrschenden Ansichten verfolgten Begrenzung der Nichtigkeitsfolgen eine Leugnung der Vertragsgrundlage insgesamt wird. Zum anderen zeigt gerade der für das Streitgegenstandsverständnis des Freigabeverfahrens zentrale Ansatz einer Aufrechterhaltung der Strukturänderung trotz Kassation des Zustimmungsbeschlusses, dass nach wie vor Tendenzen bestehen, Wirksamkeitsdefizite durch die Abstraktion zwischen dem Verbandsverhältnis und dem zugrunde liegenden rechtsgeschäftlichen Errichtungsakt zu überwinden.49 Die dahinter stehende Motivation unterscheidet sich weniger von den Ursprüngen der faktischen Gesellschaft als man wahr haben will, denn auch hier geht es letztlich darum, die Sozialinteressen gegenüber den Interessen des materiell berechtigten Individuums zu behaupten. 4. Die Rechtsscheins-Theorie als Gegenposition Grundlegend abweichend von den vorgenannten Ansätzen haben andere den Versuch unternommen, auch die vollzogene Gesellschaft auf fehlerhafter Grundlage den Nichtigkeitsfolgen der Rechtsgeschäftslehre zu unterwerfen. Ausdruck dieser deswegen auch als „gesetzestreu“ bezeichneten Ansicht50 ist zunächst der Vorschlag von Canaris, die Invollzugsetzung der Gesellschaft als ein Tatbestandsmerkmal zu verstehen, welches die Voraussetzungen einer Vertrauensdisposition erfülle.51 Maßgebliche Aspekte ließen sich daher auf Grundlage der Vertrauenshaftung erklären. So müsse die fehlerhafte Gesellschaft nicht als ein rechtswirksamer Verband behandelt werden, sondern sei einem solchen nur zugunsten der Gläubiger gleichzustellen. Deswegen sei anstelle der Rechtsträgerschaft allein eine Rechtsscheinhaftung im Außenver-
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Vgl. die Charakterisierung von Lehmann, NJW 1958, 1, 5, wonach die Lehre von den faktischen Verträgen, die „Atombombe zur Zerstörung gesetzestreuen juristischen Denkens“ sei und zu einer „Knochenerweichung des Schuldrechts“ führe. 48 So ausdrücklich Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 120, 202; vgl. auch Ulmer, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 705 Rn. 327 („seit langem überholt“). 49 Zur Kritik daran noch u. § 20 B. II. 2. b) bb). 50 Ulmer, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 705 Rn. 353; ders., in FS Flume II (1978), S. 301 ff. 51 Canaris, Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht (1971), S. 121 ff., 167 ff., 447 ff.; Möschel, in FS Hefermehl (1976), S. 171, 176 ff.; Müller-Graff, JuS 1979, 24, 28 f.; Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung (1972), S. 278.
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hältnis gerechtfertigt. Für das Innenverhältnis gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln, insbesondere des Bereicherungsrechts.52 II. Anwendung der Fehlerlehre auf Innengesellschaften Umstritten bleibt auch die Anerkennung der LfG für die Innengesellschaft. Im Mittelpunkt der Diskussion steht hierbei die stille Gesellschaft. Dabei begegnen sich im Kern drei unterschiedliche Auffassungen. Wohingegen eine die Fehlerlehre bei stillen Gesellschaften generell für unanwendbar hält,53 wollen andere zwischen der typischen und der atypischen stillen Gesellschaft differenzieren.54 Die Rechtsprechung erstreckt die LfG dagegen uneingeschränkt auf jedes Gesellschaftsverhältnis und hat diesen Standpunkt auch in jüngerer Zeit erneut bekräftigt.55 Ausgangspunkt ist die von BGHZ 55, 5 wie folgt zum Ausdruck gebrachte Überlegung, wonach: „ohne daß es in dem inzwischen erreichten Rechtszustand noch geboten oder aus Gründen der Rechtssicherheit auch nur möglich wäre, die Anwendung jener Grundsätze von der individuellen Gestaltung des Einzelfalls abhängig zu machen und zu prüfen, ob die Abweichung von den bürgerlich-rechtlichen Regeln jeweils mehr oder weniger dringend geboten erscheint. Das muß auch für die typische stille Gesellschaft gelten. Auch sie ist, ungeachtet der im allgemeinen schwächeren Bindung der Partner, eine echte Risikogemeinschaft. (…). Die Gesichtspunkte, die gegen die Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften sprechen, treffen daher im Grundsatz auch hier zu. Das zeigt sich besonders deutlich daran, daß es ebenso grob unbillig wäre, in Zeiten eines wirtschaftlichen Niedergangs das Risiko der Betriebsführung (…) allein dem Geschäftsinhaber aufzubürden, wie es unerträglich erschiene, in Zeiten eines fortschreitenden wirtschaftlichen Aufschwungs die auch auf dem Kapitalbeitrag des stillen Gesellschafters beruhenden Erfolge des Unternehmens allein dem Geschäftsinhaber zukommen zu lassen (…).“56
Dem lässt sich mit der Gegenansicht entgegenhalten, dass bei der stillen Gesellschaft kein Rechtssubjekt geschaffen wird, kein Gesamthandsvermögen 52 Wohingegen Canaris davon ausgeht, dass die fehlerhafte Gesellschaft kein Gesamthandsvermögen begründe (vgl. S. 450), soll das nach Schulze-Osterloh durchaus der Fall sein (vgl. S. 173 ff., 177). 53 Etwa Koenigs, Die stille Gesellschaft, 1961, S. 111 ff.; Hadding, in Soergel, BGB, 13. Aufl., § 705 Rn. 92; Schäfer, Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft (2002), S. 143 ff.; Wiesner, Fehlerhafte Gesellschaft (1979/80), S. 162 ff.; Ulmer, in FS Flume II (1978), S. 301, 317 f. 54 Brox, BB 1964, 527; Siebert, BB 1958, 1068; so auch ursprünglich BGHZ 8, 157; in neuerer Zeit wieder K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 6 II 3. 55 Vgl. BGH WM 2004, 1823; 2005, 278; 2005, 833; NJW 1993, 2107. 56 BGHZ 55, 5, 8; BGH NJW-RR 1993, 2107; BGH ZIP 2005, 753; so auch Armbrüster/ Joos, ZIP 2004, 189, 192; Grunewald, Gesellschaftsrecht, Rn. 1 A 157; Gehrlein, in Ebenroth/ Boujong/Joost, HGB, § 230 Rn. 31; Goette, DStR 1996, 266, 269; Koller, in Koller/Roth/ Morck, HGB, 6.Aufl., § 230 Rn. 15; Sprau, in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 705 Rn. 19a; Wertenbruch, NJW 2005, 2823.
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entsteht und der Vertrag eher ein auf einen Leistungsaustausch gerichtetes Schuldverhältnis, ähnlich einem partiarischen Rechtsverhältnis, als eine Gesellschaft begründet.57 Allerdings wird das den möglichen Erscheinungsformen dieser Rechtsform nicht gerecht. Dabei hat man insbesondere zu bedenken, dass auch Innengesellschaften Verbände seien und eine komplexe Struktur aufweisen können.58
B. Voraussetzungen der Anerkennung I. Fehlerhafte Verbandsgrundlage 1. Tatbestand von Gründung oder Beitritt Voraussetzung für die Anerkennung als Gesellschaft ist zunächst ein von den Beteiligten angestrebte Abschluss eines Gesellschaftsvertrags aufgrund entsprechender, ihnen zurechenbarer Willenserklärungen.59 Erfüllt sein muss damit der Tatbestand einer Gesellschaftsgründung, wozu es bei der Personengesellschaft mindestens zweier, ihren Urhebern zurechenbarer Gründungserklärungen bedarf, also des zum Ausdruck gelangten übereinstimmenden Willens der Parteien, ihre Rechtsbeziehungen nach gesellschaftsrechtlichen Gesichtspunkten zu regeln.60 Schwierigkeiten bereitet der Fall eines nur zum Schein geschlossenen Gesellschaftsvertrags bzw. einer derartigen Gründungserklärung.61 Die Rechtsprechung hat den Tatbestand einer Gründung dafür verneint, „weil die Beteiligten selbst ein Gesellschaftsverhältnis übereinstimmend nicht gewollt und demgemäß nicht die Absicht gehabt haben, einen gemeinsamen Geschäftsbetrieb zu führen“. Der Umstand, „aus Tarnungs- und Verschleierungsgründen nach außen den Eindruck eines Gesellschaftsverhältnisses erweckt zu haben und infolgedessen als Gesellschafter aufgetreten zu sein“ genüge hierfür nicht.62 57
So Ulmer, in FS Flume II (1978), S. 301, 318. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 7 I 2. Wegen der unterschiedlichen Erscheinungsformen stiller Beteiligungen einerseits, des schuldrechtlichen Charakters der §§ 230 ff, HGB andererseits ist daher eine Würdigung des zu beurteilenden Einzelfalls unerlässlich. Insoweit verdient die ursprünglich auch in der Rechtsprechung vertretene, lange Zeit vernachlässigte Ansicht den Vorzug, welche die Fehlerlehre zumindest bei atypischen stillen Beteiligungen für anwendbar hält. 59 Vgl. BGHZ 11, 190, 191 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 6 III 1; Ulmer, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 705 Rn. 327; H. P. Westermann, in Erman, BGB, 12. Aufl., § 705 Rn. 75. 60 BGHZ 11, 190, 191, BGH NJW 1992, 1501, 1502. 61 Vgl. ebda. 62 Vgl. BGHZ 11, 190, 191; zust. Ulmer, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 705 Rn. 377; Wiesner, Fehlerhafte Gesellschaft (1979/80), S. 104; a. A. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 204 ff. Dafür spricht, dass der Nichtigkeitstatbestand des § 117 BGB sich insoweit von den sonstigen Nichtigkeitsfällen unterscheidet, als diese Rechtsfolge hier nicht ohne oder gegen den Willen der Beteiligten eintritt. Andererseits lässt sich durchaus in Frage stellen, 58
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
2. Grundsatz der bestandserhaltenden Auslegung Mängel eines Gesellschaftsvertrags können den Vertrag als Ganzen oder nur die Beitrittserklärungen einzelner Partner betreffen. Für das Erstere bietet sich an, von „objektiver Nichtigkeit“ und für das Letztere von „subjektiver (Teil-) Nichtigkeit“ zu sprechen.63 Eine „fehlerhafte Gesellschaft“ im Sinne der damit bezeichneten Lehre, d. h. eine solche, deren Anerkennung überhaupt der Begründung bedarf und die unter dem Damoklesschwert der Vernichtbarkeit steht, liegt allerdings nur dann vor, wenn der verbandskonstituierende Akt als solcher – also die Errichtung durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung – nichtig bzw. unwirksam ist oder die Teilnichtigkeit zur Gesamtnichtigkeit führt. Soweit es daran fehlt, steht die Existenz der Gesellschaft außer Frage, ohne dass sie einer weiteren Rechtfertigung, namentlich durch den Vollzug begründeter Rückabwicklungsschwierigkeiten bedarf. Hierzu tragen zum einen die in Gesellschaftsverträgen regelmäßig anzutreffenden salvatorischen Klauseln bei. Zum anderen und von größerem Gewicht gilt nach herrschender Auffassung zumindest für die Personengesellschaft ein von der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre abweichendes Verständnis von Teil- und Gesamtnichtigkeit (§ 139 BGB).64 Dies führt zu einer Begrenzung der an sich vorgesehen Nichtigkeitsfolgen außerhalb der LfG. II. Vollzug 1. Ingangsetzung der verfassten Organisation Die fehlerhafte Gesellschaft bedarf für ihre Anerkennung der Invollzugsetzung.65 Das ergibt sich für die Lehre von der Begrenzung der Nichtigkeitsfolgen aus dem Umstand, dass ohne eine Durchführung keine Rückabwicklungsschwierigkeiten entstehen, welche eine Abweichung von den allgemeinen Regeln rechtfertigen. Für die Vertreter der Doppelnaturlehre tritt die Gesellschaft als Personengemeinschaft erst mit dem Vollzug als Organisationseinheit ob 63es deswegen bereits am Tatbestand der Willenserklärung fehlt oder ob dieser unberührt bleibt (vgl. Jauernig, BGB, 12. Aufl., § 117 Rn. 4; Larenz/Wolf, AT, § 35 Rn. 21; dem für den vorliegenden Zusammenhang folgend Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 204 ff.; zur Gegenmeinung Hefermehl, in Soergel, BGB, 13. Aufl., § 117 Rn. 1). Zudem ist eine Verweigerung der Anerkennung der Gesellschaft nicht zwingend geboten. Vermittelnd bietet sich an, danach zu unterscheiden, ob überhaupt eine Gründung – wenn auch nur zu Tarnzwecken – gewollt ist oder ob auch diese nur vorgespiegelt ist (vgl. § 117 II BGB). Im ersten Fall ist der ernsthaften Gründung ist die Gesellschaft eine fehlerhafte. Nur wenn auch diese vorgetäuscht werden soll, ist sie als reine Scheingesellschaft zu behandeln (dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 6 III 1). 63 Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 3 I 2; so auch Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 236 ff. 64 Dazu Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 124 ff. 65 RGZ 165, 193, 205; BGHZ 3, 285, 288; BGH NJW 1978, 2505, 2506; Ulmer, in FS Flume (1978), Bd. 2., S. 301, 311.
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in das Rechtsleben.66 Ein solches Verständnis begreift den Vollzug also unabhängig von der Frage der Geltung der Nichtigkeitsfolgen insgesamt als Teil des Entstehungstatbestands. Insoweit liegt im Vollzug eine willentliche Handlung, durch welche die Gesellschafter zum Ausdruck bringen, das Vereinbarte trotz seiner Nichtigkeit als verbindlich anzusehen. Sie ist als Wertungsgrund für die Anerkennung der LfG im Innenverhältnis unverzichtbar:67 „Es läßt sich sehr wohl sagen, daß Gesellschafter, die eine Gesellschaft in Vollzug gesetzt (…) haben, damit im Grunde fortlaufend doch zugleich den Willen getätigt haben, ihre gegenseitigen Beziehungen für die Dauer des tatsächlichen Vollzugs des Gesellschaftsvertrages als solche aus einem zu Recht bestehenden Gesellschaftsverhältnis angesehen zu wissen.“
Es ist also neben dem eher tatsächlich gelagerten Problem der Rückabwicklung auch gerade der Gesichtspunkt der im Vollzug liegenden Willensbetätigung, welcher die umfassende Anerkennung der Gesellschaft legitimiert. Zugleich ist es nur diese, welche die privatautonome Gestaltungsfreiheit der Beteiligten gegenüber einer faktisch argumentierenden Sichtweise respektiert. Der Betonung dieses Umstands wegen ist auch die Lehre von der Doppelnatur als der überzeugendste und gegenüber der Lehre von der Begrenzung der Nichtigkeitsfolgen vorzugswürdigere Begründungsansatz anzusehen. Denn sie allein macht deutlich, dass der Vollzug zugleich Anlass, aber auch Notwendigkeit ist, um die Wirksamkeit des Verbandes trotz Fehlerhaftigkeit seiner rechtsgeschäftlichen Grundlage zu bejahen. Zugleich ergeben sich hieraus Konsequenzen für die Präzisierung des Merkmals und das sogleich zu behandelnde Problem des Vollzugs trotz fehlender Zustimmung aller Gesellschafter. 2. Begriffsmerkmale a) Beginn der Unternehmensträgerschaft Als Oberbegriff für das Merkmal des Vollzugs verwenden Teile des Schrifttums und der Rechtsprechung das „Ingangsetzen einer verfaßten Organisation“.68 Andere sprechen von der „Invollzugsetzung nach Innen und Außen“.69 Dieser weiten Definition folgt auch die Rechtsprechung, wenn sie den Vollzug mit der Schaffung von Rechtstatsachen bezeichnet, an denen die Rechtsordnung nicht vorbeigehen kann.70 Anders als diese Formulierung vermuten lassen könnte, bedarf es hierzu jedoch keiner quantitativen Bewertung. Zu Recht sehen andere im Vollzug daher die Aufnahme der Geschäftstätigkeit 66
Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1 (1977), § 2 III. Vgl. RGZ 166, 193, 205; hierzu ferner; Zöllner, AG 1993, 68, 73. 68 K. Schmidt, in MünchKomm HGB, 2. Aufl., § 105 Rn. 236; ders., in AcP 186 (1986) 421, 441; Joost, in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 105 Rn. 181. 69 Ulmer, in Staub, HGB, 4. Aufl., § 105 Rn. 343. 70 Vgl. BGH NJW 1992, 1501, 1502. 67
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durch die Gesellschaft in einem weiten Sinne.71 Vollzug ist nach allen der genannten Beschreibungen unstreitig jedenfalls dann gegeben, wenn die Gesellschaft durch rechtsgeschäftliches Handeln – und sei es in seinem Umfang auch noch so gering – zur Unternehmensträgerin geworden ist.72 Zweifelhaft ist dagegen, ob als Vollzug auch rein innergesellschaftliche Vorgänge genügen.73 b) Zurechenbarkeit Die als vollzugsbegründend anzusehenden Maßnahmen führen unzweifelhaft dann zur Entstehung der Gesellschaft, wenn sie im gemeinsamen Einvernehmen erfolgen, was durch persönliche Mitwirkung, Veranlassen, aber auch Dulden geschehen kann, sofern diesem ein konkludentes Einverständnis zu entnehmen ist. Zweifelhaft ist die Situation dagegen, wenn es daran fehlt, das Handeln also nicht gemeinschaftlich, sondern eigenmächtig erfolgt. Die Frage ist im Schrifttum bislang weitgehend unbeachtet.74 Allerdings verlangt die herrschende Meinung z. B. für den Geschäftsbeginn i. S. d. § 123 II HGB die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter.75 Daraus lässt sich folgern, dass für das Merkmal des Vollzugs in der ihm hier zukommenden Funktion, nämlich der Entstehung der fehlerhaften Gesellschaft, entsprechendes gelten muss, zumindest also erforderlich ist, dass alle Gesellschafter von den betreffenden Handlungen wussten und sie geduldet haben. Denn wenn schon für die Unterstellung einer rechtmäßig gegründeten Gesellschaft 71
Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 252. Vgl. BGH DB 2004, 1359; RG DR 1941, 1943, 1944; Habersack, in Staub, HGB, 4. Aufl., § 123 Rn. 16; K. Schmidt, in MünchKomm HGB, 2. Aufl., § 123 Rn. 9 jeweils mit Beispielen; Darüber hinaus genügt aber auch rein tatsächliches Handeln wie etwa das Versenden von Rundschreiben an die Kundschaft in Form von Zeitungsanzeigen und Vorbereitungshandlungen wie das Anmieten von Räumen, der Kauf von Maschinen, das Auftreten auf Messen usw. 73 So nunmehr für die stille Gesellschaft ausdrücklich BGH WM 2005, 278; aus der früheren Rechtsprechung ähnlich BGHZ 3, 285, 288; BGH NJW 1978, 2505 f., anders aber BGHZ 13, 320, 321; vgl. ferner Goette, DStR 1996, 266, 268; K. Schmidt, in MünchKomm HGB, 2. Aufl., § 105 Rn. 236; § 123 Rn. 9; ders., in AcP 186 (1986) 421, 441;Ulmer, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 705 Rn. 331; ders. in Staub, HGB, 4. Aufl., § 105 Rn. 343; Wiedemann, WM 1990, Beil. 8 S. 26; dagegen Kübler, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl., § 25 II 2; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 252; vgl. auch Hadding, in Soergel, BGB, 13. Aufl., § 705 Rn. 75; H. P. Westermann, in Erman, BGB, 12. Aufl., § 705 Rn. 79; vgl. auch Emmerich, in Heymann, HGB, § 105 Rn. 79: Vollzug „nicht zwingend“, wenn Abwicklung nach Bereicherungsrecht möglich bleibt. 74 Vgl. aber Grunewald, Gesellschaftsrecht, S. 79 f. („Sofern sich der fälschlich Ausgeschiedene oder Beigetretene sich sofort zur Wehr setzt, also geltend macht, daß er entgegen der Ansicht der Gesellschaft Gesellschafter sei oder nicht sei, ist ein Vollzug aufgrund von Handlungen im Innenverhältnis nicht denkbar“); vgl. auch Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 253 ff. 75 ROHGE 12, 406, 410; Emmerich, in Heymann, HGB, § 123 Rn. 13a; Habersack, in Staub, HGB, 4. Aufl., § 123 Rn. 20; Hillmann, in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 123 Rn. 23; Hopt, in Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 123 Rn. 12; Koller, in Koller/Roth/ Morck, HGB, 6. Aufl., § 123 Rn. 4; Straube, in Koppensteiner, HGB, § 123 Rn. 16. 72
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unter das Recht der Handelsgesellschaft gemeinschaftlicher Vollzug erforderlich ist, muss dies erst Recht für die Entstehung der Gesellschaft auf fehlerhafter Grundlage gelten. Abweichend von dem Gesagten findet sich zu § 123 II HGB zwar auch die Auffassung, wonach das eigenmächtige Handeln eines geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Gesellschafters ebenfalls als Geschäftsbeginn anzusehen sei.76 Sie verweist auf die Vergleichbarkeit der Situation bei der Vor-GmbH, bei der nur das nicht durch den Gesellschaftszweck gedeckte Handeln die Zustimmung aller Gesellschafter erfordere, sowie auf den mangelnden Schutz der Gesellschaft vor eigenmächtigen Handlungen ihrer Organe (§ 126 II HGB). Allerdings bezieht sie diese Überlegungen ausdrücklich nur auf die bereits entstandene Gesellschaft und das Außenverhältnis.77 Hier zeigt sich in besonders deutlicher Form die Notwendigkeit, zwischen dem „Geschäftsbeginn“ i. S. d. § 123 II HGB und dem „Vollzug“ als verbandskonstituierenden Merkmal im Innenverhältnis zu unterscheiden. Denn über die Entstehung als Rechtsträger (und Zurechnungssubjekt!) kann das in der Gesellschaft geltende Vertretungsrecht von vornherein keine Regelung treffen.78 Das deutet darauf hin, den „Vollzug“ unabhängig hiervon definieren zu müssen. Mit der Unmaßgeblichkeit des Vertretungsrechts der entstandenen Gesellschaft ist aber noch nicht zwingend dargetan, dass dieser ausschließlich nur bei einvernehmlichem Handeln aller Gesellschafter vorliegt und es ansonsten nicht zur Entstehung der fehlerhaften Gesellschaft kommt. Demgemäß gelangt Schäfer hier zu dem Ergebnis, dass die Gesellschaft nicht insgesamt scheitert, sondern nur mit denjenigen Mitgliedern zustande kommt, die zugestimmt haben.79 Von der Entstehung als Rechtssubjekt soll danach schon dann auszugehen sein, wenn der Vollzug im Konsens von mindestens zwei Gesellschaftern erfolgt ist. Die Gesellschaft entstehe dann allein unter diesen. Gesellschafter die nicht zugestimmt haben, könnten die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages dagegen ohne Beschränkung durch die LfG geltend machen. Sie seien so zu behandeln, als hätten sie den Tatbestand der Gründungserklärung nicht verwirklicht. In der Tat erscheint dies eine vermittelnde Lösung und gegenüber der gänzlichen Versagung jeglicher Geltung als das kleinere Übel. Dabei wird den Interessen des nicht zustimmenden Vertragsteils auch 76
K. Schmidt, in MünchKomm HGB, 2. Aufl., § 123 Rn. 10. K. Schmidt, in MünchKomm HGB, 2. Aufl., § 123 Rn. 10; vgl. aber auch dens., a. a. O. § 105 Rn. 236. 78 Eine Ausnahme gilt für den Fall des Handelns ohne Vertretungsmacht bei der Gründung (vgl. BGH DB 2004, 1359). Hier bedarf die Verpflichtung des Prinzipals der zweifachen Genehmigung (§ 177 BGB), nämlich zum einen der des Vertragschlusses und zum anderen der des Geschäftsbeginns. Anderenfalls gilt § 179 BGB, so dass allenfalls der Handelnde haftet (so auch Emmerich, in Heymann, HGB, § 123 Rn. 13a; Habersack, in Staub, HGB, 4. Aufl., § 123 Rn. 20). Diesen Fall vor Augen habend wohl auch K. Schmidt, in MünchKomm HGB, 2. Aufl., § 105 Rn. 236. 79 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 254 f. 77
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ausreichend Beachtung gezollt und der bereits herausgestellte Grundlagencharakter der Fortwirkung des Konsensprinzips für den Vollzug respektiert. 3. Handelsregistereintragung Neben der tatsächlichen Ingangsetzung kann dem fehlerhaften Verband auch aufgrund des in der Handelsregistereintragung liegenden staatlichen Hoheitsakts zur Entstehung verholfen werden. a) Juristische Person Für juristische Personen gilt hier wegen der konstitutiven Wirkung der Eintragung für die fehlerhafte dasselbe wie für die fehlerfreie Errichtung: Vor der Eintragung in das Handelsregister besteht die Gesellschaft als solche nicht (vgl. §§ 41 I AktG, 11 I GmbHG, 13 GenG). Der Rechtszustand vor der Eintragung ist damit eindeutig festgelegt. Die Handelsregistereintragung kann unter keinen Umständen ersetzt werden, auch nicht, indem der Zusammenschluss als AG, GmbH oder Genossenschaft angesehen oder vollzogen wird. Er besteht auch dann lediglich in Form einer Vorgesellschaft.80Auf der anderen Seite hat die Handelsregistereintragung der juristischen Person deren Entstehung aber auch stets zur Folge. Weiterer Vollzugsmaßnahmen bedarf es nicht.81 Das Gesetz lässt die Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen nur noch in Form der Nichtigkeitsklage zu (vgl. §§ 275 AktG, 75 ff. GmbHG, 94 ff. GenG). Allerdings fällt es schwer, insoweit mit der Unmöglichkeit der Rückabwicklung als maßgeblichen Wertungsgrund der Fehlerlehre zu argumentieren.82 Systematisch wird man den „Vollzug“ der fehlerhaften juristischen Person durch die Handelsregistereintragung daher alternativ begründen müssen, und zwar durch ihren hoheitlichen Charakter sowie die ihr im Rahmen des Systems der beschränkten Normativbedingungen zukommenden Richtigkeitsgewähr. So ist der in der Handelsregistereintragung liegenden Akt staatlicher Prüfung bei Erwerb der Rechtsfähigkeit geeignet, gesteigertes Vertrauen in den Bestand der Korporation zu wecken.83 80 Ganz h. M., vgl. etwa Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 43, die entgegen K. Schmidt, in MünchKomm HGB, 2. Aufl., § 105 Rn. 236 auch nicht von Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 149 ff. in Frage gestellt wird (vgl. a. A. O. S. 151). 81 Der Fall erscheint auf den ersten Blick kaum praktisch relevant. Denn zumindest bei der juristischen Person sollte unstreitig sein, dass in der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung ein Handeln im Rechtsverkehr, damit zugleich tatsächlicher Vollzug vorliegt (bestritten dagegen für die Personengesellschaft, vgl. Ulmer, in FS Flume II (1978), S. 301, 311; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 30 Fn. 33 m. w. N.). Allerdings gilt das nur für den Fremd- oder Gesellschaftergeschäftsführer, der mit der Anmeldung mandatiert ist, nicht dagegen bei eigenmächtigem Handeln. 82 Vgl. dazu Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 141 ff. 83 Vgl. Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 31, Paschke, ZHR 155 (1991), 1, 7. Das bezieht sich wegen der Handelsregisterwirkungen des § 15 HGB unmittelbar nur auf das Außenverhältnis, lässt sich aber für das Innenverhältnis gleichermaßen anneh-
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b) Personengesellschaften Fraglich ist das Verhältnis von tatsächlichem Vollzug und der Handelsregistereintragung dagegen bei den Personengesellschaften. Eindeutig ist hier nur die Rechtslage für die BGB-Gesellschaft und die Partnerschaftsgesellschaft. Die erstere kann – auch nach Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit durch BGHZ 146, 341 – nicht in das Handelsregister eingetragen werden. Es bleiben lediglich indirekte Formen der Registrierung, etwa zur Begründung der Markenfähigkeit und des Eigentum an Grundstücken,84 die aber vorliegend schon deswegen außer Betracht bleiben, weil sie die Existenz der Gesellschaft voraussetzen und nicht begründen. Genau umgekehrt verhält es sich mit der Partnerschaftsgesellschaft, die wegen § 7 I PartGG ihre Rechtsform ausnahmslos erst mit der Eintragung in das Register erlangt.85 Problematisch ist dagegen die Situation der Personenhandelsgesellschaft. Hier wird nach wie vor angezweifelt, ob allein die Eintragung das Merkmal des Vollzugs i. S. d. der ihm hier zuzuweisenden Funktion erfüllt.86 Die Bedenken ergeben sich aus zwei Umständen: Zum einen dem, dass die Geltung der Rechtsform der Handelsgesellschaft bis zur Handelsrechtsreform von 1998 nicht von der Handelsregistereintragung abhing, sondern allein vom Betrieb eines vollkaufmännischen Gewerbes (vgl. §§ 105 I a. F., 123 II HGB).87 Das sprach dafür, dass auch für die Annahme einer fehlerhaften OHG/KG stets deren tatsächliche Durchführung erforderlich war. Zum anderen der Tatsache, dass der Ausschluss der Rückabwicklung nach allgemeinen Grundsätzen als zentraler Grund für die Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen sich allein mit der Handelsregistereintragung nicht einstellt, sofern im Übrigen jegliche Vollzugsmaßnahmen unterbleiben. Aus dem zuerst genannten Gesichtspunkt lässt sich die Auffassung, welche die Eintragung nicht als Vollzug i. S. d. ihm hier zuzuweisenden Funktion gelten lassen will jedoch nicht mehr rechtfertigen.88 Denn nach dem nun geltenden Recht kann ein privater Zusammen84 men, so dass es einer zusätzlichen gemeinschaftlichen „Bestätigung“ des Gesellschaftsverhältnisses durch einen Vollzug nicht bedarf. Der systematische Wertungsgrund für die Anerkennung der fehlerhaften Körperschaft liegt deswegen nicht darin, sondern er beruht auf der eigenständigen Bedeutung und der Qualität des staatlichen Hoheitsakts der Eintragung. 84 Str., zum Stand der Diskussion H. P. Westermann, in Erman, BGB, 12. Aufl., § 705 Rn. 70 ff. 85 Vgl. zur EWIV Art. 1 II EWIV-VO. Die Situation entspricht hier derjenigen, der nicht eingetragenen juristischen Person, nur dass es sich hier bei Vollzug vor der Eintragung allenfalls um eine (BGB-)Vorgesellschaft nicht aber um eine Handelsgesellschaft handeln kann. 86 Vgl. Boujong, in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 105 Rn. 182; Emmerich, in Heymann, HGB § 105 Rn. 78; K. Schmidt, in Schlegelberger, HGB, § 105 Rn. 209. 87 Zur Klarstellung: Auch die Eintragung nach § 123 I HGB setzt den Betrieb eines solchen voraus. Sofern ein nicht vollkaufmännisch betriebenes Gewerbe als oHG/KG eingetragen wurde, ließ sich die Anwendung der dafür geltenden Vorschriften also allein aus Rechtsscheingesichtspunkten begründen. 88 Aufgegeben aus diesem Grunde auch von K. Schmidt, in MünchKomm HGB, 2. Aufl., § 105 Rn. 236.
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schluss auch dann als Handelsgesellschaft eingetragen werden, wenn er keinen kaufmännischen Zweck verfolgt (vgl. § 105 II HGB). Insoweit ist die Eintragung konstitutiv,89 die Handelsgesellschaft wie die juristische Person Formkaufmann.90 Dem wird in der Sache entgegengehalten, die Eintragung der Gesellschaft als Handelsgesellschaft bewirke nicht die Entstehung der Gesellschaft als Rechtsträger, sondern allein deren gesetzlichen Formwechsel. Die Gesellschaft sei bereits als Vorgesellschaft vorhanden, was für Körperschaften- wie für Personengesellschaften gleichermaßen gelte und erkläre, weshalb sich die Eintragung zum Vollzug als Wertungsgrund der fehlerhaften Gesellschaft neutral verhalte.91 Für die Personenhandelsgesellschaften sei zudem wegen § 123 II HGB erst recht von dem Fehlen der konstitutiven Eintragungswirkung auszugehen.92 Beides überzeugt indessen nicht. Erstens ist der genannte Einwand für die Körperschaft zumindest missverständlich, nämlich insoweit als gesagt wird, dass das Rechtssubjekt hier durch die Eintragung nicht zu Entstehung gelange und diese keine konstitutive Wirkung habe. Das verträgt sich schlecht mit den gesetzlichen Regelungen der §§ 41 I AktG, 11 I GmbHG, 13 GenG und dem hergebrachten wie auch beibehaltungswürdigen Verständnis der konstitutiven Eintragungswirkung. Denn die juristische Person entsteht ohne die Eintragung nicht. Und die Vorgesellschaft, welche durch die Eintragung identitätswahrend „umgewandelt“ werden kann (häufig als Vor-GmbH) ist noch nicht als solche anzusehen. Zweitens: Die Tatsache, dass eine Vorgesellschaft entstanden sein kann, sollte weder überbetont noch zur Grundlage der vorliegenden Überlegungen gemacht werden. Denn zum einen entspricht die Entstehung einer Vorgesellschaft nicht dem gesetzlichen Leitbild des Gründungsverfahrens. Sie ist vielmehr als Rechtsform sui generis eine Schöpfung, welche die an sich nicht gewollte Aufnahme der Geschäftstätigkeit vor der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister einzufangen versucht. Sie orientiert sich zum anderen zwar bereits an der angestrebten Rechtsform, dies allerdings nur sofern die betreffenden Vorschriften nicht die Eintragung voraussetzen. Schon aus diesen Erwägungen sollte nicht versucht werden, bei der Bestimmung der Wirkungen der Handelsregistereintragung für OHG/KG den Akzent von der Bedeutung der Verbandskonstituierung auf die der Verbandsumwandlung zu verschieben.93 89
Hopt, in Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 105 Rn. 12. Vgl. K. Schmidt, in MünchKomm HGB, 2. Aufl., § 105 Rn. 11, der den vorgenannten Standpunkt aus diesem Grund aufgegeben hat (vgl. a. A. O. Rn. 236); gegen eine weite Auslegung der Vorschrift über die dort genannten Gewerbe hinaus aber etwa Schön, DB 1998, 1169 f. 91 Vgl. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 149 ff., 152. 92 Vgl. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 152 f. 93 Ergänzend spricht wie bei der juristischen Person gegen ein solches Vorgehen zugleich, dass Eintragung und Bekanntmachung der Gesellschaft, im Innen- wie im Außenverhältnis die klarste Manifestation für die Existenz der Gesellschaft darstellen. An ihrer Eignung als alternative Vollzugshandlung zur sachbezogenen Ingangsetzung der Organisation ist nicht zu zweifeln. 90
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C. Grenzen der Anerkennung: Vorrangige Interessen der Allgemeinheit oder schutzwürdiger Personen Die Rechtsprechung sieht für die Anerkennung der fehlerhaften Gesellschaft keinen Raum, wenn dieser „vorrangige Interessen der Allgemeinheit oder besonders schutzwürdiger Personen“ entgegenstehen.94 Dies ist namentlich dann in Erwägung zu ziehen, wenn der Gesellschaftsvertrag gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB verstößt,95 sittenwidrig i. S. d. § 138 BGB ist96 oder unter Verletzung von Bestimmungen zustande gekommen ist, die dem Schutz beschränkt Geschäftsfähiger bzw. Geschäftsunfähiger dienen.97 Für einen solchen Zusammenschluss soll es im Grundsatz bei der Nichtigkeit ex tunc bleiben. Er ist im Innenverhältnis nach Bereicherungsrecht abzuwickeln, während gegenüber gutgläubigen Dritten eine Haftung nach Rechtsscheingrundsätzen eingreift.98 Dieses Verständnis erschien lange Zeit allgemein anerkannt,99 sieht sich aber in jüngerer Zeit zunehmend Zweifeln ausgesetzt.100 Die Kritik richtet sich hierbei teilweise gegen den Vorbehalt als solchen,101 teil-
94 Vgl. BGHZ 3, 285, 288; 17, 160, 167; 26, 330, 335; 55, 5, 9; 62, 234, 241; 75, 214, 217 f.; 97, 243, 250; 153, 214, 222; BGH NJW 1992, 1503, 1504; BGH ZIP 2005, 753, 755; BayObLG NJW-RR 1990, 476, 477; OLG Hamm WuW/E OLG 3748 u. 4033; vgl. auch die Beiträge des Vorsitzenden des 2. Zivilsenats Goette, DStR 1996, 266, 270 und des Senatsmitglieds Gehrlein, WM 2005, 1489, 1490 f. 95 BGHZ 62, 234, 241 – Verstoß gegen RechtsberatungsG; BGHZ 75, 214, 217 – Verstoß gegen das ApothekenG; BGHZ 97, 243, 250 – Verstoß gegen die BerufsO für Vermessungsingenieure; BGH DStrR 1995, 1722 – Verstoß gegen kapitalmäßige Beteiligung an fachärztlicher Tätigkeit; BGH WuW/E BGH 2675, 2678, OLG Hamm WuW/E OLG 3748 u. 4033 – beide Kartellrechtswidrigkeit. 96 BGH NJW 1970, 1540, 1541 – Gesellschaftsvertrag mit der Geliebten; BGH NJW-RR 1988, 1379 – Bordellbetrieb; BGH WM 1974, 749, 750 – Vermietung an Prostituierte. 97 RGZ 145, 155, 159; BGHZ 17, 160, 167 f.; 38, 26, 29; BGH NJW 1983, 748; NJW 1992, 1503, 1504. Sind nur einzelne Klauseln eines Gesellschaftsvertrages nichtig, so wird davon weder der Restvertrag noch die Wirksamkeit der Gesellschaft berührt, sofern nicht Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB vorliegt. Die betroffene Klausel entfällt und ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung oder der Anwendung dispositiven Rechts auszufüllen. Das ist indessen, wie oben gesehen, kein Fall der fehlerhaften, sondern der letztlich fehlerfreien und uneingeschränkt wirksamen Gesellschaft. 98 Vgl. Gehrlein, WM 2005, 1489, 1490. 99 Vgl. Boujong, in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 105 Rn. 185 ff.; Emmerich, in Heymann, HGB, § 105 Rn. 82 ff.; Hopt, in Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 105 Rn. 83; Kraft/ Kreutz, GesR, D V 1 c (1); Kübler, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl., § 25 IV S. 336 f.; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 34; Ulmer, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 705 Rn. 332 ff.; H. P. Westermann, in Erman, BGB, 12. Aufl., § 705 Rn. 76 ff.; Wiedemann, WM 1990, Beil. 8, S. 26. 100 Vgl. K. Schmidt, AcP 186 (1986) 421, 444 ff; ders., Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 6 III 3, S. 150 Fn. 67 m. w. N.; nunmehr dezidiert und in weiterem Umfang auch Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 259 ff. 101 So insbesondere Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 83 ff.; 259 ff.
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weise gegen seinen Umfang.102 Ersteres wird insbesondere damit begründet, es handele sich weniger um einen Vorrang entgegenstehender Interessen, sondern um eine notwendige Korrektur der ohnehin für verfehlt gehaltenen Anwendung der LfG auf die Innengesellschaft.103 Für die vorliegende Untersuchung verdient daher der Umstand Interesse, dass der mit der LfG verbundene Vorrang der Abwicklung teilweise zugunsten anderweitiger Ausgleichsansprüche aufgegeben werden können soll.104 Das erweist sich als fraglich, weil hierdurch im Ergebnis die LfG außer Kraft gesetzt werden kann. Daher ist zu prüfen, ob dem getäuschten oder bedrohten Mitglied außerhalb der Liquidation tatsächlich Schadensersatzansprüche zuerkannt werden können und ob diese mit der Fehlerlehre vereinbar sind.105 I. Insbesondere: Das Problem flankierender Schadensersatzansprüche 1. Rechtsprechung Deutlich geworden ist das Problem flankierender Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft insbesondere in der Rechtsprechung des II. Zivilsenats der BGH im Fall der sogenannten Göttinger Gruppe.106 Darin wird zunächst die Anwendbarkeit der LfG auf die stille Gesellschaft als solche bekräftigt, zugleich aber Ansprüche gegen den Vertragspartner – eine AG und eine KGaA – auf Schadensersatz wegen Prospektmangels, Verletzung von Aufklärungspflichten und aus anderen Gründen außerhalb der Liquidation zuerkannt. Der Anspruch umfasst hiernach – als negatives Interesse – auch die Rückgewähr der Einlage und kann unmittelbar gegen die Gesellschaft geltend gemacht werden, so dass der Gesellschaft in der Konsequenz gerade nicht den Beschränkungen der fehlerhaften Gesellschaft unterliegt.107 Zur Begründung verweist die Entscheidung darauf, dass es dem Schädiger nicht zugutekommen dürfe, zugleich an dem mit dem geschädigten Anleger geschlossenen Gesellschaftsvertrag beteiligt zu sein.108 Zudem handele es sich lediglich um eine zweigliedrige stille Gesellschaft. Weder im Interesse anderer stiller Beteiligungen noch der Gläubiger des Vertragspartners sei eine Geltendmachung außerhalb der Liquidation ausgeschlossen. Bei einem solchen Anlagemodell beschränkten sich die Rechtsbeziehungen allein auf das Verhältnis von stillem Teilhaber und seinem Vertragspartner. Daher sollen nicht die Grundsätze für die Publikums102 So etwa K. Schmidt, AcP 186 (1986) 421, 424 ff.; ders., Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 6 III 3; ders., in MünchKomm HGB, 2. Aufl., § 105 Rn. 237 ff. 103 So insbesondere Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 83 ff.; 259 ff. 104 BGH ZIP 2004, 1706; ZIP 2005, 254; ZIP 2005, 753 („Göttinger Gruppe“). 105 Vgl. Gehrlein, WM 2005, 1489: „Abschied von der fehlerhaften Gesellschaft?“. 106 Vgl. BGH WM 2004, 1823; 2005, 278; 2005, 833; dazu Konzen, in FS Westermann (2007), S. 1133 ff. 107 Vgl. dazu die Feststellung des Senatsmitglieds Gehrlein, WM 2005, 1489, 1492 f. 108 BGH WM 2004, 1823, 1824; 2005, 278, 280; 2005, 833.
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gesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer KG gelten. Vielmehr richtet sich ein möglicher Anspruch aus Prospekthaftung oder Verschulden bei Vertragsschluss stets unmittelbar gegen den Vertragspartner, also hier die als Inhaberin des Handelsgewerbes i. S. d. § 230 HGB auftretende AG, mit der allein der stille Gesellschaftsvertrag zustandegekommen ist.109 2. Kritische Würdigung Man könnte zunächst geneigt sein, diese Rechtsprechung schlicht als eine Bestätigung für die These zu sehen, dass die Anwendung der LfG auf die stille Gesellschaft insgesamt verfehlt ist. Und tatsächlich stimmen die dagegen vorgebrachten Argumente, mit denen der Senat die Vorrangigkeit der Individualinteressen des getäuschten Gesellschafters begründet, überein: Der Schutz der Gläubiger soll die in der LfG liegende Beschränkung auf die Abwicklung gerade deswegen nicht erfordern, weil es bei der stillen Gesellschaft an einem durch Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften geschützten Gesellschaftsvermögen fehlt.110 Diesem gegen die Anwendung der Fehlerlehre auf die atypische stille Gesellschaft gerichteten Einwand ist jedoch bereits damit begegnet worden, dass es sich hierbei nicht um ein reines Schuldverhältnis handelt. Vielmehr begründet die Beteiligung des Stillen ein Gesellschaftsverhältnis, welches im Falle der Fehlerhaftigkeit grundsätzlich auch nach den allgemein dafür geltenden Grundsätzen zu behandeln ist, sofern die Besonderheiten des konkreten Sachverhalts keine Abweichung erfordern. Die vorstehende Problematik sollte nicht zum Anlass genommen werden, dies in Frage zu stellen. Vielmehr gilt der bereits oben genannte Grundsatz der Einzelfallbetrachtung des Gesellschaftsverhältnisses, d. h. einer Überprüfung der Sachgerechtigkeit des Absehens von der LfG im Außen- wie im Innenverhältnis. a) Außenverhältnis Nach Ansicht des Senats gebietet der Schutz der Gläubiger eine Beschränkung durch die LfG nicht, weil es bei der stillen Gesellschaft an einem durch Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften geschützten Gesellschaftsvermögen fehle. Das trifft allerdings nur dann zu, wenn es sich bei dem Vertragspartner um eine natürliche Person handelt. Ist er dagegen wie hier eine Kapitalgesellschaft, so kann der Stille unter bestimmten Voraussetzungen wie ein Gesellschafter der Inhaberin des Handelsgewerbes zu behandeln sein. Das gilt namentlich in Bezug auf die Kapitalerhaltungsregeln.111 Trotz ihrer Pauschalität trifft die Entscheidungsbegründung in ihrer Aussage zum fehlenden Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsschutz der stillen Gesellschaft da-
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BGH WM 2004, 1823, 1824. Ebda.
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her zu. Verkehrsschutzgesichtspunkte lassen sich für die Anwendung der Lehre vorliegend dagegen nicht anführen. b) Innenverhältnis Für die Bewertung der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit im Innenverhältnis muss man sich zunächst nochmals die Gestaltung im entschiedenen Fall vor Augen führen: Die beklagten Gesellschaften hatten mit zahlreichen Kleinanlegern jeweils stille Gesellschaftsverträge geschlossen, wobei diese am Gewinn und Verlust beteiligt waren und am Ende der Laufzeit der stillen Gesellschaft vorhandene Auseinandersetzungsguthaben als Rente ausgezahlt werden sollte. Es lag also eine mehrgliedrige – sternförmige – Gestaltung vor aa) Verhältnis zur Rechtslage in der Publikumsgesellschaft Für die Zulassung von Schadensersatzansprüchen gegen den Inhaber spricht in einer solchen Situation vor allem das scheinbare Fehlen jeglicher Rechtsbeziehungen der Stillen untereinander. Das könnte mit Blick auf die Rechtslage zur Publikums-KG aber zu kurz greifen. Nach bisheriger Rechtsprechung führten schuldhafte Aufklärungspflichtverletzungen und sogar Täuschungen im Zusammenhang mit dem Beitritt nicht zu einem Anspruch auf Rückzahlung der vollständigen Einlage gegen die Gesellschaft, sondern nur gegen die Initiatoren oder Gründungsgesellschafter.112 Der einzelne Gesellschafter bleibt also direkt wie indirekt verschont, was darauf beruht, dass er auf die Beitrittsverträge neuer Gesellschafter keine Einwirkungsmöglichkeiten hat, insoweit nicht in Erscheinung tritt und regelmäßig selbst getäuscht oder nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist.113 Dafür spricht trotz Bedenken bei der Nichtanwendung der Zurechnungsnormen des § 31 BGB (anlog), dass es hierdurch zu einer gleichmäßigen Verteilung des Anlagerisikos der Getäuschten untereinander sowie im Verhältnis zu den gutgläubigen nicht Getäuschten kommt und ein anderenfalls drohendes „Windhundrennen“ vermieden wird.114 Das ent111
BGHZ 106, 7; BGH WM 2006, 691 (zur GmbH). Allerdings setzt dies voraus, dass die Rechtsstellung des stillen Gesellschafters nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages, hinsichtlich seiner vermögensmäßigen Beteiligung und seines Einflusses auf die Geschicke der Gesellschaft weitgehend derjenigen eines Gesellschafters entspricht. Das war angesichts der hier gegebenen Kleinstbeteiligungen nicht der Fall. Zwar darf man sich nicht darüber täuschen, dass sich durch eine der Einlagenrückgewähr gleichkommende „schadensrechtliche Liquidation“ gerade bei Beteiligungsverhältnissen mit einer Vielzahl von stillen Gesellschaftern auch ohne Verstoß gegen Kapitalerhaltungsregeln die Stellung der Gläubiger maßgeblich verschlechtern kann, doch greift der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung erst in der Insolvenz (So aber Wertenbruch, NJW 2005, 2823, 2825). 112 BGHZ 55, 5, 10; 63, 338, 345 f.; 69, 160, 163; 71, 284, 287 ff.; BGH NJW 1973, 1604; 1976, 894; 2003, 2821; vgl. auch K. Schmidt, in MünchKomm HGB, 2. Aufl., § 161 Rn. 131. 113 Vgl. BGH WM 1819, 124 m. w. N. 114 So der vielfach geäußerte Einwand, vgl. OLG Celle WM 2005, 737; Armbrüster/Joos, ZIP 2004, 189, 192; Blaurock, WuB II H. § 230 HGB 1.05; Bock, FAZ v. 20.4.2005, S. 29; Lenenbach, WuB II H. § 230 HGB 2.05; Lürken, EWiR 2005, 707, 708.
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spricht allerdings auch der vorliegenden Sachlage: Wenn zahlreiche Verträge abgeschlossen werden und dem stillen Gesellschaftern auch bekannt ist, dass sie sich an einer in Form von gebündelten stillen Beteiligungen organisierten Publikumsgesellschaft beteiligen, greift es zu kurz, lediglich auf die einzelnen stillen Gesellschaftsverhältnisse abzustellen. Eine solche Detailbetrachtung lässt außer Acht, dass das Investitionskapital, an dem die stillen Gesellschafter wirtschaftlich partizipieren, nur gemeinsam aufgebracht werden kann und dies den stillen Gesellschaftern auch bewusst ist.115 Sie übersieht zudem, dass es sich um eine koordinierte stille Gesellschaft handelt, bei der die Beteiligung anderer stiller Gesellschafter aufgrund ihrer Finanzierungsfunktion eine wesentliche Voraussetzung für den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg darstellt.116 Ein Schutzbedürfnis der übrigen Gesellschafter ist damit hier genauso angezeigt, wie bei der Publikumsgesellschaft, die sich der Rechtsform der BGB-Gesellschaft oder der KG bedient.117 bb) Fehlen einer Abwicklungssperre Zu rechtfertigen ist eine gegenteilige Sichtweise allenfalls damit, dass unabhängig vom Nichtigkeitsgrund bestehende Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem fehlerhaften Beitritt keinen Beschränkungen aus dem Gesellschaftsverhältnis unterlägen.118 Hinzu kommt, dass in einer Konstellation, wie sie bei der sternförmigen Gruppe vorlag, ohnehin keine Auseinandersetzung zu erfolgen hat und die isolierte Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen daher ohne Weiteres zulässig sein muss.119 Das soll nach teilweiser Ansicht sogar für Publikumsgesellschaften gelten. Hier hätten die ohne Vertragsmangel beigetretenen Gesellschafter das Anlagerisiko „in voller Schärfe“ zu tragen. Es könne im Rahmen der Auseinandersetzung daher keine Rolle spielen, ob sich der Ersatzanspruch eines Gesellschafters gegen einen Mitgesellschafter oder die Gesellschaft selbst richtet.120 II. Fazit Die Wirkungen der LfG – Gleichbehandlung der Anleger unter ordnungsgemäßer Abwicklung oder Erhalt des Verbands unter Vermeidung von „Wind115
Blaurock, WuB II H. § 230 HGB 1.05; so auch Lenenbach, WuB II H. § 230 HGB 2.05. Vgl. zur Unterscheidung zwischen koordinierten und unkordinierten sowie zwei- und mehrgliedrigen Gesellschaftsverhältnissen Armbrüster/Joos, ZIP 2004, 189, 192. 117 Hinzukommt, dass die Zulassung von Schadensersatzansprüchen wegen fehlerhaften Beitritts den stillen Gesellschafter so stellt, als habe er den Gesellschaftsvertrag nicht abgeschlossen. Das steht im wirtschaftlichen Ergebnis einer Rückerstattung der Einlage gleich. Die darin liegende Nähe zur Rückabwicklung ex tunc könnte im Widerspruch zu dem ausdrücklichen Bekenntnis der Anwendung der LfG stehen. 118 So konsequent Wertenbruch, NJW 2005, 2823, 2825; Gehrlein, WM 2005, 1489, 1493 ff. 119 Gehrlein, WM 2005, 1489, 1495. 120 Gehrlein, WM 2005, 1489, 1493. 116
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hundrennen“ lassen sich grundsätzlich nur erzielen, wenn man die isolierte Geltendmachung von aus dem Nichtigkeitsgrund folgenden Restitutionsansprüchen ausschließt. Andererseits geben die zuletzt genannten Überlegungen Anlass zu zweifeln, ob die dahingehende Beschränkung stets gerechtfertigt ist. Grundsätzlich hat man dafür ein koordiniertes Anlagemodell zu fordern, welches sich in seiner wirtschaftlichen Konzeption nicht von der Mitgliedschaft in einer Außengesellschaft unterscheidet. Für solche erscheint es vorzugswürdig, die Grundsätze der LfG in der Weise zur Anwendung zu bringen, getäuschten Anlegern nur das Recht zur außerordentlichen Kündigung seiner stillen Beteiligung flankiert durch Schadensersatzanspruch gegen den Vermittler bzw. die Initiatoren zuzubilligen. Gerechtfertigt ist die damit verbundene Beschränkung der Verbandshaftung aber nur, wenn der Bestand des Verbandes im Zweifel steht, dieser also im weitesten Sinne – sei es durch Liquidation oder im Rahmen eines Insolvenzverfahrens – abgewickelt werden muss.
D. Rechtsfolgen der LfG I. Wirksame Entstehung der Gesellschaft Nach der Lehre der fehlerhaften Gesellschaft gilt der Grundsatz, dass das Gesellschaftsverhältnis trotz des ihm anhaftenden Mangels solange wirksam ist, bis seine Geltendmachung erfolgt.121 Der fehlerhafte Vertrag führt unter den Beteiligten eine nach innen und außen existierende Gesellschaft herbei, die Trägerin von Rechten und Pflichten ist, ohne dass es hierfür – wie bei einer Rechtsscheinlösung – auf die Gutgläubigkeit der Gesellschafter oder Dritter ankäme. Ihre Organisation und Willensbildung richtet sich nach dem Vertrag, Beiträge und Nachschüsse müssen geleistet werden122 und es gelten die allgemeinen Regelungen, namentlich besteht eine Treupflicht gegenüber den Mitgesellschaftern.123 Dabei ist nicht erforderlich, dass es sich um Regelungen nur der Innenbeziehung handelt oder diese durch Vollzug für sich bereits explizit zur Geltung gelangt sind.124 Denn der Sinn der umfassenden Anerkennung der Existenz des Verbandes besteht darin, diesen so weit wie möglich nach den selbst gewählten Regeln und nicht nach einem „Abwicklungsstatut“ aus dispositivem Gesetzesrecht und Auslegungsergebnissen leben zu lassen.
121 Vgl. Kübler, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl., § 25 III; K. Schmidt, in MünchKomm HGB, 2. Aufl., § 105 Rn. 244; H. P. Westermann, in Erman, BGB, 12. Aufl., § 705 Rn. 80 ff. 122 BGHZ 26, 330, 335; 63, 338, 344; BGH NJW 2003, 1252; Vgl. aber zur unwirksamen Einlageverpflichtung zur Übertragung eines Grundstücks BGH WM 1977, 783. 123 BGHZ 17, 160, 167. 124 So aber Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1 (1977), § 2 III; Ulmer, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 705 Rn. 344; ders., in FS Flume II (1978), S. 301, 312.
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II. Geltendmachung des Fehlers An die Stelle der Ex tunc-Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrags tritt die Vernichtbarkeit der Gesellschaft oder der Mitgliedschaft mit Wirkung ex nunc. Die Geltendmachung des Mangels richtet sich hierbei nach den für die Auflösung des betroffenen Rechtsträgers aus wichtigem Grund vorgesehenen Gestaltungsrechten.125 Für die Kapitalgesellschaften, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die stille Gesellschaft ist die Rechtslage eindeutig: Die Nichtigkeit von AG, GmbH und Genossenschaft kann nur durch Klage geltend gemacht werden, bei der es sich um eine nicht schiedsfähige Gestaltungsklage handelt. Ihr Rechtsschutzziel besteht in der Umwandlung der werbenden Gesellschaft in eine Abwicklungsgesellschaft.126 Bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und der stillen Gesellschaft genügt zur Geltendmachung die Kündigung gemäß § 723 I BGB (i. V. m. § 234 I 2 HGB). Dagegen bedarf es für die Personenhandelsgesellschaft der Klage, sofern der Gesellschaftsvertrag keine Kündigungsrechte vorsieht (vgl. §§ 133 I, 140 I HGB). An diesem Erfordernis hält die Rechtsprechung in Einklang mit der Lehre nach wie vor fest.127 Damit entsteht eine Problemlage, die – wenn auch unter anderem Vorzeichen – Parallelen zum Freigabeverfahren aufweist. Auch hier stellt sich die Frage, ob während des durch den Prozess eintretenden Schwebezustands bereits das verfolgte Klageziel oder der bestehende Zustand gelten soll. Das entspricht im Ausgangspunkt der Situation im Anfechtungsverfahren, wobei hier darüber zu befinden ist, ob der bestehende Zustand beibehalten oder der Beschluss in die Tat umgesetzt werden soll. Diesem Spannungsverhältnis trägt die Rechtsprechung bei der LfG Rechnung, indem die gestaltende Wirkung der Auflösung und der Ausschließung zwar erst mit Rechtskraft des Gestaltungsurteils eintritt,128 für die Auseinandersetzung zwischen der Gesellschaft und dem ausgeschlossenen Gesellschafter allerdings die Vermögenslage der Gesellschaft in dem Zeitpunkte maßgebend erachtet, in welchem die Klage auf Ausschließung erhoben ist. Insoweit 125 Kübler, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl., § 25 III 2; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 177. 126 Vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 275 Rn. 19 f. 127 Vgl. BGHZ 3, 285, 289 f.; RGZ 165, 193, 201 ff.; „Auch hier ist im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit geboten, durch eine gerichtliche Entscheidung eindeutige Rechtsverhältnisse zu schaffen. Auch hier besteht in der gleichen Weise das Bedürfnis, die zwischen den Gesellschaftern bestehende Zweifelsfrage über das Vorliegen eines Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrundes durch eine gerichtliche Entscheidung auszuräumen. Anderenfalls müsste der Betrieb des gemeinsamen Unternehmens unter Umständen schon mit der Geltendmachung eines etwaigen Vertragsmangels eingestellt werden, und es müssten damit zahlreiche wirtschaftliche Nachteile in Kauf genommen werden.“ (BGHZ 3, 285, 289 f.); dazu auch Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 169 f.; K. Schmidt, in MünchKomm HGB, 2. Aufl., § 105 Rn. 247. 128 Soweit nicht der Gesellschaftsvertrag eine Gestaltungserklärung zulässt (§§ 133, 140 HGB).
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gilt also bereits der Zustand, wie er erst mit Rechtskraft des Urteils eintreten würde. Der auszuschließende Gesellschafter nimmt am Gewinn und Verlust nicht mehr teil.129 III. Fehlerhaftigkeit als „wichtiger Grund“ i. S. d. §§ 723 I BGB, 133 HGB Das Recht zur fristlosen Kündigung oder Auflösung der Gesellschaft setzt nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 723 I BGB, 133 I HGB das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus. Das RG hatte die dadurch formulierten Anforderungen auch für die fehlerhafte Gesellschaft als verbindlich angesehen. Danach war neben dem Gründungsmangel erforderlich, dass die Fortsetzung der Gesellschaft dem hiervon betroffenen Mitglied nicht zuzumuten sei.130 Der BGH hat einer solchen zusätzlichen Anforderung an die Vernichtbarkeit der fehlerhaften Gesellschaft demgegenüber widersprochen.131 Anliegen dieser Lehre sei allein, die rückwirkende Beseitigung des Gesellschaftsverhältnisses zu verhindern. Dagegen solle nicht „auch noch für die Zukunft an einem Gemeinschaftsverhältnis festgehalten werden, dem nach ihren ersichtlichen Vorstellungen die für sie wesentliche Grundlage fehlt“.132 Die Kritik133 hält dies für korrekturbedürftig für Sachverhalte, bei denen der Gründungsmangel nicht fortwirkt bzw. sich nicht realisiert hat, also z. B. wenn ein Mitgesellschafter über wesentliche Eigenschaften seiner Person (persönliche Fertigkeiten, fehlende Vorbestrafung usw.) getäuscht hat, sich der damit verbundenen potentielle Nachteil aber noch nicht realisiert hat (also etwa nicht erneut einschlägige Straftaten begangen wurden).134 Hierfür ist geltend gemacht worden, dass es bei der außerordentlichen Kündigung keine absoluten Kündigungsgründe gebe, diese vielmehr untrennbar mit einer Interessenabwägung verbunden sei.135 Mache man mit dem Prinzip der Anerkennung der aufgrund des Vertrages in Vollzug gesetzten Gesellschaft ernst, verneine man also die 129 Vgl. Lorz, in in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 140 Rn. 36; K. Schmidt, in MünchKomm HGB, 2. Aufl., § 140 Rn. 87 m. w. Einzelheiten auch hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts. Andere Mitgliedschaftsrechte können dagegen weiter ausgeübt werden, da sie im Falle einer Klageabweisung nicht mehr nachholbar und die unter ihrer Missachtung gefassten Beschlüsse nichtig wären. Hier gilt also das Gestaltungsklageprinzip uneingeschränkt. 130 RG DR 1941, 1943 f.; 193, 1221, 1223; s. auch noch RGZ 165, 193, 199. 131 BGHZ 3, 285, 290; 47, 293, 300. 132 BGHZ 3, 291 f.; zust. etwa von Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 19 f.; Hadding, in Soergel, BGB, 13. Aufl., § 705 Rn. 78; Hüffer, Gesellschaftsrecht, 7. Aufl., S. 218; Kübler, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl., § 25 III 2; Ulmer, in MünchKomm BGB, 4. Aufl., § 705 Rn. 345; Wiesner, Fehlerhafte Gesellschaft (1979/80), S. 126. im Ausgangspunkt auch Schäfer, Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, S. 177. 133 Hierzu insbesondere Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1 (1977), § 2 III; vgl. aber auch die Einschränkungen bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 6 III 2; ders., ZIP 1998, 181, 187; ähnlich auch Wiedemann, WM 1990, Beil. 8, S. 28. 134 Vgl. die Beispiele bei Hüffer, Gesellschaftsrecht, 7. Aufl., S. 217 f. 135 Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 444 f.
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Beachtlichkeit des Gründungsmangels für die Existenz, so erscheine es folgerichtig, auch die für deren Beendigung geltenden Regeln zu beachten. Im Übrigen stehe die h. M. im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen, weil sie erlaube, die Fehlerhaftigkeit entgegen den §§ 121, 124 BGB unbefristet geltend zu machen.136 All dies vermag den Grundsatz der Abwicklung indessen nicht zu erschüttern. Das Gesetz enthält Einschränkungen der Nichtigkeitsfolgen von Gründungsmängeln nur im Rahmen der §§ 275 AktG, 75 GmbHG, 94 GenG, was beinhaltet, dass die LfG die Beachtlichkeit der Normativbedingungen ansonsten nur in dem Maße zurücktreten lässt, wie es die soziale Wirklichkeit erfordert. Darüber hinaus reicht sie nicht, insbesondere heilt sie den Mangel nicht, und ebenso wie sie für die Anerkennung der Gesellschaft nicht nach der Undurchführbarkeit der Rückabwicklung im Einzelfall fragt, gelangt sie in gleichsam typisierender Weise zu der Möglichkeit der Beendigung der Gesellschaft. Die Gegenansicht würde das Schutzinstrumentarium der Rechtsgeschäftslehre weitgehend preisgeben und sich damit einer Sichtweise annähern, die der faktischen Gesellschaft stark ähnelt.137 Dass dies nicht hinnehmbar ist, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass es bei der LfG um Fehler geht, die trotz Umkehrung der in § 139 BGB formulierten Auslegungsregel beachtlich sind.138 Ihrer Geltung bedarf es überhaupt nur, wo die Mängel der Gründung ihrer Art oder Schwere eine geltungserhaltende Anwendung des § 139 BGB verbieten. Darin liegt methodisch eine Vorwegnahme der ansonsten bei der Frage des wichtigen Grundes vorzunehmenden Interessenabwägung, die bei der Frage der Abwicklung nicht gegenteilig beurteilt werden kann.
E. Zusammenfassung 1. Voraussetzung der Anerkennung der Gesellschaft ist das Vorliegen eines tatbestandlichen, wenn auch fehlerhaften Gründungsakts. Ein „faktisches“ soziales Gebilde genügt nicht. Wirksamkeitsdefizite des rechtsgeschäftlichen Gründungsakts führen nur dann zu einer vernichtbaren fehlerhaften Gesellschaft, wenn sich hieraus die Gesamtnichtigkeit des Vertrages ergibt. Bestand136 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1 (1977), § 2 III. Von dieser nach allgemeinen Maßstäben ausgehenden Prüfung des Einzelfalls wird teilweise einschränkend formuliert, der Auflösungsgrund müsse ein gegenwärtiger sein. Jedenfalls bei Mängeln, die sich im Entstehungstatbestand erschöpfen oder durch Vertragsänderung heilbar seien, könne nicht generell von der Fehlerhaftigkeit auf ein Auflösungsrecht geschlossen werden (So K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 6 III 2; ders., ZIP 1998, 181, 187; vgl. auch Wiedemann, WM 1990, Beil. 8, S. 28). 137 So auch Kübler, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl., § 25 III 2, Fn. 15. 138 S. o. § 2 A. II.; zur Bedeutung des § 139 BGB im Zusammenhang mit der LfG Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 124 ff.
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serhaltend wirkt insoweit, dass die in § 139 BGB enthaltene Auslegungsregel in ihr Gegenteil verkehrt wird, d. h. von der Regelvermutung der Wirksamkeit auszugehen ist. 2. Die Wirksamkeit der fehlerhaften Gesellschaft erfordert einen Vollzug des Gesellschaftsverhältnisses. Er liegt nach übereinstimmender Anschauung vor, wenn die Gesellschaft im Außenverhältnis tätig geworden ist. Einer quantitativen Bewertung bedarf es nicht. Bei Handlungen im Innenverhältnis ist nach Lage der Umstände im Einzelfall aufgrund einer Bewertung der Rückabwicklungsmöglichkeit zu entscheiden und diese dementsprechend den §§ 812 ff., 985 ff. BGB oder aber den gesellschaftsrechtlichen Liquidationsnormen zu unterstellen. Neben der tatsächlichen Ingangsetzung kann dem fehlerhaften Verband auch aufgrund des in der Handelsregistereintragung liegenden staatlichen Hoheitsakts zur Entstehung verholfen werden. Die Registrierung ist für die juristische Person stets erforderlich, aber auch ausreichend. Ohne sie vorgenommene Vollzugshandlungen begründen lediglich eine Vorgesellschaft. Auch die fehlerhafte Personenhandelsgesellschaft kann alternativ zum tatsächlichen Vollzug allein durch die Registrierung zur Entstehung gelangen werden. 3. Höherrangige Interessen, welche der Anerkennung der Gesellschaft als wirksam entgegenstehen können, sind de facto nur bei Beeinträchtigung öffentlicher Belange anerkannt. Selbst die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung hindert die vorrübergehende Wirksamkeit des Verbandes nicht. Unterlaufen wird das Prinzip allerdings bei der stillen Gesellschaft. 4. Die Anerkennung der LfG begründet keine Pflicht zur Anpassung und Beseitigung des Mangels. Die Gesellschafter können die Auflösung der Gesellschaft betreiben bzw. ihre Mitgliedschaft kündigen, ohne dass es einer weiteren Rechtfertigung i. S. d. Unzumutbarkeits-Tests bedarf. Die Geltendmachung erfolgt, so nicht abweichende Regelungen vereinbart werden, durch die Erhebung einer Gestaltungsklage gerichtet auf Kündigung oder Ausschluss.
§ 18 Die Übertragung der Lehre der fehlerhaften Gesellschaft auf Strukturmaßnahmen Sowohl in der Rechtsprechung wie im Schrifttum hat der Gedanke der Übertragung der LfG auf Strukturveränderungen große Sympathie erfahren.139 Erfasst sein sollen neben den Fällen mangelhafter Satzungsänderung namentlich 139 BGHZ 103, 1. 4 f.; 105, 168, 182; 324, 331; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 99 ff.; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, (2002), S. 298; K. Schmidt, ZGR 1991, 373 ff.; Zöllner, AG 1993, 68, 72; krit. aber im Ergebnis ebenso Hommelhoff, ZHR 158 (1994), 11, 12 ff.
§ 18 Übertragung der Lehre auf Strukturmaßnahmen
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unwirksame Unternehmensverträge,140 Kapitalmaßnahmen,141 die Eingliederung,142 die Auflösung143 und wohl auch der Ausschluss von Aktionären.144 Paradigmatisch für diese Entwicklung ist die höchstrichterliche Rechtsprechung zum fehlerhaften Unternehmensvertrag im GmbH-Konzern. So stellte der II. Zivilsenat des BGH in seiner unter der Bezeichnung „Familienheim-Urteil“ bekannt gewordenen Entscheidung fest, dass ein durchgeführter Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit einer GmbH, obwohl nichtig, nach den Grundsätzen der LfG als wirksam zu behandeln sei, solange er nicht wegen des fehlerhaften Abschlusses oder aus sonstigen Gründen beendet werde.145 Der Unternehmensvertrag i. S. d. § 291 AktG sei kein schuldrechtlicher Vertrag, sondern verändere satzungsgleich den rechtlichen Status der Gesellschaft, indem er insbesondere den Gesellschaftszweck am Konzerninteresse ausrichte und in das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter eingreife. Die jederzeitige Beendigung sei zwar möglich, die auf den Abschlusszeitpunkt bezogene Rückabwicklung aber wegen der, in ihren nachteiligen Wirkungen rechnerisch nicht fassbaren, vielfach auch nicht erkennbaren und deshalb im Einzelnen auch nicht auszugleichenden Einwirkungsmöglichkeiten des herrschende Unternehmens auf das Vermögen der abhängigen Gesellschaft ausgeschlossen. Verlustübernahme und Sicherheitsleistung (analog §§ 302, 303 AktG) stellten den einzig sicheren Weg dar, um Gesellschafter und Gläubiger gegen eine Aushöhlung der bilanzmäßigen Substanz zu schützen. Entsprechend entschied der Senat in BGHZ 105, 168, 162 und 116, 37, 39 für Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, die zwar nicht ins Handelsregister eingetragen und wegen dieser – seinerzeit erstmalig – von der Rechtsprechung 140 Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 168; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., S. 156 f.; Rehbinder, in FS Fleck (1988), S. 253, 261 ff.; Ulmer, BB 1989, 10, 15; zuvor schon Geßler, in Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, AktG, § 293 Rn. 59; Timm, BB 1981, 1491; so auch Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 455 ff., anders aber für den (isolierten) Gewinnabführungsvertrag, vgl. a. a. O. S. 463 ff. Grundsätzlich krit. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 291 Rn. 21. 141 Grundlegend (zur Kapitalerhöhung) Zöllner, AG 1993, 68 ff.; ders./Winter, ZHR 158 (1994), 59 ff.; Winter, in FS Ulmer (2003), S. 699, 702 ff.; vgl. ferner Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 200 ff. u. 240 ff.; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 422 ff. u. 444 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., S. 156; Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 52 ff. 142 Habersack, in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl., § 319 Rn. 7; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 188 ff.; Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 43 f.; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 466 ff.; a. A. aber noch Köhler, ZGR 1985, 307, 321. 143 Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 123 ff.; a. A. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., S. 158. 144 Vgl. Grunewald, in MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 327e Rn. 6: „Es gelten die Regeln für fehlerhafte Organisationsakte“. 145 BGHZ 103, 1, 4; vgl. ferner BGHZ 105, 168 (HSW); 116, 37 (Stromlieferung); BGH NJW 2002, 822; weitere Nw. zur instanzgerichtlichen Rechtsprechung bei Emmerich, in Emmrich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 2. Aufl., § 291 Rn. 29.
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für den GmbH-Konzern geforderten Voraussetzung146 unwirksam waren, sofern die betreffenden Verträge durch jahrelange Verlustausgleichszahlungen des herrschenden Unternehmens vollzogen worden waren. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung die LfG außerhalb der Gründung insbesondere für den fehlerhaften Beitritt und die fehlerhafte Anteilsübertragung147 sowie das fehlerhafte Ausscheiden148 anerkannt. Durch die Nichtanerkennung der fehlerhaften Mitgliedschaft in der bestehenden Gesellschaft drohten die gleichen Schwierigkeiten wie bei der fehlerhaften Gründung, nämlich die Beeinträchtigung der Interessen Dritter durch Schmälerung des Gesellschaftsvermögens und den Wegfall der persönlichen Haftung sowie die Unwirksamkeit der Ausübung von Verwaltungs- und Vermögensrechten und darauf beruhender Akte im Innenverhältnis. Diese – wie schon die Anerkennung des fehlerhaften Verbandes als solche – augenscheinlich von pragmatischen Überlegungen getragene und in ständiger Rechtsprechung geübte Praxis fügt sich indessen weniger leicht in die Struktur der LfG ein, als es zunächst den Anschein hat. Tatsächlich hat sich die Rechtsprechung hiermit auch lange Zeit nicht so leicht getan, wie es die Entscheidungen zu den fehlerhaften Unternehmensverträgen nahelegen.149 Und auch im Schrifttum wird die Anwendbarkeit der LfG auf Änderungen der Verbandsgrundlage nach wie vor teilweise im Grundsätzlichen,150 teilweise jedenfalls für bestimmte Maßnahmen, wie etwa den (isolierten) Gewinnabführungsvertrag, bezweifelt.151 Weitgehend ungeklärt ist insbesondere das Verhältnis der LfG zum Recht der Beschlusskontrolle. Auch die grundlegenden Untersuchungen des Bestandsschutzes in jüngerer Zeit begnügen sich hier mit Feststellungen, wie etwa der, dass die Möglichkeit zur Anfechtung kein Hindernis für deren Geltung sei152 oder sehen von einer Prüfung 146
BGHZ 105, 324 (Supermarkt). BGHZ 26, 330, 335; 44, 235; 63, 338, 344; BGH NJW 1973, 1604; 1977, 1820, 1821; 1988, 1321, 1322; 1992, 1501; BGH DStR 1995, 1316, vgl. ferner bereits ROHGE 20, 270, 282, fortgeführt von RGZ 2, 130, 131; 19, 124, 126. Die Anwendung auf die fehlerhafte Anteilsübertragung stellt allerdings die Rechtsprechung zu § 16 GmbHG in Frage, welche die LfG für unanwendbar hält (vgl. BGH NJW 1990, 1915). Demzufolge werden entsprechende Zweifel auch im Schrifttum geäußert, z. B. von Emmerich, in Heymann, HGB, § 105 Rn. 106; zurückhaltend auch Wiedemann, WM 1990, Beil. 8, S. 29 f.; Grunewald, ZGR 1991, 452, 466; dafür weiterhin Wiesner, Fehlerhafte Gesellschaft (1979/80), S. 155. 148 BGH NJW 1969, 1483; 1992, 1503; WM 1975, 512, 514. 149 Vgl. noch BGHZ 62, 20, 26 f., wonach die für die LfG grundlegenden Erkenntnisse keineswegs auf jede Vertragsänderung passten, sondern nur auf „Statusänderungen“. 150 Köhler, ZGR 1985, 308, 311 ff.; Wiedemann, WM 1990, Beil. 8, S. 28. 151 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 463 ff.; in ähnlicher Weise lehnt K. Schmidt, AcP 186 (1986), 421, 438 die Anwendung der LfG auf die Anteilsübertragung ab, weil hierin kein verbandskonstituierender Akt, sondern eine bloße Verfügung über die Mitgliedschaft liege. Nach der Schwere des Mangels differenzierend Emmerich, in Emmrich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl., § 291 Rn. 31; ähnlich auch Hommelhoff, ZHR 155 (1994), 11 ff. 152 Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 167 f. so wohl auch Zöllner, AG 1993, 68 ff. 147
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der Frage ab.153 Andere halten die LfG im Falle der Beschlussmängelklage dagegen grundsätzlich für unanwendbar.154 Aus vorliegender Sicht ist damit der Untersuchungsauftrag wie folgt umschrieben: Wie bei § 20 II UmwG ist zunächst nach der Übertragbarkeit der LfG auf die unbeanstandet durchgeführte Organisationsänderung zu fragen. Im zweiten Schritt bedarf es der Überlegung, ob ein Bestandserhalt nach dieser Lehre auch für den Fall der gegen sie erhobenen Beschlussmängelklage begründet werden kann.
A. Einvernehmlich durchgeführte Strukturmaßnahmen Bildet den gedanklichen Ausgangspunkt die einvernehmlich in die Wege geleitete Strukturveränderung, so meint „einvernehmlich“ nicht deren einstimmigen Beschluss, sondern lediglich, dass vor der Durchführung keine Geltendmachung ihrer Unwirksamkeit erfolgt, also keine Anfechtungsklage erhoben worden ist. I. Grundlagen 1. Systematische Begründungsansätze für die Anwendung der Fehlerlehre Gegenüber stehen sich in der Frage der Übertragbarkeit der LfG auf mangelhafte Organisationsakte für diese Situation im Wesentlichen zwei nicht unbedingt als gegensätzlich zu bezeichnende Ansätze: a) Fortschreibung zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz Nach Kort handelt es sich um ein allgemeines Rechtsprinzip, dem sich für das Kapitalgesellschaftsrecht eine „nach Art der Strukturveränderung gestufte, allgemein aber sehr weitreichende Bestandskraft der eingetragenen Strukturveränderung“ entnehmen lässt.155 Die Fortschreibung der LfG zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz beruht hierbei weniger auf dem Willenselement, sondern den zur Gründung parallelen Wirkungen der Handelsregistereintragung. Sie sei für die Strukturänderung gleichermaßen wie für die Verbandsentstehung konstitutiv. Dem mitgliedschaftlichen Recht, Fehler der Strukturänderung geltend zu machen, stünde, wie bei der eingetragenen Gesellschaft als solcher, ein durch die Eintragung geschaffener Zustand gegenüber der durch die folgenden Merkmale gekennzeichnet sei;
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So erstaunlicherweise auch die ansonsten äußerst konzise Arbeit von Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002). 154 Vgl. etwa Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 291 Rn. 21; Köhler, ZGR 1985, 307, 311 ff.; LauberNöll, Die Rechtsfolgen fehlerhafter Unternehmensverträge (1993), S. 72 ff.; ferner wohl auch Wiedemann, WM 1990, Beil. 8, S. 28. 155 Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 96.
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– Vorliegen eines Organisationsakts, der auf einer Willensbetätigung der Gesellschafter der beteiligten Gesellschaften beruht. – Durchführung einer registergerichtlichen Prüfung, die sich auf die formellen und materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Strukturänderung erstreckt. – Erfordernis einer konstitutiv wirkenden Handelsregistereintragung. Aufgrund dieser Parallelen erlaube sich zwar keine Gesetzesanalogie zu den §§ 275 AktG, 75 GmbHG, 94 GenG, wohl aber seien den gesetzlichen Bestimmungen im Wege der Induktion allgemeine, für Strukturänderungen erhebliche Rechtsgrundsätze zu entnehmen.156 Hinsichtlich der zuerst genannten Voraussetzung stelle sich die Situation ähnlich dar, wie bei der Gründung. Ist es dort die Einbettung des Gesellschaftsvertrags in die Rechtsgeschäftslehre, welche das Vorliegen einer Lücke zweifelhaft macht, so ist es für Strukturänderungsbeschlüsse deren Einbeziehung in das Recht der fehlerhaften Beschlüsse (§§ 241 ff. AktG). Daraus folge aber nicht, dass dieses umfassend und abschließend geregelt sei. Vielmehr bestehe zwischen einfachen Gesellschafterbeschlüssen, Satzungsänderungsbeschlüssen und Strukturänderungen jeweils ein qualitativer Sprung, der einen solchen Schluss verbiete. Einer Fortschreibung der LfG stünden auch keine entgegengesetzten Rechtsprinzipien entgegen, da sich dem Gesetz kein Grundsatz der rückwirkenden Vernichtbarkeit von Strukturveränderungen, sondern umgekehrt Normen entnehmen ließen, welche deren Bestandserhalt dienten. Dazu gehörten vor allem die für die Verschmelzung geltenden Regelungen der §§ 16 III 9, 2. Hs., 20 II UmwG, welche das Gesetz auf alle anderen Umwandlungsarten übertrage (§§ 125, 176 I, 177, 198 III UmwG) und hierdurch deutlich mache, dass es sich bei den Schwierigkeiten der Rückabwicklung nur um einen, aber nicht den allen maßgeblichen Gesichtspunkt der Bestandskraftfrage handele.157 b) Ableitung aus dem fehlerhaftem Beitritt und Übertragung in das Umwandlungsrecht Nach Ansicht Schäfers stellen systematisch der fehlerhafte Beitritt und sein Komplementärakt, das Ausscheiden aus der Gesellschaft, den Ausgangspunkt für den Übergang von der fehlerhaften Gründung zur fehlerhaften Vertragsänderung dar.158 Dieser Ansatz verweist auf die dogmengeschichtliche Parallele zur Gründung159 sowie darauf, dass die Anerkennung der fehlerhaften 156 Diese erfordert zum einen das Bestehen einer Regelungslücke, zum anderen das Fehlen gegenläufiger Rechtssätze, vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 204 ff., 385; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 96. 157 Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 98. 158 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 302 ff., 337 ff., 353 ff.; ähnlich bereits Zöllner, AG 1993, 68, 73 zur Vergleichbarkeit von Beitritt und Kapitalerhöhung. 159 Vgl. bereits RGZ 85, 311, 315; BGH WM 1976, 475; zum Ausscheiden BGH NJW 1969, 1483; 1988, 1324; 1992, 1503.
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Mitgliedschaft nicht davon abhängen könne, ob sich ein Gesellschafter schon an der Verbandserrichtung beteilige oder erst zu einem späteren Zeitpunkt beitrete. Ausschlaggebend hierfür seien insbesondere die mit dem Beitritt verbundene Änderung der Kapitalstruktur bzw. der Beteiligungsquote. Sie rufe Rückabwicklungsschwierigkeiten hervor, welche im Außen- wie im Innenverhältnis mit denen der fehlerhaften Gründung vergleichbar seien. Eine nur auf die Gründung bezogene Fehlerlehre würde die mit ihr verfolgten Ziele daher nicht erreichen. Eine entsprechende Wertung gelte namentlich im Umwandlungsrecht.160 So seien sowohl die Verschmelzung wie die Spaltung durch Neugründung der Gründung vergleichbare Strukturmaßnahmen, bei denen sich die Entstehung des neuen Rechtsträgers nach den allgemeinen, für den jeweiligen Verband geltenden Gründungsvorschriften richten (vgl. § 36 II UmwG). Bei der Verschmelzung und der Spaltung durch Aufnahme scheide eine direkte Parallele zur Neugründung zwar aus. Beide Maßnahmen sollen aber dem Beitritt vergleichbar sein, weswegen die Anwendung der LfG aus den dazu genannten Gründen zu befürworten sei. Dementsprechend seien die §§ 20 II, 131 II UmwG als gesetzlicher Ausdruck dieser Lehre anzusehen.161 Abgelehnt wird die LfG hingegen für die Anteilsübertragung, und zwar zum einen, weil diese nicht unmittelbar die Beteiligungsquote verändert und zum anderen weil ihr Verbandskonstituierender Akt, sondern eine Verfügung über die Mitgliedschaft zugrunde liege.162 Nicht anwendbar soll die LfG ferner für die Übertragung des Vermögens der Gesellschaft sein, und zwar gleichgültig, ob diese im Wege der Einzel- oder der Gesamtrechtsnachfolge (vgl. §§ 174 ff. UmwG) geschehe. Auch hierfür fehle es an Auswirkungen auf die Verbandstruktur, und zudem sei sie der Rückabwicklung zugänglich. Daraus folge zugleich, dass auch andere Ausgliederungen außerhalb des Umwandlungsgesetzes nicht nach der LfG bestandsgeschützt würden, was selbst dann gelte, wenn sie im Hinblick auf die Holzmüller-Rechtsprechung der Hauptversammlungskompetenz unterstellt und insoweit als Satzungsänderungoder Strukturveränderung einzuordnen sei. 2. Gegenposition Kritisiert wird das mit der Einschätzung, die LfG habe für Strukturänderungen alleine assoziativen Charakter.163 Mangels Vergleichbarkeit der Sach- und 160
Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 337 ff. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 347. Schwierigkeiten bereite diese Wertung zudem für den Formwechsel, da wegen des Identitätsprinzips kein neuer Rechtsträger entstehe. Gleichwohl habe der Gesetzgeber durch die Anordnung der Anwendung des Gründungsrechts (§ 197 S. 1 UmwG) zum Ausdruck gebracht, dass auch hier entsprechende Parallelen bestünden und entsprechende Vorkehrungen zum Schutze des Rechtsverkehrs und des Bestandserhalts im Innenverhältnis zu treffen seien. 162 K. Schmidt, AcP 186 (1986), 421. 163 Vgl. Köhler, ZGR 1985, 307, 313; zust. Koppensteiner, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 293 Rn. 52. 161
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Interessenlage gehe eine Übertragung hierauf aber fehl. So bestehe der eigentliche Sachgrund, eine fehlerhafte aber in Vollzug gesetzte Gesellschaft als wirksam zu behandeln, in der einvernehmlichen Schaffung eines Gesamthandvermögens. Der Abschluss eines Unternehmensvertrages ziele hierauf genauso wenig ab, wie die Gründung einer stillen Gesellschaft. Auch aus § 296 I S. 2 AktG, der die rückwirkende Aufhebung eines Unternehmensvertrages verbietet, lasse sich nichts für die Einschränkung der Unwirksamkeit herleiten, da das Interesse an einer einvernehmlichen Rückabwicklung aufgrund fehlgeschlagener Erwartungen nicht gleichbedeutend sei mit dem Interesse an der Geltendmachung eines Nichtigkeits- und Anfechtungsgrundes.164 Für die Eingliederung komme hinzu, dass § 327 I AktG die zu einer Beendigung ex nunc führenden Tatbestände in abschließender Form aufzähle.165 Sofern der Gesetzgeber eine Beschränkung der Unwirksamkeitsfolgen bei Organisationsmaßnahmen gewollt habe, hätte er eine den §§ 275 ff. AktG entsprechende Regelungen hierfür treffen können. Hinter dem organisationsrechtlichen Argument stehe der Sache nach ohnehin nur der Gedanke der Verkehrssicherheit. Diese habe aber keinen absoluten Vorrang vor den durch die Unwirksamkeitstatbestände geschützten Rechtswerten. Außerdem sei fraglich, ob dem Interesse an Rechtssicherheit nicht durch andere Vorschriften, namentlich zur Handelsregisterpublizität Rechnung getragen werde.166 3. Bewertung a) Fehlende Bildung von Gesamthandsvermögen Die genannte Kritik liegt auf derselben Linie, wie sie von den Vertretern der Rechtsscheintheorie gegen die LfG als solche vorgebracht wird.167 Ebenso wie dort bei der Gründung erweist sie sich als wenig stichhaltig. Zwar kann man an der Bedeutung der Schaffung eines gesamthänderisch gebundenen Vermögens für die Geltung der LfG nicht achtlos vorbeigehen. Indessen gilt hier das zum Verhältnis von LfG und stiller Gesellschaft Gesagte, dessen Richtigkeit sich bei dieser Gelegenheit nochmals bestätigt: Entscheidend für die Geltung der Fehlerlehre ist nicht die Schaffung eines gesamthänderischen Verbandsver164
Vgl. Köhler, ZGR 1985, 307, 310 f. Vgl. Köhler, ZGR 1985, 307, 321. 166 Vgl. Köhler, ZGR 1985, 307, 311 f. Die durch die LfG erreichten Ergebnisse werden für Unternehmensverträge insbesondere deshalb kritisiert, weil diese hinsichtlich der Rechtsfolge der regelmäßigen Abwicklung ex nunc keinen Schutz der abhängigen Gesellschaft vor einer Aushöhlung ihrer Vermögenssubstanz böten, was sich beispielhaft daran zeige, dass dem herrschenden Unternehmen ein auf seine Weisung hin zum Bilanzwert übertragenes wertvolles Betriebsgrundstück weiterhin erhalten bleibe und die von der abhängigen Gesellschaft erlittene Vermögenseinbuße daher fortbestehe. 167 Canaris, Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht (1971), S. 121 ff., 167 ff., 447 ff.; Möschel, in FS Hefermehl (1976), S. 171, 176 ff.; Müller-Graff, JuS 1979, 24, 28 f.; Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung (1972), S. 278; soeben § 17 A. I. 4. 165
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mögens, sondern das aus dem Gesellschaftsvertrag entstehende, verbandsrechtlich zu qualifizierende Rechtsverhältnis und die daraus resultierende Komplexität der Leistungsbeziehungen der Beteiligten untereinander wie im Verhältnis zur Gesellschaft. Anderenfalls wäre ein Bestandsschutz in anderen Rechtsbeziehungen, namentlich dem fehlerhaften Arbeitsverhältnis kaum zu begründen. Dementsprechend lässt sich ein Regelungsbedürfnis für ein bestandserhaltende Rechtsinstrument entgegen Köhler nicht bereits durch den Hinweis, dass die fehlerhafte Strukturveränderung nicht dieselben Zuordnungsschwierigkeiten mit sich brächte, wie sie bei der Gründung bestünden verneinen. Zwar ist hier, anders als bei der Gründung, nicht die Existenz des Rechtsträgers und mithin auch nicht die dingliche Zuordnung zweifelhaft, allerdings entsteht eine vergleichbare Situation daraus, dass bei einer Nichtanerkennung der mit der Organisationsänderung in vielen Fällen verbundenen Gesamtrechtsnachfolge zu einer Fehlzuordnung käme und hiermit mindestens dieselben Schwierigkeiten verbunden sind, wie sie bei einer Leugnung des Gesamthandsvermögens entstünden. b) Fehlende Rechtsträgerschaft Schwierigkeiten bereitet die Parallele zwischen Strukturveränderung und Gründung, weil die erstere mit Ausnahme der spezialgesetzlich geregelten Fälle des Umwandlungsrechts (insbesondere der Verschmelzung durch Neugründung) keine Verbandsentstehung zur Folge hat. Maßnahmen der Konzernorganisation sind der Gründung insoweit kaum vergleichbar und deshalb auch nicht geeignet, ein entsprechendes Bestandsinteresse rechtfertigen. Die fehlende Grundlage für eine Parallele beruht zum einen auf der zutreffenden Feststellung, dass es sich bei dem Vertragskonzern nicht um eine der Gesellschaft vergleichbare, organisatorisch verfestigte und durchgeführte Handlungseinheit handelt. Zwar hat Rehbinder ein dahingehendes Verständnis des Konzerns mit der Begründung vorgeschlagen, die laufende Zusammenarbeit und Interessengemeinschaft zwischen Ober- und Untergemeinschaft sei mit der durch eine Gesellschaft konstituierten Interessengemeinschaft zwischen Gesellschaftern vergleichbar.168 Die herrschende Meinung lehnt ein solches Verständnis jedoch zu Recht ab. Denn das Bild der BGBGesellschaft als Konzerngrundlage greift schon deshalb nicht, weil die Beteiligten Unternehmen nicht als gleichberechtigte Mitglieder einen gemeinsamen Zweck i. S. d. § 705 BGB verfolgen.169 Vielmehr ist es gerade ein wesent168 Vgl. Rehbinder, in FS Fleck (1988), 253, 262 f.; vgl. auch jüngst wieder Wiedemann, GmbHR 2011, 1009 ff. 169 So Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 161 f.; Lauber-Nöll, Die Rechtsfolgen fehlerhafter Unternehmensverträge (1992), S. 51 ff.; so wohl auch Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 376 und auch Lutter, ZGR 1987, 324, 329, die er für den Konzern das Bild vom „polykorporativen Verband“ verwendet, meinte damit keineswegs eine rechtsfähige Einheit; zust. hingegen Ulmer, BB 1989, 10, 15.
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liches Anliegen des Gesetzes, die Störung des Interessengleichlaufs im Konzern zu regeln. c) Rückabwicklungsschwierigkeiten als Anlass für die Ausnahme vom Grundprinzip der ex tunc-Nichtigkeit Die von Schäfer gezogenen Parallele zur Gründung lässt sich allerdings auch außerhalb der Verbandsbildung damit rechtfertigen, dass sowohl die Strukturänderung der einzelnen Gesellschaft wie die Konzernbildung als Vorgänge der sozialen Wirklichkeit bei einer Nichtigkeit ex tunc den gleichen Rückabwicklungsschwierigkeiten gegenüberstünden wie diese und hier nicht auf anderem Wege, auch nicht durch die Handelsregisterpublizität Abhilfe geschaffen werden kann.170 Das sei hier nicht schlicht behauptet, sondern für die maßgeblichen Beschlussgegenstände im Einzelnen nachvollzogen: aa) Unternehmensverträge und Eingliederung (§§ 291 ff., 319 ff. AktG) Für Unternehmensverträge ergeben sich Abwicklungsstörungen aus dem Umstand, dass die Leitungsmacht umfassend auf das herrschende Unternehmen übertragen wird. Hiermit verknüpft das Gesetz die unwiderlegliche Vermutung, das herrschende Unternehmen werde von dieser Rechtsmacht tatsächlich Gebrauch machen, weswegen es mit der Verlustausgleichspflicht das volle Unternehmensrisiko auf dieses übergehen lässt. Der Verzicht auf den Einzelausgleich beruht hierbei auf dem Charakter der Leitungsmacht und dem hiermit einhergehenden, Fehlen der Isolierbarkeit der Wirkungen der einzelnen Weisung. Mit dieser typisierenden Unterstellung verwahrt sich das Gesetz sowohl gegen die Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht als auch den Ausgleich nach den Regeln des faktischen Konzerns (§§ 311 ff. AktG). Auch die Pflicht zur Sicherheitsleistung lässt die mangelnde Rückabwickelbarkeit des Unternehmensvertrages erkennen. So beruht der Satz, wonach Verlustübernahme und Sicherheitsleistung „die einzig sicheren Wege (seien), um Gesellschafter und Gläubiger gegen eine Aushöhlung der bilanzmäßigen Substanz zu schützen“171 ebenfalls darauf, dass sich die Lebensfähigkeit der abhängigen Gesellschaft nicht rückwirkend wiederherstellen lässt.172 Ausgehend hiervon ist die Fehlerlehre a fortiori auch auf die fehlerhafte Eingliederung anzuwenden. Hierfür spricht, dass diese zu einer über den Beherrschungsvertrag hinausgehenden Konzernierung führt: Die Hauptgesellschaft ist ausnahmslos zur Erteilung von Weisungen berechtigt (§ 323 I 170 Vgl. Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 151; Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 39. 171 Vgl. BGHZ 105, 1, 5. 172 Vgl. zum vorstehenden auch Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 160; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 457 f.
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AktG), die Kapitalerhaltungsregeln treten zurück (§ 323 II AktG) und die Verlustübernahmepflicht entspricht der im Vertragskonzern (§ 324 III AktG). Auch mit der den §§ 128, 129 HGB nachgebildeten Haftung der Hauptgesellschaft gegenüber den Gläubigern der eingegliederten Gesellschaft aus § 322 AktG reichen die Rechtsfolgen der Eingliederung über die der vertraglichen Konzernierung hinaus.173 Überdies befasst sich die Vorschrift tatbestandlich auch nicht mit Wirksamkeitsdefiziten der Eingliederung, sondern anderen Beendigungsgründen. Für oder gegen eine Anwendung der LfG lässt sich aus dieser Vorschrift also nichts folgern. bb) Ausschluss von Minderheitsaktionären nach §§ 327a ff. AktG Der Ausschluss von Minderheitsaktionären ist strukturell mit der Gründung gar nicht und mit Maßnahmen der Konzernorganisation nur begrenzt vergleichbar. Allerdings sollen die durch die LfG vermittelte Bestandswirkungen wie bei der Mehrheitseingliederung (§ 320a AktG) insbesondere die rückwirkende Anteilsübertragung auf die in Wahrheit nicht wirksam ausgeschiedenen Aktionäre ausschließen.174 Das entspricht der Interessenlage beim fehlerhaften Squeeze Out und stimmt auch mit den allgemeinen Grundsätzen zum fehlerhaften Ausschluss als Gegenstück zum Grundtypus des fehlerhaften Beitritts überein. Anderenfalls wäre in der Konsequenz die gesamte Binnenorganisation über möglicherweise jahrelange Zeiträume als fehlerhaft anzusehen. Aus diesem Grund besteht trotz Fehlens einer gesetzlichen Regelung auch hier Grund für die Anwendung der LfG. cc) Kapitalmaßnahmen Bei Kapitalmaßnahmen soll nach Auffassung Schäfers die Parallele zu Beitritt und Ausscheiden besonders augenfällig sein.175 Daher sei anfängliche Unwirksamkeit auf der fehlerhaften ausgeübten Mitgliedschaft beruhenden Rechtsakte zu vermeiden und die daraus entstehenden Defizite nur ex nunc beachtlich. Allerdings leuchtet die gezogene Parallele unmittelbar nur ein, sofern die Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts steht und zur Aufnahme eines neuen Gesellschafters dient bzw. die Herabsetzung in Verbindung mit dem Ausscheiden eines vorhandenen Gesellschafters erfolgt. Wenn sie hingegen verhältniswahrend ist, bleiben die Auswirkungen auf die Binnenverfas173 Gegen Köhler kann aus § 327 AktG auch nicht gefolgert werden, dass die fehlerhafte Eingliederung ex tunc abzuwickeln sei. Richtiger Ansicht nach sind die darin enthaltenen, zur Abwicklung ex nunc führenden Fälle nicht abschließend geregelt, vgl. Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 188 f.; vgl. zum Fehlen eines abschließenden Charakters des § 327 auch Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 327 Rn. 2 u. 4. 174 Vgl. Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 189 f.; Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 43 f. 175 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 422 ff.
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sung aus.176 Überhaupt ist zweifelhaft, ob eine Veränderung der Anteilseignerstruktur des Bestandsschutzes bedarf. Das deckt sich mit dem Umstand, dass die Fehlerlehre nach der h. M. auch bei der Anteilsübertragung von Aktien und GmbH-Anteilen keine Anwendung findet.177 Zur Begründung heißt es zwar wie gesagt, mangels Veränderung der Beteiligungsquote und einer An- und Abwachsung handele es sich nicht um eine Strukturänderung, sondern um eine bloße Verfügung über die Mitgliedschaft.178 Die erforderliche Zustimmung der übrigen Gesellschafter habe keinen vertragsändernden Charakter. Diese Begründung mutet allerdings recht formalistisch an und gibt den Anlass für die Ablehnung der LfG nicht zutreffend wieder. Zunächst ist evident, dass auch der Mitgliederwechsel durch Anteilsveräußerung die Stellung des neu hinzugetretenen und der vorhandenen Gesellschafter berührt. Das gilt unabhängig davon, ob es aufgrund eines neu geschaffenen Kapitalanteils oder einer Anteilsübertragung stattfindet.179 Folgerichtig steht die Begrenzung der Nichtigkeitsfolgen für die Personengesellschaften auch nach wie vor außer Frage.180 Der Grund für die Abweichung bei der AG und der GmbH ist daher auch weniger in der formalen Kategorisierung des Vorgangs als Verfügung über die Mitgliedschaft als vielmehr darin zu sehen, dass das mit LfG verfolgte Ziel des Bestandserhalts im Innenverhältnis durch die §§ 16 I GmbHG, 67 II AktG erreicht wird. Danach gilt im Verhältnis zur Gesellschaft nur derjenige als Gesellschafter, dessen Erwerb unter Nachweis des Übergangs bei ihr angemeldet ist. Allein für das Rechtsverhältnis zwischen Anteilsveräußerer und Anteilserwerber bleibt es bei der Notwendigkeit zur Rückabwicklung der gescheiterten Übertragung ex tunc. Die gesetzliche Regelung macht damit die Geltung der LfG einerseits entbehrlich, andererseits bringt sie zum Ausdruck, dass die Binnenorganisation der Gesellschaft unbedingt von Fehlern des Mitgliederwechsels freizuhalten ist. Damit bestätigt sich, dass nicht nur der unwirksame Beitritt und das Ausscheiden, sondern auch die nichtige Anteilsübertragung entgegen den allgemeinen Grundsätzen nur ex nunc wirken. Für andere Formen der Änderung der Anteilseignerstruktur gilt entsprechendes. Dass es sich nicht um eine Strukturänderung im eigentlichen Sinne handelt, ist unschädlich.181 176 Bei der Übernahme der gesamten Erhöhung durch einen einzigen, der Gesellschaft bereits zugehörigen Gesellschafter lässt sich zwar kein Vergleich zum Beitritt ziehen (Zöllner, AG 1993, 68, 74), ein Bedürfnis für den Erhalt der durch die geschaffene Anteilseignerstruktur entstandenen Rechtsakte besteht aber in gleicher Weise. 177 Vgl. BGH NJW 1990, 1915, 1916; BGH NJW-RR 1995, 1182, 1183; Grunewald, ZGR 1991, 452, 460 ff.; Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 15 Rn. 28; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 312; anders zur Personengesellschaft, vgl. BGH NJW 1988, 1325. 178 Vgl. K. Schmidt, AcP 186 (1986), 421, 428. 179 Vgl. auch Zöllner, AG 1993, 68, 74. 180 Vgl. BGH NJW 1988, 1325. 181 Das Problem liegt hier weniger in der Anerkennung des entstandenen Bestandsschutzes, als in seiner Fortdauer.
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d) Zwischenergebnis Im Ergebnis kann die Übertragung der LfG auf verbandsrechtliche Organisationsänderungen damit nur teilweise mit der strukturellen Vergleichbarkeit zur Gründung gerechtfertigt werden. Übereinstimmungen bestehen zwar bei der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss sowie dem Ausschluss von Gesellschaftern. Allerdings beruhen die dabei gegen die anfängliche Nichtigkeit gerichteten Einwände weniger auf vermögensrechtlichen Zuordnungsproblemen als den Folgen für die Binnenorganisation des Verbandes. Eine Übereinstimmung zum Regelungsbedürfnis bei der Gründung besteht allerdings vollumfänglich in Hinblick auf den durch den Erhalt der Haftungsgrundlage zu gewährleistenden Verkehrsschutz. II. Rechtsgeschäftliche Legitimationsgrundlage 1. Tatbestandsvoraussetzungen einer Fortschreibung der Fehlerlehre als Problemschwerpunkt Rückabwicklungsschwierigkeiten bilden zwar den Anlass für eine Begrenzung der ex tunc-Nichtigkeitsfolge, besagen aber für sich allein wenig über deren Legitimation. Insoweit muss sich eine Fortschreibung der Fehlerlehre auf Strukturänderungen der Frage nach deren tatbestandlicher Konkretisierung zuwenden. Für die Gründung und den Beitritt war die Beschränkung der Nichtigkeitswirkungen auf den Zeitpunkt ihrer Geltendmachung mit dem Vorhandensein eines, wenngleich fehlerhaften, Gesellschaftsvertrages bzw. einer Beitrittserklärung und deren Vollzug gerechtfertigt worden. Hierbei hat namentlich die Lehre von der Doppelnatur der Gründung das Vertragsprinzip als Legitimationsgrundlage betont und gegenüber den bloß tatsächlichen Rückabwicklungsschwierigkeiten in den Vordergrund gerückt.182 Dagegen betonen die Vertreter des Bestandsschutzes von fehlerhaften Strukturveränderungen vor allem die Bedeutung der Handelsregistereintragung.183 Dem kann nur bedingt zugestimmt werden. Die Handelsregistereintragung vermag für wegen der ihr nur begrenzt zukommenden Richtigkeitsgewähr zwar ein, aber nicht das alleinige Element des Bestandsschutzes zu sein. Zudem gilt der Grundsatz der Einheit der Organisationsänderung.184 In Hinblick darauf muss geklärt werden, ob das Willenselement der Strukturänderungen als ausreichendes und insoweit mit dem Vertrag oder der Beitrittserklärung vergleichbares rechtsgeschäftliches Legitimationsmedium anzuerkennen ist, weil nur so die notwendige Distanz zum „faktischen Verband“ gewahrt werden kann.185 Sodann bedarf der Prüfung, welche Änderungen sich für das Voll182 183 184 185
S. o. § 17 A I. 2. So namentlich Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 94. Dazu soeben I 1.a). Zur Kritik dazu bereits § 17 I. 3.
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zugsmoment als Regelungsanlass zur Begrenzung der Nichtigkeitsfolge ergeben. Damit verbindet sich umgekehrt die Frage, ob es für den Vollzug wirklich stets der Handelsregistereintragung bedarf. Zweifel hinsichtlich des Ersteren ergeben sich aus dem gegenüber der Gründung beschränkten Umfang der registergerichtlichen Prüfung und der Vergleichbarkeit von Beschluss und Vertrag; hinsichtlich der an zweiter Stelle genannten Frage folgen sie aus der erwähnten Rechtsprechung des BGH zur Anwendung der LfG auf fehlerhafte nicht eingetragene Unternehmensverträge.186 2. Tatbestandliche Beschlussanforderungen Hinsichtlich der Eignung des fehlerhaften Beschlusses als rechtsgeschäftlicher Legitimationsgrundlage muss zunächst herausgearbeitet werden, welche Merkmale erfüllt sein müssen, damit tatbestandlich überhaupt von einer – wenn auch fehlerhaften – verbandskonstitutierenden Willensbildung gesprochen werden kann. Für die Verbandserrichtung wurde hierzu auf das Vorliegen von mindestens zwei aufeinander Bezug nehmender Gründungserklärungen abgestellt. Maßgeblich ist insoweit der nach allgemeinen Regeln zu bestimmende äußere Erklärungstatbestand. Weniger eindeutig ist dagegen, welche Mindestvoraussetzungen erfüllt sein müssen, um den Tatbestand eines Beschlusses zu begründen. Hier rächt sich dessen Vernachlässigung durch die Rechtsgeschäftslehre187 in besonderer Weise. a) Beschlusstatbestand und Wirksamkeitsvoraussetzung Nach einer jüngeren Definition besteht der Beschlusstatbestand allein aus dem auf einen bestimmten Gegenstand zielenden Antrag und der sich daran anschließenden Abstimmung, die entweder zu dessen Annahme oder Ablehnung führen muss. Das Abstimmungsverfahren ist beendet, wenn alle teilnehmenden Stimmen abgegeben wurden und die Stimmauswertung abgeschlossen ist.188 Insoweit soll es nur der Abgabe wenigstens einer – nicht notwendig wirksamen – Stimme bedürfen. Dagegen gehört nicht zum Tatbestand: das Erreichen der erforderlichen Mehrheit – sie bildet allein ein Wirksamkeitserfordernis im Hinblick auf den bestimmten Beschlussinhalt;189 und auch die Feststellung des Beschlussergebnisses soll außerhalb des Kapitalgesellschaftsrechts regelmäßig kein Tatbestandsmerkmal sein.190 An dieser Charakterisierung
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Dazu noch u. § 20 B. II. 1. Dazu K. Schmidt, AG 2009, 248 ff. 188 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 368 Fn. 13 u. S. 13 f. 189 Der ohne die erforderliche Mehrheit beschiedene Antrag führt nicht zu einem unwirksamen Beschluss, sondern zu einem wirksamen Ablehnungsbeschluss, vgl. Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S. 361 f. 190 Für die AG ist sie zwingend wegen § 130 II, bei der GmbH ergibt sie sich oftmals aus der Satzung oder der Festlegung im Einzelfall, vgl. Zöllner, in FS Lutter (2000), S. 821, 826 f. 187
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trifft zu, dass die Nichtigkeit der Einzelstimme und gesetzeswidrige Antragsinhalte am Vorliegen des Beschlusses als solchem nichts ändern. Denn der Beschluss wird in beiden Fällen tatbestandlich von der Lehre von den fehlerhaften Beschlüssen vorausgesetzt. Das ergibt sich aus dem Prinzip des Anfechtungserfordernisses und dem Katalog des § 241 Nr. 1-5 AktG, dem zu entnehmen ist, dass auch die Abstimmung über inhaltlich sittenwidrige oder inhaltlich verbotswidrige Anträge als Beschluss aufzufassen ist.191 Unbehagen bereitet das Gesagte allerdings wegen der damit nur geringen Anforderungen bei Sachverhalten, in denen keine (wirksame) Stimme abgegeben wurde.192 Der richtige Weg zur Lösung des Problems liegt gleichwohl nicht der Verneinung der Tatbestandsmäßigkeit des Beschlusses, sondern in der Beschränkung der Feststellungsmacht des Versammlungsleiters.193 Zusammenfassend liegt ein tatbestandsloser Beschluss nur dann vor, wenn es an einem den Beschlussgegenstand bildenden Antrag, der Stimmabgabe und der förmlichen Beschlussfeststellung/der Stimmenauswertung fehlt. Mängel des Verfahrens, die Verletzung von Stimmrechtsschranken und auch Inhaltsmängel begründen allein die Fehlerhaftigkeit der Willensbildung, stellen ihre Eignung als Legitimationsgrundlage i. S. d. LfG hingegen nicht in Frage. b) Der Grundsatz des rechtsgeschäftlichen Gesamttatbestands aa) Eingliedrige und mehrgliedrige Tatbestände Es gibt Strukturveränderungen, bei denen die rechtsgeschäftliche Grundlage sich auf den Beschluss der Gesellschafter beschränkt und solche, bei denen sie 191 Für diejenigen Verbände, auf welche die §§ 241 ff. AktG keine Anwendung finden, gilt nichts anderes, da es sich insoweit um eine rechtsformunabhängige nur auf der Beschlussnatur als solcher beruhende Folgerung handelt. 192 Es beruht vor allem darauf, dass ein solcher „Beschluss“ jeglicher (wirksamer) rechtsgeschäftlichen Handlung entbehrt und die bestandserhaltenden Wirkungen des Rechts der fehlerhaften Beschlüsse, insbesondere die Geltung der Anfechtungsfrist des § 246 I deswegen unangemessen erscheinen könnte. Eine derartige Situation ergibt sich namentlich beim Ruhen der Stimmrechte (vgl. §§ 20 VII, 28 WpHG, 59 WpÜG) sowie in der Einpersonengesellschaft; vgl. dazu BGH WM 2006, 2006, 1151; OLG Dresden ZIP 2005, 573; LG Berlin ZIP 2004, 73; BayObLG ZIP 2001, 70; näher Nietsch, WM 2007, 917 ff. 193 Der festgestellte Beschluss ist also nicht stets und aufgrund der äußeren Feststellung als solcher lediglich anfechtbar (vgl. aber BGHZ 104, 66, 69), vielmehr setzt dies die Wirksamkeit der Feststellung voraus. Zu den Anforderungen hieran Nietsch, WM 2007, 917, 921 f. Diskutiert werden „Schein- und Nichtbeschlüsse“ ferner bei mangelnder Bestimmtheit und Perplexität, doch ist hier mit Recht nicht an der Tatbestandsmäßigkeit, sondern an der Wirksamkeit zu zweifeln, weil die Nichtanerkennung letztlich darauf beruht, dass dem Beschlossenen trotz Auslegung kein sinnvoller oder kein eindeutiger Inhalt zugewiesen werden kann, vgl. Emde, ZIP 2000, 59 ff.; ebenfalls kein tatbestandliches Problem bildet die fehlende Zustimmung Dritter oder – wo erforderlich – einzelner Gesellschafter (vgl. §§ 35 BGB, 180 AktG, 193 II UmwG), bei der es sich stets um Unwirksamkeitsgründe handelt. Ganz h. M., vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 241 Rn. 6; Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S. 415 f.
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sich auf verschiedene Geschäfte verteilt.194 Bei den Letzteren bedarf es zum einen stets eines zwischen den beteiligten Rechtsträgern zu schließenden Organisationsvertrags (Verschmelzungs- (§§ 4 ff. UmwG), Spaltungs- (§ 126 UmwG) oder Unternehmensvertrags (§§ 291 ff. AktG)) bzw. der Zeichnungsoder Bezugserklärung (§§ 185, 198 AktG). Zum anderen müssen hierauf bezogene oder zuvor gefasste Beschlüsse der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlungen der beteiligten Rechtsträger vorliegen (§§ 182, 293 AktG, 13, 125, 176 UmwG). Eine Sonderstellung bildet mit ihrem dreiaktigen Ablauf die Kapitalerhöhung aus genehmigten Kapital, bei der auf die Ermächtigung durch die Hauptversammlung (§ 202 AktG), der Ausübungsbeschluss des Vorstands, welcher der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf (§ 204 I AktG) und die Zeichnung (§ 185 AktG) folgt. Für diese zwei- oder mehrstufigen Maßnahmen ergibt sich die Frage, ob der rechtsgeschäftliche Tatbestand der Strukturänderung bereits mit dem auf der Ebene der beteiligten Rechtsträger geschlossenen Vertrag verwirklicht ist oder ob es hierzu notwendigerweise auch des – wenngleich fehlerhaften Zustimmungsbeschlusses – bedarf. Sie besitzt praktische Relevanz, wenn die Notwendigkeit eines Zustimmungsbeschlusses übersehen bzw. davon ausgegangen wird, diese sei durch wirksame Beschlussermächtigung übertragen worden. Und sie stellt sich neben den genannten Strukturmaßnahmen insbesondere für Beitrittsverträge zur Publikumsgesellschaft, weil hier der Vertragsschluss aufgrund einer Ermächtigung üblicherweise den Leitungsorgane übertragen bzw. von vornherein vorgesehen ist, dass die Beitrittsverträge nicht mit den vorhandenen Gesellschaftern, sondern der Gesellschaft vereinbart werden. bb) Bedeutung des Zustimmungsbeschlusses Die Rechtsprechung hat für die Frage des Beitritts zur Personenpublikumsgesellschaft sowohl die eine wie die andere Form der Mediatisierung der Beteiligung der vorhandenen Gesellschafter an der Willensbildung zugelas194 Zu den Ersteren gehören aus dem Umwandlungsrecht der Formwechsel (§§ 190 ff. UmwG). Die Anteilsinhaber des formwechselnden Rechtsträgers sind mit der Eintragung ohne weitere Übernahmeakte nach § 202 I Nr. 2 UmwG an dem Rechtsträger in der für dessen neue Rechtsform geltenden Weise beteiligt. Im Aktienrecht bildet namentlich bei der Eingliederung nach §§ 319 ff. AktG, dem Ausschluss von Minderheitsaktionären nach §§ 327a ff. AktG, der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gemäß §§ 207 ff. AktG und der Kapitalherabsetzung nach §§ 222 ff. AktG ebenfalls allein die Willensbildung der Hauptversammlung die rechtsgeschäftliche Grundlage des Geschehens. Gemäß § 224 AktG ist das Grundkapital mit Eintragung des Beschlusses herabgesetzt, gehen beim Squeeze Out die Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär (§ 327e III 1 AktG) bzw. die Hauptgesellschaft über (§ 320a I 1 AktG) oder ist die Gesellschaft in diese eingegliedert (§ 319 VII AktG). Anders als bei der Kapitalerhöhung bedarf es insbesondere keiner zusätzlichen Zeichnungs- oder Übernahmeerklärung. Zu den an zweiter Stelle genannten Maßnahmen gehören im Umwandlungsrecht neben der Verschmelzung die Spaltung und die Vermögensübertragung, im Aktienrecht der Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag und die Eingliederung, im engeren Sinne auch die Kapitalerhöhung.
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sen.195 Dabei wurde das Erfordernis eines Vertragsschlusses mit allen Gesellschaftern zwar noch nicht aufgegeben. Ihm war nach Auffassung des II. Zivilsenats des BGH „formal“ dadurch Rechnung getragen, dass die Komplementär-GmbH die Beitrittsverträge im Namen der übrigen Gesellschafter abzuschließen habe. In der weiteren Entwicklung ließ die Rechtsprechung sodann allerdings auch die gegen einen Vertragsschluss mit der Gesellschaft gerichteten Bedenken fallen. Erforderlich sei allein, dass die Gesellschafter ein entsprechendes Einverständnis im Voraus erteilt hätten.196 (1) Beschränkung des rechtsgeschäftlichen Elements auf den Organisationsvertrag als dem „typusbildenden Geschäft“? Ausgehend davon hat Schäfer die These entwickelt, bei einer mehrgliedrigen, d. h. aus selbstständigen Rechtsgeschäften bestehenden Strukturänderung sei allein der zwischen den beteiligten Rechtsträgern geschlossene Vertrag, von ihm als das typusbildende Rechtsgeschäft bezeichnet, als Willenselement im Sinne der LfG maßgeblich. Wie bei der Gründung bestehe der Tatbestand des Beitritts allein in der Zeichnungs- bzw. Übernahmeerklärung des Beitretenden und deren Annahme durch die Gesellschaft. Fehler der Zustimmung oder das Fehlen der Zustimmung selbst führten nur zur Unwirksamkeit, mithin der Fehlerhaftigkeit. Daher scheitere die Anwendung der LfG nicht an der fehlenden rechtsgeschäftlichen Legitimation.197 Diese Einordnung der Zustimmung als bloßer Wirksamkeitsvoraussetzung ist nach Auffassung Schäfers von allgemeinem Charakter. Auch bei der mehrgliedrigen fehlerhaften Umwandlung werde der rechtsgeschäftliche Tatbestand allein durch das typusbildende Rechtsgeschäft geformt. Dazu gehöre allein der Vertrag der beteiligten Rechtsträger, der neben den ihn begründenden Willenserklärungen die im Gesetz, z. B. in § 5 I Nr. 1-3 UmwG, genannten Bedingungen enthalten müsse.198 Die These beruht maßgeblich auf vier Argumente: Erstens auf die beim Beitritt mögliche Vielzahl denkbarer Gestaltungsformen, von der die Anwendbarkeit der LfG nicht abhängen dürfe.199 Zweitens schaffe das bürgerliche Recht zwischen mehreren Rechtsgeschäften allgemein eine solche Beziehung aus Tatbestandsvoraussetzung und Wirksamkeitsvoraussetzung, wenn der Eintritt bestimmter Rechtsfolgen von einem Gesamttatbestand abhänge. Abzulesen sei das aus den gesetzlichen Zustimmungs- und Genehmigungsvorbehalten wie etwa den §§ 108, 177, 185, 415, 1366, 1427, 1829 BGB, die selber 195 BGHZ 63, 338, 345; BGH NJW 1978, 1000. Die Kommanditisten seien weder tatsächlich noch rechtlich in der Lage, auf die Beitrittsverhandlungen einzuwirken und die personelle Zusammensetzung der Gesellschafterversammlung mitzubestimmen. 196 BGH NJW 1978, 1000. 197 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 325 ff. 198 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 340 ff., 348 (zur Verschmelzung), S. 422 (für die Kapitalerhöhung auf den Beitritt Bezug nehmend). 199 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 322 ff.
