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German Pages 429 Year 2012
Beuchert Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen
Rechtsordnung und Steuerwesen Band 44 Schriftenreihe begründet von Brigitte Knobbe-Keuk herausgegeben von Wolfgang Schön und Rainer Hüttemann
Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen von
Dr. jur. Tobias Beuchert
2012
Verlag Dr.OftoSchmidt
Köln
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrofbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 0221/93738-01, Fax 0221/93738-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-64243-3 ©2012 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für V ervielfältigungen, Bearbeitungen. Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druckund Verarbeitung: Be1z, Darmstadt Printed in Germany
Geleitwort Zu dieser Schriftenreihe Seit Brigitte Knobbe-Keuk im Jahre 1986 diese Schriftenreihe in der Nachfolge von Werner Flume begründet hat, sind mehr als 40 Bände erschienen, in deren thematischen Mittelpunkt die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Steuerrecht und der allgemeinen Rechtsordnung gestellt ist. Die Entwicklung der Reihe hat gezeigt, dass die vielfältigen Verflechtungen des Steuerrechts mit anderen Rechtsgebieten den gewählten Zuschnitt eindrucksvoll gerechtfertigt haben. Die publizierten Arbeiten nehmen Bezüge zum allgemeinen Zivilrecht, zum Gesellschaftsrecht, zum Bilanzrecht und zu den Wirtschaftswissenschaften ebenso in den Blick wie die Rahmenbedingungen des Verfassungsrechts, des Europarechts und des Internationalen Rechts. Strafrechtliche Zusammenhänge unserer Steuerrechtsordnung werden ebenso beleuchtet wie verfahrensrechtliche Implikationen der Besteuerungspraxis. Der Erkenntnis der Begründerin der Schriftenreihe, dass in den juristischen Fragestellungen aus dem Bereich des Steuerwesens Fragestellungen aus den Teilgebieten der allgemeinen Rechtsordnung zusammentreffen, muss besonders Nachdruck in einer Zeit verliehen werden, in der die innere Stabilität unserer Besteuerungsordnung in hohem Maße gefährdet ist und der Wunsch, aus der eigenen Systematik des Steuerrechts heraus feste Leitlinien für Rechtspolitik und Rechtsanwendung zu gewinnen, hinter den fiskalischen Zwängen der öffentlichen Hand und dem Gestaltungswillen der Steuerpolitik immer weiter zurücktritt. Die Verankerung des Steuerrechts in der allgemeinen Rechtsordnung dient daher auch den Anliegen der Rechtssicherheit und Rationalität unseres Steuerrechts. Darüber hinaus kann durch die Anlehnung an die der Privatautonomie verpflichtete Zivilrechtsordnung sowie durch die Verwirklichung verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Freiheitsgewährungen dem Steuerwesen ein Stück rechtsstaatlicher Liberalität zurückgegeben werden. Die Herausgeber wünschen daher, dass die Schriftenreihe in ihrer Gesamtheit einen Beitrag zur Kultur unserer Steuerrechtsordnung zu leisten vermag. München und Bonn, im Oktober 2011 Wolfgang Schön
Rainer Hüttemann
V
Geleitwort
Zu dieser Schrift „Aggressive Steuerplanung“ und „missbräuchliche Steuergestaltungen“ werden von Steuerverwaltungen weltweit als zentrales Problem bei der gleichmäßigen Durchsetzung des Steuerrechts wahrgenommen. In Deutschland haben sich Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichte dabei vor allem auf materiell-rechtliche Instrumente gestützt, namentlich die Anwendung der Regeln über den Gestaltungsmissbrauch in § 42 AO oder Tendenzen zur erweiterten Auslegung von Steuernormen. International sind demgegenüber weiter gehende verfahrensrechtliche Vorgaben auf dem Vormarsch. Im Vordergrund stehen dabei Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen, also die Verpflichtung von Steuerpflichtigen und/oder deren Beratern zum gesonderten Hinweis auf bestimmte als aggressiv bzw. missbräuchlich eingestufte Gestaltungen. Wichtige Industrieländer – unter anderem die USA und das Vereinigte Königreich – haben damit bereits Erfahrungen gesammelt. Erst vor kurzem hat die OECD ihre Mitgliedstaaten dazu angeregt, über entsprechende Regelungen nachzudenken. In Deutschland hat es im Jahre 2007 sogar einen ersten Gesetzgebungsversuch gegeben; das Vorhaben wurde zurückgestellt, aber nicht völlig aufgegeben. Die Dissertation von Tobias Beuchert hat vor diesem Hintergrund die Frage zum Gegenstand, ob Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen in Deutschland zweckmäßig und rechtlich zulässig wären. Es ist – nach meiner Kenntnis – die erste in Deutschland angefertigte Dissertation, die sich rechtsvergleichend und rechtssystematisch dieser Problematik annimmt. Sie bietet einen klaren analytischen Zugriff auf die verschiedenen Funktionen der steuerlichen Anzeigepflichten und ihre Wirkungen. Sie überzeugt durch den sicheren Umgang mit ausländischen Steuerrechtsordnungen, insbesondere die Fähigkeit, das Instrument der Anzeigepflichten in den jeweiligen verfahrensrechtlichen und materiellen Kontext zu stellen. Der Verfasser beherrscht die verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Rahmenbedingungen steuerlicher Gesetzgebung. Er zeigt schließlich einen souveränen Umgang mit den teleologischen Implikationen des deutschen Steuersystems für die Gesetzgebung, wie er sich insbesondere bei der Frage nach der „Passfähigkeit“ von „legal transplants“ wie den Anzeigepflichten stellt; dabei wird dem Leser eine umfassende Würdigung des inländischen und ausländischen Schrifttums zu der behandelten Problematik präsentiert. Wenn der deutsche Gesetzgeber das neuartige Instrument steuerlicher Anzeigepflichten wieder in die Hand nimmt, wird er – und wird die Praxis – um dieses tiefgründige Buch nicht herumkommen. München und Bonn, im August 2012 Wolfgang Schön
VI
Rainer Hüttemann
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2011/12 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Sie entstand großteils während meiner Zeit als Stipendiat und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in München. Das Manuskript der Arbeit habe ich im Januar 2010 fertig gestellt. Für die Veröffentlichung wurden die wesentlichen Entwicklungen bis Juli 2012 berücksichtigt. Zuvorderst möchte ich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön herzlich danken für die durch ihn erfahrene stete und vielfältige Förderung im Zusammenhang mit dieser Arbeit, aber auch deutlich darüber hinaus. Meine Zeit in der von ihm geführten Abteilung des Max-PlanckInstituts für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen behalte ich als fachlich wie menschlich ungemein bereichernd und prägend in dankbarer Erinnerung. Für die dortigen exzellenten Forschungs- und Arbeitsbedingungen bin ich zudem der Max-Planck-Gesellschaft zu großem Dank verpflichtet. Besonders danken möchte ich zudem Frau Prof. Dr. Monika Jachmann für die Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie Herrn Prof. Dr. Rainer Hüttemann für die Unterstützung der Aufnahme meiner Arbeit in die Schriftenreihe „Rechtsordnung und Steuerwesen“. Meinen Freunden Dr. Arne Friese, Julia Kayser, Dr. Jan Knop und Ulli Konrad danke ich herzlich für die kritische Durchsicht des Manuskripts und viele konstruktive Anregungen. Frau Clara Sattler de Sousa e Brito und Herrn Barak Atiram gebührt Dank für die fremdsprachliche Hilfe bei der Bearbeitung der Kapitel zum portugiesischen bzw. israelischen Recht. Schließlich möchte ich meinen Eltern Günther und Helena Beuchert danken für ihre liebevolle Begleitung und Unterstützung in allen Lebenslagen. Ihnen widme ich diese Arbeit in enger Verbundenheit. München, im August 2012
Tobias Beuchert
VII
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Inhaltsübersicht Geleitwort der Herausgeber ....................................................................... V Vorwort ...................................................................................................... VII Inhaltsverzeichnis ...................................................................................... XIII Einführung ................................................................................................
1
Teil I: Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder ...........
5
Kapitel 1: USA .......................................................................................... A. Einführung ........................................................................................... B. Sachlicher Anwendungsbereich .......................................................... C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten ............................................................................................... D. Folgen bei Missachtung der Regelungen ............................................ E. Erzwingung der Anzeige ..................................................................... F. Über die Anzeigepflicht hinausgehende Anknüpfungen .................... Kapitel 2: Kanada .................................................................................... A. Einführung ........................................................................................... B. Sachlicher Anwendungsbereich .......................................................... C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten ............................................................................................... D. Folgen bei Missachtung der Regelungen ............................................ E. Über die Anzeigepflicht hinausgehende Anknüpfungen ....................
5 5 15 29 51 56 56 61 61 61 65 69 70
Kapitel 3: Großbritannien ...................................................................... 71 A. Einführung ........................................................................................... 71 B. Sachlicher Anwendungsbereich .......................................................... 80 C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten ............................................................................................... 89 D. Folgen bei Missachtung der Regelungen ............................................ 107 E. Erzwingung der Anzeige und Aufklärung der Anzeigepflicht ........... 110 Kapitel 4: Südafrika ................................................................................ A. Einführung ........................................................................................... B. Sachlicher Anwendungsbereich .......................................................... C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten ............................................................................................... D. Folgen bei Missachtung der Regelungen ............................................
113 113 114 118 120 IX
Inhaltsübersicht
Kapitel 5: Israel ........................................................................................ A. Einführung ........................................................................................... B. Sachlicher Anwendungsbereich .......................................................... C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten ............................................................................................... D. Folgen bei Missachtung der Regelungen ............................................ E. Über die Anzeigepflicht hinausgehende Anknüpfungen ....................
122 122 122
Kapitel 6: Portugal ................................................................................... A. Einführung ........................................................................................... B. Sachlicher Anwendungsbereich .......................................................... C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten ............................................................................................... D. Folgen bei Missachtung der Regelungen ............................................
127 127 128
Kapitel 7: Irland ....................................................................................... A. Einführung ........................................................................................... B. Sachlicher Anwendungsbereich .......................................................... C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten ............................................................................................... D. Folgen bei Missachtung der Regelungen ............................................ E. Erzwingung der Anzeige und Aufklärung der Anzeigepflicht ...........
136 136 137
Kapitel 8: Frankreich .............................................................................. A. Einführung ........................................................................................... B. Entwurf 2005 ....................................................................................... C. Entwurf 2006 .......................................................................................
149 149 149 153
Kapitel 9: Deutschland ............................................................................ A. Einführung ........................................................................................... B. Sachlicher Anwendungsbereich .......................................................... C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten ............................................................................................... D. Folgen bei Missachtung der Regelungen ............................................
156 156 158
125 125 125
130 134
142 146 147
161 169
Teil II: Vergleichende Analyse der Anzeigepflichtsysteme ................. 171 Kapitel 1: Funktionen von Anzeigepflichtsystemen ............................. A. Bedeutung der verschiedenen Funktionen .......................................... B. Übersicht über die verschiedenen Funktionen .................................... C. Funktionen im Einzelnen ..................................................................... X
171 171 172 173
Inhaltsübersicht
Kapitel 2: Einzelaspekte .......................................................................... A. Sachlicher Anwendungsbereich .......................................................... B. Persönlicher Anwendungsbereich ....................................................... C. Sanktionen ........................................................................................... D. Erzwingung der Anzeige ..................................................................... E. Durch Anzeigepflichten verursachter Aufwand ..................................
188 188 210 223 229 229
Teil III: Rechtspolitische Überlegungen ...................................................... 231 Kapitel 1: Überlegungen zur veranlagungsunterstützenden Funktion .................................................................................. A. Generelle Überlegungen ...................................................................... B. Übertragbarkeit auf Deutschland ......................................................... C. Schlussfolgerungen für die veranlagungsunterstützende Funktion .....
231 231 232 261
Kapitel 2: Überlegungen zur rechtspolitischen Funktion .................... A. Bedeutung bei der Änderung des Steuerrechts ................................... B. Bedeutung im Übrigen ........................................................................ C. Schlussfolgerungen für die rechtspolitische Funktion ........................
263 263 317 318
Kapitel 3: Überlegungen zur abschreckenden Funktion ..................... A. Abschreckung infolge der veranlagungsunterstützenden Funktion .... B. Abschreckung infolge der rechtspolitischen Funktion ........................ C. Abschreckung als eigenständige Funktion .......................................... D. Schlussfolgerungen für die Abschreckungsfunktion ..........................
320 320 321 323 325
Kapitel 4: Rechtspolitische Gesamtbeurteilung der Anzeigepflichten ..................................................................... 327
Teil IV: Grenzen durch höherrangiges Recht ........................................... 329 Kapitel 1: Deutsches Verfassungsrecht .................................................. A. Grenzen durch die Berufsfreiheit ........................................................ B. Grenzen durch die Eigentumsgarantie ................................................ C. Grenzen durch die allgemeine Handlungsfreiheit ............................... D. Grenzen durch das Bestimmtheitsgebot .............................................. E. Grenzen durch das Selbstbelastungsverbot ......................................... F. Grenzen durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ...... G. Grenzen durch das berufsbezogene Vertrauensverhältnis ..................
329 329 343 344 345 348 350 353
XI
Inhaltsübersicht
H. Grenzen durch den Gleichheitssatz ..................................................... 358 I. Zusammenfassung ............................................................................... 360 Kapitel 2: Europarecht ............................................................................ A. Unterschiedslose Anzeigepflichten ..................................................... B. Fallgruppen mit spezifischer Anknüpfung an grenzüberschreitende Sachverhalte ........................................................................................ C. Differenzierung nach in- und ausländischen Verpflichteten ............... D. Zusammenfassung ...............................................................................
362 362 363 370 373
Schlussbetrachtung .................................................................................. 375 Literaturverzeichnis ................................................................................... 377 Stichwortverzeichnis .................................................................................. 399
XII
Inhaltsverzeichnis Geleitwort der Herausgeber ....................................................................... V Vorwort ...................................................................................................... VII Inhaltsübersicht .......................................................................................... IX
Einführung ............................................................................................
1
Teil I: Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder ...........
5
Kapitel 1: USA .....................................................................................
5
A. Einführung ............................................................................................ I. Gesetzeshistorischer Hintergrund .................................................. 1. Deficit Reduction Act of 1984 .................................................. 2. Taxpayer Relief Act of 1997 .................................................... 3. Treas. Reg. § 1.6011-4T (2000) ................................................ 4. Treas. Reg. § 1.6011-4T (2002) ................................................ 5. American Jobs Creation Act of 2004 ........................................ 6. Änderungen 2006 ...................................................................... 7. Änderungen 2007 ...................................................................... 8. Änderungen 2010 ...................................................................... II. Ermächtigungsgrundlagen und grundsätzlicher Umfang .............. B. Sachlicher Anwendungsbereich ........................................................... 1. Allgemeines .............................................................................. 2. Die Fallgruppen im Einzelnen .................................................. a) Vertrauliche Gestaltungen (confidential transactions) ........ b) Patentierte Gestaltungen (patented transactions) ................ c) Gestaltungen mit Erfolgsgarantie (transactions with contractual protection) ........................................................ d) Gestaltungen mit bedeutendem Verlust bei Vermögensgegenständen (loss transactions) ......................................... e) Gestaltungen mit wesentlichen Abweichungen der steuerlichen von der handelsrechtlichen Beurteilung (transactions with a significant book-tax difference) .......... f) Gestaltungen mit kurzer Haltezeit von Vermögensgegenständen (transactions involving a brief asset holding period) .....................................................................
5 5 5 6 8 10 10 12 12 12 14 15 15 15 15 16 18 20
21
24
XIII
Inhaltsverzeichnis
g) Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit (listed transactions) ....................................................... h) Kataloggestaltungen unter Beobachtung (transactions of interest) ................................................................................ C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten ................................................................................................ I. Anzeigepflichten der wesentlichen Berater ................................... 1. Begriff des wesentlichen Beraters ............................................ a) Allgemeines ......................................................................... b) Tätigkeitsanforderungen ...................................................... c) Mindesteinnahmeanforderungen .......................................... 2. Anzeigepflicht der wesentlichen Berater .................................. a) Inhalt der Anzeigepflicht ..................................................... b) Zeitliche Vorgaben ............................................................... c) Vermeidung einer doppelten Anzeigepflicht ....................... d) Optionen bei Unsicherheit über Anzeigepflicht .................. e) Registriernummern des IRS ................................................. 3. Dokumentierungspflicht der wesentlichen Berater ................... a) Inhalt der Dokumentierungspflicht ...................................... b) Aufbewahrungs- und Vorlagepflicht ................................... c) Vermeidung einer doppelten Dokumentierungspflicht ........ d) Berufsgeheimnis von Anwälten und steuerlichen Beratern aa) Reichweite des berufsbezogenen Vertrauensschutzes .. bb) Konflikt mit den Dokumentierungspflichten ................ (1) Identifizierung der beteiligten Steuerpflichtigen .... (2) Herausgabe von Dokumenten ................................. II. Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen ............................................. 1. Persönlicher Umfang der Anzeigepflicht ................................. a) Allgemeine Grundsätze ........................................................ b) Besonderheiten bei Gesellschaften ...................................... 2. Inhalt der Anzeigepflicht .......................................................... 3. Zeitliche Vorgaben .................................................................... 4. Aufbewahrungspflichten ........................................................... 5. Optionen bei Unsicherheit über die Anzeigepflicht ................. III. Anzeigepflicht steuerbefreiter Personen ........................................ D. Folgen bei Missachtung der Regelungen ............................................. I. Sanktionen gegen wesentliche Berater .......................................... 1. Anzeigepflicht der wesentlichen Berater .................................. 2. Dokumentierungspflicht der wesentlichen Berater ................... II. Sanktionen gegen Steuerpflichtige ................................................ 1. Bußgeldsanktionen .................................................................... 2. Nachteile im Strafzuschlagsystem ............................................ XIV
24 27 29 29 29 29 30 32 33 33 34 35 36 37 37 38 38 39 39 39 41 41 43 44 45 45 46 47 48 49 49 50 51 51 51 52 53 53 54
Inhaltsverzeichnis
3. Weitere Konsequenzen ............................................................. III. Sanktionen gegen steuerbefreite Personen .................................... E. Erzwingung der Anzeige ......................................................................
55 56 56
F. Über die Anzeigepflicht hinausgehende Anknüpfungen .....................
56
Kapitel 2: Kanada ...............................................................................
61
A. Einführung ............................................................................................
61
B. Sachlicher Anwendungsbereich ...........................................................
61
C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten I. Anzeigepflichten für Promotoren .................................................. 1. Begriff des Promotors ............................................................... 2. Inhalt der Anzeigepflicht .......................................................... a) Registrierung ........................................................................ b) Laufende Anzeigepflicht ...................................................... II. Hinweispflicht der Steuerpflichtigen ............................................. D. Folgen bei Missachtung der Regelungen ............................................. I. Sanktionen im Zusammenhang mit der Registrierung .................. II. Sanktionen im Zusammenhang mit der laufenden Anzeigepflicht ............................................................................................. E. Über die Anzeigepflicht hinausgehende Anknüpfungen .....................
65 65 65 65 65 67 67 69 69
Kapitel 3: Großbritannien ...............................................................
71
A. Einführung ............................................................................................ I. Gesetzeshistorischer Hintergrund .................................................. 1. Ursprüngliche Regelungen 2004 .............................................. a) Gestaltungen im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen b) Finanzproduktgestaltungen .................................................. c) Die generellen Ausnahmen (filters) ..................................... 2. Änderungen 2006 ...................................................................... 3. Änderungen 2007 ...................................................................... 4. Änderungen 2008 ...................................................................... 5. Änderungen 2009 ...................................................................... 6. Änderungen 2010 ...................................................................... II. Rechtsquellen ................................................................................. III. Regelungen zu anderen Abgabenarten .......................................... B. Sachlicher Anwendungsbereich ........................................................... I. Grundsätzliche Konzeption ...........................................................
71 71 71 72 72 73 74 76 76 77 77 77 78 80 80
70 70
XV
Inhaltsverzeichnis
II. Voraussetzungen im Einzelnen ..................................................... 1. Definition des steuerlichen Vorteils ......................................... 2. Definition des wesentlichen Vorteils ........................................ 3. Beschreibung der Fallgruppen .................................................. a) Vertrauliche Gestaltungen (confidentiality arrangements) .. b) Gestaltungen mit besonderer Vergütung für den steuerlichen Vorteil (premium fee arrangements) ......................... c) Marktunübliche Finanzproduktgestaltungen (off market terms arrangements) ............................................................ d) Standardisierte steuerliche Produkte (standardised tax products) .............................................................................. e) Verlustgestaltungen (loss schemes) ..................................... f) Leasing-Gestaltungen (leasing arrangements) .................... g) Umgehungsgestaltungen bei Altersvorsorgeaufwendungen (pensions arrangements) ...................................................... C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten I. Anzeigepflicht der Promotoren ..................................................... 1. Begriff des Promotors ............................................................... 2. Inhalt der Anzeigepflicht eines Promotors ............................... a) Umfang der Anzeigepflicht .................................................. b) Zeitliche Vorgaben ............................................................... c) Vermeidung einer doppelten Anzeigepflicht ....................... d) Registriernummern des HMRC (scheme reference numbers) e) Identifizierung der Nutzer (client lists) ................................ II. Pflichten der Steuerpflichtigen ...................................................... 1. Hinweispflicht der Steuerpflichtigen ........................................ 2. Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen anstelle eines Promotors .................................................................................. a) Gestaltungen ohne Promotor (in house schemes) ................ b) Gestaltungen mit im Ausland ansässigem Promotor (offshore promoter schemes) ................................................ c) Anwaltliches Berufsgeheimnis (legal professional privilege) .............................................................................. aa) Inhalt der Regelungen ................................................... bb) Problembereiche ............................................................ (1) Eingriff der Anzeigepflicht in das anwaltliche Vertrauensverhältnis ............................................... (2) Anwaltliches Berufsgeheimnis und die Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen ................................... (3) Anwaltliches Berufsgeheimnis bei in houseAnwälten ................................................................. (4) Zwischenergebnis ...................................................
XVI
81 81 82 82 82 83 84 85 86 87 88 89 89 89 91 91 92 94 95 98 98 98 100 100 102 103 103 104 104 106 106 107
Inhaltsverzeichnis
D. Folgen bei Missachtung der Regelungen ............................................. 107 E. Erzwingung der Anzeige und Aufklärung der Anzeigepflicht ............ 110 I. Erzwingung der Anzeige ............................................................... 110 II. Aufklärung der Anzeigepflicht ...................................................... 112
Kapitel 4: Südafrika ........................................................................... 113 A. Einführung ............................................................................................ 113 B. Sachlicher Anwendungsbereich ........................................................... I. Steuervorteilabhängige Gestaltungselemente ................................ II. Hybridgestaltungen ........................................................................ III. Anknüpfung an Elemente der allgemeinen Missbrauchsnorm ...... IV. Abweichungen der bilanziellen von der steuerlichen Behandlung .................................................................................... V. Negative oder nur gering positive Totalüberschussprognose ........ C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten
114 115 116 117 118 118 118
D. Folgen bei Missachtung der Regelungen ............................................. 120
Kapitel 5: Israel ................................................................................... 122 A. Einführung ............................................................................................ 122 B. Sachlicher Anwendungsbereich ........................................................... I. Wesentliche Beteiligung an bestimmten Auslandsgesellschaften II. Fallgruppen mit nahestehenden Personen ..................................... 1. Managementvergütungen .......................................................... 2. Veräußerungen an nahestehende Personen ............................... 3. Weitveräußerungen an Dritte .................................................... 4. Schulderlass bzw. kurzfristige Schulderfüllung ....................... III. Erwerb von Verlustgesellschaften ................................................. C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten
122 123 123 123 124 124 124 124 125
D. Folgen bei Missachtung der Regelungen ............................................. 125 E. Über die Anzeigepflicht hinausgehende Anknüpfungen ..................... 125
Kapitel 6: Portugal ............................................................................. 127 A. Einführung ............................................................................................ 127 B. Sachlicher Anwendungsbereich ........................................................... I. Steuerplanungsgestaltungen .......................................................... II. Einzelne Fallgruppen ..................................................................... 1. Beteiligte in Steueroasen ..........................................................
128 128 128 129 XVII
Inhaltsverzeichnis
2. Beteiligung von steuerbefreiten Personen ................................ 3. Gestaltungen mit dem Risiko einer Umqualifizierung ............. 4. Verlustnutzungsgestaltungen .................................................... 5. Gestaltungen mit Haftungsreduzierung .................................... C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten I. Anzeigepflicht der Promotoren ..................................................... II. Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen ............................................. III. Weitere Verwendung der Informationen ....................................... D. Folgen bei Missachtung der Regelungen .............................................
129 129 130 130 130 130 132 133 134
Kapitel 7: Irland .................................................................................. 136 A. Einführung ............................................................................................ 136 B. Sachlicher Anwendungsbereich ........................................................... I. Wesentlicher steuerlicher Vorteil .................................................. II. Einzelne Fallgruppen ..................................................................... 1. Vertrauliche Gestaltungen (confidentiality schemes) ............... 2. Gestaltungen mit besonderer Vergütung für den steuerlichen Vorteil (premium fee schemes) ................................................. 3. Standardisierte steuerliche Produkte (standardised tax products) ................................................................................... 4. Verlustgestaltungen (loss schemes) .......................................... 5. Gestaltungen bei nichtselbständiger Tätigkeit (employment schemes) .................................................................................... 6. Gestaltungen zur Umqualifizierung von Einkünften (income into capital schemes bzw. income into gift schemes) ............... C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten I. Pflichten der Promotoren ............................................................... 1. Begriff des Promotors ............................................................... 2. Anzeigepflicht der Promotoren ................................................. 3. Identifikationspflicht der Promotoren ....................................... II. Pflichten der Steuerpflichtigen ...................................................... D. Folgen bei Missachtung der Regelungen .............................................
137 137 138 138 139 139 140 141 141 142 142 142 143 144 145 146
E. Erzwingung der Anzeige und Aufklärung der Anzeigepflicht ............ 147
Kapitel 8: Frankreich ........................................................................ 149 A. Einführung ............................................................................................ 149 B. Entwurf 2005 ........................................................................................ 149 I. Sachlicher Anwendungsbereich .................................................... 149 XVIII
Inhaltsverzeichnis
II. Persönlicher Anwendungsbereich sowie der Inhalt der Anzeigepflichten ......................................................................................... III. Verpflichtung der Finanzverwaltung zur Reaktion ....................... IV. Folgen bei Missachtung der Regelungen ....................................... C. Entwurf 2006 ........................................................................................ I. Sachlicher Anwendungsbereich .................................................... 1. Kriterien der ersten Fallgruppe ................................................. 2. Kriterien der zweiten Fallgruppe .............................................. 3. Kriterien der dritten Fallgruppe ................................................ II. Persönlicher Anwendungsbereich ................................................. III. Folgen bei Missachtung der Regelungen .......................................
150 151 152 153 153 153 154 154 155 155
Kapitel 9: Deutschland ...................................................................... 156 A. Einführung ............................................................................................ 156 B. Sachlicher Anwendungsbereich ........................................................... 158 C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten I. Anzeigepflichten für Vermarkter ................................................... 1. Begriff des Vermarkters ............................................................ a) Grundlagen ........................................................................... b) Problembereiche ................................................................... aa) Tätigkeitszurechnung .................................................... bb) In Absprache mit Steuerpflichtigen entwickelte Gestaltungen (bespoke schemes) ................................... cc) In house entwickelte Gestaltungen ............................... dd) Ausländische Vermarkter .............................................. 2. Inhalt der Anzeigepflicht .......................................................... a) Registrierungspflicht ............................................................ b) Laufende Anzeigepflicht ...................................................... II. Hinweispflichten der Steuerpflichtigen ......................................... D. Folgen bei Missachtung der Regelungen .............................................
161 161 161 161 162 162 162 163 164 165 165 168 168 169
Teil II: Vergleichende Analyse der Anzeigepflichtsysteme ................. 171 Kapitel 1: Funktionen von Anzeigepflichtsystemen ................ 171 A. Bedeutung der verschiedenen Funktionen ........................................... 171 B. Übersicht über die verschiedenen Funktionen ..................................... 172
XIX
Inhaltsverzeichnis
C. Funktionen im Einzelnen ..................................................................... I. Veranlagungsunterstützende Funktion .......................................... 1. Feinsteuerung der Prüfungsrichtung ......................................... 2. Optimierung des Prüfungsverfahrens ....................................... a) Angaben in den Anzeigen .................................................... b) Zuweisung an spezialisierte Einheiten ................................. c) Verknüpfung mit bereits geprüften Gestaltungen ................ 3. In Bezug genommene Gestaltungen ......................................... 4. Vorkommen in den einzelnen Ländern ..................................... II. Rechtspolitische Funktion ............................................................. 1. Art der rechtspolitisch relevanten Informationen ..................... 2. Änderung der Rechtslage .......................................................... a) Grundansatz ......................................................................... b) Vorteile gegenüber den Informationen aus dem Veranlagungsverfahren ........................................................ aa) Verbreiterte Informationsbasis ...................................... bb) Bearbeitung durch Spezialisten ..................................... cc) Frühzeitigere Informationsgewinnung .......................... 3. Klärung der Rechtslage ............................................................. 4. Weitere Maßnahmen der Missbrauchsbekämpfung ................. 5. Vorkommen in den einzelnen Ländern ..................................... III. Abschreckungsfunktion ................................................................. 1. Abschreckung infolge der veranlagungsunterstützenden Funktion .................................................................................... 2. Abschreckung infolge der rechtspolitischen Funktion ............. 3. Abschreckung als eigenständige Funktion ............................... a) Abschreckung infolge des mit der Anzeigepflicht verbundenen Aufwands ........................................................ b) Abschreckung infolge indikatorischer Wirkung der Anzeigepflicht ...................................................................... 4. Vorkommen in den einzelnen Ländern .....................................
173 173 173 173 173 174 174 174 175 177 177 177 177 178 178 179 180 181 181 182 184 184 185 185 185 186 186
Kapitel 2: Einzelaspekte ................................................................... 188 A. Sachlicher Anwendungsbereich ........................................................... I. Anzeigepflichtige Gestaltungen .................................................... 1. Begriff der „Gestaltung“ ........................................................... 2. Fokussierung auf modellhafte Gestaltungen ............................ 3. Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen im Einzelnen ..... a) Allgemeine Bemerkungen .................................................... b) Methodik der einzelnen Fallgruppen ................................... aa) Anknüpfung an äußere Umstände der Gestaltung (Gruppe 1) ..................................................................... XX
188 188 188 189 190 190 191 191
Inhaltsverzeichnis
(1) Vertraulichkeitskriterium ........................................ (2) Kriterium der außergewöhnlich hohen Vergütung (3) Kriterium der erfolgsabhängigen Vergütung .......... (4) Kriterium der Haftungsbeschränkung ..................... (5) Kriterium der Standardisierung ............................... bb) Anknüpfung an bestimmte Gestaltungsstrukturen (Gruppe 2) ..................................................................... (1) Kriterium der Gegenläufigkeit ................................ (2) Kriterium der kurzen Durchführungszeit ................ (3) Kriterium der Zwischenschaltung einer Auslandsgesellschaft .............................................................. (4) Kriterium der negativen Totalüberschussprognose (5) Einbezug bestimmter Personengruppen als Missbrauchsindikator .............................................. (a) Einbezug steuerbefreiter oder steuerbegünstigter Personen ....................................... (b) Einbezug nahestehender Personen .................... (c) Einbezug von in Niedrigsteuerländern Ansässigen ........................................................ cc) Anknüpfung an bestimmte rechtliche Ergebnisse (Gruppe 3) ..................................................................... (1) Ein einzelner relevanter Maßstab ............................ (a) Verlustgestaltungen .......................................... (b) Verlustnutzungsgestaltungen ............................ (2) Vergleich zweier Maßstäbe ..................................... (a) Abweichungen zwischen handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Beurteilung ..................... (b) Inkongruenzen zwischen verschiedenen Steuersystemen ................................................. (c) Umqualifikation von Einkünften oder rechtlichen Kriterien ................................................. dd) Kataloggestaltungen ...................................................... c) Ausrichtung an den jeweiligen Funktionen ......................... II. Steuerlicher Vorteil ........................................................................ 1. Vorkommen des Merkmals ....................................................... 2. Grundsätzliche Bedeutung des Merkmals ................................ 3. Einzelne Problembereiche bei der Ausgestaltung .................... 4. Einschränkungen des Merkmals ............................................... a) Subjektive Wesentlichkeit des Steuervorteils ...................... b) Wertmäßige Anforderungen an den Steuervorteil ............... aa) Aussage zur Steuergetriebenheit einer Gestaltung ....... bb) Aussage zur fiskalischen Bedeutung der Gestaltung .... c) Relative Wesentlichkeit nach objektiven Gesichtspunkten
193 193 193 194 195 195 195 195 196 196 196 196 197 197 197 197 197 198 199 199 199 200 200 201 202 202 202 203 205 205 206 206 207 207 XXI
Inhaltsverzeichnis
III. Problematik des angemessenen sachlichen Anwendungsbereichs .......................................................................................... B. Persönlicher Anwendungsbereich ........................................................ I. Anzeigepflichtige Personengruppen .............................................. 1. Anzeigepflicht sowohl Externer als auch der Steuerpflichtigen ................................................................................. a) Gleichrangige Anzeigepflicht beider Gruppen .................... b) Subsidiäre Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen ................. c) Erleichterungen gegenüber der Anzeigepflicht Externer ..... 2. Anzeigepflicht ausschließlich Externer .................................... 3. Anzeigepflicht ausschließlich der Steuerpflichtigen ................ II. Definition des anzeigepflichtigen Externen .................................. 1. Tätigkeitsanknüpfung ............................................................... a) „(Wesentlicher) Berater“ ...................................................... b) „Promotoren“ ....................................................................... c) „Vermarkter“ ........................................................................ 2. Kriterien zur Begrenzung des Anwendungsbereichs ................ a) Mindestentgelt ...................................................................... b) Erkennenkönnen der Anzeigepflicht .................................... 3. Tätigkeitszurechnung ................................................................ 4. Regelungen zu doppelter Anzeigepflicht .................................. III. Frist für die Anzeigepflicht ............................................................ 1. Frist für die Anzeigepflicht der Externen ................................. a) Vor dem ersten Angebot ...................................................... b) Auf das erste Tätigwerden des Externen nach Außen folgend ................................................................................. c) Auf die Umsetzung der Gestaltung folgend ......................... d) Mischsysteme ....................................................................... e) Beurteilung ........................................................................... 2. Frist für die Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen .................... IV. Inhalt der Anzeigepflicht ............................................................... V. Registriernummern ........................................................................ C. Sanktionen ............................................................................................ I. Sanktionierte Pflichtverletzungen .................................................. II. Bußgelder ....................................................................................... 1. Festbeträge ................................................................................ 2. Bußgeldrahmen ......................................................................... 3. Umsatz- und vorteilsorientierte Bußgeldbemessung ................ 4. Subjektiver Tatbestand und Rechtfertigung ............................. 5. Vergleich der Bußgeldsysteme ................................................. III. Rechtliche Sanktionen außerhalb des Bußgeldrechts .................... IV. Reputationsnachteile ...................................................................... XXII
208 210 210 210 210 210 211 212 213 213 213 213 214 215 215 215 217 217 218 219 219 219 219 219 220 220 221 221 222 223 223 224 224 225 225 226 227 228 228
Inhaltsverzeichnis
D. Erzwingung der Anzeige ...................................................................... 229 E. Durch Anzeigepflichten verursachter Aufwand ................................... 229
Teil III: Rechtspolitische Überlegungen ...................................................... 231 Kapitel 1: Überlegungen zur veranlagungsunterstützenden Funktion ........................................... 231 A. Generelle Überlegungen ....................................................................... 231 B. Übertragbarkeit auf Deutschland ......................................................... I. Das Veranlagungssystem in den Ländern mit Anzeigepflichten .. II. Die Lage in Deutschland ............................................................... 1. Idealform der deutschen Ertragsteuerveranlagung ................... 2. Realität der deutschen Ertragsteuerveranlagung ....................... 3. Sachverhaltsoffenbarungspflichten ........................................... a) Problematik .......................................................................... aa) Komplexität von Steuergestaltungen ............................ bb) Materiellrechtlich unklare Rechtslage .......................... b) Bestehende Sachverhaltsoffenbarungspflichten .................. aa) Rechtsnatur der Offenbarungspflichten ........................ bb) Offenbarungspflichten bei klarer Rechtslage ................ cc) Offenbarungspflichten bei abweichender Rechtsansicht ........................................................................... (1) Position der Rechtsprechung ................................... (2) Position der Literatur .............................................. (a) Keine Offenbarungspflicht bei vertretbarer Rechtsansicht .................................................... (b) Keine Offenbarungspflicht bei mit der objektiven Rechtslage übereinstimmender Rechtsansicht .................................................... (c) Zum Kontext der Rechtsprechung .................... dd) Subjektiver Tatbestand .................................................. c) Ergebnis zu den Sachverhaltsoffenbarungspflichten ........... 4. Ergebnis zur grundsätzlichen Lage in Deutschland .................. III. Auswirkungen auf die Effizienz im Veranlagungsverfahren ........ C. Schlussfolgerungen für die veranlagungsunterstützende Funktion .....
232 232 234 234 235 237 237 237 238 239 239 240 245 245 247 248
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XXIII
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Kapitel 2: Überlegungen zur rechtspolitischen Funktion ..... 263 A. Bedeutung bei der Änderung des Steuerrechts .................................... I. Von der allgemeinen Missbrauchsnorm erfasste Gestaltungen ..... 1. Grundstruktur des § 42 AO ....................................................... a) Umgehung von Steuergesetzen als zentrales Kriterium ...... b) Überwiegende steuerliche Motivation als zentrales Kriterium .............................................................................. c) § 42 AO als objektiver und subjektiver Tatbestand ............. aa) Objektives Element: Umgehung von Steuertatbeständen ................................................................... (1) Steuertatbestandsmerkmale, die unmittelbar wirtschaftlich-teleologisch auszulegen sind ........... (2) Steuertatbestände, die grundsätzlich zivilrechtlich auszulegen sind ....................................................... (3) Exkurs: Abgrenzung zum Scheingeschäft .............. bb) Subjektives Element: Missbräuchlichkeit durch überwiegend steuerliche Motivation sowie Missbrauchsabsicht ........................................................................... d) Exkurs: Gesamtplanrechtsprechung ..................................... e) Rechtsfolge des § 42 AO ..................................................... 2. Schlussfolgerungen für die Missbrauchsbekämpfung .............. a) Gestaltungen, die allein wegen ihrer Steuergetriebenheit rechtspolitisch unerwünscht sind ......................................... b) Gestaltungen, die missglückte Steuernormen ausnutzen ..... c) Gestaltungen, die das Fehlen eines zusammenhängenden Telos bzw. gedachten wirtschaftlichen Hintergrunds ausnutzen .............................................................................. d) Gestaltungen mit formalistischer Substanz .......................... 3. Ergebnis .................................................................................... II. Tatsächliche Bedeutung der Vorteile von Anzeigepflichten ......... 1. Vorteile infolge verbreiterter Informationsbasis ....................... 2. Vorteile infolge Bearbeitung durch Spezialisten ...................... 3. Vorteile infolge früherer Informationsgewinnung .................... a) Zulässigkeit einer rückwirkenden gesetzlichen Regelung ... aa) Vertrauensschutz ........................................................... bb) Rechtfertigung ............................................................... cc) Erleichterte Rückwirkung infolge eines Anzeigepflichtsystems ................................................................ dd) Zwischenergebnis .......................................................... b) Auswirkung der gesetzlichen Rückwirkung auf die Veranlagung ......................................................................... c) Zwischenergebnis ................................................................. XXIV
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d) Nachteile der Rückwirkung ................................................. 4. Ergebnis .................................................................................... III. Problematik spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen ................... 1. Erhöhte Komplexität des Steuerrechts durch Missbrauchsgesetzgebung ............................................................................. 2. Spezialgesetzliche Missbrauchsnormen im Verhältnis zu § 42 AO ..................................................................................... 3. Auswirkungen der Anzeigepflichten auf diese Problematik .... IV. Rechtliche Grenzen für den Erlass spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen ............................................................................... 1. Inkongruenzen zwischen den Steuersystemen .......................... a) Rechtsvereinheitlichung ....................................................... b) Spezialgesetzgebung für grenzüberschreitende Gestaltungen ......................................................................... aa) Bekämpfung des Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten ................................................................ bb) Kohärenz ....................................................................... 2. Besteuerungslücken infolge Doppelbesteuerungsrechts ........... B. Bedeutung im Übrigen ......................................................................... C. Schlussfolgerungen für die rechtspolitische Funktion .........................
299 299 300 300 302 305 309 309 309 310 311 312 316 317 318
Kapitel 3: Überlegungen zur abschreckenden Funktion ....... 320 A. Abschreckung infolge der veranlagungsunterstützenden Funktion ..... B. Abschreckung infolge der rechtspolitischen Funktion ......................... C. Abschreckung als eigenständige Funktion ........................................... I. Problematik des zu weiten Anwendungsbereichs ......................... II. Problematik bei zielgenauem Anwendungsbereich ....................... D. Schlussfolgerungen für die Abschreckungsfunktion ...........................
320 321 323 323 323 325
Kapitel 4: Rechtspolitische Gesamtbeurteilung der Anzeigepflichten ..................................................... 327 Teil IV: Grenzen durch höherrangiges Recht ........................................... 329 Kapitel 1: Deutsches Verfassungsrecht ....................................... 329 A. Grenzen durch die Berufsfreiheit ......................................................... 329 I. Eingriffscharakter .......................................................................... 329 XXV
Inhaltsverzeichnis
II. Rechtfertigung ............................................................................... 1. Rechtfertigungsmaßstab ............................................................ a) Allgemeiner Rechtfertigungsmaßstab .................................. b) Rechtfertigungsmaßstab bei beschränktem persönlichen Anwendungsbereich ............................................................. 2. Geeignetheit .............................................................................. a) Veranlagungsunterstützende Funktion ................................. b) Rechtspolitische Funktion .................................................... c) Abschreckende Funktion ...................................................... 3. Erforderlichkeit ......................................................................... a) Veranlagungsunterstützende Funktion ................................. b) Rechtspolitische Funktion .................................................... c) Abschreckende Funktion ...................................................... 4. Angemessenheit ........................................................................ a) Allgemeiner Maßstab ........................................................... b) Maßstab bei beschränktem persönlichen Anwendungsbereich .................................................................................. 5. Exkurs: Verpflichtende Verbindliche Auskünfte ..................... a) Verfassungsrechtliche Anforderungen ................................. b) Rechtspolitische Überlegungen ............................................ III. Inpflichtnahme Privater ................................................................. IV. Ergebnis ......................................................................................... B. Grenzen durch die Eigentumsgarantie .................................................
330 330 330 331 331 332 332 333 334 334 334 335 335 335 336 337 338 339 342 343 343
C. Grenzen durch die allgemeine Handlungsfreiheit ................................ 344 D. Grenzen durch das Bestimmtheitsgebot ............................................... I. Maßstab für die Bestimmtheitsprüfung ......................................... II. Begriff des „steuerlichen Vorteils“ ................................................ E. Grenzen durch das Selbstbelastungsverbot ..........................................
345 346 347 348
F. Grenzen durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ....... I. Personenbezogene Daten ............................................................... II. Rechtfertigung ............................................................................... 1. Anzeige des Steuerpflichtigen gegenüber dem veranlagenden Finanzamt .................................................................................. 2. Behördenspezifische Betrachtung ............................................. 3. Anonymisierte Erhebung und Weiterleitung ............................ 4. Datensammlung auf Vorrat ....................................................... G. Grenzen durch das berufsbezogene Vertrauensverhältnis ................... I. Verfassungsrechtliche Problematik ............................................... II. Einfachgesetzliche Ausgestaltung .................................................
350 350 351
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351 352 352 353 353 353 357
Inhaltsverzeichnis
H. Grenzen durch den Gleichheitssatz ...................................................... I. Allgemeiner Maßstab ..................................................................... II. Differenzierung nach Personengruppen ........................................ III. Gebot der Folgerichtigkeit ............................................................. I. Zusammenfassung ................................................................................
358 358 358 359 360
Kapitel 2: Europarecht ..................................................................... 362 A. Unterschiedslose Anzeigepflichten ...................................................... 362 B. Fallgruppen mit spezifischer Anknüpfung an grenzüberschreitende Sachverhalte ......................................................................................... I. Beschränkende Wirkung ................................................................ II. Rechtfertigung ............................................................................... 1. Veranlagungsunterstützende Funktion ..................................... a) Geeigneter Rechtfertigungsgrund ........................................ b) Erforderlichkeit .................................................................... c) Anerkennungsgrundsatz ....................................................... 2. Rechtspolitische Funktion ......................................................... a) Geeignete Rechtfertigungsgründe ........................................ aa) Bekämpfung von Missbräuchen ................................... bb) Wirksamkeit der Steueraufsicht .................................... cc) Weitere Rechtfertigungsgründe .................................... b) Erforderlichkeit .................................................................... c) Anerkennungsgrundsatz ....................................................... 3. Abschreckungsfunktion ............................................................ C. Differenzierung nach in- und ausländischen Verpflichteten ................ I. Rechtfertigungsbedürftige Differenzierungen ............................... II. Rechtfertigung ............................................................................... D. Zusammenfassung ................................................................................
363 363 364 364 364 365 365 368 368 368 368 369 369 370 370 370 370 371 373
Schlussbetrachtung ............................................................................. 375 Literaturverzeichnis ................................................................................... 377 Stichwortverzeichnis .................................................................................. 399
XXVII
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Einführung Einführung
„Aggressive Steuerplanung“ und „missbräuchliche Steuergestaltungen“ werden von Steuerverwaltungen weltweit als zentrales Problem bei der gleichmäßigen Durchsetzung des Steuerrechts wahrgenommen.1 Schätzungen zu den fiskalischen Mindereinnahmen durch derartige Gestaltungen, dem sogenannten tax gap, gehen in die Milliarden.2 Als ein Mittel gegen als aggressiv und missbräuchlich empfundene Steuerplanung haben mittlerweile zahlreiche Länder Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen3 eingeführt. Gemeinsam ist diesen Regelungen die Verpflichtung zum gesonderten Hinweis auf bestimmte Gestaltungen gegenüber der Finanzverwaltung, wobei diese Pflicht die Steuerpflichtigen und/oder Externe (d. h. steuerliche Berater bzw. Promotoren oder Vermarkter der betreffenden Gestaltungen4) treffen kann. Vorreiter dieser Entwicklung waren die USA im Jahre 1984, gefolgt von Kanada 1989, Großbritannien 2004, Südafrika 2005, Israel 2007, Portugal 2008 und seit 2011 auch Irland.5 Die OECD empfiehlt ebenfalls Anzeige-
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1 Vgl. etwa den Bericht der OECD, „Hybrid Mismatch Arrangements“ v. 5.3.2012 (abrufbar unter www.oecd.org/dataoecd/20/20/49825836.pdf), S. 5, oder den Bericht des OECD Forum on Tax Administration (FTA), „Study into the Role of Tax Intermediaries“ v. 8.4.2008 (abrufbar unter www.oecd.org/dataoecd/28/34/39882938.pdf), S. 7. 2 Allein der jährliche Ausfall an Körperschaftsteuer in Großbritannien wird auf etwa 10 Milliarden GB£ geschätzt; die genaue Definition des tax gap ist jedoch umstritten und die Schätzungen gehen daher z. T. weit auseinander (vgl. The Tax Gap Reporting Team, „The big question: what is the tax gap?“, The Guardian v. 2.2.2009; Hann, 57 Tax Notes International (2010), 257); zu den Steuerausfällen allein durch hybride Gestaltungen siehe OECD, „Hybrid Mismatch Arrangements“ (oben, Fn. 1), S. 5 f.). 3 Die Wahl des Begriffs der „Steuergestaltung“ soll hier weder ein Verdikt über die Missbräuchlichkeit der Transaktion noch über einen etwaigen modellhaften Charakter enthalten; zum sehr unterschiedlichen, zum Teil problematischen Gebrauch des Begriffs in den einzelnen Ländern, siehe unten, S. 188. 4 Zu den mit der unterschiedlichen Terminologie für die Externen in den einzelnen Anzeigepflichtsystemen verbundenen inhaltlichen Unterschieden unten, S. 213. 5 Vereinzelt wird auch Australien als Land mit einem Anzeigepflichtsystem angeführt (vgl. etwa Wilks/Arenstein/Greenfield, European Taxation 2007, 47, 47); dies ist allerdings nicht zutreffend (ausdrücklich etwa Evans, The Battle Continues: Recent Australian Experience with Statutory Avoidance and Disclosure Rules, 46; ders., Containing Tax Avoidance, 28; auch die OECD erwähnt Australien nicht im Rahmen der Anzeigepflichten (vgl. OECD FTA, „Study into the Role of Tax Intermediaries“ (oben, Fn. 1), S. 29)); das australische product rulings regime basiert auf freiwilligen Anzeigen und ist daher eher mit Anträgen auf verbindliche Auskunft deutscher Prägung vergleichbar (siehe hierzu ausführlicher die Stellungnahme des Australian Taxation Office, PR 2007/71 v. 25.7.2007 (abrufbar unter http://law.ato.gov.au/atolaw/view.htm?Docid=PRR/PR200771/ NAT/ATO/00001).
1
Einführung
pflichten als Mittel im Vorgehen gegen aggressive Steuerplanung.6 Frankreich jedoch hat zwei Anläufe zur Einführung derartiger Regelungen in den Jahren 2005 und 2006 wieder aufgegeben. Im Herbst 2007 scheiterte auch in Deutschland der Versuch, ein Anzeigepflichtsystem einzuführen. Die vorliegende Arbeit hat die Frage zum Gegenstand, ob Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen in Deutschland zweckmäßig und zulässig wären. Hierfür sollen im Folgenden zunächst die Regelungen der sieben Länder, in denen es Anzeigepflichtsysteme bereits gibt, sowie die beiden französischen Entwürfe und der deutsche Entwurf jeweils getrennt dargestellt werden. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk auf das amerikanische und britische Anzeigepflichtsystem gelegt, enthalten diese doch nicht nur die ausdifferenziertesten Regelungen, sondern stellen sie auch die beiden Systeme dar, an denen sich die anderen Länder – häufig ausdrücklich – orientieren.7 Dabei werden auch die jeweiligen historischen Vorläufer der heute geltenden Regelungen überblicksartig dargestellt. Denn nur aus dem gesetzeshistorischen Hintergrund werden manche Eigenheiten der heutigen Regelungen verständlich. Ohnedies sind gerade auch Ansätze, die wieder aufgegeben wurden, sowie die Gründe für diese Aufgabe, von rechtsvergleichendem Interesse. Auf diese Einzeldarstellungen folgend, behandelt der zweite Teil der Arbeit, welchen unterschiedlichen Zwecken Anzeigepflichten dienen können und auch tatsächlich dienen. Obgleich Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen stets Mittel der „Missbrauchsbekämpfung“ (anti-tax shelter measures) sind, haben sie doch ganz unterschiedliche Zielrichtungen und Funktionsweisen und beziehen sich auf ganz unterschiedliche Grundtypen „missbräuchlicher“ Gestaltungen. Auf der Grundlage dieser unterschiedlichen Funktionen werden dann die wesentlichen Strukturelemente der untersuchten Anzeigepflichtsysteme in einer Zusammenschau rechtsvergleichend dargestellt. Nach diesen beiden ersten Teilen der Arbeit, in denen die Anzeigepflichten primär beschrieben und lediglich in einzelnen Regelungsdetails bewertet werden, soll im dritten Teil die grundlegende Zweckmäßigkeit derartiger Anzeigepflichtsysteme untersucht und hinterfragt werden. Diese Zweckmäßigkeitsüberlegungen werden an den idealtypischen Grundfunktionen von Anzeigepflichten orientiert erfolgen. Für die Frage, ob ein Anzeigepflichtsystem gerade
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6 OECD FTA, „Study into the Role of Tax Intermediaries“ (oben, Fn. 1), S. 19 und 29; OECD, „Tackling Aggressive Tax Planning through Improved Transparency and Disclosure“, Februar 2011 (abrufbar unter www.oecd.org/dataoecd/13/55/48322860.pdf), S. 19; OECD, „Hybrid Mismatch Arrangements“ (oben, Fn. 1), S. 25. 7 Siehe etwa die gerade in Fußnoten 1 und 6 erwähnte OECD-Studie, welche im Anhang eine Übersicht über die Regelungen der USA und Großbritanniens als Beispiel für andere Länder gab; auch die Literatur liest sich teilweise so, als gäbe es Anzeigepflichtsysteme nur in den USA und Großbritannien (vgl. etwa Kosters, Asia-Pacific Tax Bulletin, 2009, 12, 14).
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Einführung
auch in Deutschland zu sinnvoller Anwendung kommen könnte, ist an wesentlichen Stellen auf die bereits bestehenden verfahrens- und materiellrechtlichen Regelungen des deutschen Steuerrechts abzustellen. Im vierten Teil der Arbeit wird schließlich der verfassungs- und europarechtliche Rahmen für ein deutsches Anzeigepflichtsystem ausgelotet. Dabei geht es um grundlegende Fragen, wie die, welcher Funktion ein Anzeigepflichtsystem in Deutschland überhaupt dienen dürfte. Daneben sollen aber auch bedeutendere Regelungsdetails, die in mehreren der untersuchten Anzeigepflichtsystemen festzustellen sind, auf ihre Zulässigkeit vor dem Hintergrund des deutschen Verfassungsrechts sowie des Europarechts untersucht werden.
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Teil I: Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder
Kapitel 1: USA A. Einführung I. Gesetzeshistorischer Hintergrund 1. Deficit Reduction Act of 1984 Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen (tax shelter disclosure rules) gibt es in den USA seit 1984.8 Der Deficit Reduction Act of 1984 führte dabei zwei der drei Säulen des heute geltenden Anzeigepflichtsystems ein, nämlich die Anzeigepflicht sogenannter tax shelter organizer9 sowie die Pflicht sogenannter organizer or seller10 zur Dokumentierung der an erfassten Gestaltungen beteiligten Steuerpflichtigen.11 Steuerpflichtige selbst waren nicht anzeige-, sondern nur hinweispflichtig: Für jede angezeigte Gestaltung wurde dem Anzeigenden von der US-Steuerverwaltung (Internal Revenue Service, IRS) eine Registriernummer zugeteilt, die dann wiederum den Steuerpflichtigen mitzuteilen war. Diese mussten, wenn sie steuerliche Vorteile aus der angezeigten Gestaltung in ihrer Jahressteuererklärung geltend machen wollten, ein Formblatt (Form 8271) beifügen, auf dem die zugeteilte Registriernummer einzutragen war.12 ________________________ 8 Vor Einführung des Anzeigepflichtsystems hat die US-Steuerverwaltung Informationen insbesondere über systematische Recherchen in Printmedien und anderen Quellen gewonnen (siehe hierzu Revenue Procedure 83–78; 1983-2 CB 595); diese Informationen wurden dazu genutzt, mittels einstweiligen Anordnungen, Bußgeldern und Strafzuschlägen gegen Vermarkter entsprechender Gestaltungen vorzugehen, sowie mittels Einzelerlassen die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass bestimmte Steuergestaltungen nicht aufrecht erhalten werden können (vgl. Revenue Procedure 2001-49, IRB 2001-39, hierzu auch Thuronyi, Comparative Tax Law, 203). 9 Siehe auch die hierzu ergangenen Ausführungsrichtlinien Treas. Reg. § 301.6111-1T v. 15.8.1984, TD 7964, 49 FR 32713; zum Begriff des tax shelter organizer, siehe unten, Fn. 153. 10 Zu diesem Begriff siehe unten, Fn. 155. 11 Deficit Reduction Act v. 18.7.1984, PL 98-369, 1984 HR 4170, 98 Stat 494, §§ 141 f.; gleichzeitig wurden Bußgeldtatbestände für die Verletzung der Anzeigepflicht und der Dokumentierungspflicht geschaffen (vgl. §§ 6707 f. IRC). 12 § 6111 (b) IRC a. F.; Treas. Reg. § 301.6111-1T (1984), Fragen 55 ff.
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Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder
Im Gegensatz zur heutigen Fassung der Regelungen, in der neutral von anzeigepflichtigen Gestaltungen (reportable transactions) die Rede ist, knüpfte das Gesetz ursprünglich für die Beschreibung des sachlichen Anwendungsbereichs der Anzeigepflichten an den Begriff des „tax shelter“ an. Ein solcher tax shelter wurde dann angenommen, wenn aus einer Gestaltung in einem der ersten fünf Jahre ihrer Umsetzung steuerliche Abzüge13 in Höhe von mehr als dem Doppelten des investierten Betrags zu erwarten waren (sog. tax shelter ratio) und gleichzeitig die Gestaltung entweder dem Kapitalmarktrecht unterfiel oder Mindestgrenzen im Hinblick auf Gesamtinvestitionssumme14 und Investorenzahl15 erreichte.16 Infolge dieser Beschreibung eines tax shelter waren zunächst nur Verlustzuweisungsgestaltungen und ähnliche Anlagemodelle erfasst.17 Damit waren die Anzeigepflichten auf den Typus an Steuergestaltungsmodell fokussiert, der in den 1980er Jahren, auch in Amerika, vorherrschte.18 2. Taxpayer Relief Act of 1997 Mit dem Taxpayer Relief Act of 1997 wurde die Anzeigepflicht auf vertrauliche Gestaltungen für Körperschaften (confidential corporate tax shelters) erweitert.19 Ein anzeigepflichtiger tax shelter lag nach dieser Definition er-
________________________ 13 Steuerermäßigungen (credits), also Abzüge von der tariflichen Einkommensteuer, mussten mit 200 Prozent bzw. später 350 Prozent angesetzt werden (vgl. § 6111 (c) (2) (A) IRC a. F.); damit sollte eine Umrechnung auf den Maßstab der Abzüge von der Bemessungsgrundlage erfolgen. 14 Die Gesamtinvestitionssumme musste mindestens 250.000 US$ betragen (vgl. § 6111 (c) (1) (B) (iii) i. V. m. (4) (A) IRC a. F.). 15 Es musste von einer Beteiligung von mindestens fünf Investoren ausgegangen werden können (vgl. § 6111 (c) (1) (B) (iii) i. V. m. (4) (B) IRC a. F.). 16 § 6111 (c) IRC a. F.; Treas. Reg. § 301.6111-1T (1984), Fragen 4 ff. 17 Kreienbaum/Werder, IStR 2005, 721, 723; die Pflicht zur Dokumentierung beteiligter Steuerpflichtiger konnte der IRS zudem über den Bereich der anzeigepflichtigen Gestaltungen hinaus auf dem Richtlinienweg ausdehnen (vgl. § 6112 (b) (2) IRC a. F.; Treas. Reg. § 301.6112-1T, aufgehoben durch TD 9046 v. 4.3.2003, 68 FR 10161, 10178). 18 Hierzu Schler, 55 Tax Law Review (2002), 325, 334 f. und 344, sowie Desmond, Opinion Standards for Tax Practitioners Under U.S. Department of the Treasury Circular 230, 267; durch den Tax Reform Act of 1986 wurden derartige Gestaltungen aber deutlich eingeschränkt (vgl. § 469 IRC i. d. F. v. § 501 Tax Reform Act of 1986, PL 99514 v. 22.10.1986, 100 Stat 2233; zu den Auswirkungen ausführlich Yin, 54 Southern Methodist University Law Review (2001), 209, 218 ff.). 19 § 6111 (d) i. d. F. v. Taxpayer Relief Act v. 5.8.1997, PL 105-34, 1997 HR 2014, 111 Stat 926, § 1028.
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gänzend auch dann vor, wenn ein wesentlicher Zweck der Gestaltung20 die Erzielung steuerlicher Vorteile21 für eine unmittelbar oder mittelbar an der Gestaltung beteiligte Körperschaft war, die Gestaltung unter Vertraulichkeitsbeschränkungen22 angeboten wurde, und die Promotoren (promoter)23 der Gestaltung zusammen mehr als 100.000 US$ an Beratungsentgelt erhielten. Eine wesentliche steuerliche Zwecksetzung wurde dabei in drei sehr unterschiedlichen Situationen angenommen: Zum einen dann, wenn die nichtsteuerlichen Vorteile einer Gestaltung gegenüber den steuerlichen Vorteilen deutlich zurücktraten.24 Ebenso, wenn die steuerlichen Vorteile zumindest einen bedeutenden Teil der Gesamtvorteile ausmachten und davon auszugehen war, dass die Steuergestaltung in dieser oder ähnlicher Weise mehr als einem Steuerpflichtigen angeboten würde.25 Schließlich wurde dem IRS auch gestattet, auf dem Erlassweg einzelne konkret umschriebene Steuergestaltungsmodelle zu bezeichnen, bei denen dann eine wesentliche steuerliche Zwecksetzung stets anzunehmen sein sollte (listed transactions).26 Mit dieser Erweiterung der Anzeigepflicht war der Grundstein für zwei der heutigen Fallgruppen, nämlich derjenigen der Vertraulichen Gestaltungen27 und der listed transactions28, gelegt.
________________________ 20 Ein tax shelter sollte aber trotz wesentlicher steuerlicher Zwecksetzung dann nicht bestehen, wenn die Gestaltung nach Art und Durchführung für den betreffenden Steuerpflichtigen eine Handlung im Rahmen seiner üblichen Geschäftstätigkeit darstellte, mit üblichem Geschäftsgebaren im Markt in Einklang stand und davon ausgegangen werden konnte, dass die Gestaltung ohne Weiteres steuerlich anerkannt werde (vgl. Treas. Reg. § 301.6111-2 (b) (3) (i) und (ii)). 21 Zum weiten Begriff des steuerlichen Vorteils (tax benefit), siehe unten, Fn. 231; rechtsvergleichend zum Kriterium des steuerlichen Vorteils unten, S. 202. 22 Vertraulichkeitsbeschränkungen lagen dann vor, wenn entweder eine Verpflichtung eines an der Gestaltung Beteiligten bestand, nach dem dieser Informationen über die Gestaltung nicht unbeschränkt verbreiten durfte, oder wenn die Gestaltung rechtlich geschützt war bzw. dies zumindest behauptet wurde (vgl. § 6111 (d) (2) IRC a. F.). 23 Zum Begriff des Promotors im amerikanischen Recht unten, Fn. 154, sowie rechtsvergleichend unten, S. 214. 24 Treas. Reg. § 301.6111-2T (b) (3) i. d. F. v. TD 8876 v. 28.2.2000, 65 FR 11215 (transactions lacking economic substance). 25 Treas. Reg. § 301.6111-2T (b) (4) i. d. F. v. TD 8876 v. 28.2.2000, 65 FR 11215 (other tax-structured transactions). 26 Treas. Reg. § 301.6111-2T (b) (2) i. d. F. v. TD 8876 v. 28.2.2000, 65 FR 11215; die ersten 10 Gestaltungen wurden in diesen Katalog mittels Notice 2000-15, v. 28.2.2000, 2000-12 IRB 826, aufgenommen. 27 Hierzu unten, S. 15. 28 Hierzu unten, S. 24.
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3. Treas. Reg. § 1.6011-4T (2000) Bis zum Jahr 2000 waren die Steuerpflichtigen selbst nicht anzeigepflichtig, sondern mussten, wie dargestellt, auf die anzeigepflichtige Gestaltung lediglich durch Mitteilung der zugeteilten Registriernummer auf einer Anlage zur jeweiligen Jahressteuererklärung hinweisen. Weitere Angaben zu der Gestaltung und ihren Beteiligten waren von ihnen nicht gefordert. Durch Richtlinien (treasury regulations29) vom 28.2.2000 wurden diejenigen Steuerpflichtigen, die eine C corporation30 im Sinne des US-Steuerrechts sind, selbst anzeigepflichtig.31 Sie mussten die anzeigepflichtige Gestaltung, insbesondere deren steuerliche Struktur und die erwarteten steuerlichen Vorteile, gegenüber dem IRS darlegen. Zudem mussten sie diejenigen Personen benennen, von denen die Gestaltung beworben bzw. empfohlen wurde, oder die ein finanzielles Interesse an der Beteiligung des Steuerpflichtigen an der Gestaltung hatten.32 Damit wurden nun auch in house, nicht mehr nur durch externe Berater entwickelte Gestaltungen erfasst. Nach Aussage der US-Steuerverwaltung ist diese Erweiterung als Reaktion darauf zu verstehen, dass Ende der ________________________ 29 Treasury Regulations entfalten zunächst gegenüber dem IRS selbst Bindungswirkung (Philips v. Commissioner, US Tax Court v. 5.3.1987, 88 T.C. 529, 534; dem ausdrücklich folgend der IRS in Chief Counsel Notice v. 8.5.2003, CC-2204-014); Gerichte müssen die Richtlinien ihren Entscheidungen zugrunde legen, solange die Richtlinien nicht als willkürlich erscheinen oder dem Gesetz offensichtlich zuwiderlaufen (Chevron USA Inc. v. Natural Resources Defense Council, US Supreme Court v. 25.6.1984, 467 US 837, 844; Atlantic Mutual Insurance Co. v. Commissioner, US Supreme Court v. 21.4.1998, 523 US 382, 389); die Richtlinien werden im Federal Register (FR) veröffentlicht. 30 Treas. Reg. § 1.6011-4T (a) i. V. m. § 11 IRC; S corporations sind demnach nicht erfasst; die Unterscheidung in S corporation und C corporation steht vor folgendem Hintergrund: Gesellschaftsrechtliche Körperschaften, die unter anderem nicht mehr als 100 Gesellschafter und nicht mehr als eine Aktiengattung aufweisen (small business corporations), können für eine steuerlich transparente Behandlung als S corporation und damit gegen die übliche Besteuerung als Körperschaft optieren (§§ 1361 ff. IRC); C corporations sind all diejenigen Körperschaften, die nicht S corporations sind (vgl. § 1361 (a) (2) IRC). 31 Treas. Reg. § 1.6011-4T, eingeführt durch TD 8877, 65 FR 11205; in der Folge mehrfach geändert nämlich am 16.8.2000 (TD 8896, 65 FR 49909), am 2.8.2001 (TD 8961, 66 FR 41133), am 14.6.2002 (TD 9000, 67 FR 41324-01), am 22.10.2002 (TD 9017, 67 FR 64799), am 28.2.2003 (TD 9046, 68 FR 10161), am 30.12.2003 (TD 9108, 68 FR 75130) und am 2.11.2006 (TD 9295, 71 FR 64458); die Richtlinie wurde zunächst als vorläufige Richtlinie (temporary regulations) erlassen (darauf beruht die Endbezeichnung mit „T“); es sollten vor dem endgültigen Erlass die Auswirkungen der Richtlinie und die Reaktionen hierauf abgewartet werden (vgl. die Begründung des IRS, 65 FR 49909, 49910). 32 Treas. Reg. § 1.6011-4T (c).
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1990er Jahre Steuergestaltungsmodelle verstärkt von großen Unternehmen eingesetzt worden waren.33 Der sachliche Anwendungsbereich der Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen deckte sich nicht mit demjenigen der tax shelter organizer. Vielmehr wurde er separat durch folgende zwei Fallgruppen beschrieben: Zum einen waren diejenigen Gestaltungen anzeigepflichtig, die vom IRS mittels Erlass in den Katalog von missbräuchlichen Gestaltungen aufgenommen wurden (listed transactions).34 Daneben waren Gestaltungen anzeigepflichtig, die mindestens zwei der folgenden sechs Kriterien erfüllten:35 a) Es gibt Vertraulichkeitsbeschränkungen36; b) es wird ein Erfolgshonorar für die Gestaltung vereinbart; c) es fallen mehr als 100.000 US$ an Beratergebühren an; d) der Unterschied zwischen der handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Behandlung der Gestaltung beträgt mehr als 5 Millionen US$; e) aus der Beteiligung einer steuerbefreiten Person, beispielsweise einer gemeinnützigen Körperschaft, oder eines nicht steuerpflichtigen Ausländers, ergibt sich ein steuerlicher Vorteil37; f) ein wesentliches Sachverhaltselement wird im In- und Ausland unterschiedlich steuerlich gewürdigt.38 In jedem Fall musste daneben ein Mindestbetrag an steuerlichen Vorteilen aus der Gestaltung zu erwarten sein (projected tax effect).39 ________________________ 33 Vgl. die Begründung des IRS zur Einführung von Treas. Reg. § 1.6011-4T (2000), in 65 FR 11205, 11205. 34 Treas. Reg. § 1.6011-4T (b) (2); siehe zu listed transactions bereits oben, S. 7. 35 Treas. Reg. § 1.6011-4T (b) (3) (i); für diese Gestaltungen bestanden zunächst Ausnahmetatbestände, die offensichtlich nicht missbräuchliche Gestaltungen von der Anzeigepflicht ausschließen sollten; sie wurden allerdings bald wegen ihrer schweren Handhabbarkeit wieder gestrichen (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4T (b) (3) (ii) (2000)): Ausgenommen waren unter anderem Gestaltungen, die nach Anlass und Form im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsablaufs erfolgten und bei denen anzunehmen war, dass sie auch ohne die steuerlichen Folgen durchgeführt worden wären, sowie Gestaltungen, bei denen kein vernünftiger Zweifel daran bestand, dass die vom Steuerpflichtigen angenommenen steuerlichen Folgen anerkannt würden. 36 Die Definition ist mit derjenigen der oben beschriebenen confidential corporate tax shelter identisch (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4T (b) (3) (i) (A)). 37 Nach den derzeit geltenden Regelungen führt eine solche Beteiligung nicht mehr zur Begründung der Anzeigepflicht in sachlicher Hinsicht; steuerbefreite Personen können aber bei Gestaltungen, die bereits nach anderen Kriterien anzeigepflichtig sind, unter Umständen zusätzlich der Anzeigepflicht unterliegen (siehe hierzu unten, S. 50). 38 Dieses Kriterium wurde als Fallgruppe allerdings alsbald wieder gestrichen (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4T (b) (3) (i) (F) (2000); aufgehoben durch TD 8961, 66 FR 41133 v. 7.8.2001); als offizielle Begründung hierfür wurde angeführt, dass dieses Kriterium zu viele letztlich nicht missbräuchliche Gestaltungen erfasse (vgl. 66 FR 41133, 41134). 39 Treas. Reg. § 1.6011-4T (b) (4) (2000); bei listed transactions betrug die Grenze 1 Million US$ in einem Veranlagungszeitraum bzw. 2 Millionen US$ insgesamt; bei den übrigen anzeigepflichtigen Gestaltungen mussten 5 bzw. 10 Millionen US$ an steuerlichen Vorteilen aus der Gestaltung zu erwarten gewesen sein. In späteren Versio-
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4. Treas. Reg. § 1.6011-4T (2002) Zum 14.6.2002 wurde der persönliche Anwendungsbereich der Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen ausgeweitet.40 Nunmehr waren in Bezug auf listed transactions neben C corporations auch natürliche Personen, trusts, Personengesellschaften und S corporations anzeigepflichtig.41 Vier Monate später wurde auch bei den anderen Gruppen von anzeigepflichtigen Gestaltungen die Anzeigepflicht auf alle Steuerpflichtigen ausgedehnt.42 5. American Jobs Creation Act of 2004 Eine wesentliche Weiterentwicklung erlebte das US-Anzeigepflichtsystem durch den American Jobs Creation Act of 2004 (AJCA2004).43 Insbesondere beseitigte dieser zwei wahrgenommene Missstände des vorherigen Systems, nämlich zum einen die Uneinheitlichkeit und fehlende Systematik der unterschiedlichen Anzeigepflichten und zum anderen die ungenügende Sanktionierung bei Missachtung der Anzeigepflichten. Die drei Elemente des US-Anzeigepflichtsystems, nämlich die Anzeigepflicht der Externen (promoter disclosure), deren Dokumentierungspflicht (list maintenance) und die Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen (taxpayer disclosure), hatten sich weitgehend unabhängig voneinander entwickelt:44 Externe waren seit dem Deficit Reduction Act of 1984 bei Verlustzuweisungsgestaltungen und ähnlichen Anlagemodellen sowie seit dem Taxpayer Relief Act of 1997 bei vertraulichen Gestaltungen für Körperschaften anzeigepflichtig. Die Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen orientierte sich an einem davon abweichenden Katalog von Fallgruppen.45 Damit gab es zahlreiche Gestaltungen, die ________________________
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nen der Richtlinie war das Kriterium des projected tax effect nicht mehr enthalten (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 i. d. F. v. TD 9017 v. 17.10.2002, 67 FR 64799; zuvor bereits 67 FR 41324-01, 41326). Änderungen an Treas. Reg. § 1.6011-4T v. 14.6.2002, TD 9000, 67 FR 41324. Treas. Reg. § 1.6011-4T (a) (1) i. d. F. v. TD 9000 v. 14.6.2002, 67 FR 41324. Treas. Reg. § 1.6011-4T (a) i. d. F. v. TD 9017 v. 22.10.2002, 67 FR 64799; begründet wurde die Ausweitung damit, dass anzeigepflichtige Gestaltungen nicht nur von C corporations eingegangen würden, die vorherige Beschränkung also nicht zu rechtfertigen sei (vgl. TD 9000, 67 FR 41324-01, 41325). American Jobs Creation Act v. 22.10.2004, PL 108-357, 2004 HR 4520, 118 Stat. 1418. Lediglich die Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit (listed transactions) galten seit ihrer Einführung 2000 gleichmäßig für alle drei Säulen des Anzeigepflichtsystems (vgl. Notice 2000-15, 2000-12 IRB 826). Die Steuerpflichtigen konnten daneben auch anstelle der Promotoren anzeigepflichtig werden, nämlich dann, wenn kein inländischer Promotor existierte und die ausländischen Promotoren der Anzeigepflicht nicht nachkamen; dann war jeder inländische Steuerpflichtige anzeigepflichtig, der sich an der anzeigepflichtigen Gestaltung beteiligte; Gleiches galt auch für inländische Steuerpflichtige, die mit einem ausländischen Promotor die Beteiligung an der Gestaltung diskutierten, wenn sie dem Promotor nicht
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einer doppelten Anzeigepflicht unterlagen; wiederum andere waren gar nicht erfasst, etwa wenn bei einer in house entwickelten Gestaltung lediglich der sachliche Anwendungsbereich der Anzeigepflicht für externe Berater, nicht aber eine der Fallgruppen der Anzeigepflicht für Steuerpflichtige gegeben war. Der sachliche Anwendungsbereich der Dokumentierungspflicht der Externen wiederum ging über die Fallgruppen anzeigepflichtiger Geschäfte hinaus.46 Es konnte damit vorkommen, dass eine Gestaltung dokumentiert werden musste, obwohl sie weder vom externen Berater noch vom Steuerpflichtigen zu berichten war.47 Nachdem im Zuge von Richtlinienänderungen aus den Jahren 2002 und 2003 bereits einzelne Elemente angeglichen worden waren,48 wurden mit dem AJCA2004 nun auch die gesetzlichen Grundlagen vereinheitlicht. Seitdem ist für den persönlichen Anwendungsbereich der Regelungen bei Externen allein der Begriff des material advisor relevant.49 Der sachliche Umfang der Anzeigepflichten bestimmt sich seitdem in allen drei Säulen des US-Anzeigepflichtsystems übereinstimmend nach den Fallgruppen, die ursprünglich für die Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen entwickelt worden waren.50 Daneben reagierte der AJCA2004 auf das zuvor vielfach bemängelte Defizit bei der Sanktionierung einer Verletzung der Anzeigepflichten.51 Erstmals ________________________
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schriftlich innerhalb einer Frist von 90 Tagen nach dem Beginn der Gespräche über eine Beteiligung die mangelnde Bereitschaft zur Beteiligung anzeigten (vgl. § 6111 (d) (3) IRC a. F. sowie Treas. Reg. § 301.6111-2 (g) (2) (2003); zum Begriff der inländischen Person (United States person) vgl. § 7701 (30) und (4) IRC). Der IRS war ermächtigt worden, über die Anzeigepflicht der Berater und Vermarkter nach § 6111 IRC hinausgehende Fallgruppen zu bezeichnen, in denen der Dokumentierungspflicht nachzukommen ist (vgl. § 6112 (b) (2) IRC); diese Ermächtigung hat er mit dem Erlass von Treas. Reg. § 301.6112-1T, später Treas. Reg. § 301.6112-1 genutzt. Mendelson/Bhikha/Emilian, 34 The Tax Adviser (2003), 86, 86. TD 9017 v. 22.10.2002, 67 FR 64799; TD 9018 v. 22.10.2002, 67 FR 64807; TD 9046 v. 28.2.2003, 68 FR 10161; hierbei wurden die Fallgruppen in Treas. Reg. § 1.6011-4 auch grundlegend überarbeitet; siehe zu diesen Änderungen Mendelson/Bhikha/Emilian, 34 The Tax Adviser (2003), 86 und 142, sowie Mendelson/Emilian, 34 The Tax Adviser (2003), 338. Vgl. § 6111 (b) (1) sowie § 6612 (a) IRC; siehe hierzu unten, S. 29. Treas. Reg. § 1.6011-4 (vgl. § 6011 (a), § 6111 (b) (2) i. V. m. § 6707A (c) (1), sowie § 6112 (a) i. V. m. § 6707A (c) (1) IRC); hierzu unten, ab S. 15. Zu diesem Defizit etwa Sherman/Brinker, 17 Journal of International Taxation (2006), 38, 44; exemplarisch zeigte sich dieser Mangel im strafrechtlichen Verfahren gegen KPMG; dort diente als wesentliches Beweisstück ein aus dem Jahr 1998 datierendes internes Memo, in dem die Analyse der Chancen und Risiken der Nichtbefolgung der Anzeigepflicht ergab, dass für ein durchschnittliches Geschäft basierend auf der durch das Memo betroffenen Steuergestaltung 360.000 US$ an Gebühren eingegangen wären, das Maximalrisiko durch Nichtregistrierung aber auf lediglich 31.000 US$ zu beziffern war (vgl. KPMG Memo zur Tax Shelter Registration vom 26.5.1998, abrufbar unter www. pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/tax/schemes/3.html).
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waren Bußgelder für die Verletzung der Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen vorgesehen.52 Die Bußgelder für Externe wurden erhöht.53 Schließlich wurde auch das Strafzuschlagsystem im Zusammenhang mit Steuergestaltungsmodellen deutlich verschärft.54 6. Änderungen 2006 Im Zuge des Tax Increase Prevention and Reconciliation Act (TIPRA) wurde im Jahr 2006 der persönliche Anwendungsbereich der Anzeigepflicht von externen Beratern und Steuerpflichtigen auch auf an der Gestaltung beteiligte steuerbefreite Personen erstreckt.55 Eine Strafabgabe soll diese steuerbefreiten Personen zudem davon abhalten, bestimmte anzeigepflichtige Gestaltungen einzugehen.56 Damit reagierte der IRS darauf, dass in vielen Gestaltungen gerade die Einbindung steuerbefreiter Personen zu Steuervorteilen der anderen Beteiligten führt.57 7. Änderungen 2007 Im August 2007 erfuhr die nunmehr einheitlich den sachlichen Anwendungsbereich der Anzeigepflichten bestimmende Richtlinie Treas. Reg. § 1.6011-4 letzte Änderungen, wonach eine neue Fallgruppe der transactions of interest eingeführt und die Fallgruppe der Gestaltungen mit wesentlichen Abweichungen zwischen der steuerlichen und handelsrechtlichen Behandlung gestrichen wurde.58 8. Änderungen 2010 In den folgenden Jahren hat das System von Anzeigepflichten keine grundlegenden weiteren Änderungen erfahren. Lediglich das Bußgeldsystem bei ________________________ 52 § 6707A IRC i. d. F. v. § 811 AJCA2004; hierzu unten, S. 53. 53 §§ 6700 und 6708 (a) IRC i. d. F. v. §§ 815 und 818 AJCA2004; hierzu unten, S. 51. 54 Insbesondere §§ 6662, 6662A und 6664 IRC i. d. F. v. §§ 812 AJCA2004; hierzu unten, S. 54. 55 Vgl. § 6033 (a) (2), § 4965, § 6652 (c) (3), § 6011 (g) i. d. F. v. Tax Increase Prevention and Reconciliation Act of 2005 (TIPRA), PL 109-222, v. 17.5.2006, 120 Stat 345, § 516; Treas. Reg. § 1.6033-5T; siehe hierzu unten, S. 50 und 56. 56 Hierzu unten, S. 59. 57 Dazu, dass dieses Kriterium zuvor bei der Beschreibung des sachlichen Anwendungsbereichs verwendet worden war, oben, S. 9; zu entsprechenden Fallgruppen in anderen Ländern rechtsvergleichend unten, S. 196. 58 TD 9350, 72 FR 43146-01; daneben wurden kleinere technische Änderungen auch an den Richtlinien zur Anzeige- und Dokumentierungspflicht vorgenommen (vgl. TD 9295, 71 FR 64458; TD 9351, 72 FR 43157-01, sowie TD 9352, 72 FR 43154-01); die Änderungen waren jeweils durch Richtlinienentwürfe v. 2.11.2006 vorgeschlagen worden (vgl. REG-103038-05, 71 FR 64488-01, REG-103039-05, 71 FR 64496-01, und REG103043-05, 71 FR 64501-01).
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Missachtung der Anzeigepflicht durch Steuerpflichtige wurde im Zuge des Small Business Jobs Act 2010 insoweit entschärft, als das Bußgeld den aus der Gestaltung erzielten bzw. erhofften Steuervorteil nun nicht mehr übersteigen kann.59 Die Aufmerksamkeit des IRS war vielmehr auf ein neues Projekt zum Ausflaggen kritischer Steuerpositionen im Zusammenhang mit der Steuererklärung selbst gerichtet (Uncertain Tax Position Statement, UTP Statement).60 Danach müssen bilanzierungspflichtige Körperschaften mit einem Vermögen von mindestens 100 Millionen US$61 auf einer Anlage zur Jahreskörperschaftsteuererklärung62 diejenigen steuerlichen Positionen kenntlich machen, in deren Zusammenhang sie eine handelsrechtliche Rückstellung gebildet haben.63 Gleiches gilt, wenn eine Rückstellung deshalb nicht gebildet wurde, weil die Körperschaft davon ausgeht, dass es sich zwar um eine kritische Position handelt, diese jedoch vor den Finanzgerichten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durchgesetzt werden kann. Damit bestehen für eine gesonderte Gruppe von Steuerpflichtigen, nämlich besonders große Körperschaften, zusätzliche Offenbarungspflichten, die von der Steuerverwaltung im Vorgehen gegen missbräuchliche Steuergestaltungen genutzt werden können. Zentrale Vorteile der in dieser Arbeit untersuchten Anzeigepflichten, wie etwa die Früherkennungswirkung64 oder die Möglichkeit zur Aufdeckung von nach ________________________ 59 Hierzu unten, S. 54. 60 Hierzu Foley/McGrew, 21 International Tax Review (4/2010), 62; zu den Konflikten mit dem anwaltlichen Berufsgeheimnis ausführlich Seraganian, 21 Journal of International Taxation (9/2010), 30. 61 Zunächst war die Erstreckung auch auf Körperschaften mit einem Vermögen von lediglich 10 Millionen US$ vorgesehen (vgl. Announcement 2010-9 v. 26.1.2010, 2010-7 IRB 408; hierzu Farag, 21 Journal of International Taxation (4/2010), 5). 62 Schedule UTP zu Form 1120, abrufbar unter www.irs.gov/pub/irs-pdf/f1120utp.pdf sowie Anleitung zum Schedule UTP, abrufbar unter www.irs.gov/pub/irs-pdf/ i1120utp.pdf. 63 Announcement 2010-75 v. 24.9.2010; Guidance for Preparing UTP Concise Descripions v. 11.5.2012, abrufbar unter www.irs.gov/businesses/corporations/article/0,,id= 257336,00.html; zuvor hatte der IRS derartige Informationen, d. h. die von FIN 48 geforderten Angaben zu unsicheren Steuerpositionen in den Jahresabschlüssen und in den diese vorbereitenden Unterlagen (tax accrual workpapers) zur Identifizierung potentiell missbräuchlicher Gestaltungen nur unter gewissen Umständen angefordert (vgl. IRS LMSB Field Examiners’’ Guide v. 1.5.2007, „FIN 48 Implications“, LMSB-04-0507045, abrufbar unter www.irs.gov/businesses/corporations/article/0,,id=171859,00.html; siehe auch Jaworski, 115 Tax Notes (2007), 723; Harris, 115 Tax Notes (2007), 812; zurückhaltend hinsichtlich der Bedeutung dieser Angaben für den IRS auf der Grundlage der ersten Erfahrungen mit FIN 48 aber Nichols, 121 Tax Notes (2008), 555, sowie Coder, 123 Tax Notes (2009), 43). 64 Hierzu unten, S. 220.
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aktueller Rechtslage unproblematischen Gestaltungen65, lässt dieser neue Ansatz allerdings von vornherein vermissen.
II. Ermächtigungsgrundlagen und grundsätzlicher Umfang Das amerikanische Anzeigepflichtsystem ist nicht an einer zentralen Stelle im Internal Revenue Code (IRC)66 zusammenfassend geregelt. Die wesentlichen Ermächtigungsgrundlagen befinden sich vielmehr verteilt in § 6011 IRC für die Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen und in §§ 6111 und 6112 IRC für die Anzeige- und Dokumentierungspflicht der Externen (material advisors). Die Detailregelungen selbst sind nicht im Gesetz, sondern in ausführenden Richtlinien des IRS (treasury regulations) enthalten.67 Während die Ermächtigungsgrundlagen selbst noch keine Beschränkung auf besondere Steuerarten vorsehen,68 grenzen die Richtlinien den Anwendungsbereich auf Ertragsteuern auf Bundesebene69 (federal income taxes) ein.70 Lediglich für Kataloggestaltungen (listed transactions und transactions of interest) erfolgt eine Ausdehnung auch auf andere Steuern.71
________________________ 65 Hierzu unten, S. 177. 66 Der Internal Revenue Code entspricht Titel 26 im System des United States Code. 67 Insbesondere Treas. Reg. § 1.6011-4, Treas. Reg. § 301.6111-3 und Treas. Reg. § 301.3112-1 (alle Zitate von Richtlinien ohne Jahresangabe beziehen sich auf die aktuell geltende Fassung). 68 Sie befinden sich auch systematisch in dem Teil des IRC, der für alle Abgabenarten Anwendung findet. 69 In den letzten Jahren führen immer mehr Bundesstaaten der USA auch für die von ihnen erhobenen Ertragsteuern Anzeigepflichtsysteme ein; diese sind regelmäßig eng an die Bundesregelungen angelehnt (vgl. etwa die im Oktober 2003 eingeführten kalifornischen Regelungen: § 18407 und § 18628 des Californian Revenue and Taxation Code inkorporieren § 6011 und § 6111 IRC sowie die darunter ergangenen Richtlinien in kalifornisches Recht (hierzu Ibele/Vasché, 39 State Tax Notes (2006), 781); zu den im Staat New York im Dezember 2006 eingeführten Regelungen etwa Bankman/Simmons, 101 Tax Notes (2003), 1111; Salmon/Amitay, The Tax Adviser 2004, 576; Schler, 109 Tax Notes (2005), 915, 917; sowie www.tax.ny.gov/enforcement/audit/tax_shelter.htm). 70 Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (5); wird im Folgenden von steuerlichen Auswirkungen oder Vorteilen gesprochen, ist damit also jeweils eine Beschränkung auf die US federal income taxes mitgedacht. 71 Vgl. für die estate tax Treas. Reg. § 20.6011-4, für die gift tax Treas. Reg. § 25.6011-4, für die employment tax Treas. Reg. § 31.6011-4, und für die excise tax Treas. Reg. § 53.6011-4, Treas. Reg. § 54.6011-4 sowie Treas. Reg. § 56.6011-4; Prop. Reg. § 26.6011-4 i. d. F. v. REG 136563-07 v. 11.9.2009, 74 FR 46705-01, schlägt entsprechende Regelungen nun auch für die generation-skipping transfer tax vor.
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B. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Allgemeines Das heutige amerikanische Anzeigepflichtsystem knüpft an den Begriff der anzeigepflichtigen Gestaltungen (reportable transactions) an. Dabei enthält der Begriff der Gestaltung (transaction) noch keine inhaltliche Beschränkung.72 Eine Einengung findet vielmehr lediglich über die – momentan fünf73 – Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen statt.74 Eine Gestaltung kann dabei mehreren dieser Fallgruppen unterfallen.75 2. Die Fallgruppen im Einzelnen a) Vertrauliche Gestaltungen (confidential transactions) Die erste Fallgruppe von anzeigepflichtigen Gestaltungen umfasst vertrauliche Gestaltungen (confidential transactions).76 Eine solche Gestaltung ist gegeben, wenn dem Steuerpflichtigen von einem Externen77 Beschränkungen auferlegt werden, welche die Weitergabe von Informationen über die steuer________________________ 72 Der Begriff ist vielmehr denkbar weit zu verstehen (siehe Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (1): “The term transaction includes all of the factual elements relevant to the expected tax treatment of any investment, entity, plan, or arrangement, and includes any series of steps carried out as part of a plan.“). 73 Die heute noch geltende Fassung der Richtlinien sah ursprünglich sechs Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen vor (vgl. TD 9046, 68 FR 10161 v. 4.3.2003); infolge späterer Änderungen wurden allerdings zwei Fallgruppen gestrichen und eine neue Fallgruppe eingeführt (vgl. spätere Änderungen v. 30.12.2003 (TD 9108, 68 FR 75128, mit Korrektur v. 30.1.2004, TD 9108, 69 FR 4557), v. 2.11.2006 (TD 9295, 71 FR 64458) und v. 3.8.2008 (TD 9350, 72 FR 43149); insgesamt sind damit seit 2003 sieben unterschiedliche Fallgruppen auszumachen gewesen; die Fallgruppe der patentierten Gestaltungen (hierzu unten, S. 16) war lediglich vorgeschlagen, ist aber nicht eingeführt worden. 74 Dabei knüpfen alle drei Säulen der Anzeigepflichten an die in der Richtlinie Treas. Reg. § 1.6011-4 definierten Fallgruppen an (vgl. den Verweis in § 6111 (b) (2) sowie § 6112 (a) IRC auf § 6707 A (c) IRC für Zwecke der Definition einer „reportable transaction“; § 6707 A (c) IRC nimmt wiederum die aufgrund § 6011 IRC erlassene Richtlinie, also Treas. Reg. § 1.6011-4, in Bezug). 75 Ausdrücklich Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (4). 76 Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (3). 77 Während ursprünglich die Beschränkungen von jedweder Person auferlegt werden konnten, können nunmehr lediglich Externe eine derartige die Anzeigepflicht auslösende Vertraulichkeitsbeschränkung auferlegen (vgl. Änderungen durch TD 9108, 68 FR 75128, v. 29.12.2003, mit Korrektur durch TD 9108, 69 FR 4557, v. 30.1.2004); damit ist es nicht mehr ausreichend, wenn Verschwiegenheitsauflagen von an der Gestaltung beteiligten Steuerpflichtigen wechselseitig auferlegt werden (vgl. die Begründung zu TD 9108, 68 FR 75128, 75129; hierzu auch Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 175).
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liche Struktur der Gestaltung an Dritte wirksam verhindern. Diese Beschränkungen müssen nicht notwendig rechtlicher Natur sein.78 Dabei wird allerdings lediglich auf Externe abgestellt, die für ihre Beratung von dem betroffenen Steuerpflichtigen79 ein Entgelt von mindestens 50.000 bzw. 250.000 US$ erhalten.80 Erhoffte (Neben-)Wirkung dieser Fallgruppe ist es, den Schutz von innovativen Steuergestaltungen im Markt zu erschweren und diese Gestaltungen damit weniger attraktiv zu machen.81 Tatsächlich ist festzustellen, dass zum Teil der Verzicht auf einen Vertraulichkeitsschutz in Kauf genommen wird, um die Anzeigepflicht zu vermeiden.82 b) Patentierte Gestaltungen (patented transactions) In diesem Zusammenhang ist auch die im September 2007 vom IRS förmlich vorgeschlagene, aber letztlich nicht umgesetzte Erweiterung der Anzeigepflich________________________ 78 Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (3) (ii); zustimmend mit dem Hinweis darauf, bei Sorge um den Erhalt der Geschäftsbeziehung oder den Ruf im Markt wirkten auch nicht-rechtliche Absprachen gleich intensiv, Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 246. 79 Zahlungen an dem Berater nahestehende Personen bzw. Zahlungen von einer dem Steuerpflichtigen nahestehenden Person werden mit einbezogen (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (3) (v) i. V. m. § 267 (b) und § 707 (b) IRC); auch Leistungen, die dem Berater lediglich mittelbar, zum Beispiel in Form von Vermittlungsprovisionen, zufließen, werden berücksichtigt, wenn der Steuerpflichtige von dieser Leistung Kenntnis hatte oder diese zumindest hätte kennen müssen; nicht einbezogen werden hingegen Entgelte, die der Berater in einer möglichen Eigenschaft als unmittelbar an der Gestaltung Beteiligter erhält; damit sind etwa Kreditzinsen der die Gestaltung vertreibenden Bank ausgenommen. 80 Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (3) (i) und (iii); die Grenze von 250.000 US$ gilt bei Steuerpflichtigen, die eine C corporation nach US-Steuerrecht sind (zur Definition der corporation siehe Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (2); zum Begriff der C corporation siehe oben, Fn. 30) sowie bei Personengesellschaften oder trusts, bei denen sämtliche Gesellschafter bzw. Begünstigten wiederum C corporations sind; bei allen anderen Steuerpflichtigen gilt ein Mindestentgelt von 50.000 US$; bei der Bestimmung des tatsächlich gezahlten Entgelts wird jegliche Gegenleistung für die Entwicklung, Begutachtung, Implementierung oder Dokumentierung der Gestaltung, einschließlich des nicht-steuerlichen Teils der Gestaltung, berücksichtigt; auch Entgelt für die Erstellung der Steuererklärungen wird berücksichtigt soweit als es das übliche Entgelt für die Erstellung von Steuererklärungen übersteigt (Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (3) (iv)). 81 Hierzu Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 246 f.; ausführlicher zur abschreckenden Wirkung von Anzeigepflichten unten, S. 184. 82 Holden, 52 Tax Lawyer (1999), 369, 377; Lavoie, 21 Virginia Tax Review (2001), 43, 70; Savino, 58 National Tax Journal (2005), 471, 476; Schler, 55 Tax Law Review (2002), 325, 352, sieht diese Fallgruppe daher gar nahezu leerlaufen.
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ten um eine Fallgruppe der patentierten Gestaltungen (patented transactions) zu sehen.83 Hier sollte die Anzeigepflicht nämlich ebenfalls nicht nur der Informationsgewinnung dienen,84 sondern auch dazu verhelfen, dass bereits von vornherein von der Patentierung von Steuergestaltungen und den mit dieser verbundenen Anreizen zur Entwicklung von Steuergestaltungen Abstand genommen wird.85 Die Fallgruppe der patentierten Gestaltungen wurde insofern als Ergänzung zur Fallgruppe der vertraulichen Gestaltungen gesehen.86 Die Anzeigepflicht sollte nach diesem Richtlinienvorschlag sowohl durch die Beantragung eines Patents als auch durch die Zahlung bzw. den Erhalt von Entgelt für die Nutzung eines bestehenden Patents ausgelöst werden.87 Die Anzeigepflicht sollte auf Seiten der Steuerpflichtigen damit sowohl (werdende) Patentrechtsinhaber als auch Patentnutzer treffen.88 Ausdrücklich ausgenom-
________________________ 83 Prop. Reg. § 1.6011-4 (b) (7) i. d. F. v. REG 129916-07 v. 26.9.2007, 72 FR 54615-01; ein knappes Jahr zuvor hatte der IRS angekündigt, über eine derartige Ergänzung intensiver nachzudenken (vgl. REG-103038-05 v. 2.11.2006, 71 FR 64488, 64490); dies wurde unter anderem von der Section of Taxation of the American Bar Association (ABA) ausdrücklich befürwortet (vgl. etwa das Schreiben an IRS Commissioner Everson v. 21.2.2007 (abrufbar unter http://meetings.abanet.org/webupload/commup load/TX800000/relatedresources/CommentsonaNewCategoryofReportableTransactions CoveringPatentedTaxStrategies.pdf). 84 Insofern ist zu berücksichtigen, dass der Inhalt von erteilten Patenten zwar öffentlich zugänglich ist, allerdings nicht während des Anmeldezeitraums und auch nicht innerhalb der ersten 18 Monate nach der Erteilung des Patents (vgl. Beale, 121 Tax Notes (2008), 1023, 1034 und 1036); eine unmittelbare Quelle für Informationen der Finanzverwaltung zu neuen Gestaltungen bietet das Patentverfahren damit nicht; zudem enthalten die Patentanmeldungen und Erteilungsbescheide nicht notwendigerweise genau die Informationen, die für den IRS von Interesse sind (so Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 249). 85 Beale, 121 Tax Notes (2008), 1023, 1029; DiSciullo, 119 Tax Notes (2008), 1081; Stamper, 117 Tax Notes (2007), 9, 10. 86 Auch Gestaltungen, bei denen infolge der Patentierung ein ausreichender Schutz besteht, also konkrete Vertraulichkeitsbeschränkungen gegenüber einzelnen Steuerpflichtigen im Sinne der Fallgruppe der vertraulichen Gestaltungen nicht mehr erforderlich sind, sollten anzeigepflichtig sein (siehe hierzu schon im Vorfeld des Richtlinienvorschlags, Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 249; ebenso Beale, 121 Tax Notes (2008), 1023, 1036 m. w. N.). 87 Vgl. Prop. Reg. § 1.6011-4 (b) (7) (i) und (ii) (B) sowie (c) (3) (i) (F) und (ii) Example 4. 88 Ausgenommen sind Personen, die das Patent widerrechtlich nutzen; Schadensersatzzahlungen in diesem Zusammenhang lösen eine Anzeigepflicht lediglich beim Patentrechtsinhaber aus (vgl. Prop. Reg. § 1.6011-4 (c) (3) (ii) Example 7); daneben sind wie üblich die steuerlichen Berater anzeigepflichtig (siehe zur Reduzierung der Mindestentgeltgrenze für diese Fallgruppe unten, Fn. 171).
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men waren Patente auf Software zur Berechnung der Steuerlast oder zur Erstellung der Steuererklärung.89 Der Vorschlag einer derartigen Ergänzung der Richtlinie ist in den vergangenen Jahren seit September 2007 nicht weiter verfolgt worden. Mittlerweile wurde der Vorschlag zur Anzeigepflicht für patentierte Gestaltungen von Entwicklungen im US-Patentrecht weitgehend überholt. Denn im September 2011 hat der US-Kongress ein Gesetz zur Unterbindung der Patentierung von Steuergestaltungen verabschiedet.90 Zudem hat der US Federal Court of Appeals for the Federal Circuit in zwei Entscheidungen der letzten Jahre, nämlich den Rechtssachen Comiskey91 und Bilski92, eine weitgehende Patentierung von Geschäftsideen und damit auch Steuergestaltungen – entgegen früherer Urteile desselben Spruchkörpers93 – in Frage gestellt. c) Gestaltungen mit Erfolgsgarantie (transactions with contractual protection) Eine Gestaltung mit Erfolgsgarantie (transactions with contractual protection) liegt dann vor, wenn der Steuerpflichtige94 eine zumindest teilweise Rück________________________ 89 Prop. Reg. § 1.6011-4 (b) (7) (ii) (F); zu Bedenken hinsichtlich der Handhabbarkeit dieses Abgrenzungskriteriums in der Praxis Stamper, 117 Tax Notes (2007), 9, 9. 90 Leahy-Smith America Invents Act 2011 v. 8. bzw. 16.9.2011, § 14(a). 91 Entscheidung v. 20.9.2007, 499 F.3d 1365, 1376; hier wurden enge Grenzen für die Patentierung von Geschäftsideen generell gezogen: „an algorithm or abstract idea can state statutory subject matter only if, as employed in the process, it is embodied in, operates on, transforms, or otherwise involves another class of statutory subject matter, that is, a machine, manufacture, or composition of matter“; streitgegenständlich war die Patentierung eines bindenden Schiedsverfahrens. 92 Entscheidung v. 30.10.2008, 545 F.3d 943, 954; in der Entscheidung sprach sich die Mehrheit des Gerichts zwar nicht für eine grundsätzliche Nichtpatentierbarkeit von Geschäftsideen aus (weitergehend aber die abweichenden Voten der Richter Dyk, Linn und Mayer), beschränkte diese aber auf Fälle mit technischem Bezug („[the claimed process] is tied to a particular machine or apparatus [… or] transforms a particular article into a different state or thing“); streitgegenständlich war hier die Patentierung bestimmter Hedging-Aktivitäten im Rohstoffhandel; der US Supreme Court hat die Entscheidung in der Revisionsinstanz zwar im Ergebnis bestätigt, allerdings in der Argumentation abgeschwächt (vgl. Bilski v. Kappos, 561 U.S. (2010), v. 28.6.2010; hierzu Coder, 128 Tax Notes (2010), 7). 93 Grundlegend für die Patentierbarkeit von Geschäftsmethoden war die Entscheidung State Street Bank and Trust Co. v. Signature Financial, Inc., 149 F.3d 1368, v. 23.7.1998; seitdem wurden mehr als 60 Steuergestaltungen patentiert (vgl. Schön, Tax Strategy Patents, 49, 50); zum Für und Wider von Patenten auf Steuergestaltungen siehe etwa Beale, 121 Tax Notes (2008), 1023, 1037 ff.; Stamper, 115 Tax Notes (2007), 300, 300 ff.; Tandon, 115 Tax Notes (2007), 304, 304 ff.; Cathey/Godfrey/Ransome, Journal of Accountancy 7/2007, 40; sowie Schön, Tax Strategy Patents, 49. 94 Dasselbe gilt, wenn dem Steuerpflichtigen nahestehende Personen die Rückerstattung verlangen können.
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erstattung des Beratungsentgelts95 verlangen kann, wenn die beabsichtigten steuerlichen Folgen der Gestaltung (vollständig oder teilweise) nicht eintreten oder zwar zunächst eintreten, später aber rückgängig gemacht werden. Gleiches gilt dann, wenn das Beratungsentgelt ohnehin erst mit Eintritt dieses steuerlichen Erfolgs geschuldet wird.96 Die erfolgsabhängige Vergütung97 wird dabei als Indikator für die Aggressivität der Steuergestaltung angesehen.98 Nicht von dieser Fallgruppe umfasst sind Gestaltungen, bei denen der Ausfall des steuerlichen Erfolges nicht durch an der Gestaltung beratend Tätige, sondern etwa ein Versicherungsunternehmen, abgesichert wird (tax result protection99). Bei der ursprünglichen Einführung der Fallgruppe war dieser Aspekt zwar noch neben der Erfolgsabhängigkeit des Entgelts erfasst.100 Später wurde er aber, insbesondere infolge erfolgreichen Lobbyings der Versicherungswirtschaft, aus der Definition der Fallgruppe herausgenommen.101 ________________________ 95 Im Gegensatz zu den vertraulichen Gestaltungen, bei denen für die Bestimmung der Mindestentgeltgrenze auch Entgelt, das für andere als steuerliche Beratung oder Dienstleistung gezahlt wird, einbezogen wird (siehe oben, Fn. 80), ist hier lediglich Entgelt erfasst, das für den steuerlichen Rat selbst gezahlt wird (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (4) (ii)); dieses ist aber auch dann einbezogen, wenn es von den Parteien nicht als Beratungsentgelt bezeichnet ist, sondern sich aus anderen Elementen der Gestaltung ergibt (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (4) (i)). 96 Eine Gestaltung ist allerdings nicht schon deshalb anzeigepflichtig, weil eine Vertragspartei das Recht hat, von der gesamten Gestaltung bei Eintritt gewisser steuerlicher Folgen für sie oder einen anderen Beteiligten Abstand zu nehmen (Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (4) (iii) (A)); in früheren Ausgestaltungen der Fallgruppen waren derartige vertragliche Rücktrittsrechte ebenso wie vertragliche Schadensersatzansprüche bei steuerlichem Misserfolg noch erfasst (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4T (b) (3) (i) (B) (2000)). 97 Zur generellen Zulässigkeit erfolgsabhängiger Vergütung (contingent fees) siehe US Department of the Treasury Circular 230, § 10.27 (b). 98 Es gibt aber auch Situationen, in denen diese Vermutung nicht zutreffend ist (siehe etwa Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 247, dortige Fn. 60, zu Situationen, in denen zur Erlangung des gewünschten steuerlichen Ergebnisses die Beachtung besonderer Formalitäten erforderlich ist, deren Einhaltung wiederum durch die Erfolgsgarantie abgesichert werden soll). 99 Siehe die Übersicht bei Logue, 25 Virginia Tax Review (2005), 339, 376 ff., zu den in der Praxis festzustellenden Gestaltungen. 100 Treas. Reg. § 1.6011-4T (b) (4) i. d. F. v. TD 9017 v. 22.10.2002, 67 FR 64799. 101 Hierzu Logue, 25 Virginia Tax Review (2005), 339, 404, sowie Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 248 f.; die Streichung erfolgte bereits mit TD 9046 v. 28.2.2003, 68 FR 10161; der IRS begründete diese mit einem sonst überweiten Anwendungsbereich dieser Fallgruppe (vgl. REG 103039-05 v. 2.11.2006, 71 FR 64496, 64497); dieser Aspekt spielt nun allerdings noch eine Rolle bei der Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs (siehe unten, Fn. 166).
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d) Gestaltungen mit bedeutendem Verlust bei Vermögensgegenständen (loss transactions) Des Weiteren sind Gestaltungen anzeigepflichtig, die einen bestimmte Grenzwerte übersteigenden steuerlichen Verlust bei Vermögensgegenständen zum Ergebnis haben (loss transactions).102 Neben Veräußerungsverlusten sind dabei Verluste aus Tauschgeschäften sowie Teilwertabschreibungen erfasst.103 Die Grenzwerte, ab denen ein Verlust die Anzeigepflicht auslöst, variieren nach der Art des Steuerpflichtigen und des Geschäfts, aus dem der Verlust resultiert.104 Regelmäßig stellt ein Grenzwert auf den Verlust in einem einzelnen Veranlagungszeitraum ab; ein zweiter bezieht sich auf die Verluste in den ersten sechs Veranlagungszeiträumen nach Beginn der Umsetzung der Gestaltung.105 Die Grenzwerte bewegen sich dabei zwischen 50.000 US$ und 20 Millionen US$.106
________________________ 102 Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (5). 103 Vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (5) (i) a. A. und (iii) i. V. m. § 165 IRC sowie § 165 (b) i. V. m. § 1011 IRC (ausführlich zu Verlustgestaltungen nach § 165 IRC Bittker/ McMahon/Zelenak, Federal Income Taxation of Individuals, § 16); laufender Verlust, wie er etwa den von § 15a und § 15b EStG behandelten Verlustzuweisungsmodellen zugrunde liegt, ist damit nicht erfasst; dieser wird nämlich nicht in § 165 IRC, sondern §§ 162 f. IRC geregelt. 104 Zur Berechnung des Verlusts siehe § 165 (b) ff. IRC, Treas. Reg. § 1.165-1, sowie die teilweise abweichenden Bestimmungen in Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (5) (iii) (A): Ein Ausgleich mit daneben bestehenden Gewinnen erfolgt nicht; auch ist unerheblich, ob der Verlust steuerlich bereits in dem betreffenden Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden kann oder vor- bzw. zurückzutragen ist. 105 Hierzu Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (5) (ii). 106 Die Mindestverlustgrenze liegt bei natürlichen Personen, S corporations, trusts, sowie Personengesellschaften, die mindestens einen Gesellschafter haben, der nicht C corporation ist, bei 2 Millionen US$ in einem einzelnen Veranlagungszeitraum bzw. 4 Millionen US$ in den ersten sechs Veranlagungszeiträumen (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (5) (i) (C) bis (D) i. V. m. (ii) und (c) (2)); bei C corporations sowie Personengesellschaften, deren Gesellschafter ausschließlich C corporations sind, liegt die Grenze bei 10 bzw. 20 Millionen US$ (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (5) (i) (A) bis (B) i. V. m. (ii) und (c) (2)); eine Grenze von lediglich 50.000 US$ pro Jahr gilt bei gewissen Fremdwährungstransaktionen, die von natürlichen Personen, trusts, Personengesellschaften oder S corporations durchgeführt werden (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (5) (i) (E) mit Verweis auf § 988 IRC; davon sind unter anderem Fremdwährungsanleihen sowie Termin- und Derivatgeschäfte in Fremdwährungen umfasst (vgl. § 988 (c) (1) IRC); bei Personengesellschaften und S corporations wird dieser Maßstab im Gegensatz zu den vorgenannten Grenzwerten nicht auf Ebene der Gesellschaft angelegt, sondern auf der Ebene des Gesellschafters und zwar unabhängig davon, ob die betreffende Einheit tatsächlich als steuerlich transparent behandelt wird).
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Auf die aus der Praxis geäußerte Sorge, diese Fallgruppe erfasse viele Gestaltungen ohne jede Missbrauchsanfälligkeit, etwa Verluste im gewöhnlichen Aktienhandel, reagierte der IRS mit Ausnahmen auf dem Erlassweg.107 e) Gestaltungen mit wesentlichen Abweichungen der steuerlichen von der handelsrechtlichen Beurteilung (transactions with a significant book-tax difference) Eine weitere Fallgruppe umfasste Steuergestaltungen, bei denen Einnahmen, Ausgaben, Gewinn und Verlust für steuerliche Zwecke insgesamt um mehr als 10 Millionen US$ im Jahr von den nach US GAAP bestimmten Positionen abwichen.108 In persönlicher Hinsicht kam diese Fallgruppe zur Anwendung bei Gesellschaften, die börsennotiert waren109 oder ein Bruttobilanzvermögen von mindestens 250 Millionen US$ aufwiesen.110 Diese Fallgruppe hatte deshalb eine besondere Bedeutung, weil in den USA im Gegensatz etwa zu Deutschland das Prinzip der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen für die steuerliche Rechnungslegung nicht gilt.111 Zahlreiche Steuergestaltungen beruhen auf einer derartigen Abweichung der steuerlichen von der handelsrechtlichen Behandlung.112 Es liegt ________________________ 107 Revenue Procedure 2004-66, 2004-50 IRB 966 v. 13.12.2004; zuvor bereits in veränderter Form Revenue Procedure 2003-24, 2003-11 IRB 599 v. 27.2.2003; mit dem Erlass wurden insbesondere Verluste an Vermögensgegenständen, welche ausschließlich mit Geldmitteln erworben wurden, unter gewissen weiteren Voraussetzungen ausgenommen (vgl. Revenue Procedure 2004-66, 2004-50 IRB 966 v. 13.12.2004, § 4.02); zudem sind Vermögensverluste, die auf höherer Gewalt beruhen, ausgenommen (vgl. Revenue Procedure 2004-66, 2004-50 IRB 966 v. 13.12.2004, § 4.03 (1)); auch weiterhin wird diese Fallgruppe in der Literatur aber als zu weitgehend kritisiert (siehe etwa Schler, 109 Tax Notes (2005), 915, 916; dort auch zur Kritik an den zum Teil unklaren Tatbestandsvoraussetzungen). 108 Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (6) (2003); in der Fassung vom 2.3.2000 sah die Richtlinie noch eine Grenze von lediglich 5 Millionen US$ vor (vgl. TD 8877, 65 FR 11205, § 1.6011-4T (b) (3) (i) (D) (2000)); bei der Berechnung, ob dieser Schwellenwert erreicht ist, war auf jeden Einzelposten abzustellen; mehrere gegenläufige Abweichungen einzelner Posten wurden nicht etwa ausgeglichen, sondern vielmehr addiert. 109 Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (6) (ii) (A) (1) (2003) mit Verweis auf den Securities Exchange Act 1934, 15 USC. 78a. 110 Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (6) (ii) (A) (2) (2003); bei ausländischen Gesellschaften musste sich das in den USA belegene Bruttobilanzvermögen in dieser Höhe bewegen (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (6) (ii) (C) (2003) i. V. m. Treas. Reg. § 1.884-1 (d)). 111 Dies, obwohl § 446 (a) IRC dem Wortlaut nach Maßgeblichkeit vorgibt; vgl. ausführlich Dammann, Das Verhältnis zwischen handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Rechnungslegung in den USA, 596 ff. 112 Insbesondere auch im Fall Enron wurden derartige Steuergestaltungsmodelle in großem Umfang eingesetzt (siehe etwa Witt/Behr, „Enron’s Other Strategy: Taxes“, The Washington Post v. 22.5.2002, S. A01); generell zu Unterschieden zwischen steuer-
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allerdings gleichzeitig auf der Hand, dass nicht alle Abweichungen der steuerlichen von der handelsrechtlichen Beurteilung den Verdacht einer missbräuchlichen Gestaltung begründen.113 Der IRS sah für diese Fallgruppe daher zahlreiche Ausnahmen von der Anzeigepflicht in der Richtlinie selbst114 sowie auf dem Erlasswege115 vor. Seit 2004 hat die US-Finanzverwaltung mit dem Schedule M-3 ein weiteres Mittel zur Hand, das sicherstellt, dass sie über Steuergestaltungsmodelle, für deren Missbräuchlichkeit eine stark unterschiedliche Behandlung in der steuerlichen und handelsrechtlichen Rechnungslegung Indiz ist, informiert wird. Das Formular des Schedule M-3116 müssen Gesellschaften mit einem Betriebsvermögen von mindestens 10 Millionen US$ ausfüllen und mit ihrer Steuererklärung einreichen.117 In diesem Formular wird für zahlreiche Gruppen von ________________________
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licher und handelsrechtlicher Behandlung als Indikatoren für missbräuchliche Gestaltungen, McGill/Outslay, 57 National Tax Journal (2004), 739, 747 ff.; Boynton/Mills, 57 National Tax Journal (2004), 757, 765). Viele basieren vielmehr auf durch die unterschiedliche Zwecksetzung von steuerlicher und handelsrechtlicher Rechnungslegung bedingten generellen Unterschieden (siehe zahlreiche Beispiele hierzu bei Dammann, Das Verhältnis zwischen handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Rechnungslegung in den USA, 612 ff.). So wurden zum Beispiel Abweichungen der steuerlichen von der handelsrechtlichen Behandlung dann von vornherein nicht berücksichtigt, wenn sie lediglich darauf beruhten, dass eine Konsolidierung eines Tochterunternehmens in der Handelsbilanz steuerlich nicht nachvollzogen wurde (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (3) (i) (E) (2003)); in jedem Fall wurden Abweichungen, die auf Geschäften innerhalb des Konzernverbunds beruhten, nicht berücksichtigt (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (6) (ii) (B) (2003)). Revenue Procedure 2004-67, 2004-50 IRB 967 v. 13.12.2004, sah 35 Ausnahmetatbestände vor; zuvor bereits ähnlich, wenn auch beschränkter im Umfang, Revenue Procedure 2003-25, 2003-11 IRB 601; ausgenommen waren damit etwa Differenzen bei der Behandlung von uneinbringlichen Forderungen, von Steueransprüchen oder von steuerfreien Zinsvergütungen (vgl. Revenue Procedure 2004-67, a. a. O., § 4.02 (6), (7) und (10)). Schedule M-3 (Form 1120): Net Income (Loss) Reconciliation for Corporations With Total Assets of $10 Million or More (abrufbar unter www.irs.gov/pub/irs-prior/ f1120sm3--2008.pdf); im Sommer 2007 ist ein weiteres Formular veröffentlicht worden, in dem von den nach Schedule M-3 anzeigepflichtigen Steuerpflichtigen ergänzende Angaben abgefragt werden, beispielsweise dazu, ob Rechnungslegungsmethoden geändert wurden, ob immaterielle Wirtschaftsgüter an nahestehende Personen übertragen wurden, oder ob über Personengesellschaften zugerechnete Einkünfte oder Ausgaben im Verhältnis zur Beteiligung an der Personengesellschaft unverhältnismäßig sind (hierzu IRS News Release IR-2007-138 v. 2.8.2007). Während diese Verpflichtung für C corporations von Anfang an galt, wurde sie auf S corporations (Schedule M-3 (Form 1120S)) sowie Personengesellschaften (Schedule M-3 (Form 1064)) erst ab dem Veranlagungszeitraum 2006 erstreckt (vgl. IRS News Release IR-2006-114 v. 20.7.2006; IRS, Notice 2006-6 v. 6.1.2006, 2006-5 IRB 385; DiSciullo, 112 Tax Notes (2006), 343, 343).
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Betriebsausgaben und -einnahmen bzw. Verlusten und Gewinnen separat nach Abweichungen in der steuerlichen und handelsrechtlichen Rechnungslegung in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum gefragt und gegebenenfalls auch danach, ob diese unterschiedliche Behandlung dauerhafter oder lediglich vorübergehender Natur ist.118 Die US-Finanzverwaltung hat festgestellt, dass der Schedule M-3 bereits all diejenigen Informationen liefert, die für die Aufdeckung entsprechender Steuergestaltungen benötigt werden.119 Infolgedessen hat der IRS die Pflicht zur Offenbarung derartiger Gestaltungen nach dem Anzeigepflichtsystem zunächst gelockert120 und schließlich ab Januar 2006 gänzlich aufgehoben.121 Dies ist insofern beachtlich, als damit in persönlicher wie zeitlicher Hinsicht Einschränkungen des Informationsflusses verbunden sind: Zur Abgabe des Schedule M-3 sind nämlich lediglich die Steuerpflichtigen verpflichtet. Die Anzeige- und Dokumentierungspflicht der steuerlichen Berater entfällt also ersatzlos.122 In zeitlicher Hinsicht bedeutet dies, dass der IRS Kenntnis von derartigen Gestaltungen nunmehr erst mit der Einreichung der Steuererklärungen, also ggf. deutlich nach Umsetzung der betreffenden Gestaltung, erlangt. ________________________ 118 Der Schedule M-3 ist eine Weiterentwicklung des bereits seit den 1960er Jahren bestehenden Schedule M-1; dieser ist grundsätzlich von allen Körperschaften mit ihrer Steuererklärung abzugeben; diejenigen Gesellschaften, die Schedule M-3 ausfüllen müssen, sind aber von der Abgabe des Schedule M-1 befreit; der Schedule M-1 liefert im Gegensatz zum Schedule M-3 nicht alle zur Erkennung von entsprechenden Steuergestaltungsmodellen erforderlichen Informationen (siehe etwa Weiner, 115 Tax Notes (2007), 849, 853 ff.; Boynton/Mills, 57 National Tax Journal (2004), 757, 764 ff.; Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 178; eine ausführliche Analyse der Ergebnisse aus Schedule M-1 für die Veranlagungszeiträume 1990 bis 2003 findet sich bei Boynton/DeFilippes/Legel, 111 Tax Notes (2006), 177); er ist deutlich weniger umfangreich und führt zu einer nur sehr grob gehaltenen Informationsabfrage; so können insbesondere auch Einzelposten nur schwer ausgemacht werden, da in den weit gefassten Einzelgruppen interne Verrechnungen möglich sind. 119 IRS, Notice 2006-6 v. 6.1.2006, 2006-5 IRB 385; REG-103038-05 v. 2.11.2006, 71 FR 64488, 64488. 120 So wurde im August 2004 festgelegt, dass diejenigen Steuerpflichtigen, die ihrer Pflicht zur Abgabe des Schedule M-3 nachkommen, die betreffenden Gestaltungen nicht noch zusätzlich nach dem Anzeigepflichtsystem offenbaren müssen, sofern sich deren Anzeigepflichtigkeit ausschließlich aus der Fallgruppe der Gestaltungen mit wesentlichen Abweichungen der steuerlichen von der handelsrechtlichen Behandlung ergibt (vgl. Revenue Procedure 2004-45 v. 2.8.2004, § 4). 121 Dies geschah zunächst mittels Verwaltungserlass (siehe IRS, Notice 2006-6 v. 6.1.2006, 2006-5 IRB 385) und später – rückwirkend auf den Zeitpunkt dieses Erlasses – durch Aufhebung der entsprechenden Passage in der Richtlinie selbst (TD 9350 v. 3.8.2007, 72 FR 43146, der den Richtlinienvorschlag in REG-103038-05 v. 2.11.2006, 71 FR 64488, endgültig umsetzte). 122 So auch ausdrücklich IRS, Notice 2006-6 v. 6.1.2006, 2006-5 IRB 385.
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f) Gestaltungen mit kurzer Haltezeit von Vermögensgegenständen (transactions involving a brief asset holding period) Eine weitere Fallgruppe bezog sich auf Gestaltungen, bei denen kumulativ folgende zwei Voraussetzungen erfüllt waren:123 Zum einen musste sich die Gestaltung auf einen Vermögensgegenstand beziehen, für den sich bei einem Steuerpflichtigen eine Steuerermäßigung (tax credit) von über 250.000 US$ ergab. Zum anderen musste dieser Gegenstand vom Steuerpflichtigen 45 Tage oder kürzer gehalten werden. Diese Fallgruppe hatte insbesondere dividend stripping-Gestaltungen im Blick.124 Später wurde in das materielle Recht allerdings eine Mindesthaltedauer als ausdrückliche zusätzliche Voraussetzung für die Anrechnung ausländischer Steuer aufgenommen, so dass derartige Gestaltungen nicht mehr im Einzelfall an den ungeschriebenen Missbrauchsgrundsätzen geprüft werden mussten.125 Die Anzeigepflicht wurde daraufhin zunächst auf sonstige Anrechnungsbeträge beschränkt126 und später gänzlich aufgehoben.127 g) Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit (listed transactions) Eine Sonderstellung unter den Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen nimmt diejenige der Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit (listed transactions) ein.128 Anders als bei den bisher dargestellten Fallgruppen sind Anknüpfungspunkt hier nicht einzelne abstrakt bezeichnete Kriterien. Vielmehr beruht die Anzeigepflicht einer Gestaltung hier darauf, dass diese vom IRS konkret in ihrer Struktur beschrieben, förmlich als missbräuchlich eingestuft und als anzeigepflichtig benannt wird.129 Der Anzeigepflicht unterfallen nicht nur Gestaltungen, die mit der konkret beschriebenen Gestaltung identisch sind, sondern auch solche, die dieser der Sachverhalts-
________________________ 123 Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (7) (2003). 124 Vgl. hierzu zentral die Entscheidung Compaq, US Court of Appeals (5th Cir.) v. 28.12.2001, 277 F. 3d 778; siehe auch Shaviro, Corporate Tax Shelters, 12 f. 125 § 901 (k) und (l) IRC sieht für die Anrechnung ausländischer Quellensteuern (foreign tax credit) Mindesthaltezeiten von 16 bzw. 46 Tagen vor. 126 Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (7) i. d. F. v. REG-103038-05 v. 2.11.2006, 71 FR 64488, 64492: “other than a foreign tax credit“. 127 TD 9350, v. 3.8.2007, 72 FR 43146-01. 128 Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (2). 129 Diese Einstufung erfolgt meist mittels Verwaltungserlass (notice), kann aber auch in einer Richtlinie (regulation) oder einer anderen Form veröffentlichter Verwaltungsrechtssätze erfolgen (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (2) a. E.).
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konstruktion oder der steuerlichen Struktur nach im Wesentlichen gleichen (substantially similar transactions).130 Momentan enthält der Katalog 34 Steuergestaltungen.131 Die Tatsache, dass eine Gestaltung aufgenommen wird, bedeutet dabei nicht notwendigerweise, dass sie materiellrechtlich tatsächlich nicht anerkannt wird, sondern lediglich dass der IRS die Gestaltung als missbräuchlich ansieht.132 Zum Teil ist die Rechtslage auch Jahre nach der Aufnahme der Gestaltung in den Katalog noch nicht abschließend geklärt.133 Stellt sich aber in der Folge heraus, dass ________________________ 130 Die Bestimmung, ob eine Gestaltung einer Kataloggestaltung im Wesentlichen gleicht, hat dabei großzügig zugunsten der Annahme einer Anzeigepflicht zu erfolgen; bestimmend ist, ob aus ihr im Wesentlichen gleiche steuerliche Folgen zu erwarten sind und entweder der Sachverhalt oder die steuerliche Konstruktion ähnlich strukturiert sind (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (4)); bei der Frage, ob eine derartige Ähnlichkeitsgestaltung vorliegt, gibt es in der Praxis häufig Unsicherheiten, die nicht selten dazu führen, dass sicherheitshalber viele letztlich gar nicht intendierte Gestaltungen angezeigt werden (so etwa Shurberg/Gilbertson/Larsen, 55 Tax Executive (2003), 135, 136 f.; siehe allgemein zur Problematik der over-disclosure unten, S. 208); daher veröffentlicht der IRS auch Verwaltungserlässe, in denen wiederum klargestellt wird, welche Gestaltungen keine hinreichende Ähnlichkeit mit einer Kataloggestaltung aufweisen (vgl. beispielsweise IRS, Notice 2006-16, 2006-9 IRB 538, v. 27.2.2006, betreffend Notice 2002-35, 2002-1 CB 992, v. 6.5.2002 (vgl. hierzu auch Young, 115 Tax Notes (2007), 707). 131 Vgl. www.irs.gov/businesses/corporations/article/0,,id=120633,00.html (zuletzt besucht am 19.8.2012); siehe auch Notice 2009-59 v. 3.8.2009, 2009-31 IRB 1, die alle bisherigen Kataloggestaltungen zusammenfasst; die ersten 10 Gestaltungen wurden in diesen Katalog mittels Notice 2000-15, v. 28.2.2000, 2000-12 IRB 826, aufgenommen (hierzu bereits oben, Fn. 26); die vorerst letzte aufgenommene Gestaltung ist die Distressed Asset Trust (DAT) Transaction (Aufnahme in den Katalog mittels Notice 2008-34 v. 27.2.2008, 2008-12 IRB 1): die Gestaltung basiert in den Grundzügen darauf, dass eine nicht steuerpflichtige oder eine steuerbefreite Person Vermögensgegenstände, deren Marktwert unter dem Buchwert liegt, auf einen trust überträgt, an dem Steuerpflichtige Anteile erwerben; auf diese Weise wird versucht einen Verlust, der von der nicht steuerpflichtigen Person nicht genutzt werden könnte, auf andere Personen zu übertragen, obwohl diese den Verlust wirtschaftlich nicht tragen. 132 Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 245, geht aber davon aus, dass der IRS in den allermeisten Fällen die Missbräuchlichkeit zutreffend bestimmt; die Aufnahme in den Katalog enthält gleichzeitig eine Warnung an die Steuerpflichtigen, dass sie die aus der Gestaltung erwarteten steuerlichen Vorteile womöglich nicht erhalten werden (so Savino, 58 National Tax Journal (2005), 471, 474). 133 So ist dies etwa der Fall bei der Gestaltung Son-of-BOSS, die mittels Notice 2000-44, v. 2.11.2000, 2000-2 C.B. 255, in den Katalog aufgenommen wurde: diese von zahlreichen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Kanzleien angebotene Gestaltung sollte Gesellschaftern von Personengesellschaften mittels überbewerteter Einlagen dazu verhelfen, den Buchwert ihrer Beteiligung so zu erhöhen, dass die Veräußerung des Anteils an der Gesellschaft zu einem steuerlichen Verlust führt; noch Jahre nach der Auf-
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die betreffende Gestaltung wider Erwarten des IRS nicht oder zumindest seltener als erwartet missbräuchlich ist, so wird sie wieder aus dem Katalog herausgenommen.134 Die Aufnahme in den Katalog erfolgt grundsätzlich rückwirkend: Damit sind auch Gestaltungen anzeigepflichtig, die zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits umgesetzt sind, solange aus ihnen für noch nicht veranlagte Zeiträume noch steuerliche Vorteile erwachsen.135 Die Steuerpflichtigen sowie deren Berater müssen also stets über etwaige Ergänzungen des Katalogs informiert sein.136 Die Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit werden häufig als den anderen nach abstrakten Kriterien gefassten Fallgruppen überlegen angesehen, da sie eine zielgenaue Beschränkung der Anzeigepflicht auf Gestaltungen mit besonders großer Missbrauchsgefahr ermöglichen.137 Gleich________________________
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nahme in den Katalog ergehen zu dieser Gestaltung widersprüchliche Urteile (siehe zu der umfangreichen neueren Kasuistik Coder, 119 Tax Notes (2008), 345; Brown, 119 Tax Notes (2008), 475; Nadal, 119 Tax Notes (2008), 566; Gay/Young, 119 Tax Notes (2008), 655; sowie Jackel/Crnkovich, 123 Tax Notes (2009), 1481). So war dies etwa bei dem Gestaltungsmodell der producer-owned reinsurance company (PORC) der Fall: Hierbei wurden von US-Unternehmern, die ihre gewöhnlichen Geschäfte außerhalb des Versicherungsbereichs tätigen, Versicherungspolicen für ihre Kunden ausgegeben und gleichzeitig Rückversicherungen bei ausländischen Versicherungsgesellschaften abgeschlossen; dabei wurden von den Unternehmern steuerliche Vergünstigungen in Anspruch genommen, die lediglich (kleinen) Versicherungsgesellschaften zustehen (insbesondere ging es hier um die Steuerbefreiung nach § 501 (c) (15) IRC); viele dieser Gestaltungen wurden dazu genutzt, Gewinne ins Ausland zu verlagern; die Gestaltung wurde 2002 in den Katalog aufgenommen (vgl. IRS, Notice 2002-70, 2002-2 CB 765, v. 15.10.2002), zwei Jahre später aber wieder herausgenommen (vgl. IRS, Notice 2004-64, 2004-41 IRB, v. 24.9.2004); Grund dafür war erklärtermaßen zum einen die Erkenntnis, dass diese Gestaltung deutlich seltener missbräuchlich genutzt wurde als ursprünglich vermutet; zudem bestand die Erwartung, dass die Gestaltung wegen einer erwarteten Gesetzesänderung künftig noch weiter an Bedeutung verlieren werde (es handelte sich hierbei um die Änderung von § 501 (c) (15) IRC durch § 206 des Pension Funding Equity Act, P.L. 108-218; dabei wurde die Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift an die weitere Voraussetzung geknüpft, dass der überwiegende Umsatz des betreffenden Unternehmers auf Versicherungsgeschäften beruht). Treas. Reg. § 1.6011-4 (e) (2) (i) sowie Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (4) (iii); zu den für Berater und Steuerpflichtige unterschiedlich langen Karenzfristen, siehe unten, S. 34 f. bzw. 49. Kritisch hierzu New York State Bar Association Tax Section, 111 Tax Notes (2006), 929, 933; Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 245, hingegen verteidigt die damit einhergehende Belastung damit, dass andernfalls, also bei lediglich in die Zukunft wirkender Aufnahme in den Katalog, Anreize bestünden, eine missbräuchliche Gestaltung möglichst intensiv zu vertreiben bevor der IRS aktiv werden kann. Schler, 109 Tax Notes (2005), 915, 917; Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 245.
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zeitig wird die Aufnahme von Gestaltungen in den Katalog als effektive und flexible Alternative zu materiellrechtlichen Gesetzesänderungen beschrieben.138 Allein die Aufnahme einer Gestaltung in den Katalog führt nämlich regelmäßig zur Abschreckung von der Gestaltung selbst.139 Ein Grund ist, dass bei Kataloggestaltungen sowohl die Wahrscheinlichkeit der Überprüfung durch den IRS als auch die Intensität dieser Prüfung140 deutlich erhöht sind.141 Daneben führt die ausdrückliche und öffentliche Einordnung der Kataloggestaltungen als missbräuchlich offenbar auch dazu, dass Steuerpflichtige und Berater aus Reputationsgründen von einer Beteiligung an einer solchen Gestaltung absehen.142 Schließlich schrecken auch zahlreiche belastende Regelungen im Steuerverfahrensrecht, aber auch weit darüber hinaus, die an die Einstufung als Kataloggestaltung anknüpfen, von einer Beteiligung ab.143 h) Kataloggestaltungen unter Beobachtung (transactions of interest) Vor dem Hintergrund der beiden letztgenannten Aspekte wird verständlich, warum der IRS heute verhältnismäßig zurückhaltend bei der Klassifizierung von Gestaltungen als Kataloggestaltung mit angenommener Missbräuchlich-
________________________ 138 Beale, 121 Tax Notes (2008), 1023, 1035 f.; vgl. zu der mit diesem Ansatz verbundenen Problematik unten, ab S. 323 sowie S. 359. 139 Stamper, 117 Tax Notes (2007), 9, 10; Beale, 121 Tax Notes (2008), 1023, 1035 ff. 140 So verläuft etwa das Verfahren bei beanstandeten Steueranmeldungen (deficiency procedure) bei Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit anders als sonst üblich; während normalerweise nach erfolglosem Durchlaufen des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens vor dem Appeals Office von der Verwaltung sogleich ein förmlicher Korrekturbescheid (statutory notice of deficiency) erlassen wird, gegen den dann der Klageweg beschritten werden kann, schaltet der IRS hier zunächst eine weitere Überprüfung durch die Veranlagungsstelle (operating division) vor (vgl. Announcement 2006-100 v. 18.12.2006, 2006-51 IRB 1141); aus Kreisen der steuerlichen Berater wird kritisiert, dieser Ansatz sei insbesondere dadurch motiviert, die im Veranlagungsverfahren im Vergleich zum gerichtlichen Verfahren bestehenden weitergehenden Ermittlungsbefugnisse zur Vorbereitung auf das gerichtliche Verfahren nutzen zu können (vgl. Stratton, 113 Tax Notes (2006), 1055, 1055; Stamper/Stokeld, 115 Tax Notes (2007), 707, 707). 141 Generell zu dieser Ausprägung der abschreckenden Funktion unten, S. 184. 142 So Schler, 109 Tax Notes (2005), 915, 917, der von einem „badge of dishonor“ spricht. 143 So sind etwa die Bußgelder bei Nichtbeachtung der Anzeigepflichten verschärft; auch ist die Festsetzungsverjährung für den Steuerpflichtigen ungünstiger geregelt (siehe hierzu unten, S. 55); schließlich wird dort, wo für weitere belastende Rechtsfolgen auf den Charakter als anzeigepflichtige Gestaltung abgestellt wird, regelmäßig auch oder sogar ausschließlich an die Kataloggestaltungen mit angenommener Rechtsmissbräuchlichkeit angeknüpft (siehe hierzu unten, ab S. 56).
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keit ist.144 In diesem Zusammenhang ist die Schaffung einer neuen Fallgruppe der Kataloggestaltungen unter Beobachtung (transactions of interest) zu sehen.145 Auch hier werden Gestaltungen vom IRS konkret in ihrer Struktur beschrieben und gesondert als anzeigepflichtig benannt.146 Unterschiedlich sind allerdings der Hintergrund für die Aufnahme in den Katalog und die über die Anzeigepflicht hinausgehenden Rechtsfolgen: Hintergrund ist hier nicht die Überzeugung des IRS von der Missbräuchlichkeit der Gestaltung, sondern lediglich die Annahme einer gewissen Missbrauchsanfälligkeit sowie der Wunsch, die Gestaltung weiter zu untersuchen und zu beobachten.147 Diese weitere Beobachtung kann dann entweder in die Streichung der Gestaltung aus dem Katalog, die Aufnahme in den Katalog der Gestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit oder gar in die Schaffung einer neuen Fallgruppe von anzeigepflichtigen Geschäften münden.148 Die über die Anzeigepflicht selbst hinausgehenden weiteren Rechtsfolgen, die, wie beschrieben, für Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit gelten, kommen hier größtenteils nicht zur Anwendung.149 Momentan umfasst der Katalog vier Gestaltungen unter Beobachtung.150 ________________________ 144 Hierzu Schler, 109 Tax Notes (2005), 915, 917, sowie Coder, 119 Tax Notes (2008), 887, 887; lediglich 4 der 34 Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit wurden nach 2004 in den Katalog aufgenommen; die letzte Aufnahme erfolgte 2008 (siehe oben, Fn. 131). 145 Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (6) i. d. F. v. TD 9350 v. 3.8.2007, 72 FR 43146, 43150; die Einführung dieser neuen Fallgruppe war vorgeschlagen worden in REG-103038-05 v. 2.11.2006, 71 FR 64488, 64491. 146 Auch hier sind zudem wieder Gestaltungen erfasst, die mit der Kataloggestaltung zwar nicht identisch sind, dieser aber im Wesentlichen gleichen (zu diesem Kriterium siehe oben, Fn. 130); daneben gilt auch hier die Anzeigepflicht für Gestaltungen, die erst nach der Umsetzung in den Katalog aufgenommen werden (Treas. Reg. § 1.6011-4 (e) (2) (i) sowie Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (4) (iii); hierzu bereits oben, S. 26). 147 Vgl. die Begründung des US Department of the Treasury zur Erweiterung des Anzeigepflichtsystems (TD 9350 v. 3.8.2007, 72 FR 43146, 43147, sowie REG-103038-05 v. 2.11.2006, 71 FR 64488, 64488). 148 US Department of the Treasury, a. a. O.; von Dauer soll die Einstufung als Kataloggestaltung unter Beobachtung nicht sein, allerdings hat es die Finanzverwaltung auch abgelehnt, sich durch eine feste Frist zur Beendigung dieses Status zu binden. 149 Coder, 119 Tax Notes (2008), 887, 887, spricht daher bei den transactions of interest von „listed transactions lite“. 150 Notice 2007-72 v. 14.8.2007, 2007-2 C.B. 544, Notice 2007-73 v. 14.8.2007, 2007-2 C.B. 545, Notice 2008-99 v. 31.10.2008, 2008-47 I.R.B. 1194, sowie Notice 2009-7 v. 29.12.2008, 2009-3 I.R.B. 312 (vgl. die Zusammenstellung in Notice 2009-55 v. 3.8.2009, 2009-31 IRB 1); die zuletzt aufgenommene Kataloggestaltung bezieht sich auf die Zwischenschaltung einer US-Personengesellschaft zur Vermeidung der Hinzurechnungsbesteuerung nach amerikanischen CFC-Regelungen („Subpart F Blocker“ bzw. „Partnership Blocker“; hierzu Elliott, 122 Tax Notes (2009), 144, sowie Parillo, 53 Tax Notes International (2009), 228).
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C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten I. Anzeigepflichten der wesentlichen Berater Anzeigepflichtig sind nach dem geltenden amerikanischen Anzeigepflichtsystem zunächst sogenannte wesentliche Berater (material advisors) (zum Begriff sogleich, 1.). Diese müssen anzeigepflichtige Gestaltungen dem IRS anzeigen (hierzu 2.); daneben müssen sie die an solchen Gestaltungen beteiligten Steuerpflichtigen dokumentieren (hierzu 3.). 1. Begriff des wesentlichen Beraters a) Allgemeines Der Begriff des wesentlichen Beraters gilt seit dem American Jobs Creation Act 2004 einheitlich für die Beschreibung des persönlichen Anwendungsbereichs sowohl der Anzeigepflicht151 als auch der Dokumentierungspflicht.152 Zuvor galten, wie aus dem obigen historischen Abriss ersichtlich, mehrere unterschiedliche persönliche Anknüpfungspunkte, nämlich für die Anzeigepflicht der Begriff des tax shelter organizer153 sowie des promoter154 und für die Dokumentierungspflicht der Begriff des organizer or seller.155 ________________________ 151 § 6111 (b) IRC enthält hierfür die grundlegende Definition; diese Definition wird durch Treas. Reg. § 301.6111-3 i. d. F. v. TD 9351 v. 3.8.2007, 72 FR 43159, konkretisiert; bis zu deren Einführung enthielten mehrere Einzelerlasse, die weitgehend auf die überholte Richtlinie Treas. Reg. § 301.61112-1 (c) (2) (2003) verwiesen, übergangsweise vergleichbare Regelungen zur Konkretisierung der gesetzlichen Definition (vgl. Notice 2004-80, 2004-2 CB 963; Notice 2005-12, 2005-7 IRB 494; Notice 2005-17, 2005-1 CB 606; Notice 2005-22, 2005-1 CB 756; Notice 2006-6, 2006-5 IRB 385). 152 Die Definition des § 6111 (b) IRC gilt über den Verweis in § 6112 (a) IRC auch für die Dokumentierungspflicht. 153 Dieser Begriff galt für die bereits durch den Deficit Reduction Act of 1984 eingeführte ursprüngliche Fallgruppe anzeigepflichtiger Steuergestaltungen (vgl. § 6111 (a) (1) IRC a. F.; Treas. Reg. § 301.6111-1T (1984), Fragen 25 ff.); die Anzeigepflicht war dabei abgestuft (vgl. § 6111 (e) (1) (A) bis (C) IRC a. F.): Zunächst waren lediglich die maßgeblich für die Entwicklung und Organisation der Gestaltung Verantwortlichen verpflichtet; kamen diese aber der Anzeigepflicht nicht nach, waren subsidiär auch andere an der Entwicklung und Organisation der Gestaltung Beteiligte erfasst; wiederum nachrangig waren Personen anzeigepflichtig, die sich am Vertrieb oder der Implementierung der Gestaltung zu einem Zeitpunkt beteiligten zu der für diese der Anzeigepflicht nicht nachgekommen war. 154 Dieser Begriff galt für die durch den Taxpayer Relief Act of 1997 eingeführten vertraulichen Gestaltungen im Körperschaftsteuerrecht (confidential corporate transactions; § 6111 (d) (1) IRC a. F.); darunter waren all diejenigen erfasst, die bei der Entwicklung, dem Vertrieb oder der Umsetzung einer Gestaltung mitwirkten; dieser Begriff offenbarte sich insofern als problematisch, als viele potentielle Promotoren sich damit
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Die nun allein ausschlaggebende Einstufung als wesentlicher Berater hängt ab sowohl von der Tätigkeit der betroffenen Person im Zusammenhang mit der anzeigepflichtigen Gestaltung (hierzu b)) als auch von den für diese Tätigkeit erzielten Einnahmen (hierzu c)).156 Wesentliche Berater können dabei natürliche Personen, trusts sowie Personen- und Kapitalgesellschaften sein.157 Es ist für die Einstufung unerheblich, ob die betreffende Person in den USA oder im Ausland ansässig ist.158 b) Tätigkeitsanforderungen Die Beschreibung der Tätigkeitsanforderungen erfolgt auf eigentümliche Weise. Denn das Gesetz selbst knüpft daran an, ob der Externe einen bedeutenden Ratschlag oder sonstigen Beitrag zur Entwicklung159, zum Vertrieb oder zur Umsetzung einer anzeigepflichtigen Gestaltung geleistet hat bzw. ob
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verteidigten, sie wirkten nicht an Entwicklung, Vertrieb oder Umsetzung mit, sondern agierten lediglich als Ratgeber bzw. Gutachter (vgl. Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 182). § 6112 (a) IRC a. F.; in den Ausführungsrichtlinien wurde dieser Begriff durch den des material advisor substituiert (vgl. Treas. Reg. § 301.6112-1 (c) (2003)); nach diesem sehr weit verstandenen Begriff waren neben den als tax shelter organizer oder promoter Anzeigepflichtigen auch sonstige Personen erfasst, die für ihre mit der Gestaltung im Zusammenhang stehenden Dienste ein Mindestentgelt erhielten und sich zu der steuerlichen Struktur der Gestaltung geäußert haben; die Höhe des Mindestentgelts variierte zwischen 10.000 US$ und 250.000 US$ danach, ob es sich um eine listed transaction oder eine sonstige anzeigepflichtige Gestaltung handelte, sowie danach, ob der Berater die steuerliche Erklärung im Hinblick auf die Transaktion ausschließlich gegenüber C corporations abgegeben hat oder (auch) gegenüber anderen Steuerpflichtigen; damit war der persönliche Anwendungsbereich der Dokumentierungspflicht weiter als derjenige der Anzeigepflicht; insbesondere waren auch steuerliche Berater, die nicht selbst an der Entwicklung der Gestaltung mitwirkten, dokumentierungspflichtig. § 6111 (b) (1) IRC; Treas. Reg. § 301.6111-3 (b); der IRS ist zudem dazu ermächtigt, mittels Erlass weitere wesentliche Berater zu bezeichnen (vgl. Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (5)). Treas. Reg. § 301.6112-1 (c) (5) sowie Prop. Reg. § 301.6111-3 (c) (4) i. V. m. § 7701 (a) (1) IRC. Die Regelung, wonach bei Fehlen eines inländischen wesentlichen Beraters unter Umständen der inländische Steuerpflichtige anzeigepflichtig werden konnte (hierzu oben Fn. 45), findet sich in den neuen Richtlinien nicht mehr, nachdem nunmehr ohnehin alle Steuerpflichtigen neben den Beratern anzeigepflichtig sind (hierzu unten, ab S. 44). An der Entwicklung der Gestaltung ist auch derjenige beteiligt, der nicht die steuerliche, sondern die wirtschaftliche bzw. Finanzierungsstruktur der Gestaltung (mit-)entwickelt; darunter fällt auch die Ausarbeitung von Gesellschaftsverträgen, die Erstellung von Dokumenten, welche die Gestaltung beschreiben, sowie die Registrierung bei öffentlichen Stellen (vgl. Notice 2005-12, 2005-7 IRB 494).
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er eine Versicherung auf den Eintritt des steuerlichen Erfolgs abgegeben hat.160 In der näheren Ausgestaltung der Tätigkeitsanforderung erfolgt dann aber eine Loslösung von diesen Kriterien.161 Es kommt letztlich (nur) darauf an, ob der Externe gegenüber entweder einem Steuerpflichtigen oder einem anderen anzeigepflichtigen Externen bzw. zugunsten dieser Personen eine Stellungnahme zur steuerlichen Behandlung der Gestaltung abgibt.162 Die Stellungnahme muss sich abgesehen von Kataloggestaltungen gerade auf den Aspekt der Gestaltung beziehen, aus dem sich die Anzeigepflicht ergibt.163 Anders als in der gesetzlichen Vorgabe ist mit dieser „Konkretisierung“ sichergestellt, dass sich die Anzeigepflicht nur auf Externe erstreckt, die eine steuerliche Würdigung der Gestaltung überhaupt vornehmen können und die auch die Anzeigepflicht grundsätzlich absehen können.164 Insgesamt sind als wesentliche Berater der Tätigkeit nach insbesondere Anwälte, Wirtschaftsprüfer und Investmentbanker erfasst, solange sie zu Steuer________________________ 160 § 6111 (b) (1) (A) (i) IRC: „any material aid, assistance, or advice with respect to organizing, managing, promoting, selling, implementing, insuring, or carrying out any reportable transaction“; zur tax result protection sogleich, S. 32. 161 Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (1) wiederholt zwar den Gesetzeswortlaut; in Absatz (b) (2) erfolgt die „Konkretisierung“ dann aber an ganz anderen Maßstäben; mit dieser Methode wird im Ergebnis eine Loslösung von den Kriterien der gesetzlichen Ermächtigung in § 6111 IRC erreicht, ohne diese selbst ändern zu müssen; dazu, dass diese Kriterien bei der Anwendung auf steuerliche Berater, auf die sie doch zentral abzielen sollten, zu Problemen führten, oben, Fn. 154 (zum insoweit vergleichbaren früheren Begriff des promoter). 162 Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (2); bei der früheren Gestaltung mit wesentlichen Abweichungen der steuerlichen von der handelsrechtlichen Beurteilung genügte auch eine Stellungnahme zur handelsrechtlichen Beurteilung (vgl. Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 181; Treas. Reg. § 301.6112-1 (c) (2) (iii) (E) i. V. m. Notice 2005-22, 2005-12 IRB 756); es ist unerheblich, ob diese Stellungnahme schriftlich oder mündlich erfolgt (vgl. Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (2) (ii) (A)); unberücksichtigt bleiben aber steuerliche Stellungnahmen, die lediglich diejenigen Aussagen wiederholen, die auch in Dokumenten enthalten sind, die bei der Securities and Exchange Commission (SEC) eingereicht werde müssen (vgl. Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (2) (iii) (C); sog. publicly filed statements exception); nicht ausreichend zur Begründung der Anzeigepflicht ist auch eine steuerliche Stellungnahme, die sich auf die erste die Gestaltung widerspiegelnde Steuererklärung nicht mehr auswirken kann (vgl. Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (2) (iii) (B); sog. post-filing advice exception). 163 Siehe Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (2) (ii) (B) bis (D); bei Kataloggestaltungen (listed transactions bzw. transactions of interest) gilt diese Beschränkung von vornherein nicht; hier wird damit im Ergebnis bei jeder Stellungnahme auch nur zu Teilen der Gestaltung unwiderleglich die Kenntnis des Beraters von der Anzeigepflicht vermutet. 164 Kritisch zu der Frage, ob sich bei Abgabe der Stellungnahme, insbesondere auch bei mündlichen Stellungnahmen, tatsächlich immer erkennen lässt, ob sich die Gestaltung zu einer anzeigepflichtigen entwickelt, aber New York State Bar Association Tax Section, 111 Tax Notes (2006), 929, 932.
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aspekten einer Gestaltung Stellung nehmen.165 Die Stellungnahme muss dabei nicht einer neutralen Beratung entsprechen. Vielmehr sind gerade auch das eigene „Steuerprodukt“ mit einer entsprechenden Aussage bewerbende Externe anzeigepflichtig. Daneben wird die Absicherung gegen den Ausfall des steuerlichen Erfolges durch an der Gestaltung nicht beratend Tätige (tax result protection), insbesondere durch Versicherer, als Abgabe einer steuerlichen Stellungnahme fingiert.166 Personen, die eine Stellungnahme zur steuerlichen Struktur einer anzeigepflichtigen Gestaltung lediglich in ihrer Funktion als Arbeitnehmer, als Gesellschafter oder als Stellvertreter abgeben, sind nicht selbst anzeigepflichtig.167 Ihr Beitrag wird vielmehr dem Arbeitgeber, der Gesellschaft bzw. dem Vertretenen zugerechnet.168 Für Kanzleien und Unternehmen ist es daher erforderlich, interne Kontrollsysteme aufzubauen, um sicherzustellen, dass der sie selbst treffenden Anzeigepflicht tatsächlich in jedem Fall genügt wird.169 c) Mindesteinnahmeanforderungen Ein Berater ist zudem nur dann anzeigepflichtig, wenn er aus seiner Tätigkeit im Zusammenhang mit der anzeigepflichtigen Gestaltung bestimmte Grenzwerte überschreitende Einnahmen erzielt.170 Die Grenzwerte bewegen sich, je
________________________ 165 Sherman/Brinker, 17 Journal of International Taxation (2006), 38, 42. 166 Vgl. Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (2) (ii) und (c) (12); während eine tax result protection nicht mehr Auslöser für die Anzeigepflicht einer Gestaltung ist (hierzu oben, S. 19), kann sie damit den Personenkreis der Anzeigepflichtigen erweitern; Hintergrund ist, dass der IRS derartige drittvertragliche Absicherungen gegen den Ausfall des steuerlichen Erfolgs zwar als für die Definition der Fallgruppe der Gestaltungen mit Erfolgsgarantie zu weitgehend ansah, gleichzeitig aber über deren Einsatz im Markt, insbesondere im Zusammenhang mit listed transactions, informiert werden wollte (vgl. 71 FR 64496, 64497). 167 Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (2) (iii) (A); wird allerdings ein derartiges Verhältnis mit der Absicht begründet oder genutzt, eine sonst bestehende Anzeigepflicht (oder Sanktionen wegen Missachtung der Anzeigepflicht) zu vermeiden, so ist die handelnde Person selbst anzeigepflichtig. 168 Auch Angestellte einer in house-Steuerabteilung sind demnach keine wesentlichen Berater; sie handeln vielmehr für ihren Arbeitgeber als Steuerpflichtigen; zur Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen siehe unten, ab S. 44. 169 Siehe zu den Erfahrungen und Schwierigkeiten hiermit New York State Bar Association Tax Section, 111 Tax Notes (2006), 929, 932 und 934 f.; dort auch zu der Forderung, bei Kanzleien und Unternehmen eine Anzeigepflicht nur dann anzunehmen, wenn entweder ein derartiger Kontrollmechanismus nicht eingerichtet wurde, oder dieser die Kenntnis von der Anzeigepflicht tatsächlich zutage förderte. 170 § 6111 (b) (1) (A) (ii) IRC.
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nach Fallgruppe der anzeigepflichtigen Gestaltung, zwischen Bruttoeinnahmen in Höhe von 250 US$ und 250.000 US$.171 2. Anzeigepflicht der wesentlichen Berater a) Inhalt der Anzeigepflicht Die Anzeige der Gestaltung hat gegenüber dem Office for Tax Shelter Analysis (OTSA) als zentraler Einrichtung des IRS zu erfolgen.172 Sie ist auf dem Formblatt Form 8918 (Material Advisor Disclosure Statement) einzureichen.173 ________________________ 171 Die Bruttoeinnahmen müssen grundsätzlich mindestens 50.000 US$ betragen, wenn im Wesentlichen alle Steuervorteile aus der Gestaltung natürlichen Personen zugute kommen, andernfalls 250.000 US$ (vgl. § 6111 (b) (1) (B) IRC); für diese Beurteilung werden Personengesellschaften, S corporations und trusts als transparent behandelt (vgl. Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (3) (i)). Für Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit sind diese Beträge generell auf 10.000 US$ bzw. 25.000 US$ herabgesetzt, während für Kataloggestaltungen unter Beobachtung der Grenzwert jeweils in dem die Aufnahme in den Katalog anordnenden Erlass festgelegt werden soll (vgl. Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (3) (i) (B)); siehe zu der Kritik, die Mindestbeträge für Kataloggestaltungen enthielten keinerlei nennenswerte Einschränkung der Anzeigepflicht, weil sie in aller Regel überschritten seien, New York State Bar Association Tax Section, 111 Tax Notes (2006), 929, 933). Für patentierte Gestaltungen soll der Mindestbetrag nach dem Richtlinienentwurf lediglich 250 bzw. 500 US$ betragen (vgl. Prop. Reg. § 301.6111-3 (b) (3) (i) (C) i. d. F. v. REG 129916-07, 72 FR 54615-01, v. 26.9.2007). Für diese Beurteilung werden alle auch nur mittelbar zugeflossenen Einnahmen im Zusammenhang mit der Gestaltung berücksichtigt; hier spielen auch Einnahmen eine Rolle, die nicht für die steuerliche Stellungnahme selbst, sondern für einen anderweitigen Beitrag oder Ratschlag geleistet werden; Einnahmen für die buchhalterische Erfassung der Gestaltung oder die Beteiligung als Partei der Gestaltung, zum Beispiel in Form einer Kreditvergabe, werden insoweit einbezogen, als sie einem Fremdvergleich nicht standhalten; denn dann sei zu vermuten, dass es sich um verdecktes Entgelt für den Beitrag oder Ratschlag zur Gestaltung handelt (vgl. Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (3) (ii)). 172 Treas. Reg. § 301.6111-3 (e); das OTSA wurde zur zentralen Steuerung und besseren Koordinierung des Vorgehens gegen missbräuchliche Steuergestaltungen geschaffen; Kernaufgabe ist die Identifizierung potentiell missbräuchlicher Gestaltungen, insbesondere durch Auswertung der Anzeigen, die Evaluierung deren Marktbedeutung und die Entwicklung geeigneter Strategien hiergegen; ein Büro in Ogden, Utah, ist hierbei für die Bearbeitung der einzelnen Anzeigen zuständig, wohingegen das Büro in Washington, DC, die sich aus der Auswertung ergebenden rechtspolitischen Empfehlungen kommuniziert (vgl. Young, 115 Tax Notes (2007), 707, Kreienbaum/Werder, IStR 2005, 721, 724, sowie Announcement 2000-12, IRB 2000-12). 173 Die Form 8918 ist abrufbar unter www.irs.gov/pub/irs-pdf/f8918.pdf; eine Anleitung zum Ausfüllen des Formblatts findet sich unter www.irs.ustreas.gov/pub/irs-pdf/ i8918.pdf; zuvor war der Anzeigepflicht auf Form 8264 nachzukommen, die allerdings, was Inhalt und Terminologie anbelangt, auf das bis zum AJCA2004 geltende System von Anzeigepflichten abgestellt war. Form 8918 setzt die in § 6111 (a) IRC sowie Treas. Reg. § 301.6111-3 (d) (1) enthaltenen Anforderungen um; bis zum Erlass
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Auf diesem wird zunächst der Grund für die Anzeigepflicht abgefragt; hier ist also die einschlägige Fallgruppe anzeigepflichtiger Gestaltungen zu bezeichnen, sowie zu erklären, worin genau der Beitrag des Anzeigenden lag. Daneben sind andere beteiligte wesentliche Berater, von denen der Anzeigende Kenntnis hat, anzugeben. Schließlich und vor allem ist die Gestaltung zu beschreiben, wobei es ein größeres Feld für die freie Beschreibung der steuerlichen Struktur und der erwarteten steuerlichen Vorteile gibt. Dabei sind auch die Zeiträume, in denen die Vorteile erwartet werden, sowie die Vorschriften des IRC, auf die sich diese Vorteile stützen, anzugeben. Dies wird ergänzt durch spezifische Abfrage einzelner Kriterien wie der genauen Finanzierung der Gestaltung, der Beteiligung ausländischer oder steuerbefreiter Personen, oder der Nutzung von Steueraufschub- oder Steuerermäßigungstatbeständen.174 b) Zeitliche Vorgaben Der Anzeigepflicht ist innerhalb eines Monats nach Ende des Kalendervierteljahrs nachzukommen, in dem (a) der Berater die Stellungnahme zur steuerlichen Struktur abgegeben hat, (b) er Einnahmen in Höhe der Mindesteinnahmegrenze bezogen hat, und in dem (c) mit der Umsetzung der betroffenen Gestaltung begonnen wurde.175 Dabei ist auf die Umsetzung bei demjenigen Steuerpflichtigen abzustellen, gegenüber dem bzw. zugunsten dessen die Stellungnahme abgegeben wurde.176 Bei Kataloggestaltungen gilt folgende Spezialregelung: Werden Gestaltungen erst nach dem letzten der eben genannten drei Ereignisse in den Katalog der ________________________ des AJCA2004 galten die Regelungen der Treas. Reg. § 301.6111-1T (1984) und später der Treas. Reg. § 301.6111-2 (2003); hernach wurden die Regelungen zunächst übergangsweise durch Einzelerlasse modifiziert (vgl. Notice 2004-80 v. 13.12.2004, 2004-50 IRB, zum Teil modifiziert durch Notice 2005-17 v. 22.2.2005, 2005-8 IRB, und vor allem 2005-22 v. 21.3.2005, 2005-12 IRB). 174 Ergeben sich nach der Anzeige wesentliche Änderungen an der berichteten Gestaltung, ändern sich sonstige im Bericht gegebene Informationen, oder tun sich neue Informationen auf, die bei früherem Vorliegen bereits berichtet hätten werden müssen, so hat eine berichtigende bzw. ergänzende Anzeige zu erfolgen (vgl. Treas. Reg. § 301.6111-3 (d) (1)). 175 Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (4) (i) und (e); diejenigen Berater, die ihre Dienstleistung vor der Umsetzung der Gestaltung bereits beendet haben, trifft bei der Ermittlung der Frist für ihre Anzeige also eine Obliegenheit nachzuforschen, wann mit der Umsetzung der Gestaltung begonnen wurde Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (4) (ii). 176 Vgl. Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (4) (i) (C); wurde die steuerliche Stellungnahme einem anderen wesentlichen Berater gegenüber abgegeben, so ist auf die Gestaltung abzustellen, zu deren steuerlicher Struktur dieser Berater wiederum Stellung bezogen hat.
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Gestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit oder der Gestaltungen unter Beobachtung aufgenommen, so hat die Anzeige innerhalb eines Monats nach Ende des Kalendervierteljahrs der Aufnahme in den Katalog zu erfolgen.177 Die zeitlichen Anforderungen an die Anzeigepflicht der Berater wurden in den letzten Jahren mehrmals gelockert.178 Sie sind damit heute deutlich weniger streng als vor dem AJCA2004, als die Anzeige noch vor dem Beginn der Umsetzung der Gestaltung durch den Steuerpflichtigen zu erfolgen hatte.179 c) Vermeidung einer doppelten Anzeigepflicht Jede Gestaltung muss vom Berater nur einmal angezeigt werden. Auch für Gestaltungen, die zwar nicht mit einer bereits berichteten identisch sind, dieser aber im Wesentlichen gleichen, muss keine erneute Anzeige erfolgen.180 Die Beteiligung eines weiteren Steuerpflichtigen an einer bereits angezeigten Gestaltung löst ebenso keine erneute Anzeigepflicht aus.181 Es ist nach den oben beschriebenen Kriterien denkbar, dass für dieselbe Gestaltung mehrere Berater anzeigepflichtig sind. Für diesen Fall ist vorgesehen, dass die Berater durch schriftliche Vereinbarung untereinander die Anzeige ________________________ 177 Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (4) (iii); siehe hierzu bereits oben, S. 26. 178 Erst seit Mai 2005 gilt die heutige Regelung mit der Orientierung an den oben genannten drei Ereignissen und der Monatsfrist nach Ablauf des Kalendervierteljahrs, in dem das letzte dieser Ereignisse stattfindet (vor Erlass von Treas. Reg. § 301.6111-3 (b) (4) und (e) regelte dies übergangsweise Notice 2005-22 v. 21.3.2005, 2005-12 IRB); zuvor galt seit dem Inkrafttreten des AJCA2004 eine 30-Tages-Frist bereits vom Eintritt des letzten dieser Ereignisse selbst an (vgl. Notice 2004-80 v. 13.12.2004, 2004-50 IRB; der AJCA2004 ist am 22.10.2004 in Kraft getreten); bis zum AJCA2004 war noch sehr viel weitgehender vorgesehen, dass der Anzeigepflicht spätestens an dem Tag, an dem vom Berater das erste Angebot zur Beteiligung an der Gestaltung ausgesprochen wird, nachzukommen ist (vgl. § 6111 (a) (1) IRC a. F.; Treas. Reg. § 301.6111-1T, Frage 40 (1984); Treas. Reg. § 301.6111-2 (e) (1) (i) (2003)). 179 Problematisch an dem vor dem AJCA2004 geltenden Fristerfordernis, das auf das Angebot zur Beteiligung an der Gestaltung abstellte (vgl. Fn. 178), erscheint aber, dass dieses lediglich auf Berater Anwendung finden konnte, die eine bereits fertig entwickelte Gestaltung zur Beteiligung anboten (zu dieser Problematik rechtsvergleichend unten, S. 220); gesetzeshistorisch ist dies wohl mit der ursprünglichen Ausrichtung des Anzeigepflichtsystems auf Anlagemodelle zu erklären (siehe oben, S. 6); die neue Frist erfasst nunmehr auch diejenigen Personen, die im Prozess der Entwicklung einer Steuergestaltung steuerlich beratend tätig werden. 180 Vgl. Treas. Reg. § 301.6111-3 (d) (1) und (c) (5) i. V. m. Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (4); siehe oben, Fn. 130, zu den Kriterien dazu, wann eine solche Ähnlichkeit anzunehmen ist (substantially similar transaction). 181 Treas. Reg. § 301.6111-3 (d) (1).
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eines von ihnen bestimmen.182 Dieser hat der Anzeigepflicht dann zu dem Zeitpunkt nachzukommen, zu dem bei getrenntem Vorgehen der erste der beteiligten Berater die Gestaltung hätte anzeigen müssen. Kommt der zur Anzeige Bestimmte seiner Verpflichtung nicht rechtzeitig nach, so lebt die Anzeigepflicht der anderen wieder auf.183 d) Optionen bei Unsicherheit über Anzeigepflicht Bei Unsicherheit darüber, ob eine Gestaltung anzeigepflichtig ist, sind zwei Verfahren vorgesehen: Zum einen kann eine Anzeige unter Vorbehalt abgeben werden (protective disclosure).184 Alternativ können die Berater eine verbindliche Auskunft (request for ruling) zu der Frage beantragen, ob die Gestaltung anzeigepflichtig ist.185 Beide Verfahren enthalten im Regelfall keine ________________________ 182 Sog. designation agreement (vgl. Treas. Reg. § 301.6111-3 (f) i. V. m. § 6111 (c) (1) IRC); die frühere zusätzliche Voraussetzung, dass der zur gemeinsamen Anzeige bestimmte Berater in den USA ansässig ist und maßgeblich an der Entwicklung der Gestaltung beteiligt ist, findet sich in den heutigen Richtlinien nicht mehr (vgl. aber Treas. Reg. § 301.6111-1T (1984), Antwort 38 i. V. m. Notice 2004-80). 183 Entgegen der früheren Rechtslage hängt damit das Wiederaufleben der Anzeigepflicht nicht davon ab, dass die anderen Berater wissen oder wissen müssten, dass der zur gemeinsamen Anzeige Bestimmte seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist (vgl. Treas. Reg. § 301.6111-1T (1984), Antwort 39 i. V. m. Notice 2004-80); die Bedeutung der schriftlichen Vereinbarung kann dann aber im Rahmen der Rechtfertigung gegen Bußgelder relevant sein. 184 Treas. Reg. § 301.6111-3 (g); die Anzeige unter Vorbehalt weicht hinsichtlich der Anforderungen an Inhalt und Frist sowie der Behandlung durch den IRS nicht von einer gewöhnlichen Anzeige ab; Vorteile hat die Anzeige unter Vorbehalt allerdings im Zusammenhang mit der Anforderung der Unterlagen der steuerlichen Rechnungslegung zu latenten Steuern (tax accrual workpapers; siehe hierzu ausführlicher unten, S. 58); wird nämlich im Zusammenhang einer möglichen Kataloggestaltung mit angenommener Missbräuchlichkeit lediglich eine Anzeige unter Vorbehalt abgegeben, so werden diese Unterlagen nicht automatisch, sondern lediglich dann angefordert, wenn der IRS selbst zu der Überzeugung gelangt ist, es handele sich tatsächlich um eine solche Kataloggestaltung (vgl. Frage 2 der Tax Accrual Workpapers Frequently Asked Questions v. 24.4.2007, abrufbar unter www.irs.gov/businesses/corporations/article/ 0,,id=146242,00.html). 185 Treas. Reg. § 301.6111-3 (h); enthält schon der Antrag auf verbindliche Auskunft alle auch bei der eigentlichen Anzeige der Gestaltung mitzuteilenden Tatsachen, so liegt es im Ermessen des IRS, bei Bejahung der Anzeigepflicht zugleich festzustellen, dass mit dem Antrag der Anzeigepflicht selbst bereits genügt wurde; abweichend von früheren Richtlinienversionen ist nunmehr allerdings vorgesehen, dass selbst bei vollständiger Mitteilung aller auch bei der eigentlichen Anzeige der Gestaltung mitzuteilender Tatsachen die Frist für die Anzeige keiner Ablaufhemmung bis zur Entscheidung über den Antrag auf verbindliche Auskunft unterliegt (vgl. Treas. Reg. § 301.6111-2 (b) (5) (2003) sowie Notice 2005-22 zur Rechtslage vor den Änderungen durch TD 9295 v. 2.11.2006, 71 FR 64458; als Grund für diese Änderung wurde vom IRS lediglich
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Besserstellung gegenüber der ordentlichen Anzeige auf Form 8918. Es kann daher nicht überraschen, dass in der Praxis bei Unsicherheit darüber, ob eine Gestaltung anzeigepflichtig ist, im Zweifel eine ordentliche Anzeige abgegeben wird.186 e) Registriernummern des IRS Der IRS teilt angezeigten Gestaltungen eine Registriernummer (reportable transaction number187) zu.188 Ausdrücklich stellt der IRS fest, dass die Zuteilung der Nummer keine Aussage dazu enthält, dass die Gestaltung materiellrechtlich geprüft oder gar anerkannt wurde, oder auch nur, dass den Anzeigepflichten vollständig nachgekommen wurde.189 Die Registriernummer muss der anzeigende Berater an die Steuerpflichtigen sowie gegebenenfalls andere Berater, denen gegenüber er eine Stellungnahme zur steuerlichen Struktur im oben beschriebenen Sinne abgibt, weiterleiten. Dafür gilt eine Frist von 60 Kalendertagen nach Zuteilung der Registriernummer durch den IRS. Liegt die Registriernummer bereits vor, weil die Anzeige anlässlich der Umsetzung der Gestaltung bei einem anderen Steuerpflichtigen erfolgte, so muss die Nummer dem sich neu beteiligenden Steuerpflichtigen bis zu Beginn der Umsetzung der Gestaltung bei diesem weitergeleitet werden.190 Von den Steuerpflichtigen ist die Registriernummer wiederum bei deren Anzeige anzugeben.191 3. Dokumentierungspflicht der wesentlichen Berater Neben der eben dargestellten Anzeigepflicht trifft wesentliche Berater auch eine Pflicht zur Dokumentierung anzeigepflichtiger Gestaltungen und der an ihr beteiligten Personen (list maintenance).192 ________________________
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allgemein auf eine dadurch ermöglichte Effizienzsteigerung im Anzeigepflichtsystem verwiesen (vgl. 71 FR 64458, 64459, sowie 71 FR 64496, 64497 f.). Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 179; lediglich bei Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit ist wegen der Auswirkungen auf die Anforderung der tax accrual workpapers (siehe Fn. 184) die Abgabe von Anzeigen unter Vorbehalt häufiger anzutreffen. Entsprechend dem ursprünglichen sachlichen Anwendungsbereich der Anzeigepflicht (hierzu oben, S. 6) wurden auch die Registriernummern zunächst als tax shelter identification number bezeichnet. Treas. Reg. § 301.6111-3 (d) (2). Treas. Reg. § 301.6111-3 (d) (2). Treas. Reg. § 301.6111-3 (d) (2). Treas. Reg. § 1.6011-4 (d) a. E.; zur Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen siehe unten, S. 44 ff. § 6112 IRC; Treas. Reg. § 301.6111-1; diese Dokumentierungspflicht gilt unabhängig davon, ob der wesentliche Berater auch konkret anzeigepflichtig war (vgl. § 6112 (a) a. A. IRC); bei Kataloggestaltungen hat die Dokumentierung – ebenso wie die Anzeige selbst – auch dann zu erfolgen, wenn die Gestaltung erst nach der Tätigkeit des Bera-
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a) Inhalt der Dokumentierungspflicht Die Dokumentation kann auf Form 13976, aber auch formlos erstellt werden.193 In ihr ist insbesondere die Identität aller an der Gestaltung beteiligter Steuerpflichtigen, gegenüber denen der Berater eine Stellungnahme zur steuerlichen Struktur der Gestaltung abgegeben hat, offen zu legen.194 Falls bekannt, sind auch der Zeitpunkt der Umsetzung der Gestaltung bei den einzelnen Steuerpflichtigen sowie der von ihnen investierte Betrag anzugeben. Es ist ferner aufzulisten, welche steuerlichen Auswirkungen bei den einzelnen Steuerpflichtigen erwartet werden. Schließlich sind alle anderen dem dokumentierenden Berater bekannten wesentlichen Berater anzugeben.195 Neben diesen Angaben zu den an der Gestaltung Beteiligten muss die Dokumentation auch eine detaillierte Beschreibung der steuerlichen Struktur und der insgesamt aus der Gestaltung zu erwartenden steuerlichen Folgen enthalten.196 In die Dokumentation über die anzeigepflichtige Gestaltung sind schließlich auch Kopien derjenigen Dokumente aufzunehmen, die der Berater gegenüber Steuerpflichtigen verwendet hat und die für ein Verständnis der steuerlichen Struktur bedeutsam sind. Hierbei ist insbesondere an zu der Gestaltung erstellte Steuergutachten zu denken.197 b) Aufbewahrungs- und Vorlagepflicht Die gesamte Dokumentation ist vom wesentlichen Berater für sieben Jahre nach dessen letzter Stellungnahme zur steuerlichen Struktur der Gestaltung oder, falls kürzer, für sieben Jahre nach der letzten Beteiligung eines Steuerpflichtigen an der Gestaltung, die mit Kenntnis des Beraters erfolgte, aufzubewahren (retention of lists).198 Nach Aufforderung durch den IRS ist die Dokumentation diesem regelmäßig innerhalb von 20 Werktagen zu übermit________________________
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ters bzw. erst nach der Umsetzung beim Steuerpflichtigen in den Katalog aufgenommen wurde; lediglich im Hinblick auf diejenigen Steuerpflichtigen, die mit der Umsetzung der Gestaltung bereits früher als sechs Jahre vor der Aufnahme der Gestaltung in den jeweiligen Katalog begonnen haben, besteht keine Dokumentierungspflicht (vgl. Treas. Reg. § 301.6112-1 (b) (2)). Vgl. Revenue Procedure 2008-20 v. 19.5.2008, 2008-20 IRB; Form 13976 ist abrufbar unter www.irs.gov/pub/irs-pdf/f13976.pdf. Treas. Reg. § 301.6112-1 (b) (3) (i) (B) i. V. m. (2); früher mussten zudem auch Steuerpflichtige, denen gegenüber der Berater keine steuerliche Stellungnahme abgegeben hat, von deren Beteiligung er aber wusste, angegeben werden (vgl. Treas. Reg. § 301.6112-1 (e) (2) (ii) und (iii) (2003)). Treas. Reg. § 301.6112-1 (b) (3) (i) (C) bis (F). Treas. Reg. § 301.6112-1 (b) (3) (ii); insofern decken sich die Dokumentierungserfordernisse mit den Anforderungen an eine Anzeige (siehe hierzu oben, S. 34). Treas. Reg. § 301.6112-1 (b) (3) (iii) (B). Treas. Reg. § 301.6112-1 (d).
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teln (furnishing of lists).199 Nach Richtlinienentwürfen v. 11.9.2009 soll dieser Vorlagefrist eine Frist von 30 Kalendertagen zur Erstellung der Dokumentation vorgeschaltet sein.200 c) Vermeidung einer doppelten Dokumentierungspflicht Auch in Bezug auf die Dokumentierungspflicht besteht die Möglichkeit einer schriftlichen Vereinbarung unter mehreren Beratern, nach der nur einer von ihnen die Dokumentierung für alle durchführt.201 Von der Verpflichtung, die Dokumentation nach Aufforderung des IRS vorzulegen, kann eine solche Vereinbarung aber in keinem Fall befreien.202 Ein Verweis darauf, dass die Dokumentation entgegen der Vereinbarung nicht oder nicht vollständig geführt wurde, entlastet die anderen Berater demnach nicht.203 d) Berufsgeheimnis von Anwälten und steuerlichen Beratern Im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Identifizierung der beteiligten Steuerpflichtigen sowie zur Vorlage von Kopien der Steuergutachten und anderer Dokumente aus dem Verhältnis zwischen Berater und Steuerpflichtigen drängt sich die Frage der Vereinbarkeit mit dem auch in den USA204 geschützten berufsbezogenen Vertrauensverhältnis auf.205 aa) Reichweite des berufsbezogenen Vertrauensschutzes Der Schutz des anwaltlichen Berufsgeheimnisses (attorney-client privilege) basiert auf US common law.206 Geschützt sind Mitteilungen, die von einem ________________________ 199 Treas. Reg. § 301.6112-1 (e) (1) i. V. m. § 6708 (a) (1) IRC; es soll dem IRS aber auch möglich sein, je nach Umfang der Dokumentation längere Fristen zur Vorlage zu gewähren (vgl. TD 9352 v. 3.8.2007, 72 FR 43154, 43155). 200 Vgl. Prop. Reg. § 301.6012-1 (b) (1) i. d. F. v. REG 136563-07 v. 11.9.2009, 74 FR 46705-01. 201 Treas. Reg. § 301.6112-1 (f); auch diese Vereinbarung ist dann in die Dokumentation aufzunehmen (vgl. Treas. Reg. § 301.6112-1 (b) (3) (iii) (A)). 202 Treas. Reg. § 301.6112-1 (f), sowie 71 FR 64501, 64502. 203 Treas. Reg. § 301.6112-1 (f). 204 Siehe zur Problematik in Großbritannien unten, S. 103 ff., sowie zu den deutschen verfassungsrechtlichen Vorgaben unten, S. 353 ff. 205 Hingegen ergeben sich im Hinblick auf die Anzeigepflicht keine Probleme, werden doch dort keine Informationen oder Dokumente aus dem Verhältnis zum Mandanten abgefragt; allein bei der Dokumentierungspflicht sah auch der IRS die Notwendigkeit zu Regelungen zum Vertrauensschutz (vgl. Treas. Reg. § 301.6112-1 (e) (2), sowie zuvor Treas. Reg. § 301.6112-1 (g) (2) (2003)). 206 Das anwaltliche Berufsgeheimnis ist dabei aber zurückhaltend auszulegen, stellt es doch eine Beschränkung der Wahrheitsfindung dar (vgl. United States v. Textron, US District Court, District of Rhode Island v. 28.8.2007, 507 F.Supp.2d 138, 146); die Beweislast trägt der sich auf das anwaltliche Berufsgeheimnis Berufende (vgl. United
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Mandanten gegenüber seinem Anwalt im Zusammenhang mit dem Ersuchen um Rechtsrat vertraulich erfolgt sind.207 Daneben sind aber auch vom Rechtsanwalt in Vorbereitung auf ein gerichtliches Verfahren seines Mandanten erstellte Dokumente geschützt (attorney work-product doctrine).208 Dieser Schutz, der nach common law nur Rechtsanwälte erfasst, wird formalgesetzlich ausgedehnt auch auf das Verhältnis zwischen Steuerpflichtigen und anderen nach US-Bundesrecht zur steuerlichen Beratung zugelassenen Personen, wie etwa Wirtschaftsprüfern (federally authorized tax practitioners).209 Der Schutzumfang ist dabei nicht weiter als im Rahmen des attorney-client privilege.210 Diese Ausdehnung des berufsbezogenen Vertrauensschutzes gilt allerdings von vornherein nicht für die steuerliche Beratung in Bezug auf tax shelter, wobei umstritten ist, ob jegliche unterstützende steuerliche Beratung in diesem Kontext211 oder lediglich die Beteiligung an der aktiven Vermark-
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States v. J. Evans, US Court of Appeals v. 6.5.1997, 113 F.3d 1457, 1461 (7th Cir. 1997) m. w. N.); nicht erfasst sind Tätigkeiten des Anwalts, bei denen dieser nicht als Rechtsratgeber handelt, wie etwa bei der Erstellung von Steuererklärungen (vgl. United States v. Lawless, US Court of Appeals v. 10.6.1983, 709 F.2d 485, 487 f. (7th Cir. 1983) m. w. N.; United States v. Frederick, US Court of Appeals v. 15.4.1999, 182 F.3d 496, 500 (7th Cir. 1999)). United States v. J. Evans, US Court of Appeals v. 6.5.1997, 113 F.3d 1457, 1461 (7th Cir. 1997) m. w. N. United States v. Deloitte LLP, No. 09-5171, D.D.C. v. 29.6.2010 (hierzu Coder, 129 Tax Notes (2010), 9); Regions Financial Corporation v. United States, US District Court, N.D. Alabama v. 8.5.2008, 2008 WL 2139008; United States v. KPMG LLP, US District Court, District of Columbia v. 20.12.2002, 237 F.Supp.2d 35, 40 f. (D.D.C. 2002) m. w. N.; United States v. Frederick, US Court of Appeals v. 15.4.1999, 182 F.3d 496, 500 (7th Cir. 1999). § 7525 IRC; ebenso wie Rechtsanwälte sind etwa auch Wirtschaftsprüfer zur Verschwiegenheit verpflichtet (vgl. Rule 1.6 der ABA Model Rules of Professional Conduct einerseits und Rule 301 des American Institute of Certified Public Accountants Code andererseits). Smith, in: Mertens, Law of Federal Income Taxation, § 47, Tz. 135; Valero Energy Corp. v. United States, US District Court, Northern District of Illinois v. 1.8.2008, Case No. 06 C 6730, bestätigt durch US Court of Appeals v. 17.6.2009, No. 08-3473 (7th Cir. 2009; kritisch hierzu Sawyko, 64 Tax Lawyer (2011), 519. So United States v. KPMG LLP, US District Court, District of Columbia v. 4.5.2004, 316 F.Supp.2d 30, 43 (D.D.C. 2004); Valero Energy Corp. v. United States, US District Court, Northern District of Illinois v. 1.8.2008, Case No. 06 C 6730; bestätigt durch US Court of Appeals v. 17.6.2009, No. 08-3473 (7th Cir. 2009); hierzu Coder, 123 Tax Notes (2009), 1399; zum Teil wird dieser Auffassung folgend für weite Bereiche der Steuerplanung von vornherein ein berufsbezogener Vertrauensschutz bei Beratern, die nicht Rechtsanwälte sind, ausgeschlossen (etwa Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 206).
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tung eines tax shelter212 ausgeschlossen ist. Ein solcher tax shelter wird dann angenommen, wenn bei einer Steuergestaltung die Steuervermeidung oder Steuerhinterziehung eine wesentliche Zwecksetzung darstellt.213 bb) Konflikt mit den Dokumentierungspflichten (1) Identifizierung der beteiligten Steuerpflichtigen Der IRS fordert ungeachtet des berufsbezogenen Vertrauensschutzes die Identifizierung der an den anzeigepflichtigen Gestaltungen beteiligten Steuerpflichtigen in der Dokumentation.214 Obwohl hiermit nicht nur bekannt wird, wen der Berufsträger berät, sondern auch zu welcher Gestaltung, sehen auch die Gerichte keinen Konflikt zum berufsbezogenen Vertrauensschutz.215 Das be________________________ 212 So United States v. Textron, US District Court, District of Rhode Island v. 28.8.2007, 507 F.Supp.2d 138, 148 mit wortlautgestützten („promotion of the direct or indirect participation of the person in any tax shelter“) und gesetzeshistorischen Argumenten; aufgehoben aus anderen Gründen durch US Court of Appeals v. 13.8.2009, 577 F.3d 21 (1st Cir. 2009). 213 § 7525 (b) (2) i. V. m. § 6662 (d) (2) (C) (ii) IRC: „A partnership or other entity, any investment plan or arrangement or any other plan or arrangement if a significant purpose of such partnership, entity, plan, or arrangement is the avoidance or evasion of Federal income tax“; ein solcher tax shelter wird heute häufiger als früher angenommen: bis 1997 musste Steuervermeidung- oder hinterziehung nämlich nicht nur eine wesentliche Zielsetzung (significant purpose) sein, sondern vielmehr die maßgebliche Zielsetzung (principal purpose) der Gestaltung darstellen; die Ausnahme vom berufsbezogenen Vertrauensverhältnis galt bei solchen Gestaltungen zudem bis 2004 lediglich gegenüber Körperschaften (vgl. § 7525 (b) IRC a. F.), nicht also wie jetzt gegenüber allen Steuerpflichtigen; der genaue Umfang des Kriteriums der Steuervermeidung als wesentliche Zwecksetzung ist zum Teil noch ungeklärt; fraglich ist insbesondere, ob eine wesentliche Zielsetzung zur Steuervermeidung auch dann vorliegt, wenn die Intention Steuern zu sparen nicht mit dem Willen des Gesetzgebers konfligiert (zur früheren Version des principal purpose so noch Treas. Reg. § 1.6662-4 (g) (2) (ii) (2003)); die praktische Handhabbarkeit dieses Merkmals ist zudem äußerst fraglich (zur Kritik stellvertretend Blattmachr/Gans/u. a., 107 Tax Notes (2005), 1533, 1540). 214 Ausdrücklich Treas. Reg. § 301.6112-1T (e) (3) (ii) (2002), Treas. Reg. § 301.6112-1 (g) (2) (i) (2003), TD 9018 v. 22.10.2002, 67 FR 64807, 64808, sowie TD 9046 v. 4.3.2003, 68 FR 10161, 10163; die neue Richtlinienfassung enthält nicht einmal eine Aussage zu einem möglichen Konflikt mit dem berufsbezogenen Vertrauensschutz (Treas. Reg. § 301.6112-1 i. d. F. v. REG-103038 v. 2.11.2006 sowie TD 9352 v. 3.8.2007, 72 FR 43156). 215 United States v. BDO Seidman, US Court of Appeals v. 23.7.2003, 337 F.3d 802 (7th Cir. 2003); dem ausdrücklich folgend United States v. Arthur Andersen LLP, US District Court, N.D. Illinois v. 15.8.2003, 2003 WL 21956404 (N.D.Ill. 2003) (mit dieser Entscheidung ändert das Gericht seine anderslautende frühere Entscheidung ab, vgl. United States v. Arthur Andersen LLP, US District Court, N.D. Illinois v. 2.7.2003, 273 F.Supp.2d 955 (N.D.Ill. 2003)); Doe v. KPMG LLP, US District Court, N.D. Texas v. 12.4.2004, 325 F.Supp.2d 746 (N.D.Tex. 2004); United States v.
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rufsbezogene Vertrauensverhältnis schütze grundsätzlich nicht vor der Preisgabe der Identität des Steuerpflichtigen, sondern lediglich die Kommunikation zwischen Berufsträger und Steuerpflichtigem.216 Eine Ausnahme gelte lediglich für die seltenen Fälle, in denen bereits so viel über die geschützte Kommunikation bekannt geworden ist, dass allein die Identifizierung des Mandanten genügt, um die Kommunikation offen zu legen.217 Mit der Identifizierung der beteiligten Steuerpflichtigen im Rahmen der Dokumentierungspflichten werde allerdings lediglich die Beteiligung an einer bestimmten Steuergestaltung offenbart, nicht aber der Inhalt einer Kommunikation mit dem Berufsträger, etwa über die Motivation des Steuerpflichtigen zur Beteiligung an der Gestaltung.218 Noch grundlegender wird zum Teil bereits die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Steuerpflichtigem und Berufsträger in Frage gestellt. In Anbetracht der gesetzlichen Anordnung der Dokumentierungspflicht in § 6112 IRC könne der Steuerpflichtige nicht darauf vertrauen, seine Beteiligung werde nicht offenbart.219 ________________________
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Jenkens & Gilchrist, US District Court, N.D. Illinois v. 20.4.2004, 2004 WL 870824 (N.D.Ill. 2004); United States v. KPMG LLP, US District Court, District of Columbia v. 4.5.2004, 316 F.Supp.2d 30 (D.D.C. 2004). United States v. BDO Seidman, US Court of Appeals v. 23.7.2003, 337 F.3d 802, 811 (7th Cir. 2003) m. w. N.; Doe v. KPMG LLP, US District Court, N.D. Texas v. 12.4.2004, 325 F.Supp.2d 746, 752 (N.D.Tex. 2004); United States v. Jenkens & Gilchrist, US District Court, N.D. Illinois v. 20.4.2004, 2004 WL 870824 (N.D.Ill. 2004). United States v. BDO Seidman, US Court of Appeals v. 23.7.2003, 337 F.3d 802, 811 f. (7th Cir. 2003) m. w. N.; United States v. Arthur Andersen LLP, US District Court, N.D. Illinois, Eastern Division v. 2.7.2003, 273 F.Supp.2d 955, 958 f. (N.D.Ill. 2003). United States v. BDO Seidman, US Court of Appeals v. 23.7.2003, 337 F.3d 802, 812 (7th Cir. 2003); Doe v. KPMG LLP, US District Court, N.D. Texas v. 12.4.2004, 325 F.Supp.2d 746, 752 f. (N.D.Tex. 2004); aufgedeckt werde daneben zwar auch die Motivation, ein steuerlich vorteilhaftes Steuergestaltungsmodell umzusetzen; dies sei allerdings unbeachtlich, da diese Motivation ohnehin nahezu alle extern beratenen Steuerpflichtigen teilten (so Doe v. KPMG LLP, US District Court, N.D. Texas v. 12.4.2004, 325 F.Supp.2d 746, 753 (N.D.Tex. 2004). United States v. BDO Seidman, US Court of Appeals v. 23.7.2003, 337 F.3d 802, 812 (7th Cir. 2003); Doe v. KPMG LLP, US District Court, N.D. Texas v. 12.4.2004, 325 F.Supp.2d 746, 753 f. (N.D.Tex. 2004); variiert wird dieses Argument auch in Bezug auf Berater, die gleichzeitig die Steuererklärung der Steuerpflichtigen erstellen, verwendet: Hier scheide eine insofern vertrauliche Kommunikation über die Gestaltung von vornherein aus, da mit der Offenlegung der Beteiligung des Steuerpflichtigen an der Gestaltung in der Steuererklärung gerechnet werden müsse (so Doe v. KPMG LLP, US District Court, N.D. Texas v. 12.4.2004, 325 F.Supp.2d 746, 753 (N.D.Tex. 2004); zurückhaltender noch United States v. Arthur Andersen LLP, US District Court, N.D. Illinois v. 2.7.2003, 273 F.Supp.2d 955, 958 (N.D.Ill. 2003)).
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(2) Herausgabe von Dokumenten Auch für die Verpflichtung zur Herausgabe von Dokumenten sehen die Richtlinien in ihrer aktuellen Fassung220 vor, dass dieser ungeachtet des Berufsgeheimnisschutzes nachzukommen ist.221 Der genaue Umfang des Berufsgeheimnisschutzes ist in diesem Zusammenhang allerdings noch ungeklärt. Unstreitig ist, dass Steuergutachten und sonstige Unterlagen, die keine vertraulich dem Berufsträger kommunizierten Informationen enthalten, lediglich unter Zuhilfenahme der work-product doctrine geschützt sein könnten.222 Nach einem Teil der Rechtsprechung findet eben diese work-product doctrine aber keine Anwendung, da es bei der Erstellung von Steuergutachten nicht um die Vorbereitung eines Gerichtsverfahrens gehe.223 Noch weitergehend wird argumentiert, dass viele Gutachten schon gar nicht Zwecken der Rechtsberatung dienten, sondern maßgeblich zum Zwecke des Vertriebs und Marketings ________________________ 220 In früheren Richtlinienfassung hatte der IRS zumindest anerkannt, dass es in Einzelfällen Konflikte geben könne (vgl. TD 9046 v. 4.3.2003, 68 FR 10161, 10163; REG-103043-05 v. 2.11.2006, 71 FR 64501, 64502); entsprechend war die Möglichkeit eröffnet, bei der Aufforderung zur Vorlage der Dokumentation den Einwand des Berufsgeheimnisschutzes (claim of privilege) geltend zu machen (vgl. Treas. Reg. § 301.6112-1 (g) (2) (2003); danach hatte der Berater eine eidesstattlich versicherte Stellungnahme abzugeben, in der er jedes Dokument, für das er den Einwand geltend machte, so detailliert zu beschreiben hatte, dass dem IRS die Beurteilung der Anwendung des Vertraulichkeitsprivilegs möglich war, ohne dass die vertrauliche Information selbst offenbart wurde; eine Begründung des IRS zur nunmehr strengeren Handhabung ist nicht ersichtlich; offenbar reagiert der IRS damit aber auf die äußert zurückhaltende Anwendung des berufsbezogenen Vertrauensschutzes durch die Gerichte in den vorangegangenen Jahren (zu dieser Entwicklung der Rechtsprechung etwa der ehemalige IRS Commissioner Mark W. Everson vor dem National Press Club in Washington, DC (vgl. IRS News Release IR-2005-30 v. 15.3.2005), sowie Bankman, 57 National Tax Journal (2004), 925, 929). 221 Treas. Reg. § 301.6112-1 (e) (2) i. d. F. v. REG-103038-05 v. 2.11.2006, 71 FR 64488, 64490; TD 9352 v. 3.8.2007, 72 FR 43156. 222 United States v. KPMG LLP, US District Court, District of Columbia v. 4.5.2004, 316 F.Supp.2d 30, 42 (D.D.C. 2004); United States v. Textron, US Court of Appeals v. 13.8.2009, 577 F.3d 21 (1st Cir. 2009). 223 United States v. KPMG LLP, US District Court, District of Columbia v. 20.12.2002, 237 F.Supp.2d 35, 44 (D.D.C. 2002); bei der Erstellung von Steuergutachten handle es sich im Regelfall vielmehr um die Vorbereitung einer Steuererklärung, da die Gutachten zur Untermauerung der Angaben in der Steuererklärung erstellt würden; diese Tätigkeit sei aber vom berufsbezogenen Vertrauensschutz generell nicht erfasst (vgl. United States v. KPMG LLP, US District Court, District of Columbia v. 4.5.2004, 316 F.Supp.2d 30, 42 (D.D.C. 2004); United States v. KPMG LLP, US District Court, District of Columbia v. 20.12.2002, 237 F.Supp.2d 35, 39 ff. (D.D.C. 2002); hierzu auch bereits oben, Fn. 206); vergleichbar nun auch United States v. Textron, US Court of Appeals v. 13.8.2009, 577 F.3d 21 (1st Cir. 2009), für die Erstellung von tax accrual work papers (zu diesen unten, S. 58 f.).
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von Steuergestaltungsmodellen erstellt würden.224 Andere Entscheidungen betonen hingegen, dass es bei Steuergutachten im Regelfall zumindest auch um die Vorbereitung eines eventuellen Steuerstreitverfahrens gehe und der Schutz durch die work-product doctrine damit eröffnet sei.225 Unklar ist daneben, wann bei einer Weitergabe der betreffenden Unterlagen an Dritte, etwa an Wirtschaftsprüfer, von einem Verzicht auf den Vertraulichkeitsschutz auszugehen ist.226 Ob sich der IRS mit seiner strengen Haltung, wonach der Dokumentierungspflicht ohne Rücksicht auf berufsbezogenen Vertrauensschutz nachzukommen ist, letztlich durchsetzen wird, bleibt vor dem Hintergrund der noch in mehrerlei Hinsicht unklaren Rechtslage abzuwarten.227
II. Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen Wie im geschichtlichen Überblick dargestellt,228 wandelte sich die Rolle der Steuerpflichtigen seit der Einführung des Anzeigepflichtsystems 1984 grundlegend.229 Während die Steuerpflichtigen zunächst lediglich einer Mitwir________________________ 224 United States v. KPMG LLP, US District Court, District of Columbia v. 4.5.2004, 316 F.Supp.2d 30, 37 ff. und 42 (D.D.C. 2004). 225 Regions Financial Corporation v. United States, US District Court, N.D. Alabama v. 8.5.2008, 2008 WL 2139008, S. 9, sowie United States v. Textron, US District Court, District of Rhode Island v. 28.8.2007, 507 F.Supp.2d 138, 150, aufgehoben durch US Court of Appeals v. 13.8.2009, 577 F.3d 21 (1st Cir. 2009). 226 Weitgehend nehmen etwa Cavallaro v. United States, US Court of Appeals v. 1.4.2002, 284 F.3d 236 (1st Cir.), sowie United States v. KPMG LLP, US District Court, District of Columbia v. 4.5.2004, 316 F.Supp.2d 30, 42 (D.D.C. 2004), in solchen Situationen einen Verzicht auf den Vertraulichkeitsschutz an; zurückhaltender aber etwa Regions Financial Corporation v. United States, US District Court, N.D. Alabama v. 8.5.2008, 2008 WL 2139008, 9 f., oder United States v. Textron, US District Court, District of Rhode Island v. 28.8.2007, 507 F.Supp.2d 138, 152 f. (aufgehoben aus anderen Gründen durch US Court of Appeals v. 13.8.2009, 577 F.3d 21 (1st Cir. 2009)), mit der am konkreten Fall ausgerichteten Analyse, ob die Dokumente die weitere Sphäre des Steuerpflichtigen verlassen haben, und ob sich durch die Weitergabe das Risiko der Kenntnisnahme durch den IRS oder einen anderen potentiellen Verfahrensgegner erhöht hat. 227 Auch die Literatur ist hier nicht einheitlich; für einen weitergehenden Schutz durch das berufsbezogene Vertrauensverhältnis etwa Golodny, 61 Tax Lawyer (2008), 621; kritisch hingegen Ventry, 120 Tax Notes (2008), 857, ders., 123 Tax Notes (2009), 875, 857, sowie Johnson, 124 Tax Notes (2009), 155. 228 Siehe oben, ab S. 8. 229 An der gesetzlichen Grundlage im Internal Revenue Code wurden dabei keine Änderungen vorgenommen; die Neuausrichtung der Regelungen vollzog sich allein im Rahmen von Ausführungsrichtlinien; § 6011 (a) IRC ermächtigte den IRS bereits lange vor der Einführung und unabhängig von den Grundgedanken des Anzeigepflichtsystems für Steuergestaltungen dazu, ergänzende Erklärungspflichten für Steuerpflichtige festzulegen; diese Norm ist auch systematisch losgelöst von den 1984 eingeführten §§ 6111 und 6112 IRC, welche die Anzeigepflicht der externen Berater regeln.
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kungspflicht insofern unterlagen, als sie auf ihre Beteiligung an von Beratern angezeigten Gestaltungen durch Angabe der zugeteilten Registriernummer auf einer Anlage zu ihrer Jahressteuererklärung hinweisen mussten, wurden im Jahr 2000 zunächst C corporations und zwei Jahre später auch alle übrigen Steuerpflichtigen selbst anzeigepflichtig. Damit trat die Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen (taxpayer disclosure) neben die Anzeigepflicht der externen Berater. 1. Persönlicher Umfang der Anzeigepflicht a) Allgemeine Grundsätze Anzeigepflichtig sind Steuerpflichtige, die sich an anzeigepflichtigen Gestaltungen beteiligen. Maßstab für die Beteiligung ist dabei grundsätzlich, dass die Steuererklärung steuerliche Vorteile aus der betreffenden Gestaltung widerspiegelt.230 Der Begriff des steuerlichen Vorteils ist dabei weit zu verstehen; ein solcher liegt immer dann vor, wenn die Gestaltung zu einer Minderung oder Verzögerung der Steuerbelastung führt.231 Bei Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit (listed transactions) ist die Anzeigepflicht auf Beteiligte erweitert, die selbst keine steuerlichen Vorteile232 oder nur
________________________ 230 Die Ausführungsrichtlinien enthalten detaillierte Regelungen zum persönlichen Umfang der Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen jeweils getrennt für jede Fallgruppe der anzeigepflichtigen Gestaltungen (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (1) bis (3) und (7)). Weitere Anforderungen ergeben sich dabei aus der Natur der jeweiligen Fallgruppe: So muss bei vertraulichen Gestaltungen die Vertraulichkeitsauflage gerade gegenüber dem betroffenen Steuerpflichtigen bestehen (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (3) (i) (B) sowie (ii) Beispielsfall 2); bei Gestaltungen mit Erfolgsgarantie muss gerade der betroffene Steuerpflichtige begünstigt sein (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (3) (i) (C)); bei Verlustgestaltungen müssen die Grenzwerte gerade beim betroffenen Steuerpflichtigen erreicht sein (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (3) (i) (D) sowie (ii) Beispielsfall 3); bei Gestaltungen mit kurzer Haltezeit von Vermögensgegenständen musste gerade der betroffene Steuerpflichtige eine Steuerermäßigung von über 250.000 US$ erlangt haben (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (3) (i) (F) a. F.). 231 Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (6): „A tax benefit includes deductions, exclusions from gross income, non-recognition of gain, tax credits, adjustments (or the absence of adjustments) to the basis of property, status as an entity exempt from Federal income taxation, and any other tax consequences that may reduce a taxpayer’s Federal income tax liability by affecting the amount, timing, character, or source of any item of income, gain, expense, loss, or credit.“ 232 Anzeigepflichtig sind hier nämlich auch Steuerpflichtige, deren Steuererklärung zwar nicht steuerliche Vorteile, allerdings doch die steuerliche Gestaltung als solche widerspiegelt; damit sind etwa Veräußerer eines Vermögensgegenstandes in Gestaltungen, in denen der Erwerber einen steuerlichen Vorteil erzielt, erfasst (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (3) (i) (A) und (ii) Beispielsfall 1).
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mittelbare steuerliche Vorteile233 aus der Gestaltung ziehen.234 Bei Kataloggestaltungen besteht zudem die Möglichkeit, den Kreis der Anzeigepflichtigen direkt in dem Verwaltungserlass zu bestimmen, mit dem die Aufnahme in den Katalog angeordnet wird.235 Eine generelle Ausnahme von der Anzeigepflicht gilt für bestimmte Investmentfonds.236 Weitere Ausnahmen können durch Erlass festgelegt werden.237 b) Besonderheiten bei Gesellschaften Bei den steuerlich grundsätzlich238 als transparent behandelten Personengesellschaften, S corporations und trusts kann sich eine doppelte Anzeigepflicht ergeben:239 Zunächst sind diese Gesellschaften selbst anzeigepflichtig, wenn sie im oben beschriebenen Sinne an einer anzeigepflichtigen Gestaltung beteiligt sind.240 Daneben können aber auch die einzelnen Gesellschafter einer ________________________ 233 Anzeigepflichtig sind nämlich auch Personen, die steuerliche Vorteile erzielen, von denen sie wissen oder wissen müssten, dass sie aus einer Kataloggestaltung herrühren; so sind etwa Gesellschaften anzeigepflichtig, in die ein Vermögensgegenstand eingebracht wird, dessen Buchwert den Teilwert wesentlich übersteigt, wenn dieser Zustand aus einer Kataloggestaltung herrührt (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (3) (i) (A) und (ii) Beispielsfall 1). 234 Etwa eine Bank, die lediglich als Fremdkapitalgeber an einer Gestaltung beteiligt ist und aus dieser keine steuerlichen Vorteile zieht, ist aber nicht anzeigepflichtig, da weder ihre Steuererklärung die steuerliche Struktur der Gestaltung widerspiegelt noch die Bank (mittelbar) aus der Gestaltung folgende steuerliche Vorteile zieht (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (3) (ii) Beispielsfall 1). 235 Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (3) (i) (A) bzw. (E). 236 Regulated investement companies (RIC) sind nur bei Kataloggestaltungen anzeigepflichtig (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (8) (ii) sowie § 851 IRC; Gleiches gilt für von solchen zu mindestens 95 Prozent gehaltene andere Investitionsvehikel); bei diesen Investmentfonds wird wegen ihrer Anlage- und Ausschüttungsstruktur sowie wegen der über sie bestehenden Aufsicht davon ausgegangen, dass sie grundsätzlich nicht in missbräuchliche Steuergestaltungsmodelle investieren. 237 Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (8) (i). 238 Werden diese Gesellschaften auf Antrag ausnahmsweise steuerlich als intransparent behandelt, so ist nur die Gesellschaft selbst anzeigepflichtig (vgl. das sog. check the box-Verfahren bei Personengesellschaften nach Treas. Reg. § 301.7701-3). 239 Siehe hierzu illustrierend Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (3) (ii) Beispielsfälle 2 und 3. 240 Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (1) i. V. m. § 7701 (a) (1) IRC; dabei können die gleichen allgemeinen Regeln des Widerspiegelns des steuerlichen Vorteils in der Steuererklärung angewendet werden; denn zwar werden diese Einheiten steuerlich als transparent behandelt (vgl. §§ 701 f. IRC für Personengesellschaften, § 1363 (a) und § 1366 IRC für S corporations, sowie § 671 IRC für trusts); nichtsdestotrotz sind sie aber generell steuererklärungspflichtig, müssen sie doch sogenannte information returns abgeben (zur Gleichstellung der information returns mit gewöhnlichen income tax returns vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (7); die Verpflichtung zur Abgabe ergibt sich aus § 6031 IRC für Personengesellschaften und aus § 6037 IRC für S corporations; ein informa-
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Personengesellschaft oder einer S corporation bzw. die Begünstigten eines trust anzeigepflichtig sein.241 Das ist dann der Fall, wenn (auch) in ihrer Person die Merkmale für die Beteiligung an der betreffenden Gestaltung erfüllt werden.242 Körperschaften, die keine S corporation sind, also C corporations sowie ausländische Körperschaften, werden auch in Bezug auf die Anzeigepflicht als nichttransparent behandelt. Daher sind deren Gesellschafter grundsätzlich nicht neben ihnen anzeigepflichtig.243 2. Inhalt der Anzeigepflicht Die Steuerpflichtigen haben ihrer Anzeigepflicht auf einem gesonderten Formblatt nachzukommen (Form 8886).244 Auf diesem zweiseitigen Formular245 ________________________
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tion return ähnelt der Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach deutschem Personengesellschaftsrecht (vgl. § 179 Abs. 2 S. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 lit. a AO)). Für diesen Fall sehen die Richtlinien eine Verlängerung der Berichtsfrist für Steuerpflichtige vor, wenn sie über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung auf Ebene der Gesellschaft und ihren Anteil daran mittels Schedule K-1 erst später informiert werden (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (e) (1)). Bei vertraulichen Gestaltungen muss die Vertraulichkeitsauflage auch gegenüber dem Gesellschafter bzw. Begünstigten bestehen (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (3) (i) (B)); bei Gestaltungen mit Erfolgsgarantie muss auch der betroffene Gesellschafter bzw. trust-Begünstigte einen Anspruch auf (teilweisen) Erlass bzw. (teilweise) Rückerstattung von Gebühren haben (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (3) (i) (C)); bei Verlustgestaltungen müssen die Grenzwerte auch noch gemessen am dem betroffenen Gesellschafter bzw. Begünstigten zugewiesenen Verlustanteil erreicht sein (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (3) (i) (D)); bei listed transactions und transactions of interest hängt die Anzeigepflicht von den oben dargestellten für diese Fallgruppen geltenden speziellen Regelungen ab. Etwas anderes gilt unter gewissen Umständen lediglich bei amerikanischen Steuerpflichtigen, die an ausländischen Zwischengesellschaften beteiligt sind (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (c) (3) (i) (G); dies ist bei Steuerpflichtigen der Fall, die zu mindestens 10 Prozent an einer ausländischen Zwischengesellschaft im Sinne der CFC-Regelungen (vgl. §§ 951 (b), 957, 7701 (a) (30) IRC) oder einem ausländischen qualified electing fund (vgl. § 1295 IRC) beteiligt sind; für die Frage der Anzeigepflicht wird hier aber anders als bei Personengesellschaften ausschließlich auf die ausländische Gesellschaft, nicht auch den Gesellschafter, abgestellt. Treas. Reg. § 1.6011-4 (d); abrufbar unter www.irs.gov/pub/irs-pdf/f8886.pdf; dabei ist für jede Gestaltung ein eigenes Formblatt zu verwenden; lediglich sich im Wesentlichen gleichende Gestaltungen können auf einem gemeinsamen Formblatt berichtet werden (vgl. die Anleitung zur Form 8886, abrufbar unter www.irs.gov/instructions/ i8886/ch01.html). Form 8886 enthält lediglich wenige Zeilen Raum für die Beantwortung der einzelnen Fragen; während die Möglichkeit zur Anfügung von Ergänzungsblättern besteht, sind deutlich über die beiden Seiten hinausgehende Berichte nicht erwünscht; bei der Ein-
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sind, sofern bereits erhalten, die Registriernummer246 mitzuteilen und die Fallgruppe(n), nach der bzw. denen die Gestaltung anzeigepflichtig ist, anzugeben. Die Gestaltung ist so genau zu beschreiben, dass sich ihre steuerliche Struktur für den IRS verständlich ergibt.247 Daneben werden Angaben zu bestimmten Personengruppen gefordert. Zum einen müssen diejenigen Personen, die gegenüber dem Steuerpflichtigen beratend oder die Gestaltung vermarktend aufgetreten sind, genannt werden. Dann, wenn der anzeigepflichtige Steuerpflichtige nicht unmittelbar, sondern über eine Personengesellschaft, eine S corporation, einen trust oder eine ausländische Zwischengesellschaft an der Gestaltung beteiligt ist, ist diese Gesellschaft zu identifizieren.248 Schließlich sind alle nicht steuerpflichtigen und alle steuerbefreiten Personen, die an der Gestaltung beteiligt sind, anzugeben. 3. Zeitliche Vorgaben Die Form 8886 ist in jedem Veranlagungszeitraum, für den sich steuerliche Auswirkungen aus der Gestaltung ergeben, auszufüllen und einzureichen.249 Sie ist der Jahressteuererklärung im Anhang beizufügen.250 Die Abgabefrist entspricht damit den allgemeinen Erklärungsfristen.251 Neben diesem jährlichen Bericht gegenüber dem veranlagenden Finanzamt hat der Steuerpflichtige bei erstmaliger Abgabe der Form 8886 eine Kopie ________________________
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führung der Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen enthielten die Richtlinien die Vorgabe, dass die einzelnen Angaben formlos auf idealerweise nicht mehr als einer Seite erfolgen sollten (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4T (c) (1) (2000)). Hat der Steuerpflichtige für dieselbe Gestaltung mehrere Registriernummern erhalten, was möglich ist, wenn mehrere Berater die Gestaltung unabhängig voneinander angezeigt haben, so sind sie sämtlich anzugeben (vgl. Treas. Reg. § 1.6011-4 (d)). Treas. Reg. § 1.6011-4 (d); dabei ist auch auf eine eventuelle Absicherung gegen den Ausfall des steuerlichen Erfolges durch an der Gestaltung nicht beratend Tätige (tax result protection) einzugehen (siehe hierzu bereits oben, Fn. 166). Bei amerikanischen C Corporations sowie bei ausländischen Körperschaften, die keine Zwischengesellschaft im Sinne der CFC-Regelungen sind, ist, wie oben, S. 47, gezeigt, eine Anzeigepflicht der Gesellschafter ohnehin ausgeschlossen. Treas. Reg. § 1.6011-4 (e) (1); bei Verlustgestaltungen beginnt die Anzeigepflicht erst in dem Jahr, in dem der tatsächlich steuerlich geltend gemachte Verlust die erforderlichen Grenzwerte übersteigt (Treas. Reg. § 1.6011-4 (e) (2) (ii)). Für transparent besteuerte Gesellschaften ist dies der information return (hierzu oben, Fn. 240); auch bei Berichtigungen zur Steuererklärung (amended return) ist eine erneute Form 8886 abzugeben. Für Einkommensteuerpflichtige gilt ebenso wie für den information return von Personengesellschaften die Frist des 15. April nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums (vgl. § 6072 (a) IRC); für Körperschaften ist zu unterscheiden: entspricht das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr, so liegt die Frist auf dem 15. März des Folgejahres, andernfalls auf dem 15. Tag des dritten Monats, der auf den Ablauf des Wirtschaftsjahres folgt (vgl. § 6702 (b) IRC).
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derselben an das beim IRS zentral eingerichtete Office for Tax Shelter Analysis (OTSA) zu senden.252 Bei Kataloggestaltungen kann eine Verpflichtung zur Abgabe der Form 8886 gegenüber dem OTSA auch dann bestehen, wenn die Gestaltung beim betroffenen Steuerpflichtigen bereits keine steuerlichen Auswirkungen mehr hat. Wird eine Gestaltung nämlich neu in den Katalog aufgenommen, bevor Verjährung in Bezug auf den letzten Veranlagungszeitraum, auf den die Gestaltung beim Steuerpflichtigen Auswirkungen hatte, eingetreten ist, muss die Form 8886 innerhalb von 90 Kalendertagen eingereicht werden.253 Dies hat zur Folge, dass Steuerpflichtige stets Entwicklungen bei den Kataloggestaltungen beobachten müssen, um rechtzeitig auf Neuerungen reagieren zu können.254 4. Aufbewahrungspflichten Neben der Anzeigepflicht trifft anzeigepflichtige Steuerpflichtige auch eine Aufbewahrungspflicht bezüglich all derjenigen Dokumente, die für ein Verständnis der steuerlichen Struktur der Gestaltung bedeutsam sind.255 Dabei wird aus den erläuternden Beispielen deutlich, wie umfangreich die Aufbewahrungspflichten gedacht sind. Aufgeführt werden dabei nämlich neben Werbeunterlagen zu der Gestaltung und Steuergutachten auch Verträge mit Vermarktern, Beratern oder mit anderen Parteien der Gestaltung, einschließlich Fremdkapitalgebern, sowie die schriftliche Korrespondenz des Steuerpflichtigen mit diesen Personen. Diese Dokumente sind bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung für den letzten Veranlagungszeitraum, für den der Anzeigepflicht durch den Steuerpflichtigen nachzukommen war, aufzubewahren. 5. Optionen bei Unsicherheit über die Anzeigepflicht Bei Unsicherheit über die Anzeigepflichtigkeit einer Gestaltung bestehen für Steuerpflichtige dieselben Optionen wie für Berater, also die Möglichkeit, eine Anzeige unter Vorbehalt (protective disclosure)256 abzugeben, oder eine verbindliche Auskunft (request for ruling)257 zu der Frage zu beantragen, ob die Gestaltung anzeigepflichtig ist.258 Daneben kann der Steuerpflichtige auch ________________________
252 Treas. Reg. § 1.6011-4 (d) und (e) (1); zum OTSA siehe bereits oben, Fn. 172. 253 Treas. Reg. § 1.6011-4 (e) (2) (i) sowie (4); die Frist betrug bis August 2007 noch 60 Tage, wurde aber verlängert, um unbillige Härten zu vermeiden (vgl. TD 9350 v. 3.8.2007, 72 FR 43148); die Frist für die Anzeige der externen Berater läuft in diesen Situationen einen Monat nach Ende des Kalendervierteljahrs der Aufnahme in den Katalog ab (siehe oben, S. 34); diese Frist liegt unter Umständen später als die 90-Tage-Frist. 254 Hierzu bereits oben, S. 26. 255 Treas. Reg. § 1.6011-4 (g). 256 Treas. Reg. § 1.6011-4 (f) (2). 257 Treas. Reg. § 1.6011-4 (f) (1) Alt. 2. 258 Siehe hierzu ausführlicher oben, S. 36.
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einen Antrag auf verbindliche Auskunft zur materiellrechtlichen Behandlung stellen (request for ruling on the merits of the transaction).259 In diesen Fällen gilt die Anzeigepflicht als erfüllt, wenn der Antrag auf verbindliche Auskunft innerhalb der für die Anzeige vorgesehenen Frist und mit dem für diese vorgeschriebenen Inhalt eingereicht wird.260 Eine Ablaufhemmung für die Frist zur Anzeige tritt durch die Stellung dieser Anträge aber nicht ein.261 Damit stellt auch diese Option in den meisten Fällen keine echte Alternative zur gewöhnlichen Anzeige dar.
III. Anzeigepflicht steuerbefreiter Personen Anzeigepflichtig sind seit 2006262 neben wesentlichen Beratern und Steuerpflichtigen auch abschließend aufgezählte steuerbefreite Personen, wie etwa gemeinnützige Körperschaften, politische Untergliederungen der USA oder bestimmte Pensionsfonds.263 Die Gruppe der anzeigepflichtigen Gestaltungen ist jedoch beschränkt. Lediglich Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit (listed transactions), vertrauliche Gestaltungen, sowie Gestaltungen mit Erfolgsgarantie sind als Gruppe der drei „verbotenen Gestaltungen“ (prohibited tax shelter transactions) anzeigepflichtig.264 Für die Anzeige der steuerbefreiten Personen steht Form 8886-T zur Verfügung.265 Der Umfang der mitzuteilenden Informationen ist gegenüber der Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen deutlich reduziert. Lediglich die anzeigepflichtige Fallgruppe und die Identität anderer Beteiligter an der Gestaltung sind anzugeben.266 Der Anzeigepflicht ist einmalig nachzukommen bis zum ________________________ 259 Treas. Reg. § 1.6011-4 (f) (1) Alt. 1. 260 Treas. Reg. § 1.6011-4 (b) (8) (i) und (f) (1); für verbindliche Auskünfte zur materiellrechtlichen Behandlung der Gestaltung gilt zudem die Anforderung, dass der Antrag positiv beschieden werden muss. 261 Der Steuerpflichtige trägt somit das Risiko dafür, dass sein Antrag auf verbindliche Auskunft positiv beschieden und inhaltlich als für die Anzeigepflicht ausreichend erachtet wird. 262 Hierzu oben, S. 12. 263 § 4965 (c) i. V. m. § 6033 (a) (2) IRC; daneben können die steuerbefreiten Personen unter Umständen auch in ihrer Funktion als beteiligte Steuerpflichtige zur Anzeige verpflichtet sein (siehe hierzu oben, insbesondere auch zu der in Fn. 232 beschriebenen Sachverhaltsalternative). 264 § 4965 (e) IRC. 265 Das Formblatt ist abrufbar unter www.irs.gov/pub/irs-pdf/f8886t.pdf; die amtlichen Erläuterungen hierzu finden sich unter www.irs.gov/instructions/i8886t/ch01.html. 266 Steuerpflichtige, die an der Gestaltung beteiligt sind, müssen wiederum die steuerbefreite Person darauf aufmerksam machen, dass es sich um eine derartige verbotene Gestaltung handelt (siehe § 6011 (g) IRC).
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15. Mai des Jahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die steuerbefreite Person sich an der Gestaltung beteiligt hat.267
D. Folgen bei Missachtung der Regelungen I. Sanktionen gegen wesentliche Berater Missachtet ein wesentlicher Berater die Pflicht zur Anzeige (hierzu 1.) sowie zur Dokumentierung der Gestaltung (hierzu 2.), so werden gegen ihn – verschuldensunabhängig – Bußgelder festgesetzt.268 Die Weiterleitung der Registriernummer ist hingegen nicht mehr sanktionsrechtlich abgesichert.269 1. Anzeigepflicht der wesentlichen Berater Zum einen wird die Nichtbeachtung der Anzeigepflicht durch wesentliche Berater bußgeldrechtlich sanktioniert.270 Dabei steht die zu späte, unvollständige oder inhaltlich unzutreffende Anzeige der vollständigen Nichtbeachtung der Anzeigepflicht gleich. Das Bußgeld beträgt grundsätzlich 50.000 US$.271 Ergibt sich die Anzeigepflicht aus einer Kataloggestaltung mit angenommener Missbräuchlichkeit, so ist das Bußgeld aber erhöht. Es beträgt dann 50 Prozent der Bruttoeinnahmen, die der Berater aus der Gestaltung bis zur Regis________________________ 267 § 1.6033-5T (e) (1) (i); treten bei der für Ertragsteuerzwecke steuerbefreiten Person durch die Beteiligung an der Gestaltung steuerliche Vorteile bei anderen Steuern auf, so ist die Anzeige zusammen mit der jeweils einschlägigen Steuererklärung abzugeben (vgl. § 1.6033-5T (e) (2) i. V. m. (b) (1) (ii)). 268 Nicht selten wird dann, wenn die Anzeigepflicht missachtet wird, auch gleichzeitig die Dokumentierungspflicht verletzt sein (hierzu Schler, 109 Tax Notes (2005), 915, 917); beide Bußgelder werden dann aber parallel durchgesetzt (vgl. § 6780 (b) IRC); theoretisch können in Fällen der Missachtung der Offenbarungspflichten auch strafrechtliche Konsequenzen drohen (vgl. insbesondere § 7203 IRC (willful failure to file return, supply information), § 7206 IRC (fraud and false statement), sowie § 7207 IRC (fraudulent returns, statements, or other documents); hierzu Pearlman, 55 Tax Law Review (2002), 289, 314 ff.). 269 Vor dem AJCA2004 war bei Missachtung noch ein Bußgeld von 100 US$ für jeden Verstoß vorgesehen (vgl. § 6707 (b) (1) IRC a. F.; nachdem nunmehr die Steuerpflichtigen ohnehin neben den Beratern anzeigepflichtig sind, hat auch die Weiterleitung der Registriernummer die ehedem zentrale Bedeutung als Bindeglied zum „Ausflaggen“ anzeigepflichtiger Gestaltungen im Veranlagungsverfahren eingebüßt (zu dieser Bedeutung allgemein unten, S. 222). 270 § 6707 IRC; dieser Bußgeldtatbestand wurde bereits im Zuge des Deficit Reduction Act of 1984, also zeitgleich mit den Anzeigepflichten selbst, eingeführt (siehe hierzu oben, Fn. 11); zu Details der Anwendung nunmehr Prop. Reg. § 301.6707-1 v. 26.1.2009, REG-160872-04, IRB 2009-4. 271 § 6707 (b) (1) IRC.
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trierung erzielt hat, bei vorsätzlichem Verstoß 75 Prozent dieser Einnahmen, in beiden Fällen aber mindestens 200.000 US$.272 Eine Rechtfertigung des Verstoßes gegen die Anzeigepflicht ist grundsätzlich nicht möglich.273 Nur in Ausnahmefällen kann das Bußgeld nach Festsetzung (ganz oder teilweise) unter strengen Anforderungen erlassen werden.274 2. Dokumentierungspflicht der wesentlichen Berater Während die Verletzung der Dokumentierungspflicht als solcher nicht sanktioniert ist, werden Bußgelder festgesetzt, wenn der Aufforderung des IRS, die Dokumentation vorzulegen, nicht innerhalb von 20 Tagen entsprochen wird.275 In diesem Fall wird für jeden auf diesen Zeitpunkt folgenden Tag eine Geldbuße in Höhe von 10.000 US$ festgesetzt.276 Im Gegensatz zum Bußgeld________________________ 272 § 6707 (b) (2) IRC; die Bußgeldandrohungen wurden im Zuge des AJCA2004 deutlich erhöht; zuvor belief sich die Geldbuße grundsätzlich auf 1 Prozent der Gesamtinvestitionssumme, mindestens aber 500 US$ (§ 6707 (a) (2) IRC a. F.); die vorherigen Bußgelder waren weithin als nicht ausreichend abschreckend angesehen worden (siehe etwa den früheren IRS Commissioner Mark W. Everson, IRS News Release IR-200530 v. 15.3.2005; siehe eindrücklich auch die oben dargestellte KPMG-Modellrechnung zu Chancen und Risiken bei unterlassener Anzeige (hierzu oben, S. 11, Fn. 51)). 273 Mit dem AJCA2004 wurde der Ausnahmetatbestand für rechtfertigende Umstände (reasonable cause exception) gestrichen (vgl. § 6707 (a) (1) S. 2 IRC a. F.). 274 Bei Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit ist ein Erlass niemals möglich; für Verstöße in Bezug auf andere Gestaltungen muss der Antrag auf Erlass innerhalb von 30 Tagen nach Zahlungsaufforderung schriftlich begründet gestellt werden; die Einhaltung steuerlicher Vorschriften, insbesondere der Anzeigepflichten, muss für die zurückliegenden 10 Jahre nachgewiesen werden; die Bußgeldfestsetzung muss unter Berücksichtigung aller Umstände unbillig sein; die Erlassentscheidung ist vom IRS schriftlich zu begründen und ist unanfechtbar (vgl. § 6707 (c) i. V. m. § 6707A (d) IRC; Revenue Procedure 2007-21, 2007-9 IRB 613; sowie Treas. Reg. § 301.6707A-1T (d), eingeführt durch TD 9425 v. 11.9.2008, 73 FR 52786; nun auch Prop. Reg. § 301.6707-1 v. 26.1.2009, REG-160872-04, IRB 2009-4; zu alledem Coder, 115 Tax Notes (2007), 1253, 1253 f., sowie Mertens, Federal Income Taxation, § 55, Tz. 55.50 (2007)); die Erlassentscheidungen muss der IRS auch dem amerikanischen Kongress berichten, was die Hemmschwelle für einen Erlass wohl nochmals erhöht (vgl. H.R. Rep. No. 108-755, 108th Cong., 2nd Sess. (2004), 599; siehe zu diesem Aspekt Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 248). 275 Siehe zu dieser Verpflichtung oben, S. 38. 276 § 6708 (a) (1) IRC; eine zeitliche Beschränkung oder Bußgeldobergrenze besteht nicht (hierzu Schler, 109 Tax Notes (2005), 915, 917); auch hier fand durch den AJCA2004 eine Verschärfung der Bußgelder statt: Zuvor war das maximale Bußgeld für jede zu führende Liste auf 100.000 US$ pro Kalenderjahr begrenzt; für jeden an der Gestaltung Beteiligten, für den nicht der Dokumentierungspflicht entsprochen wurde, wurden 50 US$ festgesetzt (vgl. § 6708 (a) IRC a. F.); das Bußgeld fiel nur einmal an, erhöhte sich also nicht etwa täglich.
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tatbestand bei Verletzung der Anzeigepflicht ist hier eine Rechtfertigung des Verstoßes aber grundsätzlich möglich (reasonable cause exception).277
II. Sanktionen gegen Steuerpflichtige Die Nichtbeachtung der Anzeigepflicht durch Steuerpflichtige kann in doppelter Hinsicht zu Sanktionen führen: Zum einen besteht – ähnlich wie bei den Beratern – ein Bußgeldtatbestand (hierzu 1.). Daneben hat die Nichtbeachtung auch vielfältige weitere Nachteile im Strafzuschlagsystem (hierzu 2.) sowie darüber hinaus (hierzu 3.) zur Folge.278 1. Bußgeldsanktionen Erst seit dem AJCA2004 ist die Nichtbeachtung der Anzeigepflicht durch die Steuerpflichtigen selbst unmittelbar sanktioniert.279 Die Sanktion ist verschuldensunabhängig. Die Höhe des Bußgeldes variiert nach der Art des Steuerpflichtigen und der betroffenen Fallgruppe der Anzeigepflichten:280 Ist der Steuerpflichtige eine natürliche Person, so beträgt das Bußgeld 10.000 US$, ist aber auf 100.000 US$ erhöht, wenn es sich um eine Kataloggestaltung mit angenommener Missbräuchlichkeit handelt. Bei allen anderen Steuerpflichtigen beträgt das Bußgeld 50.000 US$ bzw. 200.000 US$.281 Ebenso wie bei den Bußgeldern wegen Verletzung der Anzeigepflicht der wesentlichen Berater gibt es keine Rechtfertigungsmöglichkeit, sondern lediglich die Möglichkeit eines nachträglichen Erlasses des Bußgeldes unter sehr strengen Voraussetzungen.282 Bereits seit ihrer Einführung im Zuge des AJCA2004 ist diese Regelung Kritik ausgesetzt, es könne zu völlig unverhältnismäßigen Sanktionen gegen Steuer________________________ 277 § 6708 (a) (2) IRC. 278 Bußgeldfestsetzung und Strafzuschlagsfestsetzung können nebeneinander erfolgen (vgl. § 6707A (f) IRC). 279 § 6707A IRC; zuvor war lediglich für einen kleinen Teilbereich, nämlich die Nichtangabe der Registriernummer in der Steuererklärung, ein Bußgeld in Höhe von 250 US$ vorgesehen (vgl. § 6707 (b) (2) IRC a. F.), obwohl die Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen bereits seit 2000 bzw. 2002 bestand; zum Teil wurde aber vertreten, dass eine Es wurde aber zum Teil vertreten, dass eine Steuererklärung ohne parallele Anzeige der anzeigepflichtigen Gestaltungen nicht wirksam abgegeben sei und über diese Verbindung bußgeldrechtlich von Relevanz sei (vgl. Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 183); die jetzige Bußgeldandrohung erstreckt sich gleichermaßen auf die Verpflichtung zur einmaligen Anzeige gegenüber OTSA und die Pflicht zur jährlichen Anzeige zusammen mit der Jahressteuererklärung. 280 § 6707A (b) IRC a. F., § 6707A (b) (2) IRC n. F. 281 Einzelheiten hierzu enthält nunmehr Treas. Reg. § 301.6707A-1T, eingeführt durch TD 9425 v. 11.9.2008, 73 FR 52786. 282 § 6707A (d) IRC; siehe hierzu oben, Fn. 274.
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pflichtige kommen, da die Verhängung des Bußgelds von der Höhe des aus der Gestaltung erzielten Steuervorteils unabhängig war.283 Auf diese Sorge hat der amerikanische Fiskus im Zuge des Small Business Jobs Act 2010 reagiert.284 Nunmehr handelt es sich bei den oben angegeben Beträgen lediglich noch um das maximal mögliche Bußgeld bei einem Mindestbetrag von 5.000 US$ bzw. 10.000 US$.285 Innerhalb dieses Rahmens beträgt das Bußgeld nun aber 75 % des durch die betreffende Gestaltung erzielten oder erhofften steuerlichen Vorteils.286 Ist eine Kataloggestaltung mit angenommener Missbräuchlichkeit betroffen, so muss die Verhängung des Bußgeldes bei börsennotierten Unternehmen als zusätzliche Sanktion in den – offen zugänglichen – Berichten an die SEC mitgeteilt werden.287 2. Nachteile im Strafzuschlagsystem Für den betroffenen Steuerpflichtigen hat die Nichtbeachtung seiner Anzeigepflicht auch im Rahmen des Strafzuschlagsystems negative Auswirkungen: Normalerweise fällt dann, wenn der IRS bei der Überprüfung der Ertragsteuererklärungen zu einer abweichenden tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilung kommt, und sich daraus eine Differenz zwischen erklärter Steuerschuld und vom IRS festgesetzter Steuerschuld ergibt, neben dem Steuerfehlbetrag selbst ein Strafzuschlag (civil penalty) in Höhe von 20 Prozent an.288 Wurde die betreffende Gestaltung nicht angezeigt, so erhöht sich dieser Straf________________________ 283 Bis Januar 2009 ist ein solches Bußgeld zwar nur in 98 Fällen mit 13,7 Millionen US$ Gesamtsumme verhängt worden; der Großteil dieser Bußgelder wurde allerdings offenbar gegen kleine Gewerbetreibende verhängt (hierzu Coder, 124 Tax Notes (2009), 113, 114). 284 Zuvor war die Bußgeldandrohung dann, wenn der jährliche steuerliche Vorteil aus der nicht angezeigten Gestaltung bei natürlichen Personen weniger als 100.000 US$ bzw. bei anderen Steuerpflichtigen weniger als 200.000 US$ beträgt, durch den IRS einstweilen ausgesetzt worden (siehe hierzu Joe, 124 Tax Notes (2009), 111; Coder, 124 Tax Notes (2009), 113, 114 ff.). 285 Der Betrag von 5.000 US$ greift bei natürlichen Personen, der Betrag von 10.000 US$ in den übrigen Fällen (vgl. § 6707A (b) (3) IRC n. F.). 286 § 6707A (b) (1) IRC n. F. 287 § 6707A (e) (2) (A) IRC; ein Verstoß gegen diese Mitteilungspflicht wird wiederum mit den eben beschriebenen Bußgeldbeträgen geahndet. 288 § 6662A IRC; zu den Abweichungen dieser Spezialregel im Zusammenhang mit anzeigepflichtigen Gestaltungen von den allgemeinen Strafzuschlagsregelungen in § 6662 IRC, siehe unten, S. 56 f. (dort auch zu der zusätzlichen Anforderung bei Gestaltungen, die nicht Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit sind, dass eine wesentliche Zwecksetzung der Gestaltung in der Steuerhinterziehung oder -vermeidung liegen muss).
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zuschlag auf 30 Prozent.289 Zudem – und vor allem290 – ist bei Nichtbeachtung der Anzeigepflicht auch eine Rechtfertigung der anderweitigen Erklärung, etwa unter Verweis auf gutgläubiges Vertrauen auf eine abweichende Rechtsmeinung, von vornherein ausgeschlossen.291 Schließlich muss ein Strafzuschlag bei Verletzung der Anzeigepflicht in den offen zugänglichen Berichten gegenüber der SEC aufgeführt werden.292 3. Weitere Konsequenzen Konsequenzen aus der Nichtanzeige ergeben sich schließlich auch in anderen Bereichen. So bestehen Nachteile bei der Verzinsung von Steuerfehlbeträgen.293 Daneben findet die allgemeine Regel, wonach eine Verzinsung zuungunsten des Steuerpflichtigen bzw. andere nach Zeitabschnitten bemessene Nachteile ausgesetzt werden, wenn der IRS nicht binnen 36 Monaten nach Einreichung der Steuererklärung einen Steuerfehlbetrag feststellt, dann keine Anwendung, wenn der Anzeigepflicht nicht nachgekommen wurde.294 Bei Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit gilt eine Ablaufhemmung für die Festsetzungsverjährung, solange der betroffene Steuerpflichtige seiner Anzeigepflicht nicht genügt hat.295
________________________ 289 § 6662A (c) i. V. m. § 6664 (d) (2) (A) IRC; zur mangelnden Effizienz erhöhter Strafzuschlägen bei zu geringer Prüfungsdichte Gergen, 55 Tax Law Review (2002), 255, 278. 290 Zur geringen Bedeutung erhöhter Strafzuschläge bei gleichzeitig bestehender Rechtfertigungsmöglichkeit siehe Schler, 55 Tax Law Review (2002), 325, 360 ff. 291 Die reasonable cause exception findet dann von vornherein keine Anwendung (vgl. § 6664 (d) (2) (A) IRC). 292 § 6707A (e) (2) (B) und (C) IRC; im Gegensatz zu den Bußgeldern nach § 6707A (a) IRC, gilt dies nicht nur bei Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit, sondern generell; diese Mitteilungspflicht ist wiederum bußgeldbewehrt. 293 Steuerfehlbeträge, also die Differenz zwischen erklärter Steuerschuld und vom IRS festgesetzter Steuerschuld, sind grundsätzlich zu verzinsen (§ 6601 IRC); allerdings ist dieser Zinsaufwand normalerweise wiederum steuerlich abziehbar (§ 163 (a) IRC); resultiert der Steuerfehlbetrag aber aus einer anzeigepflichtigen Gestaltung, bei der der Anzeigepflicht nicht nachgekommen wurde, so entfällt die Abzugsfähigkeit des Zinsaufwands (vgl. § 163 (m) i. V. m. § 6664 (d) (2) (A) IRC). 294 § 6404 (g) (2) (E) i. V. m. § 6664 (d) (2) (A) IRC; für Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit gilt diese Ausnahme auch dann, wenn der Anzeigepflicht nachgekommen wurde. 295 Siehe § 6501 (c) (10) IRC, eingeführt durch den AJCA2004; eine Ausnahme gilt lediglich für die Fälle, in denen der IRS einen Berater zur Vorlage der Dokumentation zur Gestaltung aufgefordert und dieser der Aufforderung nachgekommen ist; insofern die Dokumentation den betroffenen Steuerpflichtigen erwähnt, endet die Ablaufhemmung bereits mit diesem Zeitpunkt.
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III. Sanktionen gegen steuerbefreite Personen Kommen die der Anzeigepflicht unterliegenden steuerbefreiten Personen ihrer Verpflichtung nicht nach, wird für jeden Tag der Nichtbeachtung ein Bußgeld in Höhe von 100 US$, insgesamt aber nicht mehr als 50.000 US$ festgesetzt.296
E. Erzwingung der Anzeige Neben der Sanktionierung der Nichtbeachtung besteht auch die Möglichkeit, die Befolgung der Anzeige- und Dokumentationsvorlagepflichten unmittelbar zu erzwingen. Dazu kann der IRS beim örtlich zuständigen District Court eine Verfügung gegen den betreffenden Berater oder Steuerpflichtigen erreichen, die dann mit den allgemeinen zivilprozessualen Mitteln durchgesetzt wird.297
F. Über die Anzeigepflicht hinausgehende Anknüpfungen Die Definition der anzeigepflichtigen Gestaltungen hat in den vergangenen Jahren in den USA deutlich über die Anzeigepflicht selbst hinausgehende Bedeutung erlangt. Sie wird in zahlreichen anderen Zusammenhängen – unabhängig davon, ob der Anzeigepflicht nachgekommen wurde oder nicht – als Anknüpfungspunkt verwendet.298 Für anzeigepflichtige Gestaltungen gelten zunächst Erschwerungen im Strafzuschlagsystem:299 Der Anwendungsbereich ist erweitert,300 die Berechnung ________________________ 296 § 6652 (c) (3) IRC; je nach Typus der steuerbefreiten Person wird das Bußgeld gegen die steuerbefreite Person selbst oder deren Organe festgesetzt. 297 Siehe die enforcement of summons procedure nach §§ 7604, 7602 IRC (hierzu illustrierend etwa US Court of Appeals, United States v. BDO Seidman, v. 23.7.2003, 337 F.3d 802, 806 ff. und 809); siehe zudem die Unterlassungsverfügung gegen Berater bei Verstoß gegen ihre Anzeige- und Dokumentationsvorlagepflichten nach § 7408 (c) (1) i. V. m. §§ 6707 f. IRC. 298 Zu der mit dieser indikatorischen Wirkung verbundenen Problematik ausführlich unten, S. 186 und S. 323 ff. 299 § 6662A IRC, eingeführt im Zuge des AJCA2004, verdrängt hier den gewöhnlich anzuwendenden § 6662 IRC (accuracy-related penalties) (vgl. § 6662 (b) S. 3 und § 6662A (e) IRC); zum Strafzuschlagsystem und den zusätzlichen Verschärfungen bei Nichtbeachtung der Anzeigepflicht bereits oben, S. 54 f. 300 So findet das Strafzuschlagsystem bereits bei lediglich kleinen Fehlbeträgen Anwendung, während es üblicherweise erst bei wesentlichen Fehlbeträgen eingreift; zudem können Strafzuschläge bei anzeigepflichtigen Gestaltungen bereits dann eingreifen, wenn es Abweichungen bei einzelnen Steuerposten gilt, auch wenn in dem betreffenden Veranlagungszeitraum dadurch die Steuerschuld nicht gemindert wird; dies kann
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des Strafzuschlags erfolgt verschärft,301 und die Rechtfertigungsmöglichkeiten sind eingeschränkt.302 Diese Verschärfungen finden bei Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit stets und bei den übrigen Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen dann Anwendung, wenn eine wesentliche Zwecksetzung der Gestaltung die Steuerhinterziehung oder -vermeidung ist.303 Zudem sind Wirtschaftsprüfer nach den Regeln des Public Company Accounting Oversight Board (PCAOB)304 daran gehindert, parallel zu ihrer Prüfungstätigkeit bei börsennotierten Gesellschaften steuerliche Beratung zu bestimmten anzeigepflichtigen Gestaltungen zu erteilen.305 Hier sind sowohl die Kata-
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etwa dazu führen, dass bei einem in einem Veranlagungszeitraum festgestellten Verlust, der sich aber erst in einem weiteren Veranlagungszeitraum steuerschuldmindernd auswirkt, ein Strafzuschlag zweifach erhoben wird (siehe hierzu Berman/Keenan/ Hummel, 111 Tax Notes (2006), 437, 439 ff.). Bei der Berechnung der Strafzuschläge wird hier nicht der Grenzsteuersatz angewendet, sondern der Spitzensteuersatz der auch in den USA gestuft progressiv ausgestalteten Einkommen- und Körperschaftsteuer (vgl. § 6662A (b) (1) (A) (ii) i. V. m. § 1 bzw. § 11 IRC). Siehe die unterschiedlichen Anforderungen an die reasonable cause exception in § 6664 (d) im Vergleich zu § 6664 (c) (1) IRC (hierzu ausführend Treas. Reg. § 1.6664-4 sowie Notice 2005-12, 2005-7 IRB 494). § 6662A (b) (2) und (d) i. V. m. § 6707A (c); zum parallel verwendeten Begriff im Rahmen des berufsbezogenen Vertrauensverhältnisses bereits oben, Fn. 213; zu den weitgehend noch fraglichen Umrissen dieses Begriffs („a significant purpose of tax avoidance or evasion“) und mit dem eigenen Vorschlag einer sehr weiten Auslegung siehe Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 251 f. Das PCAOB wurde 2002 im Zuge des Sarbanes-Oxley Act in Reaktion auf Buchführungsskandale wie WorldCom und Enron geschaffen; das PCAOB ist als privatrechtlich organisierte gemeinnützige Gesellschaft verfasst; seine Aufgabe besteht in der Regulierung von sowie Aufsicht über Wirtschaftsprüfungsgesellschaften; die Aufsicht über das PCAOB wiederum wird durch die Securities and Exchange Commission (SEC) ausgeübt (vgl. §§ 101 ff. Sarbanes-Oxley Act). Vgl. Rule 3522 des PCAOB Release 2005-014 v. 26.7.2005, „Ethics and Independence Rules Concerning Independence, Tax Services, and Contingent Fees“; die Ermächtigung hierzu findet sich in § 201 (a) Sarbanes Oxley Act i. V. m. § 10A (g) (9) Securities Exchange Act 1934; bestätigt wurde dieser Erlass durch SEC Release No. 34-53677 v. 19.4.2006 (abrufbar unter www.sec.gov/rules/pcaob/2006/34-53677.pdf).
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loggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit306 als auch die vertraulichen Gestaltungen307 erfasst.308 Ein weiteres Beispiel für an die Anzeigepflichten anknüpfende Regelungen liefert Circular 230, der Anforderungen an die Ausübung steuerberatender Berufe in den USA aufstellt und dabei insbesondere Mindestanforderungen bei der Erstellung von Steuergutachten festlegt.309 Hier wird jeweils an die Fallgruppe der Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit angeknüpft: So ist der Anwendungsbereich für die erhöhten Anforderungen bei der Erstellung von Steuergutachten zu Gestaltungen aus dieser Fallgruppe ohne weitere Voraussetzungen stets eröffnet.310 Auch entfällt der sonst mögliche Opt-Out aus den erhöhten Anforderungen durch einen Disclaimer im betreffenden Steuergutachten bei diesen Kataloggestaltungen.311 Schließlich ist es bei Kataloggestaltungen dieser Fallgruppe ausgeschlossen, ein im Umfang auf einzelne Rechtsfragen beschränktes Rechtsgutachten abzugeben (limited scope opinion).312 Die Zuordnung zu den Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit ist daneben auch von Relevanz für die Frage, wann der IRS Unterlagen der Rechnungslegung zu latenten Steuern (tax accrual workpapers)
________________________ 306 Diese Fallgruppe ist im Erlasswortlaut nicht unmittelbar erwähnt; nach der Entwurfsbegründung sollen diese Kataloggestaltungen aber stets unter die Gruppe der verbotenen sog. aggressive tax positions fallen, die dann vorliegen, wenn (a) die Empfehlung zu der Gestaltung ursprünglich vom Wirtschaftsprüfer kam, (b) ein wesentlicher Zweck der Gestaltung die Vermeidung von Steuern ist, und (c) mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent die Gestaltung bei Überprüfung an geltendem materiellen Recht nicht aufrecht erhalten wird (siehe PCAOB Release 2005-014 v. 26.7.2005, S. 25 und 29). 307 Dies gilt selbst dann, wenn die Vertraulichkeitsbeschränkung dem Steuerpflichtigen nicht vom Wirtschaftsprüfer, sondern von einem von diesem völlig unabhängigen Dritten auferlegt wurde (siehe das PCAOB Staff Questions and Answers v. 3.4.2007 (a. a. O., Fn. 306), S. 1 f. 308 Im Vorfeld des Erlasses hatte es zahlreiche Befürworter eines noch weitergehenden, gänzlichen Verbots der Steuerberatung neben Prüfungstätigkeit gegeben (hierzu Beeman, 58 National Tax Journal (2005), 449, 467). 309 US Department of the Treasury Circular 230 i. d. F. v. 26.9.2007, 31 C.F.R. Subtitle A Part 10 (abrufbar unter www.irs.gov/pub/irs-utl/pcir230.pdf). 310 § 10.35 (b) (2) (i) (A) des Circular 230; gleichzeitig sind sonst bestehende Beschränkungen des Anwendungsbereichs ausgeschlossen (vgl. § 10.35 (b) (2) (ii) (B) a. A. des Circular 230). 311 § 10.35 (b) (4) (ii) des Circular 230 in Bezug auf reliance opinions und § 10.35 (b) (5) (ii) des Circular 230 in Bezug auf marketed opinions. 312 § 10.35 (c) (3) (v) (A) (2) des Circular 230.
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anfordert.313 Diese sind für die Missbrauchsbekämpfung insofern von Bedeutung, als Steuerlatenzen ein Indiz für risikobehaftete Gestaltungen sein können.314 Grundsätzlich ist der IRS aber zurückhaltend mit der Anforderung dieser Unterlagen.315 Anders ist dies allerdings bei Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit; hier werden die betreffenden Unterlagen in jedem Fall angefordert.316 Es ist erklärtes Ziel des IRS, mit dieser Anforderung das Risiko und die Kosten derartiger Kataloggestaltungen zu erhöhen.317 In besonderer Weise unverhohlen abschreckend318 ist schließlich die Einführung folgender gegen die Beteiligung von steuerbefreiten Personen an anzeigepflichtigen Gestaltungen gerichteter Strafabgabe:319 Anknüpfungspunkt ist die für diesen Zweck definierte Gruppe der „verbotenen Gestaltung“ (prohibited tax shelter transactions), welche die drei Fallgruppen der Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit (listed transactions), der vertraulichen Gestaltungen, sowie der Gestaltungen mit Erfolgsgarantie zu-
________________________ 313 Tax accrual and other financial audit workpapers relating to the tax reserve for deferred tax liabilities and to footnotes disclosing contingent tax liabilities; zu diesen Unterlagen zählen etwa auch die Dokumente, die zur Vorbereitung der Stellungnahmen nach FIN 48 erstellt werden (vgl. IRS LMSB Field Examiners’ Guide v. 1.5.2007, „FIN 48 Implications“, Frage 2 (hierzu oben, Fn. 63). 314 Hierzu etwa Savino, 58 National Tax Journal (2005), 471, 474 f. 315 Vgl. Internal Revenue Manual, Tz. 4.10.20.3(2): „unusual circumstances standard“. 316 Unterlagen auch zu Gestaltungen, die dieser Fallgruppe nicht unterfallen, fordert der IRS zudem dann an, wenn in der Steuererklärung mehr als eine derartige Kataloggestaltung aufgeführt wird, oder wenn der Anzeigepflicht im Hinblick auf eine derartige Kataloggestaltung nicht nachgekommen wurde (vgl. Announcement 2002-63, 2002-27 IRB 72); fraglich ist dieses Vorgehen, das der IRS ausdrücklich auch auf die vorbereitenden Unterlagen zu den Stellungnahmen nach FIN 48 anwenden will (siehe Harris, 115 Tax Notes (2007), 812), allerdings unter dem Aspekt des Schutzes der work-product doctrine (hierzu bereits oben, S. 40 und 43; Weisbach, Comment on Recent Developments on Tax Shelters in the U.S., 60, geht davon aus, dass die Weitergabe der Unterlagen an die Wirtschaftsprüfer ohnehin regelmäßig zu einem Verlust des Vertrauensschutzes führt; zu diesem Streit auch oben, Fn. 226). 317 So der frühere IRS Chief Counsel, B. John Williams, im Januar 2003: „The change in the tax accrual workpapers policy is designed to… increase the cost of bad risk analysis … [and] to increase the cost of buying into listed transactions.“ (Zitat bei Shurberg/Gilbertson/Larsen, 55 Tax Executive (2003), 135, 140). 318 Vgl. die Begründung des Gesetzesvorschlags, US Congress, Joint Committee on Taxation, Options to Improve Tax Compliance and Reform Tax Expenditures, JCS-02-05, v. 27.1.2005, S. 251 (abrufbar unter www.house.gov/jct/s-2-05.pdf). 319 § 4965 IRC, eingeführt durch den Tax Increase Prevention and Reconciliation Act of 2005 (TIPRA), PL 109-222, v. 17.5.2006, 120 Stat 345, § 516 (zu der durch dasselbe Gesetz geschaffenen Anzeigepflicht für steuerbefreite Personen, siehe bereits oben, S. 50); TD 9334 v. 6.7.2007, 72 FR 36871-01; Notice 2007-18, 2007-9 IRB 608.
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sammenfasst.320 Beteiligt sich eine grundsätzlich steuerbefreite Person an einer derartigen Gestaltung, so hat sie die Einnahmen aus der Gestaltung mit den bei nicht steuerbefreiten Personen üblichen Ertragsteuersätzen zu versteuern.321 Wussten die vertretungsberechtigten Organe der Gesellschaft davon, dass es sich um eine „verbotene Gestaltung“ handelt, oder beruhte die Unkenntnis auf Fahrlässigkeit, so werden die Einnahmen aus der Gestaltung gar gänzlich abgeschöpft.322 In diesem Fall müssen zudem alle Mitglieder der vertretungsberechtigten Organe, die der Beteiligung zugestimmt haben, eine Strafabgabe in Höhe von jeweils 20.000 US$ zahlen.323
________________________ 320 Zu dieser durch den Tax Increase Prevention and Reconciliation Act of 2005 (TIPRA) neu geschaffenen Gruppe der verbotenen Gestaltungen bereits oben, S. 50. 321 § 4965 (b) (1) (A) IRC; hierbei wird entweder auf die Nettoeinnahmen oder, sofern höher, 75 Prozent der Bruttoeinnahmen aus der Gestaltung abgestellt. 322 § 4965 (b) (1) (B) IRC; in diesem Zusammenhang erlangt auch die Pflicht der an einer Gestaltung beteiligten Steuerpflichtigen, die steuerbefreite Person über den Charakter der Gesellschaft zu informieren, besondere Bedeutung (siehe § 6011 (g) IRC sowie oben, Fn. 266). 323 § 4965 (a) (2) i. V. m. (b) (2) IRC.
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Kapitel 2: Kanada A. Einführung In Kanada wurden Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen (tax shelter reporting) bereits im Jahre 1989 eingeführt.324 Vorbild waren die ursprünglichen Regelungen der USA.325 Im Unterschied zu den amerikanischen Regelungen war das kanadische System seit seiner Einführung aber keinen tiefgreifenden Änderungen unterworfen. Mit dem Federal Budget 2010 hat die kanadische Finanzverwaltung Ideen zur Einführung eines stärker an den Erfahrungen der anderen Länder angelehnten neuen Systems von Anzeigepflichten vorgestellt und ein Anhörungsverfahren hierzu angeregt.326 Zuvor hatte die Provinz Québec derartige Regelungen auf Provinzebene in Aussicht gestellt.327 Der Vorschlag der kanadischen Finanzverwaltung wurde seitdem aber nicht weiter verfolgt.
B. Sachlicher Anwendungsbereich Anders als in den USA und Großbritannien, enthalten die kanadischen Regelungen tatsächlich eine Definition eines „tax shelter“ für Zwecke der Anzeigepflichten.328 Diese Definition ist sehr technisch ausgestaltet. Ein tax shelter besteht demnach in einer Gestaltung329, von der ihrer Darstellung nach zu erwarten ist, ________________________
324 § 237.2 und § 237.1 des Income Tax Act (im Folgenden „ITA“); siehe auch Information Circular IC 89-4 vom 14.8.1989, Tz. 1; die Regelungen sind zum 1.9.1989 in Kraft getreten; entgegen Flämig, Beihefter zu DStR 2007, Heft 44, 2, 5, handelt es sich in Kanada also um kein neues Konzept. 325 Owens, 40 Tax Notes International (2005), 873, 875; zu diesen oben, ab S. 5. 326 Hierzu Wilkie, 36 International Tax Journal (3/2010), 25, 30 f.; Pantry/Levi, 21 International Tax Journal (7/2010), 56; Suarez, 57 Tax Notes International (2010), 1021, 1023 f.; Pankratz, 21 Journal of International Taxation (7/2010), 52, 54. 327 Hierzu Gagnon, 20 International Tax Review (1/2010), 86; Leopardi, 21 International Tax Review (10/2010), 39. 328 Die US-Regelungen enthielten lediglich in ihrer ursprünglichen Fassung eine solche Definition (vgl. § 6111 (c) IRC in der Fassung des Deficit Reduction Act of 1984 sowie Treas. Reg. § 301.6111-1T (1984), Fragen 4 ff.; hierzu oben, S. 5). 329 Der terminus technicus im kanadischen Regelungskontext ist „property (including any right to income)“; dieser Begriff ist denkbar weit zu verstehen umfasst letztlich jedes Recht (vgl. Bernstein/Jondahl, 37 Tax Notes International (2005), 169, 170); daneben sind noch einzeln beschriebene Gestaltungen, die auf Schenkungen oder Stiftungsgeschäften beruhen, wie etwa Schenkungsgeschäfte an gemeinnützige Körperschaften, speziell erfasst (vgl. § 237.1 (1) ITA „tax shelter“ (a) und (b) Alt. 1 i. V. m. „gifting arrangement“; Information Circular IC 89-4 v. 14.8.1989, Tz. 3).
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dass innerhalb der ersten vier Jahre330 nach Beteiligung des Steuerpflichtigen daran die Summe der steuerlichen Vorteile,331 insbesondere der Abzugsbeträge für steuerliche Verluste, zumindest so groß ist wie die positive Differenz zwischen den beim Steuerpflichtigen tatsächlich angefallenen Anschaffungskosten und den aus der Gestaltung zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteilen (prescribed benefits).332 Diese Definition kann letztlich auf zwei Voraussetzungen heruntergebrochen werden: Erstens müssen die Anschaffungskosten des Steuerpflichtigen für seine Beteiligung höher sein als die nach der Beschreibung der Gestaltung aus ihr zu erwartenden nichtsteuerlichen Vorteile. Damit sind also lediglich Gestaltungen erfasst, die sich bei Ausklammerung steuerlicher Vorteile für den Steuerpflichtigen nicht rechnen würden. Zudem müssen die aus der Gestaltung nach ihrer Beschreibung zu erwartenden steuerlichen Vorteile mindestens so groß sein wie dieser Differenzbetrag zwischen Kosten und zu erwartenden nichtsteuerlichen Vorteilen. Dieses zweite Kriterium überprüft damit die sich aus der ersten Voraussetzung ergebende Vermutung, nämlich dass es allein steuerliche Gründe sind, die aus einer wirtschaftlichen Verlustgestaltung dem Steuerpflichtigen einen finanziellen Nettoertrag generieren oder ihn zumindest vor einem Nettoverlust bewahren. Sowohl in Bezug auf die steuerlichen Vorteile als auch auf die wirtschaftlichen Vorteile ist nicht ex post auf die tatsächliche Lage, sondern auf die Erwartungen ex ante aufgrund der in Verbindung mit dem Vertrieb der Gestaltung gemachten Aus- und Zusagen abzustellen.333 Die Definition eines tax shelter hängt mithin davon ab, wie die Gestaltung bei deren Vertrieb schriftlich oder mündlich dargestellt wurde.334 Es ist umstritten, ob hierbei auf die ________________________ 330 Ausreichend ist, wenn zum Ende eines beliebigen Veranlagungszeitraums innerhalb der Vier-Jahres-Frist die bis dahin in allen abgelaufenen Veranlagungszeiträumen angefallenen steuerlichen Vorteile die beschriebene Schwelle erreichen. 331 Die wirtschaftlichen Vorteile können beim Steuerpflichtigen selbst oder bei einer Person eintreten, mit der der Steuerpflichtige auf einer Drittvergleichsgrundsätzen nicht entsprechenden wirtschaftlichen Basis verkehrt (vgl. § 237.1 (1) a. E. ITA). 332 § 237.1 (1) „tax shelter“ (b) Alt. 2 ITA sowie Income Tax Regulation § 231 (6); ausgenommen sind von der Definition eines tax shelter einzelne Gestaltungen wie zum Beispiel Pensionsfonds oder sogenannte flow-through shares, also Anteile an Öl- und sonstige Bodenschätze fördernden Gesellschaften, bei denen die steuerlichen Vergünstigungen auf Gesellschaftsebene an die beteiligten Gesellschafter weitergeleitet werden (vgl. § 237.1 (1) „tax shelter“ (b) ITA sowie Income Tax Regulations § 231 (7)). 333 Siehe auch Information Circular IC 89-4 v. 14.8.1989, Tz. 3. 334 Mitteilung der Canada Revenue Agency IC 89-4 v. 14.8.1989, Tz. 3; das Abstellen auf die Kommunikation der Gestaltung und nicht das tatsächlich eingetretene Ergebnis ermöglicht eine frühe Feststellung, ob ein tax shelter vorliegt; allerdings eröffnet dies auch Umgehungsmöglichkeiten; so wird es zum Beispiel als möglich angesehen, die Einstufung als tax shelter schlicht dadurch zu vermeiden, dass zu den steuerlichen
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jedem einzelnen Steuerpflichtigen gegenüber getätigte Information abgestellt werden muss,335 oder ob, sobald Entsprechende gegenüber einer Person kommuniziert wird, die Gestaltung für alle zu einem tax shelter wird.336 Dieses traditionelle Verständnis der gesetzlichen Grundkonstruktion, wonach lediglich Gestaltungen anzeigepflichtig sind, die von fremder Seite vertrieben und dabei mit Stellungnahmen zu steuerlichen und außersteuerlichen Vorteilen versehen werden, ist seit einer Entscheidung des Tax Court of Canada aus dem Jahr 2006 ungewiss.337 Danach soll es jedenfalls bei einem steuerlich versierten Beteiligten unschädlich sein, dass keine ausdrückliche Stellungnahme von fremder Seite erfolgt. Ein solcher Steuerpflichtiger könne die Einstufung ________________________ Auswirkungen keine (nachweisbaren) Angaben gemacht werden (vgl. Bernstein/ Jondahl, 37 Tax Notes International (2005), 169, 171, sowie Ernst, 42 Tax Notes International (2006), 569, 569; a. A. Justice Rip in Maege v. R., Tax Court of Canada v. 24.3.2006, 2006 TCC 117, zumindest für den Fall, dass der Steuerpflichtige aufgrund seiner steuerrechtlichen Vorbildung oder Erfahrung die steuerlichen Vorteile der Gestaltung selbständig abschätzen kann (hierzu sogleich). 335 So Justice Bell in Baxter v. R., Tax Court of Canada v. 13.4.2006, 2006 TCC 230, mit dem Vertrauensschutzargument, dass es einem Steuerpflichtigen, der von der Einstufung als tax shelter und den hierfür erforderlichen Voraussetzungen nichts weiß, nicht verwehrt werden könne, die bei ihm eingetretenen steuerlichen Folgen geltend zu machen (sehr kritisch hierzu Ernst, 42 Tax Notes International (2006), 569, 571; kritisch auch Wertschek/Wilson, 56 Canadian Tax Journal (2008), 285, 335, für die Fälle, in denen die Vermarktung einer Gestaltung nicht über einen Prospekt erfolgt, sondern in privaten Gesprächen und Darstellungen). Zum Hintergrund: Wie unten zu sehen sein wird, dürfen die steuerlichen Folgen eines tax shelter nur geltend gemacht werden, wenn die Gestaltung registriert und eine entsprechende Registriernummer erteilt wurde. 336 So Baxter v. R., Federal Court of Appeal v. 30.4.2007, 2007 FCA 172, bei der Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils des Tax Court of Canada; ebenso Ernst, 42 Tax Notes International (2006), 569, 571, und Bernstein/Jondahl, 37 Tax Notes International (2005), 169, 171, unter anderem mit dem Argument, bereits aus Praktikabilitätsgründen könne nicht auf die Kommunikation gegenüber jedem einzelnen Steuerpflichtigen abgestellt werden; für diesen Ansatz spricht auch die Fassung von Gesetz und Richtlinien, die keine Andeutung dahingehend enthält, dass eine personenbezogene Prüfung vorzunehmen ist. 337 Vgl. Justice Rip in Maege v. R., Tax Court of Canada v. 24.6.2006, 2006 TCC 117, bestätigt durch Entscheidung des Federal Court of Appeal v. 28.3.2007, 2007 FCA125; an dieser Entscheidung wird insbesondere kritisiert, dass sie das gesetzlich festgelegte Kriterium der Aussagen und Zusagen (statements or representations) jeglicher Bedeutung enthebt (siehe hierzu Ernst, 42 Tax Notes International (2006), 569, 570; sowie Wertschek/Wilson, 56 Canadian Tax Journal (2008), 285, 320 ff.; die Entscheidung steht auch den Urteilen in der Sache Baxter v. R. (siehe hierzu oben, Fußnoten 335 f.) entgegen; die kanadische Finanzverwaltung scheint die in Maege v. R. enthaltenen Grundsätze aber bereits in der Praxis anzuwenden (hierzu Wertschek/Wilson, 56 Canadian Tax Journal (2008), 285, 336).
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als tax shelter nach den oben genannten Kriterien selbst erkennen.338 Damit wären nicht mehr nur vermarktete, sondern auch vom Steuerpflichtigen selbst oder in Kooperation mit einem externen Berater des Steuerpflichtigen entwickelte Gestaltungen vom sachlichen Anwendungsbereich erfasst.339 Mit dem Vergleich der steuerlichen Vorteile mit dem wirtschaftlich angefallenen Aufwand sind die kanadischen Regelungen auf Verlustgestaltungen, insbesondere Verlustgesellschaften, wie sie in den 1980er Jahren gängig waren,340 zugeschnitten. Insofern gleichen die kanadischen Regelungen den 1984, das heißt mit fünf Jahren Vorlauf, in den USA eingeführten ersten Anzeigepflichten.341 Nachdem es keine weiteren Vorgaben an Art und Höhe der Investition oder des steuerlichen Vorteils gibt, kann ein tax shelter letztlich aber in vielfältigen Situationen vorliegen, bei Beteiligungen an Gesellschaften ebenso wie bei Investitionen in Einzelvermögensgegenstände, bei steuerlichen Verlustgestaltungen ebenso wie bei Gestaltungen, die andere steuerliche Vorteile, etwa Steuerermäßigungen oder Anrechnungsbeträge, zur Folge haben.342 Die heute gängigen technical tax shelters, die sich auf viele verschiedene Aspekte des Steuerrechts beziehen können und etwa mangelnde Homogenität verschiedener Regelungskomplexe ausnutzen, sind von den allein auf einen Vergleich von steuerlichem Vorteil einerseits und Nettoaufwand andererseits abstellenden Regelungen hingegen regelmäßig nicht erfasst.343
________________________ 338 Dies müsse genügen, wenn nicht die steuerlich versierten Steuerpflichtigen, die detaillierte Informationen zu der Gestaltung nicht benötigen, gegenüber anderen bevorzugt werden sollen (vgl. Justice Rip in Maege v. R., Tax Court of Canada, a. a. O., Tz. 28). 339 Siehe zu den mittelbaren Auswirkungen auf den persönlichen Anwendungsbereich der Anzeigepflichten unten, S. 68. 340 Siehe hierzu bereits oben, S. 6. 341 Im Detail sind die Regelungen aber unterschiedlich: Die US-Regelungen stellten allein einen Vergleich zwischen tatsächlich angefallenem Aufwand und steuerlichen Abzugsbeträgen an, zogen also erwartete nichtsteuerliche Vorteile nicht in die Rechnung mit ein; im Gegenzug musste das Verhältnis von steuerlichen Abzugsbeträgen und Aufwand 2:1 betragen (tax shelter ratio), wohingegen nach den kanadischen Regelungen ein Verhältnis von 1:1 zwischen steuerlichen Abzugsbeträgen und Nettoaufwand ausreicht (vgl. § 6111 (c) IRC (1984) sowie Treas. Reg. § 301.6111-1T (1984), Fragen 4 ff.). 342 Vgl. Bernstein/Jondahl, 37 Tax Notes International (2005), 169, 172. 343 Zur Entwicklung der Steuergestaltungsmodelle siehe auch Ibele/Vasché, 39 State Tax Notes (2006), 781, 782.
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C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten I. Anzeigepflichten für Promotoren 1. Begriff des Promotors Ausführliche Anzeigepflichten bestehen nach kanadischem Recht ausschließlich für Promotoren (promoter) von anzeigepflichtigen Steuergestaltungen.344 Das sind zunächst diejenigen Personen, die eine Beteiligung an einem tax shelter im eigenen Namen oder für einen anderen vertreiben, für diese werben, oder eine Gegenleistung für diese in Empfang nehmen.345 Dabei kann es für dieselbe Gestaltung mehrere Promotoren geben.346 Ebenso können aber auch Personen anzeigepflichtig sein, die im Zusammenhang mit einem tax shelter lediglich beratend tätig sind.347 (Steuerliche) Berater sind dann erfasst, wenn sie für einen Teil der Gestaltung, der die steuerliche Struktur betrifft, auf Seiten der Initiatoren der Gestaltung verantwortlich zeichnen.348 Die Beratung eines einzelnen Steuerpflichtigen bei seiner Beteiligung an einer bereits entwickelten Gestaltung genügt für die Begründung des Status eines Promotors hingegen nicht.349 Zudem ist es selbst bei Beratung der Initiatoren der Gestaltung für die Begründung der Anzeigepflicht nicht ausreichend, dass der Berater ein Gutachten dazu abgibt, ob die erwarteten steuerlichen Konsequenzen eintreten, ohne dass er selbst Änderungen an der Struktur der Gestaltung empfiehlt.350 2. Inhalt der Anzeigepflicht a) Registrierung Promotoren müssen die anzeigepflichtige Gestaltung bei der Canada Revenue Agency (CRA) anzeigen und eine Registriernummer (tax shelter identification number) beantragen, wenn eine solche Anzeige nicht bereits durch einen an________________________ 344 Siehe zu diesem Begriff rechtsvergleichend unten, S. 214. 345 § 237.1 (1) „promoter“ (a) bis (c) ITA; diese Tätigkeit muss im Rahmen laufender Geschäftstätigkeit entfaltet werden; diese Voraussetzung kann allerdings unter Umständen auch bereits bei einmaliger Tätigkeit erfüllt sein (vgl. Bernstein/Jondahl, 37 Tax Notes International (2005), 169, 171 m. w. N.). 346 Mitteilung der Canada Revenue Agency IC 89-4 v. 14.8.1989, Tz. 2. 347 § 237.1 (1) „promoter“ ITA. 348 § 237.1 (1) „promoter“ (b) ITA. 349 Bernstein/Jondahl, 37 Tax Notes International (2005), 169, 171 m. w. N.; Wertschek/ Wilson, 56 Canadian Tax Journal (2008), 285, 302 f.; CRA Document No. 5-9372, v. 23.4.1990. 350 Vgl. Anleitung zur Form T5001 sowie Bernstein/Jondahl, 37 Tax Notes International (2005), 169, 171.