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nicht zum Tatbestand des Rechtsgeschäfts zählten.200 Dies gelte auch im vorliegenden Kontext, was sich namentlich daran zeige, dass die herrschende Meinung den Beschluss über die Kapitalerhöhung im Falle seiner Nichtigkeit für den Zeichnungsvertrag (nur) als auflösende Bedingung i. S. d. § 158 II BGB ansehe.201 Es sei zudem auch am Gesetzeswortlaut abzulesen, welcher durch Formulierungen wie „wird nur wirksam, wenn die Anteilsinhaber durch Beschluß zustimmen“ (vgl. § 13 I UmwG, ferner § 293 I u. II 4 AktG) zum Ausdruck bringe, dass zum Tatbestand der Strukturveränderung allein der zwischen den Rechtsträgern geschlossene Vertrag gehöre. Drittens sei die hierdurch begründete Verpflichtung wegen der in der Gesellschaft gültigen Vertretungsregelung auch zuzurechnen, und zwar sowohl wenn die Vertretungsorgane für die Gesellschaft wie für deren Mitglieder handelten.202 Viertens bestätige auch die Holzmüller-Rechtsprechung des BGH die Richtigkeit der getroffenen Unterscheidung. Denn danach komme der erforderlichen Zustimmung der Hauptversammlung bloß Bedeutung für das Innenverhältnis zu. Der Beschluss sei aber nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für das Übertragungsgeschäft.203 Die bloß mittelbare Entwertung der Mitgliedschaft sei nicht geeignet, einer daraus folgenden Hauptversammlungskompetenz Außenwirkung zu verschaffen.204 Ähnlich argumentiert die Rechtsprechung205 und Teile der Lehre206 auch für Teilgewinnabführungsverträge mit der GmbH und dadurch begründete stille Beteiligungen.207 (2) Bewertung. Überzeugen kann die genannte These trotz dieser Argumente gleichwohl nur für den fehlerhaften Beitritt, und auch dies nur im Rahmen einer zulässigen Übertragung der Vertragsschlusskompetenz auf das vertretungsberechtigte Organ. Für die hier zu behandelnden Organisationsänderungen ist hingegen von einem Gesamttatbestand der rechtsgeschäftliche 200
Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 326 f. Vgl. dazu Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 185 Rn. 27 m. w. N. 202 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 342. 203 Vgl. BGHZ 83, 122, 132; LG München I BB 2007, 2030, 2031 f. 204 Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 359 f. 205 Vgl. LG Darmstadt ZIP 2005, 402 ff.; vgl. auch BGH WM 2005, 278, 280 („Kein Anlaß, die rechtliche Behandlung des in Vollzug gesetzten Vertrages von (…) oder der Hauptversammlungszustimmung abhängig zu machen.“). 206 Vgl. Altmeppen, in Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl., Anh. § 13 Rn. 113; Jebens, BB 1996, 701, 703. 207 Deren Gesellschafter bedürften nicht in gleicher Weise des Schutzes wie die Aktionäre. Die Geschäftsführung unterliege den Weisungen der Gesellschafter, diese verfügten über die übergeordnete Geschäftsführungskompetenz und weitgehende Auskunfts- und Einsichtsrechte. Demgegenüber liege die Hauptbedeutung der Zuständigkeitsbegründung der Hauptversammlung (also des § 292 AktG) darin, eine klare Ausnahme von der eigenverantwortlichen und weisungsfreien Leitungsmacht des Vorstands zu schaffen. Vgl. LG Darmstadt ZIP 2005, 402, 404; anders für den Betriebspachtvertrag i. S. d. § 292 I Nr. 3 AktG dagegen LG Berlin ZIP 1991, 1180; WM 1992, 22, 25). 201
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Grundlage, bestehend aus Beschluss und seiner vertraglichen Umsetzung auszugehen. Aus den genannten Genehmigungsvorbehalten des bürgerlichen Rechts lässt sich für eine Reduzierung der Bedeutung des Beschlusses auf eine bloße Ratifikation nichts herleiten. Zwar trifft es zu, dass sich im Rahmen der §§ 108, 177, 185 BGB pp. die im Schrifttum vorgeschlagene Einheits-Lösung nicht generell durchgesetzt hat.208 Zum Tatbestand des Rechtsgeschäfts zählt deswegen in der Tat allein der durch den Minderjährigen, den Vertreter ohne Vertretungsmacht usw., geschlossene Vertrag. Und auch die Anwendung der LfG oder der Grundsätze anderer fehlerhafter Schuldverhältnisse, etwa des fehlerhaften Arbeitsvertrags ist hier nicht zweifelhaft. Vorliegend entscheidend ist jedoch, dass das Gesellschaftsrecht das mit der konstruktiven Unterscheidung der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre zwischen Tatbestands- und Wirksamkeitsvoraussetzung Ziel des Verkehrsschutzes auf andere Weise, nämlich durch den Grundsatz der unbeschränkten Vertretungsmacht der Leitungsorgane verfolgt (vgl. §§ 82 I, 37 II GmbHG, 126 II HGB, 27 II GenG). Eben dieses Prinzip durchbricht das Gesetz aber für die Organisationsänderungen von Verbänden bewusst, indem sie die Entscheidung hierüber allein den Mitgliedern zuweist und diese bedingungslos mit Außenwirkung ausstattet. Denn obwohl der Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen nur davon spricht, dass die Strukturveränderung zu ihrer „Wirksamkeit“ eines Beschlusses bedarf, besteht kein Zweifel, dass es sich hierbei nicht bloß um einen Vorgang im Innenverhältnis handelt. Für den Rechtsverkehr ist damit unmissverständlich klargestellt, dass eine als Strukturveränderung im genannten Sinne zu qualifizierender Handlung ohne Beschluss nicht wirksam sein kann. Die Situation entspricht konzeptionell hier daher weniger den Genehmigungsvorbehalten der §§ 108, 177, 185 BGB pp., als vielmehr den (seltenen) Fällen, die im Bürgerlichen Recht die höchstpersönliche Beteiligung der Vertragschließenden erfordern (vgl. etwa §§ 1311 S. 1, 2274 BGB). Fehlt es daran, so liegt bereits tatbestandlich keine Verpflichtung vor. Mit der zwingend und unmittelbar vom Gesetz vorgesehenen und mit Außenwirkung ausgestatteten Beteiligung der Gesellschafter besteht auch ein entscheidender Unterschied gegenüber ungeschriebenen – und in ihren Umrissen trotz den Eingrenzungen der Gelatine-Rechtsprechung209 unscharfen – Hauptversammlungskompetenzen, wie sie die Holzmüller-Entscheidung210 etabliert hat. Das Entsprechende gilt für die in ihren Grenzen ebenfalls nicht genau festgelegte Übertragung der Vertragsschlusskompetenz auf den Komplementär. Und auch die angesprochene Sichtweise zum Teilgewinnabführungsvertrag mit der GmbH ist eher 208 Vgl. dazu namentlich Müller-Freienfels, die Vertretung beim Rechtsgeschäft (1955), S. 202 ff. 209 Vgl. BGHZ 159, 30 ff. 210 Vgl. BGHZ 83, 122 ff.
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eine die Regel bestätigende Ausnahme als eine Durchbrechung des Prinzips. Sie beruht maßgeblich auf der Unschärfe einer Abgrenzung zwischen zustimmungsbedürftigen und nicht zustimmungsbedürftigen stillen Beteiligungsverhältnissen, die mit dem Teilgewinnabführungsvertrag begründet, werden und der daraus folgenden Rechtsunsicherheit.211 Entgegen Schäfer lässt sich auch der gesetzlichen Regelung nichts für die alleinige Maßgeblichkeit des vertragsbegründenden Rechtsgeschäfts entnehmen. Vielmehr zeigen Bestimmungen wie etwa die §§ 16 I, 19 I, 20 I UmwG, dass das Gesetz die Strukturveränderung als Einheit ansieht. Denn eingetragenen wird nicht nur der als typusbildend bezeichnete Vertrag der beteiligten Rechtsträger, sondern die Organisationsänderung in ihrer Gesamtheit. Abgesehen davon liefe seine These in ihren Konsequenzen weitgehend auf eine mittelbare Anerkennung des Trennungs-Prinzips212 hinaus. Die rechtsgeschäftliche Grundlage würde zwar nicht vollständig negiert, aber mit dem Verzicht auf den Beschluss um einen so wesentlichen Teil reduziert, dass das Ergebnis einer vollständigen Trennung entsprechen würde. Zusammenfassend ist damit festzustellen: Die rechtsgeschäftliche Grundlage mehraktiger Strukturänderungen schließt notwendigerweise den vom Gesetz geforderten Gesellschafterbeschluss mit ein. Ohne einen solchen ist eine Anerkennung der Maßnahme nach den Grundsätzen der LfG ausgeschlossen. 3. Einschränkung der Fehlerlehre durch das Mehrheitsprinzip? Die vorstehenden Überlegungen beruhen auf der Annahme, dass der Beschluss als rechtsgeschäftliche Grundlage der fehlerhaften Strukturveränderung in Betracht kommt, er insoweit an die Stelle treten kann, die Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzungserrichtung bei der Gründung einnehmen. Dagegen ist im Schrifttum der Einwand erhoben worden, der Beschluss sei mit dem Gründungsvertrag nicht vergleichbar. Er habe einen anderen Rechtscharakter und unterliege anderen Gesetzmäßigkeiten als der Gründungsvertrag und könne auch nicht als Teil-Neugründung betrachtet werden.213 Dieser Befund trifft unter konstruktiven Gesichtspunkten zu. Der Vertrag besteht aus aufeinander Bezug nehmenden Willenserklärungen, der Beschluss aus gleichgerichteten auf einen Antrag bezogenen Willenserklärungen. Allerdings stellt das nach heute weitgehend einhelliger Ansicht die rechtsgeschäftliche Natur des Beschlusses nicht in Frage.214 Die Bedenken scheinen sich in der Sache 211
Vgl. BayObLG ZIP 2003, 845. Vgl. dazu näher u. § 20 B. II. 1. 213 Wiedemann, WM 1990, Beil. 8, S. 29; grundlegend a. A. dagegen Ulmer, in FS Niederländer (1991), S. 415, 425 ff., der den Beschluss als Vertrag qualifiziert. 214 Anders als früher, wo die kollektive Willensbildung als „Gesamtakt“ oder „Sozialakt“ charakterisiert wurde, meist um die als verfehlt erachteten Wertungen des Allgemeinen Teils, 212
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auch weniger gegen die Art der Willensbildung, als vielmehr darauf zu richten, dass der Vertragsschluss dem Konsensualprinzip unterliegt, wohingegen die durch Beschluss herbeigeführte Vertragsänderung kraft gesetzlicher Regelung oder Satzungsgestaltung im Regelfall dem Mehrheitsprinzip untersteht.215 a) Heilbarkeit von Gründungsmängeln Aus dem Gesetz ergibt sich zur Klärung der Frage kein unmittelbarer Anhalt. Allerdings bestimmt § 276 AktG: Ein Mangel, der die Bestimmungen über den Gegenstand des Unternehmens betrifft, kann unter Beachtung der Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über Satzungsänderungen geheilt werden.216 Mithin genügt für die Heilung der nichtigen AG im Regelfall eine Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst (vgl. § 179 II AktG). Daraus wird teilweise die Schlussfolgerung gezogen, das Mehrheitsprinzip sei mit der Anwendung der LfG auf Strukturänderungen insgesamt kompatibel.217 Allerdings leidet eine solche Annahme unter dem Umstand, dass es sich bei § 276 AktG nicht um den Ausdruck eines einheitlichen Regelungsprinzips handelt. Denn die Parallelvorschrift des § 76 GmbHG erfordert Einstimmigkeit. Dies wird im Schrifttum zwar kritisiert und die rechtsfortbildende Anlehnung an die für den Fortsetzungsbeschluss bzw. §§ 276 AktG, 95 II GenG geltende Mehrheitsregelung gefordert.218 Jedoch kann der zugrunde liegende Einwand angesichts der Eindeutigkeit des Gesetzes allenfalls de lege ferenda Berücksichtigung finden und ist im Übrigen auch nicht so naheliegend, wie es den Anschein hat.219 Er mag jedoch an dieser Stelle dahinstehen. Denn die Schlussfolgerung aus den genannten Bestimmungen ermangelt bereits als solche einer hinreichenden Vergleichsgrundlage. So geht es bei den §§ 276 AktG, 95 II GenG, 76 GmbHG um die ex ante zu treffende Entscheidung über den zukünftigen Bestand der Gesellschaft. Dahingegen ist hier darüber zu befinden, ob die ursprüngliche Willensbildung im Wege der Mehrheitsentscheidung in 215 insbesondere des § 181 BGB zu vermeiden. Vgl. dazu BGHZ 49, 117, 120; zur historischen Entwicklung K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., S. 436; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse (1989), S. 16; vgl. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 178 m. w. N. 215 Folgt man der Auffassung Schäfers, so erübrigt sich die Frage nach der Legitimationstauglichkeit der Mehrheitsentscheidung allerdings für die zweistufige Strukturänderung bereits deshalb, weil der Beschluss hier schon nicht zum Tatbestand gehört, vgl. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 342 (zur Verschmelzung). 216 Vgl. für die Genossenschaft die sinngemäß entsprechende Vorschrift des § 95 II GenG. 217 So Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 371 ff. 218 Vgl. K. Schmidt, in Fischer/Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 76 Rn. 1. 219 So kann eine andersartige Wertung für die GmbH gegenüber den regelmäßig als Publikumsgesellschaften fungierenden Aktiengesellschaften und Genossenschaften durchaus anders ausfallen. Denn hier ist das Mehrheitsprinzip schon aus Praktikabilitätsgründen zwingend geboten. Auch der Vergleich der Heilung mit dem Fortsetzungsbeschluss nach der Auflösung hinkt, weil es dabei nicht, wie bei § 76 GmbHG, um eine Entscheidung über eine rechtswidrige Maßnahme geht.
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ähnlicher Weise wie ein Vertrag geeignet ist, die rückwirkende Anerkennung der Organisationsänderung trotz ihrer Fehlerhaftigkeit ex post zu legitimieren in der Lage ist. Es handelt sich somit um ganz unterschiedliche Sachverhalte. b) Grenzen der Legitimationstauglichkeit des Mehrheitsprinzips Eine Antwort auf die Frage der Legitimationstauglichkeit der Mehrheitsentscheidung ergibt sich richtigerweise aber aus der gesetzlichen Anerkennung des Mehrheitsprinzips als solchem. Es beinhaltet in seiner ursprünglichen Geltung zwar nur, dass der dissentierende Gesellschafter der mehrheitlichen Willensbildung unterworfen ist, soweit dieser mit Gesetz und Satzung in Einklang steht. Allerdings ist hieran auch für den rechtswidrigen, also fehlerhaften Beschluss festzuhalten, solange der bei der Abstimmung Unterlegene die diesbezüglichen Bedenken im Wege des Unwirksamkeitsverfahrens geltend machen und die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen im Ansatz verhindern kann.220 Sofern er hiervon keinen Gebrauch macht, lässt sich das Minderheitsvotum nicht als ein Einwand gegen die Vereinbarkeit der Beschlossenen mit Gesetz und Satzung werten, d. h. als Ausdruck des nicht daran Gebundenseins verstehen, sondern allenfalls als Ablehnung aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten ansehen. Dementsprechend besteht aber kein Anlass, die rechtliche Verbindlichkeit des Beschlusses im Rahmen der fehlerhaften Gesellschaft wegen der Geltung des Mehrheitsprinzips ex post in Frage zu stellen.221 III. Vollzug Allgemeine Voraussetzung für die Anerkennung der fehlerhaften Gesellschaft ist deren Vollzug. Zum einen sind die hierdurch geschaffenen Rückabwicklungsprobleme Anlass für die Abweichung von der nach den allgemeinen Regelungen vorgesehenen Rechtsfolge der Nichtigkeit ex tunc. Zum anderen bildet der Vollzug, wie die Lehre von der Doppelnatur des Gesellschaftsvertrags hervorhebt, einen Teil der Gründung und schafft damit die Voraussetzung für die Anerkennung der Wirksamkeit der Gesellschaft.
220 Insoweit lässt sich die Folge der Nichtigkeit ex tunc eher als Voraussetzung der Legitimation des Mehrheitsprinzips erklären als mit dem Verweis auf die Nichtigkeitsfolge nach bürgerlichen Recht (§ 6 B.) hingewiesen wurde. 221 Das Gesagte hat zur Konsequenz, dass der tatbestandlich gegebene Mehrheitsbeschluss eine Anerkennung der Organisationsänderung stets legitimiert und nur zu deren Fehlerhaftigkeit führt. Das zeitigt praktische Konsequenzen insbesondere für die Personengesellschaft: Trotz Unzulässigkeit der Mehrheitsentscheidung im konkreten Fall (vgl. jüngst wieder BGH GmbHR 2007, 535; BGH ZIP 2007, 475 (Otto); dazu Wertenbruch, ZIP 2007, 798) rechtfertigt der Beschluss die Anwendung der LfG; zur Zulässigkeit der Mehrheitsentscheidung schon Uwe H. Schneider, ZGR 1972, 357 ff.; ders., AG 1979, 57 ff. Beruht seine Legitimationstauglichkeit damit im Wesentlichen nur auf der Untätigkeit der dissentierenden Gesellschafter, so deutet sich für die Anfechtungssituation freilich Erklärungsbedarf an.
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1. Wirkung der Handelsregistereintragung Wie bei der Gründung der juristischen Person liegt die Hauptbedeutung bei der Handelsregistereintragung, da das Gesetz diese auch für die hier interessierenden Organisationsänderungen vorsieht und ihr konsequent konstitutive Wirkung verleiht (vgl. §§ 189, 224, 294, 319 VII, 320a, 327e AktG, 16 ff., 130, 176, 198 ff. UmwG). Nach teilweiser Ansicht sind es gerade die von der Eintragung ausgehenden rechtsbegründenden, wie – bei dem liquidationslosen Erlöschen der Gesellschaft (vgl. §§ 20 I Nr. 2 S. 1, 131 I Nr. 2 S. 1 UmwG) – rechtsvernichtenden Wirkungen der Eintragung, welche zur Anwendung der LfG veranlassen.222 Insoweit ist das Merkmal des Vollzugs mit der Registrierung stets erfüllt, auch wenn es an tatsächlichen Durchführungsmaßnahmen im Übrigen fehlt.223 2. Vollzug ohne Handelsregistereintragung? In gleicher Weise stellt sich allerdings die Frage, ob die Eintragung hierfür zwingend erforderlich ist oder ob der Strukturveränderung gleichsam wie bei der Vorgesellschaft auch ohne Eintragung Wirksamkeit im Rahmen der LfG zugewiesen werden kann. a) Rechtsprechung aa) Verschmelzung Für die Verschmelzung hat es der II. Zivilsenat des BGH ausdrücklich abgelehnt, die LfG allein aufgrund des Vertragsschlusses oder dessen Vollzugs anzuwenden.224 Eine Übertragung der für die Personengesellschaft geltenden Grundsätze komme nicht in Betracht. Bei der Kapitalgesellschaft sei die Aufrechterhaltung der ins Leben getretenen Organisation erst mit der konstitutiv wirkenden Eintragung in das Handelsregister vollzogen.225 Eine Geltung der LfG dürfe schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht allein auf den nur tatsächlichen Vollzug gestützt werden, weil das Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers nur durch die konstitutive Wirkung der Handelsregistereintragung erfolgen könne.226 bb) Unternehmensverträge Dass diese Auffassung keineswegs zwingend und von allgemeiner Natur ist, zeigt indessen die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Anwendung 222 Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 94; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 338 f., 343 f., 374. 223 Zur Klarstellung sei hier nochmals betont, dass die Handelsregistereintragung allein diese Wirkung nicht herzustellen vermag, ist vielmehr zusätzlich um der rechtsgeschäftlichen Legitimationsgrundlage bedarf. 224 BGH NJW 1996, 659. 225 BGH NJW 1996, 659, 660. 226 BGH WM 2005, 278, 280.
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der LfG auf fehlerhafte Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge (§ 291 AktG) im GmbH-Konzern227 und den Teilgewinnabführungsvertrag bei AG und KGaA (§ 292 II Nr. 2 AktG).228 In den zur GmbH entschiedenen Fällen waren die in ihrer Wirksamkeit fraglichen Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge ohne Beschlussfassung auf Seiten des herrschenden Unternehmens geschlossen worden. Für keines der beteiligten Unternehmen erfolgte zudem eine Eintragung. Beides beruhte darauf, dass die Frage der Notwendigkeit der Beschlussfassung über den Unternehmensvertrag und seiner Eintragung bis dahin umstritten war und von zahlreichen Registergerichten auch abgelehnt wurde. Der II. Zivilsenat des BGH bejahte sie hingegen, weil er den Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, wegen ihrer Wirkung nicht durch die Vertretungsmacht der Geschäftsführer gedeckt sah229 und diese ihrer Rechtsnatur nach keine schuldrechtlichen Verträge, sondern gesellschaftsrechtliche Organisationsverträge seien, welche satzungsgleich den Status der beherrschten Gesellschaft änderten und den Einsatz der konzernrechtlichen Schutzinstrumentarien zugunsten der Gläubiger und der außenstehenden Gesellschafter erforderten.230 Derartige Änderungen könnten nicht zugunsten eines mit der Rückabwicklung verbundenen Einzelausgleichs zurücktreten, so dass die entstandene Konzernlage nach der LfG zu behandeln sei.231 Dabei wurde die Problematik der fehlenden Registereintragung zunächst nicht ausdrücklich beschieden.232 Dies erfolgte erst mit der Entscheidung BGHZ 116, 37, in der klargestellt wurde, sie stehe der Geltung der LfG nicht entgegen.233 Es sei nicht ersichtlich, weshalb das Fehlen der Registereintragung anders zu würdigen sein solle, als eine unterbliebene, aber erforderliche notarielle Beurkundung des Zustimmungsbeschlusses zum Abschluss des Vertrages oder auch eines von der Formvorschrift des § 313 BGB erfassten Gesellschaftsvertrags.234 (1) Meinungsstand im Schrifttum. Das Schrifttum hat die Rechtsprechung zur Verschmelzung ebenso einhellig begrüßt wie der gegenteiligen Auffassung für den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag in nahezu gleicher Geschlossenheit widersprochen. Da auch bei der fehlerfreien Verschmelzung erst der konstitutive Akt der Eintragung die Verschmelzungsfolgen herbeiführe, könne es sich bei der fehlerhaften Verschmelzung nicht anders verhalten. Das Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers bedürfe ebenso wie der 227 228 229 230 231 232 233 234
BGHZ 103, 1; 105, 324; 116, 37, 39; BGH NJW 2002, 822. BGH WM 2005, 278, 280; vgl. auch BGH WM 2004, 1823; 2005, 833. BGHZ 105, 328, 332 ff. BGHZ 103, 1, 4 ff. BGHZ 103, 1, 5. So noch BGHZ 103, 1; 105, 324. Bestätigt durch BGH NJW 2002, 822. BGHZ 116, 37, 39.
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Übergang aller Aktiva und Passiva auf den übernehmenden Rechtsträger eines eindeutig bestimmbaren Publizitätsaktes, der durch den bloß faktischen Vollzug nicht ersetzt werden könne.235 Aus derselben Überlegung heraus könne für fehlerhafte Unternehmensverträge i. S. d. § 291 AktG nichts anderes gelten. Auch hier bestünde ein vergleichbares Bedürfnis nach Rechtssicherheit und -klarheit hinsichtlich des Eintritts der durch den Vertrag herbeigeführten Rechtsfolgen, insbesondere des Beginns der Verlustübernahmepflicht des herrschenden Unternehmens (§ 302 AktG). Eine Ersetzung der Registrierung durch den faktischen Vollzug lasse diese als Wirksamkeitserfordernis (vgl. § 294 AktG) inhaltsleer werden, zumal der in der Entscheidungsbegründung zu findende Hinweis auf die Sachlage bei der fehlenden notariellen Beurkundung des Zustimmungsbeschlusses oder der Verletzung eines anderen Formerfordernisses nicht mit der Handelsregistereintragung vergleichbar sei.236 In konstruktiver Hinsicht sei überdies zu bedenken, dass eine solche Konzernierungsmaßnahme nicht zur Fehlerhaftigkeit, sondern zur Unvollständigkeit der Strukturveränderung „Unternehmensvertrag“ führe.237 Dogmatisch sei die Ansicht des BGH nur dann zu halten, wenn man davon ausginge, der Vertrag würde zugleich einen neuen Rechtsträger zur Entstehung bringen. Die dahingehenden Überlegungen, dass der Vertragskonzern eine der Gesellschaft vergleichbare, „organisatorisch verfestigte und durchgeführte Handlungseinheit“ hervorbringe238 hat jedoch, wie bereits an anderer Stelle gesehen,239 zu Recht keine Zustimmung gefunden. Selbst wenn man dem Gedanken eines polykorporativen Rechtssubjekts folgen wolle, bliebe zu berücksichtigen, dass das Gesetz für dessen Entstehung (ebenfalls) zwingend die Registrierung vorschreiben würde (vgl. § 294 AktG). Insoweit wäre die Sachlage nicht anders als bei Gründung der juristischen Person. Nachzudenken bliebe allein über mögliche Wirkungen im Sinne einer Vorgesellschaft.240
235
K. Schmidt, BB 1996, 1859, 1860; ihm folgend Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 166, 263; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 343; zuvor schon für die fehlerhafte Kapitalerhöhung Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 47 ff.; Zöllner, AG 1993, 68, 73 ff. 236 Emmerich/Habersack, GmbH- und Aktienkonzernrecht, 5. Aufl., § 291 Rn. 27; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 291 Rn. 21; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 166; Krieger, Münchener HdB GesR, Bd. 4, § 70 Rn. 19; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 375; Timm, GmbHR 1992, 213, 216. 237 Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 166; Kurz, Der Gewinnabführungsvertrag im GmbH-Recht aus konzernverfassungsrechtlicher Sicht (1992), S. 225. 238 Rehbinder, in FS Fleck (1988), S. 253, 262 ff.; vgl. auch Wiedemann, GmbHR 2011, 1009 ff. 239 S. o. A I 3 b). 240 Auch hier ablehnend Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 168 f.
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(2) Stellungnahme. Ungeachtet dieser dogmatischen Kritik hat die Rechtsprechung jedenfalls für die entschiedenen Sachverhalte im Ergebnis weitgehende Zustimmung gefunden. Das beruht darauf, dass die Überwindung des Eintragungserfordernisses im Schrifttum im Zusammenhang mit der bis dahin unklaren Rechtslage zur Zustimmungsbedürftigkeit gesehen und damit als eine Frage des intertemporalen Rechts verstanden wurde.241 Entscheidend war, dass die Unternehmensverträge über mehrere Jahre hinweg durch Verlustausgleich vollzogen worden waren und zahlreiche Registergerichte deren Eintragungsfähigkeit vor der Rechtsprechungsänderung verneint hatten.242 Angesichts der jüngeren Rechtsprechungsentwicklung kann der mit BGHZ 116, 37 aufgestellte Verzicht auf die Handelsregistereintragung indessen nicht mehr als ein auf den Einzelfall beschränktes und dahingehend zu vernachlässigendes Problem der Rückwirkung höchstrichterlicher Rechtsprechung betrachtet werden. So hat der II. Zivilsenat des BGH in einer im Jahr 2002 zur GmbH ergangenen Entscheidung unter Berufung auf seine bisherige Rechtsprechung erneut festgestellt, dass der vollzogene Vertrag erst endet, wenn sich einer der Vertragspartner auf seine Nichtigkeit beruft.243 Sodann hat er den Verzicht auf die Handelsregistereintragung als Vollzugsmerkmal im Sinne der LfG auch auf den mit einer AG oder KGaA geschlossenen Teilgewinnabführungsvertrag gemäß § 293 I, 294 II, 292 I Nr. 2 AktG übertragen.244 Damit stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Handelsregistereintragung und der Anwendbarkeit der LfG heute als ein rechtsformübergreifendes Problem aller Unternehmensverträge dar, welches der Lösung bedarf. Berücksichtigt man dabei den grundlegenden Charakter der gegen die Rechtsprechung gerichteten Einwände, so scheint im Ausgangspunkt kein Zweifel zu bestehen, dass eine Anerkennung nicht eingetragener fehlerhafter konzernvertraglicher Organisationsmaßnahmen ausscheiden muss. Das beruht sowohl auf dem Merkmal der konstitutive Wirkung der Handelsregistereintragung wie der Tatsache, dass die gesetzliche Regelung sie unmissverständlich erfordert (§ 294 II AktG) und deren umfassende, auch den Teilgewinnabführungsvertrag einbeziehende Geltung, auch nochmals an anderer Stelle unterstreicht (vgl. § 22 II EG). Aus diesem Grund kann der Verzicht auf die Eintragung auch nicht damit begründet werden, Unternehmensverträge i. S. d. § 292 AktG hätten allein schuldrechtliche, aber keiner organisationsrechtliche Bedeutung. Anders als es die Entscheidungsgründe der jüngeren Rechtsprechung zur AG und KGaA durch einen entsprechenden Verweis nahe legen, er241 So insbesondere Knobbe-Keuk, Bilanz- und Steuerrecht, 9. Aufl., § 20 II 3 c (S. 708 f.); zust. Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 167; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 377; Timm, GmbHR 1992, 213, 217; vgl. auch Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 36 f. „wohl nicht mehr aktuell“. 242 Dazu Knobbe-Keuk, Bilanz- und Steuerrecht, 9. Aufl., § 20 II 3 c (S. 708 f.). 243 BGH ZIP 2002, 35, 36. 244 BGH ZIP 2004, 753, 755; BGH WM 2005, 278, 280.
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gibt sich auch nichts anderes aus dem Umstand, dass die stille Beteiligung hieran stets als Teilgewinnabführungsvertrag anzusehen ist.245 Denn damit stehen bei jeder entsprechenden Beteiligung an der AG oder KGaA die Notwendigkeit der Zustimmung der Hauptversammlung und die Eintragung in das Handelsregister unzweifelhaft fest. Anders als bei der GmbH ergibt sich diesbezüglich also kein Klärungs- und Prüfungsbedarf aus Sicht des Registergerichts im Einzelfall.246 Demgemäß kann aus diesem Grund nicht auf die Eintragung verzichtet werden.247 Andererseits vermag die damit erreichte Lösung einer Rückabwicklung ex tunc nicht zu befriedigen, und zwar weder im Innenverhältnis (namentlich aus Sicht der abhängigen Gesellschaft) noch im Außenverhältnis. Für den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag lässt das Gesetz, wie bereits gesagt wurde, zudem auch erkennen, dass ein rückwirkender isolierter Einzelausgleich ausscheidet. Für die Unternehmensverträge nach § 292 AktG gilt im Ergebnis aber nichts anderes. Zum einen fehlt es an hinreichend bestimmbaren Abgrenzungskriterien zu § 291 AktG. Teilgewinnabführungsverträge können ohne Weiteres bis an die Grenze des isolierten Gewinnabführungsvertrages heranreichen und auch eine gesellschaftsrechtlich vermittelte Einflussnahmemöglichkeit des anderen Vertragsteils wird, wenngleich auch nicht in beherrschungsähnlicher Form, regelmäßig vorliegen. Zwar lässt die Rechtsprechung für den Teilgewinnabführungsvertrages bei der AG und der KGaA nur die Beteiligung mit Gewinnberechtigung als solche, mithin jede stille Gesellschaft genügen. Tatsächlich zeigt sich bei der Abgrenzung von Teilgewinnabführungsvertrag und Genussrechten aber, dass es für Ersteren notwendigerweise zusätzlicher Rechte des Stillen bedarf, weswegen ein Teilgewinnabführungsvertrag in der Konsequenz nur bei einer atypischen stillen Beteiligung gegeben sein kann.248 Zum anderen stellt § 296 I 2 AktG durch das Verbot der rückwirkenden Aufhebung klar, dass eine dahingehende Beseitigung der Vertragswirkungen umfassend, mithin für alle in den §§ 291 und 292 AktG genannten Vereinbarungen ausgeschlossen sein soll. Insoweit könnte man auch daran denken, den Bestandserhalt hier nicht mit der LfG, sondern einer entsprechenden Anwendung des in dieser Vorschrift zum Aus245
Vgl. BGHZ 156, 38, 43; ganz h. M., vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 292 Rn. 15 m. w. N. Inwieweit eine stille Beteiligung an der GmbH als Teilgewinnabführungsvertrag anzusehen ist, ist streitig. Dafür Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl., § 292 Rn. 37; Ulmer, in Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 77 Rn. 203 f.; differenzierend die wohl überwiegende Ansicht, durch die stille Beteiligung nicht als Organisationsvertrag, sondern als schuldrechtlichen Austauschvertrag ansieht und eine Gleichstellung mit dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nur in Ausnahmefällen zulässt, etwa der Abführung des nahezu gesamten Gewinns (K. Schmidt, ZGR 1984, 295, 309; Schmidt-Ott, GmbHR 2001, 182, 183 f.), weit reichenden Kontrollrechten des Stillen oder anderen Einflussnahmemöglichkeiten (Mertens, AG 2000, 32, 34 ff); vgl. weiter zum Streitstand LG Darmstadt ZIP 2005, 402, 403 f. 247 So aber für die GmbH BayObLG ZIP 2003, 845; LG Darmstadt ZIP 2005, 402, 404. 248 Vgl. hierzu BGHZ 156, 38, 43. 246
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druck kommenden Rechtsgedankens des Rückwirkungsverbots begründen. Kann die dahingehend vorgegebene Anerkennung auch des fehlerhaften Vertrages somit nicht allein mit der fehlenden Handelsregistereintragung begründet werden und trägt sie zudem sowohl den Interessen der abhängigen Gesellschaft wie denen ihrer Gläubiger Rechnung, so mag ihr nur entgegenzuhalten sein, dass sie aus Sicht der mit den nachteiligen Folgen, also der Verlustausgleichspflicht (§ 302 AktG) bzw. Rückzahlungspflichten (§ 62 AktG) belasteten Vertragspartei nicht hinreichend legitimiert ist. Indessen leitet sich die für die Anerkennung der Wirksamkeit, wegen der daraus folgenden Einschränkungen der privatautonomen Gestaltungsmacht, erforderliche Rechtfertigung nicht aus der Handelsregistereintragung, sondern dem zwischen den beteiligten Rechtsträgern geschlossenen Vertrag und den dazu ergangenen Zustimmungsbeschlüssen ab. Auch daran zeigt sich, dass diese nicht lediglich Wirksamkeitsvoraussetzung, sondern zugleich notwendiges Tatbestandsmerkmal der mehrgliedrigen Strukturveränderung „Unternehmensvertrag“ sind. cc) Ergebnis Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass Unternehmensverträge i. S. d. §§ 292, 292 AktG auch ohne Handelsregistereintragung vollzogen werden können. Das Tatbestandsmerkmal des Vollzuges ist erfüllt, wenn mit der Erfüllung der darin vorgesehenen Leistungspflichten begonnen wird. b) Eingliederung und Squeeze Out Wegen der Bedeutung der Handelsregistereintragung für den Übergang der Aktien auf die Hauptgesellschaft (§ 320a AktG) bzw. den Hauptgesellschafter (§ 327e III 1 AktG) gilt das nicht für die Eingliederung und den Squeeze Out. Die darin liegende Parallele zur Verschmelzung führt vielmehr dazu, dass diese Maßnahmen bei Fehlerhaftigkeit nur dann als wirksam anerkannt werden, wenn sie eingetragen worden sind. IV. Ergebnisse Die Anerkennung einer fehlerhaften Organisationsmaßnahme bedarf, wie die fehlerhafte Gründung, der rechtsgeschäftlichen Legitimation. Sie erfordert stets den Tatbestand eines auf ihre Herbeiführung gerichteten Gesellschafterbeschlusses. Der Beschluss der Gesellschafterversammlung ist stets notwendiger Bestandteil der rechtsgeschäftlichen Grundlage der Strukturänderung. Das gilt auch für solche Organisationsmaßnahmen, bei denen der Gesamttatbestand ebenfalls einen auf Seiten der beteiligten Rechtsträger geschlossenen Vertrag erfordert. Dieser allein vermag eine Anerkennung der Maßnahme als wirksam nicht zu rechtfertigen. Der Beschluss ist aufgrund seiner rechtsgeschäftlichen Natur als ausreichendes Legitimationsmedium der Organisationsänderung anzusehen. Dem steht eine Geltung des Mehrheitsprinzips nicht entgegen.
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Die Anerkennung der fehlerhaften Strukturänderung setzt wie bei der Gründung die Invollzugsetzung voraus. Hierfür bedarf es nach der Rechtsprechung bei der Verschmelzung stets der Handelsregistereintragung. Auf Unternehmensverträge wendet die Rechtsprechung die LfG auch ohne Eintragung an. Trotz gewichtiger Einwände zeigt sich dies gegenüber der Rückabwicklung als die vorzugswürdige Lösung. Anderes gilt jedoch für die Eingliederung und den Squeeze Out, bei denen neben der konstitutiven Wirkung der Handelsregistereintragung als solcher ihre Bedeutung für den Aktienübergang zu beachten ist.
B. Übertragbarkeit der Fehlerlehre auf angefochtene Strukturmaßnahmen Bejaht man die Übertragbarkeit der LfG auf unangefochtene Strukturänderungen, so muss man für den Fall der Anfechtung fragen, ob Mehrheitsprinzip und Vollzug als Legitimationsgrundlage gleichermaßen tragfähig sind.249 Angesichts des Bestehens einer formellen Registersperre für die Mehrzahl der hier relevanten Beschlussgegenstände stellt sich das Problem zum einen für Beschlüsse, wo es an der Registersperre fehlt (§ 246a AktG), zum anderen, wo sie zwar besteht, gleichwohl aber eingetragen wird. I. Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge Wie oben bereits dargelegt wurde, besteht bei Erhebung von Anfechtungsund Nichtigkeitsklage gegen Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge kein formelles Eintragungs- oder sonstiges Vollzugshindernis i. S. e Registersperre. Man wollte im Rahmen von § 246a AktG bewusst auf eine solche verzichten.250 Andererseits enthält das Gesetz ebenfalls keine Regelung über den Bestand eines trotz der Klage eingetragenen Beschlusses, der später kassiert wird. Im Grundsatz erfordern das Kassationsprinzip, der Schutz der Minderheit und möglicher Drittinteressen nach bisherigem Verständnis der §§ 241 ff. AktG die Nichtigerklärung ex tunc.251 Es fragt sich aber für die hier relevanten Beschlussgegenstände, ob eine Eintragung auch ohne Freigabeverfahren Bestandsschutz nach den Regeln der LfG genießt. 1. Entwicklung des Meinungsbilds im Schrifttum Nach teilweiser Auffassung scheidet ein nichtiger oder angefochtener Beschluss zur Legitimation der Mehrheitsentscheidung aus. Das sei zumindest bei einem Verstoß gegen solche Normen, die gerade dem Minderheitenschutz 249 250 251
Dazu soeben A. II. 3. S. o. § 1 B. I. S. bereits o. § 8 A.
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dienen,252 nach anderer Ansicht mangels Einvernehmlichkeit des Vollzugs auch generell der Fall.253 Die Gegenposition geht davon aus, dass die LfG für Maßnahmen mit satzungsänderndem Charakter bei Kapitalgesellschaften grundsätzlich anwendbar sei, sofern die Änderung vollzogen ist, ein schutzwürdiges Interesse an ihrer Aufrechterhaltung besteht und keine vorrangigen Interessen widerstreiten. Für Krieger hängt dies von der Frage ab, ob die Änderung die bisherige Organisationseinheit so nachhaltig umgestaltet, dass es im Interesse des Verkehrs oder der Gesellschafter angemessen ist, die Satzungsänderung aufrechtzuerhalten, was er im Regelfall bejaht.254 Dagegen differenziert Hommelhoff nach der Art des Beschlussmangels.255 So sollen nichtige Gesellschafterbeschlüsse mit Ausnahme der Formnichtigkeit nach § 241 Nr. 2 AktG256 und gewissen Relativierungen für Einberufungsmängel i. S. d. § 241 Nr. 1 AktG257 im Regelfall Wirkung des Urteils ex tunc erfordern. Anders soll die Rechtslage bei Anfechtungsgründen sein. Hier bleibe angesichts der nur partiell existierenden Registersperre eine Lücke im Gesetz. Im Wege einer teleologischen Reduktion des Wirkungskonzepts der Kassation sei dem Richter die Möglichkeit zu geben, im konkreten Fall von der ex tunc-Wirkung seines Urteils (§ 241 Nr. 5 AktG) abzusehen, um der betroffenen Gesellschaft die Chance zu eröffnen, auf den Urteilsausspruch zur Sache in angemessener Form, d. h. durch Bereinigung der Beschlusslage nach § 244 AktG oder durch geordnete Rückabwicklung zu reagieren.258 Dies lasse sich im Wesentlichen mit drei Gründen erklären: So sei erstens keineswegs sicher, dass der angegriffene Haupt- oder Gesellschafterversammlungsbeschluss tatsächlich – wie vom Kläger behauptet – gegen Gesetz und Satzung verstoße, gleichzeitig aber dafür Sorge zu tragen, dass die Anfechtungsklage den Fortgang unternehmerischer Tätigkeit nicht übermäßig stört.259 Zweitens verlange die Kontrollfunktion der Anfechtungsklage keineswegs in jedem Fall ein Anfechtungsurteil ex tunc. Eine effektive Rechtskontrolle sei auch dann sichergestellt, wenn die im Prozess unterlegene Gesellschaft gezwungen werde, die durch den Beschluss geschaffene Unrechtslage selbst zu bereinigen.260 Drittens sei auch der fehlerhafte Beschluss deshalb als Willenselement im Sinne der LfG anzusehen, weil 252
Kleindiek, ZIP 1988, 613, 618 f.; zust. Brandes, WM 1989, 329, 330. Vgl. OLG Koblenz ZIP 2001, 1095, 1098; vgl. auch Emmerich, in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl., § 297 Rn. 49; § 291 Rn. 30a; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 291 Rn. 21; Köhler, ZGR 1985, 307, 311 ff.; Lauber-Nöll, Die Rechtsfolgen fehlerhafter Unternehmensverträge (1993), S. 72 ff.; ferner wohl auch Wiedemann, WM 1990, Beil. 8, S. 28. 254 Krieger, ZHR 158 (1994), 35 ff. 255 Hommelhoff, ZHR 158 (1994), 11 ff. 256 Hommelhoff, ZHR 158 (1994), 11, 23. 257 Hommelhoff, ZHR 158 (1994), 11, 19. 258 Hommelhoff, ZHR 158 (1994), 11, 25 ff., 28 f. 259 Hommelhoff, ZHR 158 (1994), 11, 27 u. 28 f. 260 Hommelhoff, ZHR 158 (1994), 11, 28. 253
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dies bei der Gründung sogar für die ebenfalls ex tunc wirkende Anfechtung nach § 123 BGB gelte. Im neueren Schrifttum finden sich teilweise ähnliche Ansätze, welche allerdings schon die Kassation als solche nach Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit beschränken wollen.261 Überlegungen zum Bestandsschutz trotz Kassation finden sich dagegen so gut wie keine.262 2. Voraussetzungen der Fehlerlehre in der Anfechtungssituation Der vorstehend beschriebene Ansatz zur Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen bedarf der näheren Überprüfung. Dabei muss man sich zunächst vor Augen halten, dass sich die Anwendung der Fehlerlehre bei den hier interessierenden Beschlüssen kaum als die Anerkennung eines lediglich zeitlich befristeten Zustands (nämlich bis zur Kassation) bezeichnen lässt. Denn die vielfältigen Umstrukturierungen, die etwa mit einer Konzerneinbeziehung in aller Regel verbunden sind, führen – wenn nicht die außenstehenden Aktionäre ohnehin ausscheiden – jedenfalls zu so tiefgreifenden Veränderungen, dass die Gesellschaft danach „nicht mehr dieselbe“ ist.263 Sodann drängt sich der schon oben geäußerte Verdacht auf, das die Prämissen der LfG sowohl hinsichtlich ihrer tatbestandlichen Grundlagen, namentlich des einvernehmlichen Vollzugs wie ihrer Rechtsfolge der schlussendlichen Abwicklung sich nicht recht stimmig erweisen. Klärungsbedürftig erscheint aber vor allem, welche die Anfechtung auf die Legitimationswirkung des Mehrheitsbeschlusses hat. a) Beeinflussung der Legitimationsgrundlagen durch die Anfechtung Hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen der LfG ist zwar der Ausgangspunkt richtig, wonach auch der fehlerhafte Mehrheitsbeschluss Legitimationsgrundlage der fehlerhaften Organisationsänderung sein kann.264 Das rechtspolitische Konzept einer Verallgemeinerung dieser Aussage zur Vermeidung potentiell nachteiliger Folgen für das Unternehmen muss aber schon deshalb näher hinterfragt werden, weil gesetzeswidriges Verbandshandeln generell nicht unter dem Schutz der Rechtsordnung steht und der Einzelne dem Mehrheitsprinzip nur insoweit unterworfen ist, wie dessen Gebrauch mit die261 Vgl. dazu die Vorschläge des Arbeitskreises Beschlussmangelklage, AG 2008, 617 ff.; dazu näher u. § 22 B. II. u. III. 262 So widmen selbst so umfassend angelegte Abhandlungen wie die von Kort zum Bestandsschutz fehlerhafter Beschlüsse und Schäfer zum fehlerhaften Verband der Frage nach einer Beeinflussung der Fehlerlehre durch das Unwirksamkeitsverfahren so gut wie keinen Raum. 263 Man denke hierzu an die Einstellung von Produktlinien im Interesse einer anderen Konzerngesellschaft, an die Übertragung von Betriebsteilen auf Schwestergesellschaften usw. Aber auch Veränderungen in der Beteiligungsstruktur können bleibende Wirkung haben, wenn sie dazu genutzt wurden um Gestaltungsmaßnahmen nach dem Willen des herrschenden oder – etwa beim Squeeze Out – allein verbleibenden Gesellschafters umzusetzen. 264 S. o. A. II. 2.
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ser in Einklang steht. Auch die ex nunc-Begrenzung der § 123 BGB-Anfechtung, wie sie die h. M. im Rahmen der LfG bei der Gründung annimmt, kann nicht „erst recht“ die Lösung sein. Obwohl arglistige Täuschung und Drohung sicherlich Beispiele eklatant rechtswidrigen Handelns sind, leidet eine dazu gezogene Parallele daran, dass es hierbei nicht um die Rückwirkung einer ex post erklärten Gestaltungserklärung geht, sondern um die gänzlich anders gelagerte Frage, ob der Beschluss trotz anfänglichen Widerspruchs in Form der Klage ex ante ein tragfähiges Willenselement i. S. d LfG sein kann. Ebenso wenig ausreichend ist es, für eine Erstreckung der LfG auf die Anfechtungssituation beim Verkehrsschutzgedanken anzusetzen.265 Denn er greift hier stets – d. h. auch bei fehlerhaften Unternehmensverträgen – allenfalls, wenn der Beschluss in das Handelsregister eingetragen ist, und ob dies trotz der Anfechtung geschehen kann, ist ja gerade die Frage. Schließlich kann auch nicht darauf verwiesen werden, die konzernrechtlichen Ausgleichsmechanismen geböten eine Anerkennung des fehlerhaften Unternehmensvertrags ex ante. Denn diese gelten zunächst für den rechtmäßigen Unternehmensvertrag, und wiederum unterscheidet sich die Beurteilung einer Organisationsänderung, deren Fehlerhaftigkeit sich im Nachhinein herausstellt grundlegend von derjenigen des anfänglichen Widerspruchs gegen eine potentiell fehlerhafte Maßnahme. Keineswegs kann man bei der Klage auch von „einvernehmlichem“ Vollzug sprechen, mag dieser auch von der überwiegenden Mehrheit gewollt sein. b) Reichweite des Mehrheitsprinzips Die Lösung der Frage, zu wessen Lasten das Risiko einer Fehleinschätzung der Wirksamkeit geht, wird man in der Reichweite des Mehrheitsprinzips und der ihm durch den Minderheitenschutz gesetzten Grenzen suchen müssen. Als Grundfrage lässt sich formulieren: Gebietet das Mehrheitsprinzip bei der Kapitalgesellschaft, dass die Willensbildung auch dann als wirksam anzusehen ist, wenn dagegen Widerspruch oder Klage erhoben worden sind und deshalb vom Erfordernis der einvernehmlichen Vollziehung abzuweichen ist?266 Die Entscheidung hierüber lässt sich zunächst nicht der Auffassung der Mehrheit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit ihres Standpunkts unterwerfen. Dass die Mehrheit den von ihr dokumentierten Willen als rechtmäßig ansieht, darf vorausgesetzt werden. Sie ist vielmehr aufgrund des Legitimationsgehalts der Mehrheitsmacht zu treffen. Sie liegt zwar, ähnlich wie die eines Vertrags, in der „Richtigkeitsgewähr“ einer privatautonomen Entscheidung und der Sicherung der Handlungsfähigkeit des Verbands. Die „Richtigkeitsgewähr“ bezieht sich aber nur auf die Zweckmäßigkeit. In Hinblick auf die Wahrung von Gesetz und Satzung ist sie pflichtgebunden. Deswegen kann auch nicht gesagt 265 266
So aber Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 38 f. Vgl. so im Ausgangspunkt auch Hommelhoff, ZHR 158 (1994), 11, 37.
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werden, „wer sich an einer Kapitalgesellschaft beteiligt, unterwirft sich dem Mehrheitsprinzip mit dem Risiko, dass die Mehrheit einen von ihr gefassten Beschluss auch dann für wirksam ansieht, wenn dagegen Widerspruch oder Klage erhoben ist“.267 So unzweifelhaft das Recht einer daraus abzuleitenden ex tunc wirkenden Abwehrklage damit als institutioneller Vorbehalt anzuerkennen ist,268 so schwierig wird die Beurteilung, ob dies in jedem Einzelfall zu geschehen hat. Denn die kategorische und uneingeschränkte Projizierung des institutionellen Minderheitenschutzes auf den konkreten Sachverhalt hätte zur Folge, dass die Legitimationswirkung der Mehrheitsentscheidung in Gefahr wäre, und zwar – wie Hommelhoff zu Recht hervorhebt269 – allein aufgrund eines behaupteten und nicht erst eines nachgewiesenen Rechtsverstoßes. Gegenüber stehen sich mit der Mehrheitsmacht auf der einen Seite und dem Minderheitenrechtsschutz auf der anderen Seite damit zwei Positionen, von denen der einen im Einzelfall nicht zur Geltung verholfen werden kann, ohne dass die jeweils andere aufgegeben wird. c) Ausgleich der widerstreitenden Positionen im Registerverfahren Zu erwägen ist, ob das durch die Klage zunächst geschaffene Legitimationsdefizit im Rahmen des Registerverfahrens dergestalt behoben wird, dass bei den § 246a AktG-Beschlüssen nicht nur die Eintragung als solche möglich wird, sondern diese zugleich mit zumindest bis zu einer späteren Kassation reichenden Bestandswirkung ausgestattet ist. Ähnlich wie bei der Interessenabwägung270 fragt sich auch hier, welche Folgerungen man aus dem bei § 246a AktG geübten Verzicht auf eine Registersperre ziehen kann. Im Ausgangspunkt spricht dabei vieles dafür, dass die damit eröffnete Eintragung zugleich den wenigstens vorrübergehenden Bestand der Strukturänderung sichern muss, weil die Eintragung anderenfalls weitestgehend entwertet werden würde. Das allein scheint konsequent, setzt aber voraus, dass die in der Klage widerstreitenden Positionen schon im Registerverfahren berücksichtigt werden können. Entscheidend ist dabei weniger, ob die Eintragung Bestandsschutz genießt, sondern welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen, um mittels einer die Beschlussmängelklage überwindende Negativprognose die fehlende Einvernehmlichkeit des Vollzugs zu überwinden. Dahingehend wurden bereits Bedenken hinsichtlich der Eignung des Registerverfahrens zur Beurteilung der Klage und dessen Notwendigkeit angesichts der zur Verfügung stehenden Freigabealternative geäußert.271 Grundsätzlich 267
So aber Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 38 f. S. o. § 6 B. 269 Hommelhoff, ZHR 158 (1994), 11, 27 u. 28 f. 270 S. o. § 4 B III. 271 Raum hierfür besteht überhaupt nur, wenn den Interessen der Gesellschaft wegen der besonderen Eilbedürftigkeit des Vollzugs auch durch das Freigabeverfahren nicht geholfen werden kann (vgl. § 1 B. IV.). 268
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
abgewichen werden sollte hiervon allenfalls im Stadium vor der Klageerhebung, und zwar insbesondere dann, wenn kein Widerspruch zu Protokoll (§ 245 Nr. 1 AktG) gegen den Beschluss eingelegt wurde.272 aa) Situation vor Klageerhebung Denn obwohl eine Klage durch den Widerspruch zu Protokoll nicht ausgeschlossen wird (vgl. § 245 Nr. 2 AktG), ist die „Einvernehmlichkeit des Vollzugs“ jedenfalls nicht von vornherein so gestört, dass eine Bestandsschutzregelung sich von den Grundsätzen der LfG zu weit entfernen würde. Selbst wo Widerspruch zu Protokoll eingelegt wurde, erscheint das allerdings nicht von vornherein ausgeschlossen. Sachgerecht dürfte es vielmehr sein, die Aussetzung und den Bestandsschutz davon abhängig zu machen, ob die spätere Klageerhebung wahrscheinlich ist, was der Fall ist, wenn es begründete Anzeichen für ein späteres Anfechtungsverfahren gibt. Der Widerspruch zu Protokoll allein genügt hierfür noch nicht, weil er nicht automatisch in einer Anfechtungsklage mündet273 und auch an keinerlei Voraussetzungen geknüpft ist: So muss ihn der Aktionär nicht begründen,274 er kann nach h. M. Widerspruch „gegen alle gefaßten Beschlüsse“ (genereller Widerspruch)275 und dies auch schon vor Beschlussfassung (Vorabwiderspruch)276 tun. Damit verblasst die Aussagekraft derartiger Erklärungen277 in einer Weise, die es nicht angemessen erscheinen lässt, das Eintragungsverfahren und einen damit verbundenen Bestandsschutz allein deshalb schon zu blockieren. Demgemäß ist dem Widerspruchsführer abzuverlangen, seine Klageabsichten durch einen substantiiert begründeten „Antrag“ auf Aussetzung zu dokumentieren. Dieser ist im Registerverfahren wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes zwar lediglich als „Anregung“ anzusehen.278 Um die Pflicht zur Prüfung der Aussetzung durch den Registerrichter auszulösen, muss der Aktionär sein Klagevorhaben dabei ausdrücklich benennen, den gegebenenfalls noch erforderlichen Bezug zwischen Widerspruch und Beschlussgegenstand herstellen und den Grund zumindest umschreiben, aus dem sich seiner Meinung nach Zweifel an der Rechtmäßigkeit ergeben sollen. Bedenken gegen eine derartige „Beibringungsobliegenheit“ wegen des in der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes bestehen dabei nicht. Wird dieser Obliegenheit 272
S. o. § 1 B. IV. OLG Jena AG 2006, 417; Priester, EWiR 2005, 329. 274 Vgl. etwa Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 245 Rn. 14; eingehend Noack, AG 1989, 78, 80. 275 RGZ 30, 50, 52; 36, 24, 26. 276 Zur Zulässigkeit OLG Jena AG 2006, 417; ablehnend dagegen LG Frankfurt, ZIP 2005, 991, 992 u. ZIP 2006, 335, 339 jeweils unter Hinweis auf Kubis, in MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 130 Rn. 7. 277 Das gilt umso mehr, als auch dazu geraten wird, schon bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit, also vorsorglich Widerspruch einzulegen (so etwa Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 245 Rn. 16). 278 Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl., § 127 Rn. 11; Knöringer, FGG, 4. Aufl., § 6 VI, (S. 17). 273
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nicht entsprochen, erscheint es angemessen, die Eintragung nicht nur vorzunehmen, sondern ihr zugleich einen bis zur späteren Kassation reichenden Bestandsschutz zukommen zu lassen. bb) Situation nach Klageerhebung Nach Klageerhebung gelten die bereits an anderer Stelle herausgestellten Grundsätze: Der Gesellschaft steht das Freigabeverfahren offen, und es besteht keine Veranlassung, dessen Voraussetzungen zu unterlaufen, sofern dem Vorhaben der Gesellschaft wegen besonderer Eilbedürftigkeit nicht die Vereitelung droht.279 Für eine sofortige Eintragung können darüber hinaus nur diejenigen Fälle verbleiben, in denen die rechtliche Beurteilung ohne weitere Aufklärung in der Sache ergibt, dass die Klage unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt Erfolg haben kann oder ein Fall offenkundigen Rechtsmissbrauchs vorliegt. Das entspricht dem vom BGH schon in der Hypothekenbankschwestern-Entscheidung280 formulierten Prüfungsmaßstab, nur dieser trägt den begrenzten Erkenntnismöglichkeiten des Registergerichts einerseits wie der Bedeutung der Eintragung der Strukturmaßnahme und ihrer Folgen andererseits Rechnung.281 Und nur eine derart offensichtlich unbegründete Klage vermag den Legitimationsanspruch der Mehrheitsentscheidung schon im Ansatz nicht zu erschüttern. 3. Fazit Die Einvernehmlichkeit des Vollzuges ist nicht nur für die Anerkennung der Gesellschaftsgründung, sondern auch für den Bestandsschutz der fehlerhaften Strukturveränderung Grundvoraussetzung. An ihr fehlt es in der Anfechtungssituation. Der Bestandsschutz der streitigen Strukturmaßnahme muss daher auf andere Art und Weise legitimiert werden. Ein mit Bestandsschutz zu versehender Vollzug außerhalb der Freigabe kann demgemäß nur dann als vertretbar angesehen werden, wenn kein Widerspruch zu Protokoll eingelegt wurde oder dies zwar geschehen ist, die Klageerhebung aber nicht wahrscheinlich erscheint bzw. wenn die Sache unter keinem Gesichtspunkt Erfolg verheißt. In diesem Fall erscheint nicht nur die Eintragung, sondern zugleich deren bis auf weiteres reichender Bestandsschutz trotz des Freigabeverfahrens legitimiert. 279
S. o. § 1 B. III. u. IV. BGHZ 112, 9. 281 Diese Maximen schaffen für die Gesellschaften gegenüber umwandlungsrechtlichen Beschlüssen mit formeller Registersperre durchaus Spielraum. So gibt es nach Bekunden der forensischen Praxis eine Vielzahl von „Klagen“ gibt, die zwar formell als solche anzusehen sind (§ 253 ZPO) – und die deswegen die Blockadewirkung des § 16 II UmwG auslösen – tatsächlich aber jeder nachvollziehbaren und auf den konkreten Beschluss bezogenen Begründung entbehren. Häufig genanntes Beispiel sind Schriftsätze, in denen sich die Begründung auf den Satz „Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts“ beschränkt. 280
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
II. Eintragungen entgegen bestehender Registersperre Wie an anderer Stelle dargelegt, darf bei Bestehen einer Registersperre vor dem Ablauf der Klagefrist keine Eintragung erfolgen.282 Es besteht keine Veranlassung eine an einem derart schwerwiegenden Fehler leidende Eintragung auch noch mit einem – wenn auch nur vorübergehenden – Bestandsschutz auszustatten. Schutzbedürftig ist die Gesellschaft allerdings bei einer Zustellung der Klage „demnächst“ (§ 167 II ZPO), weil die Sperrwirkung nach Ablauf der Klagefrist grundsätzlich zu enden hat.283 Es wäre inkonsequent, einer solche Eintragung Bestandswirkungen abzusprechen, zumal der Kläger nach dem oben Gesagten284 bei einer Klageerhebung gegen Ende der Anfechtungsfrist dazu angehalten ist, das Registergericht von seinem Tun zu informieren.
C. Zusammenfassung 1. Bei der Anwendbarkeit der LfG auf die fehlerhafte Strukturänderung ist zwischen einvernehmlich durchgeführten und mit der Beschlussmängelklage angegriffenen Organisationsmaßnahmen zu unterscheiden. Grundvoraussetzung ist bei beiden der Tatbestand eines Hauptversammlungsbeschlusses, bei mehraktigen Strukturänderungen bedarf es zusätzlich des organisationsrechtlichen Rechtsgeschäfts mit dem dieser ausgeführt wird. Nicht eindeutig beurteilt werden bislang die Anforderungen an das Vollzugsmoment und die Notwendigkeit der Handelsregistereintragung. Bejaht hat die Rechtsprechung sie lediglich für die Verschmelzung. Umstritten ist, ob ein ohne Registrierung angenommen werden darf. Dieser von der Rechtsprechung im Rahmen der Entwicklung des GmbH-Konzernrechts eingenommene Standpunkt scheint sich gegen die Kritik im Schrifttum verfestigt zu haben. Für ihn sprechen trotz der konstitutiven Wirkung der Handelsregistereintragung (§ 294 AktG), dass der materielle Einzelausgleich sonst nicht zum Tragen käme sowie das in § 296 II AktG zum Ausdruck kommende Verbot einer rückwirkenden Beseitigung des Vertrages. Anders als bei §§ 291, 292 AktG kann für die Anerkennung der Mehrheitseingliederung und dem Squeeze Out nach der LfG auf die Handelsregistereintragung nicht verzichtet werden, da nur diese den in §§ 320a, 327e III 1 AktG vorgesehenen Rechtsübergang bewirken kann. 2. In der Anfechtungssituation begegnet die LfG dem Problem, dass der die Strukturänderung tragende Mehrheitsbeschluss als Legitimationsinstrument zweifelhaft ist und auch keine Einvernehmlichkeit des Vollzugs festgestellt werden kann. Beides ist unverzichtbar, da das Mitglied nur in den Grenzen von Gesetz und Satzung der Willensbildung bzw. der fehlerhaften Maßnahme 282 283 284
BGH WM 2006, 2173; weitere Nw. näher bereits o. § 1 A. II. 1. S. o. § 1 A. II. 2. S. o. § 1 B. IV.
§ 19 Bestandsschutzwirkungen der aktienrechtlichen Freigabe
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aufgrund seiner eigenen Beteiligung unterworfen werden kann und ihm Gelegenheit gegeben werden muss sich hierauf zu berufen. Ein anderes Ergebnis entspräche der für überwunden geglaubten faktischen Gesellschaft. Ein Ausgleich der damit widerstreitenden Positionen von Mehrheitsmacht und Minderheitenschutz ist bei Beschlussgegenständen ohne Registersperre möglich. Die Eintragung vermag den Tatbestand des „einvernehmlichen Vollzugs“ in der Situation vor Klageerhebung insoweit zu ersetzen, als der Kläger seine Absicht zur Klageerhebung nicht hinreichend dargetan hat; danach allenfalls, wenn die Eintragung nach den von der Hypothekenbankschwestern-Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen erfolgt. Im Übrigen ist die Gesellschaft auf das Freigabeverfahren nach § 246a AktG zu verweisen. Eine der Registersperre zuwider erfolgte Eintragung kann nur dann Bestandsschutz beanspruchen, wenn die Klagezustellung nach Ablauf der Anfechtungsfrist „demnächst“ (§ 167 II ZPO) erfolgt und der Kläger seiner Mitteilungsobliegenheit gegenüber dem Registergericht nicht entsprochen hat.
§ 19 Bestandsschutzwirkungen der aktienrechtlichen Freigabe Die unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze eingetragenen Beschlüsse genießen einen vorrübergehenden Bestandsschutz nach der LfG, obwohl zuvor kein Freigabeverfahren durchlaufen wurde. Im Folgenden richtet sich der Blick auf die aus der Unbedenklichkeitsentscheidung resultierenden Rechtsfolgen.
A. Das umwandlungsrechtliche Modell als Regelungspate Hinsichtlich der Bestandsschutzwirkungen der Freigabe standen sich im Aktienrecht mit dem Verfahren nach § 246a AktG und nach §§ 319 VI, 327e II AktG bis zum ARUG zunächst zwei unterschiedliche Regelungsvarianten gegenüber. Wohingegen die §§ 319 VI, 327e II AktG bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei über die LfG hinausgehende Bestandsschutzregelung, also auch keinen Ausschluss im Wege der Folgenbeseitigung gem. § 16 III 9 UmwG kannten, war für § 246a AktG von Anfang an die Aufnahme der Bestandsfestigungsformel des „Unberührtlassens von Beschlussmängeln“ in den Tenor der Freigabeentscheidung (vgl. § 246a I AktG) vorgesehen. Verstärkt wird sie darüber hinaus durch die – von der Tenorierung unabhängige – Wiederholung dieses den §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG entlehnten Satzes in § 246a IV 2 AktG. Dieser unterscheidet sich allerdings von der Tenorierung dadurch, dass die Formel, wonach „Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkungen der Eintragung unberührt lassen“ hier nicht auf die Strukturverände-
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
rung als solche, sondern deren „Durchführung“ bezogen wird.285 Postuliert wird dabei als Prinzip, schnellen Rechtsschutz mit Bestandsschutz zu kombinieren.286 Der Gesetzgeber des ARUG hat dieses „im Interesse einer einheitlichen Regelung“287 auf die Verfahren nach §§ 319 VI, 327e II AktG übertragen.
B. Legitimation des Prinzips I. These von der Vergleichbarkeit mit der Verschmelzung als Ausdruck einer Angemessenheitsbewertung dauerhaften Bestandsschutzes Ähnlich wie in anderen Bereichen des Verbandsrechts muss man hinterfragen, ob das Überspielen einer Regelung, wie es hier nicht zwischen verschiedenen Rechtsformen, aber zwischen verschiedenen Beschlussgegenständen erfolgt, legitimiert ist. Wie bei den Bestandsschutzwirkungen des Umwandlungsrechts ist das zunächst Gegenstand einer Angemessenheitsbewertung, die jegliche Vereitelung der Kassationswirkung auch unter Berücksichtigung verfassungskonformer Betrachtung als sachgerecht erscheinen lassen muss. Ihr ist daher für die relevanten Beschlussgegenstände des Aktienrechts wie zuvor beim UmwG nachzugehen. Die Notwendigkeit hierzu besteht allerdings aus zwei Gründen in eindringlicherer Form. Zum einen erweisen sich dazu im Schrifttum vorzufindende Vergleiche mit der Verschmelzung als eher pauschal.288 Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die grundlegenden Vorarbeiten im Schrifttum nur auf einen Ausschluss der ex nunc-Vernichtbarkeit bezogen haben und einer Abwicklung zumindest bei verhältniswahrenden Kapitalveränderungen auch keine unüberwindlichen Schwierigkeiten entgegenstehen.289 Noch weniger selbstverständlich ist die zur Verschmelzung gezogene Parallele bei anderen Arten der Kapitalerhöhung und bei Unternehmensverträgen, für die der Gesetzgeber des AktG 1965 eine gegenteilige Ein-
285
S. o. § 8 B. II. 2. Bayer, NJW 2000, 2609, 2614; vgl. auch Winter, in FS Ulmer (2003), S. 699, 702 ff. 287 So die BegrRegE, Drucks. 16/11642, S. 42 f. 288 Vgl. Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 49; Winter, in FS Ulmer (2003), S. 699, 702 ff. mit dem Hinweis, das Regelungsbedürfnis für irreversible Bestandswirkungen „könne“ genauso ausgeprägt sein, wie bei der Verschmelzung. 289 So auch schon Zöllner, AG 1993, 68 ff. Richtig ist allein, dass die Einbringung eines anderen Unternehmens im Wege der Sachkapitalerhöhung zu dessen Konzernierung führt und diese durch spätere Eingliederung häufig das Erlöschen der eingebrachten Gesellschaft mit sich bringt, so dass es in diesem Punkt Übereinstimmung mit der übertragenden Verschmelzung gibt. Allein aus der Kapitalerhöhung und ihrer Durchführung folgt das aber keineswegs. Hinzu kommt als weiterer Gesichtspunkt, dass die Bewertungsrüge des § 255 II AktG nicht nur der Abwehr unmittelbar eintretender Verwässerungsschäden dient, sondern auch die Gesellschaft vor einer nicht ausgleichsfähigen Fehlallokation ihrer finanziellen Ressourcen schützt. Insoweit ist die Gesellschaft möglicherweise auf einen – effektiven(!) – primärrechtlichen Rechtsbehelf angewiesen, der mit einem dauerhaften Bestandsschutz unvereinbar sein könnte. 286
§ 19 Bestandsschutzwirkungen der aktienrechtlichen Freigabe
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schätzung vertreten hat,290 und die der für die Eingliederung und den Squeeze Out durch den Verzicht auf jeglichen Bestandsschutz im Jahre 2002 auch nochmals bestätigt hatte.291 II. Bestandsschutz und Kassationsrecht Wie bereits im Rahmen des umwandlungsrechtlichen Bestandsschutzes soll zudem die Frage nach dem Schicksal des Kassationsrechts nicht mehr offenbleiben.292 Insoweit ist zu klären, ob dem Konzept eines allein auf die Kassationswirkungen bezogenen Bestandsschutzes gefolgt werden kann oder ob dieser nicht auch das mit der Anfechtungsklage geltend gemachte Beschlusskontrollrecht des Mitglieds erfasst. Diese Frage stellt sich im Aktienrecht einerseits in gleicher Weise wie im UmwG. Andererseits erscheint sie umso mehr klärungsbedürftig, weil das Regelungsvorbild der §§ 20 II pp. UmwG, dessen man sich für die §§ 246a, 319 VI, 327e AktG bedient, im Umwandlungsrecht – wie gesehen gar – keinen Bezug zum Freigabeverfahren aufweist, sondern Ausdruck einer ohne Unwirksamkeitsverfahren durch Eintragung und Präklusion eintretenden Heilung ist.293 Ausgehend davon wird im Folgenden zunächst die Legitimationsfähigkeit einer von den §§ 246a, 319 VI, 327e II AktG ausgehende dauerhaften Bestandsschutzwirkungen im Einzelnen – d. h. maßnahmenspezifisch – untersucht. Im Anschluss ist auf die Auswirkungen auf das Kassationsrecht des Mitglieds einzugehen.
C. Bestandsschutz von freigegebenen Kapitalmaßnahmen I. Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln Als weitgehend plausibel erweist sich der Topos einer finalen Verfestigung des Beschlusses bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, bei der eine Umwandlung von Kapital- oder Gewinnrücklagen in Grundkapital stattfindet (§ 207 I AktG). Zwar erwerben die Aktionäre durch die dabei ausgegebenen „Gratisaktien“ in der Regel nichts, weil sich dabei Wert und Börsenkurs der alten Aktien gleichzeitig reduzieren. Es besteht jedoch weder die Gefahr einer individuellen Vermögenseinbuße noch der nachteiliger Folgen für die Vermögenssituation der Gesellschaft. Mit dem Recht der Anfechtung eines Beschlusses nach § 207 AktG zu bewahren sind zwar auch die beschlussverfahrensmäßigen Rechte des Mitglieds. Die verbleibende Möglichkeit einer fehlerhaften rechtlichen Würdigung durch das Freigabegericht erscheint aber 290 291 292 293
S. o. Einleitung A. u. § 8 B. II. 2. Dazu § 8 B. II. 3. u. 4. Vgl. dazu § 20 B. III. S. dazu o. § 14.
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
eher in Kauf zu nehmen als bei Inhaltsverstößen. Es besteht auch ein Bedürfnis für Bestandsschutz. Dieses resultiert aus der Liquiditäts- bzw. Vermögensbelastung der Gesellschaft, die bei der Rückabwicklung einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln eintritt, wenn Einziehungsentgelte (§ 237 II AktG) zurückzuzahlen sind bzw. wenn Gläubigern entsprechend § 225 AktG Sicherheit zu leisten ist.294 II. Effektive Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht 1. Ordentliche Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen Auch für Formen der effektiven Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht der Altaktionäre erscheint ein dauerhafter Bestandsschutz begründbar, und zwar ohne dass es darauf ankommt, ob diese im Wege der Kapitalerhöhung gegen Einlage (§§ 183 ff. AktG) oder des genehmigten Kapitals (§§ 202 ff. AktG) erfolgt. Zwar kann es sein, dass die Altaktionäre dadurch einen Verwässerungsschaden erleiden, dass sie an der Kapitalerhöhung nicht teilnehmen können oder wollen, was als Nachteil aber – sieht man von gewissen Ausnahmen, wie etwa der einer bewussten Ausnutzung von Liquiditätsschwierigkeiten eines Gesellschafters im maßgeblichen Zeitpunkt oder Schmälerung des Bezugsrechts durch Festlegung von unangemessener Ausgabebeträge ab – von diesen zu tragen ist.295 Ist der Aktionär nicht Willens die Kapitalerhöhung mit zu tragen, so erwächst daraus selbstredend ebenfalls kein maßgeblicher Einwand. Entscheidend ist allein die ihm eingeräumte Möglichkeit des Bezugsrechts.296 Auch hier besteht zwar ein Bedürfnis für die Wahrung der beschlussverfahrensmäßigen Rechte, doch erscheint bei einer auf hinreichende rechtliche Würdigung gestützten Freigabe hieraus kein durchgreifender Einwand gegen einen dauerhaften Bestandsschutz herzuleiten. 2. Genehmigtes Kapital a) Ausübungsbeschluss Der Ausnutzung genehmigten Kapitals durch den Vorstand kann nicht mit der Anfechtungsklage, sondern nur mit der von der Rechtsprechung neuer-
294
Vgl. hierzu auch Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 51. Vgl. zum finanziellen Unvermögen noch § 279 BGB a. F.; zur weiteren Geltung des Rechtsgedankens etwa Jauernig, BGB, 12. Aufl., § 275 Rn. 2 u. 18; zur Treuwidrigkeit unangemessener Spitzenbeträge BGHZ 142, 167. 296 Einzuräumen ist, dass sich ein dringendes Bedürfnis für den Erhalt der verhältniswahrenden Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen nicht durch eine Parallele zur Gesellschaftsgründung oder dem Beitritt begründen lässt, ebenso wenig wie mit der Unmöglichkeit der Abwicklung der Innenbeziehung (vgl. auch Zöllner, AG 1993, 68 ff.). Es folgt aber daraus, dass die Liquiditätssituation der Gesellschaft auch hier durch die Rückabwicklung zumindest wegen des Gläubigerschutzes belastet würde (§ 225 AktG). 295
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dings zugelassenen Unterlassungsklage begegnet werden.297 Wegen der dabei nicht bestehenden Informationspflicht über die Ausnutzung298 spielt dieses Instrument in der Praxis allerdings keine große Rolle.299 Zudem folgt aus dem Umstand, dass der Vorstandsbeschluss nicht angefochten werden kann, dass er auch nicht unmittelbar Gegenstand einer Freigabeentscheidung nach § 246a AktG sein kann.300 b) Ermächtigungsbeschluss Fraglich ist aber, wie die Rechtslage für den Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung i. S. d. § 202 II AktG zu würdigen ist. Hier besteht die Möglichkeit zur Anfechtung, und es könnte abweichend von dem soeben Gesagten mit Krieger der Einwand erhoben werden, für einen konsequenten Bestandsschutz bestehe trotz Erhalt des Bezugsrechts kein Bedürfnis, da mangels Durchführung auch keine Rückabwicklungsschwierigkeiten bestünden. Das spräche dafür, es bis zur Ausnutzung des genehmigten Kapitals ohne weiteres bei den allgemeinen Nichtigkeitsfolgen zu belassen.301 Überzeugen kann das allerdings nicht. Die Situation entspricht derjenigen bei der Heilung noch nicht vollzogener Beschlüsse.302 Wie dort hat die Kapitalerhöhung nur unzureichende Aussicht auf Akzeptanz, wenn sie unter dem Damoklesschwert der Vernichtbarkeit steht. Schon vor Ausnutzung besteht ein Bedürfnis nach Rechtsklarheit, etwa wenn es darum geht, ob Vorratsbeschlüsse zur Abwehr von Übernahmen umgesetzt werden können. 3. Bedingtes Kapital Letzteres gilt prinzipiell auch für das noch nicht genutzte bedingte Kapital (§§ 192 ff. AktG), da vor Finanzierungsmaßnahmen wie etwa der Begebung von Wandelschuldverschreibungen Klarheit bestehen sollte, ob die darin enthaltenen Umtauschrechte bestehen oder nicht. Gleichwohl ist im Schrifttum sogar der Aufrechterhaltung der durchgeführten Ausnutzung genehmigten Kapitals widersprochen und einer Anwendung des allgemeinen Leistungsstörungsrechts der Vorzug gegeben worden.303 Die Gläubiger von Wandel- und Optionsanleihen wären danach hinsichtlich ihrer Umtausch- und Bezugsrechte nicht durch die Wirksamkeit der Kapitalmaßnahme, sondern insbesondere durch Schadensersatzansprüche zu schützen. Die Nichtigkeit des beding297
BGHZ 164, 249 (Mangusta/Commerzbank). BGHZ 164, 241 (Mangusta/Commerzbank). 299 Vgl. Nietsch, WuB II A. § 202 AktG 1.06.; zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Vorschriften betreffend die Ausübung aber OLG Frankfurt a. M. ZIP 2011, 1613 f. 300 Nachdenken könnte man lediglich über eine entsprechende Anwendung, damit die Gesellschaft trotz Unterlassungsklage die Eintragung erwirken kann. Doch soll das hier nicht vertieft werden. 301 Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 50. 302 Vgl. Stein, ZGR 1994, 473 ff. 303 Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 50 f. 298
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
ten Kapitals würde die in den Emissionsbedingungen enthaltene Rechtsposition beseitigen. Überzeugen kann das nicht, denn wie § 192 IV AktG zeigt, darf das Bezugsrecht nicht durch entgegenstehenden Hauptversammlungsbeschluss entwertet werden. Zudem würde die Gesellschaft durch die Verpflichtung zum Schadensersatz in gleicher Weise in ihrer Liquidität belastet, wie bei einer Rückabwicklung. Das spricht dafür, den freigegebenen Beschluss über die Schaffung bedingten Kapitals zumindest nach seiner Durchführung als dauerhaft anzuerkennen. III. Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluss Damit konzentrieren sich die Überlegungen auf die Rechtfertigung des dauerhaften Bestandsschutzes einer Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts. Diese kann zwar sowohl gegen Bareinlage wie gegen Sacheinlage erfolgen. Wegen der notwendigen sachlichen Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses nach der Kali und Salz-Rechtsprechung304 wird es sich im Normalfall jedoch um eine Sacheinlage handeln, deren Erwerb im dringenden Interesse der Gesellschaft ist und bei der zu erwarten ist, der damit angestrebte Nutzen werde den verhältnismäßigen Beteiligungs- und Stimmrechtsverlust der vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre aufwiegen. Beruht sie auf fehlerhafter Grundlage, so spricht gegen ihre dauerhafte Anerkennung zunächst die Verdrängung der Altaktionäre. Vor allem aber fragt sich, ob eine solche mit dem das Freigaberecht beherrschenden Prinzip des „dulde und liquidiere“ in Einklang zu bringen ist, mithin, ob es eine solche Rechtsfolge überhaupt ausgleichsfähig ist. Die Problematik erschließt sich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Anlass für die Forderung einer dauerhaften Bestandsregelung gerade die mit einer Abwicklung verbundenen Liquiditätsund Vermögenslasten für die Gesellschaft waren. 1. Regelungsanlass der Bestandskraft a) Liquiditätsbelastung der Gesellschaft Nach den grundlegenden Vorarbeiten des Schrifttums305 hatte sich bereits vor der Regelung des § 246a AktG auf breiter Front die Überzeugung durchgesetzt, dass fehlerhafte Kapitalmaßnahmen in ihrer Gesamtheit nach den Grundsätzen der LfG zu behandeln seien. Diese führte nicht nur zu einer Verlagerung des für die Rückabwicklung maßgeblichen Zeitpunkts, sondern hatte auch für deren rechtlichen Grundlagen eine Verdrängung des Bereicherungsrechts durch das Konzept einer „Teilliquidation“ zur Folge. Danach sollten 304
BGHZ 71, 40. Vgl. Zöllner, AG 1993, 68 ff.; Zöllner/Winter, ZHR 158 (1994), 59 ff.; Winter, in FS Ulmer (2003), S. 699, 702 ff.; vgl. auch U. Huber, in FS Claussen (1997), S. 147 ff.; Kort, ZGR 1994, 291, 306; ders., Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 200 ff.; Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 47; K. Schmidt, in Großkomm AktG, § 248 Rn. 7. 305
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die Erwerber, deren Aktien durch das Anfechtungsurteil vernichtet wurden, zum anteiligen Unternehmenswert, d. h. unter Einschluss der stillen Reserven in bar abgefunden werden.306 Allerdings galt das nur, wenn der Ausgabebetrag angemessen war und für eine Anpassung der Abfindungsberechnung kein Bedarf bestand (mithin bei einer Anfechtung wegen Verfahrensmängeln oder fehlender sachlicher Rechtfertigung). Anderes musste daher für die erfolgreiche Anfechtungsklage gelten, welche (allein oder zusätzlich) auf die Bewertungsrüge des § 255 II AktG gestützt war. Hier hätte eine Abfindung unter Zugrundelegung der Beteiligungsquote vor Vernichtung der jungen Aktien die, die Kassation tragende, Fehlbewertung in die Abwicklung hinein fortgetragen. Der Kläger hätte gerade die Verwässerung erlitten, vor den ihn die Anfechtungsklage schützen sollte. Daher musste durch eine Unternehmensbewertung – und bei einer Sacheinlage durch deren erneute Bewertung – ermittelt werden, wie viele junge Aktien der Zeichner bei zutreffender Ermittlung der Relation zwischen Einlagewert und Unternehmenswert erhalten hätte. Aufgrund der so angepassten Beteiligungsquote und des Unternehmenswerts im Zeitpunkt der Nichtigerklärung der Kapitalerhöhung war dann der Abfindungsanspruch zu ermitteln.307 Diese Lösung brachte nach vielfach verbreiteter Auffassung für die Gesellschaft „unlösbare Liquiditätsprobleme“308 und für den Inferenten, der die Sacheinlage zum Buchwert eingebracht hatte, die Zwangsrealisierung seiner Beteiligung in Form eines – regelmäßig steuerbaren – Barabfindungsanspruchs. Als Unwägbarkeit erwies sich hierbei zudem, dass für die genannte Anpassung der Beteiligungsquote auf den zwischenzeitlich erreichten Wert der Sacheinlage abzustellen war, der je nach Sachlage erheblich über oder auch unter dem Zeitpunkt der Einbringung liegen konnte. b) Fehlende Reparaturkonzepte Vorschläge einer „reparierenden Kapitalerhöhung“ durch Neuvornahme309 sind in der Praxis niemals erprobt worden – auch weil einer solchen aus unterschiedlichen Gründen, namentlich dem erneuten Anfechtungsrisiko und den 306 Auch insoweit grundlegend Zöllner, AG 1993, 68, 75 ff.; ferner Kort, ZGR 1994, 291, 314; ders., Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 215 ff.; Winter, in FS Ulmer (2003), S. 699, 703; a. A. U. Huber, in FS Claussen (1997), S. 147, 153 ff. (Anspruch ohne Beteiligung an den stillen Reserven oder auf Schaffung fehlerfreier Aktien). 307 Näher Zöllner/Winter, ZHR 158 (1994), 59, 89 ff.; Winter, in FS Ulmer (2003), S. 699, 703. 308 Vgl. Winter, in FS Ulmer (2003), S. 699, 704; nunmehr erneut Hoffmann-Becking, in Börsenzeitung vom 11.7.2007, S. 2, zum Vorschlag des DAV, die Bewertungsrüge in das Spruchverfahren zu verlagern und der Gesellschaft wegen „lebensbedrohlichen Liquiditätsentzugs“ anstelle einer Barzahlung die Abfindung durch zusätzliche Anteilsgewährung zu erlauben (NZG 2007, 497 ff.). 309 Auch dazu Zöllner/Winter, ZHR 158 (1994), 59, 82 ff.; Winter, in FS Ulmer (2003), S. 699, 704 f.
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negativ präjudizierenden Feststellungen des vorausgehenden Kassationsurteils, keine Aussicht auf Erfolg zugebilligt wurde. Bei einer Aufhebung wegen Unangemessenheit des Ausgabebetrages oder fehlerhafter Bewertung der Sacheinlage kam eine Wiederherstellung der ursprünglichen Kapitalziffer ohnehin nicht in Betracht. Hier konnte nur eine erneute (Sach-)Kapitalerhöhung unter Einbeziehung des Abfindungsanspruchs erfolgen. Da diese in Abhängigkeit vom Wert der Einlage zu bestimmen gewesen wäre, sich Kassationsurteile nach § 255 II AktG aber nicht zum „wahren Wert“ der Einlage äußern, sondern sich auf die negative Feststellung der „Unangemessenheit“ beschränken, wäre hier ebenfalls der Boden für weitere Folgestreitigkeiten bereitet worden. Für börsennotierte Gesellschaften ging man angesichts der genannten Ausgangslage seitens der emissionsbegleitenden Banken und der Börsenträger dazu über, die Börsenzulassung von Aktien aus Kapitalerhöhungen nur unter einer gesonderten Wertpapierkennnummer vorzunehmen. Damit sollte eine Vermischung potentiell anfechtungsbehafteter und mangelfreier Stücke in der Girosammelverwahrung verhindert werden. Nicht zuletzt wegen der hieraus erwachsenden Hinweispflicht im Börsenprospekt, aber gleichwohl möglicher Haftungsgefahren sah man nach Bekunden der Praxis von der Betreibung der Kapitalerhöhung ab, und zwar selbst in Fällen, in denen das Registergericht zur Eintragung bereit war.310 2. Das Problem der mangelnden Ausgleichsfähigkeit einer fehlerhaften Bestandsentscheidung Besteht der Anlass für eine Behandlung der Kapitalerhöhung als dauerhaft wirksam aber unabhängig von der Börsennotierung namentlich in der Vermeidung von Liquiditätsabflüssen und -belastungen der Gesellschaft, so stellt sich gerade für die problematischste Fallgruppe der Bewertungsrüge nach § 255 II AktG (analog) die Frage, ob sich daran durch die Bestandskraft des Beschlusses etwas ändern lässt, d. h. ob ein im Wege des „dulde und liquidiere“ ein zu berücksichtigender Ausgleichsanspruch entsteht und wen die Ausgleichslast trifft. a) Prinzip des vollen Werts § 255 II AktG dient dem Schutz der vom Bezugsrecht (§ 186 I AktG) ausgeschlossenen Aktionäre vor der vermögensmäßigen Entwertung ihrer Mitgliedsrechte, die zwangsläufig eintritt, wenn zusätzliche Aktien geschaffen werden, ohne dass die dafür geleisteten Einlagen ihrem Wert entsprechen.311 Die Klage ist daher begründet, wenn der im Erhöhungsbeschluss festgesetzte Ausgabe- oder Mindestbetrag unangemessen niedrig ist, d. h. er den Wert der Aktien nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung verfehlt und diese 310 311
So Winter, in FS Ulmer (2003), S. 699, 706; vgl. auch Sauerbruch, GmbHR 2007, 189, 192. Vgl. Hüffer, in MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 255 Rn. 2.
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Wertverfehlung nach den Umständen des Einzelfalls für die Aktionäre objektiv nicht hinnehmbar ist. Entscheidend ist dabei der sogenannte volle Wert des Unternehmens, also der wahre, wirkliche und innere Wert, wie er namentlich für die Ermittlung der Verschmelzungswertrelation und für die Bestimmung der angemessenen Abfindung in anderen Fällen gilt.312 b) Ausgleich durch die Gesellschaft? Im Schrifttum hat namentlich Bayer den Vorschlag unterbreitet, den Schutz der Vermögensinteressen von der – primärrechtlichen – Anfechtungsrüge des § 255 II AktG in das Spruchverfahren zu verlagern,313 ein Ansatz, den zuletzt erneut der DAV propagiert hat.314 Lässt man diesen zunächst außen vor, wird man für die lex lata zu fordern haben, dass eine dem Ausschluss des anfechtungsrechtlichen Primärrechts gleichkommende bestandskräftige Freigabe nur mit einem Wertausgleich in anderer Form einhergeht. Dabei kann zunächst dahingestellt bleiben, ob es sich um einen Schadensersatzanspruch handelt (der allerdings entgegen dem zu § 246 IV 1 AktG Vertretenen nicht nur zugunsten des Klägers, sondern zugunsten aller Aktionäre wirkt)315 oder ob diese Notwendigkeit aus einer Gesamtanalogie zu den Ausgleichsvorschriften der §§ 304 ff., 320b, 327b AktG folgt (bzw. sich hieraus ein allgemeiner Grundsatz dieses Inhalts ableiten lässt).316 Denn allein eine Kompensation kann dem verfassungsrechtlichen Verbot der entschädigungslosen Enteignung entsprechen (Art. 14 III 2 GG).317 Auch der Vorschlag zur Erstreckung des Spruchverfahrens auf § 255 II AktG sieht de lege ferenda vor, dass die in ihrem Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre bei Unangemessenheit des Ausgabepreises von der Gesellschaft einen Wertausgleich durch Barzahlungen beanspruchen können.318 Der DAV ergänzt und erweitert dieses Konzept, in dem er der Gesellschaft erlaubt, dieser Pflicht durch die Gewährung von Anteilen zu entsprechen. Hiermit sollen die durch eine Barausgleichspflicht erwachsenden Liquiditätsbelastungen für die Gesellschaft vermieden werden.319 312 H. M. vgl. BGHZ 71, 40, 51; OLG Stuttgart BB 2000, 1155, 1157; Hüffer, in MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 255 Rn. 15; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl., S. 262 ff.; K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 255 Rn. 12. 313 Vgl. Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 544 ff. 314 Vgl. DAV-Vorschläge, NZG 2007, 497 ff.; zu den früheren Ansätzen bereits HoffmannBecking, ZGR 1990, 482. 315 Vgl. Winter, in FS Ulmer (2003), S. 699, 717 ff.; a. A. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001), Rn. 153.; s. bereits auch schon § 10 A. IV. 316 Krit. wegen der fehlenden Analogiefähigkeit von Verfahrensrechten aber Hirte, WM 1997, 1001, 1005. 317 Krit. zur Geltung des Art. 14 GG aber nunmehr Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615. 318 Vgl. Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 548 ff. 319 Vgl. NZG 2007, 497 ff. u. die Erläuterungen von Hoffmann-Becking, in Börsenzeitung vom 11.7.2007, S. 2.
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Ob es sich hierbei um ein sachgerechtes, die Bestandskraft des Kapitalerhöhungsbeschlusses für sich allein rechtfertigendes Rechtsschutzmodell handelt, muss jedoch bezweifelt werden. Übersehen wird dabei, dass die Barzahlung durch die Gesellschaft ebenso wenig eine Entschädigung der vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre vermittelt wie eine Anteilsgewährung in Form von „Gratisaktien“ bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Wirtschaftlich zahlen die vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre, wie im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln angemerkt,320 den Preis der Fehlbewertung, also ihre „Entschädigung“ selbst. Er besteht entweder darin, dass sich die Zahl der Anteile erhöht und der Wert der Aktien dadurch vermindert oder – bei einer Barzahlung – darin, dass sich die Liquidität der Gesellschaft verschlechtert, was sich – die Effizienz des Marktes unterstellt – ebenfalls in der negativen Bewertung ihrer Anteile niederschlagen muss. Eine graduelle Besserstellung liegt allein darin, dass sich die Verwässerung nunmehr auf alle Aktionäre verteilt, also auch den Erwerber, der zum unangemessen niedrigen Ausgabepreis erwerben konnte trifft. Das ändert aber nichts daran, dass eine Auskehr von Gesellschaftsmitteln stattfindet, die – wenn man sie überhaupt mit den Grundsätzen der Kapitalerhaltung für vereinbar hält321 – kaum im Interesse der Gesellschaft liegen dürfte322 und einer effektive Kompensation der Vermögenseinbußen auf Seiten des Mitglieds eine bloßen Wertverlagerung den Vorzug gibt. Im Ergebnis wird die Gesellschaft nach der Konzeption Bayers und des DAV zweimal unmittelbar geschädigt, nämlich einmal bei der Ausgabe der jungen Aktien unter Wert und ein zweites Mal, weil sie zum Ausgleich der dadurch mittelbar bei den Altaktionären eingetretenen Vermögensminderung herangezogen wird. Der Vermögensvorteil in Form des Anteilserwerbs unter Wert verbleibt bei dieser Konzeption dagegen beim Inferenten. c) Belastung des Inferenten? Ein denkbarer Weg dieses unbefriedigende Ergebnis zu vermeiden könnte darin liegen, den Ausgleich – wie gefordert – in Form von Anteilsscheinen vorzunehmen und den Inferenten vom Bezug auszuschließen. In diesem Fall könnte man den Verwässerungsschaden auf diesen verlagern und einen Ausgleich auf Seiten der Altaktionäre herstellen. Allerdings entspräche dies im 320
S. soeben C. I. Bejahend Vgl. Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 550 f.: Der Gesetzgeber habe es in der Hand, eine entsprechende Ausnahmevorschrift zu schaffen, insbesondere wenn die bare Zuzahlung aus freien Rücklagen der Gesellschaft oder von Dritter Seite geleistet werden könnte, jedwede Gläubigergefährdung deswegen ausgeschlossen sei. So auch mit teilweise abweichender Begründung Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl., S. 242; zust. Hirte, WM 1997, 1001, 1004; Hommelhoff, ZGR 1993, 452, 470; so schon der Vorschlag des Arbeitskreises Umwandlungsrecht, ZGR 1993, 321, 323; a. A. Wiesen, ZGR 1990, 503, 507. 322 So auch Wiesen, ZGR 1990, 503, 507. 321
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wirtschaftlichen Ergebnis einer Rückforderung der ihm unter Wert geleisteten Anteile, die einer nachträglichen Barzahlungspflicht oder einer Einziehung gleichkäme. Eine derartige Belastung des Einbringers soll nach teilweiser Sichtweise jedoch auf keinen Fall in Betracht kommen.323 In der Tat fragt sich, ob eine derart einseitige Inanspruchnahme der bevorteilten Anteilsinhaber des übertragenen Unternehmens zulässig wäre. Einen Anhaltspunkt ergibt sich aus seiner Haftung wegen Zeichnung der jungen Aktien. aa) Differenzhaftung Die Frage war lange Zeit umstritten. Einigkeit bestand zunächst lediglich darin, dass der Erwerber einer verschuldensunabhängigen Differenzhaftung unterliegt, wenn der Wert der von ihm eingebrachten Sacheinlage nicht unwesentlich hinter dem geringsten Ausgabebetrag (§ 9 I AktG) der dafür ausgegebenen Aktien zurückbleibt und die Kapitalerhöhung durch Eintragung wirksam geworden ist.324 Der Grund hierfür liegt im Prinzip der realen Kapitalaufbringung und folgt aus §§ 188 II 1 i. V. m. 36a II 3 AktG, nach teilweiser Auffassung zudem auch aus einer entsprechenden Geltung der §§ 9 I AktG, 56 II GmbHG. Kontrovers diskutiert wurde dagegen lange Zeit, ob sich die Haftung über die Differenz bis zum geringsten Ausgabebetrag der gewährten Aktien auch auf ein darüber hinausgehendes Aufgeld, das Agio, erstreckt.325 Hiergegen gewendet hat sich Lutter mit der Begründung, das Agio sei kein „Kapital“ und insoweit kein Bestandteil des gesetzlichen Kapitalaufbringungsschutzes. Eine etwaige Wertgarantie sei allein auf rechtsgeschäftlicher Grundlage zu vertreten und deshalb vom Parteiwillen abhängig. Ob der Sacheinleger für eine negative Wertdifferenz zum höheren Ausgabebetrag einzustehen habe, sei damit von der Ausgestaltung des Zeichnungsscheins oder des Einbringungsvertrags abhängig.326 Dem pflichtet Hüffer mit der ergänzenden Überlegung bei, aus § 36a II 3 AktG folge allenfalls, dass die mangelnde Werthaltigkeit zur Ablehnung der Eintragung führen könne. Insbesondere greife die Differenzhaftung nicht ein, wenn der Kapitalerhöhungsbeschluss wegen Nichterreichens des Aufgelds für nichtig erklärt werde.327 Als herrschend etabliert hat sich dagegen die Position, wonach die gesetzliche Diffe323 So Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 551, dessen Aussage sich allerdings nicht mit den in Bezug genommen Quellen bestätigen lässt (vgl. a. A. O. Fn. 200); vgl. auch Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 153. 324 Vgl. BGHZ 64, 52, 62; 68, 191, 195; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 183 Rn. 21; Lutter, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 183 Rn. 66; Lutter, BB 1980, 737, 740; Krieger, in Münchener HdB GesR, 3. Aufl., § 56 Rn. 49; K. Schmidt, ZGR 1982, 519, 521 f.; ders., Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 29 II 1 b) (S. 884); Priester, in FS Lutter (2000), S. 617, 621; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl., § 39 Rn. 18. 325 Nähere Darstellung der Begrifflichkeit und der Gestaltungsformen bei Lüssow, Das Agio im GmbH- und Aktienrecht (2005), S. 22 ff. 326 Lutter, in KölnKomm AktG, 3. Aufl., § 183 Rn. 66. 327 Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 183 Rn. 21.
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renzhaftung auch dieses umfasst, was damit begründet wird, dass nach dem sowohl Bar- wie Sacheinlagen zur „Einlage“ gehören (vgl. § 54 I AktG). Hieraus ergebe sich, dass auch das Agio in das Kapitalschutzsystem einzubeziehen sei, was sich zudem daran bestätige, dass der Aktionär im Extremfall seine Mitgliedschaft durch Kaduzierung verlieren könne, wenn dieses nicht geleistet wird. Zudem werde im Anschluss an die Handelsregistereintragung der gesamte Ausgabebetrag bekannt gemacht (§§ 40 I Nr. 2, 190 S. 1 AktG); dies schaffe einen Vertrauenstatbestand über den Haftungsfond der Gesellschaft.328 Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung hat nunmehr für die aus einer verdeckten Sacheinlage folgenden Barzahlungspflicht gefolgert (vgl. § 183 II 3 AktG), dass diese den Ausgabebetrag der Aktien umfasst, sich also nicht lediglich auf den Nennbetrag beschränkt.329 Danach ist allein konsequent, auch bei Unterschreiten des Agios die Haftung anhand der vollen Wertdifferenz zu bemessen. Damit wäre es für die Sachkapitalerhöhung im Ergebnis denkbar, den Inferenten allein wegen Nichterreichens des Aufgelds durch die Sacheinlage in Anspruch zu nehmen. Genau im gegenteiligen Sinne hat der II. Zivilsenat des BGH allerdings für die Verschmelzung durch Aufnahme mit Kapitalerhöhung der übernehmenden Gesellschaft (§ 69 UmwG) entschieden. Bei dieser soll im Fall der Überwertung des Vermögens des aufnehmenden Rechtsträgers grundsätzlich keine verschuldensunabhängige Differenzhaftung eingreifen.330 Zwar bezeichne § 69 I UmwG das zu übertragende Vermögen als „Sacheinlage“. Jedoch bestimme § 69 I 1 UmwG ausdrücklich, dass § 188 II AktG nicht anzuwenden sei. Damit entfalle auch dessen Verweisung auf § 36a II 3 AktG als Grundlage der Differenzhaftung, was nach Ansicht des Senats dem Umstand geschuldet sei, dass die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers ihre Mitgliedschaft in der übernehmenden AG nicht durch Zeichnung neuer Aktien, sondern durch Verschmelzung erlangen und sie hinsichtlich der „Sacheinlage“ auch keine Leistungspflicht übernähmen. Ebenso wenig enthielten die Zustimmungsbeschlüsse eine Kapitaldeckungszusage der Aktionäre. Typischerweise hätten auch die Aktionäre, insbesondere die Minderheits- und Kleinaktionäre keinen Einfluss auf die Bewertung des Gesellschaftsvermögens. Zudem müsste die Haftung auch Aktionäre treffen, die an dem Verschmelzungsbeschluss überhaupt nicht mitgewirkt oder gegen ihn gestimmt hätten.331 328 Vgl. Lüssow, Das Agio im GmbH- und Aktienrecht (2005), S. 200 ff. (zum Meinungsstand S. 192 ff.); Krieger, in Münchener HdB GesR, 3. Aufl., § 56 Rn. 49; Priester, in FS Lutter (2000), S. 617, 621 f.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl., § 39 Rn. 18 (S. 681); Röhricht, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 27 Rn. 105; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 29 II 1 b) (S. 885); Trölitzsch, Differenzhaftung für Sacheinlagen (1998), S. 217 ff., 220 f. 329 Vgl. BGH ZIP 2007, 1751, 1753 (Lurgi); vgl. auch BGH ZIP 2007, 487. 330 BGH ZIP 2007, 487. 331 BGH ZIP 2007, 487, 488; so auch Grunewald, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 69 Rn. 27; vgl. aber Thoß, NZG 2006, 376; Winter, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 55 Rn. 12.
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Mit diesen Überlegungen macht sich die Rechtsprechung für die Verschmelzung durch Aufnahme die Einwände Lutters gegen die Differenzhaftung bei der Sachkapitalerhöhung zu Eigen. Denn deren Ausschluss wird letztlich mit der fehlenden Deckungszusage der auf Seiten des Inferenten beteiligten Aktionäre begründet. Der Hinweis auf die bei der Verschmelzung fehlende Zeichnung bestätigt dies, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um wirtschaftlich vergleichbare Vorgänge handelt. Daher sind auch an einer Differenzhaftung für die Unterschreitung des Agios bei der Sachkapitalerhöhung Zweifel angebracht. bb) Haftung für fehlerhafte Festsetzung des Ausgabebetrags Sodann ist zu bedenken, dass die hier interessierende Bewertungsrüge des § 255 II AktG nicht das Problem der mangelnden Werthaltigkeit der Sacheinlage regelt, sondern vielmehr die unangemessene und daher fehlerhafte Festsetzung des Aufgelds. Sofern der Inferent hierfür haften soll, würde er also nicht nur wegen der Fehlbewertung des einzubringenden Gegenstands (seiner Gesellschaft), sondern – zusätzlich oder allein – der Fehlbewertung der aufnehmenden Gesellschaft in Anspruch genommen. Eine solche Regelung stünde im Widerspruch zum Grundsatz der Begrenzung der Einlagepflicht.332 Danach gilt: Die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung der Einlagen wird durch den Ausgabebetrag der Aktien begrenzt (§ 54 I AktG). Die Obergrenze der Leistungspflicht ist damit abschließend festgelegt, mag sie auch auf einer fehlerhaften Kalkulation beruhen. Insoweit kann keine andere Regelung Platz greifen, als es auch in anderen Fällen der Motivirrtümer der Fall ist. Sie sind grundsätzlich unbeachtlich,333 wofür in der vorliegenden Situation zusätzlich spricht, dass die Unternehmensbewertung erheblichen Unwägbarkeiten unterliegt, ein Beurteilungsspielraum besteht und der Unangemessenheitseinwand weniger der Sphäre des Inferenten als vielmehr der aufnehmenden Gesellschaft entstammt, die bereit ist, den entsprechenden Preis für die als Sacheinlage einzubringenden Anteile zu zahlen. Abgesehen davon wäre eine solche Regelung auch nicht kapitalmarkttauglich. Kaum ein Investor wird sich für eine Anlage entscheiden, deren Preis im Nachhinein rechtsverbindlich und einseitig noch nach oben korrigiert werden kann. cc) Folgerung: Bestandsschutz trotz mangelnder Ausgleichsfähigkeit? Als Zwischenergebnis lässt sich damit festhalten: Ausgleichleistungen der aufnehmenden Gesellschaft an die vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre 332
Keine Bedeutung hat hingegen, dass der Inferent an einem möglichen Beschlussmangelstreitverfahren nicht beteiligt ist. So aber Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 153. 333 Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2. Aufl., § 22 Rn. 830; Brox, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 10. Aufl., § 17 Rn. 370; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl., § 24 Rn. 40; Medicus, Bürgerliches Recht, 21. Aufl., § 6 III 1.
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in bar beeinträchtigen deren Liquiditätslage. Die Gewährung zusätzlicher „Gratis“-Anteile führt zu einem Verwässerungsschaden. Beides vermag die durch eine Fehlbewertung entstandene Beeinträchtigung also nicht auszugleichen. Anders wäre dies, wenn der Verwässerungsschaden bei den Ausgleichsanteilen auf den Erwerber der jungen Aktien ausgeschlossen übertragen werden dürfte. Das ist jedoch abzulehnen, weil dieses einer Zwangseinziehung bzw. einer nachträglichen Einlageerhöhung gleichkäme. Es bleibt mit der h. M. allenfalls dabei, dass der Inferent im Ausgangspunkt allein für die Wertdifferenz zwischen der Sacheinlage und Mindestausgabebetrag haftet. Aber selbst das ist fraglich, lehnt die Rechtsprechung dies für den der Bewertungsrüge wirtschaftlich vergleichbaren Fall der Verschmelzung durch Aufnahme ab. In der Konsequenz kann der Inferent – obwohl Nutznießer der Fehlbewertung – nicht zum Ausgleich der von den Altaktionären erlittenen Einbußen herangezogen werden. Da die Gesellschaft die ebenso wenig leisten kann, die Altaktionäre hier vielmehr nur mit eigenen Mitteln „entschädigt“ werden, bedeutet eine bestandskräftige Freigabe nicht nur die Verfestigung der Beschlusslage. Sie schließt auch eine zeitnahe, wirtschaftlich vollwertige Kompensation der Altaktionäre aus. Angesichts dessen drängt sich zunächst die Schlussfolgerung auf, dass eine die primärrechtliche Abwehrklage in ihrer Wirkung beseitigende Bestandskraft nicht gerechtfertigt werden kann, zumal es – und darin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Verschmelzung durch Aufnahme – keine rechtlich unüberwindlichen Abwicklungshindernisse gibt, die eingebrachte Gesellschaft vielmehr zunächst regelmäßig als Tochtergesellschaft fortbesteht. Die nachteiligen tatsächlichen Folgen der Abwicklung sind allerdings für die Gesellschaft und den Inferenten gleichermaßen belastend und dieser ist auch nicht von vornherein schutzbedürftiger als die vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Altaktionäre. Zudem gibt es in dieser „Patt-Situation“ keine Alternative für die Gesellschaft. Die Praxis ist zwar – begünstig durch die Siemens/Nold-Rechtsprechung des BGH334 – dazu übergegangen, Übernahmen anstelle der ordentlichen Kapitalerhöhung im Wege des genehmigten Kapitals zu finanzieren und sich so einer weitgehend „anfechtungsfreien“ Verfahrensweise zu bedienen. Indessen steht das genehmigte Kapital nur bis zur Höhe von 50% des vorhandenen Grundkapitals zur Verfügung (§ 202 III 1 AktG). Das reicht bei großen Transaktionen häufig nicht aus335 und führt u. a. zu einer Ausweitung der im internationalen Vergleich ohnehin schon vergleichsweise weiten Übernahmeoffenheit deutscher börsennotierter Gesellschaften.336 Weder ist angezeigt, sich damit rechtspolitisch abzufinden 334
BGHZ 136, 133. Vgl. Winter, in FS Ulmer (2003), S. 699, 707. 336 So wurde dem Verfasser von Seiten beteiligter Rechtsberater bei mehreren Gelegenheiten erläutert, dass die Übernahme der Mannesmann AG durch die Vodafone plc. maßgeblich des 335
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noch sollte die 50%-Schwelle des § 202 III 1 AktG weiter angehoben und damit die an sich bei der Hauptversammlung angesiedelte Entscheidungskompetenz über Kapitalmaßnahmen und Bezugsrechtsausschluss noch weiter auf den Vorstand verlagert werden. Vor dem Hintergrund einer solchen (Nachteils-)abwägung und dem gesamtwirtschaftlichen Interesse an einer akzeptanzfähigen Unternehmensfinanzierung lässt sich die Rechtsfolge einer bestandskräftigen Freigabe von Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluss trotz der damit verbundenen Einschnitte als legitimierbar bezeichnen.337 Rechnung getragen werden muss dem Umstand, dass Verletzungen des Bezugsrechts bzw. Unterschreitungen des angemessenen Ausgabepreises de facto nicht ausgleichsfähig sind bei den Anforderungen an den Freigabebeschluss.338 IV. Kapitalherabsetzung Die Kapitalherabsetzung bildet das Gegenstück zur Kapitalerhöhung. Hierbei ist zu unterscheiden ob Mittel aus dem Vermögen der Gesellschaft an die Gesellschafter zurückfließen (effektive Kapitalherabsetzung) oder es sich um eine bilanzielle Anpassung an die tatsächlichen Vermögensverhältnisse der Gesellschaft handelt (nominelle Kapitalherabsetzung). Systematisch ergänzt wird die – auch „Teilliquidation“ genannte – effektive Kapitalherabsetzung durch die Möglichkeit des Erwerbs eigener Aktien (§§ 71 ff. AktG).339 Die Annahme dauerhafter Bestandskraft nach § 246a I u. IV AktG muss für die verschiedenen Formen der Kapitalherabsetzung ebenfalls näher begründet werden, und zwar zum einen deshalb, weil im Schrifttum bislang vertreten wurde, eine die Verletzung von Mitgliedschaftsrechten beseitigende Rückabwicklung für die Zukunft sei „unproblematisch“340 und die nominelle Kapitalherabsetzung die Wirkung eine Ausschlusses von Mitgliedern haben kann, nämlich bei der Zwangseinziehung (§ 237 I AktG), der Herabsetzung des Grundkapitals auf null und der Zusammenlegung von Kapitalanteilen oder der Festlegung der Nennbeträge bei anschließender Kapitalerhöhung.341 Zum 337 halb erfolgreich verlaufen sei, weil die Zielgesellschaft, welche ihrerseits kurz zuvor Orange plc. übernommen hatte weder zur einer Kapitalerhöhung zu Abwehrzwecken noch zur Abgabe eines Gegenangebots für Vodafone plc. in der Lage gewesen sei. 337 Flankiert werden muss sie bei Ausgleichslosigkeit entsprechend der Kali und SalzGrundsätze durch die sachlich begründbare Prognose einer durch die Kapitalmaßnahme herzustellenden Steigerung des Unternehmenswerts. 338 Dazu u. §§ 26 u. 27. 339 Im US-amerikanischen Recht werden beide Formen der Mittelverteilung an die Gesellschafter als „Distribution“ bezeichnet, was ihre wirtschaftliche Verwandtschaft deutlich macht, vgl. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl., Rn. 6.55. 340 Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 52. 341 Nämlich bei der Zwangseinziehung (§ 237 I AktG), der Herabsetzung des Grundkapitals auf null und der Zusammenlegung von Kapitalanteilen oder der Festlegung der Nennbeträge bei anschließender Kapitalerhöhung (dazu sogleich u. 2).
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anderen aber auch, weil die Kapitalherabsetzung in besonderem Maße Gläubigerinteressen beeinträchtigen. 1. Effektive Kapitalherabsetzung Die effektive Kapitalherabsetzung dient dazu, überschüssiges Grundkapital von der Kapitalbindung zu befreien und gegebenenfalls an die Aktionäre zurückzuzahlen.342 Anlass kann etwa die Verkleinerung des Geschäftsvolumens oder die Notwendigkeit einer Abfindung ausscheidender Gesellschafter sein.343 a) Gläubigerschutz Der dazu erforderlich Beschluss (vgl. § 222 I AktG) unterliegt der Anfechtbarkeit nach allgemeinen Regeln. Einerseits steht gerade hier der institutionelle Charakter dieses Kontrollinstruments im Vordergrund, da vor allem die Gefahr der Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen besteht. Andererseits bedient sich das Gesetz zu deren Abwehr zugleich anderer Mechanismen. Im Mittelpunkt steht hier der Gläubigeraufruf (§ 225 I 2 AktG), die Meldung der Gläubiger bei der Gesellschaft und deren Anspruch auf Befriedigung oder Sicherheitsleistung (§ 225 I 1 AktG) sowie die Halbjahresfrist nach § 225 II AktG nach Eintragung und Bekanntmachung des Beschlusses, vor deren Ablauf keine Zahlungen an Aktionäre geleistet werden dürfen.344 Damit wäre es im Außenverhältnis unvereinbar, bereits aufgrund der Eintragung einen dauerhaften Bestandsschutz zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob sie schlicht oder aufgrund der Unbedenklichkeitsfeststellung erfolgt. Auch eine Befreiung von der Pflicht zur Einlageleistung kann nicht vor dem in § 225 II 2 AktG genannten Zeitpunkt dauerhaft und unumkehrbar wirksam werden. Man könnte sogar erwägen, ob § 225 III AktG einen solchen Bestandsschutz sogar generell verbietet. Danach ist das Recht auf Sicherheitsleistung unabhängig davon, ob aufgrund der Herabsetzung des Grundkapitals Zahlungen an die Aktionäre geleistet worden sind. Dies könnte auf einen generellen Vorrang zugunsten eines eventuell erforderlichen Gläubigerschutzes hindeuten, der sich nur dadurch vermeiden lässt, dass die Gesellschaft den Weg der vereinfachten Kapitalherabsetzung nach §§ 229 ff. AktG wählt. Doch wird man soweit nicht gehen dürfen, da möglichen Gläubigerschädigungen durch die – u. U. lange währenden – Anfechtungstatbestände des Insolvenzrechts (§§ 129 ff. InsO) Rechnung getragen werden kann.
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Vgl. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl., § 21 Rn. 1. Vgl. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl., 6.59 (S. 293); Würdinger, Aktienrecht, 4. Aufl., § 41 I (S. 196). 344 Vgl. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl., 6.59 (S. 293). 343
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b) Gesellschafterschutz Für einen Bestandsschutz des freigegebenen Beschlusses im Innenverhältnis ergeben sich aus den §§ 222 ff. AktG unmittelbar keine entgegenstehenden Prinzipien, zumal wegen der vorrangigen Pflicht zur Nennbetragsherabsetzung (§ 222 IV AktG)345 alle Aktionäre gleichmäßig betroffen sind.346 Auch könnte man für Auszahlungen nach erfolgter Freigabe dieselben Grundsätze wie für den gutgläubigen Dividendenbezug zu berücksichtigen haben,347 so dass sich für einen dauerhaften Bestandsschutz schon aus diesem Grund durchaus ein stimmiges Bild herstellen ließe. Andererseits wird einer entsprechenden Anwendung des § 62 I 2 AktG auf andere Leistungen bislang deutlich widersprochen.348 Zudem ist zweifelhaft, ob sich angesichts eines schwebenden Anfechtungsprozesses von Gutgläubigkeit sprechen lässt, mag der Beschluss auch freigegeben worden sein. Problematisch ist sodann das normative Verhältnis einer irreversiblen Bestandsregelung zum – wirtschaftlich vergleichbaren – Aktienrückkauf nach § 71 AktG. Zwar ist der Rückkauf eigener Aktien bei nichtiger Ermächtigung des Vorstands nicht unwirksam (vgl. § 71 IV 1 AktG); wohl aber das zugrundeliegende Kausalgeschäft (klargestellt durch § 71 IV 2 i. V. m. § 71 I Nr. 8 AktG).349 Daraus folgt, dass es keinen Erfüllungsanspruch gibt und der Aktienrückkauf auf nichtiger Grundlage stets eine verbotene, nach § 62 AktG auszugleichende Einlagenrückgewähr darstellt. Vor der Ausübung des Ermächtigungsbeschlusses besteht für einen Bestandsschutz auch kein praktisches Bedürfnis. Die Rechtslage entspricht derjenigen wie bei der von der Hauptversammlung beschlossenen, aber noch nicht erfolgten Begebung von Wandelschuldverschreibungen.350 All dies spricht gegen die dauerhafte Bestandsschutzfähigkeit der effektiven Kapitalherabsetzung. Konsequenterweise ist diese im Fall der Nichtigerklärung nach den Grundsätzen der LfG zu behandeln. 2. Nominelle Kapitalherabsetzung Die nominelle Kapitalherabsetzung besitzt im Gegensatz zur effektiven Kapitalherabsetzung erhebliche praktische Bedeutung. Sie dient der Anpassung des Grundkapitals an das Reinvermögen der Gesellschaft nach eingetretenen Verlusten. Damit erreicht werden soll zum einen die Anpassung der Ausschüttungssperre des § 57 AktG an die tatsächlichen Verhältnisse, anderenfalls häufig auf absehbare Zeit keine Dividende gezahlt werden könnte. Als Sanierungsinstrument schafft sie zweitens die Voraussetzungen für Fortführung des 345
Dazu Würdinger, Aktienrecht, 4. Aufl., § 41 I 2. (S. 196 f.). Anders als bei der Zusammenlegung nach einer nominalen Kapitalherabsetzung, dazu sogleich u. 2. 347 Vgl. dazu Weilep, BB 2006, 147, 151. 348 Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 62 Rn. 11. 349 Vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 71 Rn. 24. 350 Dazu soeben o. II. 3. 346
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Unternehmens. Häufig, aber nicht notwendiger Weise geschieht dies in Zusammenhang mit einer effektiven Kapitalerhöhung (Kapitalschnitt).351 a) Gläubigerschutz Bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung (§§ 229 ff. AktG) vollzieht sich der Gläubigerschutz im Gegensatz zu der ordentlichen – effektiven oder nominellen – Kapitalherabsetzung im Wesentlichen durch eine Zweckbindung des frei werdenden Kapitals und der in den beiden folgenden Geschäftsjahren erwirtschafteten Erträge. Diese dürfen nicht ausgeschüttet, sondern nur dazu verwandt werden, um Wertminderungen auszugleichen, sonstige Verluste zu decken oder um in die gesetzliche bzw. die Kapitalrücklage eingestellt zu werden (§ 230 I AktG).352 Die Gesellschaftsgläubiger sind insoweit vor zu Unrecht behaupteten Verlusten i. S. d. § 229 I AktG geschützt, weswegen nichts dagegen spricht, auch eine fehlerhafte nominelle Kapitalherabsetzung dauerhaft als wirksam zu behandeln. b) Gesellschafterschutz Anders als für die Gläubiger besteht für die Gesellschafter dagegen kein Schutz vor zu Unrecht angenommenen Verlusten. Sie laufen deshalb Gefahr, ohne Notwendigkeit ihre Beteiligung ganz oder teilweise zu verlieren und dadurch nicht mehr an den durch die Auflösung stiller Reserven entstehenden außerordentlichen Erträgen beteiligt zu sein.353 Die dagegen nach allgemeinen Regeln gegebene Anfechtungsmöglichkeit stößt vor allem auf zwei Schwierigkeiten. Erstens: Da die von § 229 I AktG tatbestandlich geforderten Verluste nicht bereits eingetreten sein müssen – sonst wäre die vereinfachte Kapitalherabsetzung als vorbeugendes Sanierungsinstrument weitgehend entwertet – genügt für die Rechtmäßigkeit des Beschlusses das Drohen von Verlusten. Diese müssen sich also noch nicht realisiert haben.354 Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung kann dann aber nur eine Überprüfung der betreffenden Prognoseentscheidung sein.355 Ein dauerhafter Bestandsschutz entsteht hierbei bereits unabhängig von der Freigabe dadurch, dass das spätere Nichteintreten oder das nur geringere Eintreten der als drohend angenommenen Verluste keinen Anfechtungsgrund bildet, der Beschluss vielmehr nach übereinstimmender Auffassung wirksam bleibt.356 Dies steht mit der Wertung des § 246a AktG allerdings nur hinsichtlich der Vergangenheit in Einklang. 351 Näher Hirte, in FS Claussen (1997), S. 115 ff.; ders., Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl., 6.60 ff. (S. 294); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 29 III 1 (S. 898) u. 5 (S. 907 f.). 352 Hirte, in FS Claussen (1997), S. 115, 116, 120 ff. 353 Hirte, in FS Claussen (1997), S. 115, 120. 354 Vgl. BGHZ 119, 305, 321 f.; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 229 Rn. 8 m. w. N. 355 Hirte, in FS Claussen (1997), S. 115, 121 f. 356 Vgl. BGHZ 119, 305, 322; Hirte, in FS Claussen (1997), S. 115, 123.