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deren Promotor erfolgte.351 Die Anzeige ist auf dem Formblatt T5001 vorzunehmen.352 Hierauf ist die Struktur der Gestaltung, einschließlich zu erwartender steuerlicher Abzüge für Investoren, zu beschreiben sowie die Identität aller beteiligten Promotoren offen zu legen. Auch die Finanzierung der Gestaltung ist ausführlich darzulegen; etwaige Kreditgeber sind zu bezeichnen.353 Für fünf Jahre müssen vorläufige Gewinnprognosen abgegeben werden.354 Anzugeben ist auch, welche Werbematerialien im Zusammenhang mit der Gestaltung verwendet werden. Der Form T5001 müssen zudem Kopien des Werbe- und Informationsmaterials sowie sonstiger Unterlagen, die für das Verständnis der Gestaltung relevant sind, beigefügt werden.355 Es ist keine feste Frist für die Einreichung von Form T5001 und damit die Beantragung der Registriernummer vorgesehen. Allerdings ist es einem Promotor untersagt, vor Zuteilung einer Registriernummer durch die Steuerbehörde Anteile an einer anzeigepflichtigen Gestaltung auszugeben oder zu vertreiben sowie eine Gegenleistung im Zusammenhang mit der Gestaltung anzunehmen.356 Zu jedem beliebigen Zeitpunkt nach der Beantragung einer Registriernummer kann die Steuerverwaltung vom Promotor weitere Informationen über die Gestaltung sowie Einsicht in die zu der Gestaltung aufbewahrten Dokumente verlangen.357 Die Zuteilung einer Registriernummer erfolgt nur, wenn sichergestellt ist, dass die Aufzeichnungen im Zusammenhang mit der Gestaltung am gewöhnlichen Geschäftsort des Promotors in Kanada aufbewahrt werden.358 Da bis zur Ausgabe der Nummer eine Beteiligung an der Gestaltung nicht veräußert ________________________ 351 § 237.1 (2) ITA. 352 Form T5011 (Application for Tax Shelter Registration Number and Undertaking to Keep Books and Records); abrufbar unter www.cra-arc.gc.ca/E/pbg/tf/t5001/t500105e.pdf. 353 Bernstein/Jondahl, 37 Tax Notes International (2005), 169, 170. 354 Bernstein/Jondahl, 37 Tax Notes International (2005), 169, 170: pro forma income statements. 355 Information Circular 89-4 of August 14, 1989, par. 5. 356 § 237.1 (4) ITA; lediglich allgemeine Werbung für eine Gestaltung ist bereits in diesem Stadium gestattet (vgl. Mitteilung der Canada Revenue Agency IC 89-4 v. 14.8.1989, Tz. 6); die Beantragung der Registriernummer mittels der erstmaligen Anzeige kann bereits vor dem ersten Kontakt mit Steuerpflichtigen erfolgen (hierzu Wertschek/Wilson, 56 Canadian Tax Journal (2008), 285, 289 und 297 f.). 357 § 237.1 (8) i. V. m. §§ 231 bis 231.3 ITA. 358 § 237.1 (3) ITA sowie Mitteilung der Canada Revenue Agency IC 89-4 v. 14.8.1989, Tz. 5; eine Aussage zur materiellrechtlichen Zulässigkeit der betroffenen Gestaltung enthält die Zuteilung der Registriernummer auch in Kanada nicht (siehe Canada Revenue Agency, „Tax Shelters“, abrufbar unter www.cra-arc.gc.ca/gncy/lrt/vshlt-eng. html).
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werden darf, und steuerliche Vorteile aus der Gestaltung nicht geltend gemacht werden können, bis eine derartige Nummer vom Steuerpflichtigen den Steuerbehörden vorlegt wird,359 führt dieses Detail im Ergebnis dazu, dass ausländische Promotoren eine anzeigepflichtige Gestaltung in Kanada nicht vertreiben können. b) Laufende Anzeigepflicht Die Pflichten derjenigen Promotoren, von denen Anteile an der Gestaltung erworben werden oder die für die Gestaltung auftreten, erschöpfen sich nicht in der einmaligen Anzeige der Gestaltung und Beantragung der Registriernummer. Vielmehr müssen diese Promotoren zusätzlich jährlich das Formblatt T5003360 abgeben, auf dem sie jeden Steuerpflichtigen, der sich während des Jahres an der Gestaltung beteiligt hat, und den Betrag mit dem er sich beteiligt hat, anzugeben haben, sofern dieser Bericht nicht schon anderweitig erfolgt ist.361 Form T5003 ist grundsätzlich bis Ende Februar nach dem Kalenderjahr, in dem die Beteiligung erfolgte, einzureichen.362
II. Hinweispflicht der Steuerpflichtigen Unmittelbar anzeigepflichtig sind Steuerpflichtige nach kanadischem Recht nicht. Die an einem tax shelter beteiligten Steuerpflichtigen können steuerliche Vorteile aus dieser Gestaltung aber nur dann geltend machen, wenn sie den Steuerbehörden gleichzeitig die entsprechende Registriernummer angeben.363 Wurde eine Registriernummer für eine anzeigepflichtige Gestaltung fälschlicherweise nie beantragt oder wurde eine beantragte und zugeteilte Nummer einem Steuerpflichtigen nicht weitergeleitet, so ist es dem Steuer________________________ 359 § 237.1 (6) ITA; siehe hierzu sogleich. 360 Vgl. www.cra-arc.gc.ca/E/pbg/tf/t5003sum/t5003-sum-04b.pdf für das Deckblatt der Form T5003 sowie www.cra-arc.gc.ca/E/pbg/tf/t5003/t5003flat-07b.pdf für die Einzelelemente der Form T5003, die für jeden an der Gestaltung beteiligten Steuerpflichtigen gesondert auszufüllen sind (T5003 Slip). 361 § 237.1 (7) ITA sowie Mitteilung der Canada Revenue Agency IC 89-4 v. 14.8.1989, Tz. 12 bis 16. 362 § 237.1 (7.3) ITA; der Promotor hat zwei Kopien der Form T5003 zudem an die jeweils betroffenen Steuerpflichtigen zu übermitteln (vgl. Mitteilung der Canada Revenue Agency IC 89-4 v. 14.8.1989, Tz. 14). 363 § 237.1 (6) ITA; es wird empfohlen, ist aber nicht zwingend vorgeschrieben, diese Angabe auf dem Formblatt T5004 (Statement of Tax Shelter Loss or Deduction; abrufbar unter www.cra-arc.gc.ca/E/pbg/tf/t5004/t5004-04b.pdf) zu machen (vgl. Mitteilung der Canada Revenue Agency IC 89-4 v. 14.8.1989, Tz. 17); zudem haben Steuerpflichtige vom Promotor erhaltene Kopien der Form T5003 im ersten Jahr der Berücksichtigung in der Steuererklärung dieser Erklärung beizufügen (id.; siehe hierzu die vorausgehende Fußnote).
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pflichtigen selbst dann versagt, den betreffenden steuerlichen Vorteil geltend zu machen, wenn er von der Anzeigepflicht nicht wusste und auch nicht wissen konnte. Promotoren haben sicherzustellen, dass jedem Beteiligten die einmal für die Gestaltung zugeteilte Registriernummer mitgeteilt wird.364 Sie sind zudem verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass alle Investoren die Registriernummer in ihrer jeweiligen Jahressteuererklärung verwenden.365 Aus dem oben dargestellten, in der Rechtssache Maege v. R. aufgeworfenen neuen Verständnis des sachlichen Anwendungsbereichs, wonach es auf Stellungnahmen von fremder Seite zu den steuerlichen und außersteuerlichen Auswirkungen der Gestaltung unter Umständen nicht mehr ankommen soll,366 ergeben sich Folgefragen bzgl. des persönlichen Anwendungsbereichs der Anzeigepflicht. Denn wenn eine Gestaltung nach diesen Grundsätzen ein tax shelter ist, so können die steuerlichen Vorteile aus der Gestaltung auch dann nicht geltend gemacht werden, wenn es keinen Promotor gibt, der die Gestaltung hätte anzeigen können. Konsequent müsste dem Steuerpflichtigen dann das Recht zur eigenen Anzeige der Gestaltung zustehen, soll er nicht schlechter stehen als Steuerpflichtige, die anzeigepflichtige Gestaltungen von Promotoren erwerben.367
________________________ 364 § 237.1 (5) (a) ITA; wenn der Promotor den Anteil an der Gestaltung selbst ausgibt oder vertreibt, so muss er dem Erwerber die Registriernummer direkt kommunizieren; in anderen Fällen genügt es regelmäßig, wenn der Promotor sicherstellt, dass die Registriernummer deutlich auf jedem Anteilschein oder sonstiger Beteiligungsbestätigung vermerkt ist (vgl. Mitteilung der Canada Revenue Agency IC 89-4 v. 14.8.1989, Tz. 8); er muss zudem in allen von ihm erstellten Gewinn- und Verlustrechnungen zu der Gestaltung die Nummer angeben (vgl. § 237.1 (5) (b) ITA). 365 § 237.1 (5) (c) ITA; die Erklärung soll folgenden englischsprachigen oder den entsprechenden französischsprachigen Wortlaut haben: „The identification number issued for this tax shelter shall be included in any income tax return filed by the investor. Issuance of the identification number is for administrative purposes only and does not in any way confirm the entitlement of an investor to claim any tax benefits associated with the tax shelter.“ 366 Hierzu oben, S. 63. 367 Letztlich offenbart sich wohl an diesem Folgeproblem, für das das Gesetz keine Lösung vorsieht, dass der Gesetzgeber in Parallele zum persönlichen Anwendungsbereich, der auf Promotoren beschränkt ist, auch beim sachlichen Anwendungsbereich lediglich entsprechende von Promotoren entwickelte und an Steuerpflichtige vermarktete Gestaltungen erfassen wollte.
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D. Folgen bei Missachtung der Regelungen I. Sanktionen im Zusammenhang mit der Registrierung Die Sanktionen bei unterlassener oder mangelhafter Anzeige anzeigepflichtiger Gestaltungen sind beträchtlich.368 Vor diesem Hintergrund wird in der Literatur vermutet, dass in der Praxis viele Gestaltungen sicherheitshalber angezeigt werden, obgleich sie bei richtiger Beurteilung tatsächlich nicht anzeigepflichtig sind.369 Promotoren, die bei der Beantragung der Registriernummer falsche oder irreführende Angaben machen oder Beteiligungen an der Gestaltung bereits vor Zuteilung einer Registriernummer veräußern, sind bußgeldpflichtig in Höhe von 25 Prozent der vor der Berichtigung der Angaben bzw. der Zuteilung der Registriernummer entstandenen Vergütungsansprüche, mindestens aber in Höhe von 500 CDN$.370 Diese Bußgelder werden auch tatsächlich und in nicht unbeträchtlicher Höhe festgesetzt.371 Mittelbar wird die Wirkung dieses Bußgelds gegen den Promotor dadurch verstärkt, dass die Steuerpflichtigen steuerliche Vorteile aus der Gestaltung für diejenigen Veranlagungszeiträume nicht geltend machen können, in denen ein Bußgeld gegen einen Promotor festgesetzt wurde und noch nicht vollständig beglichen ist.372 Die vorsätzliche Weitergabe einer falschen Registriernummer wird als Straftatbestand erfasst. Die Strafandrohung beläuft sich auf 100 bis 200 Prozent der Investitionssumme des Empfängers der falschen Registriernummer und/oder eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren.373
________________________ 368 Wertschek/Wilson, 56 Canadian Tax Journal (2008), 285, 316, sprechen von „drakonischen Strafen“. 369 Bernstein/Jondahl, 37 Tax Notes International (2005), 169, 172. 370 § 237.1 (7.4) ITA; dieser Betrag entspricht derzeit etwa 400 €; in der ursprünglichen Fassung von 1989 betrug das Bußgeld lediglich 3 Prozent der entstandenen Vergütungsansprüche (vgl. noch Mitteilung der Canada Revenue Agency IC 89-4 v. 14.8.1989, Tz. 11 (a) sowie § 162 (9) ITA i. d. F. bis 1998). 371 Siehe zum Beispiel Maya Inc. v. R., Tax Court of Canada v. 16.7.2003, 2003 TCC 502, 2003 DTC 947, in dem Bußgelder gegen einen Promotor in Höhe von 724.000 CDN$ (derzeit etwa 580.000 €) aufrecht erhalten wurden. 372 § 237.1 (6.1) ITA. 373 § 239 (2.1) ITA.
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II. Sanktionen im Zusammenhang mit der laufenden Anzeigepflicht Bei Missachtung der laufenden, jährlichen Anzeigepflicht wird ein Bußgeld in Höhe von 25 CDN$ für jeden Tag nach Ablauf der Frist, mindestens aber 100 CDN$, verhängt.374
E. Über die Anzeigepflicht hinausgehende Anknüpfungen Auch in Kanada werden an anzeigepflichtige Gestaltungen mittlerweile Rechtsfolgen geknüpft, die über die Anzeigepflicht selbst hinausgehen.375 Während die Definition eines tax shelter in § 237.1 (1) des Income Tax Act zunächst lediglich für die Anzeigepflichten gilt, knüpfen verschiedene materiellrechtliche Normen nunmehr tatbestandlich an sie an.376 Die Definition ist damit etwa Grundlage für diverse Steuerabzugsbeschränkungen.377 Daneben sind steuerlichen Beratern sonst offen stehende Rechtfertigungsmöglichkeiten gegen den Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung dann abgeschnitten, wenn dieser Vorwurf eine anzeigepflichtige Gestaltung betrifft.378
________________________ 374 § 162 (7) sowie (5) ITA. 375 Ursprünglich war allerdings lediglich ein Berichtssystem ohne materiellrechtliche Konsequenzen vorgesehen (vgl. Bernstein/Jondahl, 37 Tax Notes International (2005), 169, 169). 376 Kritisch zu der hierdurch entstehenden „hybriden Natur“ von Anzeigepflichten am Beispiel von § 143.2 ITA, Wertschek/Wilson, 56 Canadian Tax Journal (2008), 285, 287 und 296 ff. 377 Siehe etwa über die Verbindung von § 143.2 (1) die allgemeine Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Aufwand für tax shelter investment in § 143.2 (6) ITA oder die spezielle Beschränkungsregelung für computer software tax shelter property in § 1100 (20.1) und (20.2) der Income Tax Regulations; daneben verweist § 18.1 (1) ITA direkt auf § 237.1 (1), um für derartige tax shelter steuerliche Abzüge erst zuzulassen, wenn auch Einnahmen anfallen. 378 Eine Rechtfertigung damit, dass sie gutgläubig auf Angaben des Steuerpflichtigen vertrauten, ist ihnen dann nicht möglich (vgl. § 163.2 (6) und (7) i. V. m. (1) „excluded activity“ (a) (ii) ITA).
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Kapitel 3: Großbritannien A. Einführung I. Gesetzeshistorischer Hintergrund 1. Ursprüngliche Regelungen 2004 Das Vereinigte Königreich379 hat im Jahr 2004 – wie auch zuvor in den USA gegen erheblichen Widerstand der Praxis380 – ein Anzeigepflichtsystem im Bereich der Ertragsteuern (disclosure of tax avoidance schemes, DOTAS) eingeführt.381 Dabei erfolgte eine ausdrückliche Orientierung insbesondere an den Regelungen der USA, aber auch denjenigen Kanadas.382 Es wurden dabei zwei der drei Hauptelemente des US-Systems übernommen, nämlich die Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen und der Berater, nicht aber die Dokumentierungspflicht Letzterer.383 Seit seiner Einführung wurde das britische Anzeigepflichtsystem bereits mehrfach grundlegenden Änderungen unterzogen. Um von den Anzeigepflichten erfasst zu sein, mussten Gestaltungen ursprünglich zunächst positiv einer von zwei Sachgruppen, nämlich gewissen Geschäften im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen oder Finanzproduktgestaltungen, zugeordnet werden können (hierzu a) und b)). Die Regelungen wurden auf diese beiden Sachgruppen beschränkt, nachdem die britische Steuerverwaltung, der Her Majesty’s Revenue & Customs (HMRC),384 davon ausgegangen war, dass hier die Steuermissbrauchsgefahr am größten sei.385 Fiel eine ________________________ 379 Steuergesetze werden üblicherweise für das gesamte Vereinigte Königreich, also neben Großbritannien insbesondere auch noch für Nordirland erlassen (vgl. Tiley, Revenue Law, 30); aus Gründen der Einfachheit soll im Weiteren allerdings von den britischen Regelungen gesprochen werden. 380 Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 207. 381 Das disclosure of tax avoidance schemes regime wurde im Bereich der Ertragsteuern mit dem Finance Act 2004 (FA 2004) eingeführt und ist am 1.8.2004 in Kraft getreten (siehe FA 2004, Chapter 12, Part 7, §§ 306 bis 319). 382 HMRC Regulatory Impact Assessment (RIA), Tackling Tax Avoidance – Disclosure Requirements, v. 6.4.2004, abrufbar unter www.hmrc.gov.uk/ria/tackling-taxavoidance.pdf; Tz. 8 ff.; sprachliche Anleihen haben die britischen Regelungen zudem am australischen product rulings regime genommen (zu den Besonderheiten dieses Systems aber bereits oben, Fn. 5). 383 Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 194. 384 Der HM Revenue & Customs (HMRC) ist am 18.4.2005 aus der Zusammenlegung der früheren Steuer- und Zollbehörden, dem Inland Revenue und dem HM Customs and Excise, hervorgegangen (zu den Hintergründen und Problemen der Zusammenlegung der früher getrennten Behörden vgl. Briault, 15 International Tax Review (2004), 26); im FA 2004 wird der HMRC noch als „the Board [of Inland Revenue]“ bezeichnet. 385 Pearson/Price, 8 Tax Planning International European Union Focus (7/2006), 13, 13.
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Gestaltung in eine dieser Sachgruppen, so war sie grundsätzlich anzeigepflichtig, wenn nicht spezielle Ausnahmetatbestände innerhalb dieser beiden Gruppen oder der allgemeine Ausnahmetatbestand mit zwei bzw. gegebenenfalls drei kumulativen Voraussetzungen (filters) griffen (hierzu c)).386 a) Gestaltungen im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen Zunächst waren Gestaltungen erfasst, die im Zusammenhang mit einem Anstellungsverhältnis zu einer Steuerminderung oder einem Steueraufschub führten (arrangements connected with employment).387 Zudem musste es sich um eine der drei folgenden Gestaltungsarten handeln: Wertpapiergeschäfte oder mit Wertpapieren zusammenhängende Geschäfte wie Optionsgeschäfte;388 Zahlungen an trustees oder andere zwischen den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer geschaltete Personen;389 sowie vom Arbeitgeber ausgegebene, besicherte oder abgelöste Darlehen.390 b) Finanzproduktgestaltungen Daneben waren Gestaltungen betroffen, bei denen ein wesentlicher Teil der steuerlichen Vorteile aus der Einbeziehung einzeln aufgeführter Finanzpro________________________ 386 Außerhalb der gesetzlichen Regelungen wurden einzelne übliche Steuerprodukte (everyday tax advice) in einer offiziellen Stellungnahme des Inland Revenue, die vom Chartered Institute of Taxation veröffentlicht wurde, vom Anwendungsbereich ausgenommen; dazu zählen unter anderem sogenannte salary sacrifice arrangements for cars, computers, childcare vouchers or pension funds sowie standard dual contract arrangements (CIOT Technical Note v. 23.8.2004; vgl. hierzu Foster/Barry, 762 The Tax Journal (2004), 4, 5). 387 SI 2004/1863, § 1 (2); der Vorteil musste dabei jeweils nicht notwendigerweise dem Arbeitnehmer selbst zukommen; es war auch ausreichend, wenn der Vorteil auf dem Arbeitsverhältnis beruhte und einem nahestehenden Dritten zukam (vgl. SI 2004/1863, § 2, § 3 (1) und (2), § 4 (1) und § 5 (1)); für die Begründung dieses Nahestehensverhältnis war auch die Führung eines gemeinsamen Haushalts ausreichend; auch genügte es, wenn der Vorteil nicht durch den Arbeitgeber selbst, sondern durch eine ihm nahestehende Person erfolgte (vgl. SI 2004/1863, § 3 (2) (b), § 4 (1), § 5 (1), jeweils i. V. m. § 1 (3), sowie § 839 des Income and Corpporation Taxes Act 1988). 388 SI 2004/1863, § 1 (1) (a) sowie § 3. 389 SI 2004/1863, § 1 (1) (b) sowie § 4. 390 SI 2004/1863, § 1 (1) (c) sowie § 5; für jede Gestaltungsart waren jeweils konkrete Ausnahmen festgelegt: Bei Wertpapiergeschäften waren beispielsweise offiziell genehmigte share incentive plans, retirement savings plans oder pension scheme plans ausgenommen (vgl. SI 2004/1863, § 3 (3)); ähnliche Ausnahmen von offiziell genehmigten oder geregelten Steuergestaltungen bestanden auch bei Zahlungen über trustees und andere Mittler sowie bei Arbeitgeberdarlehen (vgl. SI 2004/1863, § 4 (2) bzw. § 5 (2)).
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dukte resultierte (arrangements in relation to financial products):391 Dies waren Darlehen392 und darlehensähnliche Geschäfte sowie Aktien;393 daneben waren auch gewisse Derivatgeschäfte, Wertpapierveräußerungs- und -rückkaufgeschäfte sowie Wertpapierleihgeschäfte erfasst.394 c) Die generellen Ausnahmen (filters) Der Anwendungsbereich der Anzeigepflicht wurde mit diesen beiden Sachgruppen zunächst also sehr weit beschrieben. Sowohl für Gestaltungen im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen als auch für Finanzprodukte gab es aber eine Ausnahme von der Anzeigepflicht, wenn folgende zwei bzw. gegebenenfalls drei Voraussetzungen (filters) kumulativ erfüllt waren:395 (1) Die Gestaltung durfte in ihrer steuerlichen Struktur zunächst nicht so innovativ sein, dass bei hypothetischer Prüfung davon auszugehen war, ein Promotor könne eine außergewöhnliche Vergütung für seine Beratung zur Steuerstruktur verlangen (premium fee test).396 (2) Zudem durfte der aus der Gestaltung zu erwartende steuerliche Vorteil nicht aus einem Gestaltungselement bzw. ________________________ 391 SI 2004/1863, § 6 (2); die Draft Regulations von Anfang 2004 waren noch anders und komplizierter ausgestaltet; diesen wurde entgegengehalten, dass sie sich nicht zielgerichtet gegen missbräuchliche Gestaltungen wendeten (vgl. Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 197 f.). 392 Die Tatsache, dass gewisse Arten von Arbeitgeberdarlehen neben dieser generellen Nennung von Darlehen als Finanzprodukten aufgeführt sind, ist wohl historisch dadurch zu erklären, dass ursprünglich lediglich bei den Finanzprodukten generelle Filter galten (siehe hierzu sogleich, Fn. 395); für ein Arbeitgeberdarlehen konnte daher zwar eine Befreiung von den Anzeigepflichten für Finanzprodukte, aber gleichzeitig eine Anzeigepflicht als Gestaltung im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen vorliegen. 393 SI 2004/1863, § 7 (1) (a), (e) und (f); ob ein Darlehen oder darlehensähnliches Geschäft vorlag, bestimmte sich nach der handelsrechtlichen Beurteilung; insbesondere waren Gestaltungen nicht erfasst, die handelsrechtlich als finance leasing zu beurteilen gewesen wären (vgl. SI 2004/1863, § 7 (3) bis (5)). 394 SI 2004/1863, § 7 (1) (b) bis (d); diese Finanzprodukte waren, im Gegensatz zu den eben genannten, mit einer Verweisung auf eine Definition in anderen Steuergesetzen jeweils konkret beschrieben; auch bei Finanzprodukten gab es wieder konkret von den Anzeigepflichten ausgenommene Geschäfte; ausgenommen waren danach etwa Geschäfte, die ausschließlich Vermögensgegenstände umfassten, die in speziell geregelten individual savings accounts oder personal equity plans gehalten wurden (vgl. SI 2004/1863, § 7 (2)). 395 Während dieser generelle Ausnahmetatbestand bei den Finanzprodukten bereits in der ursprünglichen Fassung vorgesehen war (vgl. SI 2004/1863, § 8), wurde dieser in ähnlicher Weise bei den Gestaltungen im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen erst mit Wirkung zum 30.9.2004 eingeführt (vgl. SI 2004/2429, § 5 (3) mit der Anfügung von SI 2004/1863, § 5A). 396 SI 2004/1863, § 8 (1) (a) i. V. m. (2) sowie SI 2004/1863, § 5A i. d. F. v. SI 2004/2429, § 5 (3); dieser Test enthielt die jetzt für die Fallgruppe der premium fee arrangements verwendeten Kriterien (siehe hierzu unten, S. 83).
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einer Gestaltungsstruktur resultieren, die ein hypothetischer Promotor gegenüber anderen Promotoren vernünftigerweise geheim halten wollen würde (confidentiality test).397 (3) Eine dritte zusätzliche Voraussetzung hatte der allgemeine Ausnahmetatbestand in den Fällen, in denen ein Finanzprodukt vorlag und sich ein Promotor oder eine diesem nahestehende Person als Partei an diesem Finanzprodukt beteiligte: Dann durfte die spezielle Ausgestaltung des Finanzprodukts nicht wesentlich von den Konditionen abweichen, mit denen die Gestaltung auf einem offenen Markt angeboten würde (off market test).398 2. Änderungen 2006 Die grundlegendste bisherige Änderung erfolgte durch Ausführungsrichtlinien mit Wirkung zum 1.8.2006.399 Danach wurde insbesondere der sachliche Anwendungsbereich der Anzeigepflichten in zweierlei Hinsicht wesentlich erweitert.400 Zum einen ist die Beschränkung auf Gestaltungen im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen sowie Finanzproduktgestaltungen gestrichen worden.401 Der Wegfall der ersten Prüfungsstufe hatte zudem Auswirkungen auf die Gesetzestechnik der bisherigen zweiten Stufe: Es gibt nun keine negativ formulierten filter mehr, die kumulativ erfüllt sein müssen, um eine Gestaltung aus der Anzeigepflicht auszunehmen. Vielmehr sind umgekehrt positiv formulierte Kriterien (hallmarks) vorgesehen, von denen eines erfüllt sein
________________________ 397 SI 2004/1863, § 8 (1) (a) i. V. m. (2) sowie SI 2004/1863, § 5A i. d. F. v. SI 200472429, § 5 (3). 398 SI 2004/1863, § 8 (1) (b) i. V. m. (4); zur Terminologie ist festzustellen, dass, obgleich die Richtlinien selbst danach fragen, ob ein Unterschied zur Behandlung auf einem offenen Markt (open market) vorliegt, die Guidances die negative Formulierung, also die Beschreibung der umgekehrten Situation, in der gerade die Gestaltung gerade nicht dem marktüblichen entspricht (off market terms), gewählt hat; der Terminologie der Guidances soll hier gefolgt werden. 399 SI 2006/1543 und SI 2006/1544 v. 15.6.2006; zu den Hintergründen vgl. HMRC Regulatory Impact Assessment (RIA), The Tax Avoidance Schemes Regulations 2006 (SI 2006/1543 and SI 2006/1544), v. 12.6.2006, abrufbar unter www.hmrc.gov.uk/ria/ riata1543-4.pdf; ein Entwurf dieser Änderungen wurde am 27.4.2006 veröffentlicht und im Folgenden nur noch unwesentlich geändert (vgl. Mehta/Habershon/u. a., 43 Tax Notes International (2006), 99, 99). 400 Wilks, 33 Tax Planning International Review (8/2006), 25, 26; Pearson/Price, 8 Tax Planning International European Union Focus (7/2006), 13, 13; MacLachlan/ O’Gara/Wilson, 33 Tax Planning International Review (7/2006), 15, 15; Mehta/ Habershon/u. a., 43 Tax Notes International (2006), 99, 102; daneben wurden auch einzelne Veränderungen den Inhalt der Anzeigepflicht betreffend vorgenommen; insbesondere wurde die Frist zur Anzeige von in house-Gestaltungen verkürzt (hierzu unten, S. 101). 401 SI 2006/1543, § 18, der SI 2004/1863 i. d. F. v. SI 2004/2429 vollständig aufhebt.
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muss, um die Anzeigepflicht zu begründen.402 Hierbei ergibt sich zudem eine zweite wesentliche Erweiterung der Anzeigepflichten: Denn neben die mit kleineren Abweichungen weiter geltenden, nunmehr lediglich positiv formulierten Kriterien sind nun drei weitere Fallgruppen von anzeigepflichtigen Gestaltungen getreten.403 Mit diesen drei weiteren Fallgruppen werden fortan auch Gestaltungen erfasst, die sich – anders als die bislang anzeigepflichtigen Gestaltungen – nicht durch besonderen Innovationsgehalt auszeichnen, über die der HMRC aber aus anderen Gründen informiert werden möchte.404 Zudem wurden durch die Ergänzung der Kriterien die bisher maßgeblich auf Einzelgestaltungen zugeschnittenen Anzeigepflichten nun auch auf vermarktete Steuergestaltungen erstreckt.405 Die bereits zwei Jahre nach ursprünglicher Einführung vorgenommenen Änderungen offenbaren zum einen, wie schwierig es ist, ein in sich schlüssiges und funktionierendes Anzeigepflichtsystem zu konzipieren.406 Der HMRC reagierte mit dieser Erweiterungen aber auch darauf, dass sich Promotoren und Steuerpflichtige in dem sich schnell entwickelnden Markt für Steuergestaltungsmodelle zum Teil bewusst auf diejenigen Bereiche verlagert hatten, die noch nicht von der Anzeigepflicht erfasst waren.407 Der HMRC hat vor die________________________ 402 Das hallmark-System mit einzelnen positiv formulierten Fallgruppen von potentiell missbräuchlichen Gestaltungen wurde bisher bereits im Bereich der indirekten Steuern praktiziert; anders ist dies hingegen bei den Grunderwerbsteuergestaltungen, da dort ohnehin nicht Fallgruppen mit Missbrauchs- bzw. Innovationspotential beschrieben werden. 403 SI 2006/1543, § 5 (2); gesetzestechnisch handelt es sich um sieben Fallgruppen, wobei die ersten beiden allerdings der Klarheit halber zusammengefasst werden können (ebenso u. a. Pearson/Price, 8 Tax Planning International European Union Focus (7/2006), 13, 13). 404 Vgl. Guidance 2008, Tz. 7.1 (hierzu unten, Fn. 425); hierzu etwa Mehta/Habershon/ u. a., 43 Tax Notes International (2006), 99, 100; so hatte der HMRC insbesondere Gestaltungen im Zusammenhang mit gewerblichem Leasing mit Sorge betrachtet (siehe Pearson/Price, 8 Tax Planning International European Union Focus (7/2006), 13, 13). 405 Vermarktete Gestaltungen sind nicht auf Vertraulichkeit ausgerichtet und können dies auch kaum sein; auch wird wegen der durch die weite Verbreitung bedingten Offenlegung der Struktur im Markt bei diesen Gestaltungen eine außergewöhnlich hohe Vergütung für den steuerlichen Vorteil regelmäßig wohl nicht verlangt werden können. 406 Wilks/Arenstein/Greenfield, European Taxation 2007, 47, 48. 407 MacLachlan/O’Gara/Wilson, 33 Tax Planning International Review (7/2006), 15, 15; Pearson/Price, 8 Tax Planning International European Union Focus (7/2006), 13, 13; uneindeutig HMRC Regulatory Impact Assessment (2006), Tz. 16 einerseits und Tz. 22 andererseits; etwa waren infolge des confidentiality test die Vertraulichkeitsvereinbarungen in der Praxis deutlich rückläufig (vgl. Collier-Keywood, 837 The Tax Journal (2006), 11, 11; zwar wird dabei nicht unmittelbar auf das tatsächliche Vorliegen einer Vertraulichkeitsabsprache abgestellt; allerdings wirkt dieses, wie dargestellt, indiziell im Rahmen der grundsätzlich hypothetisch erfolgenden Prüfung); auch gingen bestimmte Steuergestaltungen im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen nach Einfüh-
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sem Hintergrund die Marktteilnehmer bereits vorgewarnt, dass die Fallgruppen sich auch in Zukunft wieder ändern könnten, um auf neue Entwicklungen zu reagieren.408 3. Änderungen 2007 Mit dem Finance Act 2007 wurden weitere Ergänzungen vorgenommen. Die Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen blieben zwar unverändert. Allerdings wurden Elemente der Erzwingung der Anzeigepflicht, gerade auch bei nicht eindeutiger Lage, eingeführt. Zudem wurden für den HMRC Mechanismen geschaffen, vermutete Anzeigepflichtverletzungen zu untersuchen.409 4. Änderungen 2008 Weitere Änderungen am britischen System erfolgten im Zuge des Finance Act 2008. Sie hatten insbesondere Detailfragen rund um die Registriernummer, insbesondere die Verpflichtung der Promotoren sowie deren Mandanten bzw. Kunden zur Weiterleitung der Nummer an andere Beteiligte, zum Gegenstand.410 Sie sollen sicherstellen, dass die vom HMRC ausgegebenen Registrierungsnummern auch tatsächlich den die Gestaltung verwendenden Steuerpflichtigen erreichen und von diesem auch in der Steuererklärung angegeben werden.411 Der HMRC hofft, damit die Quote derjenigen Steuerpflichtigen, die ihrer Verpflichtung zur Angabe der Registriernummer nachkommen, von bislang geschätzten 60 Prozent auf etwa 80 bis 90 Prozent heben zu können.412 ________________________
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rung der Anzeigepflichten deutlich zurück (vgl. Collier-Keywood, 837 The Tax Journal (2006), 11, 11); Tilakapala/Mears, 60 Tax Notes International (2010), 365, 367, werfen dem HMRC vor, den Rückgang der berichteten Gestaltungen irrtümlich als Grund für eine Ausweitung des Anzeigepflichtsystems anzusehen. Guidance 2012, Tz. 7.1 (hierzu unten, Fn. 425); Pearson/Price, 8 Tax Planning International European Union Focus (7/2006), 13, 13; MacLachlan/O’Gara/Wilson, 33 Tax Planning International Review (7/2006), 15, 16; Mehta/Habershon/u. a., 43 Tax Notes International (2006), 99, 100; zu diesem bereits in der Offenheit der gesetzlichen Ermächtigung angelegten Vorgehen allgemein Bland, British Tax Review 2006, 653, 653. § 108 Finance Act 2007 v. und mit Wirkung v. 19.7.2007; SI 2007/2153 v. 24.7.2007; SI 2007/3104 v. 30.10.2007, SI 2007/3104 v. 30.10.2007; hierzu ausführlicher unten, S. 110 ff. § 116 (1) Finance Act 2008 i. V. m. Schedule 38 v. 21.7.2008 und m. W. v. 1.11.2008; SI 2008/1935 v. 22.7.2008; SI 2008/1947 v. 22.7.2008; zum gesetzeshistorischen Hintergrund siehe Oats/Salter, British Tax Review 2008, 505, sowie HMRC Consultation Document „The Tax Avoidance Disclosure Regime: Improving the Scheme Reference Number System“, v. 20.11.2007. Explanatory Memorandum to SI 2008/1947, Tz. 7.10 und 7.11. HMRC Responses to the Consultation Document „The Tax Avoidance Disclosure Regime: Improving the Scheme Reference Number System“, v. 28.5.2008, S. 18.
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5. Änderungen 2009 Als wesentliche Änderung im Lauf des Jahres 2009 ist die Einführung einer neuen Fallgruppe der Umgehungsgestaltungen bei Altersvorsorgeaufwendungen zu nennen.413 6. Änderungen 2010 Vorerst letzte Änderungen haben die britischen Regelungen mit dem Finance Act 2010 bzw. parallel erlassenen Richtlinien erfahren:414 Dabei wurde die Fallgruppe der marktunüblichen Finanzproduktgestaltungen gestrichen,415 die zeitliche Anknüpfung für die Anzeige von Promotern gestaltungssicherer gemacht,416 die Verpflichtung von Promotoren eingeführt, Nutzer von Gestaltungen zu identifizieren,417 die Verpflichtung von Personen, die nicht Promotoren sind, zur Benennung ihrer Informationsquelle eingeführt418 sowie das Bußgeldsystem verschärft.419
II. Rechtsquellen Die zentralen Vorschriften zur Definition des persönlichen Anwendungsbereichs der Anzeigepflichten, zum Inhalt derselben und zu den bei Nichtbeachtung eingreifenden Bußgeldtatbeständen enthält der Finance Act 2004 selbst.420 Ausführende Bestimmungen zu diesen Regelungen sind in Verwaltungsrichtlinien mit Außenwirkung (statutory instruments421) zu finden422, zu ________________________ 413 SI 2009/2033 v. 21.7.2009 (hierzu unten, S. 88); daneben gab es kleinere Änderungen bei der Hinweispflicht der Steuerpflichtigen (vgl. SI 2009/611 v. 11.3.2009; hierzu unten, ab S. 98). 414 Hierzu Oats/Salter, British Tax Review 2010, 458, sowie Tilakapala/Mears, 60 Tax Notes International (2010), 365, auch zu einzelnen weiteren Überlegungen, die letztlich keine Umsetzung erfahren haben. 415 Hierzu unten, S. 85. 416 Hierzu unten, S. 93. 417 Hierzu unten, S. 98. 418 Hierzu unten, S. 112. 419 Hierzu unten, S. 107. 420 FA 2004, Chapter 12, Part 7, §§ 306 bis 319, geändert durch FA 2007, Chapter 11, Part7, §§ 108, sowie FA 2008, Chapter 9, Part 1, § 116 i. V. m. Schedule 38. 421 Statutory instruments werden von der Steuerverwaltung dem britischen Parlament vorgelegt und werden dann geltendes Recht, wenn innerhalb von 40 Tagen keine Einwände gegen sie erhoben werden (vgl. James, The UK Tax System, 4). 422 SI 2004/1863 (Tax Avoidance Schemes (Prescribed Descriptions of Arrangements) Regulations), später geändert durch SI 2004/2429, später ersetzt durch SI 2006/1543, diese später geändert durch SI 2009/2033; SI 2004/1864 (Tax Avoidance Schemes (Information) Regulations), später geändert durch SI 2004/2613, SI 2006/1544, SI 2007/2153, SI 2007/3103, SI 2008/1947 und SI 2009/611; SI 2004/1865 (Tax Avoid-
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deren Erlass der HMRC ermächtigt wurde.423 In diesen Richtlinien ist insbesondere auch der sachliche Anwendungsbereich der Anzeigepflichten mit den einzelnen Fallgruppen geregelt. Finance Act 2004 und die Richtlinien werden von Verwaltungserläuterungen (Guidances)424 ergänzt.425
III. Regelungen zu anderen Abgabenarten Die folgende Darstellung konzentriert sich auf die Anzeigepflichten im Bereich der Ertragsteuern, also der Einkommensteuer (income tax), der Veräußerungsgewinnsteuer (capital gains tax) und der Körperschaftsteuer (corporation tax). Daneben gibt es in Großbritannien mittlerweile auch Anzeigepflich-
________________________ ance Schemes (Promoters and Prescribed Circumstances) Regulations), später geändert durch SI 2004/2613; die drei ursprünglichen statutory instruments wurden am 22.7.2004 erlassen und sind am 1.8.2004 zeitgleich mit dem gesamten tax disclosure regime in Kraft getreten. 423 Vgl. § 317 (1) FA 2004. 424 Guidances sind Verwaltungsrechtssätze des Binnenrechtskreises ohne Rechtsnormcharakter (vgl. James, The UK Tax System, 4); sie können gesetzliche oder in Richtlinien geschaffene Regelungen grundsätzlich nicht abändern oder erweitern; vereinzelt enthalten die Guidances aber auch Ausführungsbestimmungen auf der Grundlage von Ermächtigungen in den Richtlinien, so auch im Rahmen des Anzeigepflichtsystems (vgl. SI 2004/1864 § 8 (13) i. d. F. v. SI 2009/611, § 4 und Guidance 2008, Tz. 12.4.1 i. d. F. v. Update v. 1.3.2009); es ist eine im britischen Steuerrechtssystem häufig anzutreffende Methode, im Gesetz und in den Richtlinien sehr weitgehende Pflichten vorzusehen und diese dann mittels Guidances einzuschränken (hierzu Collier-Keywood, 837 The Tax Journal (2006), 11, 12); diese Methode ist auch innerhalb des britischen Anzeigepflichtsystems an vielen Stellen festzustellen; ein besonders eindrückliches Beispiel in diese Richtung stellt die Rechtfertigungsmöglichkeit gegen Bußgeld dar, die ausschließlich in den Guidances vorgesehen ist. 425 Umfassende Verwaltungserläuterungen wurden im Juli 2005 veröffentlicht (Disclosure of Direct (IT, CGT, and CT) Tax Avoidance Schemes (The Main Guidance); im Folgenden „Guidance 2005“); eine weniger umfangreiche Guidance wurde im März 2004 erlassen (vgl. hierzu Cannon, S. 116 ff.); infolge der grundlegenden Änderungen in den Richtlinien wurde eine neue Guidance am 16.6.2006 herausgegeben (Disclosure of Tax Avoidance Schemes (Income Tax, Corporation Tax, Capital Gains Tax and Stamp Duty Land Tax) v. 16.6.2006; im Folgenden „Guidance 2006“); im Oktober 2008 und Februar 2012 sind jeweils weitere vollständig überarbeitete Version ergangen (Disclosure of Tax Avoidance Schemes (Income Tax, Corporation Tax, Capital Gains Tax, National Insurance contributions and Stamp Duty Land Tax and Inheritance Tax); aktuellste Version im Internet abrufbar unter www.hmrc.gov.uk/aiu/dotas.pdf; im Folgenden „Guidance 2008“ und „Guidance 2012“).
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ten im Bereich der Grunderwerbsteuer426, der Umsatzsteuer427 und der Sozialversicherungsabgaben428. ________________________ 426 Die gesetzliche Grundlage für Anzeigepflichten im Finance Act 2004 erfasste von Anfang an neben den Ertragsteuern (umgesetzt in SI 2004/1864, § 2) auch einzelne Verkehrssteuern sowie die Erbschaftsteuer (vgl. § 318 (1) FA 2004; erfasst sind die petroleum revenue tax, inheritance tax, stamp duty land tax, stamp duty reserve tax); von der Ermächtigung im Hinblick auf diese weiteren Steuerarten hat der HMRC allerdings nur im Hinblick auf eine der beiden heutigen Formen der britischen Grunderwerbsteuer (stamp duty land tax, SDLT) Gebrauch gemacht; dies geschah mittels statutory instrument m. W. v. 1.8.2005, also ein Jahr nach der Einführung der Regelungen zu den Ertragsteuern (vgl. SI 2005/1868 und SI 2005/1869 v. 11.7.2005; anzeigepflichtig sind nach diesen Regelungen Gestaltungen, die sich auf Immobilien beziehen, die sich nicht ausschließlich aus Wohnraumimmobilien zusammensetzen und insgesamt einen Marktwert von mindestens 5 Millionen GB£ haben (vgl. SI 2005/1868, § 2 (3) (a) und (b) i. V. m. (2); das Vorliegen dieser beiden Merkmale wird widerleglich vermutet, wenn noch nicht absehbar ist, für welche Arten und welchen Wert von Immobilien die Gestaltung eingesetzt werden wird (vgl. SI 2005/1868, § 2 (4) und (5))); damit ist der Anwendungsbereich zunächst sehr weit; mittels Negativkatalogs (white list) werden allerdings Gestaltungen ausgenommen, die dem HMRC bereits bekannt sind (vgl. SI 2005/1868, § 2 (3) (c) i. V. m. Schedule); der persönliche Anwendungsbereich sowie der Inhalt der Anzeigepflichten ist stark mit demjenigen des Ertragsteuern vergleichbar (vgl. Guidance 2005a, Tz. 1.3.1, 1.4.1 und 1.5.1; siehe hierzu im Einzelnen unten). 427 Im Bereich der Umsatzsteuer wurden Anzeigepflichten ebenso mit Wirkung zum 1.8.2004, aber gesetzlich getrennt verankert eingeführt (vgl. § 58A bzw. Schedule 11A des Value Added Tax Act 1994 i. d. F. v. Schedule 2 des FA 2004; gesetzliche Änderungen sind mit Schedule 1 des Finance Act 2005 ergangen; Ausführungsrichtlinien sind in SI 2004/1933, SI 2004/1929, SI 2005/1724, SI 2005/2009 und SI 2005/2010 enthalten; daneben ist im August 2004 als Erläuterung die Notice 700/8 erlassen worden, die in der Folge mehrmals geändert wurde; hierzu Foster/Barry, 762 The Tax Journal (2004), 4, 5). Die Anzeigepflichten nach diesen Regelungen unterscheiden sich wesentlich vom tax disclosure regime des Ertragsteuerrechts. Die Anzeigepflicht trifft hier lediglich den Umsatzsteuerpflichtigen selbst (vgl. § 6 (1) des Schedule 11A des Value Added Tax Act 1994). Unter gewissen Umständen haben steuerliche Berater und Vermittler von Gestaltungen aber die Möglichkeit, freiwillig zu berichten und die einzelnen Umsatzsteuerpflichtigen damit von deren Anzeigepflicht zu befreien (vgl. § 6 (4) des Schedule 11A des Value Added Tax Act 1994). Anzeigepflichtig sind zwei Gruppen von Umsatzsteuergestaltungen: Zum einen sind dies Gestaltungen, die, losgelöst vom jeweiligen Fall, aber konkret bezeichnet, von der Steuerverwaltung als ausschließlich steuergetrieben eingestuft wurden (designated schemes; vgl. § 5 (1) (a) i. V. m. (3) des Schedule 11A des Value Added Tax Act 1994; vgl. die Auflistung in Schedule 1 des SI 2004/1933 sowie Notice 700/8, Tz. 6; momentan handelt es sich hierbei um 10 Kataloggestaltungen). Diese Methode ist vergleichbar mit den Kataloggestaltungen nach US-Recht. Zum anderen sind Gestaltungen erfasst, die unter eine von acht abstrakt umschriebenen Fallgruppen zu subsumieren sind (hallmarked schemes; vgl. § 5 (1) (b) i. V. m. § 3 des Schedule 11A des Value Added Tax Act 1994; vgl. die Auflistung in Schedule 2 des SI 2004/1933 sowie Notice 700/8, Tz. 10; diese Fall-
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B. Sachlicher Anwendungsbereich I. Grundsätzliche Konzeption Auch wenn sowohl die gesetzliche Grundlage als auch die einzelnen Ausführungsrichtlinien mit „Tax Avoidance Schemes“ überschrieben sind, fehlt eine Definition dieses Begriffs. Er wird in den Regelungen selbst auch nicht verwendet. Zwar haben die Regelungen eine bestimmte Gruppe von Missbrauchsgestaltungen im Auge, nämlich Gestaltungen, die dem (mutmaßlichen) gesetzgeberischen Willen bei Erlass der jeweiligen Norm des materiellen Steuerrechts zuwiderlaufen.429 Vor dem Hintergrund, dass dieser Missbrauchsbegriff nur schwerlich tatbestandlich zu fassen ist, knüpfen die britischen Anzeigepflichten jedoch nicht unmittelbar an einem wie auch immer gearteten Missbrauchstatbestand an, sondern an Fallgruppen, bei denen typisiert von einer hohen Missbrauchsanfälligkeit ausgegangen wird.430
________________________ gruppen gleichen zum Teil denjenigen des tax disclosure regime im Ertragsteuerrecht). Die Anzeigepflicht ist an Mindestumsätze des Steuerpflichtigen geknüpft: Bei designated schemes muss für eine Anzeigepflicht in den zurückliegenden zwei Jahren ein Mindestjahresumsatz von mindestens 600.000 GB£ erzielt worden sein; für hallmarked schemes beträgt der Mindestjahresumsatz 10 Millionen GB£ (vgl. § 7 des Schedule 11A des Value Added Tax Act 1994; bei der Bestimmung des Jahresumsatzes werden auch die umsatzsteuerfreien Umsätze einbezogen (vgl. § 7 (2) und (3) des Schedule 11A des Value Added Tax Act 1994). 428 Seit dem 1.5.2007 gelten Anzeigepflichten auch im Zusammenhang mit Sozialversicherungsabgaben (National Insurance contributions related schemes, NIC). Die Ermächtigung hierzu befindet sich in § 132A des Social Security Administration Act 1992 i. d. F. v. § 7 des National Insurance Contributions Act 2006; eine Ausführungsrichtlinie ist mit SI 2007/785 ergangen; Erläuterungsregelungen sind in der Guidance 2007 vom März 2007 enthalten. Die Regelungen verweisen großteils ausdrücklich auf das ertragsteuerliche tax disclosure regime. Ein größerer Unterschied ergibt sich lediglich insofern, als im Zusammenhang mit Versicherungsabgaben die Fallgruppen der Verlustgestaltungen und der Leasing-Gestaltungen keine Anwendung finden (vgl. SI 2007/785, § 16 (6) i. V. m. SI 2006/1543, §§ 12 ff.). 429 HMRC Regulatory Impact Assessment (2004), Tz. 6; ebenso HMRC Regulatory Impact Assessment (2006), Tz. 2; siehe auch Foster/Barry, 762 The Tax Journal (2004), 4, 7 f. zu entsprechenden Äußerungen im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren. 430 Bland, British Tax Review 2006, 653, 658 ff. und 668; denklogisch muss diese Methode zur Anzeigepflicht auch bei Gestaltungen führen, die letztlich nicht missbräuchlich sind (vgl. auch Guidance 2012, Tz. 7.1).
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II. Voraussetzungen im Einzelnen Die Regelungen erfassen sowohl bereits umgesetzte Gestaltungen als auch Gestaltungsentwürfe.431 Unter einem anzeigepflichtigen Gestaltungsentwurf (notifiable proposal) ist ein Entwurf zu verstehen, der im Falle der Umsetzung eine anzeigepflichtige Gestaltung (notifiable arrangement) ergäbe.432 Für eine anzeigepflichtige Gestaltung sind wiederum drei Voraussetzungen erforderlich:433 Erstens muss die Gestaltung steuerliche Vorteile zeitigen bzw. erwarten lassen (hierzu 1.).434 Zweitens muss es sich bei diesen steuerlichen Vorteilen um den wesentlichen oder einen der wesentlichen aus der Gestaltung zu erwartenden Vorteile handeln (hierzu 2.).435 Drittens und schließlich muss es sich um eine vom HMRC in den Richtlinien bezeichnete Gestaltung handeln (hierzu 3.).436 1. Definition des steuerlichen Vorteils Die Definition des steuerlichen Vorteils (tax advantage) enthält der FA 2004 selbst.437 Diese Definition ist denkbar weit:438 Der HMRC sieht einen solchen Vorteil immer dann als gegeben, wenn die steuerliche Position des Steuer________________________ 431 Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 195; hier wird auch vertreten, dass die Regelungen damit den US-Regelungen gleichen; dies ist heute aber nicht mehr der Fall, da in den USA mittlerweile erst nach der Umsetzung der Gestaltung berichtet werden muss; die Definition von Gestaltungen und Gestaltungsentwürfen enthält keine Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs der Regelungen (vgl. Bland, British Tax Review 2006, 653, 654). 432 § 306 (2) FA 2004. 433 § 306 (1) FA 2004. 434 § 306 (1) (b) FA 2004. 435 § 306 (1) (c) FA 2004. 436 § 306 (1) (a) FA 2004. 437 § 318 (1) FA 2004: „(a) relief or increased relief from, or repayment or increased repayment of, [a] tax, or the avoidance or reduction of a charge to that tax or an assessment to that tax or the avoidance of a possible assessment to that tax, (b) the deferral of any payment of tax or the advancement of any repayment of tax, or (c) the avoidance of any obligation to deduct or account for any tax“; diese Definition gleicht derjenigen in § 709 des Income and Corporation Taxes Act (ICTA) 1988, der im Rahmen einer speziellen Missbrauchsvorschrift im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften einen steuerlichen Vorteil definiert; dabei müssen sich die steuerlichen Vorteile jeweils auf britische Steuern beziehen (Guidance 2012, Tz. 6.2.2: „UK tax advantage“). 438 Teilweise wird vertreten, dass eine nennenswerte Einschränkung des Anwendungsbereichs der Regelungen hierdurch nicht erfolgt (so etwa Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 195; Bland, British Tax Review 2006, 653, 654 und 656 f.); die Bedeutung des Merkmals des „Steuervorteils“ für die Eingrenzung des Anwendungsbereichs von Anzeigepflichten ist allerdings nicht gering zu schätzen (siehe hierzu unten, ab S. 202).
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pflichtigen verbessert wird.439 Danach sind nicht nur Gestaltungen, die zur endgültigen Nichtveranlagung, zur Ermäßigung von Steuerverbindlichkeiten bzw. zur Erhöhung von Steuererstattungsansprüchen führen, erfasst. Vielmehr liegt ein steuerlicher Vorteil in diesem Sinne auch bereits dann vor, wenn sich ein Vorteil lediglich vorübergehend, etwa im Rahmen eines Steueraufschubs, ergibt. 2. Definition des wesentlichen Vorteils Eine nennenswerte Beschränkung des Anwendungsbereichs der Anzeigepflichten beinhaltet hingegen die Vorgabe, dass der steuerliche Vorteil den oder zumindest einen der wesentlichen insgesamt aus der Gestaltung erzielten Vorteile (the main benefit or one of the main benefits) darstellen muss.440 Wann dies der Fall ist, legen aber weder das Gesetz noch die Ausführungsrichtlinien fest. In den Guidances wird lediglich festgestellt, dass diese Frage nach objektiven, nicht subjektiven Kriterien zu bestimmen ist.441 3. Beschreibung der Fallgruppen a) Vertrauliche Gestaltungen (confidentiality arrangements) Die Fallgruppe der vertraulichen Gestaltungen (confidentiality arrangements) umfasst zwei Situationen, wobei jeweils die Perspektive der Fragestellung und der Bezugspunkt des Vertraulichkeitswunsches wechseln:442 Zum einen liegt eine Gestaltung aus dieser Fallgruppe vor, wenn anzunehmen ist, dass ein hypothetischer Promotor steuerliche Elemente der Gestaltung vor anderen Promotoren geheim halten wollen würde (confidentiality from competitors).443
________________________ 439 Hierbei nimmt er auf die zu der ähnlichen Formulierung in § 709 des Income and Corporations Taxes Act 1988 ergangenen Entscheidungen Bezug (vgl. hierzu Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 195). 440 Vgl. Bland, British Tax Review 2006, 653, 654; diese Anforderung stellt § 306 (1) (c) FA 2004 auf. 441 Guidance 2012, Tz. 6.3.; zu der damit verbundenen Problematik unten, S. 205 ff. 442 Gesetzestechnisch liegen zwei Fallgruppen vor, nämlich vertrauliche Gestaltungen mit einem beteiligten Promotor und solche ohne diesen (vgl. SI 2006/1543, § 5 (2) (a) und (b)); der Klarheit halber sollen diese beiden Fallgruppen hier aber im Zusammenhang dargestellt werden (ebenso u. a. Pearson/Price, 8 Tax Planning International European Union Focus (7/2006), 13, 13). 443 SI 2006/1543, § 6 (1) i. d. F. v. SI 2010/2834, § 5; dieses Kriterium entspricht weitgehend dem früheren confidentiality filter (siehe Mehta/Habershon/u. a., 43 Tax Notes International (2006), 99, 100, sowie oben, S. 73); Zweifel an der Handhabbarkeit dieses Kriteriums in der Praxis äußern etwa Wilks/Arenstein/Greenfield, European Taxation 2007, 47, 49.
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Die Tatsache, dass im konkreten Fall tatsächlich eine Vertraulichkeitsabrede vereinbart wurde, spricht als Indiz für eine Gestaltung in dieser Fallgruppe.444 Zum anderen liegt eine Gestaltung aus dieser Fallgruppe dann vor, wenn davon auszugehen ist, dass der betroffene Promotor oder gegebenenfalls der anzeigepflichtige Steuerpflichtige445 steuerliche Elemente der Gestaltung vor dem HMRC wegen des Wunsches, das Gestaltungselement fortgesetzt oder wiederholt einsetzen zu können, geheim halten wollen würde (confidentiality from HMRC).446 Für diese Beurteilung kommt es insbesondere auf den Gehalt an steuerplanerischer Innovation und Aggressivität an.447 Ein Indiz sind dabei etwa Hinweise in Werbematerial zu der Gestaltung, dass die Gestaltung bei entsprechender gesetzgeberischer Reaktion womöglich nicht unbegrenzt lange umgesetzt werden wird können.448 b) Gestaltungen mit besonderer Vergütung für den steuerlichen Vorteil (premium fee arrangements) Die Fallgruppe der Gestaltungen mit besonderer Vergütung für den steuerlichen Vorteil (premium fee arrangements) stellt darauf ab, ob bei hypothetischer Prüfung davon auszugehen ist, dass ein Promotor für seine Beratung im Zusammenhang mit der Gestaltung auch von einem insoweit steuerlich erfahrenen Steuerpflichtigen eine im Vergleich zu üblicher steuerlicher Beratung außergewöhnlich hohe Vergütung bzw. eine steuererfolgsabhängige Ver________________________ 444 So ist auch zu erklären, dass infolge der Regelungen die Vertraulichkeitsvereinbarungen in der Praxis deutlich rückläufig waren (vgl. hierzu Collier-Keywood, 837 The Tax Journal (2006), 11, 11); allerdings kann diese Vermutung auch widerlegt werden, etwa in Situationen, in denen die Details der konkreten Gestaltung im Markt bereits bekannt sind, oder bei Marktsegmenten, in denen generell Vertraulichkeitsvereinbarungen verwendet werden (vgl. Guidance 2012, Tz. 7.3.2). 445 Zur Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen siehe unten, ab S. 100. 446 SI 2006/1543, § 6 (2) i. d. F. v. SI 2010/2834, § 5 i. V. m. SI 2004/1864, § 8; bei anzeigepflichtigen Steuerpflichtigen SI 2006/1543, § 7 i. d. F. v. SI 2010/2834, § 6. 447 Obwohl diese Unterfallgruppe anders als die anderen objektivierend hypothetisch formulierten Fallgruppen ihrem Wortlaut nach auf den jeweils betroffenen Promotor bzw. Steuerpflichtigen abstellt und dessen Einstellung nach einem subjektiven Maßstab abprüft, ist die Anwendung auch hier im Ergebnis objektiviert; denn diese subjektive Tatsache muss aus Beweisgründen wiederum anhand objektiver äußerer Merkmale ermittelt werden (siehe hierzu Guidance 2012, Tz. 7.3.3, sowie Bland, British Tax Review 2006, 653, 660). 448 Guidance 2012, Tz. 7.3.3; die Tatsache, dass in Bezug auf eine möglicherweise erfasste Gestaltung der Anzeigepflicht tatsächlich nicht nachgekommen wurde, wird vom HMRC hingegen zur Vermeidung eines Zirkelschlusses nicht wiederum als Indikator für einen solchen Geheimhaltungswunsch gedeutet (vgl. Guidance 2012, Tz. 7.3.3 und 7.4.2).
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gütung verlangen könnte.449 Ähnlich wie bei der oben behandelten Fallgruppe der vertraulichen Gestaltungen soll auch mit diesem Gedankenmodell überprüft werden, ob die betreffende Gestaltung einen besonderen steuerlichen Innovationsgehalt hat.450 Wird eine besondere Vergütung in diesem Sinne tatsächlich nicht gezahlt, so ist dies für die hier hypothetisch durchzuführende Prüfung unerheblich; umgekehrt ist die Fallgruppe aber immer einschlägig, wenn tatsächlich eine außergewöhnliche Vergütung vereinbart wird.451 c) Marktunübliche Finanzproduktgestaltungen (off market terms arrangements) In einer weiteren Fallgruppe waren marktunüblichen Finanzproduktgestaltungen (off market terms arrangements) erfasst, also Gestaltungen, bei denen der steuerliche Vorteil auf einem Finanzprodukt beruht,452 der Promotor oder eine diesem nahestehende Person selbst als Partei an der Gestaltung beteiligt ist, ________________________
449 SI 2006/1543, § 8; damit wird der Ansatz des früheren premium fee filters weitergeführt (hierzu bereits oben, S. 73); auch wenn diese Kriterien zunächst kompliziert erscheinen, wird davon ausgegangen, dass die Praxis keine nennenswerten Probleme mit der Beantwortung der Frage hat, ob eine derartige besondere Vergütung vorliegt (vgl. Collier-Keywood, 837 The Tax Journal (2006), 11, 12; a. A. Johnson, 43 Tax Notes International (2006), 497, 499). 450 Guidance 2012, Tz. 7.5.2; es spielt bei der hypothetischen Prüfung dieser Fallgruppe konsequenterweise keine Rolle, ob der betroffene Steuerpflichtige tatsächlich über derartige Erfahrung verfügt, ob es sich um eine in house entwickelte Gestaltung oder eine solche mit externem Promotor handelt bzw. gegebenenfalls wer der Promotor ist (siehe hierzu auch Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 199). 451 Guidance 2012, Tz. 7.5.2. 452 Diese Fallgruppe enthielt sowohl das frühere Element der Gestaltung mit Finanzprodukten als auch den früheren off market filter; während an der Struktur des off market test letztlich keine Änderungen vorgenommen wurden (vgl. SI 2006/1543, § 9 (1) (c) einerseits und SI 2004/1863, § 8 (4) andererseits), und auch die Definition der Finanzprodukte praktisch nicht verändert wurde (vgl. SI 2006/1543, § 9 (2) bis (5) einerseits und SI 2004/1863, § 7 (1) und (2) (a) andererseits; gestrichen wurde lediglich die frühere Ausnahme in SI 2004/1863, § 7 (1) und (2) (b)), wurde die Fallgruppe doch dadurch erweitert, dass nunmehr Finanzproduktgestaltungen häufiger vorlagen: Zuvor war für die Annahme einer solchen Gestaltung erforderlich, dass ein wesentlicher Teil der steuerlichen Vorteile der Gestaltung aus der Einbeziehung von Finanzprodukten resultierte (siehe SI 2004/1863, § 6 (2): „to a significant degree“); dies wurde, wie gezeigt, dann angenommen, wenn diese Finanzprodukte zentraler Bestandteil der Gestaltung waren (vgl. Guidance 2005, Tz. 4.11.5); nunmehr war es ausreichend, wenn der Vorteil der Gestaltung nicht nur unwesentlich auf dem Finanzprodukt beruht (vgl. SI 2006/ 1543, § 9 (1) (a): „to more than an incidental degree“); dieses Kriterium war nun weit auszulegen; auch lediglich mittelbares Beruhen des steuerlichen Vorteils auf dem Finanzprodukt sollte ausreichend sein; als Beispiel hierfür wurden in der Richtlinie sogar Fälle genannt, in denen ein Darlehen, das selbst ohne besondere steuerliche Relevanz ist, zur Fremdfinanzierung eines steuerlich vorteilhaften, da besonders abgeschriebenen, Gegenstands verwendet wird (Guidance 2008, Tz. 7.6.4).
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und der Preis für das Finanzprodukt wesentlich von demjenigen abweicht, welcher auf einem offenen Markt zu erwarten gewesen wäre.453 Mit dieser auf Drittüblichkeit abstellenden Perspektive sollte eine Umgehung des premium fee test dergestalt verhindert werden, dass die Promotorenvergütung in Elemente der Gestaltung, wie zum Beispiel die Zinshöhe bei einem vom Promotor ausgegeben Darlehen, einbezogen wird.454 Mit Wirkung zum 1.1.2011 wurde diese Fallgruppe allerdings ersatzlos aufgehoben, nachdem sie als nicht erforderlich angesehen worden war.455 d) Standardisierte steuerliche Produkte (standardised tax products) Eine weitere Fallgruppe erfasst standardisierte steuerliche Produkte (standardised tax products).456 Um ein „steuerliches Produkt“ handelt es sich, wenn bei objektiver Betrachtung der Hauptzweck der Gestaltung in der Erlangung eines steuerlichen Vorteils besteht.457 Zentraler Anknüpfungspunkt dieser Fallgruppe ist die leichte Reproduzierbarkeit von Gestaltungen (sogenannte mass marketed schemes, off-the-shelf shelters oder plug-and-play schemes).458 Ein Produkt in diesem Sinne liegt vor, wenn beteiligte Steuer________________________ 453 SI 2006/1543, § 9 (1); zu dieser Fallgruppe waren zahlreiche Einzelausnahmen vorgesehen (sog. white list; vgl. SI 2006/1543, § 11 i. V. m. § 10 (1)); so waren etwa Leasing-Gestaltungen in Bezug auf Anlagen oder Maschinen nicht erfasst, da sie genauer an anderer Stelle der Anzeigepflichten geregelt werden (vgl. SI 2006/1543, § 11 (2) (a) i. V. m. § 14); daneben sind eine ganze Reihe von dem HMRC bekannten und einzeln durch Gesetz, Verordnung oder Richtlinie beschriebenen Gestaltungen ausgenommen gewesen (vgl. SI 2006/1543, § 11 (2) (b) bis (n)). 454 Guidance 2008, Tz. 7.6.2; zwar ist die dortige Prüfung, ob eine außergewöhnlich hohe Vergütung vereinbart wird, zunächst hypothetisch vorzunehmen; wie dargestellt, wird dies aber gleichzeitig dann immer bejaht, wenn tatsächlich eine derartige Vergütung vereinbart wurde (siehe oben, bei Fn. 451); gedacht ist dabei vor allem an an einer Gestaltung beteiligte Banken und Wertpapierhäuser (vgl. Foster/Barry, 762 The Tax Journal (2004), 4, 5). 455 SI 2010/2834, § 8; Guidance 2012, § 7.6; hierzu Tilakapala/Mears, 60 Tax Notes International (2010), 365, 366. 456 SI 2006/1543, § 10 (1). 457 Vgl. SI 2006/1543, § 10 (3): „the main purpose“; zur objektivierten Auslegung dieses subjektiv formulierten Kriteriums siehe Guidance 2012, Tz. 7.7.4; damit ist die generelle Anforderung, dass einer der wesentlichen Vorteile der Gestaltung in der Erzielung eines Steuervorteils liegen muss (siehe hierzu oben, S. 82) insofern erhöht, als dies hier gerade der Hauptzweck sein muss. 458 Guidance 2012, Tz. 7.7.2 und 7.7.5; die Anzahl der Steuerpflichtigen, die die Gestaltung nutzen, die investierten Beträge, oder die Frage ob der Promotor die Gestaltung aktiv vertreibt oder lediglich auf Anfragen von Steuerpflichtigen reagiert, stehen hingegen nicht im Vordergrund; umso mehr Aufwand für die Anpassung an die Bedürfnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen verwendet werden muss, umso unwahrscheinlicher ist, dass die betreffende Gestaltung dieser Fallgruppe unterfällt (vgl. Guidance 2012, Tz. 7.7.8).
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pflichtige eine spezielle Transaktion oder eine Abfolge von Transaktionen vornehmen, die in ihrer Struktur wesentlich vorgeprägt und vereinheitlicht sind und für die es eine im Wesentlichen nicht-individualisierte Dokumentation bzw. Anleitung, insbesondere auch standardisierte Verträge, gibt.459 Die Anzeigepflicht wird ausgelöst, wenn der Promotor ein solches Produkt an mindestens zwei Steuerpflichtige weitergibt.460 e) Verlustgestaltungen (loss schemes) Mit der Fallgruppe der Verlustgestaltungen (loss schemes) werden Gestaltungen erfasst, bei denen aus der Warte eines objektiven Beobachters davon auszugehen ist, dass der zentrale Vorteil der Gestaltung in der Erlangung von steuerlich abziehbaren Verlusten liegt.461 Das soll regelmäßig etwa dann der Fall, wenn zu erwarten steht, dass der steuerliche Vorteil infolge des Verlusts größer ist als das insgesamt vom betreffenden Steuerpflichtigen getragene Risiko.462 Die Fallgruppe der Verlustgestaltungen ist in doppelter Hinsicht beschränkt: Zum einen sind lediglich steuerliche Verluste von natürlichen Personen erfasst.463 Zudem sind nur Gestaltungen anzeigepflichtig, von denen der Promotor annimmt, dass sie von mehreren natürlichen Personen auf dieselbe oder ähnliche Weise implementiert werden.464 ________________________ 459 SI 2006/1543, § 10 (2); häufig ist neben der Dokumentation in den Unterlagen auch bereits ein Steuergutachten enthalten (vgl. Guidance 2012, Tz. 7.7.3). 460 SI 2006/1543, § 10 (4); dabei kommt es nicht darauf an, ob die Gestaltung vom Promotor aus aktiv vertrieben oder dem Steuerpflichtigen lediglich auf Nachfrage zur Verfügung gestellt wurde (vgl. Guidance 2012, Tz. 7.7.5). 461 SI 2006/1543, § 12 (b) (i); durch das Erfordernis, dass es sich um den zentralen Vorteil („main benefit“) der Gestaltung handeln muss, werden Unternehmungen ausgeschlossen, die trotz einer außersteuerlichen Motivation zu (Anfangs-)Verlusten führen (vgl. Guidance 2012, Tz. 7.8.4); insbesondere ist hier an start up-Situationen sowie venture capital-Gestaltungen zu denken (vgl. Collier-Keywood, 837 The Tax Journal (2006), 11, 13); auch hier ist die allgemein bei den britischen Anzeigepflichten bestehende Anforderung, dass ein wesentlicher Vorteil der Gestaltung die Erzielung von steuerlichen Vorteilen sein muss, weiter konkretisiert (siehe zu der vergleichbaren Situation bei standardisierten steuerlichen Produkten oben, Fn. 457). 462 Guidance 2012, Tz. 7.8.4; bei beschränkter Haftung des Steuerpflichtigen handelt es sich hierbei um das insgesamt vom betreffenden Steuerpflichtigen eingesetzte Kapital. 463 SI 2006/1543, § 12 (b) (ii); Körperschaften sind damit ausgenommen, auch wenn sie und ihnen zukommende Steuervorteile selbstverständlich grundsätzlich unter das Anzeigepflichtsystem fallen (vgl. SI 2006/1543, § 5 (1)). 464 Nicht selten werden daneben dann die Kriterien der Fallgruppe der standardisierten steuerlichen Produkte erfüllt sein (vgl. Bland, British Tax Review 2006, 653, 661 f., die aus dieser Parallelität auf ein mangelndes Vertrauen des HMRC auf die ausreichende Wirksamkeit der Fallgruppe der standardisierten steuerlichen Produkte schließt).
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f) Leasing-Gestaltungen (leasing arrangements) Eine weitere Fallgruppe betrifft gewisse Arten von potentiell missbräuchlichen Leasinggestaltungen (leasing arrangements):465 Zunächst muss es sich um Leasing im Zusammenhang mit einer Fabrikanlage (plant) oder einer Maschine (machinery) handeln.466 Es müssen dabei besonders werthaltige Anlagen oder Maschinen betroffen sein.467 Ausgenommen sind Leasinggeschäfte mit lediglich kurzer Laufzeit.468 Zudem muss für die Anzeigepflicht eines von drei Merkmalen erfüllt sein, die das Leasinggeschäft als potentiell missbräuchlich erscheinen lassen.469 ________________________ 465 SI 2006/1543, §§ 13 bis 17; diese Fallgruppe ist in ihrer konkreten Ausgestaltung äußerst umfangreich; sie nimmt in der Richtlinie ebenso viel Platz ein wie die anderen Fallgruppen zusammengenommen (siehe hierzu auch Collier-Keywood, 837 The Tax Journal (2006), 11, 13). 466 SI 2006/1543, § 13 (1) (a) i. V. m. § 14; was Leasing im Sinne dieser Vorschriften darstellt, bestimmt sich dabei im Wesentlichen nach den jeweils geltenden Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (SI 2006/1543, § 14 (2) (b), (3) (a) und (4)). 467 Vgl. die sog. relevant value condition in SI 2006/1543, § 13 (1) (c) i. V. m. § 16; dabei müssen entweder die historischen Anschaffungskosten oder der aktuelle Markwert einen der folgenden Grenzwerte erreichen: in Bezug auf alle insgesamt von dem Anlagen- bzw. Maschinenleasinggeschäft erfassten Wirtschaftsgüter liegt der Grenzwert bei 25 Millionen GB£; ein alternativer Grenzwert stellt auf die einzelnen Wirtschaftsgüter ab und ist erreicht, wenn eines der Wirtschaftsgüter Anschaffungskosten oder einen aktuellen Marktwert von mindestens 10 Millionen GB£ hat (vgl. SI 2006/1543, § 16 (1); in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang miteinander stehende Leasingvereinbarungen zwischen denselben Parteien werden für die Beurteilung zusammengerechnet (Guidance 2012, Tz. 7.9.4). 468 SI 2006/1543, § 13 (1) (d) i. V. m. § 17; ein solches liegt grundsätzlich vor, wenn die Dauer des Leasinggeschäfts nach der vertraglichen Regelung zwei Jahre nicht übersteigt (vgl. SI 2006/1543, § 17 (1)); allerdings greift diese Ausnahme dann nicht, wenn dem Leasingnehmer eine Option eingeräumt wird oder andere Vorkehrungen getroffen werden, die zu einer Dauer des Leasinggeschäfts von mehr als 2 Jahren führen können (vgl. SI 2006/1543, § 17 (2) und (3)); die Ausnahme gilt zudem in den Fällen nicht, in denen zwar das Leasinggeschäft selbst auf nicht länger als 2 Jahre abgeschlossen wird, daneben aber in zeitlicher Nähe zum Vertragsschluss auch noch eine oder mehrere weitere Leasingvereinbarungen mit anderen Personen getroffen werden, die in der Summe zu einer Dauer von mehr als zwei Jahren führen (vgl. SI 2006/1543, § 17 (4)). 469 SI 2006/1543, § 13 (1) (b) i. V. m. § 15; das erste Missbrauchskriterium ist dann erfüllt, wenn eine Partei des Leasinggeschäfts spezielle Abschreibungsmöglichkeiten hat und gleichzeitig eine andere Partei nicht körperschaftsteuerpflichtig ist (vgl. SI 2006/1543, § 15 (1) bis (3)); potentieller Missbrauch wird auch dann angenommen, wenn der Leasinggeber durch die vertragliche Konstruktion von dem ihn normalerweise treffenden Risiko, dass der Leasingnehmer seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt, befreit wird, beispielsweise durch die Leistung eines Geldbetrags (vgl. SI 2006/1543, § 15 (4)); Missbrauch wird daneben gesetzlich vermutet bei bestimmten einzeln geregelten Gestaltungen des sale and finance leaseback bzw. des lease and finance leaseback (vgl. SI 2006/1543, § 15 (5) bis (8)).
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g) Umgehungsgestaltungen bei Altersvorsorgeaufwendungen (pensions arrangements) Eine letzte, erst im Jahr 2009 eingeführte Fallgruppe bezieht sich auf Umgehungsgestaltungen bei Altersvorsorgeaufwendungen (pensions arrangements).470 Hintergrund ist die Ankündigung von materiellrechtlichen Änderungen im Zuge des Budget 2009. Ab dem 6.4.2011, also mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2011/12, sollen Besserverdiener ab einem Bruttoeinkommen von 150.000 GB£ Altersvorsorgeaufwendungen nicht mehr mit dem jeweiligen Grenzsteuersatz, sondern lediglich noch mit dem Eingangssteuersatz berücksichtigen können.471 Um zu verhindern, dass die betroffenen Steuerpflichtigen im Vorfeld zur Wirksamkeit dieser Gesetzesänderung erhöhte Altersvorsorgeaufwendungen tätigen, die sie dann noch mit ihrem jeweiligen Grenzsteuersatz abziehen können, wurde im Rahmen des Finance Act 2009 eine – bis Ende des Veranlagungszeitraums 2010/11 befristete472 – Strafsteuer auf erhöhte Altersvorsorgeaufwendungen dieser Personengruppe geschaffen (special annual allowance charge, SAAC).473 Diese Strafsteuer kam dann zur Anwendung, wenn die Höhe der Altersvorsorgeaufwendungen (a) von den üblichen Altersvorsorgeaufwendungen des betreffenden Steuerpflichtigen abwich und (b) mehr als 20.000 GB£ im Jahr betrug.474 Die neuen Anzeigepflichten beziehen sich wiederum auf Umgehungen dieser neuen Strafsteuer, die doch selbst bereits eine – zeitlich befristete – spezialgesetzliche Missbrauchsnorm darstellt. Nach der neuen Fallgruppe sind Gestaltungen anzeigepflichtig, die (a) sich auf Erträge aus Altersvorsorgeplänen (benefits in a pension scheme) beziehen und (b) deren wesentlicher Vorteil (main benefit) es ist, die sonst anfallende Strafsteuer SAAC zu vermeiden oder zu reduzieren.475 Nähere Kriterien zur Prüfung enthält die Fallgruppe nicht.476 ________________________ 470 SI 2006/1543, § 18 i. d. F. v. SI 2009/2033, § 2 (3). 471 Siehe hierzu Goff, „High earners left with few ways to avoid 50 % tax“, Financial Times v. 24.4.2009, sowie zu Plänen einer weiteren Verschärfung der Regelungen Ross, „Pension relief restricted for high earners“, Financial Times v. 11.12.2009. 472 Guidance 2012, Tz. 7.10. 473 § 72 sowie Schedule 35 des Finance Act 2009; die Strafsteuer beträgt 20 Prozent der Altersvorsorgeaufwendungen. 474 Bei in der Höhe stark schwankenden Altersvorsorgeaufwendungen beträgt die Grenze 30.000 GB£. 475 SI 2006/1543, § 18 i. d. F. v. SI 2009/2033, § 2 (3). 476 Insbesondere gibt es keinen Anhaltspunkt zur Prüfung des Kriteriums des wesentlichen Vorteils (main benefit); werden die wirtschaftlichen Vorteile aus der Altersvorsorge in die Beurteilung mit einbezogen, so sind diese wohl regelmäßig bedeutender als der Vorteil aus der Vermeidung der Strafsteuer; für deren Einbeziehung spricht aber, dass die Fallgruppe selbst in ihrem ersten Tatbestandsmerkmal die Vorteile aus der Altersvorsorge in Bezug nimmt („involve the accrual or expected accrual of benefits in a pension scheme“).
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Allerdings gibt die Guidance hierzu drei Anwendungsbeispiele, denen gemeinsam ist, dass die Strafsteuer jeweils dem formellen Tatbestand nach vermieden wird, obwohl sie den wirtschaftlichen Gegebenheiten nach zur Anwendung kommen müsste.477 Damit sollen letztlich alle Gestaltungen anzeigepflichtig sein, die auf die Umgehung der Strafsteuer gerichtet sind.478
C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten I. Anzeigepflicht der Promotoren 1. Begriff des Promotors Grundsätzlich richtet sich die Anzeigepflicht in Großbritannien an Promotoren (promoter).479 Die Definition eines Promotors knüpft dabei sowohl an die entsprechende Tätigkeit im Zusammenhang mit der anzeigepflichtigen Gestaltung als auch an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe an: Grundsätzlich können Promotoren nur Personen sein, die eine anzeigepflichtige Gestaltung (mit-)entwickeln oder eine solche Gestaltung einer anderen Person zur Implementierung überlassen.480 Damit löst etwa die Erteilung eines Steuergutachtens dann die Anzeigepflicht nicht aus, wenn dieses sich auf eine bereits entwickelte Gestaltung bezieht und keine Empfehlungen zur weiteren ________________________ 477 Insbesondere Reduzierung des relevanten Einkommens nur der Form nach auf unter 150.000 GB£ und Reduzierung der für Zwecke der SAAC relevanten Altersvorsorgeaufwendungen nur der Form nach auf unter 20.000 GB£; ausdrücklich sollen Fälle, in denen das relevante Einkommen oder die Altersvorsorgeaufwendungen tatsächlich reduziert werden und infolgedessen die Strafsteuer nicht zur Anwendung kommt, nicht erfasst sein (vgl. Guidance 2008, Tz. 7.10.4 i. d. F. v. Update zum 1.9.2009). 478 Vgl. Guidance 2008, Tz. 7.10.2 i. d. F. v. Update zum 1.9.2009. 479 Die Promotoren können inländisch und ausländisch sein; dazu, dass bei einem ausländischen Promotor, der seiner Anzeigepflicht nicht nachkommt, der inländische Steuerpflichtige anzeigepflichtig wird, siehe unten, S. 102. 480 § 307 (1) (a) und (b) (i) FA 2004; daneben sind unter Umständen auch bei der Umsetzung der Gestaltung Beteiligte als Promotoren erfasst; diese Fallgruppe ist aber eingeschränkt auf Situationen, in denen die betreffende Person einem anderen Promotor, der diese Eigenschaft aufgrund der erstgenannten beiden Tätigkeiten erlangt hat, nahe steht (vgl. SI 2004/1865, § 5 i. V. m. § 307 (1) (b) (ii) FA 2004; ein solches Nahestehensverhältnis ist unter anderem zu engen Verwandten, zu Mitgesellschaftern einer Personengesellschaft und zwischen verbundenen Unternehmen gegeben (vgl. § 839 des Income and Corporation Taxes Act 1988 i. V. m. SI 2004/1865 § 1 (3)); diese Voraussetzung bezweckt, mehrfache Registrierungen derselben Gestaltung durch verschiedene Beteiligte zu vermeiden; bei nahestehenden Personen geht der HMRC davon aus, dass sie sich im Sinne der Regelungen bei mehreren Anzeigepflichtigen absprechen können (vgl. Guidance 2006, Tz. 3.3.5).
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Entwicklung enthält.481 Die Entscheidung dafür, dass die Anzeigepflicht in erster Linie Promotoren trifft, basiert auf der Annahme des HMRC, dass diese Gruppe am ehesten geeignet ist, die Anzeigepflicht zu beurteilen und ihr inhaltlich nachzukommen.482 Konsequenterweise sind diejenigen Promotoren von der Anzeigepflicht ausgenommen, die bei der Entwicklung der Gestaltung lediglich für Einzelaspekte verantwortlich sind und bei denen daher nicht zu erwarten ist, dass sie über diejenigen Informationen verfügen, die für eine Entscheidung darüber, ob eine anzeigepflichtige Gestaltung vorliegt, sowie die Erfüllung der Anzeigepflicht erforderlich sind.483 Die betroffenen Personen müssen zudem einer von drei Berufsgruppen angehören: Dies sind die steuerlichen Berater, insofern sie auch im konkreten Fall tatsächlich steuerlichen Rat erteilen,484 sowie Banken und Wertpapierhäuser.485 Promotor kann dabei sowohl eine natürliche Person als auch eine Gesellschaft mit oder ohne Rechtspersönlichkeit sein.486 Bei Arbeitsverhältnissen wird die Tätigkeit des Arbeitnehmers stets dem Arbeitgeber zugerechnet.487 Konzerngesellschaften sind von den Anzeigepflichten ausgenommen, wenn sie lediglich gegenüber Gesellschaften aus demselben Konzern (group) tätig werden.488 ________________________ 481 Sog. benign tax adviser test (vgl. SI 2004/1865, § 4 (1) i. V. m. (2); Guidance 2012, Tz. 3.4.1). 482 Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 200. 483 SI 2004/1865, § 4 (1) i. V. m. (4); Guidance 2012, Tz. 3.4.3 (sog. ignorance test). 484 § 307 (2) (a) FA 2004; liegt der Beitrag des steuerlichen Beraters im konkreten Fall zwar in der Entwicklung der Gestaltung, leistet dieser aber lediglich nichtsteuerliche Beratung, so wird er nicht als Promotor erfasst; das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn eine Kanzlei, die generell auch Steuerrat erteilt, im konkreten Fall nur zur gesellschaftsrechtlichen Struktur der Gestaltung berät (sog. non-tax adviser test; vgl. SI 2004/1865, § 4 (1) i. V. m. (3); Guidance 2012, Tz. 3.4.2). 485 § 307 (2) (b) FA 2004; es genügt hierbei, wenn in einer Konzerngruppe nicht das unmittelbar handelnde Unternehmen selbst diesen Berufsgruppen zuzurechnen ist, sondern ein anderes Unternehmen derselben Gruppe (vgl. FA 2004, § 307 (3) und (4) i. V. m. § 170 des Taxation of Chargeable Gains Act 1992). 486 Vgl. SI 2004/1865. 487 SI 2004/1865, § 3 (1) und (2); eine Zurechnung erfolgt daneben auch an dem Arbeitgeber nahestehende Personen (vgl. SI 2004/1865, § 3 (3); zum Begriff des Nahestehens siehe oben, Fn. 480); aus dieser Zurechnung an den Arbeitgeber folgt auch, dass bei in house entwickelten Gestaltungen kein Promotor im Sinne der Regelungen besteht (zu der dann bestehenden Anzeigepflicht des Arbeitgebers in seiner Eigenschaft als Steuerpflichtiger, siehe unten, S. 100). 488 SI 2004/1865, § 2; die Anforderungen an die Zugehörigkeit sind gegenüber denjenigen des materiellen Steuerrechts (vgl. §§ 170 ff. des Taxation of Chargeable Gains Act 1992) modifiziert (vgl. SI 2004/1865, § 2 (3), der eine Beteiligung von 51 Prozent anstelle von 75 Prozent genügen lässt); diese Ausnahme stellt sicher, dass auch von verschiedenen Konzerngesellschaften entwickelte Gestaltungen ebenso wie klassische in house-Gestaltungen behandelt werden (vgl. Guidance 2012, Tz. 3.8); demgegenüber
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Eine Beschränkung auf in Großbritannien ansässige Promotoren kennt das britische Anzeigepflichtsystem nicht.489 2. Inhalt der Anzeigepflicht eines Promotors a) Umfang der Anzeigepflicht Die Anforderungen an den Inhalt der Anzeige werden im britischen Anzeigepflichtsystem abstrakt beschrieben: Die gelieferten Informationen müssen danach so umfangreich und detailliert sein, dass sie erwarten lassen, ein Beamter des HMRC490 könne auf ihrer Grundlage die Struktur der Gestaltung verstehen.491 Daneben ist ein konkreter Mindestinhalt festgelegt, der neben Angaben zum Anzeigenden und der Bezeichnung der einschlägigen Fallgruppe anzeigepflichtiger Gestaltungen492 vor allem die – zunächst überblicksartige und dann detaillierte – Darstellung der Gestaltung sowie der sich aus ihr ergebenden steuerlichen Vorteile mitsamt der einschlägigen steuerlichen Vorschriften vorschreibt.493 Der HMRC hat ein zweiseitiges Formular (Form AAG 1) veröffentlicht, das die eben beschriebenen Inhalte abfragt und dessen Verwendung für die Anzeige der Promotoren verpflichtend ist.494 Empfänger ________________________
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kann steuerlicher Rat gegenüber joint venture-Partnern oder nahestehenden Personen, bei welchen die genannten Anforderungen nicht gegeben sind, die Promotorenstellung auslösen (vgl. hierzu Wilks, 33 Tax Planning International Review (8/2006), 25, 26). Ausdrücklich Guidance 2012, Tz. 3.9; allerdings ergibt sich bei Ansässigkeit im Ausland unter Umständen zusätzlich eine Anzeigepflicht für die Steuerpflichtigen (hierzu unten, S. 102). In den Regelungen ist lediglich von „officer of the Board“ die Rede; damit ist das „Board of Inland Revenue“, heute der HMRC, gemeint; mit dem Bezug auf einen hypothetischen Finanzbeamten ist klargestellt, dass übliche steuerliche bzw. rechtliche Begriffe in der Anzeige nicht erläutert werden müssen (hierzu auch Guidance 2012, Tz. 13.3.4). SI 2004/1864, § 3 (1) a. A. bzw. (2) a. A.; rechtstechnisch erfolgt die Beschreibung der Anforderungen getrennt für Gestaltungsentwürfe und Gestaltungen; inhaltlich ergibt sich aber keine Abweichung. Sind mehrere Fallgruppen gegeben, muss nur eine Fallgruppe angegeben werden; der HMRC bittet die Anzeigenden darum, in diesen Fällen die wesentlichste Fallgruppe anzugeben (vgl. Guidance 2012, Tz. 13.3.3); diese Beschränkung erscheint nicht unmittelbar einleuchtend; die Angabe mehrerer einschlägiger Fallgruppen würde es dem HMRC nämlich aller Voraussicht erleichtern, die jeweils relevanten missbrauchsanfälligen Aspekte der Gestaltung aufzuspüren; auch steht zu erwarten, dass die Aussagekraft der Auswahl der wesentlichsten Fallgruppe durch die Anzeigenden wegen der Subjektivität der Beurteilung beschränkt ist. SI 2004/1864, § 3 (1) und (2), sowie Guidance 2012, Tz. 13.3. Abrufbar unter www.hmrc.gov.uk/aiu/aag1net.pdf; ein Ergänzungsblatt (AAG 5 – Continuation Sheet) steht für den Fall bereit, dass der in dem Formular vorgesehene Raum für die Erklärung nicht ausreicht; auf der Website des HMRC kann das Formular zudem auch online ausgefüllt und abgesendet werden; zum Teil wird angezweifelt,
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dieses Formular ist die in London angesiedelte zentral zuständige Abteilung des HMRC, die Anti-Avoidance Group (Disclosure & Risk). Der HMRC hat in informellen Stellungnahmen mehrmals klargestellt, dass die mitgeteilten Informationen nicht sehr umfangreich sein müssen. Es komme im Wesentlichen darauf an, das steuerliche Kernstück der Gestaltung bzw. die Neuerung an der Gestaltung darzustellen.495 Es besteht grundsätzlich keine Verpflichtung, neben der Form AAG 1 noch weitere Dokumente, etwa Steuergutachten, einzureichen.496 Unter gewissen Umständen kann der HMRC aber bei einem Tribunal beantragen, dass erläuternde Unterlagen in Ergänzung einer Anzeige nachgereicht werden müssen.497 b) Zeitliche Vorgaben Der Anzeigepflicht ist innerhalb von fünf Werktagen nachdem der Promotor von der Tatsache, dass die anzeigepflichtige Gestaltung bei einem Steuerpflichtigen umgesetzt wurde bzw. gerade umgesetzt wird, Kenntnis erlangt hat, nachzukommen.498 Bei Gestaltungen, die ohne Bezug zu speziellen Steuerpflichtigen entwickelt wurden oder die gegenüber einer größeren Gruppe von Steuerpflichtigen vermarktet werden sollen (marketed schemes), beginnt die Frist regelmäßig frü________________________
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dass die Steuerpflichtigen verpflichtet sind, der Anzeigepflicht gerade über die Form AAG 1 nachzukommen; die Verwendung dieses Formblatts sei in den Richtlinien nicht vorgesehen (so Foster/Barry, 762 The Tax Journal (2004), 4, 5 f.); diese Kritik übersieht jedoch, dass bereits der Finance Act 2004 selbst in § 316 die Ermächtigung an den HMRC enthält, Vorgaben zur Form, in der die Anzeige zu erfolgen hat, zu machen. Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 202. Allerdings stellt der HMRC klar, dass es für das Verständnis von komplexen Gestaltungen hilfreich sein kann, auch Prospekte oder graphische Darstellungen, die zu der Gestaltung existieren, vorzulegen (vgl. Guidance 2012, Tz. 13.3.4; hier weist der HMRC auch darauf hin, dass bei der Vorlage dieser Dokumente die Unkenntlichmachung von Informationen, welche einen Mandanten identifizieren würden, zulässig ist); gemessen an der abstrakten Vorgabe, die Informationen müssten so umfangreich sein, dass sie erwarten lassen, ein Beamter des HMRC könne allein auf ihrer Grundlage die Struktur der Gestaltung verstehen, kann die Vorlage dann also doch unter Umständen verpflichtend sein, wenn ohne sie ein derartiges Verständnis der Gestaltung nicht möglich wäre. Siehe zu diesem Verfahren unten, S. 111. § 308 (1) i. V. m. (2) (b) bzw. (3) FA 2004; eine Gestaltung wird dann umgesetzt, wenn erste Geschäfte, die Teil der Gestaltung sind, erfolgen („any transaction forming part of notifiable arrangement“); zum Begriff des Werktages vgl. SI 2004/1864, § 4 (6) i. V. m. § 92 des Bills of Exchange Act 1882(a).
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her:499 Hier muss die Anzeige spätestens fünf Werktage nachdem der Promotor die Gestaltung einer anderen Person500 zur Umsetzung überlassen hat, erfolgen.501 Kein derartiges Überlassen zur Umsetzung liegt bei lediglich allgemeiner Diskussion der grundsätzlichen steuerlichen Struktur vor, etwa in wissenschaftlichem Rahmen oder unter Kollegen.502 Andererseits hängt das Kriterium des Überlassens zur Umsetzung nicht davon ab, dass der Steuerpflichtige, demgegenüber die Gestaltung dargestellt wird, diese auch tatsächlich umsetzen möchte.503 Diese ursprüngliche Anknüpfung für marketed schemes hat sich in der Praxis als gestaltungsanfällig erwiesen. So berichtet der HMRC von Fällen, in denen die Promotoren die Anzeigepflicht durch entsprechendes Verhalten bis kurz vor der tatsächlichen Umsetzung der Gestaltung hinauszögern konnten.504 Zur Absicherung einer möglichst frühzeitigen Anzeige durch Promotoren wurde im Zuge des Finance Act 2010 die Anzeigepflicht daher um ein weiteres Kriterium ergänzt. Demnach ist eine Gestaltung auch schon vor der Überlassung zur Umsetzung innerhalb von fünf Werktagen nach der Aufnahme eines Marketing-Kontakts anzuzeigen, wenn die Gestaltung zu diesem Zeitpunkt ________________________ 499 Zur Abgrenzung zwischen marketed schemes und bespoke schemes siehe Guidance 2012, Tz. 12.3.3; speziell auf einzelne Steuerpflichtige zugeschnittene Gestaltungen (bespoke schemes) sollen von dieser früheren Frist nicht erfasst sein; allein die Tatsache, dass eine vorgefasste Gestaltung auf die Bedürfnisse des betreffenden Steuerpflichtigen angepasst wird, macht sie jedoch nicht zu einem bespoke scheme. 500 Es ist ausreichend, wenn die Gestaltung nicht einem Steuerpflichtigen, sondern vielmehr einem anderen Promotor, der die Gestaltung dann wiederum gegenüber Steuerpflichtigen vertreibt, überlassen wird (vgl. Guidance 2008, Tz. 10.3.4); grundsätzlich sind dann beide Promotoren anzeigepflichtig (zu Vermeidung einer doppelten Anzeige aber sogleich). 501 § 308 (1) i. V. m. (2) (a) FA 2004; eine solche Zurverfügungstellung zur Umsetzung ist dann anzunehmen, wenn der Gestaltungsentwurf bereits so weit gediehen ist, dass der Promotor die Richtigkeit der zugrunde liegenden steuerlichen Überlegung mit einem hohen Grad an Zuversicht annimmt, und dieser Gestaltungsentwurf einem möglichen Nutzer schriftlich oder mündlich derart detailliert dargestellt wird, dass davon auszugehen ist, dieser verstehe die Struktur der Gestaltung und den aus ihr zu erwartenden steuerlichen Vorteil und könne auf dieser Grundlage darüber entscheiden, ob er die Gestaltung umsetzen möchte (vgl. Guidance 2012, Tz. 12.3.2); das Kriterium des Ausgehens von der Richtigkeit der zugrunde liegenden steuerlichen Überlegung ist dabei nicht insofern misszuverstehen, dass hiermit Fälle ausgeschlossen würden, bei denen dieser hohe Grad an Zuversicht ohnehin nicht erreicht werden kann, weil die Gestaltung sehr risikoreich ist. 502 Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 203. 503 Ausdrücklich Guidance 2008, Tz. 10.3.2; gerade dieser Aspekt der Regelungen wurde häufig als unpraktikabel und übermäßig streng kritisiert (vgl. etwa Granwell/ McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 203, sowie Collier-Keywood, 15 International Tax Review (6/2004), 3). 504 Guidance 2012, Tz. 12.3.1.
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bereits im Wesentlichen fertig entwickelt ist und Informationen zu den erwarteten steuerlichen Vorteilen mit dem Ziel der Werbung für die Gestaltung kommuniziert werden.505 Einer Darstellung der Struktur in einem Detailgrad, der eine Implementierung der Gestaltung erlaubt, ist bei dieser Anknüpfung jedoch nicht erforderlich. Unter Umständen ist die Frist für die Anzeigepflicht jedoch hinausgeschoben: Dies betrifft steuerliche Gestaltungen, bei denen nach allgemeinen steuerlichen Regeln die Möglichkeit zur Beantragung einer verbindlichen Auskunft ausdrücklich vorgesehen ist (clearance application).506 In diesen Fällen unterliegt die Frist zur Anzeige einer Ablaufhemmung solange der Promotor davon ausgehen kann, dass noch vor der Umsetzung der Gestaltung eine Anfrage auf verbindliche Auskunft gestellt werden wird.507 c) Vermeidung einer doppelten Anzeigepflicht Das britische Anzeigepflichtsystem enthält Vorkehrungen, die eine Verpflichtung zur mehrfachen Anzeige derselben oder wesentlich ähnlicher Gestaltungen verhindern sollen.508 Dies gilt zunächst in Bezug auf eine mehrfache Anzeigepflicht desselben Promotors: Dieselbe oder sich wesentliche gleichende509 Gestaltungen sind nur einmal anzuzeigen.510 Insbesondere muss eine ________________________ 505 § 307 (2), (4A) bis (4C) Finance Act 2004 i. d. F. v. § 56 FA 2010 i. V. m. Schedule 17, § 2; Guidance 2012, Tz. 12.3.1. 506 Dies ist zum Beispiel in § 215 des Income and Corporation Taxes Act 1988 im Hinblick auf Abspaltungsvorgänge oder in § 225 des Income and Corporation Taxes Act 1988 im Hinblick auf gewisse Gestaltungen eines Aktienrückkaufs einer Gesellschaft der Fall; ein abschließender Katalog an in diesem Zusammenhang relevanten clearance applications ist in SI 2004/1864, § 5 (3) enthalten. 507 SI 2004/1864, § 5; mit dieser – bisher nur selten genutzten – Erleichterung für die Promotoren soll ein doppelter Bericht und eine doppelte Prüfung durch die Steuerverwaltung vermieden werden (vgl. Guidance 2008, Tz. 10.2.5); denklogisch kann es bei bespoke schemes keine Ablaufhemmung geben, nachdem dort bereits die Anzeigepflicht auf den Zeitpunkt der Umsetzung der Gestaltung abstellt (siehe hierzu oben, S. 92). 508 Ein Grund ist insbesondere auch, dass sonst der gleichen Gestaltung mehrere Registriernummern zugeteilt werden (siehe hierzu sogleich). 509 Wann eine derartige wesentliche Ähnlichkeit vorliegt, ist im Einzelfall zu bestimmen; als Maßstab nennt der HMRC, ob Unterschiede so wesentlich sind, dass die Anzeige mit dem Inhalt der jeweils anderen Gestaltung irreführend wäre (vgl. Guidance 2012, Tz. 12.2.3). 510 § 308 (5) FA 2004; dies gilt etwa auch dann, wenn der Promotor seiner Anzeigepflicht bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem er den Gestaltungsentwurf einem Steuerpflichtigen zur Verfügung gestellt hat, nachgekommen ist; bei der später eintretenden Kenntniserlangung von der Umsetzung der Gestaltung besteht dann keine erneute Anzeigepflicht (§ 308 (3) a. E. FA 2004).
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Gestaltung, die mehreren Steuerpflichtigen zur Umsetzung überlassen wird, nur bei der ersten Überlassung angezeigt werden.511 Dasselbe gilt auch in persönlicher Hinsicht. Nach den oben dargestellten Regelungen kann eine Gestaltung mehrere Promotoren haben.512 In diesen Situationen kann bei entsprechender Absprache der Promotoren untereinander die Anzeige des einen unter gewissen Umständen die anderen von ihrer Anzeigepflicht befreien.513 d) Registriernummern des HMRC (scheme reference numbers) Der HMRC teilt jeder angezeigten Gestaltung innerhalb von 30 Tagen eine achtstellige Registriernummer (scheme reference number) zu.514 Die Zuteilung erfolgt dem anzeigenden Promotor gegenüber.515 Die Zuteilung der Registriernummer enthält keinerlei Aussage dahingehend, ob die Gestaltung tatsächlich anzeigepflichtig war,516 der Anzeigepflicht ordnungsgemäß nachge________________________ 511 Guidance 2012, Tz. 12.2.3. 512 Zum Teil ist dies durch das System sogar intendiert, wie etwa an der Anzeigepflicht von an der Umsetzung der Gestaltung Beteiligten zu sehen ist (siehe hierzu oben, Fn. 480). 513 § 308 (4) bis (4c) FA 2004 i. d. F. v. § 116 (1) Finance Act 2008 i. V. m. Schedule 38, § 2 (5) (sog. co-promoter rule); während dies in der ursprünglichen Fassung des § 308 (4) FA 2004 uneingeschränkt galt und das Vertrauen auf die schriftliche Zusage eines anderen Promotors, dass der Anzeigepflicht bereits nachgekommen worden sei oder dass eine solche nicht bestehe, zumindest vor Bußgeldern schützte (vgl. Guidance 2005, Tz. 2.11.1 f.; Guidance 2006, Tz. 10.2.3), sind die Anforderungen seit November 2008 erhöht: nunmehr ist erforderlich, dass die weiteren Promotoren von der Anzeige des anzeigenden Promotors wissen und dieser dem HMRC die Identität der anderen Promotoren offenlegt bzw., wenn letztere erst später zu Promotoren werden, der anzeigende Promotor den anderen die im Nachgang der Anzeige zugeteilte Registriernummer mitteilt (vgl. Guidance 2008, Tz. 10.2.2; Guidance 2012, Tz. 12.2.2 bzw. Tz. 13.4). 514 § 311 FA 2004; es findet dabei keine Prüfung statt, ob es sich um eine bereits anderweit angezeigte Gestaltung handelt, so dass für eine Gestaltung unter Umständen mehrere Registriernummern zugeteilt werden (vgl. Guidance 2012, Tz. 15.2). 515 § 3111(1) FA 2004 i. d. F. v. § 116 (1) Finance Act 2008 i. V. m. Schedule 38, § 3 (d); ist ausnahmsweise anstelle eines Promotors der Steuerpflichtige selbst anzeigepflichtig (siehe hierzu unten), so erfolgt die Zuteilung konsequent an diesen (vgl. Guidance 2012, Tz. 15.1); wurde bei der Anzeige die Identität weiterer Promotoren offengelegt, so werden auch diese direkt vom HMRC über die Zuteilung der Registriernummer informiert (zu den möglichen Gründen für eine solche Offenlegung seit November 2008 siehe oben, Fn. 513). 516 Der HMRC hat vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass in der Praxis alle berichteten Gestaltungen eine Nummer erhalten, unabhängig davon ob sie anzeigepflichtig waren (vgl. Foster/Barry, The Tax Journal, Issue No. 762 (2004), 4, 7).
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kommen wurde,517 oder die Gestaltung materiellrechtlich anerkannt werden wird.518 Für den HMRC erfüllt das Registriernummernsystem im Rahmen der Anzeigepflichten eine zentrale Funktion:519 Zum einen ermöglicht es eine Abschätzung des Umfangs der Nutzung einer Gestaltung; zudem erlaubt es bei der Auswahl der zu prüfenden Steuererklärungen eine Priorisierung und Koordinierung.520 Seit November 2008 geltende Modifikationen im britischen Anzeigepflichtsystem haben diese Bedeutung unterstrichen, indem sie Promotoren und Steuerpflichtige zu vermehrter Weiterleitung der Registriernummern verpflichtet haben.521 Promotoren müssen ihren Mandanten bzw. Kunden, unabhängig davon, ob es sich bei diesen um die letztlich die Gestaltung umsetzenden Steuerpflichtigen oder Dritte handelt, nunmehr die Registriernummer auf einem vom HMRC erstellten Formular522 mitteilen.523 Diese Mitteilung hat innerhalb von 30 Tagen ________________________ 517 Klarstellend neuerdings der Wortlaut des § 3111(1) FA 2004 i. d. F. v. § 116 (1) Finance Act 2008 i. V. m. Schedule 38, § 3 (a): „complies or purports to comply“. 518 § 311 (2) FA 2004. 519 Allgemein hierzu unten, S. 222 f. 520 Guidance 2012, Tz. 15.1; HMRC Consultation Document „The Tax Avoidance Disclosure Regime: Improving the Scheme Reference Number System“, v. 20.11.2007, Tz. 13. 521 § 116 (1) Finance Act 2008 i. V. m. Schedule 38 v. 21.7.2008 und m. W. v. 1.11.2008; SI 2008/1935 v. 22.7.2008; SI 2008/1947 v. 22.7.2008; SI 2008/1935 (The Finance Act 2008, Schedule 38, (Appointed Day) Order 2008), § 2 (1); hierzu auch bereits oben, S. 76; ausführlicher hierzu Oats/Salter, British Tax Review 2008, 505; zu entsprechend verschärften Anforderungen für die Befreiung von der Anzeigepflicht eines Co-Promotors bereits oben, Fn. 513; mit diesen Änderungen hofft der HMRC den Anteil der Steuerpflichtigen, die ihrer Verpflichtung zur Angabe der Registriernummer in der Steuererklärung nachkommen, von zuvor etwa 60 Prozent auf 80 bis 90 Prozent steigern zu können (vgl. HMRC Responses to the Consultation Document „The Tax Avoidance Disclosure Regime: Improving the Scheme Reference Number System“, v. 28.5.2008, S. 18). 522 Vgl. Form AAG 6 (abrufbar unter www.hmrc.gov.uk/aiu/AAG6net.doc) und Guidance 2012, Tz. 15.2 f.; auf diesem Formblatt klärt der HMRC die Steuerpflichtigen über deren Pflicht zur Angabe der Registriernummer in ihren Steuererklärungen auf; bis zum November 2008 gab es lediglich eine – rechtlich nicht sanktionierte – Aufforderung an die Promotoren, die Steuerpflichtigen über deren Verpflichtung zur Angabe der Registriernummer in ihren Steuererklärungen zu informieren (vgl. Guidance 2006, Tz. 12.2). 523 § 312 (2) FA 2004 i. d. F. v. § 116 (1) Finance Act 2008 i. V. m. Schedule 38, § 4; bestehen für die Gestaltung mehrere Registriernummern, so ist lediglich eine mitzuteilen; ist eine Gestaltung mit einer bereits angezeigten Gestaltung nicht identisch, aber gleicht sie ihr wesentlich, so ist keine erneute Anzeige zu machen, sondern die Registriernummer der letztgenannten Gestaltung dem Mandanten bzw. Kunden mitzuteilen (hierzu bereits oben, Fußnoten 509 f.).
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nachdem der Promotor die Registriernummer erhalten hat524 und er der Umsetzung der Gestaltung bei einem Steuerpflichtigen gewahr wurde525 zu erfolgen.526 Zudem müssen nun die Mandanten bzw. Kunden der Promotoren die Registriernummer wiederum an all diejenigen Personen weiterleiten, bei denen nach ihrem Kenntnisstand davon auszugehen ist, dass (auch) diese an der Gestaltung als Steuerpflichtige beteiligt sind.527 Dies gilt allerdings nur, wenn die Kenntnis hierüber auf einer geschäftlichen Beziehung zu diesen weiteren Personen beruht.528 Seit Ende 2008 kann der HMRC von der Verpflichtung zur Weiterleitung der Registriernummern bei bestimmten Gestaltungen befreien, wenn er für diese Gestaltungen eine weitere Informationsgewinnung und eine weitere Kontrolle
________________________ 524 Der Promotor selbst kann auf dreierlei Weise von der Registriernummer erfahren: Sie kann ihm als Anzeigendem vom HMRC mitgeteilt werden, sie kann ihm vom HMRC mitgeteilt werden, weil er von einem anderen anzeigenden Promotor als solcher erwähnt wurde, und sie kann ihm schließlich von einem anderen Promotor mitgeteilt werden, wenn dieser erst nach der Anzeige von der Promotoren-Stellung des anderen erfahren hat (siehe oben, Fußnoten 513 und 515; vgl. zusammenfassend auch Guidance 2012, Tz. 15.2). 525 Die Mitteilung hat also bei marketed schemes noch nicht notwendigerweise zu dem Zeitpunkt zu erfolgen, zu dem die Gestaltung dem Steuerpflichtigen zur Verfügung gestellt wird; erfolgt sie umgekehrt aber bereits zu diesem früheren Zeitpunkt, so kann auf sie später verzichtet werden, sofern die letztlich umgesetzte der zur Verfügung gestellten Gestaltung noch wesentlich gleicht (vgl. § 312 (4) und (5) FA 2004 i. d. F. v. § 116 (1) Finance Act 2008 i. V. m. Schedule 38, § 4). 526 § 312 (3) FA 2004 i. d. F. v. § 116 (1) Finance Act 2008 i. V. m. Schedule 38, § 4. 527 § 312A FA 2004 i. d. F. v. § 116 (1) Finance Act 2008 i. V. m. Schedule 38, § 4; dieser Pflicht ist wiederum innerhalb von 30 Tagen nachzukommen nachdem dem Mandant bzw. Kunde die Registriernummer vom Promotor genannt wurde, und dieser der Umsetzung der Gestaltung bei dem betreffenden (anderen) Steuerpflichtigen gewahr wurde (SI 2004/1864 § 7A i. d. F. v. SI 2008/1947, § 4; siehe auch Guidance 2012, Tz. 15.3); insgesamt soll durch diese Regelung sichergestellt werden, dass die Registriernummer Steuerpflichtige auch dann erreicht, wenn zwischen einem Promotor und ihnen andere Beteiligte zwischengeschaltet sind (vgl. HMRC Consultation Document „The Tax Avoidance Disclosure Regime: Improving the Scheme Reference Number System“, v. 20.11.2007, Tz. 50). 528 Dies ist etwa bei Gestaltungen der Fall, die von einer Muttergesellschaft erworben und Tochtergesellschaften zur Implementierung überlassen werden (siehe Guidance 2012, Tz. 15.3.1, sowie HMRC Consultation Document „The Tax Avoidance Disclosure Regime: Improving the Scheme Reference Number System“, v. 20.11.2007, Tz. 50 f.).
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der betreffenden Steuererklärungen nicht mehr für erforderlich hält.529 Gleichzeitig sind die Steuerpflichtigen auch nicht mehr zum Hinweis auf Gestaltungen gegenüber dem HMRC mittels Angabe der Registriernummer verpflichtet.530 e) Identifizierung der Nutzer (client lists) Im Zuge des Finance Act 2010 wurde in Großbritannien auch die aus anderen Rechtssystemen bekannte Verpflichtung der Promotoren eingeführt, die Nutzer der Gestaltungen gegenüber der Steuerverwaltung zu identifizieren.531 Zu diesem Zweck hat der Promotor jeweils 30 Tage nach dem Ende eines Quartals diejenigen Nutzer zu identifizieren, von deren Umsetzung der Gestaltung er in diesem Quartal Kenntnis erlangt hat.532
II. Pflichten der Steuerpflichtigen Steuerpflichtige können nach dem britischen System in doppelter Hinsicht in die Pflicht genommen werden. In jedem Fall müssen Steuerpflichtige in ihrer Steuererklärung auf angezeigte Gestaltungen hinweisen (hierzu 1). Daneben gibt es Situationen, in denen den Steuerpflichtigen selbst die sonst einem Promotor zukommende Anzeigepflicht obliegt (hierzu 2). 1. Hinweispflicht der Steuerpflichtigen Alle an einer anzeigepflichtigen Gestaltung Beteiligten müssen gegenüber dem HMRC auf ihre Beteiligung hinweisen, indem sie die für die Gestaltung erteilte Registriernummer mitteilen sowie angeben, für welche Veranlagungszeiträume sie steuerliche Vorteile aus der Gestaltung erwarten.533 Diese An________________________
529 Die gesetzliche Ermächtigung zu dieser Negativliste befindet sich in § 312 (6), § 312A (4) und § 313 (5) FA 2004 i. d. F. v. § 116 (1) Finance Act 2008 i. V. m. Schedule 38, § 4 und § 5 (4); bereits mit Wirkung zum 4.11.2008 ist für die ersten drei Registriernummern von der Mitteilungspflicht befreit worden, zum 13.1.2009 und 18.11.2011 erfolgte die Befreiung im Hinblick auf eine weitere sechs Registriernummer (siehe die Auflistung unter www.hmrc.gov.uk/aiu/srn.htm, sowie Guidance 2012, Tz. 15.9). 530 Zu dieser die Steuerpflichtigen gewöhnlich treffenden Pflicht, siehe sogleich. 531 § 313ZA Finance Act 2004 i. d. F. v. § 56 FA 2010 i. V. m. Schedule 17, § 6; SI 2004/1864, § 8ZA i. d. F. v. SI 2010/2928, § 3; Guidance 2012, Tz. 14. 532 Rechtstechnisch wird hierbei an die Verpflichtung zur Mitteilung der Registriernummer angeknüpft (hierzu oben, S. 97); dies gilt auch für die Fälle, in denen der HMRC von der Verpflichtung zur Weiterleitung der Registriernummer für diese Gestaltung befreit hat (hierzu oben, S. 97; § 313ZA (5) Finance Act 2004 i. d. F. v. § 56 FA 2010 i. V. m. Schedule 17). 533 § 313 (1) (a) FA 2004; SI 2004/1864, § 8 (4) und (5) i. d. F. v. SI 2009/611, § 4; dazu, dass die Mitteilung der Registriernummer an den Steuerpflichtigen nicht mehr nur über den Promotor bzw. – bei eigener Anzeige – vom HMRC, sondern neuerdings auch über zwischengeschaltete Personen erfolgt, siehe oben, S. 97.
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gaben haben erstmals in dem Jahr zu erfolgen, in dem der Steuerpflichtige die Gestaltung eingeht, und dann in jedem folgenden Jahr bis sich keine steuerlichen Vorteile aus der Gestaltung mehr ergeben.534 Die Angabe der Registriernummer hat grundsätzlich in den nach allgemeinen Regeln einzureichenden Steuererklärungen zu erfolgen.535 Bei Personengesellschaften ist eine Angabe sowohl in der Steuererklärung der Gesellschaft als auch in derjenigen des Gesellschafters, bei dem der steuerliche Vorteil letztlich eintritt, erforderlich.536 Bei lohnsteuerlichen Vorteilen (PAYE) hat der Arbeitgeber, nicht also der letztlich begünstigte Steuerpflichtige, auf die anzeigepflichtige Gestaltung hinzuweisen.537 Beteiligte an einer anzeigepflichtigen Gestaltung, die nicht steuererklärungspflichtig sind, haben die Registriernummer in einem gesonderten Formular (Form AAG 4538) zu kommunizieren.539 Die Frist zur Abgabe dieses Formulars deckt sich grundsätzlich mit der jeweiligen Steuererklärungsfrist.540 ________________________ 534 SI 2004/1864, § 8 (6) bis (8) i. d. F. v. SI 2009/611, § 4. 535 § 313 (3) (a) FA 2004; SI 2004/1864, § 8 (2) i. d. F. v. SI 2009/611, § 4; zwischenzeitlich enthalten alle Steuererklärungsformulare entsprechende Felder zur Eingabe der Registriernummer (vgl. Guidance 2008, Tz. 12.4.1). 536 SI 2004/1864, § 8 (9) i. d. F. v. SI 2009/611, § 4. 537 SI 2004/1864 § 8 (5), (10) und (15) (a) i. d. F. v. SI 2009/611, § 4; Guidance 2012, Tz. 15.7; hierzu zählen auch Gestaltungen mit leitenden Managern des Arbeitgebers; die Frist hierfür ist bis längstens zum 19.5. des Jahres, das auf den Veranlagungszeitraum folgt, in dem entweder der Arbeitgeber die Registriernummer erhalten hat oder der erwartete steuerliche Vorteil erlangt wurde; daneben muss ein Hinweis weder durch den Arbeitnehmer noch durch den Arbeitgeber in dessen eigener Steuererklärung erfolgen. 538 Dieses einseitige Formular ist abrufbar unter www.hmrc.gov.uk/aiu/aag4.doc; es enthält eine zweite Seite mit Erläuterungen; die Form AAG 4 ist bei der vom HMRC eingerichteten zentral für die Anzeigepflichten zuständigen Stelle, der HMRC AntiAvoidance Group (Disclosure & Risk), einzureichen; auf diesem Formular müssen neben dem Namen und der Anschrift des Steuerpflichtigen die allgemeine Steuernummer, die Registriernummer der Gestaltung und die Veranlagungszeiträume, in denen Vorteile aus der Gestaltung erwartet werden, angeben werden (vgl. auch SI 2004/1864, § 8 (5) i. d. F. v. SI 2009/611, § 4). 539 Dieses Formular ist zudem dann zu verwenden, wenn bei Beteiligung an mehreren anzeigepflichtigen Gestaltungen der in der Steuererklärung für die Angabe der Registriernummern vorgesehen Raum nicht genügt oder wenn eine Verzögerung der Abgabe der Steuererklärung zu erwarten steht (vgl. SI 2004/1864, § 8 (11) bis (13) i. d. F. v. SI 2009/611, § 4; Guidance 2012, Tz. 15.4.1). 540 Termin ist der 31.1. des Jahres, das auf den Veranlagungszeitraum (Ende: 5.4. des Jahres), folgt, in dem entweder die Registriernummer erhalten oder der erwartete steuerliche Vorteil erlangt wurde (zum allgemeinen filing date; vgl. Tiley, Revenue Law, 70 f.); für Körperschaften läuft eine Frist von 12 Monaten nach dem Ende des Wirtschaftsjahres, in das diese Ereignisse fallen (vgl. SI 2004/1864, § 8 (15) (b) i. d. F. v. SI 2009/611, § 4).
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2. Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen anstelle eines Promotors Es gibt drei Situationen, in denen die üblicherweise den Promotor treffenden Anzeigepflichten von den Steuerpflichtigen selbst wahrgenommen werden müssen:541 a) Gestaltungen ohne Promotor (in house schemes) Die Anzeigepflicht der Promotoren trifft zum einen dann die Steuerpflichtigen selbst, wenn es für die Gestaltung keinen Promotor gibt.542 Das ist regelmäßig bei in einem Unternehmen von der eigenen Rechts- bzw. Steuerrechtsabteilung entwickelten Gestaltungen (in house schemes) der Fall. Der sachliche Anwendungsbereich der Anzeigepflicht ist allerdings dadurch beschränkt, dass drei der sechs Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen ausdrücklich oder der Sache nach nur anwendbar sind, wenn ein Promotor beteiligt ist.543 Inhaltlich unterscheiden sich die Anforderungen grundsätzlich nicht von denjenigen bei der Anzeigepflicht der Promotoren.544 Allerdings war die Frist für die Anzeige zunächst deutlich großzügiger ausgestaltet als bei den Promotoren.545 Diese lange Frist für die Anzeigepflicht wurde als im doppelten Sinne ungünstig erkannt: Zum einen hat sie dazu geführt, dass entsprechende Gestaltungen erst sehr spät dem HMRC berichtet wurden, was das Ziel, zeitnah auf Gestaltungen reagieren zu können, gefährdete.546 Zum anderen wurde die ________________________ 541 In jedem Fall gilt daneben die gerade dargestellte Pflicht zum Hinweis auf die Registriernummer in der betreffenden Jahressteuererklärung. 542 § 310 FA 2004. 543 Vgl. die marktunüblichen Finanzproduktgestaltungen (off market terms arrangements; SI 2006/1543, § 9 (1)), die Gestaltungen in standardisierten steuerlichen Produkten (standardised tax products, SI 2006/1543, § 10 (4)), sowie die Verlustgestaltungen (loss schemes, SI 2006/1543, § 12 (a)); hierzu auch Bland, British Tax Review 2006, 653, 655. 544 SI 2004/1864, § 3 (4); die Anzeige hat auf dem Formular Form AAG 3 (abrufbar unter www.hmrc.gov.uk/aiu/aag3net.pdf) zu erfolgen, das praktisch identisch zu der von Promotoren zu verwendenden Form AGG 1 ist; auch gibt es hier mit den Regelungen für Promotoren vergleichbare Regeln, nach denen eine doppelte Anzeigepflicht verhindert wird (SI 2004/1864, § 3 (5) i. d. F. v. SI 2005/1869, § 4 (2)). 545 Die Frist endete erst mit dem Zeitpunkt, zu dem bei einer durch einen Promotor berichteten Gestaltung ein Hinweis des Steuerpflichtigen auf die Registriernummer hätte erfolgen müssen (vgl. SI 2004/1864, § 4 (5) (b) i. V. m. § 313 FA 2004); dies war in der Regel der Zeitpunkt der Einreichung der Steuererklärung für den ersten Veranlagungszeitraum, in dem steuerliche Vorteile entstehen (vgl. SI 2004/1864, § 8 a. F.); dieser Zeitpunkt konnte bis zu knapp zwei Jahren nach der Umsetzung der Gestaltung liegen (so etwa MacLachlan/O’Gara/Wilson, 33 Tax Planning International Review (7/2006), 15, 16). 546 MacLachlan/O’Gara/Wilson, 33 Tax Planning International Review (7/2006), 15, 16.
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Gefahr gesehen, dass infolge der merklichen zeitlichen Besserstellung der in house schemes gegenüber den von Promotoren anzuzeigenden Gestaltungen547 die Entwicklung von Gestaltungen im Unternehmensbereich von externen Beratern auf die eigenen (Steuer-)Rechtsabteilungen verlagert würden.548 Infolgedessen wurde die Frist zur Anzeige durch die Steuerpflichtigen im Jahr 2006 auf 30 Werktage ab Beginn der Umsetzung der Gestaltung verkürzt und damit deutlich, wenn auch nicht vollständig, an die Frist für Promotoren angeglichen.549 Der HMRC ging allerdings davon aus, dass durch die nunmehr strengeren zeitlichen Anforderungen und die damit einhergehende Loslösung von der allgemeinen Steuererklärungspflicht ein neuer nicht unerheblicher Verwaltungsaufwand entstehe, der bei Nichtunternehmern sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen unverhältnismäßig wäre.550 Daher wurden mit der Änderung der Anzeigefrist auch generelle personenbezogene Ausnahmen von der Anzeigepflicht zusätzlich für diejenigen drei Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen statuiert, in denen Steuerpflichtige grundsätzlich selbst anzeigepflichtig sein können:551 Nicht anzeigepflichtig sind demnach sowohl Nichtunternehmer552 als auch lediglich kleine oder mittelständische Unternehmen.553 Insgesamt sind bei Gestaltungen, für die es keinen Promotor gibt, also lediglich größere Unternehmen anzeigepflichtig.
________________________ 547 Wie oben dargestellt, ist dieser in der Regel bereits fünf Werktage nach der Kenntniserlangung über den Beginn der Umsetzung der Gestaltung, bei marketed schemes unter Umständen sogar deutlich vor dem Beginn der Umsetzung nachzukommen. 548 Pearson/Price, 8 Tax Planning International European Union Focus (7/2006), 13, 13; MacLachlan/O’Gara/Wilson, 33 Tax Planning International Review (7/2006), 15, 16; kritisch zu der Ungleichbehandlung auch Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 203. 549 SI 2004/1864, § 4 (5) i. d. F. v. SI 2006/1544, § 4 (2); Guidance 2008, Tz. 10.6 f. 550 Pearson/Price, 8 Tax Planning International European Union Focus (7/2006), 13, 14; bei größeren Unternehmen geht der HMRC dagegen davon aus, dass diese entsprechende Vorkehrungen treffen können, um der Anzeigepflicht innerhalb der 30 Tage nachkommen zu können (hierzu MacLachlan/O’Gara/Wilson, 33 Tax Planning International Review (7/2006), 15, 16). 551 Siehe die ausdrückliche Beschränkung bei den Vertraulichen Gestaltungen (confidentiality arrangements) in SI 2006/1543, § 7 (b), bei den Gestaltungen mit besonderer Vergütung für den steuerlichen Vorteil (premium fee arrangements) in SI 2006/1543, § 8 (1) (b), sowie bei Leasing-Gestaltungen in SI 2006/1543, § 13 (2) (b). 552 Gesellschaften, auch Personengesellschaften, werden jedoch grundsätzlich als Unternehmer eingestuft (vgl. SI 2006/1543, § 3). 553 Die Definition eines kleinen bzw. mittelständischen Unternehmens erfolgt entsprechend der Empfehlung der EU-Kommission, C(2003)1422, v. 6.5.2003 (vgl. SI 2006/ 1543, § 4 (1) und (2)).
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b) Gestaltungen mit im Ausland ansässigem Promotor (offshore promoter schemes) Die Anzeigepflicht obliegt auch dann den Steuerpflichtigen, wenn es zwar einen oder mehrere Promotoren gibt, aber kein Promotor in Großbritannien ansässig ist.554 Inhaltlich und vom sachlichen Anwendungsbereich her unterscheidet sich diese Anzeigepflicht grundsätzlich nicht von derjenigen der Promotoren.555 Es müssen hier lediglich neben Name und Adresse des anzeigenden Steuerpflichtigen noch die entsprechenden Daten des im Ausland ansässigen Promotors angegeben werden.556 Der Anzeigepflicht ist früher als bei in house-Gestaltungen, nämlich innerhalb von fünf Tagen nach Beginn der Umsetzung der Gestaltung nachzukommen.557 Die im Ausland ansässigen Promotoren sind in diesen Fällen nicht von ihrer Anzeigepflicht befreit. Vielmehr trifft die Anzeigepflicht grundsätzlich sowohl die Steuerpflichtigen als auch die Promotoren nebeneinander. Kommt der Promotor seiner Anzeigepflicht nach, ist der Steuerpflichtige jedoch entbunden.558 Damit sind Steuerpflichtige, die bei anzeigepflichtigen Gestaltungen mit einem im Ausland ansässigen Promotor zusammenarbeiten, deutlich benachteiligt. Ihre Verpflichtung ist sogar in mehrfacher Hinsicht verschärft gegenüber den Situationen, in denen es überhaupt keinen Promotor gibt (in house schemes). ________________________ 554 § 309 (1) FA 2004; unklar ist unter anderem noch, ob eine solche Situation auch dann besteht, wenn eine britische Zweigstelle eines ausländischen Unternehmens als Promotor auftritt (Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 204 f.). 555 Im Gegensatz zur Situation bei in house-Gestaltungen können hier infolge der Existenz eines Promotors auch alle sechs Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen zur Anwendung kommen. 556 SI 2004/1864, § 3 (3); die für die Anzeige zu verwendende Form AAG 2 (abrufbar unter www.hmrc.gov.uk/aiu/aag2net.pdf) gleicht bis auf diese zusätzlich Angabe daher auch vollständig der Form AAAG 1. 557 SI 2004/1864, § 4 (4); diese zeitlichen Anforderungen gleichen den Anforderungen an Promotoren; bei letzteren ist lediglich zusätzlich noch erforderlich, dass der Promotor vom Beginn der Umsetzung der Gestaltung beim Steuerpflichtigen Kenntnis erlangt hat. 558 § 309 (2) FA 2004; die Formulierung des HMRC, die Anzeigepflicht des Steuerpflichtigen bestehe nur, wenn der im Ausland ansässige Promotor seiner Anzeigepflicht nicht nachkommt (so etwa Guidance 2012, Tz. 3.1 und 12.4) ist zwar rechtlich zutreffend; faktisch ergibt sich für Steuerpflichtige aber wohl regelmäßig eine Pflicht zur Anzeige, da die Anzeigefrist nicht verlängert ist und daher ein Abwarten des Steuerpflichtigen, ob der Promotor seiner Anzeigepflicht nachkommt, regelmäßig nicht möglich sein wird; unter Umständen kann die 5-Tages-Frist beim Steuerpflichtigen sogar vor derjenigen beim Promotor enden; das ist dann der Fall, wenn der Promotor erst später vom Beginn der Umsetzung der Gestaltung beim Steuerpflichtigen Kenntnis erlangt (siehe oben, Fn. 557); anders ist dies allerdings bei marketed schemes, bei denen die Frist zur Anzeige durch den Promotor unter Umständen deutlich vor derjenigen durch den Steuerpflichtigen enden kann (siehe oben, S. 92 f).
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Bei ausländischen Promotoren gilt zunächst die kürzere Anzeigefrist von lediglich fünf statt 30 Werktagen nach Beginn der Umsetzung der Gestaltung. Zudem ist der sachliche Anwendungsbereich hier nicht beschränkt: In allen sechs Fallgruppen kann es zur Anzeigepflicht auch für die Steuerpflichtigen kommen.559 Darüber hinaus gilt die personenbezogene Beschränkung der Anzeigepflicht auf lediglich große Unternehmen hier nicht. In Anbetracht der offensichtlichen Benachteiligung von Steuerpflichtigen mit ausländischen Promotoren drängt sich die Frage nach der Europarechtmäßigkeit dieser Regelung auf.560 c) Anwaltliches Berufsgeheimnis (legal professional privilege) aa) Inhalt der Regelungen Eine Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen kann sich auch im Zusammenhang mit dem Schutz des anwaltlichen561 Berufsgeheimnisses ergeben. Dies hat folgenden Regelungshintergrund: Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Finance Act 2004 sollen die britischen Anzeigepflichten nicht dazu führen, dass Informationen aus dem anwaltlichen Vertrauensverhältnis (privileged information) preisgegeben werden müssen.562 Entsteht im konkreten Fall ein Konflikt zwischen der Anzeigepflicht des Anwalts als Promotor und dem anwaltlichen Berufsgeheimnis und führt dies dazu, dass der Anwalt seiner Anzeigepflicht nicht (vollständig) nachkommen muss, so wird er aus der Anzeigepflicht entlassen.563 Das gilt jeweils für die Anzeigepflicht als Ganzes, auch wenn der Anwalt gestützt auf das anwaltliche Berufsgeheimnis lediglich die Erfüllung eines Teils der Anzeigepflicht verweigern könnte. Es ist allerdings in jedem Fall gesichert, dass auch eine solche Gestaltung angezeigt wird. Denn der von der Anzeigepflicht entbundene Anwalt wird als nicht existent fingiert.564 Dies löst, wenn es keine weiteren (inländischen) Promotoren gibt, wiederum die Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen aus.565 Eben________________________
559 Siehe hierzu oben, Fußnoten 543 und 555. 560 Hierzu unten im europarechtlichen Teil, S. 371 f. 561 Diesem berufsrechtlichen Schutz unterliegen in Großbritannien tatsächlich nur Anwälte (vgl. Prudential Plc v Special Commissioner of Income Tax, Court of Appeals v. 13.10.2010, [2010] EWCA Civ 1094; hierzu Jeffrey/Sharrock, 37 Tax Planning International Review (10/2010), 12); Promotoren, die steuerlich beraten, aber nicht Anwälte sind, oder die wegen ihrer Tätigkeit als Bank oder Wertpapierhaus der Promotorenstellung unterfallen, sind nicht erfasst (vgl. Foster/Barry, 762 The Tax Journal (2004), 4, 6; zum engen Anwendungsbereich des beruflichen Vertrauensschutzes kürzlich auch Gordon, British Tax Review 2011, 73). 562 § 314 FA 2004. 563 SI 2004/1865, § 6 i. d. F. v. SI 2004/2613, § 2. 564 SI 2004/1865, § 6 i. d. F. v. SI 2004/2613, § 2. 565 § 310 FA 2004; vor Erlass von SI 2004/1865, § 6 i. d. F. v. SI 2004/2613, § 2 noch anderer Auffassung Cannon, Disclosure of Tax Avoidance Schemes, 38.