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Zweitens stellt sich die Frage, ob die Kapitalherabsetzung der sachlichen Rechtfertigung bedarf. Sie drängt sich wegen der Nähe zur Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss und den in der Kali und Salz-Entscheidung357 dazu aufgestellten Grundsätzen auf. Entgegen verschiedener Ansätze im Schrifttum358 hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung im Fall Sachsenmilch jedoch gegen eine generelle Inhaltskontrolle entschieden und stellt stattdessen auf einen namentlich durch Treupflichten ausgestalteten Schutz im Rahmen der an die Kapitalherabsetzung anschließenden Zusammenlegung der Anteile ab.359 Insoweit sind unverhältnismäßig hohe Spitzen zu vermeiden und die gesetzlich zulässige Mindestgrenze des Nennbetrags zu beachten. Soweit dieser Maßstab missachtet wird, erscheint es schwer begründbar, den Beschluss über die nominelle Kapitalherabsetzung als Bestandsfest anzusehen, zumal als actus contrarius die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zur Verfügung steht.360 Diese Folgerung erscheint allerdings nur da am Platz, wo es bei der Kapitalherabsetzung bleibt oder eine ihre nachfolgende Kapitalerhöhung nur von den durch die Herabsetzung begünstigten Hauptgesellschaftern getragen wird. In den praktisch wichtigsten Fällen bildet der Beschluss über die Kapitalherabsetzung und die Zusammenlegung der Anteile jedoch die Voraussetzung für eine effektive Kapitalerhöhung im Rahmen eines Kapitalschnitts unter Beteiligung Dritter. Hier würde eine nachträgliche Kassation der Kapitalherabsetzung zugunsten der Altgesellschafter zu einer Benachteiligung der die Sanierung ermöglichenden Neugesellschafter führen.361 Dem stehen dieselben Bedenken entgegen, wie bei der Bewertungsrüge gegen die Kapitalerhöhung gegen Sachmittel.362 Der Unterschied bestünde lediglich darin, dass es hier nicht zu einer Nachbelastung der Neugesellschafter kommen würde, sondern zu einer teilweisen Entwertung der von ihnen gezeichneten Anteile. Damit würde die Sanierungsfähigkeit von Gesellschaften erheblich erschwert. c) Folgerung Zweckmäßiger erscheint es daher, die vorbereitende Kapitalherabsetzung als dauerhaft wirksam anzuerkennen und eine aus der Festlegung treuwidriger Spitzenbeträge entstehende Schädigung der Minderheitsaktionäre im Verhältnis zu den Altgesellschaftern, welche diese zu vertreten haben, zu suchen. Unabhängig davon ergibt sich wie bei der Freigabe der Kapitalerhöhung gegen 357
BGHZ 71, 40. Vgl. Wiedemann/Frey, Gesellschaftsrecht, S. 423 f.; im Ergebnis ähnlich, wenngleich den Ausgleich über das Gesellschaftsinteresse suchend Wilhelm, in FS U. Huber (2007), S. 1019, 1026 ff.; w. N. bei Hirte, in FS Claussen (1997), S. 115, 122. 359 BGHZ 138, 71 (Sachsenmilch); 142, 167 (Hilgers); vgl. auch Krieger, ZGR 2000, 885. 360 So auch Hirte, in FS Claussen (1997), S. 115, 123. 361 Vgl. näher Hirte, in FS Claussen (1997), S. 115, 124. 362 Soeben III. 358
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Sacheinlage unter Ausschluss des Bezugsrechts allerdings auch hier die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein zur Bestandsverfestigung führender Freigabebeschluss ergehen darf.363 V. Eintragung außerhalb des Freigabeverfahrens Die vorstehenden Überlegungen haben gezeigt, welchen Kapitalmaßnahmen durch die Bestandsschutzformel des § 246a I u. IV AktG dauerhafte Wirkung zukommt. Damit kann die zunächst offen gelassene Frage, ob für die außerhalb eines Freigabeverfahrens eingetragene Kapitalmaßnahme ein solches allein mit dem Ziel der Bestandssicherung betrieben werden kann, für sämtliche Maßnahmen der Kapitalerhöhung bejaht werden. Bei den Maßnahmen der Kapitalverminderung gilt das nur für die nominelle, nicht aber die effektive Kapitalherabsetzung. VI. Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Entgegen früherer Ansätze im Schrifttum steht einem Bestandsschutz der unterschiedlichen Formen der effektiven Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht nichts entgegen. Zwar steht eine Rückabwicklung für die Zukunft wegen bei einer Verhältniswahrung nicht vor unüberwindbaren Hindernissen. Es besteht aber ein anzuerkennendes Bedürfnis, die damit einhergehende Liquiditätsbelastung der Gesellschaft bereits im Vorfeld ihrer Durchführung auszuschließen. Entsprechendes gilt für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Für das bedingte Kapital genügt es nach vorstehender Überzeugung ebenso wenig, die Gläubiger von Wandelschuldverschreibungen oder anderer Aktienoptionen hinsichtlich der Nichtigerklärung zugrundeliegender Hauptversammlungsbeschlüsse auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht zu verweisen. 2. Der Problemschwerpunkt einer Legitimation der Bestandssicherung von Kapitalmaßnahmen liegt in dem zugleich praktisch bedeutsamsten Fall der Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts und der Bewertungsrüge nach § 255 II AktG. Ein Konzept des „dulde und liquidiere“ kann es hier nicht geben. Ausgleichsleistungen durch die Gesellschaft belasten mittelbar die diese empfangenden Gesellschafter. Eine Inanspruchnahme des Inferenten kommt ebenso wenig in Betracht, und zwar weder unmittelbar durch eine nachträgliche Erhöhung der geschuldeten Einlage noch mittelbar durch einen Ausschluss vom Bezugsrecht bei später zum „Ausgleich“ gewährten Anteilen der Gesellschaft. Hier besteht allein eine Differenzhaftung, falls der Wert der Sacheinlage den Ausgabebetrag nicht erreicht. Allerdings ist auch das angesichts der Rechtsprechung zur wirtschaftlich vergleichbaren Situation der Verschmelzung durch Aufnahme zweifelhaft. Zu rechtfertigen ist der in einer 363
Dazu u. §§ 26 u. 27.
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bestandsfesten Freigabe liegende – entschädigungslose – Eingriff in die Mitgliedschaft daher nur durch die kapitalmarktpolitische Notwendigkeit, die Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts als Akquisitionsmittel zuzulassen, da Alternativen nicht zur Verfügung stehen bzw. die Möglichkeit einer Ausweitung des genehmigten Kapitals als Eingriff in die Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung noch schwerer wiegen würde. 3. Eine Bestandskraft effektiver Kapitalherabsetzungen hat zunächst die Wartefristen des § 225 II AktG zu beachten. Sie lässt sich angesichts des Gebots der strikten Kapitalerhaltung und der gegenteiligen Wertung für den wirtschaftlich vergleichbaren Aktienrückkauf (§ 71 IV 2 AktG) allerdings auch danach kaum recht begründen. Im Ergebnis sind auf nichtiger Grundlage ausgekehrte Einlagen daher an die Gesellschaft zurück zu gewähren. Ein anderes Bild ergibt sich für die praktisch wesentlich bedeutsamere vereinfachte nominelle Kapitalherabsetzung in Sanierungsvorgängen. Ein eingeschränkter materieller Bestandsschutz liegt hier bereits darin, dass sie bereits bei drohenden Verlusten durchgeführt werden darf und es hierfür lediglich einer abgesicherten Prognose bedarf. Liegt sie vor, ist der Beschluss bestandsfest, mag es auch tatsächlich an den Verlusten oder ihrer angenommenen Höhe gefehlt haben. Für nichtig erklärt werden kann der Beschluss allerdings wegen treuwidriger Zusammenlegung der Anteile durch Bildung unverhältnismäßiger Spitzenbeträge. Bei verhältniswahrender Kapitalherabsetzung besteht hier für einen Bestandsschutz kaum ein Bedürfnis. Bei der regelmäßig mit der vereinfachten Kapitalherabsetzung verbundenen Kapitalerhöhung unter Drittbeteiligung würde eine nachträgliche Korrektur allerdings zur Benachteiligung der Neugesellschafter führen. Wegen der Notwendigkeit der Rechtssicherheit im Sanierungsverfahren ist deswegen ein dauerhafter Bestandsschutz des freigegebenen Kapitalherabsetzungsbeschlusses zu bejahen.
D. Bestandsschutz von freigegebenen Unternehmensverträgen Mehr noch als bei Kapitalmaßnahmen ist die Frage der Zulässigkeit einer Verbindung von Eintragung und dauerhaftem Bestandsschutz bei Unternehmensverträgen der näheren Untersuchung bedürftig. Erstens sieht das Gesetz nach § 297 AktG die Kündigung vor. Zweitens besteht im Gegensatz zu der endgültigen Verfestigung wie sie § 246a AktG nahelegt seit jeher die Überzeugung, dass der Unternehmensvertrag nach Kassation des Zustimmungsbeschlusses grundsätzlich zu beendigen ist. I. Grundsatz der Beendigungswirkung der Kassation Die UMAG-Materialien lassen bei vordergründiger Lektüre zwar recht eindeutig die Vorstellung erkennen, dass auch die Eintragung des Unternehmensvertrags nach der Freigabe gemäß § 246a AktG eine dauerhafte Bestandskraft
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
zur Folge haben soll.364 Allerdings beschränkt sich die Begründung insoweit ausschließlich auf die dahingehend erhobene Forderung des Berichts der Regierungskommission Corporate Governance.365 Diese hatte ihrerseits zwar ein nämliches rechtspolitisches Petitum aus Gründen des Anlegerschutzes formuliert, war – augenscheinlich ohne Bewusstsein des damit verbundenen Paradigmenwechsels – eine nähere Begründung hierfür aber schuldig geblieben.366 Streitig war bislang allein die Frage, ob der Vertrag bereits mit der Nichtigerklärung des Zustimmungsbeschlusses – ipso iure – aufgelöst werde367 oder ob es dazu der Kündigung bedürfte.368 Der weitere Fortbestand des rechtswidrigen Vertrages stand – soweit ersichtlich – niemals zur Diskussion. Vielmehr galt der Grundsatz, wonach die Kassation des Zustimmungsbeschlusses zur Beendigung des Unternehmensvertrages führt. So hatten die Materialien zum AktG 1965369 den Verzicht auf eine Registersperre für Unternehmensverträge mit deren Auflösbarkeit erklärt und der BGH die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit nach § 297 AktG für den Fall, dass sich der Vertrag aufgrund erfolgreicher Anfechtungsklage als unrechtmäßig herausstellt, betont.370 II. Wertungsgrundlage zukunftsgerichteten Bestandsschutzes Ein zukunftsgerichteter Bestandsschutz des Unternehmensvertrags auf nichtiger Grundlage erweist sich demgemäß als Paradigmenwechsel und führt zu der Frage, ob sich eine dahingehende Folge für Unternehmensverträge sachlich begründen lässt. 1. Ausschluss der Kündigung im Verhältnis der beteiligten Rechtsträger Einen Anknüpfungspunkt für die Einordnung eines dauerhaften Bestandsschutzes des Unternehmensvertrags bieten die schon bislang angestellten Überlegungen zum Ausschluss der Kündigung bei fehlerhaften Unternehmensverträgen. Solche waren insbesondere im Verhältnis der beteiligten Gesellschaften als inhaltliche Beschränkung des ansonsten gegebenen Kündigungsrechts des Vorstands nach § 297 AktG erwogen worden.371 So sollte die 364
Vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 28; s. auch Ihrig/Erwin, BB 2005, 1973. Vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 28. 366 Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001), Rz. 153. 367 So Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 173 u. 180; Geßler, in Geßler/Eckhardt/Hefermehl/Kropff, AktG, § 293 Rn. 59. 368 So Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 461 f.; Kleindiek, ZIP 1988, 613, 624 f.; Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 42; Emmerich, in Fischer/Scholz, GmbHG, 10. Aufl., Anh § 13 Rn. 189. 369 Vgl. hierzu den Ausschussbericht zu § 293, abgedr. bei Kropff, AktG 1965, S. 383. 370 BGHZ 112, 9, 17; vgl. auch Kort, BB 2005, 1577, 1580. 371 Darüber hinaus könne auch weitere Kündigungsgründe vereinbart werden, vgl. LG München, Der Konzern 2007, 279; Zur Kündigung weiter: Hüffer, AktG, § 297, Rn. 3, 10 ff. 365
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Berufung auf die Fehlerhaftigkeit des Unternehmensvertrags aus Treupflichtgesichtspunkten ausgeschlossen sein, wenn eine Partei das Kündigungsrecht nach Durchführung des Vertrages und daraus gewonnener Vorteile dazu benutzt, um sich drohender Ausgleichspflichten zu entziehen.372 Teilweise war in Anlehnung an den in §§ 275 AktG, 75 GmbHG besonders ausgeprägten Bestandsschutz auch eine Beschränkung der Kündbarkeit auf eine bestimmte Gruppe von Fehlern vorgeschlagen373 bzw. ein Vorrang der Vertragsanpassung erwogen worden.374 Auch diese Überlegung bezog sich allerdings auf die Geltendmachung von Vertragsmängeln im Verhältnis der Vertragspartner untereinander und nicht durch ihre Gesellschafter. Für den innerhalb der Gesellschaft als Vertragspartei über die Beschlusskontrolle ausgetragene Auseinandersetzung über die rechtsgeschäftliche Grundlage des Vertrages lässt sich daraus nichts herleiten. Daher sind die vorstehenden Überlegungen auf für eine Beschränkung der Anfechtungsfolgen unergiebig. 2. Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit des Zustimmungsbeschlusses Im Verhältnis der Gesellschafter untereinander ist für Unternehmensverträge auch eine „Reparaturpflicht“ bzw. eine Einschränkung der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit in Betracht gezogen worden, sie hat allerdings keinen erkennbaren Zuspruch erfahren.375 Zwar hat Kort eine solche für möglich gehalten, wenn die Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses nicht auf einem materiellen Fehler, sondern auf einem Verfahrensfehler beruht.376 Er ist jedoch im weiteren Verlauf seiner Überlegungen letztlich zu dem Ergebnis gelangt, dass man dem Gesellschafter so das Recht nehmen würde, überhaupt eine fehlerfreie und ungebundene Zustimmung zum Unternehmensvertrag zu treffen.377 Das verdient Zuspruch, wobei hinzukommt, dass für die Annahme einer Treupflicht zur Reparatur (also Bestätigung) für den vorliegenden Kontext wohl wenig Raum besteht.378 Darüber hinaus übergeht das Gesetz Fehler des Verfahrens auch nicht generell, sondern nur, wenn diese geheilt sind, wozu es im Zusammenhang mit der anhängigen Anfechtungsklage zwingend eines Bestätigungsbeschlusses bedarf (§ 244 AktG). Deswegen kommt eine „Reparaturpflicht“ der Gesellschafter, welche der Anfechtungsklage einredeweise ent372 Vgl. dazu Kleindiek, ZIP 1988, 613, 625; Ulmer, BB 1989, 10, 16; S. auch Ebenroth/Müller, BB 1991, 358, 360. 373 Vgl. Pache, Die körperschaftssteuerliche Organschaft im GmbH-Vertragskonzern (1995), S. 85 f.; ablehnend Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 173. 374 Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 180 ff. 375 Vgl. dazu Ebenroth/Müller, BB 1991, 358, 363. 376 Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 182 unter Hinweis auf die Rechtslage bei der fehlerhaften Kapitalerhöhung. Dazu schon Zöllner/Winter, ZHR 158 (1994), 59, 82; Kort, ZGR 1994, 291, 321. 377 Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 182. 378 Vgl. Ebenroth/Müller, BB 1991, 358, 363; so auch Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 182 f.
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gegengehalten werden könnte, als Wertungsgrundlage eines Bestandsschutzes nicht in Frage. 3. Bestandsschutz im Aktionärsinteresse? Lässt sich ein zukunftsgerichteter Bestandsschutz des fehlerhaften Unternehmensvertrages damit weder im Verhältnis der beteiligten Rechtsträger noch durch Treupflichten im Innenverhältnis begründen, so stellt sich die Frage, ob der im Bericht der Regierungskommission Corporate Governance insoweit in Bezug genommene Anlegerschutz etwas anderes ergeben kann. Insoweit bietet sich in der Tat ein Anhalt, als im Schrifttum hinsichtlich der Vertragsaufhebung gefordert wird, diese der Zustimmung der Aktionäre zu unterwerfen.379 Die gesetzliche Regelung des § 296 AktG verzichtet zwar auf einen Zustimmungsbeschluss, allerdings beruht das auf der Annahme, dass die beteiligten Gesellschaften durch dessen Aufhebung zu ihrem gesetzlichen Normalstatus zurückfinden.380 Diese Vorstellung ist wegen des mit der Konzernierung verbundenen Eingriffs in die Organisationsverfassung der Gesellschaft in dieser Allgemeinheit vielfach fragwürdig. Daher führt auch die bloße „Vorbehaltseintragung“ nicht generell weiter.381 Es kann also durchaus ein Bedürfnis bestehen, die Beendigung des Unternehmensvertrags im Interesse der Aktionäre von deren Beurteilung abhängig zu machen. Dem könnte widersprechen, dass die „Entscheidung“ über das Schicksal des Vertrages bei der Klage faktisch allein bei dem, diese betreibenden Aktionär liegt. Diese Überlegung vermag aber keinen zukunftsgerichteten Bestandsschutzes zu rechtfertigen. Denn die Interessen der Mitaktionäre, namentlich am Behaltendürfen etwaiger Ausgleichsleistungen (vgl. § 305 AktG) sind bereits durch die Geltung der Grundsätze der LfG sichergestellt. Und sollte die Fortsetzung des fehlerhaften, von der Kassation bedrohten Unternehmensvertrags tatsächlich aus Gründen des Anlegerschutzes bzw. – genauer – im Gesellschaftsinteresse geboten sein, besteht für Verfahrensmängel zum einen die Möglichkeit eines Bestätigungsbeschlusses. Zum anderen liegt es dann näher, eine an die Kassation anknüpfende Neuvornahme zuzulassen, d. h. den Vorstand zur Vorbereitung eines erneuten Abschlusses des Vertrages und der Vorbereitung eines Zustimmungsbeschlusses zu verpflichten, als bestehende Verträge auf nichtiger Grundlage allein aufgrund summarischer Prüfung zu sanktionieren. 4. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis bleibt es daher bei dem Ausgangsbefund, dass die Kassation des Zustimmungsbeschlusses grundsätzlich zur Beendigung des darauf 379
Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 31 III 4 c) (S. 956). Vgl. BegrRegE, AktG 1965 (bei Kropff, a. A. O., S. 385). 381 Das räumt indirekt auch der diese vorschlagende Hommelhoff, ZGR 1990, 447, 464 durch die Beschreibung der potentiell tiefgreifenden und nachhaltig wirkenden Änderungen des Unternehmens ein. 380
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beruhenden Vertrages führen muss. Eine dauerhafte Verfestigung lässt sich weder aus dem Rechtsverhältnis der beteiligten Rechtsträger noch dem Innenverhältnis der durch den fehlerhaften Beschluss betroffenen Gesellschaft begründen. Im Übrigen steht zur Vermeidung der Kassation wegen verfahrensrechtlicher Mängel der Bestätigungsbeschluss nach § 244 AktG zur Verfügung. III. Berücksichtigung der organisationsrechtlichen Natur von Unternehmensverträgen und ihrer Bedeutung für die Konzernorganisation Es bleibt die Frage, ob der Bestandsschutz des angefochtenen Unternehmensvertrages mit seiner organisationsrechtlichen Rechtsnatur und der gelegentlich herausgestellten – potentiellen – Vergleichbarkeit mit Verschmelzung und Spaltung zu begründen ist.382 1. Leitbild der Eingliederung (§ 319 VI 11 AktG n. F.)? Dieser Versuch musste sich bis zum ARUG die klar gegenteilige gesetzliche Wertung für die Eingliederung entgegen halten lassen. Sie kam durch den in § 319 VI AktG a. F. bewusst vorgenommenen Verzicht auf ein den §§ 20 II, 16 III 6 2. Hs. UmwG vergleichbares Gegenstück zum Ausdruck. Dieser stellt, wie bereits dargelegt, keinen regelungstechnischen Zufall dar, sondern war von der Überzeugung getragen, dass es für die Eingliederung keines dauerhaften Bestandsschutzes bedürfe.383 Wenn für die Eingliederung – als der am weitesten reichenden Konzernierungsmaßnahme – von Seiten des Gesetzgebers bewusst kein Bestandsschutz gewollt war, so konnte für die in ihren Wirkungen dahinter zurückbleibenden Unternehmensverträge i. S. d. §§ 291, 292 AktG nichts Gegenteiliges gelten. Nachdem das ARUG das Modell der §§ 20 II, 16 III 9 2. Hs. UmwG, 264a AktG auf die Eingliederung übertragen hat (vgl. § 319 VI 11 AktG n. F.), könnte man zwar erwägen, ob dieser früher zum Ausdruck gebrachte gesetzgeberische Wille überholt ist. In methodischer Hinsicht würde man dafür allerdings eine Auseinandersetzung mit der zuvor gegenteiligen Ausrichtung erwarten. Das gilt umso mehr, als die Materialien ihre ablehnende Grundhaltung zu einem dauerhaften Bestandsschutz bei § 319 VI AktG zu einem späteren Zeitpunkt nochmals bestätigt haben, nämlich indem dieser als Regelung für den Squeeze Out im Zuge des TransPuG384 im Jahre 2002 in unveränderter Form übernommen wurde (§ 327e II AktG), also zu einem Zeitpunkt und im Rahmen einer Regelung, die angesichts dahingehender rechtspolitischer For382 So etwa Hommelhoff, ZGR 1990, 447, 464; vgl. auch Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001), Rn. 153. 383 S. o. § 8 B. II. 3. 384 BGBl. I 2002, 2681.
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derungen Anlass zu einer möglichen Änderung gegeben hätte.385 Das darin liegende Indiz für ein Festhalten an der lex lata ließe sich methodisch nur durch eine eindeutige Distanzierung von der zugrundeliegenden Wertung begründen. Hieran aber fehlt es. Zum einen ist die Verwertbarkeit einer Regierungsbegründung im Zusammenhang mit der historischen Gesetzesanalyse bereits eine schwache Brücke. Die Bundesregierung ist nicht der Gesetzgeber.386 Sowohl für das UMAG wie das ARUG fehlt es an einer Begründung, weswegen ein dauerhafter Bestandsschutz gelten sollte. Das ARUG stellt unter Verweis auf das UMAG lediglich das Interesse an Vereinheitlichung der Rechtlage heraus.387 Der in den UMAG-Materialien enthaltene Hinweis auf die „Forderungen der Regierungskommission Corporate Governance“388 führt ebenfalls nicht weiter. Widersprüchlich ist ein dauerhafter Bestandsschutz sodann auch noch aus anderem Grund: So vertritt einer der Abfassung der Regierungsbegründung maßgeblich beteiligten Entwurfsverfasser in anderem Zusammenhang die Auffassung, ein Freigabeverfahren sei nicht eröffnet, wenn die Eintragung des angegriffenen Beschlusses erfolgt sei. Wenn der Hauptversammlungsbeschluss trotz Anfechtungsklage eingetragen werde bestehe kein Missbrauchspotential. Das Freigabeverfahren sei aber nicht zur Erlangung darüber hinaus reichenden Bestandsschutzes da.389 Darin gelangt konsequenter Weise ein Verständnis zum Ausdruck, welches als Rechtsschutzziel des § 246a AktG allein die Eintragung und nicht den Bestandsschutz des Beschlusses über den Unternehmensvertrag ansieht. Denn anderenfalls wäre an der Zulässigkeit des Freigabeverfahrens nach der Eintragung nicht zu zweifeln.390 2. Organisationsrechtliche Natur des Vertragskonzerns Wie im Rahmen der Anwendung der LfG auf den – nicht angefochtenen – fehlerhaften Unternehmensvertrag dargestellt wurde, finden sich im Schrifttum Vorstellungen, die den Vertragskonzern als eigenes Rechtssubjekt mit der Verbandsgründung gleichsetzen wollen.391 Diese haben aber zu Recht keinen Zuspruch erfahren. Überdies wäre zweifelhaft, daraus eine Parallele zur Verschmelzung abzuleiten. Denn wie die LfG deutlich macht ist an der Abwicklungsfähigkeit sogar der Verbandsgründung ja gerade nicht zu zweifeln. 385
Vgl. DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2001, 1003, 1008; Krieger, BB 2002, 53, 60. Vgl. dazu im Zusammenhang mit der Auslegung der Interessenabwägungsklausel Halfmeier, WM 2006, 1465, 1467 f. und die dort enthaltenen Nw. aus der Methodenlehre. Sowie o. § 12 D. I. 387 Vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 16/11642, S. 42. 388 Vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S 28. 389 Vgl. Schütz, NZG 2005, 5, 9; in diesem Sinne auch Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 257 (Pflicht des Registerrichters zur Aussetzung, da die Gesellschaft sonst um ihren Bestandsschutz gebracht wird); so wohl auch Wilsing, ZIP 2004, 1082 (dort bei Fn. 9); a. A. Ihrig/Erwin, BB 2005, 1973, 1974; zum Problem schon oben § 2 C. 390 Dazu schon oben § 2 C. 391 S. o. § 18 A. I. 3. b). 386
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3. Zwischenergebnis Sollte mit § 246a AktG und der Neufassung des § 319 VI AktG ein Paradigmenwechsel hinsichtlich der Notwendigkeit eines zukunftsgerichteten Bestandsschutzes gewollt gewesen sein, so ist dieser nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen. Er ist auch durch die organisationsrechtliche Natur des Unternehmensvertrags nicht zu begründen. Daher bleibt es bei dem bisherigen Zwischenbefund, wonach die dauerhafte Verfestigung der damit verbundenen Maßnahmen weder generell gewollt noch legitimierbar ist.
E. Bestandsschutz der freigegebenen Eingliederung Die zur Eintragung freigegebene Eingliederung genoss vor dem ARUG Bestandsschutz lediglich nur bis zu einer späteren Nichtigerklärung.392 Grundlage hierfür bildet in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung die LfG. Da es sich hierbei um eine bewusste Legislativentscheidung handelte, kann ein darüber hinausgehender Bestandsschutz nicht in entsprechender Anwendung der §§ 20 II, 16 III 6 2. Hs. UmwG pp. erreicht werden.393 Da die Einwirkungsmöglichkeiten des herrschenden Unternehmens über den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag hinausgehen, liegt nahe, nach der Aufnahme der §§ 20 II UmwG, 246a AktG entnommenen Bestandsschutzformel (§ 319 VI 10 AktG) von einem dauerhaften Bestandsschutz auszugehen. Das gilt auch, da die außenstehenden Aktionäre ausscheiden. Bedenken begegnet das, da das Gesetz auch für die Eingliederung von einer Beendigungsfähigkeit ausgeht. Folgt man dem, erschiene vorzugswürdig, die Bestandsschutzformel des § 319 VI 10 AktG teleologisch zu reduzieren, d. h. i. S. d LfG zu verstehen. Ein darüberhinausgehender dauerhafter Bestandsschutz wäre nur – wie bei Unternehmensverträgen nach §§ 291 ff. AktG – bei einer de lege ferenda zu regelnden selbstständigen Anordnung durch das Freigabegericht angemessen. Angesichts des letztlich kaum nachzuvollziehenden Paradigmenwechsels wäre das durchaus konsequent. Andererseits besteht bei der Eingliederung eine im – Vergleich zu den anderen Unternehmensverträgen nicht gegebene – Nähe zur Verschmelzung,394 die einen dauerhaften Bestandsschutz legitimieren würde. Hinzu kommt der seit dem ARUG recht unmissverständlich ausgedrückte Gesetzeswille, beide Maßnahmen gleich behandeln zu wollen. Damit ist der Bestandsschutz der Eingliederung von dauerhafter Natur.
392 393 394
Rn. 2.
Dazu bereits o. § 8 B. II. 3. u. § 16 A. I. S. o. § 16 A. Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 319 Rn. 2; Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 319
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
F. Bestandsschutz des freigegebenen Squeeze Outs Der für den Squeeze Out vorgesehene Bestandsschutz entspricht gemäß der Verweisungsnorm des § 327e II AktG dem der Eingliederung. Demzufolge verzichtete das Gesetz bis zum ARUG auch hier auf eine dauerhafte Anerkennung des Ausschlusses von Minderheitsaktionären aufgrund des Freigabebeschlusses. Zwar schieden die außenstehenden Aktionäre wie bei der Mehrheitseingliederung unter Übergang ihrer Aktien auf den Hauptaktionär aus.395 Nach den – wenigen – Stimmen zur Eingliederung sollten diese bei einer Kassation aber einen Anspruch auf Wiedererlangung ihrer im Zuge von § 320a AktG verlorenen Rechtsposition haben.396 Dem folgte auch das Schrifttum zum Squeeze Out mit seiner Annahme, der Hauptaktionär hatte die auf ihn übergegangenen Aktien wieder „abzugeben“, womit gemeint war, dass die ausgeschlossenen Aktionäre mit der Kassation einen Anspruch auf Rückübertragung erwarben.397 Nach dem ARUG gilt das vorstehend zur Eingliederung Gesagte. Einerseits bestehen gegen die Überspielung der Bestandsschutzformel die genannten Bedenken. Andererseits wird man die gegenüber Unternehmensverträgen sachlich erheblich weiterreichenden Folgen einschließlich ihrer möglicherweise zeitlichen Dimension zu berücksichtigen haben. Das legt nahe, der Squeeze Out-Freigabe dauerhafte Wirkung zuzuerkennen.
G. Folgerung für die Zulässigkeit des Freigabeverfahrens mit dem Ziel der Bestandssicherung (Bestandssicherungsverfahren) Nach dem Gesagten bleibt eine Kassation des Zustimmungsbeschlusses bei Unternehmensverträgen und der effektiven Kapitalherabsetzung möglich. Es 395 Vgl. Grunewald, in MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 327e Rn. 9; a. A. Mertens, AG 2002, 377, 383. 396 Vgl. Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 190; so auch Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 43 f. 397 Das entspricht nach teilweiser Ansicht auch der Rechtslage beim Ausschluss von Mitgliedern der Personengesellschaft, die bei einer Aufhebung der Eilverfügung nicht wieder in die frühere Rechtsposition zurückfinden, sondern einen neuen Gesellschaftsvertrag abschließen müssen. Sofern man diese überhaupt zulässt. So wohl Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutz (1971), S. 125; v. Gerkan, ZGR 1985, 181, 187 (jede notwendige Maßnahme ist zulässig); gegen die Zulässigkeit einer Eilverfügung mangels „Einstweiligkeit“ aber wohl die ganz h. M., vgl. Littbarski, Einstweiliger Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht (1996), S. 141 f.; Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 22. Aufl., § 37 II (S. 167). Unklar ist, welche Gegenleistung für die Wiederaufnahme zu erbringen ist. Nach Kort soll sie nicht nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts, sondern den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen sein (Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 191). Demnach wird man nicht umhin können, eine Bewertung der Gesellschaft im Zeitpunkt der Kassation vorzunehmen, so dass die neu erworbenen Aktien entweder durch Rückzahlung der erhaltenen Abfindung oder – bei einer Wertsteigerung – sogar zu einem noch höheren Preis bezahlt werden müssen.
§ 19 Bestandsschutzwirkungen der aktienrechtlichen Freigabe
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sind aber Situationen denkbar, in denen die dann nur vorübergehenden Bestandsschutz leistende LfG, die Beschränkung der im Gesetz angelegten Beendigungstatbestände (§§ 297, 327 AktG) und § 244 AktG angesichts der Art des Vertrages und seiner Bedeutung für den Konzernverbund dazu führen, dass die Eintragung allein der Gesellschaft allein nicht nützt, weil sie die Entwertung von auf Grundlage des Unternehmensvertrages zu treffenden Dispositionen durch eine zukünftige Abwicklungspflicht nicht in Kauf nehmen kann. Es ist maßgeblich dieser Umstand, der bei einem schon eingetragenen Unternehmensvertrag schon in der bisherigen Diskussion die Durchführung des Freigabeverfahrens mit dem Ziel der Bestandssicherung fordert und hierfür auf ein eigenständiges Rechtsschutzbedürfnis verweist.398 Er veranlasst zu der Frage, ob es ein eigenes Bestandssicherungsverfahren geben kann, wo die Eintragung außerhalb des Freigabeverfahrens erfolgt ist.399 1. Unterscheidungsfähigkeit von Eintragung und Bestandsschutz Dafür spricht zunächst die Unterscheidbarkeit von Eintragung und Bestandsschutz. Beide können selbstständige Streitgegenstände bilden. Die Gesellschaft mag daher einen zukunftsgerichteten Bestandsschutz bei schon erfolgter Freigabe als selbstständiges Rechtsschutzziel verfolgen. Die Selbstständigkeit von Eintragung und Bestandsschutz als unterschiedliche Verfahrensgegenstände ist bereits jetzt im Wortlaut des § 246a I AktG angelegt. Dieser fasst zwar beide in Antrag und Tenor durch die Konjunktion in der Weise zusammen, „daß die Erhebung der Klage der Eintragung nicht entgegensteht und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen“. Damit bildet beides aber keine Einheit, denn zum einen muss auch der Ausspruch des Letzteren beantragt werden und zum anderen führt nach dem herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff bereits diese Verschiedenheit der begehrten Rechtsschutzziele dazu, dass es sich um separate Verfahrensgegenstände handelt. Gleichzeitig spricht nichts dagegen, dass sie gemeinsam hiermit die Bestandsschutzanordnung beantragt, was nach erfolgter Eintragung auch für sich alleine geschehen kann.400 2. Voraussetzung der Bestandsschutzgewährung De lege lata erweist sich als Problem, dass § 246a AktG explizit keinerlei Voraussetzungen für die Bescheidung eines selbstständigen Bestandsschutzbegehrens zu entnehmen ist. Auch aus den übrigen Vorschriften der §§ 241 ff. AktG oder dem materiellen Verbandsrecht lässt sich nicht ableiten, unter welchen Voraussetzungen die Folgen der Kassation des Zustimmungsbeschlusses für 398 Ihrig/Erwin, BB 2005, 1973, 1974 ff.; vgl. auch Wilsing, DB 2005, 35, 38; jetzt auch OLG Celle AG 2008, 217; B I 3 d) bb); a. A. LG Hannover AG 2007, 825. 399 Dazu schon o. § 2 C. 400 Insoweit im Ergebnis zutreffend Ihrig/Erwin, BB 2005, 1973, 1974 ff.
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
den Unternehmensvertrag ex ante entfallen können. Demgemäß lässt sich in § 246a I AktG auch kein wirkungsgleicher prozessualer Anspruch verorten. Die vorgesehenen Freigabegründe rechtfertigen zwar die Eintragung trotz Anhängigkeit der Beschlussmängelklage, nicht aber die Anordnung der dauerhaften Verfestigung der betroffenen Maßnahme. Denn diese kann wie oben deutlich wurde nur im Einzelfall durch ein besonderes Bedürfnis gerechtfertigt werden, wo der Unternehmensvertrag in seiner Bedeutung als konzernrechtliches Gestaltungselement bei einem nur vorrübergehend geltenden Bestandsschutz weitgehend geschmälert oder sogar völlig entwertet würde und diese Rechtsfolge angesichts der im Fall gegebenen Aussichten der Klage schon ex ante vermieden werden soll.401 3. Lösungsvorschlag de lege ferenda: Bestandsschutz als selbstständiger Verfahrensgegenstand Dafür bedarf es einer gesetzlichen Ermächtigung des Freigabegerichts, welche die Voraussetzungen für die Gewährung dauerhaften Bestandsschutzes, also die konkret darzulegenden Nachteile umschreibt. Die in der Interessenabwägungs-Klausel zu berücksichtigungsfähigen Nachteile reichen dafür nicht aus. Denn diese betreffen, wie noch zu zeigen sein wird,402 allein die Verzögerungen der Eintragung, nicht jedoch – wie im Schrifttum behauptet -403 den Umstand, dass sich diese als nichtig erweist. Hinsichtlich der Anforderungen bestehen lediglich gewisse Überschneidungen mit dem geltenden Recht in der Weise, dass für die selbstständige Anordnung dauerhaften Bestandsschutzes einerseits eine negative Prognose über die Erfolgsaussichten der Klage getroffen werden muss, und dir Rechtsverletzung nicht ins Gewicht fallen darf. Voraussetzung ist weiter die Darlegung, weshalb der Gesellschaft nur damit und nicht dem vorrübergehenden Wirkungsschutz der LfG und der Bestätigungsmöglichkeit des § 244 AktG nicht geholfen ist.
H. Zusammenfassung 1. Die folgenden Überlegungen haben gezeigt, dass das Freigabeverfahren wegen seiner dauerhaften Bestandswirkungen allein schon bei einem bis zur Kassation wirkenden Bestandsschutz, also rein faktisch, als ein Primärrechtsschutz beseitigendes Verfahren anzusehen ist. Es weist damit zumindest im tatsächlichen Ergebnis einen der Befriedigungs- oder Leistungsverfügung na401
Auch die „Abwägungsklausel“ eignet sich de lege lata nicht als Bestandsschutzgrundlage. Abgesehen der zahlreichen Bedenken, die mit ihr verbunden sind (dazu o. § 12 B. II. u. unten § 22) sind die in Bezug genommenen Nachteile sämtlich solche der Verzögerung der Eintragung, nicht der Kassation. 402 S. insbesondere u. § 21 A. III. u. § 22 C. III. 403 Dazu bereits o. § 4 A. I. 6.
§ 20 Streitgegenstand von Freigabeverfahren und Hauptsache
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hestehenden hauptsachersetzendem Charakter auf. Das hat man für die weitere Betrachtung der Freigabevoraussetzungen als Befund zur Kenntnis zu nehmen, und zwar unabhängig davon, ob eine Kassation des der Strukturänderung zugrunde liegenden Beschlusses in der Hauptsache noch erfolgt oder nicht. Denn für diese selbst bleibt eine dahingehende Gestaltungshandlung jedenfalls folgenlos. 2. Anderes gilt im Bereich der Kapitalmaßnahmen bei der effektiven Kapitalherabsetzung, da einer allseits zu beachtenden Verfestigung des Beschlusses aus Gläubigerschutzgründenkkein Raum zu lassen ist. Ein Freigabeverfahren kann hier nur vorläufiger Natur sein. Bei der nominellen Kapitalherabsetzung besteht für sich allein zwar kein Bedürfnis für die Gewährung von Bestandsschutz. Steht dies aber – wie regelmäßig – in Zusammenhang mit einem Kapitalschnitt, so partizipiert die Kapitalherabsetzung an der nachfolgenden Kapitalerhöhung. Ihre Freigabe erfolgt in hauptsacheverdrängender Weise. 3. Bei Unternehmensverträgen entspricht die Rechtsnatur des Freigabeverfahrens ebenfalls dem des vorläufigen Rechtsschutzes. Hier ist ein dauerhafter Bestandsschutz angesichts der Beendigungsmöglichkeiten bzw. den zu Gebote stehenden Instrumenten zur Abwehr der Kassation trotz der Bestandsschutzformel des § 246a I u. IV AktG kaum begründbar. De lege ferenda sollte in davon abweichenden Ausnahmefällen eine gesonderte Bestandsschutzanordnung durch das Freigabegericht vorgesehen werden. 4. Trotz des Regelungszusammenhangs mit den §§ 291 ff. AktG und der kaum begründeten Änderungen durch das ARUG sollte die Bestandsschutzregelung des § 319 VI 11 AktG als dauerhaft verstanden werden. Zu rechtfertigen ist das mit den über die Unternehmensverträge hinausgehenden Wirkungen, namentlich dem Ausscheiden der außenstehenden Aktionäre. Dasselbe gilt aufgrund der Verweisung des § 327e II AktG, aber auch in der Sache für den Squeeze Out. Hier hat das Freigabeverfahren wie bei der Mehrheit der Kapitalmaßnahmen bezogen auf die Effektivität des beschlussrechtlichen Rechtsschutzes also ebenfalls hauptsacheverdrängenden Charakter.
§ 20 Streitgegenstand von Freigabeverfahren und Hauptsache Die vorstehende Betrachtung hat ergeben, dass das umwandlungsrechtliche Freigabeverfahren vollständig und das aktienrechtliche Freigabeverfahren für die Mehrheit der Fälle einen zukunftsgerichteten Bestandsschutz erzeugt. Kritisiert wurde daran für das Umwandlungsrecht, dass dieses Ergebnis gleichsam „durch die Hintertür“, nämlich allein durch Ausschluss des Anspruchs auf Beseitigung der Beschlusswirkungen erzeugt wird.404 Damit entsteht der 404
S. o. § 5 A. II. u. § 6 B I. 4.
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
Anschein, in der Hauptsache könne weiterhin die Kassation des Beschlusses selbst betrieben werden, was dazu führen würde, dass die Strukturmaßnahme als soziales Faktum ohne rechtsgeschäftliche Grundlage dauerhaft fortbestünde und zu respektieren wäre. Dieser konzeptionellen Unvollständigkeit steht im Aktienrecht als konzeptionelle Ungereimtheit gegenüber, dass die §§ 246a, 319 VI, 327e II AktG mit der Bestandsschutzformel, wonach „Mängel des Beschlusses die Durchführung nach Eintragung unberührt lassen“, eine Regelung übernehmen, welche das Umwandlungsrecht in gänzlich anderer Weise, nämlich als Ausdruck der Heilung von Beschlussmängeln, verwendet und für die es Raum nur in einem anderen Zusammenhang, nämlich der Situation der nicht angefochtenen Strukturänderung, sieht.405 Die Problematik findet ihre Ursache in der Ungewissheit darüber, was Streitgegenstand des Freigabeverfahrens ist und wie sich dieser zur Hauptsache verhält.406 Ihr gilt es sich in Folgendem anzunehmen. Dazu soll zunächst dargelegt werden, was der Gegenstand des Unwirksamkeitsverfahrens (Hauptsache) ist. Im Anschluss daran ist der Streitgegenstand des Freigabeverfahrens zu ermitteln und zu der Hauptsache in Beziehung zu bringen. Auf dieser Grundlage klären sich auch die Auswirkungen der Freigabe auf das Recht zur Anfechtung und Nichtigkeitsfeststellung, womit die bislang konzeptionell „offene Flanke“ geschlossen werden soll.
A. Streitgegenstand des Unwirksamkeitsverfahrens Für das Verfahren der Beschlussanfechtung gelten im Ausgangspunkt die allgemeinen Grundsätze des Zivilverfahrensrechts. Nach dem dafür herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff407 würde sich der Verfahrensgegenstand aus dem bei Gericht gestellten Antrag auf Kassation und dem sich aus dem gerügten Beschlussmangel folgenden Gestaltungsrecht des Mitglieds ergeben (bzw. bei der Nichtigkeitsfeststellungsklage aus dem dahingehenden Antrag und dem Fehlen eines wirksamen Beschlusses). Davon hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung allerdings durch die Feststellung gelöst, Streitgegenstand der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage sei das mit der Klage verfolgte Ziel, die richterliche Klärung der Nichtigkeit herbeizuführen. Die gesamten, der Entstehung des Beschlusses zugrundeliegenden Umstände stellten einen einheitlichen Lebenssachverhalt dar, der einen Teil des Klagegrundes bilde.408 Die dem zugrunde liegende eingliedrige Betrachtungsweise 405
Zur Kritik daran o. § 18 B. S. o. § 5 A. II. u. § 6 B I. 4. 407 Vgl. BGHZ 34, 37, 39; BGHZ 36, 365, 367; BGHZ 117, 1, 5; BGHZ 123, 137, 140; BGH NJW 1996, 1743; BGH NJW 2004, 1252, 1253; Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. Aufl. Einl. Rn. 82 f.; Becker-Eberhard in MünchKomm, ZPO, 3. Aufl., § 253 Rn. 32 ff. 408 BGHZ 134, 364; 152, 1; dazu Bork, NZG 2002, 1094; Bub, AG 2009, 679; Kocher/Falkenhausen, ZIP 2003, 426; zum Streitgegenstandsbegriff der Beschlussmängelklage Hüffer, 406
§ 20 Streitgegenstand von Freigabeverfahren und Hauptsache
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hängt mit den besonderen Funktionen des Streitgegenstandsbegriffs zusammen, bei der es vor allem darum geht, das Fristerfordernis des § 246 I AktG gegen ein „Nachschieben von Gründen“ zu sichern409 und die bei einer Antragsbezogenheit bestehenden Probleme der Abgrenzung von Anfechtungsund Nichtigkeitsklage zu begegnen.410 Darüber hinaus dient der vorgenannte Sonderweg dazu, die Einheitlichkeit der Entscheidung über die Beschlussmängelklage im Instanzenzug zu sichern.411
B. Streitgegenstand des Freigabeverfahrens Im Hinblick auf den Streitgegenstand des Freigabeverfahrens hat man aus der eingliedrigen Betrachtung des Streitgegenstands der Hauptsache bislang keine Schlussfolgerungen gezogen.412 Namentlich hat man bislang an den bereits erwähnten Formeln, wonach das Freigabeverfahren der Klärung der Eintragungsfähigkeit des Beschlusses und damit einer registerverfahrensrechtlichen Voraussetzung diene,413 keinen erkennbaren Anstoß genommen.414 Aus vorliegender Sicht liegt jedoch auf der Hand, dass das den Streitgegenstand der Hauptsache festlegende Ziel „mit der Klage, die richterliche Klärung der Nichtigkeit herbeizuführen“ mit der Klärung der Erfolgsaussichten der Klage im Freigabeverfahren eine kaum zu übersehende Überschneidung, wenn nicht sogar Übereinstimmung, aufweist. Zwar dient der die Unbedenklichkeitsfeststellung betreffende Teil des Tenors nur dazu, die Frage der Vorgreiflichkeit zu beantworten. Das kann zumindest in den Fällen der §§ 16 II Nr. 1 UmwG, 246a II Nr. 1, 319 VI Nr. 1, 327e II AktG den Blick allerdings kaum darauf verstellen, dass auch schon über das Schicksal des Beschlusses und damit auch das Rechtsschutzziel der Hauptsache entschieden wird. Aber auch bei einer rein abwägungsgestützten Entscheidung ist das nicht anders. Denn jedenfalls wird dabei der mit der Kassation verbundene Folgenbeseitigungsanspruch 409 AktG, 9. Aufl. § 246 Rn. 12; derselbe in MünchKomm. AktG, § 246 Rn. 17 m. w. N. K. Schmidt, in GK AktG, 4. Aufl., § 246 Rn. 61; derselbe JZ 1977, 769, 770; Bork, ZIP 1995, 609, 612 f. 409 Vgl. BGH ZIP 2005, 706; dazu Goette, DStR 2005, 800; Dörr in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 246 Rn. 19f.; Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 246 Rn. 11; Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 246 Rn. 26; Kindl, ZGR 2000, 166, 176; Tielmann WM 2007, 1686, 1691. 410 Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 246 Rn. 41, § 249 Rn. 10; Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 249 Rn. 2; Dörr in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 249 Rn. 2ff. 411 Vgl. BGHZ 152, 1. 412 Zum Gegenstand des Freigabeverfahrens Dörr in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 246a Rn. 6; Hüffer, AktG, § 246a Rn. 1. 413 BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 90. 414 S. namentlich OLG Düsseldorf AG 2004, 207 und die darauf in der Sache abstellenden OLG Stuttgart, AG 2004, 271; KG NZG 2010, 462; Göz, in Bürgers/Körber, AktG § 246a Rn. 5; Meilicke, AG 2007, 261, 269; Dörr, in Spindler/Stilz, AktG, § 246a Rn. 40; Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 246a Rn. 34; a. A. wohl aber Sosnitza, NZG 1999, 965, 974.
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nach §§ 16 III UmwG, 246a IV 2, 319 VI 10, 327e II AktG ausgeschlossen. Für eine vollständige Gegenstandsidentität mit der Hauptsache fehlt nur noch die Beseitigung des Kassationsrechts als solches. Sie ist nach bisheriger einhelliger Einschätzung nicht gewollt. Es fragt sich jedoch, ob sie in der gesetzlichen Regelungssystematik nicht zwingend angelegt ist. I. Eintragungsfähigkeit des Beschlusses und Bestandsschutz Blickte man nur auf den die Vorgreiflichkeit der Klage beseitigenden Teil des Freigabebeschlusses – der „Unbedenklichkeitsfeststellung“ – würde man dem bisherigen Streitgegenstandsverständnis der Lehre darin Folge leisten können, dass es sich mit dem Freigabeverfahren so verhält, wie beim Verhältnis von Arrest und einstweiliger Verfügung zur Hauptsache. Dieser Vergleich zeigt, dass die Überprüfung des Klagegrundes, die in beiden Fällen erfolgt, noch nicht zur Streitgegenstandsidentität führt. Dazu trägt beim einstweiligen Rechtsschutz allerdings schon der grundsätzlich auf eine bloße Regelung oder Sicherung gerichtete, von der Klage zu unterscheidende Antrag bei. Auf den Antrag kann im Freigabeverfahren zwar nicht abgestellt werden, weil hier mit vertauschter Rollenverteilung der „Gegenangriff“ durch die Gesellschaft geführt werden muss und es hierbei nicht um die „Sicherung“ eines Anspruchs geht. Das wäre für sich gesehen allerdings unschädlich, da man das Freigabeverfahren insoweit als einen vom Registergericht auf das OLG verlagerten Zwischenstreit i. S. d. ZPO ansehen könnte. Nicht hinwegsehen können wird man aber über die mit der Eintragung eintretenden Konstitutivwirkungen und den damit verbundenen – wenn auch möglicherweise nur vorübergehenden – Bestandsschutz.415 Was als Parallele zwischen Freigabe und einstweiligem Rechtsschutz in ihrer jeweiligen Beziehung zur Hauptsache alleine bleibt, ist die Unterschiedlichkeit der in beiden Verfahren geltenden Prüfungsmaßstäbe. Sie ändert an der materiellen Übereinstimmung der Prüfungsgegenstände als solcher zunächst aber nichts. II. Kassation trotz dauerhaften Bestandsschutzes? Bezieht man eine dauerhafte Bestandsschutzwirkung des Freigabebeschlusses in die Ermittlung des Streitgegenstands des Freigabeverfahrens mit ein, so stößt man unweigerlich auf die Prämisse, mit der das bislang anzutreffende Verständnis die Verschiedenheit der Streitgegenstände von Freigabe und Hauptsache begründen und die Kassationsfähigkeit des Beschlusses aufrecht erhalten werden soll: Die Unterscheidbarkeit der – von dem Bestandsschutz allein profitierenden – „Durchführung“ i. S. d. §§ 246a IV, 319 VI 11 AktG als einem tatsächlichen Akt von dem davon nicht betroffenen Beschluss als dessen 415
Dazu daher gleich u. II.
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rechtsgeschäftlicher Grundlage. Indessen bedarf Überprüfung, ob sich beides in der Weise voneinander abstrahieren lässt, dass eine Kassation des Beschlusses in der Hauptsache möglich bleibt. 1. Prämisse der Abstraktionsfähigkeit von Beschluss und Strukturänderung a) Grundsatz von der Einheit der Organisationsänderung Erwogen, diskutiert und letztlich verworfen hat die damit angesprochene Trennung von Beschluss und Strukturänderung Hommelhoff.416 Gegenstand seiner Überlegungen war hierbei zwar nicht die vorliegend zu beantwortende Frage nach dem Erhalt oder Ausschluss der Kassationsfähigkeit, sondern nach der Anwendbarkeit der LfG auf die fehlerhafte Strukturveränderung bis zur Nichtigerklärung. Die damit verbundenen Betrachtungen beanspruchen aber erst Recht Gültigkeit, wo darüber hinausgehend endgültige Verhältnisse geschaffen werden sollen. Der Blick hat sich hierbei gleichermaßen auf die Bedeutung der Willensbildung für die Änderung der Verbandsverfassung zu richten wie den Grundlagen der LfG Beachtung zu schenken. aa) Beschluss als Wesensbestandteil der Änderung der Verbandsverfassung Hinsichtlich der Bedeutung des Beschlusses für die Änderung der Verbandsverfassung und den darauf beruhenden Durchführungsmaßnahmen gibt das Gesetz schon durch die in §§ 293 I u. II, 319 I S. 2 AktG, 13 I S. 1, 125, 176 UmwG vorgesehene Zustimmungsbedürftigkeit zu verstehen, dass die dadurch zum Ausdruck gelangende Willensbildung als Wesensbestandteil des korporationsrechtlichen Rechtsgeschäfts und seiner Umsetzung anzusehen ist.417 Der Gesetzgeber hat die Entscheidung hierrüber nicht nur in den sehr eng gefassten Kreis der Aktionärskompetenzen einbezogen, sondern deren Zuständigkeit zugleich so hohe Bedeutung beigemessen, dass er ihre Ausübung, in Durchbrechung des Grundsatzes unbeschränkter und unbeschränkbarer Vertretungsmacht des Vorstands (§ 82 I AktG), ausnahmsweise mit Außenwirkung versieht. Dem Hauptversammlungsbeschluss kommt bei solchen Rechtsgeschäften keine bloße Hilfsfunktion zu, vielmehr wirkten die Aktionäre hierdurch an der Maßnahme selbst maßgeblich daran mit. Bei der Kapitalerhöhung zeigt sich ferner an § 186 III S. 1 AktG, dass Willensbildung und Durchführung nicht getrennt werden dürften. Denn danach kann das Bezugsrecht nur im Beschluss über die Erhöhung des Grundkapitals ausgeschlossen werden.418 416
Vgl. Hommelhoff, ZHR 158 (1994) 11, 12 ff., dessen Erwägungen sich eigentümlicher Weise auf einen dahin lautenden Vorschlag von Zöllner, AG 1993, 68, 72 f. beziehen. Diese Idee ist dem genannten Beitrag so zwar nicht zu entnehmen. Sie verdient aber im vorliegenden Zusammenhang dennoch Interesse. 417 Vgl. Hommelhoff, ZHR 158 (1994) 11, 14. 418 Vgl. Hommelhoff, ZHR 158 (1994) 11, 15.
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Bestätigung findet dieses Verständnis für die Vermögensübertragung, die Verschmelzung Unternehmensverträge in der Rechtsprechung des BGH. Diese unterstreicht in der Hoesch-Hoogovens-Entscheidung die Funktion des Zustimmungserfordernisses und seiner Außenwirkung als Instrument des Schutzes der Aktionäre, die hierdurch dagegen gesichert würden, dass die Verwaltung ohne ihren Willen das Vermögen der Gesellschaft preisgebe oder fremden Einflüssen unterwerfe.419 Diese Schutzwirkung liefe weitgehend leer, wenn eine solche Handlung rechtliche Anerkennung fände und in ihrem Bestand auch nur vorübergehend prinzipiell erhalten würde. bb) Strukturänderungen auf faktischer Grundlage? Einzuräumen ist allerdings, dass sich das vorstehend Gesagte den genannten Vorschriften nicht unmissverständlich entnehmen lässt. Von vornherein auszuschließen ist eine dahingehende Folge der Unterscheidung von Beschluss und Ausführung daher nicht, was zumal dann gelten würde, wenn es sich bei dem Beschluss nicht um einen zum Tatbestand der Strukturveränderung gehörenden Teil handeln würde, sondern um einen solchen, der konstruktiv allein als Wirksamkeitsvoraussetzung anzusehen wäre.420 Legitimationsgrundlage der Strukturänderung wären dann der – wenn auch fehlerhafte – Beschluss und das zu seiner Ausführung getätigte Rechtsgeschäft (Verschmelzungsvertrag, Spaltungsvertrag usw.). Der als solche bestimmungsbedürftige „Tatbestand“ der Strukturveränderung ist jedoch nicht darauf zu verengen.421 Und solange der Beschlussmangel zur späteren Kassation führen kann, besteht die Gefahr einer Durchführungshandlung ohne Beschluss. Nimmt man dieses in Kauf, liegt darin allerdings eine unbemerkte Rückkehr zu den Vorstellungen der für überwunden geglaubten Dogmatik von der faktischen Gesellschaft, also einer Lehre, welche wegen der mit ihr verbundenen Folgen für die rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht des Einzelnen heute einhellig auf Ablehnung stößt.422 Dieser Widerspruch fiele umso stärker ins Gewicht, als die private Regelungsautonomie des Verbandes namentlich für solche Entscheidungen außer Kraft gesetzt würde, die das Gesetz mit dem Zustimmungserfordernis per se als Grundlagengeschäft charakterisiert und die für seine weitere Existenz und seine Verfassung von tragender Bedeutung sind. Der Beschluss ist daher keineswegs der „Formalakt“, als der er immer wieder wahrgenommen und dargestellt wird, sondern bildet das Fundament, auf dem das gegenwärtige und zukünftige Gesellschaftsverhältnis steht und nach dessen Regeln es lebt. Das Konzept einer Verbindung von Kassationsfähigkeit 419
BGHZ 82, 188, 195 f. Dahingehend, wenngleich in anderem Zusammenhang Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 322 ff., 326 ff., 342, 359 f. 421 Dazu schon § 18 A II. 2. 422 S. dazu § 17 A I. 3. 420
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und Bestandsschutz würde über die faktische Gesellschaft insoweit sogar noch hinaus reichen, denn auch diese wollte zu keinem Zeitpunkt dauerhafte Wirkung des rechtsgrundlosen Zustands behaupten. Konsequent weitergedacht läge hierin nicht bloß einem Verzicht auf die Maßgeblichkeit des Beschlusses, sondern der rechtsgeschäftlichen Verbandsgrundlage insgesamt. All das lässt davon absehen, das Beschlusserfordernis im Wege einer konstruktiven Zuordnung vom „Tatbestand der Strukturänderung“ zu den bloßen Wirksamkeitserfordernissen erheblich zu entwerten.423 cc) Vergleich einer Trennung von Beschluss und Durchführung mit dem sachenrechtlichen Abstraktionsprinzip Der sich aufdrängende Vergleich zwischen dem Trennungs-Gedanken und dem sachenrechtlichen Abstraktionsprinzip führt zu keinem anderen Befund.424 Zwar besteht eine Parallele, als beides der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu dienen bestimmt ist. Allerdings besteht die Trennung von Verpflichtung und Verfügung nur im Verkehrsinteresse und führt zu keinerlei Bestandsschutz im Verhältnis der beteiligten Vertragspartner. Auch die Abstraktheit meint nicht, dass eine ohne Rechtsgrund erfolgte Verfügung hingenommen werden müsste. Vielmehr erfolgt hier die Rückabwicklung ex nunc nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB).425 Ein „Bestandsschutz“ ergibt sich im Innenverhältnis zwar durch den Entreicherungseinwand des § 818 III BGB. Allerdings setzt dieser – vorbehaltlich bekannter Privilegierungen, wie etwa der zugunsten Geschäftsunfähiger426 – dem enge Grenzen.427 Sodann ist zu beachten, dass auch die durch das Abstraktionsprinzip hergestellte Trennung zwischen Verpflichtungsgeschäft und Verfügung nicht einschränkungslos gilt, nämlich dann nicht, wenn zwischen beidem „Fehleridentität“ oder ein Bedingungszusammenhang besteht.428 Ein Gegenstück zur Fehleridentität besteht vorliegend in Form des Grundsatzes vom Fehlerfolgengleichlauf zwischen Beschluss und Organisationsvertrag.429 Zwar ist bei der fehlerhaften 423
Vgl. Hommelhoff, ZHR 158 (1994) 11, 16. Vgl. Hommelhoff, ZHR 158 (1994) 11, 13. 425 Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl., § 5 Rn. 44. 426 BGH NJW 2000, 3562. 427 Darüber hinaus ist zweifelhaft, inwieweit die Durchführung einer Strukturveränderung mit der dinglichen Verfügung gleichgesetzt werden kann. Als Anknüpfungspunkt bleibt hierfür allein die Handelsregistereintragung, bei der man überlegen könnte, ob sie wegen ihres konstitutiven Charakters die Abhängigkeit der Strukturänderung vom Zustimmungsbeschluss löst (so missverständlich, aber in der Sache verneinend Hommelhoff, ZHR 158 (1994) 11, 14). Bei der Eintragung handelt es sich indessen nicht um ein Rechtsgeschäft, sondern einen staatlichen Hoheitsakt und allein wegen ihrer rechtsbegründenden Wirkung darf sie keinesfalls mit einer (privatautonomen) Verfügung gleichgesetzt werden. 428 Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl., § 5 Rn. 50 ff. 429 Vgl. dazu Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 132, 146 ff.; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 340, obwohl er sich gegen die Annahme eines Gesamttatbestands zwischen Beschluss und Organisationsvertrag ausspricht. 424
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
Strukturänderung zwischen Mängeln des Organisationsvertrags und Mängeln des dazu ergangenen Grundlagenbeschlusses zu unterscheiden, allerdings besteht zwischen beiden eine gegenseitige Abhängigkeit, da der Inhalt des Unternehmensvertrags und der des Zustimmungsbeschlusses identisch sind.430 Das hat zur Konsequenz, dass Mängel des Letzteren sogleich den Organisationsvertrag betreffen und umgekehrt dessen Wirksamkeitsdefizite für die dazu ergangene Willensbildung beachtlich sind. Diese kann also einerseits wegen Beschlussmängeln im engeren Sinne, also Verfahrensfehlern, Verstoß gegen Stimmrechtsschranken usw. und andererseits wegen Fehlern des strukturändernden Vertrages andererseits für nichtig erklärt werden. Umgekehrt hat der Grundsatz – positiv – zur Folge, dass bestandserhaltende Regelungen den beiden rechtsgeschäftlichen Ebenen wechselseitig zu Gute kommen, weswegen nach der Heilung des Beschlusses auch Fehler des Unternehmensvertrages entsprechend § 242 II AktG nicht mehr geltend gemacht werden können.431 2. Ergebnisse und Folgerung Zusammenfassend bestätigen sich die im Schrifttum zum Ausdruck gebrachten Bedenken gegen die Trennung von Beschluss und Strukturänderung auch im vorliegenden Kontext. Hat man die Durchführung der Strukturänderung und ihre rechtsgeschäftliche Grundlage als Einheit zu verstehen, erscheint eine Abstraktion in Gestalt einer isolierten Kassationsfähigkeit des Beschlusses unter Fortbestand seiner Umsetzung ausgeschlossen. Für das Freigabeverfahren folgt daraus: Will man Bestandsschutz herstellen, muss man dies nicht nur mit dem Ausschluss des Folgenbeseitigungsrechts, sondern dem des Anfechtungsrechts verbinden. Will man umgekehrt die Kassationsfähigkeit wahren, gibt es keinen dauerhaften Bestandsschutz. Zwar ist beides gewollt, aber nur eines realisierbar. III. Ausschluss des Anfechtungsrechts als Grundlage des Bestandsschutzes Um zu einer Beseitigung der Kassationsfähigkeit des Beschlusses im Freigabeverfahren zu gelangen, stehen zwei Wege offen: Der erste besteht darin, dass Freigabebeschluss und Eintragung das die Anfechtungsklage tragende mitgliedschaftliche Gestaltungsrecht aufheben, der zweite darin, dass die Freigabeentscheidung als Feststellungsverfügung in materieller Rechtskraft erwächst und damit die Entscheidung in der Hauptsache präjudiziert.
430 Namentlich aus § 14 I UmwG folgt im Umkehrschluss, dass sich inhaltliche Mängel des Verschmelzungsvertrags grundsätzlich im Zustimmungsbeschluss niederschlagen. Denn das Umtauschverhältnis ist Gegenstand des Verschmelzungsvertrages (§ 5 I Nr. 3 UmwG); so bereits Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 192. 431 Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen (1998), S. 147 m. w. N.
§ 20 Streitgegenstand von Freigabeverfahren und Hauptsache
361
1. Negative Feststellungsverfügung Für ein Verständnis des Freigabeverfahrens als einer negativen Feststellungsverfügung spricht, dass der Antrag der Gesellschaft seinem Kern nach regelmäßig nicht auf die Klärung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses in Form eines wirksamen Hauptversammlungsbeschlusses gerichtet ist, weil dieser bei bloßer Anfechtbarkeit gleichwohl wirksam ist. Nur bei der Nichtigkeitsklage liegt der Freigabeentscheidung zugleich eine positive Feststellung in Bezug auf den Beschluss zugrunde. Für die Annahme eines spezialgesetzlich geregelten Falles einer Feststellungsverfügung spricht ferner, dass dieser ungeachtet der zivilprozessualen Bedenken gegen die Anerkennung einer solchen mit § 16 II HGB in umgekehrter Form bereits existiert.432 Wird darin die Eintragung durch Entscheidung des Prozessgerichts für unzulässig erklärt, erfolgt hier das durch Bestandsschutz erweiterte Gegenteil. Das Freigabeverfahren wäre damit eine komplementäres Verfahren zu § 16 II HGB. Gegen den Vergleich mit der negativen Feststellungsklage lässt sich zwar anführen, dass in der Hauptsache keine Leistungsklage, sondern eine Gestaltungsklage vorliegt und diese hier dem Feststellungsverfahren vorangeht. Beides begründet jedoch keinen durchgreifenden Einwand, da beides den Besonderheiten des Beschlusskontrollverfahrens der §§ 241 ff. AktG gegenüber den Regeln des allgemeinen Erkenntnisverfahrens geschuldet ist. 2. Entzug des Anfechtungsrechts als negativer Gestaltungsakt Ein das Kassationsrecht beseitigende Verfahren – und damit – wirklich eigener Art wäre die Freigabe und das Eintragungsverbot des § 242 II 5 AktG433 dann, wenn sie den Bestandsschutz nicht nur über die Bindungswirkung des Gerichts der Hauptsache herstellen würden, sondern durch den Entzug des Anfechtungsrechts als einem negativen Gestaltungsakt. Das erscheint in seiner Reichweite zwar auf den ersten Blick gewagt, aber erwägenswert, führt es doch über das Modell einer bloß präjudiziellen Bindungswirkung hinaus und zu einer plausiblen materiell-rechtlichen Verfestigung des Beschlusses. Denn nur das entspricht dem Bedürfnis nach der Einheit von Beschluss und Bestandsschutz von Durchführungsmaßnahmen und schließt lückenlos zu der den Bestandsschutz nach §§ 20 II pp. UmwG tragenden, materiellen Präklusion (§ 14 I UmwG)434 auf. Welche dieser beiden Wirkungen dem Freigabebeschluss zugrunde liegt, bedarf allerdings keiner Entscheidung, da beides einen zukunftsgerichteten Bestandsschutz gleichermaßen zu erklären vermag435 und 432
Dazu bereits o. § 13 B. III. 2. Dazu o. § 8 B. II. 2. d) 434 Dazu o. § 14 A. IV. u. C. III. 435 Die Abgrenzung zwischen Gestaltungsverfügung und Feststellungsverfügung ist hier genauso überflüssig, wie die Unterscheidung zwischen der Gestaltungsklage und Feststellungsklage im Rechtsschutzsystem der §§ 241 ff. AktG sonst (vgl. zum Verständnis als einer einheitlichen Gestaltungsklage K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 28 IV 5 e) cc) (S. 861 ff.)). 433
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
weder das eine noch das andere dem freigaberechtlichen Schadensersatzanspruch entgegensteht.436 IV. Übereinstimmung oder Verschiedenheit der Streitgegenstände? Noch nicht entschieden ist mit dem vorstehend Gesagten, ob damit die Streitgegenstände von Freigabeverfahren und Hauptsache übereinstimmen. Indiziert wird das allerdings durch die entsprechende Situation bei der negativen Feststellungsklage und Leistungsklage.437 Denn bei dieser ist das Rechtsverhältnis als Grund der Leistungsklage bereits im Feststellungsbegehren enthalten. Der Umstand, dass es sich bei der Anfechtungsklage um eine Gestaltungsklage handelt, schwächt die Vergleichbarkeit nicht ab, da es sich bei dieser trotz der gängigen Dreiteilung der Klagearten des Zivilprozessrechts nur um eine besondere Kategorie der Leistungsklage handelt. Zweifel an einer Identität der Streitgegenstände können nur aufgrund einer Unterschiedlichkeit der in beiden Verfahren geltenden Prüfungsmaßstäbe bestehen. Dies betrifft einmal die Einschränkung der Erkenntnisfindung durch das summarische Verfahren, zum anderen die Entscheidungsgrundlage. 1. Auswirkungen des summarischen Verfahrenscharakters Der Umstand einer im Vergleich zur Hauptsache nach den Grundsätzen des summarischen Verfahrens beschränkten Prüfung des Freigabeantrags stellt die Gegenstandsidentität als solche jedoch nicht in Frage. Erstens bezieht sich die Einschränkung nur auf die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen, nicht aber die rechtliche Würdigung,438 zweitens sind die für das summarische Verfahren geltenden Einschränkungen auch im Verhältnis zwischen einstweiligem Rechtsschutz und Erkenntnisverfahren nicht der Grund, weswegen beiden unterschiedliche Gegenstände bescheinigt werden. Dieser liegt vielmehr darin, dass Klagebegehren und Verfügungsbegehren sich dadurch unterscheiden, dass Letzteres nur auf die Sicherung bzw. vorübergehende Regelung gerichtet ist, wohingegen die Klage dauerhafte und endgültige Befriedigung verfolgt.439 Allerdings versagt dieses Erklärungsmodell bei der Leistungsverfügung. Das Unbehagen gegenüber dieser Kategorie liegt demnach nicht allein in der erkenntnistechnisch schwachen Entscheidungsfindung des Eilverfahrens, sondern darin, dass die „Vorwegnahme der Hauptsache“ mit der bereits bestehender Rechtshängigkeit bzw. einem anderen dafür 436
Hier gilt das zum Verhältnis von Schadensersatzpflicht und Heilung Gesagte, vgl. § 14
C. IV. 437 Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. Aufl., Einl. Rn. 78, Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 256 Rn. 16; BGH NJW 1989, 2064. 438 Vgl. zur Erforderlichkeit der umfassenden rechtlichen Würdigung im summarischen Verfahren u. § 26 B. II. 2. 439 Dazu bereits o. I.
§ 20 Streitgegenstand von Freigabeverfahren und Hauptsache
363
vorgesehenen Verfahren, nämlich dem ordentlichen Erkenntnisverfahren unvereinbar ist. Letztere Bedenken beruhen darauf, dass eine „Vorwegnahme“ oder „Verdrängung“ der Hauptsache nur bei Gegenstandsidentität möglich ist. Überdies ist der summarische Charakter der Entscheidungsfindung auch begrifflich nicht dazu geeignet, zu der – allein den Parteien obliegenden – Streitgegenstandsbestimmung etwas beizutragen. Denn die Streitgegenstandsbestimmung orientiert sich am Entscheidungsziel und nicht dem Entscheidungsmaßstab. In der Konsequenz lassen sich aus dem „summarischen Charakters“ des Freigabeverfahrens daher keine Einwände gegen die Streitgegenstandsidentität mit der Hauptsache ableiten. 2. Auswirkungen der Interessenabwägung und des „Bagatell-Quorums“ Einzuräumen ist allerdings, dass sich die Entscheidungsmaßstäbe im Freigabeverfahren und der Hauptsache durch die Geltung der Interessenabwägungsklausel und des „Bagatell-Quorums“ in einem so erheblichen Ausmaß voneinander unterscheiden, dass bezweifelt werden muss, ob über diesen Umstand für die Streitgegenstandsbestimmung mit der vorstehend genannten Grundregel wirklich hinweggegangen werden kann. Als gesichert darf man ansehen, dass die Freigabegründe der Gesellschaft einen Anspruch gegen den klagenden Aktionär verschaffen. Dieser ist insoweit verselbstständigt, als er zwar nur innerhalb eines Beschlussmangelstreits geltend gemacht werden kann, aber ganz anderen Regeln folgt als dieser. Denn eine Interessenabwägung gibt es in der Hauptsache genauso wenig wie die Beschränkung der Anfechtungsbefugnis durch ein Beteiligungsquorum. Allerdings ist das im Verhältnis von negativer Feststellungsklage nicht anders und bleibt für die Überschneidung der Streitgegenstände beider Klage folgenlos. Seit jeher unbestritten liegt auch der negativen Feststellungsklage ein eigenständiger Anspruch des Klägers zugrunde. Kontrovers diskutiert wurde allein, ob dieser prozessual oder materiell-rechtlicher Natur sei. Durchgesetzt hat sich die Erkenntnis, dass es sich um eine rein prozessuale Rechtsschutzeinrichtung handelt.440 Kaum außer Acht lassen darf man freilich den Unterschied zwischen dem der Freigabe zugrunde zu legenden Anspruch der Gesellschaft und dem des Klägers bei der negativen Feststellungsklage. Denn wohingegen der Letztere auch in dem Antrag auf Klageabweisung der Leistungsklage enthalten ist, geht der im Freigabeverfahren geltend gemachte Anspruch auf Bestandsschutz darüber hinaus. Auch das ändert jedoch nichts an der Überlagerung der Streitgegenstände. Allein ist es anders als bei der Leistungsklage und der negativen Feststellungsklage: Hinsichtlich der Unbe-
440 Vgl. dazu Wach, in FG Leipziger Juristenfakultät (1888), S. 73, 87 f.; näher Jacobs, Gegenstand des Feststellungsverfahrens (2004), S. 1 ff.
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
denklichkeitsfeststellung entspricht der Antrag im Freigabeverfahren dem Antrag auf Klageabweisung im Anfechtungsverfahren, hinsichtlich der Bestandsschutzwirkung geht er darüber hinaus.441 3. Zwischenergebnis Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass dem Freigabeverfahren kein gegenüber der Hauptsache selbstständiger Streitgegenstand zugrunde liegt. Der Streitstoff des Freigabebeschlusses stimmt mit dem des Anfechtungsverfahrens in gleicher Weise wie bei der Leistungsklage und der negativen Feststellungsklage überein. Weder der Umstand, dass es sich beim Freigabebeschluss um eine Feststellungsverfügung bzw. eine negative Gestaltungshandlung handelt442 noch die im Rahmen der Freigabevoraussetzungen bestehenden Unterschiede oder die Qualität einer summarischen Prüfung der jeweiligen Anträge vermögen die damit gegebene Übereinstimmung der Streitgegenstände in Frage zu stellen.
C. Folgen Aus dem Befund, wonach bei Freigabe und Hauptsache eine Überschneidung der Streitgegenstände vorliegt, ergeben sich gegenüber dem bisherigen Verständnis die nachstehenden Folgen für die wechselseitige Beziehung beider Verfahren. I. Erledigungsfähigkeit der Hauptsache Der mit der Eintragung verbundene Bestandsschutz führt notwendigerweise zum Verlust des Kassationsrechts. Daraus ergibt sich die Erledigungsfähigkeit des Streitgegenstands in der Hauptsache.443 Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob diese auf der materiellen Rechtskraftwirkung einer negativen Feststellungsverfügung beruht oder die Entscheidungswirkung in der Aufhebung des mit der Beschlussmängelklage geltend gemachten Gestaltungsrechts besteht. In dem einen Fall steht der Kassation bei den bestandsschutzfähigen Beschlüssen mit dem – selbstständig in Rechtskraft erwachsenden – Freigabebeschluss (§ 246a III 5 AktG pp.) der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegen, und die Klage wird unzulässig. In dem anderen Fall wird sie dadurch 441 Anzumerken ist, dass diese Ansprüche wegen ihrer Bindung an das Freigabeverfahren wie bei der Feststellungsklage ebenfalls als rein prozessuale Ansprüche zu klassifizieren. Ein solches Verständnis ist auch damit vereinbar, dass mit dem Bagatell-Quorum einerseits und dem (beteiligungsunabhängig bestehenden) Anfechtungsrecht des Aktionärs nach § 245 I AktG andererseits unterschiedliche Befugnisse bestehen. 442 Gegen die dahingehend bestehenden Bedenken schon o. § 13 B. III. 2. 443 Anders die bislang h. M, vgl. § 7 B. I. 2.
§ 20 Streitgegenstand von Freigabeverfahren und Hauptsache
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unbegründet, dass das Anfechtungsrecht erlischt. Die Hauptsache kann damit entgegen bisheriger Einschätzung für erledigt und über die Kosten nach § 91a ZPO entschieden werden. II. Fortsetzung als Feststellungsstreit und Weiterverweisung Nachdem das Schicksal des Anfechtungsverfahrens in der Hauptsache im Rahmen der Grundlegung der Untersuchung noch offen geblieben war,444 ergibt sich nunmehr erneut die Frage, ob eine Fortsetzung des – als Gestaltungsklage erledigten Prozesses – in der Hauptsache in Form eines Feststellungsverfahrens in Betracht kommt. Dabei gilt es vor allem das Feststellungsinteresse zu begründen, wofür besonders an die Aufgabe der Legalitätssicherung angeknüpft werden könnte. Inwieweit dieses Anliegen besteht, hängt jedoch nicht von der Rechtsfolge des Bestandsschutzes, sondern von den Grundlagen ab, aufgrund derer die Freigabe erfolgt: Finden sich diese in einer von außerrechtlichen Maßstäben geprägten Interessenabwägung oder einer in der Hauptsache nicht geltenden Quorums-Regelung, so liegt nahe, dass die Rechtslage in der Hauptsache noch klärungsbedürftig erscheint. Für diese Feststellung bedarf es allerdings der Überprüfung, ob die Freigabe tatsächlich auf einer vom materiellen Recht losgelösten Ebene stattfinden darf. Darauf ist im nachfolgenden 3. Teil der Untersuchung einzugehen bevor vor dem Hintergrund des so gefundenen Ergebnisses zur Notwendigkeit eines Feststellungsrechtsstreits Stellung genommen werden kann.445 III. Einheitliches Prozessverhältnis? Anders als bei der negativen Feststellungsklage und einer darauf bezogenen Leistungsklage, die als Verfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung voneinander unabhängig bleiben und in keinerlei prozessualer Wechselwirkung stehen, stellt sich für das Freigabeverfahren die Frage, ob dieses mit der Hauptsache ein einheitliches Prozessverhältnis bildet. Eine derartige Annahme würde dazu führen, dass Verfahrenshandlungen in der Hauptsache unmittelbare Auswirkungen für das Freigabeverfahren haben. So wären die Verfahrensfrüchte der Hauptsache, z. B. die Ergebnisse einer Beweisaufnahme, stets auch im jeweils anderen Verfahren zu beachten. Auch könnte eine Nebenintervention in der Hauptsache im Freigabeverfahren nicht schlichtweg ignoriert werden.446 Eine wichtige praktische Konsequenz bestünde darin, das Darlegungs- und Fristenanforderungen im Freigabeverfahren versäumt werden könnten, wenn sie in der Hauptsache bereits vorgenommen wurden. Demgemäß dürfte die Freigabe nicht auf den fehlenden Mindestbesitz des 444 445 446
48.
S. o. § 7 V. Dazu u. § 26 C. So aber OLG Stuttgart AG 2005, 662; OLG Düsseldorf AG 2005, 654 bzw. BGHZ 169,
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2. Teil: Rechtsnatur des Freigabeverfahrens
Klägers gestützt werden, wenn er seine – über das Bagatell-Quorum hinausreichenden – Beteiligung an der beklagten AG schon in der Hauptsache dargetan hat.447 Der vielleicht größte Vorteil wäre, dass Zustellungsverzögerungen auf Seiten der Antragsgegner hätten vermieden werden können. Bis zum ARUG hätte man das beim Prozessgericht durchzuführende Freigabeverfahren kaum plausibel aus der Hauptsache lösen können und musste von dessen innerprozessualem Charakter ausgehen. Insbesondere aus prozessökonomischer Sicht wäre kaum erklärbar gewesen, weshalb hier streng voneinander zu unterscheidende selbstständige Prozessverhältnisse hätten vorliegen sollen. Auch nach Übergang der Entscheidungszuständigkeit auf das OLG wie sie das ARUG geregelt hat, gibt es zwar Gründe, daran festzuhalten.448 Nach der Aufteilung der Zuständigkeit erscheint ein Verständnis als einheitliches Prozessverhältnis jedoch nicht mehr zu begründen. Die Überlagerung der Streitgegenstände vermag ein solches nicht herzustellen und auch die gesetzliche Regelung geht mit dem – freilich aus anderen Gründen geschaffenen – Nachweiserfordernis des § 246a II Nr. 2 AktG von der prozessualen Selbstständigkeit beider Verfahren aus. Im Ergebnis wirken prozessuale Ereignisse daher nur in demjenigen Verfahren, wo sie eintreten.
D. Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Streitgegenstand des Freigabeverfahrens ist sowohl die Klärung der Eintragungsfähigkeit des Beschlusses wie der Ausstattung seiner Durchführung mit Bestandsschutz. Letzterer kann für die Hauptsache nicht ohne Folgen bleiben. Vielmehr gilt der Grundsatz der Einheit von Beschluss und Ausführung der Strukturveränderung. Er gebietet, dass eine Bestandsschutzgewährung allein für die Durchführung unter Kassation des Beschlusses als ihrer rechtsgeschäftlichen Legitimationsgrundlage ausscheidet. Es soll nicht verhehlt werden, dass die gesetzliche Regelung die Kassationsfähigkeit nahelegt und die Lehre diese als Grundlage für eine mögliche Schadensersatzhaftung ansieht.449 Ein derartiges Verständnis ist mit dem Grundsatz von der Einheit der Organisationsänderung jedoch unvereinbar. 2. Dieser Grundsatz führt sodann zu einer zumindest teilweisen Streitgegenstandsidentität zwischen Hauptsache und Freigabeverfahren, bei der es sich ähnlich verhält wie im Verhältnis von Leistungsklage und negativer Feststellungsklage. Der wesentliche Unterschied, dass es sich hier in der Hauptsache um eine Gestaltungsklage und der Freigabe um eine Verfügung feststellenden Charakters handelt, ändert daran nichts. Auch der Umstand, dass die Entscheidungsgrundlagen summarischen Charakter haben, ja möglicherweise 447 448 449
Dazu bereits o. § 5 A. II. 1. Dazu o. § 5 A. II. Dazu o. § 7 B I.
§ 20 Streitgegenstand von Freigabeverfahren und Hauptsache
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gänzlich anderer Art sind, führt nicht dazu, dass es sich in beiden Verfahren um einen unterschiedlichen Streitstoff handelt. Die unmittelbare Konsequenz dieser Erkenntnis liegt in der Erledigungswirkung des stattgebenden Freigabebeschlusses für die Hauptsache und der Berücksichtigung des aus dem Prozessverhältnis (also der Hauptsache) begründeten Streitstands. Deren Notwendigkeit führt insbesondere zum Erhalt der Verfahrensfrüchte und der Berücksichtigung eines Parteienvortrags aus der Hauptsache. Offen bleibt auch hier zunächst, ob ein durch Freigabe erledigtes Unwirksamkeitsverfahren im Wege eines Feststellungsstreits fortgesetzt.
3. Teil
Freigabegründe Der Freigabebeschluss darf nur ergehen, wenn die Klage gegen die Wirksamkeit des Beschlusses unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, wenn der Kläger nicht die im Gesetz genannte Mindestbeteiligung nachweist oder das alsbaldige Wirksamwerden des Beschlusses vorrangig erscheint. Gegenüber stehen sich damit drei ganz unterschiedliche Kategorien von Freigabegründen. Durch den Gebrauch des Wortes „oder“ scheint das Gesetz zum Ausdruck zu bringen, dass diese in einem Alternativverhältnis stehen, mithin jeder für sich allein den Freigabebeschluss des Gerichts zu rechtfertigen vermag. Da die Entscheidung in der Hauptsache weder eine „Abwägungsklausel“ noch ein Bagatell-Quorum kennt, würde das die Schaffung einer von der dort geltenden materiell-rechtlichen Betrachtung abweichenden Entscheidungsebene bedeuten. Wie die Darstellung der Reformdiskussion im Rahmen der Schaffung von § 246a AktG gezeigt hat, ist genau das nach teilweiser Auffassung auch gewollt.1 Die Konsequenzen einer solchen Annahme sind für das System der Beschlusskontrolle allerdings schwerwiegender, als es das rechtspolitische Desiderat, missbräuchlichen Klagen endlich Herr zu werden vermuten lässt. Ihre Prämissen bedürfen der Darlegung.2
1 „In die Interessenabwägung sind nicht nur die Nachteile für die Gesellschaft einzubeziehen, die durch die Verzögerung der Eintragung infolge des Anfechtungsprozesses eintreten, sondern auch die Nachteile, die der Gesellschaft bei einem Erfolg der Anfechtungsklage entstehen. Gesetzgeberisches Ziel der Klausel ist eine Abwägung aller durch die Anfechtungsklage tangierten rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen, bei angenommenem Erfolg der Anfechtungsklage.“ (BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 29) und „Eine Verkürzung der berücksichtigungswerten Schäden der Gesellschaft auf den durch die Verzögerung entstehenden Schaden verfehlt den Zweck der Abwägungsklausel. Sie soll im Freigabeverfahren den Umstand ausgleichen, dass im Anfechtungsverfahren eine Abwägung des Schadens der Gesellschaft und der übrigen Anteilseigner gegen die Schwere der Rechtsverletzung nicht stattfindet, dort vielmehr jede noch so geringfügige Rechtsverletzung grundsätzlich zur Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses führt. Es gilt, dieses absolute „Entweder/Oder“ des Anfechtungsverfahrens nach dem Willen des Gesetzgebers zu mindern.“ (Schütz DB 2004, 419, 424); zum Ganzen o. § 4 B. I. 6. 2 Zu den Gründen bereits o. § 12 B. II. u. III.
1. Abschnitt
Abwägungsklausel und materielle Akzessorietät Im Folgenden ist dahingehend zunächst zu fragen, in welchem Verhältnis die Abwägungsklausel und die mangelnden Erfolgsaussichten der Klage als Freigabegründe zueinander stehen, die erstere also alleinige Entscheidungsgrundlage zu sein vermag. Im Nachgang ist zu erwägen, ob das jedenfalls für das BagatellQuorum gilt. Gemeinsam ist beiden Betrachtungen, dass es einer Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache dann genau genommen nicht bedarf und sich so nicht nur die konzeptionellen Grundlagen der Beschlusskontrolle verändern, sondern sich auch Unklarheiten des mit der „offensichtlichen Unbegründetheit“ umschriebenen Prüfungsmaßstabs wie der Rechtsprüfung im Eilverfahren als solcher erledigen bzw. von untergeordneter Bedeutung erweisen. Soll sich eine Entscheidung nach Maßgabe des materiellen Rechts dergestalt zwanglos erübrigen und einem dauerhaften Vollzug auf nichtiger Grundlage der Weg bereitet werden, so will das zum einen aus Sicht des Zivilverfahrensrechts abgesichert sein. Dessen Vorgaben stehen auch deshalb am Anfang der Betrachtung, weil sie sich eine abwägungsbasierte Lösung umso mehr vertreten lässt, als sie als allgemeines Prinzip des Prozessrechts nachgewiesen werden kann. Hinzu kommt, dass es im verfahrensrechtlichen Schrifttum lange vor der Freigabeproblematik bereits einschlägige Überlegungen gegeben hat und die gesellschaftsrechtliche Literatur das Freigabeverfahren teilweise als gesetzgeberische Umsetzung dieser Konzeption einer „offenen Eilentscheidung“ begreift.1 Zunächst soll daher untersucht werden, ob sich eine solche Konzeption für den einstweiligen Rechtsschutz unter Einbeziehung des verwaltungsgerichtlichen und verfassungsprozessualen Verfahrens bereits findet. Im zweiten Schritt muss danach gefragt werden, ob sich der Ansatz einer rechtsoffenen Entscheidung jedenfalls für die aktienrechtliche Beschlusskontrolle oder zumindest die Kontrolle von Organisationsänderungsbeschlüssen durch materielle Wertungen der §§ 241 ff. AktG bzw. der Vorschriften des Umwandlungsrechts belegen lässt.2 Dabei 1
Noack, ZHR 2000 (162), 282; Sosnitza, NZG 1999, 965, 966; Vollhard, AG 1998, 397, 400. Eine auf diese Weise bestätigte Selbstständigkeit der Abwägungsklausel bedarf auch der verfassungsrechtlichen Überprüfung. Das BVerfG hat sie jüngst offengelassen (WM 2007, 1329, 1332), Überlegungsansätze zur verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeit einer rechtswidrigen organisatorischen Maßnahme finden sich schon in BGHZ 112, 9, 27. Die verfassungsrechtliche Würdigung und die Vereinbarkeit einer selbstständigen Abwägungsklausel mit Gemeinschaftsrecht werden gleichwohl hier zurückgestellt und bleiben weiteren Überlegungen vorbehalten. 2
§ 21 Funktionen der Abwägungstatbestände im Verfahrensrecht
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müssen verfassungsrechtliche Vorgaben berücksichtigt und auch der europäischen Dimension des Gesellschaftsrechts Rechnung getragen werden.
§ 21 Funktionen der Abwägungstatbestände im Verfahrensrecht A. Zivilprozessuale Eilverfahren Fragt man nach dem Vorhandensein von Abwägungstatbeständen im Bereich der zivilistischen Eilverfahren, so ist es zunächst eine Orientierung an den beiden zu unterscheidenden Verfahrensarten der einstweiligen Anordnung und dem einstweiligen Rechtsschutz nach §§ 916, 935 ZPO, d. h. dem Arrest und der einstweiligen Verfügung angezeigt. Ausgangspunkt bildet wegen ihrer äußerlichen Gemeinsamkeiten mit dem Freigabeverfahren3 die einstweilige Anordnung. I. Einstweilige Anordnungen Wohingegen die §§ 916 ff. ZPO selbstständige Verfahren bilden, ergeht die einstweilige Anordnung im Rahmen eines bereits anhängigen Hauptsacheprozesses, Beschwerdeverfahren oder einem solchen des einstweiligen Rechtsschutzes.4 Zu unterscheiden sind in der ZPO zwei Arten, und zwar zum einen die einstweilige Anordnung in Verbindung mit Rechtsbehelfen gegen die Zwangsvollstreckung und zum anderen die einstweilige Anordnung in Familiensachen (§ 620a ZPO).5 1. Einstweilige Anordnung in Zwangsvollstreckungssachen Rechtsbehelfe, die in der Zwangsvollstreckung gegeben sind, laufen prinzipiell Gefahr, zu spät zu kommen, da die Vollstreckung durch ihre Einlegung nicht gehemmt wird. Aus dieser Erwägung heraus sieht das Gesetz für alle Rechts3 Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 98; K. Schmidt, in FS Happ (2006), S. 259, 266 (§ 769 ZPO ähnelnder Zwischenstreit); zur Anlehnung der gesetzlichen Regelung an das zivilprozessuale Eilverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auch schon o. § 13 A. 4 Beispiele: §§ 570 III 1. Hs., 620 ff., 707 I 1, 719, 732 II, 766 pp., 924 III ZPO; vgl. aber § 621g ZPO, der einstweilige Anordnungen bereits bei bestimmten Vorverfahren erlaubt; allgemein zum Begriff Hartmann, in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO, 61 Aufl., Grundz § 916 Rn. 10; Grunsky, in Stein/Jonas ZPO, 21. Aufl., vor § 916 Rn. 55; Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 98. 5 Die einstweilige Anordnung im FGG-Verfahren bleibt hier unberücksichtigt (§ 24 III FGG). Dazu etwa Sternal, in Keidel/Kutze/Winkeler, FGG, 15. Aufl., § 24 Rn. 13 ff.; ferner OLG Köln WM 1989, 205, 207 (einstweilige Anordnung zur Verhinderung der Neubesetzung des Aufsichtsrats nach Abberufung); dazu auch Littbarski, Einstweiliger Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht (1996), S. 83.
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3. Teil: Freigabegründe
behelfe der Zwangsvollstreckung vor, dass das angerufene Gericht einstweilige Anordnungen treffen kann, um den Fortgang der Vollstreckung zu stoppen und die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern (vgl. §§ 707, 719, 732 II, 769, 771 III ZPO). Die einstweilige Anordnung verleiht dem vollstreckungsrechtlichen (Haupt-)Rechtsbehelf gegen einen titulierten Anspruch damit aufschiebende Wirkung.6 Besitzt sie damit in praktischer Hinsicht große Bedeutung, so erzeugt sie systematisch ein Spannungsverhältnis, welches auf der einen Seite durch die erwähnte Wertlosigkeit der vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe gekennzeichnet ist, der auf der anderen Seite die Begrenzung der im Gesetz vorgesehenen vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht rechtskräftiger Titel gegenübersteht. Denn die einstweilige Anordnung führt dazu, dass der Titel für den Gläubiger – ähnlich dem Beschluss für die Gesellschaft – unter Umständen für einen über mehrere Instanzen dauernden Rechtsstreit weitgehend nutzlos ist. a) Gesetzliche Regelung als Ermessensentscheidung Sämtliche der einschlägigen Beschlussermächtigungen stellen den Erlass der einstweiligen Anordnung in das Ermessen des Gerichts. Nach den einschlägigen Bestimmungen „kann“ die Einstellung der Zwangsvollstreckung auf Antrag ergehen (vgl. §§ 707 I, 719 I u. II, 769, 771 III ZPO). Je nach Art des vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfs und des Titels enthält das Gesetz weitere Voraussetzungen. So darf etwa die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war (§ 719 I 2 ZPO). Nach § 719 II ZPO ordnet das Gericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bei der Revision an, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht, wobei die Parteien die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen haben. b) Ermessenskonkretisierung aa) Erfolgsaussichten des vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfs Die geforderte Ermessensausübung hat im Ausgangspunkt zu bedenken, dass das Gesetz dem Gläubiger die Vollstreckung aus dem Titel gestattet. Seinen Interessen gebührt daher prinzipiell der Vorrang.7 Die Berücksichtigung der Schuldnerinteressen ist bei einem rechtskräftigen Titel durch das vorangegangene Verfahren und die regelmäßige Anordnung der Sicherheitsleistung er6 Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 21. Aufl., S. 57 u. 65; Kindl, in Saenger, ZPO, § 707 Rn. 1; Krüger, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 707 Rn. 1. 7 Herget in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 707 Rn. 10, Krüger in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 707, Rn. 11.
§ 21 Funktionen der Abwägungstatbestände im Verfahrensrecht
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folgt. Aus dieser Systematik folgt, dass die Einstellung der Zwangsvollstreckung die Ausnahme bleiben muss.8 Im Vordergrund der Entscheidungsfindung steht dabei die Prüfung, ob der Angriff gegen den Titel, also die Hauptsache, überhaupt Aussicht auf Erfolg hat.9 Dabei genügt eine summarische Prüfung, die nicht in gleicher Weise in Einzelheiten zu gehen braucht wie die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht im Prozesskostenhilfeverfahren, ebenso wie dort aber auch eine vorweggenommene Beweiswürdigung einschließen kann.10 bb) Kriterien der Interessenabwägung Gelangt das Gericht positiv zu der Einschätzung, dass der Rechtsbehelf Aussicht auf Erfolg hat, so ist zusätzlich in jedem Einzelfall eine Abwägung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen.11 Im Vordergrund stehen hierbei die wirtschaftlichen Auswirkungen von Einstellung beziehungsweise Nichteinstellung der Zwangsvollstreckung.12 Ist dem Gläubiger die Zwangsvollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung gestattet, so ist der Schuldner in aller Regel hinreichend abgesichert. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt damit im Wesentlichen nur in Betracht, wenn er durch die Vollstreckung eine besondere Gefährdung seiner Vermögensinteressen erleidet, also eine solche, die über die bloße, in jedem Fall eintretende Vollstreckungswirkung hinausgeht und deren Folgen durch den späteren Zugriff auf die Sicherheitsleistung nicht oder nicht vollständig ausgeglichen werden kann. Sind die wirtschaftlichen Interessen des Gläubigers auch ohne vollständige Durchführung der Vollstreckung gewahrt, so ist eine Einstellung ebenfalls in aller Regel sachgerecht. Das ist etwa der Fall, wenn er durch bereits vorgenommene Pfändungsmaßnahmen hinreichend gesichert ist. Neben den wirtschaftlichen Konsequenzen der Zwangsvollstreckung wirkt bei der Entscheidung aber auch die Einschätzung zu den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache nach. So soll die Einstellung der Zwangsvollstreckung trotz Sicherheitsleistung und ohne außerordentliche Belastungen im gerade genannten Sinne auch dann angemessen sein, wenn der Titel wahrscheinlich keinen Bestand haben wird.13 In denjenigen Fällen, in denen eine Einstellung dem Sinn des Titels in besonderer Weise zuwiderläuft – genannt wird etwa der Urkundenprozess –, soll das allerdings auch unab8
Krüger, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 707 Rn. 11. Krüger, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 707 Rn. 12; Herget in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 707 Rn. 7ff. 10 Kindl, in Saenger, ZPO, § 707 Rn. 5; Krüger, MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 707 Rn. 12. 11 Herget in Zöller, ZPO, 2. Aufl.;§ 707 Rn. 7; Krüger in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 707, Rn. 12. 12 Kindl, in Saenger, ZPO, § 707 Rn. 5; Krüger, MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 707 Rn. 12. 13 OLG Frankfurt a. M. NJW 1976, 2137; so auch Krüger, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 707 Rn. 13; vgl. aber auch Putzo, in Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl, § 707 Rn. 8 („nicht völlig aussichtslos“). 9
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3. Teil: Freigabegründe
dingbare Voraussetzung sein.14 In diesem Fall bildet die Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache, also das materielle Recht, die alleinige Entscheidungsgrundlage. Im Übrigen bildet sie zunächst die Vorbedingung für den Eintritt in die eigentliche Abwägung und beeinflusst diese sodann maßgeblich. Im Gegensatz zum Freigabeverfahren wird die Entscheidung hierbei in den praktisch wichtigsten Fällen, der Berufung und Revision (§ 719 I 1 u. II ZPO), häufig aber auch bei der Vollstreckungsgegenklage (§ 769 ZPO), allerdings dadurch erleichtert, dass der Rechtsmittelführer sich gegen einen titulierten Anspruch wendet, dessen Erlass ein Erkenntnisverfahren vorausgegangen ist. Das Gericht findet deswegen einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bereits aufbereiteten Streitstoff vor, den es lediglich in bestimmten Punkten überprüfen, nicht aber erstmals und umfassend vollständig würdigen muss. 2. Einstweilige Anordnung in Familiensachen Einstweilige Anordnungen in Familiensachen dienen nicht der Herstellung der aufschiebenden Wirkung gegen einen vorhandenen Vollstreckungstitel, sondern der erstmaligen und beschleunigten Titelverschaffung sowie seiner Durchsetzung. Sie sollen den Parteien bei Vorliegen eines dringenden Regelungsbedürfnisses eine einstweilige Zwischenlösung in Form einer vorläufigen Klärung des Sachverhalts ermöglichen.15 Die Gegenüberstellung der einstweiligen Anordnungen des Vollstreckungsrechts mit denen der §§ 49 FamFG/ ZPO a. F. bestätigt und ergänzt den bereits erwähnten Befund, dass es keine einheitliche Typologie der Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gibt16 und zeigt, dass dies auch innerhalb der einzelnen Anordnungskategorien gilt. Das Rechtsschutzziel der einstweiligen Anordnung in Familiensachen stimmt mit dem der einstweiligen Verfügung überein. Mit der Schaffung des § 49 FamFG wurde die einstweilige Anordnung gegenüber § 620 ZPO a. F. allerdings als einheitlicher und von der Hauptsache unabhängiger (§ 51 III FamFG) Rechtsbehelf konzipiert.17 Damit wird zum einen erreicht, dass die einstweilige Anordnung ohne anhängiges Hauptverfahren statthaft ist.18 Zum anderen besteht kein Raum mehr für eine einstweilige Verfügung.19 Das Verfahren nach § 49 FamFG bietet damit die Rechtsschutzmöglichkeiten, die bisher nur durch die einstweilige Verfügung ermöglicht wurden.20 Zudem soll der 14
Krüger, MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 707 Rn. 14. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl., § 49 FamFG Rn. 2; Soyka, in: MünchKomm, FamFG, 3. Aufl., § 49 Rn. 4; zum alten Recht noch Finger, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 620 Rn. 2; Jauernig, Zivilprozeßrecht, 28. Aufl., § 91 II 18. 16 S. o. § 13 B. III. 17 Soyka, in: MünchKomm, FamFG, 3. Aufl., Vor. § 49 ff. Rn. 1. 18 Vgl. Borth, FamRZ 2007, 1929. 19 Soyka, in: MünchKomm, FamFG, 3. Aufl., Vor. § 49 ff. Rn. 3. 20 Ebda. 15
§ 21 Funktionen der Abwägungstatbestände im Verfahrensrecht
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Antrag auf einstweilige Anordnung ein selbstständiges Verfahren neben der Hauptsache begründen.21 a) Gesetzliche Ausgestaltung als Ermessensentscheidung Auch nach § 49 FamFG „kann“ das Gericht durch einstweilige Anordnung vorläufige Maßnahmen treffen. Trotz des damit eingeräumten Ermessens muss das sachliche Recht, die Regelung als solche zulassen22 und ein dringendes Regelungsbedürfnis bestehen.23 Nach überwiegender, allerdings in Teilen streitiger Ansicht ist das Gericht wie bei der Entscheidung in Zwangsvollstreckungssachen dabei aber an das materielle Recht gebunden.24 Das Familiengericht muss einen Antrag daher ablehnen, soweit dieser offensichtlich unzulässig bzw. unbegründet ist. Es darf danach keine einstweilige Anordnung erlassen, die im Hauptsacheverfahren mangels gesetzlicher Grundlage alsbald wieder aufgehoben oder korrigiert werden müsste. Eine Einschränkung erfolgt entsprechend dem Eilcharakter des Verfahrens lediglich in der Weise, dass die Prüfung nur summarischen Charakter hat, und die Voraussetzungen für die Anordnung sind lediglich glaubhaft zu machen sind (§§ 51 I 2 FamFG/ 620a, II S. 3 ZPO). Eine Ausnahme hiervon besteht, wo die Anordnung eine präjudizähnliche Wirkung für das Hauptverfahren hat oder erhebliche Grundrechtsrelevanz besitzt, etwa weil sie in das Elternrecht des Art. 6, II S. 1 GG eingreift. Hier soll das Gericht zu einer möglichst umfassenden Tatsachenaufklärung verpflichtet sein.25 Im Zeitpunkt des Erlasses muss dann zumindest wahrscheinlich sein, dass die endgültige Entscheidung einen ähnlichen Inhalt aufweisen wird. b) Maßgeblichkeit des materiellen Rechts Die praktische Bedeutung dieses Grundsatzes ist hoch, und sie unterstreicht die Maßgeblichkeit des materiellen Rechts für die Entscheidung. Denn obwohl die Anordnung nicht in (materieller) Rechtskraft erwächst, also unter den Voraussetzungen der §§ 54 FamFG/620b, I ZPO a. F. jederzeit aufgehoben oder geändert werden kann,26 darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, 21
OLG Brandenburg FamRZ 10, 663. BVerfG FamRZ 2006, 257. 23 OLG Brandenburg FamRZ 10, 663; OLG Düsseldorf FamRZ 11, 1078 OLG Köln FamRZ 11, 1080. 24 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl., § 49 FamFG Rn. 4; so zum alten Recht schon Finger, MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 620 Rn. 10; praktische Relevanz der Frage ist gering, dafür nahezu sämtliche Regelungsgegenstände gesetzlicher Grundlagen vorhanden sind. Die Bedeutung zeigt sich in Grenzbereichen, wie etwa bei Anordnungen für die Benutzung gemeinschaftlicher Räume, insbesondere die Alleinzuweisung der Ehewohnung (dazu Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 16. Auflage, § 167 Rn. 15 m. w. N.). 25 Vgl. BVerfG FamRZ 1994, 223; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 16. Auflage, § 167 Rn. 5. 26 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 16. Auflage, § 167 Rn. 49. 22
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3. Teil: Freigabegründe
dass der Anordnung nach §§ 50 FamFG/620a ZPO a. F. vielfach faktische Bestandskraft zukommt.27 So werden mit einstweiligen Anordnungen in Sorgerechtsangelegenheiten und auf Herausgabe eines Kindes im Ergebnis regelmäßig endgültige Verhältnisse geschaffen. Ähnlich zwingt eine Zuweisung der gesamten Ehewohnung an einen Ehegatten bereits während des Eheverfahrens den anderen Ehegatten, seine Lebensverhältnisse so umzustellen, wie es im Falle einer endgültigen Entscheidung erforderlich wäre.28 Von regelmäßig endgültiger Wirkung sind ferner „einstweilige“ Anordnungen von Unterhaltsleistungen. Denn anders als im Recht der einstweiligen Verfügung besteht hier bei einer Anordnung, die sich später als ungerechtfertigt erweist, keine strikte Ersatzpflicht. Die Rechtsprechung lehnt eine entsprechende Anwendung des § 945 ZPO ab.29 In der Folge verbleibt dem zu Unrecht zur Unterhaltszahlung Verpflichteten lediglich ein meist wertloser Bereicherungsanspruch. Das ändert im Ergebnis allerdings nichts daran, dass die einstweilige Regelung in Familiensachen ebenfalls nicht als „offene“, vom sachlichen Rechts losgelöste Entscheidung ergeht. 3. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lässt sich damit festhalten: Einstweilige Anordnungen sind regelmäßig in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt. Nur in Einzelfällen verbindet das Gesetz die Ermächtigung zu ihrem Erlass mit weiteren Voraussetzungen. Allerdings gilt bei der Entscheidung das Primat des materiellen Rechts. Der gegen die Zwangsvollstreckung gerichtete Rechtsbehelf muss in der Sache Erfolg haben, das familienrechtliche Recht bzw. der Anspruch i. S. d. § 620 ZPO bestehen können. Je nach Art des Titels ist die Überzeugung des Gerichts von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabdingbare Voraussetzung. Im familiengerichtlichen Anordnungsverfahren gilt das immer dann, wenn faktisch irreversible Zustände geschaffen werden. Hier reduziert sich das richterliche Ermessen auf null, lässt für eine eigenständige, von den Vorgaben des materiellen Rechts losgelöste Abwägung i. S. e „offenen Eilentscheidung“ keinen Raum.
27 Unglücklich daher die pauschale Verneinung der Bestandskraft bei Finger, MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 620 Rn. 3 u. 45. 28 Vgl. zu beidem Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 16. Auflage, § 167 Rn. 4; zu den Grenzen der einstweiligen Anordnung wegen mangelnder Kongruenz mit der Folgesache auch a. A. Philippi, in Zöllner, ZPO, 24. Aufl., § 620 Rn. 19. 29 Vgl. BGHZ 143, 65; dazu auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 16. Auflage, § 167 Rn. 31.
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II. Arrest und einstweilige Verfügung 1. Hauptsacherecht als Erkenntnisgegenstand der Eilmaßnahme Die Untersuchung der Frage nach der Bedeutung des Hauptsacherechts im einstweiligen Rechtsschutz der §§ 916 ff., 935 ff. ZPO ist, dem Aufbau des Gesetzes folgend, ausgehend vom Arrest zu beantworten: Nach der gesetzlichen Regelung des § 920 II ZPO sind Arrestanspruch und Arrestgrund glaubhaft zu machen. Dies wird von § 936 ZPO auf die einstweilige Verfügung übertragen, welche ihrerseits also Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund erfordert. Sowohl der Arrest- wie der Verfügungsanspruch entsprechen dem für die Geltendmachung in der Hauptsache zu sichernden materiellen Recht. Er ist mit dem Erkenntnisgegenstand des Hauptverfahrens identisch. Die Unterschiedlichkeit der Streitgegenstände beruht lediglich auf der zeitlichen Dimension der Entscheidung als vorläufiger Regelung. Weniger eindeutig ist die Bedeutung des materiellen Rechts bei der einstweiligen Verfügung, die auf § 940 ZPO gestützt wird. Dem Gesetzeswortlaut nach ist sie bereits unter der Voraussetzung gestattet, dass „diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint“. Demzufolge wird hier teilweise gesagt, an die Stelle eines zu sichernden Anspruchs trete ein streitiges Rechtsverhältnis und seine Zwischenregelung.30 Das berücksichtigt jedoch nicht, dass die Regelung des Rechtsverhältnisses in § 940 ZPO kein Selbstzweck oder Folge der im Interesse der Allgemeinheit liegenden Befriedigungsfunktion ist, sondern nur eine Regelung zur Sicherung der aus dem Rechtsverhältnis entspringenden Ansprüche oder Rechte des Antragsstellers zulässt.31 Damit ist nichts anderes gemeint, als die materielle Berechtigung des Hauptsachebegehrens, welches ebenfalls nicht nur einen einzelnen Anspruch, sondern auch eine Mehrheit von Ansprüchen, ein festzustellendes Recht oder eine Gestaltungshandlung zum Gegenstand haben kann.32 In den Vordergrund schiebt sich der Bestand des materiellen Anspruchs neben § 920 II ZPO auch durch die gedankliche Grundlage des Arrest- und Verfügungsgrunds. Nach § 916 I ZPO findet der Arrest zur Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung oder eines Anspruchs statt, der in 30
Reichold, in Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 940 Rn. 1. Heinze, in MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 940 Rn. 2; mit Bezug auf die Anfechtungsklage ders., ZGR 1979, 293, 304. 32 So auch Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 17 f. Darüber hinaus ist § 940 ZPO im vorliegenden Zusammenhang auch deshalb zu vernachlässigen, weil die Vorschrift keine eigenständigen, i. S. d. § 936 ZPO von den Vorschriften des Arrests abweichende Voraussetzungen für den Erlass der einstweiligen Maßnahme formuliert oder preisgibt, sondern eine Inhaltsbestimmung für die jeweilige Verfügung vorgibt. Die Vorschrift regelt mit anderen Worten, nicht das „ob“, sondern das „wie“ der Anordnung. 31
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3. Teil: Freigabegründe
eine Geldforderung übergehen kann. Ausgangspunkt ist, dass dessen Durchsetzung anderenfalls vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§§ 917 I, 935 ZPO). Stets bilden also das auf den Anspruch in der Hauptsache bezogene Urteil und die Sicherung seiner Vollstreckbarkeit den gedanklichen Bezugspunkt des Eilverfahrens.33 Als Grundaussage der gesetzlichen Regelungen ist damit im Ausgangspunkt anzusehen, dass der einstweilige Rechtsschutz gemäß §§ 916 ff., 935 ff. ZPO trotz seiner systematischen Stellung innerhalb des Zwangsvollstreckungsrechts ein verkürztes Erkenntnisverfahren beinhaltet, welches aber gegenständlich mit dem der Hauptsache übereinstimmt. Seine sachliche Rechtfertigung bezieht der einstweilige Rechtsschutz damit aus dem materiellen Recht, dem „Recht haben in der Hauptsache“. Deren Prüfung bildet folglich keine Randfrage, sondern steht im Mittelpunkt der Entscheidungsfindung. 2. Abwägungserwägungen Die Rechtsprechung weicht von der Glaubhaftmachung des Verfügungsanspruchs allerdings teilweise aufgrund eines überragenden Schutzbedürfnisses des Antragstellers ab. Hier beruht die Verfügung nicht allein auf der Sicherung des Hauptsacherechts, sondern der in der Entscheidungssituation vorgefundenen Interessenlage. Teilweise beruht der Erlass der Verfügung dabei auf der Abwägung, im Übrigen erlaubt sie zumindest, fortbestehende Unsicherheiten bei der Anspruchsprüfung zu überwinden. Das gilt sowohl für das Recht des einstweiligen Rechtsschutzes im Allgemeinen wie für den in gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten im Besonderen. Wie bei der einstweiligen Anordnung in Zwangsvollstreckungssachen haben die wirtschaftlichen Konsequenzen des Erlasses der Verfügung oder ihrer Verweigerung dabei entscheidendes Gewicht.34 III. Zulässigkeit einer „offenen Eilentscheidung“? 1. Zur These Leipolds Eine von den vorstehenden Grundsätzen abweichende Position hat Leipold eingenommen.35 Seine Untersuchung geht von dem Befund der steigenden Bedeutung und Anzahl zivilistischer Eilverfahren aus, der das Problem der begrenzten Erkenntnismöglichkeiten gegenüberstehe.36 Dieser Umstand und die damit verbundene Gefahr der Verdrängung des ordentlichen zivilprozessualen Rechtsschutzes veranlasse zu einer Änderung der als maßgeblich anzusehen33
So im Ansatz auch Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 62. Vgl. OLG Frankfurt a. M. GmbHR 1993, 161, 162; OLG München GmbHR 1999, 718, 719; wegen Reputationsschäden auch OLG Koblenz GmbHR 1991, 21, 22; zum Ganzen Nietsch, GmbHR 2006, 393, 398 f. 35 Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971). 36 Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 10 ff. 34
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den Entscheidungsgrundlagen. Als Typus soll neben der an der materiellen Rechtslage ausgerichteten vorausprüfenden Eilentscheidung daher die „offene Eilentscheidung“ stehen.37 Zu ihr gelange man, wenn man mit dem Begriff des „vorläufigen Rechtsschutzes“ nicht die Rechtsschutzfunktion, sondern das Merkmal der Vorläufigkeit und Eiligkeit hervorhebe. Anlass hierzu sieht Leipold bereits in der Legitimation des Eilverfahrens als solchem. Denn wenn diese gerade aus der Tatsache folgt, dass eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergehen könne, so erscheine fragwürdig, im Eilverfahren eine Antwort auf die Hauptsachefrage zu erwarten und sie dem Gericht zur Pflicht zu machen.38 Die Eilentscheidung könne genauso wenig mit der bloßen Behauptung eines Rechts gerechtfertigt werden. Erforderlich sei vielmehr eine Interessenabwägung, durch die geklärt werde, welcher Partei das Risiko einer Fehlentscheidung im summarischen Verfahren eher zugemutet könne. Das Gericht habe dazu den Geschehensablauf ins Auge zu fassen, wie er ohne Erlass einer einstweiligen Verfügung eintreten würde, und müsse prüfen welche Nachteile sich daraus für die behauptete Rechtstellung des Antragstellers ergeben würden. Zum anderen habe das Gericht zu erwägen, welche Nachteile der Erlass einer Eilmaßnahme dem Antragsgegner zufügen würde, sofern die Hauptsachentscheidung zu seinen Gunsten ausfallen würde. Was diese selbst anbelangt, sei für jede Partei zu unterstellen, sie habe in der Hauptsache Recht. Das Risiko im summarischen Verfahren soll damit ebenso zu verteilen sein, wie es im Rahmen der verfassungsgerichtlichen einstweiligen Anordnung geschieht (vgl. § 32 BVerfGG).39 Dieser Ansatz stellt die Schadensverhütung- und Friedensfunktion des einstweiligen Rechtsschutzes in den Vordergrund, „entmaterialisiert“ den Gedanken raschen Rechtsschutzes allerdings nicht völlig,40 weil er die genannte Interessenabwägung nur als Mittel der Konfliktentscheidung in Zweifelsfragen begreift. Auch danach darf eine Eilentscheidung nicht ergehen, wenn das Hauptsacherecht des Antragstellers klar als unbegründet erscheint. Umgekehrt bestehen keine Bedenken, seinem Interesse sogleich den Vorrang zu geben, wenn das in Anwendung der materiellen Norm eindeutig erscheint.41 Andererseits ist nicht zu verkennen, dass dies die Ausnahme und die Offenheit der Entscheidung die Regel sein und die „offene Entscheidung“ damit zum Grundtypus werden soll.