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so wie bei Gestaltungen mit im Ausland ansässigem Promotor sind die Anforderungen hier aber gegenüber den echten in house-Gestaltungen in Bezug auf die zeitlichen Anforderungen sowie den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich verschärft.566 Alternativ hat der Steuerpflichtige jedoch auch die Möglichkeit, den Anwalt von seiner Schweigepflicht aus dem anwaltlichen Vertrauensverhältnis zu entbinden. Dann hat dieser seinen üblichen Verpflichtungen als Promotor voll nachzukommen.567 Im Regelfall wird der Steuerpflichtige, vor die Alternative gestellt, selbst anzeigepflichtig zu werden, wohl die Entbindung aussprechen. Im faktischen Ergebnis ist damit die Situation hergestellt, die ohne das anwaltliche Berufsgeheimnis bestehen würde. bb) Problembereiche Fraglich ist, ob diese auf den ersten Blick elegante Lösung, die einerseits das anwaltliche Vertrauensverhältnis unberührt lässt, gleichzeitig aber eine lückenlose Anzeige aller Gestaltungen sicherstellt, überhaupt erforderlich ist, und, wenn ja, ob sie auch sachgerecht ist. (1) Eingriff der Anzeigepflicht in das anwaltliche Vertrauensverhältnis Insbesondere stellt sich zunächst die Frage, ob nicht die spezielle Ausgestaltung der Anzeigepflicht nach den britischen Regelungen dazu führt, dass ein Konflikt mit dem anwaltlichen Berufsgeheimnis ohnehin nicht entstehen kann. Anders als im System der USA muss die Identität der beteiligten Steuerpflichtigen nicht offenbart werden.568 Auch sind grundsätzlich weder Gutachten noch anderweitige Mandantenkommunikation einzureichen.569 Werden sie überlassen, so ist jedenfalls die Herausnahme oder Unkenntlichmachung von Informationen, welche einen Mandanten identifizieren würden, zulässig.570 Es besteht damit nicht die Gefahr, dass Informationen über einzelne Steuerpflichtige bekannt werden. Die britische Steuerverwaltung ging vor ________________________ 566 Vgl. SI 2004/1864, § 4 (5A) i. d. F. v. SI 2004/2613, § 3 (3); sowie SI 2006/1543, § 5 (3); zu diesen Verschärfungen oben, S. 102 f. 567 Guidance 2012, Tz. 3.10; dabei kann der Verzicht auch beschränkt auf die nötigen Bestandteile der Kommunikation zwischen Steuerpflichtigem und Anwalt erklärt werden (vgl. Guidance 2012, Tz. 3.10); nur ein beschränkter Verzicht im Hinblick auf Teile eines Kommunikationsstückes, zum Beispiel Teile eines Dokuments, sind nicht möglich (vgl. Cannon, Disclosure of Tax Avoidance Schemes, 33). 568 Wie dargestellt, erfolgt die Verknüpfung zwischen der Gestaltung und den Steuerpflichtigen vielmehr regelmäßig erst durch die Aufnahme der Registriernummer in die Steuererklärung der Steuerpflichtigen. 569 Eine Pflicht zur Herausgabe gibt es grds. nur dort, wo ohne die Dokumente die Gestaltung nicht verständlich wäre (siehe oben, Fußnote 496). 570 Guidance 2012, Tz. 13.3.4; siehe wiederum oben, Fn. 496.
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diesem Hintergrund ursprünglich davon aus, dass es regelmäßig zu keinem Konflikt kommen könne; die oben dargestellte Regelung zum Verfahren bei auftretendem Konflikt wurde erst auf externes Drängen, insbesondere der Standesvertretung der Rechtsanwälte, der Law Society, hin eingeführt.571 Hingegen vertreten Teile der britischen Anwaltschaft vehement, dass auch die britischen Anzeigepflichten mit dem anwaltlichen Berufsgeheimnis kollidieren können.572 Insbesondere gelte dies in den Fällen, in denen doch ausnahmsweise Dokumente, wie zum Beispiel für den Mandanten verfasste Gutachten, ausgehändigt werden müssen. Auch wenn diejenigen Informationen, welche den Mandanten identifizieren, herausgenommen oder unkenntlich gemacht würden, ändere dies nichts daran, dass es sich um Dokumente aus dem anwaltlichen Vertrauensverhältnis handelt.573 Selbst im Regelfall, in dem diese Dokumente nicht herausgegeben werden müssen, allerdings bei der Beschreibung der Gestaltung gegenüber den Steuerbehörden in dem Gutachten oder auf sonstige Weise zwischen Anwalt und Steuerpflichtigem kommunizierte Inhalte mitzuteilen sind, unterliege dies dem Schutz des Berufsgeheimnisses. Eine Trennung zwischen der Information und dem Dokument, das diese beinhaltet, sei nämlich nicht möglich.574 Es ist fraglich, ob diese formalistische Argumentation greift. Die rechtspolitische Zwecksetzung des Berufsgeheimnisses, eine offene und vertrauensvolle Kommunikation zwischen dem Mandanten und seinem Anwalt zu gewährleisten,575 wird durch das Anzeigepflichtsystem jedenfalls nicht beeinträchtigt. Beschreibt der Promotor ohne Nennung der beteiligten Steuerpflichtigen lediglich eine abstrakte steuerliche Gestaltung, so wird über die Verhältnisse der Steuerpflichtigen oder über Kommunikation zum Promotor nichts bekannt. Dies ist auch der entscheidende Unterschied zu den Rechtsprechungsnachweisen, die von Cannon zur Stützung seiner Position vorgebracht werden.576 Denn in den einschlägigen Urteilen ging es jeweils um Informationen des An-
________________________ 571 Hierzu Cannon, Disclosure of Tax Avoidance Schemes, 31; Collins/Howard, 997 The Tax Journal (2009), 13, 14. 572 Insbesondere Cannon, Disclosure of Tax Avoidance Schemes, 31 ff. und 69 ff.; ebenso Baker, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 258 f. 573 Cannon, Disclosure of Tax Avoidance Schemes, 35 f. und 70. 574 Cannon, Disclosure of Tax Avoidance Schemes, 37. 575 Cannon, Disclosure of Tax Avoidance Schemes, 32; auf diese rechtspolitische Zwecksetzung des Berufsgeheimnisses stellt auch das House of Lords ab (vgl. Three Rivers District Council v The Governor & Company of the Bank of Großbritannien, House of Lords v. 11.11.2004, [2005] 1 A.C. 610, 650, Tz. 35). 576 Vgl. Cannon, Disclosure of Tax Avoidance Schemes, 36 ff.
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walts zu einem konkret bekannten Mandanten.577 In jedem Fall war dort mithin eine direkte Zuordnung der kommunizierten Informationen zu dem betroffenen Mandanten und seinen Verhältnissen möglich. Nach dem britischen Anzeigepflichtsystem gibt es eine derartige Zuordnung hingegen gerade nicht. Es ist demnach davon auszugehen, dass ein Konflikt mit dem anwaltlichen Berufsgeheimnis nicht auftreten kann,578 und die speziellen Regelungen zur Lösung des Konfliktverhältnisses damit leerlaufen. (2) Anwaltliches Berufsgeheimnis und die Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen Unterstellt, ein Konflikt zwischen den Anzeigepflichten und dem anwaltlichen Berufsgeheimnis besteht doch, so stellt sich die weitere Frage, ob die britischen Regelungen hierauf in sachgemäßer Weise reagieren. Problematisch wäre in diesem Zusammenhang insbesondere die Regelung, nach der – solange keine weiteren Promotoren beteiligt sind – der Steuerpflichtige selbst anzeigepflichtig wird. Denn wenn die oben dargestellte Auffassung zutrifft, wonach die abstrakte Struktur einer Gestaltung als Ergebnis der Kommunikation zwischen Berater und Mandant vom anwaltlichen Berufsgeheimnis erfasst ist, so hat dies zur Folge, dass auch die Verpflichtung des Steuerpflichtigen zur Anzeige gegen das anwaltliche Berufsgeheimnis verstößt.579 Es ist nämlich anerkannt, dass es im Hinblick auf das Berufsgeheimnis unerheblich ist, ob sich die erfasste Information bzw. das erfasste Dokument in Händen des Anwalts oder des Steuerpflichtigen befindet.580 Insofern wäre die subsidiäre Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen also gerade keine Lösung. (3) Anwaltliches Berufsgeheimnis bei in house-Anwälten Auch in Bezug auf in house schemes würde die britische Lösung bei Annahme eines Konflikts mit dem Berufsgeheimnis zu kurz greifen. Denn das anwaltliche Berufsgeheimnis erfasst in Großbritannien generell die Kommunikation nicht nur mit extern beauftragten, sondern auch mit in der eigenen Rechts________________________ 577 So in Re Sarah C Getty Trust, Queen’s Bench Division v. 16.4.1985, [1985] QB 956, [1985] 2 All ER 809; ebenso in Hellenic Mutual War Risks Association (Bermuda) Ltd v Harrison, The Sagheera, Queen’s Bench Division v. 18.10.1996, [1997] 1 Lloyd’s Rep 160. 578 Ebenso Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 206; dazu, dass bei marketed advice kein Konflikt auftreten könne, Foster/Barry, 762 The Tax Journal (2004), 4, 6 f.: „Steuergestaltungen von der Stange“, bei denen der Anwalt lediglich als Verkäufer bzw. Vertreter handelt, unterfielen von vornherein nicht dem anwaltlichen Vertrauensverhältnis; ebenso Guidance 2012, Tz. 3.10. 579 Insofern konsequent Cannon, Disclosure of Tax Avoidance Schemes, 69 ff. 580 Siehe etwa R. (on the application of Morgan Grenfell & Co Ltd) v Special Commissioners of Income Tax, House of Lords v. 16.5.2002, [2002] STC 786, m. w. N.; hierzu Dixon, British Tax Review 2010, 83.
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abteilung arbeitenden Anwälten.581 Für diese Konstellation sieht das britische Anzeigepflichtsystem aber keine Lösung vor. Bereits nach den allgemeinen Regeln ist bei in house-Gestaltungen der Arbeitgeber als Steuerpflichtiger anzeigepflichtig.582 Damit ergibt sich dieselbe Problemlage wie eben im Zusammenhang der wegen des anwaltlichen Berufsgeheimnisses subsidiären Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen dargestellt. (4) Zwischenergebnis Nach alledem müssen die britischen Regelungen zum Berufsgeheimnisschutz als misslungen bezeichnet werden. Es ist zweifelhaft, ob sie überhaupt erforderlich sind. Zudem greifen sie zu kurz, sollte es doch grundsätzlich einen Konflikt zwischen den Anzeigepflichten und dem anwaltlichen Vertrauensverhältnis geben.
D. Folgen bei Missachtung der Regelungen Die Missachtung der Promotoren und Steuerpflichtige treffenden Anzeigepflichten wird auch in Großbritannien mit Bußgeldern (penalties) sanktioniert.583 Während ursprünglich ein Festbetragsbußgeldsystem584 mit verhält________________________ 581 Cannon, Disclosure of Tax Avoidance Schemes, 32; Baker, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 259; in seiner rechtsvergleichenden Analyse hierzu kürzlich auch das Europäische Gericht Erster Instanz, T-125/03 und T-253/03 (Akzo Nobel), v. 28.6.2007, Tz. 153 ff. 582 Hierzu oben, S. 100. 583 § 98C Taxes Management Act 1970 i. d. F. v. § 315 (1) FA 2004 und § 56 FA 2010 i. V. m. Schedule 17, § 10; es wird vereinzelt Teil vertreten, dass ein Unterlassen des Berichts an den HMRC nicht nur bußgeldrechtlich, sondern auch strafrechtlich relevant sein könnte (siehe etwa Freedman, British Tax Review 2004, 332, 349 f.); insbesondere wird hierbei an den common law-Straftatbestand des „cheating the public revenue“ gedacht; dieser setzt keine Steuerminderung, sondern lediglich ein vorsätzliches unaufrichtiges Verhalten gegenüber der Steuerverwaltung voraus; ein solches Verhalten könnte unter Umständen in einem bewussten Verstoß gegen die Anzeigepflichten gesehen werden; hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass weder im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens bei Einführung des tax disclosure regime noch im Wege der Mitteilungen der Steuerverwaltung von einer strafrechtlichen Sanktionierung des Verstoßes gegen die Anzeigepflichten die Rede war (vgl. Cory, 762 The Tax Journal (2004), 11, 11 f.). 584 Bei den daneben bestehenden Regelungen zur Offenbarung von Umsatzsteuergestaltungen hatte sich der Gesetzgeber hingegen schon bei deren Einführung für ein variables System entschieden, indem er die Bußgeldhöhe mit 15 Prozent der Umsatzsteuerersparnis festgelegt hat (vgl. § 58A (11) (2) Value Added Tax Act 1994 i. d. F. v. FA 2004, Schedule 2; hierzu auch Foster/Barry, The Tax Journal, Issue No. 762 (2004), 4, 7).
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nismäßig niedrigen Bußgeldern bestand, wurden die Sanktionen im Zuge des Finance Act 2010 deutlich verschärft.585 Nunmehr kann für einen Verstoß gegen die Anzeigepflicht ein Bußgeld von zunächst 600 GB£ für jeden Tag des Verstoßes gegen den untätigen Promotor oder Steuerpflichtigen festgesetzt werden.586 Dieses Bußgeld wird nicht durch den HMRC selbst festgesetzt, sondern durch ein Tribunal587 auf Antrag des HMRC. Innerhalb des Bußgeldrahmens ist das konkrete Bußgeld unter Beachtung von spezial- und generalpräventiven Zwecken, konkret bei Promotoren unter Berücksichtigung der erhaltenen oder erwarteten Vergütung im Zusammenhang mit der nicht angezeigten Gestaltung bzw. bei Steuerpflichtigen unter Berücksichtigung der durch sie erzielten oder erwarteten steuerlichen Vorteile zu bestimmen.588 Kommt das Tribunal zu dem Schluss, dass der gegebene Bußgeldrahmen unangemessen niedrig ist, insbesondere keinen hinreichend abschreckenden Effekt ermöglicht, so kann auch unabhängig von diesem Bußgeldrahmen ein höheres Bußgeld bis zu einem Betrag von 1 Million GB£ festgesetzt werden.589 Die Missachtung von Nebenpflichten, wie etwa der Pflicht zur Identifizierung der beteiligten Steuerpflichtigen oder der Weiterleitung der Registrierungs________________________ 585 Siehe zum internationalen Vergleich unten, S. 227; in Großbritannien wurde über eine spürbare Erhöhung der Bußgelder bereits bei Verabschiedung des Finance Act 2007 nachgedacht, nachdem der HMRC zu der Auffassung gelangt war, dass ein nicht unbeachtlicher Teil der Promotoren der Anzeigepflicht nicht nachkomme (vgl. HMRC Technical Note and Draft Tax Clause „Ensuring Compliance with the Tax Avoidance Disclosure Regime“ v. 18.12.2006, Appendix A: Partial Regulatory Impact Assessment, Tz. 20 ff.); von diesem Plan wurde aber letztlich wegen der Befürchtung abgesehen, ein erhöhtes Bußgeld würde die ihren Pflichten nachkommenden Promotoren verunsichern, die zentralen Probleme, nämlich dass nicht anzeigende Promotoren häufig unentdeckt bleiben, bzw. dass die Anzeigepflicht oft letztlich ungeklärt ist, aber nicht beheben (vgl. HMRC, a. a. O., Tz. 23); anstelle einer generellen Bußgelderhöhung wurden in Großbritannien mit dem Finance Act 2007 vielmehr die Elemente der Erzwingung und Aufklärung der Anzeigepflicht eingeführt (siehe hierzu unten, ab S. 110). 586 § 98C (1) (a) i. V. m. (2) (a) bis (c) Taxes Management Act 1970 i. d. F. v. § 315 (1) FA 2004 und § 56 FA 2010 i. V. m. Schedule 17, § 10; bis zum Finance Act 2010 betrug dieses Bußgeld maximal 5.000 GB£. 587 Zuständig für die Festsetzung der Bußgelder gegen Promotoren sowie die Anfechtung der gegen Steuerpflichtige festgesetzten Bußgelder waren ursprünglich die sogenannten Special Commissioners (vgl. Guidance 2008, Tz. 14.1 und 14.6); zum 1.4.2009 wurden diese durch sog. Tribunals abgelöst (vgl. James, The UK Tax System, 90 f.); zum britischen Tribunal System, siehe Guidance 2012, Tz. 19.2.1, Gammie, British Tax Review 2010, 650, sowie www.hmrc.gov.uk/manuals/artgmanual/index.htm. 588 § 98C (2ZB) Taxes Management Act 1970 i. d. F. v. § 315 (1) FA 2004 und § 56 FA 2010 i. V. m. Schedule 17, § 10. 589 § 98C (2ZC) Taxes Management Act 1970 i. d. F. v. § 315 (1) FA 2004 und § 56 FA 2010 i. V. m. Schedule 17, § 10.
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nummer an (andere) Steuerpflichtige, wird mit einem einmaligen Bußgeld bis zu 5.000 GB£ belegt.590 Für jeden Tag, an dem der Anzeigepflicht trotz Festsetzung dieses ersten Bußgeldes nicht nachgekommen wird, kann der HMRC selbst ein weiteres Bußgeld in Höhe von 600 GB£ anordnen.591 Auch die Verletzung der Steuerpflichtige treffenden Pflicht, den HMRC durch Mitteilung der Registriernummer in der Steuererklärung (bzw. ggf. gesondert auf Form AAG 4) auf die Beteiligung an einer anzeigepflichtigen Gestaltung hinzuweisen, ist mit Bußgeld belegt.592 Das Bußgeld beträgt grundsätzlich 100 GB£ für jede Gestaltung, auf die in einem Veranlagungszeitraum nicht hingewiesen wurde.593 Ein zweiter Verstoß innerhalb von 36 Monaten wird mit 500 GB£, jeder weitere mit 1.000 GB£ geahndet.594 Das Gesetz selbst sieht Ausnahmen von der Festsetzung des Bußgeldes nicht vor. Allerdings bestimmen die Guidances, dass die Festsetzung eines Bußgelds unterbleibt, wenn der Betroffene einen vernünftigen Grund (reasonable cause) für seinen Pflichtverstoß nennen kann und der Anzeigepflicht unverzüglich nach Wegfall dieses Grundes nachkommt.595 Ob ein solcher vernünftiger Grund vorliegt, ist unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Insbesondere genügt eine Stellungnahme eines Beraters, eine Anzeigepflicht habe nicht bestanden, nur dann, wenn der Betroffene hierauf nach den Gesamtumständen vertrauen durfte.596 Die Guidances enthalten lediglich vereinzelte Beispielsfälle für eine derartige Rechtfertigung. In dieser Arbeit erwähnt wurde bereits das rechtfertigende Vertrauen auf die Anzeige eines weiteren Promotors.597 Daneben wird eine Rechtfertigungssituation vom HMRC bei bestimmten in house-Gestaltungen mit steuerlich weniger erfahrenen Beteiligten für möglich gehalten.598 ________________________ 590 § 98C (1) (b) Taxes Management Act 1970 i. d. F. v. § 315 (1) FA 2004. 591 § 98C (1) (a) (ii) Taxes Management Act 1970 i. d. F. v. § 315 (1) FA 2004 und § 56 FA 2010 i. V. m. Schedule 17, § 10. 592 § 98C (3) bis (5) Taxes Management Act 1970 i. d. F. v. § 315 (1) FA 2004; gleichzeitig finden die sonst bei unrichtigen Angaben in der Steuererklärung einschlägigen Sanktionen keine Anwendung (vgl. § 313 (4) FA 2004 sowie SI 2004/1864, § 9). 593 § 98C (4) (a) Taxes Management Act 1970 i. d. F. v. § 315 (1) FA 2004; Guidance 2005, Tz. 3.7.6. 594 § 98C (4) (b) und (c) Taxes Management Act 1970 i. d. F. v. § 315 (1) FA 2004. 595 Guidance 2005, Tz. 2.15.6 und 3.7.1; Guidance 2006, Tz. 14.3; Guidance 2008, Tz. 15.3; Guidance 2012, Tz. 12.7, 19.2.1, 19.3 und 19.5.3. 596 Guidance 2012, Tz. 19.2.1, 19.3 und 19.5.3. 597 Siehe zu den Voraussetzungen im Einzelnen oben, S. 95, Fn. 513. 598 Erwähnt werden beispielsweise Gestaltungen, die ohne Einbindung der Steuerabteilung erfolgen, oder Gestaltungen ausländischer Gesellschaften (vgl. Guidance 2008, Tz. 10.7; Guidance 2012, Tz. 12.7).
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Für Kanzleien und Unternehmen besonders einschneidend wird eine nur mittelbare Folge der Belegung mit einem Bußgeld gehalten, nämlich das mit dem Vorwurf eines Verstoßes gegen die Anzeigepflicht verbundene Reputationsrisiko.599 Dieses Risiko steht bei Bußgeldverstoß insbesondere auch deshalb im Raum, weil das Verfahren bei Erteilung bzw. Anfechtung der Bußgelder zum Teil öffentlich erfolgt.600
E. Erzwingung der Anzeige und Aufklärung der Anzeigepflicht Der HMRC hat bemängelt, dass eine nicht unbeachtliche Zahl von Promotoren ihrer Anzeigepflicht nicht nachkommt.601 Das von Anfang an existierende Bußgeldsystem zur Absicherung der Pflichten wurde in diesem Zusammenhang als unzulänglich erlebt, nachdem es die Anzeigepflicht nur sanktionsrechtlich absichern, nicht aber auch unmittelbar erzwingen hilft. Zudem kann ein reines Bußgeldsystem lediglich in Fällen eindeutig gegebener Anzeigepflicht eingreifen.602 Dies hat den britischen Gesetzgeber veranlasst, mit dem Finance Act 2007 das Anzeigepflichtsystem um Elemente der Informationserzwingung, auch bei nicht ganz eindeutiger Lage, zu ergänzen.603
I. Erzwingung der Anzeige So kann der HMRC nun in Fällen, in denen die Anzeigepflicht feststeht, bei einem Tribunal604 die Anordnung, dass der Anzeigepflicht nachzukommen ist, beantragen.605 Eine solche Anordnung kann daneben dann ergehen, wenn die ________________________ 599 MacLachlan/O’Gara/Wilson, 33 Tax Planning International Review (7/2006), 15, 16. 600 Das gerichtsähnlich ausgestaltete Verfahren ist grundsätzlich öffentlich (vgl. bislang § 15 der Special Commissioners (Jurisdiction and Procedure) Regulations 1994; zum Verfahren vor Tribunals nunmehr Guidance 2012, § 19.2 sowie die Erläuterungen des HMRC unter www.hmrc.gov.uk/manuals/artgmanual/index.htm). 601 Konkret seien mehr als 100 Promotoren bekannt, die keine Gestaltungen anzeigten, obwohl sie allem Anschein nach anzeigepflichtige Gestaltungen vertrieben (vgl. HMRC Technical Note and Draft Tax Clause, „Ensuring Compliance with the Tax Avoidance Disclosure Regime“, v. 18.12.2006, Tz. 3.2). 602 Collier-Keywood, 837 The Tax Journal (2006), 11, 11; Cannon, 889 The Tax Journal (2007), 9,9; zu den Fällen der Rechtfertigung mit reasonable cause siehe oben, S. 109. 603 § 108 des Finance Act 2007 v. und mit Wirkung v. 19.7.2007; zum Regelungsentwurf in § 107 Finance Bill 2007 siehe Cannon, 889 The Tax Journal (2007), 9. 604 Zu den Tribunals bzw. ihren Vorläufern, den Special Commissioners, oben, Fn. 587; zu der Einschätzung, dass mit der Zuständigkeitszuweisung an die – sachlich unabhängigen – Special Commissioners eine merkliche Kontrolle und Beschränkung des HMRC verbunden ist, siehe Bland, British Tax Review 2007, 584, 585; dasselbe dürfte im nunmehrigen Tribunal-Verfahren gelten. 605 § 314A FA 2004 i. d. F. v. § 108 (6) Finance Act 2007.
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Anzeigepflicht zwar nicht feststeht, es aber hinreichenden Grund zu deren Annahme gibt und der HMRC glaubhaft macht, dass er alles ihm Mögliche unternommen hat, um aufzuklären, ob es sich um eine anzeigepflichtige Gestaltung handelt.606 Kommt der Promotor der von dem Tribunal in diesen Fällen festgestellten Anzeigepflicht innerhalb von 10 Tagen nicht nach,607 so erhöht sich der Maximalbetrag des für jeden Tag der Nichtbefolgung festzusetzenden Bußgelds von den sonst üblichen 600 GB£ auf 5.000 GB£.608 Zudem ist es dem HMRC nun möglich, nach bereits geleisteter Anzeige bei einem Tribunal die Feststellung zu erwirken, dass ein Promotor den Anzeigepflichten noch nicht vollständig nachgekommen ist und die Anzeige daher bei Meidung eines Bußgelds von täglich bis zu 600 GB£ zu ergänzen hat.609 Dabei kann neben der Leistung von ergänzenden Informationen auch die Vorlage von erläuternden Dokumenten gefordert werden.610 Zwar verbleibt es mit dieser Anknüpfung an das bestehende Bußgeldsystem vom Mechanismus her bei einer Sanktionierung ex post. Die Wirkung ist aber diejenige einer Erzwingung ex ante, da es mit der durch das Tribunal autoritativ festgestellten Anzeigepflicht keiner weiteren Prüfung bedarf, ob die Anzeigepflicht tatsächlich besteht.611 Daneben ist aber auch eine inhaltliche Ausweitung des Anzeigepflichtsystems insofern zu verzeichnen, als nunmehr ein ausreichender Grund zur Annahme der Anzeigepflicht genügen kann, um diese tatsächlich zu begründen.612
________________________ 606 § 306A FA 2004 i. d. F. v. § 108 (2) Finance Act 2007; zugunsten der Annahme eines solchen Grundes wird insbesondere auch gewertet, dass der Promotor den sogleich unter II. dargestellten Aufklärungspflichten dazu, ob es sich um eine anzeigepflichtige Gestaltung handelt, nicht nachgekommen ist; dies gilt sogar dann, wenn die Aufklärungspflichten sich auf eine andere Gestaltung bezogen (vgl. § 306A (5) (b) und (c) FA 2004 i. d. F. v. § 108 (2) Finance Act 2007). 607 Die Frist ergibt sich aus SI 2004/1864, § 4 (3). 608 § 98C (1) (b) Taxes Management Act 1970 i. d. F. v. SI 2007/3104, § 3 und § 4 bzw. SI 2010/2743, § 3 und § 4; die gesetzliche Ermächtigung findet sich in § 98C (2A) bis (2C) sowie (2F) Taxes Management Act 1970 i. d. F. v. Finance Act 2007, § 108 (9) (b); der Promotor hat allerdings 10 Tage nach Anordnung des Tribunals Zeit, hierauf zu reagieren (vgl. SI 2004/1864, § 8b i. d. F. v. SI 2007/3103). 609 § 308A FA 2004 i. d. F. v. § 108 (4) Finance Act 2007. 610 Dazu, dass diese Dokumente unter Umständen für das Verständnis der Gestaltung entscheidend sein können, siehe bereits oben, Fn. 496. 611 Ähnlich Bland, British Tax Review 2007, 584, 587. 612 Kritisch hierzu unter dem Aspekt, dass damit Zweifelsfragen in den Regelungen zur Anzeigepflicht regelmäßig zugunsten des HMRC, der durch Erlass uneindeutiger Regelungen diese Zweifelsfragen doch erst begründet hat, ausgehen werden, Bland, British Tax Review 2007, 584, 588.
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Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder
II. Aufklärung der Anzeigepflicht Daneben gibt es Vorkehrungen, die – im Vorfeld hierzu – bei der Aufklärung der Frage, ob es sich um eine anzeigepflichtige Gestaltung handelt, helfen sollen. So kann der HMRC den Promotor einer möglicherweise anzeigepflichtigen Gestaltung schriftlich zu der (substantiierten) Erklärung auffordern, ob – und gegebenenfalls warum nicht – die betreffende Gestaltung anzeigepflichtig ist.613 Erklärt der Promotor, dass er von der Anzeigepflichtigkeit nicht ausgeht, so kann bei einem Tribunal die Anordnung erwirkt werden, dass der Promotor weitere Informationen oder Dokumente zur Unterstützung seiner Auffassung darbringen muss.614 Insbesondere dieser Aspekt der Neuregelung stößt in der Praxis auf Kritik. Hierdurch werde im Ergebnis die Anzeigepflicht auf Fälle ausgedehnt, die letztlich womöglich gar nicht anzeigepflichtig sind. Denn die substantiierte Erklärung dazu, ob und warum eine Gestaltung anzeigepflichtig ist, enthalte meist bereits den Inhalt, der auch in der Anzeige selbst gefordert wird.615 Seit dem Finance Act 2010 kann der HMRC zudem den Sachverhalt in persönlicher Hinsicht dadurch weiter aufklären, dass er Personen, die Marketingbemühungen im Zusammenhang mit einer Gestaltung unternehmen, aber selbst keine Promotoren sind (sog. introducer), etwa weil sie die Gestaltung nicht aktiv fördern oder nicht über hinreichend Informationen über die Gestaltung verfügen, verpflichten kann, diejenigen Personen zu benennen, von denen er Informationen zur Gestaltung erhalten hat.616
________________________ 613 § 313A FA 2004 i. d. F. v. § 108 (5) Finance Act 2007; diese Möglichkeit bestand verständlicherweise auch bereits vor der Kodifizierung, kann nunmehr aber auch sanktioniert werden (siehe Bland, British Tax Review 2007, 584, 585, sowie sogleich, Fn. 614). 614 § 313B FA 2004 i. d. F. v. § 108 (5) Finance Act 2007; eine gesonderte Nachweispflicht besteht für den HMRC bei diesem Antrag nicht (hierzu Bland, British Tax Review 2007, 584, 586); eine Missachtung dieser Erklärungspflichten wird wiederum mit zunächst bis zu 5.000 GB£, nach Festsetzung des Bußgeldes weiteren 600 GB£ täglich sanktioniert (§ 98C (1) (a) i. V. m. (2) (e) Taxes Management Act 1970 i. d. F. v. § 108 (9) (a) FA 2007). 615 Cannon, 889 The Tax Journal (2007), 9, 9 f.; Bland, British Tax Review 2007, 584, 585 f. und 588; letztere aber auch mit der Vermutung, dass es zu häufigen Anwendungsfällen nicht kommen werde, nachdem der HMRC auch für den Einsatz dieser Aufklärungspflicht einen ersten Hinweis auf die Betroffenen benötige, die er bei Nichtbeachtung der Anzeigepflicht aber gerade nicht erhalte (Bland, a. a. O., 589). 616 § 307 (1A) sowie § 313C Finance Act 2004 i. d. F. v. § 56 FA 2010 i. V. m. Schedule 17, § 2 und § 9; SI 2004/1864, § 8C i. d. F. v. SI 2010/2928, § 5; Guidance 2012, Tz. 3.3 und 18.4.3.
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Südafrika
Kapitel 4: Südafrika A. Einführung In Südafrika trat ein Anzeigepflichtsystem mit Wirkung zum 1. März 2005 in Kraft.617 Auch hier ist die Einführung auf massive Proteste gestoßen.618 In der ursprünglichen Fassung der Regelungen waren lediglich die Steuerpflichtigen selbst und hier wiederum nur Kapital- und Personengesellschaften sowie trusts anzeigepflichtig.619 Die durch dieses ursprüngliche System erzielten Ergebnisse waren aus Sicht der südafrikanischen Finanzverwaltung nicht zufriedenstellend.620 Mit Wirkung zum 1. April 2008 wurde daher das bisherige Anzeigepflichtsystem grundlegend geändert und erweitert.621 Nunmehr sind zuvorderst Promotoren (promoter) von Gestaltungen anzeigepflichtig. Zudem wurden die bisherigen zwei Fallgruppen um drei weitere die Anzeigepflicht auslösende Kriterien ergänzt. Schließlich wurde das Bußgeldsystem verschärft. Die Änderungen haben insgesamt dazu geführt, dass bereits in den ersten Monaten ihrer Geltung deutlich mehr Gestaltungen als zuvor angezeigt wurden.622 Mit dem am 4.7.2012 verkündeten Tax Administration Act 2011 werden die bislang im Einkommensteuergesetz befindlichen Regelungen in das neu ge________________________ 617 § 76A Income Tax Act 1962 (ITA 1962), eingeführt durch § 69 des Act No. 45 of 2003 v. 17.12.2003, Government Gazette No. 25864 v. 22.12.2003, geändert durch § 13 des Act No. 32 of 2005 v. 27.1.2006, Government Gazette No. 28451, 1.2.2006, aufgehoben durch § 5 des Act No. 21 of 2006 v. 3.2.2007, Government Gazette No. 29604 v. 7.2.2007. 618 Urquhart/Olivier, Juta’s Income Tax, § 76A, S. 76A-2; sehr kritisch zu den späteren Änderungen auch Mandy, Accountancy South Africa (asa) 11/2008, 34, 34. 619 § 76A Abs. 2 ITA 1962; zum sehr weit zu verstehenden und Personen- wie Kapitalgesellschaften umfassenden Begriff der „company“ siehe § 1 „company“ ITA 1962 sowie Urquhart/Olivier, Juta’s Income Tax, § 1, S. 1 company-1 ff. 620 Während der 25 Monate, in denen das ursprüngliche System bestand, wurden insgesamt weniger als 150 Gestaltungen angezeigt, wobei wiederum die meisten angezeigten Gestaltungen bereits hinreichend bekannte Hybridfinanzierungen betrafen (vgl. die Stellungnahme des südafrikanischen Finanzministeriums v. 9.4.2008, „New reportable arrangements legislation takes effect“). 621 §§ 80M bis 80T ITA 1962, eingeführt durch § 6 des Act No. 21 of 2006 v. 3.2.2007, Government Gazette No. 29604 v. 7.2.2007; zuvor hatte es mit § 13 des Act No. 32 of 2005 v. 27.1.2006, Government Gazette No. 28451, 1.2.2006, bereits kleinere Veränderungen an den Regelungen gegeben. 622 So die Aussage von Vertretern der südafrikanischen Finanzverwaltung gegenüber dem Verfasser Anfang 2009.
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Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder
schaffene Allgemeine Verfahrensrecht übernommen.623 Hiermit wurde der Anwendungsbereich der Anzeigepflichten von den bislang allein erfassten ertragsteuerlichen Gestaltungen grundsätzlich auch auf das Umsatzsteuerrecht erstreckt.624 Daneben wurde die Anzeigefrist verkürzt625 und das Bußgeldrecht nochmals grundlegend umgestaltet.626
B. Sachlicher Anwendungsbereich Nach derzeit geltendem Recht sind in Südafrika vier Gruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen (reportable arrangements) auszumachen.627 Neben diesen unmittelbar gesetzlich geregelten Fallgruppen ist das südafrikanische Finanzministerium ermächtigt, durch Erlass die Anzeigepflicht für einzelne weitere Gestaltungen vorzusehen, bei denen ein unangemessener Steuervorteil erzielt wird (undue tax benefit).628 Von dieser Ermächtigung wurde allerdings bislang lediglich einmal Gebrauch gemacht, und zwar in Bezug auf hybride Finanzierungsinstrumente.629 Gewöhnliche Leih- oder Mietverhältnisse sowie Gestaltungen, die über einen regulierten Börsenhandelsplatz abgewickelt werden, sind auch dann nicht ________________________ 623 Vgl. §§ 34 ff. sowie § 212 Tax Administration Act 2011 (Act 28 of 2011; im Folgenden „TAA 2011“); abrufbar unter www.sars.gov.za/Tools/Documents/Document Download.asp?FileID=78455; dem Erlass war ein dreijähriger Konsultationsprozess vorangegangen (vgl. Bekanntmachung v. 5.7.2012, abrufbar unter www.sars.gov.za/ home.asp?PID=74731&ToolID=2&ItemID=78351). 624 Vgl. hierzu das Draft Explanatory Memorandum on the Draft Tax Administration Bill v. 30.10.2009, S. 22 (abrufbar unter www.sars.gov.za/Tools/Documents/Document Download.asp?FileID=52888); zum Teil sind die Einzelfallgruppen aber weiterhin allein auf Ertragsteuergestaltungen zugeschnitten. 625 Hierzu unten, Fn. 669. 626 Hierzu unten, S. 121. 627 Rechtstechnisch handelt es sich um fünf Gruppen, die hier aber der Einfachheit und Klarheit halber an einer Stelle zusammenfassend dargestellt werden sollen (vgl. § 35 Abs. 1 TAA 2011). 628 § 76A Abs. 1 lit. b ITA 1962 i. d. F. v. § 69 des Act No. 45 of 2003 v. 17.12.2003; später war die Ermächtigung in § 80M Abs. 2 lit. c ITA 1962, nunmehr ist sie in § 35 Abs. 2 TAA 2011 enthalten; wie oben gezeigt, ist der Begriff des Steuervorteils sehr weit zu verstehen (hierzu oben, Fn. 632); eine Vorgabe an das erlasssetzende Finanzministerium zur Anwendung des zweiten Kriteriums, nämlich der Unangemessenheit eines solchen Steuervorteils, enthält das Gesetz nicht. 629 So Government Notice No. R 180; später wurde diese Erlassregelung übernommen in die gesetzliche Regelung selbst (vgl. zunächst § 76A Abs. 1B ITA 1962 i. d. F. v. § 13 des Act No. 32 of 2005 v. 27.1.2006 und später § 80M Abs. 2 lit. a und b ITA 1962; hierzu unten, S. 116; in den Tax Administration Act 2011 wurde diese Regelung jedoch nicht überführt.
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Südafrika
anzeigepflichtig, wenn sie einer dieser Fallgruppen unterfallen.630 In jedem Fall wird für die Anzeigepflicht zudem vorausgesetzt, dass aus der Gestaltung ein steuerlicher Vorteil erwächst.631 Der Begriff des Steuervorteils ist dabei sehr weit gefasst. Er umfasst jede endgültige teilweise oder vollständige Vermeidung einer Steuerlast, aber auch jeden bloß zeitlichen Aufschub der Steuerlast.632 Der Steuervorteil muss daneben allerdings durch zwei weitere Anforderungen qualifiziert sein: Es muss sich zunächst bei der Erzielung des Steuervorteils um den zentralen oder zumindest einen der wesentlichen Vorteile aus der Gestaltung handeln.633 Zudem muss der steuerliche Vorteil wertmäßig 1 Million Rand übersteigen.634
I. Steuervorteilabhängige Gestaltungselemente Die erste Gruppe von anzeigepflichtigen Gestaltungen stellt auf erfolgsabhängig am Eintritt des gewünschten steuerlichen Vorteils ausgerichtete Gestaltungselemente ab.635 Diese können sowohl in der Vergütung des Promotors als auch in Vereinbarungen zwischen an der Gestaltung beteiligten Parteien liegen.636 Die Anzeigepflicht wird jedoch nicht bereits durch Vereinbarungen ausgelöst, wonach der Nichteintritt des gewünschten steuerlichen Vorteils wegen Änderung der Rechtslage Auswirkungen auf die Vergütung hat. Damit stellt die Fallgruppe allein auf Situationen ab, bei denen die aktuelle Rechts________________________
630 § 80M Abs. 3 i. V. m. § 80N ITA 1962 bzw. § 35 Abs. 3 i. V. m. § 36 TAA 2011; eine Rückausnahme besteht wiederum für Gestaltungen, die zentral steuerlich motiviert sind oder in einer besonders steuergünstigen Art und Weise strukturiert sind (vgl. § 80N Abs. 3 ITA 1962 bzw. § 36 Abs. 3 TAA; kritisch unter dem Aspekt der großen Subjektivität und daher mangelnden Bestimmtheit dieser Kriterien, Mandy, Accountancy South Africa (asa) 11/2008, 34, 35). 631 § 80M Abs. 1 a. A. ITA 1962 bzw. § 35 Abs. 1 a. A. TAA 2011. 632 § 80T „tax benefit“ ITA 1962 bzw. § 34 „tax benefit“ TAA 2011; „includes any avoidance, postponement or reduction of any liability for tax.“ 633 Government Notice No. 384, v. 1.4.2008, Schedule 1 (b); diese Ausnahme stützt sich auf die Ermächtigung in § 80N Abs. 4 ITA 1962, heute § 36 Abs. 4 TAA 2011; auch dieses Kriterium wird als schwer handhabbar und zu subjektiv kritisiert (vgl. Mandy, Accountancy South Africa (asa) 11/2008, 34, 35). 634 Government Notice No. 384, v. 1.4.2008, Schedule 1 (a); dieser Betrag entspricht derzeit etwa 100.000 €; Regeln dazu, wie dieser Steuervorteil im Einzelfall zu bestimmen ist, etwa zur Berechnung des Zinsvorteils bei Aufschub einer Steuerschuld, sind nicht ersichtlich. 635 § 80M Abs. 1 lit. a ITA 1962 bzw. § 35 Abs. 1 lit. a TAA 2011; rechtstechnisch wird nicht unmittelbar an den Steuervorteil angeknüpft, sondern an die einzelnen Annahmen, aus denen der Steuervorteil letztlich resultiert. 636 Hier ist etwa an sogenannte tax rebate clauses zu denken, bei denen vereinbart wird, dass bei Anfall der erhofften steuerlichen Vorteile bei einer Partei auch die andere Partei vergünstigte Konditionen, etwa einen verbesserten Zinssatz, erhält (vgl. Urquhart/Olivier, Juta’s Income Tax, § 76A, S. 76A-2; hierzu auch Mazansky, 16 International Tax Review (6/2005), 88, 88 f.).
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lage nicht vollständig geklärt und für den Eintritt des gewünschten steuerlichen Erfolgs eine besondere Vergütung vorgesehen ist. Bis März 2008 war eine Mindestgrenze vorgesehen, nach der die Anzeigepflicht dann ausschied, wenn das erfolgsabhängige Vergütungselement nicht mehr als 5 Millionen Rand637 ausmachte.638 Die neuen Regelungen enthalten eine derartige betragsmäßige Anforderung nicht mehr.
II. Hybridgestaltungen Daneben bestand bis zum Tax Administration Act 2011 eine Anzeigepflicht für Hybridgestaltungen, die folgenden Hintergrund hatte:639 Nach materiellem Steuerrecht ist es der südafrikanischen Steuerverwaltung bei hybriden Finanzinstrumenten unter bestimmten Bedingungen möglich, Eigenkapitalinstrumente für Zwecke der Besteuerung beim Anteilseigner wie Fremdkapital zu behandeln640 bzw. Fremdkapitalinstrumente für Zwecke der Besteuerung der Gesellschaft als Eigenkapital einzustufen und mithin die Abzugsfähigkeit zu versagen.641 Bei der Beurteilung, ob ein derartiges hybrides Instrument vorliegt, wird auf einen 3-Jahres-Zeitraum und in diesem Zeitraum bestehende Einlöse- bzw. Wandlungsrechte abgestellt.642 Die Anzeigepflichten knüpften an dieselben Kriterien wie diese materiellrechtliche Regelung an, stellten aber bei der Beurteilung auf einen 5-jährigen643 bzw. später gar 10-jährigen Beurteilungszeitraum ab.644 Anzeigepflichtig waren damit also Instrumente, die bei (unterstellter) Anwendung eines 10-jährigen Beurteilungszeitraums wegen in ________________________ 637 638 639 640 641 642
Dieser Betrag entspricht derzeit etwa 500.000 €. § 76A Abs. 1 lit. a, iii. ITA 1962. Zur gesetzeshistorischen Entstehung siehe oben, Fn. 629. § 8E Abs. 2 ITA 1962 i. d. F. v. § 9 des Act No. 32 of 2004 v. 18.1.2005. § 8F Abs. 2 ITA 1962 i. d. F. v. § 10 des Act No. 32 of 2004 v. 18.1.2005. Ein „hybrid equity instrument“ liegt – vereinfacht – bei bestimmten Vorzugsaktien und anderen Anteilsscheinen dann vor, wenn der Anteilseigner innerhalb eines dreijährigen Zeitraums die Einlösung oder den Eintausch des Rechts verlangen kann bzw. die Gesellschaft auch ohne solches Verlangen hierzu verpflichtet ist (vgl. § 8E Abs. 1 ITA 1962); ein „hybrid debt instrument“ liegt dann vor, wenn der Schuldner innerhalb eines dreijährigen Zeitraums ein Recht zur Wandlung in Anteile am Schuldner oder einer dem Schuldner nahestehenden Person hat; ein Wandlungsrecht des Gläubigers innerhalb des Dreijahreszeitraums genügt dann, wenn für die Wandlung ein Umtauschaufschlag von mindestens 20 Prozent besteht (und somit wirtschaftlich abgesichert ist, dass das Umtauschrecht vom Gläubiger ausgeübt werden wird) (vgl. § 8F Abs. 1 ITA 1962). 643 So Government Notice No. R 180, bzw. später § 76A Abs. 1B ITA 1962 i. d. F. v. § 13 des Act No. 32 of 2005 v. 27.1.2006. 644 § 80M Abs. 2 lit. a und b ITA 1962.
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diesem Zeitraum bestehender relevanter Einlöse- bzw. Wandlungsrechte nach materiellem Recht als hybrides Instrument qualifiziert würden.645
III. Anknüpfung an Elemente der allgemeinen Missbrauchsnorm Gestaltungen sind zudem dann anzeigepflichtig, wenn sie bestimmte Aspekte aufweisen, die im Rahmen der allgemeinen Missbrauchsnorm als Indikator für Missbräuchlichkeit gelten.646 Infolge der Anknüpfung lediglich an einzelne Tatbestandsmerkmale der allgemeinen Missbrauchsnorm647 kommt es für die Anzeigepflicht jedoch nicht darauf an, ob die betreffende Gestaltung tatsächlich missbräuchlich im Sinne dieser Norm ist.648 Damit sind zwei Unterfallgruppen angesprochen: Zum einen sind dies Gestaltungen mit Elementen, die sich gegenseitig saldieren.649 Zum anderen löst die Beteiligung steuerbefreiter oder steuerbegünstigter Personen an einer Gestaltung die Anzeigepflicht aus, wenn diese zu einem steuerlichen Vorteil bei einem anderen an der Gestaltung Beteiligten führt.650 In diesem Sinne steuerbefreite oder steuerbegünstigte Person ist auch, wer im Ausland der Steuerpflicht unterliegt, wenn die dortige Steuerlast weniger als zwei Drittel der Steuer ausmacht, die bei Ansässigkeit in Südafrika angefallen wäre.651 Ebenso sind Personen erfasst, bei denen Einnahmen aus der betreffenden Gestaltung deswegen keiner (erheblichen) Besteuerung unterliegen, weil sie mit Verlusten der Person verrechnet werden können.652 ________________________ 645 Die Steuerpflichtigen sollen durch die Anzeigepflicht davon abgehalten werden, ein Finanzierungsinstrument so zu gestalten, dass es zwar nach dem 3-jährigen Beurteilungsmaßstab des materiellen Rechts nicht als hybrid eingestuft wird, bei einem etwas längeren Beurteilungszeitraum aber bereits diesem Verdikt unterfiele (vgl. die Stellungnahme des südafrikanischen Finanzministeriums v. 9.4.2008, „New reportable arrangements legislation takes effect“); ausgenommen waren hierbei aber generell Eigenkapitalinstrumente, die börsennotiert sind (vgl. § 80M Abs. 3 ITA 1962). 646 § 80M Abs. 1 lit. b i. V. m. § 80C Abs. 2 lit. b ITA 1962 bzw. § 35 Abs. 1 lit. b TAA 2011. 647 Zu weiteren, für die Anzeigepflicht nicht relevanten, Kriterien der in Südafrika sehr weit gefassten allgemeinen Missbrauchsnorm siehe §§ 80A f. ITA 1962. 648 Aus diesem Grunde wird in der Literatur zum Teil davon ausgegangen, viele völlig unproblematische Gestaltungen würden künftig der Anzeigepflicht unterfallen; als Beispiele werden etwa Private Equity-Transaktionen sowie Umstrukturierungen innerhalb einer Unternehmensgruppe genannt (vgl. Mandy, Accountancy South Africa (asa) 11/2008, 34, 35). 649 § 80C Abs. 2 lit. b iii sowie – in spezieller Ausprägung dieser Kriterien – das round trip financing nach § 80C Abs. 2 lit. b i i. V. m. § 80D ITA 1962. 650 § 80C Abs. 2 lit. b ii i. V. m. § 80E ITA 1962 (accommodating or tax indifferent party). 651 § 80E Abs. 3 lit. a ITA 1962. 652 § 80E Abs. 1 lit. a ii ITA 1962; dabei spielt es keine Rolle, ob der Verlust ebenso aus der betreffenden Gestaltung herrührt oder von dieser unabhängig entstanden ist.
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IV. Abweichungen der bilanziellen von der steuerlichen Behandlung Auch bei Abweichungen der bilanziellen von der steuerlichen Behandlung kann es zur Anzeigepflicht einer Gestaltung kommen. Nach den Regelungen von 2008 sollte dies dann der Fall sein, wenn eine Verbindlichkeit nach südafrikanischem Handelsbilanzrecht bereits entstanden, steuerlich aber noch nicht zu berücksichtigen ist.653 Diese Regelung war allerdings offensichtlich verfehlt, da sich in einer solchen Situation ein steuerlicher Vorteil gerade nicht ergibt. Der Tax Administration Act 2011 korrigiert dies dergestalt, dass nun – gerade umgekehrt – Aufwand, der nach Steuerrecht, nicht aber Handelsrecht entstanden ist, sowie Einnahmen, die nach Handelsrecht, nicht aber Steuerrecht angefallen sind, die Anzeigepflicht auslösen.654
V. Negative oder nur gering positive Totalüberschussprognose Anzeigepflichtig sind Gestaltungen schließlich auch dann, wenn sich bei einem Vergleich des erwarteten Ertrags ohne Steuern einerseits und des steuerlichen Vorteils andererseits ergibt, dass die Erzielung steuerlicher Vorteile im Vordergrund steht. Das soll zum einen dann der Fall sein, wenn sich für einen an der Gestaltung Beteiligten auf die Totalperiode und ohne Berücksichtigung von steuerlichen Vorteilen betrachtet kein Einnahmenüberschuss oder Gewinn erwarten lässt.655 Zudem sind Gestaltungen anzeigepflichtig, bei denen sich zwar eine positive Totalüberschussprognose ergibt, der prognostizierte Totalüberschuss aber kleiner ist als der erwartete steuerliche Vorteil für den betroffenen Steuerpflichtigen.656
C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten Anzeigepflichtig sind grundsätzlich lediglich Promotoren anzeigepflichtiger Gestaltungen.657 Promotor ist derjenige, der hauptverantwortlich ist für die Entwicklung, den Vertrieb, die Finanzierung oder die Durchführung einer Gestaltung.658 Die Anforderung der „Hauptverantwortlichkeit“ (principally respon________________________
653 § 80M Abs. 1 lit. c ITA 1962. 654 § 35 Abs. 1 lit. c TAA 2011. 655 § 80M Abs. 1 lit. d sowie § 80T „pre-tax profit“ ITA 1962 bzw. § 35 Abs. 1 lit. d sowie § 34 „pre-tax profit“ TAA 2011. 656 § 80M Abs. 1 lit. e ITA 1962 bzw. § 35 Abs. 1 lit. e; der steuerliche und nichtsteuerliche Vorteil sind für den Vergleich dabei jeweils abzuzinsen auf das Ende des Veranlagungszeitraums, in dem der steuerliche Vorteil zuerst zu erwarten ist. 657 § 80O Abs. 1 ITA 1962 bzw. § 37 Abs. 1 TAA 2011. 658 § 80T „promoter“ ITA 1962 bzw. § 34 „promoter“ TAA 2011: „any person who is principally responsible for organising, designing, selling, financing or managing that reportable arrangement“.
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Südafrika
sible) ist dabei nicht so zu verstehen, dass es nur einen Promotor geben kann.659 Vielmehr ist es etwa denkbar, dass ein Beteiligter für die Entwicklung hauptverantwortlich zeichnet, während ein anderer für den Vertrieb der Gestaltung hauptverantwortlich ist. In diesem Fall sind beide Beteiligte Promotoren. Die Steuerpflichtigen selbst sind nur dann anzeigepflichtig, wenn es keinen Promotor gibt oder wenn der einzige Promotor außerhalb Südafrikas ansässig ist.660 Beschränkt ist diese subsidiäre Anzeigepflicht aber wiederum auf Kapital- und Personengesellschaften sowie trusts.661 Natürliche Personen sind also nie anzeigepflichtig.662 Sind mehrere Personen nebeneinander anzeigepflichtig, so entfällt die Anzeigepflicht eines Betroffenen dann, wenn er eine schriftliche Zusicherung eines anderen Anzeigepflichtigen erhalten hat, dieser sei der Anzeigepflicht bereits nachgekommen.663 Die Anzeige hat auf einem hierfür erstellten Formular zu erfolgen.664 Hierin ist die Gestaltung in all ihren Einzelschritten detailliert darzustellen; die für alle Beteiligten erwarteten steuerlichen Vorteile sind ausführlich und aufgeschlüsselt auf die betroffenen Veranlagungszeiträume zu erläutern.665 Daneben sind in Südafrika auch die Namen und Adressen aller beteiligter Promotoren und Steuerpflichtiger mitzuteilen.666 Schließlich ist eine Liste vorzulegen, in der alle Vertragstexte zwischen den Parteien bezeichnet sind.667 Bis zum Tax Administration Act 2011 konnte die Finanzverwaltung zudem jederzeit ________________________ 659 Der Wortlaut des Gesetzestextes („the promoter“ statt „a promoter“) deutet zwar eher in eine andere Richtung; allerdings hat das südafrikanische Finanzministerium dem Verfasser gegenüber klargestellt, die Regelungen seien so zu lesen sind, dass eine Gestaltung mehrere Promotoren haben kann; hiervon wird zudem auch in der Literatur ausgegangen (vgl. Mandy, Accountancy South Africa (asa) 11/2008, 34, 34). 660 § 80O Abs. 2 ITA 1962 bzw. § 37 Abs. 2 TAA 2011. 661 § 80T „participant“ lit. b ITA 1962 bzw. § 34 „participant“ lit. b TAA 2011; siehe auch oben, Fn. 619. 662 Davon zu unterscheiden ist die Tatsache, dass sie – mangels entsprechender Beschränkung der Anzeigepflicht in sachlicher Hinsicht – selbstverständlich die aus der Gestaltung (allein) Begünstigten sein können; gibt es bei einer solchen Gestaltung einen (inländischen) Promotor, so wäre sie von diesem anzuzeigen. 663 Vgl. § 80O Abs. 3 ITA 1962 bzw. § 34 TAA 2011; dies gilt insbesondere auch für die Zusicherung des im Ausland ansässigen Promotors gegenüber dem im Inland ansässigen Steuerpflichtigen. 664 Form RA01 ist unter www.sars.gov.za/home.asp?pid=4153&tid=60&s=forms&show= 1069 abrufbar; sie kann der Finanzverwaltung auch online übermittelt werden. 665 § 80P lit. a, b und e ITA 1962. 666 § 80P lit. c ITA 1962 bzw. § 38 lit. c TAA 2011. 667 § 80P lit. d ITA 1962 bzw. § 38 lit. d TAA 2011; diese Dokumente selbst sind nunmehr, anders als in der Fassung bis 2008, nicht mehr in Kopie mit einzureichen (vgl. den früheren § 76A Abs. 3 lit. c ITA 1962).
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und ohne inhaltliche Beschränkung zusätzliche Informationen und Unterlagen im Zusammenhang mit der Gestaltung anfordern.668 Der Anzeigepflicht ist innerhalb von 45 Werktagen nach dem Zeitpunkt nachzukommen, zu dem der erste Beteiligte, sei es ein Promotor oder Steuerpflichtiger, im Zusammenhang mit der Gestaltung Einnahmen oder Ausgaben verzeichnet.669 Damit ist insbesondere auch der Erhalt eines Entgelts durch den Promotor auslösendes Moment.670 Die Gestaltung ist damit unter Umständen vor ihrer tatsächlichen Umsetzung beim Steuerpflichtigen anzeigepflichtig. Die Steuerverwaltung kann in begründeten Fällen aber eine Verlängerung um weitere 45 Werktage gewähren.671 Von der südafrikanischen Finanzverwaltung wird auf die Anzeige folgend eine Registriernummer (reportable arrangement reference number) zugeteilt. Nachdem bei der Anzeige alle Beteiligten der Gestaltung identifiziert werden müssen, wird die Registriernummer von der Finanzverwaltung sogleich allen Beteiligten mitgeteilt, nicht nur dem anzeigenden Promotor.672 Die beteiligten Steuerpflichtigen haben die Registriernummer wiederum für jeden Veranlagungszeitraum, in dem sich die angezeigte Gestaltung bei ihnen steuerlich auswirkt, in einer Anlage zur Jahresertragsteuererklärung anzuführen.673
D. Folgen bei Missachtung der Regelungen Die Rechtsfolgen bei Missachtung der Anzeigepflichten waren in den letzten Jahren seit Einführung des Anzeigepflichtsystems in Südafrika mehrfachen Änderungen unterworfen: Bereits im ursprünglichen, bis April 2008 geltenden Anzeigepflichtsystem war das Maß der Sanktionierung beträchtlich. Die Missachtung der Anzeige-
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668 § 80R ITA 1962; eine Entsprechung im TAA 2011 findet sich nicht. 669 § 37 Abs. 4 TAA 2011; zuvor betrug die Frist noch 60 Tage (vgl. § 80O Abs. 4 ITA 1962); ganz ähnlich bereits die Vorgängervorschrift bis 2008 (vgl. § 76A Abs. 2 ITA 1962 a. F.). 670 Dem Wortlaut nach wäre sogar Aufwand, den der Promotor bei der Entwicklung der Gestaltung hat, genügend; problematisch ist hierbei allerdings, dass zu diesem Zeitpunkt häufig die Gestaltung selbst noch gar nicht ausgereift sein wird; regelmäßig wird damit der Erhalt des Entgelts durch den Promotor das die Anzeigepflicht auslösende Moment sein. 671 § 37 Abs. 5 TAA 2011; bislang konnte um 60 Tage verlängert werden (vgl. § 80O Abs. 5 ITA 1962); das Formblatt für den Verlängerungsantrag (Form RA05) ist unter www.sars.gov.za/home.asp?pid=4153&tid=60&s=forms&show=1069 abrufbar. 672 § 80Q Abs. 1 ITA 1962 bzw. § 39 TAA 2011. 673 Hierfür steht das Formular RA07 – IT12TR and IT12 – Schedule zur Verfügung (abrufbar unter www.sars.gov.za/home.asp?pid=4153&tid=60&s=forms&show=1069); in dieser Anlage ist zudem der in diesem Veranlagungszeitraum eintretende steuerliche Vorteil zu bezeichnen und beziffern.
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Südafrika
pflichten führte zunächst dazu, dass die steuerlichen Vorteile aus der Gestaltung aberkannt wurden, also so veranlagt wurde, als wäre die Gestaltung nie eingegangen worden.674 Wurde die Anzeigepflicht vorsätzlich oder leichtfertig missachtet, so wurden zusätzlich Bußgelder in Höhe der erhofften Steuervorteile aus der Gestaltung festgesetzt.675 Später wurde jede Missachtung der Anzeigepflicht sowie der Pflicht zur Leistung weiterer Informationen oder Dokumente auf Nachfrage der Finanzverwaltung – verschuldensunabhängig – grundsätzlich mit einem Bußgeld in Höhe von 1 Million Rand676 sanktioniert.677 Dieses – insbesondere auch für ein Land wie Südafrika – sehr hohe Bußgeld, wurde von der südafrikanischen Finanzverwaltung mit dem Wunsch nach klarer Abschreckung in Anbetracht der bei anzeigepflichtigen Gestaltungen häufig hohen Steuervorteile begründet.678 Eine Herabsetzung des Bußgeldes war aber möglich, wenn entweder besondere mildernde Umstände (extenuating circumstances) vorlagen und die Anzeige alsbald nachgeholt wurde, oder der Betrag von 1 Million Rand außer Verhältnis zu den erhofften steuerlichen Vorteilen stand.679 Mit dem Tax Administration Act 2011 wird das Bußgeldsystem flexibler gestaltet, die maximale Bußgeldandrohung im Ergebnis aber sogar nochmals erhöht.680 Für jeden Monat des Verstoßes gegen die Anzeigepflicht wird nun ein Grundbußgeld in Höhe von 100.000 Rand bei Promotoren bzw. 50.000 Rand bei anzeigepflichtigen Steuerpflichtigen festgesetzt.681 Maximal kann das Grundbußgeld für 12 Monate festgesetzt werden, was 1,2 Millionen bzw. 600.000 Rand entspricht.682 Übersteigt der erwartete Steuervorteil aus der Gestaltung 5 Millionen Rand, so werden die eben bezeichneten Beträge verdoppelt, bei einem erwarteten Steuervorteil von mehr als 10 Millionen Rand gar verdreifacht.683 Insgesamt ist damit ein verschuldensunabhängiges Maximalbußgeld von 3,6 Millionen Rand denkbar.684 ________________________ 674 675 676 677 678 679 680
681 682 683 684
§ 76A Abs. 4 lit. a i. V. m. § 103 Abs. 1 lit b ITA 1962. § 76A Abs. 4 lit. b ITA 1962. Dieser Betrag entspricht derzeit etwa 100.000 €. § 80S Abs. 1 ITA 1962. Siehe die Stellungnahme des südafrikanischen Finanzministeriums v. 9.4.2008, „New reportable arrangements legislation takes effect“. § 80S Abs. 2 lit. a und b ITA 1962. Ziel ist eine tatangemessenere Sanktionierung (vgl. Draft Explanatory Memorandum on the Draft Tax Administration Bill 2009, Tz. 4.14 (hierzu oben, Fn. 624)); gleichzeitig sind aber auch die allgemeinen Erlasstatbestände, die zuvor für Bußgelder im Anzeigepflichtsystem nicht galten, eröffnet (vgl. §§ 215 ff. TAA 2011). § 212 Abs. 1 TAA 2011; dieses Bußgeld entspricht derzeit etwa 10.000 bzw. 5.000 €. Diese Beträge entsprechen derzeit etwa 120.000 bzw. 60.000 €. § 212 Abs. 2 TAA 2011. Dieser Betrag entspricht derzeit etwa 360.000 €.
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Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder
Kapitel 5: Israel A. Einführung Auch das israelische Steuerrecht kennt – auf Steuerpflichtige beschränkte – Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen. Die gesetzliche Grundlage wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2006 eingeführt.685 Auf dieser Ermächtigung basierend wurde mit Verordnung vom 3. Dezember 2006 ein Katalog von anzeigepflichtigen Geschäften erlassen.686 Neben den Anzeigepflichten im Ertragsteuerrecht wurden auch Pflichten im Bereich der Grunderwerbsteuer687 und Mehrwertsteuer688 festgelegt, auf die im Weiteren aber nicht eingegangen werden soll. Das System von Anzeigepflichten hatte zunächst eine begrenzte Geltungswirkung bis Ende 2009, wurde dann aber in dauerhaft geltendes Recht überführt.
B. Sachlicher Anwendungsbereich Anzeigepflichtig ist ein Katalog von sogenannten „Steuerplanungsgestaltungen“. Die Anzeigepflichten lassen sich in Israel in drei Gruppen einteilen: Beteiligungen an Auslandsgesellschaften, Gestaltungen mit nahestehenden Personen sowie Gestaltungen mit Verlustgesellschaften.689 ________________________ 685 In § 131 Income Tax Ordinance (ITO), welcher generell Anzeigepflichten im Steuerrecht, einschließlich der allgemeinen Steuererklärungspflicht, vorsieht, wurde mittels neuem Buchstabenabsatz (g) der israelische Finanzminister ermächtigt, mit Zustimmung des Finanzausschusses der Knesset Anzeigepflichten für Steuergestaltungsmodelle festzusetzen (147. Änderung zum Einkommensteuergesetz, 5765-2005, Sefer Ha-Chukkim, No. 2023, v. 10.8.2005; eine englische Übersetzung des israelischen Einkommensteuergesetzes findet sich bei Aryeh Greenfield Publications, Income Tax Ordinance, 14. Aufl., 2005). 686 Einkommensteuerdurchsetzungsverordnung mit vorübergehender Wirkung (Anzeigepflichten) v. 3.12.2006, in: Israeli Regulations Bulletin No. 6545 v. 25.12.2006, S. 389 ff. (im Weiteren „Anzeigepflichten-VO“). 687 § 2 (12) und (13) sowie § 3 (12) und (13) Anzeigepflichten-VO. 688 Mehrwertsteuerdurchsetzungsverordnung mit vorübergehender Wirkung (Anzeigepflichten) v. 3.12.2006, in: Israeli Regulations Bulletin No. 6545 v. 25.12.2006, S. 394 f.; die Fallgruppen beziehen sich hier insbesondere auf mehrwertsteuerliche Sachverhalte mit gemeinnützigen Körperschaften (vgl. Kaplan/Eyal/Dover, 13 Trusts & Trustees (3/2007), 96, 97). 689 Technisch sind in der Verordnung 11 Fallgruppen aufgezählt, die sich allerdings untereinander zum Teil sehr gleichen und daher im Folgenden zusammenfassend dargestellt werden sollen (vgl. § 2 (1) bis (11) Anzeigepflichten-VO).
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Israel
I. Wesentliche Beteiligung an bestimmten Auslandsgesellschaften Zunächst sind der Erwerb oder das Halten von mindestens 25 Prozent der Anteile an bestimmten ausländischen Gesellschaften sowie der Bezug von Ausschüttungen in Höhe von mindestens 1 Million Schekel von einer solchen Gesellschaft anzeigepflichtig.690 Eine Gesellschaft ist zum einen dann von den Regelungen erfasst, wenn sie im Ausland mit einem effektiven (Durchschnitts-)Steuersatz von weniger als 20 Prozent besteuert wird.691 Zudem sind Gesellschaften in Ländern, mit denen Israel ein Doppelbesteuerungsabkommen unterhält, einbezogen, wenn entweder mehr als die Hälfte des Einkommens der im Ausland ansässigen Gesellschaft in Israel erzielt wird oder sich mehr als die Hälfte des Betriebsvermögens in Israel befindet.692
II. Fallgruppen mit nahestehenden Personen Daneben sind verschiedene Gestaltungen mit nahestehenden Personen693 anzeigepflichtig. 1. Managementvergütungen So ist die Zahlung von Managementvergütungen an nahestehende Personen dann anzeigepflichtig, wenn diese Vergütungen beim Empfänger mit bestehenden Verlusten steuerlich ausgeglichen werden können.694 Gleiches gilt, wenn der Empfänger der Managementvergütungen von günstigeren Steuersätzen oder sonstigen Steuervergünstigungen oder -befreiungen profitiert.695 In beiden Fällen muss die Managementvergütung zudem aber mindestens 2 Millionen Schekel696 betragen.
________________________ 690 Vgl. § 2 (9) (c) und § 2 (10) (c) Anzeigepflichten-VO; 1 Million Schekel entspricht derzeit etwa einem Betrag von 200.000 €; die ausländische Gesellschaft kann dabei Personengesellschaft oder Körperschaft sein. 691 § 2 (9) Anzeigepflichten-VO. 692 § 2 (10) Anzeigepflichten-VO. 693 Als nahestehende Personen sind sowohl enge Verwandte und Verschwägerte erfasst als auch Gesellschaften, an denen die betreffende Person unmittelbar oder mittelbar mindestens 25 Prozent der Anteile hält; Anteile von anderen nahestehenden Personen werden wiederum zugerechnet (vgl. § 76 (D) (1) sowie § 88 „related person“ ITA i. V. m. 1 (1) „related person“ Anzeigepflichten-VO). 694 § 2 (1) (a) Anzeigepflichten-VO. 695 § 2 (1) (b) bis (e) Anzeigepflichten-VO; diese begünstigte steuerliche Situation des nahestehenden Empfängers kann, muss sich aber nicht aus dessen Ansässigkeit im Ausland ergeben. 696 Bei gegenwärtigem Wechselkurs sind dies etwa 400.000 €.
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Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder
2. Veräußerungen an nahestehende Personen Ebenso sind Veräußerungen an nahestehende Personen erfasst, wenn diese zu einem steuerlichen Verlust in Höhe von mindestens 2 Millionen Schekel beim Veräußerer führen und der Verlust innerhalb von 24 Monaten nach der Veräußerung steuerlich genutzt werden kann.697 3. Weitveräußerungen an Dritte Daneben sind Gestaltungen anzeigepflichtig, bei denen ein Gegenstand nach einer ersten steuerfreien Übertragung auf eine nahestehende Person von dieser an eine dritte Person weiterveräußert wird, wenn zusätzlich eine von zwei Situationen vorliegt: Bei der weiterveräußernden nahestehenden Person muss entweder ein steuerlicher Veräußerungsverlust von mindestens 2 Millionen Schekel entstehen698 oder ein Veräußerungsgewinn muss mit anderweitigen Verlusten in Höhe von mindestens 2 Millionen Schekel steuerlich wirksam verrechnet werden können.699 4. Schulderlass bzw. kurzfristige Schulderfüllung Auch ein Schulderlass unter nahestehenden Personen ist anzeigepflichtig, wenn die erlassene Summe mindestens 1 Million Schekel beträgt und der Erlass dazu führt, dass die Gesamtsteuerbelastung der Beteiligten reduziert wird.700 Daneben wird die Anzeigepflicht ausgelöst, wenn ein wesentlicher Anteilseigner an einer Gesellschaft im letzten Quartal eines Veranlagungszeitraums eine Schuld, die er gegenüber der Gesellschaft hat, vollständig oder teilweise, jedenfalls aber in Höhe von mindestens 1 Million Schekel begleicht, wenn im ersten Quartal des Folgesteuerjahres die Schuld in Höhe von mindestens ¼ des zurückgezahlten Betrages wieder begründet wird.701
III. Erwerb von Verlustgesellschaften Schließlich ist der Erwerb einer Beteiligung in Höhe von mindestens 50 Prozent an einer Kapital- oder Personengesellschaft anzeigepflichtig, wenn die Gesellschaft einen Verlust(vortrag) von mindestens 3 Millionen Schekel702 hat ________________________ 697 698 699 700
§ 2 (2) Anzeigepflichten-VO. § 2 (3) Anzeigepflichten-VO. § 2 (4) Anzeigepflichten-VO. § 2 (5) Anzeigepflichten-VO; ein solcher steuerlicher Vorteil kann sich daraus ergeben, dass nach israelischem Steuerrecht ein Erlass zu einem steuerlichen Gewinn beim Schuldner und steuerlichen Verlust beim Gläubiger führt (vgl. Kaplan/Eyal/ Dover, 13 Trusts & Trustees (3/2007), 96, 97). 701 § 2 (6) Anzeigepflichten-VO. 702 Nach gegenwärtigem Wechselkurs etwa 600.000 €.
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Israel
und dieser innerhalb von 24 Monaten nach dem Erwerb steuerlich genutzt werden kann.703
C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten In Israel sind allein die an den Gestaltungen beteiligten Steuerpflichtigen anzeigepflichtig.704 Der Anzeigepflicht ist auf der regulären (jährlichen) Steuererklärung nachzukommen.705 Ein Registriernummernsystem erübrigt sich bei einer solchen Ausrichtung. Wurde für die Gestaltung bereits eine verbindliche Auskunft der Steuerbehörde erlangt, so entfällt die Anzeigepflicht.706
D. Folgen bei Missachtung der Regelungen Die Einhaltung der Anzeigepflicht ist in Israel strafrechtlich abgesichert. Dabei werden aber nur vorsätzliche Verstöße sanktioniert. In diesem Fall kann eine Strafe von bis zu 19.300 Schekel verhängt werden.707 Alternativ oder kumulativ zu diesem Bußgeld ist theoretisch auch eine Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr denkbar.708
E. Über die Anzeigepflicht hinausgehende Anknüpfungen Ebenso wie in den USA und Kanada, finden die Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen auch in Israel über die unmittelbare Pflicht zur Anzeige hinaus Verwendung.709 ________________________
703 § 2 (8) Anzeigepflichten-VO. 704 § 3 (1) bis (13) Anzeigepflichten-VO; dieser Ansatz basiert auf der Empfehlung eines Expertenausschusses beim Finanzministerium vom Juni 2005, „Report of the Commission for dealing with aggressive tax planning“ (vgl. Kaplan/Eyal/Dover, 13 Trusts & Trustees (3/2007), 96, 96 f.); die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage ist allerdings weiter und gestattet die Festlegung von Anzeigepflichten gegenüber allen, die wie auch immer geartet im Zusammenhang mit einer anzeigepflichtigen Gestaltung tätig geworden sind (siehe § 131 (a) (5d); vgl. hierzu auch Lapidoth, 60 IBFD Bulletin (2006), 255, 256). 705 § 3 Anzeigepflichten-VO i. V. m. § 131 ITA; damit gilt die allgemeine Steuererklärungsfrist des 30. April des Folgejahres (vgl. § 132 (a) ITA). 706 § 4 (a) Anzeigepflichten-VO. 707 § 216 (8) i. V. m. § 61 (a) (2) ITA; diese Summe entspricht momentan knapp 4.000 €. 708 § 216 (8) ITA. 709 Im Gegensatz zu diesen Ländern, in denen sich die weitergehenden Rechtsfolgen erst mit der Zeit nach Einführung der Anzeigepflichten entwickelten, wurden sie in Israel sogar bereits gleichzeitig mit den Anzeigepflichten eingeführt (siehe insbesondere § 145A2 sowie § 191 (c1) ITA, die beide im Rahmen der 147. Änderung zum Einkommensteuergesetz v. 10.8.2005 eingefügt wurden (siehe hierzu oben, Fn. 685)).
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Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder
Eingesetzt werden die Fallgruppen zunächst im Strafzuschlagsystem bei Steuerfehlbeträgen.710 Ergibt sich der Fehlbetrag daraus, dass die Gestaltung auf die allgemeine Missbrauchsnorm gestützt nicht anerkannt wird,711 und war die Gestaltung anzeigepflichtig, so wird ein Strafzuschlag von 30 Prozent des Fehlbetrags erhoben.712 Bei nicht anzeigepflichtigen Gestaltungen wird ein Strafzuschlag in dieser Höhe lediglich dann festgesetzt, wenn Steuern vorsätzlich hinterzogen wurden.713 Daneben wurde ein erleichtertes Verfahren zur Festsetzung von Steuerfehlbeträgen geschaffen. Sofern anzeigepflichtige Gestaltungen betroffen sind, ist es den Finanzbehörden möglich, anstelle einer sonst erforderlichen Neufestsetzung für die gesamte Steuererklärung714 lediglich die anzeigepflichtige Gestaltung zu überprüfen und gegebenenfalls hierauf beschränkt einen Fehlbetrag festzusetzen.715
________________________ 710 Mit Steuerfehlbetrag ist die Differenz zwischen der sich aus der Steuererklärung ergebenden Steuerschuld und der bei Überprüfung der Steuererklärung durch das Finanzamt festgesetzten und gegebenenfalls von den Steuergerichten aufrecht erhaltenen Steuer bezeichnet. 711 § 86 ITA (siehe eine überblicksartige Darstellung zur Anwendung der allgemeinen Missbrauchsnorm in Israel bei Lapidoth, 60 Bulletin for International Fiscal Documentation (2006), 255, 257 ff.). 712 § 191 (c1) ITA (vgl. hierzu Lapidoth, 60 Bulletin for International Fiscal Documentation (2006), 255, 257, sowie Kaplan/Eyal/Dover, 13 Trusts & Trustees (3/2007), 96, 96–97); darauf, ob die Gestaltung tatsächlich angezeigt wurde oder nicht, kommt es hierbei nicht an. 713 Siehe hierzu § 191 (b) und (c) ITA. 714 Siehe hierzu § 145 ITA. 715 § 145A2 ITA.
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Portugal
Kapitel 6: Portugal A. Einführung Mit Wirkung zum 15. Mai 2008 hat auch Portugal ein System von Anzeigepflichten als Mittel gegen aggressive Steuerplanung (práticas de planeamento fiscal aggressivo) und Steuervermeidung (práticas de evasão)716 eingeführt.717 Die gesetzliche Ermächtigung hierzu, die bereits wesentliche Eckpunkte des Systems enthielt, war im Dezember 2006 erlassen worden.718 Darauf gestützt hat das Finanzministerium mittels Exekutivgesetz vom Februar 2008719 sowie Verordnung720 und Anwendungserlässen721 vom Mai 2008 Details der Anzeigepflichten festgelegt. Portugal hat sich ausdrücklich an den bereits existierenden Anzeigepflichtsystemen im Ausland orientiert.722 Die Einführung des Anzeigepflichtsystems ist auch in Portugal auf deutliche Kritik aus der Praxis gestoßen.723 Erfasst sind Gestaltungen nicht nur im Bereich der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer, sondern auch der Grundsteuer, Grunderwerbsteuer und
________________________ 716 Art. 98 (2) (a) Lei n.° 53-A/2006, sowie Präambel des Decreto-Lei n.° 29/2008. 717 Art. 24 Decreto-Lei n.° 29/2008; bereits umgesetzte Gestaltungen mussten innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten der Ausführungsverordnung angezeigt werden (vgl. Art. 21 Decreto-Lei n.° 29/2008). 718 So sah die Ermächtigung etwa bereits die Fallgruppe der Gestaltungen unter Einbezug steuerbegünstigter Beteiligter, die subsidiäre Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen, oder die Höchstgrenze von 100.000 € für Bußgeldsanktionen vor (vgl. Art. 98 Lei n.° 53-A/2006 v. 29.12.2006, Diário da República, 1. série – n.° 249, 8626-(2), v. 29.12.2006). 719 Ministério das Finanças e da Administração Pública, Decreto-Lei n.° 29/2008 v. 25.2.2008, Diário da República, 1. série – n.° 39, 1205, v. 25.2.2008. 720 Portaria n.° 364-A/2008 v. 14.5.2008 – série I – n.° 93–1°. 721 Ministério das Finanças e da Administração Pública, Despacho (Orientações interpretativas em material de revelação de esquemas de planeamento fiscal para prevenção e combate a actuações abusivas e evasivas) e Anexo v. 15.5.2008. 722 Art. 98 (1) Lei n.° 53-A/2006, sowie Präambel des Decreto-Lei n.° 29/2008; namentlich sind die Erfahrungen der USA, Großbritanniens und Kanada in Bezug genommen. 723 Ortigão Ramos/da Silva, World Tax 2009, 432, 435, etwa befürchten, dass die Anzeigepflichten zu einer deutlichen Zunahme von bürokratischem Aufwand ohne nennenswertem Ertrag führen werden; Ferreira/de Oliveira/da Costa, 19 International Tax Review (4/2008), 10, kritisieren insbesondere den vorgeblich viel zu weiten sachlichen Anwendungsbereich und die dadurch entstehenden Kosten; sie gehen insgesamt von einer unverhältnismäßigen Maßnahme aus; zurückhaltend auch Silva/Neves, 19 International Tax Review (9/2008), 17.
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Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder
Umsatzsteuer.724 Der Sache nach hat das portugiesische Anzeigepflichtsystem vor allem vorgefertigte standardisierte Steuergestaltungen im Blick.725 Die portugiesische Steuerverwaltung stellt die Ergebnisse des Anzeigepflichtsystems nicht nur für interne Zwecke zusammen, sondern veröffentlicht diese auch. So wurden im Juli 2010 dreizehn angezeigte Gestaltungen mit kurzer Beschreibung und der zu erwartenden Reaktion der Finanzverwaltung veröffentlicht.726
B. Sachlicher Anwendungsbereich I. Steuerplanungsgestaltungen Anzeigepflichtig sind sogenannte Steuerplanungsgestaltungen (planeamento fiscal). Das sind Gestaltungen727, bei denen die Erzielung eines Steuervorteils ausschließliches oder vornehmliches Ziel ist.728 Ein Steuervorteil wird darin gesehen, dass entweder eine steuerliche Belastung reduziert bzw. zeitlich hinausgeschoben wird oder eine steuerliche Vergünstigung erlangt wird.729
II. Einzelne Fallgruppen Eine derartige Steuerplanungsgestaltung muss, um anzeigepflichtig zu sein, zudem einer von fünf Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen unterfallen. Diese sind jedoch zum Teil derart weit gefasst, dass ihre Eignung zum Herausfiltern der wirklich relevanten Gestaltungen zweifelhaft ist.730 ________________________
724 Art. 2 (2) Decreto-Lei n.° 29/2008. 725 Vgl. die Präambel des Decreto-Lei n.° 29/2008; zur Umsetzung dieser Vorgabe bei der Ausgestaltung der Anzeigepflicht siehe unten. 726 Hierzu Neves/Pimentel/Alvas da Costa, 63 Tax Notes International (2011), 545, 560 f. 727 Rechtstechnisch werden hier Gestaltungsentwürfe (esquema) und tatsächlich durchgeführte Gestaltungen (actuação) unterschieden (vgl. Art. 3 (b) und (c) Decreto-Lei n.° 29/2008). 728 Art. 1 und 3 (a) Decreto-Lei n.° 29/2008; aus dem Anwendungserlass des Finanzministeriums ergibt sich, dass diese Frage sowohl objektiv wie auch subjektiv zu prüfen ist; tatsächlich muss sich aus der Gestaltung ein steuerlicher Vorteil ergeben können und dieser muss auch gerade als wesentlicher oder gar ausschließlich Vorteil aus der Gestaltung intendiert sein (vgl. Anexo v. 15.5.2008, Nr. 11). 729 Art. 3 (d) Decreto-Lei n.° 29/2008; in jedem Fall muss sich der Vorteil auf die oben genannten portugiesischen Steuern beziehen; steuerliche Vor- oder Nachteile in ausländischen Steuersystemen werden von vornherein nicht in die Überlegungen mit einbezogen (vgl. hierzu auch Ortigão Ramos/da Silva, World Tax 2009, 432, 432). 730 Insbesondere die Fallgruppen der Gestaltungen mit dem Risiko einer Umqualifizierung sowie der Verlustnutzungsgestaltungen sind enorm weit gefasst; Ferreira/de Oliveira/ da Costa, 19 International Tax Review (4/2008), 10, gehen vor diesem Hintergrund davon aus, dass nahezu alle Steuerplanungsgestaltungen auch tatsächlich anzeigepflichtig sind.
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Portugal
1. Beteiligte in Steueroasen Anzeigepflichtig sind Gestaltungen etwa dann, wenn sich ein Steuervorteil aus der Beteiligung eines in einer Steueroase Ansässigen ergibt.731 Ein Steuersystem stellt eine Steueroase zum einen dann dar, wenn der Beteiligte dort der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer nicht unterliegt, oder wenn die dort anfallende Steuer nicht mehr als 60 Prozent der Steuer ausmacht, die bei Ansässigkeit in Portugal anfallen würde. Zum anderen sind, von diesen Kriterien unabhängig, all diejenigen Länder erfasst, die von der portugiesischen Steuerverwaltung in eine Liste der Steueroasen aufgenommen wurden.732 2. Beteiligung von steuerbefreiten Personen Gestaltungen sind auch dann anzeigepflichtig, wenn sich der Steuervorteil aus der Beteiligung einer Person ergibt, die ganz oder teilweise persönlich steuerbefreit ist.733 3. Gestaltungen mit dem Risiko einer Umqualifizierung Daneben sind Steuergestaltungen im Finanzierungs- sowie Versicherungsbereich erfasst, wenn ihnen das Risiko innewohnt, dass Einkünfte hieraus in sachlicher Hinsicht oder der Bezug der Einkünfte in persönlicher Hinsicht umqualifiziert werden.734 Eine genaue Bestimmung, wann ein solches Risiko vorliegen soll, findet sich weder im Gesetz noch im Anwendungserlass des Finanzministeriums. Das Gesetz führt lediglich Regelbeispiele an, etwa das Finanzierungsleasing, hybride Finanzierungsinstrumente sowie Derivate.735 ________________________ 731 Art. 4 (1) (a) Decreto-Lei n.° 29/2008. 732 Zu der aktuell mehr als 80 Steueroasen umfassenden Liste, Torres/Vilão, 64 Tax Notes International (2011), 537. 733 Art. 4 (1) (b) Decreto-Lei n.° 29/2008; der Anwendungserlass führt als Beispiel die Zwischenschaltung einer steuerbefreiten Konzernfinanzierungsgesellschaft in Portugal an; diese hat zum Ergebnis, dass ausländische Zinseinkünfte bei der portugiesischen Obergesellschaft letztlich als Dividendeneinkünfte ankommen, ohne dass durch die Zwischenschaltung der Untergesellschaft eine zusätzliche Steuerbelastung einträte (vgl. Anexo v. 15.5.2008, Nr. 16). 734 Art. 4 (1) (c) Decreto-Lei n.° 29/2008: „susceptíveis de determinar a requalificação do rendimento ou a alteração do beneficiário“. 735 Art. 4 (1) (c) a. E. Decreto-Lei n.° 29/2008; der Anwendungserlass enthält ein weiteres Beispiel aus dem Bereich der Umsatzsteuer (dazu, dass auch diese von den portugiesischen Regelungen erfasst ist, oben, S. 127), nämlich Finanzdienstleistungen eines Unternehmens außerhalb der Europäischen Union gegenüber portugiesischen Unternehmen derselben Gruppe, die bei den portugiesischen Unternehmen zu einem Vorsteuerabzug führen, bei der ausländischen Gesellschaft aber nicht der Umsatzsteuer unterliegen (vgl. Anexo v. 15.5.2008, Nr. 17).
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Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder
Mangels abschließender Kriterien, wann das Risiko einer Umqualifizierung vorliegt, ist diese Fallgruppe damit in besonderer Weise unbestimmt.736 4. Verlustnutzungsgestaltungen Zudem sind Gestaltungen anzeigepflichtig, durch die steuerliche Verluste genutzt werden.737 Auch diese Fallgruppe ist mangels weiterer Beschränkungen ausgesprochen weit.738 5. Gestaltungen mit Haftungsreduzierung Während die ersten vier Fallgruppen auf spezielle Elemente der steuerlichen Struktur oder bestimmte rechtliche Folgen der Gestaltung abstellen, fragt die fünfte und letzte Fallgruppe danach, unter welchen Bedingungen die Gestaltung von einem Promotor angeboten wird.739 Die Anzeigepflicht wird hier dadurch ausgelöst, dass die Gestaltung mit einer Klausel versehen ist, die die Haftung des Promotors ausschließt oder zumindest reduziert.740
C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten I. Anzeigepflicht der Promotoren Die Anzeigepflicht obliegt zuvorderst den Promotoren (promotores) anzeigepflichtiger Gestaltungen. Promotor ist, wer in Portugal ansässig ist, im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit steuerberatend oder auf sonstige, auch rein technisch unterstützende Weise im steuerlichen Bereich tätig ist, und an der Entwicklung oder der Umsetzung einer anzeigepflichtigen Gestaltung mitwirkt.741 Als Beispiele möglicher Promotoren werden Finanzinstitute, Wirtschaftsprüfer ________________________ 736 Zur Kritik hieran auch bereits oben, Fn. 730. 737 Art. 4 (1) (d) Decreto-Lei n.° 29/2008; der Anwendungserlass erwähnt als Beispiel die Verbriefung künftiger Forderungen; die Verbriefung und Veräußerung führt zu sofortigen Einnahmen bei dem früheren Forderungsinhaber, welche wiederum zur Verrechnung mit bestehenden Verlusten genutzt werden können (vgl. Anexo v. 15.5.2008, Nr. 18). 738 Das Beispiel des Anwendungserlasses (vgl. Fn. 737) lässt keinerlei Beschränkung erkennen; siehe rechtsvergleichend zu den Beschränkungen in anderen Anzeigepflichtsystemen unten, S. 198. 739 Zu den drei grundsätzlichen Methoden bei der Bildung der Fallgruppen unten, ab S. 191. 740 Art. 4 (2) Decreto-Lei n.° 29/2008. 741 Art. 5 (1) und (3) Decreto-Lei n.° 29/2008; darauf, ob bei dieser Tätigkeit ein Entgelt erzielt wird, kommt es nicht an; auch die steuerliche Beratung Personen gegenüber, die die Gestaltung nicht selbst umsetzen, ist ausreichend (vgl. Art. 5 (1) Decreto-Lei n.° 29/2008).
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Portugal
und Rechtsanwälte angeführt.742 Rechtsanwälte sind allerdings dann nicht anzeigepflichtig, wenn sie lediglich klassische, ihrer Berufsgruppe zugewiesene Aufgaben wahrnehmen, insbesondere rechtsberatend oder prozessführend tätig werden; ebenso sind Wirtschaftsprüfer, die sich auf die Abschlussprüfung beschränken, ausgenommen.743 Damit soll die Anzeigepflicht auf Situationen begrenzt werden, in denen der Berufsträger die Gestaltung selbst aktiv vorantreibt.744 Der Anzeigepflicht ist innerhalb von 20 Tagen nach dem Ende des Monats nachzukommen, in dem die Gestaltung von dem Promotor das erste Mal angeboten bzw. vorgeschlagen wurde. Wurde die Gestaltung nicht durch den betreffenden Promotor, sondern eine andere Person vorgeschlagen, hat allerdings der betreffende Promotor an der Entwicklung oder Umsetzung mitgewirkt, so ist seine Anzeige innerhalb von 20 Tagen nach dem Ende des Monats, in dem er mitzuwirken begonnen hat, abzugeben.745 Diese Regelung ist insofern bemerkenswert, als der Fristbeginn für die Anzeigepflicht in jedem Fall voraussetzt, dass eine Person, wenn auch nicht der betreffende Promotor selbst, die Gestaltung „vorgeschlagen“ (propor) haben muss. Hier offenbart sich die vom portugiesischen Gesetzgeber auch bereits in der Präambel des betreffenden Gesetzes geäußerte Orientierung an vorgefertigten, standardisierten Steuergestaltungen.746 Es ist damit fraglich, ob auch Einzelgestaltungen, die von einem Externen in Absprache mit dem jeweiligen Steuerpflichtigen entwickelt werden, anzeigepflichtig sein können.747 Die Promotoreneigenschaft wäre zwar erfüllt, da hierfür auch eine Mitwirkung an der Entwicklung oder Umsetzung ausreicht. Wenn sich die Tätigkeit aller Externen aber auf einzelne Entwicklungsbeiträge beschränkt, wird von einem „Vorschlag“ der Gestaltung schwerlich gesprochen werden können. Daraus ergäbe sich die offensichtlich widersinnige Situation, dass betreffende Gestaltungen überhaupt nicht anzeigepflichtig wären, da die subsidiäre Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen infolge der Existenz eines Promotors nicht eingreift.748 Hingegen müssen von Steuerpflichtigen alleine entwickelte Gestaltungen (in house-Gestaltungen) von diesen angezeigt werden. ________________________ 742 743 744 745 746 747
Art. 5 (2) Decreto-Lei n.° 29/2008. Art. 6 Decreto-Lei n.° 29/2008; Anexo v. 15.5.2008, Nr. 31 mit 34. Ortigão Ramos/da Silva, World Tax 2009, 432, 433. Art. 7 (2) bzw. (3) Decreto-Lei n.° 29/2008. Hierzu oben, zu Fn. 725. Dieselbe Problematik findet sich in den französischen Entwurfsregelungen von 2005 (siehe hierzu unten, Fn. 863); generell zur Problematik der (sprachlichen) Fokussierung auf modellhafte Gestaltungen unten, S. 189. 748 Hierzu sogleich unter II.
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Die Anzeige hat auf elektronischem Wege mittels eines im Internet abrufbaren Formulars zu erfolgen.749 Hierbei ist die anzeigepflichtige Gestaltung in ihrer tatsächlichen und rechtlichen Struktur detailliert zu beschreiben. Auch ist der beabsichtigte steuerliche Vorteil mitsamt der rechtlichen Grundlagen, auf die er gestützt wird, zu bezeichnen.750 Die Finanzverwaltung kann von den Promotoren ergänzende Informationen anfordern, insbesondere auch zur Anzahl der Steuerpflichtigen, an die der Promotor mit der Gestaltung herangetreten ist oder die die Gestaltung tatsächlich umgesetzt haben.751 Die Identität der Nutzer der Gestaltungen oder anderer interessierter Parteien muss aber in keinem Fall offenbart werden.752 Es ist infolge der weiten Definition des Promotorenbegriffs denkbar, dass es für eine Gestaltung mehrere Promotoren gibt.753 In diesen Fällen befreit die Anzeige des einen die anderen von der Verpflichtung zur Anzeige, wenn der anzeigende Promotor diesen die Anzeige nachweist.754
II. Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen Gibt es für eine anzeigepflichtige Gestaltung keinen Promotor, so geht die Anzeigepflicht auf die Nutzer der Gestaltungen über.755 Infolge der Begrenzung des Promotorenbegriffs auf in Portugal Ansässige ist dies auch dann der Fall, wenn entsprechende Externe im Ausland ansässig sind. Für die Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen spielt deren Ansässigkeit hingegen keine Rolle.756 ________________________ 749 Das Formular ist im Internet über www.dgci.min-financas.pt abrufbar und auch online zu übermitteln; Portaria n.° 364-A/2008 v. 14.5.2008 – série I – n.° 93–1°. 750 Art. 8 (1) (a) und (b) Decreto-Lei n.° 29/2008. 751 Art. 9 (1) Decreto-Lei n.° 29/2008; dieser Pflicht zur ergänzenden Auskunft ist innerhalb von 30 Tagen nachzukommen (vgl. Art. 9 (2) Decreto-Lei n.° 29/2008). 752 Art. 8 (2) Decreto-Lei n.° 29/2008; nur der Anzeigende selbst muss seinen Namen, seine Adresse und seine eigene Steueridentifikationsnummer mitteilen (vgl. Art. 8 (1) (c) Decreto-Lei n.° 29/2008); Ferreira/de Oliveira/da Costa, 19 International Tax Review (4/2008), 10, nehmen dennoch einen Konflikt mit der berufsrechtlichen Schweigepflicht an. 753 Anexo v. 15.5.2008, Nr. 27. 754 Anexo v. 15.5.2008, Nr. 27 mit 30; für den oben im Rahmen der Anzeigefrist erwähnten speziellen Fall der Anzeigepflicht des an der Entwicklung oder Umsetzung beteiligten Promotors trotz vorheriger Anzeige eines anderen Promotors, der die Gestaltung vorgeschlagen hat auch Art. 7 (3) Decreto-Lei n.° 29/2008; der Nachweis erfolgt mittels einer bei der elektronisch übermittelten Anzeige automatisch erstellten Bestätigung (vgl. Portaria n.° 364-A/2008 v. 14.5.2008 – série I – n.° 93–1°). 755 Art. 10 (1) Decreto-Lei n.° 29/2008. 756 Kritisch zur Praktikabilität von Anzeigepflichten gegenüber im Ausland Ansässigen Ortigão Ramos/da Silva, World Tax 2009, 432, 433 f.
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Portugal
Natürliche Personen sind allerdings nur dann anzeigepflichtig, wenn die Gestaltung den beiden oben erstgenannten Fallgruppen unterfällt, das heißt, wenn sich der steuerliche Vorteil aus der Beteiligung von in einer Steueroase Ansässigen oder von steuerbefreiten Personen ergibt.757 Im Hinblick auf Gestaltungen aus den übrigen drei Fallgruppen sind – ohne Rücksicht auf eigene Rechtspersönlichkeit – lediglich Gesellschaften anzeigepflichtig.758 Insofern gibt es also nach portugiesischem Recht Gestaltungen, die zwar der Sache nach anzeigepflichtig sind, für die aber der persönliche Anwendungsbereich nicht eröffnet ist. Die Steuerpflichtigen haben ihrer Anzeigepflicht am Ende des auf den Kalendermonat, in dem mit der Umsetzung begonnen wurde, folgenden Monats nachzukommen.759 Inhaltlich entspricht die Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen grundsätzlich derjenigen der Promotoren.760 Allerdings hat die Finanzverwaltung hier nicht die Möglichkeit, zu ergänzender Auskunft, etwa die Anzahl der (sonst) Beteiligten betreffend, zu verpflichten. Während die Identität der Nutzer von anzeigepflichtigen Gestaltungen dann, wenn ein Promotor der Anzeigepflicht nachkommt, nicht offenbart wird, gelangt die Identität bei der Anzeige durch einen Steuerpflichtigen selbstverständlich zur Kenntnis der Finanzbehörden. Es wird vermutet, dass dies eine Verlagerung von Gestaltungen aus Unternehmensteuerabteilungen heraus an Berater zur Folge hat, um die Identität des letztlichen Nutzers der Gestaltung nicht in Verbindung mit der Anzeige zu bringen.761
III. Weitere Verwendung der Informationen Registriernummern werden im portugiesischen Anzeigepflichtsystem nicht vergeben.762 Allerdings wird eine zentral geführte Datenbank errichtet, die den Veranlagungsbehörden relevante Informationen zu angezeigten Gestaltungen zur Verfügung stellt.763 Schließlich ist auch vorgesehen, dass die portu________________________ 757 758 759 760 761
Art. 10 (3) (b) Decreto-Lei n.° 29/2008. Art. 10 (3) (a) Decreto-Lei n.° 29/2008. Art. 10 (1) Decreto-Lei n.° 29/2008. Art. 10 (2) i. V. m. 8 (1) (a) und (b) Decreto-Lei n.° 29/2008. Ferreira/de Oliveira/da Costa, 19 International Tax Review (4/2008), 10; dies ist in Portugal deswegen möglich, weil es dort kein Registriernummernsystem gibt, das auch einen nicht anzeigenden Nutzer mit einer angezeigten Gestaltung in Verbindung bringen würde (hierzu sogleich). 762 Zur Sinnhaftigkeit von Registriernummern unten, S. 222. 763 Art. 14 Decreto-Lei n.° 29/2008; verwaltet wird diese Datenbank – ebenso wie das gesamte System der Anzeigepflichten, abgesehen von den Sanktionen, für welche die lokalen Finanzämter zuständig sind – durch eine zentrale Stelle in der portugiesischen Finanzverwaltung, den Director-Geral dos Impostos (vgl. Art. 13 (1) einerseits und Art. 19 Decreto-Lei n.° 29/2008 andererseits).
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giesische Finanzverwaltung im Internet einzelne angezeigte Gestaltungen in abstrakter Weise beschreibt und darlegt, warum diese Gestaltungen mit materiellem Recht, insbesondere auch der allgemeinen Missbrauchsnorm, nicht in Einklang stehen.764 Hiermit ist offenbar der Wunsch verbunden, dass bereits diese öffentliche Bezeichnung der Gestaltung auf die Steuerpflichtigen abschreckend wirkt.765
D. Folgen bei Missachtung der Regelungen Die vorsätzliche oder fahrlässige766 Missachtung der Anzeigepflichten wird mit Bußgeldern sanktioniert.767 Es ist jeweils ein anderer Rahmen für die Bußgeldfestsetzung je nachdem vorgegeben, ob es sich bei dem Anzeigeverpflichteten um einen Promotor oder einen Steuerpflichtigen bzw. um eine Gesellschaft oder eine natürliche Person handelt; bei Promotoren wird zudem danach differenziert, welche Pflicht genau verletzt wurde.768 Die Verletzung der Pflicht zu rechtzeitiger erstmaliger Anzeige durch einen Promotor wird mit 5.000 € bis 100.000 € bei Promotoren, die Gesellschaften sind, sowie mit 1.000 € bis 50.000 € bei Promotoren, die natürliche Personen sind, sanktioniert.769 Trifft die Anzeigepflicht die Steuerpflichtigen selbst, so beträgt das Bußgeld zwischen 500 € und 80.000 € bei Gesellschaften sowie zwischen 250 € und 40.000 € bei natürlichen Personen.770 Die – lediglich bei Promotoren bestehende – Pflicht zu ergänzender Stellungnahme nach Aufforderung durch die Steuerbehörden wird mit 1.000 € bis 50.000 € bzw. 500 € bis 25.000 € sanktioniert, je nachdem ob der betreffende Promotor eine Gesellschaft oder eine natürliche Person ist.771 Daneben finden auch die allgemeinen Nebenfolgen bei Verstößen gegen steuerliche Pflichten Anwendung. Diese reichen etwa von der Aberkennung der Steuervorteile im konkreten Fall über die Suspendierung anderweitiger
________________________ 764 765 766 767 768 769 770 771
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Art. 15 Decreto-Lei n.° 29/2008. So etwa auch Ortigão Ramos/da Silva, World Tax 2009, 432, 434. Vgl. Art. 17 (4) Decreto-Lei n.° 29/2008. Die Pflicht zur Anzeige besteht trotz Sanktionierung fort (vgl. Art. 18 Decreto-Lei n.° 29/2008). Innerhalb dieses Rahmens wird das Bußgeld nach der Schwere des Verstoßes bestimmt (vgl. Ferreira/de Oliveira/da Costa, 19 International Tax Review (4/2008), 10). Art. 17 (1) i. V. m. 7 f. Decreto-Lei n.° 29/2008. Art. 17 (3) i. V. m. 10 Decreto-Lei n.° 29/2008. Art. 17 (2) i. V. m. 9 Decreto-Lei n.° 29/2008.
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Steuervergünstigungen bzw. bestimmter Zollerleichterungen bis hin zu einer 2-jährigen Sperre für öffentliche Ausschreibungen.772 Schließlich kann die Entscheidung über Bußgelder oder Nebenfolgen auf Kosten des Betroffenen veröffentlicht werden, so dass mit der Missachtung von Anzeigepflichten ein bedeutendes Reputationsrisiko verbunden sein kann.773
________________________ 772 Vgl. Art. 20 Decreto-Lei n.° 29/2008 i. V. m. Art. 28 (1) (c) und (d) sowie (3) Lei n.° 15/2001 v. 5.6.2001). 773 Vgl. Art. 20 Decreto-Lei n.° 29/2008 i. V. m. Art. 28 (1) (g) Lei n.° 15/2001 v. 5.6.2001; hierzu Silva/Neves, 19 International Tax Review (9/2008), 17.
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Kapitel 7: Irland A. Einführung Im Zuge des Finance Act 2010 wurde auch in Irland die formalgesetzliche Grundlage für ein System von Anzeigepflichten (mandatory disclosure regime) geschaffen.774 Wesentliche materielle Regelungen waren hierin bereits enthalten. Mittels Anfang 2011 erlassener Rechtsverordnung wurden diese Regelungen konkretisiert und ergänzt.775 Das irische System der Anzeigepflichten ist damit am 17.1.2011 in Kraft getreten.776 In Grundstruktur und Details ist hierbei eine deutliche Anlehnung an die britischen Regelungen zu erkennen.777 2006 war bereits ein freiwilliges Anzeigesystem eingeführt worden. Dabei befreit eine Anzeige die Steuerpflichtigen von Strafzuschlägen und Zinsen, die die Einstufung einer Gestaltung als missbräuchlich üblicherweise zur Folge hat.778 Das freiwillige Anzeigesystem wurde allerdings nur sehr wenig genutzt: In den Jahren bis 2009 wurden in 67 Einzelanzeigen insgesamt lediglich 10 verschiedene Gestaltungen angezeigt.779 Das bisherige System besteht neben dem neuen System von Anzeigepflichten weiter.780 Die irischen Regelungen erfassen denkbar viele Steuerarten, nämlich die Einkommensteuer, einschließlich Zuschlagsteuer (universal social charge), Körperschaftsteuer, Veräußerungsgewinnsteuer (capital gains tax), Umsatzsteuer, Schenkung- und Erbschaftsteuer (capital acquisitions tax) sowie verschiedene Verkehrsteuern (stamp duties und excise duties).781 Den Anzeigepflichten kommt nach Aussage des irischen Finanzministeriums dabei vor allem die Funktion zu, dem Steuergesetzgeber frühzeitig Lücken ________________________ 774 Part 33, Chapter 3 Taxes Consolidation Act 1997 (No. 39 of 1997), eingefügt durch § 149 Finance Act 2010 (No. 5 of 2010). 775 SI 7/2011 (Mandatory Disclosure of Certain Transactions Regulations 2011) v. 17.1.2011, gestützt auf § 817Q Taxes Consolidation Act. 776 Guidance Notes on Mandatory Disclosure Regime v. Januar 2011 (Guidance 2011), Tz. 10. 777 Hierzu auch Donnelly, 21 International Tax Review (9/2010), 32, 32. 778 § 811A Taxes Consolidation Act. 779 Vgl. die Übersicht bei Fennell, Irish Tax Review 1/2011, 72, 78; im Jahr 2009 sind vier Einzelanzeigen eingegangen (vgl. Donnelly, 21 International Tax Review (9/2010), 32, 32). 780 Eine Anzeige nach dem verpflichtenden System von Anzeigepflichten kann dabei nicht als von Strafzuschlägen und Zinsen befreiende Anzeige gewertet werden (vgl. § 817N (3) Taxes Consolidation Act). 781 § 817D (1) „the Acts“ Taxes Consolidation Act sowie Guidance 2011, Tz. 1.6.
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aufzuzeigen, um eine zeitnahe gesetzgeberische Reaktion zu ermöglichen.782 Daneben soll aber auch die Finanzverwaltung in den Stand versetzt werden, die allgemeine Missbrauchsnorm sowie bereits bestehende spezialgesetzliche Missbrauchsnormen auf die berichteten Steuergestaltungen anzuwenden.783 „Übliche Steuerplanung“ bzw. die nicht rechtsmissbräuchliche Nutzung von steuerlichen Vorteilen sollen nach dem Willen der irischen Finanzverwaltung jedoch nicht zur Anzeigepflicht führen. Die Erläuterungen der Verwaltung zu den Regelungen enthalten Beispiele dafür, was hierunter zu verstehen ist.784 Zudem sieht die Rechtsverordnung einen Negativkatalog von nicht anzeigepflichtigen Gestaltungen vor.785 Aus der irischen Steuerpraxis wird aber kritisiert, dass diese Ausnahmen keineswegs umfassend sind, so dass im Ergebnis auch übliche Steuerplanung zur Anzeigepflicht führen kann.786
B. Sachlicher Anwendungsbereich I. Wesentlicher steuerlicher Vorteil Das irische Anzeigepflichtsystem erfasst Gestaltungen (transactions bzw. schemes787), die einen steuerlichen Vorteil zeitigen bzw. erwarten lassen, sofern dieser Vorteil – bei objektiver Betrachtung – den wesentlichen oder zumindest einen der wesentlichen Vorteile darstellt.788 Der steuerliche Vorteil kann darin bestehen, dass eine steuerliche Belastung, einschließlich einer Ab________________________ 782 Guidance 2011, Tz. 1.4, 1.5 und 3.4; Stellungnahme des irischen Finanzministers v. 19.1.2011 zur Einführung von SI 7/2011, abrufbar unter www.finance.gov.ie/ viewdoc.asp?DocID=6650. 783 Guidance 2011, Tz. 1.4 und 1.5. 784 Guidance 2011, Tz. 1.1 sowie Appendix 1; als Beispiele werden hier etwa die Beratung zu steuerlichen Auswirkungen der gemeinsamen bzw. getrennten Veranlagung sowie die Beratung zur Möglichkeit des Abzugs von Verlusten aus selbständiger Tätigkeit bei Einkünften aus anderen Einkunftsarten genannt. 785 SI 7/2011, § 10 (4), § 13 (3) und § 14 (3) i. V. m. Schedule. 786 Fennell, Irish Tax Review 1/2011, 72, 73. 787 Während die formalgesetzliche Grundlage sowie die Rechtsverordnung lediglich von transactions sprechen, verwenden die Erläuterungen des Finanzministeriums den Begriff der schemes synonym hierzu (vgl. Guidance 2011, Tz. 4.1); in jedem Fall sind auch bloße Gestaltungsvorschläge sowie einzelne Gestaltungselemente erfasst (vgl. SI 7/2011, § 2 (2) sowie Guidance 2011, Tz. 2.2.4 und 4.1). 788 § 817D (1) „disclosable transaction“ (b) (ii) und (iii) Taxes Consolidation Act sowie Guidance 2011, Tz. 2.1; das irische Finanzministerium geht davon aus, dass die Bestimmung, ob es sich bei einem steuerlichen Vorteil um einen der wesentlichen Vorteile aus der Gestaltung handelt, unproblematisch möglich ist (vgl. Guidance 2011, Tz. 2.2.6).
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zugsverpflichtung für Dritte, reduziert bzw. zeitlich hinausgeschoben wird oder eine Steuererstattung erlangt wird.789
II. Einzelne Fallgruppen Eine Gestaltung muss zudem zumindest einer von sechs Fallgruppen unterfallen.790 Diese sind den britischen Regelungen sehr vergleichbar. 1. Vertrauliche Gestaltungen (confidentiality schemes) Zum einen sind Gestaltungen anzeigepflichtig, die als vertraulich eingestuft werden. Hierbei gibt es zwei Maßstäbe: Bei Promotoren (promoters) und Steuerpflichtigen gleichermaßen wird die Frage gestellt, ob der betreffende Promotor oder Steuerpflichtige die Gestaltung gerne vor der Steuerverwaltung geheim halten würde (confidentiality from Revenue).791 Dies löst die Anzeigepflicht dann aus, wenn der Wunsch der Geheimhaltung darin begründet ist, dass die Gestaltung fortgesetzt oder wiederholt eingesetzt werden soll. Bei Steuerpflichtigen ist alternativ auch die Motivation schädlich, die (genauere) Prüfung einer Steuererklärung vermeiden zu wollen. Nach der Vorstellung der Finanzverwaltung ist dieses Kriterium nicht hypothetisch, sondern konkret auf den jeweiligen potentiellen Anzeigepflichtigen bezogen zu prüfen.792 Es wird klargestellt, dass eine tatsächlich unterbliebene Anzeige kein Indikator für den Wunsch nach Geheimhaltung vor der Steuerverwaltung sein kann. Abgestellt wird stattdessen auf den allgemeinen Gehalt an Innovation bzw. Aggressivität der Gestaltung, auf über das Übliche hinausgehende Vertraulichkeitsbeschränkungen sowie auf die Kooperationsbereitschaft der Betroffenen bei Nachfragen zu einer Gestaltung. In der Konkretisierung wird dieser Maßstab demnach doch wieder zum Teil durch abstrakte Kriterien ausgefüllt, wenn auch zunächst lediglich der konkrete potentiell Anzeigepflichtige in Bezug genommen wird. Bei Promotoren gibt es einen zusätzlichen Anknüpfungspunkt mit der Frage danach, ob ein – hier hypothetischer – Promotor die Gestaltung von anderen Promotoren geheim halten wollen würde, um eine vorteilhafte Wettbewerbsposition gegenüber den anderen Promotoren aufrecht zu erhalten (confiden________________________ 789 § 817D (1) „tax advantage“ Taxes Consolidation Act sowie Guidance 2011, Tz. 2.2.5. 790 § 817D (1) „disclosable transaction“ (b) (i), „specified description“ sowie (2) Taxes Consolidation Act; in der formalgesetzlichen Grundlage sind zunächst drei Fallgruppen enthalten; die übrigen Fallgruppen sind in der Rechtsverordnung erstmals angelegt. 791 § 817D (2) (c) (i) (II) Taxes Consolidation Act, SI 7/2011, § 7 (2) (a) und Guidance 2011, Tz. 4.3.1.1. 792 Guidance 2011, Tz. 4.3.1.2, 4.3.1.3 und 4.3.2.
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tiality from other promoters).793 Obgleich diese Frage im Grundansatz auf einen hypothetischen Promotor abstellt, wird von der Finanzverwaltung doch die konkrete Vereinbarung von Vertraulichkeitsbeschränkungen vor vollständiger Darstellung der Gestaltung als Indikator gewertet. Bei allgemein bekannten, beispielsweise bereits publizierten Gestaltungen soll von einer derartigen Vertraulichkeit jedoch nicht ausgegangen werden.794 2. Gestaltungen mit besonderer Vergütung für den steuerlichen Vorteil (premium fee schemes) Daneben sind Gestaltungen anzeigepflichtig, bei denen ein (hypothetischer) Promoter eine besondere Vergütung für den mit der Gestaltung vermittelten steuerlichen Vorteil verlangen könnte.795 Eine derartige besondere Vergütung ist dann anzunehmen, wenn die Vergütung zu einem bedeutenden Teil dem Steuervorteil zuzuschreiben ist oder abhängig von der Erlangung des Steuervorteils, d. h. vom gewünschten Erfolg der Gestaltung, ist. In den Richtlinien zur Anwendung der gesetzlichen Regelungen nimmt die irische Steuerverwaltung hiervon sämtliche Beratung, die nach Zeit oder Gegenstandswert bemessen ist, aus.796 Wenn ein Promoter eine derartige Vergütung vereinbart hat, ist der Test erfüllt; der Begriff der Vergütung ist weit und umfasst auch lediglich mittelbar oder über nahestehende Personen erlangte Vorteile. Im Übrigen, d. h. auch in den Fällen, in denen es gar keinen Promotor gibt, wird der Test hypothetisch angewendet. 3. Standardisierte steuerliche Produkte (standardised tax products) Des Weiteren wird die Anzeigepflicht ausgelöst, wenn für eine durch Promotoren vermittelte Gestaltung eine im Wesentlichen standardisierte durch den Promoter bestimmte Dokumentation besteht, wenn es keinen oder kaum Anpassungsbedarf gibt, um Steuerpflichtigen die Umsetzung der Gestaltung zu ermöglichen, und Steuerpflichtige zur Umsetzung der Gestaltung eine bestimmte wiederum standardisierte Transaktion eingehen müssen.797 Eine Standardisierung ist dann anzunehmen, wenn die Gestaltung bzw. Transaktion in derselben Form an mehr als eine Person überlassen werden soll. Als heraus________________________ 793 § 817D (2) (c) (i) (I) Taxes Consolidation Act, SI 7/2011, § 7 (2) (b) und (c) sowie § 8 (2) und Guidance 2011, Tz. 4.3.1.2, 4.3.1.3 und 4.3.2. 794 Guidance 2011, Tz. 4.3.1.1; vgl. Fennell, Irish Tax Review 1/2011, 72, 74, zur durch dieses Kriterium geforderten Marktübersicht der Betroffenen. 795 § 817D (2) (c) (ii) Taxes Consolidation Act, SI 7/2011, § 9 und Guidance 2011, Tz. 4.3.3. 796 Guidance 2011, Tz. 4.3.3. 797 § 817D (2) (c) (iii) Taxes Consolidation Act, SI 7/2011, § 10 und Guidance 2011, Tz. 4.3.4.
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ragendes Beispiel nennt die irische Finanzverwaltung den Erwerb von steuerlich optimierten Finanzprodukten.798 Die irische Finanzverwaltung befürchtet, dass die Fallgruppe der standardisierten steuerlichen Produkte eine Vielzahl von unerwünschten Anzeigen zur Folge haben könnte.799 Vor diesem Hintergrund wurde in die Rechtsverordnung ein Katalog von Gestaltungen aufgenommen, die von der Anzeigepflicht nach dieser Fallgruppe ausgenommen sind.800 Gemeinsam ist diesen Gestaltungen, dass bei ihnen eine gewisse Aufsicht bzw. Mitwirkung der Finanzverwaltung besteht.801 4. Verlustgestaltungen (loss schemes) Die irischen Regelungen zielen daneben auf zwei Typen von Verlustgestaltungen: Zum einen sind dies durch einen Promoter vermittelte Gestaltungen, bei denen der Promoter eine Beteiligung von mindestens zwei natürlichen Personen erwartet und davon auszugehen ist, dass die wesentlichen Auswirkungen der Gestaltung in der Erzielung von steuerlichen Verlusten bestehen, die von den natürlichen Personen zur Minderung ihrer Einkommensteuerpflicht genutzt werden.802 Dies soll etwa dann anzunehmen sein, wenn der erwartete Steuervorteil das wirtschaftliche Risiko eines beteiligten Steuerpflichtigen übersteigt.803 Bei dieser Fallgruppe hat die irische Finanzverwaltung insbesondere typische Verlustgestaltungen für vermögende Privatpersonen im Blick. Hingegen sollen durch tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit erzielte Verluste, etwa Anlaufverluste bei Unternehmungen, nicht erfasst werden.804 Zum anderen sind Gestaltungen unter Beteiligung von Körperschaften erfasst, die ungenutzte Verlustvorträge oder laufende Verluste aufweisen, wenn davon auszugehen ist, dass der wesentliche Vorteil der Gestaltung in der Nutzbar________________________ 798 Guidance 2011, Tz. 4.3.4. 799 Guidance 2011, Tz. 4.3.4.1. 800 SI 7/2011, § 10 (4) i. V. m. Schedule; eine Anzeigepflicht betreffend dieser Gestaltungen kann sich aber nichtsdestotrotz aufgrund der Fallgruppen der vertraulichen Gestaltungen sowie der Gestaltungen mit besonderer Vergütung für den steuerlichen Vorteil ergeben. 801 Guidance 2011, Tz. 4.3.4.1; beispielsweise sind im Schedule zu SI 7/2011, § 10 (4) Optionsvereinbarungen erwähnt, die eine Billigung durch die irische Finanzverwaltung erfahren haben. 802 § 817D (2) (c) (iv) Taxes Consolidation Act, SI 7/2011, § 11 und Guidance 2011, Tz. 4.3.5. 803 Guidance 2011, Tz. 4.3.5. 804 Guidance 2011, Tz. 4.3.5.
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machung dieser Verlustvorträge bzw. Verluste oder deren Übertragung auf eine andere Körperschaft liegt.805 5. Gestaltungen bei nichtselbständiger Tätigkeit (employment schemes) Weiter sind Gestaltungen anzeigepflichtig, die steuerliche Vorteile im Zusammenhang mit Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zeitigen oder erwarten lassen.806 Der Steuervorteil kann sich dabei beim Arbeitnehmer, beim Arbeitgeber oder bei Dritten einstellen. Zur Vermeidung eines allzu überschießenden Anwendungsbereichs sieht die Rechtsverordnung einen Negativkatalog vor.807 Die Ausnahmen basieren wieder großteils auf ohnehin bestehender Aufsicht bzw. Mitwirkung der Finanzverwaltung.808 Vertreter der Rechtspraxis bemängeln jedoch, der Anwendungsbereich dieser Fallgruppe sei nichtsdestotrotz deutlich zu weitgehend und erfasse eine Vielzahl unproblematischer Gestaltungen.809 6. Gestaltungen zur Umqualifizierung von Einkünften (income into capital schemes bzw. income into gift schemes) Schließlich sind Gestaltungen anzeigepflichtig, die eine geringere Steuerlast in einem bestimmten Jahr erwarten lassen und den Erwerb entweder eines Vermögensgegenstandes, der bei Veräußerung der Veräußerungsgewinnbesteuerung unterliegt, oder eine Schenkung zum Gegenstand haben.810 Damit sollen Gestaltungen erfasst werden, die eine Umqualifizierung von ordentlichen Einkünften in Veräußerungsgewinne oder Schenkungen, die jeweils steuerlich begünstigt sind, zum Gegenstand haben. Wegen der überschießen-
________________________ 805 § 817D (2) (c) (iv) Taxes Consolidation Act, SI 7/2011, § 12 und Guidance 2011, Tz. 4.3.6. 806 § 817D (2) (c) (iv) Taxes Consolidation Act, SI 7/2011, § 13 und Guidance 2011, Tz. 4.3.7. 807 SI 7/2011, § 13 (3) i. V. m. Schedule sowie Guidance 2011, Tz. 4.3.7.1; eine Anzeigepflicht betreffend dieser Gestaltungen kann sich aber nichtsdestotrotz aufgrund der Fallgruppen der vertraulichen Gestaltungen sowie der Gestaltungen mit besonderer Vergütung für den steuerlichen Vorteil ergeben. 808 Guidance 2011, Tz. 4.3.7.1; beispielsweise sind im Schedule zu SI 7/2011, § 13 (3) Pensionsvereinbarungen erwähnt, die eine Billigung durch die irische Finanzverwaltung erfahren haben. 809 Fennell, Irish Tax Review 1/2011, 72, 75 f., der auch darauf hinweist, dass eine ähnliche Fallgruppe in Großbritannien 2009 diskutiert, dann aber wegen deren schlechten Handhabbarkeit fallen gelassen wurde. 810 817D (2) (c) (iv) Taxes Consolidation Act, SI 7/2011, §§ 14 bzw. 15 und Guidance 2011, Tz. 4.3.8 bzw. 4.3.9.
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den Wirkung dieser Fallgruppe ist wiederum ein Negativkatalog nicht anzeigepflichtiger Gestaltungen vorgesehen.811
C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflichten I. Pflichten der Promotoren 1. Begriff des Promotors Wie auch im britischen System, an das die irischen Regelungen stark angelehnt sind, sind zuvorderst Promotoren (promoters) anzeigepflichtiger Gestaltungen verpflichtet. Die Promotorenstellung kann sich dabei in vier Konstellationen ergeben: Promotor ist zunächst derjenige, der zur Struktur der Gestaltung beigetragen hat.812 Ausgenommen sind hier jedoch Personen, deren Beitrag zur Gestaltung nicht in steuerlicher Beratung bestand oder deren steuerliche Beratung lediglich zu Teilaspekten ohne aktiven Beitrag zur Gesamtstruktur als solcher erfolgt ist oder deren Kenntnis über die Struktur nicht genügt, um sie in den Stand zu versetzen, die Anzeigepflicht zu beurteilen oder der Anzeigepflicht nachzukommen.813 Daneben kann sich die Promotorenstellung daraus ergeben, dass eine Person, die über diejenigen Informationen verfügt, die für eine Anzeige erforderlich sind, Marketingbemühungen unternimmt.814 Die Marketingbemühungen können dabei in Richtung der Steuerpflichtigen selbst oder in Richtung von Mittelspersonen gehen. Die Anforderung, über diejenigen Informationen zu verfügen, die für eine Anzeige erforderlich sind, bedingt, dass die betroffene Gestaltung bereits im Wesentlichen fertig entwickelt sein muss. Zudem sind Personen als Promotoren anzeigepflichtig, die eine Gestaltung zur Implementierung überlassen.815 Hierfür müssen Informationen in dem Detailgrad überlassen werden, dass ein Verständnis der aus der Gestaltung zu erwartenden steuerlichen Vorteile sowie eine Entscheidung für oder wider deren Umsetzung ermöglicht wird. Diese Untergruppe der Promotorenstellung ist als Auffangtatbestand konzipiert; im Regelfall wird zeitlich vorge________________________ 811 SI 7/2011, § 14 (3) i. V. m. Schedule sowie Guidance 2011, Tz. 4.3.8.1; die Ausnahmen bestehen dabei lediglich für die Umqualifizierung von Einkünften in Veräußerungsgewinne, nicht in Schenkungen. 812 § 817D (1) „promoter“ (a) Taxes Consolidation Act. 813 SI 7/2011, § 30 sowie Guidance 2011, Tz. 3.3. 814 § 817D (1) „promoter“ (b) sowie „marketing contact“ Taxes Consolidation Act sowie Guidance 2011, Tz. 3.4. 815 § 817D (1) „promoter“ (c) Taxes Consolidation Act sowie Guidance 2011, Tz. 3.5.
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lagert bereits die Promotoreneigenschaft wegen Marketingbemühungen begründet sein.816 Schließlich sind auch Personen als Promotor anzeigepflichtig, die eine anzeigepflichtige Gestaltung organisieren oder verwalten.817 Hierbei denkt die irische Steuerverwaltung etwa an Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die potentielle Kunden und Promotoren zusammen bringen und die Dokumentation zur Umsetzung der Gestaltung erstellen.818 Die irische Steuerverwaltung geht davon aus, dass als Promotoren insbesondere Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Banken und Finanzinstitute sowie kleine spezialisierte Promotoren erfasst werden.819 Ausgenommen von der Promotorenstellung sind jeweils Angestellte, deren Arbeitgeber als Promotor oder Steuerpflichtiger anzeigepflichtig ist.820 Dasselbe gilt für Personen bzw. Gesellschaften, die Promotorentätigkeit gegenüber nahestehenden Personen erfüllen.821 2. Anzeigepflicht der Promotoren Promotoren haben ihrer Anzeige auf einem Formblatt der irischen Finanzverwaltung (Form MD1) nachzukommen.822 Darin sind neben der Identifikation des Promoters Angaben zu der Fallgruppe der Anzeigepflicht sowie zur Gestaltung selbst einschließlich der relevanten Rechtsvorschriften und deren Wirkweise zu machen. Zielvorgabe ist, einen Finanzbeamten in die Lage zu versetzen, die angezeigte Gestaltung vollumfänglich nachvollziehen zu können.823 Alle Anzeigen sind an eine gesonderte Stelle in der irischen Finanzverwaltung (Mandatory Disclosure Unit) zu adressieren. ________________________ 816 Guidance 2011, Tz. 3.5; Bedeutung hat diese Anknüpfung nach Aussage der irischen Finanzverwaltung insbesondere bei Sachverhalten kurz nach Einführung des Systems von Anzeigepflichten, bei denen der Marketingkontakt bereits vor Geltung der Regelungen erfolgt ist; Fennell, Irish Tax Review 1/2011, 72, 79, weist darauf hin, dass sie daneben in Situationen relevant werden kann, in denen ein Steuerpflichtiger einen Berater mit der Bitte um eine Idee anspricht. 817 § 817D (1) „promoter“ (d) Taxes Consolidation Act. 818 Guidance 2011, Tz. 3.6. 819 Guidance 2011, Tz. 3.2. 820 SI 7/2011, § 29 sowie Guidance 2011, Tz. 3.7. 821 SI 7/2011, §§ 28 f. sowie Guidance 2011, Tz. 3.7. 822 Formblatt abrufbar unter www.revenue.ie/en/tax/it/forms/md1.pdf; ein Ergänzungsblatt (Form MD3; abrufbar unter www.revenue.ie/en/tax/it/forms/md3.pdf) steht für den Fall bereit, dass der auf dem Formblatt vorgesehene Raum für die Erklärung nicht ausreicht. 823 Vorgaben für den Inhalt der Anzeigen enthält § 817Q (1) (e) Taxes Consolidation Act i. V. m. SI 7/2011, § 16.
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Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder
Die Frist zur Anzeige hängt davon ab, um welche Gestaltung es sich handelt. Bei Gestaltungen, die ohne Bezug zu speziellen Steuerpflichtigen entwickelt wurden (marketed schemes) ist die Anzeige innerhalb von fünf Werktagen nach dem Tag abzugeben, an dem der Promoter die anzeigepflichtigen Informationen kennt und Marketingbemühungen unternimmt.824 Dies setzt praktisch voraus, dass die Gestaltung zu diesem Zeitpunkt bereits fertig entwickelt ist. Als Auffangtatbestand insbesondere für Sachverhalte um die Einführung des Systems von Anzeigepflichten herum ist daneben die Zurverfügungstellung auslösendes Moment für die Frist von fünf Werktagen.825 Bei Gestaltungen, die nicht vermarktet, sondern mit Bezug zu speziellen Steuerpflichtigen entwickelt werden (bespoke schemes), ist die Anzeige innerhalb von fünf Werktagen nach dem Tag abzugeben, an dem der Promoter von der Umsetzung der Gestaltung bei einem Steuerpflichtigen erfährt.826 3. Identifikationspflicht der Promotoren Neben dieser einmaligen abstrakten Anzeige der Gestaltung hat der Promotor auch die Identität der Steuerpflichtigen, denen der Promotor die Gestaltung zur Umsetzung überlassen hat, auf einer gesonderten Liste (Form MD4827) gegenüber der Steuerverwaltung offenzulegen.828 Im Rahmen des Finance Act 2011 wurde die Verpflichtung zur Identifizierung derjenigen Steuerpflichtigen aufgehoben, denen die Gestaltung zwar zur Umsetzung überlassen wurde, bei denen sich der Promotor jedoch vergewissert hat, dass die Gestaltung (noch) nicht umgesetzt ist. Erstmalig ist diese Liste der Finanzverwaltung binnen 30 Werktagen nach der Überlassung der Gestaltung zur Implementierung (bei marketed schemes) bzw. nach Kenntniserlangung von der Umsetzung der Gestaltung beim Steuerpflichtigen (bei bespoke schemes) einzureichen.829 Im Nachgang ist eine Liste jeweils fünf Tage nach Ende eines Quartals in den Fällen einzureichen, in denen der Promotor nach Einreichung der vorhergehenden Liste die Gestaltung weiteren Steuerpflichtigen zur Implementie________________________ 824 § 817D (1) „relevant date“ (a) sowie § 817E Taxes Consolidation Act; SI 7/2011, § 18 und § 21; Guidance 2011, Tz. 5.2. 825 § 817D (1) „relevant date“ (b) sowie § 817E Taxes Consolidation Act; SI 7/2011, § 18 und § 21; Guidance 2011, Tz. 5.2; siehe zu diesem Ansatz bereits oben, Fn. 816. 826 § 817D (1) „relevant date“ (c) sowie § 817E Taxes Consolidation Act; SI 7/2011, § 18 und § 21; Guidance 2011, Tz. 5.2. 827 Formblatt abrufbar unter www.revenue.ie/en/tax/it/forms/md4.pdf; ein Ergänzungsblatt (Form MD3; abrufbar unter www.revenue.ie/en/tax/it/forms/md5.pdf) steht für den Fall bereit, dass der auf dem Formblatt vorgesehene Raum für die Erklärung nicht ausreicht. 828 § 817M Taxes Consolidation Act. 829 SI 7/2011, § 24 (1) (a) und § 26.
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Irland
rung überlässt bzw. von der Umsetzung der Gestaltung bei weiteren Steuerpflichtigen Kenntnis erlangt.830
II. Pflichten der Steuerpflichtigen Die in anderen Rechtssystemen, einschließlich dem britischen System, übliche Verpflichtung der Steuerpflichtigen zum Hinweis auf eine angezeigte Gestaltung mittels Angabe der zugeteilten Registriernummer auf der (Jahres-)Steuererklärung kennt das irische Recht nicht.831 Hingegen ergibt sich eine eigene Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen dann, wenn es keinen Promotor gibt.832 Dies betrifft insbesondere in house entwickelte Gestaltungen. Hier wird die Anzeigepflicht durch die tatsächliche Umsetzung der Gestaltung ausgelöst. Eine Gestaltung im Entwurfsstadium ist hingegen noch nicht anzeigepflichtig. Dem steht die Situation gleich, dass der einzige Promotor im Ausland ansässig ist.833 Die Pflicht zur Anzeige durch den Steuerpflichtigen tritt hier dann neben die Anzeigepflicht des ausländischen Promotors. Eine Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen besteht schließlich auch in Situationen, in denen ihr Rechtsberater gestützt auf das anwaltliche Vertrauensverhältnis eine Anzeige verweigert. Dies hat folgenden Hintergrund: Rechtsberater können infolge des anwaltlichen Vertrauensverhältnisses und den sich daraus ergebenden Verschwiegenheitspflichten nach irischem Recht berechtigt sein, die Anzeige einer Gestaltung zu verweigern.834 In diesem Fall geht die Verpflichtung zur Anzeige aber auf die betroffenen Steuerpflichtigen über.835 Die Rechtsberater müssen in diesem Fall die Steuerpflichtigen über deren subsidiäre Anzeigepflicht aufzuklären; sie müssen zudem innerhalb von fünf Tagen nach Kenntniserlangung von der Umsetzung der Gestaltung die irische Finanzverwaltung über die unterlassene eigene Anzeige informieren.836 Die Steuerpflichtigen haben die Möglichkeit, die subsidiäre Anzeigepflicht ________________________ 830 SI 7/2011, § 24 (1) (b) sowie (2) bis (4). 831 Für interne Zwecke werden aber Referenznummern (mandatory disclosure reference number) geführt, welche die Steuerverwaltung auf den Formblättern der Anzeigen einträgt. 832 § 817G Taxes Consolidation Act. 833 § 817F Taxes Consolidation Act. 834 Dies anerkennt § 817J Taxes Consolidation Act; beruht die Anzeigepflicht jedoch nicht auf Rechtsberatung, sondern auf der Vermarktung einer Gestaltung, so scheidet die Berufung auf das anwaltliche Vertrauensverhältnis aus (vgl. Guidance 2011, Tz. 3.8). 835 § 817H (1) Taxes Consolidation Act. 836 § 817H (2) und (3) Taxes Consolidation Act; SI 7/2011, § 23; Guidance 2011, Tz. 6.3.1.
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Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder
durch Entbindung des Rechtsberaters von der Verschwiegenheit zu vermeiden.837 Die Anzeige durch die Steuerpflichtigen hat in Sachverhalten, in denen es keinen Promotor gibt (in house entwickelte Gestaltungen), innerhalb von 30 Werktagen nach der Umsetzung der Gestaltung zu erfolgen.838 In Sachverhalten, in denen es einen Promotor gibt, dieser aber außerhalb von Irland ansässig ist oder eine Anzeige gestützt auf das anwaltliche Vertrauensverhältnis verweigert, beträgt die Frist 5 Werktage nach Umsetzung der Gestaltung.839 Für die Anzeige durch die Steuerpflichtigen ist ein Formblatt vorgesehen (Form MD2840), das im Wesentlichen die gleichen Angaben abfragt wie bei der Anzeige der Promotoren. Zusätzlich ist die Identität etwaiger beteiligter Promotoren offenzulegen.