37
Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 52 ff. Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 53 f., 83 ff. 39 Dazu sogleich u. B. 40 Vgl. Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, 13. Aufl., S. 638 f. (wo allerdings wohl irrtümlich von einer „Materialisierung“ gesprochen wird). 41 Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 93. 38
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3. Teil: Freigabegründe
2. Grundlagen Gedankliche Ausgangsposition der genannten These ist die fehlende Eindeutigkeit der ZPO in Bezug auf die Bedeutung des materiellen Rechts im einstweiligen Rechtsschutz. Zwar beschränke die gesetzliche Regelung die Glaubhaftmachung nur auf die tatsächlichen Behauptungen von Arrestanspruch und -grund.42 Dies schließe aber nicht aus, darunter auch eine Herabsetzung an die Erkenntnis der Rechtslage zu verstehen. Die Materialien deuteten darauf hin, § 920 II ZPO habe insgesamt geringere Anforderungen an die Prüfung des Anspruchs stellen wollen. Insoweit wird Bezug genommen auf die Begründung des Entwurfs der CPO, innerhalb dessen es heißt: „Bei Verhandlungen unter den Parteien kann die Frage, ob der Anspruch, für welchen der Arrest angeordnet worden ist, begründet sei, nicht völlig ausgeschlossen werden. Es würde aber eine wesentliche Verkennung der Bedeutung dieser Verhandlung sein, wenn hierbei über die Erörterung, ob der Anspruch glaubhaft ist, hinausgegangen würde, sollte auch die Hauptsache noch nicht anhängig sein. Denn nur der Arrest als solcher ist Gegenstand des Streits; zur Feststellung des Anspruchs ist das Gericht durch den Arrestantrag nicht berufen.“43
Dazu passe, dass die ZPO nirgends erkennen lasse, welche inhaltlichen Anforderungen an die Glaubhaftmachung zu stellen seien.44 Dem Ausdruck könne man nur entnehmen, dass es sich um etwas anderes handele, als die richterliche Überzeugung i. S. d. § 286 ZPO. Zudem stelle § 294 ZPO nur fest, welche Beweismittel zur Glaubhaftmachung verwendet werden können. Gerade die Zulässigkeit der Versicherung an Eides statt ist aber aus Sicht Leipolds besonders zurückhaltend zu sehen, weil die antragstellende Partei hierdurch in die Lage versetzt würde, ihr eigenes Beweismittel zu schaffen. Die Versicherung an Eides statt könne in aller Regel nicht mehr bewirken, als eine gewisse Garantie, dass nicht wider besseres Wissen falsche Behauptungen aufgestellt werden. Dies entspreche qualitativ nicht den übrigen Beweismitteln des Erkenntnisverfahrens und sei für sich gewertet nicht ausreichend, um die Überzeugungsbildung des Richters zu begründen. Zwar enthalte die ZPO auch keine positive Normierung einer Interessenabwägung als Entscheidungsgrundlage. Immerhin ergebe sich aber aus § 921 ZPO, dass das Interesse des Antragsgegners nicht völlig außer Acht zu lassen sei.45 Nach Absatz 2 Satz 2 der Vorschrift könne die Arrestanordnung trotz Glaubhaftmachung von Anspruch und Grund von der Sicherheitsleistung des Antragstellers abhängig gemacht werden, womit das Gesetz berücksichtige, dass die Gewährung des Schadensersatzanspruchs aus § 945 ZPO hierzu u. U. nicht ausreiche. Noch deutlicher 42
Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 64 ff. Hahn, (Hrsg.), Die gesamten Materialien zur Civilprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben, Bd. 2, 1, Materialien zur CPO, S. 475. 44 Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 66 ff. 45 Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 69 f. 43
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zeige § 921 II 1 ZPO, dass der Arrest auch ohne Glaubhaftmachung angeordnet werden könne, wenn der Antragsteller wegen der dem Gegner drohenden Nachteile Sicherheit leiste. Angesichts der von ihm dergestalt festgestellten „Offenheit“ des Gesetzes will Leipold in der Frage der Entscheidungsgrundlage teleologisch entscheiden:46 Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes sei es allein, einen vorläufigen Zeitraum zu überbrücken. Sein Zweck erschöpfe sich in der Herstellung einer Zwischenregelung, deren Anliegen der Rechtsfrieden, nicht aber Rechtsgewissheit sei. Zwar läge es nahe, auch die Legitimation des Rechtsfriedens in den materiell-rechtlichen Beziehungen der Parteien zu suchen, aber dies erscheine sogleich zweifelhaft, wenn man die besondere Situation bedenke, in der über den einstweiligen Rechtsschutz zu befinden ist. Denn darin solle gerade ohne die zeitraubenden Erkenntnismittel des ordentlichen Verfahrens entschieden werden. Eine Überzeugungsbildung über die Tatsachen- und Rechtsfrage sei in vielen Fällen nicht mit hinreichender Richtigkeitsgarantie möglich, was letztlich dazu zwinge, den Erlass einer einstweiligen Maßnahme von einer Abwägung abhängig zu machen.47 3. Bewertung Die genannte These verdient sowohl wegen der Nachvollziehbarkeit ihrer rechtspolitischen Zielsetzung wie auch den augenfälligen Parallelen zum Konzept der Abwägung im Freigabeverfahren der besonderen Beachtung. Dementsprechend hat man die „Abwägungsklausel“ möglicherweise zu Recht als – späte – gesetzliche Anerkennung des Konzepts der „offenen Eilentscheidung“ zu verstehen,48 was nahelegt, den Grundlagen der genannten These und ihrer Übertragbarkeit auf das Freigabeverfahren nachzugehen. Dazu muss geklärt werden, ob sich die gesetzliche Regelung zur Notwendigkeit einer rechtlichen Prüfung im einstweiligen Rechtsschutz tatsächlich neutral verhält; ferner, ob das Konzept einer „offenen Eilentscheidung“ der genannten Zielvorstellungen gerecht wird. Beides erfordert eine Auseinandersetzung mit Leipolds Kritik der Hauptsacheakzessorietät des einstweiligen Rechtsschutzes. a) Grundaussagen der gesetzlichen Regelung aa) Zur Kritik an der Versicherung an Eides statt Die genannten Bedenken gegen die Eignung der Versicherung an Eides statt vermögen die Annahme einer Gleichgültigkeit gegenüber dem materiellen Recht nicht zu tragen. Zweifellos handelt es sich um ein schwaches Mittel. Die Materialien des CPO-Entwurfs verweisen diesbezüglich – in aus heutiger Sicht geradezu klassischer Manier – darauf, man habe sich den neueren Pro46 47 48
Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 83 ff. Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 89. Sosnitza, NZG 1999, 965, 966 ff.
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zessgesetzen angeschlossen, die in vielen Fällen eine Bescheinigung für genügend erklärten.49 Allerdings gab es schon damals Gegenstimmen, welche sich gegen eine Verminderung der qualitativen Beweisgründe wendeten,50 und die Betrachtung der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung zum Freigabeverfahren hat in durchaus beeindruckender Form deutlich gemacht, dass die Vorbehalte gegen den Gebrauch der Versicherung an Eides statt als Beweismittel nach wie vor Gültigkeit beanspruchen.51 Nichtsdestotrotz wird man sich aber davor hüten müssen, aus diesem Befund und den gegen die Versicherung gerichteten kategorischen Einwänden Schlüsse gegen die Maßgeblichkeit der Rechtsprüfung im Eilverfahren als solche zu ziehen. Berücksichtigt werden muss dabei einmal, dass sich die Defizite dieses Beweismittels in Grenzen halten, wenn methodisch zwischen beweisbedürftigen Behauptungen und nicht beweisfähigen Prognosen unterschieden und der Gefahr der Beschaffung des Beweismittels für eigene Behauptungen im Rahmen der Beweiswürdigung Rechnung getragen wird.52 „Gefährlich“ ist die Versicherung ohnehin nur dort, wo allein aufgrund des Sachvortrags des Antragsstellers – d. h. ohne mündliche Verhandlung – entschieden wird.53 Auch diesbezüglich hat man aber zu bedenken, dass der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) gilt und das Gericht die Richtigkeit der Versicherung keineswegs unterstellen darf. Beherzigt man das, wird man der Einschätzung Leipolds zur Offenheit der gesetzlichen Regelung in diesem Punkt schwerlich folgen können. bb) Glaubhaftmachung Das Erfordernis der Glaubhaftmachung bringt das Gesetz in umfassender Form die Notwendigkeit einer rechtlichen Vorausprüfung zum Ausdruck, nur muss diese bei einstweiligen Maßnahmen eben nicht den Regeln des Erkenntnisverfahrens folgen. Einer ausdrücklichen Hervorhebung der Maßgeblichkeit der Rechtslage bedarf es nicht, weil diese bereits aus dem Grundsatz des iura novit curia folgt. Ein generelles Unvermögen des Richters zur vollständigen und richtigen rechtlichen Würdigung darf keineswegs unterstellt werden.54 Bestätigt wird die Notwendigkeit der rechtlichen Würdigung auch aus der 49 Hahn, (Hrsg.), Die gesamten Materialien zur Civilprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben, Bd. 2, 1, S. 281; vgl. Savigny, Vermischte Schriften, 2. Bd. S. 243 ff., 253 (bei Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 67 Fn. 12); Wetzell, System, 3. Aufl., S. 302 ff (bei Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 67 Fn. 12). 50 Vgl. Briegleb, Einleitung in die Theorie der summarischen Processe, S. 169, 384 ff. (bei Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 67 Fn. 14). 51 Vgl. zur deren Bedeutung bei Glaubhaftmachung der abwägungserheblichen Umstände o. § 4 B. I. 2; zu den Bedenken gegen die Versicherung an Eides statt als Mittel der Glaubhaftmachung näher u. § 24 C. I. 1. 52 Vgl. zur Kritik dieser Praxis bereits o. § 4 B. I. 2. u. C. IV. 53 Dazu noch u. § 26 C. II. 2. 54 Vgl. zu den Konsequenzen u. § 27 B.
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Überlegung, dass die Tatsachen, welche für den nach § 920 II ZPO geforderten Arrestanspruch glaubhaft zu machen sind, überhaupt nur festgestellt werden können, wenn die Rechtslage zugrunde gelegt wird. Denn der rechtlichen Würdigung kommt im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung ein sachlogischer Vorrang zu. Ohne sie kann nicht gesagt werden, auf welche Tatsachen es eigentlich ankommt.55 Kann aus der gesetzlichen Beschränkung auf die Glaubhaftmachung von Tatsachen nicht auf einen Verzicht auf die rechtliche Prüfung geschlossen werden, so ist die gesetzliche Regelung des § 920 II ZPO zugleich über jeden Zweifel erhaben, dass mit dem Arrestanspruch etwas anderes als das Hauptsacherecht gemeint sein kann. Der zugunsten einer Abwägungsentscheidung angeführte § 921 ZPO stellt diesen Satz nicht in Frage, sondern verhält sich zu der Norm wie die eine Regel bestätigende Ausnahme. Zum einen ergibt er überhaupt nur einen Sinn, wenn das Hauptsacherecht als Grundsatz Entscheidungsbestandteil ist, zum anderen beschränkt er ein Absehen hiervon nur auf den Fall der Sicherheitsleistung, ist aber einer prinzipiellen Verbreiterung nicht zugänglich. Aus demselben Grund vermag auch der Verweis auf die Parallelen zwischen dem einstweiligen Rechtsschutz und dem possessorischen Besitzschutz nichts Gegenteiliges beizutragen.56 Unbestritten ist zwar, dass das Gesetz im Rahmen der Besitzschutzansprüche und des Selbsthilferechts zur Verwirklichung des schnellen Rechtsfriedens auf eine Prüfung des Besitzrechts verzichtet. Nur lässt sich der einstweilige Rechtsschutz in seiner Gesamtheit nicht darauf reduzieren, mögen dort auch ursprünglich zu einem Großteil seine Wurzeln liegen. cc) Rechtsbefriedung ohne Rechtsgewissheit Damit nähert sich die Überlegung dem wohl als Kern anzusehenden Begründungselement der leipoldschen These, nämlich dem Verhältnis von Rechtbefriedung und Rechtsgewissheit. Die „offene Eilentscheidung“ stellt beides einander gegenüber und beruft sich auf die Vorstellung, letztere sei im summarischen Verfahren nicht zu erlangen, aber auch nicht erforderlich. Diese Gegenüberstellung beinhaltet eine Unterscheidbarkeit der beiden Kategorien. Wie das Recht des Besitzschutzes zeigt, ist sie in begrenztem Umfang möglich,57 jedoch handelt es sich wiederum um eine Ausnahmeerscheinung, nicht um die Regel. Die besteht darin, dass Rechtsbefriedung nur in Abhängigkeit der Rechtslage und nicht willkürlich oder durch Vorrangigkeit der Interessen nur einer Partei hergestellt werden kann. Kaum in Abrede zu stellen bleibt dabei lediglich das Unvermögen, stets eine der Hauptsache vergleichbare Richtigkeitsgewähr zu erreichen. Genau das nimmt das Gesetz allerdings in Kauf, 55
Vgl. auch Grunsky, JuS 1976, 278, 281. Vgl. Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 74 ff. 57 Begrenzt ist sie nicht nur wegen der gegenständlichen Beschränkung auf den possessorischen Besitzschutz und das Selbsthilferecht, sondern auch, weil selbst diese von einer rechtlichen Prüfung, nämlich der verbotenen Eigenmacht, abhängig sind. 56
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indem es im Konflikt zwischen der absoluten Rechtsgewissheit und der Unentscheidbarkeit der Sache einen Mittelweg einschlägt, der darin besteht, sich mit einem geringeren Maß an Richtigkeitsgewähr zu begnügen, aber gleichwohl dennoch im Ergebnis zu einer Regelung zu gelangen. Das verdient in der Sache schon deswegen Zustimmung, weil eine Entscheidung auf schwankender Rechtsgrundlage einer solchen ohne diese immer noch vorzuziehen ist.58 b) Verfehlung der angestrebten Zielsetzung aa) Vermeidung richterlicher Selbstbindung Lassen sich die Prämissen der These von der Offenheit des Gesetzes für eine vom Hauptsacherecht losgelösten Eilentscheidung damit nicht recht erkennen, so stellt sich gleichwohl die Frage, ob diese nicht wenigstens vom Ergebnis überzeugt. Dazu muss man sich zunächst nochmals die einzelnen Zielvorstellungen und Grundannahmen vor Augen führen, nämlich erstens, dass unter den Bedingungen eines Eilverfahrens, mit einer Dauer von wenigen Stunden bis allerhöchstens von einigen Tagen, eine umfassende und zutreffende Würdigung des Streitstoffs kaum möglich ist, eine bessere Entscheidungsgrundlage zu erlangen.59 Zweitens will Leipold hierbei die Interessen des Antragsgegners stärker berücksichtigt wissen.60 Drittens soll sicherzustellen sein, dass sich die Gerichte in einer solchen Situation nicht voreilig festlegen und im Hauptverfahren nicht mehr zu einer anderen rechtlichen Beurteilung finden.61 Damit angesprochen ist der Gesichtspunkt der negativen Ausstrahlungswirkung der Vorabentscheidung, der im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls an Bedeutung gewonnen hat.62 Alledem ist allerdings kaum beizukommen, indem das Gericht im Eilverfahren Vorurteilsfreiheit durch unterlassene Rechtsanwendung demonstriert. Der dahinterstehende Gedanke besteht darin, dass derjenige der nichts tut, auch nichts falsch machen kann und deshalb später keinen Irrtum einzugestehen braucht, sondern unbefangen den Weg zur „richtigen“, d. h. rechtlichen Lösung findet. Das erscheint indessen nicht überzeugend. Auch eine verselbstständigte Interessenentscheidung schafft eine Regelung. Es ist eher anzunehmen, dass die Tendenz darin besteht, diese durch Anwendung des materiellen Rechts bestätigt zu sehen, als die – 58 Eben darin m. E. zu Unrecht a. A. Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 89; als konzeptionelle Grundaussage ist die Bereitschaft zu einer möglicherweise fehlerhaften Entscheidung ohnedies nicht nur eine solche des einstweiligen Rechtsschutzes, sondern des Zivilprozesses insgesamt. Deutlich wird das daran, dass das deutsche Recht von einer durch den Prozess ausgelösten Stillhaltepflicht abgesehen hat. Wichtigste Konsequenz ist Zulässigkeit der Veräußerung der streitbefangenen Sache (vgl. § 265 ZPO). 59 Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971), S. 91 f. 60 Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971), S. 86 ff. 61 Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971). 62 Vgl. zum Ausschluss der Rechtsbeschwerde BGHZ 168, 48 (nunmehr §§ 16 III 7 UmwG, 246a III 4, 319 VI 7, 327e II AktG); Betonung der Bindungsfreiheit bei Gehrlein, BB 2007, 1587, 1588.
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zunächst ja als entscheidungstragend angesehenen – Wertungsmaßstäbe später unumwunden zu vernachlässigen. Von einem Richter muss erwartet werden, dass er einen Irrtum eingesteht.63 Sofern das – allzu menschlich – schwerfällt, sind die Parteien durch den Instanzenzug – an dem es für das Freigabeverfahren aber jetzt vollständig fehlt- besser geschützt als durch einen Vorabverzicht auf die rechtliche Würdigung. bb) Besserer Schutz des Antragsgegners Der zweite Gedanke – besserer Schutz des Antragsgegners – steht unter dem Eindruck einer strukturellen Überlegenheit des Antragsgegners, die sich namentlich bei seiner fehlenden Anhörung (unter gleichzeitiger Verringerung des Beweismaßes bei Erleichterung der Beweisführung durch die Versicherung an Eides statt für den Antragsteller) einstellt. Dem ist indessen nicht durch den Verzicht auf die Rechtsprüfung, sondern einen äußerst sparsamen Umgang mit dem Absehen von der mündlichen Verhandlung zu begegnen.64 Noch wichtiger wiegt allerdings, dass der von der „offenen Eilentscheidung“ geforderte Verzicht auf die Schlüssigkeitsprüfung ohnehin nicht die Interessen des Antragsgegners fördert, sondern diesen – im Gegenteil – eher zuwider läuft. Denn wer von einer Prüfung des Hauptsachebegehrens absieht, erleichtert dem Antragsteller, eine einstweilige Verfügung zu erlangen. Die in der rechtlichen Beurteilung der Hauptsache liegende Erschwerung des Verfügungserlasses ist also gerade im Interesse des Antragsgegners geboten,65 dem anderenfalls seine primäre Verteidigungslinie genommen wird. Genau entgegengesetzt zu seiner erklärten Zielrichtung führt der genannte Vorschlag also zu einer einseitigen Ausrichtung der Entscheidungsfindung auf die Interessen des Antragstellers.66 cc) Erhöhung der Richtigkeitsgewähr Damit läuft für die Bewertung der „offenen Eilentscheidung“ aus prozessualer Sicht alles auf die Erhöhung der Richtigkeitsgewähr unter Berücksichtigung der Entscheidungssituation des Eilverfahrens hinaus. Ihr liegt die schon erwähnte Prämisse zugrunde, das Gericht werde eine hinreichend gewisse Überzeugung nicht gewinnen können, entweder weil es sich die notwendige Rechtskenntnis in der Kürze der Zeit nicht verschaffen oder die dazu erforderlichen Feststellungen nicht treffen kann bzw. beides ausscheidet. Sie ist, nicht zuletzt mit Blick auf das Selbstverständnis vieler Richter, gewagt, aber zunächst nicht generell von der Hand zu weisen. Gerade für die hier interessierenden Strukturänderungsbeschlüsse wurde zumindest den früher im Rahmen von §§ 127 FGG a. F./381 FamFG ausschließlich mit einer Vorprüfung 63 64 65 66
Grunsky, JuS 1976, 278, 282. S. u. § 24 C. II. 1. a). Grunsky, JuS 1976, 278, 282. Schlitt/Seiler, ZHR 166 (2000), 544, 552.
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konfrontierten Registerrichtern ein entsprechendes Unvermögen als Regelfall bescheinigt.67 Aber auch aus heutiger Sicht und bei einer Entscheidung in der Hand des Prozessgerichts verbleiben im Rahmen der summarischen Prüfung anscheinend Fragen, welche früher oder später den Übergang zur Interessenabwägung nach sich ziehen. Jedenfalls sind Entscheidungen, die mit der offensichtlichen Unbegründetheit der Klage auskommen glauben zu können, selten.68 Man wird allerdings zu fragen haben, ob das unausweichlich ist oder, ob sich trotz Eilbedürftigkeit nicht doch zuverlässige Beurteilungen der Rechtslage herstellen lassen.69 Unterstellt man das im Wege einer Arbeitshypothese, steht die Prämisse der mangelnden Richtigkeitsgewähr durch Anwendung des materiellen Rechts auf schwachen Füßen. Dabei schlägt vor allem der Mangel an alternativen Entscheidungsmaßstäben zu Buche. Denn diese bleibt die These von der „offenen Eilentscheidung“ letztlich schuldig: Wonach soll entschieden werden, wenn nicht nach der Gesetzeslage? Der Sinn der gesetzlichen Regelung besteht ja eben darin, anzuerkennende Interessen zu identifizieren, sie abzugrenzen und in Abwägung mit möglicherweise gegenläufigen Interessen einzelner oder des Rechtsverkehrs in Einklang zu bringen. Das sachliche Spektrum dergestalt gesetzlich verwirklichter und verfasster Interessen ist in entwickelten Rechtssystemen prinzipiell weit. Zudem bedient sich die Rechtsordnung des Gesetzes nicht lediglich der Verwirklichung von rechtlichen, sondern auch von ökonomischen Belangen wie solchen gesellschaftspolitischer und sozialer Art. Geht man im Rahmen einer vom Recht losgelösten persönlichen Abwägung davon weg, bewegt man sich schnell in Sphären von Sozialpolitik, Moral und Ethik. Zwar ist nicht zu bezweifeln, dass insbesondere Letztere in der Rechtsprechung ihren Platz beansprucht. Sicher verfehlt erscheinen aus vorliegender Sicht jedoch Lösungen durch Eilentscheidungen. Ist es vielfach ausgeschlossen, belastbare Parteiinteressen jenseits der gesetzlichen Regelung aufzufinden, so besteht die eigentlich Gefahr darin, sich im Rahmen einer „offenen Entscheidung“ zu dem für das Gericht und die Parteien an sich uneingeschränkt verbindlichen materiellen Gefüge in Widerspruch zu setzen und anstelle seiner, eigenes Gutdünken oder krampfhafte Einzelfallgerechtigkeit walten zu lassen. Das sollte man sich genauso ersparen wie eine Entscheidungsrechtfertigung durch nichtsagende Leerformeln wie der „richterlichen Aufgabe der Streitentscheidung“70 oder der Notwendigkeit „schneidiger“ Entscheidungen.71 67
Lutter, ZGR 1990, 392, 408; ders. EWiR 1990, 851 f. S. o. § 4 D. 69 Dazu u. § 24. 70 OLG Hamburg AG 2003, 696. 71 Darauf weist schon hin Grunsky, JuS 1976, 278, 282; beides zeigt sich im vorliegenden Kontext auch in Form der abstrakte Erwägungen zu den nachteiligen Folgen des Anfechtungsrechts für die Gesellschaft, welche die Gesetzeslage im Ergebnis schlicht ignorieren (OLG Frankfurt a. M. AG 2006, 249, 257). 68
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dd) Offenheit bei endgültiger Entscheidung Abschließend sei auf ein weiteres, für den vorliegenden Kontext aber als sehr wesentlich anzusehendes, Begründungsdefizit in der Argumentationslinie Leipolds hingewiesen. Ihr Ausgangspunkt besteht, wie gesehen, darin, den Aspekt der Vorläufigkeit der Entscheidung zu betonen.72 Denn nur dann bleibt überhaupt etwas „offen“. Daran fehlt es aber bei Verfügungen mit Leistungscharakter, erst recht aber bei endgültig wirkender Befriedigung. Eine tragfähige Begründung, weshalb auch bei fehlender wie gegebener Vorläufigkeit gleich entschieden werden soll, sucht man vergeblich. Auch Leipold hält es zwar für erforderlich, darüber nachzudenken, inwieweit bei den von ihm als „Angriffsverfügungen“ bezeichneten Anordnungstypen überhaupt Raum für Eilentscheidungen der offenen Art bleibt. Dies gelingt allerdings nicht. Die Begründung stellt zum einen auf deren gesetzliche Zulässigkeit, zum anderen auf die gegenüber der allgemeinen hier „besonderen“ Interessenlage im Einzelfall ab. Ersteres entlarvt das gesamte Konzept (indem letztlich doch auf die gesetzliche Regelung bzw. eine ihr bereits immanente Abwägung abgestellt wird), letzteres verwischt wiederum die klaren Grenzlinien dieser die Hauptsache vorwegnehmenden Verfügungsarten und wird ihrem Ausnahmecharakter nicht gerecht. Da es sich bei der Freigabe um eine Entscheidung mit regelmäßig irreversiblen Folgen handelt, gerät das Konzept des offenen Verfügungstyps jenseits der schon geäußerten Einwände aus Sicht des Verfahrensrechts allein schon deshalb zu einem Konstrukt ohne Grundlage. IV. Folgen für die freigaberechtliche Abwägungsklausel Ist das Konzept der „offenen Eilentscheidung“ damit aus verfahrensrechtlicher Sicht im Allgemeinen nicht geeignet, die aus der Situation der Eilentscheidung resultierende materielle Unschärfe durch eine außerrechtliche Interessenbewertung zu korrigieren, so erweisen sich seine Ausgangspositionen für den Freigabebeschluss aus zwei Gründen in besonderer Weise als verfehlt. Ersten: Das Freigabeverfahren entspricht trotz seiner Ausgestaltung als Eilverfahren nicht dem von Leipold apostrophierten Typ der Entscheidung, die innerhalb von wenigen Stunden oder Tagen zu ergehen hat. Das belegt bereits der gesetzliche Soll-Zeitrahmen einer Entscheidung innerhalb von 3 Monaten wie der Umstand, dass eine verzögerte Beantragung der Freigabe – anders als im Recht der einstweiligen Verfügung73 – keine Veranlassung bildet, das Rechtsschutzbedürfnis bzw. den Verfügungsgrund in Frage zu stellen.74 Zweitens führt das Freigabeverfahren gerade nicht zu einer vorläufigen, sondern ei72
Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 53 ff. Vgl. Reichold, in Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 940 Rn. 5. 74 So wurde etwa der Squeeze Out der Aktionäre der Bank Austria durch die HypoVereinsbank AG erst 6 Monate nach Beschlußfassung betrieben. 73
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ner endgültigen Entscheidung. Wiederum erweist sich die Verbindung von „schneller Entscheidung“ mit „Bestandsschutz“ als eine systemsprengende. V. Ergebnisse Das Verfahren der Arrestanordnung und der einstweiligen Verfügung beinhaltet trotz seiner systematischen Stellung im Recht der Zwangsvollstreckung ein Erkenntnisverfahren. Es stimmt gegenständlich mit der Hauptsache überein, obwohl bei beiden Verfügungsarten zunächst nur die Sicherung der prozessualen Durchsetzung im Vordergrund steht. Zentrales Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Erkenntnisverfahren der Hauptsache ist das Prinzip der Glaubhaftmachung. Es führt zu verringerten Anforderungen an das Beweismaß, betrifft aber auch die statthaften Beweismittel. Die Rechtslage ist demgegenüber zumindest im Grundsatz wie in der Hauptsache zu würdigen. Trotz der gegenüber dem ordentlichen Erkenntnisverfahren verringerten Richtigkeitsgewähr der Eilentscheidung, vermag die gesetzliche Regelung nicht durch das Alternativmodell einer „offenen Eilentscheidung“ ersetzt zu werden. Zusammenfassend bildet damit, wie schon bei der einstweiligen Anordnung auf im Recht des einstweiligen Rechtsschutzes, das materielle Recht der Hauptsache die Grundlage der Entscheidung
B. Exkurs: Verfassungsprozessuales Eilverfahren Das Konzept der „offenen Eilentscheidung“ beruft sich unter anderem auch auf die verfassungsprozessuale Eilentscheidung nach § 32 BVerfGG, und auf den ersten Blick scheint diese Annahme wegen der in ständiger Rechtsprechung des BVerfG vorzufindenden Weigerung, die einstweilige Anordnung von einer summarischen Prüfung der Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens abhängig zu machen, Bestätigung zu finden. Das Gericht hält es nicht für angängig, ihren Erlass „von etwas Ungewissem, wie der summarischen Abschätzung der Erfolgschancen in der Hauptsache abhängig zu machen“75 und will ein solches Vorgehen „im Hinblick auf die Unsicherheit, die einer lediglich summarischen Beurteilung regelmäßig anhaftet und die mit den Auswirkungen einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung schwer vereinbar ist“ auf Ausnahmefälle beschränkt sehen, in denen anders eine Befriedigung nicht zu erzielen wäre.76 Das entspricht dem Ausgangspunkt Leipolds. Doch ist auch hier eine nähere Einordnung des an die Stelle der Hauptsacheprüfung tretenden „Abwägungsmodells“ i. S. e. „lieber gar nicht prüfen, als falsch prüfen“ in den Gesamtkontext angezeigt. 75
Vgl. BVerfGE 65, 67, 69, 7, 367, 371. Vgl. BVerfGE 77, 130, 135, 104, 23, 28; Graßhof, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Bethge, Loseblatt Stand 2004, § 32 Rn. 84. 76
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I. Gesetzliche Regelung des § 32 BVerfGG Nach § 32 I BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Es handelt sich hierbei um das spezifische Instrument des Verfassungsprozessrechts, um schwerwiegende und irreparable Nachteile für die Verwirklichung subjektiver Grundrechte zu verhindern.77 Zweck ist es, eine befristete Regelung zu ermöglichen, welche die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der nachfolgenden verfassungsgerichtlichen Entscheidung zu sichern hat.78 Der einstweiligen Anordnung liegt also wie schon bei den bisher betrachteten Eilverfahren als normativer Orientierungspunkt eine Sicherungsfunktion bezogen auf die vor dem BVerfG durchzuführenden Streitverfahren zugrunde. Ziel ist es, den Vollzug eines Hoheitsaktes, der schwerwiegende und irreparable Folgen bewirkt, dessen Verfassungswidrigkeit sich nachträglich herausstellt und der das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtspflege und in die Achtung vor der Verfassung zu erschüttern vermag79 zu verhindern. Der Erfolg des Antrags setzt dabei voraus, dass ein Ereignis in Form von „schwere(n) Nachteile(n)“, „Gewalt oder (…) ein anderer wichtiger Grund“ Anlass zu einer vorläufigen Sicherung gibt, die durch das gemeine Wohl geboten ist und bei der jedenfalls überwiegend wahrscheinlich ist, dass die für eine derartige Bewertung erforderlichen Tatsachen vorliegen. Äußerlich knüpft die gesetzliche Regelung damit an die Sicherungsverfügung i. S. d. § 935 ZPO wie an die Regelungsverfügung gem. § 940 ZPO an, wobei das Schwergewicht auf der Letzteren liegt. II. Grundlagen der Entscheidung 1. Rechtsprechung des BVerfG Eine Parallele zu diesen Vorschriften erschließt sich dabei aber nicht. Vielmehr vertritt das BVerfG in der Sache selbst ein abgestuftes Prüfungsmodell, welches sowohl gemeinwohl- wie individualwohlbezogene Erwägungen in einer Folgenbetrachtung miteinander verschränkt, zumindest im Ausgangspunkt aber auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache berücksichtigt.80
77
Lechner/Zuck, BVerfGG, 5. Aufl., 2006, § 32 Rn. 16. BVerfGE 83, 162, 170 f.; 91, 70, 76 f.; 105, 235, 238. 79 Vgl. BVerfGE 7, 367, 373; 14, 11, 12 f. 80 Vgl. zum folgenden Berkemann, JZ 1993, 161 ff.; Graßhof, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/ Bethge, Loseblatt Stand 2004, § 32 Rn. 81 ff.; Lechner/Zuck, BVerfGG, 5. Aufl., 2006, § 32 Rn. 20 ff.; Rozek, DVBl 1997, 517, 524 f. 78
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a) Ausgangspunkt: „Kursorische“ Erfolgsprüfung Es fragt dabei in „kursorischer“81 Weise, ob die Entscheidung des Hauptsacheverfahrens sicher vorhersehbar ist. Kommt es dabei zu dem Ergebnis, dass Hauptsacheverfahren sei „von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet“, so steht fest, dass es einer Sicherung der Hauptsacheentscheidung zugunsten des Antragstellers nicht bedarf. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist dann ohne jede weitere Folgenabwägung abzulehnen.82 In entsprechender Weise ist ihr Erlass – ebenfalls ohne jede Folgeabwägung – umgekehrt bereits dann besonders dringlich, wenn das Hauptsacheverfahren „offensichtlich begründet“ ist, aber eine stattgebende Entscheidung mangels Entscheidungsreife nicht zeitgerecht ergehen kann.83 Die Beurteilung der offensichtlichen Begründetheit oder ihres Fehlens kann dabei, wie auch beim Nichtannahmebeschluss nach § 24 BVerfGG durchaus das Resultat einer gründlichen und umfassenden Prüfung sein.84 b) Doppelte Folgenhypothese Bleibt die Rechtslage offen, so tritt das BVerfG nach Maßgabe einer sog. „Doppelhypothese“ in eine Folgenabwägung ein. Sie enthält zwei Bestandteile, von denen jede für eine der beiden denkbaren Fehlentscheidungen steht. Die erste Hypothese fragt, welche Folgen eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte. Zu beachten sind dabei insbesondere die zu erwartenden tatsächlichen Konsequenzen und die mögliche Irreparabilität einer Grundrechtsverletzung wie der Umstand, dass die Folgeprognose für alle von einer Regelung Betroffenen vorzunehmen ist. Bedeutung hat dabei, ob die zur Anwendung der angegriffenen Norm befugte Stelle bereit ist, bis zur Entscheidung über die Sache im Rahmen des Gesetzes Vorkehrungen zu treffen, die zur Abmilderung oder Beseitigung der vom Antragsteller geltend gemachten Nachteile führen.85 Die zweite Hypothese befasst sich mit den Folgen, die entstehen, wenn die einst81 Vgl. zu diesem Begriff Graßhof, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Bethge, Loseblatt Stand 2004, § 32 Rn. 83; s. im hiesigen Kontext auch schon Decher, AG 1997, 388, 390; dagegen aber OLG Düsseldorf DB 2006, 2223, 2224; OLG Jena DB 2006, 2335, 2336. 82 St. Rspr., vgl. BVerfGE 7, 367, 371; 12, 36, 39 f.; 42, 104, 110; 89, 38, 43 f.; 92, 130, 133; 103, 41, 42. 83 Bsp.: BVerfGE 7, 175, 180; 20, 363, 364; 104, 23, 28. 84 Vgl. BVerfGE 46, 160, 164; 67, 149, 152; 80, 360, 366; 82, 54, 58; Lechner/Zuck, BVerfGG, 5. Aufl., 2006, § 32 Rn. 21; Rozek, DVBl 1997, 517, 524. 85 Vgl. BVerfG NJW 2005, 1179; BVerfGE 88, 173; 89, 38; 89, 344, 346; Bsp.: Zur Vermeidung der Verletzung parlamentarischer Mitwirkungsrechte bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr war es von vornherein nicht erforderlich, die vorläufige Aussetzung des Einsatzes anzuordnen. Die im Hauptverfahren zu klärenden Rechte des Bundestages konnten mit der Anordnung gesichert werden, dass der geplante Einsatz von der Zustimmung des Bundestags abhängig sei. Zur Bedeutung von Stillhaltevereinbarungen, namentlich bei der Strafvollstreckung Graßhof, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Bethge, Loseblatt Stand 2002, § 32 Rn. 75 ff.
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weilige Anordnung erlassen würde, sich das Hauptsacheverfahren aber später als unbegründet erweist. Dabei muss bei jeder der beiden Erwägungen zugunsten des jeweils anderen Betroffenen unterstellt werden, dass die in Anspruch genommene Verfassungsposition besteht.86 Die Gründe, welche für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme sprechen, sollen danach grundsätzlich außer Betracht bleiben.87 Damit ist eine der beiden Waagschalen, die das Gewicht der Folgen beider Hypothesen miteinander vergleichen, an sich von vornherein mit einem Verfassungsverstoß beschwert, was sich wieder ausgleichen kann, wenn die Folge, mit der die zweite Waagschale belastet wird, ebenfalls ein Verfassungsverstoß wäre.88 Durchbrochen wird dieses Prinzip bei zu unterstellenden Verstößen gegen fundamentale Verfassungsgrundsätze,89 was dazu führt, dass das Gericht auch bei nicht gleichwertigen tatsächlichen Folgen der begehrten Anordnung diese aus Gründen des gemeinen Wohls als geboten ansieht, weil die besondere Qualität dieser Prinzipien es nicht zulässt, eine Verletzung auch nur für einen vorübergehenden Zeitraum bis zu einer Hauptsacheentscheidung hinzunehmen. Abwägungskriterien können bei der Folgenbetrachtung „alle in Frage kommenden Belange“ sein. Charakteristisch und für den vorliegenden Zusammenhang bemerkenswert ist dabei zweierlei: Zum einen werden tatsächliche Auswirkungen wirtschaftlicher Art regelmäßig nicht als besonders belastend gewertet.90 Eine Ausnahme bilden existenzvernichtende Folgen, wie z. B. die Gefahr der Vollstreckung in das in den USA belegene Vermögen wegen der Verurteilung zu Strafschadensersatz.91 Irreversibilität hingegen kann regelmäßig sehr wohl von entscheidender Bedeutung sein. Je besser die „Reparaturmöglichkeiten“ sind, desto geringer wiegt die Schwere eines Verfassungsverstoßes oder des Ausmaßes einer tatsächlichen Beeinträchtigung.92 Gewicht erlangt dieser Gesichtspunkt, der vorliegenden Problematik nicht ganz unähnlich, etwa bei Anordnungen, mit denen kommunalen Neugliederungsmaßnahmen unterbunden werden sollen. Während das BVerfG einer umstrittenen Rück-Neugliederung, also regelmäßig einer Spaltung von Gebietskörperschaften, so schwerwiegende Auswirkungen beimisst, dass es diese im gesamten Umfang aussetzt,93 sieht es die Sicherungsfunktion einer einstweiligen 86
Vgl. BVerfGE 80, 360, 365. So etwa BVerfGE 88, 173, 179; 94, 334, 347; 91, 320, 326; 98, 139, 144. 88 Vgl. BVerfGE 34, 160, 164; 67, 149; 77, 130, 136 f.; w. Nw. bei Graßhof, in MSKB, Loseblatt Stand 2004, § 32 Rn. 117, Fn. 1. 89 Vgl. BVerfGE 7, 367, 372; 12, 36, 41, 81, 53, 55; 86, 390, 395; 99, 57, 67. 90 BVerfGE 3, 23, 39; 7, 175, 179; 14, 153; 46, 396, 407. 91 BVerfGE 91, 146. 92 BVerfGE 91, 70, 76 f.; 64, 67, 70 f.; Graßhof, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Bethge, Loseblatt Stand 2004, § 32 Rn. 120 Fn. 1 m. w. Nw. 93 BVerfGE 86, 46, 48. 87
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Anordnung als nicht berührt an, wenn eine zusammenschließende Erst-Neugliederung erfolgt und einzelne Maßnahmen und sog. Wohlverhaltensanordnungen ergehen, mit denen sichergestellt wird, dass die alten Gemeinden bei Verfassungswidrigkeit der Neuregelung wieder funktionsfähige Selbstverwaltungskörperschaften sein können.94 Es finden sich allerdings auch diesem Konzept widersprechende Ausnahmen. Äußerste Zurückhaltung zeigt das Gericht insbesondere bei der Anordnung zur Aussetzung von Gesetzen, abzulesen etwa an der Ablehnung einer einstweiligen Anordnung gegen das sog. Lebenspartnerschaftsgesetz.95 Hier wäre wegen seiner familienrechtlichen Wirkungen im Falle einer späteren Nichtigerklärung in der Hauptsache für die Betroffenen durch Rückabwicklungen ein kaum zu bewältigendes Rechtschaos zu befürchten, teilweise eine solche ganz ausgeschlossen gewesen, was das BVerfG aber nicht zu einer Aussetzung veranlasste.96 2. Zwischenfazit Zusammenfassend kann damit festgestellt werden, dass auch das BVerfG im Verfahren nach § 32 BVerfGG erst dann auf der Grundlage einer Folgenabwägung entscheidet, wenn der Ausgang des Hauptverfahrens in dem Sinne „offen“ ist, weil er im Zeitpunkt der Entscheidung über die einstweilige Anordnung nicht sicher vorhergesagt werden kann. Erst dann ist zu prüfen, welcher Seite der Beteiligten das Fehlentscheidungsrisiko einer dergestalt begrenzten Erfolgsprüfung zuzumuten ist.97 Damit ist der Entscheidungsmaßstab des BVerfG kein reines Abwägungsmodell. Hinzu kommt, dass er auch nur zur Herbeiführung interimistisch wirkender Anordnungen Gebrauch findet. Eine Ausnahme gilt für Fälle, in denen die Entscheidung mit ihrer Regelung die Hauptsache in vollem Umfang vorwegnimmt. In dieser Situation ist sie auch nach der Linie des BVerfG von der Rechtsprüfung der Erfolgsaussicht abhängig zu machen.98 Das trägt dem Umstand Rechnung, dass für eine „offene“ Entscheidung nur dort Raum bleibt, wo es etwas offenzuhalten gibt. Auch methodisch lässt sich nur dann von einer Abwägung im eigentlichen Wortsinn sprechen. Denn anderenfalls hat die Entscheidung für jeden der Betroffenen insoweit die gleichwertige Folge, dass ihm zumindest ein dauerhafter Rechtsverlust droht. Hierfür sieht auch das BVerfG keine Legitimationsgrundlage, die ohne Rücksicht auf die materielle Rechtslage auskommen möchte. Dem Spannungsverhältnis aus Eilbedürftigkeit und möglichst umfassender Rechts94
BVerfGE 91, 70, 76 ff. BGBl 2001, 266; BVerfGE 104, 51, 56 m. abw. Sondervotum auf S. 61 ff. 96 Krit. hierzu Schoch, JURA 2001, 834 f.; Graßhof, in MSKB, Loseblatt Stand 2002, § 32 Rn. 146 ff. 97 So auch Graßhof, in MSKB, Loseblatt Stand 2002, § 32 Rn. 91; Grunsky, JuS 1977, 217, 219. 98 Vgl. BVerfGE 67, 149, 151; 34, 160, 162; 46, 160, 164; 63, 254; Graßhof, in Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Bethge, Loseblatt Stand 2004, § 32 Rn. 93 f. 95
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prüfung begegnet es teilweise durch Zurückstellung aller sonstigen Sachen und unter äußerstem Einsatz von Arbeitskraft und -zeit.99 Allerdings begnügt sich das Gericht in weniger gewichtigen Fällen hier auch zum Teil mit einer eingehenden summarischen Prüfung.100 Damit lässt sich als Zwischenbefund festhalten: Bei den im Verfassungsrecht eher seltenen, für die vorliegende Problematik aber gerade in den Mittelpunkt zu rückenden Fällen einer Verdrängung der Hauptsache steht für das BVerfG der Grundsatz einer Entscheidung nach den für diese geltenden Maßstäben nicht in Zweifel. Nur für vorläufige Entscheidungen die Bereitschaft, die Rechtslage, wenn auch nicht vollständig, so jedoch weitgehend auszublenden und sich dabei von der Methode der summarischen Prüfung zu entfernen. Vor dem Hintergrund einer möglichen Weiterentwicklungsmöglichkeit dieses Modells verdienen die dazu im Schrifttum vertretenen Positionen Aufmerksamkeit, bevor eine eigene Bewertung der Maßgeblichkeit im Sachzusammenhang erfolgen kann. III. Meinungsstand im Schrifttum Im Schrifttum ist das beschriebene Abwägungsmodell auf Widerstand,101 aber auch auf Zuspruch gestoßen.102 Die Befürworter führen dabei den im Zivilprozessrecht vorgetragenen Argumenten nicht unähnliche Überlegungen an: Erstens betonen sie den nur vorläufigen Charakter der Entscheidung. Auch die nach der Hauptsacheentscheidung nicht ex tunc rückabzuwickelnden Folgen erforderten für die Legitimation der Anordnung keine summarische Prüfung.103 Zweitens sei die Abwägung unter qualitativen Gesichtspunkten das bessere Legitimationsinstrument. Dass die Entscheidung sich aus Sicht des materiellen Rechts vielleicht als Fehlentscheidung erweise, ändere nichts daran, dass jedenfalls die Vertretbarkeit und Angemessenheit der tatsächlichen Regelung des vorläufigen Zustands gewährleistet werde. Drittens hält die befürwortende Ansicht das Fehlentscheidungsrisiko im Regelfall für hoch und gleichzeitig im gegebenen Zusammenhang für unannehmbar. Gesagt wird also auch hier letztlich zum einen, eine hinreichend fundierte Prüfung sei nicht möglich.104 Dabei werde das Gebot effektiven Rechtsschutzes ausgerechnet in einem Verfahren vermindert, bei dem die zu sichernden Positionen aufgrund 99
So im Fall BVerfGE 46, 160, 164. BVerfGE 67, 149, 152. 101 Namentlich bei Schoch, FS 50 Jahre BVerfG (2001), S. 695, 700 ff.; Schoch/Wahl, in FS Benda (1995), S. 290, 308. 102 Graßhof, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Bethge, BVerfGG, Loseblatt Stand 2004, § 32 Rn. 85 ff. 103 Berkemann in Umbach/Clemens/Dallinger, BVerfGG, 2. Aufl., § 32, Rn. 201. 104 So stehe insbesondere auch die spätere Mehrheitsfähigkeit des Ergebnisses bei Senatsentscheidungen in Frage; vgl. Graßhof, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Bethge, BVerfGG, Loseblatt Stand 2004, § 32 Rn. 83 u. 88. 100
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ihrer verfassungsrechtlichen Natur den größten Schutz verdienten. Es gehe zudem nicht nur um individuellen Rechtsschutz des Antragstellers. Häufig betroffen seien auch die bereits rechtskräftig bestätigten Rechtspositionen Dritter.105 Die Gegenansicht begründet ihre Forderung nach einer generellen summarischen Prüfung damit, das BVerfG habe kein Mandat, die Verfassungswidrigkeit oder -gemäßheit im Interesse des Gemeinwohls zu übersehen oder unberücksichtigt zu lassen.106 Methodisch sei fragwürdig, mit den rechtlichen Maßstäben den „schützenden, das Gericht legitimierenden Mantel der Rechtsordnung“ abzulegen, da er allein dem Gericht aber einen sicheren und unanfechtbaren Boden geben könne. Wenn gesagt werde, über die Verfassung dürfe nicht „auf Vorbehalt“ judiziert werden, so verkenne das, dass dies auch beim Abwägungsmodell geschähe, lediglich mit dem Unterschied, dass die rechtliche Erfolgsprognose das Ergebnis unmittelbar, die tatsächliche Folgenprognose es mittelbar beeinflusse.107 Die Autorität der Verfassung sei nicht beeinträchtigt, da es sich ja nur um eine interimistische Entscheidung handele. Darüber hinaus überlebe sie auch eine Vielzahl von Verstößen, ohne als solche Schaden zu nehmen. Es spräche daher alles dafür, anstelle der Abwägungsentscheidung ein dem einfach-rechtlichen vorläufigen Rechtsschutz vergleichbares summarisches und auf die Hauptsache bezogenes Verfahren zu ersetzen.108 IV. Kritische Würdigung Angesichts des Primats der materiellen Akzessorietät der verfassungsgerichtlichen Abwägungslösung stellt sich die § 32 BVerfGG-Entscheidung trotz dahingehender Bekenntnisse nicht als „Abwägungsmodell“ dar. Die grundsätzliche Verbindlichkeit des materiellen Rechts steht – sofern feststellbar – also nach keinem Verständnis zur Disposition. Bei einer Vorwegnahme der Hauptsache bekennen sich beide Auffassungen zu ihrer alleinigen Maßgeblichkeit. Im praktischen Ergebnis dürfte sich die „Abwägungslösung“ von der summarischen Prüfung der Rechtslage daher kaum unterscheiden.109 1. Abwägung bei strukturell verfestigten Entscheidungskonflikten? Bedenken gegen die Abwägungslösung bestehen gleichwohl, weil sie die Maßgeblichkeit der rechtlichen Würdigung indiziell schwächt, dabei in ihrer systematischen Grundlage aber nicht hinreichend begründet ist und sich daraus 105 vgl. Graßhof, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Bethge, BVerfGG, Loseblatt Stand 2004, § 32 Rn. 83. 106 Schoch/Wahl, in FS Benda (1995), S. 290 ff. 107 Lechner/Zuck, BVerfGG, 5. Aufl., 2006, § 32 Rn. 22. 108 Näher zu dessen Ausgestaltung Schoch, FS 50 Jahre BVerfG (2001), S. 695, 714. 109 Von entscheidender Bedeutung dürfte hier eher Engagement und persönliche Auffassung des Berichterstatters sein.
§ 21 Funktionen der Abwägungstatbestände im Verfahrensrecht
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kaum sachgemäß zu bewältigenden Folgeproblemen ergeben. Sie äußern sich in so grundsätzlichen und gewichtigen Fragen wie etwa der Bedeutung des Individualrechtsschutzes der Verfassungsbeschwerde. Zudem besteht die Schwierigkeit, die Unterscheidung zwischen vorläufiger und endgültiger Regelung konsequent durchzuhalten, so dass es in vielen Fällen letztlich doch zu einer Vorwegnahme der Hauptsache kommt. Beides zeigt sich in besonders deutlicher Form an der Rechtsprechung des BVerfG zu Eilanträgen im Asylverfahren nach dem sogenannten FlughafenVerfahren.110 Die gesetzliche Regelung (§§ 18a, 36 IV AsylVfG 1992) führten dazu, dass Asylbewerber abgeschoben werden konnten, bevor ihnen schriftlich die Gründe der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung vorlagen.111 In der Folge war ihnen die Einlegung der Verfassungsbeschwerde verbunden mit einem Eilantrag nach § 32 BVerfGG regelmäßig verwehrt. Das BVerfG hat diese Regelung am Rechtsstaatsprinzip, Art. 19 IV und Art. 103 GG geprüft und bejaht.112 Die Gewährleistung der Verfassungsbeschwerde nach Art. 94 I Nr. 4a GG sah es durch die sofortige Vollziehbarkeit der Abschiebung zunächst nicht prinzipiell beeinträchtigt, da diese die Rechtskraft und die damit verbundenen Wirkungen grundsätzlich unberührt lasse. Es sei nicht zu beanstanden, dass sich eine Entscheidung über die nach Vollzug des Hoheitsakts eingelegte Verfassungsbeschwerde darauf beschränke, festzustellen, ob der Hoheitsakt verfassungsgemäß war, es aber an einer aufschiebenden Wirkung fehle.113 In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Vorwegnahme der Hauptsache in Form der Vollstreckung der bisherigen einfach gerichtlichen Entscheidung als Regel hinzunehmen wäre. Ungeachtet dessen vertrat das BVerfG sodann aber gleichwohl die Auffassung, dass über den Aussetzungsantrag im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden sei, da mangels Vorliegen der Gründe der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht geprüft werden könne, ob eine gegen sie noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde unzulässig, offensichtlich unbegründet oder begründet sei. Dabei ergab sich indessen das Problem, dass eine Folgeabwägung in dieser Fallkonstellation zwangsläufig stets zum selben Ergebnis kommen musste – regelmäßiges Überwiegen der Belange des Asylbewerbers bei unterstelltem Asylgrund. Dann aber wäre von der durch 110
BVerfGE 94, 166. Bei Asylsuchenden, deren Asylantrag vor Gestattung einer Einreise vom Bundesamt für Migration und Flüchtlingsangelegenheiten sofort vollziehbar als offensichtlich unbegründet abgelehnt, denen zugleich vorsorglich die Abschiebung angedroht und denen gemäß Art. 16a IV GG verwaltungsrechtlicher Eilrechtsschutz versagt wird, weil „ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit“ der Entscheidung des Bundesamts nicht bestehen, ist die Verweigerung der Einreise schon zu vollziehen, nachdem die den vorläufigen Rechtsschutz ablehnende Entscheidung des VG ergangen und ihnen die Ablehnung mündlich mitgeteilt worden ist. 112 BVerfGE 94, 166, 208 ff. 113 BVerfGE 94, 166, 214 f. u. 219 f. 111
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Art. 16a IV GG gewollten Beschleunigung des Ablehnungsverfahrens nichts geblieben, der darin enthaltene Kernbestandteil der Neuregelung des Asylrechts also unterlaufen worden.114 Die Mehrheit des zuständigen 2. BVerfGSenats sah die Lösung zur Vermeidung dieses Problems darin, dass die einstweilige Anordnung – wie vom Wortlaut gefordert – nur dann erlassen werden dürfe, wenn sie „zum Gemeinwohl“ dringend geboten sei. Dies verpflichte das Gericht nicht zur Entscheidung in jedem Fall. Anders als Art. 19 IV GG gewährleiste § 32 BVerfGG keinen lückenlosen Rechtsschutz. Das Gemeinwohl sei in dem von Art. 16 IV GG geregelten Beschleunigungsverfahren in der Weise verwirklicht, dass unbegründete Asylanträge möglichst schnell abgelehnt werden sollten, damit das Grundrecht als solches erhalten werden könne. Ohne auf die Kritik an dieser Entscheidung115 und das dazu ergangene Sondervotum116 einzugehen, verdeutlich die vorstehende Problematik dreierlei: Erstens, dass es Konzepte systematisch nachgelagerten Rechtsschutzes in vielfältiger Form – hier dem Verwaltungsrechtsschutz nach durchgeführter Abschiebung – gibt; zweitens, dass der Individualschutzzweck von Rechtsbehelfen hierbei Gefahr läuft, verloren zu gehen und drittens, dass eine „Abwägungslösung“ zu dem Dilemma führt, entweder das materielle Recht zu verändern oder aber gegen den Verlust individuellen Rechtsschutzes nichts auszurichten vermag. Als symptomatisch zu bezeichnen ist die mangelnde Eignung des Abwägungsmodells vor allem in Fällen strukturell angelegter Entscheidungskonflikte: Ebenso wie bei der mit der Anfechtungsklage geltend gemachter Individualrechtsverletzung des einzelnen Aktionärs und den wirtschaftlichen Folgen einer Nichteintragung der Strukturänderung für die Gesellschaft befindet man sich im Flughafen-Fall in einem methodischen Dilemma der Unbegründbarkeit einer den Eilantrag ablehnenden Entscheidung. Die Abwägung muss hierbei zwangsläufig versagen, weil bei der vom Gericht zu treffenden Einzelentscheidung die potentiellen tatsächlichen Konsequenzen einer Abschiebung in Betracht gezogen und zu Gunsten des Antragstellers unterstellt werden müssen. Diese sind aber stets als so gravierend anzusehen, dass das allgemeine Interesse an der Missbrauchsbekämpfung des Asylrechts einstweilen zurückzustehen hat. Etwas anderes ergibt sich nur, wenn nicht die Einzelentscheidung des Gerichts, sondern die gesetzliche Wertung dies vorgibt, nur handelt es sich dann nicht mehr um eine „Folgenabwägung“ zur Entscheidung des Einzelfalls, sondern die Anwendung materiellen Rechts Das war bei der Neuregelung wohl auch gewollt, nämlich in Form der Festlegung 114 So zu Recht Graßhof, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Bethge, Loseblatt Stand 2004, Loseblatt Stand 2002, § 32 Rn. 132; Rozok, DVBl 1997, 517, 525. 115 Vgl. dazu Lechner/Zuck, BVerfGG, 5. Aufl., 2006, § 32 Rn. 11; Frowein/Zimmermann, JZ 1996, 763 ff.; Rozok, DVBl 1997, 517, 518 ff. 116 Vgl. BVerfGE 94, 223, 227 ff.
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eines spezifisch-abstrakten, für die Fachgerichte verbindlich festgelegten Entscheidungsmaßstabs:117 Die Konsequenz hätte darin bestanden, eine Folgenabwägung für Asylbewerber aus sog. sicheren Herkunftsländern entweder auszuschließen oder jedenfalls als Regel abschlägig zu gewichten. Die Entscheidung des BVerfG berücksichtigt diesen materiellen Gesichtspunkt nur am Rande,118 nutzt die Gelegenheit statt dessen zu einer grundlegenden und durch den Anlass nicht gebotenen Aussage zum Rechtsschutzziel der Verfassungsbeschwerde, nämlich ihrer Begrenzung auf Gemeinwohlbelange. Das vermischt die entsprechende Tatbestandsvoraussetzung des § 32 I BVerfG mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Art. 94 I Nr. 4a GG, was sowohl für den Kontext als auch grundsätzlich als fragwürdig erweist. Zwar sind verfassungsgerichtliche Entscheidungen über den Verdacht zufallsbedingter Rechtsfortbildungen dieser Art möglicherweise erhaben.119 Unabhängig von der Rechtsposition als solcher, wird man jedoch keinen Zweifel darüber haben können, dass sich die verfahrensrechtliche Norm des § 32 BVerfG hierfür ebenso wenig als der zweckmäßige Sitz der Materie darstellt, wie das bei anderen Eilverfahren anzunehmen ist. 2. Zuweisungsgehalt der Folgenabwägung im verfassungsrechtlichen Streitverfahren Erweist sich damit eine Abwägungsklausel in strukturellen Entscheidungskonflikten hier wie im Zivilprozess als ungeeignete Entscheidungsgrundlage, so ist sie im verfassungsrechtlichen Streitverfahren allein deshalb tolerabel, weil Abwägungen dort auch der Hauptsache wesensimmanent sind, was im Ergebnis einen gewissen Entscheidungsgleichklang gewährleistet. Für die Eignung der Folgenbetrachtung als Legitimationsmedium im verfassungsrechtlichen Streitverfahren spricht also die Übereinstimmung mit der Methode der Entscheidungsfindung im Hauptsachverfahren. Als paradigmatisch erweist sich der Befund, dass Erlass oder Nichterlass der einstweiligen Anordnung in aller Regel mit dem Erfolg bzw. Misserfolg im Hauptsacheverfahren miteinan117 Dieser lautet: Anträge von Asylbewerbern aus sog. „sicheren Herkunftsstaaten“ i. S. d. Ausführungsbestimmungen zu den §§ 18a, 36 AsylVfG gelten als offensichtlich unbegründet und die Vollziehung ihrer Zurückweisung wird nur noch ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen. Dieser Maßstab hätte, wegen seiner verfassungsrechtlichen Verankerung in Art. 16a IV GG auch für das BVerfG verbindlich, im Rahmen des § 32 BVerfGG berücksichtigt werden müssen (Rozok, DVBl 1997, 517, 526). 118 Vgl. BVerfGE 94, 166, 217 f. 119 Augenscheinlich klingt neben dem Prinzip der Subsidiarität zumindest auch das Argument der Arbeitsüberlastung, welche dem BVerfG nicht erlaube, in gleichem Maße wie die Fachgerichte zeit- und sachnahen Rechtsschutz zu gewähren, an (BVerfGE 94, 166, 215 f.). So waren etwa im Jahre 2006 nur 2,3% der insgesamt 5900 erhobenen Verfassungsbeschwerden erfolgreich (FAZ v. 28.1.2008, S. 11). Richtigerweise folgt hieraus aber keine Verkürzung des Eilverfahrens und schon gar nicht dem institutionellen Individualschutzzweck der Verfassungsbeschwerde, sondern allenfalls der – erweiterten – Nichtannahmefähigkeit.
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der korrespondieren.120 Er beruht auf der Ähnlichkeit der in beiden Verfahren angestellten Erwägungen, Hypothesen und Wertungen. Dieser Umstand ist nicht zufälliger Natur, sondern beruht auf der übereinstimmenden Bedeutung der Folgenabwägung für die Entscheidungsfindung im verfassungsgerichtlichen Verfahren. Sowohl Hauptsache wie Eilverfahren orientieren sich nicht an einfach gesetzlichen Regelungen, sondern müssen entweder den Gehalt eines Verfassungssatzes aus sich heraus ermitteln oder – bei einer Gegenüberstellung mehrerer oder prinzipiell gleichwertig anzusehender Grundrechtspositionen im Widerstreit miteinander – eine Abwägung vornehmen, bei der die Herstellung praktischer Konkordanz den Ausschlag gibt.121 Auch die Hauptsache ist somit regelmäßig eine nach autonomen Maßstäben ermittelte Wertentscheidung und das Ergebnis einer Folgenabwägung. Allerdings kann daraus nicht abgeleitet werden, die Abwägungsklausel habe Modellcharakter für andere gerichtliche Verfahren.122 V. Ergebnisse Das BVerfG verwahrt sich im Rahmen seiner nach § 32 BVerfGG getroffenen Anordnungen regelmäßig dagegen, verbindliche Aussagen zum Ausgang der Entscheidung in der Hauptsache zu tätigen. Die einstweilige Anordnung ist damit erkennbar von dem Bestreben getragen, sich alle Wege offenhalten zu wollen und im Hauptverfahren gegenteilig entscheiden zu können, ohne damit die Glaubwürdigkeit des streitgegenständlichen Verfassungssatzes durch widersprüchliche Aussagen zu beschädigen. Entgegen teilweiser Stimmen im Schrifttum handelt es sich dabei aber keineswegs um eine „offene Eilentscheidung“, sondern ein abgestuftes Vorgehen, innerhalb dessen, zunächst über die offensichtliche Begründetheit oder Unbegründetheit des Antrags in der Sache zu befinden ist. Praktische Konsequenzen hat die damit bezweckte Lockerung der materiellen Akzessorietät als solche nicht, zumal sich das BVerfG in Fällen der Vorwegnahme der Hauptsache zu einer zumindest summarischen Prüfungstiefe, je nach Art und Bedeutung der in Rede stehenden Rechtsposition auch zu einer hauptsachegleichen Prüfung, veranlasst sieht. Anders als bei Verfahren vor den Fachgerichten fügt sich die Folgenbewertung als Legitimationsgrundlage im Eilverfahren weitgehend widerspruchsfrei zur Entscheidungsfindung im Hauptverfahren ein, weil auch diese regelmäßig auf einer Abwägungsentscheidung zwischen mehreren, für sich anerkennungswürdigen Rechtspositionen, beruht. Auch dabei ergibt sich allerdings das Problem eines strukturellen Folgen(un)gleichgewichts, bei dem eine Ab120 Vgl. Graßhof, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Bethge, Loseblatt Stand 2004, § 32 Rn. 153, dort aber auch Fn. 8 zu den Beispielen für widersprüchliche Ergebnisse beider Verfahren. 121 Vgl. auch Graßhof, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Bethge, Loseblatt Stand 2004, § 32 Rn. 153. 122 Dazu sogleich noch u. V.
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wägung als Einzelfallentscheidung ausscheidet, weil das Ergebnis stets nur in einer bestimmten Form ausfallen kann. In dieser Situation besteht nicht nur die Gefahr einer Vernachlässigung der materiellen Wertungen, sondern auch ihrer Veränderung. Sie wiegt umso schwerer, als sie über den Anlass hinausreicht, was sich namentlich an der Ablehnung des Individualschutzcharakters der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Flughafen-Entscheidung gezeigt hat. Daraus ergibt sich für das Verfassungsrecht nur deshalb kein prinzipieller Einwand gegen das Abwägungsmodell als solches, weil eine weitgehende methodische Übereinstimmung zur Hauptsache festgestellt werden kann.
C. Folgerung für die Funktion von „Abwägungsklauseln“ Aus dem Gesagten erhellt, dass die Abwägungsklausel gegenüber der Prüfung des Hauptsacherechts nur die Bedeutung einer Hilfserwägung haben kann, sofern im spezifischen Verfahrenskontext keine Übereinstimmung mit dem Entscheidungsmaßstab der Hauptsache gegeben ist. Fehlt es daran, ist Voraussetzung für Abwägungsüberlegungen, dass der geltend gemachte Anspruch nicht erkennbar unbegründet, aber auch nicht mit notwendiger Wahrscheinlichkeit festzustellen ist. Sodann muss das Interesse des Antragstellers am Erlass der Verfügung, das Interesse des Antragsgegners klar überwiegen. Übertragen auf das Freigabeverfahren würde das bedeuten: Die Erfolgsaussichten der Beschlussmängelklage des Aktionärs müssen zumindest offen sein, eine Zurückweisung der Unbedenklichkeitsfeststellung aber schwerwiegende Nachteile für die Gesellschaft zur Folge haben, für die man – sollen die hier festgestellten Grundsätze nicht aufgeweicht werden – nur außerordentliche Folgen wird anerkennen können, etwa die dringend gebotene Sanierung123 oder die Verhinderung der drohenden Insolvenz.124 Mit den Vorstellungen der UMAG-Materialien, erst Recht der durch das ARUG Gesetz gewordenen Formulierung der Abwägungsklauseln und dem von ihnen vorgesehenen regelmäßigen Überwiegen der Interessen der Gesellschaft oder ihres Mehrheitsaktionärs lässt sich das allerdings schwerlich in Einklang bringen. Daher soll im nächsten Schritt gefragt werden, ob eine derartige Entscheidungsgrundlage aus verbandsrechtlicher Sicht gerechtfertigt werden kann.
D. Zusammenfassung Die verfahrensrechtliche Betrachtung hat weder für die Verfahrensordnungen des Zivilrechts noch des Verwaltungs- und Verfassungsprozessrechts Anhalts123 So im Fall IKB AG, vgl. Jahn, FAZ v. 9. Juli 2008, S. 15; anschaulich, wenngleich nicht zu anfechtungsrechtlicher Relevanz gelangt auch die Situation im Fall Girmes (BGHZ 129, 132). 124 So im Fall OLG Hamm AG 2005, 361, 364.
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punkte für eine eigenständige „Abwägungsentscheidung“ ergeben. Vielmehr bedient sich das eine wie das andere des Typus der materiell akzessorischen Entscheidung durch summarische Prüfung, an deren Stelle bei dauerhaft wirkenden Regelungen eine der Hauptsache vergleichbare Prüfung tritt. Daran ist auch für das zukünftige Recht festzuhalten. Der anderslautende Vorschlag Leipolds stellt keine dem überlegene Konzeption dar, sondern verwischt die Grenzen zwischen rechtlich anerkannten und nicht anerkannten, folglich für das gerichtliche Verfahren belanglosen Belangen und schwächt damit die Legitimationskraft der Entscheidung. Aus Sicht prozessualer Gleichheit leidet dieser Vorschlag namentlich unter der einseitigen Schwächung der Position des Antragsgegners. Ein Mehr an Entscheidungsfreiheit in der Hauptsache ist damit nicht verbunden. Das verfassungsrechtliche Eilverfahren weist gegenüber den vorgenannten Regelungen zwar eine Lockerung zum Hauptsacherecht auf, entsagt dessen Prüfung aber ebenfalls nicht, sondern stellt im Ausgangspunkt vielmehr gleichfalls darauf ab und lässt nur bei offener Rechtslage eine Folgenabwägung einsetzen. Ihre Legitimationswirkung für die Entscheidung beruht nicht auf dem immer wieder behaupteten Unvermögen des Gerichts zur materiellen Prüfung im Eilverfahren, sondern gründet auf der Nähe zur Entscheidungsfindung in der Hauptsachentscheidung in Gestalt einer Abwägung der maßgeblichen Rechtspositionen i. S. e. Konkordanz. Auch dabei kann eine „Abwägungsklausel“ im Eilverfahren strukturelle Entscheidungskonflikte, also solche, die im Rahmen einer Gegenüberstellung der Interessen und einer Folgenbetrachtung stets zum selben Ergebnis führen müssen, aber nicht überwinden.
§ 22 Abwägungsklausel und „Schwere“-Formel als Grenzen aktienrechtlicher Beschlusskontrolle Die vorstehende Betrachtung zur Bedeutung des Hauptsacherechts hat gezeigt, dass Eilverfahren kein Eigenleben führen, sondern wie das Prozessrecht sonst gegenüber dem materiellen Recht dienende Funktion haben. Damit ist für die vorliegende Problematik indiziert, dass mit dem Freigabeverfahren kein schneller Weg am Recht der Hauptsache vorbei eröffnet ist. Diese Vermutung bestätigt sich unter Berücksichtigung der bereits eingehend betrachteten Wirkungen der durch die Freigabe ermöglichten Eintragung. Denn diese sind entweder gänzlich irreversibel (rechtlich wie tatsächlich) oder zumindest von so lang anhaltender Wirkung, dass es bereits an dieser Stelle zu einer dauerhaften Sachentscheidung kommt. Nach Überzeugung der vorliegenden Untersuchung muss deswegen bereits aus diesem Grund der Ansatz bezweifelt werden, im Freigabeverfahren könne auf grundsätzlich anderer Wertungsgrund-
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lage entschieden werden als im ordentlichen Erkenntnisverfahren. Die Entscheidung über die Wirksamkeit des Beschlusses lässt sich also nicht aufschieben und das „absolute entweder/oder der Hauptsache (Nichtigerklärung/Nichtigkeitsfeststellung oder Klageabweisung) nicht mindern.125 Über die Möglichkeit einer abwägungsbasierten Entscheidungsfindung ist damit allerdings noch nicht das letzte Wort gesprochen. Vielmehr folgt aus dem dargelegten Befund, dass nunmehr darüber nachgedacht werden muss, ob sich in der Abwägungsklausel des Freigabeverfahrens nicht ein im materiellen Recht selbst angelegter Befund manifestiert, der es erlaubt, die Beschlusskontrolle anlässlich des Freigabeverfahrens faktisch vorzeitig zu beenden. Als Wertungsgrund für eine derartige, bereits im Verbandsrecht angelegte oder ihm durch das Freigabeverfahren aufgegebene Beschränkung der materiell-rechtlich orientierten Entscheidungsfindung kommen namentlich drei Prinzipien in Betracht: Erstens könnte es sich um einen spezifischen Ausdruck des Einwands des Rechtsmissbrauchs handeln. Zweitens – und bereits deutlich breiter angelegt – könnte man die Beachtlichkeit eines allgemeinen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit von Beschlussmangel und Nichtigerklärung erkennen. Drittens – und in der Tendenz wiederum weiter reichend – besteht die Möglichkeit, dass die Beschlusskontrollbefugnis des einzelnen, zumindest aber des nicht unternehmerisch beteiligten Aktionärs insgesamt in Frage gestellt werden soll, und zwar entweder, weil seine Rechtsposition nicht betroffen erscheint oder bereits auf anderem Wege als hinreichend geschützt anzusehen, was zum einen durch Vorschriften des Kapitalmarktrechts oder durch Kompensation erfolgen könnte. Damit angesprochen ist das Konzept eines vermögensbezogenen Aktionärsschutzes.
A. Ausdruck des Missbrauchseinwands? I. Entstehungsgeschichtlicher Zusammenhang Der Gedanke, in der Abwägungsklausel könnte sich eine gesetzliche Ausprägung des Einwands der Rechtsmissbräuchlichkeit des Anfechtungsrechts wiederfinden, liegt vor allem wegen des entstehungsgeschichtlich belegbaren Zusammenhangs nahe. So folgte die für das Freigabeverfahren grundlegende Hypothekenbankschwestern-Entscheidung126 der Leitentscheidung zum Missbrauchseinwand (Kochs-Adler)127 zeitlich unmittelbar nach. Dabei stellte sie den Tatbestand des Missbrauchs auch ausdrücklich neben die (sonstige) mangelnde Aussicht auf Erfolg. Erkennbares Ziel war es insoweit, die Gesellschaft gerade für diesen Fall aus der vom Gesetz aufgebauten Falle einer klassischen 125 126 127
So aber Schütz, DB 2004, 419, 424. BGHZ 112, 9. BGHZ 107, 296.
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Hold out-Situation, die aus der uneingeschränkten Eintragungssperre des § 345 II AktG a. F. folgte, zu befreien.128 Der Gesetzgeber des UmwBerG knüpfte mit § 16 III UmwG unmittelbar an diese Erwägung an und handelte ausweislich der Materialien erklärtermaßen in dem Bestreben, einen besonderen Rechtsbehelf gerade gegen die Fälle missbräuchlichen Aktionärsverhaltens zur Verfügung stellen zu wollen.129 Danach sei eine Klage nach der neuen Vorschrift „vor allem dann als unbegründet anzusehen, wenn sie rechtsmissbräuchlich im Sinne der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs erhoben ist“.130 II. Fehlender Niederschlag in der gesetzlichen Regelung Die gesetzliche Regelung lässt sich ungeachtet der genannten Indizien nicht als Ausdruck des in Rechtsprechung und Lehre anerkannten Missbrauchseinwands verstehen. Zunächst zeigt der vorstehend aus den Materialien zum UmwBerG wiedergegebene Satz, dass der Gesetzgeber seinen Überlegungen als Folge der Rechtsmissbräuchlichkeit die Unbegründetheit der Klage zugrunde gelegt hat. Das entspricht dem nunmehr ganz herrschenden Verständnis in der Rechtsprechung und den wohl auch überwiegenden Teilen der Lehre.131 Dann aber ist allein konsequent, den Rechtsmissbrauch der Freigabe aus materiellen Gründen zuzuordnen, d. h. wegen Unbegründetheit der die Eintragung blockierenden Unwirksamkeitsklage. Die Materialien bestätigen dies, indem sie als Regelungssubstrat der Abwägungsklausel nicht die unbegründete Klage ansehen, sondern – im Gegenteil – auf die Möglichkeit zur Überwindung der begründeten Klage abstellen.132 Sodann fällt auf, dass sich die von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen für einen Missbrauch des Anfechtungsrechts, also ihre Erhebung „mit dem Ziel, die verklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht erheben kann, wobei er sich im Allgemeinen von der Vorstellung leiten lassen wird, die verklagte Gesellschaft werde die Leistung erbringen, weil sie 128 Baums, in: Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentages, Gutachten F 156; vgl. auch Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 28. 129 BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 89; Noack, ZHR 164 (2000), 274, 281; Sosnitza, NZG 1999, 665, 669 u. 670. 130 BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 89; dafür, dass sich das UMAG von der Regelungstechnik der Missbrauchsbekämpfung der Rechtsprechung hat leiten lassen, findet sich in den Materialien kein Anhalt. 131 Vgl. unmissverständlich BGH AG 1992, 448; OLG Frankfurt a. M. AG 1992, 271; OLG Stuttgart AG 2003, 456; anders noch OLG Karlsruhe, WM 1991, 1755; aus dem Schrifttum Hirte, BB 1988, 1469, 1472; Hüffer, in MünchKomm, AktG, § 245 Rn. 58; Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 245 Rn. 48; Zöllner, in KölnKomm, AktG, § 245 Rn. 89; a. A. K. Schmidt, in Großkomm AktG, § 245 Rn. 75 f.; Teichmann, JuS 1990, 269, 271. 132 So schon BegrRegE., BT-Drucks. 12/6699, S. 89, deutlicher aber die BegrRegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 29.
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hoffe, dass der Eintritt anfechtungsbedingter Nachteile und Schäden dadurch vermieden oder zumindest gering gehalten werden könne“133 in keiner Form in der gesetzlichen Regelung niedergeschlagen haben. Diese stellte nicht von Anfang an auf die Motivation des Klägers oder sonstige mit der Klage verbundene Absichten ab, sondern im Kern allein auf die Schwere der gerügten Rechtsverletzung und die Bedeutung der Kassation für Gesellschaft und ihre Aktionäre. Daran hat sich konzeptionell durch das ARUG nichts geändert. Lediglich der Maßstab ist mit der besonderen Schwere ein anderer. Bezugspunkt der Abwägung ist also nicht eine – nur einzelfallspezifisch und für die weitere Rechtsentwicklung i. d. R. bedeutungsloser – individuell verwerfliche Gesinnung des Klägers, sondern der fehlende objektiv-rechtliche Gehalt der Rüge. Darüber hinaus erweist sich der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach Abklingen offensichtlich erpresserischer Fälle zu Beginn der 1990er Jahre als wenig bedeutsam.134 Hinzu kommt, dass im Bereich des harmonisierten Gesellschaftsrechts auch aufgrund der Rechtsprechung des EuGH Zurückhaltung bei der Abweisung der Klage wegen Rechtsmissbrauchs angezeigt ist.135
B. Ausdruck eines Verhältnismäßigkeitsprinzips? I. Verhältnismäßigkeit als materielle Schrankenregelung Im Schrifttum ist die in der Abwägungsklausel enthaltene Bewertung der Rechtsverletzung zum Anlass genommen worden, eine Einschränkung des Anfechtungsrechts auf der Grundlage materieller Verhältnismäßigkeit zu fordern.136 Eine derartige Einschränkung der Anfechtbarkeit ist im Schrifttum bislang nur an vereinzelter Stelle und hier meist bezogen auf Informationsmängel erörtert worden.137 Wie alle mitgliedschaftlichen Rechte, deren Ausübung in die Interessenssphäre der Gesellschaft und anderer Aktionäre eingreife, stehe auch die Anfechtungsklage unter den Geboten der Treupflicht gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern, durch die sie materiell begrenzt werde. Wesentliche Konkretisierungshilfe sei dabei das Übermaßverbot. Für das Anfechtungsrecht stehe dabei weniger der Grundsatz der Erfor133
BGHZ 107, 296. Dazu bereit o. § 3 B. I 2. c) u. sogleich noch u. § 22 B. A. 135 EuGH Rs. C-441/93, ZIP 1996, 1543, 1548; vgl. Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 27 ff.; Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 245 Rn. 37; dazu noch sogleich u. D. II. 2. b). 136 Vgl. Marsch-Barner, in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 45; ferner Bayer, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion (1999), S. 54 f. 137 Vgl. in allgemeiner Form Zöllner, Reformbedarf im Aktienrecht, ZGR Sonderheft 2/ 1994, S. 147, 158 f.; krit. ders., AG 2000, 145, 149; dafür Bayer, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion (1999), S. 54; bezogen nur auf Informationspflichtverletzungen Hüffer, in Geßler/Eckhardt/Hefermehl/Kropff, AktG, § 243 Rn. 32; Raiser, in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 47 Rn. 110; mit Bezug auf § 16 UmwG nur Marsch-Barner, in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 45 u. Bayer a. A. O.; wohl auch Schiessl, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion (1999), S. 56, 77. 134
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derlichkeit in Frage – die Anfechtungsklage sei i. d. R. das alleinige Mittel zur angestrebten Beschlussvernichtung – als vielmehr der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Ein Verstoß gegen diese liege immer dann vor, wenn der dem Kläger aus der Durchführung des Klageverfahrens entstehende Vorteil gänzlich außer Verhältnis zu dem Schaden stehe, den die Beschlussvernichtung für die Gesellschaft anrichte.138 II. Vorschlag des Arbeitskreises Beschlussmangelrecht 1. Wesentlicher Inhalt Der im Rahmen der Reformdiskussion zusammengetretene „Arbeitskreis Beschlussmangelrecht“139 kritisierte die gesetzgeberische Ausrichtung auf das Freigabeverfahren und tritt mit seinen Vorschlägen für eine offene Beschränkung des Anfechtungsrechts und flankierende prozessuale Änderungen ein.140 Beizubehalten sei danach die Kategorie der Nichtigkeit. Allerdings seien eine klarere Fassung der verfahrensrechtlichen Nichtigkeitsgründe und eine Beschränkung der inhaltlichen Nichtigkeit auf gravierende Fälle erforderlich.141 Das Erstere gilt insbesondere Einberufungsmängeln, die nur dann zur Nichtigkeit führen sollen, wenn sie dazu führen, dass der Hauptversammlung die Grundlage fehlt. Das Letztere bezieht sich auf eine Beschränkung der Nichtigkeit auf Verstöße, die gegen zwingendes Recht im Interesse Dritter oder Grundprinzipien der Unternehmensverfassung verstoßen.142 Neben einer nur noch ausnahmsweise vorzunehmenden rückwirkenden Kassation sollen Beschlussmängel durch ein Rügegeld und die Veröffentlichung des der Klage stattgebenden Urteils sanktioniert werden. Daneben besteht eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Kläger.143 Zur Verfahrensbeschleunigung soll die Zuständigkeit des OLG als Eingangsinstanz gegeben und im Regelfall innerhalb von drei Monaten zu entscheiden sein.144 2. Beschränkung der rückwirkenden Kassation Im Mittelpunkt der Überlegungen des Arbeitskreises steht der Vorschlag, dass eine rückwirkende Nichtigerklärung nur dann erfolgen soll, wenn die besondere Schwere des Rechtsverstoßes das gebiete.145 Ergänzend sieht der Vorschlag vor, dass Informationsmängel nur dann die Kassation geböten, wenn 138
Zöllner, Reformbedarf im Aktienrecht, ZGR Sonderheft 2/1994, S. 147, 158 f. Dem Arbeitskreis gehörten an: Volker Butzke, Mathias Habersack, Peter Hemeling, Roger Kiem, Peter Mülbert, Ulrich Noack, Carsten Schäfer, Eberhard Stilz und Jochen Vetter. 140 So ausdrücklich die Begründung des Ausgangspunkts durch den Arbeitskreis selbst. Abgedruckt sind Vorschläge u. Begründung in AG 2008, 617. 141 Vgl. Arbeitskreis Beschlussmängelrecht, § A III Nr. 1-3, AG 2008, 617. 142 Arbeitskreis Beschlussmängelrecht, AG 2008, 617, 620. 143 Vgl. Arbeitskreis Beschlussmängelrecht, § B III Nr. 1-3, IV, AG 2008, 617, 618. 144 Vgl. Arbeitskreis Beschlussmängelrecht, §§ C III, D III, AG 2008, 617, 618. 145 Vgl. Arbeitskreis Beschlussmängelrecht, § B II 1, AG 2008, 617, 618. 139
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davon auszugehen sei, dass der Hauptversammlungsbeschluss ansonsten nicht gefasst worden wäre.146 Im Grundsatz beschränke sich das Gericht aber auf eine Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses.147 Liege kein Nichtigkeitsgrund vor, so könne das Gericht die Wirkungen des Beschlusses zwar aufheben, das geschehe allerdings nur für die Zukunft und soweit nicht die Mängel seine Wirksamkeit nach der Eintragung unberührt ließen.148 Das methodische Wesensmerkmal des Vorschlags betrifft damit vor allem eine Diversifizierung der Rechtsfolgen der Beschlussmängelklage in deren Mittelpunkt der Begriff der „besonderen Schwere der Rechtsverletzung“ steht. Damit soll der „eindimensionale Ansatz des geltenden Rechts“ überwunden, die Gerichte von der Bindung an die Rechtsfolge der Nichtigkeit freigemacht und ihnen der Weg zur Auswahl einer zum Mangel konkret passenden Rechtsfolge bereitet werden.149 Dieser Ansatz unterscheidet sich zwar mit der Anknüpfung an die Rechtsfolge des Beschlussmangels auf den ersten Blick wesentlich vom geltenden Recht und seiner „starren“ Kassationsfolge. Zumindest für die freigabetauglichen Beschlüsse liegt die Vergleichbarkeit der vorgeschlagenen Lösung mit der Abwägungsklausel der §§ 246a II Nr. 3, 319 VI 3 Nr. 3, 327e AktG, 16 III 3 Nr. 3 UmwG jedoch auf der Hand. So sticht nicht nur die zentrale Bedeutung des Tatbestandsmerkmals der „besonderen Schwere der Rechtsverletzung“ für die Freigabe einerseits und das Ausbleiben der Kassationswirkung andererseits hervor. Vielmehr führt das Zusammenspiel von Freigabe und Bestandskraft ebenfalls dazu, dass die Nichtigkeitserklärung unterbleibt. Denn wie gesehen ist ein Bestandsschutz unter Vorbehalt der späteren Kassation mit dem „Unberührtbleiben“ von Beschlusswirkungen nicht zu vereinbaren.150 Im Ergebnis könnte die Abwägungsklausel im Sinne dieser Überlegungen als eine in Bezug auf die Kassation antizipierte Verhältnismäßigkeitsbetrachtung anzusehen sein. Verwirklicht wäre der dahingehende Vorschlag damit zwar nicht zur Gänze, aber immerhin hinsichtlich der besonders bedeutsamen Strukturänderungen, für die ein Freigabeverfahren besteht. III. Bewertung 1. Auswirkungen auf das System der Beschlusskontrolle Für eine Bewertung des genannten Vorschlags hat man sich zunächst bewusst zu machen, ob und welche Auswirkungen eine richterliche Verhältnismäßigkeitsbetrachtung gegenüber dem bisherigen Recht der Beschlusskontrolle hätte. Auf den ersten Blick erscheinen diese ganz erheblich, was erklärt, wes146
Vgl. Arbeitskreis Beschlussmängelrecht, § B II 2, AG 2008, 617, 618. Vgl. Arbeitskreis Beschlussmängelrecht, § B I, AG 2008, 617, 618. 148 Vgl. Arbeitskreis Beschlussmängelrecht, § B III Nr. 1, AG 2008, 617, 618. 149 Vgl. zu dieser Begründung Arbeitskreis Beschlussmängelrecht, AG 2008, 617, 621. 150 S. zum Grundsatz der Einheit von Beschluss und Beschlusswirkungen vorstehend § 20 B. II. 1. b). 147
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wegen frühere Überlegungen hierzu umgehend Relativierungen folgen lassen.151 Auf den zweiten Blick verliert ein beschlussrechtliches Verhältnismäßigkeitsdenken aber dadurch deutlich an Brisanz, dass die damit verbundenen Überlegungen schon bislang im Rahmen der zahlreichen Normativbetrachtungen angestellt werden müssen. Deutlich erkennbar ist das bei den beweglichen Stimmrechtsschranken der Treuwidrigkeit und der Gleichheitswidrigkeit, aber auch bei der „Relevanzbetrachtung“ von Informationsmängeln (§ 243 IV 1 AktG) und der immer wieder umstrittenen Bewertung von Einberufungsmängeln (§ 241 Nr. 1 AktG). Insoweit bringt eine Verlagerung auf die Rechtsfolgenseite und ein dabei auszuübendes Ermessen nichts Neues. Den eigentlichen Bruch mit dem geltenden Recht schafft der Vorschlag im Übrigen auch nicht durch eine – wie betont: rechtsfolgenorientierte – Lösung, sondern, indem er die Beachtlichkeit dieser Mängel tatbestandlich einschränkt und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit über die freigaberelevanten Beschlussgegenstände hinaus auf alle Beschlüsse erstreckt.152 Das ist kein revolutionärer Vorschlag, sondern nur die Fortsetzung des alten numerus clausus der Nichtigkeitsgründe153 und der in der jüngsten Rechtsentwicklung zu beobachtenden Ausdifferenzierung der Anfechtungsgründe. Hinsichtlich des rechtspolitischen Ertrags des einen wie des anderen sollte man sich dabei keine Illusionen machen:154 Weder die Beschränkung der Beschlussnichtigkeit noch seiner Kassation ist als solche geeignet, Anfechtungsklagen das Missbrauchs- oder Störpotential zu nehmen. Vielmehr bleibt die Ausgangssituation für die beklagte Gesellschaft und alle anderen Beteiligten dieselbe: Mangels klarer Prognostizierbarkeit wissen weder sie selbst noch etwa beteiligte Dritte oder das Registergericht, wie das mit der Klage befasste Gericht letztlich entscheiden wird. Eine grundlegende Änderung ergibt sich allein aus der Verbindung der Ermessensklausel mit der weiteren und alles entscheidenden Beschränkung der Kassation durch das Kriterium der „besonderen Schwere der Rechtsverletzung“. Mit dieser – wohl denkbar weit reichenden – Beschneidung des materiellen Anfechtungsrechts lässt sich dem Prozess aus Sicht der Gesellschaft mit einiger Gelassenheit entgegensehen. Die Anerkennung einer solchen Einschränkung berührt allerdings die Frage nach der Bedeutung der Mitgliedschaft ins151 Bayer, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion (1999), S. 55; Zöllner, Reformbedarf im Aktienrecht, ZGR Sonderheft 2/1994, S. 147, 159; vgl. auch Hüffer, in Geßler/Eckhardt/Hefermehl/Kropff, AktG, § 243 Rn. 7, der darauf hinweist, eine Klage, die mit dem Ziel erhoben werde, dass Recht zu bewahren könne niemals treuwidrig sein. 152 Damit sollen vor allem auch Beschlüsse über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats eher zugunsten der Gesellschaft entschieden werden können. Krit. zur fehlenden Einbeziehung dieser Beschlussgegenstände in die Überlegungen zur Begrenzung des Anfechtungsrechts Habersack/Stilz, ZGR 2010, 710, 722; Peltzer, NZG 2009, 1336 f.; Goßlar/ v. d. Linden, NZG 2009, 1337 ff. 153 Insoweit auch die Bewertung von K. Schmidt, AG 2009, 248, 258. 154 So im Ansatz, aber dann hinsichtlich des richterlichen Ermessens, anders nämlich diese als „radikal“, bewertend K. Schmidt, AG 2009, 248, 258.
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gesamt. Und diese wollen zumindest einige Vertreter der Verhältnismäßigkeitslösung nicht zur Disposition gestellt sehen.155 Auch das erklärt, weshalb man im Rahmen früherer Überlegungen einer richterlichen Verhältnismäßigkeitslösung bislang so zurückhaltend war. 2. Praktikabilität einer Abwägungslösung Betrachtet man die Verhältnismäßigkeits-Formel ohne die Vorgabe der „besonderen Schwere“ der Rechtsverletzung, verfügt sie gegenüber einer bislang geschuldeten normativen Betrachtung nicht nur über einen kaum nennenswerten Nutzen. Sie erweist sich auch als „äußerst schwierig“.156 Hier gelten die gegen eine Entscheidungsfindung auf „Abwägungsbasis“ im Allgemeinen vorgebrachten Bedenken:157 Sobald man versucht, konkrete Fälle zu bilden, bei denen die Nichtigkeit/Kassation ausscheiden soll, gerät man an strukturell im materiellen Recht der Beschlusskontrolle angelegte Grenzen. Das erste Problem besteht darin, die spezifischen Elemente, welche es in Relation zu setzen gilt, zu benennen. Geht es darum, Nachteile von der Gesellschaft oder der Mehrheit abzuwenden? Das zweite Problem besteht in der Bewertungsebene: Gibt es eine Notwendigkeit, die Schwere von Rechtsverstößen zu gewichten und wie soll das geschehen? Kann man Rechtsverstöße außerhalb der Einteilung als bloße Ordnungsnormen überhaupt dergestalt relativieren? Ist dem Richter eine derartige Verwerfungskompetenz zuzubilligen? Wie verhält sich diese zu gesetzlichen Bestimmungen, namentlich zur Relevanzbetrachtung (§ 243 IV 1 AktG) – intendiert diese nicht gerade eine Stärkung der Klägerposition?158 Lässt sich auf die wirtschaftlichen Interessen der Mehrheit abstellen oder führt man auf diese Weise auf dem Umweg über die Verhältnismäßigkeitsprüfung ein gesetzlich nicht vorgesehenes Quorum ein?159 Und: Will man dies vermeiden, also von einer Pauschalisierung der Beteiligungsverhältnisse als Abwägungsleitlinie absehen, führt das nicht dazu, dass es zu einer Inhaltskontrolle des Beschlusses kommt? Denn der Unterschied zur sachlichen Rechtfertigung im hergebrachten Sinne besteht allein darin, dass sie nicht dazu dient, die Mehrheitsmacht zu beschränken, sondern ihre unternehmerische Entfaltung zu erweitern. Letztlich ist beides aber wohl nur schwer voneinander zu trennen und eine – an sich ja gerade nicht gewollte – Zweckmäßigkeitskontrolle durch das Gericht kaum zu umgehen.
155
So zumindest Habersack, AG 2005, 137, 138. Vgl. Zöllner, AG 2000, 145, 149. 157 Dazu soeben § 21 A. III. 158 Zu den damit verbundenen Missverständnissen K. Schmidt, AG 2009, 248, 256 u. näher u. IV. 2. c). 159 So auch Zöllner, AG 2000, 145, 149. 156
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IV. Zwischenergebnis Die Abwägungsklausel ließe sich entstehungsgeschichtlich als Gesetz gewordene Form des Missbrauchseinwands begreifen. Allerdings findet eine derart enge Festlegung ihres Anwendungsbereichs im Gesetz keinen hinreichenden Anhalt. Das Freigabeverfahren ist über eine dahingehende, mit der Hypothekenbankschwestern-Entscheidung wohl auch verbundene Vorstellung hinausgewachsen. Naheliegender erscheint es aus heutiger Sicht, die §§ 246a II Nr. 3, 319 VI 3 Nr. 3, 327e AktG, 16 III 3 Nr. 3 UmwG als Ausdruck eines Verhältnismäßigkeitsprinzips zu begreifen. Dafür spricht auch, dass sich in neuerer Zeit Überlegungen zur Einräumung eines richterlichen Ermessens über Ob und Umfang der Kassation gewisser Beliebtheit erfreuen. Im Ergebnis vermögen diese allerdings in den neuralgischen Fällen kaum über die ohnehin vom Gesetz vorausgesetzte normative Bewertung des gerügten Beschlussmangels hinauszuführen. Radikalität gewinnt der dahinterstehende Gedanke nicht durch die Orientierung auf die Rechtsfolgenbetrachtung, sondern die ermessenskonkretisierende Beschränkung der Kassation auf Beschlussmängel „besonderer Schwere“. Diese berühren allerdings Grundfragen der Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft und bedürfen der im Folgenden anzustellenden Betrachtung.
C. Begrenzung der Anfechtungsbefugnis des nicht unternehmerisch beteiligten Aktionärs? Zwischen einer allgemeinen oder auch nur freigaberechtlich-situativ bedingten Einschränkung des Anfechtungsrechts durch das „Schwere“-Kriterium und dem Schutz sowie dem Ausbau von Mitgliedschaftsrechten manifestiert sich ein erheblicher Widerspruch. Ihn aufzulösen, gelingt – wenn überhaupt – nur dann, wenn man die der Abwägung von den UMAG-Materialien unterlegten Prämisse von unterschiedlich schutzbedürftigen Mitgliedsinteressen, also namentlich dem „mit sehr geringem ökonomischen Interesse des Kleinaktionärs“ und dem unternehmerisch beteiligten Aktionär (die Begründung des Regierungsentwurfs spricht – anders als das hier präzisere Gesetz – wohlweislich nur von dem „regelmäßig erheblichen Interesse der Gesellschaft“) im Recht der aktienrechtlichen Beschlusskontrolle zugrunde legen kann. Der BGH hat in seiner für das Freigabeverfahren so grundlegenden Hypothekenbankschwestern-Entscheidung beiläufig eine in diese Richtung weisende Feststellung getroffen, indem er das „Interesse des einzelnen Aktionärs, nicht zum Objekt rechtswidriger organisatorischer Maßnahmen zu werden“ als gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft an deren Durchsetzung als „verhältnismäßig gering“ bezeichnet hat.160 Auch das BVerfG hat bereits 160
BGHZ 112, 9, 27.
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im Feldmühle-Urteil der unternehmerischen Entfaltung gegenüber dem Interesse des Kleinaktionärs am Erhalt seiner Beteiligung den Vorrang nicht versagt161 und diese Tendenz durch die Moto-Meter-Entscheidung eher noch positiviert.162 Um für diesen Ansatz eine aussagekräftige Grundlage zu finden, wird man den Blick von den §§ 241 ff. AktG abzuwenden und der Überlegung nachzugehen haben, ob es für die AG unterschiedliche Gattungen von Mitgliedschaftsrechten gibt, und zwar solche, bei denen die gesellschaftsrechtlich vermittelte Einflussnahmemöglichkeiten in vollem, vom Gesetz ermöglichten Rahmen zur Geltung kommen und solche, bei denen dies nur eingeschränkt der Fall ist. Die Lösung liegt also in der Stellung des Aktionärs in der Publikumsgesellschaft. I. Die Rechtsstellung des Aktionärs zwischen Verbandsmitgliedschaft und Kapitalanleger (zur These Mülberts) 1. Grundlagen Die konzeptionellen Grundlagen für eine Einschränkung von Mitgliedschaftsrechten hat maßgeblich Mülbert herausgestellt.163 Er setzt der tradierten Auffassung von der rechtsformübergreifenden Einheit der Mitgliedschaft164 die Frage nach deren Funktion und Merkmalen in der Rechtsform der AG entgegen. Namentlich der Aktienrechtsnovelle von 1965 entnimmt er dabei als normative Zielvorgabe, eine möglichst leistungsfähige Kapitalsammelfunktion zu erlauben. Die Ausgestaltung der Aktionärsstellung sei demgemäß nicht unter dem Blickwinkel einer neutralen, wirtschafts- und ordnungspolitischen Zielsetzung außerachtlassenden Perspektive erfolgt, sondern in der, die Funktionszusammenhänge zwischen den verbandsrechtlichen Organisationsregeln und dem Kapitalmarktgeschehen berücksichtigenden Absicht, die Leistungsfähigkeit der AG als „Kapitalpumpe“ möglichst zu stärken.165 Gefordert sei zur Umsetzung der aktienrechtlichen Zielsetzung „Verbesserung des po161
BVerfGE 14, 263, 282 ff. BVerfG NJW 2001, 279 ff. 163 Vgl. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. (1996); in diese Richtung auch Fleischer, GroßKomm AktG, 4. Aufl., Einl. vor. § 327a Rn. 8; Kalls, Der Anleger im Handlungsdreieck zwischen Vertrag, Verband und Markt (2001), S. 62; zum Gedanken eines Schutzes des Aktionärs durch das Kapitalmarktrecht auch Ekkenga, Anlegerschutz, Rechnungslegung und Kapitalmarkt (1998), S. 15; Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 431; Wiedemann, BB 1975, 1591, 1598; mit Bezugnahme auf das Freigabeverfahren nach § 246a AktG auch Hirschberger, DB 2004, 1137, 1138 f.; Sauerbruch, GmbHR 2007, 189, 193; im weiteren Zusammenhang auch Seibert, in FS Westermann (2007), S. 1505 ff.; unumwunden den Aktionär als „Anlage-Gesellschafter“ bezeichnend auch Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 24. 164 Vgl. dazu insbesondere Lutter, AcP 180 (1980), 84 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., §§ 19-21. 165 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl., S. 97. 162
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tentiellen Angebots an Risikokapital“ eine Regelung der Aktionärsstellung, die auf die Bedürfnisse eines Anlegers, statt eines unternehmerisch tätigen Gesellschafters ausgerichtet sei. Das AktG 1965 habe dabei zwei Gruppen von Mitgliedern, nämlich Unternehmensgesellschafter auf der einen und Anlagegesellschafter auf der anderen Seite zu vereinigen versucht und eine Mischform aus beidem zustande gebracht.166 Klammer zwischen beiden Mitgliedschaftsformen seien die zum Bestandteil der Mitgliedschaft erhobenen Vermögensrechte der Aktionäre.167 2. Konzept vermögensbezogenen Aktionärsschutzes Die zentrale Folgerung, welche sich an diesen Befund anknüpfen soll, sieht Mülbert in einem Konzept des vermögensbezogenen Aktionärsschutzes.168 Verbandsrechtlich gedacht sei der Einsatz von Mitverwaltungsrechten auf die Verwirklichung des allen Mitgliedern gemeinsamen Verbandszwecks ausgerichtet. Bei einer Gesellschaftsform, deren Paradigma im Investor bestehe, sei für einen Gesellschaftszweck i. S. e. von allen Gesellschaftern verfolgten gemeinsamen Zwecks aber kein Raum. Jeder Gesellschafter verfolge seine individuellen Interessen auch bei seinen innergesellschaftlichen Aktivitäten. Gesellschaftsrechtliche Regeln ließen sich daher nicht mehr aus dem Verbandszweck erklären, sondern bedürften anderer Anknüpfungsmomente.169 Die insoweit als Ausgangspunkt gewählte Klammerfunktion der Vermögensrechte zwischen den Unternehmer-Aktionären und den Anlegeraktionären beseitige jedoch nicht alle Konflikte. Diese beherrschten insbesondere das Recht der Beschlusskontrolle, wobei die der Mehrheitsherrschaft gezogenen Grenzen nicht etwa daraus folgen, dass die Aktionäre bei der Ausübung ihres Stimmrechts treupflichtbezogenen beweglichen Stimmrechtsschranken unterlägen, sondern daraus, dass der Hauptversammlung als Organ eines freiwilligen Personenverbands Gestaltungsgrenzen gezogen seien. Daher liege bei der Beschlussmängelklage kein nur prozessual durch die Gesellschaft mediatisierter Streit zwischen Mehrheit und Minderheit, sondern ein Streit zwischen dieser und dem Verband, vor. Wende man sich dem Aktionärsschutz zu, so rückten diese verbandsrechtlichen Elemente andererseits ganz in den Hintergrund. Hier zeige sich durch die Zulassung von Sondervorteilen gegen Entschädigung auch außerhalb des Vertragskonzerns, dass im Verhältnis der Aktionäre untereinander der rein vermögensbezogene Aktionärsschutz ganz im Vordergrund stehe. Der Vorschrift des § 243 II 2 AktG kommt damit neben den für den Vertragskonzern (§ 304 III 2 AktG), die Eingliederung (§ 320b I 1 AktG) und den Squeeze Out (§ 327 f AktG) geltenden Vorschriften die herausra166 167 168 169
Vgl. zu dieser Feststellung auch Wiedemann, GesR I, S. 490. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl., S. 100 f. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl., S. 97 ff. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl., S. 136 ff.
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gende Bedeutung für die vorgeschlagene Konzeption zu. Ergänzt wird sie für die faktisch abhängige Gesellschaft durch die §§ 311, 317 AktG, welche ihr Vermögen unmittelbar sichern und damit mittelbar zugleich die Vermögensposition der Aktionäre schützen. Typisierend gehe das AktG für die hier interessierenden Strukturänderungen davon aus, dass diese Bewertung bei einer Minderheit von weniger als 25% der Kapitalanteile angezeigt sei, da diese keinerlei Einfluss auf die innerverbandliche Entscheidung nehmen könne. Nur bei Beschlüssen, die eine 75%ige Kapitalmehrheit verlangen, sei damit zugunsten eines bloß vermögensbezogenen Anlegerschutzes zu entscheiden.170 3. Auswirkungen für die Beschlusskontrolle a) Duldungspflichten Das Konzept des vermögensbezogenen Aktionärsschutzes entfaltet seine Wirkung zum einen bei den – hier nicht weiter darzustellenden – Mitwirkungsrechten im Rahmen der Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle,171 sowie zum anderen im Rahmen der Beschlusskontrolle. Hierbei ergibt sich aus § 243 II 2 AktG zunächst der Grundsatz des „dulde und liquidiere“: Die Anlegeraktionäre haben die „Todsünde des Verbandsrechts“, die Verfolgung von Sondervorteilen zu Lasten der Gesellschaft oder ihrer übrigen Mitglieder gegen Ausgleichszahlung hinzunehmen.172 Dabei wird der Ansatz eines Ausschlusses der Anfechtung wegen Ausgleich und Abfindung bei gleichzeitig erforderlicher qualifizierter Beschlussmehrheit (§§ 243 II 2, 304 I, 320b I AktG, 327f S. 2 AktG, 15 I 1 UmwG p. p.) dahingehend ausgebaut, dass entgegen der herrschenden Auffassung auch die Treupflichtverletzung dem Ausgleich zugänglich sein soll.173 § 243 II 2 AktG sei auch auf solche Beschlüsse anzuwenden, bei denen die Schädigung der Aktionäre auf einem § 243 I AktG unterfallenden Verstoß beruhe. So habe das Institut der Treupflichtverletzung die Funktion übernommen, die vom Gesetzgeber ursprünglich § 243 II AktG zugedacht worden sei, zum anderen folge aus der fehlenden Einflussnahmemöglichkeit der unterhalb der Sperrminorität liegenden Minderheit eine Absicherung allein unter vermögensmäßigen Aspekten.174
170 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl., S. 303 ff.; vgl. zusammenfassend S. 349. 171 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl., S. 360 ff. 172 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl., S. 259 ff.; zusammenfassend S. 299. 173 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl., S. 206 ff., 348; zu Gegenposition K. Schmidt, Großkomm AktG, 4. Aufl., § 243 Rn. 59. 174 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl., S. 260.
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b) Inhaltskontrolle Im Mittelpunkt der Auswirkungen der Konzeption des vermögensbezogenen Aktionärsschutzes steht sodann der Ausschluss der Inhaltskontrolle von Beschlüssen. Diese hat im Gleichlauf mit der angenommenen Relativierung der Bedeutung des Verbandszwecks im Rahmen von Beschlüssen mit erforderlicher 75%iger Kapitalmehrheit zur Folge, dass auch dessen Kehrseite, das hierdurch artikulierte Gesellschaftsinteresse, nicht Orientierungspunkt der Beschlusskontrolle sein kann. Die tragende Rolle komme entgegen der Kali und Salz-Rechtsprechung zur Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts daher nicht der sachlichen Rechtfertigung durch das Gesellschaftsinteresse, sondern der Vorschrift des § 255 II AktG zu. Ihr sei die Verpflichtung zur Ausgabe der neuen Aktien zum objektiven inneren Wert zu entnehmen. Das folge zwar nicht aus dem Gesetzeswortlaut (Anfechtung wenn der Ausgabekurs „unangemessen niedrig“ ist), aber aus § 305 AktG und seinen Parallelvorschriften. 4. Wegbereitungsfunktion der These für die Abwägungsklausel Bezieht man die vorstehend ausgebreiteten Überlegungen in die Suche nach der Wertungsgrundlage einer allgemeinen oder freigaberechtlichen Abwägungslösung ein, so muss man zunächst zwar feststellen, dass sich diese nicht von dem System der §§ 241 ff. AktG absondern lassen. Auch das Mülbertsche Modell führt – ebenso wie die vom Arbeitskreis Beschlussmangelrecht vorgeschlagene Verhältnismäßigkeitsbetrachtung der Kassation – zu einer materiellen Beschränkung des Anfechtungsrechts. Sie gelangt damit zur Unbegründetheit der Klage und nicht etwa zu einer das materielle Recht modifizierenden autonomen Interessenbewertung. Mit der Durchsetzung eines Mehrheitsbeschlusses trotz gegebener Rechtsverletzung hat die These also nichts gemein. Sie gründet auch nicht auf einer Einzelfallbetrachtung, sondern stellt das Vorliegen einer Rechtsverletzung durch Treupflichtverletzung oder Sondervorteile für die betreffenden Beschlussarten generell in Frage. Sieht man davon einmal ab, so handelt es sich bei der damit verbundenen normativen Abwägung der Interessen von Mehrheit und Minderheit allerdings um einen Denkansatz, der die Preisgabe der Mitgliedschaftsrechte der Letzteren unterhalb der Schwelle einer „besonders schweren Rechtsverletzung“ weitgehend zu erklären vermag. Das Konzept kann einerseits in allgemeiner Form, also einer Verhältnismäßigkeitsschranke für alle Beschlusskontrollverfahren verwirklicht werden. Die freigaberechtliche Abwägungsklausel in Form der lex lata lässt sich als Sonderregelung für die betroffenen Beschlussgegenstände a maiore ad minus andererseits gleichermaßen in diese Überlegung einbetten. Das Konzept des vermögensbezogenen Aktionärsschutzes bereitet der Abwägungsklausel insoweit zumindest in dreifacher Hinsicht gedanklich den Weg: Erstens, indem es wie diese ein „dulde und liquidiere“ postuliert, und zwar – anders als die Materialien zum UmwG – nicht nur im Hinblick auf geringfü-
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gige Rechtsverletzungen, sondern unumwunden auch auf treuwidriges Mehrheitshandeln. Zweitens, indem es auf das „regelmäßig geringfügige ökonomische Interesse des Kleinaktionärs“175 Bezug nimmt, diesen entgegen dem vorstehenden Modell damit zwar noch als Gesellschafter und nicht bloß als Anleger bezeichnet, in der Sache die Freigabe aber letztlich genau mit dieser Eigenschaft rechtfertigt. Drittens tritt – wenngleich nicht in der Konzeption, so doch im Ergebnis – bei einer Anwendung der „Schwere“-Formel die Folge ein, welche dem von Mülbert entworfene Vorschlag innewohnt: Es handelt sich bei der Freigabe nur dem äußeren Erscheinungsbild nach um eine einzelfallbezogene Abwägungsentscheidung, tatsächlich aber um die Regelentscheidung, woran nur die Verletzung „elementarer Aktionärsrechte“ etwas ändern können soll. Vermag das Konzept des nur in seinen Vermögensrechten zu schützenden Anlageaktionärs damit in der Methode wie im Ergebnis eine Wertungsgrundlage für die Teilabstraktion vom materiell-rechtlichen Ergebnis zu schaffen, so bedarf es im Folgenden der näheren Überprüfung seiner Prämissen im geltenden Recht. II. Begründbarkeit des Ansatzes innerhalb des geltenden Rechts Das genannte Konzept des Anlage-Gesellschafters geht entscheidend von der Vorstellung aus, wonach der Aktionär eine Zwischenstellung (Hybridstellung) zwischen den Polen eines unternehmerisch interessierten und aktiv beteiligten Gesellschafters und einem dahingehend völlig oder zumindest weitgehend desinteressierten Gesellschafter einnimmt, der mit seiner Beteiligung lediglich darauf setzt, sein Vermögen durch Kurssteigerungen mehren zu können. Dieser Befund ist im Ausgangspunkt zumindest insoweit richtig, als beides (einschließlich dazwischen liegender Beteiligungsbereitschaft und Beteiligungsinteresse) den realen Gegebenheiten entspricht und sich die Sachlage bei großen börsennotierten Publikumsgesellschaften grundlegend von anderen – mintunternehmerisch geprägten – Rechtsformen unterscheidet. Dieser Befund hat zur Konsequenz, dass die Frage nach unterschiedlichen Formen der Mitgliedschaft hier nicht nur plausibel, sondern sogar naheliegend erscheint. Allerdings muss man dabei fragen, ob sie im Gesetz angelegt ist176 und – verneinendenfalls – de lege ferenda darin vorzusehen ist.177 Im Folgenden ist daher namentlich zu prüfen, ob sich die mit einer Abstufung der Mitgliedschaft einhergehende Relativierung der Treubindungen der Aktionäre bei Grundlagenentscheidungen tatsächlich damit rechtfertigen lässt, dass sie in einer vermögensmäßigen Kompensation aufgehen, mit anderen Worten, ob § 243 II 2 AktG ein dahingehendes Prinzip zu tragen vermag. Dem schließen sich Über175 176 177
BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 29. Dazu sogleich u. II. 1.-4 u. III. Dazu sogleich u. IV.
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3. Teil: Freigabegründe
legungen zum Bestand und notwendigen Schutz von Beteiligungsrechten bei der Beschlussfassung an. Dabei ist auch der Zusammenhang zwischen Mitverwaltungsrechten und der Binnenordnung der AG insgesamt zu berücksichtigen. Die verfassungsrechtliche und europäische Dimension der Mitgliedschaft muss ebenfalls bedacht werden. 1. Ausschluss der Anfechtbarkeit wegen Sondervorteilen gegen Kompensation als Grundmodell (§ 243 II 2 AktG)? Grundlage des Konzepts eines vermögensbezogenen Aktionärsschutzes ist, wie gesehen, der Ausschluss der Anfechtung bei Sondervorteilen mit angemessenem Ausgleich (§ 243 II 2 AktG).178 Die Überlagerung der anfechtungsrechtlichen Zentralnorm des § 243 I AktG durch diese Vorschrift erfolgt im Wege des Analogieschlusses. Insoweit stellt sich zunächst die Frage einer Regelungslücke innerhalb der geltenden Systematik. Zu beantworten ist sie anhand des Verhältnisses beider Anfechtungsgründe. Als Ausgangspunkt lässt sich dabei markieren, dass es sich um zwei voneinander unabhängige Tatbestände handelt, wobei das Verbot des Sondervorteils nach seinem Wortlaut („auch“) und seinem Entstehungszusammenhang eine Ergänzung des § 243 I AktG darstellt.179 Es handelt sich bei § 243 II AktG um einen Gültigkeitsmangel, der weitgehend der Umstandssittenwidrigkeit des § 138 BGB entspricht. Abzulesen ist dies namentlich an der subjektiven Komponente des Beschlussmangels („Sondervorteile zu erlangen sucht“). Seine Schaffung diente der Schließung einer seinerzeit vorgefundenen Sanktionslücke.180 Sie ergab sich zum einen daraus, dass die Nichtigkeit des Beschlusses nur bei inhaltlicher Sittenwidrigkeit greifen sollte (§ 241 Nr. 4 AktG), eine Schadensersatzpflicht, die ursprünglich gelten sollte, sich im legislatorischen Entwicklungsprozess aber als nicht darstellbar erwies; zum anderen daraus, dass es zugleich an den konzernrechtlichen Schutzmechanismen der §§ 291 ff. AktG fehlte und auch die Treupflicht als rechtstechnisches Mittel keine Anerkennung fand.181 Mit der durch die ITT-Rechtsprechung182 eingeleiteten und durch die Linotype-Entscheidung183 vollzogenen Wende und der Verwirklichung der geltenden konzernrechtlichen Regelungskonzeption durch das AktG 1965 hat § 243 II AktG nach zutreffendem Verständnis in der Lehre seine Bedeutung weitgehend verloren.184 Die Treupflichtverletzung führt danach zu Anfechtbarkeit 178
S. o. II. 1. Zur Entstehungsgeschichte Hüffer, in: FS Kropff (1997), S. 127, 134 f. 180 Vgl. Hüffer, in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 69; ders., in: FS Kropff (1997), S. 127, 136. 181 Paradigmatisch RGZ 68, 235 (Hibernia-Entscheidung, welche es dem Erwerber von Aktien nahelegte, sich mit der unumschränkten Entscheidungskompetenz der Mehrheit in Angelegenheiten der Gesellschaft abzufinden). 182 BGHZ 65, 15; dazu bereits o. § 11 A. I. 183 BGHZ 103, 184;dazu bereits o. § 11 A. I. 184 Hüffer, in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 71. 179
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und Kassation oder anders gesagt: § 243 II AktG geht in § 243 I AktG auf. Der Ansatz eines vermögensbezogenen Aktionärsschutzes kehrt dagegen das Verhältnis beider Vorschriften um und ordnet die zur Anfechtung berechtigende Grundnorm (§ 243 I AktG) der Ausgleichsnorm (§ 243 II AktG) unter. Das ist nicht nur wegen der systematischen Verkehrung von Regel- und Ausnahme bedenklich. Es erscheint auch insgesamt fraglich, die Ausgleichsregelung des § 243 II 2 AktG zum Prinzip zu erheben. Das Schrifttum weist diesbezüglich zutreffend darauf hin, § 243 II 2 AktG sei sowohl hinsichtlich der Gläubigerinteressen wie der Aktionärsinteressen nicht hinreichend differenziert.185 Diese Beobachtung trifft für den Gläubigerschutz uneingeschränkt zu. Für die Aktionärsinteressen führt sie geradewegs auf die eigentliche Frage des angemessenen Schutzes zurück. Gegen die Ableitungsfähigkeit des Prinzips aus § 243 II 2 AktG spricht hier allerdings schon der Umstand, dass die gesetzliche Regelung den durch das Anfechtungsrecht vermittelten Primärrechtsschutz nur punktuell zurücknimmt, nämlich wo es auf das Spruchverfahren verweist. Das bestätigt, dass Kompensation auch nach Herausbildung und Anerkennung der Treupflicht als bewegliche Stimmrechtsschranke Kassation als Regel und Kompensation als Ausnahme vorsieht. Im Ergebnis lässt sich § 243 II 2 AktG daher nicht als der rechtstechnische Weg zur allgemeinen Begründung eines „dulde und liquidiere“ anführen. 2. Uneingeschränkte Anfechtbarkeit nach § 255 II AktG Der Ausnahmecharakter des § 243 II 2 AktG wird durch § 255 II AktG bestätigt, nach welchem die Anfechtung bei der Kapitalerhöhung auch darauf gestützt werden kann, dass der sich aus dem Erhöhungsbeschluss ergebende Ausgabebetrag (…) unangemessen niedrig ist. Einerseits verfolgt diese – erst durch das AktG 1965 geschaffene Norm – mit dem Schutz vor Anteilsentwertung der vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre ebenfalls das Ziel der Vermeidung von Sondervorteilen. Anders als § 243 II AktG greift sie allerdings unabhängig von diesen bzw. auch dann, wenn der Erwerb zum unangemessen niedrigen Ausgabepreis durch – der Treupflicht nicht unterliegende – Dritte erfolgt. § 255 II AktG enthält damit einen selbstständigen Regelungszweck und ist auch nach Anerkennung der Treupflicht als Stimmrechtsschranke keinesfalls überflüssig.186 Die Vorschrift bestätigt zum einen durch ihre Existenz, dass die §§ 241 ff. AktG keinen allgemeinen Rechtsgedanke des vorrangigen oder sogar ausschließlichen Vermögensschutzes kennen. Hätte man ihn gewollt, wäre er gerade hier angezeigt gewesen. Zum anderen hat sich 185 Vgl. Hüffer, in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 88 f.; K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 243 Rn. 69; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S. 301 ff.; Zöllner, in KölnKomm AktG, § 243 Rn. 236. 186 Zum Verhältnis zu § 243 II AktG Hüffer, in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 255 Rn. 1 u. 7.; Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl.; § 255 Rn. 1.
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das Gesetz von Anfang an gegen eine Ausgleichsregelung verwahrt, es also an einer Entsprechung zur Liquidationsregelung des § 243 II 2 AktG fehlen lassen. Letztere wäre bei einer allgemeinen Abwendungsfähigkeit der Anfechtbarkeit angesichts der erst 1965 erfolgten Normierung des § 255 AktG aber geradezu zwingend gewesen, sei es in ausdrücklicher Form oder zumindest durch Verweisung auf § 243 II 2 AktG. Stattdessen hat das AktG 1965 den unangemessen niedrigen Ausgabebetrag und den entstehenden Sondervorteil auf Seiten des Inferenten zum Anlass genommen, den Beschluss ausgleichslos mit dem Verdikt der Anfechtbarkeit zu versehen.187 Daran hält das Gesetz trotz mehrerer Anläufe, zuletzt des DAV weiter fest.188 Der gegenteilige Schluss eines vermögensbezogenen Aktionärsschutzes wäre insoweit contra legem. 3. Keine Gesamtanalogie zu den anfechtungsausschließenden Regelungen Angesichts der Schwierigkeiten, aus dem vorhandenen Normenbestand des allgemeinen Beschlussmangelrechts einen Vorrang des vermögensbezogenen Aktionärsschutzes abzuleiten, läge es nahe, aus den einzeltatbestandlichen Regelungen des Anfechtungsausschlusses zu einem allgemeinen Prinzip zu gelangen. Methodisch könnte hierzu der Weg einer Gesamtanalogie beschritten werden. Dieser ist jedoch aus drei Gründen versperrt: Zum einen bedarf auch die Gesamtanalogie der Feststellung einer planwidrigen Regelungslücke. Sie scheitert jedoch ebenfalls daran, dass sich trotz einer zunehmenden Tendenz des sekundären Vermögensschutzes und zahlreicher Novellierungen bislang keine Bereitschaft auf Seiten des Gesetzgebers feststellen lässt, die dahingehenden Vorschläge bei § 255 II AktG und der aufnehmenden Gesellschaft bei der Verschmelzung umzusetzen.189 Zweitens muss man sich bewusst sein, dass man es nicht nur mit einer materiell-rechtlichen Regelung zu tun hätte, sondern auch eine Verfahrensanalogie erforderlich wäre. Das Spruchverfahren müsste in außergesetzlicher Form gegenständlich erweitert angesehen werden. Eine solche verfahrensrechtliche Analogie ist zwar in der Macrotron-Entscheidung enthalten, weil danach auch das Delisting zu einer Nachprüfung der anzubietenden Entschädigung im Spruchverfahren führt.190 Gegen die Schaffung bzw. die Erweiterung prozessualer Rechtsbehelfe durch richterliche Rechtsfortbildung bestehen jedoch Bedenken,191 denen zumindest insoweit beizupflichten ist, dass die generelle Erhebung des vermögensbezogenen Aktionärsschutzes zum Prinzip, verfahrensrechtliche Anpassungen erfordern würde, die der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedürften. Drittens fehlt es auch deshalb an den Voraussetzungen einer Gesamtanalogie, weil der mit dem Verweis ins Spruchverfahren bezogene Anfechtungsausschluss sich nur 187 188 189 190 191
Vgl. auch Hüffer, in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 6 Vgl. § 19 C. III. 1. S. ebda. BGHZ 153, 47; vgl. auch BGHZ 177, 131. Vgl. Hirte, WM 1997, 1001, 1005.
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auf die Nachprüfung der Angemessenheit von Ausgleich und Abfindung bezieht, mit Ausnahme des § 243 IV 2 AktG aber keine sonstigen Beschlussmängel erfasst. Im Übrigen zeigt sich auch hier der Charakter einer die Ausnahme bestätigende Regel. 4. Zwischenergebnis Zusammenfassend kann das Konzept eines vermögensbezogenen Aktionärsschutzes, eines „dulde und liquidiere“ also aus dem vorhandenen Normenbestand des AktG schwerlich abgeleitet werden. III. Mitgliedschaftsrechte des außenstehenden Aktionärs Die unbefriedigende rechtstechnische Verortung des Ansatzes eines vermögensbezogenen Aktionärsschutzes innerhalb der §§ 241 ff. AktG besagt nicht zwangsläufig, dass sich die damit verbundene Wertvorstellung für das AktG insgesamt als unzutreffend erweisen müsste. Und zumindest in Form der freigaberechtlichen Abwägungsklausel könnte sie ja gerade in einer gegenüber den allgemeinen Vorschriften vorrangigen Form verwirklicht worden sein. Ein derartiges Verständnis setzt allerdings voraus, dass sich dem eine Unterscheidbarkeit der Formen der Mitgliedschaft in der AG zugrunde legen lässt. Man hat sich dafür zunächst nochmals das von Mülbert gezeichnete Bild vom „Anlageaktionär“ und „Unternehmensaktionär“ und seine Prämissen vor Augen zu führen und sodann zu fragen, ob diese die mit dem „dulde und liquidiere“ verbundene Preisgabe von Mitgliedschaftsrechten rechtfertigen kann. Damit richtet sich der Blick zunächst auf die Bedeutung dieser Rechte für die Beschlussfassung über die Strukturänderung, d. h. namentlich auf das System des hierbei gegebenen aktienrechtlichen Minderheitenschutzes. Sodann ist zu untersuchen, ob das Organisationsmodell der AG überhaupt einen „unternehmerischen“ Aktionär kennt, bevor das auf dieser Grundlage erreichte Ergebnis vor dem Hintergrund seiner wirtschaftlichen Konsequenzen zu würdigen ist. 1. Einwirkungsmöglichkeiten der qualifizierten Mehrheit Die These vom vermögensbezogenen Aktionärsschutz setzt im Kern bei einem unterschiedlichen Verständnis der Mitgliedschaft in der AG an.192 Sie besteht einerseits in Gestalt des unternehmerischen Aktionärs, dem anderseits der „Anlageaktionär“ oder „Finanzinvestor“ gegenübersteht. Gedanklicher Ausgangspunkt ist dabei weniger das dem letzteren wohl unterstellte unternehmerische Desinteresse an der Verfolgung des Gesellschaftszwecks, sondern vielmehr die dadurch legitimierte Einwirkungsmöglichkeiten der allein unternehmerisch denkenden und handelnden Mehrheit. 192 Vgl. zur Ausdehnung auf die nicht börsennotierte AG Mülbert, in: FS Ulmer (2003), S. 433, 450.
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a) Die Klassengesellschaft in der abhängigen AG Ausgehend hiervon lässt sich in der Tat je nach Beteiligungsverhältnissen das Bild einer „Dreiklassengesellschaft“ der Aktionäre zeichnen. Erstens: Bei bloßer Abhängigkeit der Gesellschaft ist der herrschende Aktionär in der Lage, Beschlüsse, die die einfache Mehrheit erfordern, regelmäßig durchzusetzen. Die Einflussnahme ist aber vorwiegend mittelbar, nämlich außerhalb der Hauptversammlung durch Wahl der Aufsichtsratsmitglieder zu verwirklichen, die ihrerseits den Vorstand bestellen oder abberufen. Relativiert wird sie dabei durch Verpflichtung des Aufsichtsratsmitglieds auf das Gesellschaftsinteresse und eine weitgehende Abberufungsfestigkeit, die sich daraus ergibt, dass für einen Abberufungsbeschluss die Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich ist (§ 103 I AktG).193 Zweitens: Verfügt der Aktionär allein oder mit anderen über eine Dreiviertelmehrheit des Grundkapitals, ändert sich das Bild in dramatischer Weise: Der Mehrheitsaktionär/die Mehrheitsgruppe ist nun in der Lage, sich des breit angelegten Gestaltungsinstrumentariums des Umwandlungsrechts zu bedienen, er kann die Gesellschaft in Form der §§ 291 ff. AktG unternehmensvertraglich einbinden oder ganz eingliedern (§§ 319 ff. AktG). Er kann aber auch „schlicht“ über Satzungsänderungen in entscheidender Weise in das Verbandsgeschehen eingreifen, insbesondere den Unternehmenszweck ändern. Unmittelbar unternehmerische Entscheidungen kann auch der dergestalt herrschende Aktionär allerdings nicht führen, es sei denn, er lässt sich die Stellung eines Leitungsorgans einräumen. Drittens: Durch Einführung des Squeeze Outs ergibt sich sodann eine weitere (De)klassierung der Mitgliedschaft von Minderheitsaktionären. Sobald es einen über 95% des Grundkapitals verfügenden Gesellschafter – vom Gesetz als „Hauptaktionär“ bezeichnet (§ 327a I AktG) – gibt, sind sie nicht nur außerstande, die oben genannten Maßnahmen und damit verbundene Eingriffe in ihre Mitgliedschaft zu verhindern.194 Vielmehr steht ihre Mitgliedschaft mit der Möglichkeit des Ausschlusses insgesamt zur Verfügung des Hauptaktionärs. b) Begrenzte Reichweite inhaltlicher Schranken der Stimmrechtsmacht Ob und inwieweit in dieser „Klassengesellschaft“ eine Mitgliedschaft des Minderheitsgesellschafters im verbandsrechtlichen Sinne anzuerkennen bleibt, hängt von Disponibilität der damit verbundenen Rechtspositionen ab, wobei hier die der Mehrheit außerhalb der formellen Stimmrechtsmacht auferlegten beweglichen Stimmrechtsschranken gemeint sind. Das heute vorherrschende Verständnis zur Bedeutung der (formellen) Anteilsmehrheit lässt sich 193
Dazu Uwe H. Schneider/Nietsch, in FS Westermann (2008), S. 1447 ff. Durch den umwandlungsrechtlichen und übernahmerechtlichen Squeeze Out ist die dafür erforderliche Schwelle auf 90% herabgesetzt. Vgl. § 62 V UmwG, § 39a WpüG, vgl. Klie/ Wind/Rödter DstR 2011, 1668; Kiefner/Brügel, AG 2011, 525. 194
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– trotz gegebener Unterschiede im Detail – dahin charakterisieren, dass die in einem Beschluss getroffene Regelung nicht schon dadurch ausreichend gerechtfertigt ist, dass die vom Gesetz geforderte Stimmenmehrheit erreicht wurde. Die an sich gegebene Mehrheitsmacht muss sich einerseits einer formalen und andererseits einer inhaltlichen Prüfung stellen, deren Anforderungen aus den mitgliedschaftlichen Treubindungen und dem Gleichbehandlungsgebot zu entwickeln sind. Darin liegt ein Preis für den Verzicht auf das Konsensprinzip des Vertragsrechts und das Einstimmigkeitsprinzip des Personengesellschaftsrechts. Er muss entrichtet werden, einmal, weil die hiermit verbundene „Richtigkeitsgewähr“, verstanden als die privatautonome Legitimation, unter dem Mehrheitsprinzip von vornherein nur eingeschränkt besteht und sie zweitens dadurch an Gehalt verliert, dass die AG im Regelfall nicht über einen weitgestreuten, wechselnde Mehrheiten erfordernden Aktienbesitz verfügt, sondern über einen Großaktionär oder eine konstante Aktionärsgruppe als Inhaber der Stimmenmehrheit.195 Das Konzept des vermögensbezogenen Aktionärsschutzes gibt die dergestalt heute allgemein nicht mehr in Frage gestellten Treubindungen der Aktionäre untereinander und gegenüber der Gesellschaft zwar nicht vollends preis, es verweist allerdings darauf, dass sich mit Ausnahme von „Kali und Salz“ kein Fall einer wirklich inhaltsbezogenen Rechtfertigung gefunden hat. Nach seinem Verständnis kann es einen solche auch nicht geben, weil das dazu als Maßstab heranzuziehende Gesellschaftsinteresse diese Beschränkung nicht rechtfertigt. Denn es steht seinerseits durch Satzungsänderung im Belieben der Dreiviertelmehrheit. Ungeachtet, ob man dem zur Gänze folgt, muss man dem zugestehen, dass die Kali und Salz-Rechtsprechung jedenfalls nach der Rechtfertigungsfreiheit des genehmigten Kapitals unter Bezugsrechtsausschluss nach der Siemens/Nold-Entscheidung196 allein im Vordergrund
195 Vgl. Hüffer, in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 47; ders., in: Geßler/Eckhardt/ Hefermehl/Kropff, AktG, § 245 Rn. 7; Röhricht, in Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance (2003), S. 514 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 16 I u. IV; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 8 I 1; aus dem Schrifttum insoweit grundlegend Rob. Fischer, in Minderheitenschutz bei Kapitalgesellschaften (1967), S. 59, 70; Martens, in FS Rob. Fischer (1979), S. 437, 446; Wiedemann, ZGR 1980, 147, 156 f. Der damit eingenommene Standpunkt bildet die diametrale Gegenposition zu der Auffassung, welche das RG in der HiberniaEntscheidung (RGZ 68, 235). Sie hielt dem Kläger, der sich gegen eine Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts wandte entgegen, dass „… die in Angelegenheit der Gesellschaft mit der erforderlichen Stimmenzahl gefaßten Beschlüsse der Mehrheit für die Minderheit auch dann maßgeblich sind, wenn sie dieser als verkehrt, wirtschaftlich nachteilig und die Bestrebungen der Minderheit schädigend erscheinen. Dies ist eine unabwendbare Folge des im Gesetz zur Anerkennung gelangten Grundsatzes, daß die Mehrheit des Aktienbesitzes über die Veraltung der Gesellschaft und darüber entscheidet, was im Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre zu tun und zu lassen ist. Mit dieser Tatsache muß sich jeder abgefunden haben, der Aktien erwirbt …“. 196 BGHZ 136, 133 (Siemens/Nold).
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steht.197 Die aus der Treubindung erwachsende Begrenzung der Stimmrechtsmacht – nicht notwendigerweise der Mehrheit198 – geht also keineswegs so weit wie angenommen, sondern nähert sich dem ursprünglichen Verständnis, wie es schon das Reichsgericht vertreten hatte,199 weit stärker an als vermutet. Was bleibt ist – trotz aller Vorbehalte gegen den damit verbundenen subjektivrechtlichen Einschlag – der Einwand des individuellen Rechtsmissbrauchs.200 Er kann die Mehrheit in gleicher Weise treffen wie die (Sperr)minorität.201 Ist der beschlusstragenden Mehrheit gegenüber aber hinsichtlich der sachlichen Rechtfertigung des Beschlusses nichts zu erinnern und die Willensbildung in formeller Hinsicht einwandfrei, so bildet die Treubindung als solche gegenüber der Umstrukturierung kein Hindernis. Stattdessen gilt der auch im vorliegenden Zusammenhang in der Rechtsprechung vielbeschworene Satz, wonach der Beschluss die Rechtfertigung „in sich“ trage, womit nichts anderes ausgesagt ist, als dass die beschlossene Rechtsfolge als solche gesetzlich anerkannt ist und keiner weiteren Legitimation bedarf. Er erklärt auch, weshalb der Anlass für die Anerkennung der Treubindung nur Fälle waren, bei denen zumindest auch die Zulässigkeit der Maßnahme als solche unklar war.202 Ist ihre Legitimität in verfassungskonformer Weise durch das Gesetz festgestellt, so besteht die Bedeutung der Treubindung – lässt man Einzelfälle, wie das venire contra factum proprium außen vor203 – im Wesentlichen darin, als bewegliche Stimmrechtsschranke, das Erreichen der notwendigen Mehrheit, etwa durch Wertpapierleihe,204 zu kontrollieren.205 Für Strukturänderung mit erforderlicher Dreiviertelmehrheit ergibt sich ein solches Problem nicht. Sie kann heterogen sein. Es bestehen auch keine Beschränkungen der Zulässigkeit eines 197 Das erklärt, weswegen die Entscheidung als „großes Unglück“ beklagt wird (vgl. Lutter, JZ 1998 S. 47, 50). 198 BGHZ 129, 136 (Girmes). 199 Vgl. RGZ 68, 235 (Hibernia). 200 Vgl. zu der entsprechenden Annahme auch K. Schmidt, in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 243 Rn. 47; krit. aber eben deswegen Hüffer, in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 54. 201 BGHZ 129, 136 (Girmes). 202 BGHZ 103, 184, 189 f. (Linotype). 203 Dazu für den Squeeze Out Fleischer, ZGR 2002, 757, 785; Buchta/Ott, DB 2005, 990. 992; a. A. Markwardt, BB 2004, 277, 286; vgl. auch für die Verschmelzung der Telekomtochter T-Online AG auf die Deutsche Telekom schon oben § 11 A. III. 2 d). 204 Dagegen noch OLG München, AG 2007, 173; 2006, 296; zuvor bereits Ph. Baums, WM 2001, 1843, 1847; a. A. nunmehr BGHZ 180, 154; so schon Markwardt, BB 2004, 277, 285 f. 205 Relevant ist das insbesondere, heute aber wohl auch allein für § 327a AktG. Da das Gesetz hier die Anteilsvereinigung in einer Hand fordert und die Beendigung der Mitgliedschaft der Minderheitsaktionäre droht, lässt sich hier aus gutem Grund darüber streiten, ob Zusammenschlüsse in Form von Holdinggesellschaften, der Begründung von Treuhandverhältnissen dauerhaft sein müssen oder nicht (für Missbräuchlichkeit dafür etwa Ph. Baums, WM 2001, 1845; Bolte, 2001, 2587 ff.; so wohl auch Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 327a Rn. 12 mit der Forderung nach einer sachlichen Rechtfertigung des Zusammenschlusses; Grunewald, in: MünchKomm., AktG, 2. Aufl., § 327a Rn. 19 ff.; Habersack, in Emmerich/Habersack, GmbH- und Aktienkonzernrecht, 5. Aufl., § 327a Rn. 27).
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bewussten Zusammenwirkens der Beteiligten. Zwar sind die gesetzlichen Mitteilungspflichten zu beachten (bei der börsennotierten Gesellschaft die §§ 21 ff. WpHG, die auch die 75%-Schwelle erfassen, bei der nicht börsennotierten Gesellschaft nach § 20 I u. II AktG nur die Viertel- und Mehrheitsbeteiligung). Sie begründen jedoch keinerlei inhaltliche Beschränkung der Stimmrechtsmacht (vgl. aber zur Folge ihrer Missachtung §§ 28 WpHG, 20 VII AktG).206 2. Zwischenergebnis Als Zwischenbefund lässt sich daher festhalten, dass die Rechtsentwicklung trotz aller gegenteiligen Betonung zumindest in der abhängigen Gesellschaft ein deutlich zurückgebildetes Verständnis der Treubindung der Mehrheit zeigt. Das verträgt sich mit einem Prinzip des „dulde und liquidiere“ gut, sofern die Legitimität der Strukturveränderung als solcher in typisierender Form durch das Gesetz festgeschrieben ist, und der Beschluss dadurch die „Rechtfertigung in sich trägt“. Zwar reduziert das Gesetz den Minderheitsaktionär damit nicht expressis verbis auf die Stellung eines zur Manövriermasse der Mehrheit geratenden „Kapitalanlegers“. Es gibt ihn aber insgesamt betrachtet der weitgehend formalisierten Entscheidungshoheit der Dreiviertelmehrheit preis und schafft so eine „Klassengesellschaft“, die sich auch auf das Verständnis der Mitgliedschaft auswirken kann. IV. Gegenthese: Prinzip der Einheit der Mitgliedschaft 1. Beteiligungsformen in der Einheitsgesellschaft Die Kritik an der These vom vermögensbezogenen Aktionärsschutz setzt dem das Bild von der personenunabhängigen Einheit der Mitgliedschaft entgegen.207 Sie knüpft einerseits maßgeblich an der Unterscheidung zwischen mitgliedschaftlicher – und damit durch Teilhaberechte geprägter Beteiligung – und schuldrechtlicher Gläubigerstellung an.208 So heißt es, der Aktionär sei nach der lex lata Gesellschafter, nicht „Anleger“. Mit der vorgenommenen 206 Im Übernahmerecht löst das Erreichen der Kontrollschwelle von 30% der Stimmrechte (§ 29 II WpÜG) zwar umfassende Pflichten, namentlich die des Pflichtangebot aus (§§ 35 ff. WpÜG). Verhindern will das Gesetz den Kontrollerwerb und seinen regelmäßig angestrebten Ausbau auf die Dreiviertelmehrheit und darüber hinaus aber ebenfalls nicht. Die Erweiterung einer schon vorhandenen oder WpÜG-konform begründeten Kontrolle durch weitere Erhöhung der Beteiligung löst – abgesehen von den weiter zu beachtenden Mitteilungspflichten nach dem WpHG – keine Rechte der Minderheitsgesellschafter aus. 207 Insbesondere aus jüngerer Zeit Wiedemann, in FS Hüffer (2010), S. 1731: „Ist der Kleinaktionär kein Aktionär“ oder K. Schmidt, ZGR 2011, 108: „Ist korporatives Denken passé?“; in anderem Zusammenhang auch Noack, ZIP 2005, 325, 327 „auf den wirtschaftlichen Eigentümer kommt es gerade nicht an“. 208 Vgl. Habersack, AG 2005, 137, 138; siehe auch schon Hanau, NZG 2002, 1041, 1042 ff.; Lutter/Drygala, in FS Kropff (1997), S. 191, 210; Fleischer, DNotZ 2000, 876, 877.
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Differenzierung sei aus gesellschaftsrechtlicher Hinsicht nichts zu gewinnen.209 Der kapitalmarktrechtliche Ansatz messe der Auswahlentscheidung des Aktionärs für eine bestimmte Anlage zu geringe Bedeutung bei. Ihm werde etwa durch den Ausschluss „das Recht genommen, sich gerade an diesem Unternehmen zu beteiligen, in dessen wirtschaftliches Potential er unter Umständen große Erwartungen hat“.210 Dem ist zuzugeben, dass der Aktionär Mitglied einer Körperschaft und nicht einer kapitalmarktvermittelten Anlegergemeinschaft, wie sie etwa bei einem Investmentfonds vorliegt. Vorschläge, die Stellung des Aktionärs an das Modell des Investmentfonds anlehnen, haben sich nicht durchgesetzt,211 weil sie mit dem Verständnis des Grundkapitals als Festkapital nicht in Einklang stehen. Sie vertragen sich aber auch mit anderen Merkmalen der Mitgliedschaft nicht. Dazu gehört zum einen, dass das kontinentaleuropäische Recht für Gesellschaften mit unternehmerisch und unternehmerisch besonders fernen Beteiligten (Anlegern) die Kommanditgesellschaft als besondere Rechtsform nicht nur angeboten, sondern diese zugleich als vorzugswürdig behandelt hat, indem es nur die (einheitliche) AG der staatlichen Konzession unterwarf.212 Dass sich im Wettbewerb der Rechtsformen die Einheitsgesellschaft klar vor der Kommanditgesellschaft (einschließlich der KGaA) positionieren konnte, darf man kaum als Zufall ansehen. Ausschlaggebend dürften vielmehr die Vorteile einer unterschiedlichen Beteiligungsformen offen stehenden („durchlässigen“) einheitlichen Mitgliedschaft sein. So ist der innerverbandliche Wechsel zwischen (Mit)unternehmer und (Portfolio)anleger in der Einheitsgesellschaft ohne inhaltliche Zustimmung der Gesellschafter möglich.213 Gleiches gilt für die Übertragung der Aktien, die Über- und Unterschreitung von Schwellenwerten wie der Sperrminorität, einfacher und qualifizierter Mehrheit. Bruchlose Übergänge lassen sich – ebenso wie die zwischen den apodiktischen Formen des Unternehmergesellschafters und des Anlegers stehenden Zwischenformen – nur auf Grundlage einer insoweit personenunabhängigen Mitgliedschaft darstellen.214 Dass dem Bedürfnis für Mischformen der Beteiligung vorzugsweise über eine einheitliche Lösung entsprochen werden soll, spiegelt sich auch in der jüngeren Rechtsentwicklung. So hat der Gesetzgeber sogar für Anlageformen, die in ihrer Zielsetzung dem Investmentfonds durchaus nahe kommen, von der durchgehenden Regelung als solchen teilweise abgesehen. Beispiel hierfür 209
Vgl. auch Hüffer, in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 91. Vgl. Hanau, NZG 2002, 1041, 1043; Lutter/Drygala, in FS Kropff (1997), S. 191, 210; Fleischer, DNotZ 2000, 876, 877. 211 Vgl. dazu G. H. Roth, Das Treuhandmodell des Investmentrechts – Eine Alternative zur Aktiengesellschaft? (1972), S. 335 ff.; krit. dazu Geßler, ZGR 1977, 524; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 28 I 1. 212 Vgl. dazu Wiedemann, in FS Hüffer (2010), S. 1731, 1741. 213 Wiedemann, in FS Hüffer (2010), S. 1731, 1741. 214 Ebda. 210
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ist die Immobilienanlagegesellschaft in der Form des Real Estate Investment Trusts (REITS), bei der der Gesetzgeber von einer Loslösung der Mitgliedschaft von den mit der Anlage verbundenen Teilhaberrechten abgesehen hat.215 2. System des Minderheitenschutzes So treffend der Hinweis auf den Erfolg des Modells der Einheitsmitgliedschaft ist, liegt hierin allein noch keine Widerlegung der These vom vermögensbezogenen Schutz des Minderheitsaktionärs. Denn der Wert der damit verbundenen Stellung hängt wie gesehen entscheidend davon ab, welcher Gehalt den Teilhaberechten der Minderheitsaktionäre bei der Beteiligungsstruktur mit einer herrschenden Mehrheit (noch) zukommt. Die Frage lautet demgemäß, ob die Mehrheitsmacht mit der vorstehend beschriebenen Klassengesellschaft das Einheitsverständnis der Mitgliedschaft zerreißt oder ob sie ungeachtet ihrer inhaltlichen Ermessensfreiheit Grenzen zu gewärtigen hat, welche die Teilhaberechte der Minderheitsaktionäre als so wesentlich erscheinen lassen, dass von einer bloßen Anlegerstellung nicht gesprochen werden kann. Die Antwort darauf ist im System des Minderheitenschutzes zu suchen. Wiedemann bezeichnet und begründet den Minderheitenschutz als eine rechtsethisch notwendige Ergänzung des Mehrheitsprinzips.216 Unabhängig davon, ob man ihn wirklich als Frage der Ethik begreift, wird man ihn aber jedenfalls als Teil der inneren Rechtfertigung des Mehrheitsprinzips ansehen dürfen. Die Rechtfertigung liegt in dem Bestreben, die Handlungsfähigkeit des Verbandes mit der „Richtigkeitsgewähr“ seiner Entscheidungen im Wege eines Kompromisses in Einklang zu bringen. Die Notwendigkeit des Minderheitenschutzes resultiert demgemäß daraus, Legitimationsdefizite der organschaftlichen Leitungsmacht wie der Mehrheitsmacht zu verhindern oder auszugleichen.217 Systematisieren lässt er sich im Wesentlichen durch den institutionellen und den subjektiv-rechtlichen Minderheitenschutz. a) Institutioneller Minderheitenschutz Der institutionelle Minderheitenschutz ist objektiv-rechtlicher Natur. Er besteht in den allgemeinen Legitimationsvoraussetzungen der Leitungsmacht und der Mehrheitsherrschaft und umfasst namentlich die Verantwortlichkeit von Organmitgliedern, ihre Berichtspflichten und – für die vorliegende Problematik entscheidend – das Vorhandensein, aber auch die Formalisierung, von Mehrheitsentscheidungen.218 Der institutionelle Minderheitenschutz verwirklicht sich für die hier interessierenden Strukturänderungen demnach zu215
Vgl. zur Struktur des REITS und der Ausgestaltung der Mitgliedschaftsrechte Volckens, in J. Schäfer (Hrsg.), REITS, S. 104 ff., 115.; letzteres abzulesen an der Unzulässigkeit von Vorzugsaktien (§ 11 REITG). 216 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 8 I 2. 217 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 16 III 1. 218 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 16 III 2.
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nächst durch die Notwendigkeit der Beschlussfassung durch die Hauptversammlung also solche. Sowohl das Beschlusserfordernis, wie die Zuständigkeit der Hauptversammlung als auch das dabei zu beachtende Verfahren ist ebenso zwingend und umgehungsfest wie das Erfordernis einer (qualifizierten) Mehrheit. „Faktische Satzungsänderungen“, durch die der Vorstand – autonom oder auf Veranlassung einer Aktionärsgruppe – einen nur durch Satzungsänderung legitimierbaren Zustand herbeiführt, sind rechtswidrig und geben dem einzelnen Aktionär einen Anspruch auf Abwehr und Wiederherstellung des dem Gesetz und der Satzung entsprechenden Zustands.219 Die Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung abstrahiert zugleich in einer weiteren Form von der Stimmrechtsmacht der Mehrheit. Denn bei der Hauptversammlung handelt es sich nach heute allgemeinem Verständnis um ein Organ der Gesellschaft mit der Aufgabe der internen Willensbildung in dem vom Gesetz angeordneten Zuständigkeitsbereich.220 Die Willensbildung über die Strukturmaßnahme findet damit nicht individuell, sondern kollektiv statt. Sie betrifft den Verband, nicht die Abstimmungsteilnehmer. Die Trägerschaft des Beschlusses durch die Hauptversammlung und des Verbands als Zurechnungssubjekt ist für das Verständnis der Verbandsperson folgenreich, weil sie letztlich Grundvoraussetzung für die – in früheren Zeiten außerordentlich umstrittene – Anerkennung der Eigenständigkeit der Verbandsperson und das Grundverständnis der juristischen Person bildet.221 Die rechtsgeschäftliche Grundlage der Strukturänderung besteht demgemäß in dem auf den Beschlussantrag gefassten Beschlussergebnis der Hauptversammlung. Sie besteht nicht etwa in einem einseitig durch den herrschenden Aktionär oder eine Aktionärsgruppe auszuübende Gestaltungserklärung. Mehrheitsmacht ist folglich auch nicht mit einem Gestaltungsrecht gleichzusetzen, durch welches unmittelbar in die Mitgliedschaft eingegriffen werden könnte. Das erklärt, weswegen es sogar im Fall des Ausschlusses nach § 327a AktG eines Beschlusses bedarf, obwohl hier der Sache nach von einer Erklärung des Hauptaktionärs gesprochen werden könnte. Es erklärt auch, weswegen bei Entscheidungen wie dem Delisting ein Hauptversammlungsbeschluss für erforderlich erachtet wird222 und das Beschlusserfordernis bei Strukturänderungen trotz aller Unterschiede im Einzelnen den Grundstein nahezu aller ausländischen, aber auch der europäischen Verbandsrechtsordnung bildet.223 219
BGHZ 83, 122. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 118 Rn. 2; näher zur Zurechnung gegenüber dem Verband K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 15 I 1 a). 221 Vgl. Otto v. Gierke, Deutsches Privatrecht I (1895), S. 498 ff.; Hommelhoff/Schubert, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, ZGR 1985, Sonderheft 4; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 8 II; ders., AG 2009, 248 f. 222 Vgl. BGHZ 153, 47; krit. Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 235 ff. 223 Verschmelzungs-RL 2011/35/EU, Art. 7; Spaltungs-RL 82/891/EWG, Art. 5; SE-Statut, Art. 12, 37; Kapital-RL 77/91/EWG, Art. 25; Aktionärsrechte-RL 2007/36/EG, Art. 5; zu den einzelnen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten vgl. v. Hulle/Gesell; European Company Law. 220
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Aber: Bedarf es deswegen auch einer Kontrolle der Beschlussfassung durch die Minderheit? Anders als Wiedemann wird man eine solche nicht nur aus ethischen Gründen zu fordern haben, sondern weil das Beschlusserfordernis und die daran geknüpften Mitwirkungsrechte ihre Legitimationswirkung sonst nicht erfüllen können. Die gerichtliche Kontrolle bildet, mit anderen Worten, das verfahrensrechtliche Gegenstück zur Gewährung von Mitwirkungsrechten der Aktionäre.224 Es erweist sich sowohl für die Richtigkeitsgewähr als auch die Zurechenbarkeit des Beschlusses als Akt der Willensbildung des Verbands als unverzichtbar. Der Ansatz eines vermögensbezogenen Aktionärsschutzes fügt sich damit weder in Kategorien des Minderheitenschutzes noch der Anerkennung des Verbands als eines vom Mehrheitsgesellschafter unabhängigen Rechtsubjekts ein. Denn er führt dazu, dass die herrschende Mehrheit praktisch jeden Beschlussinhalt erwirken kann und in die Lage versetzt wird, ihren Willen zu dem des Organs Hauptversammlung und des Verbandes insgesamt zu machen und diesen gleichzuschalten. Das Beschlusserfordernis als solches gerät dann zum bloßen Formalakt und die Stimmabgabe zu einer Gestaltungshandlung der Mehrheit, welche sich zu Recht als „Sonderkündigungsrecht“ bezeichnen lässt.225 Von einem Handeln der eigentlich zuständigen Hauptversammlung als Entscheidungsorgan kann im eigentlichen Sinne keine Rede mehr sein. Somit fehlt es auch an einer Grundlage für die Zurechnung als Willensbildung zum Verband insgesamt. All das lässt für die Legitimation einer Strukturänderung nicht nur das Beschlusserfordernis, sondern auch die Beschlusskontrolle als unverzichtbar erscheinen. b) Subjektivrechtlicher Minderheitenschutz Man mag dem mit dem Einwand entgegentreten, dass der institutionelle Minderheitenschutz vom unternehmerisch desinteressierten Aktionär allerdings gar nicht in Anspruch genommen werde(n könne), weil ihn das Gesetz subjektiv-rechtlich gar nicht verwirkliche. Entscheidend wäre nicht das Vorhandensein von Beschlusserfordernis und Beschlusskontrolle, sondern der damit letztlich der dahingehend gewollte Schutzumfang. Der subjektivrechtliche Minderheitenschutz besteht in den durch die Mitgliedschaft verliehenen Individualrechten. Ergänzt wird er durch Minderheitenrechte, d. h. solche, deren Ausübung von einem bestimmten Anteilsquorum abhängen (vgl. etwa §§ 93 IV 3, 103 III 3, 122, 142 II, 147 II 2 AktG). Deren praktische Bedeutung wird im hergebrachten Schrifttum als gering und eher präventiver Art angesehen.226 Es sollte aber nicht übersehen werden, dass die UMAG-Gesetzgebung gerade hier Akzente zur Stärkung der Minderheit setzen wollte. Dies ist zum 224
Vgl. auch Schön, in RabeslZ 64 (2000), 1, 27. So Hirte, WM 1997, 1001, 1008. 226 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 16 III 2; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 8 I 4 a). 225
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3. Teil: Freigabegründe
einen durch die Herabsetzung der Quoren für die Sonderprüfung und die Aktionärsklage auf 1% des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 100 000 € geschehen (§§ 142 II, 147 II 2 AktG); zum anderen durch die Einführung eines Aktionärsforums im elektronischen Bundesanzeiger (§ 127a AktG). Hierdurch sollen Aktionäre oder Aktionärsvereinigungen andere Aktionäre auffordern können, gemeinsam oder in Vertretung einen Antrag zu stellen oder in der Hauptversammlung das Stimmrecht auszuüben.227 Hinsichtlich der dem einzelnen Mitglied eingeräumten Teilhaberechte lässt sich gemäß einer verbreiteten Systematik zwischen unverzichtbaren und unentziehbaren Rechten unterscheiden.228 Unverzichtbar sind solche Rechte, die weder durch die Satzung noch den Willensakt ihres Trägers beseitigt werden können. Unentziehbare Rechte können zwar im Gesellschaftsvertrag abbedungen oder eingeschränkt werden, nicht aber durch Mehrheitsentscheidung. Hierzu gehört der Kernbereich der Grundmitgliedsrechte, also insbesondere das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung, das Stimmrecht, Gewinnbezugsrecht, Informationsrecht und auch das Recht zur Anfechtung von rechtswidrigen Beschlüssen.229 Im Aktienrecht verliert die Unterscheidung durch den Grundsatz der formellen Satzungsstrenge (§ 23 V AktG) an Bedeutung, weil hierdurch schon die Verzichtbarkeit mitgliedschaftlicher eingeräumter Positionen ausgeschlossen wird.230 Der Tatsache, dass diese und andere Rechte aber in rechtsformübergreifender Form als elementarer Kernbestand der Mitgliedschaft angesehen werden, diese mit anderen Worten untrennbar mit jener verbunden ist, zeigt, dass es eine Preisgabe entweder nur zur Gänze oder gar nicht geben kann, will man nicht die Aktionärseigenschaft der zur Minderheit gehörenden Aktionäre insgesamt in Frage stellen. Eine Legitimation der Mehrheitsmacht unter Missachtung der genannten Rechte hält das geltende Recht für ausgeschlossen. Insoweit ist – was auf den ersten Blick widersprüchlich anmuten mag – zwar der Ausschluss von Mitgliedern durch andere Mitglieder systemkonform, nicht aber eine Mitgliedschaft unter Aberkennung der genannten Rechte. Die Erlaubnis zum Ausschluss überlässt das Gesetz allerdings nicht einer Mehrheit, sondern nur einem einzigen Hauptaktionär, der hierfür zudem 95% der Anteile am Grundkapital bedarf (§ 327a AktG). Insoweit lässt sich aus der Einführung des Squeeze Outs zwar die teilweise Hinwendung zum kapitalmarktrechtlichen Ansatz ableiten. Für andere Mehrheiten gilt er e contrario aber gerade nicht.
227 Vgl. Seibert, AG 2006, 16 ff.; ferner dazu Diekmann/Leuering, NZG 2994, 249, 252; Fleischer, NJW 2005, 3525, 3527; Gantenberg, DB 2005, 207, 210. 228 Vgl. zunächst K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 16 III 3; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 7 I 1; übernommen von BGH NJW 1995, 194, 195; Hermanns, ZGR 1996, 108 ff.; Schäfer, GmbHR 1998, 169 f. 229 BGHZ 14, 264, 273 (zur GmbHG). 230 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 16 III 3.
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c) Insbesondere: Mehrheitsfestigkeit von Mitgliedschaftsrechten unter Relevanzgesichtspunkten Nun spricht weder das Konzept des vermögensbezogenen Aktionärsschutzes noch die Abwägungsklausel von einer vollständigen Beseitigung der individuellen Mitgliedschaftsrechte. Vielmehr soll nur deren Verletzung durch die Mehrheit im Einzelfall zulässig sein, wobei hinsichtlich der Freigabe zwar nicht einmal ein Ausgleich gewährt werden soll, weil so getan wird, als ob der Aktionär durch die Handelsregistereintragung seines Anfechtungsrechts nicht verlustig ginge. Dem ist an anderer Stelle bereits damit widersprochen worden, dass die mit der Anfechtung verfolgte Kassation des Beschlusses aus Gründen des gesetzlichen Bestandsschutzes ins Leere geht.231 Zu überlegen ist allerdings, ob die fehlende Anerkennung des jeweiligen Mitgliedschaftsrechts unterhalb besonders schwerwiegender Missachtung wirklich die institutionell wie subjektiv garantierte der Minderheiten- und Mitgliedschaftsrechte verletzt. Die Antwort ist in deren Reichweite zu suchen. Für das Aktienrecht ist dabei zu beachten, dass sowohl ihre Unentziehbarkeit wie ihre Unverzichtbarkeit gegeben ist. Trotzdem war ihre – damit gleichzusetzende232 – Mehrheitsfestigkeit bis in die jüngste Zeit nicht durchweg gegeben. Denn die über ein Jahrhundert in ständiger Rechtsprechung vertretene und auch in der Lehre vorherrschende Ansicht ergänzte den Wortlaut des § 243 I AktG dahingehend, dass der Beschluss auf dem Rechtsverstoß beruhen müsse.233 Die Wahrung des Mitgliedschaftsrechts erforderte demgemäß die Kausalität der Verletzungshandlung für das Beschlussergebnis. Das führte im Ergebnis dazu, dass insbesondere Mitwirkungsrechte und Verfahrensgarantien der Minderheitsgesellschafter generell unbeachtlich waren, sofern nicht die Stimmrechtsausübung der Mehrheit selber ungültig war. Wegen der augenscheinlichen Unstimmigkeit dieses Ergebnisses wurde das Kausalitätserfordernis zwar schon frühzeitig relativiert, indem gesagt wurde, es genüge, dass das Beschlussergebnis möglicherweise auf dem Verstoß beruhe.234 Letztlich führte aber auch die Forderung nach potentieller Kausalität noch dazu, dass die Rechte der Minderheit zur Disponibilität der Mehrheit gestellt wurden. Denn im Ergebnis führte kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass die Mehrheitsmacht auch unter Beachtung der minderheitsschützenden Garantie regelmäßig in gleicher Weise ausgeübt worden wäre. Damit entsprach die frühere Anschauung exakt der Sichtweise, die auch der Abwägungsklausel zugrunde liegt. Denn die darin enthaltene pauschale Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Beteiligung des 231
S. o. § 20 B. III. Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 16 III 3. 233 Vgl. RG JW 1897, 12; RGZ 65, 241, 242 f.; fortgeführt von BGHZ 14, 264, 167 f.; 36, 121, 139; vgl. Hüffer, in Geßler/Eckhardt/Hefermehl/Kropff, AktG, § 243 Rn. 25 u. Zöllner, in KölnKomm, AktG, § 243 Rn. 77 jeweils m. w. Nw. 234 RGZ 90, 208; 108, 322. 232
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3. Teil: Freigabegründe
Klägers und den Interessen der Gesellschaft wie der Mehrheitsaktionäre ist nichts anderes als die Gegenüberstellung von Mehrheit und Minderheit. Dieses Kausalitätsdenken haben Rechtsprechung und Lehre zugunsten einer Relevanzbetrachtung überwunden.235 Die Relevanztheorie besagt, dass anstelle der Kausalität eine am Zweck der verletzten Norm orientierte wertende Betrachtung vorzunehmen ist. Ihr Wesen liegt darin, zu einer differenzierenden Beurteilung der Bedeutung des Verfahrensfehlers bzw. genauer des Eingriffs für die Mitgliedschaft zu gelangen. Ihr Verdienst liegt darin, diese Bewertung gegenüber den Mehrheitsverhältnissen zu verselbstständigen. Versinnbildlicht an der nunmehr von § 243 IV 1 AktG – wenn auch missverständlich geregelten236 – Informationsanfechtung bedeutet dies: Es ist nicht erforderlich, dass der Beschluss auf der fehlenden oder unzureichenden Auskunft beruht (Kausalität für das Beschlussergebnis), ebenso wenig, dass ein objektiv urteilender Aktionär sein Abstimmungsverhalten von der Information abhängig gemacht hätte (potentielle Kausalität). Vielmehr genügt allein, dass die nicht oder fehlerhaft geleistete Information für eine Beurteilung des Beschlussgegenstands objektiv so wichtig erscheint, dass dies die Anfechtbarkeit rechtfertigt.237 Und dabei handelt es sich um einen Einwand, der teilweise qualitativ anderer Art ist als „besonders schwerwiegende Rechtsverletzungen“, jedenfalls weit unter dem liegt, was sich die Materialien des ARUG und die kommentierenden Äußerungen darunter vorstellen.238 Aber auch unterhalb dieser Schwelle vertragen sich §§ 243 IV 1 AktG und 246a II Nr. 3 AktG pp. nicht. Der Grund liegt darin, dass die Relevanzbetrachtung vom Rechtsanwender eine dezidierte Aussage zum Vorliegen der Rechtsverletzung (und damit der Begründetheit der Anfechtungsklage) verlangt. Deren Ergebnis kann nur auf tatbestandlicher Seite, d. h. in der Bejahung oder der Verneinung des Mangels liegen und nicht auf Rechtsfolgene235 Vgl. BGHZ 149, 158, 163; 160, 253; BGH AG 2004, 670, 673; OLG Düsseldorf NZG 2003, 975, 976; zur Begründung die Vorarbeiten der früheren Mindermeinung Hüffer, in Geßler/Eckhardt/Hefermehl/Kropff, AktG, § 243 Rn. 28; Zöllner, in KölnKomm, AktG, § 243 Rn. 81 ff. 236 Der Wortlaut spricht davon, dass „nur“ angefochten werden kann, wenn der Informationsmangel als wesentlich anzusehen ist. Gegenüber der Kausalitätslehre bedeutet die Relevanzbetrachtung aber gerade keine Einschränkung des Mitgliedschaftsrechts, sondern eine Erweiterung. Daran ändert sich auch durch das Wesentlichkeitserfordernis nichts, weil ein relevanter Mangel immer wesentlich ist. Krit. zum Wortlaut daher zu Recht Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 243 Rn. 46b; K. Schmidt, AG 2009, 248, 256; Veil, AG 2005, 567, 569; unter Betonung der Ausschlusswirkung dagegen Noack/Zetzsche, ZHR 170 (2006), S. 218, 220 f. 237 Vgl. BGHZ 149, 158, 164 f.; 160, 385, 392. 238 Dazu o. § 4 C. Ein weiteres Verdienst der Relevanztheorie liegt darin, dass sie dem institutionellem Gehalt des Minderheitenrechts Rechnung trägt, ohne – wie die Lehre von der potentiellen Kausalität – auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ausweichen zu müssen. Darin liegt für das Freigabeverfahren ein wichtiger Vorteil: Die Relevanz ist im Wesentlichen Wertungsfrage, nicht – im Wege der mitunter zeitaufreibenden Sachaufklärung – zu bescheidende Tatfrage, dazu u. § 26 A.
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bene mit der nachträglichen Verweigerung seiner Geltendmachung unter Hinweis auf die geringe wirtschaftliche Beteiligung des Klägers revidiert werden. Eine vermögensrechtliche Kompensationsmöglichkeit für relevante Informationsmängel ist dem Gesetz überdies fremd und sie lässt sich auch nicht – zumindest nicht auf schadensrechtlicher Grundlage – schaffen.239 Für die Abwägungsklausel im Freigabeverfahren wiederum bedeutet dies: Entweder sie steht mit ihrer verfahrensrechtlichen Aberkennung des Anfechtungsrechts in unauflösbarem Widerspruch zu der nach wie vor für schützenswert befundenen materiellen Rechtsposition des Mitgliedes oder sie ist nichts anderes als der Ausdruck einer über die in § 243 IV 1 AktG genannten Informationsmängel allgemein für alle Verfahrensfehler geltenden Relevanzbetrachtung. Systematisch bildet sie in diesem Fall eine Frage der Begründetheit. Für eine Entscheidung durch Unterstellung der Begründetheit unter Abwägung der finanziellen Interessen der Beteiligten bleibt aber kein Raum. d) Individuelle Anfechtungsbefugnis und freigaberechtliches Quorum Das Recht zur Beschlussanfechtung spielt nicht nur eine zentrale Rolle im System des Minderheitenschutzes. Es bildet zugleich das komplementäre Gegenstück zu den für die Beschlussfassung geltenden Rechtmäßigkeitsbedingungen insgesamt.240 Aufgrund seiner präventiven wie repressiven Zielsetzung241 handelte es sich bisher um ein Individualrecht. Teile des Schrifttums haben zwar über lange Zeit versucht, die dem zugrundeliegende Anfechtungsbefugnis an ein Beteiligungsquorum zu binden.242 Das geltende Recht hat sich der damit einhergehenden Ausgestaltung als Minderheitenrecht aber nachhaltig verweigert.243 Die Argumente sind ausgetauscht: Gestaltet man das Quorum so, dass es die finanziellen Ressourcen der Berufskläger übersteigt, läge die Beschlusskontrolle im Wesentlichen in der Hand einiger weniger Großaktionäre und würde insbesondere Aktionärsvereinigungen ihrer Klagemöglich239
Das übersehen auch die Vorschläge des Arbeitskreises Beschlussmangelrecht (AG 2008, 617), obwohl sie die Inkonsistenz eines individuellen Schadensersatzanspruchs, wie er dem Freigabeverfahren zugrunde liegt, durchaus beanstanden (a. A. O. S. 618). 240 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 16 III 2; Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 28. 241 Umfassende Würdigung zu beidem bei Bayer, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion (1999), S. 38 ff. 242 Vgl. zuletzt zum Aktionärsrichtlinienumsetzungsgesetz Seibert, ZIP 2008, 906 ff; MeyerLandrut/Pluskat, BB 2007, 2533, 2537; Poelzig/Meixner, AG 2008, 196 ff.; Vetter, AG 2008, 176, 185 ff.; in dieser Richtung auch Assmann, AG 2008, 208, 211 f.; zu den Überlegungen eines Anfechtungsquorums bereits Pinner, in Verhandlungen des 34 DJT (1926), 4. Abt. für Wirtschafts- und Steuerrecht, S. 611, 630; aus neuerer Zeit Verhandlungen des 63. Deutscher Juristentag (2000), Bd. II S. O 222; Gutachten Baums, Bd. I, S. F 103.; zu der Idee K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 245 Rn. 12; ferner Hüffer, ZGR 2001, 833, 861 f.; Schiessl, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion (1999), S. 72 f. 243 Was die Materialien zum ARUG auch noch explizit betonen, vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 16/11642, S. 41 f.
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3. Teil: Freigabegründe
keit berauben.244 Ebenso wenig will man dergestalt entstehende Lücken durch behördliche Prüfung von Beschlüssen oder gar Genehmigung eines staatlichen „Aktienamts“ schließen.245 Staatliche Kontrolle ist schon aus Gründen des bürokratischen Aufwands nicht angezeigt. Sie widerspräche aber auch der Aufgabe des Konzessionssystems. Für das Freigabeverfahren hat das Gesetz mit dem durch das ARUG eingeführten „Bagatell-Quorum“ einen Mittelweg eingeschlagen (§§ 246a II Nr. 2, 319 VI 3 Nr. 2, 327e II AktG, 16 III Nr. 2 UmwG).246 Da das Freigabeverfahren nach dem hier vertretenen Verständnis hauptsacheverdrängende Wirkung hat,247 lässt sich nicht darauf verweisen, die Anfechtungsklage sei hiervon nicht betroffen.248 Die Kassation von der Freigabe zugänglichen Beschlüssen unterliegt vielmehr als solche dem Quorum sofern die Gesellschaft das Freigabeverfahren beschreitet. Damit schränkt das ARUG das bisher bestehende Individualrecht der Beschlusskontrolle ein und macht diese in gegenständlich begrenzter Form zu einem Minderheitenrecht. Für das Bild des nur beschränkt schutzwürdigen Anlageaktionärs hat das Folgen: So hat die vom Gesetz geforderte Mindestbeteiligung nicht nur für die Anfechtungsbefugnis beschränkende Wirkung. Sie beinhaltet zugleich die Bewertung, wonach der über diese Beteiligung verfügende Aktionär grundsätzlich mit seiner Beschlussrüge gehört werden soll. Die nach intensiver Diskussion festgesetzte Schwelle ist auch nicht so geringfügig, dass sie keinerlei Wirkung entfalten oder ernstlich als „Bagatelle“ bezeichnet werden könnte.249 Eine dergestalt als relevant oder „beschlusskontrollwürdig“ bewertete Beteiligung lässt sich nicht wieder damit entwerten, dass sie Rechtsverletzungen unterhalb der „besonderer Schwere“ hinzunehmen habe. Ein dahingehender Widerspruch wäre kaum zu erklären. Damit hat das ARUG einerseits eine Klassifizierung zwischen Aktionären vorgenommen – nämlich solchen, deren Beteiligung unterhalb und solchen deren Beteiligung oberhalb des Quorums liegt –, deren Mitgliedschaft jedoch zugleich als so bedeutend anerkannt, dass Eingriffe hierin grundsätzlich abgewehrt werden können. Für ein „dulde und liquidiere“ lässt das keinen Raum.
244
Dazu noch Habersack/Stilz, ZGR 2010, 710, 725; Baums/Drinhausen, ZIP 2008, 145, 148 ff.; zuvor schon gegen ein Quorum Bayer, NJW 2000, 2609, 2615; Lutter, JZ 2000, 873 f.; K. Schmidt, AG 2009, 248, 255 f; Schwintowski, DB 2007, 2695 f; Zöllner, JZ 2000, 147 f. 245 Vgl. zu dem dahingehenden Vorschlag Schiessl, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion (1999), S. 57, 66 ff.; abl. Habersack/Stilz, ZGR 2010, 710, 725; unter Hinweis auf die Prüfung der Angebotsunterlage im Übernahmeverfahren durch die BAFin aber OLG Frankfurt, AG 2003, 515; abl. K. Schmidt, AG 2009, 248, 256. 246 S. zum Bagatell-Quorum o. § 5. 247 S. o. § 20 C. 248 So aber BegrRegE, BT-Drucks. 16/11642, S. 41 f. 249 S. o. § 5 A. I.
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e) Kein kapitalmarktrechtlicher Minderheitenschutz Zumindest de lege lata kann auch von einer Verdrängung des gesellschaftsrechtlichen Minderheitenschutzes durch einen kapitalmarktrechtlichen Minderheitenschutzes keine Rede sein. Zum einen ist im Rahmen der einschlägigen Gesetze teilweise klar zum Ausdruck gebracht, dass die Aufsicht die ihr zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt (vgl. § 4 II WpÜG). Damit steht in Einklang, dass zahlreiche Normen nicht als Schutzgesetz i. S. v. § 823 II BGB angesehen werden.250 Zum anderen und damit in Einklang stehen im Ausgangspunkt unmittelbar ausschließlich institutionelle Schutzaspekte, namentlich die Funktionsfähigkeit des organisierten Kapitalmarkts.251 Eine Schutzwirkung zugunsten einzelner Anleger wird nur mittelbar erreicht, nämlich in Form einer Reflexwirkung.252 Das allgemeine Vertrauen des Börsenpublikums in das Funktionieren eines Marktes ist aber gegenständlich von ganz anderer Art als das Vertrauen des Mitglieds in die Rechtmäßigkeit der Vorgänge bei einer auf diesem Markt gehandelten Gesellschaft. Im Übrigen zieht das Gesetz auch immer wieder eine deutliche Trennung zwischen Anlegern und Gesellschaftern, indem es nur den Letzteren Rechte zubilligt. So gibt es etwa keine „kapitalmarktrechtliche Sonderprüfung“. Ehemalige Aktionäre oder Investoren, welche an der Gesellschaft mit Unternehmensanleihen, Genussscheinen oder Ähnlichem beteiligt sind, haben keine Antragsberechtigung, mögen sie auch durch Vorgänge in der Gesellschaft geschädigt worden sein.253 Abgesehen davon sollte man von der in dem Hinweis auf die Vorrangigkeit des jeweiligen Gebiets liegenden Ausspielung des Gesellschafts- gegen das Kapitalmarktrecht und jeweils umgekehrt methodisch generell mit Zurückhaltung begegnen.254 3. Mehrheitsmacht und Leitungsmacht Die vorstehenden Überlegungen haben gezeigt, dass die mit der Mitgliedschaft verbundenen Mitverwaltungs- und Kontrollrechte des einzelnen Aktionärs nach wie vor zu viel Gewicht haben, um ihn als Teil einer bloßen Anlegergemeinschaft zu begreifen. Richtet man den Blick auf die Mehrheit, so lässt sich umgekehrt fragen, ob sich mit dem sie konstituierenden Anteilsbesitz gegen250
So zuletzt hinsichtlich § 32 II Nr. 1 WpHG, vgl. BGH BB 2008, 1132. Deutlich abzulesen an einem Herzstück des Kapitalmarktrechts, dem Insiderrecht, vgl. zum Rechtsgut Assmann, in Assmann/Schneider, WpHG, 4. Aufl., § 14 Rn. 7. 252 Assmann, in Assmann/Schneider, WpHG, 4. Aufl., § 14 Rn. 10; zwar lässt sich damit die Wirkung eines verbandsrechtlichen Instituts erreichen: Beispiel: Die Audi/NSU-Entscheidung (BGH JZ 1976, 561), in der Schadensersatz mit der Begründung der Treupflichtverletzung gefordert worden war, wäre heute §§ 37b/c WpHG bzw. die übernahmerechtliche Pflicht zum Parallelerwerb (§ 31 V WpÜG) zu lösen (S. o. § 8 C I 3 b) bb), was aber eher eine die Regel bestätigende Ausnahme als das Gegenteil darstellt. 253 Zu diesem Gesichtspunkt Uwe H. Schneider, AG 2008, 305, 306. 254 Vgl. dazu Nietsch, ZHR 174 (2010), 556; 582. 251
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3. Teil: Freigabegründe
begrifflich zum „Anlageaktionär“ von einem „Unternehmensaktionär“ sprechen lässt. Einen solchen müsste man in Ergänzung zu fordern haben, um nicht letztlich alle Mitglieder im System der Unternehmensverfassung gleichermaßen zu entmündigen. Die Frage lautet daher, ob die Organisationsverfassung der AG damit vereinbar ist, Mehrheitsmacht als Leitungsmacht zu begreifen. Die Antwort darauf fällt differenziert aus: Nur beim Vorliegen eines Beherrschungsvertrags ist sie wegen des damit verbundenen Weisungsrechts des herrschenden Unternehmens und der damit korrespondierenden Folgepflicht des Vorstands des abhängigen Unternehmens (§ 308 I u. II 1 AktG) ist sie uneingeschränkt zu bejahen. Außerhalb des Beherrschungsvertrags, also allein aufgrund der Mehrheitsstellung ergibt sich dagegen keine Leitungsmacht, sondern allein ein damit nicht gleichzusetzender beherrschender Einfluss (§ 311 AktG). Die für eine als „unternehmerisch“ zu bezeichnende Mitgliedschaft zu fordernden Befugnisse lassen sich auch nicht auf andere Weise herstellen. Denn das Institut des geschäftsführenden Gesellschafters gilt zwar im Recht der Personengesellschaften als durchgängiges Prinzip (vgl. §§ 709, 714 BGB, 114, 125 HGB, 161 II, 164, 170 HGB), nicht aber im Recht der Körperschaften.255 Wo das Gesetz dem Mitglied keine Leitungsbefugnisse zugesteht, können diese nur als Sonderrechte eingeräumt werden, was für den Verein und die GmbH, nicht aber für die AG möglich ist, weil einem Aktionär keine Leitungsbefugnisse als satzungsmäßige Sonderrechte eingeräumt werden können.256 Dem steht die Satzungsstrenge des Aktienrechts entgegen.257 Und auch eine individualvertragliche Zusicherung auf Berufung in den Vorstand durch die Gesellschaft hat nur zur Folge, dass sich der Vorstand beim Aufsichtsrat um die Berufung des Aktionärs bemühen muss.258 Der Einfluss auf die Organe, etwa in einer Familien-AG kann daher nur über die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern erfolgen, was – da ein Sonderrecht auf einen Sitz im Aufsichtsrat ebenfalls durch § 23 V AktG ausgeschlossen ist – nur durch satzungsbegleitende Nebenabreden geschehen kann.259 Sofern der Mehrheitsaktionär auf diese Weise die Organmitgliedschaft in der Geschäftsleitung erwirbt, erwächst ihm die Leitungsmacht daraus, nicht aus seinem Beteiligungsumfang an der Gesellschaft. Zudem ist er dann als Organ auch auf das Interesse der Gesellschaft verpflichtet. Als Fazit kann daher festgestellt werden, dass Mehrheitsmacht in der Organisationsverfassung der AG als solche keine Leitungsmacht begründet. Damit fehlt es an einem „Unternehmensaktionär“, also an einer Mitgliedschaft, die sich allein aufgrund ihres Beteiligungsumfangs derjenigen des „Anlageaktionärs“ komplementär gegenüberstellen ließe. Auch darin liegt ein Beleg für die Einheit der Mitgliedschaft aller Aktionäre. 255 256 257 258 259
Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 21 I 2. Vgl. BGHZ 15, 78; Würdinger, Aktienrecht, 4. Aufl., § 25 I 2. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 21 I 2 d). Beispiel nach Würdinger, Aktienrecht, 4. Aufl., § 25 I 2. Vgl. insoweit Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften (1994).
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4. Zwischenergebnis Die vorstehenden Überlegungen haben gezeigt, dass mit der inhaltlich weitgehend unbeschränkten, d. h. keiner allgemeinen sachlichen Rechtfertigung unterworfenen, Ausübung von Mehrheitsmacht bei der Organisationsänderung keine vergleichbare Befugnis hinsichtlich des dabei zu beachtenden Verfahrens einhergeht. Der Beschluss bedarf zu seiner Anerkennung als korporatives Rechtsgeschäft der Einhaltung bestimmter Normativbedingungen. Die Beseitigung der Beschlusskontrolle im Rahmen eines „dulde und liquidire“ gibt diese letztlich unbeschränkt preis, will man nicht auf behördlichen Beistand bauen. Das Beschlusserfordernis bewirkt zugleich, dass es der Willensbetätigung des zuständigen Organs „Hauptversammlung“ bedarf. Darin unterscheidet sie sich von einer bloßen Gestaltungsermächtigung der Mehrheit oder der Möglichkeit die Willensbildung durch reine Erklärung zu betreiben. Der Beschluss ist damit keine als willkürlich gewählt zu bezeichnende Entscheidungsform, sondern eine solche, welche die Zurechenbarkeit gegenüber dem Verband überhaupt erst bewirkt. Damit betrifft sie letztlich zugleich Grundfragen der Rechtssubjektivität der juristischen Person. In der Beachtung des Beschlussverfahrens verwirklicht sich die notwendige Legitimation der Entscheidungsfindung. Für deren „Richtigkeitsgewähr“ sind sowohl die individuellen Mitverwaltungsrechte wie die Kollektivrechte des Verbands (insbesondere die Berichtspflichten) zu beachten. Die darin zum Ausdruck kommende institutionelle Garantie des Minderheitenschutzes ist von Kausalitätserwägungen für das Beschlussergebnis unabhängig und damit mehrheitsfest. Eingriffe in die Rechte der Minderheitsgesellschafter können daher nicht mit der Mehrheitsmacht gerechtfertigt werden. Sie können aber, da untrennbar mit der Mitgliedschaft verbunden, auch nicht gegen Kompensation preisgegeben werden. Der Individualrechtcharakter der Unwirksamkeitsklage bestätigt diesen Befund. Wo – wie im Rahmen des Freigabeverfahrens – ein Quorum und damit ein Minderheitenrecht besteht, lässt sich die damit vorgenommene Bewertung der Mitgliedschaft als „beschlusskontrollwürdig“ nicht mit einer Verweisung auf Rechtsverletzungen „besonderer Schwere“ revidieren. Im Ergebnis ändert das Quorum daher am Prinzip der Einheit der Mitgliedschaft nichts, sondern stellt wiederum eine die Regel bestätigende Ausnahme dar. V. Wirtschaftliche Auswirkungen auf die Kapitalsammelfunktion der AG Das Konzept des vermögensbezogenen Aktionärsschutzes gründet neben der bislang herausgestellten Prämisse der rechtlich vermittelten Reichweite teilweise auch auf der Vermutung einer größeren Effizienz. Hinsichtlich letzterer steht die durch das AktG 1965 herausgestellte Funktion der AG als Kapitalpumpe im Mittelpunkt. Insoweit wäre die positive Wirkung eines begrenzten Aktionärsschutzes allerdings des empirischen Beweises bedürftig.
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3. Teil: Freigabegründe
Selbstverständlich ist sie keineswegs. Zwar führt die Zurücknahme der Mitgliedschaft auf eine im Wesentlichen vermögensrechtliche Beteiligung dazu, dass der einzelne Aktionär die unternehmerische Aktivität nicht behindern kann, der Verband also schlagkräftiger und dadurch attraktiver erscheint. Diese Wirkung verkehrt sich jedoch dadurch schnell ins Gegenteil, dass man nur die Stellung eines Anlagegesellschafters erlangt und zur Dispositionsmasse der Mehrheit gerät. So verhält es sich etwa beim „Konglomerats – Abschlag“. Ob unter Verzicht auf die präventiv wirkenden mitgliedschaftlichen Verwaltungs- und Kontrollrechte ein effektiver und aus Sicht vieler Kapitalmarktteilnehmer zeitlich vertretbarer Schutz allein der Vermögensposition möglich ist, erscheint zudem fraglich. Im Zusammenhang mit den DAV-Vorschlägen zur Einführung eines Spruchverfahrens bei § 255 II AktG und der aufnehmenden Gesellschaft bei der Verschmelzung ist bereits darauf hingewiesen worden, dass der vermögensrechtliche Schutz – unabhängig von der Einhaltung der rechtlichen Voraussetzungen der Strukturänderung – im Ergebnis nur dann möglich ist, wenn der dazu erforderliche Vermögensaufwand nicht aus dem Gesellschaftsvermögen, sondern dem des Inferenten erbracht werden muss bzw. dann, wenn das Mitglied nicht in der Gesellschaft verbleibt.260 Darüber hinaus dürfte eine solche Begrenzung der Mitgliedschaft auch nicht dem Verständnis der meisten Anleger entsprechen. Auch Großaktionäre halten ihre Beteiligungen zwar teilweise als reine Finanzanlagen.261 Der Mangel an eigener unternehmerischer Initiative ist dabei aber keineswegs einem unternehmerischen Desinteresse insgesamt gleichzusetzen, was ohne Weiteres naheliegt, wo eine Beteiligung im niedrigen einstelligen Bereich eine mehrere Milliarden Euro umfassende Investition bedeutet, aber auch dort überzeugt, wo es sich nur um Kleinstbeteiligungen handelt. Überhaupt dürfte es zunehmend schwieriger werden, die Behauptung des unternehmerischen Desinteresses aufrechtzuerhalten. So hat sich in den letzten Jahren ein stabiler Trend zu einer Steigerung der Hauptversammlungspräsenzen zu einem Durchschnitt von 59% des stimmberechtigten Kapitals gezeigt.262 Und das unternehmerische Interesse gerade auf institutioneller Seite zu stärken ist zunehmend gesetzgeberische Bestrebung auf nationaler wie auf europäischer Ebene. So widmet sich sowohl das europäische Gesellschaftsrecht wie auch das Kapitalmarktrecht zunehmend der Frage, wie „mehr Aktionäre (…) zu einer proaktiven Haltung in Corporate Governance-Fragen bewegt werden können“, wobei auch der Schutz von Minderheitsinteressen
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S. o. §§ 10 A., 19 C. III. 2. So auch ein weiterer Einwand Habersacks (AG 2005, 137, 138) gegen das Konzept eines vermögensbezogenen Aktionärsschutzes. 262 Vgl. FAZ v. 7.6.2008, S. 25; Becker, Börsenzeitung v. 4.6.2008, S. 11; zu den Bestrebungen zur Steigerung auch Dauner-Lieb, WM 2007, 9 ff.; Uwe H. Schneider/Burgard, in FS Werner (1984), S. 795 ff. 261
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zu klären sei.263 Insgesamt ist daher äußerst zweifelhaft, ob eine Verhinderung der Blockade von Unternehmensentscheidungen durch die Begrenzung von Mitgliedschaftsrechten der Attraktivität der Aktienanlage und damit die Kapitalsammelfunktion der AG nützen würde.
D. Vorgaben des europäischen Gesellschaftsrechts Bis zum ARUG ließ sich einer ernstzunehmenden Begrenzung des Anfechtungsrechts durch die Abwägungs-Klausel mit der vorstehenden Argumentation ohne weiteres aus dem geltenden Recht begegnen. Nach dem ARUG muss man einräumen, dass sich das Gesagte zwar weiter als Fundamentalkritik verstehen lässt, angesichts der Eindeutigkeit des Gesetzeswortlauts der §§ 246 III Nr. 3, 319 VI 3 Nr. 3, 327e II AktG, 16 III Nr. 3 UmwG methodisch an der „Schwere-Formel“ aber kein Weg – auch nicht über eine teleologische Reduktion – vorbeiführt. Damit gewinnt für das geltende Recht die Perspektive höherrangigen Rechts den letztlich entscheidenden Einfluss. Sie veranlasst zu der Überlegung, welche Gestaltungsgrenzen der nationale Gesetzgeber bei der Einschränkung der prozessualen Durchsetzbarkeit gemeinschaftsrechtlicher Positionen zu beachten hat264 und welche grundgesetzlichen Garantien bestehen.265 Im vorliegenden Zusammenhang bedarf daher der Untersuchung, ob eine die Beschlusskontrolle beschränkende Regelung, wie sie sich der Reformgesetzgeber mit der Unbeachtlichkeit von nicht besonders schweren Rechtsverstößen vorstellt, mit europäischen Vorgaben und Gewährleistungen des Grundgesetzes vereinbar ist. Das europäische Gesellschaftsrecht soll hier in den Vordergrund gestellt werden. Zum einen sind die zentralen freigaberelevanten Beschlussgegenstände zugleich Gegenstand europäischer Richtlinien, zum anderen gewinnt es als Mittel der allgemeinen Überformung nationalen Verbandsrechts dergestalt an Bedeutung, dass nach einem gemeinschaftsrechtlichen Verständnis der Mitgliedschaft des Aktionärs gefragt werden muss. I. Rechtsstellung des Aktionärs im Regelungsbestand des europäischen Gesellschaftsrechts Der Regelungsbestand des europäischen Gesellschaftsrechts war bis zum „Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrecht und Verbesserung
263 Vgl. Europäische Kommission, Grünbuch Europäischer Corporate Governance-Rahmen“ KOM 2000 (164/3); zum Bestand des europäischen Gesellschaftsrechts und den sich daraus ergebenden Folgerungen für die vorliegende Frage sogleich u. D. 264 Vgl. Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 28. 265 Dazu unter E.
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3. Teil: Freigabegründe
der Corporate Governance“ vom Mai 2003266 gegenständlich in erster Linie durch eine zweckgerichtete Ordnung der Führungs- und Prüfungseinrichtungen börsennotierter Gesellschaften, Publizität, Finanzordnung und Rechnungslegung sowie Kapital- und Strukturveränderungen geprägt.267 Das Verhältnis der AG zu ihren Aktionären blieb bei diesem „kopflastigen Ansatz“268 zwar als unmittelbarer Regelungsgegenstand weitgehend außen vor. Mittelbar hatte es sich trotz Scheitern der 5. Richtlinie269 allerdings bereits durch Festschreibung von Hauptversammlungszuständigkeiten und Beschlusserfordernissen mit „Grundrechten des Aktionärs“270 befasst.271 Mit der Aktionärsrechte-Richtlinie272 hinzugenommen hat es nunmehr ausdrücklich das Stimmrecht und die Hauptversammlung. Als Ziel liegt der Richtlinie das Bestreben zugrunde, die Corporate Governance und die Attraktivität der Anlage in Aktien durch Verbesserung der grenzüberschreitenden Wahrnehmung von Aktionärsrechten zu verbessern.273 Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob sich aus der Aktionärsrechte-Richtlinie und dem schon vorhandenen Bestand des gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrechts ein europäisch geprägtes Verständnis der Mitgliedschaft ableiten lässt und welche Folgerungen daraus für das Recht der Beschlusskontrolle in der AG abzuleiten sind.
266 Vgl. Europäische Kommission, Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance vom 21.5.2003, KOM 2003, 284; dazu Bayer, BB 2004, 1, 5 ff.; Habersack, NZG 2004, 1 ff.; Maul/Lanfermann/Eggenhofer, BB 2003, 1289; Wiesner, ZIP 2003, 977; zum zugrunde liegenden Bericht einer High Level Group of Company Law Experts Stellungnahme der Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2002, 1310 ff.; 2003, 838, 898 ff. 267 Richtlinien und Nachweise bei Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl.; Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl. 268 Noack, ZIP 2005, 325. 269 Vgl. Vorschlag einer fünften Richtlinie v. 9.10.1972 u. geänderter Vorschlag v. 19.8.1983, ABl. EG C 131/49 bzw. ABl. EG C 1983, 240/2; zu den dort vorgesehenen Stimmrechtsregelungen Abeltshauser, Strukturalternativen für eine europäische Unternehmensverfassung (1990). 270 Vgl. Grundmann/Winkler, ZIP 2006, 1421, 1422. 271 Vgl. dazu Verschmelzungsrichtlinie, RL 2011/35/EU: Art. 7 (Zustimmung der Hauptversammlung zur Verschmelzung erforderlich, Ausnahme: Art. 8) und Art. 23 II (Zustimmung der Hauptversammlung zum Verschmelzungsplan und zur Satzung); Spaltungsrichtlinie, RL 82/891/EWG: Art. 5 (Zustimmung der Hauptversammlung zur Spaltung erforderlich, Ausnahme Art. 7) und Art. 22 III (Zustimmung der Hauptversammlung zum Spaltungsplan und zur Satzung); Kapitalrichtlinie, RL 77/91/EWG: Art. 25 (Beschluss der Hauptversammlung zur Kapitalerhöhung erforderlich); Übernahmerichtlinie, RL 2004/25/EG: Art. 9 III (Zustimmung oder Bestätigung der Hauptversammlung). 272 Aktionärsrechte – Richtlinie: Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. L 184 vom 14.7.2007, S. 17-24. 273 Vgl. dazu Baums, AG 2007, 57 ff.; Grundmann/Winkler, ZIP 2006, 1421 ff.; Noack, ZIP 2005, 325 ff.; Pluskat, WM 2007, 2135 ff.; Wand/Tillmann, AG 2006, 443 ff.; Zetsche, NZF 2009, 686 ff.
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1. Aktionärsrechte-Richtlinie Hintergrund der Aktionärsrichtlinie war neben dem Befund einer starken Fragmentierung von Stimmrecht, Rederecht, Informations-, Teilnahme- und Kontrollrecht in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten die Erkenntnis, dass die grenzüberschreitende Ausübung der Mitgliedschaftsrechte vielfach scheitert. Gründe hierfür sind vor allem kurze Fristen,274 die Abhaltung der Hauptversammlung als Präsenzveranstaltung, eingeschränkte Stimmrechtsvertretung und Problem bei der Ermittlung des Aktionärs in Verwahrketten.275 Die Erleichterung der Wahrnehmung von Aktionärsrechten erschien dem Richtliniengeber vor diesem Hintergrund nicht allein um dieser selbst und der Aktionäre Willen, sondern vor allem wegen einer zu beobachtenden Schwächung der Kapitalpräsenzen in den Hauptversammlungen geboten.276 Materiell schreibt die Aktionärsrechte-Richtlinie dazu neben dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 4) die Voraussetzungen für die Legitimation der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft (Art. 7) sowie notwendige Informationen über die Hauptversammlung (Art. 9) vor und trifft Regelungen zur Stimmrechtsvertretung (Art. 10 ff.). Die Aktionäre werden dabei zwar verschiedentlich als „Anleger“ bezeichnet. Zu der gesellschaftsrechtlichen Dimension der Mitgliedschaft soll dazu aber nicht Stellung genommen werden.277 Diese ergibt sich auch nicht aus den neben den materiellen Regelungen im Vordergrund stehenden Vorschriften zur Frage, wer als Träger der Aktionärsrechte anzusehen ist. Denn dabei geht es lediglich darum, den eigentlichen Interessensträger innerhalb – mitunter unübersichtlichen – Verwahrketten zu ermitteln.278 Als Grundprinzip gilt dabei, dass als Aktionär derjenige anzusehen ist, wer nächster Depotinhaber nach einem Finanzintermediär/Wertpapierunternehmen ist (sog. „ultimate investor“).279 Es dient zwar dazu, die Einheit 274 Anschaulich Lutter, ZGR 2000, 1, 11 wonach ein „dänischer Anleger in Kopenhagen nicht die geringste Chance hat, seine Beteiligung als Aktionär an der italienischen S. p. A. auszuüben“ u. „ehe der belgische Aktionär davon erfährt, hat die Hauptversammlung seiner Gesellschaft in Madrid längst stattgefunden“. 275 Vgl. Grundmann/Winkler, ZIP 2006, 1421, 1424; zu den Gründen auch Noack, ZIP 2005, 325 f.; Wand/Tillmann, AG 2006, 443 f. 276 Vgl. Aktionärsrechte – Richtlinie, RL 2007/36/EG, Erwägungsgrund (2). Daraus ergibt sich, dass das europäische Gesellschaftsrecht den Zusammenhang zwischen subjektiven Rechten des Mitglieds und der Funktionsfähigkeit des Verbands als solchen anerkennt. Für eine entgegenstehende Wertung, in der Weise wonach die AG durch weitgehend rechtlos gestellte „Anleger“ eine größere Attraktivität erfährt und ihre Funktion als „Kapitalpumpe“ besser erfüllen kann, lässt das kaum Raum. 277 So auch Noack, ZIP 2005, 325. 278 Vgl. Noack, ZIP 2005, 325, 328 u. 329. 279 Dies ergibt sich aus Art. 2 b) mit dem dort geregelten Verweis auf das nationale Recht, welches in diesem Punkt seinerseits gemeinschaftsrechtlich und international harmonisiert ist (vgl. zu dem sich aus dem Place of relevant intermediary – PRIMA – ergebenden Anknüpfun-
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zwischen Rechtsinhaberschaft und wirtschaftlicher Interessensträgerschaft zu wahren, sagt aber nichts darüber aus, ob es aufgrund des Beteiligungsumfangs gestufte Formen der Mitgliedschaft gibt. 2. Grundlegende Bestimmungsfaktoren im verbandsrechtlichen Sekundärrecht Als ergiebiger für die Ergründung der Vorstellungen des europäischen Rechts von der Mitgliedschaft in der AG erweisen sich die schon in den früheren gesellschaftsrechtlichen Richtlinien enthaltenen Harmonisierungsbestrebungen subjektiv-rechtlichen Gehalts. Als systembestimmend nennen lassen sich hier insbesondere der Grundsatz der Gleichbehandlung, die Hauptversammlungszuständigkeit und das Beschlusserfordernis als solches sowie die damit verbundenen Informations- und Mitwirkungsrechte. Sämtliche Institute lassen aufgrund der Häufigkeit ihrer Erscheinung und ihrer Ausgestaltung im Sekundärrecht als Grundbestandteile der europäischen Verbandsordnung bezeichnen. a) Gleichbehandlung Hinsichtlich der Gleichbehandlung hat der EuGH zwar in seiner AudioluxRechtsprechung festgestellt, dass es im Gemeinschaftsrecht keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, der die Gleichbehandlung von Aktionären vorschreibt und Schutzwirkung zugunsten der Minderheitsaktionäre einer Gesellschaft derart entfaltet, dass diese im Fall der Übernahme der Kontrolle der Gesellschaft zur Veräußerung ihrer Anteile zu denselben Bedingungen wie die anderen Aktionäre berechtigt sind.280 Daraus darf jedoch keineswegs gefolgert werden, dass das Gemeinschaftsrecht den mit nicht unternehmerischer Zielsetzung beteiligten Aktionär als „Gesellschafter minderen Rechts“ ansieht.281 In grundsätzlicher Form lehnt der EuGH Gleichbehandlung als Rechtsprinzip des europäischen Gesellschaftsrechts im Wesentlichen (nur) deshalb ab, weil es im Primärrecht nicht geregelt und als allgemeiner Rechtsgrundsatz in seinen Folgen ebenso unabsehbar wie unpraktikabel ist.282 Gelten lassen will er ihn daher allenfalls im Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Aktionären, und auch das nur in hypothetischer Form.283 Grund für die Ablehnung ist zum anderen, dass die Gleichbehandlung ein Eckpfeiler des zur Verwirklichung der gen280aufgrund * der Haager Übereinkommen über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung; Häuser, in FS Hadding (2004), S. 833 ff.; im vorliegenden Zusammenhang ausführlich auch Noack, ZIP 2005, 325, 328 ff. 280 EuGH C-101/08 Slg. 2009, I-9823 (Audiolux). 281 So auch Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 25. 282 Vgl. EuGH C-101/08 Slg. 2009, I-9823, wo sich im Übrigen ablesen lässt, dass der EuGH dem Generalanwalt sogar insoweit zu folgen bereit ist, dass bei der Ausfertigung des Urteils noch in der ersten Person Singular (!) gesprochen wird. 283 EuGH C-101/08 Slg. 2009, I-9823.
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Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit geschaffenen Sekundärrechts ist.284 Daraus folgt indessen gerade ihre Verfestigung als Rechtsprinzip. So finden sich Gleichbehandlungsgebote im Sekundärrecht nicht nur in generalklauselartiger Form, wie etwa Art. 42 der Kapital-Richtlinie,285 sondern in einer Vielzahl von Einzelregelungen, zu denen beispielsweise Art. 4 der Aktionärsrechte-Richtlinie, das Bezugsrecht bei der Kapitalerhöhung (Art. 29 Kapital-Richtlinie), das übernahmerechtliche Gleichbehandlungsgebot des Art. 17 I der Übernahme-Richtlinie286 oder Art. 40 des SE-Statuts287 gehören.288 Der Umstand, dass es sich hierbei – wie der EuGH betont – um „spezifische gesellschaftsrechtliche Fallkonstellationen“ handelt,289 vermag die Bedeutung der Gleichbehandlung in ihrer Gesamtheit aber nicht zu schmälern, mag man diese im Verhältnis der Aktionäre untereinander auch nicht anerkennen.290 Das gilt umso mehr, als diese über die Übernahme-Richtlinie und die Börsenzulassungs-Richtlinie291 auch ihren Weg in das europäische Kapitalmarktrecht gefunden hat.292 Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet zwar keinesfalls eine Kategorisierung in „Anlage“- bzw. „Unternehmens“-Gesellschafter. Aus dem Gebot Ungleiches auch ungleich zu behandeln, könnten vielmehr sogar notwendige Differenzierungen abzuleiten sein. Stets würde eine solche aber der Rechtfertigung bedürfen. Ob sie sich aus dem Beteiligungsumfang in so schlichter Form ergibt, wie sie die UMAG-Materialien nahelegen und es sich hierbei um eine ausreichende Abgrenzung der Kategorien handelt, erscheint dabei zumindest fragwürdig.
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So auch Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 25; vgl. EuGH C-101/08 Slg. 2009, I-9823, 9824. Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. L 26 vom 31.1.1977, S. 1-13. 286 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote (Text von Bedeutung für den EWR), ABl. L 142 vom 30.4.2004, S. 12-23. 287 VERORDNUNG (EG) Nr. 2157/2001 DES RATES vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EG Nr. L 294/1. 288 Weitere Bsp. bei Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 25; Einzelheiten dazu bei Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., §§ 6, 7 u. 11; zur Notwendigkeit § 53a AktG gemeinschaftsrechtskonform auszulegen insbesondere § 6 VII (S. 185 ff.). 289 Vgl. EuGH C-101/08 Slg. 2009, I-9823, 9824. 290 Von einer Ableitung aus den Grundrechten der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft sieht der EuGH deshalb keinen Raum, weil er deren Drittwirkung unter Berücksichtigung ihrer Rechtsnatur als Abwehrrechte nicht gelten lassen will. 291 Richtlinie v. 5.3.1979, ABl. EG Nr. L 66/21. 292 Dazu schon Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 25; bedeutsam insoweit nunmehr insb. auch Art. 18 I der Übernahme-Richtlinie, wonach ein Emittent von Schuldtiteln, die zu einem geregelten Markt zugelassen sind, gegenüber allen Inhabern gleichrangiger Schuldtitel in Bezug auf alle mit diesen Schuldtiteln verbundenen Rechte die gleiche Behandlung sicherstellen muss. 285
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b) Informationsrechte Erkennbar große Bedeutung misst das europäische Gesellschaftsrecht den Informationspflichten der Gesellschaft bei. Diese lassen sich in allgemeine – anlegerbezogene – Pflichten mit weitgehend institutionellem Regelungsgehalt und solchen – gesellschafterbezogenen – Pflichten zur Ausübung von Mitwirkungsrechten, denen subjektiv-rechtlicher Gehalt zukommt, einteilen. Die Letzteren sind insbesondere auf die Vorbereitung der Stimmabgabe bezogen.293 Niedergelegt sind sie vor allem in den sekundärrechtlich verankerten Berichtspflichten der Gesellschaft bei den hier interessierenden Strukturentscheidungen, also der Verschmelzungs-Richtlinie,294 der Spaltungs-Richtlinie295 und der Sitzverlegungs-Richtlinie.296 Das europäische Gesellschaftsrecht erkennt damit den Funktionszusammenhang zwischen Zuständigkeit, Willensbildung und Willensbetätigung an und erachtet diese als Bedingung für deren „Richtigkeitsbedingung“.297 Darin spiegelt sich wieder, was bereits für das deutsche Recht erarbeitet wurde: Es handelt sich bei diesen Teilhaberechten um für die Legitimation der Willensbildung und ihrer Zurechnung gegenüber dem Verband notwendige Bestandteile. Nicht nur materielle Einschränkungen dieser Positionen, sondern auch solche, die ihre Durchsetzbarkeit betreffen, bedürfen kritischer Würdigung. c) Hauptversammlungszuständigkeit, Beschlusserfordernis und Mitwirkungsrechte Die Zuständigkeit der Hauptversammlung für Entscheidungen von grundlegender Bedeutung zieht sich als Prinzip durch das verbandsrechtliche Sekundärrecht. Der dem zugrunde liegende Gedanke kommt insbesondere in der Präambel der Struktur-Richtlinie298 zum Ausdruck:299 „Es erweist sich als notwendig, die Stellung der Aktionäre in Bezug auf die Ausübung des Stimmrechts zu stärken, um zu gewährleisten, dass sie am Gesellschaftsgeschehen in hohem Maße beteiligt sind“. Die mit der Hauptversammlungszuständigkeit und dem Beschlusserfordernis erreichte „Teilhabe an der Entscheidungsge-
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Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 26. Richtlinie v. 5.4.2011, RL 2011/35/EU, ABl. L 110 v. 29.4.2011, S. 1–11; vgl. dort Art. 9
u. 10. 295 Richtlinie v. 17.12.1982, RL 82/891/EWG, Abl. L 378 v. 31.12.1982, S. 47–54; vgl. dort Art. 7 u. 8. 296 Vorentwurf einer vierzehnten Richtlinie v. 22.4.1997, abgedruckt in ZIP 1997, 1721, vgl. dort Art. 5. 297 Vgl. zu den Informationspflichten der Verschmelzungsrichtlinie Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 8 I 6. a) aa) (S. 245). 298 Vorschlag einer fünften Richtlinie v. 9.10.1972 und geänderter Vorschlag v. 19.8.1983, Abl. EG Nr. C 1972 131/49 bzw. ABl. EG Nr. C 1983 240/2. 299 Dahingehend schon Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 27.
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walt der Gesellschaft“300 weist nicht nur erkennbar einen Bezug zur Stellung des einzelnen Mitglieds auf. Wiederum geht es um die Legitimation der Willensbildung, richtigerweise aber auch um eine Systembedingung um den Verband gegenüber der herrschenden Mehrheit in seiner Rechtssubjektivität als eigenständig zu begreifen.301 Hauptversammlungskompetenzen und Beschlusserfordernis weisen damit auch aus Sicht des europäischen Gesellschaftsrecht einen Bedeutungsgehalt auf, der es schwerlich als plausibel erkennen ließe, dieses wolle den Aktionär regelmäßig auf die Stellung eines hinsichtlich seiner Rechtsstellung duldungspflichtigen Anlegers reduziert sehen. II. Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes 1. Fehlende Sanktionierung von Eingriffen in Mitgliedschaftsrechte Das gesellschaftsrechtsrelevante Sekundärrecht verzichtet im Gegensatz zu kapitalmarktrechtsbezogenen Rechtsakten durchweg auf Vorschriften über die Sanktionierung von Verstößen im Drittverhältnis, d. h. es beschränkt sich auf, an die Mitgliedstaaten gerichtete, Umsetzungsverpflichtungen.302 Entgegen mancherorts im Schrifttum geäußerter Kritik sind die Bestimmungen des europäischen Verbandsrechts damit aber nicht in das Belieben der nationalen Rechtsordnungen gestellt.303 Vielmehr besteht nach der Effet Utile-Rechtsprechung des EuGH304 grundsätzlich die Verpflichtung, dass europarechtlich gebotene Regelungen auch wirksam sanktioniert werden müssen.305 Dabei liegt für Harmonisierungen auf Ebene von Privatrechtssubjekten in freiheitlichen Rechts- und Wirtschaftssystemen die zivilrechtliche Durchsetzbarkeit als Instrument nahe. Gleichwohl fehlt es diesbezüglich an ausdrücklichen Regelungen. 2. Beschlusskontrolle Eine sekundärrechtliche Verpflichtung zur Schaffung von Rechtsschutz gegen fehlerhafte Rechtsakte enthalten nur die Verschmelzungs- und die SpaltungsRichtlinie. Danach haben die Mitgliedstaaten entweder eine vorbeugende gerichtliche oder behördliche Kontrolle der Verschmelzung oder die öffentliche (notarielle) Beurkundung der Niederschriften der Hauptversammlung und eines im Anschluss an diese Hauptversammlung geschlossenen Verschmel300 Vgl. EuGH Rs C-19/90, Slg. 1991, I-2691 (Karella) u. Rs. C-581/89, Slg. 1992, I-2112 (Evangelikis Ekklesias). 301 S. dazu o. C. IV. 2. 302 Insoweit fehlt es an den üblichen Klauseln, wonach die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass Verstöße mit Sanktionen verfolgt werden, die „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sind (vgl. etwa Art. 14 I 2 der Marktmissbrauchs-Richtlinie, ABl. L 2003 v. 12.4.2003, S. 16). 303 So auch Grundmann/Winkler, ZIP 2006, 1421, 1426. 304 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 19.11.1996, Rs C-42/95, Slg. 1996, 6017, 6035 f. 305 Dazu im vorliegenden Zusammenhang Grundmann/Winkler, ZIP 2006, 1421, 1426.
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zungsvertrages vorzusehen.306 Dabei fällt auf, dass ein gerichtliches Verfahren bei der Wahl der zuletzt genannten Alternative nicht zwingend vorgeschrieben ist. Offen ist die Gebotenheit der Beschlusskontrolle aber nicht nur angesichts dieser zurückhaltenden Regelung, sondern auch wegen des Scheiterns ihrer Einführung im Rahmen der Struktur-Richtlinie. So war in deren Entwurf in Art. 42 ff. ein Verfahren für die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen vorgesehen. Die spezifischen Richtlinien haben nach dem Scheitern der Struktur-Richtlinie dagegen auf harmonisierte Regeln der Beschlusskontrolle verzichtet und beschränkten sich auf den Verweis auf die mitgliedstaatlichen Prozessordnungen.307 Ob die Beschlusskontrolle überhaupt Gegenstand des europäischen Verbandsrechts ist oder sie nicht vielmehr innerhalb der Zuständigkeiten der Mitgliedsstaaten verblieben ist (und insoweit auch unterschiedlichen Anlegerkategorisierungen Spielraum gibt) erweist sich damit als Kern der Fragestellung. Erkennen lassen sich in der Judikatur des BGH und des EuGH wohl gegensätzliche Grundpositionen. a) Vereinbarkeit von Schranken der Beschlussanfechtbarkeit im nationalen Recht mit dem Gemeinschaftsrecht Der BGH hatte sich mit der Begrenzung der Durchsetzung gemeinschaftsrechtlicher Positionen im Rahmen seiner Rechtsprechung zum Einwand des Rechtsmissbrauchs der Anfechtungsklage auseinanderzusetzen.308 Eine Einschränkung des nationalen Gestaltungsspielraums verneinte er dabei aus drei Erwägungen: Erstens betreffe der Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht die allgemeine Geltung und den Inhalt des Gemeinschaftsrechts, sondern nur die Rechtsanwendung im Einzelfall.309 Dahingehend verweist er ergänzend auf die Unterscheidung zwischen der – dem EuGH obliegenden – „Auslegung“ des Gemeinschaftsrechts und dessen – den nationalen Gerichten gebührenden – „Anwendung“. Zweitens sei der Einwand des Rechtsmissbrauchs eine gemeinsame Rechtsfigur der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen und drittens hält der BGH den im Sekundärrecht enthaltenen Verweis auf das nationale Recht für umfassend.310 Zumindest für die Frage nach der Vereinbarkeit der durch das Freigabeverfahren gezogenen Grenzen der Beschlusskontrolle mit dem europäisch verbürgten Bestand an Mitgliedschaftsrechten liefert das Gesagte wohl keine tragfähige Begründung. Schon die Differenzierung zwischen der „Auslegung“ und der „Anwendung“ ist im besten Fall als spitzfindig zu bezeichnen. Unter den vom EuGH gepflegten Effet Utile-Gesichtspunkten 306
Vgl. Art. 16 Verschmelzungs-Richtlinie u. Art. 14 Spaltungs-Richtlinie. Vgl. Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 27; so auch Art. 53 SE-Statut. 308 BGH ZIP 1989, 1388, 1990, 228 u. 1560; AG 1992, 448. 309 BGH ZIP 1989, 13. 310 So hinsichtlich Art. 22 I b) Verschmelzungs-Richtlinie BGH ZIP 1993, 762; dem zustimmend K. Schmidt, in GroßKomm AktG, 4. Aufl., § 245 Rn. 72; W. H. Roth, EWiR 1993, 575 f.; Werlauff, EU-Company Law, S. 328. 307
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dürfte sie keinen Bestand haben.311 Die freigaberechtliche „Abwägungsklausel“ ist, wie gesehen, aber ohnehin nicht als Ausdruck des Missbrauchseinwands zu werten.312 Erst recht ist sie keine einzelfallbezogene Bestimmung (mehr). Denn angesichts der strukturell vorzufindenden Vor- und Nachteile und dem vorgegebenen Kriterium der Unbeachtlichkeit von Rechtsverletzungen unterhalb „besonderer Schwere“ handelt es sich nicht um eine „Abwägung“, sondern de facto um eine abstrakt generelle Regelung.313 Der Hinweis auf die Ausfüllung der Durchsetzung des europäischen Rechts durch das nationale Verfahrensrecht liefert unter Berücksichtigung des Effet Utile selbstredend ebenfalls keine Blankovollmacht für Vorschriften, welche europäische Positionen auf prozessualer Ebene unterlaufen. b) EuGH-Rechtsprechung Nachvollziehen lässt sich die Notwendigkeit effektiven Rechtsschutzes auch in der Rechtsprechung des EuGH. Zwar findet sich hier keine Stellungnahme zum Erfordernis und Umfang der Kontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen. Der EuGH hat aber den mitgliedschaftsbezogenen Vorschriften der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien vielfach hinsichtlich ihres materiell-rechtlichem Regelungsgehalts zur Beachtung verholfen.314 Hervorzuheben ist dabei die Rechtsprechung zum Beschlusserfordernis bei Kapitalmaßnahmen, aus der sich auch Anhaltspunkte für die Bedeutung der Durchsetzbarkeit gemeinschaftsrechtlicher Positionen im Grundsätzlichen ergeben.315 Dazu gehört insbesondere die in der Diamantis-Entscheidung zum Einwand des Rechtsmissbrauchs bezogene Position.316 Danach kommt es aus Sicht des Gemeinschaftsrechts zunächst nicht darauf an, ob die Beschränkung verfahrensrechtlicher oder materiell-rechtlicher Natur ist. In der Sache stellt der EuGH zwar fest, dass eine Einschränkung durch den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Aktionärs in Betracht komme. Verworfen wird dabei aber wie schon in der Rechtssache Pafitis317 insbesondere die Berufung auf Generalklauseln wie im Fall des Art. 281 des griechischen Zivilgesetzbuchs.318 Der Grund liegt darin, dass sich diese dazu verwenden lassen, die volle Wirksamkeit und ein311
Krit. auch Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 29. S. o. A. 313 Dazu bereits o. § 4 C. 314 Exemplarisch sei hier auf die Wahrung des Beschlusserfordernisses bei Kapitalmaßnahmen (Art. 25 RL 77/91/EWG) verwiesen: EuGH C-367/96, Slg. 1998, I 2843 (Kefalas); C-441/ 93, Slg. 1996, I 1366 (Pafitis); C-42/95, Slg. 1996, I 6017 (Siemens/Nold); C-373/00, Slg. 2000, I 1723 (Diamantis). 315 EuGH C-19/90, Slg. 1991, I 2691 (Karella). 316 EuGH C-373/00, Slg. 2000, I 1723 (Diamantis). 317 EuGH C-441/93, Slg. 1996, I 1366 (Pafitis). 318 „Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie offensichtlich die Grenzen überschreitet, die durch Treu und Glauben, die guten Sitten oder den sozialen oder wirtschaftlichen Zweck des betreffenden Rechtes geboten sind.“ 312
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3. Teil: Freigabegründe
heitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu beeinträchtigen. Im Fall war es daher unerheblich, dass die Unwirksamkeit des Beschlusses wörtlich „in ernsten Schwierigkeiten“ (der Sanierungsbedürftigkeit) der Gesellschaft geltend gemacht wurde, der Kläger von seinem Bezugsrecht keinen Gebrauch gemacht und zur Sanierungsbedürftigkeit durch die Geltendmachung von Forderungen wirtschaftlich selbst noch beigetragen habe. Der Gegensatz zur Position des BGH, der die Durchsetzbarkeit augenscheinlich vollständig in das Belieben der Mitgliedstaaten gestellt sehen will,319 könnte gegensätzlicher nicht sein. Das gilt erst recht angesichts der Vielzahl von Judikaten des EuGH, in denen herausgestellt wird, dass die Durchsetzung gemeinschaftsrechtlicher Rechtsakte nicht nur nicht unmöglich gemacht,320 sondern schon nicht „übermäßig erschwert“ werden dürfe.321 Namentlich hat er auf dieser Grundlage auch der Schaffung vollendeter Tatsachen durch irreversible Akte zu Lasten gemeinschaftsrechtlicher Positionen widersprochen.322 3. Folgerungen für den gemeinschaftsrechtlich geschuldeten Rechtsschutzumfang Hat der EuGH damit zum Erfordernis des gemeinschaftsrechtlich verbürgten Rechtsschutzumfangs gegen Hauptversammlungsbeschlüsse noch nicht abschließend Stellung bezogen, so lassen sich aus dem bisherigen Bestand der Rechtsprechung gleichwohl Schlussfolgerungen ziehen: Dazu gehört erstens, dass die Notwendigkeit effektiven Rechtsschutzes zugunsten des Mitglieds als solche kaum in Frage zu stellen ist. Denn zu erklären sind die in der Rechtsprechung gezogenen Grenzen des Rechtsmissbrauchs mit dem ihnen sichtbar beigelegten Ausnahmecharakter nur unter der Prämisse, dass die Einhaltung dem Gesellschafterschutz verpflichteten Bestimmungen des europäischen Rechts im Grundsatz vom Mitglied durchgesetzt werden kann. Zweitens lässt sich der genannten Rechtsprechung eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zumindest angemessenen Rechtsschutz anzubieten entnehmen.323 Das deutet zumindest darauf hin, dass die Schwelle für Einschränkungen, wie insbesondere die Entscheidungen Pafitis und Diamantis zeigen, nicht zu niedrig angesetzt werden darf. Die Perspektive des EuGH dürfte aber eine andere sein. Da das Ziel darin besteht, die volle Wirksamkeit und einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu erreichen, würde es nicht verwundern, wenn verfahrensrechtliche Beschränkungen generell rechtfertigungsbedürftig wären. Dahingehend wird man – drittens – die Abweisung von Anfechtungsklagen we319
S. soeben BGH ZIP 1993, 762. So noch die ursprüngliche Formulierung, vgl. u. a. EuGH Rs. 68/79, Slg. I1980, 501, 522 (Just); Rs. 811/79, Slg 1980, 2545 (Ariete); Rs 205–215, Slg. 1983, 2633 (Deutsche Milchkontor). 321 Zur Verwerfung von ungünstigen Beweisregeln aus diesem Grund etwa EuGH Rs. 199/82, Slg. 1983, 3595 (San Giorgio); Rs. 104/86, Slg. 1988, 1799 (Kommission ./. Italien). 322 EuGH Rs. 213/89, Slg. 1990, I-2433 (Factortame I). 323 So auch Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 30. 320
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gen Rechtsmissbrauchs nach der Kochs-Adler-Entscheidung324 zwar noch als zulässig ansehen können,325 denn auch das europäische Recht will abusives Verhalten unter den Schutz der Rechtsordnung stellen. Eine Generalklausel, die wie die Vorschriften der §§ 246a II Nr. 3, 319 VI 3 Nr. 3, 327e II AktG, 16 III Nr. 3 UmwG vom materiellen Recht nahezu vollumfänglich durch einen Schwerevorbehalt abstrahiert, dürfte dem Anspruch eines angemessenen Rechtsschutzes jedoch nicht mehr gerecht werden.326 Denn diese führt nicht nur dazu, die „volle Wirksamkeit“ des harmonisierten Rechts zu beschränken, sondern dazu, dass dieses im Regelfall vom Mitglied nicht durchgeführt werden kann. 4. Zwischenergebnis Bislang lässt sich dem Bestand an gemeinschaftsrechtlichem Verbandsrecht keine eindeutige Position zum Verständnis der Mitgliedschaft entnehmen. Die dem Aktionär eingeräumten Rechte können sowohl im überkommenen Sinne der deutschen Lehre als Zugehörigkeit zu einem Kapitalverein wie auch als dem eines Anlegers verstanden werden. Als solcher ist der Aktionär aber auch aus Sicht des europäischen Verbandsrechts nicht auf die weitgehende Preisgabe der mit der Gesellschafterstellung verbundenen Rechte (dulde oder liquidiere) verwiesen. Zwar überlässt das europäische Recht den Rechtsschutzumfang den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten. Die dem Mitglied eingeräumten gemeinschaftsrechtlichen Positionen dürfen jedoch nicht durch die Versagung angemessenen Rechtsschutzes zur Disposition gestellt werden. Wohlweislich zu beachten sind die Grenzen des Rechtsmissbrauchs. Eine Beschränkung des Rechtsschutzes auf elementare Rechtsverstöße, wie sie die „Schwere-Formel“ zu umschreiben versucht, erscheint im Zusammenhang mit gemeinschaftsrechtlich geregelten Aktionärsrechten aber jedenfalls nicht zu rechtfertigen.
E. Grundgesetzkonformität von Abwägungsklausel und „Schwere-Formel“? Eine Beschränkung der freigaberechtlichen „Abwägungs-Klausel“ kann auch aus grundgesetzlichen Wertungen folgen. Dafür ist nicht nur an die das Aktienrecht ansonsten dominierende Eigentumsgarantie (Art. 14 GG), sondern auch an die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 IV GG) zu
324
BGHZ 107, 296; BGH ZIP 1990, 168; AG 1992, 448. So auch Verschmelzungsrichtlinie Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 8 I 6. b) (S. 248). 326 Anders im Ergebnis, wenngleich mit Bedenken noch zur ursprünglichen Fassung des § 16 III Nr. 2 UmwG nach dem UmwBerG noch Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 33 ff. 325
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3. Teil: Freigabegründe
denken.327 Auf den ersten Blick naheliegend, aber möglicherweise entscheidend sind indessen nicht diese grundrechtlichen Positionen, sondern die aus dem Rechtsstaatsprinzip und seinen Konkretisierungen abzuleitenden Gewährleistungen, denen die „Abwägungsklauseln“ als einfaches Recht zu entsprechen haben. Damit beschreibt die Frage nach der Grundgesetzkonformität des Freigabeverfahrens und der „Abwägungs-Klausel“ nicht nur ein sprichwörtlich „weites“, sondern auch als schwieriges Feld. Sie muss insbesondere auch vor dem Hintergrund einer, sich erst in Umrissen abzeichnenden, Debatte über das Verhältnis von grundgesetzlichen Gewährleistungen und Verbandsrecht überhaupt gesehen werden.328 Daher ist sie in dem hier zur Verfügung stehenden Rahmen nur einer verkürzten Betrachtung der wesentlichen Eckpunkte zugänglich. Der Schwerpunkt soll dabei auf die Entwicklung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Zusammenhang von Aktionärsstellung und Eigentumsgarantie, dem Justizgewähranspruch und der Skizzierung der bislang nicht erörterten rechtsstaatlichen Bedenken liegen. I. Grundrechte 1. Eigentumsgarantie und Freigabeverfahren Das BVerfG nahm erstmals und bislang einmalig in einem Nichtannahmebeschluss aus dem Jahre 2007 zur Vereinbarkeit des Freigabeverfahrens mit der Eigentumsgarantie Stellung.329 Gegenständlich wurde hierbei zugleich über die Verfassungsgemäßheit des Squeeze Out (§§ 327a ff. AktG) entschieden. In dem die §§ 319 VI, 327e II AktG betreffenden Teil der Begründung330 heißt es in denkbar knapper Form, das Verfahren werde Art. 14 GG gerecht, weil es folgerichtig sei, verfahrensrechtliche Regelungen zu treffen, die die Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses und damit die Wirksamkeit des Squeeze Out nicht vom rechtskräftigen Abschluss des Anfechtungsverfahrens abhängig machen. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass der Squeeze Out weitgehend wirkungslos werde. Minderheitsaktionäre würden in die Lage versetzt, die Umsetzung unternehmerischer Entscheidungen durch die Erhebung von Anfechtungsklage für geraume Zeit zu verhindern. Das Schrifttum ist dem weitgehend einstimmig gefolgt.331 Kritische Äußerungen beziehen sich 327
Vgl. auch Satzl, Freigabe von Gesellschafterbeschlüssen im Kapitalgesellschaftsrecht (2011), S. 119 ff.; Spindler, NZG 2005, 825, 830; zum Zusammenhang zwischen Beschlusskontrolle und Rechtsschutzeffektivität auch schon Bayer, NJW 2000, 2609, 2616. 328 Vgl. Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615; Leuschner, Verkehrsinteresse und Verfassungsrecht (2005). 329 BVerfG WM 2007, 1329. 330 BVerfG WM 2007, 1329, 1331 f. 331 Vgl. Bungert, BB 2007, 1518; v. d. Linden/Ogorek, EWiR 2007, 673; Götz, NZG 2010, 412; ohne Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Abwägungsklausel bis zur Willkürgrenze Satzl, Freigabe von Gesellschafterbeschlüssen im Kapitalgesellschaftsrecht (2011), S. 123 f.
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nicht auf den erkennbar floskelhaften Charakter, sondern halten schon die Einbeziehung der Mitgliedschaft des Aktionärs in den Schutzbereich des Art. 14 GG für verfehlt.332 Dieser Einwand gründet teilweise in dem Verständnis der Mitgliedschaft,333 teilweise in der Überzeugung, wonach die Eigentumsgarantie nur die Position des Berechtigten gegenüber Nichteigentümern schütze und daher ungeeignet sei, im Verhältnis der Aktionäre untereinander, namentlich dem Mehrheitsaktionär, befugnisbeschränkend zu wirken.334 Dem setzt das BVerfG allerdings weiterhin unbeirrt den in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsatz entgegen, wonach das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum von Art. 14 GG geschützt sei. Dieses sieht es in seiner gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung zum einen durch Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis gekennzeichnet,335 zum anderen übernimmt es eine Rolle als Mittler sowohl der mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs in der Gesellschaft als seiner vermögensrechtliche Ansprüche.336 Unabhängig davon, ob man den im Schrifttum vorgebrachten, hier nicht weiter zu behandelnden Bedenken gegen die Beachtlichkeit der Eigentumsgarantie folgt, kann damit festgestellt werden, dass das BVerfG die die Mitgliedschaft des Aktionärs als unabhängig von seiner Beteiligungshöhe solche erstens anerkennt und zweitens von der rein vermögensrechtlichen – nicht eigentumsrelevanten – Perspektive eines Anlegers immerhin unterscheidet. Die Kategorisierung eines mit kaum durchsetzungsfähigen Rechten ausgestattetem „Anlage-Aktionärs“ dürfte damit schwerlich vereinbar sein. Daher können die knappen Ausführungen zur Zulässigkeit des Freigabeverfahrens im Squeeze Out-Beschluss kaum das letzte Wort in der bundesverfassungsrechtlichen Rechtsprechung sein. Vor Augen halten sollte man sich zweierlei: Zum einen ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Squeeze Outs streng von derjenigen der „Abwägungsklausel“ zu unterscheiden. Es geht insbesondere nicht darum, über die Beteiligungshöhe des Klägers Verhältnismäßigkeitserwägungen anzustellen.337 Täte man dies, müsste man sich zwangsläufig mit den Schwellenwerten für den Ausschluss auseinandersetzen und hätte Schwierigkeiten, eine Freigabe bei darunter liegenden Beteiligungsstrukturen zu rechtfertigen.338 Zum anderen geht es aber wohl auch weniger um die für den Squeeze Out als Prüfstein anzusehende Eigentumsgarantie, sondern die Rechtsschutzgewährleistungen. 332
So anlässlich der Squeeze Out-Entscheidung Leuschner, NJW 2007, 3248 ff. So insbesondere Wiedemann, in FS Hüffer (2010), S. 1731 ff. 334 Dazu ausführlich Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615, 624 u. 646 f. 335 Dazu zuletzt BVerfG AG 2001, 128, 129; grundlegend BVerfGE 14, 263 fortgeführt von BVerfGE 25, 317; 50, 290; 100, 289; BVerfG AG 2003, 624; NJW 2007, 3266. 336 Vgl. BVerfG AG 2001, 128, 129; BVerfGE 100, 289; BVerfG NJW 2007, 3266. 337 So aber Satzl, Freigabe von Gesellschafterbeschlüssen im Kapitalgesellschaftsrecht (2011), S. 121 ff. 338 S. zum durch den Squeeze Out naheliegenden Umkehrschluss für die Beachtlichkeit der Interessen von Minderheitsaktionären in einer AG ohne 95% Beherrschung o. C. IV. 2. b. 333
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3. Teil: Freigabegründe
Sitz der Materie ist mithin nicht Art. 14 GG, sondern der Ausgleich der widerstreitenden mitgliedschaftlichen Interessen auf verfahrensrechtlicher Ebene. Die Gewährleistungen des Art. 14 GG dürfen zwar auf diesem Umweg nicht eingeebnet werden. Im Vordergrund steht aber, ob das Freigabeverfahren mit den spezifischen Verfahrensgarantien des GG vereinbar ist. Das scheint auch der Linie des BVerfG zu entsprechen, die in zunehmendem Maße allein auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes abstellt.339 2. Effektiver Rechtsschutz Der Eindruck, wonach der Kleinaktionär in den Augen des BVerfG kein duldungspflichtiger Anleger, sondern ein mit durchsetzungsfähigen Rechten ausgestattetes „vollwertiges“ Mitglied der AG ist, verstärkt sich bei einem Blick auf die Moto-Meter-Rechtsprechung.340 Zwar wird in dieser, dem Squeeze Out den Weg ebnenden, Entscheidung festgestellt, dass es verfassungsrechtlich unbedenklich sei, Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung aus einer AG auszuschließen und deren Schutzrechte weitgehend auf die Vermögenskomponente zu konzentrieren.341 Allerdings wird dieser Startschuss für die Ausschlussregelung der §§ 327a ff. AktG nicht nur – wie man erwarten konnte – mit dem Vorbehalt der vollwertigen Entschädigung versehen.342 Vielmehr bedarf es dazu auch rechtsschutzgewährender Vorkehrungen.343 Die in der Moto-Meter-Entscheidung dazu angestellten Erwägungen betreffen zwar in erster Linie die Sicherstellung der Angemessenheit der Abfindung344 und nicht die Kontrolle der Maßnahme als solcher. Allerdings stellt sie ausdrücklich klar, dass die gerichtliche Kontrolle im Rahmen einer Anfechtungsklage erfolgen könne und sogar müsse, „sollten die Gerichte sich aus aktienrechtlichen Gründen an einer Wertkontrolle des vom Großaktionär gezahlten Kaufpreises gehindert sehen“.345 Die Verbindung der Ausschlussmöglichkeit mit einem über die Sicherstellung der Werthaltigkeit hinausgehenden Kontrollverfahren in Form einer gegen den Beschluss insgesamt gerichteten Unwirksamkeitsklage ist aus Art. 14 GG an sich kaum zu begründen und allenfalls in Art. 19 IV GG zu verorten.346 Tatsächlich hat das BVerfG den Rechtsschutzaspekt im Rahmen der – auf dem Höhepunkt der Beschlussmängelklagewelle getroffenen – Squeeze Out-Entscheidung aus dem Jahre 2007 zunächst aber weitgehend „vergessen“.347 Nunmehr bekräftigt es jedoch nicht 339 340 341 342 343 344 345 346 347
Nachweise sogleich u. 2. BVerfG NJW 2001, 279. So erneut BVerfG WM 2010, 170, 172. BVerfG NJW 2001, 279; 280 so schon BVerfGE 100, 289, 303. BVerfG NJW 2001, 279, 280 f.; WM 2010, 170, 172. BVerfG NJW 2001, 279, 280 f. Ebda. S. soeben I. 1. BVerfG WM 2007, 1329.
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nur dessen Notwendigkeit, sondern auch das Erfordernis effektiven Rechtsschutzes gegen den Ausschluss als solchen.348 Da der Gesetzgeber ausdrücklich die Möglichkeit der gerichtlichen Anfechtung eines Übertragungsbeschlusses eröffnet habe, nehme der von ihm vorgesehene Primärrechtsschutz an der Schutzwirkung des allgemeinen Justizgewähranspruchs teil und könne nicht durch den schlichten Verweis auf einen möglichen Sekundärrechtsschutz abgegolten werden. Wie und in welchem Umfang der Rechtsschutz gewährt werde, bleibe wegen der Notwendigkeit, den Justizgewähranspruch auszugestalten im Wesentlichen dem Gesetzgeber überlassen. Wo eine gerichtliche Überprüfung vorgesehen sei, dürfe der Zugang zu ihr aber nicht unzumutbar erschwert werden.349 In der Konsequenz bleibt es angesichts dieser Ausführungen zwar dabei, dass die Eingriffsbefugnis in Art. 14 GG mit dem Vorbehalt gerichtlicher Kontrolle verbunden wird. Allerdings wird deren Notwendigkeit in der Sache – wenngleich ohne Nennung des Grundrechts – aus Art. 19 IV GG abgeleitet und damit auf eine andere normative Grundlage gestellt. 3. „Schwere-Formel“ als unzumutbare Rechtsschutzbeeinträchtigung Ist damit die Notwendigkeit effektiven Rechtsschutzes gegen den bei Strukturänderungen vom Gesetz geforderten Beschluss der Hauptversammlung aus Art. 19 IV GG dargetan, besteht die entscheidende Frage für zukünftige Verfahren darin, ob die mit der „Schwere-Formel“ verbundene Einschränkung des Rechtsschutzes diesen „unzumutbar erschwert“. Man könnte dem die dieser Diktion vorangestellte gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit hinsichtlich des Justizgewähranspruchs entgegenhalten: Wenn der Gesetzgeber wirklich frei sein soll, über das „Ob“ gerichtlicher Kontrolle zu befinden, kann er diese Freiheit auch wieder – und sei es bis hin zu elementaren Verstößen gegen Aktionärsrechte – zurücknehmen. Diesem Argument dürfte das BVerfG indessen aus drei Gründen wohl kaum folgen. Erstens lässt sich dem Gesetzgeber aus rechtsstaatlichen Erwägungen nur begrenzt widersprüchliches Verhalten zubilligen.350 Wenn Rechtsschutz im ordentlichen Verfahren gewährt wird, kann er nicht im Eilverfahren revidiert werden. Wie gesehen, fügt sich das „SchwereKriterium“ dahingehend weder in die Rechtsschutzgewährung durch die Anfechtungsklagebefugnis als solche noch in das Gefüge der Freigabegründe ein.351 Rechtsstaatlicher Natur sind auch die Bedenken gegen einen formalisierten Entscheidungsmechanismus, der den Richter zur systematischen Missachtung des materiellen Rechts bewegen soll. Zweitens räumt es – nach lange 348
BVerfG WM 2010, 170, 172, und zwar unter Bezugnahme auf BVerfG NJW 2001, 279 u. BVerfGE 100, 289, 303. 349 BVerfG WM 2010, 170, 172 unter Bezug auf BVerfGE 74, 228, 234 (Hervorhebung durch Verf.). 350 Dazu noch sogleich u. II. 1. 351 S. o. § 12 B. II. 2.
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3. Teil: Freigabegründe
Zeit gegenläufiger Tendenz352 – ein, dass ein vermögensbezogener Rechtsschutz durch das Spruchverfahren nur unvollkommen wirkt.353 Und drittens offenbart bei näherem Hinsehen bereits die in ihrer Grundrichtung wenig minderheitenschutzorientierte Squeeze Out-Entscheidung aus dem Jahre 2007 Zweifel, an der Grundgesetzkonformität der „Abwägungs-Lösung“. Bemerkenswerterweise lässt sie die schon damals praktisch alles entscheidende Frage, ob das Gericht die Freigabe allein auf die überwiegenden Interessen der Gesellschaft oder des Hauptaktionärs stützen darf, nämlich bewusst offen.354 Und hinsichtlich der Vereinbarkeit des Freigabeverfahrens mit dem Gebot effektivem Rechtsschutz stellt es maßgeblich auf die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde gegen den Unbedenklichkeitsbeschluss ab.355 Diesen – erkennbar für bedeutsam gehaltenen – Rechtsschutzaspekt hat aber zuletzt das ARUG durch Einführung der erst- und letztinstanzlichen Zuständigkeit des OLG beseitigt. Dagegen vorgebrachte Rügen haben die damit befassten Oberlandesgerichte, das KG356 und OLG Hamburg,357 unumwunden unter Beifall des Schrifttums358 mit dem Einwand zurückgewiesen, die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG sichere keinen Instanzenzug.359 In der Tat steht dieser, der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Ausformung der Rechtsschutzgewährung dienende Grundsatz als solcher nicht zur Disposition. Gleichwohl darf die als Ausnahme zu verstehende vom BVerfG im Squeeze Out-Beschluss zum Ausdruck gebrachte Notwendigkeit einer Beschwerdeinstanz nicht über352
Vgl. BVerfGE 14, 263, 281 f.; BVerfG ZIP 1999, 1436, 1439; AG 2003, 624, 625; krit. K.W. Freitag, in FS Richter II (2006), S. 139, 142. 353 Vgl. zur Grundrechtsverletzung durch überlange Dauer des Spruchverfahrens BVerfG WM 2012, 76. Schon eine nur überschlägige Sichtung der Praxis der letzten Jahrzehnte zeigt, dass es in Spruchverfahren regelmäßig zu erheblichen Anhebungen von Ausgleich und Abfindung kommt (vgl. Gleißner, AG-Report 2006, 256); nach K.-W. Freitag, in FS Richter II (2006), S. 139, 160 haben von 288 untersuchten Spruchverfahren 203 (rd. 72%) zu einer Erhöhung der ursprünglich angebotenen Abfindung/Ausgleich geführt. Die Ausgleichshöhe erreicht dabei bis 98% der ursprünglich angebotenen Vergütung und ist keineswegs ein Einzelfall (vgl. zum Vergleichsvorschlag des LG Frankfurt a. M. zur Erhöhung des Ausgleichs im Verfahren nach der Verschmelzung der T-Online AG auf die Telekom AG i. H. v. rd. 63% Börsenzeitung v. 1.12.2007, S. 9). Hinsichtlich der Dauer des Spruchverfahrens hat das BVerfG in einem so gut wie unbeachtet gebliebenen Nichtannahmebeschluss festgestellt, im Falle eines so genannten vertragsüberdauernden Spruchverfahrens könne es zu einer gewissen Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Aktionärs über sein Aktieneigentum kommen (BVerfG AG 2007, 483, 484; dazu soweit ersichtlich nur Leuschner, NJW 2007, 3248; Weißhaupt, WuB II A. § 305 AktG 1.07). Diese aus prozeduralen Gegebenheiten folgende vorübergehende faktische Einschränkung der Dispositionsmacht über das Aktieneigentum habe nur den Charakter eines bloßen Reflexes des verfahrensrechtlichen Schutzes des außenstehenden Aktionärs und sei im Rahmen der Ausgestaltung der Eigentumsordnung durch den Gesetzgeber hinzunehmen. 354 BVerfG WM 2007, 1329, 1332. 355 BVerfG WM 2007, 1329, 1331. 356 KG NZG 2010, 224. 357 OLG Hamburg AG 2010, 214. 358 Vgl. Saß/Ogorek, NZG 2010, 337, 338; Wilsing/Saß, DB 2011, 819, 820. 359 Dazu BVerfG NJW 2003, 1102.
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sehen werden. Begründen lässt sie sich namentlich mit der Kombination von eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten unter Eintritt irreversibler Entscheidungsfolgen. Unabhängig davon dürfte bei einer künftigen Entscheidung aber kein Weg an einer verfassungsrechtlichen Bewertung der „Abwägungsklausel“ vorbeiführen. Schon nach dem UMAG, erst Recht aber nach Einführung der „Schwere-Formel“ dürfte die Grenze der „unzumutbaren“ Rechtsschutzerschwerung angesichts der damit für den Kläger praktisch aussichtslosen Position wohl erreicht sein.360 II. Rechtsstaatsprinzip Wohingegen Art. 19 IV GG nach dem einprägsamen Satz den Zugang „durch“, aber nicht „vor“ den Gerichten gewährleistet, ist Letzteres Gegenstand des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 III GG) sowie seiner Ausprägungen durch Justizgrundrechte und die Einbindung der Justiz in das System der staatlichen Gewaltenteilung. 1. Gesetzesbindung und Wesentlichkeitsvorbehalt Die auf ihre Grundgesetzkonformität zu untersuchenden §§ 246a II Nr. 3, 319 VI 3 Nr. 3, 327e II AktG, 16 III Nr. 3 UmwG erweisen sich vor allem als Problem der Gesetzesbindung und des Gesetzesvorbehalts. Die in Art. 97 I GG nochmals eigenständig ausgesprochene Bindung der Judikative an das Gesetz erweist sich aufgrund der in der „Schwere-Formel“ angelegten Direktive, gesetzliche Rechtspositionen des Mitglieds bis zur Grenze besonders elementarer Rechtsverstöße schlicht zu missachten, als Problem. Damit wird in die verfassungsrechtlich verbürgte Gesetzesbindung, die auch die Beachtung von Mitgliedschaftsrechten des AktG umfasst, einfachgesetzlich eingegriffen. Bedenklich ist die „Abwägungsklausel“ aber nicht allein deswegen, sondern weil dem Richter damit ein Verwerfungsauftrag auferlegt wird, den der Gesetzgeber angesichts seiner aus dem Vorbehalt des Gesetzes abzuleitenden Wesentlichkeit361 entweder selbst wahrnehmen oder aber ablehnen muss. Das hat in Form einer Bestimmung der Beschlusskontrollrechte des Mitglieds in gesetzlicher Form zu geschehen. Der Gesetzgeber muss sich also – unter Berücksichtigung dazu bestehender Verpflichtungen europäischen Rechts – überlegen, ob er die primärrechtliche Beschlussanfechtung zulässt oder nicht. Dem kann nicht damit begegnet werden, die Entscheidung über die Beachtlichkeit der Minderheitenposition sei unter Würdigung des Einzelfalls zu treffen. Denn wegen der strukturell-einseitige Konstruktion der „Abwägungsklausel“ und der „Schwere-Formel“ bleiben – jenseits der kaum ernstzunehmenden 360 361
Zu den Beeinträchtigungen der Klägerposition bereits im Einzelnen o. § 4 C. Vgl. zur Wesentlichkeitstheorie BVerfGE 58, 257; 61, 260; 65, 1; 78, 179; 09, 218; 108, 282.