D. Folgen bei Missachtung der Regelungen Bei der Sanktionierung von Verstößen gegen das System von Anzeigepflichten unterscheiden die irischen Regelungen zwischen schwereren und leichteren Verstößen.841 Die Bußgelder werden dabei nicht von der Finanzverwaltung, sondern den ordentlichen Gerichten festgesetzt.842 Ein schwerer Verstoß wird angenommen, wenn gegen die Anzeigepflicht selbst verstoßen wird.843 Insofern gibt es keine Unterscheidung zwischen der Anzeigepflicht von Promotoren und Steuerpflichtigen. Das Bußgeld beträgt in diesen Fällen zunächst bis zu 500 € für jeden Tag des Verstoßes gegen die Anzeigepflicht. Der nach Tagen des Verstoßes bemessene Bußgeldrahmen soll der bei einem festen Bußgeld erwarteten Tendenz einzelner Anzeigeverpflichteter begegnen, die Anzeige möglichst lange hinauszuzögern, um eine Gestaltung möglichst lange wirtschaftlich nutzen zu können.844 Bei der Bestimmung des konkreten Bußgelds innerhalb dieses Rahmens sind bei Promotoren insbesondere die erlangten und erwarteten Vergütungen im Zusammenhang mit der Gestaltung zu berücksichtigen; bei Steuerpflichtigen sind die erlangten und erwarteten steuerlichen Vorteile einzustellen.845 Nach Festsetzung des Bußgelds weiterbestehende Verstöße werden mit einem Fixbetragsbußgeld von täglich 500 € geahndet. ________________________
837 838 839 840 841 842 843 844 845
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Guidance 2011, Tz. 3.8. § 817G Taxes Consolidation Act i. V. m. SI 7/2011, § 20. § 817F sowie 817H (1) Taxes Consolidation Act i. V. m. SI 7/2011, § 19. Formblatt abrufbar unter www.revenue.ie/en/tax/it/forms/md2.pdf. § 817O (1) Taxes Consolidation Act; Guidance 2011, Tz. 9. § 817O (3) i. V. m. § 1077B Taxes Consolidation Act. § 817O (1) (b) Taxes Consolidation Act. Guidance 2011, Tz. 9.3. § 817O (6) Taxes Consolidation Act; Guidance 2011, Tz. 9.4.
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Als leichtere Verstöße gelten etwa die Missachtung der Pflicht zur Identifizierung der beteiligten Steuerpflichtigen durch den Promotor oder der Pflicht des sich auf das anwaltliche Vertrauensverhältnis berufenden Promotors, seinen Mandanten und die Finanzverwaltung über seine demzufolge unterlassene Anzeige zu informieren.846 Derartige Verstöße werden zunächst mit einem Bußgeld von bis zu 4.000 € geahndet. Nach Festsetzung des Bußgelds weiterbestehende Verstöße werden mit täglich 100 € belegt.
E. Erzwingung der Anzeige und Aufklärung der Anzeigepflicht Bei Uneinigkeit über die Frage, ob eine Anzeigepflicht besteht oder dieser nachgekommen wurde, kann die irische Steuerverwaltung die Appeal Commissioners um eine Entscheidung anrufen.847 Erhält die Steuerverwaltung Recht, so ist der angeordneten Handlung innerhalb von fünf Werktagen nachzukommen.848 Die Appeal Commissioners haben dann auch Mittel zur Erzwingung der Anzeigepflicht. Daneben kann die irische Steuerverwaltung bei begründetem Verdacht, dass eine Person als Promotor oder Steuerpflichtiger an einer anzeigepflichtigen Gestaltung beteiligt ist, die betroffene Person zur Stellungnahme dazu auffordern, ob die Anzeigepflicht aus ihrer Sicht besteht (pre-disclosure enquiry).849 Für die Stellungnahme ist eine Frist von mindestens 21 Tagen zu setzen.850 Die angesprochene Person muss dann detailliert darlegen, warum eine Anzeigepflicht aus ihrer Sicht nicht besteht; allein der Hinweis auf die Stellungnahme eines Beraters zur nicht bestehenden Anzeigepflicht genügt nicht. Ebenso kann von einer Person, die in den Vertrieb einer Gestaltung eingeschaltet, aber selbst nicht Promoter ist,851 gefordert werden, binnen einer Frist von mindestens 21 Tagen diejenigen Personen zu identifizieren, von denen die betreffende Person Informationen zu der Gestaltung erhalten hat.852 ________________________ 846 847 848 849
§ 817O (1) (b) Taxes Consolidation Act; Guidance 2011, Tz. 9.2. § 817P Taxes Consolidation Act; Guidance 2011, Tz. 6.3.3 und 8.5. SI 7/2011, § 25 und § 26. § 817I (1) Taxes Consolidation Act; durch die Anforderung, dass ein begründeter Verdacht vorliegen muss, sollen bloße „phishing exercises“ der Finanzverwaltung vermieden werden (vgl. Guidance 2011, Tz. 8.2). 850 § 817I (5) Taxes Consolidation Act. 851 Dies ist deshalb möglich, weil die irischen Regelungen die Promotorenstellung davon abhängig machen, dass der betreffenden Person hinreichende Informationen über die Gestaltung vorliegen, um der Anzeigepflicht nachzukommen (siehe oben S. 142). 852 § 817L i. V. m. § 817D (1) „marketer“ Taxes Consolidation Act; Guidance 2011, Tz. 8.4.
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Hat eine anzeigepflichtige Person ihre Anzeige bereits abgegeben, kann die irische Steuerverwaltung die Mitteilung ergänzender Informationen bzw. die Vorlage ergänzender Unterlagen fordern, sofern diese Informationen oder Unterlagen zum vollen Verständnis der angezeigten Gestaltung erforderlich sind.853 Hierfür ist wieder eine Frist von mindestens 21 Tagen zu setzen.
________________________ 853 § 817K (2) Taxes Consolidation Act; Guidance 2011, Tz. 8.3; selbstverständlich können Informationen auch dann angefordert werden, wenn sie bereits von der ursprünglichen Darlegungspflicht erfasst waren, der noch nicht vollständig nachgekommen wurde (vgl. § 817K (1) Taxes Consolidation Act).
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Frankreich
Kapitel 8: Frankreich A. Einführung In Frankreich sind Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen bislang nicht Gesetz. Es wurde allerdings von Seiten der Finanzverwaltung bereits zweimal ein entsprechender Vorschlag unterbreitet, zunächst im Spätsommer/Herbst 2005, dann nochmals im Spätsommer/Herbst 2006.854 Ausdrücklich wurden dabei die Erfahrungen der USA sowie Großbritanniens in Bezug genommen.855 Bei beiden Entwürfen stand der Gedanke der Abschreckung im Mittelpunkt.856 Beide Vorschläge wurden nach vehementer Kritik der Öffentlichkeit zurückgezogen.857
B. Entwurf 2005 I. Sachlicher Anwendungsbereich Die Anzeigepflicht knüpft im französischen Entwurf von 2005 an die Definition eines Steuergestaltungsmodells (schéma d’optimisation fiscale) an. Diese Definition ist zweistufig zu prüfen.858 Die Gestaltung muss zunächst verschiedene rechtliche, steuerliche, buchhalterische oder finanztechnische Prozesse oder Instrumente in sich vereinen. Mit diesem Tatbestandsmerkmal sollen ausweislich der Entwurfsbegründung sehr einfache, auf nur ein Element zurückzuführende oder schlicht eine bestehende gesetzliche Möglichkeit ausschöpfende Gestaltungen aus dem Anwendungsbereich ausgegrenzt werden.
________________________ 854 Es handelte sich hierbei allerdings nicht um formelle Gesetzesentwürfe, sondern sogenannte Vorentwürfe (avant-projets); diese Vorentwürfe wurden nicht offiziell bekannt gemacht; sie sind auch im Internet nicht abrufbar; unter anderem von den französischen Unternehmensverbänden wurden die Entwürfe aber zirkuliert. 855 Vgl. etwa die Begründung des Entwurfs von 2006; hierzu auch Reeb-Blanluet, 44 Tax Notes International (2006), 163. 856 Vgl. in der Begründung des Entwurfs von 2006 sogar ausdrücklich: „Fondée sur une logique de dissuasion et d’amélioration réciproque de la transparence“; ähnlich auch bereits die Kritik am Entwurf von 2005 (vgl. La Tribune v. 7.10.2005, „La répression de l’optimisation fiscale“). 857 Zu der Kritik etwa La Tribune, a. a. O., Fn. 856. 858 „Toute combinaison de procédés et instruments juridiques, fiscaux, comptables ou financiers ayant notamment pour objet ou conséquence d’éviter, de minorer, de reporter l’exigibilité ou le paiement ou d’obtenir le remboursement d’impôts, taxes ou contributions.“ (vgl. Abs. 5 des Entwurfs 2005).
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Zudem muss die Erlangung eines steuerlichen Vorteils859 wesentliches Ziel860 oder wesentliche tatsächliche Folge der Gestaltung sein. Eine weitere Beschränkung, etwa im Sinne einzelner Fallgruppen, enthält dieser erste französische Entwurf nicht. Damit ist der Anwendungsbereich denkbar weit gefasst, umfasste er doch letztlich alle steuerlich motivierten Gestaltungen, die eine gewisse Komplexität aufweisen.
II. Persönlicher Anwendungsbereich sowie der Inhalt der Anzeigepflichten Anzeigepflichtig sind nach dem Entwurf von 2005 zunächst Entwickler und Vermarkter von Gestaltungen (promoteurs861; im Weiteren „Promotoren“). Die Entwurfsbegründung führt beispielhaft Anwälte, Notare, Wirtschafsprüfer sowie Versicherungs- und Bankgesellschaften auf. Es ist denkbar, dass es für eine Gestaltung mehrere Promotoren gibt; Regelungen zur Vermeidung einer doppelten Anzeigepflicht fehlen jedoch.862 Der Anzeigepflicht ist in jedem Fall, also auch durch diejenigen Promotoren, deren Beitrag nicht in der Vermarktung, sondern in der Entwicklung liegt, innerhalb von 30 Tagen nach der Vermarktung (commercialisation) nachzukommen.863 Auch Steuergestaltungen, die nicht von einem Promotor überlassen, sondern vielmehr von Steuerpflichtigen selbst entwickelt werden (auto-montage),864 sind nach dem Entwurf anzeigepflichtig, allerdings nur unter der Vorausset-
________________________ 859 Dieser liegt bei Vermeidung, Verringerung oder Verzögerung einer Steuerbelastung bzw. einer konkreten Zahlungsverpflichtung des Steuerpflichtigen sowie bei Erlangung eines Zahlungsanspruchs gegen die Steuerbehörden vor. 860 Darauf, ob der steuerliche Vorteil auch tatsächlich erzielt wird, sollte es gemäß der Entwurfsbegründung dann nicht mehr ankommen. 861 Den Begriff promoteur verwendet der Entwurf lediglich in der Begründung; der Gesetzeswortlaut selbst umschreibt diesen Begriff mit „toute personne élaborant, développant, ou commercialisant un schéma d’optitimisation fiscale“ (vgl. Abs. 1 S. 1 des Entwurfs 2005). 862 Die Entwurfsbegründung erläutert vielmehr die Konsequenzen bei Anzeigen durch mehrere Promotoren. 863 Zu der sich aus einer solchen Situation ergebenden Problematik im portugiesischen System siehe oben, S. 131; im französischen Entwurf ist die Problematik aber durch eine weitgehende subsidiäre Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen entschärft (hierzu unten, Fn. 867). 864 Die Entwurfsbegründung geht davon aus, dass rechtstechnisch auch diese Steuerpflichtigen die Eigenschaft eines promoteur haben können: „personne qui cumule les qualités de promoteur et d’utilisateur“.
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Frankreich
zung, dass die Gestaltung auf einen Steuervorteil über 100.000 € abzielt.865 Hier läuft dann die 30-Tage-Frist ab der ersten Nutzung der Gestaltung. Der Entwurf sieht daneben eine weitgehende subsidiäre Anzeigepflicht derjenigen Steuerpflichtigen vor, die die Gestaltung von einem Promotor erworben haben. Die Steuerpflichtigen sind demnach immer dann anzeigepflichtig, wenn der Promotor der Anzeigepflicht nicht nachkommt.866 Die Entwurfsbegründung verweist darauf, dass dies insbesondere bei im Ausland ansässigen Promotoren vorkommen könne; auf diese Situation ist diese Vorschrift, anders als etwa in Großbritannien, aber nicht beschränkt.867 In jedem Fall soll dem Anzeigenden innerhalb von 30 Tagen auf die Anzeige eine Registriernummer (numéro de référence) zugeteilt werden.868 Bei einer mehrfachen Anzeige derselben Gestaltung werden unterschiedliche Registriernummern zugewiesen. Die Promotoren müssen die Registriernummer an die betroffenen Steuerpflichtigen weiterleiten; diese wiederum haben die Nummer in ihren Steuererklärungen anzugeben.869
III. Verpflichtung der Finanzverwaltung zur Reaktion Anders als die übrigen untersuchten Systeme geht der französische Entwurf 2005 von einer Verpflichtung der Finanzverwaltung zur Reaktion auf die Anzeigen aus. Eine solche Verpflichtung ist zwar nicht ausdrücklich festgelegt, ergibt sich aber mittelbar aus einer Modifikation des Strafzuschlagsystems ________________________ 865 Vgl. Abs. 1 S. 2 des Entwurfs 2005; ausweislich der Entwurfsbegründung hatte diese Grenze den Zweck, den üblichen Geschäftsbetrieb auszugrenzen; es ist aber nicht ersichtlich, wieso die Grenze zwischen üblichem Geschäftsbetrieb und Steuerplanungsgestaltungen nach dem Kriterium der Höhe des Steuervorteils entschieden werden könnte; dies gilt zumal nach dem französischen Entwurf der Steuervorteil ohne Bezugspunkt in der Struktur der Steuergestaltung ist (zu dieser Problematik ausführlicher unten, S. 203 ff.). 866 Nachdem die Anzeigepflicht für Steuerpflichtige 30 Tage ab der Umsetzung greift, wohingegen die Promotoren bereits innerhalb von 30 Tagen ab der erstmaligen Vermarktung der Gestaltung berichten müssen, wäre es in vielen Fällen wohl zumindest theoretisch möglich gewesen, die Anzeige oder Nichtanzeige durch den Promotor abzuklären (insofern ist die Regelung im Vergleich zu Großbritannien entschärft, siehe oben, Fn. 558); nachdem kein Mechanismus zum Nachweis der Anzeige durch den Promotor vorgesehen war, bestand allerdings das Risiko, dass in Zweifelsfällen zur eigenen Absicherung auch die Steuerpflichtigen der Anzeige nachkommen mussten. 867 Hierdurch wird vielmehr etwa auch die Lücke geschlossen, die sich zunächst dadurch ergibt, dass die subsidiäre Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen grundsätzlich nur greift, wenn es keinen Promotor gibt, andererseits aber ein an der Entwicklung einer Gestaltung beteiligter Promotor nicht anzeigepflichtig ist, wenn es nicht zu einer Vermarktungssituation kommt (hierzu oben, Fn. 863). 868 Vgl. Abs. 3 des Entwurfs 2005. 869 Vgl. Abs. 4 S. 1 des Entwurfs 2005.
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Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder
(majoration de droit). Strafzuschläge auf einen Steuerfehlbetrag werden grundsätzlich dann erhoben, wenn der Steuerpflichtige bei seiner Erklärung bösgläubig war, Steuerbetrug vorliegt, oder der Steuerfehlbetrag aus der Anwendung der allgemeinen Missbrauchsnorm870 folgt.871 Nach dem Entwurf 2005 soll die Erhebung eines solchen Strafzuschlags aber dann ausgeschlossen sein, wenn die Finanzverwaltung nicht innerhalb von 6 Monaten nach Anzeige der Gestaltung die Absicht erklärt, die gewünschten steuerlichen Wirkungen der Gestaltung nicht anerkennen zu wollen.872 Das Recht der Finanzverwaltung, die Steuer selbst abweichend von der Steuererklärung festzusetzen, soll hingegen unabhängig von dieser Absichtsäußerung unverändert fortbestehen. Vertrauensschutz besteht also lediglich im Hinblick auf die Strafzuschläge, nicht aber die Steuerfestsetzung selbst.
IV. Folgen bei Missachtung der Regelungen Bei Missachtung der Pflicht zur Anzeige durch Promotoren oder Steuerpflichtige sieht der Entwurf 2005 Bußgelder vor.873 Für die Fälle der verspätet abgegebenen Anzeige sollen diese 10.000 € betragen. Für die Fälle, in denen der verspäteten Anzeige eine Erinnerung durch die Finanzverwaltung vorausgeht oder in denen die Anzeige gänzlich unterbleibt, ist ein Bußgeld in Höhe von 25.000 € bestimmt. Wenn weder der Promotor noch der – dann subsidiär anzeigepflichtige – Steuerpflichtige der Anzeige nachkommt, fällt das Bußgeld bei beiden Personengruppen an. Den Hinweis auf die Registriernummer in den Einzelsteuererklärungen sichert der Entwurf nicht mit Sanktionen ab. Allerdings können sich bei unterbliebener Reaktion der Finanzverwaltung auf eine Anzeige hin nur diejenigen ________________________ 870 Art. L. 64 Code de Procédure Fiscale; siehe zu dieser Norm und – wie auch bei § 42 AO anzutreffen – der Gemengelage zwischen objektiven und subjektiven Elementen bei der Rechtsanwendung, Leclerq, Bulletin for International Taxation 2007, 235; Revault/Vautrin/Bricet, 32 Tax Planning International Review (7/2005), 15; Gouthière, European Taxation 2006, 514, 519 ff.; Fouquet, Revue de Droit Fiscal 2006 N° 47, 1999; Fouquet/Vulpillières/u. a., Revue de Droit Fiscal 2007 N° 47, 18; Chesnais, Tax Planning International European Tax Service 02/2009, 22. 871 Im ersten Fall beträgt der Strafzuschlag 40 Prozent des Steuerfehlbetrags, in den beiden letzten Fällen gar 80 Prozent; vgl. Art. 1729 Code Général des Impôts; hierzu ausführlicher Hamdan/Hamdan, IStR 2007, 390, 395 ff.; zu 2008 erlassenen Erleichterungen vgl. Chesnais, Tax Planning International European Tax Service 02/2009, 22, 23. 872 Abs. 4 S. 2 des Entwurfs 2005; diese Absicht ist gegenüber den Anzeigenden zu erklären, auch wenn die Vertrauensschutzwirkung bei unterlassener Absichtserklärung gegenüber den einzelnen Steuerpflichtigen greift; erfasst sind allerdings nur diejenigen Steuerpflichtigen, die wiederum die Registriernummer der Gestaltung in ihrer Steuererklärung angegeben haben. 873 Vgl. Abs. 6 des Entwurfs 2005.
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Steuerpflichtigen auf Vertrauensschutzerwägungen im Strafzuschlagsystem berufen, die auf die erfolgte Anzeige in ihrer Steuererklärung mittels Angabe der Registriernummer hingewiesen haben.874 Damit enthalten die Regelungen zwar keine Sanktion, aber doch einen positiven Anreiz zur Befolgung auch der Hinweispflicht.
C. Entwurf 2006 I. Sachlicher Anwendungsbereich Während der französische Entwurf von 2005 lediglich eine zentrale Definition der anzeigepflichtigen Gestaltung kennt, verfällt der Entwurf von 2006 in das andere Extrem: Er sieht drei Fallgruppen mit jeweils mehreren Einzelkriterien vor, die für die Begründung der Anzeigepflicht in wechselnden Kombinationen kumulativ vorliegen müssen.875 Insgesamt sind danach 32 verschiedene die Anzeigepflicht auslösende Kombinationen denkbar. 1. Kriterien der ersten Fallgruppe In der ersten Fallgruppe müssen zwei der folgenden Kriterien erfüllt sein, um die Anzeigepflicht für die betroffene Gestaltung (opération ou ensemble d’opérations) auszulösen: a) Wirtschaftliche oder finanzielle Risiken werden durch Hedging oder auf andere Art neutralisiert. b) Eine juristische Person ist beteiligt, die entweder in einer Steueroase876 oder in einem Land ansässig ist, mit dem Frankreich kein eine Amtshilfeklausel beinhaltendes Doppelbesteuerungsabkommen unterhält. c) Bei einer grenzüberschreitenden Gestaltung führen zivilrechtliche, bilanzielle oder steuerliche Qualifikationskonflikte im Ergebnis zu einer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung in den beteiligten Ländern. d) Die Gestaltung wird in für ihre Art außergewöhnlich kurzer Zeit durchgeführt. ________________________ 874 Zu dieser Beschränkung oben, Fn. 872. 875 Art. 1649 quater BA Abs. 1 Code Général des Impôts-E; die Erforderlichkeit, mindestens zwei Kriterien aus einem größeren Katalog zu erfüllen, findet ein Vorbild in den Regelungen der USA von 2000 (siehe hierzu oben, S. 9). 876 Eine Steueroase (régime fiscale privilégié) liegt dort vor, wo die betroffenen Steuerpflichtigen nicht ertragsteuerpflichtig sind oder einer Ertragsteuer unterliegen, die weniger als die Hälfte der in Frankreich bei Ansässigkeit anfallenden Steuer ausmacht (vgl. Art. 238 A Abs. 2 Code Général des Impôts).
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Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder
2. Kriterien der zweiten Fallgruppe Für die Anzeigepflicht nach der zweiten Fallgruppe muss ein Kriterium der ersten Fallgruppe und zusätzlich eines der folgenden Kriterien eines steuerlichen Vorteils erfüllt sein: a) Die Gestaltung hat zur Folge, dass die steuerliche Berücksichtigung von Aufwand oder Veräußerungsverlusten vorverlagert bzw. die steuerliche Berücksichtigung von Einnahmen oder Veräußerungsgewinnen hinausgeschoben wird. b) Die Gestaltung ermöglicht die steuerliche Geltendmachung von Verlust(vorträg)en zu einem früheren Zeitpunkt. c) Die Gestaltung hat zur Folge, dass ein Verlust bei einer anderen Person als derjenigen, bei der er entstanden ist, steuerlich berücksichtigt werden kann. d) Die Gestaltung hat zur Folge, dass der beteiligte Steuerpflichtige oder ein Dritter eine abkommensrechtliche Steueranrechnung in Anspruch nehmen können. 3. Kriterien der dritten Fallgruppe Anzeigepflicht besteht schließlich auch, wenn mindestens zwei der folgenden Kriterien kumulativ vorliegen: a) Die Gestaltung hat den Erwerb oder die Veräußerung von Anteilen an Gesellschaften zum Gegenstand, deren Aktivvermögen zu mehr als 80 Prozent aus liquiden Mitteln oder Wertpapieren besteht. b) Der Promotor einer Gestaltung kontrolliert die Durchführung der Gestaltung mithilfe von Gesellschaften, die er unmittelbar oder mittelbar beherrscht. c) Bei einer mehrstufigen Gestaltung mit Wertpapieren oder anderen Vermögensgegenständen befindet sich deren Inhaber am Ende wieder in der Position, in der er sich ausgangs befand. d) Die Gestaltung wird von mehreren Personen mit Interessenübereinstimmung umgesetzt und zeitigt ihre wesentlichen steuerlichen Folgen gerade bei diesen Personen. e) Die Gestaltung wird in für ihre Art außergewöhnlich kurzer Zeit durchgeführt.
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II. Persönlicher Anwendungsbereich Die Anzeigepflicht nach dem Entwurf von 2006 trifft lediglich die Steuerpflichtigen selbst.877 Innerhalb der Gruppe der Steuerpflichtigen wird eine weitere Beschränkung auf Körperschaften sowie sonstige Steuerpflichtige, die gewerbliche, freiberufliche oder landwirtschaftliche Einkünfte erzielen, vorgenommen.878 Keine Beschränkung besteht jedoch im Hinblick auf die Ansässigkeit: Ausdrücklich sind vielmehr unbeschränkt wie beschränkt Steuerpflichtige erfasst.879 Im Gegensatz zum Entwurf von 2005 enthält die Fassung von 2006 auch Vorgaben zum Inhalt der Anzeigepflicht.880 Neben den Angaben zum Steuerpflichtigen selbst ist danach auch die Identität anderer an der Gestaltung Beteiligter zu offenbaren. Die Gestaltung ist in ihrer zivilrechtlichen Struktur (einschließlich Angabe der Vertragsdetails und der jeweiligen Beträge) sowie in ihren steuerlichen Auswirkungen zu beschreiben. Es ist zudem darzulegen, aus welchen Kriterien sich die Anzeigepflicht ergibt. Die Anzeige hat auf einem gesonderten Formular zu erfolgen und zwar zusammen mit der Jahressteuererklärung des Veranlagungszeitraums, in dem die Kriterien, aus denen sich die Anzeigepflicht ergibt, zuerst erfüllt sind.881
III. Folgen bei Missachtung der Regelungen Der Entwurf von 2006 knüpft an die Regelungen des vorherigen Entwurfs zur Sanktionierung der Missachtung der Anzeigepflicht an. Damit ist wiederum ein Bußgeld von 10.000 bzw. 25.000 € vorgesehen.882 Zusätzlich bestimmt der Entwurf, dass in Frankreich börsennotierte Unternehmen das Bußgeld in ihrem Jahresabschluss ausweisen müssen.883
________________________ 877 Art. 1649 quater BA Abs. 2 Code Général des Impôts-E. 878 Rechtstechnisch erfolgt diese Beschränkung nicht bei der Bestimmung der Anzeigepflichtigen, sondern bei der Festlegung des sachlichen Anwendungsbereichs. 879 Art. XXX Nr. 1 Abs. 2 des Entwurfs von 2006 i. V. m. Art. 4 A sowie Art. 209 Abs. 1 Code Général des Impôts. 880 Art. Y des Entwurfs von 2006. 881 Besteht eine Steuererklärungspflicht nicht, so ist die Anzeige bis zum 31.12. des Jahres, in dem die Kriterien zuerst erfüllt sind, einzureichen. 882 Art. 1740 duodecies Abs. 3 UA. 1 Code Général des Impôts-E. 883 Art. 1740 duodecies Abs. 3 UA. 2 Code Général des Impôts-E.
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Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder
Kapitel 9: Deutschland A. Einführung In Deutschland sind Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen nicht Gesetz.884 Allerdings gab es auch in Deutschland in den letzten Jahren Überlegungen zur Einführung ähnlicher Anzeigepflichten.885 So wurden Ende 2006 bei der Behandlung des Jahressteuergesetzes 2007 die Erfahrungen anderer Länder mit derartigen Systemen erstmals parlamentarisch diskutiert.886 Eine schon zuvor innerhalb der Finanzverwaltung einberufene Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu diesem Thema, die sich zunächst aber ausschließlich mit grenzüberschreitenden Steuergestaltungsmodellen beschäftigt hatte, wurde vom Finanzausschuss des Deutschen Bundestags damit beauftragt, auch inländische Steuergestaltungen mit in die Überlegung einzubeziehen.887 Am 25.6.2007 hat das Bundesfinanzministerium einen Gesetzesentwurf zur Einführung von Anzeigepflichten mit Wirkung zum 1.1.2008888 vorgelegt
________________________ 884 Siehe zu bestehenden Anzeigepflichten im deutschen Steuerrecht aber etwa §§ 137 ff. AO. 885 Vor diesen Überlegungen hatten die Bundesländer auf Vorschlag Hessens eine „Task Force zur Sicherung des Steueraufkommens“ eingerichtet, welche mögliche Steuersparmodelle aufspüren und untersuchen sollte (vgl. hierzu den damaligen hessischen Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) im Interview mit der Börsen-Zeitung v. 19.5.2006, Nr. 96, S. 6; ebenso N24 Online, v. 14.4.2005, „Länder wollen Task Force gegen Steuerbetrug“). 886 Vgl. den Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags v. 9.11.2006, BTDrs. 16/3368, 12; am selben Tag hierzu auch das Finanzausschussmitglied Olav Gutting, MdB (CDU) in der Plenarsitzung des Deutschen Bundestags (siehe BT-Plenarprotokoll 16/63 v. 9.11.2006, 6228); zuvor und parallel hierzu wurde von verschiedener Seite ein Genehmigungsmodell anstelle eines Anzeigemodells diskutiert (siehe etwa den damaligen hessischen Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) im Interview mit der Börsen-Zeitung v. 19.5.2006, Nr. 96, S. 6; ebenso Christine Scheel, MdB (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), in der Plenarsitzung des Deutschen Bundestags v. 28.9.2006 (vgl. BT-Plenarprotokoll 16/54, 5324); siehe auch den Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags v. 9.11.2006, BT-Drs. 16/3368, S. 11 f.; zum Genehmigungsmodell ausführlicher unten, ab S. 337). 887 Vgl. den Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags v. 9.11.2006, BTDrs. 16/3368, 12. 888 Dabei sollte es auf den Zeitpunkt der Vermarktung der Gestaltung ankommen, nicht aber den Zeitpunkt der Umsetzung der Gestaltung bei den Steuerpflichtigen (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 3, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 68).
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(§ 138a AO-E).889 Anders als in den meisten anderen untersuchten Anzeigepflichtsystemen waren im deutschen Entwurf detaillierte Regelungen zum sachlichen und persönlichen Umfang sowie zum Inhalt der Anzeigepflicht bereits direkt im Gesetz enthalten, nicht also untergesetzlichen Ausführungsvorschriften vorbehalten.890 § 138a AO-E wurde im Weiteren im Zusammenhang mit dem Entwurf des Jahressteuergesetzes 2008 diskutiert.891 Teilweise wurde er dabei als Alternativlösung zur ursprünglich geplanten Verschärfung von § 42 AO gehandelt.892 Formal wurde er allerdings nie in das Jahressteuergesetz 2008 aufgenommen.893 Der Vorschlag der Einführung von Anzeigepflichten ist auf umgehende und breite Ablehnung in der Öffentlichkeit gestoßen.894 Endgültig hat sich die Große Koalition bei den abschließenden Beratungen zum Jahressteuergesetz 2008 am 8.11.2007 gegen eine Aufnahme von § 138a AO in dieses Ge-
________________________ 889 Der Gesetzesentwurf wurde lediglich einer beschränkten Öffentlichkeit vorgelegt; im Internet zu finden ist er nunmehr aber etwa unter www.gmbhr.de/heft/15_07/ StGestAnzPflG_RefEntw.pdf sowie http://rsw.beck.de/rsw/upload/FDMA/StGestAnz PflG_RefEntw.pdf (im Folgenden „Entwurf v. 25.6.2007“). 890 § 138a Abs. 9 AO-E sah aber vor, dass durch Rechtsverordnung des Bundesfinanzministeriums weitere Details der Durchführung des Verfahrens, der Form und des Inhalts der Anzeige bestimmt werden könnten; in der ursprünglichen Fassung vom 25.6.2007 war zusätzlich noch die Möglichkeit vorgesehen, Bestimmungen über die Vermeidung unbilliger Härten im Zusammenhang mit der Anzeigepflicht zu treffen; in der Fassung vom 11.9.2007 war dieser Passus entfallen. 891 Die Anzeigepflichten waren Gegenstand der Debatte während der 1. Lesung des Jahressteuergesetzes 2008 im Bundestag (vgl. BT-Plenarprotokoll 16/115 v. 20.9.2007, 11907 ff.). 892 Siehe etwa Afhüppe, „Industrieverbände kritisieren Pläne zum Kampf gegen Steuermissbrauch“, Handelsblatt v. 9.10.2007, 4. 893 Bereits der erste Entwurf zum Jahressteuergesetz 2008 enthielt keine entsprechende Passage (vgl. BR-Drs. 544/07 v. 10.8.2007 sowie BT-Drs. 16/6290 v. 4.9.2007); lediglich in einer Beschlussempfehlung des BR-Finanzausschusses vom 11.9.2007 wurde § 138a AO-E, mit einzelnen Modifikationen, förmlich im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2008 behandelt (vgl. BR-Drs. 544/1/07 v. 11.9.2007, 64 ff.; im Folgenden „Entwurf v. 11.9.2007“); das Plenum des Bundesrats hat den Vorschlag in seine endgültige Stellungnahme aber nicht mit übernommen (vgl. BR-Drs. 544/07(B) v. 21.9.2007). 894 Siehe etwa Schön, „Grauzonen und Drohgebärden“, Handelsblatt v. 27.7.2007, 8; Flämig, DStR 2007, Beihefter zu Heft 44, 2 ff.; Kessler/Eicke, BB 2007, 2370; Lichtinghagen/Verpoorten, StuB 2007, 734, 738 f.; Wassermeyer, Verfahrensrechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs; Schenke, Verfassungs- und europarechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs; Stellungnahme des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. v. 28.8.2007 (abrufbar unter www.dstv.de/presseservice/?inhalt= pm2007-02-082.pdf).
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setz entschieden.895 Erneute Ansätze zur Einführung von Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen in Deutschland wurden seitdem nicht unternommen.
B. Sachlicher Anwendungsbereich Die Prüfung der Anzeigepflicht einer Steuergestaltung erfolgt nach dem deutschen Entwurf zweistufig: Zunächst muss die Steuergestaltung einer von sieben Fallgruppen grenzüberschreitender Gestaltungen unterfallen. Diese Fallgruppen knüpfen sämtlich an Aspekte der rechtlichen Behandlung der Gestaltung im In- und Ausland an. Sie beziehen sich auf das Risiko der doppelten steuerlichen Berücksichtigung von Aufwand bzw. der doppelten steuerlichen Nichtberücksichtigung von Ertrag in den betroffenen Ländern. Im Einzelnen lauten die Fallgruppen:896 1. Ein Wirtschaftsgut wird in der deutschen und einer anderen Steuerrechtsordnung897 berücksichtigt, wird also doppelt zugerechnet.898
________________________ 895 Interessanterweise ist dies nicht der erste gescheiterte Versuch, der Abgabenordnung einen § 138a anzufügen: Der Entwurf eines Gesetzes zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe, BT-Drs. 14/4658 v. 16.11.2000, hatte in § 138a AO-E die „Anzeige einer Erwerbstätigkeit in besonderen Fällen“ vorgesehen; bei der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes wurde § 138a AO-E aber nicht mit verabschiedet (vgl. Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe v. 30.8.2001, BStBl. I 2001, 2267). 896 Vgl. § 138a Abs. 2 Nr. 1 bis 7 AO-E. 897 Die Kritik daran, der an mehreren Stellen im deutschen Entwurf verwendete Begriff „Steuerrechtsordnung“ sei viel zu weit, weil er alle ausländischen Steuerarten und auch verfahrensrechtliche Vorschriften erfasse (so Wassermeyer, Verfahrensrechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, B. III. und VIII., sowie Scholz, Rechtsgutachterliche Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen (§ 138a AO), II. 2. a)), erscheint nicht gerechtfertig; denn aus dem systematischen Zusammenhang und dem ersichtlichen Sinn und Zweck der Regelungen ergibt sich, dass allein die Einstufung nach ausländischem materiellem Ertragsteuerrecht von Beachtung sein soll. 898 Kritisch hierzu sowie zu den folgenden Nrn. 2 und 7 unter dem Aspekt, dass es nach deutschem Steuerrecht keine gesetzlichen Vorgaben zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern sowie zur Ermittlung von Betriebsstättengewinnen gibt, Kessler/Eicke, BB 2007, 2370, 2378, sowie Wassermeyer, Verfahrensrechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, B. II., mit Verweis auf den unter anderem zwischen Wassermeyer, IStR 2005, 84–88 und Hruschka/Lüdemann, IStR 2005, 76–84 ausgetragenen Meinungsstreit.
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2. Die gleichen Einkünfte899 werden mehreren Steuerpflichtigen zugeordnet,900 oder die gleichen Einkünfte eines Steuerpflichtigen werden mehreren Betriebsstätten zugeordnet.901 3. Die Steuersubjekteigenschaft einer Körperschaft oder Personenvereinigung wird in der deutschen und einer anderen Steuerrechtsordnung unterschiedlich beurteilt.902 4. Eine Körperschaft oder Personenvereinigung wird in der deutschen und einer anderen Steuerrechtsordnung als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt. 5. Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung werden durch die Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt und angewandt. 6. Zahlungen werden in der deutschen und einer anderen Steuerrechtsordnung unterschiedlich eingeordnet.903 7. Dieselben Aufwendungen oder Steuerabzüge können in der deutschen und einer anderen Steuerrechtsordnung berücksichtigt werden. Ist zumindest einer dieser Aspekte bei einer Gestaltung gegeben, so muss im zweiten Schritt geprüft werden, ob dieser Aspekt auch tatsächlich dazu führt, dass deutsche Ertragsteuern, einschließlich der im Abzugsweg erhobenen ________________________ 899 Kritisch in sprachlicher Hinsicht zu der Verwendung des Wortes „Einkünfte“ anstelle von „Einkunftsteilen“ etwa Wassermeyer, Verfahrensrechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, B. IV., mit Hinweis auf § 2 Abs. 1 und 2 EStG, wonach „Einkünfte“ eines Steuerpflichtigen die Gesamtheit des Einnahmenüberschusses bzw. des Gewinns eines Steuerpflichtigen aus einer Einkunftsart, nicht aber einzelne Einkunftsbestandteile bezeichnet. 900 Dies ist insbesondere bei verbundenen Unternehmen denkbar (vgl. hierzu Entwurf v. 25.6.2007, 8, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 77). 901 Bei dieser Fallgruppe erfolgt keine ausdrückliche Anknüpfung an grenzüberschreitende Sachverhalte; derartige Situation sind aber nahezu ausschließlich im grenzüberschreitenden Kontext bei unterschiedlicher Beurteilung durch mehrere Steuerrechtsordnungen denkbar. 902 Die Entwurfsbegründung nennt hier insbesondere die US-amerikanischen check-thebox-Regelungen als Anwendungsfall (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 8, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 77; zu einschlägigen double dip-Gestaltungen im deutsch-amerikanischen Verhältnis siehe etwa Kollruss, IStR 2004, 735; zu ähnlichen Optionsrechten unter anderem in Frankreich, Spanien und Portugal, siehe Kessler/Eicke, BB 2007, 2370, 2373). 903 Hierbei ist etwa an hybride Finanzierungsformen zu denken (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 8 f., sowie Entwurf v. 11.9.2007, 77); zu Gestaltungen mit hybriden Finanzierungen ausführlich Bogenschütz, Ubg 2008, 533; hierzu auch rechtsvergleichend die 2012 veröffentlichte Studie der OECD, „Hybrid Mismatch Arrangements“ (siehe oben, Fn. 1).
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Steuern, vermieden oder in spätere Besteuerungszeiträume verschoben werden; gleichgestellt ist die Begründung von Steuererstattungs- bzw. Steueranrechnungsansprüchen.904 Damit ist letztlich ein kausal bedingter „steuerlicher Vorteil“ bezeichnet.905 Die Anzeigepflicht beschränkt sich demnach insgesamt auf grenzüberschreitende Arbitragegestaltungen, die Unterschiede zwischen verschiedenen Steuerrechtsordnungen ausnutzen.906 Diese – der ursprünglichen Ausrichtung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf grenzüberschreitende Steuergestaltungen, nicht aber dem weitergehenden Prüfauftrag des Finanzausschusses entsprechende907 – Beschränkung wurde in dem Entwurf damit begründet, dass einerseits internationale Gestaltungen vor dem Hintergrund einer „sich ständig mehr globalisierenden und liberalisierenden Weltwirtschaft“ dramatisch anstiegen und andererseits für rein nationale Gestaltungen wegen der Einführung spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen wie § 15b EStG sowie der zu erwartenden Einführung der Abgeltungssteuer kein Handlungsbedarf bestehe.908
________________________ 904 Vgl. § 138a Abs. 2 a. E. AO-E.; unerheblich ist es dabei, ob unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht besteht (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 8 und Entwurf v. 11.9.2007, 76); zudem ist unerheblich, ob die Steuerersparnis auch in der ausländischen Rechtsordnung anfällt (vgl. die Ergänzung im Entwurf v. 11.9.2007, 76). 905 Die Zweistufigkeit der Prüfung wird von der Kritik nicht ausreichend beachtet, wonach der Anwendungsbereich der Regelungen insofern zu weit geraten sei, als bei den Fallgruppen, das heißt auf der ersten Stufe, nicht danach differenziert wird, ob die doppelte Berücksichtigung etc. zugunsten oder zuungunsten des Steuerpflichtigen ausfällt (so aber etwa Wassermeyer, Verfahrensrechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, B. IV. und VII.). 906 Siehe zu internationaler Steuerarbitrage allgemein, Kofler, DStJG 33 (2010), 213, 232 ff.; zu den negativen Auswirkungen derartiger Arbitragegestaltungen auf das Steuersystem, siehe Entwurf v. 25.6.2007, 8, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 76; innerhalb der grenzüberschreitenden Gestaltungen sind die Anzeigepflichten aber weit; Kessler/Eicke, BB 2007, 2370, 2372 f., gehen gar davon aus, dass letztlich nahezu jede internationale Steuergestaltung erfasst ist und lediglich über den persönlichen Anwendungsbereich Einschränkungen der Anzeigepflicht erfolgen; ähnlich auch Flämig, Beihefter zu DStR 2007, Heft 44, 2, 11. 907 Siehe oben, S. 156; eine mögliche spätere Ausdehnung auch auf nationale Gestaltungen war hierdurch aber bereits angelegt (zu dieser Perspektive auch Schön, Statutory Avoidance and Disclosure Rules in Germany, 55). 908 Deutscher Entwurf v. 25.6.2007, 4 und 6.
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C. Persönlicher Anwendungsbereich sowie Inhalt der Anzeigepflicht I. Anzeigepflichten für Vermarkter 1. Begriff des Vermarkters a) Grundlagen Nach dem deutschen Entwurf anzeigepflichtig sind sogenannte Vermarkter, nicht aber die Steuerpflichtigen selbst.909 Gemäß der Legaldefinition ist „Vermarkter“ eine Person, die eine anzeigepflichtige Steuergestaltung „unter Darstellung oder Beschreibung der damit verbundenen Steuervorteile im Rahmen einer Geschäftsbeziehung anbietet oder empfiehlt“.910 In der Begründung des Gesetzesentwurfs werden die steuerberatenden Berufe, Rechtsanwälte, Banken und Investmentgesellschaften als – ausdrücklich nicht abschließende – Beispiele möglicher Vermarkter angeführt.911 Dabei soll es unerheblich sein, ob die Beratung im Rahmen eines externen Beratungsverhältnisses oder in einem Arbeitsverhältnis erfolgt.912 Beratungsempfehlungen in Fachzeitschriften oder Vorträgen führen hingegen nicht zur Vermarkterstellung.913 Ausgenommen von der Anzeigepflicht sind Vermarkter, die nachweisen können, dass ihr durch Vermarktung und durch damit in Zusammenhang stehender Beratung erzielter Umsatz 250.000 € im Jahr nicht übersteigt.914 Nach der Entwurfsbegründung sollen lediglich große Vermarkter erfasst sein, weil bei ihnen von einem hohen Steuerausfallrisiko auszugehen sei.915 ________________________ 909 Damit soll, ausländischem Beispiel folgend, die „Angebotsseite“ des Markts für Steuergestaltungen angegangen werden (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 4 f., sowie Entwurf v. 11.9.2007, 70). 910 § 138a Abs. 3 S. 1 AO-E; die Entwurfsbegründung schließt eine rein mündliche Kommunikation aus (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 9, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 78); im Entwurfstext selbst findet sich diese Einschränkung jedoch nicht. 911 Entwurf v. 25.6.2007, 9, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 78. 912 Ausdrücklich nennt die Entwurfsbegründung die Geschäftsbeziehung zum Arbeitgeber neben der Geschäftsbeziehung zum Kunden (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 9, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 78); kritisch jedoch dazu, ob unter den gesetzlichen Wortlaut „Geschäftsbeziehung“ auch das arbeitsvertragliche Verhältnis gefasst werden kann, Schenke, Verfassungs- und europarechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, Teil 1, A. I. 2. 913 Entwurf v. 25.6.2007, 9, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 78. 914 § 138a Abs. 5 S. 1 AO-E; bei beginnender Vermarktungstätigkeit ist auf den sich voraussichtlich im laufenden Wirtschaftsjahr ergebenden Umsatz abzustellen; ansonsten ist der im vorangegangenen Wirtschaftsjahr erzielte Umsatz entscheidend; bedient sich der Vermarkter eines Dritten, so ist auch für die Anzeigepflicht des Dritten allein auf den Umsatz des Vermarkters abzustellen (vgl. § 138a Abs. 5 S. 2 AO-E). 915 Vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 9, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 78; zur Sinnhaftigkeit dieser Beschränkung, siehe unten, S. 215 f.
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Eine Beschränkung der Anzahl möglicher Vermarkter einer Gestaltung fehlt.916 Vielmehr ist sogar explizit vorgesehen, dass dann, wenn sich der Vermarkter bei der Vermarktung eines Dritten bedient, beide als Vermarkter zu behandeln sind.917 b) Problembereiche aa) Tätigkeitszurechnung Keine eindeutige Aussage findet sich im Entwurf zur Tätigkeitszurechnung an andere.918 Etwa ist nicht ersichtlich, ob bei einer Rechtsanwaltskanzlei der einzelne handelnde Rechtsanwalt oder die Kanzlei oder gar beide Vermarkter sind. Diese Frage ist insbesondere für die Anwendung des Mindestumsatzkriteriums von Bedeutung. Im Entwurfstext und seiner Begründung finden sich hierzu widersprüchliche Aussagen. So stellt die Entwurfsbegründung bei der beispielhaften Nennung möglicher Vermarkter zum einen auf die Personen selbst ab („Angehörige der steuerberatenden Berufe, Rechtsanwälte“), zum anderen aber auch auf organisatorische Einheiten („Banken, Investmentgesellschaften“). Dafür, dass etwa bei Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzleien gerade nicht auf den einzelnen Berufsträger, sondern auf die Gesellschaft abzustellen ist, spricht das Kriterium der Geschäftsbeziehung zum Steuerpflichtigen. Eine solche Geschäftsbeziehung kommt bei Kanzleien nämlich regelmäßig mit der Kanzlei selbst, nicht aber mit dem einzelnen Berufsträger zustande. Fraglich ist allerdings wiederum, ob sich aus der Regelung in § 138a Abs. 3 S. 2 AO-E Abweichendes ergibt. Danach sollen dann, wenn sich ein Vermarkter eines „Dritten“ bedient, beide anzeigepflichtig sein. Dies könnte so verstanden werden, dass auch der einzelne Berufsträger neben seinem Arbeitgeber anzeigepflichtig ist, sofern in Bezug auf ihn nur die Mindestumsatzschwelle erreicht ist.919 bb) In Absprache mit Steuerpflichtigen entwickelte Gestaltungen (bespoke schemes) Auch wenn sich die Beschreibung des persönlichen Anwendungsbereichs ähnlich liest wie in manchen der oben dargestellten ausländischen Anzeigepflichtsysteme und auch offenbare Anleihen aus diesen Systemen bestehen, so ist ________________________ 916 Zu der Frage, ob sich durch die Fokussierung des die Anzeigepflicht auslösenden Ereignisses allein auf das erstmalige Anbieten oder Empfehlen der Gestaltung eine Beschränkung in persönlicher Hinsicht ergibt, siehe unten, S. 166. 917 § 138a Abs. 3 S. 2 AO-E. 918 Siehe rechtsvergleichend zu dieser Problematik unten, S. 217 f. 919 Jedenfalls Wassermeyer, Verfahrensrechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, C. I., geht davon aus, dass nach dem deutschen Entwurf grundsätzlich auch Arbeitnehmer als „Dritte“ erfasst hätten werden können.
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der Anwendungsbereich der deutschen Regelungen doch in mehrerlei Hinsicht beschränkt. Dies gilt zunächst für in Absprache mit einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einer Gruppe von Steuerpflichtigen entwickelte, also die in Großbritannien als bespoke schemes bezeichneten Gestaltungen. Die deutschen Regelungen knüpfen weder an die Entwicklung einer Gestaltung noch an die Beratung dazu an, sondern lediglich an das „Anbieten“ oder „Empfehlen“ einer solchen. Es ist damit fraglich, ob auch bespoke schemes anzeigepflichtig wären. Es ist eher anzunehmen, dass der Wortlaut („Anbieten“, „Empfehlen“, „Vermarkter“) eine Beschränkung auf bereits vor dem Kontakt mit dem Steuerpflichtigen im Wesentlichen entwickelte Gestaltungen bedingt. Ob diese Abweichung von den anderen Anzeigepflichtsystemen Ergebnis einer bewussten Entscheidung oder lediglich unsorgfältiger Übernahme der ausländischen Vorbilder war, ist nicht ersichtlich.920 cc) In house entwickelte Gestaltungen Fraglich ist zudem die Behandlung von in house-Gestaltungen. Wie erwähnt, sollte ausweislich der Gesetzesbegründung die Vermarktung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses der Vermarktung gegenüber Dritten gleichgestellt sein. Damit versuchte der deutsche Entwurf offenbar, auch in house-Gestaltungen in den Anwendungsbereich der Regelungen zu bringen. Dies ist aber kaum geglückt: Es wird zum einen nicht häufig vorkommen, dass in house-Gestaltungen etwa von einem Vertreter der Steuerabteilung fertig entwickelt werden und erst dann in diesem Endzustand den Geschäftsabteilungen überlassen werden. Vielmehr ist doch anzunehmen, dass hier regelmäßig von einer Beratung bei der Entwicklung im Gegensatz zu einer reinen Vermarktung nach der Entwicklung auszugehen ist. Diese ist aber, wie soeben erörtert, jedenfalls vom Wortlaut der Regelungen nicht erfasst. Zudem ist fraglich, wie das Umsatzkriterium (250.000 € im Jahr) bei interner Beratung zur Anwendung gebracht werden soll.921 Im Ergebnis würden die meisten in house ent________________________ 920 Zu dieser Problematik auch in den Anzeigepflichtsystemen Portugals und Frankreichs siehe oben, S. 131 und S. 150, sowie unten, S. 190. 921 Schenke, Verfassungs- und europarechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, Teil 1, A. I. 2., hält das Kriterium generell bei in house-Gestaltungen für nicht anwendbar; meines Erachtens könnte der Begriff „Umsatz“ in derartigen Konstellationen grundsätzlich etwa an unternehmensinternen Kostenstellen ausgerichtet werden; fraglich wäre dann aber wiederum der genaue Bezugspunkt des Mindestumsatzerfordernisses, konkret ob etwa auf die organisatorische Einheit „Steuerabteilung“ oder auf den einzelnen Tätigen abzustellen ist (zur Problematik der Tätigkeitszurechnung, oben, S. 162); ist auf die jeweiligen Tätigen abzustellen, so wird die Schwelle von 250.000 € nur selten erreicht werden; ein Abstellen auf einzelne Unternehmenseinheiten wiederum ist selbst dann problematisch, wenn man den Entwurf so versteht, dass grundsätzlich auch Gesellschaften Vermarkter sein können; denn bei Unternehmenseinheiten wie der Steuerabteilung handelt es sich gerade nicht um ein Gebilde mit zumindest
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wickelten Gestaltungen wohl nicht von der Anzeigepflicht erfasst.922 Insbesondere mit Blick auf Steuerarbitrage in großem Stil betreibende Investmentbanken wäre eine solche Beschränkung allerdings nicht zweckmäßig.923 dd) Ausländische Vermarkter Eine Unterscheidung nach der Ansässigkeit des Vermarkters findet sich in den deutschen Regelungen nicht.924 In der Literatur wird dennoch weitgehend davon ausgegangen, dass die Anzeigepflicht faktisch auf inländische Vermarkter beschränkt sei.925 Hoheitliche Befugnisse könnten im Ausland nicht ausgeübt werden; zudem erhalte der Fiskus schon keine Kenntnis von den entsprechenden Sachverhalten. Im Lichte der Funktionsweise von Anzeigepflichtsystemen ist jedoch davon auszugehen, dass jedenfalls im EU-Ausland ansässige Vermarkter nicht nur rechtlich, sondern ebenso wie deutsche Vermarkter auch tatsächlich erfasst worden wären. Zwar ist es nicht möglich, die Einhaltung der Anzeigepflicht bei im Ausland Ansässigen unmittelbar zu erzwingen. Das völkerrechtliche Prinzip der formellen Territorialität lässt hoheitliche Handlungen im Ausland nicht zu.926 Allerdings ist eine vollstreckungsrechtliche Erzwingung der Anzeige ohnehin auch im Inlandsfall nicht vorgesehen.927 Nicht vollstreckungsrechtliche Erzwingung, sondern bußgeldrechtliche Sanktionierung ex post ist daher das zentrale Mittel zur Durchsetzung der An________________________
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teilweise eigener Rechtspersönlichkeit, sondern um eine bloße unselbständige Untergliederung; es findet sich kein Hinweis im Entwurf darauf, dass auch diesen die Vermarktereigenschaft zukommen kann. Im Ergebnis ebenso Ehlermann/Nakhai, 47 Tax Notes International (2007), 316, 318. Hierzu unten, S. 212. Der Entwurfstext enthält keine dahingehende Beschränkung (vgl. § 138a Abs. 3 AO-E); dies wird auch in der Entwurfsbegründung ausdrücklich bestätigt (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 6 und 9, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 78). Vgl. Wassermeyer, Verfahrensrechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, B. I. und D.; Schenke, Verfassungs- und europarechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, Teil 1, A. I. 3. b); Flämig, Beihefter zu DStR 2007, Heft 44, 2, 9; Kessler/Eicke, BB 2007, 2370, 2373 f.; sowie Brandt, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 3, 7; ähnliche Bedenken zum portugiesischen Recht hegen Ortigão Ramos/da Silva, World Tax 2009, 432, 434. Hierzu Seer, in: Tipke/Kruse, § 90 AO, Tz. 18 sowie § 117 AO, Tz. 2. Diese wäre auch nicht sinnvoll in Anbetracht der Tatsache, dass die Informationen über eine Gestaltung, die für die Beurteilung der Pflicht zur Anzeige vonnöten sind, häufig bereits die wesentlichen anzeigepflichtigen Informationen enthalten, dass sich also mit der Kenntnis der Anzeigepflicht einer Gestaltung seitens des Fiskus die Bedeutung der Anzeige selbst schon zu einem guten Teil erledigt hat (siehe hierzu auch unten, S. 229).
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zeigepflichten.928 Die Vollstreckbarkeit von Bußgeldern929 im EU-Ausland ist allerdings durch die EG-Beitreibungsrichtlinie gesichert.930 Damit ist die Durchsetzung der Anzeigepflichten im EU-Auslandsfall ebenso wie im Inlandsfall gewährleistet.931 Auch bei der Informationsgewinnung sind die zwischen inländischen und ausländischen Vermarktern bestehenden Unterschiede nicht so wesentlichen wie häufig behauptet. Denn auch bei inländischen Vermarktern wird die Anzeigepflichtigkeit einer Gestaltung bzw. der Verstoß gegen die Anzeigepflicht durch einen Vermarkter regelmäßig nicht durch Nachforschungen bei dem betreffenden Vermarkter zutage treten. Insbesondere ergibt sich aus den Steuererklärungen der Vermarkter nicht, ob sich ihre Tätigkeit auf anzeigepflichtige Gestaltungen bezieht.932 Auch von einer Außenprüfung beim Vermarkter, die grundsätzlich allein die Ermittlung seiner steuerlichen Verhältnisse zum Gegenstand hat (vgl. § 194 Abs. 1 S. 1 AO), ist regelmäßig keine Auskunft über die Anzeigepflicht zu erwarten. Vielmehr wird der Fiskus Kenntnis über einen Verstoß gegen die Anzeigepflicht meist nur über die Untersuchung der Steuererklärungen der an den Gestaltungen beteiligten Steuerpflichtigen sowie weitere Nachforschungen bei diesen, etwa über die beteiligten Externen, erlangen. Hierfür ist es aber unerheblich, ob der Vermarkter im In- oder Ausland ansässig ist. 2. Inhalt der Anzeigepflicht a) Registrierungspflicht Die Anzeigepflicht wird durch das erstmalige Angebot einer anzeigepflichtigen Gestaltung oder die erstmalige Empfehlung einer solchen Gestaltung aus________________________ 928 Zu der nur beschränkten Bedeutung der Erzwingung von Anzeigepflichtigen ausführlicher unten, S. 229. 929 Nach Art. 2 lit. i der Beitreibungsrichtlinie werden Geldbußen für Zwecke der Beitreibung im Ausland ebenso wie Steuerforderungen behandelt. 930 Richtlinie 2008/55/EG v. 26.5.2008 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen, ABl. EU Nr. L 150 S. 28; im Zuge der Neukodifikation der Beitreibungsrichtlinie wurde die zuvor häufig geänderte Richtlinie 76/306/EWG v. 15.3.1976 aufgehoben; in Deutschland ist die Richtlinie mittels Gesetz v. 10.8.1979, in der Fassung der Bekanntmachung v. 3.5.2003, BGBl. 2003 I, 654 (EG-Beitreibungsgesetz) umgesetzt. 931 Vgl. für die Vollstreckung von Steuerforderungen FG München, v. 4.4.2008, 11 V 1815/07, Tz. 10; BFH v. 10.10.2002, VII S 28/01, BFH/NV 2003, 12, Tz. 27; zur Gleichstellung von Geldbußen, siehe oben Fn. 929. 932 Ohnedies wird auch ein ausländischer Vermarkter nicht selten wegen Verwertung seiner Tätigkeit im Inland oder ggf. auch wegen Vertriebs der Gestaltung über eine inländische feste Einrichtung bzw. Betriebsstätte beschränkt steuerpflichtig sein (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG).
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Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder
gelöst.933 Eine Definition von „Angebot“ bzw. „Empfehlung“ findet sich nicht. Allerdings ist in der Entwurfsbegründung klargestellt, dass diese Handlungen nur gegenüber dem Steuerpflichtigen erfolgen können.934 Vertriebshandlungen gegenüber (zwischengeschalteten weiteren) Vermarktern genügen nach den deutschen Regelungen mithin nicht.935 Eine mehrfache Anzeige durch denselben Vermarkter, etwa bei Vermarktung an mehrere Steuerpflichtige, ist infolge der Fixierung auf die erstmalige Vermarktertätigkeit ausgeschlossen. Unklar ist, ob darüber hinausgehend nach dieser Regelung bei mehreren Vermarktern nur derjenige, der zuerst Vermarktertätigkeit ausübt, anzeigepflichtig sein soll;936 richtigerweise ist dies nicht anzunehmen.937 Die Anzeige hat bis zum zehnten Tag nach Ablauf des Kalendermonats des erstmaligen Angebots bzw. der erstmaligen Empfehlung zu erfolgen.938 Sie hat die vollständige Beschreibung und die Angabe des Ziels der Gestaltung zu beinhalten; zudem müssen der erzielbare Steuervorteil beziffert sowie die einschlägigen Rechtsvorschriften angegeben werden.939 Die Anzeige hat gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern zu erfolgen. Die Informationen sind
________________________ 933 § 138a Abs. 4 AO-E. 934 Vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 9, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 78, jeweils zu Absatz 4; die daneben stehende Aussage, auf die Steuerpflicht desjenigen, dem die Steuergestaltung angeboten oder empfohlen wird, komme es nicht an, da sich die Gestaltung im Rahmen der Steuerpflicht z. B. einer nahestehende Person auswirken könne (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 9, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 78, jeweils zu Absatz 3), widerspricht dem nicht; denn auch damit sind nicht etwa Handlungen gegenüber anderen Vermarktern in Bezug genommen. 935 Damit weichen die deutschen Regelungen etwa vom US-Recht ab (hierzu oben, S. 31). 936 Eine Konstellation, in der dieselbe Gestaltung durch mehrere Externe vermarktet wird, ist praktisch durchaus denkbar, sei es etwa, weil die Gestaltung durch mehrere Externe zusammen entwickelt wurde, oder weil die Struktur nach der Entwicklung anderen Externen – gegen Entgelt oder unentgeltlich, etwa im Rahmen einer Fachpublikation – mitgeteilt wurde. 937 Zwar könnte § 138a Abs. 4 AO-E isoliert betrachtet in diese Richtung interpretiert werden; der systematische Zusammenhang mit § 138a Abs. 3 AO-E, wonach in persönlicher Hinsicht mehrere Vermarkter anzeigepflichtig sein können, spricht allerdings dafür, dass § 138a Abs. 4 AO-E tatsächlich nur den (jeweiligen) Zeitpunkt der Anzeigepflicht definiert, nicht aber die Anzeigepflicht in persönlicher Hinsicht beschränkt; eine Beschränkung auf nur einen Anzeigepflichtigen wäre auch sinnwidrig insofern, als die Anzeige sich nicht in der einmaligen Mitteilung der Gestaltung erschöpft, sondern auch die Verpflichtung zu laufender Mitteilung über Vermarktungsfälle umfasst (hierzu unten, S. 168), von denen der zuerst handelnde Vermarkter womöglich keinerlei Kenntnis hat. 938 § 138a Abs. 6 S. 1 AO-E. 939 § 138a Abs. 6 S. 2 AO-E.
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Deutschland
auf elektronischem Wege nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung940 zu übermitteln.941 Nach dem Entwurf weist das Bundeszentralamt jeder gemeldeten Steuergestaltung eine Registriernummer zu und teilt diese dem anzeigenden Vermarkter mit. Dieser wiederum hat den Steuerpflichtigen, gegenüber denen ein Angebot oder eine Empfehlung erfolgt, die Registriernummer weiterzuleiten und sie auf die Verpflichtung zur Angabe dieser Nummer gegenüber der zuständigen Finanzbehörde hinzuweisen.942 Zudem hat der Anzeigepflichtige die Registriernummer anderen Vermarktern mitzuteilen.943 Bei erstmaliger Zuteilung der Nummer hat der Vermarkter hierfür einen Monat nach Bekanntgabe der Zuteilung; bei weiteren Angeboten oder Empfehlungen bereits registrierter Gestaltungen, deren Registriernummern dem Vermarkter bereits bekannt sind, hat der Hinweis zeitgleich mit dem Angebot oder der Empfehlung zu erfolgen.944 Es war vorgesehen, dass das Bundeszentralamt für Steuern nach Prüfung und Auswertung der gemeldeten Steuergestaltungen das Prüfergebnis in geeigneten Fällen dem Bundesfinanzministerium mitteilt; dieses sollte die Länder dann zeitnah über entsprechende Gestaltungen unterrichten und mit diesen erörtern, ob und gegebenenfalls welcher Handlungsbedarf besteht.945 Daneben sollte den örtlichen Finanzbehörden durch das Registriernummernsystem ermöglicht werden, Informationen über die konkrete Steuergestaltung beim Bundeszentralamt für Steuern einzuholen.946
________________________ 940 StDÜV, Verordnung v. 28.1.2003, BGBl. I 2003, 139, maßgeblich basierend auf § 150 Abs. 6 S. 3 Nr. 3 AO. 941 Vgl. § 138a Abs. 6 S. 1 AO-E; die ursprüngliche Fassung v. 25.6.2007 war im Hinblick auf eine konventionelle oder elektronische Übermittlung missverständlich, indem sie eine Übermittlung „auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck und nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung“ vorsah. 942 § 138a Abs. 7 S. 1 und 2 AO-E. 943 § 138a Abs. 7 S. 2 AO-E; diese Mitteilungspflicht erscheint insofern sinnvoll, als sie die Zuordnung der Anzeige durch weitere Vermarkter zu der bereits geprüften Anzeige des ersten Vermarkters ermöglicht (dazu, dass es wohl dennoch zu mehreren Anzeigen kommen muss, oben, Fn. 937); problematisch ist zwar, dass der Kreis der weiteren Vermarkter, denen die Registriernummer mitzuteilen ist, in keiner Weise – etwa durch Kenntnis des ersten Vermarkters von deren Existenz – beschränkt ist; mangels Sanktionierung dieser Verpflichtung (hierzu unten, Fn. 953) hat diese fehlende Beschränkung aber eine geringere Dramatik als auf den ersten Blick anzunehmen wäre. 944 § 138a Abs. 7 S. 2 und 3 AO-E. 945 Entwurf v. 25.6.2007, 5, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 70 f. 946 Entwurf v. 25.6.2007, 5, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 71; zur weiteren Bedeutung des Registriernummernsystems auch in rechtspolitischer Hinsicht, siehe unten, S. 222.
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Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder
b) Laufende Anzeigepflicht In den ersten zwei Jahren nach erstmaligem Angebot bzw. erstmaliger Empfehlung der anzeigepflichtigen Gestaltung treffen den Vermarkter nach dem Entwurf auch laufende Anzeigepflichten: In diesem Zeitraum haben monatliche Meldungen bis zum 10. Tag des jeweiligen Folgemonats über die Anzahl der Personen, die die Steuergestaltung erworben haben (Vermarktungsfälle) zu erfolgen.947 Adressat ist wiederum das Bundeszentralamt für Steuern. Diese monatliche Anzeigepflicht endet grundsätzlich nach Ablauf des ZweiJahres-Zeitraums. Allerdings kann das Bundeszentralamt Vermarkter auch danach noch zu weiteren Mitteilungen über die Vermarktungsfälle verpflichten.948 Auf Anforderung durch das Bundeszentralamt für Steuern haben Vermarkter innerhalb einer Frist von einem Monat sämtliche für das Verständnis der Gestaltung sachdienlichen Unterlagen und Dokumente vorzulegen.949 Auch bei diesen Unterlagen wird aber nicht verlangt, persönliche Verhältnisse der Steuerpflichtigen zu offenbaren.950
II. Hinweispflichten der Steuerpflichtigen Die Steuerpflichtigen, die eine anzeigepflichtige Gestaltung nutzen, haben die Registriernummer in ihrer Steuererklärung anzugeben.951 Dies gilt allerdings nur für die Erklärung des Kalenderjahrs, in dem mit der Umsetzung der Gestaltung begonnen wurde, anders als in den meisten anderen Ländern also nicht für jeden Veranlagungszeitraum, in dem steuerliche Vorteile aus der Gestaltung gezogen werden.952 ________________________ 947 948 949 950
§ 138a Abs. 6 S. 3 AO-E. § 138a Abs. 6 S. 4 AO-E. § 138a Abs. 6 S. 5 AO-E. Auch Auskunftsverweigerungsrechte nach § 102 AO sollen unberührt bleiben (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 10, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 79); kritisch hierzu mit dem Einwand, ein vollständiges Bild einer Gestaltung lasse sich zumeist nur gewinnen, wenn damit in Verbindung stehende persönliche Verhältnisse offen gelegt werden, Schenke, Verfassungs- und europarechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, Teil 1, C. III. 1. 951 Ebenso besteht eine Hinweispflicht in Erklärungen zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, in Anträgen auf Entlastung von Steuerabzügen sowie Anträgen im Vorauszahlungsverfahren (vgl. § 138a Abs. 8 S. 1 AO-E). 952 Anderes gilt lediglich bei Anträgen auf Steuerentlastung oder im Vorauszahlungsverfahren; hier ist die Registriernummer in dem Antrag anzugeben, der auf die Verwirklichung des Steuervorteils gerichtet ist, auch wenn dieser sich auf einen Zeitraum nach dem Veranlagungszeitraum, in dem mit der Umsetzung begonnen wurde, bezieht (vgl. § 138a Abs. 8 S. 2 und 3 AO-E).
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D. Folgen bei Missachtung der Regelungen Die Missachtung der Anzeigepflichten ist nach dem Entwurf als Ordnungswidrigkeit erfasst. Dabei sind auf Seiten der Vermarkter die Pflicht zur erstmaligen Anzeige, die laufende Anzeigepflicht, die Pflicht zur Mitteilung von Vermarktungsfällen auf Aufforderung nach Ablauf des Zwei-Jahres-Zeitraums sowie die Pflicht zur Mitteilung der Registriernummer an die Steuerpflichtigen953 sanktionsrechtlich abgesichert.954 Während bei den erstgenannten drei Pflichten die nicht vollständige oder nicht rechtzeitige Befolgung der vollständigen Nichtbefolgung gleichgestellt ist, schadet bei der Pflicht zur Mitteilung der Registriernummer dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut nach lediglich die vollständige Nichtbefolgung.955 Ursprünglich war auch die unterlassene Angabe der Registriernummer durch den Steuerpflichtigen in seinen Erklärungen gegenüber dem Finanzamt erfasst.956 In der Fassung v. 11.9.2007 war dieser Passus hingegen gestrichen, so dass danach lediglich Vermarkter ordnungswidrig handeln konnten. Die betreffenden Ordnungswidrigkeitentatbestände können nur vorsätzlich begangen werden (vgl. § 10 OWiG i. V. m. § 377 Abs. 2 AO). Der ursprüngliche Entwurf v. 25.6.2007 hatte für die erstmalige Anzeige sowie die laufende Anzeigepflicht daneben auch eine fahrlässige Missachtung mit entsprechender Sanktion belegt. Die überarbeitete Fassung v. 11.9.2007 sah diese Ergänzung hingegen nicht mehr vor. Die Missachtung der Anzeigepflichten kann nach dem Entwurf mit Geldbuße in Höhe von bis zu 5 Millionen € geahndet werden.957 Bei verspäteter Anzeige beträgt die Geldbuße bis zu 500 € für jeden vollen Tag der Fristüberschrei-
________________________ 953 Die Verpflichtung zur Mitteilung der Registriernummer an weitere Vermarkter ist hingegen von vornherein nicht mit Bußgeld bewehrt. 954 § 379a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AO-E; die Missachtung der Pflicht, den Steuerpflichtigen auf seine Verpflichtung zur Angabe der Registriernummer in seiner Steuererklärung hinzuweisen, ist also nicht erfasst. 955 Ein Verstoß gegen die 1-Monats-Frist bzw. die Frist zur Mitteilung bereits zum Zeitpunkt des Angebots oder der Empfehlung wird damit nicht sanktioniert. 956 § 379a Abs. 1 Nr. 4 AO-E i. d. F. v. 25.6.2007; zu der Auffassung, wonach hierfür nicht der erhöhte Bußgeldrahmen des § 179a Abs. 2 AO-E gelte, sondern lediglich § 379 Abs. 4 AO, weil es sich bei der Verpflichtung der Steuerpflichtigen nicht um eine „Anzeigepflicht“ im Sinne des § 179a Abs. 2 AO-E handele, siehe Wassermeyer, Verfahrensrechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, C. VI. 957 § 379a Abs. 2 S. 1 AO-E; das Mindestbußgeld beträgt nach § 377 Abs. 2 AO i. V. m. § 17 OWiG 5 €; zur Höhe des Bußgelds im internationalen Vergleich siehe unten, S. 227.
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Die Anzeigepflichtsysteme der verschiedenen Länder
tung.958 Der Bußgeldhöchstbetrag war von Anfang an stark umstritten; das Bundesjustizministerium etwa drängte Medienberichten zufolge auf eine drastische Reduzierung der Höchstgrenze auf lediglich 50.000 €.959 Die ursprüngliche Referentenfassung des Bundesfinanzministeriums wurde insofern in der Beschlussempfehlung des Bundesrats ergänzt, als der Passus angefügt wurde, die Geldbuße müsse den wirtschaftlichen Vorteil, den der Vermarkter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen; reicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, so sei es tatangemessen zu erhöhen.960 Damit wäre die über § 377 Abs. 2 AO ohnehin geltende Kann- bzw. Soll-Vorschrift des § 17 Abs. 4 OWiG zur Muss-Bestimmung geworden.
________________________ 958 § 379a Abs. 2 S. 4 AO-E i. d. F. v. 11.9.2007; in der ursprünglichen Fassung v. 25.6.2007 war noch ein Betrag von mindestens 500 € für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung, lediglich begrenzt durch den oben genannten Maximalbetrag von 5 Millionen €, vorgesehen. 959 Hierzu Tartler, „Streit um Bußen für Steuersünder“, Financial Times Deutschland v. 8.8.2007. 960 § 379a Abs. 2 S. 2 und 3 AO-E i. d. F. v. 11.9.2007; das bezifferte Regelhöchstmaß von 5 Millionen € hätte demnach vor allem psychologische Bedeutung insofern gehabt, als es die mögliche Dimension des Bußgeldes, nicht aber dessen tatsächliche Grenze, aufzeigte.
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Teil II: Vergleichende Analyse der Anzeigepflichtsysteme Kapitel 1: Funktionen von Anzeigepflichtsystemen A. Bedeutung der verschiedenen Funktionen In der Diskussion der Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen im In- wie im Ausland wird häufig undifferenziert auf „die Anzeigepflichten“ allgemein abgestellt.961 Dies ist im Ansatz auch zulässig, da die Grundstruktur der untersuchten Systeme ähnlich ist. Für ein tieferes Verständnis der Regelungen ist aber die Erkenntnis zentral, dass Anzeigepflichten ganz unterschiedliche Funktionen und Wirkungen haben können und in den verschiedenen Ländern auch tatsächlich haben. Auch wenn jede Funktion der Anzeigepflichten der „Missbrauchsbekämpfung“ dient, so wird dieser Zweck doch auf sehr unterschiedliche Weise erreicht. Im Folgenden werden die verschiedenen Funktionen und Wirkungen isoliert dargestellt.962 Dies ist der Hintergrund für das Verständnis und die Bewertung der Details der Regelungssysteme.963 Zudem kann die Frage, ob die Einführung von Anzeigepflichten auch in Deutschland zu empfehlen ist, nicht abstrakt beurteilt werden. Ausgangspunkt muss vielmehr auch hier die konkrete Funktion der Regelungen sein, da je nach Funktion das Bedürfnis für Anzeigepflichten und deren Wechselwirkung mit dem bereits bestehenden Instrumentarium zur Missbrauchserkennung und Missbrauchsbekämpfung sehr unterschiedlich sein können.964 Schließlich kann auch der verfassungs- und europarechtliche Rahmen nicht ohne präzise Orientierung an der Zweckrichtung bzw. Wirkungsweise der Regelungen dargestellt werden.965 Insbesondere die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist nicht abstrakt, sondern an konkreten Zwecken ausgerichtet vorzunehmen. ________________________ 961 Siehe beispielhaft den deutschen Entwurf von 2007, S. 5: „Von Vertretern der USA und Großbritannien wird berichtet, dass diese Maßnahmen effektiv und effizient seien und die Entwicklung von Steuergestaltungen wirksam bekämpfen könnten.“ 962 Die Darstellung der einzelnen Funktionen erfolgt hierbei zunächst ohne Wertung lediglich in ihrer Grundstruktur und mit ihren denkbaren Vorteilen; eine kritische Diskussion erfolgt dann unten, ab S. 231. 963 Hierzu unten, ab S. 188. 964 Hierzu unten, ab S. 231. 965 Hierzu unten, ab S. 329.
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Vergleichende Analyse der Anzeigepflichtsysteme
B. Übersicht über die verschiedenen Funktionen Insgesamt sind drei zentrale Funktionen bzw. Wirkweisen von Anzeigepflichtsystem zu unterscheiden.966 Die Anzeigen können ihre Wirkung bei der konkreten Veranlagung der Steuerpflichtigen entfalten (veranlagungsunterstützende Funktion (audit function bzw. (specific) enforcement function), hierzu C. I.). Die Anzeigen können den Fiskus aber auch bei rechtspolitischen Entscheidungen unterstützen (rechtspolitische Funktion (tax policy function), hierzu C. II.). Schließlich kann das System von Anzeigepflichten auch dazu führen, dass Steuerpflichtige bzw. Externe (d. h. Berater, Promotoren oder Vermarkter der Gestaltungen967), bereits davor abgeschreckt werden, anzeigepflichtige Gestaltungen einzugehen bzw. zu entwickeln oder vermarkten (abschreckende Funktion (deterrence function), hierzu C. III.). Häufig ist nicht auszumachen, ob einzelne Wirkungen der Regelungen vom Gesetz- bzw. Richtliniengeber bewusst beabsichtigt sind, als weitere Konsequenz hingenommen werden oder gar nicht bemerkt werden. Im Folgenden soll der Einfachheit halber von „Funktionen“ gesprochen werden, auch wenn es sich dabei womöglich schlicht um unbeabsichtigte Auswirkungen handelt. Die isolierte Darstellung und Analyse der Funktionen bedeutet nicht, dass diese immer trennscharf und in klarer Abgrenzung zueinander aus den Regelungen entnommen werden könnten. Vielmehr sind die Funktionen an einigen Stellen miteinander verwoben und wirken wechselseitig verstärkend. Dies wird besonders deutlich bei der Abschreckungsfunktion, die, wie zu sehen sein wird, zu einem Teil schlicht Nebenfolge der veranlagungsunterstützenden und rechtspolitischen Funktionen ist. Zu der geringen Trennschärfe trägt zudem die Tatsache bei, dass manche Anzeigepflichtsysteme bei Änderungen und Ergänzungen nach ihrer ursprünglichen Einführung eine teilweise Neuausrichtung erfahren haben.
________________________ 966 Es gibt Elemente der Anzeigepflichtsysteme, die durch keine der drei Grundfunktionen zu erklären sind, sondern vielmehr den Zweck haben, die Einhaltung der Anzeigepflichtsysteme selbst abzusichern. Insbesondere die Informationsredundanzen nach dem amerikanischen System durch doppelte Anzeigepflicht von wesentlichen Beratern und Steuerpflichtigen sowie durch die Pflicht zur Dokumentation der beteiligten Steuerpflichtigen trotz gleichzeitig bestehender Hinweispflicht der Steuerpflichtigen haben maßgeblich eigensichernde Funktion und Wirkung. Eine selbständige weitere Funktion ergibt sich hieraus aber nicht. 967 Zu den mit der unterschiedlichen Terminologie für die Externen in den einzelnen Anzeigepflichtsystemen verbundenen inhaltlichen Unterschieden, siehe unten, ab S. 213.
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Funktionen von Anzeigepflichtsystemen
C. Funktionen im Einzelnen I. Veranlagungsunterstützende Funktion Bei der konkreten Veranlagung der Steuerpflichtigen können Anzeigepflichten in zweierlei Weise behilflich sein, nämlich zur Feinsteuerung der Prüfungsrichtung (hierzu 1.) sowie zur Optimierung der Prüfung selbst (hierzu 2.). Dabei kann die veranlagungsunterstützende Funktion sowohl im Rahmen der erstmaligen Veranlagung als auch im Rahmen einer Außenprüfung zur Geltung kommen. 1. Feinsteuerung der Prüfungsrichtung Die Auswahl des Prüfungsgegenstands kann auf drei Ebenen von Bedeutung sein. Innerhalb einer geprüften Steuererklärung können Anzeigepflichten diejenigen Gestaltungen „ausflaggen“, die besonders prüfungsbedürftig sind.968 In Steuersystemen, in denen nicht ohnehin jede Steuererklärung rechtlich geprüft wird, helfen Anzeigepflichtsysteme zudem bei der Auswahl der Steuererklärungen. Schließlich werden Anzeigepflichten in manchen Ländern auch dazu genutzt, generell zu bestimmen, welche Steuerpflichtigen (genauer) geprüft werden sollten. Die Beteiligung an anzeigepflichtigen Gestaltungen wird dabei als Indiz dafür gewertet, dass der betreffende Steuerpflichtige allgemein aggressiv steuerplanerisch tätig ist und sich damit eine genauere Überprüfung seiner Steuererklärungen anbietet (risk assessment function).969 2. Optimierung des Prüfungsverfahrens Auch die Prüfung selbst kann durch ein Anzeigepflichtsystem mit veranlagungsunterstützender Wirkung in mehrerlei Hinsicht erleichtert bzw. verbessert werden. a) Angaben in den Anzeigen Anzeigepflichten können zum einen zu einer im Gegensatz zur üblichen Steuererklärung umfangreicheren und besser aufbereiteten Darstellung anzeigepflichtiger Gestaltungen verhelfen. Bei entsprechender Ausgestaltung des Inhalts der Anzeigepflicht kann etwa über die übliche Erklärung hinausgehender Sachverhalt abgefragt werden. Auch sehen Anzeigepflichten regelmäßig vor, dass die Sachverhaltsschilderung um eine rechtliche Analyse der ________________________ 968 Pearlman, 55 Tax Law Review (2002), 289, 297, weist darauf hin, dass dies insbesondere bei zum Teil hoch komplexen Steuererklärungen von Gesellschaften sinnvoll sein kann. 969 Bland, British Tax Review 2006, 653, 665 f. mit Hinweis darauf, dass der HMRC insbesondere bei der Prüfung großer Unternehmen die Häufigkeit deren Beteiligung an anzeigepflichtigen Gestaltungen als wesentlichen Faktor berücksichtigt.
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Vergleichende Analyse der Anzeigepflichtsysteme
Gestaltung oder um eine separate Darstellung der aus der Gestaltung erwarteten steuerlichen Vorteile ergänzt werden muss.970 Ebenso kann bereits die Feststellung, dass eine Gestaltung einer speziellen Gruppe anzeigepflichtiger Gestaltungen angehört, etwa infolge eines besonders hohen Verlusts oder weil Elemente der Gestaltung im In- und Ausland anders beurteilt werden, die Prüfung oder zumindest den Einstieg in diese erleichtern. b) Zuweisung an spezialisierte Einheiten Anzeigepflichten erlauben zudem die automatische Zuweisung der Prüfung anzeigepflichtiger Gestaltungen an hierauf spezialisierte Einheiten der Finanzverwaltung anstelle der im Normalfall zuständigen Veranlagungsbeamten.971 Allein schon diese Prüfung durch entsprechend geschulte Spezialeinheiten kann die angemessene Reaktion auf missbräuchliche Gestaltungen sehr erleichtern. c) Verknüpfung mit bereits geprüften Gestaltungen Der veranlagende Beamte wiederum kann mithilfe eines Registriernummernsystems, das Bestandteil nahezu aller Anzeigepflichtsysteme ist,972 nicht nur das Ergebnis der Prüfung der Gestaltung durch derartige Spezialisten abfragen. Es ist ihm so auch leichter und zuverlässiger möglich, später erfolgte Prüfungsanweisungen oder Erlasse der höheren Finanzbehörden zu berücksichtigen, da diese einzelnen Registriernummern zugeordnet werden können. Der veranlagende Beamte muss dann nicht mehr selbst die thematisch einschlägigen Anordnungen ausfindig machen.973 3. In Bezug genommene Gestaltungen Bezugspunkt der veranlagungsunterstützenden Funktion sind Gestaltungen, die sich im Grenzbereich des materiellrechtlich Zulässigen bewegen, bei denen also Steuerumgehung, Steuermissbrauch bzw. aggressive Steuerplanung im Raum stehen (tax avoidance).974 Insbesondere die Anwendung der allgemeinen und spezialgesetzlichen Missbrauchstatbestände soll durch diese Funktion ________________________ 970 Rechtsvergleichend hierzu unten, S. 221 f. 971 In den USA etwa ist für die Entgegennahme die Bearbeitung der Anzeigen das Office for Tax Shelter Analysis (OTSA) geschaffen worden (hierzu oben, S. 33); in Großbritannien ist die Anti-Avoidance Group des HMRC (AAG) zuständig (hierzu oben, S. 92). 972 Hierzu unten, S. 222 f. 973 Auf diesen Vorteil wies auch der – ansonsten nicht dominant veranlagungsunterstützend geprägte – deutsche Entwurf hin (siehe hierzu oben, S. 167). 974 So auch Pearlman, 55 Tax Law Review (2002), 289, 290: „Action that reduces a taxpayer’s tax liability if there is any possibility that the action does not comply with current law.“
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Funktionen von Anzeigepflichtsystemen
erleichtert werden. Abzugrenzen ist dieser Bereich in zweierlei Hinsicht: Zum einen sind nicht Gestaltungen betroffen, die evident geltendem materiellen Recht entsprechen. Denn auch wenn diese Gestaltungen im Einzelfall rechtspolitisch unerwünscht sein mögen, so besteht im Rahmen der konkreten Veranlagung doch keine Handhabe gegen sie.975 Es geht hier also um Fälle, in denen nicht das Steuergesetz geändert, sondern diesem lediglich zu effektiver Wirksamkeit verholfen werden soll.976 Zum anderen sind Situationen auszugrenzen, bei denen es um Steuerhinterziehung bzw. -betrug (tax evasion) geht. Denn die Anzeigepflichten wirken nicht im Rahmen der Sachverhaltsermittlung und -verifikation, sondern der rechtlichen Prüfung eines zutreffend festgestellten Sachverhalts. Steuerhinterziehung im Sinne einer Falschdarstellung des Sachverhalts ist in allen betroffenen Ländern – ebenso wie in Deutschland – bereits durch den klassischen steuerstrafrechtlichen Sanktionsapparat erfasst. Die Entscheidung gegen Unterstützung bei der Sachverhaltsüberprüfung lässt sich den untersuchten Anzeigepflichtsystemen in mehrerlei Hinsicht entnehmen. So knüpfen die Fallgruppen stets entweder an einen besonderen Innovationsgehalt der Gestaltungen, bestimmte Missbräuchlichkeitsindikatoren oder Indikatoren der Nutzung von Inkongruenzen an.977 Elemente, die ein erhöhtes Risiko der Falscherklärung des Sachverhalts im konkreten Fall indizierten, sind hingegen nicht ersichtlich.978 Auch der Umfang der von den Anzeigepflichtigen in den einzelnen Ländern geforderten Informationen bestätigt dies. Die Anzeigepflichten fordern nämlich nicht etwa, dass Belege für die Sachverhaltsdarstellung geliefert werden, sondern dass der Sachverhalt umfassender dargestellt und eine nach speziellen Kriterien aufbereitete rechtliche Analyse desselben geliefert wird. 4. Vorkommen in den einzelnen Ländern In den USA stellt die veranlagungsunterstützende Funktion die wesentliche Überlegung und Rechtfertigung für Anzeigepflichten dar.979 Ganz besonders ________________________ 975 Relevant wird diese Gruppe von Gestaltungen hingegen in der rechtspolitischen Funktion von Anzeigepflichten (hierzu unten, ab S. 177). 976 Bland, British Tax Review 2006, 653, 664. 977 Zur Übersicht über die verschiedenen Fallgruppen unten, ab S. 190. 978 Auch die israelischen Regelungen, die am stärksten auf Fragen im Tatsächlichen bezogen sind (bspw. mit der Anknüpfung an die Totalüberschussprognose oder an Geschäfte unter nahestehenden Personen), zielen letztlich zwar auf eine besonders genaue Prüfung und Bewertung des Sachverhalts ab, nicht aber auf eine Sachverhaltsüberprüfung. 979 Pearlman, 55 Tax Law Review (2002), 289, 294: „primary reason“; unausgesprochen wird dies meist dadurch bestätigt, das sich die Diskussion der Anzeigepflichten der Sache nach ausschließlich oder maßgeblich auf veranlagungsunterstützende Aspekte bezieht (vgl. etwa die Nachweise aus der US-Literatur in Fn. 1280); auch die Be-
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Vergleichende Analyse der Anzeigepflichtsysteme
deutlich zeigt sich dies etwa an den Fallgruppen der listed transactions bzw. der transactions of interest, die der Steuerverwaltung bereits hinlänglich bekannte Gestaltungen erfassen. Aber auch etwa die schrittweise Lockerung der Fristerfordernisse für die Anzeige offenbart, dass der US-Gesetzgeber vor allem die veranlagungsunterstützende Funktion und nicht eine besonders zügige Änderung des geltenden Rechts vor Augen hat.980 Auch in Kanada handelt es sich hierbei um die zentrale Funktion.981 Sehr deutlich ist die Ausrichtung an der Veranlagung zudem im israelischen System.982 In anderen Ländern enthalten die Anzeigepflichtsysteme zumindest einzelne veranlagungsunterstützende Elemente. Etwa verfolgt das portugiesische System erklärtermaßen nicht nur rechtspolitische, sondern auch veranlagungsunterstützende Ziele.983 Konkret wurde hier vor allem die Anwendung der allgemeinen Missbrauchsnorm, deren einzelne Kriterien für die Anzeigepflichten entlehnt wurden, abgesichert.984 Bei den irischen Regelungen offenbart sich in der Verpflichtung zur Identifizierung einzelner an den Gestaltungen beteiligter Steuerpflichtiger die auch veranlagungsunterstützende Zwecksetzung.985 Selbst in Großbritannien sind jedenfalls in den neueren Regelungen veranlagungsunterstützende Ansätze festzustellen. Das zeigt sich etwa bei der 2009 eingeführten Fallgruppe der Umgehungsgestaltungen bei Altersvorsorgeaufwendungen.986 Denn zum einen ist eine Umgehung im Sinne des Abweichens von wirtschaftlicher Substanz zu rechtlich gewählter Form vor allem veranlagungsunterstützend von Bedeutung, hängt sie doch maßgeblich von einer gründlichen Prüfung des jeweiligen Sachverhalts im konkreten Fall ab. Zudem können nachhaltige gesetzgeberische Änderungen kaum intendiert sein ________________________
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mühungen des IRS im Vorgehen gegen Steuergestaltungen vor Einführung der Anzeigepflichten im Jahr 1984 zielten schon maßgeblich auf die Veranlagungsunterstützung ab (hierzu oben, Fn. 8). Hierzu oben, S. 35, sowie unten, S. 219 f.; besonders deutlich wird dies an der Aufgabe der Fallgruppe der Gestaltungen mit wesentlichem Abweichen der steuerlichen von der handelsrechtlichen Beurteilung zugunsten des Schedule M-3, weil damit Informationen nur noch über die Jahressteuererklärungen erlangt werden können (hierzu oben, S. 23). Wertschek/Wilson, 56 Canadian Tax Journal (2008), 285, 296; Ernst, 42 Tax Notes International (2006), 569, 569, vermag daneben aber auch die rechtspolitische Funktion in den kanadischen Regelungen zu erkennen. Den Anzeigen ist ausschließlich auf der Jahressteuererklärung nachzukommen; die Fallgruppen sind zudem auf stark sachverhaltsabhängige Missbräuchlichkeit ausgerichtet (vgl. insbesondere die verschiedenen Fallgruppen zu Geschäften mit nahestehenden Personen oder die auf zirkuläre Geschäfte abzielenden Fallgruppen). Art. 13 (2) und (3) Decreto-Lei n.° 29/2008. Vgl. Silva/Neves, 19 International Tax Review (9/2008), 17; Ortigão Ramos/da Silva, World Tax 2009, 432, 432; dazu, dass die Anknüpfung an die Kriterien der allgemeinen Missbrauchsnorm aber auch rechtspolitische Bedeutung haben kann, unten, S. 200. Zu den offiziell vorgegebenen Zwecken der irischen Finanzverwaltung oben, S. 136. Hierzu oben, S. 88.
Funktionen von Anzeigepflichtsystemen
in Anbetracht der Tatsache, dass die Strafsteuer SAAC, auf die sich die Umgehung beziehen muss, ohnehin nur für bis April 2011 verwirklichte Sachverhalte von Relevanz war.
II. Rechtspolitische Funktion Die durch Anzeigepflichten gewonnenen Informationen (hierzu 1.) können dem Fiskus aber auch dabei helfen, die geltende Rechtslage so zu ändern, dass rechtspolitisch unerwünschten Gestaltungen die Grundlage entzogen wird (hierzu 2.). Daneben können die Informationen durch den Fiskus dazu genutzt werden, Bedarf für eine Klärung der Rechtslage durch untergesetzliche Maßnahmen (hierzu 3.) bzw. Bedarf für ggf. weitere Ansätze im Rahmen der Missbrauchsbekämpfung (hierzu 4.) zu erkennen. Insofern sind die Anzeigepflichten dann Hilfsmittel für rechtspolitisches Handeln. 1. Art der rechtspolitisch relevanten Informationen Die aus den Anzeigen gewonnenen Informationen mit rechtspolitischem Nutzen sind dreierlei Art. Zuvorderst geben die Anzeigen dem Fiskus Aufschluss über die rechtliche Struktur der angezeigten Gestaltungen. Daneben können aber auch Erkenntnisse über die Verbreitung einer Gestaltung, das heißt ihre fiskalische Bedeutung, gewonnen werden.987 Schließlich ist es zudem möglich, Informationen über den Markt an Steuergestaltungen allgemein, d. h. unabhängig von konkreten Gestaltungen, zu erlangen. 2. Änderung der Rechtslage a) Grundansatz Insbesondere können diese Informationen dem Gesetzgeber dabei helfen, das materielle Recht zu ändern. Es geht hier also – im Gegensatz zur veranlagungsunterstützenden Funktion – gerade nicht um die korrekte Anwendung des geltenden Rechts. Vielmehr zielt ein rechtspolitisch ausgerichtetes Anzeigepflichtsystem auf Gestaltungen, die aus Sicht des jeweiligen Entscheidungsträgers rechtspolitisch unerwünscht sind, aber (noch) mit dem materiellen Recht in Einklang stehen, also insbesondere nicht von der allgemeinen oder von spezialgesetzlichen Missbrauchsnormen erfasst sind. Wie die Formulierung „rechtspolitisch unerwünscht“988 bereits offenbart, ist diese Gruppe an Gestaltungen keineswegs fest umrissen oder abstrakt definierbar. Vielmehr
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987 Insbesondere ein Registriernummernsystem ermöglicht eine Zusammenschau der verschiedenen Anzeigen sowie eine Übersicht über die Beteiligung der Steuerpflichtigen (hierzu unten, S. 222). 988 Siehe auch die entsprechende Formulierung in der Begründung des deutschen Entwurfs: „legale, jedoch unerwünschte Gestaltungen“ (Entwurf v. 25.6.2007, 4, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 69).
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Vergleichende Analyse der Anzeigepflichtsysteme
hängt die Beurteilung als rechtspolitisch unerwünscht von einer subjektiven Einschätzung des jeweiligen Entscheidungsträgers, insbesondere des Gesetzgebers, ab.989 Diese Subjektivität und Unschärfe des Bezugspunkts sind dabei aber kein Argument gegen die rechtpolitische Funktion von Anzeigepflichten. Es handelt sich nämlich nicht um einen rechtlichen Begriff mit Anspruch auf Subsumtionsfähigkeit.990 Die rechtspolitische Unerwünschtheit ist vielmehr legitimer Maßstab des Gesetzgebers.991 Sofern im Folgenden der Begriff der „rechtspolitisch unerwünschten Gestaltung“ verwendet wird, ist daher zu bedenken, dass die konkrete Wertung von der Einschätzung des jeweiligen Gesetzgebers abhängt.992 b) Vorteile gegenüber den Informationen aus dem Veranlagungsverfahren Ein Anzeigepflichtsystem führt gegenüber den der Finanzverwaltung aus dem Veranlagungsverfahren zustehenden Informationen zu einem dreifachen Vorteil: Zum einen werden Informationen zur Verfügung gestellt, die so im Veranlagungsverfahren nicht gewonnen werden könnten (hierzu aa)). Zudem kann die Auswertung der rechtspolitischen Bedeutung auf einfache Art Spezialisten in der Finanzverwaltung zugewiesen werden (hierzu bb)). Vor allem aber kann ein Anzeigepflichtsystem dabei helfen, die für eine Gesetzesänderung relevanten Informationen frühzeitiger zu erlangen (hierzu cc)). aa) Verbreiterte Informationsbasis Anzeigepflichten können die Informationsbasis für rechtspolitische Entscheidungen verbreitern. Die Anzeigen vermitteln der Finanzverwaltung eine bereits rechtlich aufbereitete Darstellung und Analyse der entsprechenden Ge________________________ 989 Gewisse Gemeinsamkeiten bestehen aber doch; so werden die meisten der rechtspolitisch unerwünschten Gestaltungen ganz wesentlich oder ausschließlich steuerlich motiviert sein; viele derartige Gestaltungen werden gezielt darauf ausgerichtet sein, aus existierenden Inkongruenzen oder Regelungslücken steuerliche Vorteile zu ziehen. 990 Eine ganz andere Frage ist, ob die Definitionen und Anforderungen des Anzeigepflichtsystems, das diesem vagen und subjektiven Ziel zu dienen bestimmt ist, hinreichend präzise sind (hierzu unten, S. 345). 991 Vgl. zum Kriterium der rechtspolitischen Unerwünschtheit als legitimem Maßstab für den Gesetzgeber, nicht aber den Anwender des § 42 AO, BFH v. 13.7.1989, V R 8/86, BStBl. II 1990, 100, Tz. 28, sowie BFH v. 5.2.1992, I R 127/90, BStBl. II 1992, 532, Tz. 35; auch wird die gesetzgeberische Freiheit nicht etwa durch das Recht des Steuerpflichtigen, sich so einzurichten, dass möglichst wenig Steuern anfallen (hierzu noch unten, S. 269), beschränkt, sondern gerade umgekehrt (vgl. Schler, 55 Tax Law Review (2002), 325, 328; Weisbach, 55 Tax Law Review (2002), 215, 220; Schön, DStJG 33 (2010), 29, 39). 992 Der Gesetzgeber ist bei der Wahl seiner Ziele allerdings nicht völlig frei; siehe zu den Grenzen durch Verfassungs- und Europarecht unten, ab S. 329.
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staltungen. Auch können sie Informationen zu ihrer Verbreitung und der Art ihrer Nutzung, mithin Anhaltspunkte zu ihrer fiskalischen Bedeutung transportieren. Zudem gibt es Gestaltungen, die der Finanzverwaltung im Veranlagungsverfahren gar nicht bekannt würden.993 Zwar verpflichten die bereits bestehenden Offenbarungspflichten unter Umständen auch zur Darstellung ausländischer Sachverhaltselemente, wenn diese zur Prüfung der bestehenden Steuertatbestände relevant sind.994 Allerdings bezieht sich die rechtspolitische Unerwünschtheit gerade auf Sachverhalte, die im geltenden materiellen Recht noch nicht (zufriedenstellend) erfasst sind. Etwa bei einer double dip-Gestaltung, die steuerliche Vorteile in zwei Steuerrechtsordnungen nutzt, besteht mangels Relevanz für einen steuerlichen Tatbestand im Veranlagungsverfahren regelmäßig keine Pflicht zum Hinweis gegenüber der Steuerverwaltung darauf, dass derselbe Vorteil auch im Ausland erlangt wird.995 bb) Bearbeitung durch Spezialisten Noch stärker als bei der veranlagungsunterstützenden Funktion kommt hier auch der Vorteil zum Tragen, dass spezialisierte Einheiten in der Finanzverwaltung die Anzeigen auswerten können.996 Veranlagungsbeamte sind auf die Veranlagung des Einzelfalls geschult. Die Beurteilung der rechtspolitischen Bedeutung erfordert eine gänzlich andere Ausrichtung, die sich von der Anwendung des geltenden Rechts löst und stattdessen auf Änderungen und Ergänzungen des Rechts abzielt. Anzeigepflichtsysteme ermöglichen eine einfache Zuweisung der relevanten Gestaltungen zur abstrakten Prüfung durch entsprechende Spezialisten. Dieses Vorgehen verspricht, dass rechtspolitisch relevante Gestaltungen sehr viel treffsicherer und zügiger erkannt und weitergeleitet werden können, als dies im Zuge der Veranlagung je möglich wäre.997 ________________________ 993 Hierzu auch OECD, „Tackling Aggressive Tax Planning through Improved Transparency and Disclosure“ (siehe oben, Fn. 6), S. 12. 994 Vgl. zu den im deutschen Recht bestehenden Offenbarungspflichten unten, ab S. 237. 995 Vereinzelt gibt es allerdings auch Tatbestände, die an die Behandlung im Ausland anknüpfen (vgl. etwa zur Anwendbarkeit des Korrespondenzprinzips in § 8b Abs. 1 S. 2 KStG auch auf grenzüberschreitende Sachverhalte, Schnitger/Bildstein, IStR 2009, 629, 630; siehe zudem beispielsweise § 1a sowie § 50d Abs. 8 und 9 EStG). 996 Zur Bedeutung im Rahmen der veranlagungsunterstützenden Funktion oben, S. 174. 997 Die Anordnung dieser Auswertung bei einer Stelle, die nahe an der gesetzgeberischen Entscheidung liegt, ist zweckmäßig, um Reibungsverluste bei der Weiterleitung der Information zu vermeiden; insofern war im deutschen Entwurf die Aufgabenzuweisung an das Bundeszentralamt für Steuern konsequent, da es um die Vorbereitung gesetzgeberischer Entscheidungen im Ertragsteuerrecht ging, wofür die Gesetzgebungskompetenz beim Bund liegt (vgl. Art. 105 Abs. 2 GG).
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cc) Frühzeitigere Informationsgewinnung Der zentrale Vorteil von Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion ist ein zeitlicher.998 Ziel ist hier, die relevanten Informationen den rechtspolitischen Entscheidungsträgern schneller zur Verfügung stellen zu können. Dies gelingt zum einen durch die eben beschriebenen Vorteile, wonach die Informationen in den Anzeigen bereits besser und zielgerichteter aufbereitet sind und sofort von Spezialisten bearbeitet werden können. Zudem besteht die Möglichkeit, Anzeigepflichten so auszugestalten, dass die Anzeige bereits frühzeitig, insbesondere noch vor der Mitteilung der Gestaltung in der üblichen Steuererklärung, erfolgen muss.999 Die Bedeutung dieses zeitlichen Vorteils zeigt sich vor dem Hintergrund des häufig beschriebenen „interaktiven Wettstreits“1000 zwischen Steuerpflichtigen und Fiskus im Bereich der Steuergestaltungen.1001 Damit ist folgendes Grundproblem beschrieben: Steuerpflichtige und Externe nutzen Lücken oder Disparitäten im geltenden Recht eines Steuersystems oder zwischen mehreren Steuersystemen zur Erlangung steuerlicher Vorteile. Kommen derartige rechtspolitisch unerwünschte Gestaltungen zur Kenntnis des Gesetzgebers, reagiert dieser mit entsprechenden Gesetzesänderungen. Regelmäßig vergeht bis zu dieser gesetzgeberischen Reaktion aber lange Zeit.1002 Soweit ein rück________________________ 998 Tiley, Revenue Law, 106 f.; mit dieser Tendenz auch OECD, „Tackling Aggressive Tax Planning through Improved Transparency and Disclosure“ (siehe oben, Fn. 6). 999 Zu einer sinnvollen Ausgestaltung der Anzeigefrist vor rechtspolitischem Hintergrund unten, S. 220. 1000 So Drüen, StuW 2008, 154, 155; der Steuergesetzgeber muss sich dabei auf Adressaten einstellen, die – gut und teuer beraten – mit Witz gesetzliche Fehler nutzen und mit Geschick Tatbestandslücken aufspüren (so ders., StuW 2008, 154, 160). 1001 Den sprichwörtlichen Beschreibungen dieses Wettstreits – insbesondere auch im Hinblick auf die letztendliche Erfolglosigkeit der fiskalischen Bemühungen – scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein: Drüen, StuW 2008, 154, 160; Wienbracke, DStZ 2007, 664, 664, sowie Olav Gutting, MdB (CDU) in der Plenarsitzung des Deutschen Bundestags zum Jahressteuergesetz 2007 (siehe BT-Plenarprotokoll 16/63 v. 9.11.2006, 6228) strengen den Vergleich zum Wettrennen zwischen Hase und Igel an; Kessler/Eicke, BB 2007, 2370, 2370, sprechen vom „Steuer-Skat zwischen Finanzverwaltung, Gerichtsbarkeit und Steuerpflichtigen“; Chirelstein/Zelenak, 105 Columbia Law Review (2005), 1939, 1950: „like the Dutch boy at the leaky dike, or Hercules attempting to conquer the Hydra by decapitation, or the man in the gospel parable who is rid of one devil only to be possessed by seven devils worse than the first, or Alice and the Red Queen running as fast as they can just to stay in the same place“. 1002 Für Großbritannien wird davon ausgegangen, dass vor der Einführung der Anzeigepflichten 2004 von der Implementierung eines Steuervermeidungsmodells und der Schließung der betreffenden Gesetzeslücke regelmäßig mindestens 3 bis 4 Jahre vergingen (vgl. Wienbracke, DStZ 2007, 664, 664; Johnson, 33 Tax Notes International (2004), 1203, 1204; Johnson, 35 Tax Notes International (2004), 625, 625 f.); der
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wirkender Erlass von Gesetzen nicht zulässig ist oder sich nicht auf die bereits veranlagten Gestaltungen auswirkt, ist der durch die Gestaltungen entstandene fiskalische Schaden unwiederbringlich eingetreten. Die Steuerpflichtigen und Externen verlagern sich daraufhin auf andere noch existierende – oder ggf. durch eben diese spezialgesetzliche Missbrauchsvorschrift neu entstehende – Lücken bzw. Disparitäten. Der schnellere Erlass spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen hilft, die Bedingungen im beschriebenen Wettstreit zugunsten des Fiskus zu verbessern und den fiskalischen Schaden zu minimieren. 3. Klärung der Rechtslage Auch ohne Gesetzesänderung können Anzeigen von Steuergestaltungen rechtspolitisch genutzt werden. So kann die Finanzverwaltung, angestoßen durch die Anzeigen und die darin vertretenen Rechtsauffassungen, mittels Richtlinien, Erlassen oder Verwaltungsanweisungen Zweifelsfragen bei der Anwendung des Rechts klären und ggf. in die fiskalisch gewünschte Richtung lenken.1003 Zumindest in den USA findet sich dieser Ansatz auch im Rahmen der Streitführung. So werden die Anzeigepflichten dort rechtspolitisch vor allem dazu genutzt, Musterverfahren auszuwählen, um Rechtsfragen bei besonders relevanten Gestaltungen abschließend durch die Gerichte klären zu lassen. 4. Weitere Maßnahmen der Missbrauchsbekämpfung Neben der Änderung und Klärung der materiellen Rechtslage können die Informationen aus den Anzeigen auch hilfreich bei weiteren Maßnahmen der Missbrauchsbekämpfung sein. Ein Einblick in die Art der neu aufkommenden Gestaltungen, insbesondere aber auch die Akteure auf dem Markt für derartige Steuergestaltungen, kann hier Anknüpfungspunkt für vielfältige Maß-
________________________ deutsche Entwurf 2007 stellt dar, dass ein Gesetzgebungsverfahren mindestens 6 Monate und die vorbereitenden Prüfungen der Verwaltung nochmals mindestens 3 Monate dauern (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 4, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 69); damit ist die Zeit, die von der Umsetzung einer Gestaltung beim Steuerpflichtigen bis zur Kenntnis der Verwaltung von der Gestaltung vergeht, aber gerade noch nicht mitgerechnet; um deren Minimierung geht es hier. 1003 Zu dieser Funktion in den USA, Weisbach, 55 Tax Law Review (2002), 215, 229; siehe auch den ausdrücklichen Einbezug von Maßnahmen auf Verwaltungsebene im deutschen Entwurf (hierzu unten, Fn. 1013); kritisch hierzu Wassermeyer, Verfahrensrechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, A., mit dem Hinweis darauf, eine legale Maßnahme könne nicht mit Mitteln auf Verwaltungsebene bekämpft werden.
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nahmen sein.1004 Im Anzeigepflichtsystem selbst können diese Informationen etwa zur Ergänzung der Fallgruppen anzeigepflichtiger Kriterien um häufiger bei intendierten Gestaltungen festgestellte Aspekte, insbesondere äußere Umstände, die bei rechtspolitisch ungewollten Gestaltungen anzutreffen sind,1005 genutzt werden. Auch können diese Information das Verständnis des Ausmaßes und der Struktur des fiskalischen Ausfalls durch Steuerplanungsgestaltungen (tax gap) allgemein fördern.1006 5. Vorkommen in den einzelnen Ländern Insbesondere das britische Anzeigepflichtsystem ist maßgeblich auf die rechtspolitische Funktion ausgerichtet, wohingegen die Nutzung zu veranlagungsunterstützenden Zwecken jedenfalls ursprünglich stark im Hintergrund stand.1007 Tatsächlich haben die Anzeigepflichten in Großbritannien auch bereits ab dem Finance Act 2005 zum Erlass zahlreicher spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen geführt.1008 Es wird vermutet, dass mindestens 20 Geset________________________ 1004 Diese Ausrichtung ist insbesondere in den USA zu erkennen; offen kommuniziert wurde sie etwa im Zusammenhang mit der tax result protection; deren Einsatz im Markt solle für spätere Maßnahmen zunächst näher beobachtet werden (vgl. 71 FR 64496, 64497 v. 2.11.2006; zur tax result protection näher oben, S. 19 und 32). 1005 Zur Sinnhaftigkeit derartiger Kriterien für Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion unten, S. 201. 1006 Bislang konnte dieser Ausfall nur sehr grob geschätzt werden, etwa orientiert an den Beratungsentgelten der großen Unternehmen oder an exemplarisch ausführlich geprüften Einzelsteuererklärungen (vgl. The Tax Gap Reporting Team, „The big question: what is the tax gap?“, The Guardian v. 2.2.2009). 1007 Bland, British Tax Review 2006, 653, 664 f.; Tiley, Revenue Law, 106; zwar kann nach Aussage des HMRC grundsätzlich auch die veranlagungsunterstützende Funktion eine Rolle spielen (vgl. HMRC Regulatory Impact Assessment (2006), Tz. 5; HMRC Consultation Document „The Tax Avoidance Disclosure Regime: Improving the Scheme Reference Number System“, v. 20.11.2007, Tz. 12); jedenfalls die ursprünglichen Fallgruppen deuteten aber in eine andere Richtung: bei häufigerem Vertrieb der Gestaltung und der daraus resultierenden weiteren Verbreitung der Kenntnis über die steuerliche Struktur der Gestaltung griff die Anzeigepflicht nicht mehr ein; denn mit der Kenntniserlangung im Markt werden sowohl der Geheimhaltungswunsch im Sinne des confidentiality test als auch die Möglichkeit, eine besondere Vergütung im Sinne des premium fee test bzw. des off market test für den steuerlichen Vorteil zu erlangen, reduziert; die 2006 zusätzlich eingeführten drei Fallgruppen erfassen jedoch gerade auch häufig verwendete, vermarktete Gestaltungen. 1008 Bereits im Finance Act 2005 wurden mehrere spezialgesetzliche Missbrauchsnormen eingeführt, die auf Erkenntnissen des erst zum 1.8.2004 eingeführten Anzeigepflichtsystems beruhten (vgl. Collier-Keywood, 837 The Tax Journal (2006), 11, 11; Mehta/ Habershon/u. a., 43 Tax Notes International (2006), 99, 99; Bland, British Tax Review 2006, 653, 663; vgl. zum Finance Act 2006 die Beispiele bei Mehta/Habershon/ u. a., U.K. Budget Continues to Target Tax Avoidance, 41 Tax Notes International (2006), 1048, 1049 (als Beispiel für diese auf einzelne Details zugeschnitten gesetz-
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zesänderungen in jedem Finance Act seit 2005 auf Informationen aus dem Anzeigepflichtsystem zurückzuführen sind.1009 Der HMRC schätzt, dass damit Steuerschlupflöcher im Wert von mehr als 11 Milliarden GB£ geschlossen wurden.1010 Auch die südafrikanischen1011 und irischen1012 Finanzverwaltungen sehen den Zweck der dortigen Anzeigepflichten insbesondere in der möglichst frühzeitigen Aufdeckung von neuen Steuergestaltungen. Ebenso hatte der deutsche Entwurf seinen Schwerpunkt auf der rechtspolitischen Funktion.1013 In Portugal ist die Vorbereitung von Änderungen im Gesetzes- und Verordnungsrecht neben der Unterstützung bei der Veranlagung zweites ausdrücklich mit den Anzeigepflichten verbundenes Ziel.1014 Selbst das amerikanische System wird auch im rechtspolitischen Kontext diskutiert.1015 Allerdings dienen die Anzeigepflichten dort weniger dem Gesetz________________________
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lichen Änderungen siehe folgende dortige Darstellung einer Änderung: „intended to prevent the use of cash-collateralized stock loans with no provision for manufactured payments in order to avoid tax on interest“); zu den auf dem Anzeigepflichtsystem beruhenden spezialgesetzlichen Missbrauchsvorschriften im Rahmen des Finance Act 2008 siehe Lindsay, British Tax Review 2008, 467, 475; zur Fortsetzung dieses Trends auch im Jahr 2011 siehe Mehta, 64 Tax Notes International (2011), 934, 935. Hierzu Tiley, The Avoidance Problem, 77; zu der Bedeutung dieser Quote vor dem Hintergrund relativ geringer Anzeigezahlen unten, S. 209. Tailby, 986 The Tax Journal (2009), 23, 24; Hann, 57 Tax Notes International (2010), 1147, 1147; hierzu auch OECD, „Tackling Aggressive Tax Planning through Improved Transparency and Disclosure“ (oben, Fn. 6), S. 17. Vgl. die Stellungnahme des südafrikanischen Finanzministeriums v. 9.4.2008, „New reportable arrangements legislation takes effect“ (dort auf Seite 2 des Ausdrucks); siehe auch Mandy, Accountancy South Africa (asa) 11/2008, 34, 35. Guidance 2011, Tz. 1.4, 1.5 und 3.4; Stellungnahme des irischen Finanzministers v. 19.1.2011 zur Einführung von SI 7/2011, abrufbar unter www.finance.gov.ie/ viewdoc.asp?DocID=6650; hierzu bereits oben, S. 136. Die klare Intention lag darin, schneller auf grenzüberschreitende Arbitragemöglichkeiten reagieren zu können (vgl. Ehlermann/Nakhai, 47 Tax Notes International (2007), 316, 318); allerdings war die Gesetzesbegründung missverständlich, indem sie das Ziel vorgab, „legale, jedoch unerwünschte Gestaltungen früher als bisher [zu] erkennen und entsprechende Maßnahme auf Verwaltungsebene [zu] ergreifen oder Maßnahmen gesetzgeberischer Art an[zu]regen“ (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 4, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 69); mit den „entsprechenden Maßnahmen auf Verwaltungsebene“ scheint aber lediglich ein Hinweis auf den Erlass von untergesetzlichem Recht durch die Verwaltung gemeint zu sein und nicht Maßnahmen im Veranlagungsverfahren (so auch das Verständnis bei Schön, Statutory Avoidance and Disclosure Rules in Germany, 55). Art. 13 (2) und (3) Decreto-Lei n.° 29/2008. Jensen, The US legislative and regulatory approach to tax avoidance, 119 f., erwähnt die rechtspolitische Funktion bei den US-Regelungen neben den zentralen Funktionen Veranlagungsunterstützung und Abschreckung; Schizer, 59 Tax Law Review
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geber des formellen Rechts als der Steuerverwaltung zur Klärung der Rechtslage durch untergesetzliches Recht oder im Rahmen von Gerichtsverfahren sowie zur Entwicklung weiterer Missbrauchsbekämpfungsmaßnahmen.1016
III. Abschreckungsfunktion Anzeigepflichten haben stets – ob gewollt oder ungewollt und in unterschiedlicher Ausprägung – auch eine abschreckende Wirkung in dem Sinn, dass Steuerpflichtige und Externe angesichts der Anzeigepflicht einer Gestaltung bereits von der betreffenden Gestaltung selbst abgehalten werden (deterrence function). Abschreckende Wirkung kann dabei Nebenfolge der veranlagungsunterstützenden bzw. der rechtspolitischen Funktion der Anzeigepflichten sein (hierzu 1. und 2.).1017 Die abschreckende Wirkung kann sich aber auch unabhängig von diesen Funktionen aus dem Aufwand, der mit den Anzeigepflichten verbunden ist, oder aus weiteren an die Anzeigepflicht geknüpften Konsequenzen ergeben (hierzu 3.).1018 1. Abschreckung infolge der veranlagungsunterstützenden Funktion Die Mechanismen der oben beschriebenen veranlagungsunterstützenden Funktion können insofern abschreckend wirken, als sie die Wahrscheinlichkeit, dass anzeigepflichtige Gestaltungen im Veranlagungs- oder Kontrollverfahren ausführlich geprüft werden, deutlich erhöhen und dies den Steuerpflichtigen auch bekannt ist. Dies führt dazu, dass die Attraktivität von Gestaltungen, die sich in der „Grauzone“ des materiellrechtlich Zulässigen bewegen, reduziert ________________________ (2006), 331, 369 f., diskutiert die US-Anzeigepflichten gar ausschließlich vor einem rechtspolitischen Hintergrund; Weisbach, 54 Southern Methodist University Law Review (2001), 73, 78, sowie ders., 55 Tax Law Review (2002), 215, 226, argumentiert, dass die zentrale Auswertung der Anzeigen durch das Office of the Tax Shelter Analysis letztlich nur vor dem Hintergrund der rechtspolitischen Funktion sinnvoll zu erklären ist; die Prüfung durch eine zentrale, spezialisierte Stelle kann allerdings auch im Rahmen der veranlagungsunterstützenden Funktion sinnvoll sein (siehe hierzu oben, S. 174). 1016 Siehe in diesem Kontext etwa die 2007 eingeführte Fallgruppe der Kataloggestaltungen unter Beobachtung (transactions of interest; hierzu oben, S. 28). 1017 Zur Interdependenz von Abschreckung und den beiden Hauptfunktionen allgemein Bland, British Tax Review 2006, 653, 667. 1018 Abschreckende Wirkung kann sich daneben in gewissen Sonderkonstellationen ergeben, etwa dadurch, dass Externe zur Vermeidung der Anzeigepflicht auf Vertraulichkeitsbeschränkungen verzichten (zu dieser Fallgruppe rechtsvergleichend unten, S. 193), was wiederum den potentiell für sie aus der Gestaltung zu ziehenden wirtschaftlichen Nutzen reduziert (vgl. hierzu Savino, 58 National Tax Journal (2005), 471, 476, sowie Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 238).
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wird.1019 Denn die betroffenen Steuerpflichtigen können dann nicht mehr darauf vertrauen, dass die Gestaltung von der Finanzverwaltung nicht beachtet wird. Dieser Faktor ist umso relevanter, je geringer die generelle Prüfungsdichte bei Steuererklärungen ist. Mittelbar wirkt sich dies auch auf die Externen aus, da die Nachfrage nach Gestaltungen zurückgeht, die anzeigepflichtig sind und bei denen ein Risiko besteht, dass sie bei korrekter Anwendung des geltenden materiellen Steuerrechts nicht zu der gewünschten steuerlichen Folge führen. Im Fall von Gestaltungen, bei denen Steuerpflichtige und Externe davon ausgehen, dass sie mit geltendem materiellen Steuerrecht zweifellos in Einklang stehen, übt die veranlagungsunterstützende Funktion hingegen keine abschreckende Wirkung aus. 2. Abschreckung infolge der rechtspolitischen Funktion Auch Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion können von der Beteiligung an den anzeigepflichtigen Gestaltungen abschrecken. Mit der Anzeigepflicht geht hier das Wissen einher, dass der Gesetzgeber sich entsprechende Gestaltungen unter rechtspolitischen Gesichtspunkten genauer ansehen sowie gegebenenfalls zeitnah (und/oder rückwirkend) mit materiellrechtlichen Änderungen reagieren wird. Ist aber zu befürchten, dass die rechtliche Lage allzu schnell nach Anzeige der Gestaltung so geändert wird, dass die beabsichtigten steuerlichen Vorteile ausbleiben, reduziert dies das Interesse an der Gestaltung.1020 Gegebenenfalls erübrigt sich infolge der abschreckenden Wirkung letztlich sogar die materiellrechtliche Änderung, auf deren Androhung die Abschreckung beruhte. 3. Abschreckung als eigenständige Funktion a) Abschreckung infolge des mit der Anzeigepflicht verbundenen Aufwands Anzeigepflichten können auch bereits wegen des mit ihnen verbundenen Aufwands abschreckend wirken. Dabei treffen die hierdurch entstehenden Kosten auch in dem Fall, in dem lediglich Externe anzeigepflichtig sind, regelmäßig die Steuerpflichtigen, da die Belastung von den Externen weitergereicht wird.1021 Die Kosten für die Anzeige einer anzeigepflichtigen Gestaltung er________________________ 1019 Hierzu Gergen, 55 Tax Law Review (2002), 255, 271 ff.; Zelenak, 109 Columbia Law Review Sidebar (2009), 55, 57 f. 1020 Die Steuerpflichtigen riskieren nicht etwa lediglich, in den status quo ante zurückversetzt zu werden; vielmehr liegt der potentielle Schaden etwa auch in den vergeblichen Transaktionskosten für die Gestaltung (hierzu Bland, British Tax Review 2006, 653, 668). 1021 Vgl. Savino, 58 National Tax Journal (2005), 471, 475.
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höhen die mit dieser Gestaltung verbundenen Gesamtkosten und reduzieren damit deren Attraktivität. b) Abschreckung infolge indikatorischer Wirkung der Anzeigepflicht In den USA,1022 Kanada,1023 sowie Israel1024 folgt eine abschreckende Wirkung der Anzeigepflicht als solcher auch daraus, dass an diese unmittelbar weitere Belastungen geknüpft sind. Diese Belastungen ergeben sich aus dem materiellen Recht (etwa durch Steuerabzugsbeschränkungen), dem Verfahrensrecht (etwa durch Nachteile im Strafzuschlagsystem) oder dem Berufsrecht (etwa durch die Beschränkung der Rechtsberatung durch Wirtschaftsprüfer). Indikator für belastende Maßnahmen ist hier also nicht der Verstoß gegen die Anzeigepflicht als verfahrensrechtliches Fehlverhalten, sondern vielmehr bereits die bloße Anzeigepflichtigkeit der betreffenden Gestaltung. Diese Indikation beruht offenbar auf der – auch aus sonstigen Elementen der Regelungen ersichtlichen1025 – Annahme, dass mit der Anordnung der Anzeigepflicht auch bereits eine Aussage zur fiskalischen Missbilligung der Gestaltung getroffen ist.1026 4. Vorkommen in den einzelnen Ländern Die OECD stellt eindeutige abschreckende Effekte in den existierenden Anzeigepflichtsystemen fest.1027 In den verschiedenen Ländern wird diese Funktion auch mehr oder weniger offen kommuniziert. Etwa das US-System von Anzeigepflichten soll ausdrücklich auch der Abschreckung dienen.1028 Besonders eindrücklich ist dies bei den Kataloggestal________________________ 1022 1023 1024 1025
Hierzu oben, S. 56 ff. Hierzu oben, S. 70. Hierzu oben, S. 125 f. Besonders eindrücklich ist dies in den kanadischen Regelungen, in denen schon der sachliche Anwendungsbereich mit „tax shelter“ überschrieben ist (hierzu oben, S. 61); ursprünglich enthielt auch das US-Anzeigepflichtsystem eine Definition von „tax shelter“ (hierzu oben, S. 5); heute ist der sachliche Anwendungsbereich in den USA aber durch den neutralen Begriff der „reportable transaction“ ersetzt. 1026 Siehe zu derselben Tendenz in Großbritannien, Bland, British Tax Review 2006, 653, 668; dort hat sich diese Tendenz allerdings noch nicht in einer tatbestandlichen Anknüpfung niedergeschlagen. 1027 Siehe OECD FTA, „Study into the Role of Tax Intermediaries“ (oben, Fn. 1), S. 19; OECD, „Tackling Aggressive Tax Planning through Improved Transparency and Disclosure“ (siehe oben, Fn. 6), S. 16. 1028 Siehe etwa IRS Fact Sheet #FS-2001-10 v. 1.9.2001, „Abusive Tax Shelters“, abrufbar unter www.unclefed.com/Tax-News/2001/nrfs01-10.html; gemäß Pearlman, 55 Tax Law Review (2002), 289, 305 und 323, hatten sogar schon Entwürfe von verschärften treasury regulations zu Anzeigepflichten abschreckende Wirkung; auf Abschreckung als Nebenfunktion stellen u. a. auch Chirelstein/Zelenak, 105 Columbia Law Review (2005), 1939, 1947, ab.
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tungen mit angenommener Missbräuchlichkeit, an die auch die indikatorische Wirkung vornehmlich anknüpft.1029 Daneben ist aber auch etwa die angedachte Fallgruppe der patentierten Gestaltungen maßgeblich von einer abschreckenden Intention getragen.1030 Seit der materiellrechtlichen Anknüpfung an die Definition des anzeigepflichtigen tax shelter1031 hat auch das kanadische System eine offensichtlich abschreckende Ausprägung.1032 Ebenso wurden die britischen Regelungen nicht nur mit dem Ziel der Abschreckung erlassen,1033 sondern zeitigen diese Wirkung auch.1034 Das portugiesische System hat zumindest einzelne abschreckende Elemente.1035 Der französische Entwurf von 2006 erklärte die Abschreckung gar zur zentralen Ausrichtung des Anzeigepflichtsystems.1036 Auch der deutsche Entwurf hatte eine abschreckende Zielsetzung.1037 Mit dem Willen zur Abschreckung ist insbesondere zu erklären, dass zahlreiche Gestaltungen, deren Struktur dem Gesetzgeber bereits hinreichend bekannt ist, erfasst waren.1038 Die Entwurfsbegründung bekennt sich jedenfalls zur Abschreckung infolge der rechtspolitischen Funktion,1039 streitet eine aus der Anzeigepflicht selbst folgende abschreckende Wirkung jedoch ab.1040 ________________________ 1029 1030 1031 1032 1033 1034
1035
1036 1037 1038
1039
1040
Hierzu oben, S. 26 f. Hierzu oben, S. 17. Hierzu oben, S. 70. Wertschek/Wilson, 56 Canadian Tax Journal (2008), 285, 297 m. w. N. auch auf ältere Stellungnahmen der kanadischen Steuerverwaltung. Hierzu Bland, British Tax Review 2007, 584, 589. HMRC Regulatory Impact Assessment (RIA), The Tax Avoidance Schemes Regulations 2006 (SI 2006/1543 and SI 2006/1544), v. 12.6.2006, abrufbar unter www. hmrc.gov.uk/ria/riata1543-4.pdf, Tz. 16; siehe auch die Beispiele in Fn. 407. Ortigão Ramos/da Silva, World Tax 2009, 432, 434 f., mit Hinweis etwa auf die Veröffentlichung von Stellungnahmen zur Missbräuchlichkeit bestimmter Gestaltungen im Internet. Hierzu oben, Fn. 856. So auch Schön, Statutory Avoidance and Disclosure Rules in Germany, 55. Die Entwurfsbegründung weist etwa ausdrücklich auf grenzüberschreitende Leasinggestaltungen hin (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 7, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 74); deren Struktur wurde in der Literatur aber bereits eingehend behandelt; nur hat es der Gesetzgeber bisher nicht für möglich oder erforderlich gehalten, hiergegen tätig zu werden (hierzu Wassermeyer, Verfahrensrechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, B. III. sowie D.). „[Durch die neue Anzeigepflicht] werden Steuerpflichtige frühzeitig problembewusst und müssen sich überlegen, ob sie sich mit einer Gestaltung in eine rechtliche Grauzone begeben wollen.“ (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 5, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 70). So wurde im Rahmen der EG-rechtlichen Diskussion argumentiert, es sei kaum vorstellbar, dass Bürger allein durch die Anzeigepflichten von einer Beteiligung an entsprechenden Gestaltungen abgeschreckt würden (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 6, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 72).
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Kapitel 2: Einzelaspekte A. Sachlicher Anwendungsbereich I. Anzeigepflichtige Gestaltungen 1. Begriff der „Gestaltung“ Bei der Darstellung der Regelungen der verschiedenen Länder wurde durchgehend an den Terminus „Gestaltung“ angeknüpft. Damit wurde eine einheitliche Übersetzung für die verschiedenen fremdsprachigen Begriffe gewählt.1041 Dies geschah in Anlehnung sowohl an die Terminologie des deutschen Entwurfs 2007 als auch der deutschsprachigen Abhandlungen zu den ausländischen Anzeigepflichten.1042 Letztlich vermag dieser Begriff – ebenso wie naheliegende Alternativen – allerdings nicht vollständig zu überzeugen. Dies liegt daran, dass die Anzeigepflicht an ganz unterschiedliche Situationen anknüpfen kann. „Gestaltung“ ist insofern nicht ideal, als nach den Regelungen einiger Länder eine Anzeigepflicht auch eintritt, wenn der „Gestaltung“ jegliches gestaltende Element fehlt, sei es im Sinne einer Kombination verschiedener steuerlicher Elemente oder subjektiv im Sinne einer steuerlichen Motivation für die Gestaltung. Zudem beinhaltet das Wort „Gestaltung“ bereits ein pejoratives Element des bewussten Abweichens vom Normalfall.1043 All dies soll mit der Verwendung des Begriffs in dieser Arbeit nicht kommuniziert werden. Alternative Begriffe wie „Geschäft“ wären insofern neutraler, passen allerdings wiederum an anderer Stelle nicht, nachdem in einigen Ländern nicht erst die Umsetzung der Gestaltung anzeigepflichtig ist, sondern bereits die Entwicklung eines abstrakten Modells. Abstrakte Modelle können allerdings wiederum schwerlich als „Geschäft“ bezeichnet werden. Nachdem das planende und gestaltende Element auch sprachlich in den meisten ausländischen Anknüpfungen enthalten ist (arrangement, tax planning act, planeamento fiscal, schéma d’optimisation fiscale), soll das Wort Gestaltung auch in dieser Arbeit verwendet werden. ________________________ 1041 Reportable transaction (USA), tax shelter (Kanada), notifiable proposal bzw. notifiable arrangement (Großbritannien), reportable arrangement (Südafrika), tax planning act (Israel), planeamento fiscal (Portugal), transaction bzw. scheme (Irland), schéma d’optimisation fiscale (Frankreich 2005) und opération (Frankreich 2006). 1042 Siehe etwa zum britischen Recht Kippenberg, IStR 2008, Länderbericht Heft 17, 1 („Steuergestaltungsmodell“); Alberts, IWB Fach 5, Gruppe 2, S. 437, 446; sowie Wienbracke, DStZ 2007, 664; zum US-Recht Kreienbaum/Werder, IStR 2005, 721; Naujok, IStR 2003, 860; sowie Flick, IStR 2000, Länderbericht Heft 9, 2, 3. 1043 Zum häufigen Fehlverständnis des Begriffs der „Steuergestaltung“ siehe Rödder, DStJG 33 (2010), 93, 96 ff.; grundlegend zur Methodik steuerlicher Gestaltungssuche siehe Jacobsen, FR 2009, 162.
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Einzelaspekte
2. Fokussierung auf modellhafte Gestaltungen Nicht wenige Anzeigepflichtsysteme offenbaren bei näherer Betrachtung eine unterschwellige Fokussierung auf modellhafte, vorgefertigte Gestaltungen (marketed schemes).1044 Dies ist in grundsätzlicher und systematischer Hinsicht problematisch. Die Sinnhaftigkeit einer solchen Beschränkung ist fraglich. Zwar ist es zutreffend, dass der Markt an modellhaften, vermarkteten Steuergestaltungen in den letzten Jahren deutlich zugenommen und zu einem beachtlichen fiskalischen Problem in vielen Ländern wurde.1045 Allerdings handelt es sich hierbei nur um eine besondere wirtschaftliche Erscheinungsform von Steuergestaltungen. Rechtlich basieren diese Gestaltungen auf denselben Strukturen und „Lücken“, die auch für Einzelgestaltungen zur Verfügung stehen. Aus Sicht der rechtspolitischen Funktion handelt es sich bei der Beschränkung auf modellhafte Gestaltungen daher lediglich um ein Angehen besonders augenfälliger Symptome, nicht aber einen konsequenten Ansatz gegen die zugrunde liegenden Probleme.1046 Nicht einmal aus dem Blickwinkel der veranlagungsunterstützenden Funktion ist eine derartige Beschränkung uneingeschränkt verständlich.1047 Zwar kann die Standardisierung einer Gestaltung Indikator für ihre Steuergetriebenheit sein.1048 Nicht aber spricht umgekehrt eine Vermutung dafür, dass eine Einzelsteuergestaltung nicht steuergetrieben ist. Auch ist nicht anzunehmen, dass die fiskalische Bedeutung der jeweiligen modellhaften Gestaltungen stets größer ist als diejenige von Einzelgestaltungen. Insbesondere Einzelgestaltungen, die von großen Unternehmen entwickelt werden, etwa von Investmentbanken im Eigenhandel eingesetzte Arbitrage-Gestaltungen, können die fiskalische Bedeutung mancher modellhafter Gestaltungen deutlich übersteigen. Sinnvoller erscheint es demnach, die fiskalische Bedeutung nicht typisierend, sondern konkret und unter Einschluss von Einzelgestaltungen zu erfassen.1049 Unabhängig von diesen grundsätzlichen Vorbehalten ist häufig auch die konkrete Umsetzung der Fokussierung auf modellhafte Gestaltungen problematisch. Unter sämtlichen untersuchten Regelungen enthielt lediglich das kana________________________
1044 Ausdrücklich etwa die Präambel zur portugiesischen Ermächtigungsgrundlage (siehe oben, Fn. 725). 1045 Vgl. etwa Evans, Containing Tax Avoidance, 12; Rödder verwendet in der Diskussion auf der 34. Jahrestagung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft, DStJG 33 (2010), 107, 113 f., hierfür den Begriff der „Steuervermeidungsproduktberatung“. 1046 In diese Richtung auch Drüen, StuW 2008, 154, 160. 1047 Interessanterweise handelt es sich bei den betroffenen Ländern – allen voran Portugal und Frankreich – ohnehin um Systeme, die nicht primär veranlagungsunterstützend ausgerichtet sind. 1048 Hierzu unten, S. 195. 1049 Zu möglichen Ansätzen, unmittelbar über Mindestanforderungen an den erwarteten steuerlichen Vorteil bzw. mittelbar über Mindestanforderungen an die Einnahmen von Externen, siehe unten, S. 207 und 215 f.