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3. Teil: Freigabegründe
Gegenbeispiele der Regierungsbegründung – kaum Fälle, in denen von der Freigabe abgesehen werden kann. Die damit eintretende Missachtung „nicht elementarer“ Mitgliedschaftsrechte hat daher abstrakt-generellen Charakter. Um dem Wesentlichkeitsvorbehalt zu entsprechen, müsste sie vom Gesetzgeber selbst in Form der Verweigerung eines Beschlusskontrollrechts für die fraglichen Beschlussgegenstände adressiert werden, eine Möglichkeit, die sich ja in der Moto-Meter-Rechtsprechung der BVerfG zumindest für den – keinen europäischen Überlagerungen unterliegenden – Ausschluss von Minderheitsaktionären auch als durchaus vertretbar angedeutet findet.362 Hat der Gesetzgeber dagegen die Anfechtungsmöglichkeit geschaffen, kann sie dem Berechtigten nicht durch einen, auf gegensätzliche Regelung gestützten Geheiß des Richters wieder entzogen werden. Die sich aus dem Gesagten ergebende Unverträglichkeit §§ 246a II Nr. 3, 319 VI 3 Nr. 3, 327e II AktG, 16 III Nr. 3 UmwG mit Gesetzesbindung und Wesentlichkeitsvorbehalte bestehen auch nicht erst seit dem ARUG, sondern schon seit dem UMAG. 2. Mitgliedschaftliches „Recht“ ohne Durchsetzung? Das vorstehend Gesagte und der Anknüpfungspunkt der BVerfG, wonach der Gesetzgeber prinzipiell frei ist, den Justizgewähranspruch einfachgesetzlich auszugestalten, veranlassen zu der weiteren Überlegung, ob der Verzicht auf das Anfechtungsrecht oder seine Beschränkung auf die Geltendmachung „besonders schwerwiegender“ oder „grober“ Rechtsverstöße grundgesetzkonform wäre, mit anderen Worten: Ob der Gesetzgeber darin tatsächlich so frei ist, wie es nach der Rechtsprechung des BVerfG den Anschein hat. Stünde dieser Weg offen, würde sich die – aus rechtsstaatlicher Sicht missliche – Übertragung einer solch unpopulären Maßnahme auf den Richter durch das geltende Recht erledigen. Für die „Abwägungsklausel“ haben die vorstehenden Überlegungen die Frage in der Weise entschieden, dass diese dem Gebot angemessenen Rechtsschutzes nicht mehr genügt. Sie hat aber Bedeutung über das Freigabeverfahren hinaus. So hat der Gesetzgeber auch in anderem Zusammenhang eine Regelungstechnik eingeführt, welches materielle Recht und seine verfahrensrechtliche Durchsetzung inkongruent ausgestalten. Dazu gehören etwa die nur bei „grober Verletzung des Gesetzes oder der Satzung“ auf Betreiben eines Mitgliedschaftsquorums durchzuführende Sonderprüfung (§ 142 II AktG) und die nur unter diesen Voraussetzungen zuzulassende Aktionärsklage (§ 148 I Nr. 3 AktG). Methodisch ist das Ausdruck eines (umgekehrten) Actionen-Denkens, welches unterhalb der relevanten Schwelle der „groben Verletzung“ einer materiellen Rechtsposition den zu seiner Durchsetzung notwendigen Rechtsbehelf versagt. Ob darin ein überzeugender, zeitgemäßer und rechtsstaatlichen Geboten Rechnung tragender Weg liegt, soll hier offen bleiben. Vieles spricht dafür, den Gesetzgeber als verpflichtet anzu362
BVerfG NJW 2001, 279, 280 f.
§ 22 Grenzen aktienrechtlicher Beschlusskontrolle
453
sehen, den Umfang des materiellen Rechts selbst zu bestimmen, einer als Ergebnis dieses Prozesses geschaffenen Rechtspositionen aber auch die volle Durchsetzbarkeit einzuräumen. Weitere Überlegungen hierzu bedarf es an dieser Stelle nicht, weil sich die Einschränkungen der freigaberechtlichen „Abwägungs-Klausel“ und die der Aktionärsklage i. S. d. § 148 I Nr. 3 AktG dahingehend voneinander unterscheiden, dass die Erstere unmittelbar eine originär dem Mitglied zugewiesene Position schmälert, wohingegen die Letztere den Umfang bestimmt, inwieweit mit der Anspruchsverfolgung gegen den Vorstand ein primär dem Aufsichtsrat zugewiesenes Recht ausnahmsweise auf den Aktionär übergeleitet wird. Es liegt auf der Hand, dass der Spielraum für die Ausgestaltung abgeleiteter Rechte des Aktionärs ein anderer als bei der Beschneidung eigener Rechte ist. III. Folgerungen für die grundgesetzliche Bewertung der „Abwägungs-Klausel“ Waren die Ausführungen der Moto-Meter-Rechtsprechung des BVerfG noch in der Weise deutbar, dass es nur eines abfindungsbezogenen Rechtsschutzes des auszuschließenden Mitglieds bedurfte, so hätte man hierdurch auf eine – wenn auch gegenständlich auf den Ausschluss begrenzte – Anerkennung des dem Prinzip des „dulde und liquidiere“ unterworfenen Anlageaktionärs schließen können. Dieser Vermutung hat das BVerfG durch die Betonung der Notwendigkeit effektiven Rechtsschutzes gegen den Ausschluss als solchen und das Verbot seiner unzumutbaren Erschwerung den Boden entzogen. Mit dem dergestalt beschriebenen Gehalt der grundgesetzlichen Gewährleistungen der Art. 14 und 19 IV GG ist die „Abwägungs-Klausel“ sowohl in der ihr durch das UMAG verliehenen Gestalt, erst Recht aber nach den Verschärfungen der „Schwere-Formel“ des ARUG unvereinbar.
F. Zusammenfassende Folgerung und Bestätigung der Vermutung von der Hilfsfunktion der Abwägungsklausel Das deutsche Recht wurzelt in einem Verständnis der AG als eines Aktienvereins. Dieser unterliegt zwar in börsennotierter Form zunehmend den Einflüssen des Kapitalmarkts. Gleichwohl hat sich hierdurch kein Paradigmenwechsel hin zu einer bloßen Anlegergemeinschaft vollzogen. Die freigaberechtlichen „Abwägungsklauseln“ knüpfen gleichwohl hieran an und entwickeln ein Konzept vermögensbezogenen Aktionärsschutzes. Dieses versagt nicht nur immer dort, wo es materiell keinen Vermögensausgleich geben kann, dieser nur dem Kläger zusteht oder verfahrensrechtlich nicht in angemessener Zeit durchgesetzt werden kann. Es würde in seinen Wirkungen auch weit über die eigentlichen Beschränkungen des Aktienrechts hinausreichen. Da die Beschlusskontrolle das denknotwendige Gegenstück zum Beschlusserfordernis
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3. Teil: Freigabegründe
durch die Hauptversammlung bildet, wäre sowohl das institutionelle Gleichgewicht zwischen den Organen der AG wie zwischen Mehrheit und Minderheit in weitestreichender Form verändert. Legitimation und Zurechenbarkeit der Willensbildung gegenüber dem Verband wären die Grundlage entzogen, was in letzter Konsequenz auch seine rechtliche Selbstständigkeit in Frage stellen muss. Denn der ohne Kontrollmöglichkeit vom Hauptaktionär bestimmte privatrechtliche Zusammenschluss ist letztlich von diesem selbst als Zurechnungssubjekt nur noch begrenzt zu unterscheiden. Ist damit an dem hergebrachten Verständnis der Aktionärseigenschaft als einheitlicher Mitgliedschaft festzuhalten, so verfügt die „Abwägungsklausel“ über keine tragfähige Wertungsgrundlage. Der Gesetzgeber bleibt aufgerufen, Differenzierungen hinsichtlich der Klagebefugnis durch Beteiligungsquoren, Wertungsüberlegungen zur Relevanz von Verstößen und Verhältnismäßigkeit der Kassation im materiellen Recht zu treffen. Das ist insbesondere auch aus rechtsstaatlichen Gründen geschuldet (Wesentlichkeitsvorbehalt). Dabei sind allerdings europäisch verbürgte Rechtspositionen zu beachten. Insbesondere die Durchsetzbarkeit mitgliedschaftlicher Rechtspositionen darf dabei nicht unangemessen erschwert werden. Für die hier zu behandelnde Problematik des Verhältnisses der Freigabegründe folgt daraus die Notwendigkeit, auf die Begründetheit der Klage abzustellen, also deren Erfolgsaussichten zu prüfen sofern nicht das erforderliche Beteiligungsquorum verfehlt wird. Der „Abwägungsklausel“ kann damit nicht die Bedeutung eines eigenständigen Freigabegrunds beigemessen werden. Ihre Funktion beschränkt sich i. S. d. bereits oben geäußerten Vermutung darauf, dass ihr – wie beim Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – lediglich eine Hilfs- oder Ergänzungsfunktion für den Fall zukommt, dass sich das Gericht zu einer Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage schlechterdings nicht in der Lage sieht, eine Zurückweisung des Freigabeverlangens mit hoher Wahrscheinlichkeit aber zu schweren, über die allgemeinen Nachteile der Verzögerung der Durchführung der Maßnahme hinausreichenden Nachteilen führt.
2. Abschnitt
Prüfung der Sach- und Rechtslage Hat sich gezeigt, dass eine von der rechtlichen Würdigung der Unwirksamkeitsklage unabhängige, „interessenbasierte“ Freigabe entgegen der derzeitigen Vorstellungen mit verbands-, verfahrens- und verfassungsrechtlichen Gewährleistungen nicht in Einklang zu bringen ist, so steht im Mittelpunkt der Freigabeentscheidung nicht die Abwägungsklausel, sondern die Prüfung der Erfolgsaussichten der die Eintragung möglicherweise hindernden Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage. Infolgedessen verschiebt sich die Blickachse der bisherigen Betrachtung. An die Stelle der Ausgestaltung einer als sachgerecht anzusehenden Abwägungsklausel beherrscht nunmehr die Überlegung, wie unter den Bedingungen eines Eilverfahrens eine belastbare Prognose zum Verlauf und Ausgang der Hauptsache getroffen werden soll, das weitere Vorgehen. Angesprochen ist damit die Methode der richterlichen Entscheidungsfindung, die darauf zu untersuchen ist, ob und in welchem Umfang eine Vorwegnahme der Hauptsache wie sie hier unvermeidlich eintritt vertretbar erscheint.
§ 23 Grundfragen im Umgang mit dem Hauptsacherecht A. Prüfungsgegenstand und Beweismaß Für den Umgang mit der Hauptsache ergeben sich zunächst Fragen hinsichtlich der vom Gericht zu treffenden tatsächlichen Feststellungen. Sie betreffen den anzuwendenden Prüfungsmaßstab, die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast, die Mittel der Beweisführung und das Beweismaß. Sodann ist auf die Besonderheiten bei Prüfung von Rechtsfragen im Freigabeverfahren einzugehen. I. Verhältnis von Zulässigkeit und Begründetheit Die erste Grundfrage betrifft das Verhältnis von Zulässigkeit und Begründetheit der Beschlussmängelklage. Die gesetzlichen Regelungen der §§ 246a II Nr. 1, AktG, 319 VI 3 Nr. 1, 327e II AktG, 16 III Nr. 1 UmwG sehen zunächst vor, dass die Freigabe wegen der Unzulässigkeit der Klage erfolgen
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3. Teil: Freigabegründe
kann. Hierfür gelten die allgemeinen Regeln zur Zulässigkeit der Klage,1 an denen es nach übereinstimmender Ansicht fehlt, wenn die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen nicht gegeben sind.2 Anders als bei der Prüfung der Unbegründetheit der Klage kennt das Gesetz für die Zulässigkeit dabei keine Einschränkung i. S. d. Offensichtlichkeits-Kriteriums. Der Wortlaut fordert also einen unterschiedlichen Prüfungsmaßstab, woraus gefolgert wird, das Gericht habe die Zulässigkeit der Klage vollständig und nicht nur summarisch zu prüfen.3 Legt man, dem Rechnung tragend, einen unterschiedlichen Prüfungsmaßstab für die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage zugrunde, so fragt sich, wie beides voneinander abzugrenzen ist. Nach allgemeinen Grundsätzen gehören zu den Sachurteilsvoraussetzungen die gerichts-, partei- oder streitgegenstandsbezogenen Klagemängel sowie die – nur auf Einrede zu beachtenden – Prozesshindernisse.4 Für das Beschlusskontrollverfahren wird in neuerer Zeit allerdings die Frage gestellt, ob die verfahrensbezogenen Vorschriften der §§ 241 ff. AktG nicht ebenfalls zu den Sachurteilsvoraussetzungen zu zählen sind.5 Das gilt namentlich für das Fristerfordernis des § 246 I AktG und die Anfechtungsbefugnis (§ 245 AktG). Beide können sich im Prozess als Prüfungsgegenstand durchaus als problematisch erweisen.6 Wäre der Ansicht, wonach es sich um eine Frage der Zulässigkeit der Klage handelt, zu folgen, so käme einer möglichen Einschränkungswirkung des Offensichtlichkeitskriteriums, wie es für die Begründetheitsprüfung vorgegeben ist, keine oder nur geringe Bedeutung zu. Der Prüfungsmaßstab entspräche dem der Hauptsache. Demgemäß bedarf es einer genauen Abgrenzung dessen, was zur 1
Stratz, in Schmitt/Hörtnagel/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 16 Rn. 56. Jauernig, ZPO, 28. Aufl. § 33 III (S. 133); Schellhammer, ZPO, 8. Aufl., Rn. 350; zu weiteren Einzelheiten bereits o. § 3 A. I. 3 Ganz h. M., vgl. Brandner/Bergmann, in FS Bezzenberger (2000), S. 59, 63; Bork, in Lutter UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 18; Büchel, in Liber amicorum Happ (2006), S. 1, 9; Harbarth, GmbHR 2005, 966, 970; Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 246a Rn. 2; Sosnitza, NZG 1999, 965, 968; Stratz, in Kallmeyer UmwG, 4. Aufl., § 16 Rn. 56; krit. und mit der Forderung einer Erstreckung des Offensichtlichkeitserfordernisses de lege ferenda Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 129. 4 Dazu gehören auch nach Aufhebung von § 274 ZPO a. F. durch die Vereinfachungsnovelle in der ZPO die – hier durch die Rechtsprechung weitgehend ausgeschlossene – Einrede der Schiedsgerichtbarkeit (vgl. BGHZ 132, 278; K. Schmidt, BB 2001, 1857 ff.), Einwand der mangelnden Sicherheitsleistung (§§ 110 ff. ZPO) und Kostenerstattung (§ 269 III 2, VI ZPO). a. A. Jauernig, ZPO, 28. Aufl. § 33 III (S. 137); ebda. zum weiteren Streitstand. 5 Vgl. Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 246, Rn. 4; § 245 Rn. 1 ff. 6 Vgl. zum Fehlen der Anfechtungsbefugnis, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt nicht Gesellschafter war OLG Frankfurt a. M. AG 1998, 428; zur fehlenden Aktionärsstellung vor Bekanntgabe der Tagesordnung (§ 245 Nr. 1 AktG n. F. (UMAG)); LG Braunschweig, Beschluss vom 11.4.2006, Az. 21 O 3496/05; zur Anfechtungsbefugnis von Treuhandverträgen OLG Frankfurt a. M. Beschluss vom 8.2.2006, Az. 12 W 185/05; zur Problematik der Anfechtungsbefugnis vgl. die kaum zu übersehende Rechtsprechung bei Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 246 Rn. 20 ff., zum nachschieben von Gründen insbesondere BGH AG 2005, 395, 397; AG 2006, 158; BGHZ 167, 204; BGH WM 2009, 459. 2
§ 23 Grundfragen im Umgang mit dem Hauptsacherecht
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Zulässigkeit und zur Begründetheit der Klage gehört. Als erforderlich erweist diese sich auch, weil unklar ist, welche Beweismittel für die Zulässigkeitsvoraussetzungen statthaft sind, also ob der in den gesetzlichen Regelungen der §§ 246a III 3, 319 VI 6, 327e II AktG, 16 III 6 UmwG enthaltene Verweis auf § 294 ZPO auch diese oder nur die Begründetheit der Klage betrifft.7 II. Offensichtliche Unbegründetheit und Glaubhaftmachung Die zweite Grundfrage betrifft den Prüfungsmaßstab. Anders als für die Prüfung der Zulässigkeit spricht das Gesetz für die Sachprüfung davon, die Klage müsse „offensichtlich“ unbegründet sein. Rechtsprechung und Lehre haben sich daher in eingehender Form mit der Auslegung des Begriffs der offensichtlichen Unbegründetheit befasst und die oben bereits dargestellten beiden Deutungsvarianten herausgearbeitet.8 Der frühere Ansatz hat dabei den ursprünglichen Wortsinn betont und ihm die Notwendigkeit einer, ohne weitere Überlegungen möglichen, Erkennbarkeit der mangelnden Erfolgsaussichten entnommen,9 wohingegen die nunmehr wohl als herrschend zu bezeichnende Gegenposition derartige Beschränkungen der richterlichen Erkenntnisgewinnung mit der Funktion des Freigabeverfahrens für unvereinbar hält.10 Zu diesem Streit muss nun Stellung genommen werden. Als problematisch erweist sich als bislang nicht beachteter Punkt dabei das nach §§ 246a III 3, 319 VI 6, 327e II AktG, 16 III 6 UmwG zu beachtende Erfordernis der Glaubhaftmachung. Die Glaubhaftmachung enthält als zivilprozessualer Begriff zwei Bezugspunkte: Zum einen das Beweismaß – erforderlich ist nur ein geringerer Grad an Wahrscheinlichkeit von der Wahrheit einer Behauptung – und zum anderen der dazu erforderliche – ebenfalls geringere – Prüfungsaufwand. Das Gesetz gibt ihn zwar nicht generell, sondern nur in Form der Beschränkung auf präsente Beweismittel (§ 294 II ZPO) vor, es entspricht aber allgemeiner Meinung, dass sich das Gericht im Rahmen eines Eilverfahrens auf eine „summarische“ Prüfung der Sache beschränken darf. Stellt man darauf ab, so ergeben sich prima facie Zweifel, ob der einer vertieften Prüfung das Wort redenden h. M. gefolgt werden kann und ob nicht § 294 ZPO Prüfungsmaßstab und Beweismaß vorgibt. Demgemäß muss das Verhältnis zwischen Offensichtlich7
Zur Geltung des § 294 ZPO für die Zulässigkeitsprüfung im Rahmen des Freigabeverfahrens Rettmann, Rechtsmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1999), S. 129. 8 S. o. § 3 B. I. 2. 9 Vgl. OLG Frankfurt a. M. AG 1997, 472; LG Hanau AG 1996, 90; LG Wiesbaden, 1997, 274; in der Sache wohl auch OLG Stuttgart AG 1997, 138; aus der neueren Rechtsprechung wiederum LG Regensburg, Der Konzern 2004, 811; mit dieser Tendenz auch nunmehr OLG München AG 2005, 407; näher bereits o. § 2 B. I. 10 OLG Düsseldorf DB 2006, 2223 f.; AG 2004, 267; KG KGR 2000, 386; OLG Hamburg AG 2005, 253, 254; LG Darmstadt AG 2006, 127, 128; OLG Frankfurt AG 2006 249; 250; OLG Stuttgart AG 2003, 456; AG 2004, 105; OLG Hamm, AG 1999, 422; OLG Jena, DB 2006, 2335, 2336; näher bereits o. § 3 B. I. 2. b).
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3. Teil: Freigabegründe
keits-Kriterium und Erfordernis der Glaubhaftmachung geklärt werden. Zweifel bestehen allerdings auch und vor allem, ob das OffensichtlichkeitsKriterium in der heutigen Rechtsanwendung überhaupt Geltung beanspruchen kann oder es sich nicht als überwundener Atavismus der Hypothekenbankschwestern-Rechtsprechung darstellt. Insoweit gewinnt wiederum möglicherweise die h. M. an Überzeugungskraft, die dieses Tatbestandsmerkmal im Ergebnis ignoriert.11
B. Darlegungs- und Beweislast Von Bedeutung für die vorliegend genannten Fragen ist sodann die Verteilung der Behauptungs- und Beweislast. Die Behauptungslast (Darlegungslast) handelt davon, welche Behauptungen eine Partei aufstellen muss, will sie prozessuale Nachteile, äußerstenfalls den Prozessverlust vermeiden.12 Sie bilden eine sekundäre, d. h. eine demselben Rechtsgebiet wie der Rechtssatz, dessen Voraussetzungen die streitigen Tatsachen begründen sollen, zugehörige Zurechnungsordnung.13 Ist die Verteilung der Behauptungs- und Beweislast damit in erster Linie ein Problem des materiellen Rechts, so bestehen vorliegend folgende Besonderheiten: Erstens ist zu beachten, dass die gesetzliche Regelungen der §§ 246a II Nr. 1, 319 VI Nr. 1, 327e II AktG, 16 III Nr. 1 UmwG sich nicht auf die Kennzeichnung des Prüfungsmaßstabs (OffensichtlichkeitsMerkmal) und der Beweiswürdigung (Glaubhaftmachung) beschränken, sondern als Freigabegrund die Unbegründetheit der Klage vorsehen. Das Gesetz drückt sich hinsichtlich der dazu notwendigen Darlegung damit gegenüber der prozessualen Situation in der Hauptsache genau gegensätzlich, nämlich negativ aus. Angesichts dieser Fassung bedarf der Klärung, ob hier der Kläger die Begründetheit der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage darzutun und zu beweisen hat oder ob die Gesellschaft eine Behauptungslast negativer Art trifft, sie also Gründe darzutun hat, welche die Annahme der Rechtmäßigkeit des Beschlusses beinhalten. Zweitens: Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ist nur im Bereich der Verhandlungsmaxime von Bedeutung.14 Unter dem Amtsermittlungsgrundsatz ist die Beibringungslast der Parteien eine andere. Deswegen muss ermittelt werden, welche Prozessmaxime im Freigabeverfahren gilt. Anlass hierzu besteht trotz der Ausgestaltung als einem Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit deswegen, weil das Freigabeverfahren das Eintragungsverfahren ergänzt, welches als Verfahren der freiwilligen Ge11
S. dazu bereits o. § 3 B. I. 2. b). Jauernig, ZPO, 28. Aufl., § 50 I; Im Prozessrecht wird es als Last bezeichnet, wenn ein Verhalten in das Belieben einer Partei gestellt wird und es ihr überlassen bleibt, ob sie dieses unternimmt oder ablehnt und die Nachteile in Kauf nimmt, die sich dann ergeben (vgl. Musielak, Grundkurs ZPO, 7. Aufl., Rn. 402). 13 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., § 114 III 1. 14 Jauernig, ZPO, 28. Aufl., § 50 I u. II. 12
§ 23 Grundfragen im Umgang mit dem Hauptsacherecht
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richtsbarkeit dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegt (§§ 12 FGG a. F./26 FamFG). Drittens lässt sich trotz der Unterscheidung zwischen Darlegungsund Beweislastverteilung einerseits und Beweiserhebung wie Beweiswürdigung anderseits zwischen beidem ein Zusammenhang dergestalt beobachten, dass die erstere Beeinflussungen durch die letztere unterliegt. So ist die Darlegungs- und Beweislastverteilung teilweise das Ergebnis einer Interessenabwägung i. S. d. Verfahrensgleichheit. Sie erfolgt zwar prinzipiell im materiellen Recht, aber ausnahmsweise auch auf verfahrensrechtlicher Ebene. Bei der Beweislastumkehr handelt es sich zumeist um den Versuch, die aus der Sachnorm folgende Vorgabe der Behauptungslastverteilung im Prozess anzupassen, um eine daraus erwachsende Beweisnot durch Beweiserleichterungen oder Beweislastumkehr zu lindern oder zu beheben. Daran, wie an den Vorschlägen einer Verteilung nach konkreten15 oder abstrakten Wahrscheinlichkeiten16 wird deutlich, dass die Darlegungs- und Beweislast nicht uneingeschränkt von der in der richterlichen Beweiswürdigung liegenden Wahrscheinlichkeitsbetrachtung zu trennen ist. Für die vorliegende Problematik ist das insoweit von Bedeutung, weil die Erwartung einer allen Zweifeln Einhalt gebietenden Darlegung der Unbegründetheit der Anfechtungsklage eher von einer über große Sachnähe verfügenden Partei zu erwarten ist. Verbunden mit der Verkehrung der Parteirollen könnte dieser Umstand ebenfalls dazu führen, abweichend von der Hauptsache, der Gesellschaft die Darlegungslast aufzuerlegen.
C. Zusammenfassung und Untersuchungsprogramm Die gesetzlichen Regelungen der §§ 16 III UmwG, 246a, 319 VI, 327e II AktG benennen mit der Unzulässigkeit, der „offensichtlichen“ Unbegründetheit der Klage und der Glaubhaftmachung der dahingehender Behauptungen drei von ihrer Bedeutung nicht deckungsgleiche Prüfungsmerkmale, die in Einklang gebracht werden müssen. Dies erfordert zunächst, das Verhältnis von Unzulässigkeit und Unbegründetheit zu betrachten. Daher soll insbesondere zu der Streitfrage Stellung genommen werden, welcher Rechtsnatur die Anfechtungsbefugnis ist. Zugleich sollen in diesem Zusammenhang wesentliche Gesichtspunkte der Zulässigkeitsprüfung im Freigabeverfahren beleuchtet werden. Die Notwendigkeit, die gesetzlichen Vorgaben der Hauptsacheprüfung im Freigabeverfahren in Einklang zu bringen, entsteht im Wesentlichen durch dem Merkmal der Glaubhaftmachung und dem Offensichtlichkeitskriterium innewohnende Widersprüche. Die in Rechtsprechung und Lehre insoweit im Vordringen befindliche Ansicht folgert hieraus ein im Gegensatz zur Glaub15
Kegel, in FS Kronstein (1967), S. 321, 335 ff. Reinecke, Die Beweislastverteilung im Bürgerlichen Recht und im Arbeitsrecht (1976), S. 35 ff. 16
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3. Teil: Freigabegründe
haftmachung hohes Maß an richterlicher Überzeugung. Dagegen bezieht die Gegenposition das Merkmal auf die leichte Erkennbarkeit der Unbegründetheit der Rüge. Das würde zu einer deutlichen Verengung des Anwendungsbereichs der Freigabe führen. Daher gilt es, in einem nächsten Schritt den Bedeutungsgehalt der „offensichtlichen Unbegründetheit“ zu klären. Angesichts des Abstellens der gesetzlichen Regelungen auf die Unbegründetheit der Klage steht das Offensichtlichkeitskriterium mit der Darlegungsund Beweislastverteilung in Wechselwirkung. Daher ist sie ebenfalls in die Frage des Prüfungsmaßstabs im Freigabeverfahren mit einzubeziehen.
§ 24 Unzulässigkeit und offensichtliche Unbegründetheit A. Verhältnis von Unzulässigkeit und Unbegründetheit der Klage Die Untersuchung ist mit der Frage nach dem Verhältnis von Unzulässigkeit und offensichtlicher Unbegründetheit der Klage zu beginnen. Liegt ein Schwerpunkt der Erfolgsprüfung in der Zulässigkeit der Klage, so würden sich die aus dem Offensichtlichkeitskriterium folgenden Fragen zumindest relativieren. Denn nach der gesetzlichen Regelung soll das Gericht die Zulässigkeit der Klage abschließend zu prüfen haben.17 I. Zuordnung der klagebezogenen Voraussetzungen der §§ 241 ff. AktG 1. Meinungsstand Gegenstand der Zulässigkeitsprüfung im Beschlussmängelprozess bilden nach überwiegender Anschauung in Rechtsprechung und Lehre allein die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen nach der Zivilprozessordnung. Nur in Einzelfragen, so namentlich bei der Verweisung des Klägers in das Spruchverfahren, insbesondere durch § 243 IV 2 AktG, wird teilweise angenommen, hiermit sei bereits eine Klagevoraussetzung geregelt.18 Insbesondere die Anfechtungsbefugnis gehört nach ständiger Rechtsprechung und h. M. im Schrifttum nicht zur Zulässigkeit der Klage.19 Fehlt es an einer der Voraussetzungen der §§ 241 ff. AktG so soll sie daher stets als unbegründet abzuweisen sein. Nach anderer Ansicht liegt hierin ein fehlerhaftes Verständnis der Anfechtungsbefugnis. Diese sei, ebenso wie die Verfristung der Anfechtungs17 Vgl. auch Büchel, in Liber amicorum Happ (2006), S. 1, 9; Harbarth, GmbHR 2005, 966, 970; Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 246a Rn. 2; Sosnitza, NZG 1999, 965, 968. 18 Dazu sogleich u. II. 19 Vgl. RGZ 123, 204, 207; OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 443, 451; OLG Hamm, NZG 2001, 563, 564; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 246 Rn 20; ders., in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 245 Rn. 3; Kindl, ZGR 2000, 166, 182 f.; Neumann/Siebmann, DB 2006, 435; Noack, AG 1989, 78, 83; Tielmann, ZIP 2002, 1879, 1880; Zöllner, in KölnKomm, AktG, § 245 Rn. 2.
§ 24 Unzulässigkeit und offensichtliche Unbegründetheit
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klage oder ihr Missbrauch prinzipiell als Unzulässigkeitsgrund zu deuten.20 Ausgangspunkt hierfür ist die Einordnung der Anfechtungsbefugnis als rein prozessualer Befugnis, deren Besonderheit darin bestehen soll, Hauptversammlungsbeschlüsse auf ihre objektive Vereinbarkeit mit dem materiellen Recht prüfen lassen zu dürfen.21 Nur wo der Aktionär durch den angegriffenen Beschluss tatsächlich in seinen subjektiven Rechten verletzt sei, diene die Anfechtungsklage auch zur Wahrung seiner Rechte und zur Abwehr von Übergriffen der Mehrheit. Die Gegenposition differenziert dabei in zweifacher Weise, nämlich zum einen hinsichtlich des gerügten Beschlussmangels und zum anderen hinsichtlich der notwendigen Darlegung. So soll die Anfechtungsbefugnis bei Eingriffen in die Mitgliedschaft wegen ihrer subjektiv rechtlichen Funktion zugleich materielle Bedeutung haben (doppelrelevante Voraussetzung). Ihr Fehlen führt zur Abweisung wegen Unbegründetheit der Klage. Bei der Rüge der Verletzung drittschützender Normen tritt der Aktionär dagegen als Anwalt der Interessen der Gläubiger oder der Allgemeinheit auf, was nur als prozessuale Befugnis, wohl i. S. e. gesetzlichen Prozessstandschaft verstanden werden kann. In diesem Fall handelt es sich stets um eine Zulässigkeitsvoraussetzung. Die Differenzierung nach den Darlegungen zeigt sich vor allem im Fall des § 245 Nr. 3 AktG. So soll die Klage eines Aktionärs, dessen Anfechtungsbefugnis nicht nach § 245 Nr. 1 und 2 AktG begründet ist nur zulässig sein, wenn nach seinem Vortrag ein Sondervorteil „ernstlich“ in Betracht kommt. Ob sie begründet ist, hängt davon ab, ob er tatsächlich vorliegt.22 2. Stellungnahme Zu folgen ist der als herrschend zu bezeichnenden Sicht, wonach sich aus den §§ 241 ff. AktG keine sachurteilsbezogenen Voraussetzungen ergeben. Zwar geht die Gegenansicht von der zutreffenden Beobachtung aus, dass die Beschlussmängelklage eine zweifache, nämlich die objektivrechtliche Beanstandungsfunktion (Polizeifunktion)23 und subjektivrechtliche Abwehrfunktion haben kann. Die daran geknüpfte Schlussfolgerung erscheint jedoch verfehlt. Insoweit hat man zunächst zu bedenken, dass der Kläger in beiden Fällen ein eigenes Recht geltend macht, nämlich Beeinträchtigungen seiner Rechtsstel20
Vgl. Pflugradt, Leistungsklagen zur Erzwingung rechtmäßigen Vorstandsverhaltens in der Aktiengesellschaft (1990), S. 89 ff., 93; zust. Roth, in FS Henckel (1995), S. 707, 710; Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 245 Rn. 2 u. § 246a Rn. 17; S. auch LG Hanau AG 1996, 90, wo die Einhaltung der Anfechtungsfrist zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen gezählt wird; ferner OLG Düsseldorf, AG 1991, 444. 21 Ausführlich Pflugradt, Leistungsklagen zur Erzwingung rechtmäßigen Vorstandsverhaltens in der Aktiengesellschaft (1990), S. 65 ff. u. 79 ff.; zusammenfassend Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 245 Rn. 1 f.; ähnlich auch Radu, ZIP 1992, 303, 310: Anfechtungsklage abstraktes Normenkontrollverfahren. 22 So Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 245 Rn. 2. 23 Dazu noch Habersack/Stilz, ZGR 2010, 710, 712 ff.
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3. Teil: Freigabegründe
lung durch eine rechtswidrige Willensbildung des Verbands abzuwehren.24 Daran hat er mitunter auch deswegen ein konkretes Eigeninteresse, weil die negativen Folgen einer lediglich objektiv rechtswidrigen Beschlussfassung sich mittelbar auf seine Rechtspositionen als Mitglied auswirken können. Die Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdnutz der Klage lässt sich also nicht immer durchhalten. Sodann ist zu berücksichtigen, dass sich den gesetzlichen Regelungen der §§ 241 ff. AktG keinerlei Hinweis entnehmen lässt, es handele sich beim Anfechtungsrecht teilweise um eine rein prozessuale Befugnis. Abgesehen davon fügt sich eine solche Annahme auch nicht in die Systematik der aktienrechtlichen Beschlusskontrolle ein. Hintergrund und Zweck der herrschenden Meinung liegen im Wesentlichen in dem Ausschluss solcher Vorschriften der ZPO, die der Wirkung der Anfechtungsfrist entgegenstehen können. Dazu gehören insbesondere die Regeln über die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (§§ 230 ff. ZPO). Die Einordnung des § 246 I AktG als Begründetheitsvoraussetzung hat zur Folge, dass Mängel der Klageerhebung regelmäßig die materielle Präklusion des Anfechtungsrechts bewirken.25 Die praktisch wichtigste Fallgruppe bilden hierbei regelmäßig Zustellungsfehler, die sich entweder daraus ergeben, dass die Vertretung der Gesellschaft im Anfechtungsprozess durch Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam erfolgt (§ 246 II 2 AktG), die Zustellung aber nur an eines der beiden Organe erfolgt oder daraus, dass mit der AG der falsche Zustellungsadressat gewählt oder der Zustellungsort unrichtig bezeichnet wird.26 Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der ZPO kommen insoweit mittelbar im Rahmen der materiellen Präklusion zur Geltung. Eine unmittelbar zur Abweisung der Klage als unzulässig führenden Anwendung besteht im Wesentlichen nur hinsichtlich des Einwands der anderweitigen Rechtshängigkeit (§ 261 Nr. 3 ZPO) oder der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. Sie kann sich insbesondere bei Gesellschaften mit Doppelsitz ergeben.27 Die Gegenposition hätte zur Folge, dass die Anfechtungsfrist durch Anwendung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand in vielen Fällen leer laufen würde. Das mag aus ihrer Sicht konsequent und zu begrüßen sein, weil sich hieraus eine Erweiterung der Kassation solcher Beschlüsse ergäbe, die primär Drittin24
Darin unterscheidet sich die Beschlussmängelklage grundlegend von anderen Formen der Aktionärsklagen, namentlich der aus der Holzmüller Entscheidung abgeleiteten Kompetenzschutzklage, vgl. Schwab, Prozeßrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten (2005), S. 8 ff u. 111 ff. 25 Beispiel: LG München DB 2005, 1731. 26 Vgl. KG AG 2005, 583; ferner gelten namentlich die Regeln über die Ersatzzustellung nach § 178 ZPO hinsichtlich des Aufsichtsrats nur sehr eingeschränkt, wenn die Klage im Geschäftslokal der beklagten Gesellschaft niedergelegt wurde. Vgl. zur Problematik BGH AG 1989, 399; Tielmann, ZIP 2002, 1879, 1880 ff. (zur AG); ders., in Happ, Aktienrecht, 2. Auflage, 18.01 Rn. 7 ff. (S. 1742 ff.); ferner Nietsch, GmbHR 2004, 1518 (zur GmbH). 27 Vgl. LG Berlin AG 1995, 41; LG Bonn AG 1995, 44; dazu Bork, ZIP 1995, 609 ff.
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teressen zuwiderlaufen. Dabei würde jedoch übersehen, dass das Gesetz auch diese dem § 246 I AktG unterwirft und damit der Rechtssicherheit den Vorrang einräumt, sofern es sich nicht ausnahmsweise um Nichtigkeitsgründe handelt. Im Ergebnis unterfallen die Verfahrensvoraussetzungen der Anfechtungsfrist und der Anfechtungsbefugnis damit der Begründetheitsprüfung und sind an dem dafür geltenden Maßstab im Freigabeverfahren zu messen. II. „Klageausschluss“ durch Verweisungen ins Spruchverfahren Zweifelhaft erscheint allein, ob bestimmte Rügen in Abweichung von dem eben genannten Grundsatz als Sachurteilsvoraussetzungen zu qualifizieren sind. Das gilt insbesondere im Zusammenhang mit der Behauptung fehlerhafter Umtauschverhältnisse bzw. unangemessener Ausgleichs- und Abfindungszahlungen und bei wertbezogenen Informationsmängel. Teile der Literatur sprechen für diese Art von Rügen davon, dass Beschlussmängelklagen unzulässig sind.28 Mitunter scheint es sich hierbei eher um die Kennzeichnung einer Generalausnahme von der Anfechtbarkeit zu handeln. Teilweise ist damit allerdings eindeutig die Unzulässigkeit im prozessualen Sinne gemeint.29 Dem Kläger sei hier vorzuwerfen, er habe den falschen Rechtsweg gewählt. Dafür könnte sprechen, dass die einschlägigen Vorschriften als Abgrenzungskriterien zur Regelung der Statthaftigkeit von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage einerseits und dem Spruchverfahren als Kompensationsverfahren andererseits bzw. als Rechtswegzuweisung anzusehen sein könnten. Verstehen könnte man sie auch als negative Sachurteilsvoraussetzungen, also Rügen, für die die Sachentscheidung in einem Beschlusskontrollverfahren per se nicht (mehr) vorgesehen, das Institut der Unwirksamkeitsklage also zurückgenommen ist.30 Eine dahingehende Zulässigkeitsvoraussetzung hätte den die Prüfung vereinfachenden Vorteil, dass eine auf die genannten Umstände gegründete Unwirksamkeitsklage allein wegen der Art des gerügten Mangels abgewiesen werden könnte. Der Wortlaut der §§ 14 II, 195 II UmwG, 243 IV 2 AktG deutet allerdings nicht auf eine Prozessvoraussetzung hin. Denn wenn es heißt, die Klage könne 28 Bork, in Lutter (Hrsg.) UmwG, 3. Aufl., § 14 Rn. 15 unter Berufung auf Grunewald, in Geßler/Eckhardt/Hefermehl/Kropff, AktG, § 352c Rn. 4; Brandner/Bergmann, in FS Bezzenberger (2000), S. 59, 63; Buchta/Saase, DStR 2004, 958, 959; zust. Fuhrmann/Linnertz, ZIP 2004, 2306 f.; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 243 Rn. 47b; Marsch-Barner, in Kallmeyer (Hrsg.) UmwG, 3. Aufl., § 14 Rn. 13; so wohl auch Stratz, in Schmitt/Hörtnagel/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 14 Rn. 21 ff., der von „Statthaftigkeit“ der Klage spricht (vgl. Rn. 27); a. A. ohne Begründung Gehling, in Semler (Hrsg.), UmwG, § 14 Rn. 30; vgl auch OLG Stuttgart AG 2004, 456, 457, das von einem materiellen Klageverbot spricht; krit. Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 246a Rn. 2, § 243 Rn. 70 ff. 29 So zumindest Buchta/Saase, DStR 2004, 958, 959. 30 Vgl. zu einer solchen, negativen Entscheidung der Statthaftigkeit auch die Auffassungen von BGH AG 2006, 540 zur mangelnden Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde im Freigabeverfahren.
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3. Teil: Freigabegründe
auf die genannten Mängel „nicht gestützt“ werden, so deutet dies auf eine im Rahmen der Begründetheit zu beachtende Einschränkung materiellrechtlichen Charakters hin. Sollte eine Zulässigkeitsregelung im Sinne einer abdrängenden Spezialzuweisung gewollt gewesen sein, so wäre zu erwarten gewesen, dass sich der Gesetzgeber den dafür üblichen Formulierungen bedient hätte.31 Als weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu, dass der Klageausschluss nach diesen Vorschriften die dort genannten Rügen zumindest im Fall des § 243 IV 2 AktG nicht kategorisch betrifft, so dass eine wertbezogene Informationspflichtverletzung nicht nur zur Rechtswidrigkeit, sondern auch zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führen kann, was nur im Rahmen der Begründetheit zu klären ist.32 Darüber hinaus lässt sich aber auch für die §§ 14 II, 195 II UmwG zweifeln, ob ein evident unangemessenes Angebot oder ein Fehlen des Angebots die Anfechtung ausschließen. Teilweise ergibt sich auch schon aus gesetzlichen Bestimmungen, dass ausgleichsbezogene Regeln die Wirksamkeit des Beschlusses betreffen (vgl. § 304 III AktG zur Nichtigkeit des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags wegen fehlenden Ausgleichs).33 Im Ergebnis begründen die §§ 14 II, 195 II UmwG, 243 IV 2 AktG daher keinen Einwand gegen die Zulässigkeit der Anfechtungsklage.34 Im Freigabeverfahren sind sie folglich ebenfalls nicht nach den für die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit der Klage geltenden Maßstäben zu prüfen.35 III. Mangelndes Rechtsschutzbedürfnis Wie jede Klage setzt auch die Anfechtungsklage ein Rechtsschutzbedürfnis voraus.36 Sein Fehlen führt zur Unzulässigkeit der Klage. Ob hieraus ein Freigabegrund folgt, erscheint indessen fraglich. So werden an das Rechtsschutzbedürfnis bei der Anfechtungsklage regelmäßig keine besonderen Anforderungen gestellt. Wie die Rechtsprechung betont, ist die gesellschaftsrechtliche Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage als Instrument zur Kontrolle der Gesetzund Rechtmäßigkeit des Organhandelns einer Kapitalgesellschaft ausgestaltet und in die Hände der Gesellschafter gelegt, so dass sich das Rechtsschutzbe31 Vgl. etwa § 40 II 1 VwGO, der hinsichtlich bestimmter vermögensrechtlicher Ansprüche eine Rechtswegspaltung zur ordentlichen Gerichtsbarkeit anordnet. 32 So etwa, wenn die Unangemessenheit der Information auf kollusivem Verhalten der Vorstände der beteiligten Unternehmen beruht (OLG Düsseldorf, ZIP 1999, 793, 794; abl. Bork, in Lutter (Hrsg.) UmwG, 3. Aufl., § 14 Rn. 15). Nach Auskunft des Gesetzgebers soll ebenfalls in „extremen Fällen“ der Totalverweigerungen von Informationen das Anfechtungsrecht als zusätzliches Schutzinstrument erhalten bleiben, um zu verhindern, dass das Auskunftsrecht in gravierendem Ausmaß und bewusst missachtet wird (Vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092 S. 26; vgl. auch OLG Hamburg AG 2003, 441, 444. 33 Vgl. etwa Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 304 Rn. 20. 34 Wie hier im Ergebnis auch Noack, ZHR 170 (2006), 218, 220; Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 246 Rn. 2. 35 So auch Noack, ZHR 170 (2006), 218, 243. 36 Hüffer, AktG, 7. Aufl., § 246 Rn. 9.
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dürfnis für eine solche Klage bereits daraus ergibt, dass ihre Erhebung der Herbeiführung eines Gesetz und Satzung entsprechenden Rechtszustandes dient.37 Anderes soll nach im Schrifttum vertretener Auffassung gelten, wenn die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses keine Auswirkungen auf die Sach- oder Rechtslage hat,38 was z. B. denkbar ist, wenn es sich um einen nicht konstitutiv wirkenden Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung zu einem Rechtsgeschäft handelt39 oder die Beschlusswirkung entfällt, so dass sich die Hauptsache erledigt.40 Auch die Rechtsprechung neigt bei einem Wegfall der Beschlusswirkungen zur Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses,41 übt wegen der von dem Beschluss möglicherweise ausgehenden faktischen Wirkungen aber weitgehende Zurückhaltung.42 Diese Grundsätze gelten zwar auch für Beschlussgegenstände, die freigegeben werden können.43 In der Regel wird die Gesellschaft in den einschlägigen Fällen aber ein solches nicht (mehr) betreiben wollen und auch nicht können, weil sich mit dem Interesse an der Beschlussdurchführung zugleich auch ihr Rechtsschutzbedürfnis im Freigabeverfahren erledigt. IV. Ergebnisse Die Entscheidung über die Anfechtungsklage setzt das Vorliegen der allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen voraus. Die formellen Anforderungen der Beschlussmängelklage, namentlich die Anfechtungsbefugnis und die Anfechtungsfrist, gehören nicht zu den Sachurteilsvoraussetzungen. Ihr Fehlen führt zur Abweisung der Klage als unbegründet. Sie sind daher nach dem dafür vorgesehenen Prüfungsmaßstab in Freigabeverfahren zu beurteilen. Gesetzliche Verweisungen auf das Spruchverfahren sind ebenfalls nicht als zur Zulässigkeit zu zählende, abdrängende Spezialzuweisungen anzusehen und führen ebenfalls zur Unbegründetheit der Klage. Theoretisch besteht die Möglichkeit, dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage als Zulässigkeitsvoraussetzung 37 BGHZ 43, 261, 265 f.; 70, 117, 118; 107, 296, 308; BGH WM 2004, 2207; OLG Jena AG 2006, 417, 418; OLG Köln AG 2004, 39; zu dem Anspruch des Mitglieds auf rechtmäßiges Beschlussverhalten des Verbands aus dem Schrifttum Habersack, Mitgliedschaft (1996), S. 229 f.; 286 ff.; 296 f.; K. Schmidt, in FS Stimpel (1985), S. 217, 222. 38 So K. Schmidt, in Großkomm Akt, 4. Aufl., § 246 Rn. 60; ähnlich Zöllner, in KölnKomm AktG, § 246 Rn. 27; zu der Rechtslage bei Bestätigungsbeschluss vor Einführung des § 244 AktG BGHZ 21, 354. 39 Vgl. BGH WM 2004, 2207. 40 Vgl. LG Frankfurt AG 2003, 534 (Rücktritt vom Verschmelzungsvertrag nach Anfechtung des Verschmelzungsbeschlusses); BayObLG ZIP 2004, 2190 (zum Bestellungsverfahren nach § 104 AktG). 41 Vgl. LG Hamburg, WM 1994, 1165, 1166 f wegen Unmöglichkeit der Beschlussdurchführung nach endgültiger Rücknahme der Eintragungsanmeldung. 42 OLG Jena AG 2006, 417, 418; vgl. auch OLG Schleswig ZIP 2007, 2214, 2215; offengelassen von BGH WM 2004, 2207. 43 LG Frankfurt AG 2003, 534 (Verschmelzung); LG Hamburg WM 1994, 1165, 1166 (Kapitalerhöhung).
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3. Teil: Freigabegründe
entfällt. Bei Anhängigkeit eines Freigabeverfahrens scheidet diese aber aus sachlogischen Gründen aus. Für die Freigabe wegen Unzulässigkeit der Klage verbleibt es damit bei einem Mangel der allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen. Bei nachholbaren Zulässigkeitsmängeln ist dem Kläger jedoch Gelegenheit zur Herstellung der Sachurteilsvoraussetzungen zu geben.44 Damit hat die Freigabe wegen Unzulässigkeit der Klage praktisch keine Bedeutung und der Blick richtet sich auf die Voraussetzungen für die Feststellung ihrer Unbegründetheit.
B. Bedeutung des Offensichtlichkeits-Merkmals Für die Feststellbarkeit der Unbegründetheit unter den Bedingungen des Freigabeverfahrens kommt es entscheidend darauf an, welche Bedeutung das damit verbundene Offensichtlichkeitsmerkmal hat. Eine Stellungnahme zu den bisher vorzufindenden Annahmen hat zunächst vom objektiven Bedeutungsgehalt des Wortlauts unter Berücksichtigung des Bedeutungsgehalts in anderen Regelungszusammenhängen auszugehen. I. Wortlaut 1. Objektiver Bedeutungsgehalt Der Begriff der Offensichtlichkeit steht im Deutschen in Sinnverwandtschaft mit Worten wie „offenbar“, „offenkundig“, „augenscheinlich“, „sichtlich“, „sichtbar“, „deutlich“, sowie auch „manifest“, „eklatant“, „handgreiflich“.45 Er beschreibt damit einen Vorgang der Wahrnehmung, der Erkenntnisgewinnung und wohl auch der Meinungsbildung, wobei dies in der Weise geschieht, dass es sich bei deren Bezugspunkt um einen einfach gelagerten Sachverhalt handelt. Keine unmittelbare Sinnverwandtschaft besteht dagegen mit dem Attribut der Zweifellosigkeit, wenngleich das Wort „zweifellos“ in einem Aussagesatz ähnlich wie das Wort „offenbar“ dazu dient, die Fraglosigkeit, Gewissheit, Unbestreitbarkeit oder Richtigkeit der Erkenntnis- und Überzeugungsbildung zu unterstreichen. Der objektive Bedeutungsgehalt des Offensichtlichkeits-Merkmals deutet demgemäß in zweifacher Hinsicht in die Richtung der ursprünglich für seinen Sinn im Freigabeverfahren vertretenen Ansicht, nämlich einmal hinsichtlich seines Bezugsschwerpunkts (Erkenntnisbildung) und zweitens ihrer geringen Aufwendigkeit. Daraus ergibt sich auf den ersten Blick ein Gegenindiz zur h. M., nach der es für das Merkmal der „offensichtlichen Unbegründetheit“ auf den Prüfungsaufwand nicht ankomme und die zweifelsfreie richterliche Überzeugung gefordert sei. 44
Näher o. § 3 A. II. Vgl. Duden, Synonymwörterbuch (2007) hinsichtlich der Worte „offensichtlich“ und „offenbar“. 45
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2. Bedeutungsgehalt in anderen Regelungszusammenhängen Da der rechtliche Sprachgebrauch funktionsspezifisch vom allgemeinen Sprachgebrauch abweicht, fragt sich, ob ein exemplarischer Vergleich mit anderen Verwendungsformen diese Bedeutung bestätigt. a) Nichtigkeit nach § 44 I VwVfG Zu denken ist hierbei an die Nichtigkeit des Verwaltungsakts nach § 44 I VwVfG. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände „offensichtlich“ ist. Die Folge eines solchen Mangels besteht in der Ausnahme zu dem Grundsatz, wonach auch ein rechtswidriger Verwaltungsakt grundsätzlich wirksam ist (fehlerunabhängige Rechtswirksamkeit).46 Beide Voraussetzungen des § 44 I VwVfG, also Schwere des Mangels und Offensichtlichkeit müssen kumulativ vorliegen (Evidenztheorie).47 Allerdings lässt sich eine unterschiedliche Gewichtung im Einzelfall beobachten. Wie das BVerwG in ständiger Rechtsprechung feststellt, reicht für die Annahme eines schwerwiegenden Fehlers die Verletzung einer wichtigen Rechtsvorschrift für sich allein nicht aus. Der von dem Fehler betroffene Verwaltungsakt müsse vielmehr „schlechterdings unerträglich“, d. h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen unvereinbar sein.48 Nur dann hat das Prinzip der Rechtssicherheit, welches den Bestand des Verwaltungsakts trotz möglicher Rechtsfehler rechtfertigt, dem Prinzip der materiellen Gerechtigkeit zu weichen. Die Evidenz bestimmt sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Betroffenen und auch nicht nach dem Erkenntnisvermögen eines geschulten Juristen, sondern nach der Betrachtung eines aufmerksamen und verständigen Bürgers. Erforderlich ist dazu im Ausgangspunkt die Prüfung, ob der Fehler bei einfacher Sach- und Rechtslage einem juristisch nicht geschulten Durchschnittsbürger auffallen würde. Die in diesem Zusammenhang genannten Beispiele49 verdeutlichen, dass es sich hierbei um eng begrenzte Ausnahmen handelt. Gleichwohl ist „Evidenz“ nicht immer mit „Offensichtlichkeit“ gleichzusetzen. Teilweise kann Nichtigkeit angenommen werden, obwohl Zweifel an der schwerwiegenden Rechtswidrigkeit bestehen. Dazu nennt § 44 II VwVfG einige Rechtsverstöße. Im Übrigen wird die Evidenz teilweise bei 46
Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl., § 9 IV. 2. Anders noch die früher vertretene „Schweretheorie“, die zur Bejahung der Nichtigkeit lediglich darauf abstellte, ob die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes so schwer wiegt, dass ein schützenswertes Vertrauen in die Richtigkeit des Aktes nicht mehr bestehen kann, dazu: Montag, JUS 1992, 645; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl., § 10 IV. 1. a). 48 BVerwG DVBl. 1985, 624; BVerwGE 104, 289, 296; krit. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl., § 10 IV. 1. b). 49 Genannt werden Einberufungsbescheid für eine Frau oder Kündigung eines Beamten, vgl. Montag, JuS 1992, 645. 47
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komplizierten Sachverhalten auch dann bejaht, wenn eine mit dem öffentlichen Recht vertraute Bezugsperson die Fehlerhaftigkeit sofort erkannt hätte.50 Das lässt gegenüber dem allgemeinen Sprachgebrauch und der Grundsatzposition einen gewissen Raum, was aber dadurch gerechtfertigt erscheint, dass das Gesetz von „verständiger“ Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände spricht und die Entscheidung darüber (und über die Notwendigkeit der Anfechtung) nicht stets dem Adressaten des Verwaltungsakts aufgebürdet werden kann. Als Fazit lässt sich dem entnehmen: § 44 I VwVfG verwendet das Kriterium der offensichtlichen Mangelhaftigkeit des Verwaltungsakts zunächst weitgehend im allgemeinen Wortsinn. In der Tendenz sind einer in die Tiefe gehenden Prüfung daher Grenzen gesetzt, was neben der geforderten Schwere des Fehlers in aller Regel seine sofortige Erkennbarkeit erfordert. Eine Ausnahme besteht bei einem von vornherein komplizierten Sachverhalt, für den es auf die verständige Würdigung ankommt, welche nur durch einen qualifizierten Betrachter erfolgen kann. b) A-limine-Abweisung nach § 24 Satz 1 BVerfGG aa) Offensichtliche Unbegründetheit in der Rechtsprechung des BVerfG Das wohl einzige Beispiel für die Verwendung des Begriffs der offensichtlichen Unbegründetheit in einem summarischen Verfahren findet sich in § 24 S. 1 BVerfGG. Nach dieser Vorschrift können unzulässige oder offensichtlich unbegründete Anträge durch einstimmigen Beschluss des Gerichts verworfen werden (sog. A-limine-Abweisung). Die Definition der Offensichtlichkeit durch die Kommentarliteratur verhält sich hier ähnlich wie die ursprüngliche Auffassung im Zusammenhang mit dem Freigabeverfahren. Sie soll vorliegen, wenn das Gericht, ohne dass es einer weiteren Klärung des Sachverhalts bedürfe, vernünftigerweise keinen Zweifel an der mangelnden Begründetheit des Antrags haben kann.51 Das BVerfG hat von der Möglichkeit des abgekürzten Verfahrens insbesondere anfänglich sehr häufig Gebrauch gemacht.52 Dabei hat es – wie heute – den Begriff der Offensichtlichkeit gegen das Schrifttum stets weit ausgelegt. Die Offensichtlichkeit muss sich zunächst nicht bereits aus der Antragsschrift ergeben. Maßgebend ist, dass das Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung der Auffassung ist, dass – über das von den Parteien Vorgetragene hinaus – kein 50 Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht (1988), § 20 Rn. 161; zust. Montag, JuS 1992, 1197, 1198. 51 Vgl. Lechner/Zuck, BVerfGG, 5. Aufl., § 24 Rn. 17; Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Bethge, BVerfGG, Loseblatt, 23. Ergänzungslieferung, Stand Januar 2004, § 24 Rn. 19; vgl. auch Biskup, ThürVBl. 1999, 49, 50 f. 52 So sind im ersten Band mit 49 Entscheidungen mehr als die Hälfte der prozessbeendenden Entscheidungen nach § 24 BVerfGG ergangen. Im 13. Band befinden sich unter 35 Entscheidungen nur 3 Entscheidungen nach § 24 BVerfGG, vgl. Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Bethge, BVerfGG, Loseblatt, 23. Ergänzungslieferung, Stand Januar 2004, § 24 Rn. 2.
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Gesichtspunkt erkennbar ist, der dem gestellten Antrag zum Erfolg verhelfen könnte.53 In seiner Rechtsprechungspraxis bejaht es die Voraussetzung der „offensichtlichen“ Unbegründetheit regelmäßig auch nach mitunter sehr ausführlichen rechtlichen und tatsächlichen Vorprüfungen, in denen es eine detaillierte Auseinandersetzung mit den in Betracht kommenden Beschwerdegegenständen betreibt.54 Daran wird deutlich, dass es sich bei dem Offensichtlichkeits-Kriterium keineswegs um eine Einstufung des Antrags als erkennbar oder grob mangelhaft handelt. Diese Praxis ist im Schrifttum zwar überwiegend auf Kritik gestoßen. Indessen zeigt der auch hier im Wesentlichen unbestritten weite Anwendungsbereich der A-limine-Abweisung auf sämtliche Verfahrensarten nach dem BVerfGG, dass die Offensichtlichkeit im Ergebnis nicht im eigentlichen Wortsinn verstanden wird. Deutlich wird dies insbesondere bei der Anwendung auf die konkrete Normenkontrolle. Auch hier kann sich die Anrufung des BVerfG als „offensichtlich“ unbegründet erweisen.55 Das geschieht dann, obwohl die Vorlage durch ein Gericht erfolgt, Sachkunde und eingehende Prüfung der möglichen Verfassungswidrigkeit also erwartet werden dürfen. Entsprechend der Verfahrensart und in Hinblick auf § 31 BVerfGG ist in diesem Fall zwar nicht zu verwerfen. Der Ausspruch, dass die Vorschrift, welche das Gericht für verfassungswidrig hält, mit dem GG vereinbar ist, ändert jedoch an dem Charakter der Abweisung nach § 24 S. 1 BVerfG nichts. bb) Folgerungsgehalt für die Beschlussfreigabe Die Diskussion um das Merkmal der offensichtlichen Unbegründetheit in § 24 S. 1 BVerfGG weist erkennbar Parallelen zum Freigabeverfahren auf. Einerseits gibt es Bestrebungen zu einer engen, am Wortsinn orientierten einschränkenden Norminterpretation, denen andererseits eine Rechtspraxis gegenübersteht, welche das Offensichtlichkeitserfordernis weitgehend relativiert und sich damit Spielraum eröffnet, im Bedarfsfall von der Abweisung im vereinfachten schriftlichen Vorverfahren umfassend Gebrauch zu machen. Um über eine in § 24 S. 1 BVerfGG möglicherweise liegende Richtungsweisung zu entscheiden, muss man sich die Funktion der A-limine-Verwerfung verdeutlichen: Sie liegt zunächst darin, das BVerfG zu entlasten, wenn der Antrag vornehmlich aus prozessualen Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat.56 Die Be53
BVerfG BayVBl. 1990, 750, 751. BVerfGE 82, 316, 319; 89, 291, 300; 89, 344, 345; 95, 1, 15; 97, 350; 97, 408; 103, 332, 358; bei BVerfGE 60, 175 umfasst die Begründung der „offensichtlichen“ Unbegründetheit 39 Seiten (vgl. den Hinweis von Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen, S. 112). 55 Lechner/Zuck, BVerfGG, 5. Aufl., § 24 Rn. 1. 56 Benda, NJW 1980, 2097, 2098; Lechner/Zuck, BVerfGG, 5. Aufl., § 24 Rn. 1; Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Loseblatt, 23. Ergänzungslieferung, Stand Januar 2004, § 24 Rn. 1. 54
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3. Teil: Freigabegründe
deutung des § 24 S. 1 BVerfGG ist damit in erster Linie prozessökonomischer Natur. Sie dient keineswegs den Interessen der Beteiligten an einer baldigen Entscheidung oder der Wahrung des Rechtsfriedens, sondern den Belangen des BVerfG, nämlich der Bewältigung seiner – chronischen – Arbeitsüberlastung. Ob das Gericht davon Gebrauch macht, steht in seinem Ermessen.57 Beides bereitet einer freien Interpretation der Abweisungsvoraussetzungen des § 24 S. 1 BVerfGG den Boden, ohne dass man daraus Schlussfolgerungen für das Freigabeverfahren ziehen könnte. Bei der Würdigung der weiten Auslegung des Offensichtlichkeits-Merkmals der Vorschrift muss man sich sodann bewusst machen, dass es sich keineswegs um ein Instrument zur Verwerfung der überwiegenden Mehrzahl der Anträge, nämlich der Verfassungsbeschwerde, handelt. Gegenstand des § 24 S. 1 BVerfGG sind vielmehr mehrheitlich Organstreitverfahren und Bund-Länder-Streitigkeiten, also solche bei denen ein hinreichend substantielles Vorbringen erwartet werden darf. Die Bedeutung der vom allgemeinen Wortlaut abweichenden Auslegung des Offensichtlichkeitsmerkmals liegt allerdings wohl gerade bei der Verfassungsbeschwerde. Hier hat das BVerfG zur Erreichung des vorgenannten Zwecks neben § 24 S. 1 BVerfGG die Möglichkeit, die Annahme der Beschwerde zur Entscheidung nach §§ 93a/b BVerfGG abzulehnen oder nach § 93c I 1 BVerfGG zu verfahren, d. h. die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde als Kammerentscheidung entweder wegen Unzulässigkeit oder mangelnder grundsätzlicher Bedeutung oder weil dies nicht zur Durchsetzung der in § 90 BVerfGG genannten Rechte erforderlich erscheint abzulehnen bzw. umgekehrt mit Wirkung einer Senatsentscheidung der Verfassungsbeschwerde sogleich stattzugeben, wenn die maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden und sie offensichtlich begründet ist (§ 93c I 1 BVerfGG). Die §§ 93a ff. BVerfGG sind gegenüber § 24 S. 1 BVerfGG nicht subsidiär.58 Im Gegensatz zu ersteren erlaubt aber nur dieser bei der Abweisung eine Auseinandersetzung mit der Begründetheit des Antrags in Vollbesetzung (durch den Senat). Für das Konkurrenzverhältnis und eine Anwendung des § 24 BVerfGG wesentlich ist damit zum einen, dass es sich um eine öffentlich umstrittene Frage handelt, von der nicht nur der Beschwerdeführer betroffen ist und zum anderen es zur Herstellung des Rechtsfriedens erforderlich erscheint, eine Entscheidung des an sich für die Hauptsache zuständigen Spruchkörpers unter ausführlicher Begründung herbeizuführen.59 Die A-limine-Abweisung ist damit zwischen der Nichtannahme und der Sachentscheidung ein „dritter Weg“, welcher eine Auseinandersetzung mit der Begründetheit nicht nur ermöglicht, sondern nach der festzustellenden 57
Lechner/Zuck, BVerfGG, 5. Aufl., § 24 Rn. 1. Vgl. Biskup, ThürVBl. 1999, 49, 50. 59 Vgl. Biskup, ThürVBl. 1999, 49, 50 zu dem wohl anschaulichsten Beispiel der jüngeren Vergangenheit zur Verwerfung einer Verfassungsbeschwerde nach § 24 BVerfG, dem „Euro“Beschluss des BVerfG (BVerfGE 97, 350; 97, 408). 58
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Rechtspraxis des BVerfG geradezu bezweckt, so ist es nur allzu folgerichtig, von den Beschränkungen, wie sie dem Offensichtlichkeits-Kriterium an sich und nach Auffassung des Schrifttums innewohnen, abzusehen und sich soweit mit der Prüfung und Bescheidung des Antrags in der Sache zu befassen, wie das opportun erscheint.60 c) Fazit Der Vergleich mit § 24 S. 1. BVerfGG bestätigt, was sich schon bei § 32 BVerfGG gezeigt hat, nämlich, dass es die dem Verfassungsprozessrecht eigenen, spezifischen Wertungen sind, welche seine Begrifflichkeit und Methodik prägen. Anfänglich naheliegende Rückschlüsse auf die zivilprozessuale Norm erweisen sich dabei regelmäßig als schwierig. Sofern man eine Folgerung ziehen kann, ist es die, dass das Prozessrecht auch hier wegen seiner dienenden Funktion gegenüber dem materiellen Recht dessen spezifischen Bedeutungsgehalt berücksichtigen muss. Als Funktionselement zur prozessökonomischen Bewältigung verfassungsrechtlicher Streitverfahren lassen sich aus § 24 BVerfGG daher keine konkreten Schlussfolgerungen für die §§ 16 III UmwG, 246a, 319 VI, 327e II AktG ziehen. Was bleibt, ist einmal mehr die Erkenntnis, dass das Offensichtlichkeitsmerkmal in prozessualem Zusammenhang spezifisch, d. h. nicht notwendig nach seinem allgemeinen Bedeutungsgehalt ausgelegt werden muss. Daher ist im Folgenden eine am Normzweck orientierte Betrachtung vorzunehmen, also zu fragen, ob eine Begrenzung des Prüfungsmaßstabs bei der rechtlichen Würdigung sachlogisch zwingend oder durch den verbandsrechtlichen Regelungszusammenhang der Unbedenklichkeitsfeststellung geboten sein könnte. II. Normzweckspezifische Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals 1. Verhinderung missbräuchlichen Aktionärsverhaltens a) Bezugnahme in Rechtsprechung und Gesetzgebung Wie an anderer Stelle bereits angedeutet wurde, könnte die in dem Offensichtlichkeitskriterium angelegte Beschränkung der Begründetheitsprüfung aus dem Bestreben, mit dem Freigabeverfahren den Missbrauch des Rechts der Beschlussmängelklage sowie sonstiges missbräuchliches Aktionärsverhalten im Rahmen der Beschlussfassung bekämpfen zu wollen, zu erklären sein.61 Anhaltspunkte hierfür bestehen in mehrfacher Form: Erstens hat die für die Schaffung des Freigabeverfahrens grundlegende HypothekenbankschwesternEntscheidung die Überwindung der Registersperre im Grundsätzlichen wie das Offensichtlichkeitsmerkmal im Besonderen, gerade darauf bezogen und 60 61
Dazu noch sogleich u. II. 2. s. o. § 3 B I. 2. c) u. 3.
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3. Teil: Freigabegründe
als Grund der Eintragung genannt („wenn die Rechtsmissbräuchlichkeit der Klage offensichtlich ist“).62 Zweitens findet sich eine solche Bezugnahme auch in den Materialien zum UmwandlungsbereinigungsG.63 Auch der Gesetzgeber hat demnach im Zusammenhang mit der Unbegründetheitsfeststellung zumindest ursprünglich vorwiegend an die Verhinderung des Rechtsmissbrauchs der Anfechtungsklage gedacht und seine Ausführungen auf das dazu entwickelte Verständnis des BGH bezogen.64 Dafür spricht auch, dass das Problem bei den hier interessierenden Beschlüssen besonders Not tut.65 Die Gesellschaft befindet sich durch die formelle Registersperre des § 16 II UmwG und seiner Parallelvorschriften, letztlich aber auch durch die faktische Registersperre der §§ 127 FGG/381 FamFG in einer klassischen Hold Out-Situation, aus der sie sich schnell befreien muss, will sie nicht die Vereitelung des Vorhabens riskieren. In systematischer Hinsicht ist sodann drittens zu berücksichtigen, dass die Rechtsfolge des Missbrauchs in dem Verlust des materiellen Anfechtungsrechts besteht und damit zur Unbegründetheit führt.66 Das erklärt nicht nur das Abstellen auf diese, sondern auch die damit verbundene Verteilung der Darlegungs- und Beweislast.67 Denn wenn sich die antragstellende (beklagte) AG auf den Missbrauch der Anfechtungsbefugnis beruft, erhebt sie einen Einwand gegen dessen grundsätzlich bestehende Sachbefugnis. Demzufolge obliegt ihr, Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich der Missbrauch ergibt.68 Der bereits oben angedeutete Widerspruch zur Darlegungs- und Beweislastverteilung bei der Begründetheitsprüfung der Beschlussmängelklage69 würde sich hier zwanglos auflösen. b) Keine Gleichsetzung mit dem Offensichtlichkeitsmerkmal Obwohl das Merkmal der offensichtlichen Unbegründetheit im Freigabeverfahren damit erkennbare Zusammenhänge zu dem Einwand des Rechtsmissbrauchs des Anfechtungsklagerechts aufweist, lässt es sich nicht darauf reduzieren. Der Missbrauchseinwand ist ein Freigabegrund i. S. d. zweiten Tatbestandsalternative, aber weder der einzige noch der annähernd bedeutsamste. Das ergibt sich in grundsätzlicher Form, d. h. für die Beschlusskontrolle ins62
BGHZ 112, 9, 23; dazu bereits o. § 3 B. I. 3. BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699 S. 89. 64 Vgl. die Bezugnahme auf BGHZ 107, 296; BGH NJW-RR 1990, 340; ZIP 1990, 1569 in BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699 S. 89. 65 OLG Stuttgart AG 2003, 456, 457; zur Zurückweisung der verfassungsrechtlichen Bedenken bei Verschmelzungsbeschlüssen BVerfG WM 1990, 755. 66 BGH ZIP 1990, 168, 172; AG 1992, 448, 449; Hirte, BB 1988, 1469, 1474; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 245 Rn. 26; für Unzulässigkeit aber OLG Stuttgart AG 2001, 315; Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 245 Rn. 48. 67 S. § 25 B. 68 RGZ 146, 385, 396 f.; LG Hof, WM 1992, 2957, 2062; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 245 Rn. 25; Dörr, in Spindler/Stilz, AktG, § 245 Rn. 67. 69 s. o. § 23 B. 63
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gesamt aus der nur geringen Bedeutung und Eignung des Missbrauchseinwands für die sachgerechte Begrenzung des Anfechtungsrechts. So ist die von BGHZ 107, 296 verwirklichte Konzeption in ihrer Ausgestaltung zu eng auf die Missstände bei der Beschlusskontrolle zu Beginn der 1990er Jahre zugeschnitten, um den heute festzustellenden Auswüchsen und dem sich ändernden Klägerverhalten bestimmter Aktionärsgruppen gerecht zu werden. In ihrer Ausrichtung auf die Motive des Klägers ist die Gesellschaft darauf angewiesen, Indizien für die Missbrauchsabsicht des Klagerechts darzulegen. Die dabei anzuerkennenden Vorkommnisse lassen sich leicht vermeiden, ohne dass die Klage deswegen aus der redlichen Absicht der Beschlusskontrolle erhoben worden sein müsste. So gibt es kaum noch Kläger, die von sich aus Kontakt mit den Vertretern der Gesellschaft aufzunehmen versuchen, um über die finanzielle Abgeltung ihrer Klage zu verhandeln70 oder ihnen den Abschluss eines Beratungshonorars vorzuschlagen71 bzw. die auf andere Verfahren hinweisen, in denen es um „bestimmte Summen“ gegangen sei.72 Diesem Befund ist es zuzuschreiben, dass der Missbrauch des Anfechtungsrechts in casu zwar häufig und teilweise auch breit thematisiert, aber nur selten angenommen wird.73 Erst Recht erweist sich der Missbrauchseinwand nicht als Weg, die Eintragung im Freigabeverfahren zu ermöglichen. Denn legen die damit zu belegenden Kläger ihre Motive nicht offen und stützt sich eine dahingehende Folgerung ausschließlich auf Indizien, so sind diese in den seltensten Fällen im allgemeinen Wortsinn „offensichtlich“. Im Gegenteil sind die offenkundigen Tatsachen, namentlich die Bekanntheit als Berufskläger, nach heutigem Verständnis nicht mehr als tragfähige Missbrauchsindizien anerkannt. Es entspricht heute ganz überwiegender Auffassung, dass die Eigenschaft als „Berufskläger“ nicht die Missbräuchlichkeit der Anfechtungsklage indiziert und es auch keinen Rechtssatz des Inhalts „einmal Räuber – immer Räuber“ gibt.74 Denkbar ist zwar auch aus dem prozessualen Verhalten auf die Verwerflichkeit der Gesinnung zu schließen, so dass es auf den Nachweis des Missbrauchstatbestands nicht mehr ankommt.75 Damit lassen sich aber allenfalls wenige Ausnahmefälle wie etwa die allein aus dem Satz „Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts“ bestehende Klagebegründung bewältigen, von denen ge70
Indiz nach BGH NJW 1990, 322; OLG Köln ZIP 1988, 1391, 1394. BGH NJW 1992, 569, 571; so aber die – seltenen – Fälle BGH BB 2007, 1977, 1979 und LG Frankfurt a. M. AG 2007, 824. 72 OLG Köln ZIP 1988, 1391, 1394; vgl. umfassend die weiteren Beispiele bei Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 245 Rn. 41 ff. 73 So z. B. OLG Stuttgart AG 2003, 456, 457; die Zahl der Klageabweisungen aus diesem Grund beläuft sich mit BGH BB 2007, 1977, 1979, OLG Stuttgart, AG 2001, 315 und LG Frankfurt a. M. AG 2007, 824 seit dem Jahr 2000 gerade einmal auf drei. 74 Zutr. OLG München AG 2007, 335, 339; OLG Stuttgart AG 2003, 456, 457; vgl. auch Hirte, ZGR 1994, 644, 658 f.; abw. aber OLG Stuttgart AG 2001, 315; vgl. auch Dörr, in Spindler/Stilz, AktG, § 245 Rn. 63. 75 So auch OLG Frankfurt a. M. AG 1992, 272. 71
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legentlich aus der Praxis berichtet wird. Zu einer umfassende Beseitigung der durch die Anfechtungsklage geschaffenen Zwangslage der Gesellschaft trägt dies nicht bei. c) Wandel des rechtspolitischen Ansatzpunkts Hinzu kommt ein Wandel des regulatorischen Ansatzpunkts. Stand der Gesichtspunkt des Klagemissbrauchs bei Einführung des Freigabeverfahrens auch im Vordergrund, lassen sowohl die Materialien zum UmwandlungsbereinigungsG wie die Hypothekenbankschwestern-Entscheidung Raum dafür, dass die Überwindung der Registersperre auch aus anderen Gründen möglich sein soll. Rechtsmissbrauch ist demgemäß nur ein Regelbeispiel.76 Für die heutige Bewertung hat man zudem die Veränderung des, seit dem UmwBerG, verwirklichten rechtspolitischen Ansatzes zu bedenken. So hat die Gesetzgebung weder zu einer Kodifizierung des Missbrauchstatbestands noch einer Begrenzung der Einzelanfechtungsbefugnis gefunden. Sie hat aber die Klagemöglichkeit in der Weise begrenzt, dass sie bestimmte Indizien für den Klagemissbrauch als Grenzen der Anfechtungsbefugnis präzisiert hat. Dazu gehört insbesondere ihre Anbindung an den Aktienbesitz schon vor Bekanntmachung der Tagesordnung (vgl. § 245 Nr. 1 AktG)77 und die Begrenzung der Nebenintervention durch enge zeitliche Fristen (§ 246 IV 2 AktG). Zu nennen ist weiter die Pflicht zur Bekanntgabe von Vergleichen und Leistungen der Gesellschaft (§ 248a AktG) sowie ferner der Versuch, die Fehleranfälligkeit des Hauptversammlungsbeschlusses zu beschränken. Ausdruck dessen ist namentlich die durch § 131 II S. 2 AktG eingeführte Satzungsermächtigung zur angemessenen Beschränkung des Frage- und Rederechts des Aktionärs durch den Versammlungsleiters. Hierzu gehört ferner auch die Fortentwicklung der durch die Rechtsprechung zu Informationsmängeln entwickelten Relevanztheorie und ihre Überführung in die gesetzliche Regelung (§ 243 IV AktG) oder das Auskunftsverweigerungsrecht bei auf der Internetseite der Gesellschaft veröffentlichten Informationen (§ 131 III Nr. 7 AktG). Man mag diese Maßnahmen als unzureichend oder wirkungslos kritisieren78 und an der weiteren Begrenzung des Klagerechts durch die Einführung eines allgemeinen Quorums festhalten.79 Unabhängig davon hat man aber jedenfalls zur Kenntnis zu nehmen, dass der Gesetzgeber an die Stelle eines subjektiven Missbrauchseinwands auf objektive Beschränkungen bzw. die Beschränkbarkeit 76
BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699 S. 89. Für Missbrauch wegen kurzer Vorbesitzzeit zuvor OLG Karlsruhe WM 1991, 1755, 1758; OLG Düsseldorf WM 1994, 337, 340 f.; LG Hof WM 1992, 2057, 2062. 78 Vgl. etwa Gantenberg, DB 2005, 207, 212; Koch, ZGR 2006, 769, 792 ff.; Spindler, NZG 2005, 825, 826; Veil, AG 2005, 567, 568 ff.; prinzipiell aufgeschlossener Fleischer, NJW 2005, 3525, 3530; Jahn, BB 2005, 5, 13; Wilsing, DB 2005, 35 ff.; Schütz, DB 2004, 419 ff.; ders., NZG 2005, 5 ff. 79 So etwa Hirschberger, DB 2004, 1137, 1139; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 245 Rn. 27. 77
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von Mitgliedschaftsrechten und ihrer Bewehrung durch die Beschlussmangelklage setzt. Dem muss in der Hauptsache wie auch im Freigabeverfahren Rechnung getragen werden, indem die dadurch geschaffene Rechtslage zur Überprüfung gestellt werden kann.80 Der Schwerpunkt liegt hierbei nunmehr auf der Feststellung der durch das Gesetz vorgegebenen Ausgestaltung der mitgliedschaftlichen Verwaltungs- und Kontrollrechte, nicht auf ihrer Begrenzung durch den Missbrauchseinwand im Einzelfall. 2. Richtigkeitsgewähr der Freigabeentscheidung Ziel der rechtlichen Prüfung im Freigabeverfahren muss ein möglichst vollständiges Bild von den Erfolgsaussichten der Klage sein. Denn nur damit kann erreicht werden, dass zwischen dem Freigabeverfahren und dem Hauptverfahren Entscheidungsgleichklang herrscht. Insoweit stimmen die sich nunmehr als herrschend etablierende Meinung und die Hypothekenbankschwestern-Entscheidung dahingehend überein, dass „nach menschlichem Ermessen eine abweichende Würdigung durch das Prozessgericht ausgeschlossen erscheint und die spätere Klageabweisung zweifelsfrei feststeht“.81 a) Entscheidungsgleichklang und Abweisungsgleichklang Klärungsbedarf besteht zunächst dahingehend, was mit dem Begriff des Entscheidungsgleichklangs gemeint ist. Übereinstimmung zwischen der Freigabe und der Hauptsache besteht nämlich nur in zwei Fällen: Wenn der Freigabe stattzugeben und die Klage auch tatsächlich abzuweisen oder – umgekehrt – die Freigabe zurückzuweisen und der Klage stattzugeben war. Keine Übereinstimmung besteht, wenn entweder die Freigabe und die Klage erfolgreich sind oder beides scheitert. Vorbedingung für die Herstellung eines umfassend zu verstehenden Entscheidungsgleichklangs ist die Übereinstimmung des in beiden Verfahren anzuwendenden Prüfungsmaßstabs, der dabei geltenden Erkenntnismethoden und des zu fordernden Beweismaßes. Die gesetzliche Regelung trifft hier sowohl durch das Offensichtlichkeits-Merkmal wie das Prinzip der Glaubhaftmachung allerdings unterschiedliche Vorkehrungen. Das Offensichtlichkeitsmerkmal hat in Verbindung mit der Unbegründetheit zur Folge, dass nur bestimmte Gründe klagehindernd wirken. Ist es nicht erfüllt, so hat die Klage – gegenbegrifflich, d. h. aus Sicht des Aktionärs formuliert – hinreichend Aussicht auf Erfolg. Die so verstandene Freigabeentscheidung stellt daher weder den Klageerfolg noch den Misserfolg und auch nicht das damit unvereinbare kontradiktorische Gegenteil fest. Der Erkenntnisbereich zwischen offensichtlich unbegründet und offensichtlich begründet bleibt un80 Auch hierin liegt eine Bestätigung des obigen Befunds zur Abwägungsklausel, da kaum zu erklären ist, weswegen die dergestalt erfolgte Konkretisierung der Klagerechte hierdurch wieder neutralisiert werden soll. 81 BGHZ 112, 9, 24.
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erschlossen. Die verbleibende Prognoseunsicherheit schützt die prozessuale Position des Klägers und geht zu Lasten der Gesellschaft. Das auf die Unbegründetheit bezogene Offensichtlichkeitsmerkmal trägt anders formuliert nur dem „Abweisungsgleichklang“ Rechnung, nicht aber dem – beide Ausgangsvarianten umfassenden – „Entscheidungsgleichklang“. Die Gesellschaft hat einstweilen das Nachsehen, wohingegen zum späteren Zeitpunkt sämtliche Klagemängel zu ihren Gunsten wirken. b) Erweiterung des Prüfungsansatzes Auf den ersten Blick erscheint diese Verschiebung der prozessualen Prüfungsanforderungen zu Lasten der Gesellschaft zutreffend durchdacht. Denn der „Abweisungsgleichklang“ im Freigabeverfahren hält der Hauptsache alle Optionen offen. Lässt sich die Unbegründetheit nicht zweifelsfrei prognostizieren, so bleiben die spätere Abweisung, aber auch die Stattgabe der Klage weiterhin möglich. Ihr steht weder der Einwand der Rechtskraft der Freigabeentscheidung entgegen noch wird der effektive Rechtsschutz vereitelt, weil der Kläger nicht vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Genau das geschieht aber im Fall der Freigabe, weil das Verfahren nicht nur die Eintragung ermöglicht, sondern dieser zugleich Bestandsschutz gewährt. Hinsichtlich der Rechtsschutzeffektivität darf freilich nicht übersehen werden, dass die danach im Zweifel zu unterlassende Freigabe des Beschlusses für die Gesellschaft ebenfalls vollendete Tatsachen schafft. Hier liegt zwar keine Beseitigung ihres Rechts auf Durchführung des (wirksamen) Beschlusses vor. Die über mehrere Instanzen entstehende Undurchführbarkeit steht der Beseitigung des Strukturänderungsvorhabens aber praktisch gleich. Die Situation entspricht derjenigen der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsverfügung, welche einen geplanten Marktauftritt vereitelt. „Vorläufig“ bedeutet hier „faktisch endgültig“. Die Kernfrage lautet daher, ob sich diese, im Offensichtlichkeits-Kriterium angelegte Verteilung der Prognoseunsicherheit rechtfertigen lässt und als systematisch abgesichert darstellt. aa) Aussagegehalt der Registersperre Ansatzpunkt dazu könnte das Prinzip der Registersperre sein. Wie gesehen wird dem Vorhandensein der formellen Registersperre die Wertung zugunsten einer nur eingeschränkten Sachprüfung entnommen und daraus auf ein vorrangiges Aufschubinteresses des Klägers gefolgert.82 Aus der Registersperre ergebe sich eine „widerlegliche Vermutung“, dass die Eintragung nur in Ausnahmefällen in Betracht komme.83 Das erscheint im Ansatz überzeugend, 82
S. o. § 4 B. III. 1. Vgl. Bayer, ZGR 1995, 613, 625; Bork, ZGR 1993, 343, 364; zust. auch Sosnitza, NZG 1999, 965, 971; ähnlich auch Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 134, die von dem „Schutz der Klage durch eine Eintragungssperre“ als „Grundwertung“ des § 16 II UmwG spricht. 83
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schützt doch die gesetzlich angeordnete Sperre zunächst allein den Kläger, indem sie sicherstellt, dass die Eintragung bei Klageerhebung stets zu unterbleiben hat. Auf der anderen Seite ist aber zu berücksichtigen, dass es damit – anders als nach früherer Rechtslage (§ 345 II AktG a. F.) – nicht sein Bewenden hat, sondern die zugunsten des Klägers bestehende Sperre stets mit der zugunsten der Gesellschaft bestehenden Möglichkeit der Überwindung durch das Freigabeverfahren verbunden ist. Die gesetzliche Systematik verbindet das Eintragungshindernis also unmittelbar mit dem Mittel zu seiner Überwindung und stellt dieses der Negativerklärung dem Wortlaut nach ausdrücklich gleich (vgl. §§ 16 III 1 UmwG, 319 VI 1, 327e II AktG), weswegen der Registersperre weder ein Indiz für (bei § 246a AktG) noch gegen die Eintragung zukommt. Sie besagt daher nicht, wie eine dafür vorzunehmende rechtliche Würdigung vorzunehmen ist.84 Die Wirkung der Registersperre erschöpft sich neben der Notwendigkeit des Freigabeverfahrens damit auf die Verlagerung der Entscheidungszuständigkeit vom Registergericht auf das Prozessgericht.85 bb) Entscheidungszuständigkeit und Prüfungsmaßstab Der Umstand, dass es sich bei der Registersperre im Kern um eine Verlagerung der Prüfungszuständigkeit handelt, besagt noch nicht, dass diese für den Prüfungsmaßstab ohne Folge bleibt. Denn gerade angesichts der Entscheidungszuständigkeit des Prozessgerichts werden Zweifel an einer eingeschränkten Sachprüfung offenbar. (1) Evidenz-Vorbehalt im ursprünglichen Regelungskontext. Sie ergeben sich durch einen Vergleich der Bedeutung des Evidenz-Vorbehalts im ursprünglichen Regelungszusammenhang der Hypothekenbankschwestern-Entscheidung mit der durch die Einführung des Freigabeverfahrens entstandenen Rechtslage. So sollte durch die mit dem „Offensichtlichkeits“-Kriterium verbundene Einschränkung dreierlei erreicht werden: Erstens war sicherzustellen, dass eine Durchbrechung der vom BGH angenommenen Registersperre des § 345 II AktG a. F. durch Eintragung nur im Ausnahmefall, nämlich „mit der gebotenen Zurückhaltung“86 stattfinden konnte. Die Befugnis des Registergerichts zur gesetzlich nicht vorgesehenen Überwindung der Registersperre, 84 Damit beschränkt sich ihr Wertungsgehalt auf den Gesichtspunkt einer formellen Kompetenzordnung der beteiligten Gerichte. Sie ist Ausdruck des auch in anderen Zusammenhängen anzuerkennenden und daher verallgemeinerungsfähigen Prinzips, dass es nicht Aufgabe des Registergerichts ist, vorgreiflich über vor dem Prozessgericht schwebenden Verfahren zu befinden. Vgl. OLG Frankfurt a. M. AG 2008, 419, 421 zur fehlenden Kompetenz zur Bestellung eines Notvorstandes im FGG-Verfahren, solange noch nicht über die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen die Wahl des bestellenden Aufsichtsrats entschieden wurde; ebenso für das Verfahren zur gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsräten OLG Köln FGPrax 2007, 143. 85 Dazu bereits o. § 1 A. III. 2. 86 BGHZ 112, 9, 25.
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3. Teil: Freigabegründe
mithin zur Missachtung der Klage, sollte beschränkt bleiben. Das entspricht dem allgemeinen Grundsatz, wonach vorgreifliche Entscheidungen, insbesondere seitens der freiwilligen Gerichtsbarkeit, vermieden werden sollen.87 Zweitens diente die mit der „offensichtlichen Unbegründetheit“ verbundene Vergröberung des Prüfungsmaßstabs dazu, das Registergericht überhaupt in die Lage zu versetzen, trotz seiner verfahrensimmanent beschränkten Entscheidungsgrundlagen eine Prognose hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Klage zu erstellen. Es musste den Defiziten der Entscheidungsgrundlage, wie sie dem Registerverfahren innewohnen, Rechnung getragen werden. Drittens war der mit der Anerkennung der Eintragungsmöglichkeit verbundenen Gefahr divergierender Entscheidungen zwischen Registergericht und Prozessgericht vorzubeugen. Es ging also um die Wahrung des Gebots des Entscheidungsgleichklangs.88 (2) Überholung durch die lex lata. Das Merkmal des „offensichtlichen Rechtsmissbrauchs“ und der als Synonym zu verstehenden „von vornherein unbegründeten Klage“ waren also unmittelbare Folge der nach alter Rechtslage gegebenen Zuständigkeitsverteilung zwischen Prozessgericht und Registergericht. Mit der Überleitung der Eintragungsentscheidung hinsichtlich des Gegenstands der Beschlussmängelklage auf das Gericht der Hauptsache haben die genannten Gründe für eine Rückstufung des Prüfungsmaßstabs zum Großteil ihre Berechtigung verloren.89 Eine Gefahr abweichender Entscheidungen besteht zwar durch die unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe (summarische Prüfung im Freigabeverfahren/Vollprüfung in der Hauptsache), aber diese kann das Offensichtlichkeitskriterium nicht mildern sondern nur verschärfen. Eine Gefahr divergierender Entscheidungen besteht auch gegenüber dem Instanzenzug, allerdings nur gegenüber der Revisionsinstanz. Solange in der Tatsacheninstanz dagegen Identität der mit Freigabe und Hauptsache befassten Spruchkörper feststeht, ist die geschaffene Situation mit der einer Eintragung durch das Registergericht nicht mehr vergleichbar. Die darauf bezogene Einschränkung erledigt sich weitestgehend.90 Allerdings galt das nur bis 87
Vgl. OLG Frankfurt a. M. AG 2008, 419, 421; OLG Köln FGPrax 2007, 143. So auch OLG Düsseldorf AG 2002, 47, 48. 89 a. A. aber wohl Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 115. 90 Von Bedeutung blieb bis zum ARUG allein, die Identität der in der Sache entscheidenden Spruchkörper durch die gerichtsinterne Zuständigkeitsverteilung zu sichern. Die gesetzliche Regelung regelt diese nicht, sondern spricht nur von dem „für diese Klage zuständige(n) Prozessgericht“ (§ 16 III 1 UmwG) oder schlicht dem „Prozessgericht“ (§ 246a I AktG). Ein wörtliches Verständnis dieser Formulierungen würde zu dem Ergebnis führen, dass die Zuständigkeit des Gerichts selbstständig nach den für die Hauptsache geltenden Vorschriften zu bestimmen wäre und nicht danach, welches Gericht tatsächlich mit der Sache gefasst wurde. Dies begegnet vor allem da Bedenken, wo mit Freigabebeschluss und Hauptsache verschiedene Gerichte befasst werden können und legt nahe, als das „Prozessgericht“ das „Gericht der Haupt88
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zum ARUG. Denn mit der alleinigen Zuständigkeit des OLG besteht zwischen Freigabe und Hauptsache wiederum eine gespaltene Zuständigkeit, weil das LG weiterhin die Hauptsache im ersten Rechtszug entscheidet. Dieser Umstand rechtfertigt für sich gesehen aber keine Einschränkung des Prüfungsmaßstabs, da die Letztentscheidung auch in der Hauptsache jedenfalls durch das OLG getroffen wird. cc) Zeitliche Dimension der Entscheidung Ein zentraler Parameter der Prüfungstiefe bleibt die für die Entscheidungsfindung zur Verfügung stehende Zeit91. Eine gesetzliche Regelung ist hierzu erstmals durch den mit dem UMAG eingeführten § 246a III 5 AktG ergangen. Danach soll der Beschluss spätestens drei Monate nach Antragstellung ergehen; Verzögerungen der Entscheidung sind durch unanfechtbaren Beschluss zu begründen. Die genannte Frist entspricht einer Empfehlung des Berichts der Regierungskommission Corporate Governance.92 Sie wurde durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes93 mit Einfügung eines neuen § 16 III 3 UmwG sowie § 319 VI 4 AktG auch für das Umwandlungsrecht bzw. die Eingliederung und den Squeeze Out geregelt.94 Der Darstellung der gesetzlich formulierten „Soll“-Frist widmen die Materialien des UMAG auffallend viel Raum.95 Zu ihrer Festlegung verweist die Regierungsbegründung als Vorbildregelung auf § 36 III AsylVfG. Ihre Verlängerungsmöglichkeit hält sie aus verfassungsrechtlichen Gründen für geboten.96 Dem Gericht müsse ermöglicht werden, auf tatsächliche oder rechtliche Besonderheiten zu reagieren, das insbesondere dann, wenn die Verzögerung auf Versäumnissen der antragstellenden Partei beruht. Die damit verbundene Erwartung, die Gerichte würden auch eine derart sanktionslose Frist als Leitbild akzeptieren, scheint sich in der Praxis bislang zu bestätigen. Rechtsprechung und Lehre verstanden sie vor dem ARUG zwar als für jede Instanz gesondert gel91 sache“ i. S. v. § 919 ZPO anzusehen. Das hätte im Grundsatz stets die Zuständigkeit desjenigen Gerichts, bei dem die Beschlussmängelklage anhängig ist, auch für die Unbedenklichkeitsfeststellung zur Folge. Die derzeit teilweise zu beobachtende Gerichtspraxis der Zuständigkeitsverteilung unter Befassung mehrerer Kammern ist damit unvereinbar. Vgl. zum Ganzen auch Rettmann, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 105 f. 91 Wie gesehen beruht insbesondere das Konzept der „offenen Eilentscheidung“ auf dem für eine Rechtsprüfung vermeintlich nicht bestehenden Spielraum (s. o. § 21 A. III.). 92 Vgl. Baums, (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001), Rn. 156. 93 BGBl. I 2007, 542. Das Gesetz dient im Wesentlichen der Umsetzung der Richtlinie 2005/ 56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2005, ABl. EU Nr. L 310 v. 25.1.2005, S. 1. 94 Dahingehende rechtspolitische Forderungen bereits bei Wilsing, ZIP 2004, 252, 258; ders., DB 2005, 35, 38. 95 RegE. BT-Drucks. 15/5092 S. 28. 96 A. A. Jahn, BB 2005, 1, 9; m. sehr krit. Anmerkung hierzu Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 246a Rn. 18, Fn. 80.
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tend,97 die Gerichte waren und sind aber sichtlich bemüht, sich daran zu halten.98 Ob die damit erreichte Beschleunigung der Freigabeverfahren – wie Baums/Kleinath/Gajek annehmen – der gesetzlichen Fristenregelung zu verdanken ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Denkbar ist auch, dass die zügige Erledigung auf dem zunehmenden Gebrauch der „Abwägungs-Klausel“ beruht, die immer häufiger genutzt wird, um einer ins Detail gehenden und möglicherweise langwierigen Sach- und Rechtsprüfung aus dem Weg zu gehen.99 So wird die Interessenabwägung in allen untersuchten Freigabebeschlüssen allein oder ergänzend zur Begründung herangezogen. Letztlich können die Ursachen aber dahinstehen. Worauf es im vorstehenden Zusammenhang ankommt, ist die Konsequenz der aus der gesetzlichen Regelung der Frist und der dazu in den Materialien, der Rechtsprechung und der Literatur einhellig eingenommen Position für das Verständnis des Freigabeverfahrens: Sie besteht in einer Konkretisierung des bislang eher wage umschriebenen Begriffs des „Eilverfahrens“ nach der ZPO. Denn die Eilverfahren nach der ZPO sind wegen des dabei geforderten Verfügungs- bzw. Arrestgrunds nur solche, die innerhalb von wenigen Tagen, mitunter sogar Stunden und jederzeit entschieden werden müssen. Gerade diese zeitliche Enge soll das von Leipold konzipierte und für das Freigabeverfahren beispielhaft in Bezug genommene Konstrukt der Interessenabwägung rechtfertigen.100 Sie besteht als Prämisse des Freigabeverfahrens jedoch nicht. Man kann dieses zwar als beschleunigtes Verfahren bezeichnen, jedoch vom zeitlichen Entscheidungshorizont keinesfalls mit der einstweiligen Verfügung oder dem Arrest vergleichen. Demgemäß lässt sich an dieser Stelle zwar noch nicht eine dem Erkenntnisverfahren entsprechende Prüfungstiefe feststellen, gleichwohl aber, dass die für das Freigabeverfahren vorgesehene Zeitdauer keine Beschränkung auf ohne nähere Prüfung erkennbare Mängel der Klage gebietet. III. Ergebnis und Folgerung Im Ergebnis kann festgehalten werden: Die Verwendung des „Offensichtlichkeits-Kriteriums“ bildet eine an sich zu Lasten der Gesellschaft wirkende Einschränkung des Prüfungsmaßstabs. Geschuldet ist sie dem Umstand, dass eine Überwindung der Registersperre durch das Registergericht nach der Hypo97 Baums/Kleinath/Gajek, ZIP 2007, 1629, 1648; Diekmann/Leuering, NZG 2004, 249, Fn. 60; Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 246a Rn. 28. 98 Soweit erkennbar, wird die Frist in Freigabeverfahren nach § 246a AktG sowohl von den Landgerichten als auch den Oberlandesgerichten gewahrt. Die Freigabeverfahren nach §§ 16 III UmwG, 319 VI AktG dauern wesentlich länger, nähern sich aber bei der alleinigen Zuständigkeit des OLG ebenfalls der gesetzlichen Zielvorgabe an vgl. Baums/Kleinath/Gajek, ZIP 2007, 1629, 1649. 99 S. o. § 4 D. 100 Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971), S. 10 ff.; dazu bereits oben § 21 A. III.
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thekenbankschwestern-Entscheidung nur dann in Betracht kommen sollte, wenn damit keine Rechtsschutzvereitelung zu befürchten war. Aus heutiger Sicht bedarf die Prüfung der Begründetheit der Klage im Freigabeverfahren keiner derart weitreichenden Einschränkung. Eine Verflachung der rechtlichen Würdigung auf „evidente“, „manifeste“, „offenbare“ oder durch ähnliche Synonyme für die vom Gesetz genannte Offensichtlichkeit zu verwendenden Begriffe ist nicht zu begründen. Die zur Verfügung stehende Entscheidungsdauer gebietet sie nicht und die früher zu vermeidende Vorgreiflichkeit der Eintragungsentscheidung ist mit der Übertragung der Entscheidungszuständigkeit auf das Prozessgericht überholt. Eine Begrenzung des Prüfungsmaßstabs zugunsten des Antragstellers lässt sich auch nicht wertungsmäßig aus der Registersperre ableiten. Die vorstehende Feststellung hat zur Konsequenz, dass die gesetzliche Regelung hinsichtlich des Offensichtlichkeits-Kriteriums teleologisch zu reduzieren ist. De lege ferenda empfiehlt sich die Streichung. Damit geklärt ist zugleich die oben aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis dieses Normmerkmals zu dem Erfordernis der Glaubhaftmachung. Die angesichts des Wortlauts geschaffene Antinomie beider Begriffe löst sich zugunsten der Glaubhaftmachung auf. Entscheidend ist daher nur das von dieser vorgegebene Beweismaß. Auf eine mit der Offensichtlichkeit der Rechtslage sachlogisch verbundene vollständige richterliche Überzeugung kommt es nicht an. Der Verzicht auf die mit dem Offensichtlichkeitsmerkmal verbundene Einschränkung der Prüfungstiefe erweist sich für die Tauglichkeit des Freigabeverfahrens als Mittel zur Bewältigung des Missbrauchs der Anfechtungsklage von erheblicher Bedeutung. Er unterstreicht zunächst, dass die Entscheidung nach Möglichkeit in Anlehnung an die Hauptsache, d. h. das dort geltend gemachte Anfechtungsrecht getroffen werden soll. Es gilt das Primat des umfassenden Entscheidungsgleichklangs, in dem sich zugleich die sekundäre Bedeutung jeglicher von der Rechtslage losgelöster Abwägungsüberlegung bestätigt. Sodann ebnet die von dem Offensichtlichkeitserfordernis befreite Betrachtung aber auch den Weg zu einer materiell akzessorischen Entscheidung. Im Folgenden bedarf allerdings der Darlegung, ob eine solche mit hinreichender Prognosesicherheit unter den Bedingungen des Freigabeverfahrens, d. h. unter Beachtung seiner zeitlichen Vorgaben, verfahrensrechtlich auch wirklich dargestellt werden kann.
3. Abschnitt
Spezifizierung der freigaberechtlichen Sach- und Rechtsprüfung Besteht für das Gericht keine kategorische Beschränkung der Prüfungstiefe, so sind im Folgenden die dafür anzuwendenden Grundsätze der Sach- und Rechtsprüfung herauszuarbeiten. Zu unterscheiden ist zwischen den tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Würdigung. Zu beginnen ist mit der Ermittlung der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage, weil sie im Eilverfahren die bedeutendsten Schwierigkeiten aufgibt. Sie entscheidet letztlich darüber, ob und inwieweit in einem Streitverfahren unter Berücksichtigung des, den Zivilprozess prägenden, Prinzips der Waffen- und Verfahrensgleichheit in dieser Form überhaupt Entscheidungsreife herbeigeführt werden kann.
§ 25 Behauptungslast und Glaubhaftmachungslast A. Art und Weise der Stoffsammlung Im Folgenden soll die Art und Weise der im Freigabeverfahren geltenden Stoffsammlung betrachtet werden, da sowohl die Geltung wie der Umfang jeglicher Darlehenslast darin ihren Ursprung finden. Gegenüber stehen sich die Verhandlungsmaxime und der Untersuchungsgrundsatz. I. Verhandlungsmaxime oder Untersuchungsgrundsatz? 1. Allgemeines Die im Verfahren anzuwendende Art und Weise der Stoffsammlung hängt im Zivilprozess davon ab, ob es sich um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder ein solches der streitigen Gerichtsbarkeit handelt. Im ersten Fall gilt der Untersuchungsgrundsatz (§§ 12 FGG/26 FamFG), im zweiten Fall die Verhandlungsmaxime.1 Diese macht den Umfang und die Beweisbedürftigkeit des Streitstoffes vom Verhalten der Parteien abhängig, wohingegen jener der Sachaufklärung, der Wahrheitsfindung von Amts wegen dient. Beide Verfahrensgrundsätze stehen sich nicht in apodiktischer Schärfe gegenüber, sondern finden vielfach durch an sich prinzipienfremde Regelungen zu einer Annäherung. Dazu gehört für die Verhandlungsmaxime insbesondere die
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richterliche Frage- und Hinweispflicht des § 139 ZPO und das Recht zur Anordnung der Beweiserhebung durch Augenschein und Sachverständigengutachten (§ 144 I ZPO), Ersuchen um amtliche Auskunft (§ 273 II Nr. 2 ZPO), Vorlageanordnungen (§§ 142 I, 273 I Nr. 1 ZPO) sowie die Parteivernehmung (§ 448 ZPO). Auch Zeugen kann das Gericht zur mündlichen Verhandlung laden, allerdings nur, wenn sich eine Partei schriftsätzlich auf sie bezogen hat.2 Für den Untersuchungsgrundsatz gehören hierzu insbesondere die Mitwirkungspflichten der Parteien. Als maßgebliche Unterschiede verbleiben, dass es nur unter der Verhandlungsmaxime eine Verfehlung der Beibringungsobliegenheit, also eine Entscheidung allein aufgrund mangelnden Tatsachenvortrags geben kann und, dass im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Freibeweis gilt, wohingegen im Streitverfahren nur der Strengbeweis statthaft ist. Hängt die Art und Weise der Stoffsammlung von der Zugehörigkeit zur freiwilligen oder streitigen Gerichtsbarkeit ab, so fragt sich, wie beide Formen der Streitentscheidung voneinander abzugrenzen sind. Einigkeit besteht darin, dass die Abgrenzung nicht aus dem Namen entnommen werden kann. Die „Rechtsstreitigkeit“ des Zivilprozesses setzt nicht immer einen Streit voraus, die freiwillige Gerichtsbarkeit dient aber oft der Streiterledigung.3 Ebenso wenig lässt sich eine durchgreifende materielle Unterscheidung aufzeigen.4 Die Abgrenzung erfolgt daher durch enumerative Zuweisung einer Sache, welche sie dem Prozessweg entzieht. Dies geschieht aus Gründen der Zweckmäßigkeit, zur einfacheren und schnelleren Erledigung, mit Rücksicht auf eine größere Anzahl von Beteiligten oder aus ähnlichen Erwägungen, die eine bessere Erledigung in der freiwilligen Gerichtsbarkeit erwarten lassen. Damit ist ein Konflikt zwischen streitiger und freiwilliger Gerichtsbarkeit so gut wie ausgeschlossen. In Zweifelsfällen soll es darauf ankommen, ob ein im Wege der Klage verfolgbares Recht besteht (dann Zivilprozess) oder nicht (dann freiwillige Gerichtsbarkeit).5 2. Zuweisung des Freigabeverfahrens Das Gesetz trifft für das Freigabeverfahren keine Zuweisungsregelung zur freiwilligen Gerichtsbarkeit. Stattdessen regeln die §§ 16 III 2 UmwG, 246a I 1 Die Frage dürfte für das allgemeine Zivilprozessrecht entschieden sein. Tendenzen, die aus der Pflicht der Parteien, sich wahrheitsgemäß und vollständig zu erklären (§ 138 ZPO) eine Überwindung der mit der Verhandlungsmaxime notwendig verbundenen „formellen“ Wahrheit und der „formalistischen Struktur des Zivilprozesses im Interesse der Wirklichkeitsnähe“ (vgl. Bernhardt, Zivilprozeßrecht, 3. Aufl., § 23 III 7) haben sich nicht durchsetzen können (vgl. Jauernig, ZPO, 28. Aufl., § 25 VIII). 2 Vgl. § 273 II Nr. 4 ZPO. 3 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., § 11 Rn. 8 f. mit zahlreichen Beispielen. 4 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., § 11 Rn. 12. 5 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., § 11 Rn. 13.
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3. Teil: Freigabegründe
2, 319 VI 2, 327e II AktG, dass die im ersten Rechtszug für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften der ZPO entsprechend anzuwenden sind, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist. Hinsichtlich der statthaften Beweismittel beziehen sich die §§ 16 III 6 UmwG, 246a III 3, 319 VI 6, 327e II AktG ergänzend auf die Notwendigkeit der Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO). Darüber hinaus verweisen auch schon die Materialien zu § 16 UmwG in allgemeiner Form auf die Grundsätze des Zivilprozesses und ordnen das Freigabeverfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu:6 „Im Übrigen sind auf das Verfahren nach Absatz 3 aufgrund der allgemeinen Grundsätze die Vorschriften der Zivilprozeßordnung anwendbar, da es sich um ein Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit (…) handelt, das nicht ausdrücklich dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterworfen wird.“
Für das geltende Recht hat der Gesetzgeber damit seine Zuweisungshoheit zwischen freiwilliger und streitiger – in der Begründung als „ordentlich“ bezeichneter – Gerichtsbarkeit erkannt und ausgeübt. Demgemäß ist das Freigabeverfahren als Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit anzusehen. Ob damit allein auf die Anwendung der Verhandlungsmaxime geschlossen werden kann, erscheint dennoch aus zwei Gründen fraglich. Zum einen kennt die gesetzliche Systematik Fälle, in denen die zuständige Gerichtsbarkeit bestimmte, in engem Zusammenhang stehende Fragen im Wege der streitigen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit entscheidet.7 Vor allem aber stellt sich die Frage, ob die mit dem Eintragungserfordernis des Strukturänderungsbeschlusses verbundene Rechtmäßigkeitskontrolle und die trotz der Zuweisung gleichwohl fortbestehende Nähe zum Eintragungsverfahren es nicht gebietet, die für die Vorgreiflichkeit maßgeblichen Tatsachen auch im Freigabeverfahren grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln. Denn das Freigabeverfahren befindet sich insoweit in einer ganz eigentümlichen Situation als es mit der Vorgreiflichkeit der Klage eine Frage des Eintragungsverfahrens (§§ 127 FGG a. F./381 FamFG) regelt, welche als Handelssache normalerweise der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen ist. Unabhängig davon gibt auch die höchstrichterliche Rechtsprechung jüngsten Datums zum Streitgegenstand der Beschlussmangelklage zu denken. Mit dem von BGHZ 152, 1 aufgegebenen zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff besteht dieser in der richterlichen Klärung der Nichtigkeit.8 Die gesamten, der Entstehung des Beschlusses zugrundeliegenden Umstände stellten einen einheitlichen Lebenssachverhalt dar, der einen 6
Vgl. BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 90. Beispiel: Über den Anspruch von Vormund, Gegenvormund oder Betreuer auf Vorschuss oder Aufwendungsersatz (§ 1835 BGB) sowie auf Bewilligung einer Vergütung (§ 1836 BGB) entscheidet das Vormundschaftsgericht; auf Antrag setzt es zugleich Zahlungen des Mündels bzw. seiner Erben an die Staatskasse fest (§§ 56 I 2, 69e Satz 1 FGG a. F./168 FamFG). Der Festsetzungsbeschluss ist Vollstreckungstitel (§§ 56g VI FGG a. F./168 I, 86 I FamFG). 8 Dazu bereits o. § 20 A. 7
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Teil des Klagegrundes bilde.9 Das beinhaltet als Prämisse eine diesem Anliegen Rechnung tragende Art und Weise der Stoffsammlung. Einer umfassenden Erledigung der Sache kann nur unter Geltung einer solchen Verfahrensmaxime entsprochen werden, welche auch darauf angelegt ist. Das ist mit der Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen im Strafprozess und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Fall (vgl. §§ 155 II, 244 II StPO, 86 I VwGO), gilt prinzipiell aber nicht im Zivilprozess. Diese Konsequenz sieht auch der BGH: So nimmt die Entscheidung ausdrücklich auf den Verwaltungsgerichtsprozess Bezug und sieht zwischen der Überprüfung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts bei der verwaltungsprozessualen Anfechtungsklage und der aktienrechtlichen Beschlusskontrolle Übereinstimmung gegeben.10 3. Kontrollfunktion des Eintragungserfordernisses Für die Geltung einer Untersuchungspflicht trotz der Zuweisung ins streitige Verfahren sprechen unabhängig davon vier Gesichtspunkte: Erstens die mit dem Eintragungserfordernis angestrebte Richtigkeitsgewähr, zweitens die damit verbundenen Drittinteressen, drittens der dadurch vermittelte Bestandsschutz und viertens die Bindung des Registergerichts an die Entscheidung des Prozessgerichts. Die Geltung der Verhandlungsmaxime schränkt ihre Richtigkeitsgewähr durch den Grundsatz der nur formellen Wahrheit, die Beibringungslast und damit verbundene Konsequenzen, wie etwa die Verspätungsregeln ein. Dagegen mag man einwenden, diese Einschränkung nehme die Beschlusskontrolle auch im ordentlichen Streitverfahren in Kauf. Deshalb bestehe kein Grund, im Rahmen der Freigabe an die Sachverhaltsermittlung höhere Anforderungen zu stellen. Der Einwand ist aber nur begrenzt stichhaltig, nämlich nur für solche Beschlussmängel, die nicht der Prüfungskompetenz des Registergerichts unterliegen, also nach h. M. Anfechtungsrügen, mit denen nur die Verletzung von Mitgliedschaftsrechten, nicht aber solchen der Gläubiger oder der Allgemeinheit geltend gemacht werden. Bei letzteren geht von der Hauptsacheentscheidung für das Registerverfahren nur eine negative, hingegen keine positive Bindungswirkung aus. Einzutragen ist nur das Kassationsurteil (§ 248 I 3 AktG). Dagegen besteht keine, dem § 246a III 5 AktG vergleichbare Pflicht zur Eintragung des Beschlusses nach Klageabweisung oder anderweitiger Erledigung des Beschlusses. Das ist sachgerecht, weil die oben genannten Gründe es gebieten, das Wirksamwerden des Beschlusses von der im Prozess bestehenden Sachverhaltsbeeinflussung und Dispositionsmacht der Parteien wenigstens in gewissem Umfang unabhängig zu machen. Die Bindungswirkung des Freigabeverfahrens führt dagegen dazu, dass auch
9 10
BGHZ 152, 1, 5. BGHZ 152, 1, 6.
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3. Teil: Freigabegründe
ein nichtiger Beschluss oder ein solcher, welcher Drittinteressen verletzt, eingetragen werden muss. Die Lösung des Problems könnte zwar in der Einschränkung der Bindungswirkung gesucht werden, doch ist das wegen der damit verbundenen Rechtsunsicherheit unannehmbar. Stellt das Prozessgericht die Unbedenklichkeit der Eintragung fest, so soll diese Feststellung hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Beschlussmängel durch das Registergericht nicht (mehr) in Frage gestellt werden. Will man dieses Konzept konsequent verfolgen, so dürfen bei der Bindungswirkung keine Abstriche vorgenommen werden. Ob die Stoffsammlung deswegen insgesamt zur Angelegenheit des Gerichts werden muss, erscheint allerdings wegen des sich dabei ergebenden Widerspruchs zur Situation in der Hauptsache und der Gegenstandsidentität beider Verfahren fraglich. Es muss befremden, wenn in der Hauptsache nach der Verhandlungsmaxime verfahren wird, bei der Freigabe derselbe Streitstoff dagegen von Amts wegen ermittelt werden muss. Für die Geltung der Verhandlungsmaxime spricht – trotz der mit einer schlechten Verfahrensführung seitens des Antragsgegners verbundenen Gefahr einer Bindung des Registergerichts – insbesondere, dass sich hiermit im Zivilprozess die berechtigte Erwartung verbindet, dass die Parteien den Sachverhalt besser aufklären können als das Gericht.11 Den möglichen Verlust an materieller Wahrheit kann das Gesetz deswegen in Kauf nehmen. Den damit verbundenen Missbrauchsgefahren kann es i. d. R. auch nicht begegnen, denn ebenso wenig wie die Parteien angesichts des unangefochten geltenden Dispositionsgrundsatzes überhaupt zur Prozessführung gezwungen werden können, lassen sie sich zu „guter Prozessführung“ zwingen. Das mit der Bindungswirkung verbundene Risiko liegt in den vorliegenden Verfahren auch nicht hierin, sondern in dem mit der Verhandlungsmaxime mitunter verbundenen Unvermögen einer Partei, die notwendigen Darlegungen vornehmen zu können. Um dies zu bewerten, ist auf die Darlegungs- und Beweislastverteilung im Beschlussmängelprozess einzugehen.12 Unterstellt man an dieser Stelle als Arbeitshypothese, dass hier Ausgewogenheit besteht oder diese sich durch Anpassungen herstellen lässt, so ist das gegenüber einem offenen Bruch mit der Verhandlungsmaxime allemal vorzugswürdig. II. Ergebnis Die gesetzliche Regelungen der §§ 16 III 2 UmwG, 246a I 2, 319 VI 2, 327e II AktG unterwerfen das Freigabeverfahren den Regeln des streitigen Verfahrens. Die Materialien zu § 16 UmwG lassen erkennen, dass es sich dabei um eine bewusste Entscheidung handelt. An der daraus folgenden Geltung der Verhandlungsmaxime bestehen wegen der gegenständlichen Nähe zum Regis11 12
Vgl. Jauernig, ZPO, 28. Aufl., § 25 VIII 1. Sogleich u. B. V.
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terverfahren und der Bindungswirkung des Registergerichts gewisse Bedenken, die im Folgenden in ihren Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislastverteilung untersucht werden sollen. Insoweit ist danach zu fragen, ob die Darlegungsanforderungen des streitigen Verfahrens eine hinreichende Aufarbeitung des Streitstoffs gewährleisten.
B. Darlegungs- und Beweislastverteilung Die Behauptungslast (Darlegungslast) behandelt die Frage, welche Behauptungen eine Partei aufstellen muss, will sie Nachteile im Prozess, äußerstenfalls dessen Verlust, vermeiden. Nach der Normentheorie13 sind dies die ihr günstigen Normen, was in Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch, die gewünschte Gestaltungshandlung oder das festzustellende Recht bedeutet, dass der Kläger die anspruchs- bzw. rechtsbegründenden Tatsachen, der Beklagte die anspruchs- bzw. rechtsvernichtenden Tatsachen oder Einredetatsachen vorzutragen hat. Die subjektive Beweislast oder Beweisführungslast gibt an, welche Partei Beweisanträge stellen darf und muss, wenn sie nicht beweisfällig werden und deshalb den Prozess verlieren will.14 Sie besteht nur unter dem Anwendungsbereich der Verhandlungsmaxime, ist allerdings durch die Möglichkeit der Beweiserhebung von Amts wegen abgemildert. Die (objektive) Beweislast gibt Aufschluss darüber, zu Lasten welcher Partei es geht, dass eine entscheidungserhebliche Tatsache unbewiesen bleibt. Sie handelt also davon, wer das Risiko der Beweislosigkeit trägt.15 Im Folgenden bedürfen die Auswirkung und Praktikabilität dieser Grundregel im Hinblick auf eine materiell akzessorische Entscheidungsfindung im Freigabeverfahren der Betrachtung. I. Keine spezifische freigaberechtliche Darlegungs- und Beweislastregel Die Unbegründetheit der Beschlussmängelklage beinhaltet als Freigabegrund zumindest die negative Feststellung des vom Kläger in der Hauptsache geltend gemachten Beschlusskontrollrechts.16 Man könnte aus der Formulierung des Tatbestandsmerkmals (der Un-begründetheit) und des Tenors unter Umstän13
Vgl. dazu Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl., S. 98; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast (1983), S. 265 ff.; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, vor § 284, Rn. 23; Greger in Zöller vor § 284, Rn. 17a. 14 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., § 114 I 3 a); Jauernig, ZPO, 28. Aufl., § 50 II. 15 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., § 114 II 2. 16 Überzeugender ist freilich die darüber hinausreichende Annahme einer negativen Gestaltungswirkung (vgl. § 20 B. III.), die sich hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast von der negativen Feststellung als Streitgegenstand des Freigabeverfahrens jedoch nicht unterscheidet. Für die folgenden Überlegungen soll daher einheitlich von der negativen Feststellungswirkung gesprochen werden.