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dische System in seiner traditionellen Auslegung1050 bereits im sachlichen Anwendungsbereich eine generelle Beschränkung auf modellhafte Gestaltungen.1051 In den anderen Systemen ergeben sich die Beschränkungen erst mittelbar, insbesondere dadurch, dass die Anzeigepflicht nur durch Vermarktung der Gestaltung, also eine Tätigkeit, die lediglich bei bereits fertig entwickelten, modellhaften Gestaltungen denkbar ist, ausgelöst wird.1052 Auch in manchen Einzelvorgaben offenbart sich die Fixierung des Gesetzgebers auf fertig entwickelte Gestaltungen, an denen sich die Steuerpflichtigen lediglich noch beteiligen müssen.1053 Dieser Ansatz der indirekten Beschränkung eines grundsätzlich weiter gefassten Anwendungsbereichs birgt aber das Risiko widersprüchlicher Rechtsfolgen.1054 3. Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen im Einzelnen a) Allgemeine Bemerkungen Im Großteil der untersuchten Anzeigepflichtsysteme war der sachliche Anwendungsbereich nach deren Einführung größeren Veränderungen unterworfen.1055 Das ist zum einen darauf zurückzuführen, dass sich Steuerpflichtige und Externe auf die jeweiligen Fallgruppen einstellen und die Anzeigepflichten zu umgehen versuchen.1056 Zum Teil hat dies aber auch damit zu tun, dass der für das betreffende Steuersystem und die jeweilige spezielle Ausrichtung der Anzeigepflichten passende Anwendungsbereich erst in der Praxis des An________________________ 1050 Zu neuen Ansätzen des Verständnisses der kanadischen Regelungen siehe oben, S. 63 und 68. 1051 Davon abzugrenzen ist die Anknüpfung an die Modellhaftigkeit der Gestaltung in einzelnen nicht abschließenden Fallgruppen (siehe hierzu unten, S. 195). 1052 Im deutschen Entwurf ist der persönliche Anwendungsbereich entsprechend beschränkt (siehe oben, S. 162 f.); im portugiesischen Anzeigepflichtsystem (siehe oben, S. 131) bzw. im französischen Entwurf von 2005 (siehe oben, S. 150) ist zwar der persönliche Anwendungsbereich weiter, aber die Anzeigepflicht im Ergebnis doch von einer Vermarktung abhängig. 1053 Siehe beispielsweise die Verpflichtung zur Angabe des „investierten Betrags“ im Rahmen der Dokumentierungspflicht nach US-Recht (siehe hierzu oben, S. 38). 1054 Siehe etwa die oben zum portugiesischen Recht dargestellte Problematik (S. 131); im französischen Entwurf von 2005 war diese Problematik ebenso angelegt, aber letztlich durch eine weitgehende subsidiäre Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen entschärft (hierzu oben, Fußnoten 863 und 867). 1055 Eine Ausnahme unter den bereits länger bestehenden Anzeigepflichtsystemen bildet hier allerdings Kanada, wo es seit 1989 keine wesentlichen Änderungen am sachlichen Anwendungsbereich gab. 1056 Siehe etwa zum Rückgang der Vertraulichkeitsvereinbarungen in den USA und zur gleichzeitig wachsenden Bedeutung der Patentierung von Steuergestaltungen oben, S. 16; zu ähnlichen Erfahrungen in Großbritannien oben, Fn. 407.
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Einzelaspekte
zeigepflichtsystems ermittelt werden kann.1057 In den meisten Fällen erfolgt dabei eine Ausweitung der Anzeigepflichten.1058 Thematisch lassen sich bei aller Vielfalt der Fallgruppen zwei besondere Schwerpunkte ausmachen.1059 Zum einen enthalten viele der untersuchten Anzeigepflichtsysteme Fallgruppen, die an bestimmte Aspekte grenzüberschreitender Gestaltungen anknüpfen.1060 In zahlreichen Ländern stellen Anzeigepflichten zudem auf Elemente ab, die sich auch in der allgemeinen Missbrauchsnorm wiederfinden.1061 b) Methodik der einzelnen Fallgruppen Nach ihrer jeweiligen methodischen Ausrichtung lassen sich die meisten Fallgruppen drei Obergruppen zuordnen:1062 Es gibt zunächst Fallgruppen, die an bestimmte äußere Umstände der Gestaltung anknüpfen (Gruppe 1, hierzu aa)); daneben sind Fallgruppen auszumachen, die auf bestimmte Gestaltungsstrukturen abstellen (Gruppe 2, hierzu bb)); schließlich gibt es Fallgruppen, bei denen bestimmte (steuer-)rechtliche Erfolge die Anzeigepflicht auslösen (Gruppe 3, hierzu cc)). Allein schon durch diese unterschiedliche methodische Ausrichtung der einzelnen Fallgruppen ergeben sich häufig Überschneidungen dergestalt, dass eine Gestaltung nach mehreren Fallgruppen anzeigepflichtig ist. aa) Anknüpfung an äußere Umstände der Gestaltung (Gruppe 1) Eine Reihe von Kriterien in verschiedenen Ländern stellt – angeknüpft an bestimmte äußere Umstände – darauf ab, ob die betreffende Gestaltung besonders aggressiv, innovativ oder steuergetrieben ist. Hier sind insbesondere die ________________________ 1057 Pearlman, 55 Tax Law Review (2002), 289, 303, spricht insofern von einem legitimen „dynamic hit-or-miss undertaking“; siehe etwa zu den späteren Ausnahmen der zunächst zu weit gefassten amerikanischen Fallgruppen der Verlustgestaltungen sowie Gestaltungen mit Abweichungen der steuerlichen von der handelsrechtlichen Beurteilung oben, S. 21 f. 1058 Siehe etwa die Beispiele der USA, Großbritanniens und Südafrikas; dazu, dass auch bei den deutschen Fallgruppen eine künftige Ausweitung auf rein nationale Gestaltungen zu erwarten stand, oben, Fn. 907; in den USA wurden Fallgruppen aber auch wieder gestrichen oder zumindest Ausnahmen von der Anzeigepflicht eingeführt. 1059 Zur methodischen Unterteilung der Fallgruppen sogleich, unter b). 1060 Zu den besonderen Problemen, die mit einer solchen internationalen Ausrichtung einhergehen, siehe unten, S. 309 ff. sowie S. 363 ff. 1061 In Südafrika ist dieser Konnex besonders deutlich, indem dort die Anzeigepflicht an einzelne Tatbestandsmerkmale der allgemeinen Missbrauchsnorm ausdrücklich und unmittelbar anknüpft. 1062 Dazu, dass der französische Entwurf von 2005 gänzlich ohne Einzelfallgruppen auskam oben, S. 150.
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Kriterien der Vertraulichkeit der Gestaltung, der außergewöhnlich hohen Vergütung, der erfolgsabhängigen Vergütung, der Haftungsbeschränkung sowie der Standardisierung zu nennen. In Bezug auf die ersten drei Kriterien geht Großbritannien einen von den meisten anderen Ländern gesonderten Weg insofern, als dort die Kriterien maßgeblich hypothetisch zu prüfen sind, wobei allerdings bei tatsächlichem Vorliegen etwa einer Vertraulichkeitsabrede oder einer besonderen Vergütung für den steuerlichen Vorteil das Ergebnis der hypothetischen Prüfung indiziert oder gar unwiderleglich vorweggenommen ist.1063 Hieran hat sich auch das irische System für die Fallgruppen der Vertraulichkeit und der besonderen Vergütung für den steuerlichen Vorteil orientiert.1064 Dieser Ansatz hat einen doppelten Vorteil gegenüber der konkreten Ausrichtung an einer tatsächlich vorhandenen Vertraulichkeitsauflage oder einer tatsächlich vereinbarten erfolgsabhängigen Vergütung: Zum einen können so alle Arten von Gestaltungen erfasst werden, insbesondere auch von den Steuerpflichtigen selbst entwickelte Gestaltungen, bei denen es etwa erfolgsabhängige Vergütungen der Natur der Sache nach nicht gibt. Ein rein hypothetischer Ansatz hat zudem den Vorteil, dass er Ausweichverhalten der Beteiligten zur Vermeidung der Anzeigepflicht von vornherein vereitelt.1065 Gleichzeitig drängt sich aber die Frage nach der Handhabbarkeit eines (rein) hypothetischen Ansatzes auf. Es ist zweifelhaft, ob die Aspekte des Wunsches nach Vertraulichkeit bzw. der Möglichkeit, eine außergewöhnlich hohe Vergütung zu verlangen, tatsächlich griffigere Kriterien bieten als unmittelbar die abstrakte Frage nach dem Innovationsgehalt der betreffenden Gestaltung.1066 Der französische Entwurf von 2005 geht hier einen direkteren Weg, indem er ohne weitere Hilfskonstrukte an das Kriterium der Steuergetriebenheit unmittelbar und ausdrücklich anknüpft.1067 ________________________ 1063 Die tatsächliche Existenz einer Vertraulichkeitsauflage ist lediglich ein Indiz, die tatsächliche Vereinbarung einer besonderen Vergütung hingegen führt stets zur Anzeigepflicht. 1064 Dazu, dass diese Kriterien im irischen System aber beständig zwischen konkreter und abstrakter Ausrichtung schwanken, oben, S. 138 f. 1065 Nachdem in Großbritannien gerade nicht ausschließlich hypothetisch geprüft wird, sondern die tatsächlich vereinbarte Vertraulichkeit oder Erfolgsabhängigkeit zumindest indikatorische Wirkung hat, war dort das beschriebene Ausweichverhalten der Anzeigepflichtigen aber festzustellen (hierzu oben, Fn. 407). 1066 Handhabbar werden diese Kriterien letztlich lediglich durch die indikatorische Wirkung tatsächlicher Vereinbarungen (siehe oben, S. 83); erstaunlich ist demgegenüber der irische Ansatz, der zur „Konkretisierung“ der Kriterien teilweise auf die abstrakte Frage nach dem Gehalt einer Gestaltung an Innovation bzw. Aggressivität abstellt (hierzu oben, S. 138). 1067 Hierzu oben, S. 149 f.
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Einzelaspekte
(1) Vertraulichkeitskriterium Das Vertraulichkeitskriterium kennen – mit der eben beschriebenen Abweichung – die USA1068, Großbritannien1069 sowie Irland1070. Die amerikanischen Regelungen sind gegenüber den britischen und irischen aber an mehreren Stellen enger.1071 Zum einen sind in Amerika infolge der Anforderung, dass die Vertraulichkeitsbeschränkung durch den Externen auferlegt werden muss, Gestaltungen nicht erfasst, bei denen Vertraulichkeit nicht von Seiten der Externen oktroyiert, sondern von den an der Gestaltung beteiligten Steuerpflichtigen selbst vereinbart wird.1072 Daneben ist den amerikanischen Regelungen auch das Kriterium der Vertraulichkeit gegenüber dem Fiskus nicht bekannt. (2) Kriterium der außergewöhnlich hohen Vergütung Das Kriterium einer außergewöhnlich hohen Vergütung als Indikator für gesteigerten Innovations- bzw. Aggressionsgehalt einer Gestaltung kennen Großbritannien und Irland.1073 Ob dieses Kriterium einen Mehrwert gegenüber dem direkten Abschätzen des Innovationsgehalts bietet, ist jedoch fraglich. Es gleicht einem Zirkelschluss, wenn der HMRC zur Konkretisierung ausführt, dass bei allgemeiner Verfügbarkeit der Gestaltung nicht davon auszugehen ist, dass eine außergewöhnlich hohe Vergütung gezahlt wurde.1074 Bei konkreter Prüfung der Höhe der Vergütung wiederum übernimmt der Ansatz die generell bei Fremdvergleich bestehenden Probleme in das Anzeigepflichtsystem. (3) Kriterium der erfolgsabhängigen Vergütung Das Kriterium der steuererfolgsabhängigen Vergütung löst die Anzeigepflicht in den USA, Großbritannien, Südafrika sowie Irland aus. Die Fallgruppen sind jeweils auf eine Zusicherung des steuerlichen Erfolgs durch den Externen selbst beschränkt. Eine Absicherung des steuerlichen Erfolgs durch Dritte (sog. tax result protection) löst die Anzeigepflicht hingegen nicht aus.1075 ________________________ 1068 1069 1070 1071 1072
1073 1074 1075
Hierzu oben, S. 15. Hierzu oben, S. 82. Hierzu oben, S. 138. Zur angedachten Ergänzung der Fallgruppe vertraulicher Gestaltungen durch die Fallgruppe der patentierten Gestaltungen siehe bereits ausführlich oben, S. 16 ff. Diese Beschränkung ist insofern nicht ganz verständlich, als sich in beiden Situationen derselbe Verdacht auf einen erhöhten Innovationsgehalt der Gestaltung ergibt; zu der ursprünglich weiteren Fassung auch in den USA oben, Fn. 77. Hierzu oben, S. 83 und S. 139. Vgl. Guidance 2012, Tz. 7.5.2. Zur tax result protection nach amerikanischem Recht siehe oben, S. 19; siehe zu dieser Absicherung durch Dritte in der Praxis, Logue, 25 Virginia Tax Review (2005), 339, 376 ff.
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Vor dem Hintergrund der rechtspolitischen Funktion ist dabei die südafrikanische Ausnahme kritisch zu bewerten, wonach die Vereinbarung einer reduzierten Vergütung für die Fälle, in denen der steuerliche Erfolg wegen einer Gesetzesänderung ausbleibt, die Anzeigepflicht nicht auslöst.1076 Denn vor dem Hintergrund des beschriebenen Katz-und-Maus-Spiels bei Steuergestaltungen indiziert gerade auch eine solche Anknüpfung eine besondere Aggressivität der Gestaltung, stellt diese Vergütungsregelung doch wirtschaftlich betrachtet eine Garantie gegen die (rechtzeitige) Gesetzesänderung dar.1077 (4) Kriterium der Haftungsbeschränkung In Portugal wird nicht auf die Vergütung abgestellt, allerdings auf eventuelle Haftungsbeschränkungen zugunsten des Promotors.1078 Dabei erfolgt die Risikoverteilung zwar gerade umgekehrt zur erfolgsabhängig ausgestalteten Vergütung: Während dort der Externe das Risiko trägt, bei Ausbleiben des steuerlichen Erfolges, seine Vergütung einzubüßen, wird hier das Risiko den Steuerpflichtigen aufgebürdet. Die Fallgruppen sind aber insofern verwandt, als jeweils besondere Vereinbarungen über die Risikoverteilung getroffen werden, die Parteien also offenbar unsicher sind, ob die Gestaltung tatsächlich den erhofften Erfolg zeitigen wird. Auch Haftungsbeschränkungen sind damit geeigneter Innovationsindikator. Eine solche Fallgruppe sollte dann allerdings eine Ausnahme für das Rechtsänderungsrisiko vorsehen, wird die Haftung für dieses im Rechtsberatungsalltag doch regelmäßig auch in völlig unproblematischen Gestaltungen zugunsten des Externen begrenzt.1079
________________________ 1076 Hierzu oben, S. 115. 1077 Ohne Aussage zur Aggressivität der Gestaltung, sondern vielmehr im Wirtschaftsverkehr völlig üblich ist hingegen eine Regelung, wonach die Haftung für nicht vorhersehbare Gesetzesänderungen ausgeschlossen wird (hierzu sogleich unter (4)). 1078 Hierzu oben, S. 130. 1079 Der Grund, warum bei den Haftungsbeschränkungen eine Ausnahme für das Rechtsänderungsrisiko geboten, bei der erfolgsabhängigen Vergütung aber sinnwidrig ist (hierzu gerade eben unter (3)), ist dabei derselbe: Das Risiko unvorhergesehener Gesetzesänderungen wird im Rechtsverkehr sinnvollerweise vom Steuerpflichtigen getragen. Jede (teilweise) Übernahme dieses Risikos durch den Externen, sei es durch eine Reduzierung seiner Vergütung, sei es durch ein sonstiges Einstehen für das Ausbleiben des steuerlichen Vorteils, indiziert – zumindest aus der rechtspolitischen Perspektive – eine von den Parteien erkannte besondere Aggressivität der steuerlichen Gestaltung. Wenn überhaupt, so wäre bei Haftung für Rechtsänderungsrisiko somit vielmehr umgekehrt eine Anzeigepflicht dann sinnvoll, wenn die übliche Haftungsbeschränkung bewusst unterlassen wird. Die Abgrenzung zu Situationen, in denen die Parteien über die Haftungsregelung schlicht nicht nachdenken, wäre dann aber schwierig.
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Einzelaspekte
(5) Kriterium der Standardisierung Andere äußere Umstände deuten zwar nicht auf einen besonderen Innovationsgehalt hin, aber doch auf eine maßgeblich steuerliche Motivation der Gestaltung. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die britischen und irischen Fallgruppen der standardisierten Gestaltungen zu erwähnen, erfassen sie doch Gestaltungen, die nach der Systematik der Fallgruppen keinen besonderen Bezug zur Geschäftstätigkeit des Steuerpflichtigen haben können und deren Hauptzweck damit regelmäßig das Erzielen steuerlicher Vorteile ist.1080 bb) Anknüpfung an bestimmte Gestaltungsstrukturen (Gruppe 2) Während die eben erwähnten Fallgruppen an äußere Umstände anknüpfen, stellen andere Fallgruppen auf Missbrauch indizierende Strukturen der Gestaltung selbst ab. In diesem Zusammenhang finden sich insbesondere auch die oben erwähnten Elemente der allgemeinen Missbrauchsnorm. (1) Kriterium der Gegenläufigkeit Israel, Frankreich sowie Südafrika stellen auf Aspekte der Gegenläufigkeit ab – ein zentraler Gesichtspunkt von allgemeinen Missbrauchsnormen, die eine wirtschaftliche Betrachtungsweise verfolgen.1081 In Südafrika wird an das in der dortigen allgemeinen Missbrauchsnorm enthaltene Kriterium der sich gegenseitig saldierenden Zahlungen nicht nur der Sache, sondern auch der Rechtstechnik nach angeknüpft.1082 Die israelischen Regelungen beziehen sich auf einen Spezialfall der Begleichung und Wiederbegründung von Verbindlichkeiten.1083 Der französische Entwurf 2006 erfasst mehrstufige Gestaltungen, die sich auf Wertpapiere oder sonstige Vermögensgegenstände beziehen und dazu führen, dass sich der Steuerpflichtige am Ende wirtschaftlich wieder in der Ausgangsposition befindet.1084 Der Wirkung nach ähnlich bezieht sich eine andere französische Fallgruppe auf die Neutralisierung von Risiken durch Hedgingaktivitäten.1085 (2) Kriterium der kurzen Durchführungszeit Die an eine kurze Haltezeit bzw. eine kurze Durchführungszeit anknüpfenden Fallgruppen im US-System1086 sowie im französischen Entwurf von 20061087 ________________________ 1080 1081 1082 1083 1084 1085 1086 1087
Hierzu oben, S. 85 und S. 139. Zum Aspekt der Gegenläufigkeit im Rahmen von § 42 AO unten, S. 278. Hierzu oben, S. 117. Hierzu oben, S. 124. Vgl. lit. c der Kriterien der dritten Fallgruppe des Entwurfs von 2006, oben, S. 154. Vgl. lit. a der Kriterien der ersten Fallgruppe des Entwurfs von 2006, oben, S. 153. Hierzu oben, S. 24. Vgl. lit. d der Kriterien der ersten Fallgruppe des Entwurfs von 2006, oben, S. 153.
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beruhen offenbar auf der Vermutung, dass eine Gestaltung, die nach derart kurzer Zeit beendet ist, letztlich keine wirtschaftliche Substanz beinhalten kann. (3) Kriterium der Zwischenschaltung einer Auslandsgesellschaft Im Kontext des Verdachts auf mangelnde Substanz ist ebenso die israelische Fallgruppe zu sehen, nach der die wesentliche Beteiligung an einer Auslandsgesellschaft mit Sitz in einem Land, mit dem Israel ein Doppelbesteuerungsabkommen unterhält, anzeigepflichtig ist, wenn entweder mehr als die Hälfte des Einkommens der im Ausland ansässigen Gesellschaft in Israel erzielt wird oder sich mehr als die Hälfte des Betriebsvermögens in Israel befindet.1088 (4) Kriterium der negativen Totalüberschussprognose In Südafrika schließlich knüpft die Anzeigepflicht an das in vielen Ländern im Rahmen der (geschriebenen oder ungeschriebenen) allgemeinen Missbrauchsnorm behandelte Kriterium der (negativen oder nur gering positiven) Totalüberschussprognose an.1089 (5) Einbezug bestimmter Personengruppen als Missbrauchsindikator Auch die Beteiligung bestimmter Personengruppen kann Indikator für die Missbräuchlichkeit von Gestaltungen und damit geeigneter Anknüpfungspunkt für Anzeigepflichten sein. (a) Einbezug steuerbefreiter oder steuerbegünstigter Personen In einigen Ländern löst etwa der Einbezug steuerbefreiter oder steuerbegünstigter Personen die Anzeigepflicht aus, wenn sich hieraus ein steuerlicher Vorteil für andere an der Gestaltung Beteiligte ergibt.1090 Auch in den USA wurde die Beteiligung steuerbefreiter Personen als sog. accommodation parties von Seiten der Steuerverwaltung als Indikator missbräuchlicher Gestaltungen ausgemacht. Hier führt dies allerdings nicht (mehr1091) zu einer eigenständigen Fallgruppe, sondern vielmehr lediglich zu zusätzlichen Anzeigepflichten dieser Personen innerhalb der bereits bestehenden Fallgruppen.1092 ________________________ 1088 1089 1090 1091
Hierzu oben, S. 123. Hierzu oben, S. 118. So etwa in Portugal (hierzu oben, S. 129). Dazu, dass dieser Aspekt nach dem amerikanischen Anzeigepflichtsystem von 2000 zusammen mit weiteren Kriterien noch zur originären Anzeigepflicht führen konnte, oben, S. 9. 1092 Hierzu oben, S. 12 und 50.
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(b) Einbezug nahestehender Personen In Israel führt der Einbezug nahestehender Personen unter gewissen Umständen bei einem Schulderlass, bei Veräußerungsgeschäften sowie bei der Zahlung von Managementvergütungen zur Anzeigepflicht der betreffenden Gestaltung.1093 Noch allgemeiner ist das Kriterium des französischen Entwurfs von 2006, das darauf abstellt, ob die Gestaltung von Personen mit Interessenübereinstimmung durchgeführt wird.1094 (c) Einbezug von in Niedrigsteuerländern Ansässigen Mehrere Anzeigepflichtsysteme stellen daneben auf den Einbezug von Beteiligten in Niedrigsteuerländern ab. Die Bestimmung, wann eine derart niedrige Besteuerung vorliegt, orientiert sich dabei zum Teil an relativen Grenzwerten,1095 zum Teil an absoluten Grenzwerten1096 und zum Teil an Listen von Steueroasen, die von der Finanzverwaltung erstellt werden.1097 In Frankreich werden derartigen Niedrigsteuerländern Länder gleichgestellt, mit denen kein eine Amtshilfeklausel enthaltendes Doppelbesteuerungsabkommen besteht.1098 cc) Anknüpfung an bestimmte rechtliche Ergebnisse (Gruppe 3) Schließlich gibt es Fallgruppen, die an gewisse (erwartete oder bereits eingetretene) Ergebnisse der Gestaltung anknüpfen. Zum Teil wird das relevante Ergebnis an nur einem Maßstab bemessen (hierzu (1)), zum Teil ergibt sich die Anzeigepflicht aber auch aus dem Vergleich zweier unterschiedlicher Maßstäbe (hierzu (2)). (1) Ein einzelner relevanter Maßstab (a) Verlustgestaltungen Insbesondere Verlustgestaltungen knüpfen an ein bestimmtes Ergebnis der Gestaltung an. Die verschiedenen Länder haben dabei allerdings sehr unterschiedliche Modelle einer Verlustgestaltung vor Augen: Die amerikanischen ________________________ 1093 Hierzu oben, S. 123 f. 1094 Vgl. lit. d der Kriterien der dritten Fallgruppe des Entwurfs von 2006, oben, S. 154. 1095 Dabei erfolgt jeweils ein Vergleich der ausländischen Steuerbelastung mit der hypothetischen inländischen Steuerbelastung; nach südafrikanischem Recht liegt die Grenze bei 67 Prozent, in Portugal bei 60 Prozent und in Frankreich bei 50 Prozent der inländischen Steuerbelastung. 1096 So ist die wesentliche Beteiligung an Auslandsgesellschaften in Israel anzeigepflichtig, wenn die Gesellschaft im Ausland einem effektiven (Durchschnitts-)Steuersatz von weniger als 20 Prozent unterliegt. 1097 Dieser Ansatz ist in Portugal alternativ zu der oben beschriebenen relativen Grenze vorgesehen. 1098 Vgl. lit. b der Kriterien der ersten Fallgruppe des Entwurfs von 2006, oben, S. 153.
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und israelischen Regelungen sind auf Veräußerungsverluste bzw. Teilwertabschreibungen beschränkt.1099 Großbritannien und Kanada beziehen sich hingegen auf laufende Verluste aus einer Gestaltung, etwa aus Verlustzuweisungsgesellschaften.1100 Auch die Ansätze zur Ausgrenzung unproblematischer Verlustgestaltungen unterscheiden sich. Amerika und Israel setzen in ihren Regelungen hierzu betragsmäßige Mindestverlustgrenzen ein. Das kanadische System fragt danach, ob die steuerlichen Vorteile den sich aus der Gestaltung ergebenden wirtschaftlichen Verlust ausgleichen können. Großbritannien und Irland schließlich stellen abstrakt auf die Bedeutung der sich aus dem Verlust ergebenden steuerlichen Vorteile für die Gesamtgestaltung ab. (b) Verlustnutzungsgestaltungen Andere Fallgruppen knüpfen nicht an die Entstehung von Verlusten an, sondern an die durch die betreffende Gestaltung eröffnete Möglichkeit, bereits bestehende Verluste steuerlich zu nutzen. Völlig ohne Einschränkungen gilt dies in Portugal, wo jede Verlustnutzung zur Anzeigepflicht führt.1101 In Südafrika löst die Beteiligung von Personen, bei denen Einnahmen aus der betreffenden Gestaltung deswegen keiner (erheblichen) Besteuerung unterliegen, weil sie mit Verlusten dieser Person verrechnet werden können, die Anzeigepflicht aus.1102 In Israel sind einzeln benannte Geschäfte mit nahestehenden Personen dann anzeigepflichtig, wenn sie die Nutzung bestehender Verluste ermöglichen.1103 Auch ein Mantelkauf zur Verlustnutzung führt in Israel zur Anzeigepflicht.1104 In Frankreich schließlich enthielt der Entwurf von 2006 Kriterien, die darauf abstellen, ob die Gestaltung eine Verlustnutzung zu einem früheren Zeitpunkt oder bei einer anderen Person als ohne die betreffende Gestaltung ermöglicht.1105 Dem entsprechen auch die irischen Anknüpfungen, die sich allerdings auf die Verlustnutzung bei Körperschaftsteuerpflichtigen beschränken.1106
________________________ 1099 1100 1101 1102 1103 1104 1105 1106
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Hierzu oben, S. 20 bzw. S. 124. Hierzu oben, S. 61 ff. bzw. S. 86 f. Hierzu oben, S. 130. Hierzu oben, S. 117, dort im Rahmen der Anknüpfung an die allgemeine Missbrauchsnorm. Hierzu oben, S. 123 ff. Hierzu oben, S. 124. Vgl. lit. b und c der Kriterien der zweiten Fallgruppe des Entwurfs von 2006, oben, S. 154. Hierzu oben, S. 140.
Einzelaspekte
(2) Vergleich zweier Maßstäbe (a) Abweichungen zwischen handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Beurteilung Andere Fallgruppen knüpfen nicht an ein einzelnes Ergebnis der Gestaltung, sondern den Vergleich zweier Ergebnisse an. In den USA etwa war bis Anfang 2006 eine Fallgruppe vorgesehen, die auf die Abweichung zwischen handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Beurteilung abstellte.1107 In Südafrika ist dieser Aspekt seit 2008 Bestandteil des Anzeigepflichtsystems.1108 (b) Inkongruenzen zwischen verschiedenen Steuersystemen In anderen Fallgruppen wird auf Inkongruenzen zwischen verschiedenen Steuersystemen abgestellt. Alle sieben Kriterien des deutschen Entwurfs basierten auf dieser Methodik.1109 Vorläufer hierzu gab es in den USA nach den Regelungen von 20001110 sowie in Frankreich nach dem Entwurf von 20061111, wobei hier jeweils allgemein darauf abgestellt wurde, ob ein internationaler Qualifikationskonflikt jedweder Art vorliegt. Diese Fallgruppen erfordern eine Prüfung der steuerlichen Behandlung im Inland wie auch im Ausland. Insofern kann die Bestimmung der Anzeigepflicht für die Steuerpflichtigen ebenso wie für die Finanzverwaltung hier besonders aufwendig sein.1112 Ergeben sich die Auswirkungen der grenzüberschreitenden Gestaltung in beiden Steuersystemen bei demselben Steuerpflichtigen, so ist der auf Seiten des Steuerpflichtigen durch die Anzeigepflicht verursachte Aufwand jedoch insofern zu relativieren, als ohnehin auch für Zwecke der jeweiligen allgemeinen Steuererklärung die Lage in beiden Ländern geprüft werden muss.1113 Deutlicher Mehraufwand kann aber dann entstehen, wenn für die Anzeigepflicht die materiellrechtliche Behandlung bei einem ausländischen Beteiligten geprüft werden muss, die für die eigene Steuererklärung keine Bedeutung hat.1114 ________________________ 1107 1108 1109 1110
1111 1112
1113 1114
Hierzu oben, S. 21. Hierzu oben, S. 118. Hierzu oben, S. 158 f. Hierzu oben, S. 9; dort auch dazu, dass der IRS die Fallgruppe später aufhob, weil nach seiner Einschätzung mit ihr zu viele letztlich nicht missbräuchliche Gestaltungen erfasst wurden. Vgl. lit. c der Kriterien der ersten Fallgruppe des Entwurfs von 2006, oben, S. 153. Vgl. Scholz, Rechtsgutachterliche Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen (§ 138a AO), II. 2. b); allgemein zum durch die Anzeigepflicht verursachen Aufwand unten, S. 229. Dazu, dass als Vorfrage zur Erteilung von Sachverhaltsangaben in der Steuererklärung regelmäßig eine rechtliche Prüfung erforderlich ist, unten, S. 238. Dazu, dass nach in Deutschland bereits bestehenden Offenbarungspflichten Umstände bei Dritten ggf. in der Steuererklärung dargestellt werden müssen, unten, S. 240 ff.
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(c) Umqualifikation von Einkünften oder rechtlichen Kriterien An einem Vergleich zweier Maßstäbe sind auch diejenigen Fallgruppen ausgerichtet, die auf eine hypothetische oder tatsächlich Umqualifikation abstellen. Dieser Kategorie ist etwa die südafrikanische Fallgruppe der Hybridgestaltungen zuzuordnen. Hier hängt die Anzeigepflicht von der Prüfung einer bestimmten materiellrechtlichen Norm mit modifizierten Kriterien ab, nämlich davon, ob an einem 10-Jahres-Zeitraum anstelle des üblichen 3-Jahres-Zeitraums gemessen das betreffende Eigenkapitalinstrument in ein Fremdkapitalinstrument (oder umgekehrt) umzuqualifizieren wäre.1115 Hierzu gehört zudem die portugiesische Fallgruppe der Gestaltungen im Finanzierungs- oder Versicherungsbereich mit dem Risiko einer Umqualifizierung oder einer abweichenden personalen Zuordnung der Einkünfte.1116 Bei dieser Fallgruppe ist lediglich der Prüfungsmaßstab insofern modifiziert, als bereits das Risiko einer Umqualifizierung die Anzeigepflicht auslöst. Auf eine tatsächlich eingetretene Umqualifikation von Einkünften stellt schließlich das irische System von Anzeigepflichten ab.1117 dd) Kataloggestaltungen Eine Sonderrolle nehmen die Kataloggestaltungen des US-Rechts ein, die nicht an einzelne äußere Umstände, bestimmte Einzelstrukturen oder Erfolge anknüpfen, sondern vielmehr detailliert in ihrer genauen Struktur und Funktionsweise beschrieben werden.1118 Methodisch werden also nicht zur Gestaltung hinführende Kriterien bezeichnet, sondern die Gestaltung selbst. Eine Entsprechung in den anderen Ertragsteuersystemen findet sich nicht.1119 Zwar werden auch bei anderen Fallgruppen, etwa den Leasinggestaltungen nach britischem Recht1120 oder den Hybridgestaltungen in Südafrika1121 sehr detaillierte Kriterien verwendet. Es handelt sich aber dort weiterhin lediglich um Filterkriterien, nicht bereits eine Bezeichnung der Gestaltung selbst. ________________________ 1115 Hierzu oben, S. 116. 1116 Hierzu oben, S. 129; dort auch zur Problematik der mangelnden Bestimmtheit der Regelung. 1117 Hierzu oben, S. 141 f. 1118 Siehe zu den Fallgruppen der Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit (listed transactions) sowie der Kataloggestaltungen unter Beobachtung (transactions of interest) oben, S. 24 ff. 1119 Außerhalb der Ertragsteuersysteme gibt es allerdings eine Parallele, beinhaltet doch das britische Anzeigepflichtsystem zur Umsatzsteuer eine Fallgruppe von Kataloggestaltungen; hierzu oben, Fn. 428. 1120 Hierzu oben, S. 87. 1121 Hierzu oben, S. 116.
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c) Ausrichtung an den jeweiligen Funktionen Viele Fallgruppen können sowohl veranlagungsunterstützende als auch rechtspolitische Bedeutung haben. Das zeigt sich etwa an den Fallgruppen, die auf Elemente der allgemeinen Missbrauchsnorm abstellen. Für die veranlagungsunterstützende Funktion liegt die Bedeutung dieser Anknüpfung auf der Hand, ist eine (gründliche) Prüfung der Gestaltung bei potentiellem Missbrauch doch besonders zweckmäßig. Aber auch für die rechtspolitische Funktion kann diese Anknüpfung sinnvoll sein. Denn viele spezialgesetzliche Missbrauchsnormen ergehen gerade in Reaktion auf ein wahrgenommenes Versagen der Kriterien der allgemeinen Missbrauchsnorm.1122 Eindeutiger können hingegen etwa die Kataloggestaltungen des US-Rechts zugeordnet werden, also Gestaltungen, deren rechtliche Struktur der Finanzverwaltung bereits so detailliert bekannt ist, dass sie gerade in dieser Detailstruktur beschrieben werden können.1123 Rechtspolitisch sind aus Anzeigen dieser Gestaltungen gewonnene Erkenntnisse bestenfalls für ein gesteigertes Verständnis der Verbreitung der Gestaltung relevant. Besondere Bedeutung haben Kataloggestaltungen, die die Finanzverwaltung als missbräuchlich einstuft, aber bei der Feinsteuerung der Prüfung. Auch eignen sich Kataloggestaltungen zur zielgenauen Abschreckung.1124 Bei konsequenter Ausrichtung auf die rechtspolitische Funktion böten sich Fallgruppen an, die allein auf die Neuheit und den Innovationsgehalt der Gestaltungen abstellen.1125 Derartige Filter sind aber rar. Aus den untersuchten Systemen erfassen lediglich manche derjenigen Kriterien, die an äußere Umstände der Gestaltung anknüpfen, ausschließlich oder zumindest typischerweise neu entwickelte Gestaltungen (insbesondere das Kriterium der Vertraulichkeit, aber auch die Kriterien der außergewöhnlich hohen Vergütung, der erfolgsabhängigen Vergütung und der Haftungsbeschränkung).1126 Vorteil dieser Kriterien ist zum einen, dass sie auf innovative Gestaltungen fokussiert sind und damit Aufwand bei allen Beteiligten durch die Anzeige bereits länger bekannter Gestaltungen vermeiden helfen. Zudem bieten diese Kriterien durch das Fehlen weiterer inhaltlicher Beschränkungen Gewähr dafür, dass auch solche Gestaltungen erfasst sind, die gerade nicht die typischen abstrakten Strukturen (Gegenläufigkeit, etc.) oder die typischen steuerlichen Erfolge ________________________
1122 Siehe zu dem Problem, das sich hierdurch wiederum für die Anwendung der allgemeinen Missbrauchsnorm ergeben kann, unten, ab S. 302. 1123 Hierzu oben, S. 200. 1124 Dazu, dass auch bei zielgenauem Anwendungsbereich eine Abschreckung durch das Anzeigepflichtsystem nicht wünschenswert ist, aber unten, S. 323 ff. 1125 In diese Richtung auch Wassermeyer, Verfahrensrechtliche Fragen des § 138a AOEntwurfs, A. 1126 Hierzu oben, S. 191 f.; dort aber zu dem bei diesen Fallgruppen bestehenden Dilemma der Entscheidung zwischen hypothetischer und an Tatsachen ausgerichteter Prüfung.
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(steuerliche Verluste, etc.) rechtspolitisch unerwünschter Gestaltungen aufweisen.1127
II. Steuerlicher Vorteil 1. Vorkommen des Merkmals Fast alle untersuchten Regelungen setzen für die Anzeigepflicht zusätzlich voraus, dass die betreffende Gestaltung zu einem steuerlichen Vorteil führt. Meist ist das Tatbestandsmerkmal des steuerlichen Vorteils dabei als allgemeine Voraussetzung vor die Klammer der jeweiligen Fallgruppen gezogen.1128 Zum Teil findet sich das Merkmal eines steuerlichen Vorteils aber auch in der Definition der jeweiligen Fallgruppe selbst wieder.1129 Lediglich nach dem französischen Entwurf von 2006 sowie der früheren US-Fallgruppe des wesentlichen Abweichens zwischen steuerlicher und handelsrechtlicher Behandlung kann es zur Anzeigepflicht selbst dann kommen, wenn die Gestaltung für die betroffenen Steuerpflichtigen zu keinem Steuervorteil führt.1130 Die generelle Voraussetzung eines durch die Gestaltung vermittelten steuerlichen Vorteils erscheint zweckmäßig, um unproblematische Gestaltungen von vornherein von der Anzeigepflicht auszunehmen. Denn Gestaltungen, die für die Beteiligten keinen steuerlichen Vorteil zur Folge haben, sind regelmäßig weder unter rechtspolitischen noch veranlagungsunterstützenden Gesichtspunkten relevant. 2. Grundsätzliche Bedeutung des Merkmals Der Begriff des Steuervorteils wird in den Ländern, die ihn abstrakt beschreiben, sehr weit definiert im Sinne jeden Vermeidens oder Verschiebens einer Steuerbelastung sowie jeder Entstehung eines Steuererstattungs- oder Steuer________________________ 1127 Zu den Problemen der Handhabbarkeit dieser Kriterien aber oben, S. 191 ff. 1128 So ist dies bei den britischen, den südafrikanischen, den portugiesischen und den irischen Regelungen, dem ersten französischen Entwurf aus dem Jahr 2005 sowie dem deutschen Entwurf der Fall. 1129 Dies ist der Ansatz in Israel (konkrete Vorteile der Reduzierung der Steuerlast, Ermöglichung des Verlustabzugs, etc.), Kanada (steuerliche Vorteile sind Tatbestandsmerkmal der Definition eines tax shelter) und Teilen der amerikanischen Regelungen (vgl. etwa die Fallgruppen der Verlustgestaltungen oder der Gestaltungen mit kurzer Haltezeit von Vermögensgegenständen). 1130 Zwar stellt die zweite Fallgruppe des französischen Entwurfs von 2006 auf verschiedene Steuervorteile ab; es ist nach diesem Entwurf aber auch denkbar, dass die Anzeigepflicht allein auf der Kumulation zweier Kriterien der ersten oder zweier Kriterien der dritten Fallgruppe beruht (hierzu oben, S. 153 f.); in diesen Fällen bestünde die Anzeigepflicht dann auch ohne steuerlichen Vorteil für die Beteiligten.
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anrechungsanspruchs.1131 Damit ist aber ein nicht absolut, sondern nur in Relation auf einen Vergleichsmaßstab bestimmbares Kriterium bezeichnet, ohne dass der Bezugspunkt des Vergleichs ausdrücklich festgelegt wäre. Aus Systematik, Sinn und Zweck sowie – jedenfalls im Fall des deutschen Entwurfs von 20071132 – dem Wortlaut der Regelungen ergibt sich aber, dass der Bezugspunkt nur in der steuerlichen Lage ohne die Gestaltung, im status quo sine, liegen kann. Es ist also nicht etwa mit einem gesetzgeberisch intendierten Idealzustand, sondern schlicht mit der Lage ohne die gewählte Gestaltung zu vergleichen. 3. Einzelne Problembereiche bei der Ausgestaltung Wenn aber mit der Lage ohne die gewählte Gestaltung verglichen werden muss, so ist genau zu bestimmen, wo die Grenzen dieser Gestaltung liegen. Dies kann dann schwierig sein, wenn der sachliche Anwendungsbereich nicht schon gegenständlich beschrieben ist (wie etwa bei einem hybriden Finanzprodukt), sondern lediglich an einzelne Elemente anknüpft, die in verschiedensten Sachverhalten vorkommen können (etwa der Einbezug einer steuerbefreiten Person). Hier ist dann für die Prüfung des steuerlichen Vorteils präzise auf die Auswirkungen genau dieses die Anzeigepflicht auslösenden Elements abzustellen. Allein die Tatsache, dass der Lebenssachverhalt als solcher zu einer steuerlichen Belastung führt (etwa weil trotz Einbezug der steuerbefreiten Person noch eine steuerliche Belastung anfällt), darf nicht zu der Annahme verleiten, auch das darin enthaltene Element habe keinen steuerlichen Vorteil zur Folge (etwa indem die sonst eintretende Steuerbelastung gemindert wird). Insbesondere bei Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Funktion ist zudem Folgendes zu bedenken: Sollen Gestaltungen erfasst werden, bei denen ein besonderes Bedürfnis zur Überprüfung im konkreten Fall besteht, so wird dieses Ziel nicht erreicht, wenn lediglich daran angeknüpft wird, ob die Gestaltung einen steuerlichen Vorteil zur tatsächlichen Folge hat. Nach dieser Formulierung wären nämlich diejenigen Gestaltungen ausgeschlossen, bei denen bei zutreffender Rechtsanwendung der von den Steuerpflichtigen intendierte Steuervorteil nicht entstünde. Gerade diese Gestaltungen sollen im ________________________ 1131 So etwa für das britische Recht ausdrücklich die Definition des tax advantage in § 318 Abs. 1 FA2004 (hierzu oben, Fn. 437); für den deutschen Entwurf ergibt sich Selbiges aus der Aufzählung in § 138a Abs. 2 a. E. AO-E, auch wenn diese nicht ausdrücklich eine Legaldefinition für den in § 138a Abs. 3 AO-E – dort allerdings nur in der Rechtsfolge – verwendeten Begriff des „Steuervorteils“ darstellt; für Südafrika siehe oben, Fn. 632; für Irland siehe oben, S. 137. 1132 § 138a Abs. 2 AO-E: „Eine Steuergestaltung liegt vor, wenn [eines der in den Fallgruppen beschriebenen Gestaltungsmerkmale vorliegt] und dadurch Steuern […] vermieden […] werden.“ [Hervorhebung durch den Verfasser].
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Rahmen der veranlagungsunterstützenden Funktion aber erfasst werden. Richtigerweise ist das Merkmal des Vorliegens eines steuerlichen Vorteils daher um den Zusatz zu ergänzen, dass auch die Absicht, einen solchen Vorteil zu erzielen, genügt.1133 Bei Anzeigepflicht (auch) der Steuerpflichtigen müsste der personale Bezug des steuerlichen Vorteils klargestellt werden. Es wäre jedenfalls in einem System mit rechtspolitischer Funktion zweckmäßig, hier auch Vorteile, die sich bei anderen Personen ergeben, zu erfassen, solange der betreffende Steuerpflichtige zumindest wirtschaftlich von diesen profitiert.1134 Eine besondere Problematik ergibt sich schließlich bei grenzüberschreitenden Arbitragegestaltungen. Manche Länder sehen hier vor, dass die Beurteilung, ob die Gestaltung einen Steuervorteil zur Folge hat, allein nach dem eigenen nationalen Steuersystem zu erfolgen hat.1135 Diese Beschränkung ist abzulehnen. Vielmehr muss der Steuervorteil gerade in einer Gesamtschau der Steuerlast auf in- und ausländischer Seite ermittelt werden. Dies ergibt sich zum einen aus Gründen der Zweckmäßigkeit. Denn allein die Verringerung der inländischen Steuerbelastung im Vergleich zu einem rein inländischen Sachverhalt kann kein Indikator für eine missbräuchliche oder rechtspolitisch unerwünschte Gestaltung sein. Sie ist vielmehr häufig lediglich Folge des grenzüberschreitenden Bezugs. Ein mögliches „Steuerschlupfloch“ ergibt sich hieraus erst, wenn der Vorteil im Inland nicht durch einen steuerlichen Nachteil im ausländischen System kompensiert wird. Diese Gesamtschau ist auch europarechtlich geboten, stellt eine derartige grenzüberschreitende Kohärenzprüfung doch den einzigen realistischen Ansatz zur grundfreiheitlichen Rechtfertigung von gesetzgeberischem Vorgehen gegen grenzüberschreitende ________________________ 1133 Hier könnten etwa der französische Entwurf von 2005 („ayant […] pour objet ou conséquence“), die südafrikanischen Regelungen („if any tax benefit is or will be derived or is assumed to be derived“; vgl. § 80M Abs. 1 a. A. ITA 1962) oder die irischen Regelungen („enables, or might be expected to enable, any person to obtain a tax advantage“; vgl. § 817D (1) „disclosable transaction“ (ii) Taxes Consolidation Act) Pate stehen; beispielsweise § 138a Abs. 2 a. E. AO-E mangelte es aber an diesem Zusatz; hier wäre eine Ergänzung des „vermieden [bzw. …] begründet werden“ auf ein „vermieden [bzw. …] begründet werden oder werden sollen“ zu empfehlen gewesen. 1134 Die Berücksichtigung von Steuervorteilen bei einem anderen wäre dem deutschen Steuerrecht auch nicht fremd; in diesem Sinne etwa bereits AEAO zu § 42 AO, Tz. 2.3, S. 2 ff., jedenfalls in Bezug auf dem Steuerpflichtigen nahestehende Personen. 1135 Hier ist namentlich Portugal zu nennen, das sich ausdrücklich gegen den Einbezug von Vor- oder Nachteilen ausländischer Steuersysteme verwahrt (hierzu oben, Fn. 729).
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Steuerarbitrage dar.1136 In diesem Zusammenhang wäre schließlich die – im deutschen Entwurf enthaltene1137 – Klarstellung empfehlenswert, dass bloße Steuersatzunterschiede im In- und Ausland einen steuerlichen Vorteil nicht zu begründen vermögen. 4. Einschränkungen des Merkmals In mehreren Ländern wird das Merkmal des Steuervorteils dergestalt eingeschränkt, dass nur bestimmte, wesentliche Steuervorteile die Anzeigepflicht auslösen. Der deutsche Entwurf stellte unter den Regelungen, die grundsätzlich auf einen steuerlichen Vorteil abstellen, insofern eine Ausnahme dar, als er keinerlei derartig beschränkende Anforderung enthielt. Im Grundsatz wäre eine solche Beschränkung zu begrüßen. Denn ergibt sich aus einer Gestaltung ein nur unwesentlicher steuerlicher Vorteil, so liegen weder Steuermissbrauch noch aggressive Steuerplanung nahe; die fiskalische Bedeutung einer solchen Gestaltung ist begrenzt. Als problematisch erweist sich allerdings die konkrete Umsetzung dieser im theoretischen Ansatz sinnvollen Beschränkung. a) Subjektive Wesentlichkeit des Steuervorteils Zum Teil wird auf die Wesentlichkeit des Steuervorteils nach einem subjektiven Maßstab abgestellt.1138 Es ist aber fraglich, wie ein derart offenes subjektives Kriterium handhabbar sein soll.1139 Präzise anwendbar ist dieser Maßstab nur dann, wenn einfache Anhaltspunkte zur Intention der Beteiligten vorliegen, wie etwa bei einer Prognose von steuerlichen und außersteuerlichen Erträgen in Werbeunterlagen zu einer Gestaltung. Im Übrigen lassen sich derartige subjektive Kriterien in der Praxis aber wohl regelmäßig nur mittels ausfüllender objektiver Maßstäbe handhabbar machen.1140 ________________________ 1136 Zu den Problemen auch mit diesem Rechtfertigungsgrund ausführlicher unten, ab S. 312 ff. 1137 Vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 9, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 77. 1138 So etwa Portugal („ausschließliches oder vornehmliches Ziel“; siehe oben, zu Fn. 728) sowie der französische Entwurf von 2005 zumindest als eines von zwei Kriterien („wesentliches Ziel oder wesentliche Folge der Gestaltung“; siehe oben, S. 149); ebenso die US-Regelungen von 1997 (hierzu oben, S. 6); ohne Anhaltspunkt, ob die Kriterien subjektiv oder objektiv zu prüfen sind, hingegen Südafrika („der zentrale oder zumindest ein wesentlicher Vorteil“; siehe oben, Fn. 633). 1139 Zu den Problemen bei vergleichbaren Tatbestandsmerkmalen im US-Recht eindrücklich Giesselmann, 111 Tax Notes (2006), 1119. 1140 Hierzu Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 251 f.; dies zeigt auch die Erfahrung mit § 2b EStG a. F., der lediglich durch die an objektiven Umständen orientierten Regelbeispiele dazu, wann die „Erzielung eines steuerlichen Vorteils im Vordergrund steht“, (zumindest im Ansatz) handhabbar wurde.
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b) Wertmäßige Anforderungen an den Steuervorteil In anderen Ländern werden wertmäßige Mindestanforderungen an den Steuervorteil gestellt.1141 Dieser Ansatz gibt ein präzises Kriterium vor. Hier kann dann aber die Bezifferung des (intendierten) Steuervorteils zu Problemen führen. Bei progressiven Steuersätzen etwa hängt eine genaue Bezifferung vom Grenzsteuersatz in dem betreffenden Veranlagungszeitraum ab. Zudem können sich Probleme bei der Quantifizierung lediglich zeitlicher Vorteile ergeben.1142 Auch bei Gestaltungen, an denen mehrere Steuerpflichtige beteiligt sind, stößt dieses Kriterium häufig an seine Grenzen.1143 Schließlich ist auch im grenzüberschreitenden Kontext zweifelhaft, wie ein steuerlicher Vorteil korrekt beziffert werden soll.1144 Zudem ist fraglich, inwiefern mit diesem ausschließlich an der absoluten Größe des Steuervorteils ausgerichteten Kriterium die oben erwähnten Ziele überhaupt erreicht werden können. aa) Aussage zur Steuergetriebenheit einer Gestaltung So ist zu beachten, dass die rechnerische Höhe des (intendierten) Steuervorteils nur bedingt etwas dazu aussagt, wie wichtig dieser Vorteil für die Gestaltung und damit wie steuergetrieben die Gestaltung ist.1145 Bei Gestaltungen ________________________ 1141 So war dies in den USA nach den Regelungen von 2000 der Fall (Mindestgrenzen für Steuervorteile zwischen 1 und 10 Millionen US$; siehe oben, Fn. 39); nunmehr auch in Südafrika (Mindestgrenze von 1 Million Rand, also derzeit etwa 100.000 €; siehe oben, Fn. 634); seit dem Tax Administration Act 2011 hat die Höhe des Steuervorteils zudem auch unmittelbare Auswirkungen auf die Maximalbußgeldandrohung (hierzu oben, S. 121); Frankreich hatte im Entwurf von 2005 eine Mindestgrenze von 100.000 € für den Steuervorteil bei in house entwickelte Gestaltungen vorgesehen (hierzu oben, S. 150 f.). 1142 Mit dem Nominalbetrag der zeitlich verschobenen Belastung oder Begünstigung kann diese jedenfalls nicht in die Berechnung eingestellt werden; gleichzeitig sind mathematische Verfahren wie Abzinsungen sowohl mit größerem Aufwand als auch mit Unwägbarkeiten, etwa bei der Auswahl eines zutreffenden Zinssatzes, verbunden. 1143 Um eine verwertbare Aussage zu der Gestaltung als solcher zu ermöglichen, müssten die steuerlichen Vorteile aller Beteiligten zusammengerechnet werden; dies setzte allerdings nicht nur Kenntnis des implementierenden Nutzerkreises, sondern auch des jeweiligen sich bei den einzelnen Nutzern ergebenen Vorteils voraus; diese Informationen werden einem Externen allenfalls bei bestimmten Anlagemodellen, etwa Verlustzuweisungsgesellschaften mit begrenztem Teilnehmerkreis, möglich sein; ein gewisser Indikator für die fiskalische Bedeutung kann in solchen Fällen das vom Externen erhaltene Entgelt sein (zu diesem Kriterium und der damit verbundenen Problematik unten, S. 215). 1144 Etwa sich aus Unterschieden in den Steuersätzen im In- und Ausland ergebende rechnerische Vorteile können kein Indikator für problematische Gestaltungen sein (siehe hierzu bereits oben, S. 205 f.). 1145 Vgl. oben, Fn. 865, zu abweichenden Überlegungen des französischen Gesetzgebers.
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mit besonders hoher Investitionssumme ist es etwa möglich, dass ein Steuervorteil zwar die Grenzwerte überschreitet, im Vergleich zu den außersteuerlichen Vorteilen aber dennoch nicht ins Gewicht fällt. bb) Aussage zur fiskalischen Bedeutung der Gestaltung Relevanz kann dieses Kriterium zwar grundsätzlich für die Bestimmung der fiskalischen Bedeutung der Gestaltung haben, sind doch die Höhe des steuerlichen Vorteils für den Steuerpflichtigen und die Bedeutung für den betroffenen Fiskus Kehrseiten derselben Medaille. Dies gilt allerdings nur für die veranlagungsunterstützende Funktion, die eine bei einem Steuerpflichtigen umgesetzte Gestaltung im Blick hat. Selbst wenn die steuerlichen Vorteile aller Beteiligter aus einer konkret vorliegenden Gestaltung treffsicher bestimmt werden können, erlaubt dies hingegen noch keine verwertbare Aussage zur fiskalischen Bedeutung aus rechtspolitischer Sicht. Denn der einer Gestaltung zugrunde liegende Gedanke, etwa die Nutzung einer bestimmten gesetzlichen „Lücke“, kann regelmäßig ohne Weiteres in ähnlicher oder abgewandelter Form in anderen Gestaltungen genutzt werden. Die fiskalische Bedeutung kann damit letztlich nur im Rahmen einer Prognoseentscheidung, nicht aber einer Quantifizierung der Vorteile aktuell umgesetzter Gestaltungen beurteilt werden. c) Relative Wesentlichkeit nach objektiven Gesichtspunkten Am ehesten eignet sich demnach der unter anderem von Großbritannien und Irland favorisierte Ansatz, die Wesentlichkeit des steuerlichen Vorteils nach objektiven Gesichtspunkten, aber ohne Vorgabe absoluter Beträge zu bestimmen.1146 Ein objektiver Vergleich von steuerlichen und außersteuerlichen Vorteilen ist unabhängig von den Nachweisproblemen bei subjektiven Kriterien. Das Verhältnis der Vorteile zueinander wird zudem wohl bereits bei überschlagsmäßiger Betrachtung häufig eindeutig ausfallen; die dargestellten Probleme bei der Bezifferung des Steuervorteils sind damit weniger drängend.1147 Obgleich auch dieser Ansatz in seiner Handhabung nicht völlig un________________________ 1146 Das Kriterium „der oder zumindest einer der wesentlichen Vorteile“ ist in Großbritannien und Irland ausdrücklich objektiv zu prüfen (hierzu oben, S. 79 bzw. S. 137); dazu, dass der französische Entwurf auch einen objektiven Maßstab enthält und die südafrikanischen Regelungen insofern auslegungsoffen sind, oben, Fn. 1138. 1147 Beispielsweise muss ein potentiell Anzeigepflichtiger dann keine Kenntnis über die anderen an der Gestaltung Beteiligten und deren Umstände haben, wenn jedenfalls davon ausgegangen werden kann, dass sich das Verhältnis von steuerlichen und nichtsteuerlichen Vorteilen bei ihnen ähnlich wie beim potentiell Anzeigepflichtigen gestaltet.
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problematisch ist,1148 bietet sich seine Übernahme doch an, um zumindest diejenigen Gestaltungen von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Anzeigepflichten auszuschließen, bei denen der steuerliche Vorteil offensichtlich nur unwesentlich ist.
III. Problematik des angemessenen sachlichen Anwendungsbereichs Der Umfang des sachlichen Anwendungsbereichs wird letztlich immer unbefriedigend sein.1149 Eine passgenaue Erfassung nur derjenigen Gestaltungen, die tatsächlich mit geltendem Recht nicht in Einklang stehen (bei der veranlagungsunterstützenden Funktion) oder rechtspolitisch unerwünscht sind (bei der rechtspolitischen Funktion), wird kaum gelingen. Die Erkenntnis derartiger Gestaltungen ist vielmehr regelmäßig erst Ergebnis der durch die Anzeige ermöglichten Prüfung. Der sachliche Anwendungsbereich hat demnach eine Filterfunktion. Er sieht die Anzeigepflicht denklogisch auch bei Gestaltungen vor, die letztlich unproblematisch sind.1150 Anders ist dies lediglich dann, wenn eine Fallgruppe anzeigepflichtiger Gestaltungen gar nicht mehr auf ein Ausfiltern der letztlich intendierten Gestaltungen ausgerichtet ist, sondern diese Gestaltungen bereits unmittelbar bezeichnet. Dies ist in den untersuchten Anzeigepflichtsystemen jedoch lediglich bei den Kataloggestaltungen des USRechts der Fall.1151 Auch aus Sicht des Fiskus darf der sachliche Anwendungsbereich aber nicht allzu deutlich über die wirklich relevanten Gestaltungen hinausgehen. Zu viele Anzeigen letztlich unproblematischer Gestaltungen binden nämlich die personellen Mittel der Verwaltung und lenken von den tatsächlich problematischen Gestaltungen ab. Jedenfalls im Kontext der US-Regelungen wird zum Teil beklagt, dass zu viele Anzeigen eingehen (over-disclosure).1152 Genaue ________________________ 1148 Kritisch etwa Freedman, British Tax Review 2004, 332, 349 f.; der HMRC sowie die irische Steuerverwaltung gehen hingegen davon aus, dass die Frage der objektiven Bedeutung des Steuervorteils für die betreffende Gestaltung in der Praxis in aller Regel eindeutig beurteilt werden kann (vgl. für Großbritannien Guidance 2012, Tz. 6.3, sowie für Irland Guidance 2011, Tz. 2.2.6). 1149 Vgl. Harvard Law Review Association, 117 Harvard Law Review (2004), 2249, 2268: „[T]he tension between overinclusion and underinclusion is unmanageable.“ 1150 Vgl. etwa ausdrücklich der HMRC in Guidance 2012, Tz. 2.3.2 und 7.1; ebenso das irische Finanzministerium in Guidance 2011, Tz. 1.5 und 4.2, sowie Stellungnahme des irischen Finanzministers v. 19.1.2011 zur Einführung von SI 7/2011, abrufbar unter www.finance.gov.ie/viewdoc.asp?DocID=6650; hierzu auch Schler, 109 Tax Notes (2005), 915, 917, sowie Beeman, 58 National Tax Journal (2005), 449, 454. 1151 Hierzu oben, S. 200. 1152 Hierzu etwa Stratton, 115 Tax Notes (2007), 20, 20; ausführlich Blank, 56 UCLA Law Review (2009), 1629.
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Zahlen werden zu den US-Regelungen allerdings nicht veröffentlicht.1153 Over-disclosure kann sich dabei nicht nur aus einem zu weiten sachlichen Anwendungsbereich, sondern auch daraus ergeben, dass Steuerpflichtige und Externe bei unklarer Anzeigepflicht in Anbetracht der drohenden Sanktionen sicherheitshalber eine Anzeige abgeben.1154 Zudem besteht die Befürchtung, dass over-disclosure bewusst herbeigeführt wird, um dem Fiskus die Möglichkeit zu nehmen, die wirklich relevanten Gestaltungen zu erkennen.1155 Offen kommuniziert hingegen der HMRC die Anzahl der durch das britische System erlangten Anzeigen. Danach ist eine Problematik von over-disclosure in Großbritannien nicht zu erkennen. In den siebenundeinhalb Jahren von Einführung der Regelungen im Jahr 2004 bis März 2012 sind insgesamt im Ertragsteuerrecht 1.368 Gestaltungen, also lediglich knapp 200 Gestaltungen pro Jahr, angezeigt worden.1156 Verglichen mit der Schätzung, dass gut 20 Steuergesetzänderungen im Jahr auf Informationen aus diesen Anzeigen beruhen,1157 ________________________ 1153 Vgl. dazu, dass die tatsächlichen Auswirkungen damit letztlich nicht abgeschätzt werden können, Pearlman, 55 Tax Law Review (2002), 289, 297, sowie Stratton, 115 Tax Notes (2007), 20, 20; etwa im kalifornischen Anzeigepflichtsystem, das dem System auf Bundesebene nachgebildet ist (hierzu oben, Fn. 69), wurden allein zwischen 2003 und 2005 aber etwa 50.000 Anzeigen, zusammen mit den Namen von 15.000 beteiligten Steuerpflichtigen, eingereicht (vgl. Ibele/Vasché, 39 State Tax Notes (2006), 781, 788); im Bundesstaat New York sind in den Jahren 2005 und 2006 insgesamt über 28.000 Anzeigen eingegangen (vgl. Blank, 56 UCLA Law Review (2009), 1629, 1643). 1154 Hierzu oben, S. 69, etwa für Kanada. 1155 Vgl. hierzu Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 230 und 246; Schler, 55 Tax Law Review (2002), 325, 364; Schizer, 59 Tax Law Review (2006), 331, 369 f.; sowie Blank, 56 UCLA Law Review (2009), 1629, 1665 ff.; zur fehlenden Sanktionierung dieses Verhaltens gerade auch deswegen, weil unklar ist, ob es sich um bewusste over-disclosure handelt, unten, S. 224. 1156 Vgl. die im Internet unter www.hmrc.gov.uk/avoidance/statsMarch12.pdf abrufbare Statistik v. 31.3.2012; ist der Anzeige durch die Steuerpflichtigen selbst nachzukommen und erfolgt eine Anzeige derselben Gestaltung durch mehrere Steuerpflichtige, so wurde diese hier nur einmal gezählt (vgl. die Erläuterungen zur Statistik, abrufbar unter www.hmrc.gov.uk/avoidance/avoidance-disclosure-statistics.htm); der Pflicht zum Hinweis auf eine bereits angezeigte Gestaltung mittels Angabe der Registriernummer in der Steuererklärung wurde im Jahr 2007 zwischen 5.000 und 6.000 Mal nachgekommen (vgl. HMRC Responses to the Consultation Document „The Tax Avoidance Disclosure Regime: Improving the Scheme Reference Number System“, v. 28.5.2008, S. 15); aus anderen ausgewerteten Steuererklärungen ergebe sich aber, dass bei anzeigepflichtigen Gestaltungen häufig entweder bereits die Anzeige unterlassen oder aber die Registriernummer nicht in der Steuererklärung angegeben werde (vgl. HMRC Response, a. a. O.). 1157 Hierzu oben, S. 182 f.
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bedeutet dies, dass jede zehnte angezeigte Gestaltung tatsächlich in eine Gesetzesänderung mündete.
B. Persönlicher Anwendungsbereich I. Anzeigepflichtige Personengruppen 1. Anzeigepflicht sowohl Externer als auch der Steuerpflichtigen In den meisten Anzeigepflichtsystemen können letztlich sowohl Externe als auch die Steuerpflichtigen selbst anzeigepflichtig sein. Unterschiede gibt es allerdings in Bezug auf das Verhältnis der Anzeigepflicht zwischen diesen Gruppen. a) Gleichrangige Anzeigepflicht beider Gruppen Das amerikanische System kennt als einziges eine parallele Anzeigepflicht von Externen einerseits und den Steuerpflichtigen andererseits.1158 Der Vorteil der Doppelung der Anzeigepflichten wird dabei vor allem darin gesehen, dass es eine wechselseitige Kontrollmöglichkeit gibt und damit ein stärkerer Anreiz besteht, den Anzeigepflichten nachzukommen.1159 Ob allein dieser Vorteil den durch eine doppelte Anzeige verursachten Aufwand rechtfertigen kann, ist allerdings fraglich.1160 Wie oben erwähnt, hatte die Einführung der Anzeigepflicht für Steuerpflichtige im Jahr 2000 zunächst auch lediglich den Zweck, in house entwickelte Gestaltungen, also solche, bei denen eine Anzeige sonst nicht erfolgt wäre, zu erfassen.1161 b) Subsidiäre Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen Zweckmäßiger sind demgegenüber im Grundsatz die Regelungen in einer Reihe von Ländern, wonach zunächst nur Externe anzeigepflichtig sind und Steuerpflichtige nur im Ausnahmefall subsidiär eine Anzeige abgeben müssen. ________________________
1158 Die Vollwertigkeit der Anzeige der Steuerpflichtigen zeigt sich unter anderem daran, dass auch die erstmalige Anzeige der Steuerpflichtigen nicht nur gegenüber dem veranlagenden Finanzamt, sondern ebenso dem zentral für die Auswertung der Anzeigen zuständigen OTSA vorzulegen ist (hierzu oben, S. 48 f.). Eine Registriernummer wird allerdings lediglich bei der Anzeige von Externen zugeteilt; dies ist auch insofern konsequent, als bei der Anzeige durch Steuerpflichtige ohnehin entweder bereits auf die Anzeige des Externen hin eine Registriernummer zugeteilt wurde oder – bei einer vom Steuerpflichtigen selbst entwickelten Gestaltung – eine Zuordnung weiterer Erklärungen mittels Registriernummer von vornherein nicht erforderlich ist. 1159 Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 250. 1160 Kritisch auch Granwell/McGonigle, British Tax Review 2006, 170, 173 („redundant by design“). 1161 Hierzu oben, S. 8.
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Eine subsidiäre Anzeigepflicht wird in Großbritannien, Südafrika, Portugal und Irland dabei aber nicht nur dann angenommen, wenn es für die Gestaltung keinen Promotor gibt, also bei in house entwickelten Gestaltungen. Vielmehr sind Steuerpflichtige auch dann anzeigepflichtig, wenn der Promotor im Ausland ansässig ist.1162 Auch die früheren US-Regelungen enthielten eine subsidiäre Anzeigepflicht bei im Ausland ansässigen Externen.1163 Frankreich sah in seinem Entwurf von 2005 noch weitergehend eine subsidiäre Anzeigepflicht nicht nur für die Fälle vor, in denen es keinen (inländischen) Promotor gibt, sondern immer dann, wenn der Promotor seiner Anzeigepflicht, aus welchem Grund auch immer, nicht nachkommt.1164 Die subsidiäre Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen bei Konflikt mit dem anwaltlichen Berufsgeheimnis ist daneben eine britische und irische Besonderheit.1165 Der deutsche Entwurf sah zwar grundsätzlich eine subsidiäre Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen für in house-Gestaltungen vor. Allerdings waren die Anforderungen hieran dermaßen missglückt, dass die tatsächliche Anzeigepflicht bei in house-Gestaltungen fraglich gewesen wäre.1166 c) Erleichterungen gegenüber der Anzeigepflicht Externer Wenn die Steuerpflichtigen subsidiär anzeigepflichtig sind, sind die Anforderungen an die Anzeigepflicht häufig gegenüber denjenigen bei Externen zurückgenommen. So sind etwa manche Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen ausdrücklich oder der Sache nach nur bei Externen anwendbar.1167 Auch besteht die subsidiäre Anzeigepflicht zum Teil nur bei zusätzlichen Vor________________________ 1162 Zu der damit verbundenen europarechtlichen Problematik unten, S. 370 ff.; die im Ausland ansässigen Promotoren werden – außer in Portugal – nicht etwa von ihrer Anzeigepflicht befreit; die Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen tritt also neben diese; in Großbritannien ist der Steuerpflichtige aber von seiner Pflicht entbunden, wenn der im Ausland ansässige Promotor seiner Verpflichtung nachkommt (hierzu oben, S. 102, auch zur geringen Abhilfe durch dieses Kriterium); in Südafrika befreit die Zusicherung des Promotors, die Anzeige sei bereits erfolgt, den Steuerpflichtigen von seiner Anzeigepflicht (hierzu oben, S. 119). 1163 Die Anzeigepflicht war hier insofern sogar noch weitergehend, als sie nicht nur diejenigen Steuerpflichtigen erfasste, die sich tatsächlich an den Gestaltungen beteiligten; andererseits griff sie nur dann ein, wenn der im Ausland ansässige Promotor der Anzeigepflicht tatsächlich nicht nachkam (hierzu oben, Fn. 45). 1164 Die durch einen ausländischen Promotor unterlassene Anzeige sollte hierfür nur ein mögliches Anwendungsbeispiel sein (hierzu oben, S. 151; dort auch zur erwarteten Folge häufiger doppelter Anzeigen). 1165 Hierzu oben, S. 103 ff. bzw. 145 f. 1166 Hierzu oben, S. 163 f. 1167 Hierzu etwa im Rahmen des britischen Systems oben, S. 100 ff.
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aussetzungen.1168 Zudem wird die Anzeigepflicht teilweise auf bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen beschränkt.1169 Schließlich sind die inhaltlichen Anforderungen der subsidiären Anzeigepflicht nicht selten gegenüber den Pflichten der Externen reduziert.1170 2. Anzeigepflicht ausschließlich Externer Die älteren Anzeigepflichtsysteme sahen bzw. sehen eine Anzeigepflicht lediglich bei Externen vor. So ist dies – jedenfalls nach traditionellem Verständnis – bei den 1989 eingeführten kanadischen Regelungen.1171 Auch die ursprünglichen amerikanischen Regelungen von 1984 waren auf Externe beschränkt.1172 Ein jüngeres Beispiel für diesen Ansatz war im Ergebnis – infolge des weitgehend gescheiterten Versuchs, für in house-Gestaltungen Arbeitnehmer als Vermarkter zu erfassen – auch der deutsche Entwurf von 2007.1173 Nachteil dieses Ansatzes ist, dass Gestaltungen, die ohne Externe entwickelt werden (in house-Gestaltungen), nicht erfasst sind. Es ist aber nicht ersichtlich, warum derartige Gestaltungen im Lichte der Grundfunktionen eines Anzeigepflichtsystems weniger relevant sein sollten. Die rechtspolitische Bedeutung einer „Lücke“ hängt nicht davon ab, von wem diese genutzt wird. Dies zumal die Idee für eine Gestaltung regelmäßig ohne Weiteres auch auf andere Steuerpflichtige übertragen werden kann. Auch für die veranlagungsunterstützende Funktion kann nicht generell von einer geringeren Bedeutung von in house-Gestaltungen ausgegangen werden. Insbesondere ist zu bedenken, dass auch lediglich von einem Steuerpflichtigen genutzte Gestaltungen fiskalisch äußerst bedeutsam sein können. Hier ist nur an Finanzinstitute, deren Eigenhandel-Abteilungen Steuerarbitrage mit Einsatz hoher Summen betreiben, zu erinnern. Zu Recht erfassen daher alle jüngeren Anzeigepflichtsysteme auch in house entwickelte Gestaltungen. In Kanada sind die neueren ________________________ 1168 So sah etwa der französische Entwurf von 2005 eine Grenze von 100.000 € vor, die der steuerliche Vorteil aus der Gestaltung bei der Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen, nicht aber derjenigen der Externen überschreiten musste (hierzu oben, S. 150). 1169 So erfolgt etwa in Großbritannien für die Fallgruppen, bei denen Steuerpflichtige überhaupt anzeigepflichtig sein können, eine Beschränkung auf große Unternehmen; in Südafrika sind generell lediglich Kapital- und Personengesellschaften sowie trusts anzeigepflichtig; auch in Portugal sind – in Bezug auf einen Teil der Fallgruppen – als Steuerpflichtige lediglich Gesellschaften anzeigepflichtig (hierzu oben, S. 132). 1170 Siehe in diesem Zusammenhang insbesondere die unterschiedlichen Regelungen der Anzeigefrist (hierzu unten, ab S. 219). 1171 Zu neueren Ansätzen seit 2006 und Auswirkungen auf den persönlichen Anwendungsbereich oben, S. 63 und 68. 1172 Hierzu oben, S. 5. 1173 Hierzu oben, S. 163.
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Einzelaspekte
Ansätze zu einer auch Einzelgestaltungen erfassenden Auslegung der bestehenden Regelungen offenbar durch diese Überlegungen motiviert.1174 3. Anzeigepflicht ausschließlich der Steuerpflichtigen Schließlich gibt es eine Gruppe von Anzeigepflichtsystemen, bei denen ausschließlich die Steuerpflichtigen anzeigepflichtig sind. Dies ist etwa bei den israelischen Regelungen der Fall. Frankreich sah dasselbe im Entwurf von 2006 vor. Auch Südafrika verfolgte diesen Ansatz in den ursprünglichen Regelungen von 2005, sieht für Steuerpflichtige nunmehr aber nur noch eine subsidiäre Anzeigepflicht vor. Soll es bei dem Anzeigepflichtsystem allein um Unterstützung bei der konkreten Veranlagung im Sinne eines „Ausflaggens“ entsprechender Gestaltungen zur näheren Prüfung gehen, so kann die Wahl dieses Ansatzes durchaus sinnvoll sein. Wird bei der Anzeige jedoch auch die rechtliche Analyse der Gestaltungen gefordert, bzw. geht es um die Information des Gesetzgebers im Sinne der rechtspolitischen Funktion, so ist die Beschränkung auf die Steuerpflichtigen nicht zweckmäßig: Zum einen legte sie die Anzeigepflicht einer Personengruppe auf, die hierzu weniger geeignet ist. Denn bei Gestaltungen, die von Externen vermittelt werden, können regelmäßig diese selbst die abstrakte rechtliche Struktur am besten beschreiben. Zudem ist es nach der Grundkonzeption rechtspolitisch ausgerichteter Anzeigepflichtsysteme zweckmäßig, Anzeigen möglichst früh zu erhalten. Bei Vermittlung von Gestaltungen durch Externe ist eine frühe, etwa schon vor dem erstmaligen Angebot der Gestaltung ansetzende Anknüpfung aber nur bei diesen möglich.1175
II. Definition des anzeigepflichtigen Externen 1. Tätigkeitsanknüpfung Diejenigen Systeme, die (auch) Externe in die Pflicht nehmen, lassen sich in drei Kategorien danach einteilen, welche Tätigkeit die Anzeigepflicht der Externen auslöst. In jedem Fall zielen die Regelungen auf ähnliche Personengruppen ab, nämlich einerseits die steuerlichen Berater (Rechtsanwälte, Steuerberater, z. T. Wirtschaftsprüfer) und andererseits Finanzinstitute. a) „(Wesentlicher) Berater“ In den USA wird für die Beschreibung der anzeigepflichtigen Externen zentral daran angeknüpft, ob eine steuerliche Stellungnahme gegenüber dem Steuerpflichtigen (oder gegenüber anderen anzeigepflichtigen Externen) ab________________________ 1174 Hierzu oben, S. 63 und 68. 1175 Zu den verschiedenen zeitlichen Anknüpfungspunkten der existierenden Systeme unten, ab S. 219.
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gegeben wird.1176 Einzige Voraussetzung ist zunächst, dass sich die Stellungnahme auf die Aspekte der Gestaltung bezieht, aus denen sich die Anzeigepflicht ergibt. Damit sind auch Externe anzeigepflichtig, die sich gegenüber dem Steuerpflichtigen äußern, ohne die Gestaltung aktiv zu fördern. Insofern ist die von den anderen englischsprachigen Ländern abweichende Wahl der Bezeichnung des anzeigepflichtigen Externen als material advisor anstelle promotor hier auch Programm.1177 Daher wird auch in dieser Arbeit in Bezug auf die anzeigepflichtigen Externen des US-Systems von „(wesentlichen) Beratern“ gesprochen. Dies darf allerdings nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass es sich bei den Externen gerade nicht um unabhängige Berater handeln muss, sondern vielmehr als material advisor auch ein sein eigenes Produkt bewerbender Vermarkter erfasst sein kann. b) „Promotoren“ In Kanada, Großbritannien, Portugal, Südafrika, Irland sowie dem französischen Entwurf von 2005 ist für den persönlichen Anwendungsbereich entscheidend, ob sich die Tätigkeit des Externen förderlich auf die Gestaltung auswirkt.1178 Unterschiede innerhalb dieser Gruppe ergeben sich insofern, als zum Teil maßgeblich auf die Entwicklung bzw. Überlassung der Gestaltung abgestellt wird,1179 zum Teil weitergehend auch sonstige förderliche Tätigkeiten, etwa bei der Umsetzung der Gestaltung, die Anzeigepflicht auslösen können.1180 In Bezug auf Beratungsleistung durch Externe sind die Vorgaben dieser Länder insofern enger als in den USA, als eine Beratung gegenüber Nutzern der Gestaltung die Anzeigepflicht nur dann auslöst, wenn dadurch die Gestaltung ________________________ 1176 Dazu, dass der Gesetzeswortlaut zunächst in eine andere Richtung deutet, oben, S. 30 f. 1177 Dazu, dass damit auch eine Abkehr gegenüber früheren Beschränkungen im amerikanischen System erfolgte, siehe oben, Fußnoten 153 bis 155. 1178 Damit entsprechen die tatsächlich angewendeten Kriterien in diesen Ländern denjenigen, an die in den USA der Gesetzeswortlaut zunächst anknüpft, die dann aber letztlich infolge der Interpretation durch Treas. Reg. § 301.6111-3 abweichend angewendet werden. 1179 Siehe etwa zur nur sehr beschränkten Relevanz der Förderung bei der Umsetzung nach britischem Recht oben, Fn. 480; auch im französischen Entwurf von 2005 wurde lediglich auf das Entwickeln und Vertreiben der Gestaltung abgestellt (siehe oben, S. 150). 1180 So etwa in Südafrika, wo beispielsweise auch die Hauptverantwortung für die Finanzierung der Gestaltung die Anzeigepflicht auslöst; ebenso in Irland und Portugal, wo generell eine Beteiligung an der Umsetzung genügen kann (siehe aber oben, S. 131, zu der portugiesischen Problematik, dass die Gestaltung jedenfalls durch irgend einen Promotor vorgeschlagen worden sein muss).
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aktiv gefördert wird. Eine rein Risiken abwägende bzw. die Realisierbarkeit darstellende steuerliche Stellungnahme genügt also nicht. Es ist vielmehr erforderlich, dass die Beratungsleistung gerade bei der Entwicklung der Gestaltung geleistet wird. Nachdem zentraler Aspekt in diesen Ländern die – wie auch immer geartete – aktive Förderung der Gestaltung ist, erscheint es angebracht, auch in der deutschen Fassung – in Anlehnung an die ausländischen Bezeichnungen als promoter, promotor bzw. promoteur – von Promotoren zu sprechen.1181 c) „Vermarkter“ Sehr eng fällt demgegenüber der deutsche Entwurf aus. Denn nach dessen Wortlaut soll lediglich das Anbieten oder Empfehlen einer Gestaltung die Anzeigepflicht auslösen. Insbesondere ist damit die Entwicklung einer Gestaltung für einen bestimmten Steuerpflichtigen nicht erfasst. Die Anzeigepflicht beschränkt sich vielmehr auf abstrakt fertig entwickelte Gestaltungen, die anschließend vertrieben werden im Sinne der britischen bespoke schemes.1182 Konsequent spricht der deutsche Entwurf denn auch lediglich von „Vermarktern“, nicht aber von generell fördernden „Promotoren“ der Gestaltungen. 2. Kriterien zur Begrenzung des Anwendungsbereichs Der sich aus diesen Tätigkeitskriterien ergebende persönliche Anwendungsbereich der Anzeigepflichten wird verschiedentlich durch weitere Kriterien eingegrenzt. a) Mindestentgelt In den USA und Deutschland sind Externe von der Anzeigepflicht ausgenommen, deren Einnahmen bzw. Umsätze aus der Gestaltung gewisse Grenzwerte unterschreiten.1183 In beiden Systemen ist die Bemessungsgrundlage nicht auf ________________________ 1181 Der Begriff des „Promotors“ ist auch bereits in den deutschen Wortschatz aufgenommen; so findet er sich, wenngleich mit etwas anderer Konnotation, etwa in der betriebswirtschaftlichen Prozesslehre (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Promotoren modell); Übersetzungsalternativen wie etwa die von Alberts, IWB Fach 5, Gruppe 2, S. 437, 446 gewählte Bezeichnung „Planer und Vertreiber“ erscheinen hingegen wenig ansprechend. 1182 Siehe hierzu bereits oben, ab S. 162 sowie 189. 1183 Zu den amerikanischen Anforderungen siehe oben, Fn. 171; zu den deutschen Anforderungen siehe oben, S. 161; in Portugal finden die Anzeigepflichten umgekehrt ausdrücklich auch dann Anwendung, wenn der Promotor keinerlei Entgelt erzielt (siehe oben, Fn. 741).
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Vergütungen für die die Anzeigepflicht auslösenden Tätigkeiten beschränkt.1184 Um eine Umgehung dieses Kriteriums zu verhindern, ist es empfehlenswert, wie in den USA geschehen, auch dasjenige Entgelt zu erfassen, das durch Beteiligung des Externen als Partei der Gestaltung, etwa als Fremdkapitalgeber, erzielt wird, wenn die Konditionen der Beteiligung einem Drittvergleich nicht standhalten.1185 Das Kriterium des Mindestentgelts kann insofern von Bedeutung sein, als es diejenigen Externen von der Anzeigepflicht befreit, die selbst nur geringe Vorteile aus der Gestaltung ziehen. Insofern stellt es einen Beitrag zur verhältnismäßigen Ausgestaltung der Anzeigepflicht dar. Fraglich ist, ob dieses Kriterium daneben auch geeignet ist, die fiskalisch weniger bedeutsamen Gestaltungen auszusondern. So hat es die Gesetzesbegründung zum deutschen Entwurf gesehen.1186 Allerdings gilt dies von vornherein nicht im Rahmen der rechtspolitischen Funktion, da sich die fiskalische Bedeutung im rechtspolitischen Sinne nicht an der momentan bestehenden Verbreitung bemessen lässt.1187 Selbst im Rahmen der veranlagungsunterstützenden Funktion ist der Aussagegehalt zur fiskalischen Bedeutung fraglich. Zwar erscheint es lebensnah anzunehmen, dass von Gestaltungen, für die eine nur geringe Vergütung gezahlt wird, auch nur eine beschränkte fiskalische Gefahr ausgeht.1188 Die Vergütung wird hier – im Gegensatz zu den Systemen, die Mindestanforderungen an den Betrag des steuerlichen Vorteils aufstellen1189 – aber gerade nicht an einer einzelnen Gestaltung bemessen, sondern generell an der Berater- bzw. Vermarktertätigkeit zu anzeigepflichtigen Gestaltungen. Der höhere Betrag kann sich somit auch aus der Summe mehrerer, jeweils für sich genommen weniger bedeutender Gestaltungen ergeben. ________________________ 1184 So werden in den USA auch Vergütungen für Tätigkeiten, die nicht mit der steuerlichen Stellungnahme in Verbindung stehen, einbezogen (hierzu oben, Fn. 171); in Deutschland werden auch Vergütungen für Beratung im Zusammenhang mit der Gestaltung erfasst, obwohl lediglich die Vermarktung einer solchen Gestaltung die Anzeigepflicht auslösen kann (hierzu oben, S. 161). 1185 Denn dann ist zu vermuten, dass es sich um verstecktes Entgelt für die Beratung zur Gestaltung handelt (hierzu oben, Fn. 171); ein ähnlicher Gedanke liegt – im Rahmen des sachlichen Anwendungsbereichs – der britischen Fallgruppe der off market terms arrangements zugrunde (siehe hierzu oben, S. 84). 1186 Hierzu oben, Fn. 915. 1187 Hierzu bereits oben, S. 207. 1188 Diese Vermutung gilt allerdings nicht auch umgekehrt, solange die Vergütung nicht – wie etwa im Sinne einer erfolgsabhängigen Vergütung – unmittelbar an den steuerlichen Vorteil anknüpft; die höhere Vergütung kann sich nämlich etwa auch aus einer gesellschaftsrechtlich aufwendigen Struktur ergeben (zur weiten Bemessungsgrundlage siehe oben, Fn. 1184). 1189 Hierzu oben, S. 206.
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Eine relevante Aussage zur rechtspolitischen Bedeutung der einzelnen Gestaltung enthält er dann aber nicht. b) Erkennenkönnen der Anzeigepflicht In den USA können nur diejenigen Externen anzeigepflichtig sein, die eine steuerliche Aussage gerade zu den Aspekten treffen, aus denen sich die Anzeigepflicht der Gestaltung ergibt.1190 In Portugal wird zumindest verlangt, dass der Promotor geschäftsmäßig steuerberatend oder im steuerlichen Bereich unterstützend (etwa als Wirtschaftsprüfer) tätig sein muss.1191 Damit ist im Grundsatz Gewähr dafür getragen, dass die Anzeigepflicht nicht Personen trifft, die sie nicht erkennen können, etwa weil sie sich mit der steuerlichen Struktur nicht auseinandersetzen.1192 Die übrigen untersuchten Anzeigepflichtsysteme kennen eine derartige Einschränkung nicht. Damit ist es etwa möglich, dass am Vertrieb oder der Umsetzung einer Gestaltung Beteiligte anzeigepflichtig sind, obwohl sich ihnen die steuerlichen Implikationen nicht erschließen.1193 Diese Externen können dann aber auch der Anzeigepflicht nicht sinnvoll nachkommen. Eine an die US-Regelungen angelehnte Einschränkung, wonach sich die Anzeigepflicht nur dann ergeben kann, wenn der Externe auf spezielle steuerliche Besonderheiten oder Vorteile der Gestaltung hinweist, erscheint demnach zweckmäßig. 3. Tätigkeitszurechnung Das amerikanische und das britische System sehen eine Zurechnung der Tätigkeit von Angestellten an den Arbeitgeber, von Gesellschaftern an die Gesellschaft und von Stellvertretern an den Vertretenen ausdrücklich vor.1194 In Irland ergibt sich diese Zurechnung zumindest indirekt durch die Ausnahme der Arbeitnehmer von der Anzeigepflicht.1195 Die übrigen Anzeigepflichtsysteme enthalten für die Bestimmung anzeigepflichtiger Externer derartige Zurechnungsvorschriften nicht, so dass davon ausgegangen werden könnte, dass dort der jeweils Handelnde anzeigepflichtig ist.1196 Vorteil der Tätigkeitszurechnung ist, dass die Anzeigepflicht persönlich dort zugeordnet wird, wo auch der (wesentliche) aus der Beratungs-, Promotoren________________________ 1190 1191 1192 1193
Hierzu oben, S. 30. Hierzu oben, S. 130. Zu Vorbehalten aber auch in den USA, oben, Fn. 164. In diese Richtung zielt offenbar auch die Sorge von Wassermeyer in Bezug auf den deutschen Entwurf (vgl. Wassermeyer, Verfahrensrechtliche Fragen des § 138a AOEntwurfs, B. I.). 1194 Zu den US-Regelungen oben, S. 32; zu den britischen Regelungen oben, S. 90. 1195 Siehe oben, S. 143. 1196 Zur Problematik im deutschen Entwurf oben, S. 162.
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oder Vermarktertätigkeit stammende wirtschaftliche Vorteil eintritt.1197 In praktischer Hinsicht erfordert eine derartige Zurechnung die Einrichtung von internen Kontrollsystemen, etwa in Kanzleien oder Finanzinstituten, um die Einhaltung der über die jeweils Handelnden vermittelten Anzeigepflicht zu gewährleisten.1198 4. Regelungen zu doppelter Anzeigepflicht Nach allen Anzeigepflichtsystemen, die eine Anzeigepflicht von Externen vorsehen, ist es denkbar, dass für eine Gestaltung mehrere Externe nebeneinander anzeigepflichtig sind.1199 Die Regelungen enthalten dann aber meist Vorkehrungen zu möglichen Absprachen zwischen den Anzeigeverpflichteten.1200 Teilweise werden die anderen Externen dabei bereits durch die Zusage eines Externen, er habe die Anzeige vorgenommen oder nehme diese vor, von ihrer eigenen Anzeigepflicht oder jedenfalls von der Bußgeldandrohung bei unterlassener Anzeige befreit.1201 Großteils tritt diese Wirkung aber nur dann ein, wenn der zusagende Externe der Anzeigepflicht auch tatsächlich nachkommt.1202 Die irischen Regelungen, der französische Entwurf von 2005 sowie der deutsche Entwurf von 2007 enthalten hingegen von vornherein keine Regelungen zur Vermeidung doppelter Anzeigepflichten von Externen.1203 Die Beschränkung doppelter Anzeigepflicht durch Externe ist zur Vermeidung nicht erforderlichen Aufwands selbst vor dem Hintergrund einer veranlagungsunterstützenden Ausrichtung der Anzeigepflichten zweckmäßig. Zwar geht es bei dieser Funktion nicht nur um die abstrakte Struktur der Gestaltung, sondern gerade auch die Erfassung der einzelnen beteiligten Steuerpflichtigen. Diese Erfassung erfolgt aber über das Registriernummernsystem1204 (sowie ________________________
1197 Für eine sinnvolle Anwendung von Mindestentgeltgrenzen ist diese Zurechnung geradezu zwingend; zu den Problemen, zu denen der deutsche Entwurf gerade auch mangels entsprechender Zurechnungsvorschriften führte, oben, S. 162. 1198 Siehe oben, Fn. 169, zu den amerikanischen Erfahrungen damit und zu der Frage, ob jede Nichtbeachtung mit Bußgeld bewehrt sein oder nicht vielmehr ein angemessenes Kontrollsystem den Arbeitgeber bzw. die Gesellschaft entlasten soll. 1199 Dazu, dass die südafrikanischen Regelungen dem Wortlaut nach zwar in eine andere Richtung deuten, die praktische Anwendung der Regelungen aber mehrere Promotoren vorsieht, oben, S. 118. 1200 Zu ähnlichen Regelungen im Verhältnis der im Ausland ansässigen Externen zu subsidiär anzeigepflichtigen Steuerpflichtigen, oben, Fußnoten 1162 f. 1201 So in Südafrika; hierzu oben, S. 118. 1202 Zu den amerikanischen Regelungen siehe oben, S. 35; zu Kanada siehe oben, S. 65; in Portugal muss dem anderen Externen für dessen Befreiung von der Anzeigepflicht die bereits erfolgte Anzeige nachgewiesen werden (siehe oben, S. 132); nach den britischen Regelungen sind neuerdings sogar noch weitere Anforderungen zu erfüllen (siehe oben, Fn. 513). 1203 Für Frankreich oben, S. 150, sowie für Deutschland oben, S. 161 und 166. 1204 Hierzu unten, S. 222.
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ggf. die Dokumentierungspflicht der Externen). Eine separate Anzeige durch alle grundsätzlich anzeigepflichtigen Externen erfordert sie hingegen nicht.
III. Frist für die Anzeigepflicht 1. Frist für die Anzeigepflicht der Externen a) Vor dem ersten Angebot In zeitlicher Hinsicht besonders weitgehend ist der kanadische Ansatz. Denn er verlangt von dem Promotor eine Anzeige noch vor dem ersten Vertrieb der Gestaltung bzw. vor der Annahme eines Entgelts im Zusammenhang mit der Gestaltung. Tatsächlich dürfen diese Tätigkeiten sogar erst dann erfolgen, wenn auf die Anzeige folgend eine Registriernummer zugeteilt wurde.1205 b) Auf das erste Tätigwerden des Externen nach Außen folgend Die meisten Anzeigepflichtsysteme stellen zwar ebenso auf den Beitrag des Externen gegenüber dem Steuerpflichtigen ab, lassen aber eine Anzeige innerhalb gewisser Fristen nach diesem Ereignis genügen. So hat die Anzeige nach dem französischen Entwurf von 2005 sowie dem deutschen Entwurf auf die (erstmalige) Vermarktung der Gestaltung hin zu erfolgen.1206 Auch nach den portugiesischen Regelungen ist grundsätzlich der Vorschlag der Gestaltung durch den Promotor Anknüpfungspunkt. Dies wird dort aber dadurch ergänzt, dass unter Umständen auch die Mitwirkung an der Entwicklung bzw. an der Umsetzung der Gestaltung den Fristlauf auslösen kann.1207 Auch die USRegelungen vor dem AJCA2004 stellten auf das erste Angebot zur Beteiligung an der Gestaltung ab.1208 Im Ergebnis zielt schließlich auch die südafrikanische Regelung, wonach der Erhalt von Einnahmen oder die Verausgabung von Aufwand durch den ersten Beteiligten Anknüpfungspunkt für den Fristablauf sind, in dieselbe Richtung, wird doch damit regelmäßig das durch den Promotor erzielte Entgelt in Bezug genommen.1209 c) Auf die Umsetzung der Gestaltung folgend Nach den heutigen amerikanischen Regelungen ist die Leistung des Beitrags durch den Externen allein jedoch nicht mehr ausreichend. Vielmehr kommt es nun zentral auf die erstmalige Umsetzung der Gestaltung bei einem Steuer________________________ 1205 Hierzu oben, S. 65. 1206 In Frankreich waren dafür 30 Tage, in Deutschland 10 Tage nach Ablauf des Monats, in dem das Angebot oder die Empfehlung erfolgte, vorgesehen. 1207 Hierzu oben, S. 131; in jedem Fall gilt eine Frist von 20 Tagen nach Ablauf des Monats, in dem dieses Ereignis eintritt. 1208 Hierzu oben, Fn. 178. 1209 Hierzu oben, Fn. 670; ab diesem Zeitpunkt läuft eine Frist von 60 Tagen.
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pflichtigen an. Der Anzeigepflicht ist regelmäßig einen Monat nach dem Ende des Kalendervierteljahres, in dem mit dieser Umsetzung begonnen wurde, nachzukommen.1210 d) Mischsysteme Großbritannien und Irland differenzieren nach der Art der Gestaltung:1211 Handelt es sich um bespoke schemes, so ist die (Kenntniserlangung von der) Umsetzung der Gestaltung beim ersten Steuerpflichtigen relevant. Bei marketed schemes wird auf die Vornahme von Marketingbemühungen bzw. die Zurverfügungstellung der Gestaltung durch den Promotor abgestellt. Der Anzeigepflicht ist sehr kurzfristig, nämlich jeweils innerhalb von fünf Werktagen nach diesen Zeitpunkten nachzukommen. e) Beurteilung Aus Perspektive der rechtspolitischen Funktion ist die Anzeigepflicht möglichst frühzeitig anzusetzen, um eine schnelle gesetzgeberische Reaktion auf die betreffende Gestaltung zu ermöglichen.1212 Gleichzeitig müssen Kriterien gefunden werden, die nicht nur bereits fertig entwickelte und dann vertriebene Gestaltungen erfassen.1213 Insofern empfiehlt sich eine Differenzierung wie im britischen und irischen System, die einerseits bei bereits fertig entwickelten Gestaltungen schon kurz nach der – oder ggf. wie in Kanada sogar schon vor der – Vermarktung eine Anzeige fordert, andererseits auch bei in Abstimmung mit dem Steuerpflichtigen entwickelten Gestaltungen handhabbar ist. Der früheste bestimmbare Zeitpunkt wird in letzterem Fall regelmäßig die Umsetzung beim Steuerpflichtigen selbst sein. Für Zwecke der Veranlagung hingegen ist der Zeitpunkt der Anzeige weniger relevant, solange nur die Anzeige durch den Externen sowie die Zuteilung und Weiterleitung der Registriernummer noch erfolgen, bevor die betroffenen Steuerpflichtigen die erste Jahressteuererklärung zu der Gestaltung einreichen.1214 ________________________ 1210 Die Umsetzung der betroffenen Gestaltung wird regelmäßig nach der steuerlichen Stellungnahme und nach der Einnahmeerzielung erfolgen (zu diesen drei Kriterien, oben, S. 34); zu den abweichenden Regelungen für später aufgenommene Kataloggestaltungen, oben, S. 34 f. 1211 Hierzu oben, S. 92 bzw. S. 143. 1212 Hierzu oben, S. 180. 1213 Zu den Nachteilen der Beschränkung auf modellhafte Gestaltungen gerade auch vor dem Hintergrund der rechtspolitischen Funktion, oben, S. 189. 1214 Die Lockerung der Anzeigefrist im US-System (hierzu oben, S. 35) ist demnach vor einem veranlagungsunterstützenden Hintergrund unbedenklich, wäre aber bei Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion negativ zu werten.
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2. Frist für die Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen Bei der (originären oder subsidiären) Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen lassen die USA, Israel sowie der französische Entwurf von 2006 eine Anzeige in bzw. mit den üblichen Jahressteuererklärungen genügen.1215 Demgegenüber stellen Großbritannien, Südafrika,1216 Portugal, Irland sowie der französische Entwurf von 2005 bereits auf den Beginn der Umsetzung der Gestaltung beim Steuerpflichtigen ab.1217 Die Bewertung dieser Fristen hängt dabei wiederum maßgeblich von der eben dargestellten Differenzierung nach der Grundausrichtung der Anzeigepflichten ab.
IV. Inhalt der Anzeigepflicht In Israel erschöpft sich die Anzeige in dem Hinweis auf die Anzeigepflicht in der Jahressteuererklärung. Sie beinhaltet dort also nicht mehr als ein „Ausflaggen“ der jeweiligen Gestaltung zur genaueren Prüfung.1218 In allen anderen untersuchten Systemen ist hingegen auch die rechtliche Struktur der Gestaltung darzustellen sowie der mit der Gestaltung beabsichtigte steuerliche Vorteil zu beschreiben. Unterschiede beim Inhalt der Anzeigepflicht bestehen auch insofern, als zahlreiche Länder sich nicht auf die Verpflichtung zur abstrakten Darstellung der Gestaltung beschränken, sondern vielmehr die Offenlegung der Identität anderer Beteiligter fordern. Die Regelungen der USA, Südafrikas sowie des französischen Entwurfs von 2006 verpflichten zur Identifizierung der anderen an der Gestaltung beteiligten Externen und Steuerpflichtigen.1219 Auch nach den kanadischen und irischen Regelungen müssen Promotoren die Identität aller an der Gestaltung beteiligter Steuerpflichtigen offenbaren.1220 Der deutsche Entwurf von 2007 hingegen beschränkt sich auf die Verpflichtung zur anonymisierten Angabe der Zahl der an der Gestaltung beteiligten Steuerpflichtigen (Vermarktungsfälle). ________________________ 1215 Dies war ursprünglich auch der britische Ansatz (hierzu oben, Fn. 545). 1216 Dies ergibt sich aus der allgemeinen Regel des südafrikanischen Systems, wonach die ersten Einnahmen oder Ausgaben eines Beteiligten für den Fristlauf entscheidend sind (hierzu oben, S. 120). 1217 In Großbritannien und Irland gilt ab diesem Zeitpunkt eine Frist von 5 bzw. 30 Werktagen, in Südafrika eine Frist von ursprünglich 60, nunmehr 45 Werktagen, im französischen Entwurf von 2005 eine Frist von 30 Tagen; in Portugal ist der Anzeige bis zum Ende des Monats nachzukommen, der auf den Kalendermonat folgt, in dem mit der Umsetzung begonnen wurde. 1218 Hierzu oben, S. 125. 1219 Siehe zu den amerikanischen Regelungen oben, S. 33, 38 und 47; zu Südafrika oben, S. 118; zum französischen Entwurf von 2006 oben, S. 155. 1220 Hierzu oben, S. 67 bzw. S. 144.
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Teilweise sind – entweder bereits mit der Anzeige oder später auf Verlangen der Finanzbehörden – noch weitergehende Dokumente vorzulegen. So müssen der Anzeige in Kanada Werbe- und Informationsmaterial sowie alle sonstigen Unterlagen, die für das Verständnis der Gestaltung von Bedeutung sind, beigefügt werden. In Südafrika ist eine Liste aller einschlägigen Vertragstexte zwischen den an der Gestaltung Beteiligten einzureichen.1221 In den USA sind die für ein Verständnis der steuerlichen Struktur bedeutsamen Werbeunterlagen in die Dokumentation aufzunehmen. Unterschiede bestehen schließlich auch insofern, als sich die Verpflichtung der Externen in manchen Anzeigepflichtsystemen nicht in der einmaligen Anzeige der betreffenden Gestaltung erschöpft. So muss in Kanada zusätzlich ein jährlicher Bericht abgegeben werden, in dem die jeweils neu an der bereits angezeigten Gestaltung beteiligten Steuerpflichtigen zu benennen sind.1222 Die irischen Regelungen verpflichten zu dieser Mitteilung einmal im Quartal.1223 Der deutsche Entwurf sieht in den ersten zwei Jahren gar monatliche Meldungen über die Vermarktungszahlen vor.1224 In den USA ist zwar kein laufender Bericht erforderlich; allerdings muss dort die Dokumentation der beteiligten Steuerpflichtigen und Externen sowie der Werbeunterlagen stets aktualisiert und für eine Abfrage durch den IRS bereitgehalten werden.1225
V. Registriernummern Die meisten Anzeigepflichtsysteme sehen für die angezeigten Gestaltungen Registriernummern vor.1226 Die Zuteilung der Registriernummern durch die Finanzverwaltung und die Pflicht zu deren Angabe in der Jahressteuererklärung ermöglichen die Rückkopplung in das konkrete Veranlagungsverfahren der betroffenen Steuerpflichtigen. Dies ist im Rahmen der veranlagungsunterstützenden Funktion von Anzeigepflichten relevant.1227 Umgekehrt können aber auch durch das Veranlagungsverfahren Informationen gewonnen werden, die für die abstrakte Einordnung der Gestaltung für rechtspolitische Zwecke von Bedeutung sind. Dies trifft insbesondere auf In________________________ 1221 Bis 2008 waren diese Unterlagen selbst noch beizufügen; heute genügt die Erstellung der Liste, die es der Finanzverwaltung ermöglicht, Unterlagen gezielt anzufordern (hierzu oben, Fn. 667). 1222 Hierzu oben, S. 67. 1223 Hierzu oben, S. 144. 1224 Hierzu oben, S. 168. 1225 Hierzu oben, S. 38. 1226 Registriernummernsysteme kennen die USA, Kanada, Großbritannien, Südafrika, Deutschland sowie der französische Entwurf von 2005. 1227 Hierzu oben, S. 174.
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Einzelaspekte
formationen zur Verbreitung der Gestaltung zu. Registriernummern vereinfachen dabei die Zuordnung der gewonnenen Informationen.1228 Das israelische Anzeigepflichtsystem sowie der französische Entwurf von 2006 kennen keine Registriernummern. Allerdings sind hier ohnehin jeweils nur die Steuerpflichtigen selbst anzeigepflichtig. Sie kommen dieser Pflicht auf der bzw. im Zusammenhang mit der Jahressteuererklärung nach. Eine Verbindung von abstrakter Anzeige und Veranlagungsverfahren der einzelnen Steuerpflichtigen erübrigt sich damit, so dass der Verzicht auf Registriernummern konsequent ist. Auch in Portugal und Irland werden Registriernummern jedoch nicht ausgegeben, obwohl dort grundsätzlich Promotoren der Anzeigepflicht nachzukommen haben. Damit verzichten die beiden Länder auf die eben beschriebenen Vorteile, ersparen allen Beteiligten des Anzeigepflichtsystems aber damit auch den mit einem solchen System verbundenen Aufwand. Bei maßgeblich rechtspolitischer Ausrichtung kann sich ein solcher Verzicht auf Registriernummern in einer Abwägung von Aufwand und Nutzen durchaus anbieten.1229
C. Sanktionen I. Sanktionierte Pflichtverletzungen Regelmäßig wird lediglich die Nichtbefolgung der Anzeigepflicht selbst sanktioniert.1230 In Großbritannien, Irland und dem deutschen Entwurf ist jedoch auch die Verletzung von Nebenpflichten mit Bußgeld belegt.1231 Die Verpflichtung der Steuerpflichtigen zur Verwendung der Registriernummer in ihren Steuererklärungen ist lediglich in Großbritannien unmittelbar
________________________ 1228 In diesem zweiten Zusammenhang sah auch die Gesetzesbegründung zum deutschen Entwurf 2007 einen zentralen Vorteil des Registriernummernsystems (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 10, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 79). 1229 Siehe dazu, dass der Vorteil der Registriernummern aus rechtspolitischer Sicht, nämlich die Kenntniserlangung über die (aktuelle) fiskalische Bedeutung der Gestaltung, letztlich ohnehin zu relativieren ist, in anderem Zusammenhang bereits oben, S. 206. 1230 Ursprünglich, d. h. vor Einführung der generellen Anzeigepflicht auch der Steuerpflichtigen, sanktionierten aber auch die USA Verstöße gegen die Pflicht zur Weiterleitung der Registriernummer (hierzu oben, Fn. 269); in Kanada hat nicht die unterlassene Weiterleitung, sondern lediglich die vorsätzliche Weiterleitung einer falschen Registriernummer (strafrechtliche) Folgen (hierzu oben, S. 69). 1231 Hierzu oben, S. 107, S. 146 und S. 169.
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Vergleichende Analyse der Anzeigepflichtsysteme
sanktionsrechtlich abgesichert.1232 Daneben ergeben sich jedoch im kanadischen System mit der Regelung, dass materiellrechtliche Vorteile aus der Gestaltung bei Nichtangabe der Registriernummer zu versagen sind, sowie nach dem französischen Entwurf von 2005, wonach Vertrauensschutzaspekte im Strafzuschlagsystem nur dann zur Anwendung kommen, wenn der Hinweispflicht nachgekommen worden ist,1233 ggf. weitere Nachteile für die Steuerpflichtigen. Die Sabotage eines Anzeigepflichtsystems durch bewusst übermäßige Anzeigen mit dem Ziel, der Finanzverwaltung den Blick auf die wesentlichen Gestaltungen zu versperren (over-disclosure), wird generell nicht sanktioniert.1234
II. Bußgelder In allen untersuchten Anzeigepflichtsystemen ist die Befolgung der Anzeigepflicht mittels eines Bußgeldsystems abgesichert. Dabei sehen die Bußgeldvorschriften zum Teil Festbeträge, zum Teil Bußgeldrahmen und zum Teil eine Orientierung am jeweiligen Umsatz bzw. Vorteil der Beteiligten vor. 1. Festbeträge In Frankreich betrugen die Bußgelder nach beiden Entwürfen generell 10.000 € bei verspäteter Anzeige bzw. 25.000 €, wenn die Anzeige gänzlich unterblieb oder erst nach Erinnerung durch die Finanzverwaltung nach Ablauf der Anzeigepflicht erfolgte. Die USA sanktionieren die Missachtung der Anzeigepflicht je nach Art der Gestaltung und Art des Anzeigepflichtigen mit Festbetragsbußgeldern zwischen 10.000 und 200.000 US$ (derzeit etwa 8.000 und 160.000 €). Daneben wird die Verletzung der Pflicht, die Dokumentation der Gestaltung nach Aufforderung des IRS innerhalb von 20 Tagen vorzulegen, mit Bußgeldern zu 10.000 US$ pro Tag geahndet. In Südafrika ist ein Fest________________________ 1232 In Großbritannien ist bei Verstoß gegen die Hinweispflicht ein Festbetragsbußgeld zwischen 100 und 1.000 GB£, je nach Häufigkeit des Verstoßes, vorgesehen; in Deutschland war ein Bußgeld bei Missachtung der Hinweispflicht in der Fassung v. 25.6.2007 noch vorgesehen, in der späteren Fassung v. 11.9.2007 dann aber nicht mehr enthalten. 1233 Hierzu oben, S. 152. 1234 Zu der Problematik einer solchen bewussten over-disclosure siehe Blank, 56 UCLA Law Review (2009), 1629, 1665 ff.; Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 230 und 246, sowie Schizer, 59 Tax Law Review (2006), 331, 369 f.; die Sanktionierung ist schwierig, weil sich eine over-disclosure ebenso gut aus dem aufrichtigen Bemühen der Betroffenen um sicheres Vermeiden von Sanktionen in Anbetracht eines unklaren Anwendungsbereichs der Anzeigepflichten ergeben kann (hierzu Blank, a. a. O., 1678 ff.).
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Einzelaspekte
betragsbußgeld von 50.000 bzw. 100.000 Rand (derzeit etwa 5.000 bzw. 10.000 €) pro Monat des Verstoßes vorgesehen.1235 2. Bußgeldrahmen Andere Länder haben sich für die Vorgabe von Bußgeldrahmen entschieden. Israel sieht eine Obergrenze von 19.300 Schekel (derzeit etwa 4.000 €) vor. Großbritannien kappt die Bußgelder bei 600 GB£ (derzeit etwa 760 €) und Irland bei 500 € für jeden Tag des Verstoßes.1236 Allerdings ist nach den neuen britischen Regelungen auch eine tatangemessene Erhöhung des Bußgelds auf bis zu 1 Million GB£ möglich.1237 Der deutsche Entwurf enthielt eine Bußgeldandrohung von bis zu 5 Millionen €. Portugal differenziert zwischen der Anzeigepflicht von Vermarktern1238 und Steuerpflichtigen1239 sowie zwischen Gesellschaften und natürlichen Personen und sieht dabei jeweils Untergrenzen zwischen 250 und 1.000 € sowie Obergrenzen zwischen 40.000 und 100.000 € vor. 3. Umsatz- und vorteilsorientierte Bußgeldbemessung In einigen Ländern gibt es zudem Elemente, die das Bußgeld an dem aus der Gestaltung erzielten Umsatz orientieren.1240 In Kanada gilt dies generell: Das Bußgeld bei Nichtbeachtung der Anzeigepflicht beträgt 25 Prozent der Vergütungsansprüche, die der Externe aus der Gestaltung erzielt, bevor auf ordnungsgemäßen Antrag eine Registriernummer zugeteilt ist.1241 Die US-Regelungen verwenden denselben Ansatz, allerdings persönlich und sachlich beschränkt auf die Verletzung der Anzeigepflicht durch Externe bei Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit. Das Bußgeld beträgt dann 50 Prozent der Bruttoeinnahmen, die der Externe aus der Gestaltung vor deren Anzeige erzielt, bei vorsätzlichem Verstoß gar 75 Prozent.1242 In Großbritannien und Irland spielt dieser Gedanke zumindest mittelbar, nämlich bei der Ausfüllung des Rahmens für gegen Promotoren festgesetzte Bußgelder, eine Rolle.1243 ________________________ 1235 Hierzu oben, S. 121. 1236 Nach erstmaliger Festsetzung gehen die irischen Regelungen zu einem Festbetrag von 500 € für jeden weiteren Tag des Verstoßes über (hierzu oben, S. 146). 1237 Hierzu oben, S. 108. 1238 5.000 bis 100.000 €, wenn der Vermarkter eine Gesellschaft ist, und 1.000 bis 50.000 €, wenn der Vermarkter eine natürliche Person ist. 1239 500 bis 80.000 € bei Gesellschaften sowie 250 bis 40.000 € bei natürlichen Personen. 1240 In Irland ergibt sich eine derartige Anknüpfung nur mittelbar, indem diese Faktoren zur Bestimmung des konkreten Bußgeldbetrags innerhalb des vorgegebenen Bußgeldrahmens zu beachten sind (hierzu oben, S. 146). 1241 Mindestens beträgt das Bußgeld aber 500 CDN$. 1242 Das Mindestbußgeld beträgt in beiden Fällen 200.000 US$; hierzu oben, S. 51. 1243 Hierzu oben, S. 108 und S. 146.
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Vergleichende Analyse der Anzeigepflichtsysteme
Der deutsche Entwurf enthielt ein nur auf den ersten Blick ähnliches Element mit der Vorgabe, dass die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter, also der Vermarkter, aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen muss.1244 Denn der Begriff des „wirtschaftlichen Vorteils“ aus der Tat, also der Nichtanzeige, wird sich in vielen Fällen wohl nicht mit demjenigen der (Brutto-)Einnahmen des Vermarkters decken. Generell ist das im deutschen Entwurf gewählte Kriterium deutlich schwerer zu handhaben als das präzise beschriebene und leicht nachprüfbare Kriterium der Einnahmen bis zum Zeitpunkt der Anzeige. Daneben wird teilweise für die Bestimmung des Bußgelds an die erhofften steuerlichen Vorteile aus der Gestaltung angeknüpft. So war in den ursprünglichen südafrikanischen Regelungen bei vorsätzlichem oder leichtfertigem Verstoß ein Bußgeld in Höhe von 100 Prozent der erhofften Steuervorteile aus der Gestaltung vorgesehen.1245 Allerdings erscheint diese Anknüpfung lediglich dann sinnvoll, wenn es – wie in den britischen und irischen Regelungen1246 – um die Anzeigepflicht von Steuerpflichtigen geht. Bei der Anzeigepflicht von Externen hingegen wird sich häufig der Gesamtsteuervorteil aus der Gestaltung bei allen beteiligten Steuerpflichtigen nicht sicher bestimmen lassen. Auch kann diese Anknüpfung unverhältnismäßig sein, wenn der insgesamt eintretende Steuervorteil ein Vielfaches des vom Berater selbst erzielten wirtschaftlichen Vorteils beträgt.1247 Dies berücksichtigen die seit 2008 geltenden südafrikanischen Regelungen nicht, die trotz der nunmehr primär Promotoren treffenden Anzeigepflicht die Anknüpfung an den Steuervorteil aus der Gestaltung beibehalten. 4. Subjektiver Tatbestand und Rechtfertigung Die Anforderungen an den subjektiven Tatbestand variieren zwischen den einzelnen Anzeigepflichtsystemen stark. Deutschland und Israel stellen die höchsten Anforderungen an die Bußgelderhebung. Hier wird ein Bußgeld nur dann festgesetzt, wenn der Verstoß gegen die Anzeigepflicht vorsätzlich erfolgt. In Portugal wird neben dem vorsätzlichen auch der fahrlässige Verstoß sanktioniert. Die USA, Kanada, Großbritannien und Südafrika hingegen knüpfen die Bußgeldpflicht allein an den objektiven Verstoß. In diesen Ländern ist dann jedoch zum Teil eine Rechtfertigung wegen besonderer Umstände möglich, bei der wiederum der Aspekt eine Rolle spielen kann, dass ________________________ 1244 1245 1246 1247
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§ 379a Abs. 2 AO-E i. d. F. v. 11.9.2007. Dies galt zusätzlich zu der Aberkennung der steuerlichen Vorteile aus der Gestaltung. Hierzu oben, S. 108 und S. 146. Dies gilt zumal der Berater nicht in jedem Fall überhaupt abschätzen kann, wie hoch die bei den jeweiligen Steuerpflichtigen eintretenden Steuervorteile sind.
Einzelaspekte
von einer Anzeigepflicht nicht ausgegangen werden musste.1248 In Kanada sowie in den USA ist hingegen selbst eine solche Rechtfertigungsmöglichkeit ausgeschlossen.1249 5. Vergleich der Bußgeldsysteme Infolge der sehr unterschiedlichen Ausgestaltung der jeweiligen Bußgeldsysteme ist ein unmittelbarer Vergleich schwierig. Insbesondere die Bußgeldhöhe allein kann kein sinnvolles Vergleichskriterium sein, was sich etwa im Zusammenhang mit dem deutschen Entwurf 2007 zeigt. So ist die Behauptung, das Bußgeld nach dem deutschen Entwurf sei „Weltspitze“ gewesen1250 und habe „alle Grenzen gesprengt“1251, lediglich insofern zutreffend, als es den höchsten Höchstbetrag enthielt.1252 Dies wird allerdings dadurch stark relativiert, dass es sich dabei lediglich um die Obergrenze des Bußgeldrahmens handelte, so dass im Gegensatz zu den Festbetragssystemen eine abgestufte Sanktionierung möglich gewesen wäre. Zudem sollte das Bußgeld in Deutschland lediglich bei Vorsatz erhoben werden.1253 Im absoluten Vergleich und insbesondere auch bei Betrachtung in Relation zum Preisniveau des Landes erscheinen vielmehr die südafrikanischen Regelungen besonders streng, die bei länger andauernden Verstößen von Promotoren ein Festbetragsbußgeld in Höhe von mindestens 1,2 Million Rand, also umgerechnet derzeit etwa 120.000 €, ohne subjektive Tatbestandsanforderungen vorsehen.1254
________________________ 1248 Siehe etwa zu den Ausnahmen für reasonable cause nach britischem Recht, oben, S. 109. 1249 In den USA gilt dies für die Anzeigepflicht selbst; bei der Dokumentierungspflicht hingegen ist eine Rechtfertigung wegen besonderer Umstände möglich (hierzu oben, S. 52); umgekehrt spielt Vorsatz in den USA insofern eine Rolle, als bei vorsätzlichem Verstoß gegen die Pflicht zur Anzeige von Kataloggestaltung mit angenommener Missbräuchlichkeit das Bußgeld auf 75 Prozent der Einnahmen des Beraters erhöht wird. 1250 Kessler/Eicke, BB 2007, 2370, 2379. 1251 Wassermeyer, Verfahrensrechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, C. VI. 1252 Dies gilt sowohl für die Vorgabe von 5 Millionen € als auch die Ergänzung, das Bußgeld müsse den erzielten wirtschaftlichen Vorteil übersteigen. 1253 Umgekehrt ist aber auch die Behauptung in der deutschen Entwurfsbegründung letztlich nicht zutreffend, die Geldbuße von höchstens 500 € pro Tag der Nichtabgabe sei im Vergleich zur britischen Obergrenze von 600 GB£ moderat (vgl. Entwurf v. 11.9.2007, 80); tatsächlich wird, wie oben gezeigt, das Bußgeld von maximal 600 GB£ pro Tag nämlich nur dann erhoben, wenn auf die Festsetzung eines ersten Bußgelds die Anzeige weiter unterbleibt. 1254 Hierzu oben, S. 121.
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Vergleichende Analyse der Anzeigepflichtsysteme
III. Rechtliche Sanktionen außerhalb des Bußgeldrechts Während sich die meisten Länder auf Bußgeldsanktionen beschränken, knüpfen einzelne Länder an die Nichtbefolgung der Anzeigepflichten weitere Folgen.1255 Insbesondere ist hier die Aberkennung der steuerlichen Vorteile aus der Gestaltung zu erwähnen. Diese ist generelle Folge der Nichtbeachtung der Anzeigepflicht in Kanada sowie im bis 2008 in Südafrika geltenden Sanktionensystem.1256 Als Nebenfolge kann diese Sanktion auch in Portugal verhängt werden.1257 In den USA hat die Missachtung der Anzeigepflicht zudem vielfältige weitere Konsequenzen, etwa im Bereich der Strafzuschläge.1258
IV. Reputationsnachteile Für Externe sowie Steuerpflichtige, die Unternehmen sind, ist vor allem auch der potentielle Reputationsschaden infolge der Festsetzung der Bußgelder von Bedeutung.1259 Diese mittelbare Sanktion wird zum Teil durch das Anzeigepflichtsystem bewusst gefördert. Hier ist insbesondere die Regelung der USA zu erwähnen, nach der gegenüber der SEC berichtspflichtige Unternehmen auch die Festsetzung von Bußgeldern wegen Missachtung der Anzeigepflichten berichten müssen.1260 In Portugal ist es möglich, die Bußgeldfestsetzung als Nebenfolge auf Kosten der Betroffenen zu veröffentlichen.1261 Im französischen Entwurf von 2006 war vorgesehen, dass börsennotierte Unternehmen das Bußgeld in ihren Jahresabschlüssen gesondert ausweisen müssen.1262 In Großbritannien ergibt sich ein Reputationsrisiko daraus, dass die Bußgeldfestsetzung in einem öffentlichen Verfahren vor einem Tribunal erfolgt.1263 ________________________ 1255 Hiervon zu unterscheiden sind die Anknüpfungen an den Tatbestand der Anzeigepflicht selbst, nicht also an die Missachtung der Anzeigepflicht (hierzu oben, S. 186). 1256 Hierzu oben, S. 68 bzw. S. 121. 1257 Hierzu oben, S. 135. 1258 Hierzu oben, S. 54 f. 1259 Siehe etwa New York State Bar Association Tax Section, 111 Tax Notes (2006), 929, 932, vor dem Hintergrund der US-Regelungen zu der wesentlichen Bedeutung des Reputationsverlusts in der Öffentlichkeit, aber auch gegenüber dem IRS; kritisch zu Ansätzen des public shaming im Bereich der aggressiven Steuergestaltungen, Blank, 62 Tax Law Review (2009), 541; eher unrealistisch erscheint hingegen die Vermutung von Pearlman, 55 Tax Law Review (2002), 289, 319, die Erwähnung im Zusammenhang mit einem tax shelter könne von der Öffentlichkeit auch als „badge of courage“ gewertet werden (diametral entgegengesetzt auch Schler, 109 Tax Notes (2005), 915, 917: „badge of dishonor“). 1260 Hierzu oben, S. 54. 1261 Hierzu oben, S. 148. 1262 Hierzu oben, S. 155. 1263 Hierzu oben, S. 110.
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Einzelaspekte
D. Erzwingung der Anzeige In einzelnen Ländern gibt es Ansätze zur Erzwingung der Anzeige. So können im US-Anzeigepflichtsystem einstweilige Verfügungen bei den ordentlichen Gerichten erlassen werden.1264 Großbritannien hat Elemente der Erzwingung bei unsicherer Rechtslage im Zuge des Finance Act 2007 eingeführt.1265 Neuerdings findet sich dieser Gedanke zudem in den irischen Regelungen.1266 Der Grundansatz dieser Regelungen ist durchaus nachvollziehbar, gelingt es doch so, die Anzeige auch von Gestaltungen sicher zu stellen, bei denen mangels eindeutiger Anzeigepflicht Bußgeldsanktionen grundsätzlich nicht eingreifen würden.1267 Allerdings darf die Bedeutung für den jeweiligen Fiskus nicht überschätzt werden: Wenn die Finanzverwaltung nämlich um die Aspekte, aus denen sich eine (mögliche) Anzeigepflicht ergibt, weiß, werden häufig auch die wesentlichen Strukturelemente der Gestaltung bereits bekannt sein. Dann hätte die Anzeige für den Fiskus nur mehr eine eingeschränkte Bedeutung. Anders wird dies lediglich dann sein, wenn die Anzeigepflicht an rein äußere Umstände als Indikator für den Innovationsgehalt der Gestaltung anknüpft, die über den Inhalt der Gestaltung noch nichts aussagen,1268 oder wenn es darum geht, andere Beteiligte an der Gestaltung in Erfahrung zu bringen.1269
E. Durch Anzeigepflichten verursachter Aufwand Verlässliche Informationen dazu, welcher Aufwand durch Anzeigepflichten bei den jeweiligen Verpflichteten (compliance costs) sowie bei den Finanzverwaltungen verursacht wird, sind nicht ersichtlich. Für die Abschätzung des Aufwands bei den Verpflichteten sind im Wesentlichen zwei Schritte zu unterscheiden. Zum einen entsteht Aufwand bei der Feststellung der Anzeigepflicht. Manche Kriterien lassen sich dabei leichter beurteilen (etwa die Frage, ob ein Beteiligter in einem nach klaren Kriterien definierten Niedrigsteuerland ansässig ist1270); viele Kriterien erfordern jedoch ________________________ 1264 1265 1266 1267
Hierzu oben, S. 56. Hierzu oben, ab S. 110. Hierzu oben, S. 147. Auch wenn die Bußgeldfestsetzung unabhängig von einem subjektiven Tatbestand erfolgt, so wird doch bei objektiv fragwürdiger Anzeigepflicht die Nichtanzeige regelmäßig gerechtfertigt werden können (zu diesen Tatbeständen im britischen und südafrikanischen Recht oben, S. 109 bzw. S. 121). 1268 Siehe zu derartigen Kriterien oben, S. 191. 1269 Dies könnte in Südafrika, nicht aber in Großbritannien, wo andere Beteiligte ohnehin nicht benannt werden müssen, ein Beweggrund sein. 1270 Hierzu oben, S. 197.
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Vergleichende Analyse der Anzeigepflichtsysteme
eine kompliziertere rechtliche Prüfung (ggf. sogar an zweierlei vergleichsweisen Maßstäben1271). Ohne (steuer-)rechtliche Expertise bzw. Beratung wird sich die Anzeigepflicht jedenfalls nur selten zutreffend beurteilen lassen. Daneben entsteht Aufwand durch die Anzeige selbst. Zentral ist hierbei stets die Verpflichtung zur rechtlichen Darstellung der Steuergestaltung.1272 Der mit dieser Verpflichtung verbundene Aufwand hängt insbesondere davon ab, inwieweit die rechtliche Struktur der Gestaltung vom Anzeigeverpflichteten bereits durchdrungen und ggf. schriftlich festgehalten ist. Etwa bei zur Vermarktung entwickelten Gestaltungen wird die rechtliche Struktur bereits vollumfänglich analysiert und – bspw. für Werbezwecke – aufbereitet sein. Die in der Anzeige geforderten Angaben bedingen dann keinen großen zusätzlichen Aufwand.1273 Ganz anders liegt dies aber, wenn die rechtliche Struktur, einschließlich der zu erwartenden Steuervorteile, noch nicht (vollständig) aufgearbeitet ist, insbesondere weil es sich um eine bewusste „Gestaltung“ gar nicht handelt.1274 Gleiches gilt, wenn in der Anzeige auch die steuerlichen Auswirkungen bei Dritten dargestellt werden müssen. In solchen Fällen kann die Ausarbeitung der durch Anzeigepflichten geforderten detaillierten Darstellung der steuerlichen Struktur ggf. erhebliche Kosten verursachen. Bei einer Beurteilung der Gesamtkosten eines Anzeigepflichtsystems ist selbstverständlich vor allem entscheidend, wie viele Anzeigen erfolgen müssen. Dies hängt zentral vom sachlichen Anwendungsbereich ab. Wie dargestellt, führt etwa das rechtspolitisch ausgerichtete Anzeigepflichtsystem Großbritanniens zu keiner beträchtlichen Zahl von Anzeigen.1275 Ein veranlagungsunterstützend ausgerichtetes System hingegen wird tendenziell zu sehr viel mehr Anzeigen verpflichten, ist Ziel hier doch nicht die einmalige Anzeige von lediglich neuen Gestaltungen, sondern der Hinweis auf all diejenigen Steuergestaltungen, deren genauere Prüfung in der Veranlagung lohnt.1276 Daneben haben auch Aspekte des persönlichen Anwendungsbereichs, etwa der Umgang mit doppelter Anzeigepflicht, Auswirkungen auf die Gesamtkosten eines Anzeigepflichtsystems.1277 ________________________ 1271 Hierzu oben, ab S. 199. 1272 Hierzu oben, S. 221. 1273 Schenke, Verfassungs- und europarechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, Teil 1, B. I., weist darauf hin, das die zumindest nach dem deutschen Entwurf 2007 in den Anzeigen geforderten Angaben ohnehin typischerweise im Rahmen eines Beratungsverhältnisses abgefragt werden. 1274 Zu diesem Begriff und seinen Problemen oben, S. 188. 1275 Hierzu oben, S. 209. 1276 Siehe etwa die oben in Fn. 1153 zum kalifornischen und New Yorker System berichtete Größenordnung. 1277 Hierzu oben, S. 210 ff. und 218.
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Teil III: Rechtspolitische Überlegungen Im Folgenden soll untersucht werden, ob die Einführung von Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen in Deutschland aus rechtspolitischer Sicht empfehlenswert ist. Die Abhandlung ist nach den verschiedenen möglichen Funktionen von Anzeigepflichten unterteilt.1278 Demnach wird zunächst untersucht, ob Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Funktion in Deutschland zu sinnvoller Anwendung kommen könnten (hierzu Kapitel 1), hernach, welche Vor- und Nachteile Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion mit sich brächten (hierzu Kapitel 2), und schließlich, ob die abschreckende Wirkung von Anzeigepflichten wünschenswert ist (hierzu Kapitel 3).
Kapitel 1: Überlegungen zur veranlagungsunterstützenden Funktion A. Generelle Überlegungen Vor der Untersuchung, inwieweit Anzeigepflichten in ihrer veranlagungsunterstützenden Funktion in Deutschland sinnvoll zur Anwendung gebracht werden können, ist es zunächst wichtig, sich die generell nur beschränkte Wirkweise dieser Funktion vor Augen zu führen. Es geht bei dieser ausschließlich darum, die Prüfung von Steuergestaltungen feinzusteuern und zu erleichtern.1279 Die inhaltliche Prüfung jedoch, ob und inwieweit die angezeigte Steuergestaltung zulässig ist, beurteilt sich weiterhin ausschließlich nach dem jeweils geltenden materiellem Recht, einschließlich der allgemeinen Missbrauchsnorm. Ist eine Gestaltung nach diesem Maßstab aber zulässig, das heißt entspricht sie dem geltenden materiellen Recht, so geht die veranlagungsunterstützende Funktion mit ihrer spezifischen Zielsetzung, als missbräuchlich bewertete Gestaltungen zu verhindern, ins Leere. Genau dies ist der Grund, warum in großen Teilen der US-amerikanischen Literatur – die thematisch ausgesprochen oder unausgesprochen maßgeblich auf die veranlagungsunterstützende Funktion bezogen ist – den Anzeigepflichten in Anbetracht einer unzureichenden allgemeinen wie speziellen Missbrauchsgesetz________________________ 1278 Zu diesen oben, ab S. 172. 1279 Hierzu oben, ab S. 173.
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Rechtspolitische Überlegungen
gebung nur beschränkte Bedeutung beigemessen wird.1280 Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Funktion haben also lediglich unterstützende Funktion, um den materiellrechtlichen Vorgaben zu voller Wirksamkeit zu verhelfen. Ein Defizit auf materiellrechtlicher Ebene vermögen sie hingegen nicht auszugleichen. Insofern wird also die Einführung von Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Funktion bei bereits zufriedenstellender materiellrechtlicher Lage, insbesondere einer funktionsfähigen allgemeinen Missbrauchsnorm nicht überflüssig. Anzeigepflichten erfordern diese umgekehrt vielmehr, um überhaupt ihre Wirkung entfalten zu können.
B. Übertragbarkeit auf Deutschland Für die Frage, ob Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Funktion gerade auch in Deutschland sinnvoll wären, sind diese Regelungen insbesondere vor dem Hintergrund des existierenden Veranlagungssystems zu beleuchten. Hierbei ist namentlich zu untersuchen, inwiefern sich etwaige Unterschiede zwischen einem Selbstveranlagungssystem und einem System hoheitlicher Veranlagung auf die rechtspolitische Beurteilung von Anzeigepflichten auswirken. Ebenso ist zu behandeln, inwiefern bereits bestehende Offenbarungspflichten die Einführung von Anzeigepflichten erübrigen (hierzu I. und II.). Nach der Diskussion, wie sich Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Funktion in ein System hoheitlicher Veranlagung wie das Deutschlands einfügen, ist schließlich zu untersuchen, inwiefern sich durch derartige Anzeigepflichten Effizienzsteigerungen in der Veranlagung ergeben können, die ggf. selbst dann, wenn die Anzeigepflichten nicht grundsätzlich erforderlich sind, zu begrüßen wären (hierzu III.).
I. Das Veranlagungssystem in den Ländern mit Anzeigepflichten Die Veranlagung in den Ländern, deren Anzeigepflichtsysteme klar veranlagungsunterstützend ausgerichtet sind, also den USA, Kanada und Israel,1281 ________________________ 1280 Chirelstein/Zelenak, 105 Columbia Law Review (2005), 1939, 1939, 1942 und 1947; Schler, 55 Tax Law Review (2002), 325, 328; Weisbach, 54 Southern Methodist University Law Review (2001), 73; ders., 55 Tax Law Review (2002), 215, 229; positiver hingegen Canellos, 54 Southern Methodist University Law Review (2001), 47, Pearlman, 55 Tax Law Review (2002), 289, sowie Jensen, The US legislative and regulatory approach to tax avoidance, 123 f., jeweils wegen optimistischerer Beurteilung des existierenden materiellrechtlichen Missbrauchsinstrumentariums; auch Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 254, weist auf die Abhängigkeit der Anzeigepflichten vom materiellen Recht hin. 1281 Hierzu oben, ab S. 175.