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3. Teil: Freigabegründe
den eine spezifische Regel zur Darlegungs- und Beweislastverteilung des Inhalts ableiten, dass die antragstellende Gesellschaft sämtliche zum Scheitern der Klage führenden Tatsachen beizubringen hätte. Das würde darauf hinauslaufen, dass die Gesellschaft die gegen den Beschluss erhobenen Rügen entkräften, d. h. die vom Kläger positiv vorgetragenen Tatsachen bestreiten und ihr Nichtvorliegen beweisen müsste. Darin läge neben der Einschränkungswirkung des Offensichtlichkeitsmerkmals allerdings ein erhebliches Hindernis für die Durchsetzbarkeit von Freigabeanträgen. Denn Darlegung und erst Recht der Beweis negativer Tatsachen ist ausgesprochen schwierig und i. d. R. nur indirekt, nämlich durch Indizien zu erbringen.17 Als weiteres Problem käme die pauschale Umkehr der in der Hauptsache geltenden Behauptungslastverteilung hinzu. Die Darlegungs- und Beweislast in beiden Verfahren stünden hinsichtlich der Gesellschaft also in Widerspruch und einem materiell-rechtlichen Entscheidungsgleichklang im Wege. Aus der Angreiferrolle der Gesellschaft und der darauf gemünzten Darlegung der Unbegründetheit der Klage wird man eine solche Konsequenz auch aus anderen Gründen nicht ziehen dürfen. So handelt es sich bei der Unbegründetheit als Freigabekategorie nicht um eine Tatsache, die Darlegung und Beweis zugänglich wäre, sondern um das Ergebnis einer rechtlichen und tatsächlichen Würdigung. Ferner ist eine spezifische Darlegungs- und Beweislastverteilung für den einstweiligen Rechtsschutz im Grundsatz nicht anzuerkennen.18 Vielmehr gelten die Grundsätze der Hauptsache, was auch für negative Feststellungssituationen beansprucht wird.19 II. Darlegungs- und Beweislast bei negativer Feststellungsklage Folgt man dem Prinzip der Parallelität von Darlegungs- und Beweislast in einstweiligem Rechtsschutz und Hauptsache, so muss man an die Regeln zur negativen Feststellungsklage (§ 256 I ZPO) anknüpfen. Der Grundsatz der Darlegungs- und Beweislastverteilung dafür lautet: Die Parteistellung als Kläger oder Beklagter ist unerheblich.20 Vielmehr gelten die für die Feststellung des Rechtsverhältnisses maßgeblichen Grundsätze.21 Aus diesen ergibt sich, 17 Substantiierte Darlegung kann nur bei qualifiziertem Bestreiten erfolgen. Die Lösung erfolgt also auf der sekundären Darlegungsebene, vgl. etwa BGH NJW 1983, 1782; OLG Köln NJW-RR 1992, 908; näher Anders/Gehle, Assessorexamen im Zivilrecht, 5. Aufl., Rn. 366. 18 H. M., vgl. Kemper, in Saenger, ZPO, § 920 Rn. 5; Heinze, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 920 Rn. 21; Huber, in Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 920 Rn. 5; Reichold, in Thomas/ Putzo, ZPO, 26. Aufl., Vorbem §§ 916 Rn. 9; a. A. Hirtz, NJW 1986, 110 ff.; vermittelnd Teplitzky, JuS 1981, 122, 124 f. Der Streit entzündet sich namentlich bei der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung; vgl. dazu aber sogleich u. § 26 C. II 1 b). 19 Dazu sogleich B. II. 20 BGH NJW 1986, 2508; 1993, 1716, 1717; 2001, 2096, 2098; so schon Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl., S. 173; Jauernig, ZPO, 28. Aufl., § 50 IV. 21 BGH NJW 2001, 2096, 2097 f. (BGHZ 147, 203, 208 ff.); OLG Düsseldorf NJWRR 1997, 444; OLG Celle NJW-RR 1991, 667.
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dass der Beklagte die anspruchs- bzw. rechtsbegründenden Tatsachen vortragen und im Streitfall beweisen muss. Dem Kläger obliegt diese Aufgabe für die rechtsvernichtenden und rechtshindernden Tatsachen. Dieser Grundsatz entspricht für die negative Feststellungsklage seit jeher weitgehend allgemeiner Auffassung. Der Grund liegt darin, dass die damit geltenden Regeln Ausfluss des materiellen Rechts sind. Für die – hinsichtlich des prozessualen Rollentauschs vergleichbare – Vollstreckungsabwehrklage war der Grundsatz dagegen lange Zeit umstritten, was insbesondere galt, sofern der Titel auf der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§ 794 ZPO) beruhte. Der Grund hierfür lag darin, dass in der Unterwerfungserklärung eine Beweislastvereinbarung gesehen wurde, die zur Folge haben sollte, dass der Schuldner sich auch den damit gegebenen Verteidigungsmöglichkeiten begeben habe.22 Dem ist der BGH mit der Begründung, es handele sich bei der Unterwerfung lediglich um eine auf das Zustandekommen des Vollstreckungstitels gerichtete einseitige Willenserklärung und unter Bezugnahme auf die „engste“ Verbundenheit von Beweislastregel und materiellem Rechtssatz entgegengetreten.23 Die damit auch für Verfahren mit vertauschten Parteirollen geltende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ist folgenreich. Sie zwingt den Anspruchsgläubiger oder vermeintlichen Rechtsinhaber, die anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und notfalls zu beweisen.24 Ist er dazu (noch) nicht in der Lage, bleibt der streitige Anspruch unklar und der negativen Feststellungsklage/Vollstreckungsabwehrklage muss stattgegeben werden.25 III. Bedenken bei negativer Feststellungsverfügung im Grundsätzlichen Die Beibehaltung der allgemeinen Grundsätze der Behauptungslast trotz prozessualen Rollentauschs findet ihren Grund – wie gesagt – in der Verwurzelung im materiellen Recht. Damit einhergehende Schwierigkeiten für den Beklagten sind im Feststellungsprozess auch damit zu rechtfertigen, dass er sich als vermeintlicher Anspruchsinhaber gegenüber dem Kläger einer Rechtsposition berühmt hat. Das lässt es als angemessen erscheinen, ihm Darlegung und Beweis ihrer Entstehungsvoraussetzungen abzuverlangen. 22
BGH NJW 1981, 2756; OLG München NJW-RR 1992, 125; offengelassen von BGHZ 114, 57, 71; zust. dagegen Herget, in Zöller, ZPO, 22. Aufl. § 767 Rn. 11. 23 BGH NJW 2001, 2096, 2098; OLG Hamm MDR 1993, 348. 24 BGH NJW 2001, 2096, 2098; so zuvor schon BGH NJW 1980, 1047; Baur/Stürner/ Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, 13. Aufl., § 16 IV 3 a); Greger, in Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 256 Rn. 18; Jauernig, ZPO, 28. Aufl., §§ 34 II 3, 50 IV; Reichhold, in Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 256 Rn. 21; Putzo, a. A. O. § 767 Rn. 20b; Saenger, in ders., ZPO, § 256 Rn. 32; Kindl, a. A. O. § 767 Rn. 18. 25 BGH NJW 1993, 1716; Greger, in Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 256 Rn. 18; Reichhold, in Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 256 Rn. 21; Lüke, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 256 Rn. 68.
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3. Teil: Freigabegründe
Im Eilverfahren im Allgemeinen und einen in dieses verlagerten Beschlussmängelstreit im Besonderen ist die Grundannahme der Geltung der materiellen Beweislastregeln allerdings nicht unproblematisch: So führt die Erwirkung einer Feststellung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einerseits dazu, dass die Parteien den Beweis nicht mit sämtlichen im ordentlichen Erkenntnisverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln des Erkenntnisverfahrens führen können. Andererseits kann man sich der diesem unbekannten Versicherung an Eides statt bedienen (§§ 920 II, 294 I ZPO). Das gilt zwar für beide Seiten, wird aber vielfach zu Lasten des Prätendenten gehen, weil der Gegner eine Feststellungsverfügung nur dann betreiben wird, wenn er auch über die verfahrensrechtlichen Mittel zu deren Erwirkung verfügt. Überdies wird die dadurch entstehende Beweissituation häufig zufälliger Art sein. Des Weiteren gilt mit der Glaubhaftmachung ein geringerer richterlicher Überzeugungsgrad. Auch damit müssen zwar beide Beteiligte leben, doch verfügt der Antragsteller hier ebenfalls über den Vorteil, die im betreffenden Zeitpunkt gegebene Beweissituation für sich nutzen zu können. Die Unterschiedlichkeit der Erkenntnisgrundlage in einstweiligem Rechtsschutz und ordentlichen Verfahren veranlasst bereits für die Feststellungsverfügung als solche dazu, diese entweder zu befristen oder bei einer dauerhaften Wirkung eine der Hauptsache vergleichbare richterliche Überzeugung von dem Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses zu fordern. Ein weiteres Korrektiv liegt darin, an das Feststellungsinteresse im Hinblick auf seine Sofortigkeit, mithin den Antragsgrund im Eilverfahren Anforderungen zu stellen, die über das ansonsten für die negative Feststellungklage allgemein ausreichende Bedürfnis nach Rechtssicherheit gegenüber zu Unrecht erhobenen Ansprüchen als „berechtigtes Interesse“ i. S. d. § 256 I ZPO hinausreichen. Denn anders als unter den Bedingungen des Erkenntnisverfahrens sind die genannten Nachteile dem Antragsgegner nicht deswegen anzulasten, weil er sich der Rechtsinhaberschaft berühmt.26 IV. Bedenken an einer auf das Nichtbestehen des Anfechtungsrechts gerichteten Feststellungsentscheidung im Besonderen Die soeben genannten Bedenken gegen eine Feststellungsverfügung gelten insbesondere auch im Freigabeverfahren. Dafür ist zunächst zu berücksichtigen, dass die mit der Anfechtungsklage erhobenen Rügen nicht mit einem prozesstaktisch voreiligen oder unklugen Berühmen auf einen aktuell nicht darlegbaren Anspruch vergleichbar sind. Die alsbaldige Erhebung der Anfechtungsklage ergibt sich hier aus dem Fristerfordernis des § 246 I AktG. Zudem lässt sich das erwähnte Korrektiv des besonderen Feststellungsinteresses hier nicht 26 Deutlich wird das insbesondere für Ansprüche, deren Entstehung von vornherein nur mittels Sachverständigenbeweis zu führen ist, dazu noch u. § 26 C. III. 3.
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einführen, da das Gesetz ein Interesse an sofortiger Feststellung auf Seiten der Gesellschaft mit der Regelung des Freigabeverfahrens als solchem und wegen der Notwendigkeit einer zeitnahen Eintragung des Strukturänderungsbeschlusses auch zu Recht anerkennt. Ebenso wenig lässt sich wegen der „Alles oder Nichts“-Wirkung der Eintragung mit einer Befristung der Feststellung arbeiten. Die Unterschiedlichkeit der Beweissituation gegenüber der Hauptsache kann dazu führen, dass der anzustrebende Entscheidungsgleichklang verfehlt wird. Es droht eine Verfälschung, die einer „Abwägungslösung“ nicht nachstehen muss. Ob die Divergenz der statthaften Beweismittel und des Beweismaßes dazu führt, hängt von zwei Faktoren ab. Der Erste betrifft die für das Hauptsacherecht geltende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast und berührt die – unter Gesichtspunkten der Verfahrensgerechtigkeit zu behandelnde – Frage, ob eine Partei hierdurch spezifische Nachteile erleidet. Sie ist im Folgenden aus Sicht des Klägers zu beantworten. Der Zweite steht mit dem Prinzip der Glaubhaftmachung in Zusammenhang. Insoweit ist zu klären, ob den Behauptungsanforderungen, die an sich in der Hauptsache, gelten auch durch präsente Beweismittel, d. h. schon im Eilverfahren entsprochen werden kann und welche Anforderungen an das Beweismaß zu stellen sind. V. Darlegungs- und Beweislastverteilung im Beschlussmängelstreit der Hauptsache 1. Grundregel Die §§ 241 ff. AktG enthalten keine Vorschrift über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Anfechtungsprozess. Einzelnen Vorschriften wird die Rechtsnatur als Beweislastregelung entnommen,27 als allgemeine Grundregel gilt nach Verständnis von Rechtsprechung und Lehre aber die Normentheorie. Auch im Beschlussmängelprozess hat jede Partei die Tatsachen zu behaupten und im Streitfall zu beweisen, die von den ihr günstigen Vorschriften vorausgesetzt werden.28 Selbstverständlich ist das zwar nicht. Denn das Denkmodell der Normentheorie, die Durchsetzung von Ansprüchen in einem Schuldverhältnis, entspricht dem der Beschlusskontrolle nur teilweise. Sie unterscheidet sich zum einen, wo es nicht um die Abwehr subjektiver Rechtsverletzungen, sondern solcher im Drittinteresse geht. Zudem ist die Sachnähe der beklagten Gesellschaft zum Beschlussgegenstand durchweg ausgeprägter als 27 So etwa bei § 186 III 4 AktG. Für Beweislastregelung Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1996), 2. Aufl., S. VII. 28 Vgl. BGH WM 2006, 1151, 1153; OLG München AG 2003, 452, 453; Bacher, GmbHR 2002, 712 ff.; Hüffer, in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 134; ders., in FS Fleck (1988), S. 151, 152 f.; K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 243 Rn. 80; ders., in Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 45 Rn. 161; Würthwein, in Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 245; Zöllner, in KölnKomm, AktG, § 243 Rn. 105.
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3. Teil: Freigabegründe
die des Klägers. Die daraus entstehenden Schwierigkeiten führen gleichwohl nicht zu einer vollständigen Beweislastumkehr,29 wohl aber zu einer möglichen Ausdifferenzierung der Darlegungs- und Beweislast bei den unterschiedlichen Rügen.30 Geboten und hier zu betrachten ist sie auch unter dem vorerwähnten Gesichtspunkt der Nähe des Freigabeverfahrens zum, der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterstehenden, Eintragungsverfahren und dem dafür geltenden Untersuchungsgrundsatz. Zu unterscheiden ist dabei zwischen den Arten der Beschlussmängelrügen. 2. Anwendung und Differenzierungen a) Anfechtungsbefugnis Die genannte Grundregel hat zur Folge, dass der Kläger zunächst das – bei der AG selten zweifelhafte – Vorliegen eines Hauptversammlungsbeschlusstatbestands31 und seine Anfechtungsbefugnis,32 also die Inhaberschaft der Aktionärsstellung in der nach § 245 Nr. 1 AktG notwendigen Vorbesitzzeit sowie den Widerspruch zu Protokoll darzulegen und ggf. zu beweisen hat. Dasselbe gilt für die Wahrung der Anfechtungsfrist des § 246 I AktG durch rechtzeitige Zustellung,33 wobei letztere bei Fristüberschreitung weniger eine Tatsachenfrage als eine Wertung dahingehend beinhalten wird, ob sie noch „demnächst“ erfolgt ist (§ 167 ZPO). Bedeutung erlangt hat die Frage der Anfechtungsbefugnis in jüngerer Zeit ferner bei Verstößen gegen Meldepflichten i. S. d. §§ 21 ff. WpHG, 20 AktG, welche für den relevanten Zeitraum dazu führen, dass Rechte aus der Mitgliedschaft nicht bestehen (vgl. §§ 28 WpHG, 59 WpÜG, 20 VII AktG). Hierfür soll es nach Auffassung des II. Zivilsenats ebenfalls Sache des Klägers sein, die Gründe, welche ausnahmsweise die Anfechtungsbefugnis begründen, darzulegen.34 Unüberwindbar erscheinende Darlegungshindernisse, welche eine amtswegige Untersuchung rechtfertigen könnten, bestehen dabei nicht, was – trotz des Dickichts der Meldevorschriften der §§ 21 ff. WpHG – maßgeblich darauf beruht, dass es sich regelmäßig nicht um Tatsachen, sondern Wertungsfragen handelt.
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Allg. Auffassung, vgl. BGHZ 71, 40, 48; Bacher, GmbHR 2002, 712; Lutter, ZGR 1979, 401, 412; K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 243 Rn. 80; ders., in Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 45 Rn. 161. Der Grund liegt darin, dass sie zur Folge hätte, den Beschluss schon dann für nichtig erklären zu müssen, wenn sich seine materielle Mangelhaftigkeit weder ausschließen noch beweisen ließe. Vgl. aber OLG Dresden ZIP 2005, 573, 576. 30 Vgl. OLG Dresden ZIP 2005, 573, 576. 31 Zöllner, in KölnKomm, AktG, § 243 Rn. 106. 32 Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 243 Rn. 60; ders., in FS Fleck (1988), S. 151, 160 f.; Würthwein, in Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 248. 33 Hüffer, in FS Fleck (1988), S. 151, 156. 34 BGH WM 2006, 1151, 1153.
§ 25 Behauptungslast und Glaubhaftmachungslast
493
b) Verfahrensfehler aa) Allgemeines Soweit Fehler des Verfahrens gerügt werden, ist es nach allgemeiner Auffassung Aufgabe des Klägers, die dem zugrunde liegenden Tatsachen durch entsprechenden Sachvortrag als Prozessstoff einzuführen. Es gibt keine pauschale „Verfahrensrüge“, das Gericht prüft nicht von sich aus, ob die Einberufung der Hauptversammlung und sonstige beschlussvorbereitende Maßnahmen in Ordnung waren.35 Der Kläger hat daher die Umstände darzulegen, aus denen sich die Nichtigkeit oder Zweifel an der Wirksamkeit des Beschlusses wegen Missachtung der dafür geltenden Bestimmungen ergeben. Bei einem behaupteten Einberufungsmangel muss daher gesagt werden, dass nicht alle Mitglieder eingeladen wurden und (exemplarisch) um wen es sich handelt.36 Gelingt die Darlegung eines derartigen Eingriffs in das Teilnahmerecht, so entsteht eine sekundäre Erwiderungslast der Gesellschaft, was dazu führt, dass der Tatsachenbehauptung des Klägers durch qualifiziertes Bestreiten zu begegnen ist, soll ihr Vortrag nicht unerheblich sein.37 Darüber hinaus trägt die Gesellschaft für allgemeine organisatorische Vorkehrungen der Beschlussfassung auch die Beweislast.38 Nur bei „individuellen Verfahrensverstößen“ soll das anders sein.39 Gemeint sind damit Verweigerungen der Teilnahme an der Hauptversammlung, die Entfernung aus dem Sitzungssaal, die Verkürzung der Redezeit usw., doch handelt es sich hier bei genauerer Betrachtung erstens überwiegend nicht um Tatsachen, sondern um Wertungsfragen. Soweit Tatsachen betroffen sind, trifft den Kläger zweitens nur die Behauptungslast für den Eingriff, also z. B. den Saalverweis, die Entziehung des Wortes oder den verweigerten Zugang, die Gesellschaft hingegen für die Gründe, die sie hierzu veranlasst haben, also namentlich ein unbotmäßiges Verhalten des Aktionärs. Gegen eine Anwendung dieser Darlegungsund Beweislastverteilung innerhalb eines summarischen Verfahrens bestehen keine Bedenken. Für die Unrichtigkeit der Ergebnisfeststellung, also Fehler der Auszählung, trifft den Aktionär die Pflicht zur – substantiierten – Darlegung. Die Gesellschaft hat diese qualifiziert zu bestreiten, wozu ihr die Hauptversammlungsunterlagen zur Verfügung stehen.40 Bleibt die Rüge danach noch beweisbe35 Vgl. Hüffer, in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 136; Zöllner, in KölnKomm, AktG, § 243 Rn. 109; wohl ebenso, wenngleich missverständlich K. Schmidt, in Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 45 Rn. 161. 36 BGH NJW 1987, 1262, 1263. 37 Würthwein, in Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 249. 38 Würthwein, in Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 249; Zöllner, in KölnKomm, AktG, § 243 Rn. 109. 39 Würthwein, in Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 250; Zöllner, in KölnKomm, AktG, § 243 Rn. 110. 40 Würthwein, in Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 253.
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3. Teil: Freigabegründe
dürftig, so trifft den Kläger die Beweislast.41 Die notarielle Beurkundung des Abstimmungsergebnisses (§ 130 AktG) begründet dabei keinen – durch die Gesellschaft zu führenden – Gegenbeweis, weil sie sich nur auf das Abstimmungsergebnis, nicht aber auf dessen Ermittlung beziehen. Von der Unrichtigkeit der Ergebnisfeststellung im genannten Sinn zu unterscheiden ist die Fehlerhaftigkeit des Abstimmungsergebnis, welche darauf beruht, dass Stimmen, die – z. B. wegen § 136 I AktG – nicht hätten mitgezählt werden dürfen, berücksichtigt wurden. Hier geht es in der Sache um einen materiellen Rechtsverstoß in Form der Verletzung einer Stimmrechtsschranke, nicht um einen Verfahrensfehler.42 Insgesamt besteht auch hier durch die wechselseitige Verteilung der Darlegungs- und Substantiierungspflichten Ausgewogenheit zwischen den Parteien, so dass es auch für diese Art von Mängeln keiner Korrektur der Stoffsammlung bedarf oder eine negative Feststellungssituation ausgeschlossen erscheint. bb) Auskunftsrechts- und Informationspflichtverletzungen Bei Auskunftspflichtverletzungen trifft den Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die Stellung des Auskunftsgesuchs, seiner Verweigerung sowie der die Erforderlichkeit i. S. d. § 131 I Nr. 1 AktG begründenden Umstände. Die Gesellschaft trägt die Behauptungslast für die Auskunftsverweigerungsgründe des § 131 III AktG.43 Die Sachlage entspricht also derjenigen bei Verfahrensfehlern im Allgemeinen. Nicht behandelt wird die Situation der Informationspflichtverletzung. Einerseits wird der Kläger auch hier den Fehler, etwa des über die Strukturänderung angefertigten Berichts, spezifizieren müssen. Andererseits führen die größere Sachnähe der Gesellschaft sowie der Kollektivcharakter des Informationsrechts dazu, dass von ihr ein qualifiziertes Bestreiten verlangt werden kann. Sofern hiernach Beweisbedürftigkeit besteht, liegt die Beweislast jedoch wiederum beim Kläger. Wesentlich entschärft wird diese für ein summarisches Verfahren potentiell problematische Verteilung der Darlegungs- und Beweislast durch die Relevanztheorie. Nach der früher herrschenden Anschauung musste die Informationspflichtverletzung für das Beschlussergebnis kausal sein, wobei die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen eines Kausalzusammenhangs trug. Mit dem Abstellen auf die Relevanz des Mangels kommt es hierauf nicht mehr an.44 Es handelt sich damit lediglich um eine Wertungsfrage. In der Hinwendung zur Relevanztheorie liegt also nicht nur eine Stärkung der Mehrheitsfestigkeit von 41
A. A. wohl Würthwein, in Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 253. Vgl. zur fehlerhaften Feststellung des Abstimmungsergebnisses, Schwab in K. Schmidt/ Lutter, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 10; Würthwein, in Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 121 ff.; Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 243 Rn. 19. 43 Würthwein, in Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 251. 44 Zutr. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 243 Rn. 61; vgl. aber K. Schmidt, in Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 45 Rn. 161 a. E. 42
§ 25 Behauptungslast und Glaubhaftmachungslast
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Minderheitenrechten, sondern auch eine Verschiebung von einer Tatsachenzu einer Rechtsprüfung.45 Sie eröffnet – da diese grundsätzlich umfassend und durch das Gericht zu erfolgen hat – auch im Eilverfahren daher neue Möglichkeiten. c) Materielle Rechtsverletzungen Materielle Rechtsverletzungen bezeichnen die Verletzung beweglicher Stimmrechtsschranken durch Treuwidrigkeit, Rechtsmissbrauch oder die Zuwiderhandlung gegen Stimmverbote. Sie werden im Schrifttum zumeist mit Inhaltsfehlern umschrieben, was aber ungenau ist, da der Beschlussinhalt selbst selten einen Gesetzes- oder Satzungsverstoß begründet und insbesondere dort nicht angenommen werden kann, wo das Gesetz die gewollte Rechtsfolge als zulässig anerkennt. In der „Mitte“ zwischen Kontrolle der Willensbildung und ihrem Inhalt liegt allerdings die materielle Stimmrechtskontrolle durch Aufstellung beweglicher Stimmrechtsschranken und die Beschlusskontrolle in Form der Notwendigkeit der sachlichen Rechtfertigung bei der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss und dem Gleichheitsgebot. Daraus ergibt sich die folgende Differenzierung: aa) Bewegliche Stimmrechtsschranken Bei dem Vorwurf der Verletzung dieser, von der materiellen Beschlusskontrolle auch durch die Bezeichnung als Rücksichtspflichten unterschiedenen, Pflichten hat in Anwendung des allgemeinen Grundsatzes der Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Er muss also die zur Begründung der einschlägigen Vorwürfe zu missbilligenden Motive und Absichten der Mehrheit schildern. Obwohl ihm dazu häufig die näheren Einblicke fehlen, sind aus Sicht des Schrifttums Erleichterungen regelmäßig nicht veranlasst.46 Anderer Ansicht ist die höchstrichterliche Rechtsprechung in der aus heutiger Sicht (noch) praktisch wichtigsten Fallgruppe, der treupflichtwidrigen Einflussnahme bei an sich erlaubter Strukturänderung. So hatte der Kläger im Linotype-Fall47 vorgetragen, die Geschäftsleitung der Mehrheitsgesellschafterin habe mit der Gesellschaft vor dem Liquidationsbeschluss Verhandlungen über die Übernahme eines wesentlichen Teilbereichs des Unternehmens geführt. Das Berufungsgericht hatte dieses Vorbringen als unsubstantiiert angesehen und unberücksichtigt gelassen. Der BGH hielt dem entgegen, die Darlegungslast des Klägers dürfe nicht überspannt werden. Es sei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass er als Kleinaktionär über den Inhalt der zwischen der Beklagten und der Käuferin geführten Verhandlungen keine genaue Kenntnis haben könne, weil er weder an den Verhandlungen teilgenommen noch Zugang zu 45 46 47
Vgl. § 22 C. IV. 2. c). Vgl. Hüffer, in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 149 a. E. BGHZ 103, 184.
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3. Teil: Freigabegründe
den Geschäftsunterlagen der Beklagten habe. Die beklagte Gesellschaft war daher gehalten, zu den Behauptungen in der Weise Stellung zu nehmen, dass sie den gesamten Ablauf der Verhandlungen mit ihrer Mehrheitsgesellschafterin darlegen und zu der Frage Position beziehen musste, wann erstmals Vereinbarungen und Absprachen getroffen wurden.48 Die Lösung wurde also auf der Ebene der Substantiierungslast angesiedelt. Was die mögliche Frage der Beweislastverteilung anbetrifft, so deutet die Entscheidung auf die notwendige Führung durch den Kläger hin, sie legt sich hierbei nicht fest.49 Andere zur GbR und GmbH ergangene Entscheidungen bestätigen diese Linie in verallgemeinernder Form: Substantiiertes Bestreiten könne vom Prozessgegner ausnahmsweise dann gefordert werden, wenn der beweisbelasteten Partei eine nähere Darlegung des Sachverhalts nicht möglich oder nicht zumutbar sei, weil nur dem Gegner die Einzelheiten bekannt seien und diesem der Vortrag zumutbar sei.50 Dem Bedürfnis nach Sachverhaltsaufklärung kann damit auch unter Geltung der Verhandlungsmaxime und den Beweisregeln des einstweiligen Rechtsschutzes entsprochen werden. bb) Starre Stimmrechtsschranken Für starre, d. h. unmittelbar vom Gesetz vorgegebenen Stimmrechtsschranken lässt sich der neueren Rechtsprechung teilweise eine vollständige Umkehr der Darlegungs- und der Beweislastverteilung entnehmen. So stellt das OLG Dresden zur Mitteilungspflicht des § 20 I AktG fest, es obliege der beklagten Gesellschaft vorzutragen und zu beweisen, dass der betreffende Gesellschafter die von ihm gehaltene Mehrheitsbeteiligung angezeigt habe.51 Die Mitteilungspflicht nach § 20 I u. VI AktG solle anderen Aktionären Kenntnis von den Mehrheits- und Machtverhältnissen verschaffen und die Rechtssicherheit in Bezug auf jene Rechtsnormen gewährleisten, die an das Vorliegen einer Mehrheitsbeteiligung anknüpfen. Diese Zielrichtung gebiete, dass die Gesellschaft ihre Erfüllung zu belegen habe, wenn sie der ihr obliegenden Pflicht zur Veröffentlichung in den Gesellschaftsblättern (§ 20 VI AktG) nicht entsprochen hat.52 Andererseits gelten für die – praktisch in der AG vergleichsweise wenig bedeutsamen – Stimmverbote die allgemeinen Regeln. cc) Inhalts- und Angemessenheitskontrolle Bei der Inhaltskontrolle hat die Rechtsprechung zwar nicht die Darlegungsund Beweislastverteilung umgekehrt, wohl aber ihrem Gegenstand nach aufgespalten. So muss nach der Kali und Salz-Rechtsprechung die Gesellschaft 48
BGHZ 103, 184, 196. BGHZ 103, 184, 197; so aber Bacher, GmbHR 2002, 712, 713. 50 BGH ZIP 1999, 1211, 1212 unter Berufung auf BGHZ 121, 357, 365; BGH NJW 1987, 1262, 1263. 51 OLG Dresden ZIP 2005, 573, 575. 52 OLG Dresden ZIP 2005, 573, 576. 49
§ 25 Behauptungslast und Glaubhaftmachungslast
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die Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich die sachliche Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses ergibt, deren Widerlegung einschließlich zugehöriger Beweisführung soll aber Sache des Klägers sein.53 Sie muss also die Erforderlichkeit der Maßnahme für das Verbandsinteresse plausibilisieren.54 Bei Verstößen gegen den Gleichheitsgrundsatz des § 53a AktG, eine Rüge die ebenfalls zu den seltenen Fällen gehört, in denen der Beschluss insgesamt einer materiellen Sachdienlichkeitskontrolle unterzogen wird, verhält es sich entsprechend: Der Kläger hat diejenigen Tatsachen beizubringen und zu beweisen, aus denen sich die Ungleichbehandlung ergibt. Wenn diese Tatsachen hinreichend substantiiert vorgetragen sind, ist es Sache der Gesellschaft, die Rechtfertigung begründende Umstände vorzutragen und im Bedarfsfall zu beweisen.55 Beide Stimmrechtsschranken sind jedoch vorwiegend wertenden Gehalts. Da sich ihre Prüfung nicht als Problem der Sachverhaltsaufklärung darstellt, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Berücksichtigung unter den Bedingungen des Eilverfahrens. VI. Fazit Im Beschlussmängelstreit gilt zwar grundsätzlich die Normentheorie. Die Besonderheiten der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage führen aber dazu, dass bei den meisten Rügen eine gespaltene Darlegungslast besteht. Daraus folgt vielfach eine sekundäre Darlegungslast der beklagten Gesellschaft, die bewirkt, dass im Ergebnis beide Parteien in die Stoffsammlung eingebunden sind. Das erklärt, weshalb Fälle der Beweisnot von Anfechtungsklägern als selten bezeichnet werden dürfen. In dem Fall des Vorwurfs der nachteiligen Einflussnahme des Mehrheitsaktionärs auf die Gesellschaft hat die höchstrichterliche Rechtsprechung gegen das Schrifttum darüber hinaus mehrfach die Tendenz gezeigt, Erleichterungen der Darlegungslast des Klägers zuzulassen, sofern dieser nicht über gesellschaftsrechtlich vermittelte Erkenntnismöglichkeiten verfügt. Die Gesellschaft wird hierdurch zum substantiierten Bestreiten gezwungen, um die Geständnisfiktion des § 138 IV ZPO zu vermeiden. Insgesamt besteht hierbei eine Ausgewogenheit, aufgrund welche eine hinreichende Sachaufklärung gewährleistet und die Verhandlungsmaxime dem Untersuchungsgrundsatz als prinzipiell gleichwertig erscheinen lässt. Der Kläger gerät durch in das Freigabeverfahren vorgezogene Darlegungspflichten auch nicht in spezifischer Weise in Beweisnot. 53
BGHZ 71, 40, 48 f. Zustimmend Lutter, ZGR 1979, 401, 412 ff.; wegen nicht erkennbarer Gegensätzlichkeit seiner Position zu der des BGH etwas unklar Hüffer, in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 140; differenzierend wohl Zöllner, AG 2000, 145, 153, der aber damit keine Beweislast verbunden sieht. 55 Hüffer, in FS Fleck (1988), S. 151, 164; K. Schmidt, in Großkomm AktG, 4. Aufl., § 243 Rn. 82. 54
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3. Teil: Freigabegründe
C. Zusammenfassung Trotz seiner Nähe zum Registerverfahren handelt es sich beim Freigabeverfahren um ein solches der streitigen Gerichtsbarkeit. Für die Stoffsammlung gilt demgemäß die Verhandlungsmaxime, nicht der Untersuchungsgrundsatz. Die sich daraus ergebende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast folgt den für die Hauptsache geltenden Grundsätzen. Eine Besonderheit besteht durch den prozessualen Rollentausch in beiden Verfahren. Wie bei der negativen Feststellungsklage ändert sich hierdurch an der Zuordnung der Behauptungslast nichts. Wegen der für Beschlussmängelklagen geltenden Darlegungs- und Beweisregeln sind bei den meisten Rügen beide Parteien in die Stoffsammlung einbezogen. Dadurch wird verhindert, dass der Kläger in unzumutbare Beweisnot gebracht wird. Es verbleibt die nun zu untersuchenden Frage, ob sich wegen den hinter der Hauptsache zurückbleibenden Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens Bedenken gegen die Feststellung der Unbegründetheit der Klage bestehen und wie damit umgegangen werden kann.
§ 26 Glaubhaftmachung der rechtserheblichen Tatsachen A. Problemstellung In allen gesetzlichen Regelungen der Freigabeverfahren ist bestimmt, dass „die vorgebrachten Tatsachen, auf Grund derer der Beschluß (…) ergehen kann, glaubhaft zu machen sind“ (§§ 16 III 5 UmwG, 246a III 2, 319 VI 6, 327e II AktG). Die amtliche Begründung nimmt hierzu Bezug auf § 294 ZPO, wonach gilt: „Wer eine rechtliche Tatsache glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden“ (Abs. 1). „Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft (Abs. 2). Als gegenüber den für das Beweisverfahren (§§ 335 ff. ZPO) und das Beweismaß (§ 286 ZPO) allgemein geltenden Regeln charakteristische Abweichungen gegenüber dem Vollbeweis werden dabei regelmäßig hervorgehoben:56 (1) Es ist allein Sache der Partei, der die Last der Glaubhaftmachung obliegt, die Beweismittel beizubringen; sie müssen in der mündlichen Verhandlung präsent sein. (2) Die Partei kann sich grundsätzlich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.
56
Exemplarisch BGH NJW 2003, 3558.
§ 26 Glaubhaftmachung der rechtserheblichen Tatsachen
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(3) Es genügt ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugungsbildung; die Behauptung ist glaubhaft gemacht, sofern eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß sie zutrifft.57 Entsteht dabei auf den ersten Blick der Eindruck, das Verhältnis von Vollbeweis und Glaubhaftmachung sei grundsätzlich geklärt, so ergibt die nähere Betrachtung, dass bislang nur der Vollbeweis Gegenstand eingehender Betrachtung in Rechtsprechung58 und Lehre59 geworden ist. Die Glaubhaftmachung hat dagegen wenig und nur bezogen auf das Problem des geminderten Beweismaßes monographische Aufmerksamkeit erfahren.60 Die als charakteristisch herausgestellten Merkmale der Glaubhaftmachung sind indessen keineswegs eindeutig. Noch weniger ist ein einheitliches Verständnis des Begriffs der Glaubhaftmachung festzustellen. Allein die ZPO verwendet diese Bezeichnung in 52 Fällen,61 wobei sie sie teils fordert,62 teils „genügen“ lässt63 und teilweise in das Belieben des Gerichts stellt.64 Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere Sachgebiete, in denen sie vorkommt, so neben allen Prozessordnungen im engeren Sinne auch im SGG, VwVfG, PatG, BDSG, KSchG, LastenausgleichsG, FremdrentenG, SchwerbehindertenG, der InsO u. a.65 In einigen Fällen finden sich hierbei Legaldefinitionen.66 Für die zentrale Vorschrift des § 294 ZPO hat der historische Gesetzgeber es in heute gewohnter Weise ausdrücklich für entbehrlich und überdies für bedenklich erachtet, eine Definition der Glaubhaftmachung aufzunehmen.67 Sie verwenden teilweise das Kriterium der überwiegenden Wahrscheinlich57
BGH VersR 1976, 928; NJW 1994, 2898. Vgl. insbesondere BGHZ 53, 245. 59 Vgl. insbesondere Leipold, Beweismaß und Beweislast im Zivilprozeß (1985); Musielak, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozeß (1975); S. 107 ff.; Bender, FS Baur (1981), S. 247 ff.; FS Kegel, FS Kronstein (1967), S. 321 ff.; M. Huber, Das Beweismaß im Zivilprozeß (1983). 60 Vgl. Scherer, Das Beweismaß bei der Glaubhaftmachung (1996). 61 Scherer, Das Beweismaß bei der Glaubhaftmachung (1996), S. 5. 62 So z. B. §§ 236 II, 920 II ZPO, 1994 II BGB, 15 II FGG. 63 Etwa in §§ 104 II 1, 605 II ZPO, 106 I 4 OWiG; zur Bedeutung für die Beschränkung auf präsente Beweismittel sogleich u. C. 64 Vgl. § 296 IV ZPO. 65 Scherer, Das Beweismaß bei der Glaubhaftmachung (1996) S. 6. 66 Vgl. § 35 I 2 des Gesetzes über die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegsschäden (BGBl. I 1952, S. 535); § 4 I 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Fremdrenten- und Auslandsrentenrechts (BGBl. I 1960, S. 93); § 36 I 2 des Gesetzes über Beweissicherung und Feststellung von Vermögensschäden in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und im Sowjetsektor von Berlin (BGBl. I 1965, S. 425) und § 42 II 2 LastenausgleichsG (BGBl. I 1969, S. 1909). 67 Vgl. Hahn, (Hrsg.), Die gesamten Materialien zur Civilprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben, Bd. 2, 1, S. 281. Fortgeführt und ergänzt wird sie heutzutage nur noch durch den beinahe schon obligatorisch zu nennen Hinweis auf die Entwicklung in Rechtsprechung und Lehre. 58
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3. Teil: Freigabegründe
keit,68 teilweise eine Umschreibung wie sie dem Vollbeweis entspricht.69 Richtigerweise sind sie für die vorliegende Situation nicht von Nutzen, da sie keine über das jeweilige Gesetz hinausgehende Geltung beanspruchen können.70 Die nunmehr in Rechtsprechung und Schrifttum gebrauchte Charakterisierung der Glaubhaftmachung soll vorliegend nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden. Die Vielgestaltigkeit ihrer Erscheinungsformen und Verwendungen gebietet aber, darüber nachzudenken, wie sie im konkreten Sachzusammenhang zu verstehen ist. Damit sind für das Freigabeverfahren namentlich zwei Gesichtspunkte anzusprechen: Erstens der notwendige Umfang der richterlichen Überzeugung, also das Beweismaß und zweitens die Beweiskraft der zur Verfügung stehenden Beweismittel. Bei beidem geht es um die Frage der Tauglichkeit der Glaubhaftmachung als Mittel der Erkenntnisfindung für eine Entscheidung, die im Spannungsfeld von Entscheidungsgleichklang mit der Hauptsache und gesteigerter Eilbedürftigkeit steht.
B. Notwendiges Beweismaß I. Verhältnis von Glaubhaftmachung und Vollbeweis Der Begriff des Beweismaßes kennzeichnet die zu fordernde richterliche Überzeugung von der Wahrheit einer beweisbedürftigen Tatsache.71 Die Glaubhaftmachung ist nach heute herrschendem Verständnis eine Beweisführung, die dem Richter einen geringeren Grad von Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen einer beweisbedürftigen Tatsache vermitteln soll als die mit dem Vollbeweis zu gewinnende Überzeugung, sie sei wahr (§ 286 I ZPO). Das gelingt, wenn mehr Gründe für die Tatsache sprechen als dagegen (überwiegende Wahrscheinlichkeit).72 1. Grundsatz: Überwiegende Wahrscheinlichkeit der Tatsache Gegenüber stehen sich mit der Glaubhaftmachung und dem Vollbeweis damit zwei Grundformen der richterlichen Überzeugung. Beide vereint im Ausgangspunkt der Charakter als subjektive Einschätzung des entscheidenden Richters.73 Für den Vollbeweis ist das zwar umstritten. Objektive Beweismaßtheorien wollen hier auf von der Person unabhängige Faktoren wie Wahrscheinlichkeitserwägungen (Erfahrungssätze) und Denkgesetze abstel68 So § 36 I 2 des Gesetzes über Beweissicherung und Feststellung von Vermögensschäden in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und im Sowjetsektor von Berlin. 69 So § 42 II 2 LastenausgleichsG. 70 Zutr. Scherer, Das Beweismaß bei der Glaubhaftmachung (1996), S. 38. 71 Greger in Zöller, ZPO, § 286, Rn. 17 f. 72 BGH NJW 2003, 3558, 3559. 73 So zutr. für die Glaubhaftmachung Scherer, Das Beweismaß bei der Glaubhaftmachung (1996), S. 63 ff.
§ 26 Glaubhaftmachung der rechtserheblichen Tatsachen
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len,74 doch liegt darin eher eine stärkere Betonung der Anforderungen an die Beweisgrundlage als die Erwartung einer mathematischen Genauigkeit der Wahrscheinlichkeitsaussage. Dreh- und Angelpunkt ist nicht die – zweifelsohne zu bejahende Frage – der notwendigen Beachtung von Denkgesetzen, sondern der Umfang der Einbeziehung der persönlichen richterlichen Überzeugung vom Vorliegen der beweisbedürftigen Tatsache. Wichtiger als diese Gemeinsamkeit ist das Trennende zwischen Vollbeweis und Glaubhaftmachung. So reduziert sich bei der Glaubhaftmachung die gegenüber dem Regelbeweismaß erforderliche Wahrscheinlichkeit. Wenn genügt, dass mehr für als gegen die Tatsache spricht, bleibt das hinter einer vernünftigen Zweifeln an ihrer Wahrheit Schweigen gebietenden Wahrscheinlichkeit wie sie den Vollbeweis kennzeichnet deutlich zurück. Diese Einschätzung wird allerdings nicht durchweg geteilt, sondern in zweierlei Richtung in Frage gestellt. So wird einerseits auch für die Glaubhaftmachung die volle Überzeugungsbildung des Richters verlangt und gesagt, der Unterschied bestehe nur in der Beweisgrundlage, d. h. der Beschränkung auf präsente Beweismittel und der Zulässigkeit der Versicherung an Eides statt.75 Sodann wollen einige Stimmen nicht das Beweismaß bei der Glaubhaftmachung reduzieren, sondern gehen von einem „Einheitsbeweismaß“ aus, sehen also schon den Vollbeweis als ein gemitteltes Wahrscheinlichkeitsurteil an.76 a) Entstehungsgeschichtliche Begründung Beides verträgt sich allerdings weder mit den Motiven wie der Funktion der Glaubhaftmachung. Zwar enthalten die Materialien zur ZPO in diesem Punkt keine dezidierte Aussage, sondern verweisen – wiederum in geradezu klassisch gewordener Form – auf den Umstand, dass „im Anschlusse an das gemeine Prozeßrecht die neueren Prozeßgesetze und neueren Prozeßgesetzentwürfe vielfach eine Bescheinigung für genügend erklärt (haben)“ und der Entwurf diesen Vorgängern gefolgt sei. Er fordere daher „statt eines Beweises die Glaubhaftmachung der zur Begründung des Antrags dienenden tatsächlichen Behauptungen“.77 Daran (vgl. „statt“) wird aber bereits hinreichend deutlich, dass der historische Gesetzgeber die Glaubhaftmachung nicht nur hinsichtlich der statthaften Beweismittel, sondern auch des Beweismaßes vom Vollbeweis unterschieden wissen wollte.
74 Vgl. M. Huber, Das Beweismaß im Zivilprozeß (1983), S. 88 ff.; Musielak, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozeß (1975); S. 107 ff. 75 Vgl. Gottwald, Schadenszurechnung und Schadensschätzung (1979), S 217; so schon Briegleb, Einleitung in die Theorie des summarischen Processe (1859), S. 375 ff. (bei Scherer, Das Beweismaß bei der Glaubhaftmachung (1996), S. 34 f.). 76 Vgl. Motsch, Vom rechtsgenügenden Beweis (1983), S. 83, 89. 77 Vgl. Hahn, (Hrsg.), Die gesamten Materialien zur Civilprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben, Bd. 2, 1, S. 281.
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3. Teil: Freigabegründe
b) Funktionale Begründung Der Unterschiedlichkeit des Beweismaßes bei der Glaubhaftmachung entsprechen auch ihr Wortsinn und ihre systematisch selbstständige Regelung gegenüber § 286 ZPO. Da hier für die richterliche Überzeugung die „Wahrheit“ der Tatsachenbehauptung erforderlich sei, muss für die Glaubhaftmachung weniger ausreichen.78 Sie spiegelt sich nach Auffassung des Schrifttums auch in der Form der Entscheidungsfindung und ihrem Zweck. Gesagt wird dabei, die meisten Fälle, in denen die Glaubhaftmachung vorgesehen sei, könnten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Sie seien im Wesentlichen prozessrechtlicher Art.79 Überdies liege darin eine verfahrensbeschleunigende Wirkung, da überwiegende Wahrscheinlichkeit im Zweifel schon anzunehmen sei, wenn eine Partei die Richtigkeit ihrer Behauptung an Eides statt versichere. Zudem besteht eine Wechselwirkung zwischen Beweisführung und Beweismaß: Die besondere Art der Beweisführung wirkt sich dabei in einer Minderung des letzteren aus.80 Der entscheidende Aspekt für die Rechtfertigung eines abgesenkten Beweismaßes ist allerdings schon in den Motiven enthalten. So bezieht sich die oben genannte Gegenüberstellung von Beweis und Glaubhaftmachung namentlich auf Fälle, „in denen durch die beantragte Entscheidung den Rechten des Gegners nicht definitiv präjudiziert wird“.81 Ausschlaggebend war und ist auch aus heutiger Sicht für das Genügenlassen der Glaubhaftmachung damit, dass keine endgültige Entscheidung über das streitige Recht getroffen wird.82 Die Reduzierung des Beweismaßes entspricht nach der Vorstellung des Gesetzgebers einer Reduzierung in der Tragweite der Entscheidung. Nur für vorläufige Entscheidungen, also solche, bei denen es den Parteien unbenommen bleibt, ihr vermeintliches Recht umfassend und abschließend zu klären, könne eine relativ oberflächliche Sachverhaltsaufklärung mit geringen Anforderungen an die Beweisstärke genügen. 2. Ausnahme: Überzeugung von der Wahrheit der Tatsache Die nur vorläufige Klärung des Rechts bilden in der ZPO auch die Hauptanwendungsfälle der Glaubhaftmachung. Denn zum ganz überwiegenden Teil handelt es sich in der Tat um Entscheidungen rein prozessualen Charakters, wie etwa die Richterablehnung (§ 44 II ZPO), die Zulassung des Nebenintervenienten (§ 71 I 2 ZPO), Fristverkürzung- und Verlängerung (§ 224 II ZPO), Akteneinsicht (§ 299 II ZPO) usw. Zwar können sie für das Prozessverhältnis von endgültiger Wirkung sein und eine einmal erlangte vorteilhafte prozessu78
Prütting, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 294 Rn. 2. Leipold, in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 294 Rn. 3. 80 So wohl auch Prütting, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 294 Rn. 24. 81 Vgl. Hahn, (Hrsg.), Die gesamten Materialien zur Civilprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben, Bd. 2, 1, S. 281. 82 Vgl. Scherer, Das Beweismaß bei der Glaubhaftmachung (1996) S. 82 ff. 79
§ 26 Glaubhaftmachung der rechtserheblichen Tatsachen
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ale Position beseitigen, z. B., wenn aufgrund der Glaubhaftmachung von Gründen die Widereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt (§ 236 II ZPO) oder verspätetes Vorbringen entschuldigt (§ 296 IV ZPO) und deshalb nicht als präkludiert angesehen wird. Das gilt aber nicht für den damit verfolgten Anspruch im materiellen Sinne, mag dieser letztlich im Ergebnis auch nur wegen der Widereinsetzung oder Zulassung des Vorbringens verneint werden. An diesem Befund ändert sich sodann nichts dadurch, dass das Gesetz in § 920 II ZPO von der „Glaubhaftmachung des Anspruchs“ spricht. Denn ungeachtet der Frage, ob damit wirklich dieser oder nur die zu seiner Begründung erforderlichen Tatsachen gemeint sind, sind Arrest- und Sicherungsverfügung im Normalfall nur auf die Sicherung von Anspruch und Recht, d. h. den Erhalt der prozessualen Möglichkeit ihrer Geltendmachung gerichtet.83 Das von der h. M. angenommene abgesenkte Maß der richterlichen Überzeugung bei der Glaubhaftmachung fügt sich daher konzeptionell in den Konnex aus Vorläufigkeit der Entscheidung und Absenkung des Beweismaßes ein. Im gleichen Zug, mit der man die Glaubhaftmachung mit der Vor- oder gar der Einstweiligkeit der Entscheidungswirkungen rechtfertigt, drängt sich daher die Frage auf, was im gegenteiligen Falle gilt, also welcher Überzeugungsmaßstab für Befriedigungsverfügungen zu verlangen ist. In Umkehr der Begründung für das gegenüber dem Vollbeweis reduzierte Beweismaß wird hierfür nun zumeist ein „erhöhtes Maß an Wahrscheinlichkeit“ verlangt,84 das nach teilweiser Darstellung auch „bis an die Grenze des vollen Beweises“ heranreichen soll.85 Es ist das Verdienst Scherers, der hierin liegenden Schaffung eines „dritten Beweismaßes“ (i. S. e. weiteren, kaum abgrenzbaren Wahrscheinlichkeitsebene) konsequent mit der These entgegen getreten zu sein, dass in diesen Fällen grundsätzlich das Beweismaß des Vollbeweises gilt.86 Die Bedeutung der Glaubhaftmachung liegt hier allein in der Beweismittelregelung des § 294 ZPO.87 Allein diese Position trägt dem Umstand Rechnung, dass der Antragsteller hier erlangt, was ihm an sich nur nach § 286 ZPO, also 83
Vgl. Scherer, Das Beweismaß bei der Glaubhaftmachung (1996) S. 83; dazu bereits o. § 10 B. 84 Vgl. Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971), S. 96 ff.; Heinze, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., Vor § 916 Rn. 69; Vollkommer, in Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 935 Rn. 8; vgl. aber zu § 641d II 3 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., § 170 Rn. 44 (wie § 294 ZPO); ohne Begründung bei Unterlassung ehrverletzender Behauptung wie § 294 ZPO auch OLG Frankfurt ZUM 2001, 322. 85 Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971), S. 96 ff.; Heinze, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 940 Rn. 19. 86 Scherer, Das Beweismaß bei der Glaubhaftmachung (1996) S. 85 ff. Zwar hat das BVerfG unlängst festgestellt, verfassungsrechtlich sei es nicht geboten, auf eine bloße Glaubhaftmachung nur vorläufig wirkende Entscheidungen zu stützen (BVerfG WM 2007, 1329, 1331). Ob diese Feststellung in ihrer apodiktischen Form zutrifft, sei hier dahingestellt. Jedenfalls erscheint der Ansatz Scherers aus Gründen der Verfahrensgerechtigkeit vorzugswürdig. 87 Dabei muss allerdings gefragt werden, ob ein derartiges Beweismaß nicht auch Anpassungen auf Ebene der Beweisgrundlage erfordert, dazu sogleich u. C.
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3. Teil: Freigabegründe
unter der Voraussetzung der Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit der beweisbedürftigen Tatsachen zusteht. Zugleich vermeidet sie die Gefahr, dass sich der Rechtsanwender wenig aussagekräftigen Sätzen, wie der, bei der Leistungsverfügung sei „äußerste Zurückhaltung“ geboten, gegenübersieht und unklar bleibt, ob sich das Maß der Überzeugung auf den Verfügungsanspruch oder Verfügungsgrund bezieht und letzterer auch noch mit anderen Überlegungen wie etwa einer Mitschuld an der Dringlichkeit befrachtet wird.88 Desgleichen beugt sie der unsachgemäßen Verknüpfung der Behauptungs- und Beweislast mit der den Interessen der Beteiligten Verfügung vor.89 Denn ein Interesse an der dauerhaften Verwirklichung eines nicht bestehenden Anspruchs kann es weder im ordentlichen Erkenntnisverfahren noch im Eilverfahren geben.90 II. Folgerungen für das Beweismaß im Freigabeverfahren Scherer hat bei ihren Überlegungen die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsverfügung als Hauptfall einer wirtschaftsrechtlichen Befriedigungsverfügung vor Augen. Die Situation einer faktischen Verdrängung der Hauptsache besteht auch bei den Gegenständen des Freigabeverfahrens. Anders als die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsverfügung greift es bei § 16 III UmwG und Kapitalmaßnahmen (§ 246a AktG) aber nicht nur tatsächlich in die Abwehrmöglichkeit des Antragsgegners ein. Vielmehr schließt es auch dessen Recht auf Kassation ausdrücklich aus, indem es sich gegenständlich mit der dahingehenden Feststellung, dass „Mängel des Beschlusses dessen Wirkungen unberührt (lassen)“ befasst. Selbst wenn man damit wie die bisher h. M. nur den Verlust der Beseitigungsmöglichkeit verbindet (§§ 16 III 9 2. Hs. UmwG, 246a IV 2 2. Hs., 319 VI 9, 327e II AktG) ändert dies nichts daran, dass die Freigabe über eine bloß faktische Befriedigung hinausgeht. Demgemäß wird man das Beweismaß der Glaubhaftmachung i. S. d. §§ 16 III 6 UmwG, 246a III 2, 319 VI 6, 327e II AktG erst Recht als solches des Vollbeweises (§ 286 I ZPO) und nicht der Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) anzusehen haben. Das Gericht muss die beweisbedürftige Tatsache also für wahr halten und nicht bloß überwiegend wahrscheinlich. 88
Vgl. Kemper, in Saenger, ZPO, § 940 Rn. 14; wenig glücklich insoweit auch M. Huber, in Musielak, ZPO, § 940 Rn. 15. 89 So Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971), S. 94 ff., der aber für die Befriedigungsverfügung – sie fällt seinem Verständnis nach in die Gruppe der materiell-akzessorischen (vorausprüfenden) Eilentscheidungen – zu denjenigen gehört, die zu mit dem Vollbeweis identischen Anforderungen tendieren (a. A. O. S. 96 ff.). 90 Besonders groß ist auch die Gefahr einer Vermischung beider Gesichtspunkte im Unterhaltsverfahren nach § 248 FamFG. Naturgemäß ist das Unterhaltsbedürfnis des nicht ehelichen Kindes bei unklarer Vaterschaft groß und schützenswert. Gleichwohl ist es nicht akzeptabel, wenn nicht der wirkliche Vater herangezogen wird, zumal ihm auch keine Ansprüche nach § 945 ZPO bleiben.
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C. Beweisgrundlagen Sofern man das gegenüber dem Vollbeweis reduzierte Beweismaß bei der Glaubhaftmachung damit begründet, dass die Beweismittelregelungen nach § 294 ZPO im Regelfall keine weitergehende Überzeugung zulassen, drängt sich als Folgefrage auf, ob es eine derartige Beschränkung bei notwendigem Vollbeweis überhaupt geben kann. Anders formuliert: Kann es mit den Mitteln der Glaubhaftmachung überhaupt eine dem Vollbeweis entsprechende Überzeugung von der Wahrheit geben? Erscheint eine Synthese aus einer quantitativ unvollständigen Beweisgrundlage mit einer qualitativ vollkommenen Beweisführung möglich? Sie verdeutlicht, dass die von Scherer getroffene Aussage zum Beweismaß bei der Glaubhaftmachung zwar hinsichtlich der Entscheidungswirkungen plausibel ist, aber auf einer ungeprüften Prämisse, nämlich der Möglichkeit zum Beweis, beruht.91 Verneint man sie, so kann man daraus nach der abschlägigen Bescheidung des Konzepts einer vom materiellen Recht losgelösten Abwägungsentscheidung zunächst nur den Schluss ziehen, dass das Eilverfahren sich in erheblichem Maße des Risikos eines non liquet ausgesetzt sieht. Dies geht im Freigabeverfahren zwar nicht pauschal zu Lasten der Gesellschaft, weil die Unbegründetheit keine rechtsbegründende Tatsache ist, sondern die Darlegungs- und Beweislastverteilung der in der Hauptsache entspricht.92 Ob es als solches aber überhaupt sinnvoll ist, hängt davon ab, ob bei dem Verfahrensgegenstand typischerweise ein Beweisnotstand entsteht und – wenn ja – für wen. In diesem Fall ist es entweder nicht sinnvoll oder als Weg der Entscheidung nicht verfahrensgerecht. Das Problem der Beweisgrundlage im Eilverfahren hat zwei Seiten: Zum einen gehört hierzu die Beschränkung auf präsente Beweismittel (§ 294 II ZPO). Die dadurch veranlassten Abweichungen gegenüber dem normalen Beweisverfahren nach §§ 355 ff. ZPO sind von einschneidender Wirkung für die amtswegigen Befugnisse des Gerichts zur Beweiserhebung wie für das Beibringungsvermögen der Parteien. Letzteres zeigt sich namentlich an dem Verlust der Möglichkeit, Zeugen durch Beweisantritt zur Aussage zwingen zu können und ein – zur Wahrheit verpflichtetes (§§ 395 I ZPO, 153 f. StGB) – Beweismittel zur Verfügung zu haben. Zum anderen zählt hierzu die Erweiterung der statthaften Beweismittel durch die Versicherung an Eides statt (§ 294 I ZPO). Bei ihr geht es um die Frage, ob sie als solche zulässig ist und, sofern man dies bejaht, welche Beweiskraft ihr zukommt. Beides hängt mit91 Darin liegt, trotz des Verdienstes der Darlegung des Widerspruchs von hauptsacheverdrängender Vorwegnaheentscheidung und abgesenktem Beweismaß ein ihrer These, denn was die Beweisgrundlagen anbelangt soll an § 294 ZPO festzuhalten sein. Erschwert wird die Problematik dadurch, dass sie mit der wettbewerbsrechtlichen Untersagungsverfügung einen Entscheidungstyp vor Augen hat, bei dem äußerste Dringlichkeit geboten ist und das Gericht innerhalb von wenigen Tagen, teilweise Stunden entscheiden muss. 92 S. o. § 25 B.
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3. Teil: Freigabegründe
einander zusammen. Denn je weniger es eine Beschränkung der Beweismittel des Vollbeweises gibt, umso weniger kann man eine Versicherung an Eides statt rechtfertigen. Gleichwohl ist mit ihr zu beginnen, einmal, weil sie sich in der Praxis des einstweiligen Rechtsschutzes wie des Freigabeverfahrens hoher Beliebtheit erfreut,93 aber auch, weil sie mit dem Wesen des summarischen Verfahrens in besonderer Weise verbunden ist.94 I. Statthaftigkeit der Versicherung an Eides statt 1. Begriff, Erscheinungsformen und praktische Bedeutung Unter einer Versicherung an Eides statt ist eine mündliche oder schriftliche Erklärung zu verstehen, die sich sowohl auf eigene Handlungen und Wahrnehmungen als auch auf andere Tatsachen beziehen kann.95 Sie muss aber auf jeden Fall eine eigene Sachdarstellung enthalten, nicht eine fremde wiedergeben.96 Das Gesetz verbindet sie regelmäßig mit dem Beweismaß der Glaubhaftmachung, in bestimmten Fällen ist sie allerdings ausgeschlossen, und zwar teilweise ersatzlos,97 teilweise unter Ersetzung durch andere Erkenntnisquellen.98 In der Praxis des Freigabeverfahrens findet die Versicherung an Eides statt bislang maßgeblich bei der Glaubhaftmachung der für die Interessenabwägung tragenden Gesichtspunkte Anwendung. Unter Verkennung des tatsächlichen Bezugspunkts der Erklärung haben die Gerichte sie hierbei unhinterfragt vor allem für Werturteile, namentlich Prognoseentscheidungen hinsichtlich der Auswirkungen der beschlossenen Strukturänderung zugelassen. So bezieht sich das LG Heilbronn für die Richtigkeit der positiven wirtschaftlichen Folgen der im Fall zu beurteilenden Ausgliederung auf die Versicherung an Eides statt des Vorstands der Antragstellerin.99 In ähnlicher Weise halten das OLG Hamm100 und das OLG Jena101 Kostenvorteilen bzw. Nachteile der
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S. o. § 4 B. I. 2. Vgl. zur Kritik der Versicherung an Eides statt als Ausgangspunkt für den Ansatz der „offenen Eilentscheidung“ o. § 21 A. III. 3. a). 95 Vgl. Prütting, in MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 294 Rn. 18; die Versicherung an Eides statt unterscheidet sich trotz des verbreiteten terminologischen Gebrauchs (vgl. z. B. auch BGH NJW 2003, 3558) von der eidesstattlichen Versicherung, die an die Stelle des Offenbarungseids getreten und kein Beweismittel ist, vgl. Jauernig, Zivilprozessrecht, 28. Aufl., § 49 II 2. 96 BGH NJW 1988, 2045; Geimer/Greger, in Zöller, ZPO, 24. Auf., § 294 Rn. 4; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., § 109 II 2. 97 So z. B. beim Wert des Beschwerdegegenstands bei der Berufung (vgl. § 511 III 2. Hs. ZPO) und Sachverständigenablehnung (vgl. § 406 III ZPO). 98 So bei Ablehnung von Richter (vgl. § 44 II ZPO). 99 Vgl. LG Heilbronn EWiR 1997, 43 mit abl. Anm. Bayer/Schmitz-Riol, a. A. O. 100 OLG Hamm AG 2005, 361, 364. 101 OLG Jena DB 2006, 2335, 2341. 94
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Nichteintragung durch Zinsverluste, das LG Darmstadt102 sogar durch die Einschätzung von Markterwartungen, für glaubhaft gemacht. Das OLG Düsseldorf103 sieht die methodische Vorgehensweise der Ermittlung von Synergievorteilen für zutreffend, weil ihre „Richtigkeit“ eidesstattlich versichert worden sei. Das ist für die antragstellende Gesellschaft in jeder Hinsicht erfreulich, kann sie sich danach nicht nur hinsichtlich der beweisbedürftigen Tatsachen, sondern auch wegen wertungsbedürftiger Fragen die notwendigen „Beweise“ selbst beschaffen. Selbstredend ist diese Praxis in erheblichen Maße fehlerhaft, denn nur im zuletzt genannten Beispiel des OLG Düsseldorf liegt die „Beweisfrage“ auf der Grenze zwischen Tatsache (Beachtung anerkannter Methoden) und Wertung (Sachgerechtigkeit der verwendeten Methoden).104 Im Übrigen handelt es sich um Wertungsfragen, die als solche beschieden werden müssen, ohne dass es der Versicherung an Eides statt bedarf. 2. Gesetzliche Ausschlussgründe Obwohl das Gesetz sie ausdrücklich zulässt und die Materialien zu § 16 III 6 UmwG sich auf § 294 I ZPO beziehen,105 stellt sich die Frage, ob die Versicherung an Eides statt im Freigabeverfahren statthaft ist. Die amtliche Begründung enthält dafür keinen Anhaltspunkt, sondern geht vom Gegenteil aus. Möglicherweise hat die genannte Stelle in der Regierungsbegründung mit der Bezugnahme auf § 294 I ZPO die Glaubhaftmachung nicht als Beweismaßregelung, sondern – ohne sich über die Konsequenzen bewusst zu sein – nur als natürliche Folge der Anlehnung an das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verstanden (§ 920 II ZPO). Die anderen dazu bestehenden gesetzlichen Regelungen der §§ 44 II, 406 III, 511 III 2. Hs. ZPO geben zu den Grenzen der Versicherung an Eides statt ebenfalls keinen Aufschluss, genauso wenig die Motive zu diesen Vorschriften oder das Schrifttum. Sie folgen bei genauerer Betrachtung aber daraus, dass es sich überwiegend nicht um Tatsachen handelt oder nicht um solche, die der Wahrnehmung des Erklärenden zugänglich sind. So ist der „Wert“ der Beschwer bei § 511 III 2. Hs. ZPO keine Tatsache, sondern das Ergebnis einer Berechnung. Allein deren Grundlagen (wertbildende Faktoren) können fraglich sein, wobei eine Versicherung gegen deren Vorliegen prima facie nichts einzuwenden ist. Anders ist dies bei der Ablehnung wegen Befangenheit. Der „Grund, welcher geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu begründen“, ist zunächst reine Wertungsfrage. Die ihn ausfüllenden Tatsachen können zwar ebenfalls 102
LG Darmstadt AG 2006, 249, 256. OLG Düsseldorf ZIP 1999, 793, 798. 104 Bei den fließenden Übergängen zwischen tatsächlichen Behauptungen und rechtlicher Würdigung handelt es sich durchaus auch um ein allgemeines Problem, vgl. BGH NJW 1988, 2045; OLG Düsseldorf MDR 1986, 152. 105 BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 90. 103
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3. Teil: Freigabegründe
Gegenstand von Darlegung und Überzeugungsbildung sein. Das Problem besteht hier aber in der Schlussfolgerung (Wertung) der äußeren Indizien auf die Befangenheit als innere Tatsache. Diese kann seitens der Partei nicht versichert werden. 3. Entstehungsgeschichtliche Funktionsbegrenzung In denjenigen Verfahren, bei denen das Hauptsacherecht präjudiziert wird, bestehen aus heutiger Sicht grundsätzlich Zweifel an der Beweisqualität der Versicherung an Eides statt. Sie ergeben sich weniger aus der Gefahr, dass eine Partei bewusst zum Nachteil der anderen lügt, als vielmehr aus dem Umstand, dass es eine objektive Wahrheit selten gibt und ihre Feststellung nicht Aufgabe der beweisbelasteten Partei, sondern des Richters ist. In dem Maße wie man die Versicherung der Richtigkeit als Beweismittel zulässt, verschiebt sich die damit verbundene Wertung auf die Partei und es liegt nah – das zeigen die oben dargestellten Fälle – dass das Gericht sie übernimmt, zumal es die Partei anderenfalls mehr oder weniger ausdrücklich der Unwahrheit zeiht. Im Ergebnis beschafft sich die beweisbelastete Partei ihr Beweismittel somit selbst. Grundsätzliche Bedenken gegen die Versicherung an Eides statt ergeben sich aus Sicht einer modernen Prozessordnung aber auch, wenn man ihre Bedeutung im historischen Kontext nachvollzieht. So hatte die heutige Glaubhaftmachung vor Erlass der Kodifikation der ZPO eine „Bescheinigung“ genannte Vorgängerin. Sie war ein summarischer Beweis, der regelmäßig in eilenden Fällen angewandt wurde. Charakteristisch neben seiner Beschränktheit auf präsente Mittel war seine Einseitigkeit. Dabei sollte sich der Richter mit einem Wahrscheinlichkeitsurteil begründen, und „nicht so sehr, daß die in Frage stehende Thatsache wahr, als daß sie mit dem Bewußtsein der Unwahrheit (Chicane) behauptet worden sei, für maßgebend erachtet (summatim cognoscere)“.106 Das letztere entsprach dem Ursprung des Rechtsinstituts der Bescheinigung, dem römisch rechtlichen Calumnieneid.107 Der Fortschritt der ZPO bestand demgemäß darin, vom Antragsteller für die Glaubhaftmachung mehr zu fordern, als den Nachweis über das Fehlen von Leichtfertigkeit, Arglist oder Schikane. Verwirklicht wurde die Vorstellung, dass die vorgelegten Beweismittel für sich gesehen positiv zur Überzeugung des Richters ausreichen müssen. Nun soll nicht in Frage gestellt werden, dass sich die Versicherung an Eides statt heute auch den anspruchsbegründenden, und – was sich ebenfalls von dem Stand des 19. Jahrhunderts unterscheidet – auch den anspruchsfeindlichen Tatsachen geöffnet hat, also keineswegs mehr „einseitig“ ist. Auch bei der 106 Vgl. Wetzell, System des ordentlichen Civilprozesses, 2. Aufl. (1865), S. 168; Scherer, Das Beweismaß bei der Glaubhaftmachung (1996), S. 31. 107 Dazu Wetzell, System des ordentlichen Civilprozesses, 2. Aufl. (1865), S. 305 f.; Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971), S. 68.
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heutigen Rechtsanwendung muss man sich aber über den nach wie vor wirkenden Ursprung des Instituts vergegenwärtigen, mithin darüber klar sein, dass sie nicht mehr ist als besagte Garantie der bewussten oder fahrlässigen Falschbehauptung (vgl. auch §§ 156, 163 StGB).108 4. Fortbestehende Anerkennung als Mittel der Glaubhaftmachung Dem entspricht, dass ihr Beweiswert gering ist. Wo er zur Herstellung der erforderlichen Überzeugung nicht genügt, muss der Partei Gelegenheit zur ergänzenden Beweisführung mit Mitteln des Strengbeweises, i. d. R. der Zeugenvernehmung, gegeben werden.109 Zur Überzeugungsbildung für sich ausreichend kann sie nur da sein, wo die Entscheidung in anderer Form nicht möglich ist und der Verzicht auf die Versicherung an Eides statt der Rechtsschutzverweigerung gleichkäme.110 Beides ist für die vorliegende Thematik zweifelhaft, sofern ausreichende Möglichkeiten zu Formen des im ordentlichen Erkenntnisverfahren geltenden Strengbeweis bestehen. Zu prüfen ist damit, welche Wirkung die Beschränkung auf präsente Beweismittel im Freigabekontext hat. II. Beschränkung auf präsente Beweismittel? Anders als bei der Zulässigkeit der Versicherung an Eides statt lassen die Materialien zum UmwBerG hinsichtlich der Beschränkung auf präsente Beweismittel eine vergleichsweise eindeutige in diese Richtung weisende gesetzgeberische Intention erkennen.111 Das ergibt sich daraus, „die Norm soll(e) so verstanden werden wie im einstweiligen Rechtsschutz sonst auch“. Das Schrifttum beschränkt sich demgemäß auf die Folgerung, dass eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, unstatthaft sei.112 In der Praxis führt das dazu, dass der Antragsgegner die Behauptungen der Gesellschaft nicht gegenbeweislich entkräften kann.113 Allerdings stellt sich die Frage, ob sich eine solche Beschränkung widerspruchsfrei in den Regelungszusammenhang einfügt. Das gilt nicht nur unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Waffengleichheit im Zivilprozess, sondern insbesondere der zeitliche Regelvorgabe von drei Monaten für die Dauer des Verfahrens und der Erforderlichkeit des Vollbeweises
108 Weitergehend wohl Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971), S. 68, der wie im ursprünglichen Kontext davon ausgeht, dass sie für sich gewertet in aller Regel nicht zur Überzeugungsbildung des Richters ausreichen könne; äußerst kritisch auch Teplitzky, JuS 1981, 122, 125. 109 BGH NJW 2000, 814. 110 So auch Teplitzky, JuS 1981, 122, 125. 111 BegrRegE., BT-Drucks. 12/6699, S. 90. 112 Vgl. etwa Habersack, in Emmerich/Habersack, GmbH- und Aktienkonzernrecht, 5. Aufl., § 319 Rn. 37. 113 Vgl. dazu OLG Hamm AG 2011, 624.
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3. Teil: Freigabegründe
bei Verfügungen mit hauptsacheverdrängender Wirkung.114 Die Antwort findet sich, indem man den Normzweck des § 294 II ZPO zum Ablauf des Freigabeverfahrens ins Verhältnis setzt. 1. Inhalt und Normzweck des § 294 II ZPO Nach § 294 II ZPO ist eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, unstatthaft. „Sofort“ bedeutet, dass nur in der mündlichen Verhandlung oder – sofern diese nicht stattfindet – nur dem Gericht vorliegende Beweismittel in die Beweiswürdigung einfließen. Die Beweiserhebung ist nicht an die Formen der ZPO gebunden und insofern weiter. Sie erlaubt nach teilweiser Einschätzung etwa die schriftliche Zeugenaussage.115 Anderseits muss sie aber sogleich möglich sein, also im Zeitpunkt der Entscheidung über das Gesuch. Genaugenommen findet eine Beweiserhebung nicht statt: Es gibt keine Ladung von Zeugen, keine Beiziehung von Urkunden, Einholung von Auskünften usw. Vielmehr müssen alle Beweismittel von der Partei zur Stelle gebracht sein.116 Eine Vertagung ist ebenso unzulässig, wie eine Zeugenvernehmung durch einen ersuchten Richter.117 Die Beschränkung auf präsente Beweismittel ist indessen nicht zwingend mit dem Prinzip der Glaubhaftmachung verbunden. Sie gilt nur dort, wo das Gesetz sie fordert (z. B. bei §§ 236 II, 920 II ZPO, 1994 II BGB, 31 I FamFG),118 nicht da wo es sie nur „genügen“ lässt (vgl. §§ 104 II 1, 605 II ZPO, 106 I 4 OWiG).119 Darüber hinaus gilt sie auch da nicht, wo Terminsbestimmung erforderlich ist (§ 216 I 1. Alt. ZPO) und das Gericht vorbereitende Anordnungen treffen kann, ohne das Verfahren zu verzögern.120 Das wird man zum Anlass nehmen dürfen, in verallgemeinernder Form über eine Erweiterung der statthaften Beweismittel überall dort nachzudenken, wo eine die freigestellte mündliche Verhandlung (§ 216 I 2. Alt. ZPO) erfolgt.121 Denn seinen Zweck, „zu verhüten, daß der Prozess verzögert oder verweitläufigt werde“122 kann § 294 II ZPO hier ohnehin nur eingeschränkt erfüllen und das Gesetz gibt zu erkennen, dass es diesen jedenfalls nicht allein maßgeblich achtet. Anders gewendet besteht Anhalt dafür, dass die Beschränkung auf präsente Beweismittel zu der ohnehin gegebenen Dauer des Verfah114
S. o. B. I. 2. u II. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl., § 43 III; so wohl auch BGH FamRZ 1989, 373; fraglich, a. A. Jauernig, Zivilprozessrecht, 28. Aufl., § 49 II. 116 BGH NJW 2003, 3558. 117 BGH FamRZ 1989, 373; so schon RGZ 16, 368, 369; RGZ 136, 275, 280; Prütting, in MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 294 Rn. 22. 118 Reichold, in Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 294 Rn. 3. 119 Saenger, in ders., ZPO, § 294 Rn. 9. 120 Geimer/Greger, in Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 294 Rn. 3. 121 Dazu sogleich u. 2. 122 Hahn, (Hrsg.), Die gesamten Materialien zur Civilprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben, Bd. 2, 1, S. 281. 115
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rens in angemessenem Verhältnis stehen muss und insoweit der Relativierung zugänglich ist. In der Konsequenz ergibt sich die Notwendigkeit, inzident nach der Reichweite des Mündlichkeitsgrundsatzes im Freigabeverfahren zu fragen. 2. Grundsatz der mündlichen Verhandlung a) Relativierung der Beschränkung bei freigestellter mündlicher Verhandlung Ein Einwand gegen die kategorische Beschränkung auf präsente Beweismittel besteht zunächst für bei die Terminsbestimmung bei obligatorischer mündlicher Verhandlung (§ 216 I 1. Alt. ZPO). Fraglich ist aber, ob er auch durchgreift, wenn ihre Durchführung in das Ermessen des Gerichts gestellt ist (§ 216 I 2. Alt. ZPO). Der Grund liegt in dem dann entstehenden Widerspruch zwischen § 294 II ZPO und einem seiner Hauptanwendungsfälle, dem Arrest und der einstweiligen Verfügung. Hier liegt die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwar grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (§§ 922 I, 936, 937 II ZPO),123 ist also einerseits freigestellt, zumindest bei der einstweiligen Verfügung aber zugleich die Regel, weil eine Entscheidung unter Verzicht hierauf nur in „dringenden Fällen“ i. S. d. § 937 II ZPO sowie bei Zurückweisung des Gesuchs ergehen kann. Denn die Dringlichkeit muss eine gesteigerte sein. Diejenige Dringlichkeit, die ohnehin für den Erlass einer einstweiligen Verfügung vorliegen muss, reicht nicht aus. Vielmehr muss gerade das Zuwarten auf die mündliche Verhandlung und ihre Durchführung zu einer Verzögerung führen, durch welche der Zweck der einstweiligen Verfügung gefährdet würde.124 In der Konsequenz liefe die von § 294 II ZPO vorgegebenen Beschränkungen der Tatsachenfindung im Recht des einstweiligen Rechtsschutzes damit praktisch leer, was kaum gewollt sein kann. Diese Schlussfolgerung greift indessen zu kurz, wenn man die Einsicht berücksichtigt, dass es „den“ einstweiligen Rechtsschutz oder „die“ einstweilige Verfügung nicht gibt, sondern die damit verbundenen Anordnungen in Abhängigkeit von den dadurch hervorgerufenen Wirkungen differenzierten Anforderungen unterliegen.125 Stößt die Anwendung der gesetzlichen Regelung auf keine Bedenken, wo die einstweilige Verfügung allein sichernden Charakter hat, so ergibt sich für die Befriedigungsverfügung ein ganz anderes Bild, nämlich eine Reduzierung des von § 937 II ZPO eingeräumten Ermessens auf null, so denn die Anberaumung der mündlichen Verhandlung einer Versagung effektiven Rechtsschutzes gleichkommt. Demgemäß muss § 294 II ZPO in Abhängigkeit von der konkret gegebenen Verfügungsart gesehen werden. 123 124
Nicht des Vorsitzenden, vgl. Reichhold, in Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 922 Rn. 1. Kemper, in Saenger, ZPO, § 937 Rn. 5; Reichold, in Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 938
Rn. 2. 125
S. o. § 13 B. III. 1.
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3. Teil: Freigabegründe
b) Obligatorische mündliche Verhandlung im Freigabeverfahren Auch für das Freigabeverfahren hängt die Beschränkbarkeit der statthaften Beweismittel davon ab, ob es einer obligatorischen mündlichen Verhandlung bedarf. Die gesetzlichen Regelungen des Freigabeverfahrens sind den §§ 922, 936 ff. ZPO zwar nachgebildet. Wie diese ordnet das Gesetz weder eine obligatorische noch eine freigestellte mündliche Verhandlung an, sondern beschränkt sich wie § 937 II ZPO auf den Satz, wonach „in dringenden Fällen auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werden (kann)“ (vgl. §§ 16 III 3 UmwG, 246a III 1, 319 VI 3, 327e II AktG), was zunächst dafür spricht, von einer freigestellten mündlichen Verhandlung auszugehen. Bislang haben hiervon einige Landgerichte126 wie Oberlandesgerichte127 auch Gebrauch gemacht, allerdings ist diese Praxis nach Einführung der alleinigen Zuständigkeit der Oberlandesgerichte durch das ARUG nicht fortgeführt worden. Einer Verzichtbarkeit der mündlichen Handlung kann auch nicht gefolgt werden. Zunächst gibt das Gesetz mit der gesetzlichen Zeitvorgabe einer dreimonatigen Verfahrensdauer (§§ 246a III 5, 319 VI 4 AktG, 16 III 3 UmwG) selbst zu erkennen, dass ein Fall der besonderen Dringlichkeit i. S. d. § 937 II ZPO zumindest in der Regel nicht vorliegt. Sollte das doch der Fall sein, wird das hauptsächlich auf dem zögerlichen Betreiben des Verfahrens durch die Gesellschaft beruhen.128 In einem solchen Fall besteht kein Anlass für einen Verzicht auf die mündliche Verhandlung zulasten des Antragsgegners. Sodann fällt auf, dass bereits die Materialien zum UmwBerG in augenfälliger Angst vor der eigenen Courage konstatieren, dass „ein dringender Fall, der eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren rechtfertigen könnte, nur selten vorliegen (wird)“.129 Das entspricht auch der wohl einhelligen Auffassung im Schrifttum130 und Teilen der Rechtsprechung.131 Vorzugswürdig erscheint es auch hier, anstelle einer derart weichen Formulierung Farbe zu bekennen und eine obligatorische mündliche Verhandlung an126
So LG Düsseldorf, Beschluss vom 13.1.2005 – Aktenzeichen: 32 O 178/04, LG München I, Beschluss vom 9.10.2003 – Aktenzeichen n. bek. und LG Frankfurt a. M., Datum und Aktenzeichen n. bek.; LG Lübeck, Beschluss vom 15.10.2007 – 5 W 50/07; (sämtlich nicht veröffentlicht). 127 OLG Schleswig ZIP 2007, 2162; OLG Stuttgart AG 2005, 662; OLG Düsseldorf AG 2005, 654; OLG Frankfurt a. M. ZIP 2003, 1654; noch offen gelassen von OLG Frankfurt a. M. ZIP 1996, 379, 381. 128 Für den Kläger gilt die Anfechtungsfrist des § 246 I AktG, deren Einhaltung ihm nicht vorgeworfen werden kann. 129 BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 90. 130 Vgl. Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 26; Grunewald, in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 319 Rn. 33; Habersack, in Emmerich/Habersack, GmbH- und Aktienkonzernrecht, 5. Aufl., § 319 Rn. 37; Kösters, WM 2000, 1921, 1924; Schwanna, in Semler (Hrsg.), UmwG, 2. Aufl., § 16 Rn. 26; ausführlich und statt aller Rettmann, Die Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 161 ff. 131 OLG München AG 2004, 217.
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zunehmen.132 So entspricht die Situation der einer hauptsacheverdrängenden Befriedigungsverfügung.133 Die mündliche Verhandlung ist dabei nicht nur besser zur Aufklärung des Sachverhalts geeignet, sondern berücksichtigt auch die Bedeutung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes, des Mündlichkeitsgrundsatzes (§ 128 ZPO)134 und des Grundsatzes rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG)135 und erscheint angesichts des nicht erkennbaren Nutzens eines Verzichts auch allein als verhältnismäßig. Da bei Ladungsfrist von einer Woche (§ 217 ZPO) keine Verzögerung zu befürchten ist136 erscheint der Sinn und Zweck des § 294 II ZPO, die Verhinderung der „Verweitläufigung“ des Verfahrens, nicht berührt. Eine kategorische Beschränkung der Beweismittel scheidet aus. Nach Einführung der erstund letztinstanzlichen Zuständigkeit des OLG ist das vorstehende Verständnis auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Zwar hat das BVerfG beiläufig festgestellt, dass weder eine mündliche Verhandlung noch ein Instanzenzug erforderlich sei.137 Allerdings bezog sich das auf die Rechtslage vor dem UMAG, und es erscheint sehr fraglich, ob eine Kombination von Verzicht auf den Instanzenzug und die mündliche Verhandlung – die dazu führt, dass in einem gerichtlichen Verfahren mit endgültiger Wirkung ganz ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann – grundlegenden justiziellen Anforderungen entspricht. 3. Folgerung Mit der in der gesetzlichen Regelung der §§ 16 III 6 UmwG, 246a III 1, 319 VI 3 327e II AktG angelegten Notwendigkeit einer Entscheidung nach durchgeführter mündlicher Verhandlung ist die strikte Begrenzung der Beweisgrundlage auf präsente Beweismittel nicht zu vereinbaren. Die Bezugnahme der Regierungsbegründung auf § 294 II ZPO ist insoweit widersprüchlich als darin selbst ein dringender Fall kaum als denkbar erachtet wird und mit der Zeitvorgabe von drei Monaten auch nicht zu vereinbaren ist. Damit ist zwar noch nicht darüber entschieden, welche Beweismittel statthaft sind, aber die Gren132 Wenig zielführend die Praxis der OLG, den Verzicht auf die mündliche Verhandlung durch das LG zu kritisieren, aber durch eigene Entscheidung in der Sache anstelle von Zurückverweisung folgenlos zu lassen, vgl. OLG Düsseldorf AG 2005, 654. 133 Rettmann, Die Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 163. 134 Vgl. aber § 128 IV ZPO. 135 Wobei nicht verkannt wird, dass dem auch in anderer Form entsprochen werden kann; dazu Bork, in Lutter (Hrsg.), UmwG, 3. Aufl., § 16 Rn. 26; bemerkenswert, wenn auch angesichts der Oberflächlichkeit der Begründung nicht verwunderlich ist bei der gegenteiligen Feststellung des BVerfG (WM 2007, 1329, 1331) auch, dass Art. 103 I GG hier nicht einmal in Erwägung gezogen und diese nur in Bezug auf das – von seinem Gehalt überhaupt nicht vergleichbare (!) – Gebot effektiven Rechtsschutzes getätigt wird. 136 So zutr. Rettmann, Die Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 162. 137 BVerfG WM 2007, 1329, 1331 unter Berufung auf BVerfGE 89, 381, 391 bzw. 54, 277, 291.
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3. Teil: Freigabegründe
zen des § 294 II ZPO gelten jedenfalls nicht. Denn auch, wenn es sich nicht um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und den dafür zumeist zu wahrenden Zeitvorgaben handelt, bestehen gleichwohl keine Zweifel, dass die Regeln des Beweisverfahrens im Erkenntnisverfahren ebenso wenig vollumfänglich Platz greifen können. Für die vorstehend noch offengebliebene Reichweite der Versicherung an Eides statt138 folgt daraus deren Subsidiarität gegenüber der zur Glaubhaftmachung tauglicher erscheinenden Beweismittel. Daher ist zu prüfen, inwieweit diese im spezifischen Kontext des Freigabeverfahrens vorrangig angewendet werden müssen. III. Statthafte Beweismittel und Praktikabilität 1. Richterlicher Augenschein und Urkundsbeweis Als grundsätzlich schon unter § 294 II ZPO statthaft anzusehen und daher – ordnungsgemäßen Beweisantritt und Fehlen von Beweiserhebungsverweigerungsgründen vorausgesetzt – zu erheben wie zu verwerten sind der richterliche Augenschein (§§ 371 ff. ZPO) und der Urkundsbeweis (§§ 415 ff. ZPO). 2. Zeugenbeweis Der Zeugenbeweis (§§ 373 ff. ZPO) ist zwar schon nach § 294 ZPO statthaft, allerdings lässt er sich mangels Ladungsmöglichkeit nicht erzwingen. Dafür von dieser Regel vorliegend abzusehen, sprechen zwei Gründe. Dazu gehört einmal der schon erwähnte Umstand, dass nur so die Verfügbarkeit des Beweismittels erreicht werden kann. Sodann besteht kein Bedürfnis, auf an sich schon als freibeweislich zu bezeichnende Erkenntnisquellen wie eine schriftliche „Zeugenaussage“ zurückzugreifen.139 Begrenzt wird der Nutzen des Zeugenbeweises in den Verfahren der vorliegenden Art durch den Umstand, dass die zu vernehmenden Personen häufig Vertreter der beklagten Gesellschaft sein werden. Dann ist der Satz zu bedenken: „Wer als Partei zu vernehmen ist, scheidet als Zeuge aus; wer nicht als Partei zu vernehmen ist, kann Zeuge sein“140. Der gesetzliche Vertreter ist zwar nicht Partei, aber im Wege der Parteivernehmung zu hören (vgl. § 455 I ZPO) und scheidet daher als Zeuge aus.141 Der damit verbundene Nachteil hält sich durch die Möglichkeit der Beweiserhebung durch Parteivernehmung zwar in Grenzen.142 Schwerer wiegt aber die Beachtlichkeit der für Vorstandsmitglieder wie auch für andere Personengruppen auf Seiten der Gesellschaft 138
S. o. I. 4. So dagegen bei der Glaubhaftmachung sonst BGH FamRZ 1989, 373; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl., § 43 III. 140 BGH RR 1994, 1144. 141 Vgl. zur rechtsmissbräuchlichen Verwendung des Zeugenbeweises Rochus GmbHR 2000, 1140 ff. 142 Dazu sogleich u. 5. 139
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bestehenden Vertraulichkeits- und Verschwiegenheitspflichten (etwa der Aufsichtsratsmitglieder, § 116 S. 2 AktG) sowie der – strafbewehrten Geheimhaltungspflichten (§ 404 I AktG). Daraus wird man im Normalfall ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 383 I Nr. 6 ZPO ableiten müssen,143 was wohl auch die Mitarbeiter dieser Personen einschließt.144 Ist der Zeuge dagegen zur Aussage verpflichtet, so besteht ein weiterer Vorteil gegenüber dem schriftlichen „Zeugenbeweis“ und der schriftlichen Versicherung an Eides statt darin, dass der Unmittelbarkeitsgrundsatz gewahrt wird (§ 355 ZPO) und sich das Gericht aus erster Hand und mit Hilfe einer routinierten Fragetechnik einen aussagekräftigen Eindruck von der Glaubhaftigkeit der Aussage machen kann. In der Konsequenz darf der Antrag, den sachverständigen Prüfer als Zeugen zu vernehmen, daher nicht unter Hinweis auf die mangelnde Präsenz widersprochen werden.145 Notfalls ist er in einer weiteren mündlichen Verhandlung zu hören. 3. Sachverständigengutachten Auch für ein von den Fesseln des § 294 II ZPO befreites Erkenntnisverfahren stellt sich unter Eilbedingungen die Frage, inwieweit durch Sachverständigengutachten Beweis erhoben werden kann. Das Sachverständigengutachten ist zwar einerseits schon im einstweiligen Rechtsschutz nicht von vornherein ausgeschlossen, was sich namentlich bei der Notwendigkeit zur Berücksichtigung ausländischen Rechts zeigt. Hier ist das Gericht befugt, nach § 293 ZPO zu verfahren, also „andere Erkenntnisquellen“ zu nutzen.146 Zweifelhaft erscheint aber die Zulässigkeit eines Beweises durch gerichtliches Sachverständigengutachten i. S. d. §§ 402 ff. ZPO. a) Gegenstand und praktische Bedeutung Der Sachverständige leistet dreierlei: Erstens vermittelt er dem Gericht Erfahrungssätze und Spezialwissen aus anderen Wissenschaften, Techniken und Berufen. Zweitens wendet er diese außerrechtlichen Regeln auf den Streitfall an. Drittens ermittelt er Tatsachen, die der Richter als Laie selbst nicht feststellen kann.147 Der Idee nach ist er ein Helfer des Gerichts. Da der Richter den Sachverständigen aber nur benötigt, soweit ihm der eigene Sachverstand fehlt, eröffnet sich dem Sachverständigen angesichts des oben beschriebenen Aufgabenbereichs, wenn schon nicht die Rolle eines „Herren“148, so doch die eines „Stellvertreters“ des Gerichts. 143
Damrau, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 383 Rn. 38. Damrau, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 383 Rn. 34. 145 So aber OLG Hamm AG 2011, 626. 146 Kemper, in Saenger, ZPO, § 920 Rn. 4. 147 Vgl. BGHZ 37, 389; BGH NJW 1993, 1796; Schellhammer, Zivilprozeßrecht, 8. Aufl., Rn. 646. 148 Vgl. Jauernig, Zivilprozessrecht, 28. Aufl., § 54 II. 144
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3. Teil: Freigabegründe
Über die praktische Bedeutung des Sachverständigengutachtens im Beschlussmangelstreit lassen sich keine generalisierenden Aussagen treffen. Typischer Anwendungsfall sind Bewertungsgutachten. In dem Maße, wie sich das Gesetz auf den Standpunkt stellt, dass hier keine Anfechtbarkeit gegeben ist (§§ 14 II, 195 II UmwG, 304 III 2, 305 V 1, 320b II, 327e II AktG), sondern nur die Nachprüfbarkeit im Spruchverfahren, bedarf es hierzu im Freigabeverfahren grundsätzlich keiner Aufklärung. Allerdings gibt es Ausnahmen, die zur Beachtlichkeit der Rüge und damit regelmäßig zur Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten führen können. Sie ergeben sich aus den für § 243 IV 2 AktG zu ziehenden Vorbehalten,149 vor allem aber aus der Beachtlichkeit der Angemessenheitsrüge bei § 255 II AktG und der Anfechtung des Verschmelzungsbeschlusses der aufnehmenden Gesellschaft.150 Unabhängig davon besteht ein gewisses Risiko, dass sich aus der fehlerhaften Bewertung der finanziellen Folgen einer Strukturänderung der Vorwurf treuwidrigen Verhaltens ergeben und die Maßnahme deswegen zu kassieren sein kann. Insoweit gibt es Anhaltspunkte, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass einem Verweis in das Spruchverfahren dabei Grenzen gesetzt sein sollen.151 Die praktische Bedeutung des Sachverständigenbeweises ist trotz des Ausschlusses der Bewertungsrüge also durchaus in mehrfacher Form gegeben. Die Darlegungs- und Beweislast dafür liegt nach allgemeinen Grundsätzen beim Kläger. Darüber hinaus soll das ausgehandelte Ergebnis nach verbreiteter Einschätzung die Vermutung der Angemessenheit für sich beanspruchen können152 und unter der Business Judgement Rule des § 93 I 2 AktG stehen.153 Dem kann nicht allein mit dem Hinweis auf eine seiner Ansicht nach passendere Bewertungsmethode entsprochen werden.154 Angesichts dieser Darlegungs- und Beweislastverteilung läuft die Gesellschaft bei den genannten Beschlussrügen also nicht generell Gefahr mit dem Freigabeantrag zu scheitern. Zuzugeben bleibt, dass die Suche nach dem „gerechten Preis“ im Freigabeverfahren nicht erfolgen kann.
149
Vgl. Noack/Zetsche, ZHR 170 (2006), 218, 232. Da die Verschmelzung erst wirksam wird, wenn die Beschlüsse aller daran beteiligten Gesellschaften eingetragen sind (§ 19 I UmwG) nützt § 14 II UmwG hier nichts, was erklärt, weswegen sich die Praxis der sogenannten „New-Co-Lösung“ bedient, bei der beide Gesellschaften auf eine neu gegründete Gesellschaft übertragen werden oder auf eine solche, bei der keine Anfechtungsrisiken bestehen. 151 Vgl. zum Fortbestand der Anfechtungsbefugnis trotz Squeeze Outs BGH NZG 2007, 26. 152 Vgl. OLG Stuttgart AG 2006, 420, 422 ff.; Vetter, in FS Maier-Reimer (2010), S. 819, 825; zur Maßgeblichkeit des Börsenkurses bei Unternehmenszusammenschlüssen auch Decher, in FS Wiedemann (2002), S. 787, 799 ff. 153 Dazu Stilz, in FS Mailänder (2006), S. 423 ff. 154 So auch Vetter, in FS Maier-Reimer (2010), S. 819, 825. 150
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b) Mangelnde zeitliche Verfügbarkeit des Beweismittels Gegen die Zulässigkeit eines Sachverständigengutachtens im Freigabeverfahren spricht allerdings der damit verbundene Zeitaufwand. Das Gesetz schließt es als Beweismittel im Rahmen der Glaubhaftmachung zwar nicht expressis verbis aus, sondern spricht von der Bedienbarkeit „aller“ Beweismittel, doch handelt es sich schon begrifflich nicht um ein „präsentes“ Beweismittel i. S. v. § 294 II ZPO. Im Urkunden- und Wechselprozess, der ebenfalls auf die schnelle Titelerlangung durch die Zulässigkeit bestimmter Beweismittel gerichtet ist, besteht überdies ebenfalls weitgehende Einigkeit, dass der Sachverständigenbeweis ausscheidet.155 Der hiermit verbundene zeitliche Aufwand lässt sich nur geringfügig verkürzen. Zumeist beanspruchen die Auswahl des Sachverständigen durch das Gericht und die Erstellung des Gutachtens aber einen zeitlichen Aufwand, der mit den Soll-Vorgaben des Gesetzes (§§ 16 III 4 UmwG, 246a III 6, 319 VI 4, 327e II AktG)156 schwerlich in Einklang zu bringen sein werden. c) Prüfer als gerichtlicher Sachverständiger? Beides ließe sich mit wohl vertretbarem Zeitaufwand bewältigen, wenn man die bereits zuvor mit der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfung befasste Person zum gerichtlichen Sachverständigen bestellen könnte. Denn diese ist von dem Gericht ohne Verzögerung zu ermitteln und mit den Verhältnissen der Gesellschaft vertraut, ja hat möglicherweise sogar schon hinsichtlich der konkreten Beweisfrage zuvor ermittelt. aa) Exkurs: Rechtsprechung zur Prüferbestellung im Spruchverfahren Im Spruchverfahren hat die Rechtsprechung gegen die Vernehmung des Prüfers als gerichtlichen Sachverständigen keine Einwände zugelassen. Die vorherige Tätigkeit als Abschlussprüfer stehe einer Bestellung zum gerichtlichen Sachverständigen zur Bestimmung des Umtauschverhältnisses nicht entgegen. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände kann sie daher auch nicht die Besorgnis rechtfertigen, der Sachverständige sei an einer unparteiischen, unvoreingenommenen Erstellung des Gutachtens gehindert.157 Den dagegen gerichteten Antrag auf Ablehnung wegen Befangenheit (§ 406 ZPO) wies das Gericht dementsprechend zurück. Zur Begründung wird dabei auf das Fehlen einer gesetzlichen Inkompatibilitätsregelung und die gesetzlichen und berufsständischen Regeln zur Sicherung der Unabhängigkeit des Prüfers hingewiesen (insbesondere § 319 II HGB). Zwar dürfte es die Akzeptanz des Gutachtens erhöhen, jemanden auszuwählen, der keine oder nur geringste Berührungspunkte mit einer Partei habe. Das könne aber nicht dazu führen, den Sachver155 156 157
Vgl. Braun, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 595 Rn. 5. Dazu schon o. § 24 B. II. 2. b) cc). OLG Düsseldorf WM 2006, 2137.
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3. Teil: Freigabegründe
ständigen allein wegen seiner Prüfertätigkeit für befangen zu halten, zumal ihm die Fähigkeit zugesprochen werden müsse, eine einmal gefasste Meinung zu revidieren.158 bb) Stellungnahme und Lösungsvorschlag Dem kann unter der derzeit obwaltenden Prüfungspraxis schon deshalb nicht zugestimmt werden, weil in der Konsequenz ein praktisch durch die Gesellschaft ausgesuchter Prüfer nochmals zu einer weitgehend identischen Frage Position bezieht.159 Ob ihm unter diesen Umständen pauschal die Fähigkeit attestiert werden kann, sich von den ursprünglichen Aussagen zu distanzieren (also: Fehler einzuräumen) ist in höchstem Maße zweifelhaft. Erwägen kann man allenfalls, ob man bei einer Bestellungspraxis, die mit der eigenständigen Auswahl des Prüfers durch das Gericht ernst macht, den vorab erstellten Prüfer auch als gerichtlichen Sachverständigen im Verfahren einsetzt oder dem Gutachten bei Identität der Fragestellung i. S. e. antizipierten Sachverständigengutachtens sogar Beweisqualität beimisst.160 Man wird sich gerade bei weitgehend identischer Fragestellung zwar keine Illusionen darüber machen dürfen, der Prüfer bekenne sich freimütig zu Fehlern oder werde Wertungsspielräume anders bemessen als vorher. Andererseits erscheint diese Lösung einem vollständigen Fehlen des Sachverständigenbeweises vorzugswürdig. Um sie zu verwirklichen, ist es einmal mehr von Bedeutung, konsequent die Unabhängigkeit der Prüfung sicherzustellen und die bisherige Praxis der Prüferbestellung auf Vorschlag der zu prüfenden Gesellschaft nebst der Parallelprüfung zu beenden. Erreicht werden damit drei Ziele in einem: Erstens wird eine bessere Prävention gegen eine Begünstigung des Mehrheitsaktionärs erreicht,161 zweitens erscheint die Bestellung als gerichtlicher Sachverständiger vertretbar, was einerseits die Schaffung des notwendigen Beweismittels im Freigabeverfahren und andererseits die Abkürzung des Spruchverfahrens erlaubt. Und drittens werden Bewertungen der Erfolgsaussichten der Hauptsache dadurch erst möglich. Diese erweisen sich als unverzichtbar, wo der Beschluss nicht nur in Bestandskraft erwächst, sondern es zugleich an Ausgleichsinstrumentarien mangelt. Dies gilt namentlich für die auf § 255 II AktG gestützte Klage.162 158
OLG Düsseldorf WM 2006, 2137, 2138; zu letzterem schon OLG Düsseldorf AG 2001,
533. 159 Zum Problem bereits o. § 7 B III 4; a. A. zum vorliegenden Fall Hennrichs/Pferdmenges, WuB II A. § 293d 1.07; Wittgens, EWiR 2006, 609. 160 Der Begriff des antizipierenden Sachverständigengutachtens hat im Verwaltungsrecht die mit der vorliegenden Problematik nicht zu verwechselnde Bedeutung, dass bestimmte Innenrechtsnormen ausnahmsweise Außenwirkung haben (dazu Jarass, JuS 1999, 105, 108). 161 Vgl. dazu Hecker, Regulierung von Unternehmensübernahmen und Konzernrecht (2000), S. 418 ff.; siehe auch Hanau, NZG 2002, 1040, 1043. 162 S. o. § 19 C. III. 2. c) cc).
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d) Privatgutachten Die in Beschlussmängelstreitigkeiten vielfach vorgelegten Privatgutachten sind keine förmlichen Beweismittel i. S. d. §§ 355 ff. ZPO. Das bedeutet zwar nicht, dass der Richter sich damit nicht sorgfältig zu befassen hat.163 Zumeist dienen sie aber ohnehin der Darlegung von Rechtsauffassungen, nicht dagegen dem Beweis tatsächlicher Fragen. 4. Parteivernehmung a) Voraussetzungen Die Parteivernehmung nach §§ 445 ff. ZPO ist wie der Zeugen- und Sachverständigenbeweis ein Beweismittel und als solche zu würdigen (§ 286 I ZPO). Zu unterscheiden ist sie von der Parteianhörung (§§ 141, 273 II Nr. 3 ZPO), die lediglich dem (ergänzenden) Vortrag dient. Von den fünf gesetzlichen Fällen der Parteivernehmung164 hat aus Sicht der beweisbelasteten Partei ihre eigene Vernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO zumeist den alleinigen Nutzen. Dagegen ist die Vernehmung des Gegners mit Risiken verbunden und wird regelmäßig nicht zur Bestätigung der beweisbedürftigen Tatsache führen. Zwar ist das Gericht in der Würdigung des Vernehmungsergebnisses frei und darf den Vernehmungsinhalt auch nicht gegenbeweislich verstehen (§ 445 II ZPO).165 Im Ergebnis verbleibt es aber meistens bei der Beweisfälligkeit. Die Parteivernehmung von Amts wegen erfordert, dass das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um die Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen (§ 448 ZPO). Sie ist deshalb nur zulässig, wenn die bestrittene Behauptung schon wahrscheinlich ist und die Parteivernehmung nur noch letzte Zweifel zerstreuen soll (Anfangswahrscheinlichkeit). Sie ist unzulässig, solange Behauptung gegen Behauptung steht und die eine nicht wahrscheinlicher ist als die andere.166 In diesem Fall sind ihre Ergebnisse auch unverwertbar, sofern keine Heilung erfolgt (§ 295 I ZPO).167 Ob die Subsidiarität der Parteivernehmung im Freigabeverfahren tatsächlich gilt, ist wegen seiner Nähe zu einem Verfahren mit Inquisitionscharakter zweifelhaft,168 kann aber letztlich offen bleiben, einmal, weil das substituierende Beweismittel des 163
Vgl. BGH NJW 1998, 2735. Parteivernehmung auf Antrag, erstens des Gegners der beweisbelasteten Partei (§ 445 ZPO) oder – zweitens – der beweisbelasteten Partei selbst mit dessen Zustimmung (§ 447 ZPO) bzw. von Amts wegen – drittens – nach § 448 ZPO, viertens als Schätzungsvernehmung nach § 287 I 3 1. Hs. ZPO und fünftens in Ehe- und Kindschaftssachen nach §§ 613, 640 I ZPO. 165 BGH NJW 1965, 1714. 166 BGHZ 150, 334; vgl. auch schon BGH NJW 1983, 2033; 1987, 2509; 1989, 3222; Schellhammer, Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Rn. 669, Fn. 469 m. w. N.; Lange, NJW 2002, 476, 481. 167 BGH NJW 1989, 3222. 168 S. o. § 25 A I. 164
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Zeugen in vielen Fällen nicht zur Verfügung stehen wird,169 ferner, weil sich die notwendige Anfangswahrscheinlichkeit aus der Parteianhörung (§ 141 ZPO) ergeben kann.170 b) Rechtfertigung erweiterter Anwendung Die Vernehmung nach §§ 445 ff. ZPO hat den Vorteil, dass die Partei ihre Angelegenheiten am besten kennt.171 Sie hat weiter den Nutzen, dass sich das Gericht unmittelbar einen Eindruck von der Darstellung des Geschehens verschaffen kann. Wie bei der Zeugenvernehmung kann es durch Fragetechniken Widersprüche und Ungereimtheiten aufdecken oder auflösen und sich einen Eindruck von der Glaubhaftigkeit der vorhandenen Behauptungen und der Glaubwürdigkeit der Partei machen.172 Darin liegt gegenüber der – bloß schriftlichen – Versicherung an Eides statt ein nicht gering einzuschätzender Vorzug, so dass kein Grund ersichtlich ist, weswegen die an sich von § 448 ZPO vorausgesetzte Subsidiarität der Parteivernehmung im Verhältnis zu ihr nicht gelten sollte. Das Gegenteil ist der Fall, d. h. am Ausreichen der eidesstattlichen Versicherung ist zu zweifeln. Die Eidlichkeit der Versicherung ändert hieran nichts, da auch die Parteivernehmung eidlich erfolgen kann (§ 452 ZPO) und in gleicher Weise strafbewehrt ist (§ 154 StGB). Ein weiterer wesentlicher Vorteil besteht darin, dass mit den gesetzlichen Vertretern Personen vernommen werden, die nicht Zeugen sein können. Dadurch entsteht die Möglichkeit, die Vorstandsmitglieder als Partei zu vernehmen, und zwar – was ebenfalls nicht unbedeutsam ist – ohne Einwand der Verweigerung.173 Denn § 383 ZPO ist in den in § 451 ZPO zu findenden Verweisungen auf den Zeugenbeweis nicht zu finden. Zwar wird man Gründen, wegen derer ein Zeugnisverweigerungsrecht anzunehmen wäre, mit dem Schrifttum „in gewissem Maße Rechnung tragen müssen“174. Grundsätzlich besteht aber nicht die Notwendigkeit, sich auf die ohnehin bedenkliche Weite des § 383 I Nr. 6 ZPO einlassen zu müssen.175 Auch hier ist auf den Untersuchungscharakter des Verfahrens zu verweisen. Vertraulichkeitsgesichtspunkten muss durch Ausschluss der Öffentlichkeit Rechnung getragen werden.
169 Generell und zunehmend kritisch im Schrifttum Coester-Waltjen, ZZP 113 (2000), 269, 291; Gehrlein, ZZP 110 (1997), 451, 474; Oberhammer, ZZP 113 (2000), 295, 314 ff.; a. A. Lange, NJW 2002, 476, 481 f. 170 Vgl. Lange, NJW 2002, 476, 481 ff., der deswegen einen Verzicht auf das Subsidiaritätsmoment ablehnt. 171 Schellhammer, Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Rn. 671. 172 Das verdeutlicht auch der ihr Ablauf. Darstellung bei Lange, NJW 2002, 476, 481. 173 Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., § 122 I 4. 174 Jauernig, Zivilprozessrecht, 28. Aufl., § 56 IV. 175 Krit. insoweit auch Damrau, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 383 Rn. 31 a. E.
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c) Zulässigkeit bei der Glaubhaftmachung Die Parteivernehmung begegnet auch keinen Bedenken, weil es sich um einen Fall der Glaubhaftmachung handelt. Das Gesetz nennt sie in § 294 I ZPO zwar nicht ausdrücklich, schließt sie aber auch nicht aus („aller Beweismittel bedienen“). Die Materialien bestätigen sogar, dass sie explizit gewollt war, weil im Entwurf zum heutigen § 294 ZPO der Ausschluss eines der Parteivernehmung stark ähnelnden Beweismittels vorgesehen war.176 Bei der Eideszuschiebung konnte dem Gegner ein Eid über Tatsachen auferlegt werden, die in Handlungen des Gegners, seiner Rechtsvorgänger oder Vertreter bestehen oder welche Gegenstand der Wahrnehmung dieser Personen gewesen sind.177 Durch Leistung dieses Eides wurde voller Beweis der beschworenen Tatsache begründet. Seine Verweigerung hatte zur Folge, dass das Gegenteil der zu beschwörenden Tatsache als voll bewiesen galt.178 Von der Leistung wie der Nichtleistung der Beschwörung auf einen vom Gericht genau formulierten Satzes allein hing der Prozessausgang ab. Durch diese Streichung der Unstatthaftigkeit der Eideszuschiebung im Rahmen der Glaubhaftmachung hat bereits der historische Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass diese hier zulässig sein sollte. Entsprechendes muss für die heutige Parteivernehmung gelten, zumal das Gesetz von der der starren Beweisregelung des gestabten Parteieides durch die ZPO-Novelle von 1933 zugunsten der freien Beweiswürdigung (§§ 446 u. 453 ZPO) abgewichen ist179 und der fortbestehenden Kritik an der heutigen gesetzlichen Regelung dadurch begegnet werden kann und wird, dass regelmäßig beide Parteien vernommen werden.180 Im Übrigen zeigt sich die Aufgeschlossenheit der ZPO gegenüber der Parteivernehmung auch daran, dass sie nur in einem Fall, nämlich beim Beweis des Restitutions- bzw. Nichtigkeitsgrunds unzulässig ist, und auch das gilt nur für die beantragte Parteivernehmung nicht diejenige von Amts wegen (§ 581 II ZPO). IV. Fazit Fasst man das Ergebnis der Prüfung der im Freigabeverfahren trotz seiner Eilbedürftigkeit zur Verfügung stehenden Beweismittel zusammen, so kann die 176
Vgl. § 256 CPO-Entwurf: „Wer eine thatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel mit Ausnahme der Eideszuschiebung bedienen, auch zur eilichen Versicherung der Wahrheit der Behauptung zugelassen werden. Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.“ 177 § 397 ZPO-E, § 410 ZPO ursprüngliche Fassung, vgl. Hahn, (Hrsg.), Die gesamten Materialien zur Civilprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben, Bd. 2, 1, S. 52. 178 Vgl. §§ 411, 412 ZPO-E, 428, 429 ZPO ursprüngliche Fassung, vgl. Hahn, (Hrsg.), Die gesamten Materialien zur Civilprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben, Bd. 2, 1, S. 53; ferner Scherer, Das Beweismaß bei der Glaubhaftmachung (1996), S. 29. 179 Vgl. Jauernig, Zivilprozessrecht, 28. Aufl., § 56 II. 180 Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., § 122 II 6.
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3. Teil: Freigabegründe
oben genannte Frage, ob den geforderten qualitativen Beweisanforderungen des Vollbeweises quantitative Beweismittel gegenüber stehen, trotz der Beschränkung des Gesetzes auf die Glaubhaftmachung bejaht werden. Den Weg zu einer Differenzierung gegenüber der für die Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geltende Beschränkung auf präsente Beweismittel ebnet die Notwendigkeit, vor dem OLG stets mündlich zu verhandeln. Angesichts der Bedeutung der Eintragung aber auch der gesetzlichen Soll-Vorgabe zur Dauer des Verfahrens verbleibt für einen Verzicht nach Muster des § 937 II ZPO kein Raum. Abweichend von § 294 I ZPO ist auch größere Zurückhaltung bei der Würdigung von Versicherungen an Eides statt geboten. Zum einen verbietet sich die bisherige Praxis, Aussagen überwiegend prognostischen Charakters damit als bewiesen anzusehen. Zum anderen sind die Vorzüge der Parteivernehmung zu berücksichtigen. Sie vermögen es auch, die Schwächen des Zeugenbeweises, welche im vorliegenden Fall in dem umfassend angelegten Zeugnisverweigerungsrecht des § 383 I Nr. 6 ZPO und der mangelnden Vernehmungsfähigkeit des Vorstands der Gesellschaft liegen, zu überwinden. Als grundlegende Schwäche verbleibt der zwar nicht kategorische, aber im Hinblick auf mögliche Verzögerungen doch regelmäßige Ausschluss der Beweiserhebung durch gerichtliches Sachverständigengutachten. Ihm kann entgegen Ansätzen in der Rechtsprechung im Spruchverfahren angesichts der derzeit vorherrschenden Bestellungspraxis zwar nicht dadurch begegnet werden, dass der zuvor bestellte und mit den Verhältnissen schon vertraute Maßnahmenprüfer zum gerichtlichen Sachverständigen berufen wird. Dies erhärtet aber umso mehr die Notwendigkeit mit der Wahrung der Unabhängigkeit des Prüfers ernst zu machen. Geschieht das, so bestehen keine Bedenken gegen eine Bestellung als gerichtlichen Sachverständiger. Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass im Freigabeverfahren eine der Hauptsache weitgehend entsprechende Sachverhaltsaufklärung betrieben werden kann und muss. Das OLG ist hierdurch aber nicht nur in der Lage, den erforderlichen Entscheidungsgleichklang mit der Hauptsache herbeizuführen. Vielmehr unterliegt es auch einer dahingehenden Verpflichtung, die dazu veranlasst, der materiell-rechtlichen Prüfung der Anfechtungsklage stärkere Berücksichtigung zu gewähren und nicht auf pauschale Abwägungserwägungen zu verfallen.
D. Zusammenfassung Das Prinzip der Glaubhaftmachung des § 294 ZPO ist im Freigabeverfahren auf zwei Ebenen zu modifizieren: Beim Beweismaß tritt an die Stelle der normalerweise mit der Glaubhaftmachung verbunden einfachen überwiegenden Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Wahrheit der behaupteten Tatsache. Das Beweismaß entspricht damit dem des Vollbeweises. Erforderlich ist
§ 27 Rechtliche Würdigung
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zwar keine absolute und schon gar keine mathematisch-objektive Gewissheit, aber der übliche hohe Grad an Wahrscheinlichkeit, welcher vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet. Dieser Befund gründet auf der Feststellung, dass das Gesetz einen geringeren Grad an Überzeugung nur dort gelten lassen will, wo die zu treffende Entscheidung die Sache nicht endgültig präjudiziert. Genau das ist bei den hier interessierenden Beschlüssen aber gewollt und grundsätzlich auch der Fall. Hinsichtlich der Beweisgrundlagen unterliegt das Freigabeverfahren nicht den Beschränkungen auf präsente Beweismittel (§ 294 II ZPO). Der Zeugenbeweis steht zwar nur in eingeschränktem Maße zur Verfügung, was aber keine Folge des Verfahrenscharakters ist, sondern im Eilverfahren gleichermaßen gilt. Zum Ausgleich ist zu erwägen, die bisherige Zurückhaltung gegenüber der Parteivernehmung hier wie dort aufzugeben. Ein erhebliches Hindernis zur Erkenntnisfindung kann in der Unstatthaftigkeit des gerichtlichen Sachverständigengutachtens liegen. Der Hauptanwendungsfall dürfte auch weiterhin in der Bewertungsrüge liegen. Als Beweismittel innerhalb der angestrebten Zeitvorgaben zu erlangen dürfte das Sachverständigengutachten aber bei einer Bestellung des bereits im Vorfeld der angefochtenen Maßnahme tätig gewordenen Prüfers. Diese Lösung erscheint als gangbarer Weg, setzt allerdings eine bessere Wahrung seiner Unabhängigkeit als bisher voraus.
§ 27 Rechtliche Würdigung A. Bedeutung und Fragestellung Waren im Vorstehenden die Möglichkeiten der Stoffsammlung zu behandeln, so hat sich der abschließende Teil mit den Anforderungen an die rechtliche Würdigung der Beschlussmängelklage im Freigabeverfahren zu befassen. Die praktische Bedeutung der Frage ist erheblich, da die Anwendung des Gesetzes in den Fällen der vorliegenden Art eine Vielzahl von normativen Tatbestandsmerkmalen betrifft, deren Ausfüllung nur im Wege einer wertenden Betrachtung erfolgen kann. Das gilt gleichermaßen für die Rüge von Verfahrensfehlern, wie etwa die Bewertung der Angemessenheit statutarischer Redezeitbeschränkungen (§ 131 II 2 AktG n. F.),181 der Reichweite des Frage- und Auskunftsverweigerungsrechts (§ 131 I u. III AktG) oder der zumutbaren Dauer der Hauptversammlung182 wie für materielle Stimmrechtsschranken wie Treupflichtverletzungen und Gleichheitswidrigkeiten, ganz zu schweigen 181 Vgl. dazu OLG Frankfurt ZIP 2008, 1333; zu den Änderungen durch das UMAG Gantenberg, DB 2005, 207, 211. 182 Dazu LG Köln AG 2008, 340, 342; vgl. auch Mülbert, in Großkomm. AktG, 4. Aufl., Vor §§ 118–147 Rn. 132; Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 541.