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Überlegungen zur veranlagungsunterstützenden Funktion
beruht jeweils auf einem System der Selbstveranlagung der Steuerpflichtigen.1282 Danach erfolgt – ähnlich wie im Rahmen der deutschen Umsatzsteuerveranlagung (vgl. § 150 Abs. 1 S. 3 AO) – durch den Steuerpflichtigen nicht nur eine Sachverhaltserklärung, sondern auch bereits die Berechnung und Festsetzung der Steuer.1283 Hierfür hat der Steuerpflichtige insbesondere auch selbst das materielle Steuerrecht auf den gegebenen Sachverhalt anzuwenden. Von Seiten der Finanzverwaltung erfolgt in diesen Systemen im Veranlagungsverfahren regelmäßig keine Überprüfung oder lediglich eine computergestützte Plausibilitätsprüfung der Erklärungen. Eine weitergehende Überprüfung der Sachverhaltsangaben sowie der rechtlichen Bewertung findet lediglich stichprobenartig im Rahmen einer Außenprüfung statt.1284 In Anbetracht der häufig sehr niedrigen Kontrolldichte ist eine solche Prüfung regelmäßig nicht zu erwarten.1285 Der Steuerpflichtige kann – wie in einer audit lottery – darauf vertrauen, dass seine Erklärung letztlich sachlich und rechtlich nie geprüft wird.1286 In einem solchen System liegt die Bedeutung von Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Funktion offen zutage: Sie filtern bei richtiger Ausgestaltung der anzeigepflichtigen Fallgruppen diejenigen Gestaltungen heraus, bei denen eine besondere Prüfungsrelevanz besteht. Hier kann dann in jedem Fall eine Prüfung stattfinden. So wird etwa in Kanada, das grundsätzlich ein Selbstveranlagungssystem mit nur geringer Prüfdichte kennt, jede im Rahmen der Anzeigepflichten berichtete Gestaltung geprüft.1287 ________________________ 1282 Vgl. zum US-amerikanischen System ausführlich Seer, Besteuerungsverfahren, Tz. 15 ff., sowie Nagel, Selbstveranlagung im britischen und amerikanischen Steuerrecht, 11 ff.; zu Kanada siehe Maywald, in: Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Abschnitt Kanada, Tz. 240 und 350, sowie Oleynik, Canada Tax Guide, 187; zu Israel, vgl. sowie Rafael, Business Operations in Israel, A-87 sowie § 145 (a) des israelischen Einkommensteuergesetzes. 1283 Siehe ausführlicher Seer, StuW 2003, 40, 45 f.; ders., in: Tipke/Lang, § 21, Tz. 7; am Beispiel der USA: ders., Besteuerungsverfahren, Tz. 15 ff. 1284 Seer, Steuervollzug im Rechtsstaat, 32 f.; Seer, Besteuerung vereinfachen: Dann atmen Bürger und Beamte auf, Rubin – Das Wissenschaftsmagazin, 1/2002, 42. 1285 In den USA etwa lag die audit rate bei der Individualertragsteuer im Jahr 2007 bei lediglich 1 Prozent (vgl. die bei der Syracuse University, New York zusammengestellten Daten des IRS, abrufbar unter www.trac.syr.edu/tracirs); die Prüfungsdichte für Individuen mit einem Einkommen über 1 Million US$ lag allerdings bereits bei 6,3 Prozent, die für größere Körperschaften mit einem Vermögen von mindestens 250 Millionen USD bei 26 Prozent (vgl. Browning, „I.R.S. Scrutiny of Big Firms Plummets, Study Says“, New York Times v. 14.4.2008; Politi, „Focus of tax audits shifts to smaller companies“, Financial Times v. 14.4.2008). 1286 Hierzu etwa Newman, 86 Tax Notes (2000), 1438; Raskolnikov, 109 Columbia Law Review (2009), 689, 694 ff. und 737 ff. 1287 Siehe Canada Revenue Agency, Memorandum „Tax Shelters“ v. 28.11.2007 (abrufbar unter www.cra-arc.gc.ca/gncy/lrt/vshlt-eng.html). In den Jahren 1995 bis 2000 wurden im Rahmen dieser Überprüfungen bei etwa 1.100 offenbarungspflichtigen
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Rechtspolitische Überlegungen
II. Die Lage in Deutschland 1. Idealform der deutschen Ertragsteuerveranlagung De lege lata gilt im deutschen Ertragsteuerrecht das Prinzip der hoheitlichen Veranlagung, nicht der Selbstveranlagung.1288 Die Abgabenordnung sieht mit dem Untersuchungsgrundsatz ein hoheitliches Verfahren vor, in dem der Finanzbehörde die verfahrensleitende Stellung zukommt (vgl. § 88 AO). Der Finanzbeamte ermittelt von Amts wegen den steuerlich relevanten Sachverhalt und setzt nach rechtlicher Prüfung des Sachverhalts die gesetzlich geschuldete Steuer fest (§ 155 Abs. 1 AO). Die Steuerpflichtigen treffen lediglich Mitwirkungspflichten im Rahmen der Sachverhaltsermittlung (vgl. insbesondere das Deklarationsprinzip des § 90 Abs. 1 AO). Damit ist die Ausgangslage für Anzeigepflichten in einem System der hoheitlichen Veranlagung wie in Deutschland grundlegend anders als in den Ländern, in denen die Steuerfestsetzung im Wege der Selbstveranlagung erfolgt. Denn durch die hoheitliche Veranlagung, also die rechtliche Prüfung des deklarierten Sachverhalts durch den Veranlagungsbeamten, wird im Grundsatz sichergestellt, dass bereits im ordentlichen Veranlagungsverfahren jede Gestaltung zur Kenntnis der Finanzverwaltung kommt. Ergänzt wird dies zumindest im Bereich der Unternehmensbesteuerung durch ausführliche Außenprüfungen (Verifikation). Wenn aber die Finanzverwaltung ohnehin jede Gestaltung rechtlich prüft, sind die Anzeigepflichten mit ihrer Zwecksetzung, auf rechtlich zweifelhafte Gestaltungen hinzuweisen und eine Überprüfung derselben zu ermöglichen, ihrer grundlegenden Legitimation beraubt.1289 Diese Aussage ist allerdings im Weiteren in zweierlei Hinsicht zu hinterfragen: Zum einen stellt sich die Frage, ob die Realität der Ertragsteuerveranlagung in Deutschland diesem Idealbild tatsächlich entspricht und welche Schlüsse aus möglichen Defiziten gezogen werden müssten (hierzu 2.). Daneben ist genauer zu untersuchen, in welchem Umfang der Sachverhalt den Finanzbehörden mitgeteilt werden muss. Denn nur wenn auch tatsächlich immer eine vollständige Sachverhaltsschilderung vorliegt, können rechtlich zweifelhafte Gestaltungen überhaupt erkannt werden (hierzu 3.). ________________________ Gestaltungen Steuerfehlbeträge von insgesamt 335 Millionen CAN$ festgesetzt (vgl. Siehe Canada Revenue Agency, Fact Sheet „Tax Shelters“ v. 28.11.2000 (verfügbar unter www.cra-arc.gc.ca/nwsrm/fctshts/2000/m11/txshl-eng.html). 1288 Zu den aktuellen und historischen Überlegungen zur Einführung eines Selbstveranlagungssystems siehe Ahrens/Nagel, FR 2002, 261; Seer, Besteuerungsverfahren, Tz. 2; ders., StuW 2003, 40, 45 f.; siehe auch Engels, Bundesrechnungshof: Probleme beim Vollzug der Steuergesetze, 163 f. 1289 Zum Bezug der Anzeigepflichten auf rechtlich zweifelhafte Gestaltungen, nicht aber Sachverhaltsfehldarstellungen, siehe oben, S. 175.
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2. Realität der deutschen Ertragsteuerveranlagung Die Unterschiede zu einem Selbstveranlagungssystem erweisen sich als weit weniger extrem, wenn dem Vergleich nicht das Idealbild der deutschen Ertragsteuerveranlagung zugrunde gelegt wird, sondern deren Realität. Es besteht nämlich eine große Diskrepanz zwischen dem deutschen Gesetzesmodell und der Vollzugsrealität im Massenverfahren.1290 Aus der sphärenorientierten Arbeitsteilung zwischen Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung bei der Sachverhaltsermittlung1291 ist in vielen Fällen eine Art „Selbstveranlagung mit kapazitätsabhängiger manueller Kontrolle“ geworden.1292 Die Sachverhaltsdaten aus den Steuererklärungen werden demnach in der Regel einfach übernommen. Insofern findet auch in Deutschland die intensivere Sachverhaltsüberprüfung regelmäßig lediglich bei Außenprüfungen statt.1293 Für die Beurteilung von Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Funktion spielt der Unterschied zwischen Idealform und Realität der Veranlagung in Deutschland allerdings eine nur untergeordnete Rolle. Denn es geht bei Anzeigepflichten generell, wie oben dargestellt,1294 in Anbetracht des bereits existierenden steuerstrafrechtlichen Instrumentariums bei Sachverhaltsfehldarstellungen gar nicht um eine Kontrolle der Sachverhaltsangaben, sondern um eine rechtliche Prüfung auf der Grundlage des übermittelten Sachverhalts. Das beschriebene Vollzugsdefizit ist aber ein Verifikationsdefizit. Es ändert nichts daran, dass die abschließende rechtliche Prüfung jeden Sachverhalts durch den Veranlagungsbeamten vorgenommen wird. Denn auch nach dem niedrigeren tatsächlichen Standard der deutschen Veranlagungspraxis werden die Angaben der Steuerpflichtigen bei der Veranlagung zumindest noch auf Glaubhaftigkeit und Schlüssigkeit hin überprüft.1295 Schlüssigkeit ________________________ 1290 Eckhoff, in: Ahrens/Nagel, FR 2002, 261, 261; Seer, in: Ahrens/Nagel, FR 2002, 261, 263; ders., Besteuerungsverfahren, Tz. 77 ff.; ders., StbJb. 2004/05, 53, 54 ff.; Engels, Bundesrechnungshof: Probleme beim Vollzug der Steuergesetze, 13 und 145. 1291 Hierzu Seer, in: Tipke/Lang, § 21, Tz. 4. 1292 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, Habil. Münster, Köln 1999, 461 ff.; Seer, in: Ahrens/Nagel, FR 2002, 261, 263; ebenso nicht namentlich genannte Vertreter der Finanzverwaltung in Ahrens/Nagel, FR 2002, 261, 266 und 268; Seer, StbJb. 2004/05, 56. Bei der Veranlagung liegt die durchschnittliche Prüfzeit pro Steuererklärung bei lediglich etwa 20 Minuten (vgl. Engels, Bundesrechnungshof: Probleme beim Vollzug der Steuergesetze, 14 und 53). 1293 Zur vielfach unbefriedigenden Situation auch bei den Außenprüfungen, Engels, Bundesrechnungshof: Probleme beim Vollzug der Steuergesetze, 71 ff., 154 f. und 177 ff. 1294 Hierzu oben, S. 175. 1295 Vgl. Seer, StuW 2003, 40, 42 f. m. w. N.; Grundsätze zur Organisation der Finanzämter und Neuordnung des Besteuerungsverfahrens (GNOFÄ), Gleichlautende Erlässe der obersten Finanzbehörden der Länder v. 19.11.1996, BStBl. I 1996, 1391, Tz. 3; anderes gilt lediglich im Rahmen der sogenannten Schnellbearbeitung, die in einigen Bundesländern praktiziert wird (siehe hierzu Engels, Bundesrechnungshof:
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liegt dabei nur dann vor, wenn die vorgetragenen Tatsachen nach geltendem Recht die begehrte Rechtsfolge eintreten lassen.1296 Es mangelt im tatsächlichen Vollzug also lediglich an der Überprüfung der Sachverhaltsangaben auf Richtigkeit, nicht aber an der rechtlichen Prüfung der Gestaltung. Damit ist die zentrale Funktion der Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Wirkung auch nach der tatsächlichen Veranlagungspraxis nicht vonnöten, wird doch bereits ohne ein System von Anzeigepflichten jede potentiell missbräuchliche Gestaltung von der Finanzverwaltung rechtlich überprüft. Selbst wenn sich das Vollzugsdefizit auch auf die rechtliche Prüfung der Sachverhalte auswirkte, könnte dies zudem nicht als Argument für die Notwendigkeit von Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Wirkung vorgebracht werden. Denn die Tatsache, dass bereits nach geltendem Recht bestehende Prüfungsspielräume durch den Fiskus tatsächlich nicht ausgenutzt werden, könnte schwerlich Begründung für ein zusätzliches Instrumentarium sein. Sie führte zu einer doppelten Berichtspflicht betreffender Gestaltungen, zunächst im Rahmen der allgemeinen Erklärungspflicht und daneben über das neu geschaffene System von Anzeigepflichten. Ressourcen der Finanzverwaltung würden im Anzeigepflichtsystem gebunden und damit für die Prüfung der einzelnen Steuererklärung erst recht nicht mehr zur Verfügung stehen. Davon unabhängig ist die – hier nicht zu behandelnde – Frage zu beurteilen, ob das Prüfungsdefizit nicht dazu Anlass geben sollte, generell von einem System der hoheitlichen Veranlagung auf ein Selbstveranlagungssystem überzugehen.1297 Im Rahmen einer solchen Neuorientierung der Ertragsteuerveranlagung stellte sich dann auch die Frage nach Anzeigepflichten neu. Als Korrektiv der Tatsache, dass eine rechtliche Prüfung außerhalb der Außenprüfungen hier nurmehr durch den Steuerpflichtigen selbst durchgeführt würde, machten Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Funktion dann ggf. durchaus Sinn.
________________________ Probleme beim Vollzug der Steuergesetze, 42 f., sowie Bundesrechnungshof, Bericht v. 17.1.2012 über den Vollzug der Steuergesetze, 21 ff.); diese ist aber vor allem auf einfachste Fälle der Arbeitnehmerveranlagung beschränkt, so dass sie für Zwecke der hier untersuchten Steuergestaltungen keine Relevanz hat. 1296 Vgl. Seer, StuW 2003, 40, 42 f. m. w. N.; GNOFÄ, a. a. O., Tz. 3. 1297 Hierzu ausführlich Seer, StuW 2003, 40; Seer, Steuervollzug im Rechtsstaat, 32 ff.; zu den Vor- und Nachteilen vor dem Hintergrund des britischen und US-amerikanischen Systems Nagel, Selbstveranlagung im britischen und amerikanischen Steuerrecht, 251 ff.
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3. Sachverhaltsoffenbarungspflichten a) Problematik Die oben getroffene generalisierende Aussage, wonach ein neues System von Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Funktion in Deutschland deswegen nicht erforderlich ist, weil bereits ohne diese Pflichten jede Gestaltung im Rahmen der rechtlichen Prüfung des Veranlagungsbeamten zur Kenntnis der Finanzverwaltung kommt, ist letztlich aber nur dann vollumfänglich zutreffend, wenn bei der rechtlichen Prüfung auch tatsächlich alle hierfür erforderlichen Sachverhaltsinformationen vorliegen. Ohne eine umfassende Darstellung des relevanten Sachverhalts wird der Finanzbeamte die rechtliche Problematik der Gestaltung nämlich häufig schon gar nicht erkennen. aa) Komplexität von Steuergestaltungen Zweifel daran, dass auch tatsächlich alle erforderlichen Informationen vorliegen, ergeben sich zunächst aus der hohen Komplexität vieler Steuergestaltungen. Dies gilt beispielsweise im Hinblick auf die Ermittlung des tatsächlichen wirtschaftlichen Gehalts einer Gestaltung, der für die Anwendung verschiedener Missbrauchstatbestände, insbesondere der allgemeinen Missbrauchsnorm des § 42 AO1298, relevant ist. So kann es zum Beispiel sein, dass sich der tatsächliche wirtschaftliche Gehalt einer Gestaltung erst bei zusammenhängender Betrachtung der Sachverhaltslage bei mehreren Steuerpflichtigen zeigt (interpersonelle Weiterung). Bei grenzüberschreitenden Gestaltungen ist es denkbar, dass die wahre Struktur der Gestaltung erst in der Zusammenschau mit den steuerlichen und sonstigen Wirkungen im Ausland offenbar wird (interterritoriale Weiterung). Auch wird der tatsächliche wirtschaftliche Gehalt häufig erst bei der Betrachtung der Gestaltung über mehrere Veranlagungszeiträume sichtbar (intertemporale Weiterung).1299 Allein die Mitteilung der für die Besteuerung des betreffenden Steuerpflichtigen in Deutschland im betreffenden Veranlagungszeitraum unmittelbar erforderlichen Sachverhaltsangaben werden ein realistisches Bild der tatsächlichen wirtschaftlichen Vorgänge somit häufig nicht liefern können. Gleiches gilt für andere steuerliche Tatbestände, bei denen ein breiterer Kontext an Sachverhaltsinformationen erforderlich ist, um die konkrete rechtliche Einordnung korrekt vorzunehmen.1300 ________________________
1298 Hierzu ausführlicher unten, ab S. 264. 1299 Eine gewisse Abmilderung der Problematik folgt bei diesen Konstellationen aber aus der Tatsache, dass der Steuerbescheid dann unter Umständen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zulasten des Steuerpflichtigen geändert werden kann. 1300 Eindrückliches Beispiel ist hier etwa die Information über die Gesellschafterstellung eines Geschäftsführergehaltsempfängers oder Pensionsrückstellungsbegünstigten; erst diese Information erlaubt die richtige Beurteilung des steuerlichen Abzugs im Lichte von verdeckten Gewinnausschüttungen.
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bb) Materiellrechtlich unklare Rechtslage Zudem bestehen Zweifel an der idealtypischen Informationssymmetrie insofern, als unter Umständen fraglich sein kann, ob ein steuerlich relevanter Sachverhalt überhaupt vorliegt. Denn auch dies ist von einer materiellen steuerrechtlichen Beurteilung abhängig, die unklar sein kann. Das ergibt sich daraus, dass die idealtypische Aufgabenteilung zwischen Steuerpflichtigen, die allein für die Sachverhaltsdarstellung verantwortlich sind, und Finanzbehörden, die diesen umfassend dargestellten Sachverhalt rechtlich bewerten, keineswegs vollständig der Realität entspricht.1301 Nicht etwa werden in einer Steuererklärung nämlich alle denkbaren Lebenssachverhalte umfassend geschildert, oder könnten diese auch nur bei angemessenem Aufwand geschildert werden. Vielmehr hängt die Erteilung oder Nichterteilung einzelner Auskünfte in der Steuererklärung bereits von einer rechtlichen Vorprüfung durch den Steuerpflichtigen bzw. dessen Berater ab.1302 Wegen der formalisierten und standardisierten Gestaltung der Steuerklärungen erschöpfen sich die Angaben gegenüber dem Finanzamt aber häufig in der Wiedergabe quantifizierter Beträge ohne Sachverhaltsschilderung.1303 Es kann daher vorkommen, dass Sachverhaltsangaben, die nach zutreffender Rechtsansicht als steuerlich relevant mitgeteilt werden müssten, unterbleiben, wenn aufgrund des rechtlichen (Vor-) Verständnisses des Steuerpflichtigen der Sachverhalt ohne Bedeutung für die Besteuerung ist. Umgekehrt ist es möglich, dass eine auf eine irrige Rechtsansicht gestützte Sachverhaltsangabe erfolgt – zum Beispiel die Einordnung von Aufwand als Betriebsausgabe in der Steuererklärung bzw. ihrem Anhang –, die bei richtiger rechtlicher Bewertung so nicht erfolgen hätte dürfen. Der Finanzverwaltung ist in beiden Fällen eine sinnvolle Überprüfung der Angabe nicht möglich, da die zugrunde liegende rechtliche Bewertung nicht mitgeteilt wird.1304 Die angesprochene Problematik ist gerade im Bereich von innovativen Steuergestaltungen, bei denen die Rechtslage typischerweise noch nicht abschließend geklärt ist, von besonderer Bedeutung. Ebenso spielt diese Problematik ________________________
1301 Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks, § 370 AO, Tz. 124 f. 1302 Blumers, DB 1987, 807, 807; ders., StbJb. 1986/87, 353, 359; Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 150 AO, Tz. 17; Seer, in: Tipke/Kruse, § 150 AO, Tz. 14. 1303 BGH v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, NStZ 2000, 203, Tz. 25; Blumers, StbJb. 1986/87, 353, 359. 1304 Von vornherein unproblematisch ist es hingegen, wenn ein Nachvollzug der Subsumtion durch die Darstellung in der Steuererklärung möglich ist; so würde etwa die ausdrückliche Geltendmachung eines steuerlichen Abzugs für eine Geldbuße oder Geldstrafe eine Überprüfung durch den Veranlagungsbeamten anhand von § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 bzw. § 12 Nr. 4 EStG und eine entsprechende Korrektur ermöglichen; insbesondere im umgekehrten Fall der Nichtangabe von Einnahmen erfolgt eine derartige Offenlegung der Subsumtion aber denklogisch nicht.
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im Zusammenhang der allgemeinen Missbrauchsnorm des § 42 AO, dessen Kriterien im Einzelnen umstritten sind,1305 eine hervorragende Rolle.1306 b) Bestehende Sachverhaltsoffenbarungspflichten Es wird sich im Folgenden zeigen, dass bereits nach der heute in Deutschland geltenden Ertragsteuerveranlagung mit Sanktionen abgesicherte ergänzende Offenbarungspflichten bestehen, die Steuerpflichtige1307 dazu verpflichten, über die konkrete Mitteilung des nach ihrer Rechtsauffassung für die Besteuerung unmittelbar relevanten Sachverhalts hinausgehend, die für eine umfassende Würdigung der Steuerpflicht erforderlichen Sachverhaltsinformationen mitzuteilen. aa) Rechtsnatur der Offenbarungspflichten Die angesprochenen ergänzenden Offenbarungspflichten sind im Grunde selbstverständlich steuerverfahrensrechtlicher Natur. Nichtsdestotrotz werden diese vornehmlich im Rahmen des Steuerstraf- und Steuerbußgeldrechts behandelt, werden sie doch vor allem dort streitgegenständlich. Die wesentlichen Sanktionsmechanismen bei Missachtung dieser Offenbarungspflichten bestehen nämlich im Instrumentarium des Straf- und Bußgeldrechts, oder knüpfen an deren Tatbestände zumindest an (so z. B. die Haftungstatbestände der §§ 70 und 71 AO,1308 die Verlängerung der Festsetzungsfrist in § 169 Abs. 2 S. 2 AO1309 und § 191 Abs. 3 S. 2 AO, oder die Verzinsung von hinterzogenen Steuern nach § 235 AO1310). Vom Straf- und Bußgeldrecht unabhängige Folgen eines Verstoßes gegen Offenbarungspflichten ergeben sich lediglich im Zusammenhang mit der Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, wonach die Möglichkeit, neue Tatsachen zugunsten des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, eingeschränkt wird.1311 ________________________ 1305 Hier hat sich auch durch die Änderungen im Zuge des Jahressteuergesetzes 2008 jedenfalls keine positive Veränderung ergeben (vgl. Lang, in: Tipke/Lang, § 5, Tz. 97; zu § 42 AO ausführlich unten, ab S. 264). 1306 Hierzu Meilicke, BB 1984, 1885, 1889, und Ulmer, DStZ 1986, 292, 295 f. 1307 Die Untersuchung soll sich im Folgenden der Einfachheit und Klarheit wegen auf den Steuerpflichtigen beschränken, obwohl sie herkömmlich vor allem im Zusammenhang mit den Pflichten und Gefahren der Steuerberatung diskutiert wird (ebenso Blumers, DB 1987, 807, 809). 1308 Zur Haftung des Steuerberaters nach § 71 AO ausführlich Giemulla, DStZ 1982, 20, sowie Schwedhelm, DStR 2006, 1017, 1021. 1309 Hierzu FG München v. 16.8.2007, 13 V 1918/07, BeckRS 2007 26024137, sowie BFH v. 29.1.2008, VIII B 37/07, BeckRS 2008 25013068. 1310 Siehe hierzu FG Hamburg v. 6.12.2001, VI 103/99, BeckRS 2001 21009794. 1311 Hierauf gestützt bezog auch der BFH losgelöst von straf- und bußgeldrechtlichen Tatbeständen Stellung zu der Reichweite von Offenbarungspflichten; vgl. BFH v. 10.8.1988, IX R 219/84, BStBl. II 1989, 131.
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bb) Offenbarungspflichten bei klarer Rechtslage In der Rechtsprechung sowohl der Straf- als auch der Finanzgerichte findet sich die Aussage, dass der Sachverhalt dem Finanzamt stets so umfassend darzustellen sei, dass dem Finanzamt eine zutreffende rechtliche Bewertung möglich ist.1312 Dieser Rechtsprechung wird auch von Seiten der Literatur weitestgehend beigepflichtet.1313 Obwohl die Problematik in Rechtsprechung und Literatur insbesondere im Zusammenhang mit der allgemeinen Missbrauchsnorm des § 42 AO diskutiert wird,1314 lassen sich aus dieser Behandlung der Steuerumgehung allgemeine Schlüsse ziehen, die auch auf andere Tatbestände übertragen werden können. Bisher sind lediglich drei veröffentlichte Entscheidungen ersichtlich, in denen eine Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit einer Steuerumgehung tatsächlich ausführlicher geprüft wurde und die damit zum Zwecke der Illustrierung der Rechtsprechung herangezogen werden können:1315 ________________________ 1312 RFH v. 2.2.1934, V e A 88/32, RStBl. 1934, 918, 919; RG v. 7.6.1943, 2 D 441/42, RGSt 77, 87, RStBl. 1943, 562, 565; BFH v. 1.2.1983, VIII R 30/80, BStBl. II 1983, 534, wistra 1983, 202, Tz. 28; OLG Bremen v. 26.4.1985, Ws 111/84, 115/84, 116/84, Strafverteidiger (StV) 1985, 282, 285; FG Köln v. 14.10.1993, 13 K 1783/91, nur über juris im Leitsatz zugänglich; BFH v. 14.12.2000, II B 123/99, BFH/NV 2001, 738, Tz. 10. 1313 Kruse, StbJb. 1978/79, 443, 451 f.; Tipke, Steuerrechtsordnung, 1345; Ulmer, DStZ 1986, 292, 295 f.; Meine, wistra 1992, 81, 83 f.; Blumers, StbJb. 1983/84, 319, 339 f. 1314 Auch die gerade in der Fn. 1312 zitierten Urteile behandeln sämtlich Offenbarungspflichten im Zusammenhang mit der allgemeinen Missbrauchsnorm; ein Hinweis auf Offenbarungspflichten im Zusammenhang mit der allgemeinen Missbrauchsnorm fand sich bis zum 2. AOStrafÄndG 1968 (Gesetz v. 12.8.1968, BGBl. I 1968, 953) sogar ausdrücklich in der Abgabenordnung, wenn auch in einer negativen Formulierung: § 396 Abs. 4 bzw. § 402 Abs. 2 AO 1931 und vor diesen § 359 Abs. 4 bzw. § 367 Abs. 2 AO 1919 konnte entnommen werden, dass eine Steuerumgehung als solche nicht strafbar ist, allerdings dann strafrechtlich relevant wird, wenn die Anwendung der allgemeinen Missbrauchsvorschrift durch Missachtung von Offenbarungspflichten unmöglich gemacht wird (Tipke, Steuerrechtsordnung, 1345, hat hierfür den Begriff der „unehrlichen Steuerumgehung“ geprägt; siehe hierzu auch Giemulla, DStZ 1982, 20, 24, sowie Kruse, StbJb. 1978/79, 443, 451 f.); nicht selten wird aber in der Praxis direkt von einer festgestellten Steuerumgehung auf eine Steuerhinterziehung geschlossen (vgl. Giemulla, DStZ 1982, 20, 20); eine Änderung der Rechtslage ergab sich mit der Streichung dieser Vorschriften aber gerade nicht (vgl. BFH v. 14.12.2000, II B 123/99, BFH/NV 2001, 738, Tz. 10; Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks, § 370 AO, Tz. 139; Giemulla, DStZ 1982, 20, 24; Danzer, Steuerumgehung, 39; vgl. jetzt auch ebenso AEAO zu § 42 AO, Tz. 3). 1315 Die meisten anderen einschlägigen Entscheidungen zur Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Gestaltungsmissbrauch enthalten keine Prüfung der Steuerhinterziehung selbst, sondern erschöpfen sich in der Wiedergabe der eben dargelegten abstrakten Abgrenzung zwischen für sich straflosem Gestaltungsmissbrauch und strafbarer Nichtbefolgung der mit diesem zusammenhängenden Offenbarungspflichten
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Erstmals hatte das Reichsgericht 1943 einen solchen Fall zu entscheiden.1316 In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt wollte ein Steuerpflichtiger den Werbungskostenabzug aus einem verlorenen Sicherungsguthaben bei einer Bank auf mehrere Veranlagungszeiträume verteilen. Zu diesem Zweck vereinbarte er mit der Bank, dass das Guthaben nicht im Jahr des wirtschaftlichen Verlusts, sondern auf mehrere Jahre verteilt in Raten ausgebucht werden sollte. Hierin erkannte das Reichsgericht eine unzulässige Steuerumgehung im Sinne von § 6 StAnpG, der Vorgängervorschrift zu § 42 AO. Die Steuerhinterziehungshandlung sah das Reichsgericht darin, dass es unterlassen wurde, bei der steuerlichen Geltendmachung der einzelnen Ausbuchungen mitzuteilen, dass die Aufteilung in mehrere Tranchen nicht auf einer schrittweisen Inanspruchnahme durch die Bank, also auf wirtschaft________________________ (dies geschieht etwa, um dem Einwand des Steuerpflichtigen zu begegnen, ein Gestaltungsmissbrauch könne wegen seiner Steuerehrlichkeit nicht vorliegen (vgl. RFH v. 2.2.1934, V e A 88/32, RStBl. 1934, 918, 919) oder um damit bei einem den Gestaltungsmissbrauch feststellenden, darüber hinaus aber nicht beschwerenden finanzgerichtlichen Urteils die für die Nichtzulassungsbeschwerde erforderliche materielle Beschwer wegen etwaiger Gefahr der strafrechtlichen Verurteilung zu verneinen (vgl. BFH v. 1.2.1983, VIII R 30/80, BStBl. II 1983, 534, wistra 1983, 202, Tz. 28); oder um unter Verweis auf die ausreichende Klärung dieser Abgrenzung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage und damit einen Beschwerdegrund für die Nichtzulassungsbeschwerde abzulehnen (vgl. BFH v. 14.12.2000, II B 123/99, BFH/NV 2001, 738, Tz. 10); oder um schließlich lediglich abstrakt zu klären, dass allein die Tatsache, dass eine Gestaltung nach neuer finanzgerichtlicher Rechtsprechung eine Steuerumgehung darstellt, nicht zur Annahme einer Steuerhinterziehung führt (vgl. FG Köln v. 14.10.1993, 13 K 1783/91, nur über juris im Leitsatz zugänglich); weitere Entscheidungen betreffen unrichtige Angaben im Zusammenhang mit einer Steuerumgehung und gehen auf Offenbarungspflichtverletzungen wegen unvollständiger Angaben konsequenterweise nicht ein (vgl. RG v. 10.9.1942, 2 D 276/1942, RStBl. 1942, 938: Hier wurden Gewinnausschüttungen durch bewusst unrichtige Bezeichnung als Geschäftsunkosten verschleiert; BGH v. 27.1.1982, 3 StR 217/81, wistra 1982, 108: Hier hatte der Steuerpflichtige als seinen Anteil an einer ausländischen Basisgesellschaft 100 Prozent statt wie zutreffend 41 Prozent ausgewiesen; ebenso offenbar BGH v. 24.8.1983, 3 StR 89/83, StV 1983, 501, NStZ 1984, 19 (ohne Sachverhaltsdarstellung; Entscheidung der Vorinstanz, LG Mannheim v. 17.8.1982, 3 Js 1655/79, nicht veröffentlicht): Hier wurde das Finanzamt durch aktive Verschleierung über die Gründung einer ausländischen Domizilgesellschaft getäuscht); Eine letzte Entscheidung verneint bereits das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs als Voraussetzung für die Verkürzung der Steuer und prüft daher nicht mehr das weitere Tatbestandsmerkmal der unvollständigen Sachverhaltsangaben, also die Verletzung von Offenbarungspflichten (vgl. OLG Düsseldorf v. 26.8.1988, 3 Ws 512/88, wistra 1989, 72, 73 ff.; § 42 AO ist, wie generell das materielle Steuerrecht, für die Prüfung der Steuerhinterziehung insofern von Relevanz, als sich aus ihm ergibt, in welcher Höhe der Steueranspruch besteht und also verkürzt werden kann (siehe hierzu Ulmer, DStZ 1986, 292, 294)). 1316 RG v. 7.6.1943, 2 D 441/42, RGSt 77, 87, RStBl. 1943, 562.
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lichen Gründen, sondern auf rein steuerlichen Erwägungen basierte.1317 Mithin habe der Steuerpflichtige den Finanzbehörden die zur rechtlichen Prüfung einer Steuerumgehung erforderlichen Informationen nicht vollständig mitgeteilt.1318 In einem Fall aus dem Jahr 1985 verneinte das OLG Bremen eine Steuerhinterziehung, weil alle für die Prüfung der allgemeinen Missbrauchsvorschrift relevanten Informationen mitgeteilt worden waren.1319 Dies bezog auch die Offenbarung der Tatsache ein, dass die einer Gesellschaftsgründung zugrunde liegende Motivation sich darin erschöpfte, steuerliche Vorteile durch Verlustzuweisungen zu erzielen.1320 Dieselben Kriterien für die Bestimmung des Umfangs der Offenbarungspflicht legte später auch das Hessische Finanzgericht in einer Entscheidung zur verlängerten Festsetzungsverjährungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO an.1321 In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte eine GmbH & Co KG vom Steuerpflichtigen als ihrem zunächst einzigen Kommanditisten ein Grundstück erworben. Gestützt auf § 5 Abs. 2 GrEStG wurde eine vollständige Befreiung von der Grunderwerbsteuer beantragt und dies mit dem Hinweis darauf begründet, dass die Komplementär-GmbH keine Einlage zu leisten hatte, der Steuerpflichtige somit zu 100 Prozent am Ver-
________________________ 1317 RG v. 7.6.1943, 2 D 441/42, RGSt 77, 87, RStBl. 1943, 562, 564 f.; Abfluss im Sinne von § 11 EStG tritt mit der jeweiligen Ausbuchung, nicht bereits mit dem wirtschaftlichen Verlust ein (RG, a. a. O., 563 f. m. w. N.). 1318 Das Reichsgericht legt seiner Analyse also die – in dieser Arbeit abgelehnte – Auffassung zugrunde, eine Steuerumgehung hänge insbesondere von einer überwiegenden steuerlichen Motivation bei Fehlen außersteuerlicher Gründe ab; hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass steuerliche Normen vom Strafrichter im Rahmen seiner Vorfragenkompetenz autonom und nach eigener Rechtsüberzeugung angewendet werden (vgl. BGH v. 26.4.2001, 5 StR 448/00, wistra 2001, 308, Tz. 3, sowie BGH v. 26.4.2001, 5 StR 584/00, wistra 2001, 266, Tz. 6); eine Aussetzung des Verfahrens ist zwar nach § 396 AO möglich, erfolgt in der Praxis allerdings nur selten (vgl. GastdeHaan, in: Franzen/Gast/Joecks, § 396 AO, Tz. 5); kritisch hierzu unter dem Gesichtspunkt der Selbstüberschätzung der Strafgerichte bei der Beurteilung steuerlicher Fragen Meilicke, BB 1984, 1885, 1885; generell zu den Problemen der Steuerrechtsanwendung durch die Strafgerichte Blumers, StbJb. 1986/87, 353. 1319 OLG Bremen v. 26.4.1985, Ws 111/84, 115/84, 116/84, Strafverteidiger (StV) 1985, 282, 285. 1320 Auch hier zeigt sich wiederum die Auffassung einiger Strafgerichte, eine Steuerumgehung hänge insbesondere von einer überwiegenden steuerlichen Motivation bei Fehlen außersteuerlicher Gründe ab. 1321 Hessisches Finanzgericht v. 1.2.1999, 5 K 5396/91, EFG 1999, 989; rechtskräftig nach BFH v. 14.12.2000, II B 123/99, BFH/NV 2001, 738.
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mögen der Gesamthand beteiligt war.1322 Im Zusammenhang mit dieser Antragstellung war den Finanzbehörden gegenüber nicht angegeben worden, dass die Aufnahme von weiteren Kommanditisten nach einem vorgefassten – und später tatsächlich realisierten – Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung erfolgen und damit der Anteil des Steuerpflichtigen an der KG bald nach der Übertragung erheblich vermindert werden sollte. Bei Kenntnis dieses Plans bzw. dessen Realisierung wäre die Steuerbefreiung versagt worden.1323 Das Hessische Finanzgericht erkannte auf eine Steuerhinterziehung wegen Verletzung von Offenbarungspflichten bei Antragstellung. Aufgabe des Finanzamts sei es, einen Sachverhalt steuerrechtlich zu würdigen. Dem könne ein Steuerpflichtiger nicht dadurch zuvorkommen, dass er den Sachverhalt missverständlich oder verkürzt darlegt.1324 Weitere Beispielsfälle zur Steuerhinterziehung wegen Missachtung der im Zusammenhang mit Gestaltungsmissbrauch bestehenden Offenbarungspflichten lassen sich in der Literatur finden:1325 Beispielsweise wird dort ein Fall diskutiert, in dem der Gestaltungsmissbrauch darin besteht, dass anstelle eines wirtschaftlich gewollten Pacht- und Sandausbeutevertrags aus steuerlichen Gründen ein Kaufvertrag über das Grundstück und gleichzeitig in einem getrennten Vertrag eine Rückkaufverpflichtung vereinbart wird. Eine Steuerhinterziehung liege dann vor, wenn der Steuerpflichtige den wahren Sachverhalt dem Finanzamt dadurch verheimlicht, dass er die Tatsache des von ihm beurkundeten Rückkaufsangebot zurückbehält.1326 ________________________ 1322 § 5 Abs. 2 GrEStG sieht bei einem Grundstücksübergang von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand eine Steuerbefreiung in Höhe des Anteils vor, zu dem der Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. 1323 Dieser Versagungsgrund basierte zum damaligen Zeitpunkt auf einer finanzgerichtlichen Rechtsprechung (im Zusammenhang mit dieser war streitig, ob sie eines Rückgriffs auf § 42 AO bedurfte; vgl. BFH v. 14.12.2000, II B 123/99, BFH/NV 2001, 738, Tz. 5 und 11); jetzt ist der Versagungsgrund in § 5 Abs. 3 sowie § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG gesetzlich ausdrücklich verankert. 1324 Hessisches Finanzgericht v. 1.2.1999, 5 K 5396/91, EFG 1999, 989, Tz. 73; die Formulierung dieses Antrags könnte womöglich sogar so verstanden werden, dass eine positive Erklärung dahingehend erfolgte, eine Änderung im Gesellschafterbestand habe es nicht gegeben; dann läge sogar eine unrichtige und nicht nur eine unvollständige Angabe vor; im Weiteren stellt das Gericht hierauf aber nicht mehr ab (vgl. Hess. Finanzgericht, a. a. O., Tz. 73 und 75). 1325 Siehe auch Blumers, StbJb. 1983/84, 319, 338 ff. für weitere Beispiele außerhalb des § 42 AO (Angehörigenverträge, Verrechnungspreisgestaltungen, verdeckte Gewinnausschüttungen etc.). 1326 Ulmer, DStZ 1986, 292, 293 und 295, nach OLG Hamm v. 5.10.1983, 5 Ss 442/83 (Urteil ist lediglich über juris mit nicht einschlägigen Orientierungssätzen zugänglich).
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Rechtspolitische Überlegungen
Als weiteres Beispiel wird die missbräuchliche Einschaltung eines Zwischenvermieters zur Erlangung des Vorsteuerabzugs erörtert. Hier wird eine Steuerhinterziehung dann angenommen, wenn der Bauherr gegenüber dem Finanzamt den Sachverhalt so darstellt, dass die speziellen Umstände beim Zwischenvermieter, aus denen sich der Gestaltungsmissbrauch ergibt,1327 aus der Erklärung nicht ersichtlich werden.1328 Den Beispielen aus Rechtsprechung und Literatur kann als gemeinsames Element entnommen werden, dass der Umfang der Offenbarungspflicht der Steuerpflichtigen weder zeitlich noch persönlich oder in sonstiger Weise begrenzt ist.1329 Vielmehr sind ohne Einschränkungen all diejenigen Sachverhaltselemente darzulegen, deren Kenntnis zur rechtlichen Prüfung, insbesondere auch zur Prüfung einer Steuerumgehung, vonnöten sind, unter Einbeziehung gegebenenfalls relevanter Kenntnisse und Absichten der Beteiligten.1330 Bei der Frage, wie weit die Offenbarungspflicht in persönlicher Hinsicht reicht, ist zwar zu beachten, dass Gestaltungsmissbrauch bei einem Vertragspartner nicht bedeuten muss, dass auch beim anderen Vertragspartner ein solcher Missbrauch anzunehmen ist.1331 Das ändert allerdings nach den dargestellten Grundsätzen nichts daran, dass für die Beurteilung des Vorliegens eines Gestaltungsmissbrauchs bei einem der Beteiligten auch die Verhältnisse beim anderen Beteiligten von Relevanz sein können. Daher müssen auch diese Verhältnisse den Steuerbehörden offenbart werden. Mit dieser vollständigen Darstellung des Sachverhalts gegenüber der Finanzbehörde, die es ihr ermöglicht, die richtigen rechtlichen Schlüsse zu ziehen, ist der Offenbarungspflicht allerdings auch genügt; nicht etwa ist darüber hinausgehend erforderlich, die Finanzbehörde ausdrücklich darauf hinzuweisen, die gewählte Gestaltung könne den Missbrauchstatbestand des § 42 AO erfüllen.1332
________________________ 1327 Im konkreten Beispielsfall war dies die Tatsache, dass der Zwischenvermieter vom Bauherrn beherrscht wird. 1328 Ulmer, DStZ 1986, 292, 293 und 295; infolge der Einfügung von § 9 Abs. 2 UStG hat sich die Problematik der missbräuchlichen Zwischenvermietungen mittlerweile erledigt (vgl. Heidner, in: Bunjes, § 9 UStG, Tz. 19 f.). 1329 Dazu, dass selbstverständlich auch ausländische Sachverhaltselemente erklärt werden müssen, siehe § 90 Abs. 2 AO a maiore ad minus, der den Steuerpflichtigen hier gar erhöhte Mitwirkungspflichten auferlegt. 1330 Siehe auch Meine, wistra 1992, 81, 84; Glorius-Rose, Gestaltungsmissbrauch, 51; Blumers, StbJb. 1983/84, 319, 338 ff. 1331 Vgl. hierzu BFH v. 19.8.1999, I R 77/96, BStBl. II 2001, 43, Tz. 35 m. w. N. 1332 Glorius-Rose, Gestaltungsmissbrauch, 51.
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cc) Offenbarungspflichten bei abweichender Rechtsansicht Der Gedanke, dass dem Finanzamt der Sachverhalt so dargestellt werden muss, dass dieses eine umfassende rechtliche Prüfung durchführen kann, findet sich auch bei unklarer Rechtslage und der Frage wieder, ob der Steuerpflichtige die Schilderung des Sachverhalts auf eine abweichende Rechtsansicht stützen kann.1333 Während im Zusammenhang mit den zuvor dargestellten Offenbarungspflichten bei klarer Rechtslage weitgehend Einigkeit herrscht, ist der Umfang der Offenbarungspflichten bei von der Rechtsauffassung der Finanzbehörden abweichender Rechtsansicht stark umstritten. Mehrere gleichlautende Stellungnahmen des BGH sowie neuerdings auch der Finanzgerichtsbarkeit zu dieser Frage stoßen in der Literatur auf heftigen Widerstand. (1) Position der Rechtsprechung Der BGH hat sich in drei Urteilen 19901334, 19991335 und 20001336 zu der Ansicht bekannt, die Steuerpflichtigen träfen bei unterschiedlichen Rechtsansichten unter Umständen Offenbarungspflichten auch bezüglich von Sachverhaltselementen, die nach der von ihnen selbst vertretenen Rechtsauffassung für die Besteuerung nicht erheblich sind. Er hat entschieden, dass – unabhängig von der vom Steuerpflichtigen selbst vertretenen Rechtsauffassung – eine Offenbarungspflicht für all diejenigen Sachverhaltselemente besteht, deren
________________________ 1333 Blumers, StbJb. 1983/84, 319, 332, und Meilicke, BB 1984, 1885, 1889, behandeln die beiden Aspekte gar gänzlich ohne gedankliche Trennung; zu dieser Problematik oben, S. 238. 1334 BGH v. 19.12.1990, 3 StR 90/90, BGHSt 37, 266 (2. Parteispendenurteil), Tz. 73 ff.: In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Steuerpflichtige Zahlungen an einen politischen Interessenverband als Betriebsausgaben erklärt. Der Angeklagte brachte vor, er sei davon ausgegangen, der Verband sei als Berufsverband zu klassifizieren, was einen Abzug tatsächlich ermöglicht hätte. 1335 BGH v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, wistra 2000, 137, NStZ 2000, 203, Tz. 26: In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Steuerpflichtige Vorsteuerbeträge geltend gemacht, obwohl er in einem von ihm in Auftrag gegebenen Steuergutachten einer Kanzlei darauf hingewiesen worden war, dass seine Rechtsauffassung „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ nicht zutreffend sei. 1336 BGH v. 23.2.2000, 5 StR 570/99, wistra 2000, 217, Tz. 14: In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Steuerpflichtige die Angabe von Einnahmen aus einem betrügerischen Schneeballsystem in der Steuererklärung unterlassen. Er verteidigte sich damit, er habe in der Zeitung einen Bericht gelesen, in dem von einem Beschluss des Bundesfinanzhofs berichtet wurde, wonach scheinbare Gewinne von betrogenen Anlegern nicht versteuert werden müssten. Gleichzeitig war in dem Bericht aber auch darauf hingewiesen worden, dass die Finanzämter von einer Steuerpflicht derartiger Renditen ausgehen.
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rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft ist,1337 bzw. – anders formuliert – für diejenigen Elemente, die für die steuerliche Beurteilung bedeutsam sein können.1338 Das Finanzamt müsse alle für die Entscheidung der zweifelhaften Rechtsfrage relevanten Tatsachen mitgeteilt bekommen.1339 Diesen objektiven Maßstab1340 konkretisiert der BGH weiter, indem er für diejenigen Fälle eine Offenbarungspflicht annimmt, in denen die vom Steuerpflichtigen vertretene Rechtsauffassung von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung, den Richtlinien der Finanzverwaltung oder ständiger Verwaltungspraxis abweicht.1341 Anders formuliert, besteht eine Offenbarungspflicht bezüglich all derjenigen Sachverhaltselemente, von denen die Finanzämter ersichtlich davon ausgehen, dass sie steuerlich relevant sind.1342 Damit bekennt sich der BGH zu der Auffassung, dass die Sachverhaltsmitteilung am rechtlichen „Erwartungshorizont des veranlagenden Finanzbeamten“1343 auszurichten sei. Der BFH ließ diese Frage in einer Entscheidung aus dem Jahr 1988 noch ausdrücklich offen.1344 Vollumfänglich der BGH-Rechtsprechung schloss sich ________________________ 1337 BGH v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, wistra 2000, 137, NStZ 2000, 203, Tz. 26; damit gebraucht der BGH ein zuvor bereits in BGH v. 8.8.1985, 2 Ars 233/85, NStZ 1986, 37, Tz. 26, dort aber im subjektiven Tatbestand zur Begründung des bedingten Vorsatzes verwendetes Kriterium; FG Hamburg v. 6.12.2001, VI 103/99, Tz. 20, BeckRS 2001 21009794, verwendet dieses Kriterium unter Verweis auf die BGH-Entscheidung 1999 zwar auch, allerdings hier nicht im Zusammenhang mit Zweifelhaftigkeit der rechtlichen Relevanz eines Sachverhaltselements, sondern der Zweifelhaftigkeit des Sachverhalts selbst. 1338 BGH v. 19.12.1990, 3 StR 90/90, BGHSt 37, 266 (2. Parteispendenurteil), Tz. 74. 1339 BGH v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, wistra 2000, 137, NStZ 2000, 203, Tz. 21. 1340 Dazu, dass für eine Sanktionierung zusätzlich noch ein Verschuldensvorsatz erforderlich ist, siehe unten, ab S. 255. 1341 BGH v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, wistra 2000, 137, NStZ 2000, 203, Tz. 26. 1342 BGH v. 23.2.2000, 5 StR 570/99, wistra 2000, 217, Tz. 14. 1343 Zu dieser Beschreibung bereits Meilicke, BB 1984, 1885, 1887, sowie Blumers, DB 1987, 807, 807 und 809. 1344 BFH v. 10.8.1988, IX R 219/84, BStBl. II 1989, 131: In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Steuerpflichtige irrig Werbungskosten in einem Veranlagungszeitraum nicht angegeben, weil er davon ausgegangen war, dass diese erst ab dem Zeitpunkt angesetzt werden könnten, in dem auch Einnahmen vorliegen. Sein Antrag auf nachträgliche Änderung des Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wurde vom Finanzamt mit Hinweis auf grobe Fahrlässigkeit abgelehnt. Der BFH hatte die Frage, ob es eine Pflicht des Steuerpflichtigen gibt, den weiteren Sachverhalt in den Fällen, in denen er an seiner (einkommen-)steuerlichen Wertung zweifelt, dem Finanzamt zu unterbreiten, letztlich nicht zu entscheiden. Denn es waren schon keine Feststellungen getroffen worden, ob sich beim Steuerpflichtigen Zweifel an seiner Rechtsauffassung aufgedrängt haben oder aufdrängen hätten müssen. Nach Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks, § 370 AO, Tz. 127, allerdings ohne weitere Nachweise, stellt die Finanzrechtsprechung in § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aber regelmäßig auf den Empfängerhorizont eines gedachten Finanzbeamten ab.
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allerdings das Finanzgericht München in einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 an.1345 Im Jahr 2008 schließlich nahm auch der BFH Offenbarungspflichten bei offensichtlich zweifelhafter Rechtslage an.1346 Eine Aussage zur vom BGH vorgenommenen Konkretisierung dieses Maßstabs durch die finanzgerichtliche Rechtsprechung, die Richtlinien der Finanzverwaltung und ständige Verwaltungspraxis enthält diese BFH-Entscheidung aber nicht. (2) Position der Literatur Zwar entspricht diese Rechtsprechung einer auch bereits zuvor von einzelnen Stimmen in der Literatur vertretenen Auffassung.1347 Das ändert aber nichts daran, dass der weitaus überwiegende Teil der Literatur dieser als „HardlinerLinie“1348 diffamierten Rechtsprechung widerspricht.1349 Selbst Monika Harms, damals Vorsitzende Richterin eines der drei für Steuerstrafsachen zuständigen Senate des Bundesgerichtshofs und später Generalbundesanwältin, distanziert sich von den „gerne missverstandenen“ „vereinzelten Entscheidungen“ des Bundesgerichtshofs.1350 Trotz der in der Formulierung eindeutigen Rechtsprechung kann vor diesem Hintergrund die Rechtslage im Allgemein noch nicht als geklärt bezeichnet ________________________ 1345 FG München v. 16.8.2007, 13 V 1918/07, BeckRS 2007 26024137, Tz. 16: In dem dieser Entscheidung zur verlängerten Festsetzungsverjährungsfrist in § 169 Abs. 2 S. 2 AO zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Steuerpflichtige Gewinne aus einer Anteilsveräußerung gegenüber dem Finanzamt nicht erklärt, obwohl nach der von der Finanzverwaltung in R 140 Abs. 2 Satz 2 EStR 2001 vertretenen und später auch vom BFH bestätigten Auslegung der Bedeutung des 5-Jahres-Zeitraums in § 17 Abs. 1 EStG eine Steuerpflicht nach dieser Norm bestand. Die Frage, welche Beteiligungsgrenze für den 5-Jahres-Zeitraum gilt, wenn sich die Grenze später, wie zum Veranlagungszeitraum 2001 geschehen, ändert, war zum Zeitpunkt der Veranlagung ungeklärt (dies stellt das FG München selbst fest, verwirft es aber als irrelevant, a. a. O., Tz. 17). 1346 BFH v. 29.1.2008, VIII B 37/07, BeckRS 2008 25013068, Tz. 19: Auch diese Entscheidung hatte zentral die verlängerte Festsetzungsverjährungsfrist wegen Steuerhinterziehung zum Gegenstand. Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Steuerpflichtige in seinen Steuererklärungen im Ausland angelegtes Vermögen nicht erklärt und sich darauf berufen, mit Kapitalerträgen nicht gerechnet, zumindest aber nicht von deren Steuerbarkeit gewusst zu haben. 1347 Meine, wistra 1992, 81, 84; Ulmer, DStZ 1986, 292, 295 f.; heute ebenso Kiesel/ Theisen, IStR 2006, 284, 285, sowie Seer, in: Tipke/Kruse, § 150 AO, Tz. 17. 1348 Dörn, StBp 2001, 329, 330. 1349 Auch eine frühere untergerichtliche Entscheidung in Strafsachen war vom BGH abweichender Auffassung (vgl. OLG Düsseldorf v. 2.2.1989, 3 Ws 953/88, Stbg 1991, 521, 522 m. w. N., allerdings ohne jedwede Begründung). 1350 Harms, Stbg 2005, 12, 14.
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werden,1351 so dass im Folgenden auf die in der Literatur geäußerte Kritik ausführlicher eingegangen werden soll. Dabei spaltet sich das ablehnende Lager grundsätzlich in einen Teil derjenigen, welche es bereits als ausreichend ansehen, wenn die den Steuererklärungen zugrunde gelegten Rechtsansichten zumindest vertretbar sind (hierzu (a)), und in einen Teil derjenigen, welche generell eine Orientierung an der objektiven Rechtslage fordern und hiervon abweichende Rechtsansichten der Steuerpflichtigen, aber eben auch der Finanzverwaltung, als Maßstab ablehnen (hierzu (b)).1352 Die Kritik beider Lager ist zurückzuweisen. Auch wenn festzustellen ist, dass es sowohl BGH als auch Finanzgerichtsbarkeit bei der Begründung der dargestellten Offenbarungspflichten bei lediglich apodiktischen Aussagen bewenden lassen, so sprechen für diese Rechtsprechung im Ergebnis doch die besseren Argumente. Zudem fügt sich die Rechtsprechung bei genauerer Betrachtung ein in einen größeren Kontext langjähriger steuerstrafrechtlicher Rechtsprechung (hierzu (c)). (a) Keine Offenbarungspflicht bei vertretbarer Rechtsansicht Nach einer besonders restriktiven Auffassung zu den Offenbarungspflichten kann ein Steuerpflichtiger seiner Steuererklärung ohne weitere Aufklärung jede Rechtsauffassung zugrunde legen, sofern diese Auffassung nur vertretbar1353 ist.1354 ________________________ 1351 Schwedhelm, DStR 2006, 1017, 1020, stuft die Problematik als „noch weitestgehend ungeklärt“ ein; Theisen, AO-StB 2008, 136, 138, spricht von einer „unsicheren Rechtslage“. 1352 Eine weitere Untergruppe dieser Auffassung, auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden soll, stellt auf ein Abweichen von den Erläuterungen, die den Steuererklärungsvordrucken beigefügt werden, ab (vgl. Krabbe, in: Koch/Scholtz, § 150 AO, Tz. 4/1; ebenso Rätke, in: Klein, § 150 AO, Tz. 5, für die Steuerpflichtigen selbst). 1353 Zum Teil wird abweichend hiervon darauf abgestellt, ob der Steuerpflichtige selbst an die von ihm vertretene Auffassung glaubt (so zum Beispiel Meilicke, BB 1984, 1885, 1889, und Schwedhelm, DStR 2006, 1017, 1020); problematisch ist hierbei allerdings, dass die Aspekte des Umfangs der Offenbarungspflicht, welcher objektiv zu bestimmen ist, einerseits und der Strafbarkeit wegen Verletzung derselben, wofür auch Vorsatz vorliegen muss, andererseits vermengt werden; Wurzeln hat diese Formulierung wohl in der früheren Rechtsprechung, die Offenbarungspflichten lediglich als Begründungsansatz für bedingten Vorsatz kannte (kritisch auch Blumers, DB 1987, 807, 808; hierzu ausführlicher unten in der eigenen Stellungnahme). 1354 Hild, BB 2001, 493, 493; Meilicke, BB 1984, 1885, 1886; Tipke, StbJb. 1972/73, 509, 526 ff.; ders., BB 2009, 636, 639 f.; OLG Düsseldorf v. 2.2.1989, 3 Ws 953/88, Stbg 1991, 521, 522; weitere Nachweise bei BGH v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, wistra 2000, 137, NStZ 2000, 203, Tz. 22; letztlich so auch Harms, Stbg 2005, 12, 14, mit dem Hinweis, es dürfe nur nicht eine Auffassung gewählt werden, die von allen gängigen Rechtsauffassungen abweicht.
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Die Einwände gegen weitergehende Offenbarungspflichten sind vielfältig: Zum einen würden durch die Verpflichtung zur Ausrichtung der Offenbarungspflichten an einer besonderen Rechtsauffassung ohne Not Verantwortlichkeiten von den Finanzbehörden auf die Steuerpflichtigen verlagert.1355 Entgegen der bestehenden Arbeitsteilung zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigen werde eine Bringschuld für rechtliche Aspekte auferlegt.1356 Hierfür fehle aber eine gesetzliche Grundlage.1357 Die Wortlautbindung des Strafrechts (Art. 103 Abs. 1 GG) gebiete eine Beachtung der Beschränkung in § 370 AO auf „steuerlich erhebliche Tatsachen“. Bei noch vertretbaren Rechtsansichten handle es sich hingegen um Werturteile, nicht falsche Tatsachen.1358 Je nach Reaktion der Steuerpflichtigen und deren Berater, so die Kritik, ergäben sich aus der beschriebenen BGH-Rechtsprechung zwei gleichermaßen unbefriedigende Auswirkungen: In vielen Fällen der Praxis führe die Rechtsprechung dazu, dass die Steuerpflichtigen und ihre Berater auf „Staatslinie“ gebracht würden.1359 Um dem Vorwurf der Steuerhinterziehung sicher zu entgehen, würden viele von vornherein ihrer Steuererklärung immer diejenige Auffassung zugrunde legen, welche der Finanzverwaltung am günstigsten sei.1360 Alternativ, also bei Beibehaltung einer anderweitigen Rechtsauffassung durch die Steuerpflichtigen, würden die erweiterten Offenbarungspflichten zu häufig äußerst umfangreichen und unpraktikablen Steuererklärungen führen.1361 Der sehr vorsichtige Steuerberater müsse dann bei auch nur möglicherweise strittigen Rechtsfragen gegenüber der Finanzverwaltung sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht möglichst viel vortragen, um sich abzusichern.1362 Dies könne zu „Lastwagenladungen bei der Abgabe der Steuererklärung“,1363 zumindest aber zu seitenweise Sachverhaltsausführungen neben der Steuererklärung1364 führen. Bei Bücher führenden Steuerpflichtigen würde eine Nebenbuchführung erforderlich, um die steuerlichen Zwei________________________ 1355 Hild, BB 2001, 493, 493. 1356 Weyand, INF 2000, 726, 728. 1357 Meilicke, BB 1984, 1885, 1886; die §§ 90 Abs. 1, 150 und 370 AO jedenfalls enthielten eine solche Grundlage nicht (vgl. Blumers, DB 1987, 807, 807 und 809). 1358 Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks, § 370 AO, Tz. 128 m. w. N. 1359 Hild, BB 2001, 493, 494. 1360 Meilicke, BB 1984, 1885, 1887; die Fragwürdigkeit der vom BGH eingenommenen Position zeige sich eindrücklich daran, dass konsequent weiter gedacht selbst die Befolgung von in der Literatur einhellig vertretenen Rechtsauffassungen, welche die Rechtsprechung und Verwaltung aber nicht teilen, bei Unterlassen entsprechender Offenbarung zu strafrechtlichen Vorwürfen führen könne (vgl. Weyand, INF 2000, 726, 726 und 728). 1361 Meilicke, BB 1984, 1885, 1885. 1362 Dörn, StBp 2001, 329, 330. 1363 Hild, BB 2001, 493, 494. 1364 Theisen, AO-StB 2008, 136, 137 f.
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felsfragen zu erfassen und bis zur Abgabe der Steuererklärung zu begleiten.1365 Problematisch sei auch die technische Erstellung der Steuererklärung, da die amtlichen Erklärungsformulare – ebenso wie das Gesetz – eine Offenlegung von Zweifelsfragen in Form alternativer Betragsangaben oder auch nur ausdrücklicher Sachverhaltsschilderung nicht vorsähen.1366 Diese Einwände gegen die dargestellte Rechtsprechung tragen im Ergebnis aber nicht und sind daher zurückzuweisen. Die Rechtsprechung fügt sich ein in die allgemein geltende Arbeitsteilung zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung. Insofern bedarf es keiner gesonderten gesetzlichen Grundlage für diese. Denn auch durch diese Rechtsprechung ändert sich nichts daran, dass der Sachverhalt von den Steuerpflichtigen darzustellen und die rechtliche Bewertung vom Finanzamt vorzunehmen ist. Mit der Verpflichtung, den Sachverhalt darzustellen, kann allerdings nur gemeint sein, ihn so darzustellen, dass die rechtliche Bewertung überhaupt sinnvoll vorgenommen werden kann. Ansonsten entbehrt die Verpflichtung zur Darstellung des Sachverhalts jeglichen Werts.1367 Dafür ist es aber nötig, dass die das Recht auf den Sachverhalt anwendende Behörde bei Fehlen anderweitiger Anzeichen davon ausgehen kann, dass die Sachverhaltsmitteilung auf das von ihr angewendete Recht ausgerichtet ist. Die abweichende Rechtsansicht darf sich also nicht unerkennbar auf die Steuererklärung und ihre Anlagen auswirken.1368 Bei dieser Betrachtung zeigt sich auch, dass es keinen Konflikt mit dem Wortlaut des § 370 AO gibt. Es geht weiterhin lediglich um die Mitteilung von Tatsachen. Lediglich vorgeschaltet ist die Frage relevant, an welchen Rechtsansichten der Umfang der Sachverhaltsmitteilung ausgerichtet werden muss.1369 Nicht etwa wird der Steuerpflichtige durch diese Rechtsprechung daran gehindert, eine abweichende Rechtsauffassung zu vertreten. Er kann diese Ansicht bereits in der Steuererklärung zum Ausdruck bringen, solange er den Sachverhalt doch noch am Erwartungshorizont der Finanzbehörde ausrichtet. ________________________ 1365 Meilicke, BB 1984, 1885, 1886. 1366 Meilicke, BB 1984, 1885, 1886. 1367 So auch Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks, § 370 AO, Tz. 127, sowie Blumers, StbJb. 1986/87, 353, 366. 1368 Zu diesem Begriff Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks, § 378 AO, Tz. 51; ausreichend ist hingegen, wenn die Erklärung zwar nicht ganz vollständig, allerdings doch so ist, dass auf die steuerliche Relevanz geschlossen werden kann, auch wenn für die vollständige Aufklärung dann noch Rückfragen der Finanzbehörde erforderlich sind (vgl. Rätke, in: Klein, § 150 AO, Tz. 5). 1369 Davon unabhängig formuliert der BGH das Selbstverständliche, wenn er feststellt, auch die Mitteilung der abweichenden Rechtsauffassung des Steuerpflichtigen könne ausreichend sein, um der Offenbarungspflicht genüge zu tun, wenn deren Schilderung gleichzeitig die erforderliche Tatsachenmitteilung enthält (vgl. BGH v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, wistra 2000, 137, NStZ 2000, 203, Tz. 26).
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Er kann zudem gegen die rechtliche Bewertung seines Sachverhalts mit den üblichen Rechtsbehelfen vorgehen. Diese Anforderungen sind schließlich entgegen der vorgetragenen Kritik auch nicht völlig unpraktikabel. Zwar ist es zutreffend, dass die amtlichen Erklärungsformulare eine Offenlegung von Zweifelsfragen nicht vorsehen. Wie zum Beispiel generell bei komplexeren Sachverhalten üblich, kann eine solche Offenlegung aber in an die Erklärung angehängten Erläuterungen ohne größere Probleme erfolgen. Es ist nicht erforderlich, die Erklärungen alternativ auszufüllen. Vielmehr genügt eine konzentrierte Sachverhaltsdarstellung nach der Rechtsauffassung der Finanzbehörde in erläuternden Anlagen.1370 Schließlich stehen in Anbetracht der Tatsache, dass trotz der Komplexität des Steuerrechts die Zahl der zweifelhaften Rechtsfragen begrenzt ist, äußerst umfangreiche und unpraktikable Steuererklärungen oder gar Lastwagenladungen bei Abgabe der Steuererklärungen nicht zu befürchten.1371 (b) Keine Offenbarungspflicht bei mit der objektiven Rechtslage übereinstimmender Rechtsansicht Eine vermittelnde Ansicht erkennt zwar an, dass nicht jede vertretbare Rechtsauffassung des Steuerpflichtigen Grundlage für die Bestimmung des Umfangs der Sachverhaltsdarstellung sein kann. Anders als nach Ansicht des BGH, dem sich, wie oben dargestellt, auch das Finanzgericht München, noch nicht aber der BFH angeschlossen hat, soll nach dieser Ansicht die Offenbarungspflicht aber allein an der objektiven Rechtslage, nicht einem hiervon abweichenden Empfängerhorizont der Finanzverwaltung ausgerichtet sein.1372 Richtlinien der Finanzverwaltung sowie ständiger Verwaltungspraxis mangele es an Außenwirkung zulasten der Steuerpflichtigen, so dass sie auch bei der Abgabe der Steuererklärung nicht erheblich sein könnten.1373 Ebenso liege es grundsätzlich bei der finanzgerichtlichen Rechtsprechung, da sie lediglich zwischen den jeweils betroffenen Prozessparteien gelte und für andere Steuerpflichtige nur einen unverbindlichen, wenn auch gewichtigen Auslegungs________________________ 1370 Blumers, StbJb. 1983/84, 319, 337. 1371 Ebenso Blumers, DB 1987, 807, 810. 1372 Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 150 AO, Tz. 17 f. und 20; zumindest de lege ferenda ebenso Tipke, Steuerrechtsordnung, 1188 f.; Blumers, StbJb. 1983/84, 319, 336 und 339 ff.; ders., DB 1987, 807, 808 f. und 810; Meine, wistra 1992, 81, 84. 1373 Tipke, StbJb. 1972/73, 509, 527; Meilicke, BB 1984, 1885, 1887; Blumers, DB 1987, 807, 807 f.; Richtlinien der Verwaltung entfalten als solche keine Außenwirkung (vgl. Lang, in: Tipke/Lang, § 5, Tz. 20); eine ständige Verwaltungspraxis entfaltet Außenwirkung lediglich im Sinne einer Selbstbindung der Finanzverwaltung zugunsten des Steuerpflichtigen (vgl. Seer, in: Tipke/Lang, § 21, Tz. 13 m. w. N.).
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vorschlag darstelle.1374 Anders sei dies der tatsächlichen Wirkung nach lediglich bei der Rechtsprechung des BFH wegen der in ihr enthaltenen präjudiziellen Erkenntnis auch für künftige Verfahren.1375 Zudem ergebe sich eine beträchtliche Rechtsunsicherheit, wenn Offenbarungspflichten am Erwartungshorizont der Finanzverwaltung auf der Grundlage von finanzgerichtlicher Rechtsprechung, Richtlinien der Finanzverwaltung und ständiger Verwaltungspraxis ausgerichtet würden. Denn häufig bestünden Widersprüche zwischen den Rechtsansichten der einzelnen steuerrechtsprechenden Organe bzw. der verschiedenen Einheiten der Steuerverwaltung.1376 Der Umfang der Offenbarungspflicht könne damit mangels einheitlicher Position häufig nicht genau umrissen werden.1377 Bei derartiger Rechtsunsicherheit fehle es aber jedenfalls an der für straf- und bußgeldrechtliche Vorwürfe erforderlichen rechtlichen Bestimmtheit (vgl. Art. 103 Abs. 2 GG).1378 Auch diese Kritik an der BGH-Rechtsprechung ist zurückzuweisen. Es ist die grundlegende Funktion der hier untersuchten Offenbarungspflichten, sicherzustellen, dass der Veranlagungsbeamte die für seine rechtliche Prüfung erforderliche Tatsachengrundlage erfährt. Der Veranlagungsbeamte ist aber gehalten, auch die für ihn geltenden Verwaltungsanweisungen anzuwenden sowie die einschlägige finanzgerichtliche Rechtsprechung zu beachten. Insofern kann auch nur dieser Maßstab, sein tatsächlicher Erwartungshorizont, für den Umfang der Offenbarungspflichten entscheidend sein. Es ist zudem zu beachten, dass die „objektive Rechtslage“ regelmäßig erst im Nachhinein, infolge einer abschließenden Klärung durch die Finanzgerichte, erkannt wird. Den Offenbarungspflichten ist aber schon vor einer solchen Klärung der Rechtslage nachzukommen. Hier kann die „objektive Rechtslage“ kein sinnvoller Maßstab sein. Die für die veranlagende Behörde bindenden Verwaltungsanweisungen sowie die einschlägige Rechtsprechung werden hingegen – zumindest für steuerlich beratene Steuerpflichtige – regelmäßig ________________________ 1374 Tipke, StbJb. 1972/73, 509, 527; Meilicke, BB 1984, 1885, 1887; Blumers, StbJb. 1986/87, 353, 360 ff. 1375 Blumers, StbJb. 1983/84, 319, 334 m. w. N.; später anders aber ders., StbJb. 1986/87, 353, 360 ff. 1376 Dörn, wistra 2000, 334, 334 f.; Hild, BB 2001, 493, 494; Blumers, DB 1987, 807, 809; Theisen, AO-StB 2008, 136, 137, verweist in diesem Zusammenhang auf die zahlreichen Nichtanwendungserlasse. 1377 Dörn, wistra 2000, 334, 335 ist hingegen der Auffassung, dass der wahrscheinliche Standpunkt der Finanzverwaltung im Regelfall bekannt sein dürfte. 1378 Blumers, DB 1987, 807, 809; Blumers, StbJb. 1986/87, 353, 360 ff.; § 370 AO als Blanketttatbestand bedarf der hinreichend bestimmten Ausfüllung durch das materielle und formelle Steuerrecht; zu den Anforderungen der Bestimmtheitsprüfung bei Blankettstrafgesetzen BVerfG v. 8.5.1974, 2 BvR 636/72, BVerfGE 37, 201, Tz. 24 ff., sowie BVerfG v. 15.3.1978, 2 BvR 927/76, BVerfGE 48, 48, Tz. 30 ff.
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einfach festzustellen sein. Ergeben sich hierbei widersprüchliche Rechtsansichten, so muss der Sachverhalt notfalls so umfassend dargestellt werden, dass die weitestgehende für die Verwaltung bindende Rechtsauffassung noch auf der Grundlage des dargestellten Sachverhalts angewendet werden kann. Hierdurch ist keine besondere Belastung festzustellen. Insbesondere gibt es für nicht beratene Steuerpflichtige auch keine gesonderte Nachforschungspflicht. Wie im Rahmen der Diskussion des subjektiven Tatbestands darzustellen sein wird, stellen alle einschlägigen Urteile auf eine unterlassene Offenbarung trotz Kenntnis einer abweichenden Rechtsansicht ab. Eine Nachforschungspflicht wird nicht statuiert. Auch nach diesem vermeintlich strengeren Ansatz der BGH-Rechtsprechung ergibt sich schließlich keine Gefahr von Sanktionen daraus, dass ein Sachverhalt nicht an einer Verwaltungsauffassung ausgerichtet wird, die letztlich für falsch erkannt wird.1379 Denn auch wenn aus dogmatischen und praktischen Gründen der Erwartungshorizont des Veranlagungsbeamten der richtige Maßstab ist, so liegt bei Nichtbeachtung dieses Maßstabs lediglich eine Hinterziehungshandlung in Form einer unvollständigen Angabe vor. Daneben bedarf es für die Bejahung des (objektiven) Tatbestands von §§ 370 und 378 AO aber auch noch eines Steuerverkürzungserfolgs.1380 Dieser liegt nur dann vor, wenn kausal durch das pflichtwidrige Verhalten des Steuerpflichtigen oder seines Beraters bedingt die Ist-Steuer hinter der Soll-Steuer zurückbleibt.1381 An dieser Negativabweichung von Ist- und Sollzustand, jedenfalls aber an der entsprechenden Kausalität fehlt es jedoch, wenn der Steuerpflichtige den Sachverhalt seiner – später als zutreffend erkannten – Rechtsansicht gemäß mitgeteilt hat, die Finanzverwaltung aber ihrem – später als unzutreffend erkannten – Erwartungshorizont entsprechend das Recht auf diesen Sachverhalt falsch angewendet hat.1382 (c) Zum Kontext der Rechtsprechung Stellt man die angeführten straf- und finanzgerichtlichen Urteile in einen breiteren Rechtsprechungskontext, so wird schließlich offenbar, dass die in ihnen enthaltenen Aussagen zu den Offenbarungspflichten weit weniger re________________________ 1379 A. A. Weyand, INF 2000, 726, 728. 1380 Bei § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO kommt es auf einen solchen Steuerverkürzungserfolg nicht an; hier helfen dann entsprechend höhere Anforderungen an den Verschuldensvorwurf (siehe zu diesen Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks, § 370 AO, Tz. 128 m. w. N.). 1381 Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks, § 370 AO, Tz. 40 und 194 ff. 1382 Zu der Problematik, dass für das Steuerstraf- und -bußgeldrecht die Erkenntnis des – nicht notwendigerweise sachnahen – Strafrichters entscheidend ist, bereits oben, Fn. 1318.
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volutionär und angreifbar sind als von der Literatur zum Teil behauptet.1383 Die Entscheidungen sind vielmehr in einer längeren Rechtsprechungstradition verankert.1384 Sie verändern letztlich lediglich den Blickwinkel im Rahmen des objektiven Tatbestands und stellen damit eher eine Neuakzentuierung in der Begründung als denn eine Trendwende dar. Auch vor diesen Urteilen kamen die Strafgerichte nämlich in ganz ähnlich gelagerten Fällen zur Bejahung des objektiven Tatbestands der Steuerhinterziehung. Dabei wurde allerdings nicht auf eine Verletzung von Offenbarungspflichten, also auf den Gesichtspunkt unvollständiger Angaben, sondern darauf abgestellt, dass infolge der Ausrichtung der Sachverhaltsdarstellung an einer irrigen Rechtsauffassung1385 die Angaben in der Steuererklärung letztlich unrichtig waren.1386 Ins________________________ 1383 In der Literatur wird die Bedeutung insbesondere der Urteile von 1999 und 2000 teilweise als beträchtlich eingeschätzt; die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Verletzung von Offenbarungspflichten sei mit den Urteilen deutlich gestiegen (vgl. Weyand, INF 2000, 726; Hild, BB 2001, 493, 493; Dörn, wistra 2000, 334, 335 f.; zutreffend relativierend aber Dörn, wistra 2001, 329, 329). 1384 Siehe auch die ausdrückliche Verankerung der Entscheidungen in vorgehender Rechtsprechung: BGH v. 19.12.1990, 3 StR 90/90, BGHSt 37, 266 (2. Parteispendenurteil), Tz. 71; BGH v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, wistra 2000, 137, NStZ 2000, 203, Tz. 26. 1385 Bei der maßgebenden, für zutreffend erkannten Auffassung musste sich dabei nicht notwendigerweise um eine unumstrittene oder auch nur gefestigte Rechtsprechungsposition handeln; siehe zum Beispiel den Fall des späteren finanzgerichtlichen Rechtsprechungswechsels in RG v. 26.6.1934, 4 D 79/34, RStBl. 1934, 822, RGSt 68, 234, oder den Fall der erst später geklärten finanzgerichtlichen Rechtsprechung in BGH v. 16.5.1984, 2 StR 525/83, wistra 1984, 178, NStZ 1984, 510; kritisch hierzu Blumers, DB 1987, 807, 808 f., und Streck, NStZ 1984, 512, und Blumers, StbJb. 1986/87, 353, 368 f. 1386 So nahm das Reichsgericht 1934 unrichtige Angaben in einem Fall an, in dem der Steuerpflichtige, auf eine irrige Rechtsauffassung gestützt, die Angabe einer Brandentschädigung in der Einkommensteuererklärung unterlassen hat (vgl. RG v. 26.6.1934, 4 D 79/34, RStBl. 1934, 822, RGSt 68, 234). Noch eindrücklicher ist die Entscheidung des BGH 1984: Hier entsprach die Verlustverteilung der Steuerpflichtigen zwar einer Rechtsansicht, die zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung sowohl in Literatur als auch noch ungeklärter Rechtsprechung vertreten wurde; allerdings widersprach diese Verlustverteilung der später eingenommenen Position des BFH, dem sich der BGH anschloss und darauf gestützt unrichtige Angaben in der Steuererklärung annahm (vgl. BGH v. 16.5.1984, 2 StR 525/83, wistra 1984, 178, NStZ 1984, 510; bei der steuerrechtlichen Streitfrage ging es darum, ob eine schuldrechtlich wirksame Rückbeziehung der Änderung der Gewinn- und Verlustverteilung auf das bereits angelaufene Wirtschaftsjahr auch steuerliche Wirkung zeitigt; zwischen der Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1934 und dieser Entscheidung aus dem Jahr 1984 ist keine höchstgerichtliche Rechtsprechung in diese Richtung zu erkennen (Meilicke, BB 1984, 1885, 1885)). Auch in einer Entscheidung 1985 maß der BGH dem Umstand, das der Steuerpflichtige eine abweichende Rechtsansicht hatte, keine Bedeutung für den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung
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besondere auch das die Rechtsprechung zu den Offenbarungspflichten einläutende Urteil des BGH von 1990 offenbart, wie nah diese beiden Ansätze sich tatsächlich sind. In diesem nimmt der BGH nämlich in alternativer Begründung sowohl unrichtige Angaben nach traditionellem Verständnis1387 als auch unvollständige Angaben wegen Verletzung der Offenbarungspflicht1388 an. dd) Subjektiver Tatbestand Die Frage nach dem Umfang der Offenbarungspflichten ist im objektiven Tatbestand zu verorten.1389 Der objektive Verstoß gegen die Offenbarungspflicht ist jedoch nicht genügend für die Annahme eines strafrechtlichen oder bußgeldrechtlichen Vorwurfs oder für die Rechtsfolge des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Vielmehr ist zusätzlich in jedem Fall der Verschuldensvorwurf des Vorsatzes bzw. der Leichtfertigkeit erforderlich.1390 Zentraler Bezugspunkt für die Vorsatzprüfung ist bei abweichender Rechtsansicht des Steuerpflichtigen die Kenntnis, dass diese Rechtsansicht nicht der objektiven Rechtslage entspricht.1391 Denn hierauf aufbauend ergibt sich dann denknotwendig1392 Vorsatz hinsichtlich der Unrichtigkeit bzw. Unvollständig________________________
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1392
zu, sondern stellte allein auf die Unrichtigkeit der vom Steuerpflichtigen zugrunde gelegten Rechtsmeinung und die dadurch begründete Unrichtigkeit seiner Angaben in der Steuererklärung ab (vgl. BGH v. 8.8.1985, 2 Ars 223/85, wistra 1986, 27, NStZ 1986, 37; hierzu auch Meine, wistra 1992, 81, 84). BGH v. 19.12.1990, 3 StR 90/90, BGHSt 37, 266 (2. Parteispendenurteil), Tz. 72: Unzutreffende konkludente Erklärung, dass Zahlungen an einen Berufsverband vorliegen. BGH v. 19.12.1990, 3 StR 90/90, BGHSt 37, 266 (2. Parteispendenurteil), Tz. 73 ff.: Unterlassene Aufklärung darüber, wie die Verhältnisse beim Zahlungsempfänger tatsächlich waren. Blumers, StbJb. 1983/84, 319, 332; zum Teil geschieht dies nicht ausdrücklich; BGH v. 23.2.2000, 5 StR 570/99, wistra 2000, 217, Tz. 14, prüft die Offenbarungspflicht im Rahmen des subjektiven Tatbestands; allerdings ist dies damit zu begründen, dass der BGH hiermit das Argument der Vorinstanz widerlegt, es liege ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum vor, die objektive Pflicht also lediglich inzident aus dem Winkel des subjektiven Tatbestands beleuchtet. Für § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO siehe Rüsken, in: Klein, § 173 AO, Tz. 112 m. w. N. Siehe insbesondere BGH v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, wistra 2000, 137, NStZ 2000, 203, Tz. 27; auch insofern hat sich durch die neue Rechtsprechung also nichts geändert; kritisch zur Annahme von bedingtem Vorsatz bei vertretbarer Rechtsansicht Meilicke, BB 1984, 1885, 1887 f., der in diesen Fällen einen den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum annehmen möchte. Für die Annahme von Vorsatz in Bezug auf die Unvollständigkeit der Angaben ist genau genommen auch erforderlich, dass die rechtliche Verpflichtung zum Handeln, also die Offenbarungspflicht, erkannt wird; denn im Steuerstrafrecht gilt der Irrtum über das Bestehen und den Umfang der steuerrechtlichen Erklärungs- und Handlungspflichten als Tatbestandsirrtum (vgl. FG Köln v. 23.3.1998, 9 K 5355/96, EFG
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keit der eigenen Sachverhaltsangaben, wurde die tatsächliche Sachverhaltsdarstellung doch am falschen rechtlichen Maßstab ausgerichtet.1393 Gleichzeitig liegt dann auch Vorsatz bezüglich des – für § 370 AO zusätzlich relevanten – Steuerverkürzungserfolgs vor, wenn aufgrund der unrichtigen oder unvollständigen Sachverhaltsangaben die Steuer nicht korrekt festgesetzt werden kann. Vergleichbar muss in den Fällen der Offenbarungspflicht bei klarer Rechtslage erkannt werden, dass der betreffende belastende Steuerrechtstatbestand bei vollständiger Kenntnis des Sachverhalts durch das Finanzamt bejaht würde.1394 Denn daraus ergibt sich wiederum zweierlei, nämlich sowohl die Kenntnis der Unvollständigkeit der tatsächlichen Sachverhaltsschilderung als auch die Kenntnis des Steuerverkürzungserfolgs infolge Verhinderung einer zutreffenden Prüfung des Steuerrechtstatbestands im Veranlagungsverfahren. Der in der Praxis am häufigsten geprüfte Vorsatzgrad ist der bedingte Vorsatz (dolus eventualis). Dabei sind die Anforderungen nicht besonders hoch:1395 In Bezug auf abweichende Rechtsansichten wurde bedingter Vorsatz nicht nur dann bejaht, wenn der Steuerpflichtige bewusst von der bekannten höchst________________________ 1998, 1171; OLG Bremen v. 26.4.1985, Ws 111/84, 115/84, 116/84, StV 1985, 282, 284: insoweit lägen die Verhältnisse im Steuerstrafrecht anders als im allgemeinen Strafrecht, wo die tatsächlichen Umstände, die die Rechtspflicht begründen (Garantenstellung), nicht aber die aus diesen Umständen sich ergebenden Pflichten (Garantenpflicht) zum Tatbestand gehören); diese Erkenntnis folgt hier allerdings stets aus der Einsicht, dass die tatsächlich gelieferte Sachverhaltsdarstellung für eine korrekte rechtliche Prüfung nicht ausreichend ist. 1393 Nach Ansicht des BGH wäre in Bezug auf die Unvollständigkeit konsequent auch im subjektiven Tatbestand unmittelbar auf den rechtlichen Erwartungshorizont der Finanzverwaltung, nicht die objektive Rechtslage abzustellen (so auch tatsächlich BGH v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, wistra 2000, 137, NStZ 2000, 203, Tz. 27, der im gleichen Absatz zwischen objektiver Rechtslage und Erwartung der Finanzverwaltung wechselt); jedenfalls bei einem Auseinanderfallen der beiden wäre hierauf zu achten; bei der Prüfung eines vollendeten Delikts kann dieses Problem im subjektiven Tatbestand allerdings ohnehin nicht auftreten, da bei einem Auseinanderfallen bereits objektiv kein Verkürzungserfolg vorläge (siehe oben); anders ist dies bei der Versuchsprüfung und der dabei bedingten Prüfung des Vorsatzes im Rahmen des Tatentschlusses. 1394 Beispiele aus der Rechtsprechung lassen sich hierfür allerdings nicht anführen: Das RG v. 7.6.1943, 2 D 441/42, RGSt 77, 87, RStBl. 1943, 562, 565, ist in der Prüfung des subjektiven Tatbestandes undeutlich; das OLG Bremen v. 26.4.1985, Ws 111/84, 115/84, 116/84, Strafverteidiger (StV) 1985, 282, 285, lehnt bereits den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung ab; das Hessische Finanzgericht v. 1.2.1999, 5 K 5396/91, EFG 1999, 989, wiederum prüft ohnehin lediglich Leichtfertigkeit. 1395 Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks, § 370 AO, Tz. 128.
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richterlichen Rechtsprechung abweicht1396, sondern auch wenn der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit seiner der Steuererklärung zugrunde liegenden Rechtsauffassung lediglich für wahrscheinlich hält1397, oder sich deren objektiver Zweifelhaftigkeit bewusst ist1398. Ob von bedingtem Hinterziehungsvorsatz auch dann auszugehen ist, wenn der Steuerpflichtige eine abweichende Rechtsansicht lediglich für möglich hält, hat der BGH hingegen ausdrücklich offen gelassen.1399 Immerhin wurde Eventualvorsatz aber auch in einem Fall angenommen, in dem sich der Steuerpflichtige auf einen Tageszeitungsartikel gestützt hatte, der eine für den Steuerpflichtigen günstige Rechtsprechung angedeutet, gleichzeitig aber auch auf abweichende Auffassungen der Finanzämter hingewiesen hatte.1400 Bei fester, wenn auch irriger, Rechtsüberzeugung des Steuerpflichtigen kommt Vorsatz jedenfalls aber nicht mehr in Frage.1401 Dann kann unter Umständen allerdings Leichtfertigkeit vorliegen.1402 Diese steht allerdings nur dann im Raum, wenn sich der Steuerpflichtige hartnäckig der Einsicht abweichender Auffassungen der Verwaltung verschließt.1403 Eine generelle Nachforschungspflicht für Steuerpflichtige besteht hingegen nicht.1404 Lediglich ein Steuerberater setzt sich der Gefahr des Vorwurfs der Leichtfertigkeit aus, wenn er die höchstrichterliche Rechtsprechung und die finanz________________________ 1396 RG v. 26.6.1934, 4 D 79/34, RStBl. 1934, 822, 823, RGSt 68, 234, 235 f.; lediglich bedingter und nicht etwa direkter Vorsatz liegt deshalb vor, weil auch die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung sich als irrig herausstellen kann; ähnlich BGH v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, wistra 2000, 137, NStZ 2000, 203, Tz. 27, wo der Steuerpflichtige trotz eines Steuergutachtens handelt, das seine Rechtsauffassung als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unzutreffend darstellt. 1397 BGH v. 16.5.1984, 2 StR 525/83, wistra 1984, 178, NStZ 1984, 510, 511 f. 1398 BGH v. 8.8.1985, 2 Ars 233/85, NStZ 1986, 37, Tz. 26; BGH v. 15.11.1994, 5 StR 237/94, wistra 1995, 69, Tz. 4. 1399 BGH v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, wistra 2000, 137, NStZ 2000, 203, Tz. 27; letztlich ist hiermit aber lediglich die allgemein im Strafrecht geltende Abgrenzung zwischen bewusster Fahrlässigkeit und Eventualvorsatz angesprochen; auch sonst im Strafrecht führt allein die Erkenntnis der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung zur Annahme von Eventualvorsatz; sehr kritisch zu dieser Entscheidung Weyand, INF 2000, 726, 728, der allerdings nicht beachtet, dass sich dieses Urteil sowohl den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand betreffend weitestgehend in die bisherige Rechtsprechung einfügt. 1400 BGH v. 23.2.2000, 5 StR 570/99, wistra 2000, 217, Tz. 14. 1401 FG Hamburg v. 6.12.2001, VI 103/99, BeckRS 2001 21009794, Tz. 22. 1402 Siehe generell zum Stufenverhältnis zwischen § 370 und § 378 AO: BGH v. 13.1.1988, 3 StR 450/87, NStZ 1988, 276, Tz. 15. 1403 BFH v. 24.4.1996, II R 73/93, BFH/NV 1996, 731, Tz. 20: In dieser Entscheidung wirft der BFH die Frage auf, ob sich aus den dem Steuerpflichtigen zugesendeten Erklärungsvordrucken und den darin aufgeworfenen Fragen nicht Zweifel an der von ihm vertretenen Rechtsauffassung hätten ergeben können und müssen; er verweist diese Frage zur Klärung zurück an das Finanzgericht. 1404 Blumers, DB 1987, 807, 807 m. w. N.
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behördlichen Richtlinien den von ihm erstellten Erklärungen nicht zugrunde legt und diese Abweichung nicht von sich aus offenbart.1405 c) Ergebnis zu den Sachverhaltsoffenbarungspflichten Es ist mithin im Rahmen der deutschen Ertragsteuerveranlagung – straf-, bußund verfahrensrechtlich abgesichert – auch ohne ein gesondertes System von Anzeigepflichten gewährleistet, dass stets alle zur umfassenden rechtlichen Prüfung der Gestaltung erforderlichen Sachverhaltsangaben vorliegen. Dies gilt, wie gezeigt, auch in Bezug auf Gestaltungen mit besonderer Komplexität in persönlicher, sachlicher oder grenzüberschreitender Hinsicht sowie Gestaltungen bei unklarer materieller Rechtslage. Insbesondere auch der für entsprechende Sanktionen erforderliche Verschuldensvorwurf wäre im Zusammenhang mit den in dieser Arbeit relevanten Gestaltungen aus dem Bereich der aggressiven Steuerplanung bzw. der Steuergestaltungsmodelle bei Nichtbeachtung der Offenbarungspflichten regelmäßig gegeben. Bei den beteiligten Unternehmen oder Banken wird im Regelfall Kenntnis der Rechtslage (aus der Sicht der Verwaltung) und der danach erforderlichen Sachverhaltsdarstellung bestehen. Bei vermarkteten Steuergestaltungen, etwa Finanzprodukten für breitere Anlegergruppen, kann es zwar vorkommen, dass der einzelne Steuerpflichtige nicht steuerlich bewandert ist. Hier ist aber mittelbar sanktionsrechtlich abgesichert, dass Stellungnahmen der Externen zu den steuerlichen Vorteilen der Gestaltung auf entsprechende Offenbarungspflichten hinweisen. Denn wenn gegenüber steuerlich nicht bewanderten Beteiligten Aussagen zur steuerlichen Struktur oder den steuerlichen Ergebnissen einer Gestaltung gemacht werden, bei denen etwa einschlägige Missbrauchsnormen verschwiegen oder eine von der Auffassung der Verwaltung abweichende Rechtsauffassung vertreten wird, und stellt daraufhin der Steuerpflichtige den Sachverhalt dem Finanzamt gegenüber verkürzt dar, ist es möglich, dass der Externe als die Rechtslage sowie die Konsequenzen seiner Stellungnahme Überblickender nach den oben dargestellten Grundsätzen wegen Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft belangt wird.1406 Der Externe wird also unmittelbar persönlich in die Pflicht genom________________________
1405 Vgl. Weyand, INF 2000, 726, 728. 1406 Dogmatisch ist dies dadurch möglich, dass nach richtiger Auffassung eine Missachtung der hier diskutierten Offenbarungspflichten zu unvollständigen Angaben nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 AO führt und nicht etwa zu einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, die als Sonderdelikt nicht durch den Steuerberater verübt werden könnte; denn ein solcher Fall und nicht eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen ist anzunehmen, wenn die Erklärung des Täters eine ausdrücklich oder konkludent behauptete Vollständigkeitserklärung enthält; dies ist bei abgegebenen Steuererklärungen für die darin behandelten Sachverhalte regelmäßig anzunehmen (vgl. Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks, § 370 AO, Tz. 129; Ransiek, in: Kohlmann, § 370 AO, Tz. 237 ff. und 248 f.).
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men, um die vollständige Sachverhaltsoffenbarung durch den Steuerpflichtigen sicherzustellen. Aus der Tatsache, dass verhältnismäßig wenige Fälle bekannt sind, in denen tatsächlich entsprechende Sanktionen verhängt wurden,1407 kann nicht geschlossen werden, dass die Offenbarungspflichten leer laufen. Dies kann vielmehr umgekehrt auch Zeichen für einen bereits effektiv disziplinierenden Sanktionenapparat sein.1408 Ohnehin wäre die Schlussfolgerung aus einem derartigen Umsetzungsdefizit in Anbetracht des oben beschriebenen rechtlichen Rahmens lediglich, dass das bestehende Instrumentarium konsequenter zur Anwendung gebracht werden müsste. 4. Ergebnis zur grundsätzlichen Lage in Deutschland Nach alledem ist in Deutschland auch ohne gesondertes Anzeigepflichtsystem zweierlei gewährleistet: In der deutschen Ertragsteuerveranlagung wird grundsätzlich jede Gestaltung rechtlich vom Veranlagungsbeamten geprüft. Es bestehen zudem Mechanismen, die sicherstellen, dass auch tatsächlich alle hierfür erforderlichen Sachverhaltsangaben vorliegen. Damit sind alle erforderlichen Bedingungen für eine zufriedenstellende Prüfung potentiell missbräuchlicher Gestaltungen am geltenden Recht bereits ohne gesonderte Anzeigepflichten gegeben.
III. Auswirkungen auf die Effizienz im Veranlagungsverfahren Das gefundene Ergebnis besagt nicht, dass Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Funktion in Deutschland keinerlei Bedeutung mehr hätten. Diese könnten die Veranlagung für den Fiskus vielmehr in mehrerlei Hinsicht erleichtern. Aus den oben bereits ausführlicher dargestellten theoretischen Vorteilen derartiger Anzeigepflichten1409 sei an die Möglichkeit erinnert, die Prüfung im Detail feinzusteuern, Ressourcen gezielt auf anzeigepflichtige Gestaltungen zu konzentrieren,1410 deren Prüfung automatisch spezialisierten Ein________________________ 1407 So bereits Tipke, StbJb. 1972/73, 509, 523 f. und 531, vor 36 Jahren; ebenso auch neuerdings Theisen, AO-StB 2008, 136, 138. 1408 Theisen, AO-StB 2008, 136, 138, vermutet zudem, dass in diesem Bereich die Steuerpflichtigen wegen dem mit dem Vorwurf der Steuerhinterziehung verbundenen öffentlichen Makel schnell zu „Deals“ mit den Finanzbehörden bereit sind; diese verhindern, dass die Öffentlichkeit von dem Sachverhalt Kenntnis erlangt. 1409 Hierzu oben, ab S. 173. 1410 Zur Mangelhaftigkeit der bislang verwendeten maschinellen Auswahl intensiver zu prüfender Steuererklärungen, siehe Engels, Bundesrechnungshof: Probleme beim Vollzug der Steuergesetze, 39 ff. und 142, sowie Bundesrechnungshof, Bericht v. 17.1.2012 über den Vollzug der Steuergesetze, 21 ff.
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heiten der Finanzverwaltung zuzuweisen,1411 und die konkrete Veranlagung wiederum mittels Registriernummern auf einfache Weise mit der abstrakten Prüfung und Beurteilung der Gestaltung zu verknüpfen. Auch wäre eine in den Anzeigen geforderte ausführliche Erläuterung der rechtlichen Struktur der betreffenden Gestaltung seitens der Steuerpflichtigen bzw. der Externen eine Vorarbeit für die Veranlagung. Fraglich ist, ob diese Beiträge zur Optimierung der Veranlagung nicht doch ein Anzeigepflichtsystem zu rechtfertigen vermögen, auch wenn dieses dem Grunde nach in einem System hoheitlicher Veranlagung nicht erforderlich ist. Bei den genannten Vorteilen handelt es sich sämtlich um Aspekte, die in der Sphäre der Finanzverwaltung liegen bzw. Aufgaben darstellen, die bislang von der Finanzverwaltung wahrgenommen wurden (verwaltungsinterne Organisation sowie rechtliche Prüfung). Allein hieraus folgt allerdings noch nichts für die Frage der Sinnhaftigkeit von Anzeigepflichten. Es ist nicht etwa grundsätzlich unzulässig, Aufgaben, die bisher der Finanzverwaltung zugewiesen waren, (teilweise) auf die Steuerpflichtigen zu verlagern.1412 Allerdings macht die Zuweisung derartiger Aufgaben an die Steuerpflichtigen oder Externe an Stelle der Finanzverwaltung aus rechtspolitischer Sicht nur dann Sinn, wenn dies zu einem besseren Verhältnis von Gesamtaufwand und Gesamtnutzen, also zu einer größeren Effizienz im Veranlagungsverfahren, führte. Von einer Steigerung der Gesamteffizienz durch Anzeigepflichten ist aber nicht auszugehen. Der Vorteil des „Ausflaggens“ der Gestaltung für die Ressourcenallokation sowie die Zuweisung an spezialisierte Einheiten kann ebenso gut durch die Veranlagungsbeamten erreicht werden. Dazu könnten den Beamten ggf. Kriterienkataloge an die Hand gegeben werden, die aus den Anzeigepflichtsystemen entlehnt sind. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Externen oder gar Steuerpflichtigen selbst die Einstufung von Gestaltungen nach diesen Kriterien leichter fällt als den die Gestaltung bei der Veranlagung rechtlich prüfenden Finanzbeamten.1413 Die zentrale spezialisierte Ein________________________ 1411 Die Prüfung der zum Teil rechtlich sehr komplexen anzeigepflichtigen Gestaltungen durch spezialisierte Einheiten der Finanzverwaltung wäre vor dem Hintergrund besonders vorteilhaft, dass etwa der Bundesrechnungshof starke Zweifel daran geäußert hat, dass die gewöhnlichen Veranlagungsbeamten in Anbetracht ihres Arbeitspensums die aktuellen rechtlichen Entwicklungen noch in gebührendem Maße nachvollziehen können (so Engels, Bundesrechnungshof: Probleme beim Vollzug der Steuergesetze, 14 und 142, sowie Bundesrechnungshof, Bericht v. 17.1.2012 über den Vollzug der Steuergesetze, 16 f.). 1412 So aber das gängige Argument, etwa des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. in der Pressemitteilung P 21/07 „Der Fiskus erzwingt sich Zuarbeit – Entwurf zu § 138a AO“ v. 28.8.2007, abrufbar unter www.dstv.de. 1413 Anders kann dies ggf. bei den an äußere Umstände der Gestaltung anknüpfenden Kriterien sein (hierzu oben, S. 191 ff.); diese sind aber ohnehin vornehmlich auf die rechtspolitische Funktion von Anzeigepflichten ausgerichtet (hierzu oben, S. 201).
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Überlegungen zur veranlagungsunterstützenden Funktion
heit der Finanzverwaltung, die eine genauere Analyse der derart zugewiesenen Gestaltungen durchführt, könnte mehrmals zugewiesene Gestaltungen – ähnlich wie in einem Registriernummernsystem – miteinander verknüpfen und den Veranlagungsbeamten wiederum Anleitung für die Behandlung in der Veranlagung geben. Anders fällt die Effizienzbeurteilung auch nicht im Hinblick auf die Verpflichtung, die rechtliche Struktur der Gestaltung darzustellen, aus. Zwar wird etwa bei vermarkteten Gestaltungen der Externe eine detaillierte Analyse der rechtlichen Struktur und der erwarteten steuerlichen Vorteile regelmäßig ohnehin vorgenommen haben. Bei anderen Gestaltungen muss dies aber keineswegs der Fall sein.1414 Zudem handelt es sich bei der Darstellung der rechtlichen Struktur durch die Privaten um lediglich deren – im Regelfall einseitig gezeichnete – Wahrnehmung der rechtlichen Lage. Sie entbindet die Verwaltung in keinem Fall von der eigenständigen rechtlichen Beurteilung.1415 Anzeigepflichten lassen demnach keine oder nur geringe Effizienzsteigerungen im Veranlagungsverfahren erwarten. Gleichzeitig bedingen sie zum Teil erheblichen Verwaltungsaufwand auf Seiten der Anzeigepflichtigen wie auch der Finanzverwaltung.1416 Ihre Anwendung und Durchsetzung lenkte wesentliche Ressourcen und Aufmerksamkeit von der eigentlich im Zentrum stehenden materiellrechtlichen Prüfung der Gestaltung ab.1417 Insgesamt ist damit zu erwarten, dass die Einführung von Anzeigepflichten nicht zu einer effizienteren Veranlagung führte, sondern vielmehr umgekehrt die Kosten auf Seiten aller Beteiligter ohne gleichwertigen Nutzengewinn erhöhte.
C. Schlussfolgerungen für die veranlagungsunterstützende Funktion Die Einführung von Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Wirkung ist in Deutschland nicht zu empfehlen. Anders als in den Ländern, in denen Anzeigepflichtsysteme mit veranlagungsunterstützender Funktion ihren ________________________ 1414 Hierzu oben, S. 230. 1415 Bei geschickter Darstellung der rechtlichen Analyse könnten Private das Prüfergebnis der Verwaltung ggf. sogar einseitig vorprägen und damit – aus fiskalischer Sicht – negativ beeinflussen; unter diesem Gesichtspunkt wäre es sogar generell vorzugswürdig, wenn die Finanzverwaltung ohne Kenntnis der detaillierten Rechtsauffassung der Beteiligten die Gestaltung zunächst allein auf der Basis des Sachverhalts prüft. 1416 Hierzu oben, S. 229 f. 1417 Bereits jetzt führen gerade veranlagungsfremde und -begleitende Tätigkeiten dazu, dass Veranlagungsarbeit häufig nur noch in eingeschränktem Umfang geleistet werden kann (vgl. Engels, Bundesrechnungshof: Probleme beim Vollzug der Steuergesetze, 13, 144 und 201 f.).
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Rechtspolitische Überlegungen
Ursprung haben, ist bei der deutschen Ertragsteuerveranlagung sichergestellt, dass Gestaltungen, die dem geltenden Recht nicht entsprechen, aufgegriffen werden. Aus einem Anzeigepflichtsystem würden sich zwar gewisse Erleichterungen für den Fiskus bei der Veranlagung ergeben. Diesen stehen allerdings Belastungen auf Seiten aller Beteiligter entgegen, die erwarten lassen, dass das Veranlagungssystem durch die Einführung von Anzeigepflichten an Gesamteffizienz verlieren würde.
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Überlegungen zur rechtspolitischen Funktion
Kapitel 2: Überlegungen zur rechtspolitischen Funktion A. Bedeutung bei der Änderung des Steuerrechts Die rechtspolitische Funktion von Anzeigepflichten entfaltet ihre zentrale Wirkung bei der Änderung des materiellen Steuerrechts, insbesondere bei der Einführung spezialgesetzlicher Missbrauchsvorschriften in Reaktion auf neu festgestellte rechtspolitisch unerwünschte Steuergestaltungen.1418 Die Beantwortung der Frage, ob derartige Anzeigepflichten auch in Deutschland zu sinnvoller Anwendung gebracht werden können, hängt damit zunächst davon ab, wie zufriedenstellend rechtspolitisch unerwünschte Gestaltungen bereits vom geltenden materiellen Recht erfasst sind. Hierbei ist insbesondere an die allgemeine Missbrauchsnorm des § 42 AO zu denken.1419 Je umfassender unerwünschte Gestaltungen bereits von der allgemeinen Missbrauchsnorm erfasst sind, desto geringer ist nämlich das Bedürfnis nach spezialgesetzlichen Missbrauchsnormen, die vorzubereiten Aufgabe der Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion wäre.1420 Insofern haben die Überlegungen zur rechtspolitischen Funktion mit der Analyse zu beginnen, welche Gestaltungen bereits von § 42 AO erfasst sind, bzw. umgekehrt, bei welchen Grundtypen rechtspolitisch unerwünschter Gestaltungen die allgemeine Missbrauchsnorm nicht weiterhelfen kann (hierzu I.). Daneben ist zu untersuchen, inwiefern die theoretischen Vorteile von Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion bei dem Erlass von spezialgesetzlichen Missbrauchsnormen und anderen Gesetzesänderungen in Deutschland zum Tragen kämen. Insbesondere wird hierbei eine Rolle spielen, inwiefern spezialgesetzliche Missbrauchsnormen mit Rückwirkung erlassen werden können. Denn sollte dies unproblematisch möglich sein, so würde der zentrale Vorteil der Anzeigepflichten, Informationen über neue Gestaltungen besonders frühzeitig zu liefern, weitgehend an Relevanz verlieren (hierzu II.). ________________________ 1418 Hierzu oben, ab S. 177; mit der Neufassung von § 42 AO durch das Jahressteuergesetzt 2008 hat die spezialgesetzliche Missbrauchsvermeidungsvorschrift als „Regelung in einem Einzelsteuergesetz […], die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient“ nun als eigene Kategorie auch ausdrücklichen Einzug in das Gesetz gefunden (hierzu Hey, StuW 2008, 167, 169); zu Fallgruppen spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen vgl. Hey, DStJG 33 (2010), 139. 1419 Ungeachtet der systematischen Stellung in der Abgabenordnung handelt es sich bei § 42 AO um materielles Steuerrecht. 1420 Allein die Tatsache, dass das materielle deutsche Steuerrecht viele spezialgesetzliche Missbrauchsnormen kennt (siehe als Beispiele aus dem internationalen Bereich etwa nur § 50d Abs. 3, Abs. 8 und Abs. 9 EStG, § 12 KStG oder viele Vorschriften des AStG), ist noch kein hinreichender Beweis dafür, dass es diese auch braucht.
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Rechtspolitische Überlegungen
Bei der Untersuchung, ob spezialgesetzliche Missbrauchsnormen erforderlich sind, und inwiefern Anzeigepflichten dabei helfen können, diese zu erlassen, wird die Sinnhaftigkeit von derartigen Normen zunächst unterstellt. Im Anschluss hieran muss aber auch hinterfragt werden, inwiefern der Erlass spezialgesetzlicher Missbrauchsvorschriften überhaupt einen sinnvollen Ansatz im Vorgehen gegen rechtspolitisch unerwünschte Gestaltungen darstellt, und welche Auswirkungen Anzeigepflichten auf die Art der erlassenen Missbrauchsvorschriften erwarten lassen. Sollte bereits der Erlass derartiger Normen fragwürdig sein, so zöge dies auch Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion in Zweifel, die doch zum maßgeblichen Ziel haben, diesen Erlass zu ermöglichen bzw. zu erleichtern (hierzu III.). Schließlich soll – vor dem Hintergrund des deutschen Entwurfs 2007 und anderer ausländischer Ansätze in diese Richtung – untersucht werden, inwiefern Anzeigepflichten mit spezifisch grenzüberschreitendem Bezug rechtspolitische Bedeutung zukommen kann. Sind nämlich dem Erlass hierauf gestützter materiellrechtlicher Änderungen enge Grenzen gezogen, so stellt dies die Sinnhaftigkeit der Anzeigepflichten als Hilfsmaßnahme zum Erlass dieser Änderungen in Frage (hierzu IV.).
I. Von der allgemeinen Missbrauchsnorm erfasste Gestaltungen 1. Grundstruktur des § 42 AO Trotz der gesetzgeberischen Änderungen an § 42 AO durch das Jahressteuergesetz 2008,1421 mit der ausdrücklich auch eine Präzisierung der allgemeinen Missbrauchsnorm beabsichtigt wurde,1422 bleibt diese Norm weitgehend unbestimmt.1423 In Anbetracht des weiterhin auslegungsoffenen Wortlauts vermag es nicht zu überraschen, dass die Anwendung von § 42 AO in weiten Teilen uneinheitlich bzw. umstritten ist.1424 Die Unterschiede im Normverständnis ________________________ 1421 Gesetz v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 1422 BT-Drs. 544/07 v. 10.8.2007, 105; BT-Drs. 16/6290 v. 4.9.2007, 81; BT-Drs. 16/7036 v. 8.11.2007, 24. 1423 Hierzu etwa Drüen, Tipke/Kruse, Vor § 42 AO, Tz. 15 und 36; ders., Ubg 2008, 31, 35 ff.; ders., StuW 2008, 154, 162; Wienbracke, DB 2008, 664, 669; der Missbrauchsbegriff ist nur eingeschränkt gesetzlich definiert worden; insbesondere verbleibt es auch bei dem unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit; Hey, BB 2009, 1044, 1044 und 1048, konstatiert infolge weiterer neu eingeführter unbestimmter Rechtsbegriffe sogar eine Zunahme der Rechtsunsicherheit. 1424 Hierauf spielt noch zur alten Fassung Kirchhof, StuW 1983, 173, 173, an, wenn er bemerkt, die missbrauchsanfälligste Rechtsfigur des geltenden Steuerrechts sei die Missbrauchsformel des § 42 AO; Fischer, FR 2001, 1212, 1214 f. sieht mangels subsumtionsfähigen Inhalts § 42 AO sogar das „Odium der Gefühlsjurisprudenz“ anheften.
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Überlegungen zur rechtspolitischen Funktion
betreffen dabei nicht nur Details, sondern vielmehr bereits die Grundkonzeption und -bedeutung von § 42 AO. a) Umgehung von Steuergesetzen als zentrales Kriterium Nach einer Auffassung erschöpft sich die Bedeutung von § 42 AO darin, zu Analogie bzw. teleologischer Reduktion zu Lasten des Steuerpflichtigen1425, also zu am Telos der Steuernorm orientierter erweiterter Rechtsanwendung1426 zu ermächtigen (sog. Innentheorie).1427 § 42 AO beinhalte keinen weiteren Tatbestand, sondern verhelfe lediglich der betreffenden steuerlichen Norm zu der ihrem objektiven Zweck entsprechenden Anwendung. Insbesondere bedürfe es keiner subjektiven Prüfungskomponente.1428 Bereits aus dem Wortlaut des § 42 AO ergibt sich, dass diese allein auf die Umgehung der betreffenden Steuernorm beschränkte Auslegung de lege lata nicht zutreffend sein kann.1429 So macht bereits § 42 Abs. 1 S. 1 AO mit dem Merkmal „Missbrauch“ neben „Umgehung“ klar, dass die Umgehung von
________________________ 1425 Zu den Grenzen steuerverschärfender Analogie vor dem Hintergrund des Eingriffscharakters des Steuerrechts siehe Lang, in: Tipke/Lang, § 5, Tz. 58 ff., Schell, Subjektive Besteuerungsmerkmale, 223 f., sowie Schön, DStJG 33 (2010), 29, 51 ff. 1426 Es ist hingegen nahezu einhellig anerkannt, dass § 42 AO jedenfalls insofern nicht von Bedeutung ist, als eine mögliche Umgehungshandlung bereits durch einfache Auslegung der einschlägigen Norm erfasst werden kann (vgl. Ratschow, in: Klein, § 42 AO, Tz. 36 m. w. N.; Kirchhof, StuW 1983, 173, 178; hierzu unten, S. 270); einzelne anders lautende Stimmen gründen lediglich in abweichender Rechtsterminologie (vgl. hierzu Tipke, Steuerrechtsordnung, 1327); die Auslegung auch von Steuernormen endet aber dort, wo sie mit dem Wortsinn nicht mehr vereinbar ist (vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung, 1271 und 1328 f. m. w. N.; Tipke, StbJb. 1972/73, 509, 512 und 514). 1427 Ratschow, in: Klein, § 42 AO, Tz. 10 m. w. N.; Fischer, in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 42 AO, Tz. 71 ff. m. w. N.; Danzer, Steuerumgehung, 104 ff. m. w. N. Nach anderer Auffassung innerhalb der Innentheorie, die insofern keine dogmatischen Unterschiede zwischen dem Steuerrecht als Eingriffsrecht und sonstigen Rechtsgebieten zu erkennen vermag, wäre § 42 AO gar als lediglich deklaratorisch anzusehen, da Analogie und teleologische Reduktion ohnehin zulässig seien (hierzu Tipke, Steuerrechtsordnung, 1326 und 1333 m. w. N.). 1428 Kruse, StbJb. 1978/79, 443, 452 f.; Ulmer, DStZ 1986, 292, 293; Fischer, FR 2001, 1212, 1212 f.; ders., in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO, Tz. 87; Clausen, DB 2003, 1589, 1593. 1429 Bedenkenswert ist allerdings, ob ein solches rein objektives Verständnis de lege ferenda nicht vorzugswürdig wäre (hierzu Schell, Subjektive Besteuerungsmerkmale, 231 ff., 295 und 299); der historische Gesetzgeber hat sich aber offenbar bewusst gegen eine derartige rein objektiv an einer Steuergesetzumgehung ausgerichtete Fassung entschieden (vgl. hierzu Tipke, Steuerrechtsordnung, 1341 f. m. w. N.).
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Rechtspolitische Überlegungen
Steuernormen nicht der alleinige Bezugspunkt sein kann.1430 Bestätigt wird dies in der Neufassung der Norm durch das Jahressteuergesetz 2008, die mit der Bezugnahme auf außersteuerliche Gründe in § 42 Abs. 2 S. 2 AO ein subjektives Tatbestandsmerkmal ausdrücklich verankert. b) Überwiegende steuerliche Motivation als zentrales Kriterium Ein entgegengesetzter Ansatz lehnt eine derart verstandene Steuerumgehung als Anknüpfungspunkt für § 42 AO ab. Das zentrale Kriterium für Steuerumgehung liege vielmehr in der ausschließlichen oder ganz überwiegenden steuerlichen Motivation bei gleichzeitigem Fehlen eines legitimen wirtschaftlichen Grundes.1431 Dies würde bedeuten, dass die für die Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion relevanten rechtspolitisch unerwünschten, da maßgeblich steuergetriebenen Gestaltungen weitestgehend bereits von der allgemeinen Missbrauchsnorm erfasst würden. Auch diese Ansicht, die subjektive Kriterien in den Vordergrund stellt, vermag § 42 AO aber nicht zutreffend zu erklären. Das Merkmal der „Steuerumgehung“ in § 42 Abs. 1 S. 1 AO und die Präzisierung des Missbrauchs durch ________________________ 1430 Hierzu etwa Schulte-Rummel, Steuerumgehung und Hinzurechnungsbesteuerung, 60; der Verwendung von „Missbrauch“ anstelle von „Fehlgebrauch“ sei, so wurde bereits zur alten Fassung argumentiert, ein Bekenntnis zu einem subjektiven Tatbestandsmerkmal zu entnehmen (siehe Schell, Subjektive Besteuerungsmerkmale, 227 f. m. w. N.). 1431 Meine, wistra 1992, 81, 84; Clausen, DB 2003, 1589, 1589 und 1594, bezeichnet diese Herangehensweise als den „Praktikeransatz“; de lege ferenda etwa Seiler in der Diskussion der Abteilung Steuerrecht des 66. Deutschen Juristentags in Stuttgart 2006 (vgl. Sitzungsberichte, Band II/2, Q 256 f.); deutlich in diese Richtung zielte auch der ursprüngliche Referentenentwurf zu § 42 AO v. 14.6.2007, der den Nachweis beachtlicher außersteuerlicher Gründe ganz ins Zentrum der Betrachtung rückte (hierzu Drüen, in: Tipke/Kruse, Vor § 42 AO, Tz. 3); während der Reichsfinanzhof in mehreren Urteilen dieser Auffassung anhing (RFH v. 30.9.1936, VI A 801/35, RFHE 40, 131; RFH v. 21.10.1936, VI A 30/36, RFHE 40, 290), wird sie vom Bundesfinanzhof nicht mehr verfolgt (zu dieser Entwicklung Klein, Nicht angemessene rechtliche Gestaltung, 64 ff. m. w. N.); über die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs aufnehmende Entscheidungen des Reichsgerichts findet sich dieser Ansatz aber auch in späteren steuerstrafgerichtlichen Entscheidungen wieder (vgl. RG, v. 7.6.1943, 2 D 441/42, RStBl. 1943, 562, 565; OLG Bremen, v. 26.4.1985, Ws 111/84, 115/84, 116/84, Strafverteidiger (StV) 1985, 282, 285); BFH v. 18.7.2001, I R 48/97, BFHE 196, 128, Tz. 14, sowie BFH v. 14.7.2004, I R 9/03, BFHE 207, 142, Tz. 9, formulieren zwar ebenso, fügen sich aber im Ergebnis in die in dieser Arbeit vertretene Auffassung ein, da sie auf außersteuerliche Gründe gestützt einen Gestaltungsmissbrauch ablehnen; dazu, dass in anderen Fällen mit ähnlicher Formulierung im Ergebnis die Annahme von Gestaltungsmissbrauch nicht auf das Fehlen außersteuerlicher Gründe, sondern auf das Fehlen entsprechender objektiver wirtschaftlicher Substanz gestützt wird, siehe unten.
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objektive Kriterien in § 42 Abs. 2 S. 1 AO machen deutlich, dass de lege lata eine rein subjektive Prüfung keine gesetzliche Grundlage hat. Ihre Loslösung von den einzelnen steuerlichen Tatbeständen1432 würde auch de lege ferenda auf verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Blickwinkel der realitätsgerechten Besteuerung bzw. der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als Fundamentalprinzipien gerechter Besteuerung stoßen.1433 Auch die allgemeine Missbrauchsvorschrift und deren Anwendung im konkreten Fall müssen sich nämlich an der Vorgabe, dass gleiche wirtschaftliche Sachverhalte gleich zu besteuern sind, messen lassen.1434 Es ist aber nicht ersichtlich, welchen Einfluss eine steuerliche Motivation auf eine derart verstandene Leistungsfähigkeit haben sollte. Wenn ein Sachverhalt, an den das Steuerrecht einen steuerlichen Vorteil knüpft – zum Beispiel Aufwand für Fremdkapitalzinsen – wirtschaftlich tatsächlich vorliegt, so ändert sich hieran nichts dadurch, dass dieser wirtschaftliche Sachverhalt allein aus dem Wunsch heraus, den Vorteil des steuerlichen Abzugs zu erlangen, verwirklicht wurde. In gleicher Weise hat es, wenn ein wirtschaftlicher Sachverhalt, an den das Steuerrecht eine Belastung knüpft, tatsächlich nicht verwirklicht ist, keine Bedeutung, dass dieser Sachverhalt allein aus steuerlichen Gründen vermieden wurde. Leistungsfähigkeit misst sich an objektiven Kriterien, nicht aber an Motiven, Absichten oder Wissen.1435 ________________________ 1432 Hierbei ist zu unterscheiden: Mit seiner Rechtsfolge knüpft § 42 Abs. 1 AO immer an die einzelnen Steuertatbestände an. Fraglich ist lediglich, ob auch der Tatbestand des § 42 Abs. 1 AO an diese anschließen muss, oder ob sich dieser von den einzelnen materiellen Tatbeständen lösen darf, indem er die Motivation des Steuerpflichtigen für die betreffende Gestaltung zum Anknüpfungspunkt macht. 1433 Nicht etwa haben diese Grundsätze unmittelbaren Verfassungsrang; sie ergeben sich mit verfassungsrechtlicher Wirkung aber aus dem Folgerichtigkeitsgebot (st. Rspr., vgl. etwa BVerfG v. 28.11.1984, 1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, 287, 310; BVerfG v. 10.2.1987, 1 BvL 18/81 und 20/82, BVerfGE 74, 182, 199 ff.; hierzu Ratschow, in: Blümich, § 2 EStG, Tz. 13, sowie Tipke, StuW 2007, 201); als rechtspolitisches Instrument ist der Leistungsfähigkeitsmaßstab allerdings umstritten (vgl. Weisbach, 55 Tax Law Review (2002), 215, 252; zu den mit dem Leistungsfähigkeitsgedanken aus ökonomischer Sicht verbundenen Problemen stellvertretend Banks/Diamond, The Base for Direct Taxation (2008)). 1434 Ein Lenkungszweck, der eine Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip rechtfertigen könnte, ist nicht erkennbar; zum Verhältnis des Gebots gleichmäßiger Besteuerung und § 42 AO vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung, 1330 ff., sowie Drüen, StuW 2008, 154, 158. 1435 Schell, Subjektive Besteuerungsmerkmale, 90 ff., 97 und 297 m. w. N.; Kirchhof, NJW 1987, 3217, 3222 f.; dort, wo das Gesetz bei der Einkommensermittlung an subjektive Tatbestsandsmerkmale anknüpft, geht es regelmäßig lediglich um die Ermittlung des objektiv manifestierten „wirklichen Willens“ (hierzu Schön, Beihefter zu DStR 2007, Heft 39, 20).
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Rechtspolitische Überlegungen
c) § 42 AO als objektiver und subjektiver Tatbestand Die dargestellte Kritik an den beiden isoliert auf ein objektives bzw. subjektives Kriterium abstellenden Auffassungen bezieht sich nicht auf die Kriterien als solche, sondern auf deren jeweiligen Anspruch auf Exklusivität. Zutreffend ist ein Verständnis des § 42 AO, nach dem die Prüfung der Umgehung eines konkreten Steuertatbestands und die an den Beweggründen ausgerichtete Prüfung kumulativ erfolgen müssen.1436 Die Prüfung von § 42 AO als Doppeltatbestand kommt auch in der üblicherweise vom BFH einleitend gebrauchten Formel zum Ausdruck:1437 Danach liegt Missbrauch dann vor, wenn eine Gestaltung gewählt worden ist, die „[a] gemessen an dem erstrebten wirtschaftlichen Ziel unangemessen ist, [sowie b] der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist“.1438 Auch bei der weiteren Konkretisierung der Formel stellt der BFH in den meisten Fällen auf diese doppelte, objektive und subjektive Prüfung ab.1439 ________________________ 1436 Ausdrücklich BFH v. 27.7.1999, VIII R 36/98, BStBl. II 1999, 769, Tz. 15; ebenso unter anderem Tipke, StbJb. 1972/73, 509, 516 ff.; Schulte-Rummel, Steuerumgehung und Hinzurechnungsbesteuerung, 80 ff. und 86 ff.; Schön, Gestaltungsmissbrauch, 46 einerseits und 50 ff., 55 ff. andererseits; Wendt, DStJG 33 (2010), 117, 131 f. 1437 Bei der Anwendung dieser Formel auf Einzelfälle benutzt der BFH allerdings häufig zusätzliche Umschreibungen und Konkretisierungen. Diese sind zum Teil uneinheitlich und im Verhältnis untereinander unklar. Sie haben zu einer sehr unübersichtlichen Einzelfallkasuistik geführt (vgl. Brockmeyer, in: Klein, 9. Aufl., § 42 AO, Tz. 13 m. w. N.). 1438 BFH v. 14.1.1992, IX R 33/89, BStBl. II 1992, 549, Tz. 15; BFH v. 10.9.1992, V R 104/91, BStBl. II 1993, 253, Tz. 15; BFH v. 9.7.1998, V R 68/96, BStBl. II 1998, 637, Tz. 29; BFH v. 27.7.1999, VIII R 36/98, BStBl. II 1999, 769, Tz. 15; BFH v. 19.8.1999, I R 77/96, BStBl. II 2001, 43, Tz. 23; BFH v. 1.2.2001, IV R 3/00, BStBl. II 2001, 520, Tz. 29; BFH v. 20.3.2002, I R 38/00, BStBl. II 2002, 819, Tz. 17; BFH v. 17.12.2003, IX R 56/03, BStBl. II 2004, 648, Tz. 11; BFH v. 18.3.2004, III R 25/02, BStBl. II 2004, 787, Tz. 75; BFH v. 27.10.2005, IX R 76/03, BStBl. II 2006, 359, Tz. 15; BFH v. 29.1.2008, I R 26/06, BFH/NV 2008, 1044, Tz. 12; zur historischen schrittweisen Entwicklung der Formel Glorius-Rose, Gestaltungsmissbrauch, 30 f. 1439 BFH v. 5.9.1972, II R 152/71, BStBl. II 1973, 33, Tz. 5; BFH v. 27.7.1999, VIII R 36/98, BStBl. II 1999, 769, Tz. 16 ff.; BFH v. 19.8.1999, I R 77/96, BStBl. II 2001, 43, Tz. 30; BFH v. 17.12.2003, IX R 56/03, BStBl. II 2004, 648, Tz. 12 ff.; BFH v. 18.3.2004, III R 25/02, BStBl. II 2004, 787, Tz. 75; diese doppelte Prüfung liegt auch der – später in § 50d Abs. 1a bzw. 3 EStG aufgegangenen – Rechtsprechung zu ausländischen Basisgesellschaften zugrunde (Clausen, DB 2003, 1589, 1591 f.); während die Prüfung, ob die Gesellschaft mit Personal u. ä. ausgestattet ist und eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet, objektiv daraufhin untersucht, ob die Gesellschaft nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich existent ist, also die typischerweise mit einer zivilrechtlichen Gesellschaftsgründung verbundene wirtschaftliche Substanz besitzt, ist die Frage nach beachtenswerten wirtschaftlichen Motiven subjektiver
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Es verbleibt damit zwar dabei, dass es den Steuerpflichtigen grundsätzlich unbenommen ist, die für sie günstigste steuerliche Regelung zu wählen und den Sachverhalt so zu gestalten, dass ein Steueranspruch nicht entsteht, auch wenn dies allein aus einer steuerlichen Motivation heraus erfolgte;1440 die Steuergetriebenheit macht eine Gestaltung aber dann unzulässig, wenn letztere sich zusätzlich nur formal an den von den Einzelsteuertatbeständen vorgegebenen Rahmen hält, nicht aber deren Zweck entspricht.1441 Daher schadet auch ein wie auch immer geartetes unangemessenes wirtschaftliches Verhalten nicht, sondern lediglich der Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten.1442 Umgekehrt gewendet, können Steuerpflichtige auch unangemessene rechtliche Gestaltungen vornehmen, wenn sie dafür nur beachtliche außersteuerliche Gründe vorbringen können. aa) Objektives Element: Umgehung von Steuertatbeständen Ausgangspunkt der Prüfung des § 42 AO ist damit die Untersuchung, ob die Umgehung eines konkreten Steuertatbestands im Sinne einer Gesetzesumgehung vorliegt. Von einer Gesetzesumgehung ist dann auszugehen, wenn eine Gestaltung zwar dem Wortlaut eines Steuertatbestands entspricht, nicht aber dem Zweck dieser Steuernorm, oder umgekehrt.1443 Damit stellt sich die zentrale Frage, was der objektive Gesetzeszweck der jeweiligen Steuernormen ist. Der Zweck von ertragsteuerlichen Fiskalzwecknormen besteht grosso ________________________
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Natur (vgl. BFH v. 16.1.1976, III R 92/74, BStBl. II 1976, 401, Tz. 11 ff. m. w. N.; die Änderung von § 50d Abs. 3 EStG durch das Jahressteuergesetz 2007 (G. v. 13.12.2006, BStBl. I 2878) erfordert seitdem aber eine alternative anstelle einer kumulativen Prüfung dieser Kriterien). Hierzu BVerfG v. 14.4.1959, 1 BvL 23, 34/57, BVerfGE 9, 237, 249 f.; Großer Senat des BFH v. 29.11.1982, GrS 1/81, BStBl. II 1983, 272, Tz. 73; BFH v. 16.1.1992, V R 1/91, BStBl. II 1992, 541, Tz. 15; BFH v. 27.2.1997, III R 119/90, BFH/NV 1997, 619, Tz. 22; BFH v. 17.12.2003, IX R 56/03, BStBl. II 2004, 648, Tz. 12; BFH v. 29.5.2008, IX R 77/06, BStBl. II 2008, 789, Tz. 11; anders aber noch RFH v. 21.10.1936, VI A 30/36, RFHE 40, 290, 294 ff. Ob es sich bei der Steuergetriebenheit dogmatisch um ein kumulativ zu prüfendes subjektives Tatbestandsmerkmal oder einen Rechtfertigungsgrund handelt, ist letztlich lediglich eine Frage der Beweislast; siehe hierzu unten. BFH v. 10.9.1992, V R 104/91, BStBl. II 1993, 253, Tz. 15; BFH v. 9.7.1998, V R 68/96, BStBl. II 1998, 637, Tz. 29 f.; Tipke, Steuerrechtsordnung, 1336; Giemulla, DStZ 1982, 20, 21; Clausen, DB 2003, 1589, 1591. Hierzu Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO, Tz. 111 ff.; es geht hierbei um den objektiven Zweck des Gesetzes; auf die häufig schwierig zu beantwortende Frage, ob der historische Gesetzgeber die entsprechende Gestaltung vor Augen hatte, kommt es in Deutschland also nicht an (in eine andere Richtung deutete der Entwurf zur Änderung des § 42 AO v. 10.8.2007, BR-Drs. 544/07 mit der Bezugnahme auf den (historischen) Gesetzgeber; anders etwa auch im amerikanischen Recht (hierzu beispielsweise Schler, 55 Tax Law Review (2002), 325, 332 ff.)).
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modo darin, Einzelfaktoren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu erfassen, indem der mit dem jeweiligen Tatbestand verbundene wirtschaftliche Vorgang besteuert wird.1444 Dieser konkrete Zweck des jeweiligen Steuertatbestands darf allerdings keineswegs mit der hinter dem Erlass der Steuernormen insgesamt stehenden Motivation (und sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Verpflichtung) des Gesetzgebers, Leistungsfähigkeit umfassend und gleich zu erfassen, verwechselt werden. Relevant ist vielmehr lediglich, ob die jeweilige wirtschaftliche Substanz1445 für den konkreten Steuertatbestand vorliegt.1446 Für die Beurteilung der Frage, ob bei einer Gestaltung der steuerliche Tatbestand seinem Wortlaut wie auch seiner Zielsetzung nach erfüllt ist, kann zwischen folgenden Fallgruppen zu unterscheiden werden:1447 (1) Steuertatbestandsmerkmale, die unmittelbar wirtschaftlichteleologisch auszulegen sind Es gibt im Bereich des Steuerrechts Tatbestandsmerkmale, die unmittelbar wirtschaftlich-teleologisch auszulegen sind. Das sind Merkmale, die Begriffe verwenden, die zwar unter Umständen auch im Zivilrecht oder anderen Rechtsgebieten gebräuchlich sind, jedoch zumindest keine ausdrückliche Verweisung auf zivilrechtliche oder andere nichtsteuerrechtliche Institute implizieren.1448 Als Beispiele sind Begriffe wie „Einkünfte“, „Einkommen“, ________________________ 1444 Tipke, Steuerrechtsordnung, 1324; Tipke, StbJb. 1972/73, 509, 516 f.; Kirchhof, StuW 1983, 173, 177 f.; ders., NJW 1987, 3217, 3221 f.; Paschen, Steuerumgehung, 49 ff.; Hey, StuW 2008, 167, 171; Wienbracke, DB 2008, 664, 664; so auch für das USSteuerrecht: Matteotti, 34 Intertax (2006), 314, 322 m. w. N. 1445 Zu diesem Terminus beispielsweise BFH v. 17.12.2003, IX R 56/03, BStBl. II 2004, 648, Tz. 15. 1446 Im Ertragsteuerrecht sind Sozialzwecknormen nur vereinzelt anzutreffen (vgl. Lang, in: Tipke/Lang, § 3, Tz. 11, und § 4, Tz. 20 ff.); auch dort, beispielsweise bei Sonderabschreibungen, will das Gesetz aber nicht allein nach formalen Kriterien bestimmte Gestaltungen erfassen, sondern Sachverhalte, welche die wirtschaftliche Substanz, an welche der Tatbestand anknüpft, tatsächlich aufweisen; für den konkreten Zweck der Norm und damit die Handhabung in § 42 AO ergibt sich mithin kein wesentlicher Unterschied zu Fiskalzwecknormen; der Unterschied liegt vielmehr lediglich in der Motivation und Rechtfertigung der Sozialzwecknormen. 1447 Diese Differenzierung folgt daraus, dass es nicht grundsätzlich eine teleologische Prävalenz einer Ausrichtung am Zivilrecht über eine wirtschaftliche Betrachtungsweise oder umgekehrt gibt (hierzu Lang, in: Tipke/Lang, § 5, Tz. 80); siehe zu dieser Vorfrage dazu, ob eine Umgehungsgestaltung vorliegt, mit Beispielsfällen, auch Sieker, Umgehungsgeschäfte, 181 ff. 1448 Es ist eine Frage der Auslegung, ob dies der Fall ist; es gibt keine Vermutung dafür, dass dem Zivilrecht entlehnte Steuertatbestandsmerkmale im Sinne des zivilrechtlichen Verständnisses zu interpretieren sind (vgl. BVerfG v. 17.12.1991, 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212, Tz. 8 ff.); zur Relativität der Rechtsbegriffe auch Schiessl, Form and substance in tax law, 306 f.