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3. Teil: Freigabegründe
von den Generalklauseln des Wesensverstoß (§ 241 Nr. 3 1. Alt. AktG) oder des sittenwidrigen Beschlussinhalts (§ 241 Nr. 4 AktG). Angesichts der zu beobachtenden Dynamik der Gesetzgebung hat der Richter es hierbei häufig mit neuen und demgemäß höchstrichterlich nicht geklärten Vorschriften zu tun. Für das Freigabeverfahren ergibt sich dabei die Notwendigkeit, den Umfang der rechtlichen Würdigung abzustecken. Ausgehend vom summarischen Charakter der Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bedarf insoweit der Prüfung, ob unter Umständen eine nur eingeschränkte, überschlägige Bewertung genügt oder diese darüber hinaus gehen muss, möglicherweise den Anforderungen des ordentlichen Erkenntnisverfahrens entspricht. Zudem ist zu erörtern, ob die dem Grundsatz nach gegebene Unabhängigkeit der Instanzgerichte bei der rechtlichen Würdigung im Freigabeverfahren Einschränkungen unterliegt. Auch hier stellt sich die Frage nach „gebotener Zurückhaltung“ wie sie die Hypothekenbankschwestern-Rechtsprechung des BGH ursprünglich verlangt hat.183
B. Iura novit curia im Eilverfahren I. Auswirkungen des Prinzips der Glaubhaftmachung Das Gesetz sagt in § 294 ZPO zur Bedeutung der Glaubhaftmachung von Rechtsfragen nichts. Die allgemeine Auffassung sieht demgemäß ausschließlich Tatsachen als Gegenstand der Glaubhaftmachung an.184 An dieser scheinbar eindeutigen Rechtslage ergeben sich Zweifel, weil das Gesetz an anderen Stellen, darunter auch dem Hauptanwendungsfall der Glaubhaftmachung (§ 920 II ZPO), gegenständlich nicht von Tatsachen spricht, sondern vom „Anspruch“ (Vgl. auch § 805 IV 1 ZPO). Desgleichen formuliert § 605 II ZPO: „Zur Berücksichtigung einer Nebenforderung genügt, daß sie glaubhaft gemacht ist“. § 815 II 1 ZPO spricht ebenfalls von der Glaubhaftmachung eines die Veräußerung hindernden „Rechts“. Leipold hat dies zu der Annahme bewogen, die Glaubhaftmachung beschränke sich nicht nur auf die tatsächliche Seite, sondern auch auf das behauptete Recht.185 § 294 ZPO schließe nicht aus, dass § 920 II ZPO auch eine Herabsetzung des Anforderungen an die Erkenntnis der Rechtslage beinhalte. Bestätigt werde dies durch § 921 ZPO, wonach der Arrest sogar ohne Glaubhaftmachung des Anspruchs angeordnet werden könne186 sowie durch § 940 ZPO, der nur von der „Regelung eines 183
BGHZ 112, 9, 24. Geimer/Greger, in Zöller, ZPO, 24. Auf., § 294 Rn. 1; M. Huber, in Musielak, ZPO, § 294 Rn. 1; Prütting, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 294 Rn. 12; Reichhold, in Thomas/ Putzo, ZPO 26. Aufl., § 294 Rn. 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., § 109 II 2; Saenger, in ders., ZPO, § 294 Rn. 1; Schellhammer, Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Rn. 508, 1908. 185 Vgl. Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971), S. 64 ff. 186 Vgl. Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971), S. 70. 184
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einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis“ spreche.187 Zu fordern sei daher nicht mehr als „die gute Möglichkeit“ des Bestehens des Rechts, was wohl in der Weise zu verstehen ist, dass die Rechtsordnung ein solches bei abstrakter Betrachtung kennt, ohne dass es im konkreten Sachverhalt bestehen müsse. Dem ist zuzugeben, dass sich den Materialien für § 920 II ZPO keine eindeutigen Anhaltspunkte für eine Beschränkung der Glaubhaftmachung auf Tatsachen entnehmen lassen.188 Hinsichtlich der übrigen Anwendungsfälle folgt dies allerdings mit Eindeutigkeit aus dem Normzweck.189 Nur für § 815 II 1 ZPO kann nicht mehr als eine „summarische“ Rechtskenntnis erwartet werden. Denn Normadressat ist hier nicht ein Gericht, sondern mit dem Gerichtsvollzieher ein juristischer Laie.190 Hinsichtlich § 920 II ZPO erscheint selbiges allein aus Sicht Leipolds und seiner These von der „offenen Eilentscheidung“ konsequent: Wenn man sich für die Entscheidung vom materiellen Recht löst, braucht man es in der Tat in seinen Einzelheiten nicht zu kennen. Es genügt zu wissen, dass der geltend gemachte Anspruch der Rechtsordnung jedenfalls nicht fremd ist. Allerdings wurde dem Ansatz der „offenen Eilentscheidung“ bereits nachdrücklich widersprochen.191 An dieser Stelle kann es daher nur noch um die Frage gehen, ob sich für eine Einschränkung der rechtlichen Würdigung Argumente finden lassen. Das von Leipold hierzu angeführte Unvermögen des Gerichts, Rechtsfragen unter vollständiger Würdigung des Gesetzes, der Rechtsprechung und Literatur zu klären, genügt dafür nicht. Darin steckt darin mehr eine unbewiesene Behauptung als eine Tatsache.192 In dieser Allgemeinheit und unter Berücksichtigung der für den Freigabebeschluss zur Verfügung stehenden Zeit trifft sie auch nicht zu. Vielmehr geht es darum, die Bedeutung des Grundsatzes des iura novit curia im Eilverfahren als solche zu bestimmen. Dafür ist zunächst nach seiner Bedeutung im Erkenntnisverfahren zu fragen. II. Grundsatz der vollständigen rechtlichen Würdigung 1. Ordentliches Erkenntnisverfahren Im ordentlichen Erkenntnisverfahren sind Einschränkungen des iura novit curia abzulehnen. Der Grundsatz des deutschen Rechts für die Behandlung der Rechtsfrage verlangt, dass der Richter das Recht kennen, auslegen und anwen-
187
Vgl. Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971), S. 72. Vgl. Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971), S. 65; so auch Scherer, Das Beweismaß bei der Glaubhaftmachung (1996), S. 53 f. 189 Vgl. dazu näher Scherer, Das Beweismaß bei der Glaubhaftmachung (1996), S. 54 ff. 190 So schon Scherer, Das Beweismaß bei der Glaubhaftmachung (1996), S. 54 f. 191 S. o. § 21 A. III. 192 Dazu sogleich u. II. 188
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3. Teil: Freigabegründe
den muss. Die Parteien haben darauf keinen bestimmenden Einfluss.193 Darin besteht der zentrale Inhalt der Regel des iura novit curia und ihrer vergleichbaren Umschreibung durch den Satz „da mihi facta, dabo tibi ius“. Die Regel ist anscheinend so selbstverständlich, dass es schwer fällt, in Rechtsprechung und Lehre überhaupt Aussagen zu ihrer Bedeutung zu finden.194 Trotzdem erscheint es zweckmäßig, sich ihre zwei Grundbestandteile vor Augen zu führen: Der Erste besteht darin, dass die Rechtsermittlung dem Richter und nur ihm obliegt. Er muss sich also selbstständig Kenntnis vom anzuwendenden Recht, seinem Inhalt und seiner Ausprägung durch Studium von Rechtsprechung und Literatur verschaffen. Das schließt nicht aus, sich der Hilfe anderer, wie Kollegen, wissenschaftlichen Mitarbeitern usw. zu bedienen, nur darf das Gericht das Ergebnis dieser Hilfe nicht als solches übernehmen (Ausnahme § 293 ZPO), sondern muss es sich im Wegen einer intellektuellen Leistung zu Eigen machen und die Überzeugung seiner Richtigkeit gewinnen. Die Erforschung des Rechts ist ein rein interner Vorgang und hat keinerlei Verbindung zu einem Beweisverfahren. Eine Beweisaufnahme über die Rechtslage ist verboten.195 Eine Beteiligung der Parteien ist nicht zwingend erforderlich,196 nur darf der Richter sie nicht mit seinen originellen Einfällen erst im Urteil überraschen.197 Der zweite, gleichermaßen wichtige Bestandteil des iura novit curia steht im Zusammenhang mit der richterlichen Unabhängigkeit. Aus der Verantwortung für das anzuwendende Recht folgt, dass in jedem Einzelfall eine Entscheidung getroffen werden muss. Ein non liquet kann es im eigenen Recht nicht geben.198 2. Summarisches Verfahren a) Meinungsstand Im summarischen Verfahren ist der Anspruch hinsichtlich der Vollständigkeit der rechtlichen Würdigung des Streitstoffs weniger deutlich ausgeprägt. Nach teilweiser Auffassung hat das Gericht die Schlüssigkeit des Arrest- oder Verfügungsanspruchs stets in gleicher Weise zu prüfen wie im Hauptverfahren.199 Ausnahmen sind selbst dann nicht zuzulassen, wenn dem jeweiligen 193 Prütting, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 293 Rn. 2; ders. Gegenwartsprobleme der Beweislast (1983), 122 f.; vgl. zur historischen Entwicklung auch Oestmann, Die Grenzen richterlicher Rechtskenntnis, in Colloquia Academica (1999), S. 37, 48 ff. 194 Man findet sie dort, wo sie ausnahmsweise nicht gilt, bei der Ermittlung fremden Rechts, wo sich der Richter fremder Hilfe bedienen darf (§ 293 ZPO). 195 Prütting, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 294 Rn. 5. 196 Prütting, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 294 Rn. 4. 197 Schellhammer, Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Rn. 418. 198 Anders bei der Anwendung fremden Rechts, obwohl es sich hier ebenfalls nicht um eine Tatsache handelt, vgl. Prütting, in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 294 Rn. 52. 199 Dezidiert Heinze, in MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 920 Rn. 10, 935 Rn. 13 ff.; vgl. auch Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht § 74 IV 1; Schlitt/Seiler, ZHR 166 (2000),
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Rechtsgebiet typischerweise Schwierigkeiten in der Beurteilung innewohnen und den Erlass von Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes unabhängig vom konkreten Sachverhalt erschweren.200 Nach anderer Ansicht kann die Schlüssigkeitsprüfung im Bedarfsfall abgemildert werden. Sie müsse „nicht mit derselben Sorgfalt wie im normalen Erkenntnisverfahren“ erfolgen,201 wobei nicht immer ganz deutlich wird, ob sich diese Aussage auf die tatsächlichen Feststellungen oder die Würdigung von Rechtssätzen bezieht.202 Diese Sichtweise will die Besonderheit der Entscheidungssituation im Eilverfahren berücksichtigen. Es könne auch für einen erfahrenen Richter eine kaum zu bewältigende Herausforderung darstellen, in knapper Zeit zu schwierig gelagerten Fragen eine ausreichend belastbare Antwort zu entwickeln.203 Anderenfalls wäre einstweiliger Rechtsschutz für bestimmte Rechtsgebiete per se zu verneinen. Auch für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten ist wegen ihrer Komplexität vereinzelt vorgeschlagen worden, die für das Erkenntnisverfahren zugrundegelegte Methode der Rechtsfindung in Ausnahmefällen abzuschwächen.204 b) Stellungnahme Auch wenn der zuletzt genannten Position darin beizupflichten sein man, dass die umfassende Erarbeitung der Rechtslage in der Situation eines Eilverfahrens Schwierigkeiten bereitet, kann ihr nicht zugestimmt werden. Vielmehr gilt auch hier die Pflicht zur erschöpfenden Aufarbeitung der Entscheidungsgrundlagen. Der Grundsatz der umfassenden rechtlichen Würdigung steht zum einen im Zusammenhang mit dem Erfordernis des Verfügungsanspruchs als solchem. Verzichtet man hierauf, handelt es sich letztlich um nichts anderes 200 544, 555 f. Reichhold, in Thomas/Putzo, ZPO 26. Aufl., § 935 Rn. 4 (die Intensität der rechtlichen Prüfung nicht erleichtert); Zutt, ZHR 155 (1991), 190, 204; Singhof, WuB II A. § 203 AktG 1.01. 200 Heinze, in MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 935 Rn. 16 m. w. N. Beispielhaft wird hierbei auf Patent-, Gebrauchs- und Geschmacksmusterstreitigkeiten hingewiesen, bei denen in der Rechtspraxis die einstweilige Verfügung nur in seltenen Fällen bejaht wird. So sind Herstellungs- und Vertriebsverbote, die auf eine Patent- oder Gebrauchsmusterverletzung gestützt werden durch einstweilige Verfügung nur auszusprechen, wenn die Schutzfähigkeit der Rechte und ihre Verletzung über jeden Zweifel erhaben erscheinen. 201 Baur, Studien zum einstweiligen Rechtsschutz (1967), S. 28 ff.; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, 13. Aufl., S. 643; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 7. Aufl., Rn. 1510 („nicht mit der Zeit raubenden Gründlichkeit“); ähnlich Blomeyer, ZZP 81 (1968), 20, 38; Grunsky, in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 916 Rn. 4; ähnlich Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes (1971), S. 23 ff.; vgl. auch Schlosser, FamRZ 1967, 703. 202 Ausdrücklich etwa Schlosser, FamRZ 1967, 703 (bei langwieriger Prüfung komplizierter Rechtsfragen); i. d. S. wohl auch Grunsky, JuS 1976, 278, 281. 203 Grunsky, JuS 1976, 278, 281. 204 Littbarski, Einstweiliger Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht (1996), S. 104 ff., 191; vgl. auch für den vorliegenden Zusammenhang den Diskussionsbeitrag von Schön, im Rahmen des 63. Deutschen Juristentages in Leipzig, Bd. II 1, 2000, O 140 (anlässlich der Diskussion über die Erweiterung des § 16 III UmwG).
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3. Teil: Freigabegründe
als ein weiteres – drittes – Einfallstor für eine vom materiellen Recht losgelöste Entscheidung. So besagt die bloße Möglichkeit des Bestehens eines Rechts nichts darüber, ob dies auch in dem zu entscheidenden Einzelfall angenommen werden kann. Allein darauf aber kommt es schon grundsätzlich an, erst Recht, wenn die Sache endgültig präjudiziert wird. Weiter ist kaum zu begründen, wie die Schlüssigkeitsprüfung ohne vollständige rechtliche Würdigung ihre Filterungswirkung entfalten soll. Solange über den anzuwenden Rechtssatz Unklarheit herrscht, kann vielfach nicht gesagt werden, welche Voraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht zu erfüllen sind.205 Das gilt umso mehr, wo die rechtliche Würdigung die einzige Hürde gegen den Erlass der Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes darstellt. Sodann lässt sich das behauptete Unvermögen zwar vielleicht für eine innerhalb von wenigen Stunden zu erlassende einstweilige Maßnahme annehmen, nicht aber für ein Eilverfahren, für dessen Durchführung bereits das Gesetz von mehrmonatiger Dauer ausgeht. Zu guter Letzt streitet für eine regelmäßig uneingeschränkte Rechtsprüfung in wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten generell, dass dem Gericht die Überzeugungsbildung häufig durch eine ausführliche Aufarbeitung der Rechtslage durch die Parteien erleichtert wird. Sie bleibt zwar seine alleinige Aufgabe. Die Antragsschriften werden aber regelmäßig gründlich vorbereitet und sind durch entsprechende Nachweise aus Rechtsprechung und die Literatur belegt. Gleiches gilt auch für Schutzschriften, die vom potentiellen Antragsgegner in Erwartung einer ermöglichen einstweiligen Verfügung beim Gericht hinterlegt werden.206 III. Ergebnis Im Ergebnis kann zumindest für das Freigabeverfahren damit festgehalten werden, dass für eine Beschränkung der rechtlichen Würdigung weder durch das Prinzip der Glaubhaftmachung noch aus anderem Grund Anlass besteht. Das Gericht ist wie in der Hauptsache zu einer umfassenden Aufarbeitung der Rechtsgrundlagen gemäß dem iura novit curia verpflichtet.
C. Offene und höchstrichterlich nicht geklärte Streitfragen I. Entscheidungszwang und Entscheidungsfreiheit Der mit dem iura novit curia vorgegebene Pflichteninhalt stößt an Grenzen, sobald das Gericht über eine höchstrichterlich nicht geklärte Frage zu entscheiden hat. Die h. M. zum Merkmal der offensichtlichen Unbegründetheit kann dem von ihr selbst gesetzten Maßstab, dass Ergebnis müsse „eindeutig“ und eine andere Beurteilung „nicht oder kaum vertretbar“ sein, insoweit von 205
Vgl. schon o. § 21 A. III. 3. Zur Bedeutung der Schutzschrift in diesem Zusammenhang Schlitt/Seiler, ZHR 166 (2000), 544, 581. 206
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vornherein nicht gerecht werden. In der Konsequenz müsste das Freigabegesuch zurückgewiesen werden. Das entspricht dem Standpunkt der Hypothekenbankschwestern-Entscheidung und dem darin formulierten Gebot der Zurückhaltung,207 welches sich in Rechtsprechung und Literatur in augenscheinlich unveränderter Form nach wie vor findet. Zweifelhafte Rechtsfragen müssen damit im Grundsatz einer höchstrichterlichen Entscheidung zugeführt werden.208 Das verwehrte nicht nur dem damals allein zur Entscheidung berufenen Registergericht die Eintragung, sondern galt auch nach Einführung des Freigabeverfahrend auch für die Instanzgerichte. Nun hat sich allerdings herausgestellt, dass das Gebot der Zurückhaltung im Wesentlichen dem Entscheidungsgleichklang und der Richtigkeitsgewähr geschuldet war.209 Im Bereich wertungsbedürftiger Tatbestandsmerkmale und divergierender Rechtsansichten war die Gefahr einer Diskrepanz der Auffassungen verschiedener Richter besonders groß und eine solche Vorgabe demgemäß sehr naheliegend. Mit der Übertragung der Entscheidung auf die Instanzgerichte hat sich das Problem hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen – die Identität der Spruchkörper vorausgesetzt – allerdings weitgehend erledigt, mag es sich auch durch die zuletzt geschaffene alleinige Zuständigkeit des OLG wieder deutlicher stellen. Es bleibt daher allein die Frage, ob in der Beurteilung von Rechtsfragen anders zu entscheiden ist, es bei dem Gebot der richterlichen Zurückhaltung (und somit dem „Offensichtlichkeitsmaßstab“) zu bleiben hat. Sie ist nicht allein deshalb zu bejahen, weil die Diskussion rechtlicher Zweifelsfragen nicht mit der gleichen Sorgfalt erfolgen könne, wie im Hauptverfahren.210 Denn von einem Eilverfahren im engeren Sinne kann – wie nochmals zu betonen ist – nicht die Rede sein, und auch im ordentlichen Erkenntnisverfahren befasst sich das Gericht zumeist nicht über Monate hinweg mit Rechtsfragen eines einzelnen Falles. Zudem entspricht es dem Wesen der richterlichen Unabhängigkeit, auch abweichend von der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung entscheiden zu können. Erst Recht muss man eine solche Befugnis anerkennen, soweit es an einer solchen fehlt. Der Grundsatz des iura novit curia spricht indiziell ebenfalls für eine Entscheidung trotz Vertretbarkeit mehrerer Auffassungen. Denn er umfasst, wie gesagt, nicht allein die Pflicht zur eigenen rechtlichen Würdigung durch das Gericht, sondern zugleich die weitere Pflicht, den Fall trotz offener möglicher Unwägbarkeiten über den Fortbestand des Ergebnisses im Instanzenzug zu entscheiden.211 207
Vgl. BGHZ 112, 9, 24 ff. Vgl. OLG Schleswig ZIP 2007, 2162, 2163; so schon OLG Stuttgart AG 1997, 138; Rettmann, Die Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 115; Sosnitza, NZG 1999, 965, 970. 209 Vgl. § 24 B. II. 2. b). 210 So aber Rettmann, Die Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 115. 211 Dazu soeben I. 1. 208
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3. Teil: Freigabegründe
II. Effektiver Rechtsschutz, Rechtsfortbildung und Rechtseinheit 1. Ausschluss der Rechtsbeschwerde und Instanzenverlust Ein Problem ergibt sich allerdings aus dem Verlust der Eingangs – und Revisionsinstanz. So hat sich der BGH anlässlich des Falles T-Online/Telekom unter Beifall des Schrifttums212 gegen die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nach §§ 574 ff. ZPO entschieden.213 Obwohl der Senat hierbei auf einen ungeschriebenen Fall der negativen Statthaftigkeit (neben der positiven Statthaftigkeit gemäß § 574 I Nr. 1 u. 2 ZPO) abstellte und auf Grundlage dieser Überlegung zu einem gesetzlichen Ausschluss der Beschwerde gelangte, ergriff der Gesetzgeber zeitlich unmittelbar danach die Gelegenheit, dies im Rahmen der Freigaberegelungen nochmals ausdrücklich klarzustellen (vgl. §§ 16 III 7 UmwG, 246a III 4, 319 VI 7, 327e II AktG).214 Das ARUG hat die Instanzen durch Erstzuständigkeit des OLG „von unten“ weiter verkürzt. In der Konsequenz dieser Einschränkungen scheiden sowohl eine Behandlung in mehreren Instanzen wie eine höchstrichterliche Klärung von Rechtsfragen im Freigabeverfahren aus. Das ist zwar kein gesetzlich einmaliger215 und auch in Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG kein zu beanstandender Zustand.216 Die ausschließliche Entscheidungshoheit des OLG stimmt aber bedenklich. Die Zweifel gründen einmal darauf, dass die Freigabe vollendete Tatsachen schafft, indem der durch sie erreichte Bestandsschutz die Kassation zu einem späteren Zeitpunkt ausschließt. Um die Effektivität des Rechtsschutzes ist es geschehen, ohne dass eine Überprüfungsmöglichkeit in der Revisionsinstanz zur Verfügung gestanden hätte. Von überindividueller Bedeutung ist sodann der Verlust der mit der Revision verbundenen Rechtsfortbildungsgelegenheit. Eine höchstrichterliche Klärung der Rechtsfrage ist nur bei Fortsetzung der Hauptsache eröffnet, doch erweist sich diese regelmäßig als praktisch sinnlos. Darüber hinaus wird darüber nachzudenken sein, ob diese wirklich einschränkungslos eröffnet ist.217 In der Rechtsprechungspraxis der Oberlandesgerichte zeigt sich – wie an anderer Stelle dargetan wurde – angesichts des Verlusts der Revisionsinstanz eine teilweise uneinheitliche Tendenz im Umgang mit Beschlussmängelverfahren.218 Es droht der Verlust der Einheit der Rechtsprechung. 212
Vgl. etwa Decher, ZIP 2006, 746 ff.; Neye, WuB II P § 16 1.06; Waclawik, ZIP 2006, 1428 ff.; zuvor schon Vollhardt, NZG 2006, 297. 213 BGHZ 168, 48. 214 Art. 1 des zweiten Gesetz zur Änderung des UmwG v. 19.4.2007, BGBl. I 2007, 542. 215 Vgl. zum Ende des Instanzenzugs beim amtsgerichtlichen Verfahren 1. Instanz § 72 I GVG. 216 Darauf gründen auch wohl die Bedenken von Rettmann, Die Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen (1998), S. 115 gegen die Freigabe trotz fehlender höchstrichterlicher Klärung einer streitigen Rechtsfrage. 217 Dazu sogleich u. C. 218 S. o. §§ 3 B. II. u. 4 B. III. 1.
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2. Auswirkungen auf die Behandlung streitiger Rechtsfragen Letztlich ist der Umgang mit rechtlichen Streitfragen im Freigabeverfahren in Abhängigkeit von der notwendigen Rechtsschutzeffektivität zu beurteilen. Dabei ist – wie bereits dargetan wurde – nicht nur die Klägersicht entscheidend, sondern auch die der Gesellschaft. Das „Gebot richterlicher Zurückhaltung“ trägt dem nicht Rechnung, sondern wirkt einseitig zugunsten des Klägers. Allerdings muss die Beurteilung im Ergebnis danach erfolgen, ob und inwieweit dieser eine Klärung der Rechtslage betreiben kann. Es kommt es also darauf an, ob und wie nach der Freigabe über den Beschluss weiter prozessiert werden kann und eine Möglichkeit der Revision zum BGH besteht.219 III. Qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis zur Fortsetzung des Rechtsstreits in der Hauptsache Hängt die Möglichkeit zur Bewertung ungeklärter Rechtsfragen im Freigabeverfahren entscheidend davon ab, ob noch eine Möglichkeit zur höchstrichterlichen Überprüfung bleibt, so ergeben sich aus den Freigaberegelungen dafür keine Beschränkungen. Die Klage soll im ordentlichen Verfahren ja angeblich unverändert, d. h. als Gestaltungsklage fortgesetzt werden können. Dabei wird jedoch verkannt, dass die zum Bestandsschutz führende Eintragung des Beschlusses nach Durchlaufen des Freigabeverfahrens zur Erledigung der Hauptsache führt.220 Für die Fortsetzung des Prozesses ist daher ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis i. S. e Fortsetzungsfeststellungsinteresses zu fordern. Um dieses zu bestimmen, ist zunächst zu fragen, inwieweit das allgemeine Prozessrecht nachgelagerten Rechtsschutz zulässt. Sodann bedarf der Überlegung, welche Bestimmungsfaktoren sich aus dem Regelungszusammenhang des Beschlussmängelstreits ergeben. Orientierung findet sich in Form der gesetzlichen Regelung zur Fortführung des ursprünglichen Anfechtungsprozesses nachdem ein Bestätigungsbeschluss gefasst wurde (§ 244 S. 2 AktG). Sodann ist nach dem Zusammenhang zwischen einer auch nach Freigabe fortbestehenden überindividuellen Funktion der Anfechtungsklage zu
219 Nur sofern der Anlass dazu für den Kläger allein darin besteht, die Kostentragungspflicht aus dem Freigabeverfahren zu vermeiden, ist die Fortführung der Hauptsache allerdings weder notwendig, noch statthaft. Denn mit dem stattgebenden Unbedenklichkeitsbeschluss tritt prozessual Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ein. Um die Klageabweisung zu vermeiden, muss der Kläger diesen für erledigt erklären. Schließt sich die beklagte Gesellschaft dem an, liegt eine beiderseitige Erledigungserklärung vor. Das Gericht entscheidet durch Beschluss nach § 91a ZPO, gegen den die sofortige Beschwerde gegeben ist (§ 91a II 1 ZPO). Der Instanzenzug ist nicht eröffnet. Verweigert die Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers die Gefolgschaft (wozu sie aber niemand zwingen kann), so liegt eine einseitige Erledigungserklärung vor. Das Gericht entscheidet durch Urteil, gegen das Berufung und Revision gegeben sind (S. schon o. § 7 B. I. 4.). 220 Vgl. o. § 7 B. I. 4.; u. § 20 C. I.
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3. Teil: Freigabegründe
suchen, welche ein Rechtsschutzbedürfnis für die Prozessfortführung begründen könnte. 1. Feststellungsfähigkeit erledigter Rechtsverhältnisse nach § 256 ZPO Im Zivilprozess begegnet eine Fortsetzungsfähigkeit des Prozesses als Feststellungsverfahren namentlich unter dem Gesichtspunkt des Feststellungsinteresses Schwierigkeiten. Dazu gehört zum einen, dass hinsichtlich des streitgegenständlichen Rechtsverhältnisses bestehende Gegenwärtigkeitserfordernis. Zum anderen muss die dem Grundsatz nach gegebene Subsidiarität gegenüber dem Leistungsprozess beachtet werden.221 a) Gegenwärtigkeitserfordernis Ein Feststellungsinteresse i. S. v. § 256 I ZPO liegt nur vor, wenn in Ansehung des Rechtsverhältnisses infolge des Verhaltens des Beklagten oder aus anderem Anlass für den Kläger eine tatsächliche Ungewissheit oder Unsicherheit besteht, so dass er sich in seiner Rechtsstellung gefährdet sieht und ein Bedürfnis auf alsbaldige Klarstellung, sei es zur Richtschnur künftigen Verhaltens oder aus sonstigen Gründen berechtigt erscheint.222 Dazu muss das streitige Rechtsverhältnis im Grundsatz als in der Gegenwart bestehend oder nicht bestehend festgestellt werden können.223 Daher scheiden sowohl zukünftige Rechtsverhältnisse, bei denen die sie begründenden Tatsachen noch nicht vorliegen und die auch nicht bedingt sind aus. Ebenso wenig sind vergangene Rechtsverhältnisse regelmäßig einer Feststellung zugänglich. Eine Ausnahme kann gelten, wenn sich hieraus noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben können.224 Dabei bejaht man das Feststellungsinteresse teilweise bereits schon, wenn ein künftiger Streit über die Auswirkungen des vergangenen Rechtsverhältnisses wahrscheinlich oder auch nur möglich sei. Die einschlägigen Entscheidungen weisen dabei gedankliche Anleihen an das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des § 113 I 4 VwGO und dessen Parallelnormen des sozial- und 221 Nicht weiter zu verfolgen sind dagegen Bedenken gegen die Anerkennung des Beschlusses als Rechtsverhältnis i. S. d § 256 ZPO, die sich zu Recht als „gekünstelt“ bezeichnen lassen (vgl. Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen (1989), S. 82; Jacobs, Gegenstand der Feststellungsverfahrens (2004), S. 264); die Eigenschaft als Rechtsverhältnis anerkennend BGH NJW-RR 1992, 227. 222 Jacobs, Gegenstand der Feststellungsverfahrens (2004), S. 21 f., 81 ff.; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., S. 603; Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 256 Rn. 37; Reichold, in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 256 Rn. 8; Greger, in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 256 Rn. 3a. 223 Jauernig, ZPO, 28. Aufl., S. 140; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., S. 602. 224 BGHZ 27, 190, 196; BGH NJW 1998, 229, 230; 2002, 66, 67; BGH NJW-RR 2007, 601; BAG, NZA 1999, 669, 670; Jauernig, ZPO, 28. Aufl., S. 140; Reichold, in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 256 Rn. 8; Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 256 Rn. 40; Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 256 Rn. 3a. Das Verhältnis zur Erledigung darf hierbei aber nicht übersehen werden. Ein ursprünglich gegenwärtiges Rechtsverhältnis führt durch sein Erlöschen daher nur zur Unbegründetheit der Klage, lässt aber das Feststellungsinteresse nicht entfallen (vgl. BAG NJW 1994, 1751).
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finanzgerichtlichen Verfahrens auf, und zwar insbesondere hinsichtlich des danach beachtlichen Rehabilitationsinteresses und der Wiederholungsgefahr.225 Beispielhaft aus arbeitsgerichtsverfahrensrechtlicher Praxis- und als der vorstehenden Problematik immerhin nahestehend zu bezeichnen – ist die Rechtsprechung zum erledigten betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahren, bei dem ausreichen soll, dass mit „gewisser Wahrscheinlichkeit“ ein dem abgeschlossenen Sachverhalt gleichgelagerter Streitfall in dem Betrieb erneut auftreten werde, um über den an sich erledigten Antrag noch in der Sache und damit abstrakt über die dahinter stehende Rechtsfrage entscheiden zu können.226 Auf derselben gedanklichen Linie liegt unter den gesellschaftsrechtlichen Entscheidungen vor allem die Mangusta/Commerzbank-Rechtsprechung, nach der die Klage auf Feststellung der Wirksamkeit der Ausübung eines genehmigten Kapitals durch den Vorstand nachträglich zulässig sein soll, um „Klarheit über die Wirksamkeit des Verwaltungshandelns“ zu schaffen. Einer Präjudizwirkung für Schadensersatzansprüche soll es nicht bedürfen. Es genüge die „begründete Aussicht, dass die Leitungsorgane hieraus die notwendigen Konsequenzen (ziehen) und künftige Maßnahme unterlassen bzw. eingetretene Rechtsverletzungen kompensieren würden“. Auch solle das Feststellungsurteil bei der Entlastung nicht „unberücksichtigt“ bleiben.227 Folgt man dem, so lässt sich gegen die Feststellung von Anfechtbarkeit und Nichtigkeit eines freigegebenen Beschlusses sicherlich nichts einwenden. b) Verhältnis zur Leistungsklage Grenzen für eine nachträgliche Feststellung können sich jedoch auch aus dem Verhältnis von Feststellungs- und Leistungsklage ergeben. Als Grund für das Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei erledigten Rechtsverhältnissen nennt die Rechtsprechung zwar Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche, die aus der Abwicklung des erloschenen Rechtsverhältnisses entstehen können.228 Allein die Feststellung dieses Rechts ermöglicht dem Kläger aber noch nicht, dessen zwangsweise Durchsetzung, weil hierfür eine entsprechende, durch Urteil ausgesprochene Leistungsverpflichtung des Beklagten erforderlich ist. Deshalb müsste der Kläger gegenüber einem Beklagten, der dem Feststellungsurteil nicht nachkommt, erneut auf Leistung klagen.229 Für eine Zulässig225
So neuerdings aus Rehabilitationsgründen BGH NJW 2010, 534 (Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Stadionsverbots wegen der damit verbundenen Ehrschädigung); zur Wiederholungsgefahr BGHZ 164, 249, 255 ff.; BAG AP Nr. 2 zu § 80 ArbGG 1953 (Bl. 2); ähnlich BAG AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz (Bl. 3); AB Nr. 36 zu § 95 BetrVG 1972 (Bl. 1R); vgl. auch Jacobs, Gegenstand der Feststellungsverfahrens (2004), S. 83 f.; Reichold, in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 256 Rn. 13. 226 BAG AP Nr. 2 zu § 80 ArbGG 1953 (Bl. 2); ähnlich BAG AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz (Bl. 3); AB Nr. 36 zu § 95 BetrVG 1972 (Bl. 1R). 227 BGHZ 164, 249, 255 ff.; dazu schon o. § 7 B. V. 1. 228 BGH NJW 2002, 66, 67. 229 Musielak, ZPO, 7. Aufl., S. 37; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., S. 604 f.
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keit der gerichtlichen Feststellung muss daher nicht nur die fehlende Gegenseitigkeit des Rechtsverhältnisses überwunden werden, sondern es bedarf auch der Darlegung, weshalb der Grundsatz von der Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage nicht gelten soll. Eine anerkannte Ausnahme zu diesem Prinzip besteht darin, dass die Feststellungsklage unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt.230 Das soll etwa der Fall sein, wenn vom Beklagten erwartet werden darf, er werde einer festgestellten Verpflichtung ohne Vollstreckungsdruck nachkommen.231 Es besteht ferner dann, wenn die Bezifferung des Anspruchs schwierig oder zur Zeit nicht möglich ist,232 was vor allem dann einleuchtet, weil ansonsten die Feststellung der Haftung dem Grunde nach erschwert oder, etwa wegen Verjährung, gar vereitelt wird. Im Übrigen legt es das Gebot der Prozessökonomie aber im Grundsatz nahe, dem Kläger die Verfolgung eines Leistungsanspruchs im Leistungsprozess und nicht in einem vorgeschalteten Feststellungsverfahren zu verfolgen. Untermauert wird der Vorrang der Leistungsklage auch durch die Gefahr, dass es zu widersprechenden Entscheidungen kommt.233 Aus diesen Gründen hält die höchstrichterliche Rechtsprechung im Kern nach wie vor daran fest.234 c) Verlust der Rechtsschutzfunktion der Feststellungsklage Sowohl das Gegenwärtigkeitserfordernis wie der Vorrang der Leistungsklage dienen dazu, die gerichtliche Feststellung als Gegenstand des Streitverfahrens nur in dem Umfang zuzulassen, wie sie sich als Mittel zur Verwirklichung und Durchsetzung subjektiver Rechte erforderlich erweist. Gewahrt wird damit ihre Funktion als Mittel des effektiven Rechtsschutzes. Rechnung getragen wird dabei aber auch den Bedürfnissen eines prozessökonomisch sinnvollen Instruments. Ein nur abstrakter Streit über die Norm- oder Vertragsinterpretation ist im Ausgangspunkt nicht geeignet, die für beides erforderliche Verbindung zwischen den Parteien zu begründen, sondern läuft auf ein bloßes Rechtsgutachten hinaus. Im Schrifttum regt sich daher neuerdings Widerstand gegen die Aufweichung des Erfordernisses des Interesses der Feststellung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses und der damit bezweckten Filterfunk230 BGHZ 134, 201, 209; BGHZ 99, 340, 342; BGH NJW-RR 1990, 1532, 1533; BGH NJW 1997, 870, 872; Musielak, ZPO, 7. Aufl., S. 37; Reichold, in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 256 Rn. 18 f.; Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 256 Rn. 91 ff.; ferner Gruber, ZZP 117 (2004), 133 ff. 231 Sie besteht namentlich bei Behörden (vgl. BGH NJW 2000, 2280, 2281) und Banken (BGH NJW 1996, 918 f.). 232 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 16. Aufl., S. 604. 233 Vgl. D. Assmann, ZZP 119 (2006), 357, 363. 234 Dazu aus jüngerer Zeit BGHZ 165, 305; krit. dazu vor allem aus Gründen der Benachteiligung des Klägers der Feststellungsklage D. Assmann, ZZP 119 (2006), 357, 361 ff.
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tion der Feststellungsklage.235 Kritisiert wird dabei vor allem die Konturlosigkeit der die Ausnahme begründenden Formulierungen wie „Nachwirkungen des vergangenen Rechtsverhältnisses“,236 „Folgewirkungen, die die Rechtsbeziehungen der Parteien mittelbar beeinflussen könnten“,237 oder „Auswirkungen für die Zukunft oder Gegenwart hätten“.238 Zu verstehen sei das allenfalls als der Versuch, sich wenigstens gefühlsmäßig einer gegenwärtigen materiellrechtlichen Verbindung zwischen den Parteien anzunähern.239 Daher sei der Begriff der „Folgewirkung“ oder „Nachwirkung“ in seiner Weite auf den zivilrechtlichen Begriff des (aus dem Rechtsverhältnis ableitungsfähigen) Anspruchs zu beschränken.240 Ob die Feststellungklage beim vergangenen Rechtsverhältnis damit allein wieder ihrer ursprünglichen Funktion als Instrument zur Durchsetzung subjektiver Rechte zugeführt und dem Bestreben nach prozessökonomischer Gestaltung Rechnung getragen wird, erscheint indessen zweifelhaft. Zutreffend ist allein, dass es Situationen geben mag, in denen sich die abstrakte Klärung von Rechtsverhältnissen gegenüber einer Abarbeitung der daraus im Einzelnen zu einem späteren Zeitpunkt folgenden Ansprüche als vorzugswürdig darstellt. Eine solche Lesart des § 256 I ZPO lässt allerdings nicht nur von dem Gegenwärtigkeitserfordernis, sondern auch der Konkretheit, die mit dem Rechtsverhältnis verbunden sein muss, wenig übrig. Die Fälle, in denen im Verwaltungsprozess Fortsetzungsfeststellungsverfahren zugelassen werden, zeigen als eine diese Regel bestätigende Ausnahme daher zu Recht die Notwendigkeit eines qualifizierten, also entweder einzelfallspezifisch oder institutsbezogen zu begründenden Rechtsschutzinteresses.241 An anderer Stelle wurde jedoch bereits darauf hingewiesen, dass die einschlägigen Fallgruppen des Rehabilitationsinteresses, der Wiederholungsgefahr und der Präjudizwirkung sich auf Beschlussstreitigkeiten in der AG schwerlich übertragen lassen.242 Daher bedarf der Überlegung, weshalb sich für die Situation nach Freigabe und Eintragung des Beschlusses etwas anderes begründen lassen soll.
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Jacobs, Gegenstand der Feststellungsverfahrens (2004), S. 272 ff. Hartmann, in Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 19. Aufl., § 256 Rn. 16. 237 Lüke, in MünchKomm ZPO, 4. Aufl., § 256 Rn. 28. 238 Jauernig, ZPO, 28. Aufl., S. 140. 239 Jacobs, Gegenstand der Feststellungsverfahrens (2004), S. 275. 240 Jacobs, Gegenstand der Feststellungsverfahrens (2004), S. 277 f. 241 Vgl. zur Bestätigung der Beschränkung der Feststellungsfähigkeit vergangener Rechtsverhältnisse durch die §§ 113 I 4 VwGO, 100 I 4 FGO, 131 I 3 SGG auch Jacobs, Gegenstand der Feststellungsverfahrens (2004), S. 273. 242 S. o. § 7 B. V. 2. 236
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2. Feststellungsinteresse bei kurzfristiger Erledigung? a) Erweiterung des verwaltungsgerichtlichen Fortsetzungsfeststellungsinteresses in der Rechtsprechung des BVerfG Beachtung verdient dabei eine zu den bekannten Fallgruppen des Rehabilitationsinteresses, der Wiederholungsgefahr und der Präjudizwirkung in jüngerer Zeit hinzutretende Form der Begründung des Rechtsschutzbedürfnisses, nämlich die kurzfristige Erledigung des Streitgegenstands im Verwaltungsprozess. Sie ist im Ursprung dadurch gekennzeichnet, dass es durch den zeitlichen Ablauf des Geschehens regelmäßig nicht zur Klage gegen den Verwaltungsakt kommt. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns erfolgt entweder im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes oder entfällt durch Zeitablauf ganz. Die Zulassung der nachträglichen Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage beruht dabei nach Auffassung des BVerfG weniger auf dem Verlust effektiven Rechtsschutzes, als auf dem Gebot umfassender richterlicher Klärung. Dieses leitet das BVerfG aus Art. 19 IV 1 GG ab und folgert daraus einen nach Maßgabe der Sachentscheidungsvoraussetzung bestehenden Anspruch auf Rechtsschutz in der Hauptsache und nicht nur im Eilverfahren.243 Der Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren wird durch den Rechtsschutz im Eilverfahren also grundsätzlich nicht überflüssig. Er vermag das Interesse an einer Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nicht in Frage zu stellen. Denn durch das Eilverfahren wird das Rechtsschutzinteresse nur vorläufig und anders als im Hauptsacheverfahren erfüllt. Die kurzfristige Erledigung gehört als Fallgruppe (noch) nicht zum gesicherten Bestand der Fortsetzungsfeststellungsgründe nach § 113 I 4 VwGO.244 Auffällig ist auch, dass das BVerfG nicht allein auf die Erkenntnisdefizite des summarischen Verfahrens abstellt, sondern das Fortsetzungsfeststellungsinteresse in casu zugleich mit dem (anerkannten) Kriterium der Wiederholungsgefahr, der besonderen Bedeutung des betroffenen Grundrechts im konkreten Fall und der irreversiblen Wirkung des Verwaltungshandelns (im Fall des Versammlungsverbots) begründet.245 Die vom BVerfG angestellten Überlegungen zum Verhältnis von Eilverfahren/Hauptverfahren erweisen sich dennoch als bemerkenswert. Denn zum einen bringen sie die Defizite, die aus einer nur 243
Vgl. BVerfGE 110, 77 ff. (NJW 2004, 2510, 2511); zuvor schon BVerfGE 81, 138; 96, 27; 104, 220; ausführlich und mit näherer Begründung zu dieser Fallgruppe auch Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 113 Rn. 145. 244 Auch scheint es als verfrüht, von einer in der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung allgemein im Vordringen begriffenen Auffassung zu sprechen. Das wird insbesondere an dem weiterhin für erforderlich gehaltenen Zusammenhang von Rechtsschutzeffektivität des Art. 19 IV GG und einer (anderweitigen) „tiefgreifenden“ oder „besonders wichtigen“ Grundrechtsbetroffenheit des Klägers deutlich, vgl. OVG Münster NJW 1999, 2202; krit. zu diesem Fall des Fortsetzungsfeststellungsinteresses daher auch Pietzner/Ronellenfitsch, Assessorexamen im öffentlichen Recht, 10. Aufl., S. 243. 245 BVerfG NJW 2004, 2510, 2511 ff.
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summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache resultieren, mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG in Verbindung,246 zum anderen, sticht die Erwägung hervor, dass im einstweiligen Rechtsschutz neben dem summarischen Prüfungsmaßstab darauf abgestellt wird, dass der Rechtsweg zum BVerwG nicht eröffnet sei.247 Der Anlass zur Gewährung nachgelagerten Rechtsschutzes beruht also nicht nur auf der Einschränkung der Erkenntnisfindung, sondern erkennbar auf dem Verlust der Revisionsinstanz und damit auf Umständen, die beide auch für das Freigabeverfahren zutreffen. b) Gefahr der Verkürzung effektiven Primärrechtsschutzes Der Versuch, mit den vorstehenden Erwägungen einem allgemeinen Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei hauptsacheverdrängenden Eilentscheidungen das Wort zu reden, muss jedoch kritisch bewertet werden. Die so in der Sache verfahrende BVerfG-Rechtsprechung scheint selbst Zweifel zu haben, was an der Verknüpfung des Rechtsschutzbedürfnisses mit den (anerkannten) Fallgruppen der Wiederholungsgefahr und des Rehabilitationsinteresses deutlich wird. Vor allem aber erweist sie sich als zweischneidiges Schwert. So eröffnet sie zwar den Weg zur Revisionsinstanz, kann aber im Ergebnis zu einer Verkürzung der individuellen und primären Rechtsschutzeffektivität führen. Denn sofern dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutz weitgehend einschränkungslos ein nachfolgendes Feststellungsverfahren nachgeschoben werden kann, liegt nahe, den richterlichen Erkenntnisprozess bei schwierigen Rechts- und Sachfragen zu verkürzen und hinauszuschieben. Entschieden wird dann – wie die Erfahrungen mit der „Abwägungsklausel“ belegen – nicht nur mit außerrechtlichen Erwägungen, sondern auch in der trügerischen Gewissheit, eine Klärung stehe noch aus. Überspielt wird dabei – auch das haben die Erfahrungen mit dem Freigabeverfahren gezeigt – die endgültige Wirkung der Entscheidung. Die mit dem iura novit curia auch im Eilverfahren bestehende Pflicht zur umfassenden Klärung der Rechtslage wird so guten Gewissens missachtet. In der Konsequenz ist eine allgemeine Kompensationsfähigkeit oder -bedürftigkeit der Rechtsprüfung im summarischen Verfahren durch nachgelagerten Rechtsschutz eines Fortsetzungsfeststellungsverfahrens daher abzulehnen. Die Überlegungen zu dessen Reichweite müssen daher im spezifisch beschlussrechtlichen Kontext ansetzen.
246 Unabhängig von der Reichweite der in Art. 19 IV 1 GG enthaltenen Rechtsschutzgarantie wird man zum anderen auch im Zivilprozessrecht ein Gebot umfänglicher Klärung der Rechtslage annehmen können, wo die Überprüfung zunächst begrenzt ist. Das folgt für die Beschränkung auf bestimmte Beweismittel aus dem Vorbehalt des Nachverfahrens im Urkundenund Wechselprozess (§ 600 ZPO), ist aber über diese beiden Verfahrensarten ein durchaus verallgemeinerungsfähiger Gedanke. 247 BVerfG NJW 2004, 2510, 2511.
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3. Teil: Freigabegründe
3. Prozessfortsetzung nach Bestätigungsbeschluss (§ 244 S. 2 AktG) Einen Orientierungspunkt für nachgelagerten Rechtsschutz bei Beschlusskontrollverfahren liefert § 244 S. 2 AktG. Danach kann der Kläger die Anfechtung weiterhin mit dem Ziel geltend machen, den Beschluss für diese Zeit für nichtig erklären zu lassen, wenn er ein „rechtliches Interesse, dass der anfechtbare Beschluss für die Zeit bis zum Bestätigungsbeschluss für nichtig erklärt wird (hat)“.248 Die Voraussetzung des „rechtliche(n) Interesses an der Nichtigerklärung“ ist in Ermangelung praktischer Fälle allerdings weitgehend ungeklärt. a) Systematische Einordnung des „rechtlichen Interesses“ Die Zweifelsfragen betreffen schon die systematische Einordnung der Voraussetzung, bei der sich fragt, ob es sich um eine Anforderung an das Rechtsschutzbedürfnis oder eine Klageänderung (mithin eine Sachurteilsvoraussetzung) oder an die Anfechtungsbefugnis (mithin um die Begründetheit der Klage) handelt. Vor Einführung der gesetzlichen Regelung ging die Rechtsprechung davon aus, der Bestätigungsbeschluss nehme der gegen den (ersten) Beschluss gerichteten Klage das Rechtsschutzinteresse.249 Daher konnte die Klage nicht insgesamt abgewiesen werden, ohne über das Merkmal des „rechtlichen Interesses“ zu entscheiden. Bei dessen Vorliegen musste ihr sogar entsprochen und nur im Übrigen, d. h. hinsichtlich der Zeit nach Bestätigung abgewiesen werden.250 Diese Auffassung wurde nach Einführung des § 244 AktG durch das AktG 1965 aufgegeben und wird heute wohl nicht mehr vertreten.251 Stattdessen wird angenommen, die Bestätigung habe alleine eine materiell-rechtliche Heilungswirkung zur Folge.252 Danach handelt es sich bei der Voraussetzung des besonderen Interesses i. S. d. § 244 S. 2 AktG richtigerweise um den Ausdruck des Verlusts der Anfechtungsbefugnis und ein zur Unbegründetheit der bisherigen Klage führendes Merkmal. Folgerungen hinsichtlich der Sachurteilsvoraussetzung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses i. S. e. qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses sind damit gegenindiziert. 248 In der Praxis hat diese Möglichkeit bislang nahezu keine Bedeutung erlangt. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass stattdessen von der Möglichkeit zur Anfechtung des Bestätigungsbeschlusses, mitunter auch in mehrfacher Form, Gebrauch gemacht wird, so dass einer aus Beschlüssen und Bestätigungsbeschlüssen bestehenden Kaskade eine Kaskade von Anfechtungsprozessen gegenübersteht. Wird der Bestätigungsbeschluss für nichtig erklärt, fällt man zurück in den ersten Anfechtungsprozess, der zumeist bis zur Entscheidung über den oder die Bestätigungsbeschlüsse ausgesetzt worden ist (vgl. Zöllner, AG 2004, 397, 398). 249 Vgl. BGHZ 21, 354, 356. 250 Vgl. Würthwein, in Spindler/Stilz, AktG, § 244 Rn. 54; Zöllner, AG 2004, 397, 402. 251 A. A. nunmehr aber Schwab, in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 244 Rn. 19; offengelassen von Würthwein, in Spindler/Stilz, AktG, § 244 Rn. 51 ff. 252 BGH NJW 1972, 1320; AG 2004, 204, OLG Düsseldorf DB 2003, 2324; Habersack/ Schürnbrand, in FS Horn (2006), S. 391 ff.; Kiethe, NZG 1999, 1086, 1092; K. Schmidt, in: Großkomm. AktG, § 244 Rn. 16; Zöllner, AG 2004, 397, 402 m. w. N.
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b) Unterschiede bei der Situation nach Beschlussfreigabe Folgerungen aus § 244 S. 2 AktG sind aber auch durch die Unterschiede zwischen Bestätigung und Beschlussfreigabe erschwert. So vermittelt die Vorschrift im Wesentlichen nur zwei Erkenntnisse: Einmal, dass eine Fortsetzung des Anfechtungsverfahrens auch nach der Bestätigung sinnvoll und notwendig sein kann. Zugleich bekräftigt die Vorschrift aber auch die Vermutung, dass ein bei der Anfechtungsklage im Dienste der Legalitätssicherung anfänglich nahezu vorbehaltlos gewährtes Rechtsschutzbedürfnis entfällt und durch ein subjektives Rechtsschutzinteresse des Klägers ersetzt werden muss, wenn die Kassation ausscheidet. In verallgemeinernder Form wird man das auf alle Fälle der Heilung übertragen können, mithin auch auf die durch die Freigabe vermittelte (bzw. im UmwG auch unabhängig hiervon eintretende). Vor Augen zu halten hat man sich jedoch, dass es bei § 244 S. 2 AktG und der vorliegend zu beantwortenden Frage nach dem Fortsetzungsinteresse aus mehreren Gründen um zwei grundverschiedene Regelungsfragen handelt. So behandelt § 244 S. 2 AktG den Fall einer nachträglichen Beschlusskassation für die Vergangenheit. Sie ist erforderlich, weil der Beschluss (auch ohne Bestätigung) lediglich anfechtbar – mithin wirksam (!) – war. Die Klage nach § 244 S. 2. AktG ist mithin keine Fortsetzungsfeststellungsklage, sondern weiterhin eine Anfechtungsklage, deren Gestaltungswirkung nach teilweiser Erledigung der ursprünglichen Klage – nämlich in zeitlicher Hinsicht – nur noch, aber insoweit unverändert auf Rechtsgestaltung für die Vergangenheit zu richten ist. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass sich die Rechtsstellung des Klägers oder die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft durch die dergestalt begehrte Kassation noch und durchaus wesentlich verändern können, sofern man für das zwischenzeitliche Geschehen auf Grundlage des anfechtbaren Beschlusses keinerlei Bestandsschutz gelten lassen will. Im Freigabeverfahren ist die Lage insoweit anders, als zunächst bis zur Eintragung kein wirksamer Beschluss vorliegt (konstitutive Wirkung der Eintragung). Folglich dürfen keine Ausführungsmaßnahmen ergriffen werden und eben deswegen wird es bei regelmäßigem Verlauf der Dinge keine Veränderung der Rechtsposition geben, wie sie das „besondere Interesse“ i. S. d. § 244 S. 2 AktG begründen könnte. Überdies soll es nach der Freigabe aber auch keine Veränderung der Rechtslage mehr geben, denn eben das ist das Ziel und Wesen der mit der Eintragung einhergehenden gesetzlichen Bestandsschutzregelung. Im Ergebnis lässt sich § 244 S. 2 AktG daher für das Vorhandensein einer beschlussrechtlichen Fortsetzungsfeststellungsklage und das dafür erforderliche Feststellungsinteresse nicht mehr entnehmen, als dass das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis des Aktionärs nach Bestätigung nicht mehr ausreicht. Der Blick richtet sich daher darauf, ob die spezifischen Funktionen der Beschlusskontrolle eine Fortsetzungsfeststellungsklage rechtfertigen können.
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4. Feststellungsinteresse durch fortbestehende Kontrollfunktion der Klage a) Legalitätssicherung Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dargestellte Fallgruppe der kurzfristigen Erledigung des Verwaltungsakts und die dazu getroffenen Feststellungen des BVerfG253 verdeutlichen, dass eine Fortsetzung des Verfahrens im Interesse der Legalitätssicherung notwendig sein kann. Zwar findet das dazu aufgestellte „Gebot umfassender richterlicher Klärung“ im Zivilverfahren keine Entsprechung. Für die Beschlusskontrolle bei der AG kann aber anderes gelten, weil diese dem überindividuellen Zweck der Rechtmäßigkeit der Willensbildung und dem Handeln des Verbands dient. Ob die der Legalitätssicherung durch das summarische Verfahren und den Verlust der Revisionsinstanz drohenden Nachteile diese Bewertung rechtfertigen, muss aber bezweifelt werden. Dazu wurde bereits auf die Gefahren eines nachgelagerten Rechtsschutzes zur „vollständigen Klärung der Rechtslage hingewiesen“. Zu ergänzen sind diese Einwände dahingehend, dass ein vollständiger – dreistufiger – Instanzenzug ohnedies auch gegen im Erkenntnisverfahren ergangene Entscheidungen nicht immer zur Verfügung steht254 und Revision sowie Rechtsbeschwerde dort, wo sie statthaft sind, keinesfalls stets eröffnet sind, sondern von der Vorinstanz zugelassen oder mit der erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerde erstritten werden müssen (§§ 543 I Nr. 1 u. 2, 544 ZPO). Die Zulassung hängt nach §§ 543 II, 566 IV, 574 II ZPO entweder davon ab, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Übertragen auf eine Zulassung des Beschlussmängelstreits nach Freigabe bedeutet das: der Erhalt der Revisionsmöglichkeit erscheint nicht generell, sondern nur unter den genannten Voraussetzungen mit den genannten Bestimmungen konform. Im Ergebnis wird das Feststellungsinteresse damit bereits erstinstanzlich wie bei der Zulässigkeit von Revision und Rechtsbeschwerde durch die Bedeutung der Rechtssache definiert. b) Präjudizierung von Folgeprozessen Auch mit dem Ziel der Präjudizierung zukünftiger Folgeprozesse ist ein Bedürfnis zur Fortsetzung des Beschlussmängelverfahrens als Feststellungsverfahren entgegen dazu bislang anzutreffender Vorstellungen im Ausgangspunkt nicht zu begründen. Schon im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehen gegen die Fallgruppe der künftigen Schadensersatzprozesse Vorbehalte. Sie rühren zwar zum überwiegenden Teil in dem darin liegenden Eingriff in die Entscheidungskompetenz der Zivilgerichte (Art. 34 Satz 3 GG, § 40 II 1, 253 254
BVerfG NJW 2004, 2510. Wichtigstes Beispiel: § 72 GVG.
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1. Hs. VwGO) und sind – ebenso wie die dagegen sprechenden prozessökonomischen Erwägungen – nicht vollumfänglich übertragbar. Für das zivilgerichtliche Streitverfahren ungelöst bleibt aber das Absehen vom Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage und dem Gegenwärtigkeitserfordernis des festzustellenden Rechtsverhältnisses.255 Sofern man berücksichtigt, dass sich der Streit über die Kosten der Hauptsache im Wege des § 91a ZPO bzw. der einseitigen Erledigungserklärung austragen lässt,256 muss daher erstens dargelegt werden, welche Rechtsfolgen und Ansprüche sich aus dem fehlerhaft freigegebenen Beschluss ergeben sollen und zweitens, weswegen die Feststellungsklage unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der Streitsache führt. Anderenfalls bleibt es bei dem Vorrang der Leistungsklage und der Kläger muss von dem Gestaltungsprozess zur dieser übergehen. Die Mangusta/Commerzbank-Entscheidung verweist hinsichtlich beider Voraussetzungen zwar – etwas vage – darauf, eine Entscheidung im Feststellungsverfahren könne für spätere Streitigkeiten über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat „nicht unberücksichtigt“ bleiben. Selbst wenn man eine formelle Bindung des darüber später entscheidenden Gerichts bejaht,257 vermag dieser Gesichtspunkt aber kein Interesse an präjudizieller Feststellung zu begründen. Zum einen ist keineswegs ausgemacht, dass es zur Anfechtung der noch in der Zukunft liegenden Entlastungsbeschlüsse kommt. Zum anderen folgt aus der bindenden Feststellung, der Beschluss sei anfechtbar gewesen, noch keineswegs, dass die für die Verweigerung der Entlastung des Organmitglieds erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Der Gesichtspunkt des gesetz- und satzungsgemäßen Verhaltens tritt zwar nicht zugunsten einer allgemeinen Vertrauensbekundung zurück,258 wohl aber besteht in Rechtsprechung und Lehre weitgehende Übereinstimmung, dass nicht jeder Verstoß, sondern nur die gravierende, d. h. eindeutige und schwere Rechtsverletzung zur Fehlerhaftigkeit und Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses führt.259 Wegen dieser Einschränkung geht von einer Feststellung der Mangelhaftigkeit des zuvor freigegebenen Beschlusses keineswegs eine Signalwirkung zugunsten einer Verweigerung der Entlastung durch die Hauptversammlung aus und ein Folgeprozess ist vorprogrammiert. Desgleichen ist für die hier interessierenden Beschlüsse auch mit dem ebenfalls von der Mangusta/Commerzbank-Entscheidung genannten Ziel, Vor255
S. o. 1. a). S. o. § 7 B. I. 4. 257 Was wegen der Inter-partes-Wirkung der dort gemeinten Feststellungsklage sehr zweifelhaft ist. 258 Im Einzelnen streitig, vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 120 Rn. 11 m. N. 259 Vgl. BGHZ 153, 47, 50 ff.; 160, 385, 388; OLG Frankfurt a. M. AG 2007, 329, 330; zuletzt OLG München ZIP 2008, 1237, 1240 f.; relativierend OLG Stuttgart AG 2006, 379, 380 Rechtsverstoß „von einigem Gewicht“; krit. dazu u. zum Ganzen Sünner, AG 2006, 450, 451 ff. 256
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3. Teil: Freigabegründe
stand und Aufsichtsrat würden die Rechtswidrigkeit des Beschlusses zur Kenntnis nehmen und ihr Handeln in Zukunft danach ausrichten, nichts zu gewinnen. Eine solche Vorstellung mag in engen Grenzen für die dabei vor Augen gehabte Ausnutzung genehmigten Kapitals noch gelten, bei einer Änderung der Organisationsverfassung bleibt für eine derartige Überlegungen jedoch kein Raum. Es besteht weder die Gelegenheit für eine Korrektur noch liegt ein Wiederholungsfall in Reichweite. Im Ergebnis folgt daraus, dass hier nicht von einer sachgemäßen Streiterledigung im Feststellungsverfahren ausgegangen werden kann. c) Ausnahme: Schadensrechtlicher „Musterprozess“ aa) Inter omnes-Wirkung der Feststellung Das Interesse an der Präjudizierung eines möglichen Schadensersatzprozesses wegen fehlerhafter Beschlussfassung lässt sich entweder individuell oder kollektiv begründen. Der Ableitung eines Feststellungsinteresses zugunsten des Klägers steht zwar der Vorrang der Leistungsklage entgegen. Bei einem Schadensersatzanspruch der Gesellschaft oder einer Gesellschaftergruppe fällt die Begründung eines Feststellungsanspruchs dagegen leichter: Die Klage hilft, eine Vielzahl drohender Schadensersatzklagen zu vermeiden und führt zu einer umfassenden Klärung der Rechtslage. Das gelingt allerdings nur, wenn das Urteil inter omnes-Wirkung hat.260 Normalerweise tritt die Bindungswirkung einer Feststellungsklage nur unter den Parteien ein. § 248 I 1 AktG, wonach die Nichtigerklärung des Beschlusses für und gegen alle Aktionäre sowie die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats wirkt, ist unmittelbar nicht anwendbar, da sich die ursprüngliche Anfechtungsklage erledigt hat. Zu erwägen ist jedoch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift. Eine Regelungslücke liegt vor: Das Gesetz geht in den §§ 16 III UmwG, 246a IV, 319 VI, 327e II AktG von einer Klage voraus, die es augenscheinlich mit der ursprünglichen Beschlussmängelklage identifiziert. Demgemäß verzichtet es auf Regelungen zu ihren Voraussetzungen und Wirkungen. Dabei übersieht es, dass sich die zunächst erhobene Klage mit der Eintragung des Beschlusses erledigt. Die Regelungslücke ist insoweit als planwidrig zu betrachten und wegen Vergleichbarkeit des Regelungsgegenstands durch analoge Anwendung von § 248 I 1 AktG zu schließen. Das ergibt sich daraus, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage an die Stelle der ursprünglichen Klage treten und – wie diese – eine Klärung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses herbeiführen soll. Ebenso wenig wie bei §§ 241 ff. AktG spricht gegen eine Rechtskrafterstreckung hierbei, dass der Kläger zugleich über das Recht aller prozessiert. Denn wie bei Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage besteht das Recht der Nebenintervention. Die
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Dafür ohne nähere Begründung OLG Stuttgart AG 2004, 271 f.
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Fortsetzung des Rechtsstreits ist dazu wie die Klage bekanntzumachen (§ 246 IV 1 AktG).261 bb) Prozessführungs- und Feststellungsbefugnis des Anfechtungsklägers Soweit es dabei um Ansprüche aus Organhaftung geht, könnte dies allerdings zu Wertungswidersprüchen hinsichtlich der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen, da deren Geltendmachung grundsätzlich dem Aufsichtsrat – bei der Vorstandshaftung (§ 112 AktG) – oder dem Vorstand – bei der Aufsichtsratshaftung262 – obliegt und eine hiervon abweichende Bestellung eines besonderen Vertreters grundsätzlich nur von der Hauptversammlung beschlossen werden kann (§ 147 AktG). Sofern sie ihre Zustimmung verweigert, kann die Geltendmachung eines Ersatzanspruchs der Gesellschaft allein im Wege des Klagezulassungsverfahrens nach § 148 AktG erwirkt werden. Anderenfalls ist der Kläger weder prozessführungs- noch sachbefugt, und zwar auch nicht über die ungeschriebenen Grundsätze der actio pro socio. Ein Präjudizverfahren der vorstehenden Art liefe dieser Regelungssystematik in mehrfacher Weise zuwider: Es wäre gegenüber diesem dadurch privilegiert, dass weder die formellen Beteiligungsvoraussetzungen – einhundertster Teil des Grundkapitals oder anteiliger Betrag von 100 000 € (§ 148 I 1 AktG) – noch die sachlichen Voraussetzungen des Satzes 2 der Vorschrift, d. h. – die Darlegung von Tatsachen, „die den Verdacht rechtfertigen, daß der Gesellschaft durch Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung ein Schaden entstanden ist“ (Nr. 3) – kein Entgegenstehen des Gesellschaftswohls (Nr. 4) klagehindernde Wirkung entfalten könnten. Ein solcher Widerspruch lässt sich aber auflösen, indem man die Voraussetzungen des § 148 AktG für eine Fortsetzungsfeststellungsklage zur Präjudizierung eines Schadensersatzanspruchs übernimmt, ein eigenes Feststellungsinteresse des Beschlussmängelklägers also nur bei Erreichen der genannten Mindestbeteiligung und dem Vorliegen der notwendigen Indiztatsachen für eine grobe Pflichtverletzung bejaht. Richtigerweise wird man aus den §§ 147, 148 AktG aber keinen zwingenden Einwand gegen ein von diesen Voraussetzungen unabhängiges Feststellungsinteresse herleiten können. Denn aus diesen Vorschriften geht nicht hervor, die Zuständigkeit und das Verfahren bei der Geltendmachung aller Arten von Pflichtverletzung regeln zu wollen. Bei solchen, die in Zusammenhang mit einer rechtswidrigen Beschlussfassung entstehen, besteht daher die Möglichkeit, dass das Gesetz 261 Ob dabei eine Befristung der Nebenintervention gilt (§ 246 IV 2 AktG), sei dahingestellt, erscheint aber zweifelhaft, da die dieser zugrunde liegende Missbrauchsbefürchtung hier nicht zu erkennen ist. 262 Vgl. Lutter, in Krieger/Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, § 1 Rn. 23.
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3. Teil: Freigabegründe
Feststellungen, welche die Wirksamkeit des Beschlusses betreffen annexweise als Individualrecht in die Hand des Mitglieds legt. Daher wird man auch Folgeansprüche nicht ausschließlich den §§ 147, 148 AktG unterwerfen dürfen. Vor Augen zu halten hat man sich in der vorliegenden Situation ferner, dass die begehrte Feststellung der Fehlerhaftigkeit des Beschlusses einen späteren Schadensersatzprozess nicht zur Gänze präjudiziert und sie deshalb nicht mit der „Geltendmachung“ von Schadensersatzansprüchen gleichzusetzen ist. Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass die Leistungsklage gegenüber einer Feststellungsklage des Aktionärs, welche mit dem Ziel der Präjudizierung von Schadensersatzansprüchen wegen Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit des Beschlusses zugunsten des Verbands und/oder einer Gesellschaftermehrzahl geführt wird, nicht vorrangig ist. Auch ein zukünftiger Organhaftungsprozess vermag ein Feststellungsinteresse zu begründen. Dem steht nicht entgegen, dass die Geltendmachung von Ersatzansprüchen aus Organhaftung nach §§ 147, 148 AktG Vorstand, Aufsichtsrat bzw. der Hauptversammlung obliegt und nur unter besonderen Voraussetzungen als Minderheitenrecht erfolgen kann. IV. Fazit für den Umgang mit divergierenden Rechtsansichten Entgegen dem von der gesetzlichen Regelung vermittelten Eindruck kann die Beschlussmängelklage nach Freigabe und Eintragung des Beschlusses regelmäßig nicht mehr zum Erfolg führen, wo das Gesetz die Eintragung mit Bestandsschutz verbindet. Es kommt zur Erledigung der Hauptsache. Statthaft ist eine Weiterführung des Rechtsstreits entweder im Wege der Leistungsklage (so bei Schadensersatzansprüchen) oder eines Fortsetzungsfeststellungsprozesses. Dafür genügt allerdings nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für die Beschlussmängelklage, erforderlich ist vielmehr die Darlegung eines besonderen Fortsetzungsfeststellungsinteresses. Es ist nicht allein wegen Mängeln der Beweisgrundlage bei der Beurteilung der Unbegründetheit der Anfechtungsklage im Freigabeverfahren zu bejahen. Insoweit gibt es kein „Gebot der vollständigen richterlichen Klärung der Wirksamkeit des Beschlusses“. Die Fortsetzung ist daher nur dann statthaft, wenn zugleich Umstände vorliegen, welche die Zulässigkeit von Revision oder Rechtsbeschwerde begründen würden (§§ 543 II, 566 IV, 574 II ZPO). Statthaft ist die Fortsetzung als Feststellungsprozess auch, wenn sich aus der Feststellung Präjudizwirkungen für einen späteren Schadensersatzprozess in Zusammenhang mit der Mangelhaftigkeit des Beschlusses ergeben können, der zugunsten der Gesellschaft oder einer Mehrzahl von Gesellschaftern geführt werden soll. Sind Instanzenzug und Revision dergestalt gesichert, kann das Gericht auch bei der Anwendung neuer Gesetze und höchstrichterlich nicht geklärter Fragen schon im Freigabeverfahren eine eigene Rechtsauffassung einnehmen und
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der Entscheidung zugrunde legen. Ein rechtliches „non liquet“ im Freigabeverfahren scheidet in der Konsequenz bei denjenigen Rechtsfragen aus, zu deren Klärung die Revision zuzulassen wäre.
D. Zusammenfassung Dem Umgang mit normativen Tatbestandselementen kommt im Beschlussmangelstreit häufig die entscheidende Bedeutung zu. Gemäß dem Grundsatz des iura novit curia ist das Gericht neben einer umfassenden rechtlichen Würdigung zu einer Entscheidung von Streitfragen verpflichtet. Dieses Prinzip beansprucht auch für Eilverfahren Geltung, weil ein „weniger“ an rechtlicher Prüfungsintensität sich in der Sache von einem Verzicht auf die Rechtsprüfung insgesamt zumeist nicht klar abgrenzen lässt und letztlich dazu führt, dass auf einer vom Gesetz losgelösten Bewertung von Parteiinteressen entschieden wird. Im Freigabeverfahren besteht auch wegen seiner angestrebten Regeldauer kein Anlass, hiervon abzuweichen. Unsicherheiten, die auf der Entscheidungserheblichkeit neuer und höchstrichterlich nicht geklärter Rechtsfragen beruhen, berechtigen nicht dazu, von einer Freigabe des Beschlusses per se abzusehen. Das Freigabegericht hat dazu Stellung zu beziehen. Die Möglichkeit einer Fortsetzung des ursprünglich geführten Beschlussmangelstreits als einem Feststellungsstreit gewährleistet die Überprüfung im Instanzenzug. Dafür ist allerdings ein besonderes Fortsetzungsinteresse zu fordern, was entweder dann zu bejahen ist, wenn gegen den Beschluss in der Hauptsache die Revision zulässig wäre oder ein späterer Schadensersatzprozess im kollektiven Interesse präjudiziert werden soll.
4. Teil
Schlussbetrachtung § 28 Gegenwärtige und zukünftige Bedeutung des Freigabeverfahrens Das derzeit in Rechtsprechung und Lehre entwickelte Verständnis des Freigabeverfahrens ist durch das Bestreben, dem Missbrauch des Instituts der Anfechtungsklage Grenzen zu setzen, gekennzeichnet. Der Wille zur Erhaltung der Beschlusskontrolle wurde von der Gesetzgebung dabei zwar stets betont. Tatsächlich hat man sich aber auf Positionen begeben, die von einem effektiven Rechtsschutz der beschlussrelevanten Mitgliedschaftsrechte bei Strukturänderungen wenig übrig lassen und die unter verfassungsrechtlichen, verbandsrechtlichen und verfahrensrechtlichen Grundsätzen unhaltbar sind. Die vorliegende Untersuchung führt das Freigabeverfahren einerseits auf seine Wurzeln zurück, nimmt andererseits unter Berücksichtigung notwendiger Differenzierungen maßgebliche Erweiterungen seines Anwendungsbereichs vor. Aufgezeigt wurde, dass es sich bei der Idee einer „Abwägungslösung“ um eine Fehlentwicklung handelt, die weder mit der mitgliedschaftlichen Stellung des Aktionärs noch den dazu bestehenden grundgesetzlichen Garantien und europarechtlichen Vorgaben vereinbar sind. Die mehr durch Zufall und wohl auch nur als Ergänzung zu den fehlenden Erfolgsaussichten der Klage in das Gesetz gelangte „Abwägungsklausel“ hat sich zu Unrecht verselbstständigt. Ihrer rechtspolitischen Eigendynamik sind die höherrangigen Beschränkungen des Grundgesetzes und des europäischen Verbandsrechts entgegenzuhalten. Damit gelangen die Unzulässigkeit und die Unbegründetheit der Klage als Freigabegründe in den Vordergrund, und das Freigabeverfahren gewinnt die ihm ursprünglich von der HypothekenbankschwesternEntscheidung zugedachte Funktion eines materiell-akzessorischen Filters zurück. Aus ihr ergibt sich, dass eine erschöpfende rechtliche und tatsächliche Würdigung der Klage unverzichtbare Voraussetzung für die Eintragung der Strukturänderung sind. Für eine – einseitig die Gesellschaft benachteiligende – Einschränkung der materiell-rechtlichen Prüfung der Klage auf offensichtliche Begründetheitsdefizite besteht genauso wenig Anlass wie für einen sie starr begünstigende – und einseitig den Kläger benachteiligende – Abwägungsklausel.
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4. Teil: Schlussbetrachtung
Die Notwendigkeit einer belastbaren Bewertung der Klage folgt vor allem aus dem „Alles oder Nichts“ des Freigabeverfahrens. Diese folgt weniger aus der konstitutiven, rechtlich zumindest bis zu einer Kassation reichenden Wirkung des angefochtenen Beschlusses, sondern dem unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten Willen, freigegebene Strukturänderungen mit dauerhaftem Bestandsschutz zu versehen. Die Verbindung von Freigabe und Dauerwirkung sollte künftig nicht unter Hinweis auf die lediglich vorrübergehende Wirkung der LfG behauptet werden. Allein für die Freigabe von Unternehmensverträgen mag anderes gelten. Die gesetzliche Verbindung von Freigabe und Bestandsschutz führt aber gleichzeitig dazu, dass sich das „Alles oder Nichts“ in Gestalt von Kassation oder Klageabweisung entgegen anderer euphemistischer Darstellung „im Freigabeverfahren nicht mildern“ lässt. Bei einer begründeten Klage ist der Freigabeantrag daher zurückzuweisen. Lassen sich die zur Bewertung der Klage als unbegründet erforderlichen Feststellungen nicht treffen, geht das zu Lasten der Gesellschaft. Das so gefundene Ergebnis kann nur in Einzelfällen aus dringenden Gründen über die Abwägungsklausel revidiert werden. Das Freigabeverfahren bzw. genauer, die Rechtsprechung, kann und soll aber nicht Instrument sein, den Rahmen der mit der Anfechtungsklage regelmäßig verteidigten Mitgliedschaftsrechte einzelfallspezifisch zu verkürzen oder neu zu justieren. Dieser Aufgabe hat sich die Gesetzgebung in der Vergangenheit angenommen und dieser bleibt sie auch weiterhin anvertraut. Den Weg für eine materiell-rechtlich begründete Entscheidung bereiten dabei insbesondere der Verweis auf das Spruchverfahren und die Relevanztheorie. Ersteres, weil es die normative Begrenzung des Anfechtungsrechts in Fragen beinhaltet, die ohne eine langwierige Prüfung nicht entschieden werden können. Letzteres, weil es gegenüber der „Abwägungsklausel“ den materiellen Rechtssatz respektiert und erlaubt, die in den Anfechtungsprozessen typischerweise erhobenen Rügen als Fallgruppen zu erfassen und zu ordnen. Die dabei vorgenommenen Wertungen sind zu respektieren und nicht auf verfahrensrechtlicher Ebene auszuhebeln. Die abschließende Bewertung des Freigabeverfahrens als Instrument zum Ausgleich zwischen den widerstreitenden Polen Vollzug und Beschlusskontrolle hängt entscheidend davon ab, inwieweit es deren Funktion erhalten und Missbräuchen Einhalt zu gebieten in der Lage ist. Nach den in der vorliegenden Untersuchung festgestellten Ergebnissen steht einer ins Detail gehenden, der Hauptsache weitestgehend gleichkommenden Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage in der weit überwiegenden Zahl der Verfahren nichts entgegen. Den Schlüssel für das Primat der materiell-akzessorischen Entscheidung hat das Gesetz mit der Übertragung der Entscheidungszuständigkeit vom Registergericht auf das Prozessgericht geschaffen, und sie bleibt auch nach der Weiterleitung an das OLG erhalten. Nicht in der Übertragung, wohl aber in der Anerkennung einer Prüfungsdauer von mehreren Monaten liegt zudem die Konsequenz, dass sich die Freigabe keineswegs als Verfahren nach
§ 29 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen
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§§ 916 ff. ZPO deuten und mit diesen gleichsetzen lässt. Sie hat ihrerseits zur Folge, dass die dem Gericht eingeräumten Erkenntnismöglichkeiten weder den bisher angenommenen Beschränkungen der Glaubhaftmachung unterliegen noch Zurückhaltung im Umgang mit streitigen Rechtsfragen geboten ist. In der Sache entspricht das Freigabeverfahren damit eher einem beschleunigten, man könnte auch sagen in der Geschäftsverteilung prioritären Erkenntnisverfahren als einem solchen des einstweiligen Rechtsschutzes. Auch wenn mit der vertretenen Position Einschränkungen des Freigabeverfahrensverbunden sind, lässt sich die Ausgangsfrage, ob darin der richtige Weg im Umgang mit den Missbrauchsgefahren der Klage liegt, eindeutig bejahen. Weder sind die trojanischen Mauern der Beschlusskontrolle gefallen noch droht ihre Uneinnehmbarkeit weiterhin die unternehmerische Entfaltung in verantwortungsloser Weise der Willkür und den Machenschaften einzelner Aktionäre preisgegeben zu werden. Die zuvor belagerte gleicht eher einer offenen Stadt unter gleichzeitiger Teilentwaffnung beider Parteien. Das Freigabeverfahren ist ein in der vorgegebenen Situation angemessen erscheinender Mittelweg.
§ 29 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen A. Registersperre 1. Für Umwandlungen, die Eingliederung und den Ausschluss von Aktionären nach §§ 327a ff. AktG sieht das Gesetz eine Eintragungssperre vor. Ihre Dauer besteht bis zum Ablauf der in den §§ 14 I, 195 I UmwG, 246 I AktG vorgesehen Fristen. Ihr Ablauf markiert im Umwandlungsrecht dem Zeitpunkt materiellen Präklusion sämtlicher Beseitigungsrechte, wohingegen sie bei den §§ 319 VI, 327e II AktG nur mit dem Verlust des Anfechtungsrechts einhergeht. Der umfassende Verlust der Beschlussmangelklagerechte bildet gemeinsam mit der durch die registergerichtliche Kontrolle vermittelten Richtigkeitsgewähr den Wertungsgrund dafür, dass die Umwandlung nicht lediglich wirksam wird, sondern eventuelle Mängel zugleich geheilt werden (§ 20 II UmwG pp). 2. Die formelle Registersperre bildet ein statisches Element zur Sicherstellung der Beschlusskontrolle. Sie verhindert, dass die Strukturänderung vor Erhebung der Klage vorläufig wirksam wird. Eine einstweilige Verfügung gerichtet auf Untersagung der Eintragung (§ 16 II HGB) bleibt zwar zulässig, ist aber nicht erforderlich und wegen der damit verbundenen Haftungsrisiken (§ 945 ZPO) praktisch irrelevant. 3. Im Fall der Anfechtungsklage besteht die Registersperre zunächst fort und kann nur durch die gerichtliche Freigabe überwunden werden. Ihre Wir-
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4. Teil: Schlussbetrachtung
kung liegt in der Überleitung der Entscheidung über die Vorgreiflichkeit der Klage auf das damit zu befassende OLG. In dieser verfahrenstechnischen Funktion erschöpft sie sich allerdings auch. Eine fortdauernde materielle Wertentscheidung zugunsten des Aufschubinteresses des Klägers, welche im Rahmen des Freigabeverfahrens zu berücksichtigen wäre, ist nicht anzuerkennen. 4. Die Konzeption der umwandlungsrechtlichen Registersperre ist dem institutionellen Konzept dieses Gesetzes geschuldet. Sie ist angesichts der bei den einzelnen Maßnahmen unterschiedlich ausgeprägten Rückabwicklungsschwierigkeiten nicht gleichermaßen zwingend, aber doch verhältnismäßig und als Legislativentscheidung zu respektieren. 5. Die Verhängung einer formellen Registersperre bildet entgegen dahingehender Irritationen im Vorfeld des UMAG keine Voraussetzung für die Schaffung eines Freigabeverfahrens. Bei Beschlüssen des Verfahrens nach § 246a AktG bestehen damit für die Gesellschaft zwei Wege zur Eintragung zu gelangen, das Freigabeverfahren und das Registerverfahren. Auch hier handelt es sich um eine konzeptionell nicht zu beanstandende rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers. Sie rechtfertigt sich für Unternehmensverträge daraus, dass eine Registersperre angesichts der mit der Kündigungsmöglichkeit (§ 297 AktG) verbundenen Rückabwickelbarkeit seit jeher für überflüssig gehalten wurde. Dauerhaften Bestandsschutz bietet allerdings nur das Freigabeverfahren. Erwirkt die Gesellschaft ihre Eintragung, so ist diese mit dem Risiko der Nichtigerklärung behaftet. Es gibt daher bei § 246a-Maßnahmen zwei Beschlüsse, solche mit und solche ohne gesetzlichen Bestandsschutz. Die Eintragung im Registerverfahren hindert nicht das Betreiben des Freigabeverfahrens zum Zwecke des Bestandsschutzes (Bestandssicherungsverfahren). Allerdings müssen dessen Voraussetzungen de lege ferenda konkretisiert werden. 6. Das Vorhandensein des Freigabeverfahrens führt trotz Fehlens einer formellen Sperre prinzipiell dazu, dass eine angefochtene § 246a-Maßnahme nicht über das Registerverfahren zur Eintragung gelangen kann. Das Aussetzungsermessen nach § 127 FGG reduziert sich auf Situationen, die der Hypothekenbankschwestern-Entscheidung entsprechen, also Klagen, die ohne nähere Prüfung jede Erfolgsaussicht vermissen lassen. Jenseits dieser Schwelle ist ein Vorgriff auf die Einschätzungsprärogative der Instanzgerichte nur dann zu rechtfertigen, wenn das Freigabeverfahren nicht abgewartet werden kann, ohne die Existenz der Gesellschaft zu gefährden.
B. Eintragungs- und Freigabewirkungen 1. Von elementarer Bedeutung für das Verständnis des Freigabeverfahrens ist das Verständnis der damit verbundenen Wirkungen. Allen Eintragungen gemeinsam ist die Konstitutivwirkung. Darüber hinaus ist zwischen der unange-
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fochtenen und der angefochtenen Maßnahmen und den Arten der Organisationsänderung zu unterscheiden: a) Beschlussmängel unangefochtener Umwandlungen werden mit Eintragung nach Ablauf der Registersperre geheilt. § 20 II UmwG und seine Parallelvorschriften sind leges speziales zu § 242 II AktG, der eine solche Wirkung erst nach Verstreichen einer Dreijahresfrist zulässt. Kapitalmaßnahmen genießen eine derartige Rechtsfolge nur in Verbindung mit Verschmelzungen (§ 249 I 3 AktG). Im Übrigen teilen sie mit Unternehmensverträgen nach §§ 291 ff. AktG, Eingliederungen und dem Ausschluss das Schicksal der Vernichtbarkeit. Eine Gewährung von Bestandsschutz erfolgt lediglich bis zur rechtskräftigen Kassation. Grundlage hierfür sind die Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft, welche die Lehre trotz erheblicher Unterschiede zu Recht von der Verbandsgründung auf die Organisationsänderung übertragen hat. b) Für die Eintragung freigegebener Umwandlungen scheint das Gesetz an einer Heilung Zweifel zu haben. Sie manifestieren sich darin, dass es § 16 III UmwG an einer § 20 II UmwG vergleichbaren Eintragungswirkung ermangelt. Ausgeschlossen sein soll durch Satz 9 2. Hs. der Vorschrift allein der Anspruch, nach erfolgreicher Unwirksamkeitsklage die Beseitigung der Beschlusswirkungen verlangen zu können. Dem liegt die These zugrunde, dass sich zwischen der Strukturänderung als solcher und ihren Rechtsgrundlagen unterscheiden lässt und die erstere ohne wirksamen Beschluss aufrechterhalten werden kann. Sie ist abzulehnen. Indem das Gesetz dem Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung Außenwirkung beimisst, bringt es die Einheit von Rechtsgrundlage und Vollziehung der Organisationsänderung zum Ausdruck. Eine Trennung würde den durch das Zustimmungserfordernis bezweckten Schutz der Verbandsmitglieder vereiteln und die gesetzliche Dogmatik auf einen Zustand zurückwerfen, den man mit Abkehr von der Lehre von der faktischen Gesellschaft aus zutreffenden Erwägungen für überwunden zu haben glaubt. Ein dauerhafter Bestandsschutz der Maßnahme lässt sich daher nur verwirklichen, wenn die Beschlussgrundlage vor einer Kassation gesichert wird. Da das Anfechtungsrecht bei fristgemäß erhobener Klage fortbesteht, muss die durch die Freigabe vermittelte Eintragung dieses entfallen lassen. Der Freigabebeschluss hat neben seiner formellen Bindungswirkung für das Registergericht daher entweder die materielle Wirkung einer aufschiebend durch die Eintragung bedingten negativen Gestaltungshandlung in Bezug auf das Beschlusskontrollrecht des Mitglieds bzw. die in materieller Rechtskraft erwachsende Feststellung dessen Nichtbestehens oder aber die Bindungswirkung einer negativen Feststellungsentscheidung. 2. Die gesetzliche Regelung ist für Umwandlungen, Kapitalmaßnahmen, Eingliederung und Squeeze Out verhältnismäßig. Zweifelhaft ist eine die Kassation beseitigende Freigabe hingegen bei Unternehmensverträgen, einmal wegen der im Gesetz mit der Kündigung vorgesehenen Beendigungsmöglichkeit ex nunc, sodann wegen der gegenteiligen Wertung des § 319 VI AktG.
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4. Teil: Schlussbetrachtung
§ 246a AktG ist daher für Unternehmensverträge im Grundsatz so zu verstehen, dass die Freigabe nur vorläufigen Bestandsschutz beinhaltet. Nur sofern die Rechtssicherheit ausnahmsweise einen dauerhaften Bestandsschutz erfordert, kann die Gesellschaft die über die Unbedenklichkeitsfeststellung hinausgehende Feststellung, wonach Mängel die Wirkungen des Beschlusses nach Eintragung unberührt lassen, erlangen.
C. Freigabegründe 1. Das Gesetz vermittelt den Eindruck, Grundlage der Freigabe könnte neben der Unzulässigkeit der Klage und ihrer offensichtlichen Unbegründetheit eine hiervon unabhängige Interessenabwägung zugunsten der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre sein. Eine solche Annahme ist für Freigabebeschlüsse mit Bestandsschutz kategorisch schon deshalb abzulehnen, weil schon die damit notwendig vorausgesetzte Beseitigung des Anfechtungsrechts dessen Prüfung erfordert. Die Freigabe ist deswegen stets materiell-akzessorischer Art. Die derzeit beschrittene „Abwägungs-Lösung“ erweist sich als Irrweg. Sie verführt zu einem undifferenzierten Umgang mit den gesetzlichen Regelungen, stört das System der Binnenverfassung in der AG und endet nicht selten in pauschalen rechtspolitischen Erwägungen, welche an die Stelle von Recht Billigkeit treten lassen. 2. Die Annahme einer „offenen Eilentscheidung“ lässt sich überdies verfahrensrechtlich nicht begründen. Vor allem aber fehlt ihr konzeptionell die Prämisse einer Pflicht des Mitglieds zur Duldung rechtswidriger Beschlüsse. Ein derartiges Verständnis der Mitgliedschaft ist trotz eingehender Begründungsversuche in der Lehre nicht anzuerkennen. 3. Der Konnex zwischen der durch ihre Einzelrechte gebildeten Mitgliedschaft und ihrem effektiven Schutz wird sowohl durch grundgesetzliche Gewährleistungen wie das europäische Verbandsrecht abgesichert. Die ihn aufgebende „Abwägungs-Lösung“ in der ihr durch das ARUG verliehenen Gestalt hat das zu respektieren und ist entsprechend auf eine bloße Hilfsfunktion zu reduzieren. 4. In der Konsequenz der notwendig materiell-akzessorischen Entscheidung liegt, dass Streitgegenstände von Freigabeverfahren und Hauptsache teilidentisch sind. Die Situation entspricht derjenigen einer Leistungsklage, auf die eine negative Feststellungsklage erhoben wird. 5. Um das kontradiktorische Gegenteil der im Freigabeverfahren zu treffenden Entscheidung auszuschließen, muss der Prüfungsmaßstab dem der Hauptsache entsprechen. Die gesetzliche Regelung ist daher teleologisch um das Merkmal der Offensichtlichkeit der Unbegründetheit zu reduzieren. Dieses hat nach Überleitung der Entscheidung über die Vorgreiflichkeit der Klage vom Registergericht auf das Prozessgericht die ihm im Kontext der Hypothekenbankschwestern-Rechtsprechung zukommende Berechtigung verloren.
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Die Begrenzung auf offensichtlich unbegründete Klage ist auch nicht verhältnismäßig, da eine „Alles oder Nichts“-Situation nicht nur aus Sicht des Klägers, sondern auch der beklagten Gesellschaft vorliegt, die sonst dauerhaft an der Durchführung des Beschlusses gehindert wird. 6. Infolge seiner Anlehnung an die §§ 916 ff. ZPO verwendet das Freigaberecht das Prinzip der Glaubhaftmachung. Anders als im einstweiligen und vorläufigen Rechtsschutz verbindet sich hiermit allerdings nicht ein vermindertes Beweismaß. Vielmehr muss das Gericht von dem Vorliegen oder Fehlen der streitigen Tatsache im Umfang des § 286 ZPO überzeugt sein, diese also für wahr oder unwahr erachten. Es gelten die auch im Hauptverfahren zu beachtenden Regeln der Darlegungs- und Beweislastverteilung. Die dafür vorauszusetzende Beweisgrundlage besteht, weil die Beweiserhebung entgegen § 294 II ZPO nicht auf präsente Beweismittel begrenzt ist. Das Gesetz erkennt mit der Regelzeitvorgabe von drei Monaten in der Instanz selbst an, dass es sich bei dem Freigabebeschluss nicht um ein mit dem zeitlichen Rahmen der §§ 916, 935 ZPO vergleichbares Verfahren handelt. Demgemäß ist trotz eines § 937 II ZPO entnommenen Vorbehalts auch nicht denkbar, dass auf die mündliche Verhandlung verzichtet werden kann. In der Konsequenz sind insbesondere Zeugen zu laden. Gleichermaßen verliert die Versicherung an Eides statt weitestgehend ihre Legitimation als Mittel der Glaubhaftmachung. Vorzugswürdig ist die Parteivernehmung. Zur Ermöglichung von Sachverständigenhilfe bietet es sich an, den gerichtlich bestellten Prüfer heranzuziehen. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine größere Objektivität gewährleistende Bestellungs- und Prüfungspraxis. 7. Ein Gebot der Zurückhaltung im Umgang mit höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfragen, wie es die Hypothekenbankschwestern-Entscheidung formuliert hatte, besteht im Freigabeverfahren nicht. Die Gerichte sind lediglich zu einer erschöpfenden – nicht lediglich „summarischen“ – Rechtsprüfung verpflichtet, im Übrigen in der rechtlichen Würdigung aber frei wie sonst auch. Um den Verlust der Revisionsmöglichkeit im Freigabeverfahren auszugleichen, ist die Möglichkeit nach der Freigabe die Feststellung der ursprünglichen Rechtswidrigkeit des Beschlusses zuzulassen. Ein dafür zu forderndes Fortsetzungsinteresse besteht allerdings lediglich im Interesse von Legalitätssicherung, Rechtsfortbildung und Rechtseinheit, sowie zur Präjudizierung eines Schadensersatzprozesses.
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Sachwortverzeichnis Abfindung 133, 141, 329 ff., 411, 448 Ablösesummen 2 Abstimmungsergebnis 494 Abwägungsentscheidung – Aufschubinteresse 70 ff. – Bedeutung der gerügten Rechtsverletzung 72 – Berücksichtigung nichtigkeitsbedingter Nachteile 67 – Besondere Schwere des Rechtsverstoßes 77 ff. – Bewertung der Rechtsverletzung unter früherem Recht 79 ff. – Darlegungs- und Beweislast 81 – Darlegungsanforderungen 62 – Klägerinteresse 71 – Maßgebliche Interessenträger 64 ff. – Unbeachtlichkeit von Gestaltungsalternativen 63 – Verzögerungsbedingte Nachteile 60 – Zeitliche Dimensionen des Vollzugsinteresses 66 Abwägungsklausel – Abwägungsmethode 184 – Abwägungstatbestände 371 ff. – Beteiligungshöhe 70 – Beteiligungsverhältnisse 306, 407, 418 – Eigentumsgarantie 446 ff. – Effektiver Rechtsschutz 448 – Funktionen 371 ff. – Grundgesetzkonformität 445 ff. – Regelungsstruktur 59 – Verhältnis zur Freigabe wegen offensichtlicher Unbegründetheit der Klage 81 – Wesentliche Nachteile 60 ff. Actio negatoria 240 ff., 257 Agio 333 ff. AktG 1937 201, 208
AktG 1965 2 ff., 124, 260, 324, 410, 415 ff. Aktienamt 227, 430 Aktienrechtsnovelle 225, 409 Aktionär – Anlageaktionär 11, 185, 413, 417, 430, 432, 453 – Außenstehender 417 ff. – Hauptaktionär 160 ff. – Hybridstellung 413 – Rechtsstellung 40, 253, 409, 435, 441, 532, 539 – Schutz 410 f – Treubindungen 413, 419 – Unternehmer 410, 422 Aktionärsklage 8, 85, 111, 426, 452, 453 A-limine-Abweisung 468 ff. Anfechtungsbefugnis 8, 20. 21, 85 ff. Anfechtungsklage – Darlegungs- und Beweislast 458 ff. – Gestaltungswirkung 16, 102, 115, 156, 248, 539 – Rechtsschutzbedürfnis 465 ff. – Verweisung in Spruchverfahren 460, 463 ff. – Zulässigkeit 44 ff., 460 ff. Anfechtungsrecht – Ausschluss 360 ff. – Entzug 361 – Missbrauch 2, 8 ff., 38 f., 50 f., 401 ff. ARAG-Garmenbeck-Entscheidung 137 Arbeitskreis Beschlussmangelrecht 404, 412 ARUG 4 ff., 23, 39, 44, 58 ff., 71 ff., 122, 259, 323 Audi-NSU-Entscheidung 162, 169 Auflösung 135 f., 167 f., 239, 262 ff., 285 ff., 340
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Sachwortverzeichnis
– Übertragende Auflösung 167, 168, 340 Auflösungsbeschluss – Materielle Beschlusskontrolle 168 Auflösungsklage 263 Aufschubinteresse 70, 75, 76, 83, 92, 476, 550 Aufsichtsrat – Vertretungsmacht 305, 310, 357 – Zustellungserfordernis der Anfechtungsklage 462 Ausgliederung 129, 135, 140, 145, 250, 251, 293, 506 „Auskaufen“ opponierender Aktionäre 2 Auskunftsverweigerungsrecht 474, 523 Aussetzung der Eintragung 29, 32 – Einleitung Freigabeverfahren 31 – Vorgreiflichkeit der Klage 31 Bagatell-Quorum 84 ff., 363 ff. – Bildung des Quorums 85 ff. – Nachweis des Quorums 87 ff. – Notwendige Beteiligungshöhe 85 – Rechtsfolgen der Quorumsverfehlung 89 – Richterlicher Hinweis 87 – Verfassungsrechtliche Bedenken 90 – Zeitliche Dimension der Beteiligung 86 Beendigungswirkung der Kassation 343 Bedingtes Kapital 327 Begrenzung der Anfechtungsbefugnis 408 Behauptungslast 458, 459, 482, 487, 489, 493, 494, 498 Beherrschungsvertrag 66, 134, 296, 432 Beitritt 271, 292 Berufskläger 2, 11, 86, 87, 429, 473 Beschluss – Eintragung 100 ff. – Flankierender 34 f. – Freigabetauglichkeit 33 – Heilung von Mängeln 202 ff. – Nicht-Beschluss 125 – Rechtsgeschäftslehre 10, 265, 300 ff. Beschlussanfechtung – Abwehranspruch 240
– Abwehrklage 176, 319, 336, 48 – Entlastung 111, 158, 533, 541 – Kontrollfunktion V, 115, 183, 316, 485, 540 – Legalitätskontrolle 225 – Objektives Rechtsbeanstandungsverfahren 461 – Potentielle Kausalität 428 – Prozessstandschaft 461 – Prozessuale Befugnis 461, 462 – Rechtliches Gehör 29, 92 – Rechtshängigkeit 45, 362, 364, 462 – Relevanztheorie 428, 474, 494, 548 – Rückwirkung 90, 106, 115, 129, 238, 312, 314, 318 – Sondervorteil 74, 142, 154, 161, 164, 166, 17, 410 ff., 461 – Treuepflicht – Klagefrist 19 ff., 76, 224, 233 f., 322 – Verfahrensfehler 73, 80, 345, 360, 428 f., 349 f., 523 – Versammlungsleiter 225, 301, 474 Beschlussmängelklage – Darlegungs- und Beweislast 458 – Missbräuchliche 51, 410 ff., 443, 472 ff. Beschlussvollzug 1, 59, 67 Besondere Schwere des Rechtsverstoßes 77 ff. – Bewertung unter früherem Recht 79 ff. – Darlegungs- und Beweislast 81 – Meinungsstand 78 Bestandsschutz – Aktienrechtlicher Strukturänderungen 259 ff. – Bei anhängigem Beschlussmangelstreit 236 ff. – Eingliederung 349 – Erscheinungsformen 202 ff. – Formwechsel 249 ff. – Freigabevermittelter 236 ff. – Gesamtanalogie 331 – Kapitalmaßnahmen 325 ff. – Rechtsprechung 123 ff. – Spaltung 247 f. – Squeeze Out 350
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– Verschmelzung 124, 236 – Zukunftsgerichteter 344 f. Bestandssicherung 113 ff., 236 ff., 350 ff. – Dogmatische Grundlage 128 – Inter omnes- Wirkung 199, 542 – Regelungsbedürfnis 114 ff. – Regelungssystematik 115 ff. Bestätigungsbeschluss 106, 345, 346, 347, 531, 538 Beweisgrundlagen 505, 523 Beweismaß 455 ff., 500 ff. Beweismittel 509 ff., 514 ff. – Augenschein 514 – Parteivernehmung 519 ff. – Präsente 509 ff. – Privatgutachten 519 – Sachverständigengutachten 483, 515 ff. – Statthafte 33, 388, 484, 491, 501, 505, 510, 512, 514 – Urkundsbeweis 87, 514 – Zeugenbeweis 514, 515, 520, 522, 523 Bezugsrecht 326 ff. Bezugsrechtsausschluss 64, 147, 169, 299, 328, 337, 341, 419, 495, 497 – Sachliche Rechtfertigung 64, 175, 378, 497 Bildung des Quorums 85 Bindungswirkung des Freigabebeschlusses 93 f. – Eingeschränkte Sachprüfung 96 – Negative 98 – Verbleibende Prüfungskompetenz des Registergerichts 94 ff. Blockade der Eintragung 16 ff. Business judgement rule 137 ff., 145, 516 – Verschmelzung 138 ff. Causa finalis 189 Causa impulsiva 189 Corporate Governance 3, 25, 48, 155, 173, 344 ff., 434 ff., 479 Darlegungs- und Beweislast – Anfechtungsklage 458 – Grundregel 491
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– Anfechtungsbefugnis 492 – Auskunftsrechts- und Informationspflichtverletzungen 494 – Bewegliche Stimmrechtsschranken 495 – Verfahrensfehler 493 – Materielle Rechtsverletzung 495 ff. Delisting 416, 424 Dogmatische Grundlage 128 ff. Dulde und liquidiere 11, 328, 330, 342, 411 f., 415, 417, 421, 430, 453 Eideszuschiebung 521 Eilverfahren 194, 371, 388, 524 – Typologie 194 Eingliederung 122, 196, 314, 347 ff. Einheit der Organisationsänderung 299, 357, 366 Einordnung der §§ 20 II, 131 II, 202 III, UmwG 212 ff. Einstweilige Anordnung 191 f., 371 ff., 374 ff. Einstweilige Verfügung 16, 31, 39, 196, 374, 377 ff., 385, 511 Eintragungsverfahren – Aussetzung 28 ff. – Formelles Eintragungshindernis 18, 21 Eintragungshindernis 3, 17 f., 21 f., 94, 98, 113, 120, 124, 223, 228, 236, 477 Entschmelzung 18, 129, 139, 215 ff., 220, 238, 240, 245 ff., 256 f. Entlastung 111, 137, 158, 219, 406, 533, 541 Entscheidungsfreiheit 400, 528 Entscheidungszwang 528 Erledigung – Hauptsache 101 ff., 364 ff. – Freigabeverfahren 101 ff. Erscheinungsformen 202, 250, 271, 500, 506 Europäisches Gesellschaftsrecht – Aktionärsrechte-Richtlinie 437 – Beschlusserfordernis 440 – Effektiver Rechtsschutz 441 ff. – Gleichbehandlung 438 – Informationsrechte 440
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– Hauptversammlungszuständigkeit 440 – Rechtsstellung des Aktionärs 435 ff. – Effektiver Rechtsschutz 441 ff. – Regelungsbestand 435 ff. Faktische Gesellschaft 268, 359 Faktische Registersperre 24, 39, 472 Fehlende Registersperre für Beschlussgegenstände nach § 264a AktG 23 Feldmühle-Urteil 409 Feststellungsfähigkeit 195 f., 532 Feststellungsinteresse 110 ff., 209, 365, 490, 531 ff. Feststellungsklage 20, 101, 108 ff., 196, 209, 232 f., 239, 354, 361 ff., 488 ff., 534 ff. – Verhältnis zur Leistungsklage 533 – Verlust der Rechtsschutzfunktion 534 Feststellungsverfügung 195 ff., 360 f., 364, 489 f. – Anwendungsfälle 195 – Begründungsdefizite 196 Freigabeantrag 44, 77, 87, 89, 98 ff., 112, 182, 362, 488, 516, 548 Freigabeentscheidung – Bestandssicherung 113 ff. – Eintragungsverfahren 93 ff. – Hauptsache (Verhältnis zur) 99 ff. – Legitimation 179 ff. – Richtigkeitsgewähr 475 ff. Freigabegegenstände 187 – Numerus Clausus 33 – Sonderbeschluss 34 ff., 55 Freigabegründe 369 ff. – Allgemeine Sachurteilsvoraussetzungen 33, 45 – Offensichtliche Unbegründetheit der Klage 44 ff. – Prüfungsmaßstab 45 ff., 180, 477 – Unzulässigkeit der Klage 45 ff., 95 ff. – Zeitpunkt 46 Formwechsel 249 ff. Fortsetzungsfeststellungsklage 108 ff., 536, 539, 542 f. – Bestätigungsbeschluss 106, 345 ff., 465, 531, 538
– Feststellungsinteresse 110 ff., 209, 536 ff. – Kontrollfunktion 540 – Legalitätssicherung 540 – Musterprobleme 542 ff. – Qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis 531 – Kurzfristige Erledigung 536 – Präjudizierung des Folgeprozesses 540 – Prozessführungsbefugnis 45 Fortsetzungsklausel 371 ff. Funktionen der Abwägungstatbestände 371 ff. Geltendmachung des Mangels 19, 232, 285 – Gestaltungsklageerfordernis Genehmigtes Kapital 326 Gesamtanalogie 122, 331, 416 Gesamtnichtigkeit 35, 116, 125, 272, 287 Geschäftsbeginn 274 f. Geschäftsunfähig 279, 359 Gesellschaft bürgerlichen Rechts 281, 285, 359 – Rechtsfähigkeit 276 f. Gesellschafterbeschluss 292, 306, 314, 316, 442 Gesellschaftsvertrag 164, 222, 253, 266 ff. Gesetzesbindung 451 f. Gesetzessystematik 29, 134 f. Gestaltungsklage 16, 239, 263 ff., 285 f., 288, 361 ff., 531 Gestaltungsklageprinzip 16, 286 Gestaltungsurteil 16 Gestaltungswirkung 16, 102, 115, 156, 248, 539 Gewinnabführungsvertrag 29, 289 f., 304 ff., 310 ff., 349, 464 Girmes-Entscheidung 163, 166 Glaubhaftmachung 482, 498 ff. – Beweismaßtheorien 500 – Entwicklung 501 – Erscheinungsformen 506 – Verhältnis zum Vollbeweis 500 ff. Glaubhaftmachungslast 181, 482 ff. Gläubigerschutz 135 f., 146 f., 338, 340, 353, 415
Sachwortverzeichnis
Gleichbehandlungsgebot 80, 419, 439 Gratisaktien 325, 332 Grundgesetzkonformität 445 f., 450 f. Grundlagengeschäft 358 Gründungsmängel 222, 264 ff. Haftung – Binnenhaftung 147 – Business Judgement Rule 137 f. – Deliktsrecht 147 ff. – Eignung als Kompensationsinstrument 145 f. – Freigabevermittelte Eingriffe in die Mitgliedschaft und deren Verlust 133 ff. – Hauptaktionär 160 ff. – Individualanspruch 154 ff. – Kollektivanspruch 154 ff. – Mitglieder von Leistungs- und Überwachungsorganen 134 ff. – Schaden 139 ff. – Verband 152 ff. Handelsregistereintragung – Prüfungsmaßstab bei Beschlussmängeln 222 – Fehlerhafte Gesellschaft 276 ff. – Heilungsvoraussetzung 202 ff. – Legitimation 221 ff. Hauptaktionär – Haftung 160 ff. Hauptsache – Erledigung 101 ff. – Streitgegenstand 353 ff. – Verdrängung 178 – Verhältnis Freigabeverfahren 95 ff., 99 ff. Hauptversammlungskompetenz 293, 304 f., 441 Heilung – Bedeutung 200 ff. – Begriff 200 ff. – Einordnung der §§ 20 II, 131 II, 202 III UmwG 200 ff. – Erscheinungsformen 202 ff. – Materielle Präklusion 211 – Normative Begründung der Heilungsnormen 220 ff. – Rechtsfolgen 208 f.
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– Satzungsänderungen 213 – Vollzug 206 f. Hibernia-Entscheidung 414, 419 Hoesch-Hoogovens-Entscheidung 358 Holzmüller-Grundsätze 157 Hypothekenbankschwestern-Entscheidung 51 ff. Informationsmangel 6, 73, 80, 403 f., 406, 428 f., 463, 474 Informationsrecht 142, 181, 226, 426, 440, 494 Inhaltskontrolle 168, 341, 407, 412, 496 Innengesellschaften 270 f., 280 Instanzenverlust 530 Inter omnes-Wirkung 156, 542 Interessenabwägung 57 ff., 363, 373 ITT-Entscheidung 162 f. Iura novit curia – Eilverfahren 524 ff. – Entscheidungszwang und Entscheidungsfreiheit 528 Justizgewähranspruch 91, 446, 449, 452 Kali und Salz-Rechtsprechung 328, 341, 412, 419, 496 Kapitalanleger 409 Kapitalerhöhung – Aus Gesellschaftsmitteln 325 – Ausgleichsfähigkeit 330 ff. – Bedingtes Kapital 327 – Genehmigtes Kapital 326 f. – Liquiditätsbelastung 328 – Ordentliche gegen Bareinlage 326 – Unter Bezugsrechtsausschluss 328 ff. Kapitalherabsetzung – Effektive 338 f. – Nominelle 339 f. Kapitalmarktrecht 169, 401, 409, 422, 426, 431, 434, 439, 441, 480 Kapitalmaßnahmen – Fehlerhafte Gesellschaft 297 ff. – Unselbstständige 121 Kapitalpumpe 409, 433, 437 Kapitalsammelfunktion 409, 433, 435
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Kassation – Beschränkung 404 – Verhältnis zum Bestandsschutz 325, 356 Kochs-Adler-Entscheidung 51, 445 Kontrollfunktion der Klage 540 Konzern 347 ff. Kündigung 70, 284 ff., 343 ff., 425, 467, 550 f. Legalitätssicherung 105 f., 112, 365, 539 f., 553 Legitimationswirkungen 183, 221, 317, 319, 400, 425 Lehre vom fehlerhaften Verband 131, 265 Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen 266 f. Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft – Begründungsansätze 266 f. – Faktische Gesellschaft 268 – Fehlerhafte Verbandsgrundlage 271 – Grenzen der Anerkennung 279 ff. – Handelsregistereintragung 276 f. – Innengesellschaft 270 – Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen 266 – Lehre von der Doppelnatur der Gesellschaft als Schuldverhältnis und Organisation 266 f. – Rechtsscheintheorie 269 – Übertragung auf Strukturmaßnahmen 288 ff. – Unternehmensträgerschaft 273 – Verhältnis zur Schadensersatzhaftung 280 – Vollzug 272 ff. – Voraussetzungen 271 ff. – Vorgesellschaft 276 – Vorrangige Interessen 279 ff. Leistungsverfügung 194, 197, 352, 362, 504 Leistungsmacht 9, 122, 296, 304, 423, 431 f. Linotype-Entscheidung 162, 164, 167, 414 Liquiditätsentlastung 328, 331, 342 LPG-Umwandlung 126 f.
Macrotron-Entscheidung 416 Marleasing-Rechtsprechung 262 Mangusta-Commerzbank-Entscheidung 109 Materielle Rechtsverletzung 495 f. Mehrheitsprinzip 306 ff., 318 Minderheitenschutz 423 ff. Missbrauchseinwand 51, 410 ff., 443, 472 ff. Mitgliederwechsel 298 Mitgliedschaft – Anleger 409 ff. – Einheit der Mitgliedschaft 421 ff. – Kontrollrechte 231 ff. – als sonstiges Recht 149 ff. Mitgliedschaftlicher Folgenbeseitigungsanspruch 240 Missbrauch des Anfechtungsrechts 8, 402, 473 Missbrauchspotential 348 Moto-Meter-Entscheidung 409, 448, 452 f. Mündliche Verhandlung – Grundsatz 512 f. – Freistellung 511 – Obligatorische 512 Nachverfahren 108, 537 Nachweis des Quorums 87 f. Naturalrestitution 117, 122 f., 139 f., 243 ff. Nebenintervention 191, 365, 474, 543 Negative Bindungswirkung 98 f., 112 Negative Feststellungsklage 239, 361 ff. – Darlegungs- und Beweislast 488 Negative Feststellungsverfügung 361 Negativattest 17 ff., 93 f. Nichtigkeitsklage 219 ff. Normentheorie 487, 491, 497 Normativbedingungen 221 f., 226 Objektives Beanstandungsverfahren 105, 185 Offene Eilentscheidung 68, 192, 379, 383, 398 – Grundlagen 378 ff. – Vermeidung richterlicher Selbstbindung 384
Sachwortverzeichnis
– Richtigkeitsgewähr 385 – Schutz des Antraggegners 385 Offensichtliche Unbegründetheit der Klage – Ansätze zur Auslegung des Offensichtlichkeitsmerkmals 48 ff. – Beweismaß 500 – Evidenz-Vorbehalt 477 – Prüfungsmaßstab 45 f. – Glaubhaftmachung 498 ff. – Rechtliche Würdigung 523 ff. Ordnungsnormen 407 Organstreitverfahren 470 Organisationsänderungen – Grundsatz der Einheit von Organisationsänderungen 357
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Quorumsverfehlung 89
Rechtsschutzeffektivität 2, 10 f., 476, 531, 537 Rechtsgeschäftslehre 10, 265 ff., 287, 292, 300, 305 Rechtsstaatsprinzip 90, 184, 395, 446, 451 ff. Redezeitbeschränkung 523 Regelungsstruktur der Abwägungsklausel 59 Regierungskommission Corporate Governance 3, 25, 155, 173, 344, 346, 348, 479 Registereintragung (s. Handelsregistereintragung) Registersperre – Dauer der Sperrwirkung 19 f. – Faktische 24, 39, 472 – Fehlende / Verzicht auf 23 – Formelle 23 ff. – Gesetzliche Regelung 16 ff. – Negativ-Attest 17 f. – Verhältnis zur einstweiligen Verfügung 30 f. Registerverfahren – HandelsrechtsreformG 227 f. – Prüfung Beschlussmängel 222 ff. – System der begrenzten Normativbedingungen 226 ff. Relevanztheorie 428, 474, 494, 548 Richtigkeitsgewähr – Freigabeentscheidung 475 ff. – Entscheidungsgleichklang 475 Rückabwicklungsschwierigkeiten 188, 207, 220, 258, 261, 272, 293, 296, 299, 327, 550
Räuberische Aktionäre 2 Rechtliches Gehör 29, 92 Rechtsbeschwerde 27, 191 f., 384, 463, 539, 540, 544 Rechtsfähigkeit 276 f. Rechtsformabhängigkeit des Verfahrens 37 ff. Rechtshängigkeit 45, 362, 364, 462 Rechtskraft (s. Anfechtungsklage) Rechtsschutzbedürfnis 41 ff., 105 f., 464, 531 f. – Qualifiziertes 531 ff.
Sachsenmilch-Entscheidung 341 Satzungsänderung – Heilbarkeit Ursprungssatzung 213 Satzungsstrenge 213 f., 226, 426, 432 Schadensersatzpflicht 102, 134, 145 ff., 159, 362, 404, 414 Schadensrechtlicher „Musterprozess“ 542 Schärenkreuzer-Entscheidung 149 f., 158 Schutzschrift 528 Schwere-Formel 435, 445 ff.
Präjudizierung 540 ff. Präklusion 19, 118, 205, 233 f., 257, 325 Präsente Beweismittel 84, 180 f., 457, 491, 499, 501, 505, 509 ff., 522, 553 Präventionseffekt – Haftung 150 ff. Privatautonomie 268 Prozessfortsetzung 538 Prozessökonomie 534 Prozessstandschaft 461 Prozessuale Waffengleichheit 97, 181, 509 Prüfungskompetenz des Registergerichts 24, 30, 94, 113, 485 Publikumsgesellschaft 170, 226, 230, 241, 282 f., 302, 409, 413
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Sachwortverzeichnis
Siemens/Nold-Entscheidung 109 f., 169, 336, 419 Sittenwidrige Schädigung 149 Sittenwidrigkeit 143 ff., 414 Sonderrecht 267, 432 Sondervertreter 543 Sondervorteil 74, 142, 154, 161 ff., 410 ff., 461 – Kompensation 414 ff. – Verbot 164, 412 ff. Sonstiges Recht 149 ff. Sorgfaltspflicht der Organmitglieder 137 ff. Spaltung 247 f., 249 ff. Sperrwirkung – Dauer 19 ff. Sperrverfahren 22, 29, 39, 192 Spruchverfahren 463, 517 – Verweisung in das 463 Squeeze Out 66, 123, 127, 314, 350 Stattgebender Freigabebeschluss 100 Statthafter Verfahrensgegenstand 33 ff. Status quo ante 17, 245, 249, 257 Stimmabgabe 163, 248, 301, 425, 440 Stimmverbot 495, 496 Stoffsammlung – Art und Weise 482 ff. – Untersuchungsgrundsatz 482 ff. – Verhandlungsmaxime 482 ff. Streitgegenstand – Beschlussmängelstreit 354 ff. – Freigabeverfahren 355 ff. Strukturänderungen 123 ff., 161 ff., 174 ff., 259 ff. – Faktische 358 Strukturmaßnahmen 288 ff. – Beschleunigungsinteresse 28 – Durchführung ohne Handelsregistereintragung 18, 24 Suspensiveffekt 31 Teilgewinnabführungsvertrag 304 ff., 310, 312 f. Treuepflicht – Aktionäre 161 – Verletzung 163 ff. – Subsidiäre Funktionen 167 ff. – Übertragende Auflösung 167
T-Online/Telekom-Entscheidung 74, 170 f., 530 Trihotel-Entscheidung 148 Trojanisches Pferd 1, 8, 549 Übertragung der Lehre der fehlerhaften Gesellschaft auf Strukturmaßnahmen 288 ff. – Angefochtene Strukturmaßnahmen 315 ff. – Rechtsgeschäftliche Legitimationsgrundlage 299 ff. – Systematische Begründungsansätze 291 f. – Vollzug 308 ff. – Wirkung der Handelsregistereintragung 309 UMAG 4 ff. 47 ff. Umwandlungsrechtlicher Bestandsschutz 200 ff. Unternehmensvertrag – Beendigung durch Kassation 343 f. – Beendigung durch Kündigung 70, 343 – Bestandsschutz 343 ff. – Fehlerhafte Gesellschaft 309 Untersuchungsgrundsatz 482 ff. Unzulässigkeit der Klage 44 ff., 95, – Amtsprüfung 45 – Zeitpunkt für Fehlen der Zulässigkeitsvoraussetzungen 46 Venire contra factum proprium 170, 202, 206, 263, 420 Verbandsverfassung 1, 226, 253, 357 – Diskontinuität 253 Verbot widersprüchlichen Verhaltens 170 Verfahrensfehler 73, 80, 345, 360, 428 f., 493 f., 523 Verfassungsprozessuales Eilverfahren – A-limine-Abweisung 468 ff. – Doppelte Folgenhypothese 390 ff. – Erfolgsprüfung 390 – Grundlagen 389 ff. – Iura novit curia 524 ff. – Rechtsprechung 389 ff. Verhältnismäßigkeitsprinzip 403 ff.
Sachwortverzeichnis
Verhandlungsmaxime 181, 458, 482 ff. Verlustausgleichspflicht 296, 314 Vermögensübertragung 135, 140, 145, 252, 358 Versammlungsleiter 225, 301, 474 Verschmelzung 124, 217 ff., 236 ff., 309, 324 Verschmelzungsrichtlinie 128, 133, 151, 187, 215 ff. Versicherung an Eides statt – Ausschlussgründe 507 – Begriff 506 – Erscheinungsformen 506 – Entstehungsgeschichtliche Funktionsbegrenzung 508 – Fortbestehen 509 Vertragskonzern 295, 297, 311, 345, 348, 410 Verwerfungskompetenz 407 Victoria-Entscheidung 162 Volksgesetzbuch 268 Vollbeweis 498 ff., 522 Vollzug 206 ff., 272 ff., 308 ff. Vollzugshemmung 1 Vollzugsinteresse 66 ff., 98 ff. – Neubewertung 4 ff. Vorgesellschaft 276 ff., 288, 309, 311 Wesentliche Nachteile für Gesellschaft und Aktionäre
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– Bedeutung der gerügten Rechtsverletzung 72 f. – Darlegungsanforderungen 62 – Freie Würdigung 73 – Gestaltungsalternativen 63 – Interessenträger 64 ff. – Klägerinteressen 71 – Nichtigkeitsbedingte 67 ff. – Synergieeffekte 61 f. – Verzögerungsbedingte 60 ff. Wesentlichkeitsvorbehalt 451 ff. Wettbewerb der Rechtsformen 422 Widerspruch gegen Hauptversammlungsbeschluss – Vorabwiderspruch 320 Zeitpunkt für das Fehlen von Zulässigkeitsvoraussetzungen 46 – Amtsprüfung 45 – Rechtsschutzbedürfnis trotz Eintragung 41 ff. Zurückweisung des Freigabeantrags 98 Zustellung – Adressaten bei Beschlussmängelklage 21 – Demnächst 20 ff. – Nachweis des Quorums bei Zustellung 85 Zustimmungsvorbehalt 36, 223 Zwangsvollstreckungsvorbehalt 371 ff.