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„Bereicherung“, „Vermögen“, „tatsächliche Herrschaft“ oder „Wirtschaftsgut“ zu nennen.1449 Die Tatsache, dass die von diesen steuerlichen Tatbeständen erfassten wirtschaftlichen Positionen regelmäßig einer zivilrechtlichen Verfestigung bedürfen,1450 ändert nichts daran, dass die Tatbestände nicht an das Zivilrecht selbst anknüpfen. Hier orientiert sich vielmehr bereits die direkte Subsumtion unter den Tatbestand an einem wirtschaftlichen Verständnis der Begriffe, was ein Auseinanderfallen zwischen dem Wortsinn des Tatbestands einerseits und dem nach seinem objektiven Zweck zu erfassenden wirtschaftlichen Vorgang andererseits ausschließt. Damit ist auch eine Steuerumgehung im oben dargestellten Sinne nicht denkbar.1451 § 42 AO bedarf es nicht, da ein dem objektiven Zweck der Steuernorm entsprechendes Ergebnis bereits im Wege einer wirtschaftlich-teleologischen Auslegung erreicht wird.1452 Nicht etwa wirkt § 42 AO mit seinem zusätzlichen – subjektiven – Prüfungsmaßstab hier beschränkend dergestalt, dass eine wirtschaftliche Betrachtungsweise nur dann erfolgen kann, wenn der Steuerpflichtige mit Missbrauchsabsicht handelt. (2) Steuertatbestände, die grundsätzlich zivilrechtlich auszulegen sind Es gibt andere Tatbestände, bei denen sich die Auslegung grundsätzlich an zivilrechtlichen (oder unter Umständen anderen außersteuerrechtlichen1453) Maßstäben zu orientieren hat. Als typisches Beispiel werden hier die Rechtsverkehrsteuern genannt.1454 Keinesfalls ist diese Fallgruppe aber hierauf beschränkt.1455 Vielmehr sind auch vielfältige Tatbestände des Ertragsteuerrechts in dieser Weise strukturiert.1456 ________________________ 1449 Lang, in: Tipke/Lang, § 5, Tz. 81, sowie Schiessl, Form and substance in tax law, 290. 1450 Vgl. auch Schön, DStJG 33 (2010), 29, 41 f., mit dem Hinweis darauf, dass nur sehr wenige steuerliche Normen an bloße Realakte anknüpfen. 1451 Drüen, in: Tipke/Kruse, § 42 AO, Tz. 27; Kirchhof, DStJG 33 (2010), 9, 21; Hahn, DStZ 2006, 431, 434 ff., der aber unzutreffenderweise diese Fallgruppe auf nahezu das gesamte Steuerrecht ausdehnt. 1452 Tipke, Steuerrechtsordnung, 1334; es handelt sich hier mithin um Methoden der einfachen Gesetzesauslegung (hierzu oben, Fn. 1426). 1453 Zur wenig praxisrelevanten Ausweitung des § 42 AO auf den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des öffentlichen Rechts Tipke, Steuerrechtsordnung, 1335, sowie Drüen, in: Tipke/Kruse, § 42 AO, Tz. 28 f. 1454 Tipke, Steuerrechtsordnung, 1335, sowie Blumers, StbJb. 1986/87, 353, 372; relativierend hingegen BVerfG v. 17.12.1991, 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212, Tz. 12, sowie Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO, Tz. 327. 1455 A. A. Hahn, DStZ 2006, 431, 435 f. 1456 Zu den verschiedenen Methoden der Anknüpfung an das Zivilrecht siehe Sieker, Umgehungsgeschäfte, 62 ff.; Schön, DStJG 33 (2010), 29, 45 ff., sowie ders., StuW 2005, 247, plädiert für eine generell stärker am Zivilrecht orientierte Interpretation steuerlicher Tatbestände.
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Auch der mit diesen Steuernormen des Ertragsteuerrechts verfolgte Zweck, d. h. die Belastungsidee, ist aber stets die Besteuerung eines mit dem Tatbestand mitgedachten wirtschaftlichen Hintergrunds als Ausdruck wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.1457 Diese Steuertatbestände setzen sich aus einzelnen zivilrechtlichen Rechtsfiguren und -instituten zusammen, von denen der Gesetzgeber typisierend annimmt, dass sie im Verkehrsleben die Erreichung derjenigen Wirtschaftslage kennzeichnen, welche er mit der Steuerauflage zu treffen beabsichtigt.1458 Damit besteht hier, im Gegensatz zu der erstgenannten Fallgruppe, die Möglichkeit, die Steuernorm zu umgehen, indem eine Gestaltung, welche die von der Steuernorm ins Auge gefasste wirtschaftliche Substanz enthält, formal die zivilrechtliche Form, an welche der Tatbestand anknüpft, vermeidet (sog. Tatbestandsvermeidung1459), oder indem umgekehrt eine Gestaltung, die dem wirtschaftlichen Entlastungsgrund, der nach der ratio legis der (begünstigenden) Steuernorm Maßstab sein soll, nicht entspricht, die zivilrechtlichen Anknüpfungen der Norm erfüllt (sog. Tatbestandserschleichung1460).1461 Diese gedankliche Prüfung war schon bislang mit dem Terminus der „(Un-)Angemessenheit“ gesetzlich erfasst.1462 Mit dem ________________________ 1457 Paschen, Steuerumgehung, 57; Tipke, Steuerrechtsordnung, 1329 f.; Kirchhof, NJW 1987, 3217, 3221 f.; anders lediglich in den wenigen Fällen, in denen das Steuerrecht ausnahmsweise unmittelbar und abschließend an das Zivilrecht anknüpft und daher einer besonderen, gegebenenfalls vom Zivilrecht abweichenden Beurteilung nicht zugänglich ist (vgl. BFH v. 29.10.1986, I R 202/82, BStBl. II 1987, 308, Tz. 19); in einem solchen Fall ist die Umgehung der Steuernorm nicht denkbar; in Deutschland sind solche Normen allerdings die Ausnahme, da sie am Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gemessen werden müssen (Tipke, Steuerrechtsordnung, 1334 f.; zu einzelnen Beispielen siehe Kirchhof, NJW 1987, 3217, 3221, sowie Drüen, in: Tipke/Kruse, § 42 AO, Tz. 26 f.); die britischen capital allowencesRegelungen geben Beispiel für derartige Steuernormen und die mit diesen zusammenhängenden Missbrauchsprobleme (vgl. Freedman, British Tax Review 2004, 332, 351 f.). 1458 BVerfG v. 17.12.1991, 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212, Tz. 11; Giemulla, DStZ 1982, 20, 21; Klein, Nicht angemessene rechtliche Gestaltung, 145; Tipke, Steuerrechtsordnung, 1325. 1459 Zu dieser Terminologie Drüen, in: Tipke/Kruse, § 42 AO, Tz. 5; Kruse, StbJb. 1978/79, 443, 454 f. 1460 Hierzu Kirchhof, StuW 1983, 173, 174; zur Geltung der allgemeinen Regeln bei der Erschleichung einer begünstigenden Gesetzesvorschrift BFH v. 27.7.1999, VIII R 36/98, BStBl. II 1999, 769, Tz. 15, sowie BFH v. 9.7.1998, V R 68/96, BStBl. II 1998, 637, Tz. 28. 1461 Danzer, Steuerumgehung, 103 und 105; Klein, Nicht angemessene rechtliche Gestaltung, 108 ff. und 123 ff. 1462 Vgl. § 42 Abs. 1 S. 2 AO a. F. sowie § 42 Abs. 2 S. 1 AO n. F.; die Angemessenheit wird normativ und nicht empirisch bestimmt (vgl. so nun auch AEAO zu § 42, Tz. 2.2; in der BFH-Rechtsprechung findet sich aber auch das Kriterium der „Ungewöhnlichkeit“ immer wieder, kürzlich etwa in BFH v. 29.5.2008, IX R 77/06,
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zusätzlichen Merkmal des „gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteils“ in § 42 Abs. 2 S. 1 AO ist daneben lediglich das Selbstverständliche angesprochen, nämlich dass § 42 AO nur zur Anwendung kommt, wenn die unangemessene Gestaltung für den Steuerpflichtigen (oder eine ihm nahestehenden Person1463) vorteilhaft ist.1464 Tatbestandsvermeidung liegt etwa dann vor, wenn ein Einkünftebezug aus dem Ausland durch die Zwischenschaltung einer rechtlich existenten, allerdings keinerlei wirtschaftliche Funktion oder Substanz aufweisenden Basisgesellschaft zivilrechtlich verhindert wird. Günstige steuerliche Tatbestände (bspw. ein Schuldzinsenabzug) werden etwa bei wechselseitiger Vermietung von ähnlich großen, gleichwertigen und in räumlicher Nähe liegenden Wohnungen erschlichen, wenn zivilrechtlich wirksam jeweils Fremdvermietung erfolgt. Anderes meint der BFH auch nicht, wenn er vereinzelt formuliert, rein steuerliche Beweggründe schadeten solange nicht, als die Gestaltung noch eine wirtschaftlich anzuerkennende Bedeutung bzw. einen wirtschaftlichen Zweck hat und sich nicht darin erschöpft, Steuern zu sparen.1465 Denn im Weiteren prüft der BFH dann, – sei es ausdrücklich, sei es zumindest der Sache nach – ob neben der zivilrechtlichen Form, an die die betreffende Norm anknüpft, auch der ihrem Sinn nach mit ihr verbundene wirtschaftliche Gehalt erfüllt ist.1466 Damit wird im Ergebnis zutreffend auf eine entsprechende objektive wirtschaftliche Substanz und nicht auf eine wirtschaftliche Motivation abgestellt.1467 ________________________
1463 1464
1465 1466
1467
BStBl. II 2008, 789, Tz. 11; kritisch hierzu vor dem Hintergrund der Neufassung des § 42 AO, Wendt, DStJG 33 (2010), 117, 127 f. und 137). Vgl. AEAO zu § 42, Tz. 2.3, S. 2 ff. So auch Drüen, in: Tipke/Kruse, Vor § 42 AO, Tz. 20, Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 42 AO, Tz. 22, sowie Hey, BB 2009, 1044, 1046; dieses Kriterium entspricht der vom BFH in der üblichen Eingangsformel erwähnten „Steuerminderung“ (siehe hierzu oben, S. 268); der Begriff ist insofern denkbar weit und – anders als im Steuerstrafrecht – nicht auf Steuervergütungen und Steuererstattungen beschränkt (hierzu AEAO zu § 42, Tz. 2.4). BFH v. 27.6.1968, IV R 6/68, BStBl. II 1968, 700, Tz. 8; BFH v. 17.1.1991, IV R 132/85, BStBl. II 1991, 607, Tz. 18. BFH v. 27.6.1968, IV R 6/68, BStBl. II 1968, 700, Tz. 8; BFH v. 17.1.1991, IV R 132/85, BStBl. II 1991, 607, Tz. 20 ff.; diese Abgrenzung hat offenbar auch Tipke, Steuerrechtsordnung, 1339, im Sinn, wenn er zwischen rein steuerlichen Beweggründen (unschädlich) und dem Fehlen eines vernünftigen wirtschaftlichen Zwecks (schädlich) unterscheiden möchte; vergleichbar auch BFH v. 22.6.1989, V R 34/87, BStBl. II 1989, 1007, Tz. 16 ff. Dazu, dass der BFH in einzelnen Urteilen allein auf das Vorliegen wirtschaftlicher Gründe abstellt, um Gestaltungsmissbrauch abzulehnen, oben, Fn. 1431; für die Ablehnung reicht dies aus, für die Bejahung eines Gestaltungsmissbrauchs muss zudem noch objektiv auf das Fehlen wirtschaftlicher Substanz abgestellt werden.
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(3) Exkurs: Abgrenzung zum Scheingeschäft Auf den ersten Blick hat diese Art von Gestaltungen große Ähnlichkeit mit Scheingeschäften. Denn auch bei einem Scheingeschäft fallen das tatsächliche wirtschaftliche Verhalten und die gewählte Form auseinander.1468 Insofern ist der Regelungsgehalt von § 41 und § 42 AO voneinander abzugrenzen.1469 Was die Rechtsfolge anbelangt, so werden Scheingeschäft und Steuerumgehung auf zwei unterschiedlichen Ebenen behandelt: Bei einem Scheingeschäft ist der steuerliche Tatbestand bereits dem Wortlaut nach nicht erfüllt, da die betreffende zivilrechtliche Gestaltung nicht vorliegt. Gemäß § 117 Abs. 1 BGB ist das simulierte Rechtsgeschäft nämlich nichtig, was § 41 Abs. 2 AO lediglich bestätigt. Scheingeschäfte werden also bereits auf zivilrechtlicher Ebene zutreffend behandelt, so dass bereits kein steuerrechtlich bedeutsames Rechtsgeschäft vorliegt.1470 Einer Korrektur nach § 42 AO, der auf der nächsten Ebene danach fragt, ob der tatsächliche wirtschaftliche Hintergrund der gewählten zivilrechtlichen Gestaltung entspricht, bedarf es dann nicht mehr. Vom Tatbestand her zeichnet sich das Scheingeschäft dadurch aus, dass bereits der Eintritt der zivilrechtlichen Rechtsfolge nicht gewollt ist.1471 Nach herrschender Meinung sind im Bereich der Steuergestaltungsmodelle Scheingeschäfte selten anzutreffen. Die Durchführung des Geschäfts zum Zwecke der Steuerumgehung sei, so das Argument, hier regelmäßig gerade gewollt.1472 Die Abgrenzung im Einzelfall kann aber schwierig sein.1473 Jedenfalls dann, wenn die Vertragsparteien offenkundig die notwendigen Folgerungen aus ________________________ 1468 Sowohl bei § 41 AO als auch bei § 42 AO handelt es sich um steuergesetzliche Regelungen zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl. Lang, in: Tipke/Lang, § 5, Tz. 84 ff.). 1469 Eine solche Abgrenzung ist lediglich für diejenigen Steuertatbestände, die grundsätzlich zivilrechtlich auszulegen sind, nötig; denn bei Steuertatbestandsmerkmalen, die wirtschaftlich-teleologisch auszulegen sind, ist auch ein Scheingeschäft denklogisch unmöglich. 1470 Spindler, DStR 2005, 1, 2; in der Regel ist mit einem Scheingeschäft auch der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt, da damit der Sachverhalt unzutreffend geschildert wird (vgl. Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks, § 370 AO, Tz. 136 f.). 1471 Kruse, in: Tipke/Kruse, § 41 AO, Tz. 65 und 74 m. w. N. 1472 BFH v. 29.7.1976, VIII R 142/73, BFHE 120, 116, 118, BStBl. II 1977, 263; BFH v. 7.2.1975, VIII B 61-62/74, BFHE 119, 118, 121; Hoffmann, in: Koch/Scholtz, § 41 AO, Tz. 9/1 m. w. N; Böing, Gestaltungsmissbrauch, 200; Hahn, IStR 2007, 323, 323; speziell zu Scheingeschäften bei Basisgesellschaften im Ausland: Luttermann, IStR 1993, 153, 156. 1473 Vgl. bereits Becker, § 5 RAO, Tz. 4 b; Hoffmann, in: Koch/Scholtz, § 41 AO, Tz. 9/1; Schiessl, Form and substance in tax law, 292 f.; Meine, wistra 1992, 81, 83; Fischer, FR 2006, 297, 302; die Rechtsprechung prüft daher zum Teil alternativ (vgl. etwa BFH v. 1.3.2005, IX R 70/03, BFH/NV 2005, 1245, Tz. 19 f., oder BFH v. 17.8.2005, IX R 69/03, BFH/NV 2006, 489, Tz. 11 f.).
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dem Vertrag bewusst nicht gezogen haben, liegt es jedoch nahe, bereits ein zivilrechtliches Scheingeschäft anzunehmen.1474 bb) Subjektives Element: Missbräuchlichkeit durch überwiegend steuerliche Motivation sowie Missbrauchsabsicht Wenn auch der Ausgangspunkt bei § 42 AO stets die objektive Prüfung einer Steuerumgehung im Sinne einer Gesetzesumgehung ist, so erfordert doch bereits der Wortlaut der Norm auch eine darüber hinausgehende subjektive Komponente.1475 Für die Annahme eines Missbrauchs bedarf es danach einer Missbrauchsabsicht im Sinne einer ausschließlichen oder zumindest ganz überwiegenden steuerlichen Motivation. Dabei sind zwei Prüfungsebenen zu unterscheiden: Zunächst scheidet eine solche überwiegend steuerliche Motivation dann aus, wenn – so schon die übliche Formel des BFH und nunmehr auch § 42 Abs. 2 S. 2 AO ausdrücklich – beachtliche wirtschaftliche oder sonstige nichtsteuerliche Gründe für die Gestaltung vorliegen, die Gestaltung also (auch) wesentlich außersteuerlich motiviert ist.1476 Bestehende wirtschaftliche Gründe für eine Gestaltung werden dabei nicht auf ihre Angemessenheit geprüft.1477 Von diesem Problemkreis ist die Diskussion dazu abzugrenzen, ob § 42 AO auch dann ausscheidet, wenn zwar beachtliche außersteuerliche Gründe nicht vorliegen, subjektive Umstände beim Steuerpflichtigen, wie Gutgläubigkeit, Rechtsunkenntnis, Unerfahrenheit oder Ungeschicklichkeit, allerdings dazu führen, dass eine Missbrauchsabsicht im Sinne einer zweckgerichteten Handlung zur Umgehung eines Steuergesetzes zu verneinen ist. Lediglich dieser ________________________ 1474 So auch etwa BFH v. 27.7.2004, IX R 73/01, BFH/NV 2005, 192, Tz. 10; Schön, DStJG 33 (2010), 29, 41 ff., weist darauf hin, dass sehr viel mehr Fälle, die nach herrschender Meinung im Rahmen des § 42 AO behandelt werden, letztlich durch die Regeln für Scheingeschäfte erfasst werden könnten. 1475 Hierzu oben, S. 265 f.; es handelt sich dabei um diejenige subjektive Komponente, welche die eingangs dargestellte zweite Theorie zum Grundverständnis von § 42 AO isoliert ins Zentrum rückt. 1476 Siehe die Zitate zur üblichen einleitenden Formel des BFH; dieses Kriterium ist korrekterweise in der Prüfung der Missbrauchsabsicht zu verorten (vgl. Klein, Nicht angemessene rechtliche Gestaltung, 87 ff.; Tipke, Steuerrechtsordnung, 1341; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 42 AO, Tz. 44; abweichend aber Clausen, DB 2003, 1589, 1593 f., sowie die Rechtsprechung des V. Senats des BFH; siehe zu dessen Terminologie sogleich); die außersteuerlichen Gründe sind beachtlich, wenn sie nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht unwesentlich oder nicht von nur untergeordneter Bedeutung sind (vgl. BT-Drs. 16/7036 v. 8.11.2007, 24 zur Neufassung des § 42 AO durch das Jahressteuergesetz 2008, sowie AEAO zu § 42, Tz. 2.6, S. 3; hierzu auch Wendt, DStJG 33 (2010), 117, 132). 1477 BFH v. 16.1.1992, V R 1/91, BStBl. II 1992, 541, Tz. 14; BFH v. 18.7.2001, I R 48/97, BFHE 196, 128, Tz. 14; BFH v. 14.7.2004, I R 9/03, BFHE 207, 142, Tz. 9.
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Rechtspolitische Überlegungen
Teil des subjektiven Tatbestands ist zwischen den verschiedenen Senate des BFH umstritten. Insbesondere verneint auch der V. Senat, der die Notwendigkeit des Vorliegens einer Missbrauchsabsicht ausdrücklich ablehnt,1478 § 42 AO dann, wenn die Gestaltung durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe gerechtfertigt ist.1479 Lediglich die oben genannten weiteren subjektiven Umstände wie Gutgläubigkeit oder Rechtsunkenntnis sind damit nach dem V. Senat und entgegen der Entscheidungen der anderen Senate1480 Elemente einer „Missbrauchsabsicht“ und nach seiner Auffassung für die Annahme eines Missbrauchs irrelevant.1481 Damit ist der Streit um die Erforderlichkeit einer „Missbrauchsabsicht“ zwischen den verschiedenen Senaten des BFH also eher terminologischer Natur und weniger grundlegend als zum Teil angenommen wird.1482 Die bereits früher nach der Rechtsprechung1483 geltende partielle Umkehr der objektiven Beweislast im Hinblick auf den Nachweis außersteuerlicher Grün________________________
1478 BFH v. 23.2.1989, V B 60/88, BStBl. II 1989, 396, Tz. 28; BFH v. 1.6.1989, V R 74/87, BFH/NV 1990, 131, Tz. 18; BFH v. 10.9.1992, V R 104/91, BStBl. II 1993, 253, Tz. 22. 1479 BFH v. 23.2.1989, V B 60/88, BStBl. II 1989, 396, Tz. 25 und 28; BFH v. 1.6.1989, V R 74/87, BFH/NV 1990, 131, Tz. 16; BFH v. 10.9.1992, V R 104/91, BStBl. II 1993, 253, Tz. 17; BFH v. 9.7.1998, V R 68/96, BStBl. II 1998, 637, Tz. 31 und 34. 1480 Siehe BFH v. 5.2.1992, I R 127/90, BStBl. II 1992, 532, Tz. 31, sowie BFH v. 18.3.2004, III R 25/02, BStBl. II 2004, 787, Tz. 75 m. w. N., die jeweils eine zweckgerichtete Handlung zur Umgehung eines Steuergesetzes fordern; ebenso auch Tipke, Steuerrechtsordnung, 1341; offen gelassen BFH v. 13.8.1985, VII R 172/83, BStBl. II 1985, 636, Tz. 22; BFH v. 19.6.1991, IX R 134/86, BStBl. II 1991, 904, Tz. 22. 1481 BFH v. 23.2.1989, V B 60/88, BStBl. II 1989, 396, Tz. 28; BFH v. 1.6.1989, V R 74/87, BFH/NV 1990, 131, Tz. 18; BFH v. 10.9.1992, V R 104/91, BStBl. II 1993, 253, Tz. 22. 1482 Missverständnisse entstehen dadurch, dass die Rechtsprechung des V. Senats des BFH häufig zusammen mit denjenigen Literaturstellen aufgeführt wird, welche – der oben dargestellten Innentheorie folgend – subjektive Komponenten generell, also auch im Sinne einer außersteuerlichen Motivation, ablehnen (so zum Beispiel bei Brockmeyer, in: Klein, 9. Aufl., § 42 AO, Tz. 22, sowie Drüen, in: Tipke/Kruse, § 42 AO, Tz. 44; Hey, StuW 2008, 167, 170; dies., BB 2009, 1044, 1044). 1483 Zwar wurde angenommen, dass die Beweislast für den gesamten Tatbestand des § 42 AO grundsätzlich bei der Finanzverwaltung lag (vgl. BVerfG v. 10.6.1963, 1 BvR 345/61, BVerfGE 16, 203, Tz. 25; BFH v. 13.7.1989, V R 8/86, BStBl. II 1990, 100, Tz. 23; BFH v. 26.7.1995, I R 78/93 u. a., BFH/NV 1996, 383, Tz. 24); bei Vorliegen einer Steuergesetzumgehung wurde allerdings im Wege eines Indizienbeweises vermutet (zum Indizienbeweis, zum Anscheinsbeweis und zur tatsächlichen Vermutung speziell im Zusammenhang mit § 42 AO Schell, Subjektive Besteuerungsmerkmale, 229 ff., sowie allgemein im Steuerrecht Schell, a. a. O., 50 ff. und 62 ff.; Anzinger, Anscheinsbeweis und tatsächliche Vermutung, 148 ff., 158 f. und 195 ff.), dass diese auf ganz überwiegenden steuerlichen Überlegungen beruht und mithin eine Missbrauchsabsicht besteht (vgl. BFH v. 13.7.1989, V R 8/86, BStBl. II 1990, 100, Tz. 23; BFH v. 14.1.1992, IX R 33/89, BStBl. II 1992, 549, Tz. 17; BFH v. 28.1.1992,
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de für die Gestaltung ist nun in § 42 Abs. 2 S. 2 AO kodifiziert.1484 Es verbleibt damit dabei, dass diese Gründe den durch Steuerumgehung indizierten Missbrauchsvorwurf entkräften können.1485 d) Exkurs: Gesamtplanrechtsprechung Das Verständnis von § 42 AO als kumulativ eine Steuerumgehung und eine Missbrauchsabsicht voraussetzenden Tatbestand zeigt sich auch im Zusammenhang mit der finanzgerichtlichen Gesamtplanrechtsprechung.1486 Dabei handelt es sich um ein Rechtsinstitut im Rahmen der üblichen Anwendung des § 42 AO.1487 Es hat sich daher am objektiven und subjektiven Prüfungs________________________
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VIII R 7/88, BStBl. II 1993, 84, Tz. 19 ff.; BFH v. 5.2.1992, I R 127/90, BStBl. II 1992, 532, Tz. 31; BFH v. 23.10.2002, I R 39/01, BFH/NV 2003, 289, Tz. 17; BFH v. 18.3.2004, III R 25/02, BStBl. II 2004, 787, Tz. 75 und 79; alternativ für den Fall, dass eine Missbrauchsabsicht für § 42 AO erforderlich ist, auch der V. Senat in BFH v. 10.9.1992, V R 104/91, BStBl. II 1993, 253, Tz. 23 f.; auch dadurch ist die Bedeutung des Streits um die Notwendigkeit der Missbrauchsabsicht beschränkt (vgl. Schell, Subjektive Besteuerungsmerkmale, 231; Clausen, DB 2003, 1589, 1593 und 1596); zur Konformität dieser BFH-Rechtsprechung mit der Rechtsprechung des EuGH, insbesondere in den Rechtssachen Cadbury Schweppes und Halifax, Böing, EWS 2007, 55, 57 und 61 f.; hierzu auch Schön, Abuse of rights, 93); dem Steuerpflichtigen oblag dann der Entlastungsbeweis (vgl. Schell, Subjektive Besteuerungsmerkmale, 229 f.; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 42 AO, Tz. 44 m. w. N.; Wenderoth, Steuerhinterziehung durch Steuerumgehung, 78 f.; zur Einwirkung des Amtsermittlungsgrundsatzes und der sphärenorientierten Beweisrisikoverteilung auf die Darlegungs- und Beweislastverteilung detailliert Anzinger, Anscheinsbeweis und tatsächliche Vermutung, 186 ff.). Geerling/Gorbauch, DStR 2007, 1703, 1705; Drüen, in: Tipke/Kruse, Vor § 42 AO, Tz. 27 ff. und 36; Brandt, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 3, 7; Wienbracke, DB 2008, 664, 669; Hey, BB 2009, 1044, 1047; a. A. Wagner, Der Konzern 2008, 409, 412, Carlé, DStZ 2008, 653, 654, sowie Leisner-Egensperger, DStZ 2008, 358, 359, die eine Verschärfung gegenüber der bisherigen Rechtsprechung erkennen; differenzierend Mack/Wollweber, DStR 2008, 182, 183, 185 f. Der ursprüngliche Referentenentwurf zur Änderung des § 42 AO v. 14.6.2007 hätte hingegen der Ermangelung außersteuerlicher Gründe missbrauchsbegründende Bedeutung zugewiesen (hierzu Drüen, in: Tipke/Kruse, Vor § 42 AO, Tz. 3; Drüen, StuW 2008, 154, 162 f.; Mack/Wollweber, DStR 2008, 182, 183 f.; Wienbracke, DB 2008, 664, 666 f.; Ehlermann/Nakhai, 47 Tax Notes International (2007), 316, 316 f.). Diese Rechtsprechung befindet sich noch in der Entwicklung; Einzelheiten sind noch nicht abschließend geklärt (vgl. BFH v. 27.10.2005, IX R 76/03, BStBl. II 2006, 359, Tz. 18). BFH v. 27.10.2005, IX R 76/03, BStBl. II 2006, 359, Tz. 18 f., sowie v. 19.1.2011, X B 43/10, BFH/NV 2011, 636; es handelt sich bei der Gesamtplanrechtsprechung generell lediglich um ein Argumentationsmuster innerhalb der verschiedenen steuerrechtlichen Institute, das sich auch zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken kann (vgl. Schell, Subjektive Besteuerungsmerkmale, 290 f.; Spindler, DStR 2005, 1, 1 und
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Rechtspolitische Überlegungen
aufbau des § 42 AO zu orientieren.1488 Nach der Gesamtplanrechtsprechung werden lediglich vor der Subsumtion unter § 42 AO eine Mehrzahl von Rechtsgeschäften, die auf einer einheitlichen Planung, einem „Gesamtplan“, beruhen und in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zusammengefasst.1489 Dabei soll erreicht werden, dass das von Beginn an beabsichtigte wirtschaftliche Gesamtergebnis steuerlich zutreffend abgebildet wird, indem einzelne Teilschritte zusammengefasst oder gegenläufige Gestaltungen1490 in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung saldiert werden.1491 Nicht etwa kann die Gesamtplanrechtsprechung also so verstanden werden, dass sich hiernach – abweichend von § 42 AO – eine Missbräuchlichkeit allein daraus ergibt, dass ein zusammenhängender Plan zur Vermeidung von Steuern besteht.1492 Dies verstieße auch gegen den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung (§ 38 AO), da die Gesamtplanrechtsprechung selbst keine gesetzliche Grundlage hat und mithin nicht steuerbegründend oder -verschärfend wirken kann.1493 Die Kriterien, wann eine solche Gesamtschau aufgrund eines Gesamtplans möglich ist, wendet insbesondere der I. Senat extrem zurückhaltend an, so dass es häufig bereits zu keiner Gesamtschau kommt. Die Grenzen der Ge________________________
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2 f. m. w. N., Fischer, FR 2006, 297, 297 f.; Kugelmüller-Pugh, FR 2007, 1139, 1145 ff.; Damas/Ungemach, DStZ 2007, 552, 553 ff.; zur Eigendynamik des Argumentationsmusters „Gesamtplan“ aber Haas, Der Missbrauchstatbestand des § 42 AO, 16 ff.). So zum Beispiel BFH v. 17.12.2003, IX R 56/03, BStBl. II 2004, 648, Tz. 12 ff. und 16; allgemein Schell, Subjektive Besteuerungsmerkmale, 292 f. BFH v. 27.10.2005, IX R 76/03, BStBl. II 2006, 359, Tz. 18; kritisch zum zeitlichen Erfordernis Lang, in: Tipke/Lang, § 5, Tz. 102. Sogenannte Ausweich- und Korrekturgeschäfte; so stellte der BFH auf dieser Ebene in einem Fall, in dem ein unentgeltliches Wohnungsrecht gegen Vereinbarung einer dauernden Last aufgehoben und zwischen den gleichen Parteien gleichzeitig ein Mietverhältnis mit einem Mietzins in Höhe der dauernden Last vereinbart wird, fest, dass bei Betrachtung der Gesamtgestaltung es nach der wirtschaftlichen Substanz der gegenläufigen Rechtsgeschäfte nicht zu einer entgeltlichen Nutzung kommt (vgl. BFH v. 17.12.2003, IX R 56/03, BStBl. II 2004, 648, Tz. 15); Ähnliches erkannte der BFH im Fall der Veräußerung und alsbaldiger Rückschenkung des Kaufpreises zur Erlangung der Eigenheimzulage (vgl. BFH v. 27.10.2005, IX R 76/03, BStBl. II 2006, 359, Tz. 13 ff.). Spindler, DStR 2005, 1, 1 und 4, Fischer, FR 2006, 297, 297, sowie Offerhaus, FR 2011, 878, 880; BFH v. 27.10.2005, IX R 76/03, BStBl. II 2006, 359, spricht denn auch von „zusammenfassender wirtschaftlicher Betrachtung“ (hierzu auch Tanzer, DStJG 33 (2010), 189, 208 f.). Kugelmüller-Pugh, FR 2007, 1139, 1144; Damas/Ungemach, DStZ 2007, 552, 555; so aber unter anderem Glorius-Rose, Gestaltungsmissbrauch, 39. Spindler, DStR 2005, 1, 1 und 4 f.
Überlegungen zur rechtspolitischen Funktion
samtplanrechtsprechung werden in den Entscheidungen zu den – sich in Teilen ähnelnden – Gestaltungen des inkongruenten Schütt-aus-Hol-zurückVerfahrens1494 sowie des Rücklagenmanagements1495 offenbar: Durch das Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren erlangten die beteiligten Steuerpflichtigen mittels einer Kombination von disquotalen Ausschüttungen einer Kapitalgesellschaft und Kapitalzuführungen zweierlei: Zum einen konnten sie Gewinn in der Gesellschaft binden, ohne ihn mit dem nach damaligem Körperschaftsteuerrecht höheren Körperschaftsteuersatz für thesaurierte Gewinne zu belasten; zum anderen gelang es ihnen, ein sonst ungenutztes Verlustausgleichspotential eines Beteiligten auszuschöpfen. Die Gestaltung „Rücklagenmanagement“ diente zur Mobilisierung von Körperschaftsteuerguthaben aus dem auslaufenden körperschaftsteuerlichen Anrechnungssystem und beruhte auf der Kombination einer darlehensfinanzierten Einlage in das Vermögen der Kapitalgesellschaft mit dem Körperschaftsteuerguthaben und anschließender Ausschüttung in annähernd gleicher Höhe.1496 Die Gesamtgestaltung erfolgte jeweils als konzertierte Aktion, und allein aus steuerlicher Motivation. Im zuerst genannten Verfahren wurden gar Vereinbarungen für den Fall der steuerlichen Nichtanerkennung der inkongruenten Gewinnausschüttungen getroffen.1497 Beim Rücklagenmanagement handelte es sich um eine modellhafte Gestaltung, die auf Initiative einer Bank auch von zahlreichen weiteren Steuerpflichtigen ähnlich umgesetzt worden war.1498 Nichtsdestotrotz vermochte der BFH einen Missbrauch im Sinne des § 42 AO in beiden Verfahren nicht zu erkennen. Denn die Gestaltungen standen in ihren einzelnen Schritten mit der Regelungslage und -konzeption der jeweilig einschlägigen Normen und Institute im Einklang;1499 eine Steuerumgehung konnte bei der isolierten Betrachtung also nicht erkannt werden. Eine Gesamtbetrachtung der Gestaltung musste nach Ansicht des BFH aber jeweils ausscheiden, obwohl ein Ge________________________ 1494 BFH v. 19.8.1999, I R 77/96, BStBl. II 2001, 43. 1495 BFH v. 28.6.2006, I R 97/05, DStR 2006, 1938; damit folgte der BFH dem Finanzgericht Münster (vgl. FG Münster, v. 19.8.2005, 9 K 5138/02 K, EFG 2006, 205) und widersprach dem Finanzgericht Hessen (vgl. FG Hessen, v. 2.3.2005, 4 K 2223/02 u. a., EFG 2005, 1587); er setzte sich auch über einen Nichtanwendungserlass des BMF hinweg (vgl. BMF, Erlass v. 7.12.2000, IV A 2 – S 2810 – 4/00, BStBl. I 2001, 47). 1496 Sogenanntes Leg-ein-Hol-zurück-Verfahren. 1497 BFH v. 19.8.1999, I R 77/96, BStBl. II 2001, 43, Tz. 15, 26 und 34. 1498 Hoffmann, DStR 2006, 1942. 1499 Beim inkongruenten Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren waren dies insbesondere § 20 EStG, § 10d EStG und § 27 KStG 1999 (vgl. BFH v. 19.8.1999, I R 77/96, BStBl. II 2001, 43, Tz. 29, 30 und 31 ff.); beim Rücklagenmanagement waren dies die Anrechnung von Körperschaftsteuer und die ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung auf die Gesellschaftsanteile (vgl. BFH v. 28.6.2006, I R 97/05, DStR 2006, 1938, Tz. 29 und 31).
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samtkonzept ganz offensichtlich vorlag. Im Fall der inkongruenten Schüttaus-Hol-zurück-Gestaltung begründete dies der BFH damit, dass die Teilschritte jeweils eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hatten.1500 Im Fall des Rücklagenmanagements wurde dasselbe Ergebnis damit gerechtfertigt, dass die einzelnen Schritte zwar erkennbar auf einem gemeinsamen Plan beruhten, rechtlich aber doch voneinander unabhängig und aufgrund Entschlusses unterschiedlicher Beteiligter erfolgten.1501 e) Rechtsfolge des § 42 AO § 42 Abs. 1 S. 3 AO bestimmt als Rechtsfolge, dass der Steueranspruch so entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstände.1502 Die Rechtsfolge knüpft dabei an die Prüfung des objektiven Tatbestands an: Wie gezeigt, wird dort der mit der gewählten rechtlichen Form typischerweise verbundene wirtschaftliche Gehalt mit dem tatsächlichen wirtschaftlichen Gehalt der Gestaltung verglichen. Bei Abweichung wird die Besteuerung am tatsächlichen wirtschaftlichen Gehalt und den rechtlichen Formen, die diesen voraussetzen, ausgerichtet. Es ist lediglich eine Frage der Betrachtung, ob hierfür rechtsdogmatisch der angemessene Sachverhalt zu fingieren1503 oder vielmehr bei unverändertem Sachverhalt der Anwendungsbefehl des Steuergesetzes mittels Analogiebildung bzw. teleologischer Reduktion zu verändern ist1504.1505 Da es jeweils um den Ausgleich von rechtlicher Form und wirtschaftlicher Substanz geht, handelt es sich in jedem Fall im Ergebnis um die Methodik der wirtschaftlichen Betrachtungs-
________________________ 1500 Es handelte sich bei der Ausschüttung um Einkommensverwendung der Körperschaft und bei der Kapitalzuführung um Einkommensverwendung der Anteilseigner; beide Teilschritte verliefen zudem nicht parallel (vgl. BFH v. 19.8.1999, I R 77/96, BStBl. II 2001, 43, Tz. 32 f.); nach Spindler, DStR 2005, 1, 3 f. fehlt es demnach an der Voraussetzung des in sich geschlossenen Konzepts. 1501 BFH v. 28.6.2006, I R 97/05, DStR 2006, 1938, Tz. 23 ff.; damit ist das Kriterium der Beherrschbarkeit angesprochen (vgl. hierzu Schell, Subjektive Besteuerungsmerkmale, 288; Spindler, DStR 2005, 1, 4 m. w. N.; Kugelmüller-Pugh, FR 2007, 1139, 1143). 1502 Die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 S. 3 AO sind fast wortgleich mit § 42 Abs. 1 S. 2 AO a. F., so dass auch insoweit durch die Neufassung keine Änderungen zu erwarten sind (vgl. hierzu Drüen, in: Tipke/Kruse, Vor § 42 AO, Tz. 36). 1503 Für die Sachverhalts-Fiktions-Lehre stellvertretend Drüen, in: Tipke/Kruse, § 42 AO, Tz. 11 ff., sowie Lang, in: Tipke/Lang, § 5, Tz. 96 f. 1504 Für die Lehre von der Analogie stellvertretend Fischer, in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 42 AO, Tz. 302, sowie Clausen, DB 2003, 1589, 1595 f. 1505 Ebenso Tipke, StbJb. 1972/73, 509, 517; Kruse, StbJb. 1978/79, 443, 457; zu diesem Streit ausführlicher Glorius-Rose, Gestaltungsmissbrauch, 25 f.
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weise.1506 Nachdem es sich, wie bereits gezeigt, im Anwendungsbereich des § 42 AO um Normen handelt, die im Grundsatz an den Wortsinn des Zivilrechts anknüpfen, wirkt § 42 AO mit der dennoch erteilten Ermächtigung zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise unter Voraussetzung der zusätzlichen Erfordernisse des subjektiven Tatbestands konstitutiv.1507 2. Schlussfolgerungen für die Missbrauchsbekämpfung Es lässt sich nach der Untersuchung festhalten, dass § 42 AO lediglich die wirtschaftliche Betrachtungsweise auf Tatbestände ausdehnt, die infolge ihrer Orientierung am Zivilrecht einer solchen ansonsten nicht zugänglich wären.1508 Gleichzeitig stellt § 42 AO hierfür aber mit den subjektiven Missbrauchselementen erhöhte Anforderungen auf.1509 § 42 AO stellt damit ein nur beschränktes Mittel im Vorgehen gegen rechtspolitisch unerwünschte Steuergestaltungen dar.1510 Daran hat auch die Neufassung des § 42 AO, die – in der Form, in der sie letztlich Gesetz wurde – ________________________ 1506 So bereits schon Becker, § 5 RAO, Tz. 4 b zum Verhältnis von § 5 RAO 1919 (Missbrauchstatbestand) und § 4 RAO 1919 (wirtschaftliche Betrachtungsweise); Tipke, Steuerrechtsordnung, 1331; Gleiches bringt Lang, in: Tipke/Lang, § 5, Tz. 95 ff. mit der Wahl der Überschrift für das Kapital zu § 42 AO – „Wirtschaftliche Betrachtungsweise bei Gestaltungsmissbrauch“ zum Ausdruck; ähnlich Seer, 7; a. A. Kirchhof, StuW 1983, 173, 175, der allerdings lediglich auf die technischen Unterschiede im dogmatischen Ansatz – einmal an der Rechtsfolge einmal am Tatbestand aufgehängt – abstellt. 1507 Tipke, Steuerrechtsordnung, 1342; nach Danzer, Steuerumgehung, 40 f., sowie Tipke, a. a. O., 1329, werden allerdings einschlägige Entscheidungen in der Gerichtspraxis häufig unreflektiert mit „freischwebender“ wirtschaftlicher Betrachtungsweise außerhalb des § 42 AO begründet, obwohl es sich richtigerweise um eine Analogiebildung, zu der § 42 AO ermächtigt, handelt; Kirchhof, StuW 1983, 173, 177 ff. meint hingegen gerade, durch eine am Verfassungsrecht ausgerichtete, „steuerrechtliche“ Betrachtungsweise § 42 AO erübrigen zu können. 1508 Siehe auch Hey, StuW 2008, 167, 171; dies., DStJG 33 (2010), 139, 146. 1509 Diese erhöhte Missbrauchsanforderung folgt konsequent aus einem grundsätzlichen Bekenntnis zu einer zivilrechtsorientierten Auslegung von steuerlichen Tatbeständen (hierzu Schön, StuW 2005, 247, 254; zu Tatbeständen im Steuerrecht, die ausnahmsweise unmittelbar wirtschaftlich zu interpretieren sind, siehe oben, S. 270); zur gegenüber einer ungebundenen wirtschaftlichen bzw. steuerjuristischen Betrachtungsweise beschränkenden Wirkung des § 42 AO bspw. auch Drüen in der Diskussion auf der 34. Jahrestagung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft, DStJG 33 (2010), 64, 65. 1510 Müller-Gatermann, Stbg 2007, 145, 148; Hey, BB 2009, 1044, 1045; a. A. Clausen, DB 2003, 1589, 1589 f. mit der Feststellung, Gestaltungen, die wirklich missbräuchlich sind, ließen sich auf der Grundlage des § 42 Abs. 1 AO zuverlässig erfassen, sowie Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO, Tz. 291, mit der Aussage, ein Regelungsbedürfnis für spezielle gesetzliche Umgehungsvorschriften bestehe dank § 42 AO grundsätzlich nicht.
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Rechtspolitische Überlegungen
weitgehend lediglich frühere Rechtsprechung kodifiziert und damit kaum Neuerungen in ihrer Anwendung erwarten lässt,1511 wenig geändert.1512 Dabei handelt es sich nicht nur um eine – ggf. de lege ferenda zu korrigierende – einfachgesetzliche Beschränkung. Vielmehr setzt auch das Verfassungsrecht der allgemeinen Missbrauchsnorm enge Grenzen. Insbesondere wäre es mit dem Legalitätsprinzip nicht vereinbar, im Sinne eines „Weiterdenkens der Belastungsidee“ Gestaltungen über die allgemeine Missbrauchsnorm zu erfassen, die nicht in den einzelnen Steuertatbeständen angelegt sind.1513 Der in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz der Belastungsgleichheit vermag eine über die Einzeltatbestände hinausgehende Belastung nicht zu rechtfertigen, sondern wirkt lediglich zugunsten des Bürgers steuerbeschränkend.1514 Vielfältige rechtspolitisch unerwünschte Gestaltungen werden daher von § 42 AO in seiner aktuellen Fassung nicht erfasst und könnten auch bei einer geänderten allgemeinen Missbrauchsnorm nicht erfasst werden: a) Gestaltungen, die allein wegen ihrer Steuergetriebenheit rechtspolitisch unerwünscht sind Beschränkungen ergeben sich zum einen wegen der verfassungsrechtlichen Vorbehalte gegenüber rein subjektiv ausgerichteten Kriterien. Es zeigt sich aus dem oben Dargestellten, dass allein die wesentliche oder ausschließliche steuerliche Motivation einer Gestaltung – oder umgekehrt formuliert: das Fehlen eines außersteuerlichen Grundes für die Gestaltung (business purpose) – nicht genügt, um einer Gestaltung gestützt auf die allgemeine Missbrauchsnorm die vom Steuerpflichtigen erhoffte steuerliche Behandlung zu versagen.1515 Die Motivation zu einer Gestaltung kann lediglich rechtfertigend, nicht aber missbrauchsbegründend wirken. Etwa die nunmehr von § 15b EStG behandelten Verlustzuweisungsmodelle konnten daher von § 42 AO nicht erfasst werden. Das Kriterium der Modellhaftigkeit einer Gestaltung ist für die allgemeine Missbrauchsnorm irrele________________________ 1511 Brandt, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 3,6 f.; Leisner-Egensperger, DStZ 2008, 358, 360; Geerling/Gorbauch, DStR 2007, 1703; Mack/Wollweber, DStR 2008, 182, 186; Lenz/Gerhard, BB 2007, 2429. 1512 Wagner, Der Konzern, 2008, 409, 414; Wendt, DStJG 33 (2010), 117, 137 f., geht gar von einem nunmehr reduzierten Anwendungsbereich der Vorschrift aus. 1513 Zu Verortung und Anforderungen des steuerlichen Legalitätsprinzips ausführlicher Schön, DStJG 33 (2010), 29, 31 ff. 1514 Schön, DStJG 33 (2010), 29, 36 f. und 59. 1515 Steuergestaltungen, bei denen die steuerliche Motivation vom Gesetzgeber gerade gefördert wird, etwa bei Lenkungsnormen, oder bei denen sich die steuerliche Motivation in der Ausübung eines vom Gesetzgeber vorgesehenen Wahlrechts äußert, sind ohnehin auch rechtspolitisch nicht zu beanstanden und daher zurecht nicht erfasst (siehe zu dieser Beschränkung Schler, 55 Tax Law Review (2002), 325, 329).
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vant.1516 Ebenso sind steuerliche Vorteile durch Steuerstundungseffekte dann, wenn die zugewiesenen Verluste bei dem Investitionsobjekt tatsächlich angefallen sind, nach den Maßstäben des § 42 AO unproblematisch. b) Gestaltungen, die missglückte Steuernormen ausnutzen § 42 AO vermag lediglich, den jeweiligen Steuernomen, deren Umgehung zu besorgen ist, zu ihrer vollen Wirksamkeit nach ihrem objektiven Zweck zu verhelfen. § 42 AO ist allerdings nicht imstande, missglücktes gesetzgeberisches Handeln – bzw. ein allzu enges finanzgerichtliches Verständnis der betreffenden Steuertatbestände – zu korrigieren bzw. aufzufangen.1517 Dies lässt sich etwa an § 3c EStG in seiner Fassung bis 31.12.2001 und der hierzu ergangenen finanzgerichtlichen Rechtsprechung illustrieren. Aus wortlautgestützten, teleologischen und systematischen Gründen1518 wurde diese Norm von der Rechtsprechung so verstanden, dass ein Abzugsverbot für Werbungskosten oder Betriebsausgaben nur in demjenigen Veranlagungszeitraum und nur bis zu der Höhe besteht, in dem auch tatsächlich steuerfreie Einnahmen vorliegen.1519 Damit war § 3c EStG geeignetes Mittel für Steuergestaltungsmodelle. Es war zum Beispiel möglich, bei Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft und Begrenzung der Einnahmen der deutschen Anteilseigner allein auf den Liquidationserlös am Ende der Beteiligung, einerseits über Jahre Betriebsausgaben wegen Finanzierungskosten in Deutschland steuerlich geltend zu machen und andererseits die auf ein Jahr zusammengeballten Einnahmen wegen des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs steuerfrei zu beziehen (dividend ballooning).1520 Mangels Widerspruchs ________________________ 1516 Allerdings kann die Tendenz der Finanzverwaltung, bei modellhaften Gestaltungen über eine Anwendung des § 42 AO verstärkt nachzudenken, wohl nicht geleugnet werden (hierzu Rödder, DStJG 33 (2010), 93, 102). 1517 Hierzu ausführlicher Leisner-Egensperger, DStZ 2008, 358, 360 f. 1518 Während § 4 Abs. 4 EStG einen bloßen Veranlassungszusammenhang zwischen Aufwendungen und der betrieblichen Tätigkeit genügen lässt, fordert § 3c EStG einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang, der zusätzlich noch zwischen steuerfreien Einnahmen und Ausgaben bestehen muss; zudem werde § 8b KStG in sein Gegenteil verkehrt, wenn die dortige Steuerfreiheit die Nichtabziehbarkeit von Refinanzierungskosten auslösen würde (vgl. BFH v. 29.5.1996, I R 167/94, BStBl. II 1997, 60, Tz. 19 und 21). 1519 BFH v. 29.5.1996, I R 167/94, BStBl. II 1997, 60, Tz. 15 ff. mit Verweis auf eine bis in die 1960er Jahre zurückführende ständige Rechtsprechung zu § 13 KStG 1968; bestätigend BFH v. 7.9.2005, I R 118/04, BStBl. II 2006, 537, Tz. 14. 1520 BFH v. 29.5.1996, I R 167/94, BStBl. II 1997, 60, Tz. 15 ff.; BFH v. 20.3.2002, I R 63/99, BStBl. II 2003, 50, Tz. 25; BFH v. 7.9.2005, I R 118/04, BStBl. II 2006, 537, Tz. 14.
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Rechtspolitische Überlegungen
zum objektiven Zweck der Norm konnte Abhilfe hier nicht mit § 42 AO, sondern nur durch den Gesetzgeber geschaffen werden.1521 c) Gestaltungen, die das Fehlen eines zusammenhängenden Telos bzw. gedachten wirtschaftlichen Hintergrunds ausnutzen Zudem ist § 42 AO von nur beschränkter Hilfe bei Gestaltungen, welche Disparitäten zwischen einzelnen steuerlichen Regelungen bzw. Lücken im Gesetz ausnutzen.1522 Am deutlichsten wird dies bei internationalen Gestaltungen: So nutzen grenzüberschreitende Leasinggestaltungen international unterschiedliche Vorschriften zur Bestimmung des steuerlichen Eigentümers in der Weise, dass es zur Mehrfachabschreibung auf das Leasinggut kommt.1523 Einmal angefallener wirtschaftlicher Aufwand wird also steuerlich doppelt in Abzug gebracht (double dip-Modell).1524 Ähnliches ist aber auch im deutschen Steuersystem selbst möglich. Verschiedene Rechtsinstitute haben jeweils ihre eigene innere Regelungsstruktur und ihren eigenen Regelungszweck mit entsprechend erwartetem wirtschaftlichen Hintergrund. Da diese häufig nicht auf einem einheitlichen Regelungskonzept beruhen, ist es durch die Kombination mehrerer dieser steuerlichen Rechtsinstitute möglich, ein steuerliches Gesamtergebnis zu erzielen, das so vom Gesetzgeber nicht gewollt worden wäre. Die Kombination von Steuervorteilen als solche ist jedoch nicht missbräuchlich.1525 Hier sei an die oben dargestellten Gestaltungen zum Rücklagenmanagement sowie zum Schütt-aus-Holzurück-Verfahren erinnert.1526 Ähnliches gilt für die Ausnutzung des Dualismus der Gesellschaftsbesteuerung durch Mischformen wie z. B. die GmbH & Co. KG.1527 Ebenso werden mit der Wertpapierleihe steuerliche Vorteile aus ________________________ 1521 BFH v. 29.5.1996, I R 167/94, BStBl. II 1997, 60, Tz. 18; BFH v. 20.3.2002, I R 63/99, BStBl. II 2003, 50, Tz. 25; die gesetzgeberische Abhilfe erfolgte im Zuge der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens mittels § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b Abs. 5 KStG n. F. 1522 Wendt, DStJG 33 (2010), 117, 130 f.; Tipke, StbJb. 1972/73, 509, 510 verwendet hierfür den Begriff der „Steuergestaltungen praeter legem“. 1523 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 1016 und 1308 ff. 1524 Ein weiteres Beispiel stellen etwa Qualifikationskonflikte bei der Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital dar, die in grenzüberschreitenden hybriden Finanzierungen genutzt werden können (siehe hierzu ausführlich Bogenschütz, Ubg 2008, 533, 537 ff.); hierzu auch rechtsvergleichend die 2012 veröffentlichte Studie der OECD, „Hybrid Mismatch Arrangements“ (oben, Fn. 1). 1525 Clausen, DB 2003, 1589, 1593. 1526 Dort stieß, wie gezeigt, auch die Rechtsprechung zum steuerlichen Gesamtplan an ihre Grenzen. 1527 Müller-Gatermann, Stbg 2007, 145, 147.
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der unterschiedlichen steuerlichen Behandlungen von Erträgen und Veräußerungsgewinnen aus Beteiligungen erzielt.1528 d) Gestaltungen mit formalistischer Substanz Schließlich kommt § 42 AO, wie dargestellt, nur dann zur Anwendung, wenn bei einer Gestaltung die tatsächlich vorliegende und die vom steuerlichen Tatbestand erwartete wirtschaftliche Substanz auseinander fallen. Bei der praktischen Anwendung dieser Kriterien ist allerdings folgendes Phänomen zu beobachten: Strukturell an einer (wirtschaftlichen) Substanz ausgerichtete Kriterien werden in der Rechtspraxis häufig durch besser handhabbare formale Kriterien konkretisiert (formalistic substance). Diese kehren in der Folge nicht selten als Bausteine von Steuersparkonstruktionen zurück.1529 Wirtschaftliche Substanz kann so häufig bewusst von Steuerpflichtigen erzeugt werden, wenn diese nur bereit sind, höhere Kosten in Kauf zu nehmen.1530 Dieses Problem zeigt sich eindrücklich in der Rechtsprechung zu Basisgesellschaften im Ausland, welche auf § 42 AO gestützt entwickelt wurde und sich nun – in modifizierter Form – auch in § 50d Abs. 3 EStG wiederfindet.1531 Bei der Frage, ob eine gesellschaftsrechtlich wirksam gegründete ausländische Kapitalgesellschaft neben der formalen rechtlichen Hülle auch die wirtschaftliche Substanz einer Gesellschaft aufweist, ist entscheidendes Indiz, ob diese Gesellschaft über ein Mindestmaß an personeller und sachlicher Ausstattung verfügt.1532 Problematisch ist, dass zwar diese Substanzerfordernisse in der ________________________ 1528 Müller-Gatermann, Stbg 2007, 145, 153 und 159; zur Verwaltungsauffassung vgl. DB 1990, 863. 1529 Hierzu Nevermann, Justiz und Steuerumgehung, 329; Weisbach, 55 Tax Law Review (2002), 215, 238 f. 1530 Schler, 109 Tax Notes (2005), 915, 915; Chirelstein/Zelenak, 105 Columbia Law Review (2005), 1939, 1961; Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 235 und 238 vergleicht diese Anforderungen in ihrer Wirkweise mit verpflichtenden Saltoübungen (backflips) für Steuerpflichtige. 1531 Vgl. BT-Drs. 12/5630, 65; BFH v. 16.1.1976, III R 92/74, BStBl. II 1976, 401, Tz. 11 ff. m. w. N.; BFH v. 20.3.2002, I R 63/99 (Delaware), BStBl. II 2003, 50, Tz. 13 ff.; FG Köln, v. 16.3.2006, 2 K 1139/02 (Hilversum III), IStR 2006, 425, 426; BFH v. 29.1.2008, I R 26/06, BFH/NV 2008, 1044, Tz. 13. 1532 FG Köln, v. 16.12.1999, 2 K 5329/98, EFG 2000, 560, Tz. 11; BFH v. 20.3.2002, I R 38/00 (Hilversum I), BStBl. II 2002, 819, Tz. 18; BFH v. 20.3.2002, I R 63/99 (Delaware), BStBl. II 2003, 50, Tz. 17; BFH v. 25.2.2004, I R 42/02 (Dublin Docks II), BStBl. II 2005, 14, Tz. 23; die Entscheidung BFH v. 31.5.2005, I R 74/04 bzw. 88/04 (Hilversum II), BStBl. II 2006, 118, weist zutreffend darauf hin, dass neben dieser objektiven Prüfung der wirtschaftlichen Substanz nach § 50d Abs. 3 EStG (wie auch allgemein nach § 42 AO) auch die subjektive Missbrauchskomponente erfüllt sein muss, was hier wegen beachtlicher wirtschaftlicher Gründe nicht der Fall war (a. a. O., Tz. 31; gegen dieses Urteil Nichtanwendungserlass des BMF, Schreiben v. 30.1.2006,
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Regel ein zutreffender Indikator für entsprechenden wirtschaftlichen Hintergrund sein werden, diesen Erfordernissen aber auch lediglich künstlich zur Erlangung eines Steuervorteils – unter Inkaufnahme erhöhter Kosten – entsprochen werden kann.1533 3. Ergebnis Bedeutende Bereiche der rechtspolitisch unerwünschten steuergetriebenen Gestaltungen werden von der allgemeinen Missbrauchsnorm nicht erfasst und können dies auch nicht sein. Aufs Erste besteht damit sehr wohl ein Bedürfnis für spezialgesetzliche Missbrauchsnormen, deren Erlass vorzubereiten und zu erleichtern Aufgabe der Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion ist. Die Existenz von § 42 AO ist kein Argument, weswegen es Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion in Deutschland von vornherein nicht bedarf.1534
II. Tatsächliche Bedeutung der Vorteile von Anzeigepflichten Nachdem sich der Erlass von spezialgesetzlichen Missbrauchsvorschriften demnach nicht bereits infolge einer umfassenden allgemeinen Missbrauchsnorm erübrigt, ist im Folgenden zu untersuchen, welche Bedeutung die theoretischen Vorteile von Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion bei derartiger spezialgesetzlicher Missbrauchsgesetzgebung tatsächlich hätten.1535 1. Vorteile infolge verbreiterter Informationsbasis Wie dargestellt, können Anzeigepflichten dazu führen, dass auch Gestaltungen bekannt werden, die aus den im Veranlagungsverfahren üblicherweise ________________________ IV B 1 – S 2411, 4/06, DStR 2006, 275, sowie § 50d Abs. 3 S. 1 Nr. 3 EStG in der Fassung durch das Jahressteuergesetz 2007 (G. v. 13.12.2006, BStBl. I 2878), nach der Ausstattungslosigkeit in jedem Fall schaden soll; die frühere Rechtsprechung entgegen des BMF-Schreibens bestätigend aber BFH v. 29.1.2008, I R 26/06, BFH/NV 2008, 1044, Tz. 16). 1533 Generell kritisch zu diesem missbrauchsanfälligen „Abstellen auf bl0ße Äußerlichkeiten“ Jacob/Klein, IStR 2002, 600, 600 f.; Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO, Tz. 476. 1534 A. A. Kessler/Eicke, BB 2007, 2370, 2375, 2377 und 2379; davon unabhängig ist die Frage, ob die allgemeine Missbrauchsnorm in anderen Ländern, insbesondere solchen ohne Kodifikation, ggf. noch weniger rechtspolitisch ungewollte Gestaltungen erfasst und damit spezialgesetzliche Missbrauchsnormen sowie Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion in diesen Ländern noch bedeutender sind; siehe aber etwa zu einer ganzen Reihe gerichtlichen Erfolgen des IRS, die auf die allgemeinen ungeschriebenen Anti-Missbrauchs-Ansätze des US-Steuerrechts gestützt waren, Coder, 122 Tax Notes (2009), 33; siehe zudem den Hinweis von Schön, DStJG 33 (2010), 29, 57 f., auf die nur beschränkte Auswirkung der Kodifikation von allgemeinen Missbrauchsnormen. 1535 Zur Übersicht über die Vorteile oben, S. 178 ff.
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vorliegenden Sachverhaltsinformationen nicht ersichtlich wären. Zudem können sich Vorteile durch die Verpflichtung zur umfassenden rechtlichen Aufbereitung der angezeigten Sacherhalte ergeben.1536 Diese Vorteile müssen allerdings relativiert werden, wenn der Blick nicht nur auf das Veranlagungsverfahren, sondern auch auf andere dem Fiskus bei rechtspolitischen Entscheidungen zur Verfügung stehende Quellen gerichtet wird. Zu vielen rechtspolitisch unerwünschten Steuergestaltungen sind nämlich bereits ausführliche Beiträge im Schrifttum veröffentlicht.1537 Der Wunsch der Berater, ihre Expertise potentiellen Mandanten zu offenbaren, die Gestaltung stützende Argumente in einem noch nicht haftungsrelevanten Bereich auszutesten und zudem umgekehrt für die geplante Umsetzung der Gestaltung entsprechenden Argumente in einem vorgeblich objektiven Rahmen zu hinterlegen, führen häufig dazu, dass Steuergestaltungen ganz bewusst offen in den Fachzeitschriften diskutiert werden.1538 Daneben könnte ein intensiverer Austausch mit ausländischen Steuerverwaltungen zu verbesserter Kenntnislage über neue Gestaltungen führen. Dies gilt nicht nur für grenzüberschreitende, sondern auch für rein nationale Gestaltungen, deren in einer Jurisdiktion entwickelte Elemente nicht selten hernach in andere Rechtssysteme übertragen werden.1539 Auch Berichtspflichten außer________________________ 1536 Siehe zu diesen Vorteilen allgemein oben, S. 178; siehe aber auch oben, S. 261, zu dem Problem, dass diese rechtliche Aufbereitung nicht nur hilfreich ist, sondern unter Umständen auch irreführend sein kann. 1537 Vgl. hierzu Flämig, DStR 2007, Beihefter zu Heft 44, 2, 10 f.:, Brandt, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 3, 7; Schenke, Verfassungs- und europarechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, Teil 1, A. III. 3; Wassermeyer, Verfahrensrechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, A. sowie B. III. und V.; instruktiv zu den allgemein zugänglichen Informationen zu denjenigen Fallgruppen, die vom deutschen Entwurf erfasst worden wären, Wassermeyer, a. a. O., B. II. bis IX. 1538 Siehe besonders eindrücklich Kollruss, GmbHR 2009, 637, 638: „Zur Lösung stelle ich das von mir entwickelte Interest-Pooling Modell (IPM) vor, das eine vollständige Vermeidung der Zinsschranke ermöglicht.“ oder ders., GmbHR 2009, 1312, 1317: „Das pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot nach § 8b Abs. 5 S. 1 KStG auf Dividenden in- und ausländischer Tochterkapitalgesellschaften kann auf der Ebene einer deutschen Mutterkapitalgesellschaft durch Implementierung [… dieser konkreten Gestaltung, einer Konzernfinanzierungskapitalgesellschaft & atypisch Still …] für Zwecke der Gewerbe- und Körperschaftsteuer vollumfänglich vermieden werden.“; aus dem grenzüberschreitenden Bereich werden Modelle zur Erzielung sog. weißer Einkünfte durch Einsatz hybrider Finanzierungsstrukturen offen und ausführlich diskutiert (vgl. etwa Bogenschütz, Ubg. 2008, 533, oder Schnitger/Bildstein, IStR 2009, 629, die entsprechende Gesetzeslücken, insbesondere in § 8b Abs. 1 KStG, detailliert darlegen). 1539 Siehe hierzu Nash/Pross, 56 Tax Notes International (2009), 117, vor dem Hintergrund der Ansätze der OECD, insbesondere der 2007 ins Leben gerufenen Aggressive Tax Planning (ATP) Steering Group, die ein Handbuch mit einschlägigen Gestaltun-
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halb des Steuerrechts, etwa im Bilanzrecht, könnten ggf. von der Finanzverwaltung genutzt werden.1540 Schließlich könnten Steuerverwaltungen Expertise über einschlägige Steuergestaltungen auch durch gezieltes Abwerben von zuvor mit der Entwicklung dieser Gestaltungen betrauten steuerlichen Beratern gewinnen.1541 Auch wenn damit womöglich nicht alle relevanten Gestaltungen ebenso sicher wie bei einem Anzeigepflichtsystem entdeckt würden, so darf die Bedeutung von Anzeigepflichten vor diesem Hintergrund doch auch nicht überschätzt werden. Dasselbe gilt für den Umfang der durch die Anzeige einer bestimmten Gestaltung vermittelten Informationen. Denn zwar enthalten die aus dem Veranlagungsverfahren erlangten Informationen noch keine rechtliche Analyse. Die aus der Literatur sowie durch den Austausch mit anderen Finanzbehörden gewonnenen Informationen sind der Natur der Sache nach hingegen bereits in ihrer rechtlichen Struktur aufbereitet und damit unmittelbarer rechtspolitisch verwertbar. Auch bei Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion ist zudem zu bedenken, dass Steuerpflichtige bzw. Externe nicht etwa ohnehin in jedem Fall eine rechtliche Analyse der Gestaltung ausgearbeitet oder zumindest gründlichere rechtliche Überlegungen angestellt haben.1542 Es besteht dann aber kein Grund zur Annahme, die rechtliche Aufbereitung einer Gestaltung könne durch Private effizienter als durch die Steuerverwaltung erfolgen.1543 2. Vorteile infolge Bearbeitung durch Spezialisten Eine Relativierung ist auch im Hinblick auf den theoretischen Vorteil von Anzeigepflichten angebracht, auf einfache Weise eine Prüfung einschlägiger Gestaltungen durch spezialisierte Anti-Missbrauchs-Einheiten sicherzustellen. Die Auswertung der oben beschriebenen Quellen außerhalb des Veranlagungsverfahrens kann ohnehin unmittelbar durch derartige Spezialisten erfolgen. Daneben kann bei im Veranlagungsverfahren behandelten potentiell rechtspolitisch relevanten Gestaltungen die Zuweisung an Spezialeinheiten regel________________________
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gen erstellt; ebenso Evans, Containing Tax Avoidance, 20 ff., vor dem Hintergrund der vergleichbaren Arbeit des 2004 gegründeten Joint International Tax Shelter Information Centre (JITSIC); Deutschland ist der Gruppe der hier kooperierenden Staaten (Australien, Großbritannien, Kanada, USA) noch nicht beigetreten. Etwa können sich ggf. aus der vom IASB geplanten Verpflichtung, unsichere Steuerpositionen im IFRS-Jahresabschluss anzeigen zu müssen, hilfreiche Anhaltspunkte zu aggressiven Steuergestaltungen ergeben (zum Entwurf des IASB zur Überarbeitung von IAS 12 siehe Jaworski, 55 Tax Notes International (2009), 524; zu einem entsprechenden Ansatz des IRS auf der Grundlage der FIN 48-Verpflichtung oben, Fn. 8). Siehe zu diesem Ansatz in Südafrika, Jackson, 55 Tax Notes International (2009), 439, sowie in Großbritannien, Tailby, 986 The Tax Journal (2009), 23, 24. Zu diesem Gedanken bereits oben, S. 230 und 261. Zu diesem Gedanken bereits oben, S. 260.
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mäßig effizienter durch auf entsprechende Kriterien geschulte Veranlagungsbeamte vorgenommen werden als mittels neu einzuführender Anzeigepflichten neben den bereits bestehenden Erklärungspflichten.1544 3. Vorteile infolge früherer Informationsgewinnung Fraglich ist, wie bedeutsam der potentielle zeitliche Gewinn durch Anzeigepflichten beim Erlass von spezialgesetzlichen Missbrauchsvorschriften ist. Wie oben dargestellt, hängt dies zentral von der Zulässigkeit des rückwirkenden Erlasses von Steuergesetzänderungen ab. Denn je leichter Missbrauchsvorschriften rückwirkend erlassen werden können, desto geringer ist der durch spätere Erkennung und spätere gesetzgeberische Reaktion eintretende fiskalische Schaden und umso weniger dringlich ist die frühzeitige Erkennung entsprechender Gestaltungen mittels eines Anzeigepflichtsystems. In der Literatur wird zum Teil vorgebracht, die in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern, insbesondere Großbritannien, erleichterte Rückwirkung von Steuergesetzänderungen sei ein wesentlicher Grund, warum in Deutschland Anzeigepflichten nicht erforderlich seien.1545 Im Folgenden wird untersucht, welche Vorgaben für rückwirkende spezialgesetzliche Missbrauchsnormen in Deutschland tatsächlich bestehen und inwiefern sich Anzeigepflichten hierauf auswirken würden. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen der Frage, inwieweit Steuergesetzte rückwirkend erlassen werden können (hierzu a)), und der Frage, inwieweit in Erwartung eines solchen Erlasses die Veranlagung offen gehalten werden kann (hierzu b)). a) Zulässigkeit einer rückwirkenden gesetzlichen Regelung aa) Vertrauensschutz Im Gegensatz zum Strafrecht ist die Rückwirkung einer belastenden steuerlichen Regelung nicht von vornherein ausgeschlossen.1546 Verfassungsrechtlich verankerter Vertrauensschutz kann sich im Steuerrecht aber aus der ob________________________ 1544 Nur eingeschränkt gilt dies allerdings für die Fallgruppen, die an äußere Umstände als Innovationsindikatoren anknüpfen (zu diesen oben, S. 191 ff.), setzen diese doch Informationen voraus, die aus den Steuererklärungen selbst meist nicht ersichtlich sind (hierzu auch bereits oben, S. 260, Fn. 1413). 1545 Siehe etwa Kessler/Eicke, BB 2007, 2370, 2377 und 2379; zur Rückwirkung auch im britischen Steuerrecht aber ausführlich Loomer, British Tax Review 2006, 64; zu jüngeren Beispielen rückwirkender spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen in Großbritannien Tailby, 986 The Tax Journal (2009), 23. 1546 Es mangelt an einer Entsprechung zu Art. 103 Abs. 2 GG; vgl. BFH v. 14.3.2006, I R 01/04, BStBl. II 2006, 549, Tz. 25; BFH v. 23.9.2008, I B 92/08, DStR 2008, 2154, Tz. 20.
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jektiv-rechtlichen Garantie des Rechtsstaatsgebots sowie den Grundrechten der Steuerpflichtigen ergeben.1547 Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet bei periodischen Steuern wie im Ertragsteuerrecht traditionell zwischen gesetzlichen Änderungen mit Auswirkungen auf Veranlagungszeiträume vor der Verkündung der Gesetzesänderung (sog. echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen1548)1549 und Steuergesetzesänderungen, die sich lediglich auf Steuertatbestände im laufenden und in künftigen Veranlagungszeiträumen beziehen, aber Sachverhalte erfassen, die bereits vor Erlass des Gesetzes „ins Werk gesetzt“ worden ist (sog. unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung).1550 Während letztere nach dem Bundesverfassungsgericht grundsätzlich zulässig sind, sind erstere grundsätzlich unzulässig.1551 Selbst bei unechten Rückwir________________________ 1547 Vgl. Art. 20 Abs. 3 sowie 12 Abs. 1, 14 und 2 Abs. 1 GG; zur Rückwirkung im Steuerrecht aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung BVerfG v. 19.12.1961, 2 BvL 6/59 (rückwirkende Steuergesetzgebung), BVerfGE 13, 261, Tz. 48 ff.; BVerfG v. 28.11.1984, 1 BvR 1157/82 (Pensionsrückstellung), BVerfGE 68, 287, Tz. 43 ff.; BVerfG v. 14.5.1986, 2 BvL 2/83 (Doppelbesteuerungsabkommen), BVerfGE 72, 200, Tz. 84 ff.; BVerfG v. 3.12.1997, 2 BvR 882/97 (Schiffbauverträge), BVerfGE 97, 67, Tz. 40 f. m. w. N.; BVerfG v. 5.2.2002, 2 BvR 305/93 u. a. (Sozialpfandbrief), BVerfGE 105, 17, Tz. 64 und 67 m. w. N.; BVerfG v. 7.7.2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, DStR 2010, 1727; BVerfG v. 7.7.2010, 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, DStR 2010, 1733; BVerfG v. 7.7.2010, 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, BVerfGE 127, 31, DStR 2010, 1736; aus der jüngeren finanzgerichtlichen Rückwirkungsrechtsprechung BFH v. 14.3.2006, I R 1/04, BStBl. II 2006, 549, Tz. 23 ff.; BFH v. 2.8.2006, XI R 34/02, BStBl. II 2006, 887, Tz. 40 ff.; BFH v. 19.4.2007, IV R 4/06, DStR 2007, 1299, Tz. 75 ff.; BFH v. 24.4.2007, I R 16/06, DB 2007, 1672, Tz. 26 ff.; BFH v. 19.4.2007, IV R 4/06, DStR 2007, 1299, Tz. 75 ff.; BFH v. 7.12.2010, IX R 70/07, DStR 2011, 161, Tz. 28 ff. 1548 Zur unterschiedlichen Terminologie der beiden Senate des BVerfG vgl. Schön, BB 1997, 1333, 1334 ff. 1549 Hierbei stützt sich das BVerfG auf das im Ertragsteuerrecht geltende Jährlichkeitsprinzip (vgl. BVerfG v. 3.12.1997, 2 BvR 882/97 (Schiffbauverträge), Tz. 45). 1550 Hier ist der sachliche Anwendungsbereich einer Norm betroffen, während bei der echten Rückwirkung der zeitliche Anwendungsbereich vor den ursprünglichen Beginn der Gültigkeit der Norm ausgedehnt wird (vgl. BVerfG v. 14.5.1986, 2 BvL 2/83 (Doppelbesteuerungsabkommen), Tz. 86); kritisch zur abstrakten Abgrenzung zwischen echter und unechter Rückwirkung etwa Jachmann, ThürVBl. 1999, 269, 275; dies., Wenn die Rückwirkung zur gesetzlichen Routine wird, 27, 32 ff. 1551 BVerfG v. 5.2.2002, 2 BvR 305/93 u. a. (Sozialpfandbrief), BVerfGE 105, 17, Tz. 66 f.; BVerfG v. 3.12.1997, 2 BvR 882/97 (Schiffbauverträge), BVerfGE 97, 67, Tz. 40 und 45; BVerfG v. 14.5.1986, 2 BvL 2/83 (Doppelbesteuerungsabkommen), Tz. 89 ff.; BVerfG v. 28.11.1984, 1 BvR 1157/82 (Pensionsrückstellung), BVerfGE 68, 287, Tz. 44 ff.; BVerfG v. 7.7.2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, DStR 2010, 1727, 1728 f.; BVerfG v. 7.7.2010, 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, DStR 2010, 1733, 1733 f.
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kungen sind in den letzten Jahren zudem strengere Rechtsprechungstendenzen zu erkennen. So hat das BVerfG in der Entscheidung Sozialpfandbrief zwar eine unechte Rückwirkung erkannt, für die Prüfung deren Zulässigkeit aber entscheidend auf den Zeitpunkt des erstmaligen Erwerbs der Sozialpfandbriefe abgestellt.1552 In seinen Beschlüssen vom 7.7.2010 hat das BVerfG unechte Rückwirkungen wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zudem erstmals für unzulässig erklärt.1553 Damit nähert sich das Bundesverfassungsgericht der in der Literatur weitgehend1554 und auch durch den BFH verstärkt1555 vertretenen Auffassung an, wonach der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung des Schutzes gegenüber einer Verschlechterung der Steuerrechtslage bedürfe, ohne dass es auf die Einordnung in die Kategorien echte und unechte Rückwirkung nach dem Kriterium des Entstehens des gesetzlichen Steueranspruchs zentral ankäme (sog. handlungsorientiertes Dispositionsschutzkonzept).1556 Danach ist es denkbar, dass dem Gesetzgeber auch für den noch nicht abgeschlossenen Veranlagungszeitraum eine Rückwirkung verwehrt ist, wenn der Steuerpflichtige auf der Grundlage der geltenden Rechtslage bereits endgültig disponiert hat.
________________________ 1552 BVerfG v. 5.2.2002 (Sozialpfandbrief), Tz. 66 f.; hier war mit Gesetz vom 11.6.1996 eine Steuervergünstigung rückwirkend zum 25.4.1996, also innerhalb des gleichen Veranlagungszeitraums, aufgehoben worden (vgl. BVerfG, a. a. O., Tz. 14 f.); in diese Richtung auch bereits das abweichende Votum Steinbergers zu BVerfG v. 14.5.1986, 2 BvL 2/83 (Doppelbesteuerungsabkommen), BVerfGE 72, 200, 276 ff., sowie BVerfG v. 3.12.1997, 2 BvR 882/97 (Schiffbauverträge), BVerfGE 97, 67, Tz. 47 ff. 1553 BVerfG v. 7.7.2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, DStR 2010, 1727; BVerfG v. 7.7.2010, 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, DStR 2010, 1733; BVerfG v. 7.7.2010, 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, BVerfGE 127, 31, DStR 2010, 1736. 1554 Spindler auf der 28. Jahrestagung der DStJG 2003 (vgl. hierzu den Tagungsbericht von Keß/Ottermann, StuW 2004, 87, 89 f.); ders., DStR 1998, 953, 958; Mellinghoff, DStR 2003, Beihefter 3, 13 f.; Hey, BB 2002, 2312, 2312 f.; dies., Steuerplanungssicherheit, 103 ff.; dies., NJW 2007, 408, 410; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, 244; Offerhaus, DB 2001, 556, 558 f. m. w. N.; Kirchhof, StuW 2000, 221, 223; Schaumburg, DB 2000, 1884, 1887 f.; Lang, WPg 1998, 163, 165 f. und 169 ff. 1555 Vgl. BFH v. 6.11.2002, XI R 42/01, BStBl. II 2003, 257; BFH v. 2.8.2006, XI R 34/02, BStBl. II 2006, 887, Tz. 48 ff.; BFH v. 19.4.2007, IV R 4/06, DStR 2007, 1299, Tz. 84 ff.; ausdrücklich offen lassend hingegen u. a. BFH v. 24.4.2007, I R 16/06, DB 2007, 1672, Tz. 30. 1556 Ebenso BFH v. 2.8.2006, XI R 34/02, BStBl. II 2006, 887, Tz. 45 ff.; Hey, BB 2002, 2312, 2312.
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bb) Rechtfertigung Allerdings kann selbst eine echte Rückwirkung grundsätzlich mit übergeordneten „zwingenden Gründen des Allgemeinwohls“ gerechtfertigt werden.1557 Eine Definition dafür, wann solche Gründe vorliegen, hat das BVerfG (bislang) nicht zur Verfügung gestellt.1558 Ansätze in der Rechtsprechung sowohl des BVerfG als auch des BFH sprechen aber dafür, dass der rückwirkende Erlass spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen häufig zulässig sein wird. Zwar können Gesetzesänderungen nicht mit dem bloßen Ziel, Mehreinnahmen zu erlangen, gerechtfertigt werden.1559 Bei spezialgesetzlichen Missbrauchsnormen wird der Gesetzgeber zur Rechtfertigung aber regelmäßig mehr als bloß fiskalische Interessen vorbringen können. Ein Teil dieser Normen lässt sich gegebenenfalls schon auf den allgemein anerkannten Rechtfertigungsgrund der Beseitigung einer unklaren oder verworrenen Rechtslage stützen.1560 Insbesondere können sich aber Gesetzesänderungen, die auf die Beseitigung von systematischen Widersprüchen gerichtet sind bzw. die Lücken im bisherigen Recht schließen sollen, auf den Zweck der Herstellung von Rechtssetzungsgleichheit beziehen.1561 Dieser Allgemeinwohlbelang ist vom BFH ausdrücklich auch als Rechtfertigungsgrund für eine Rückwirkung anerkannt worden.1562 Das BVerfG wiederum hat in der Entscheidung Sozialpfandbrief sowohl das Ziel der Vereinfachung des Steuerrechts als auch das ________________________ 1557 BVerfG v. 19.12.1961, 2 BvL 6/59 (rückwirkende Steuergesetzgebung), BVerfGE 13, 261, 273; BVerfG v. 23.3.1971, 2 BvL 2/66 u. a., BVerfGE 30, 367, 390 f.; BVerfG v. 3.12.1997, 2 BvR 882/97 (Schiffbauverträge), BVerfGE 97, 67, Tz. 50 ff.; BVerfG v. 5.2.2002, 2 BvR 305/93 u. a. (Sozialpfandbrief), BVerfGE 105, 17, Tz. 81 ff. 1558 Hierzu Leisner-Egensperger, StuW 1998, 254, 263 f., sowie Spindler, DStJG 27 (2004), 69, 86. 1559 Dieses Ziel würde auch durch sprunghaftes und willkürliches Besteuern erreicht und kann, so das BVerfG, daher als solches keinen überragenden Gemeinwohlbelang darstellen (BVerfG v. 5.2.2002 (Sozialpfandbrief), Tz. 82; ebenso Kirchhof, DStR 1979, 275, 278, sowie Schön, BB 1997, 1333, 1338). 1560 Hierzu BVerfG v. 14.5.1986, 2 BvL 2/83 (Doppelbesteuerungsabkommen), BVerfGE 72, 200, 259; sowie BVerfG v. 25.5.1993, 1 BvR 1509, 1648/91, BVerfGE 88, 384, 404; zu den Grenzen dieser Rechtfertigung aber Schön, „Rückwirkende Klarstellungen“ des Steuergesetzgebers als Verfassungsproblem, 221, 227 ff. 1561 Siehe hierzu auch im verfassungsrechtlichen Teil, unten, S. 334. 1562 Vgl. BFH v. 9.5.2001, XI B 151/00, BStBl. II 2001, 552, der die Rückwirkung von § 2 Abs. 3 EStG damit rechtfertigte, dieser sorge für mehr Belastungsgleichheit; in anderen Entscheidungen hat der BFH indirekt die Korrektur einer „zweckwidrigen Fehlentwicklung“ einer Norm, konkret der Tarifnorm des § 34 EStG als hinreichenden Grund angesehen (vgl. BFH v. 6.11.2002, XI R 42/01, BStBl. II 2003, 257, BFH v. 2.8.2006, XI R 34/02, BStBl. II 2006, 887); im konkreten Fall konnte dieser allerdings jeweils nicht rechtfertigend wirken, weil der Gesetzgeber über Jahre in Kenntnis der Zweckwidrigkeit eine Änderung unterlassen hatte (venire contra factum proprium).
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Ziel der Korrektur von ungewollten Lenkungseffekten1563 für rechtfertigend gehalten.1564 Manche entnehmen der Entscheidung Schiffbauverträge gar, dass die rückwirkende Änderung einer steuerlichen Regelung bereits dann gerechtfertigt ist, wenn sie sich auf die wirtschaftliche Unsinnigkeit der Regelung stützt.1565 In der Literatur wird diese weitgehende Rechtfertigung einer Rückwirkung zum Teil sehr kritisch beurteilt. Für die Rechtfertigung der Rückwirkung durch zwingende Gemeinwohlbelange, so wird zutreffend bemängelt, sei es denklogisch erforderlich, dass das betreffende Ziel gerade nur bei rückwirkender Gesetzesänderung erreicht werden kann.1566 Das Schließen von wahrgenommenen Besteuerungslücken etwa wird aber bei Wirkung lediglich für die Zukunft nicht vereitelt; es wirkt sich dann nur fiskalisch in geringerem Umfang aus. Die Kritik kommt dabei nicht nur aus der Rechtswissenschaft. Auch Ver________________________ 1563 Die Entscheidungen Sozialpfandbrief und Schiffbauverträge sind jeweils zu Lenkungssubventionen ergangen; deren Aussage lässt sich allerdings auf Fiskalzwecknormen im Wege eines Erst-Recht-Schlusses übertragen; denn bei Lenkungssubventionen ist das Vertrauen des Steuerbürgers tendenziell infolge der gezielten gesetzgeberischen Entscheidung verstärkt schützenswert ist (vgl. hierzu BVerfG v. 5.2.2002 (Sozialpfandbrief), Tz. 69; ebenso Vogel, JZ 1988, 833, 838; Kirchhof, DStR 1989, 263, 268; anders aber später ders., StuW 2000, 221, 226; Leisner-Egensperger, StuW 1998, 254, 263; kritisch auch Hey, Steuerplanungssicherheit, 306 ff., und Mellinghoff auf der 28. Jahrestagung der DStJG 2003 (vgl. hierzu den Tagungsbericht von Keß/ Ottermann, StuW 2004, 87, 89)). 1564 BVerfG v. 5.2.2002 (Sozialpfandbrief), Tz. 82; zurückhaltender aber BVerfG v. 7.7.2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, DStR 2010, 1727, 1731, mit der Feststellung, das Ziel, die Rechtslage zu „verbessern“, bezeichne nur das allgemeine Änderungsinteresse, sei aber kein spezifischer Grund, der geeignet sei, gerade auch eine Rückwirkung zu legitimieren. 1565 So unter anderem Spindler, DStR 1998, 953, 958; Stapperfend, FR 1998, 383, 384. Damit wäre dann nahezu jede rückwirkende Änderung zu rechtfertigen (ebenso Spindler, a. a. O.; Stapperfend, a. a. O.); diese Auslegung beruht aber auf einem Missverständnis der entsprechenden Entscheidungspassage (BVerfG v. 3.12.1997 (Schiffbauverträge), Tz. 50), in der das BVerfG für die Beurteilung des überragenden Gemeinwohlbelangs nicht entscheidend auf die Erkenntnis der wirtschaftlichen Unsinnigkeit selbst, sondern auf die Verhinderung von Ankündigungseffekten im Vorfeld der auf der Erkenntnis wirtschaftlicher Unsinnigkeit beruhenden Änderung abstellt; so versteht auch Schmidt, DB 1998, 1199, 1202, das BVerfG ohne auf eine andere Deutungsmöglichkeit überhaupt einzugehen; anders formuliert, ist die wirtschaftliche Unsinnigkeit lediglich Motivation für die in eine Gesetzesänderung mit künftiger Wirkung; rückwirkend darf die Änderung dann aber erfolgen, um bei Inaussichtstellen der rein künftigen Gesetzesänderung drohenden Ankündigungseffekten zu begegnen. 1566 Vgl. hierzu Schön, BB 1997, 1333, 1338; ders., „Rückwirkende Klarstellungen“ des Steuergesetzgebers als Verfassungsproblem, 221, 232 f.; Hey, NJW 2007, 408, 411; für eine zurückhaltende Rechtfertigung, am Beispiel des § 15b EStG, auch Naujok, BB 2007, 1365, 1370 f.
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treter der Rechtsprechung selbst sprechen sich für eine deutlich engere Rechtfertigung der steuerlichen Rückwirkung aus.1567 Für die Fälle aggressiver Steuerplanung bekommt die Rechtsprechung aber im Ergebnis Schützenhilfe von anderen Teilen der Literatur. Hiernach soll Steuerpflichtigen, die sich Gesetzeslücken bewusst zunutze machen, ein schutzwürdiges Vertrauen von vornherein abgesprochen werden, so dass es einer Rechtfertigung schon gar nicht mehr bedürfte.1568 Auch wenn von einer geklärten Rechtslage bei der Frage der Zulässigkeit einer Rückwirkung für spezialgesetzliche Missbrauchsnormen nach alledem nicht die Rede sein kann, so ist doch tendenziell davon auszugehen, dass zumindest nach der gegenwärtigen Rechtsprechung die Rückwirkung vieler spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen gerechtfertigt wäre. cc) Erleichterte Rückwirkung infolge eines Anzeigepflichtsystems Fraglich ist, ob ein Anzeigepflichtsystem dazu führen könnte, dass noch darüber hinausgehend auch ohne Vorbringen derartiger rechtfertigender Gründe generell eine unbeschränkte Rückwirkung möglich wäre. Daran lässt sich deswegen denken, weil das BVerfG in der Entscheidung Schiffbauverträge bereits die Ankündigung der Bundesregierung, eine steuerliche Regelung ändern zu wollen, als ausreichend angesehen hat, um den Steuerbürgern ab diesem Zeitpunkt schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der betreffenden Regelung abzusprechen.1569 Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit dieser Entscheidung zwar gegen seine frühere Rechtsprechung gestellt, wonach nur der Gesetzgeber, nicht aber die Verwaltung, das Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage zerstören kann.1570 Auch ist diese Entscheidung in der Literatur ________________________ 1567 So insbesondere Spindler, DStJG 27 (2004), 69, 86 f., der zwingende Gründe des gemeinen Wohls lediglich bei einer ernstlich bedrohten Haushaltslage, die das ordnungsmäßige Funktionieren des Staates gefährdet erscheinen lässt, erkennen möchte. 1568 Vgl. etwa Muckel, JA 1994, 13, 15, sowie Kirchhof, DStR 1989, 263, 268; a. A. aber Hey, DStJG 27 (2004), 91, 106 f. 1569 BVerfG, a. a. O., Tz. 50 f. Die Äußerung der generellen Absicht der Bundesregierung, das Gesetz zu ändern, war nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts hierbei sogar derart entscheidend, dass eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt dieser Absichtserklärung für zulässig erklärt wurde, obwohl in dieser Äußerung selbst eine Änderung erst mit Wirkung zu einem späteren Zeitpunkt in Aussicht gestellt worden war; hierzu kritisch das insofern abweichende Votum von Kruis zu BVerfG v. 3.12.1997, 2 BvR 882/97 (Schiffbauverträge), BVerfGE 97, 67, 85; zustimmend aber Schmidt, DB 1998, 1199, 1201 f. 1570 Ausdrücklich BVerfG v. 19.12.1961, 2 BvL 6/59 (rückwirkende Steuergesetzgebung), BVerfGE 13, 261, Tz. 58; ebenso BVerfG v. 14.5.1986, 2 BvL 2/83 (Doppelbesteuerungsabkommen), Tz. 136; offen gelassen hingegen BVerfG v. 23.3.1971, 2 BvL 2/66 u. a. (Bundesentschädigungsgesetz), Tz. 77.
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auf nahezu einhellige Kritik gestoßen1571 und findet auch in der neueren BFHRechtsprechung keinen Widerklang.1572 Dennoch ist nicht ersichtlich, dass das Bundesverfassungsgericht von der hierin eingeschlagenen Linie in Zukunft abweichen wird. Vielmehr misst das Bundesverfassungsgericht auch in der fünf Jahre später ergangenen Entscheidung Sozialpfandbrief Äußerungen der Finanzverwaltung entscheidende Bedeutung im Zusammenhang mit dem Vertrauen der Steuerpflichtigen auf den Fortbestand der Rechtslage bei und führt damit den Ansatz fort.1573 Auch in seiner Entscheidung zur Steuervergünstigung von Abfindungen bekennt sich das Bundesverfassungsgericht zu einem grundsätzlich reduzierten Vertrauensschutz bereits nach Einbringung eines Gesetzesentwurfs in den Bundestag.1574 Vor dem Hintergrund dieser BVerfG-Rechtsprechung stellt sich die Frage, ob bei rechtspolitischer Ausrichtung eines Anzeigepflichtsystems nicht bereits die Begründung der Anzeigepflichtigkeit einer Gestaltung genügt, ein Vertrauen der Betroffenen in den Weiterbestand der Rechtslage für diese Gestaltung zu zerstören.1575 Hiergegen spricht aber, dass mit der Anzeigepflicht noch ________________________ 1571 Kritisch unter anderem Leisner-Egensperger, StuW 1998, 254, 259 ff.; Jachmann, ThürVBl. 1999, 269, 276; dies., Wenn die Rückwirkung zur gesetzlichen Routine wird, 27, 38 ff.; Mellinghoff auf der 28. Jahrestagung der DStJG 2003 (vgl. hierzu den Tagungsbericht von Keß/Ottermann, StuW 2004, 87, 89); Hey, BB 2002, 2312, 2313; Spindler, DStR 1998, 953, 958; Lang, WPg 1998, 163, 171 f.; zuvor bereits ebenso Schmidt, DB 1993, 2250, 2254 f.; zustimmend aber Schmidt, DB 1998, 1199, 1201. 1572 Zwar wurde in früheren Entscheidungen wiederholt vorlegislatorischen Maßnahmen Vertrauensschutz reduzierende Wirkung beigemessen (vgl. BFH v. 28.3.1966, VI 281/64, BStBl. III 1966, 454, Tz. 24; BFH v. 27.3.1981, V R 97/77, BStBl. II 1981, 595, Tz. 16; BFH v. 26.8.1986, IX R 54/81, BStBl. II 1987, 57, Tz. 17); in jüngeren Entscheidungen maß der BFH aber nur dem gesetzgeberischen Akt vertrauensbegründende Wirkung zu, entweder in Form des endgültigen Gesetzesbeschlusses oder sogar erst der Gesetzesverkündung (vgl. BFH v. 2.8.2006, XI R 34/02, BStBl. II 2006, 887; BFH v. 19.4.2007, IV R 4/06, DStR 2007, 1299, Tz. 109 m. w. N.; BFH v. 29.4.2008, I R 103/01, BStBl. II 2008, 723, Tz. 22). 1573 BVerfG v. 5.2.2002 (Sozialpfandbrief), Tz. 70 f.; hier äußerte sich die Bundesregierung in Subventionsberichten zum Fortbestand der steuerlichen Begünstigung von Sozialpfandbriefen. 1574 BVerfG v. 7.7.2010, 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, DStR 2010, 1736, 1737 und 1739. 1575 Generell gilt, dass es nicht auf die subjektiven Vorstellungen der einzelnen Betroffenen und ihre individuelle Situation ankommt, sondern allein darauf, ob die Rechtslage, auf die sich der Steuerpflichtige beruft, bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe zu begründen (vgl. BFH v. 14.3.2006, I R 01/04, BStBl. II 2006, 549, Tz. 26; BVerfG v. 20.10.1971, 1 BvR 757/66 (Österreichfälle), BVerfGE 32, 111, Tz. 40); hiervon unabhängig ist die Frage zu beantworten, ob eine derartig weite Rückwirkung auch rechtspolitisch wünschenswert ist (siehe hierzu unten, S. 296 und 321).
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keine konkrete Absichtserklärung der Bundesregierung, geschweige denn des Gesetzgebers, zur Änderung des materiellen Rechts vorliegt. Vielmehr sollen die aus den Anzeigepflichten gewonnen Informationen gerade erst dazu verhelfen, eine fundierte Entscheidung über die Änderung des Steuergesetzes zu ermöglichen. Bei Weitem nicht jede angezeigte Gestaltung wird auch tatsächlich zu einer Gesetzesänderung führen.1576 Vertrauenszerstörende Wirkung können Anzeigepflichten demnach regelmäßig nicht haben.1577 Daher ist eine derart erleichterte generelle Rückwirkung bei anzeigepflichtigen Gestaltungen auch bei Fortbestand der BVerfG-Rechtsprechung nicht anzunehmen. dd) Zwischenergebnis Eine Rückwirkung ist nach – wenn auch umstrittener – Rechtsprechung des BVerfG und des BFH bei spezialgesetzlichen Missbrauchsnormen häufig bereits heute zulässig. Die Einführung von Anzeigepflichten hätte in diesem Zusammenhang keine wesentlichen Auswirkungen. b) Auswirkung der gesetzlichen Rückwirkung auf die Veranlagung Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit rückwirkender Gesetze allein ist jedoch nicht genügend. Ganz entscheidend ist, ob sich ein insofern zulässig rückwirkendes Gesetz auch noch verfahrensrechtlich auf die Veranlagung der entsprechenden Zeiträume auswirken kann. Solange die betreffende Steuer noch nicht festgesetzt ist, kann das rückwirkende Gesetz ohne Weiteres angewendet werden.1578 Die Finanzverwaltung kann allerdings die Veranlagung nicht unbegrenzt durch Unterlassen der Steuerfestsetzung offen halten, wenn sich der Steuerpflichtige nicht auf die Zurückstellung der Festsetzung einlässt.1579 Nach erfolgter Festsetzung sind die Möglichkeiten der Berücksichtigung eines später erlassenen rückwirkenden Gesetzes begrenzt: Die Änderungsvorschriften der §§ 172 ff. AO bieten hierfür keinen Raum. Insbesondere auch handelt es sich bei der rückwirkenden Gesetzesänderung nicht um ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 ________________________ 1576 Selbst im britischen System, in dem jede zehnte Anzeige tatsächlich zu einer Gesetzesänderung führt (hierzu oben, S. 209 f.), bleiben 90 Prozent der Anzeigen ohne Auswirkung. 1577 Lediglich ausnahmsweise könnte dies anders sein, etwa dann, wenn in Deutschland – angelehnt an die listed transactions des US-Rechts – ganz konkrete Fallgruppen beschrieben und mit Anzeigepflicht belegt werden mit dem Ziel, vor einer konkret angedachten Gesetzesänderung weitere Informationen über die Gestaltung und ihre Verbreitung zu erlangen. 1578 Lediglich die Festsetzungsverjährung kann hier zeitlich begrenzend wirken (vgl. § 169 Abs. 1 S. 1 AO). 1579 Arg. e § 347 Abs. 1 S. 2 AO, der bei Nichtfestsetzung innerhalb angemessener Frist den Einspruch für statthaft erklärt.
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Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.1580 Auch die vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 AO) bietet keine Handhabe für die Steuerverwaltung. Denn allein der Wunsch, eine mögliche oder angekündigte Gesetzesänderung abzuwarten, führt regelmäßig weder zu einer Ungewissheit über die steuerliche Beurteilung von Tatsachen im Sinne von § 165 Abs. 1 S. 1 AO1581 noch zu einem der in § 165 Abs. 1 S. 2 AO – abschließend1582 – aufgezählten Fälle der Ungewissheit hinsichtlich des anzuwenden Rechts.1583 Die Finanzverwaltung kann die Veranlagung allerdings grundsätzlich durch eine Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO offen halten.1584 Alleinige Voraussetzung ist, dass der Steuerfall noch nicht abschließend geprüft wurde.1585 Das Kriterium der noch nicht abschließenden Prüfung ist hierbei denkbar weit zu verstehen und rechtlich kaum nachprüfbar.1586 Es erstreckt sich nicht nur auf die Ermittlung des Sachverhalts, sondern ebenso die rechtliche Würdigung.1587 Der Vorbehalt kann daher auch mit dem Zweck ergehen, (rückwirkende) gesetzgeberische Maßnahmen abzuwarten.1588 Trotz des weiten Spielraums bei der Vorbehaltsfestsetzung, kann diese aber nicht als generelles Mittel dazu eingesetzt werden, für alle denkbaren künftigen Gesetzesänderungen eine Rückwirkung zu ermöglichen. Denn die Veranlagung kann nicht etwa ohne Grund und flächendeckend unter Vorbehalt ________________________ 1580 Hier sind vielmehr nur Änderungen des Sachverhalts erfasst (vgl. Rüsken, in: Klein, § 175 AO, Tz. 50). 1581 Zu dieser Beschränkung BFH v. 25.4.1985, IV R 64/83, BStBl. II 1985, 648, Tz. 7 m. w. N. 1582 Vgl. Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 165 AO, Tz. 13 m. w. N. 1583 Insbesondere liegt auch nicht der in § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AO erwähnte Fall vor, dass der Gesetzgeber infolge einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts reagieren muss. 1584 Im Gegensatz zu § 165 AO ist damit dann die gesamte Festsetzung umfassend vorläufig (vgl. Rüsken, in: Klein, § 164 AO, Tz. 1; Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 164 AO, Tz. 8). 1585 Seer, in: Tipke/Kruse, § 164 AO, Tz. 12; Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 164 AO, Tz. 8; Rüsken, in: Klein, § 164 AO, Tz. 13. 1586 Es handelt sich eher um eine Willens- denn um eine rechtlich vorgeprägte und entsprechend überprüfbare Ermessensentscheidung der Verwaltung (so Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 164 AO, Tz. 8); lediglich bei abgeschlossener Außenprüfung gibt es eine klar nachprüfbare objektive Grenze (vgl. hierzu § 164 Abs. 3 S. 3 AO sowie Rüsken, in: Klein, § 164 AO, Tz. 14). 1587 Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 164 AO, Tz. 8 m. w. N.; Seer, in: Tipke/Kruse, § 164 AO, Tz. 12; a. A. allerdings Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, 770 f., mit der Aufforderung zur einschränkenden Interpretation des § 164 AO aus verfassungsrechtlichen und gesetzessystematischen Gründen. 1588 Ausdrücklich Rüsken, in: Klein, § 165 AO, Tz. 7.
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der Nachprüfung gesetzt werden. Das Gebot der Rechtssicherheit erfordert vielmehr eine zurückhaltende Anwendung des § 164 AO.1589 Fraglich ist, ob ein Anzeigepflichtsystem bei dieser Problematik insofern helfen könnte, als es die Vorbehaltsfestsetzung auf die anzeigepflichtigen Gestaltungen konzentrieren könnte. Auch Festsetzungen unter Vorbehalt für ganze Fallgruppen sind aber im Lichte der Rechtssicherheit verfassungsrechtlichen problematisch.1590 Auf den weitaus überwiegenden Teil der Anzeigen erfolgt keine Änderung des materiellen Steuerrechts.1591 Dem einzelnen Finanzbeamten ist bei der Veranlagung einer anzeigepflichtigen Gestaltung – als solche ausgewiesen etwa durch eine Registriernummer – nicht ersichtlich, ob für diese letztlich ein rückwirkend anwendbares Änderungsgesetz ergehen wird. Vor diesem Hintergrund würde ein generelles Offenhalten der Veranlagung zu einer systematischen und weitgehenden Verletzung des verfassungsrechtlichen Rechtssicherheitsgebots führen. Die Kombination von Offenhalten der Veranlagung bei allen anzeigepflichtigen Gestaltungen einerseits und rückwirkendem Erlass von spezialgesetzlichen Missbrauchsvorschriften andererseits führte dazu, dass Steuerpflichtige, die Gestaltungen eingehen, die rechtlich wie auch rechtspolitisch unproblematisch, aber anzeigepflichtig sind, unter Umständen auch lange nach Abschluss eines Sachverhalts weder die endgültige Steuerlast noch überhaupt das letztlich auf den Sachverhalt anzuwendende Recht absehen können. Selbst wenn man trotz des Ausmaßes an systematisch geschaffener Rechtsunsicherheit hierin noch kein verfassungsrechtliches Problem zu erkennen vermögen sollte, so ist dieser Ansatz doch jedenfalls aus rechtspolitischen Gesichtspunkten abzulehnen.1592 c) Zwischenergebnis Spezialgesetzliche Missbrauchsnormen können zwar häufig mit Rückwirkung erlassen werden. Allerdings stößt die Rückwirkung faktisch an ihre Grenzen, wenn die Veranlagung nicht mehr offen ist. Ein generelles Offenhalten der ________________________ 1589 Haas, Steuergesetzgebung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, 455 und 464; Seer, in: Tipke/Kruse, § 164 AO, Tz. 2 f.; Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, 779 ff. 1590 So bereits v. Wallis, Änderung von Steuerbescheiden und Rechtskraft, JbFfSt 1977/78, 18. 1591 Selbst die beeindruckende „Erfolgsquote“ in Großbritannien (hierzu oben, S. 209 f.) bedeutet, dass auf 9 von 10 Anzeigen keine Gesetzesänderung folgt. 1592 Bei der rechtspolitischen Bewertung sind insbesondere auch die negativen Auswirkungen einer derartigen Rechtsunsicherheit für die Steuerpflichtigen wie auch die Finanzverwaltung, sowie auf die Gesamtkosten des Steuersystems, die Steuermoral und letztlich auch den Investitionsstandort Deutschland zu berücksichtigen (zu diesen Konsequenzen von Rechtsunsicherheit im Steuerrecht eindrücklich Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, 94 ff.).
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Veranlagung oder ein Offenhalten der Veranlagung jedenfalls für alle anzeigepflichtigen Gestaltungen ist nicht zulässig oder zumindest nicht wünschenswert. Die Untersuchung, wie groß der Vorteil der Anzeigepflichten durch zeitigere Informationsgewinnung ist, ergibt demnach ein gemischtes Bild: Zwar ist ein Bedürfnis nach früherer Kenntniserlangung in Deutschland geringer als in Steuersystemen, die schon eine Rückwirkung nicht oder nur sehr beschränkt zulassen. Von der Hand zu weisen ist es aber auch in Deutschland nicht. Denn je früher ein Änderungsgesetz erlassen werden kann, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch die entsprechende Veranlagung noch offen ist.1593 d) Nachteile der Rückwirkung Schließlich muss aber auch das Argument, eines Anzeigepflichtsystems bedürfe es bei geringen Rückwirkungsvoraussetzungen nicht, hinterfragt werden. Denn die Nachteile rückwirkender Gesetze im Lichte der Rechtssicherheit liegen auf der Hand.1594 Die Möglichkeit, durch ein Anzeigepflichtsystem gesetzgeberisch früher zu reagieren, ist daher nicht nur auf ihre Relevanz vor dem Hintergrund zulässiger Rückwirkung zu untersuchen, sondern bietet umgekehrt auch die Chance zu weniger rückwirkenden Gesetzen. Je früher der Gesetzgeber reagiert, desto geringer ist theoretisch der durch die betreffende Gesetzeslücke oder Disparität entstandene fiskalische Schaden; desto leichter kann wiederum politisch auf eine Rückwirkung verzichtet werden.1595 Die Abwägung zwischen den Belastungen durch ein Anzeigepflichtsystem einerseits und der sich durch den rückwirkenden Erlass von Missbrauchsnormen ergebenden Rechtsunsicherheit andererseits fällt dabei keineswegs eindeutig aus. 4. Ergebnis Die Frage, ob Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion in Deutschland zu praktischer Wirksamkeit kommen könnten, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Viele Gestaltungen sind den Finanzbehörden bereits aus der Ver________________________ 1593 Konkretisiert sich der Wunsch zur gesetzgeberischen Tätigkeit früher, so kann auch eine Anweisung an die Veranlagungsstellen, entsprechende Gestaltungen nur unter Vorbehalt zu veranlagen, früher ergehen; bei dieser Anweisung können wiederum Registriernummern aus einem Anzeigepflichtsystem prozessvereinfachend wirken (hierzu allgemein oben, S. 222 f.). 1594 Zu diesen oben, Fn. 1592. 1595 In diesem Licht sah etwa auch der Finanzausschuss bei seiner Beratung der Anzeigepflichten (in ihrer damals diskutierten Form als Vorabgenehmigung) im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2007 den Konnex zur Rückwirkungsproblematik (vgl. hierzu den Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags v. 9.11.2006, BT-Drs. 16/3368, 12).
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anlagung oder anderen Quellen bekannt. Anders als im Rahmen der veranlagungsunterstützenden Funktion ist für (lediglich) rechtspolitisch unerwünschte Gestaltungen jedoch nicht etwa bereits systembedingt sichergestellt, dass sie (zeitnah) zur Kenntnis der Finanzbehörden kommen. Die weitgehende Zulässigkeit der Rückwirkung bei spezialgesetzlichen Missbrauchsnormen relativiert in Deutschland die Bedeutung des zeitlichen Vorteils von Anzeigepflichten, lässt diesen aber nicht entfallen. In umgekehrter Perspektive kann der sich aus einem Anzeigepflichtsystem ergebende zeitliche Vorsprung des Gesetzgebers aber auch eine beschränkende Wirkung auf rückwirkende Steuergesetzgebung und die mit dieser einhergehende Rechtsunsicherheit haben. Ein dringendes Bedürfnis für die Einführung von Anzeigepflichten ist aus alledem nicht ersichtlich. Umgekehrt erscheint die Einführung eines solchen Systems in Deutschland aber auch nicht von vornherein überflüssig. Anders als bei der veranlagungsunterstützenden Funktion hätte ein Anzeigepflichtsystem mit rechtspolitischer Ausrichtung nicht nur zur Folge, Aufgaben, die letztlich auch von der Verwaltung wahrgenommen werden könnten, auf Steuerpflichtige und Externe zu verlagern. Vielmehr böte ein solches System hier sowohl in inhaltlicher als auch in zeitlicher Hinsicht Vorteile, die sich auf andere Weise nicht ergeben. Diese – begrenzten – Vorteile werden allerdings mit dem durch ein Anzeigepflichtsystem verbundenen Aufwand bei allen Beteiligten, den Privaten wie auch der Finanzverwaltung, erkauft.1596
III. Problematik spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen Wenn der vorgebliche Vorteil von Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion darin liegt, den Erlass spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen zu erleichtern und zu verbessern, so darf eine Bewertung der Anzeigepflichten die Wirkungen von spezialgesetzlichen Missbrauchsnormen selbst (hierzu 1. und 2.) und die Auswirkung eines Anzeigepflichtsystems auf diese (hierzu 3.) nicht unberücksichtigt lassen. 1. Erhöhte Komplexität des Steuerrechts durch Missbrauchsgesetzgebung Ein Rechtssystem bietet mit steigender Komplexität mehr Spielraum für rechtspolitisch unerwünschte Gestaltungen. Komplexität und in diesem Sinne ver________________________ 1596 Zu diesem oben, S. 229 f.
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standene Missbrauchsanfälligkeit verhalten sich proportional zueinander.1597 Zentrales Problem spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen ist, dass sie zu der beklagten Komplexität und Widersprüchlichkeit des Steuersystems ganz wesentlich beitragen.1598 Missbrauchsgesetzgebung wird, insbesondere auch wegen des häufigen Fehlens eines schlüssigen und umfassenden Rechtsgedankens, für die „zunehmende Chaotisierung des Steuerrechts“ verantwortlich gemacht.1599 Nicht selten sind diese Normen Ergebnis hektischer „Schnellschüsse“ in Anbetracht potentieller Steuerausfälle.1600 Die ursprünglich vorhandene Belastungsidee sowie eine durchgehende und nachvollziehbare Teleologie der Regelungen werden dabei häufig nicht berücksichtigt. Nicht selten führen spezialgesetzliche Missbrauchsnormen oder generell durch Missbrauchsabwehr getragene Gesetzesänderungen so zu nur neuen Gestaltungen, die wiederum Schwachstellen der Gesetzesänderung ausnutzen und Anlass für weitere Nachbesserungen des Gesetzgebers sind.1601 Einen besonders ein________________________ 1597 Etwa Vogel, DStJG 12 (1989), 123, 126 f., stellt dar, wie die Komplexität des Steuerrechts mit den einhergehenden Ungereimtheiten die Steuerpflichtigen sowie ihre Berater zu entsprechenden Gestaltungen geradezu „anstiftet“; zu der Bedeutung von Disparitäten in einem überkomplexen Steuersystem für rechtspolitisch unerwünschte Gestaltungen auch Thuronyi, Comparative Tax Law, 172; speziell am Beispiel der sich aus der uneinheitlichen Besteuerung von Kapitaleinkommen in Deutschland ergebenden Disparitäten auch Spengel, Besteuerung von Einkommen – Aufgaben, Wirkungen und europäische Herausforderungen, G 8. 1598 Hey, StuW 2008, 167, 168; dies., BB 2009, 1044, 1045; Seer, DStJG 33 (2010), 1, 3. 1599 Hey, StuW 2008, 167, 183; dies., BB 2009, 1044, 1045, nennt als weiteren Grund, dass spezielle Missbrauchstatbestände genau aufzeigen, wo die Grenzen zwischen zulässiger und unzulässiger Gestaltung liegen, und damit zur Entwicklung neuer Gestaltungen herausfordern. 1600 Drüen, StuW 2008, 154, 166; den sogenannten „plug and fix“ approach eingestehend auch, HMRC Regulatory Impact Assessment (2006), Tz. 9; infolge des übereilten Erlasses fehlt es bei diesen Normen häufig an einem prinzipiengeleiteten und prinzipientreuen gesetzgeberischen Ansatz. 1601 Zu diesem Problem liefert etwa die Geschichte des § 15b EStG beredtes Beispiel: Als eines der ersten gesetzgeberischen Handlungen nach Aufnahme der Großen Koalition wurde § 15b EStG eingeführt mit dem Ziel, „Steuerschlupflöcher“ für geschlossene Schiffs- und Medienfonds zu streichen; im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen war die Anwendung von § 15b EStG allerdings lediglich auf typisch stille Beteiligungen erstreckt worden (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG i. d. F. des VerlustverrBeschrG v. 22.12.2005, BGBl. I 2005, 3683); die Tatsache, dass andere Kapitaleinkunftsarten nicht mit einbezogen worden waren, nutzten einige Banken aus, indem sie entsprechende Steuerstundungsmodelle platzieren, die den Anlegern steuerlich relevante Anlaufverluste aus Kapitalvermögen vermittelten (siehe insbesondere die Produkte „Optivest“ der Deutschen Bank bzw. „Global Fortune“ der australischen Macquarie Bank); diese Lücke wiederum wurde durch Anfügung des § 20 Abs. 2b EStG durch das Jahressteuergesetz 2007 (Gesetz v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878, nunmehr § 20 Abs. 7 EStG) – rückwirkend – geschlossen; die Problematik ist dabei aber keineswegs ein deutsches Spezifikum; so basierte etwa im US-Steuerrecht die
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drücklichen Offenbarungseid stellt in diesem Zusammenhang die britische Fallgruppe der Anzeigepflicht für Umgehungsgestaltungen bei Altersvorsorgeaufwendungen dar.1602 Die Strafsteuer SAAC sollte als spezialgesetzliche Missbrauchsnorm Ankündigungseffekte im Vorfeld der für 2011 geplanten materiellrechtlichen Änderung verhindern. Sie selbst wiederum hielt der britische Fiskus für derart missbrauchsgefährdet, dass im Anzeigepflichtsystem – schon kurz nach Einführung der Strafsteuer – eine eigene Fallgruppe zur Aufdeckung von Umgehungsgestaltungen geschaffen wurde. 2. Spezialgesetzliche Missbrauchsnormen im Verhältnis zu § 42 AO Speziell im Verhältnis zu dem anderen wesentlichen Element der Missbrauchsbekämpfung, der allgemeinen Missbrauchsnorm des § 42 AO, ist zudem noch folgende Problematik zu beachten: Nach ständiger Rechtsprechung kann die Einführung spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen zu einer Abschirmwirkung gegenüber § 42 AO führen, auch wenn nicht sämtliche ihrer Tatbestandsmerkmale erfüllt sind.1603 Danach ist es also denkbar, dass durch die Einfügung spezialgesetzlicher Missbrauchsvorschriften der Rückgriff auf § 42 AO verschlossen ist, so dass durch sie das insgesamt verfügbare Arsenal gegen rechtspolitisch unerwünschte Gestaltungen unter Umständen reduziert, nicht erhöht wird.1604 Es ist fraglich, ob es dem Gesetzgeber durch die Anfügung von § 42 Abs. 2 AO1605 bzw. später nochmals durch eine Präzisierung in § 42 Abs. 1 S. 2 und 3 AO1606 gelungen ist, diese Abschirmwirkung kraft ________________________
1602 1603
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1605 1606
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Gestaltung in ACM Partnership auf einer Vorschrift, die ursprünglich zur Missbrauchsabwehr in Reaktion auf die Entscheidung Logan eingeführt wurde (hierzu ausführlich Chirelstein/Zelenak, 105 Columbia Law Review (2005), 1939, 1942 ff.); allgemein zu dieser Problematik Weisbach, 54 Southern Methodist University Law Review (2001), 73, 78, Yin, 54 Southern Methodist University Law Review (2001), 209, 216 f., Chirelstein/Zelenak, 105 Columbia Law Review (2005), 1939, 1939 und 1953, Jensen, The US legislative and regulatory approach to tax avoidance, 106 f., sowie Evans, Containing Tax Avoidance, 23. Hierzu oben, S. 88. BFH v. 23.10.1991, I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026, Tz. 38; BFH v. 10.6.1992, I R 105/89, Tz. 27; BFH v. 15.12.1999, I R 29/97, BStBl. II 2000, 527, Tz. 56; BFH v. 19.1.2000, I R 94/97 (Dublin Docks), BStBl. II 2001, 222, Tz. 14 ff.; BFH v. 31.5.2005, I R 74/04 u. I R 88/04 (Hilversum II), BStBl. II 2006, 118, Tz. 31; BFH v. 20.11.2007, I R 85/05, BFH/NV 2008, 551. Unabhängig von diesem Problem ist selbstverständlich § 42 AO immer anzuwenden, wenn es um den „Missbrauch einer (speziellen) Missbrauchsvorschrift“ geht (hierzu Schell, Subjektive Besteuerungsmerkmale, 221, und Drüen, Ubg 2008, 31, 34). Steueränderungsgesetz 2001 v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3794. Jahressteuergesetz 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150; inwiefern diese Neufassung einen Fortschritt gegenüber der zuvor geltenden Fassung in § 42 Abs. 2 AO darstellen soll, ist allerdings schwer ersichtlich.
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gesetzlichen Rechtsanwendungsbefehls aufzuheben.1607 Eine Abschirmwirkung wird ungeachtet des § 42 Abs. 2 AO a. F. sowohl durch die Rechtsprechung1608 als auch durch die überwiegende Literatur1609 weiterhin angenommen. Die herrschende Meinung in der Literatur sieht dieselbe Abschirmwirkung auch nach Neufassung des § 42 Abs. 1 S. 2 und 3 AO fortbestehen.1610 Wenn der Gesetzgeber, so das Argument, durch eine Spezialnorm Missbrauch in sachlicher, persönlicher oder zeitlicher Hinsicht konkretisiert und damit zum Ausdruck bringt, was er insoweit als angemessene Gestaltung noch akzeptieren will, so würde er sich in Widerspruch mit seiner eigenen Entscheidung setzen, wenn er gleichzeitig die allgemeine Missbrauchsnorm für weiterhin anwendbar erklärt.1611 Dies gelte lediglich dann nicht, wenn die spezial-
________________________ 1607 Ausführlicher zur vom Fiskus gewünschten Prüfungsreihenfolge, AEAO zu § 42 AO, Tz. 1. 1608 Mit ausdrücklicher entsprechender Begründung allerdings bislang nur BFH v. 20.11.2007, I R 85/05, BFH/NV 2008, 551, sowie FG Köln, v. 16.3.2006, 2 K 1139/02, EFG 2006, 896, Tz. 30; die Entscheidungen BFH v. 25.2.2004, I R 42/02 (Dublin Docks II), BStBl. II 2005, 14, Tz. 21; FG Münster, v. 25.10.2006, 1 K 538/03 F, EFG 2007, 722, Tz. 56 ff., Revision beim BFH geführt unter IV R 74/07; sowie BFH v. 29.1.2008, I R 26/06, BFH/NV 2008, 1044, Tz. 13, erschöpfen sich hingegen in einem Verweis auf BFH v. 20.3.2002, I R 63/99 (Delaware), BStBl. II 2003, 50, Tz. 24, in dem lediglich festgestellt wurde, dass § 42 Abs. 2 AO a. F. für die betreffenden Veranlagungszeiträume noch nicht zur Anwendung komme; insofern könnten diese Entscheidungen auch lediglich als Widerspruch gegen die von der Bundesregierung vertretene Ansicht, mit § 42 Abs. 2 AO erfolge nur eine Klarstellung der bisherigen Gesetzeslage, gesehen werden (so auch ausdrücklich FG Münster, v. 25.10.2006, 1 K 538/03 F, EFG 2007, 722, Tz. 57; vgl. zu dieser Auffassung des Fiskus BT-Drs. 14/6877, 52; ebenso nochmals BR-Drs. 544/07 v. 10.8.2007, 106). 1609 Fischer, FR 2001, 1212, 1215; Clausen, DB 2003, 1589, 1594 f.; Schell, Subjektive Besteuerungsmerkmale, 221; Gosch, in: Kirchhof, § 50d EStG, Tz. 30; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 42 AO, Tz. 20 ff.; zurückhaltender Haas, Der Missbrauchstatbestand des § 42 AO, 24 f., sowie Brandt, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 3, 7. 1610 Drüen, Ubg 2008, 31, 32 ff.; ders., StuW 2008, 154, 161; Mack/Wollweber, DStR 2008, 182, 186; Wienbracke, DB 2008, 664, 669; Hey, StuW 2008, 167, 173; dies., BB 2009, 1044, 1047 f.; Wendt, DStJG 33 (2010), 117, 135 f.; Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO, Tz. 292; Drüen, in: Tipke/Kruse, Vor § 42 AO, Tz. 13a; Ratschow, in: Klein, § 42 AO, Tz. 91; tendenziell ebenso Neumann, DStJG 33 (2010), 73, 81; a. A. v. Wedelstädt, DB 2007, 2558, 2559. 1611 Drüen, Ubg 2008, 31, 34; Schell, Subjektive Besteuerungsmerkmale, 221; Unklarheiten und Widersprüche im Recht müssten zulasten des das Recht Setzenden, nicht des Steuerpflichtigen gehen (hierzu Crezelius, DB 2001, 2214, 2215).
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gesetzliche Regelung ersichtlich nicht abschließend ist.1612 Die gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung schaffe ein rechtsstaatlich und damit verfassungsrechtlich bedenkliches Maß an Rechtsunsicherheit.1613 Dem vermag ich mich nicht anzuschließen. § 42 Abs. 2 AO a. F. bzw. Abs. 1 S. 2 und 3 AO n. F. laufen bei richtiger Gesetzesanwendung nicht leer.1614 Zunächst ist zu beachten, dass keineswegs alle spezialgesetzlichen Missbrauchsnormen auch tatsächlich § 42 AO konkretisieren. Dies ist vielmehr lediglich dann der Fall, wenn dieselben Kriterien zur Missbrauchsbestimmung verwendet werden, wobei eine Typisierung der Kriterien nicht schadet.1615 Normen, die zwar durch die Bekämpfung von „missbräuchlichen Gestaltungen“ motiviert sind, aber im Tatbestand keine oder eine von § 42 AO abweichende Missbrauchsprüfung vornehmen, können § 42 AO aber von vornherein nicht verdrängen.1616 Es handelt sich dann nicht um speziellere Normen, sondern um andersartige Normen, die sich bestenfalls thematisch auf dieselbe Gestaltung beziehen. Selbst in den Fällen, in denen spezialgesetzliche Missbrauchsnormen die Missbrauchskriterien von § 42 AO konkretisieren, ist die subsidiäre Anwendung letzterer nicht ausgeschlossen. Zwar wäre dies das Ergebnis klassischer Gesetzesanwendung, nach der bei Konkretisierung einer allgemeinen Norm durch eine speziellere lediglich die spezielle Norm anzuwenden ist (lex specialis derogat legi generali). Es ist aber nicht ersichtlich, warum der Gesetzgeber selbst die Gesetzesanwendung nicht insofern steuern können soll, als er ausdrücklich neben der speziellen Norm noch die Anwendung der allgemeinen Norm anordnet. Das Zusammenspiel von spezialgesetzlichen Missbrauchsnormen mit der allgemeinen Missbrauchs________________________ 1612 Schell, Subjektive Besteuerungsmerkmale, 221; Drüen, Ubg 2008, 31, 34; ders., in: Tipke/Kruse, § 42 AO, Tz. 20; Wienbracke, DB 2008, 664, 669; nach SchulteRummel, Steuerumgehung und Hinzurechnungsbesteuerung, 226, gibt es eine Vermutung dahingehend, dass sondergesetzliche Missbrauchsbekämpfungsnormen abschließend sind. 1613 Crezelius, DB 2001, 2214, 2215; Drüen, Ubg 2008, 31, 34. 1614 Ebenso Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 42 AO, Tz. 6; Tipke, Steuerrechtsordnung, 1346 f., ging sogar vor der Ergänzung des § 42 AO davon aus, dass die allgemeine Missbrauchsnorm neben allen Spezialnormen vollumfänglich Anwendung findet. 1615 Wie oben, S. 280 f., festgestellt, handelt es sich hierbei vornehmlich um eine Analyse des Sachverhalts nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise; außersteuerliche Gründe bieten lediglich die Möglichkeit für den Steuerpflichtigen, den hierdurch indizierten Missbrauchsverdacht zu entkräften. 1616 Hier ist etwa auf § 15b EStG zu verweisen; die Kriterien der modellhaften Gestaltung und des steuerlichen Vorteils in Form negativer Einkünfte sind § 42 AO fremd (hierzu oben, S. 282); zu weiteren Beispielen, insbesondere ausführlich zu § 4h EStG, Hey, StuW 2008, 167, 171 f.; dies., BB 2009, 1044, 1047; zu der Tendenz von spezialgesetzlichen Missbrauchsnormen, sich über die Zeit von § 42 AO, aus dem sie entwachsen sind, zu „emanzipieren“, Drüen, Ubg 2008, 31, 32 f.
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norm hätte dann insofern Regelbeispiel-1617 bzw. Auffangcharakter.1618 Der Rechtsanwender erhält eine ausdrückliche Prüfungsanweisung, nämlich die Anweisung, zunächst einschlägige spezialgesetzliche Missbrauchsnormen und hernach § 42 AO zu prüfen, so dass Rechtsunsicherheit insofern nicht zu befürchten ist. Schließlich werden Wertungswidersprüche im Recht durch die subsidiäre Anwendbarkeit des § 42 AO für den Fall, dass der Tatbestand der spezialgesetzlichen Missbrauchsnorm nicht vollständig erfüllt ist, sogar reduziert. Bei Annahme einer Abschirmwirkung ergeben sich Wertungswidersprüche nämlich daraus, dass Gestaltungen, die eigentlich von § 42 AO erfasst würden, allein dadurch nicht mehr erfasst werden können, weil der Gesetzgeber eine verwandte andere Gestaltung mittels spezialgesetzlicher Missbrauchsvorschrift bekämpft hat. Auch wenn die besseren Argumente demnach dafür sprechen, dem in § 42 Abs. 2 bzw. nunmehr Abs. 1 S. 2 und 3 AO ausdrücklich erklärten gesetzgeberischen Willen nicht die Gefolgschaft zu verweigern, muss in Anbetracht der eindeutigen Meinungslage in Rechtsprechung und Literatur bis auf Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Einführung von spezialgesetzlichen Missbrauchsnormen ungewollte Abschirmwirkung für nicht unmittelbar von dieser Norm erfasste, aber verwandte Gestaltungen nach sich zieht. Damit führt der Erlass spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen nicht nur, wie oben dargestellt, zu einer weiter erhöhten Komplexität des Steuerrechts mit ihren negativen Auswirkungen auf die Missbrauchsanfälligkeit. Deren Einführung beinhaltet vielmehr zudem das Risiko, dass die allgemeine Missbrauchsnorm in ihrer Wirkung beschränkt wird. Unter Umständen können sich spezialgesetzliche Missbrauchsnormen so insgesamt sogar negativ auf die Missbrauchsbekämpfung auswirken. Spezialgesetzliche Missbrauchsnormen dürfen auch vor diesem Hintergrund nicht nur als Lösung des Problems, sondern müssen gleichzeitig als wesentlicher Bestandteil der Problematik verstanden werden. 3. Auswirkungen der Anzeigepflichten auf diese Problematik Zentraler theoretischer Vorteil von Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion ist es, wie gezeigt, eine schnellere Entscheidung des Gesetzgebers zu ermöglichen.1619 Gerade diese Ausrichtung lässt aber eine Verstärkung des eben beschriebenen Problems befürchten. Wenn nämlich die so gewonnen Informationen – allein schon, um den gewonnenen zeitlichen Vorteil nicht zu ________________________ 1617 So auch Haas, Der Missbrauchstatbestand des § 42 AO, 24 f.; de lege ferenda ebenso Wendt, DStJG 33 (2010), 117, 138. 1618 Das entspricht auch der historischen Entstehung vieler spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen, die in Reaktion auf eine enge Auslegung des § 42 AO durch die Rechtsprechung entstanden sind (hierzu Hey, StuW 2008, 167, 173). 1619 Zum sprichwörtlichen Hase-und-Igel-Wettstreit oben, S. 180 f.
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verspielen – sehr schnell in neue spezialgesetzliche Missbrauchsnormen umgesetzt werden, steht zu befürchten, dass die daraus resultierenden Normen noch weniger als bislang durchdacht sind und damit zu noch größeren Friktionen mit dem übrigen Steuersystem führen.1620 Die Erfahrung jedenfalls mit dem mehr auf die rechtspolitische Funktion ausgerichteten System von Großbritannien zeigt genau dies, nämlich dass sehr punktuelle Missbrauchsnormen sehr zeitig nach der Aufdeckung entsprechender Gestaltungen im Rahmen des Anzeigepflichtsystems erlassen werden.1621 Damit sind aber eher noch mehr „hektische Schnellschüsse“1622 als bisher zu erwarten.1623 Dies auch deswegen, weil bei einer unmittelbar auf die Kenntniserlangung von einer neuen Gestaltung folgenden gesetzgeberischen Reaktion meistens lediglich eine punktuelle Antwort auf die betreffende Gestaltung erfolgen kann.1624 Grundlegende Probleme des existierenden Rechts sowie Gemeinsamkeiten mehrerer Gestaltungen treten aber regelmäßig erst bei der Zusammenschau verschiedener Gestaltungen sowie bei der Betrachtung von Gestaltungsgruppen über eine gewisse Zeit zutage. Die Ausrichtung an schnellen, lediglich punktuellen Änderungen zeigt sich auch im deutschen Entwurf 2007: Zum einen offenbart sich diese in der Beschränkung der persönlichen Anzeigepflicht auf Vermarkter ab einem Jahresumsatz von 250.000 €, indem damit maßgeblich auf das Steuerausfallrisiko abgestellt wird.1625 Es geht mithin offenbar nicht um das Erkennen systematischer Lücken allgemein, sondern um einzelfallbezogene Steuerrechtsergänzungen je nach (Steuergestaltungs-)Marktlage. Eine Fortsetzung des Katz-undMaus-Spiels mit anderen Mitteln ist in diesem System geradezu angelegt. Auch offenbarte der Entwurf die Absicht des Bundesfinanzministeriums, möglichst schnell mit Gesetzesänderungen reagieren zu wollen. Dies zeigt sich etwa an der Beschränkung der laufenden Berichtspflicht auf die ersten zwei Jahre. Offenbar wurde davon ausgegangen, dass regelmäßig bereits ________________________ 1620 Hierzu auch Weisbach, 55 Tax Law Review (2002), 215, 226, 229 und 236 f. 1621 Siehe zu den Auswirkungen der Einführung des Anzeigepflichtsystems auf die Missbrauchsgesetzgebung in Großbritannien oben, S. 182 f. 1622 Hierzu Drüen, StuW 2008, 154, 166. 1623 Ein besonders eindrückliches Beispiel ist aus dem Januar 2009 in Großbritannien zu berichten; hier vergingen zwischen dem Eingang der Anzeige beim HMRC und dem durch diese angestoßenen Gesetzesvorschlag zur Änderung des materiellen Rechts lediglich 5 Tage (hierzu Tailby, 986 The Tax Journal (2009), 23, 24). 1624 Zur Problematik der mangelnden Abstraktionshöhe als Merkmal schlechter Gesetzgebungsqualität, siehe etwa Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, 67. 1625 So ausdrücklich die Begründung des Entwurfs, Entwurf v. 25.6.2007, 9, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 78; die nahe liegende Alternativbegründung für diese Beschränkung mit dem für kleine Vermarkter unverhältnismäßigen Aufwand fehlt hingegen in der Entwurfsbegründung.
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innerhalb von zwei Jahren den entsprechenden Lücken materiellrechtlich begegnet werden soll.1626 Realistischerweise hätte die Einführung eines derartigen Anzeigepflichtsystems in Deutschland damit schnellere, kurzatmigere und damit wohl auch zahlreichere gesetzgeberische Reaktionen zur Folge.1627 Die beschriebene Problematik der spezialgesetzlichen Missbrauchsnormen würde durch Anzeigepflichten somit wohl sogar vergrößert.1628 Die neuen – vermutlich technisch noch weniger gelungenen – Gesetze würden Grundlage für weitere Gestaltungen bieten. – Ein Wettlauf, den die Finanzverwaltung nicht gewinnen kann.1629 Umgekehrt kann lediglich eine grundlegende Vereinfachung des Steuersystems zu einem nachhaltigen Rückgang derartiger Gestaltungen führen.1630 Wie aus________________________ 1626 So auch Ehlermann/Nakhai, 47 Tax Notes International (2007), 316, 318. 1627 Die Häufigkeit der Gesetzesänderungen hat sich in Deutschland auch ohne Anzeigepflichtsystem bereits deutlich erhöht; so stellt der Bundesrechnungshof fest, dass sich zwischen 2006 und 2010 die Zahl der jährlichen Gesetzesänderungen im Einkommensteuerrecht von 7,5 auf fast 10 erhöht hat (vgl. Bundesrechnungshof, Bericht v. 17.1.2012 über den Vollzug der Steuergesetze, 12 ff.). 1628 An anderen mit spezialgesetzlichen Missbrauchsnormen verbundenen Problemen und Risiken, wie insbesondere der Abschirmwirkung auf die allgemeinen Missbrauchsnorm, können Anzeigepflichten von vornherein nichts ändern. 1629 Ebenso Schler, 55 Tax Law Review (2002), 325, 373, sowie Weisbach, 55 Tax Law Review (2002), 215, 229. 1630 Bankman, 57 National Tax Journal (2004), 925, 934; Schenk, 110 Tax Notes (2006), 1311, 1318; Fischer, StuW 1995, 87, 95 m. w. N.; Rödder, DStJG 33 (2010), 93, 103; so auch der IRS mit News Release IR-2005-38 v. 29.3.2005, der aus dem hohen tax gap der USA einen Aufruf zur Vereinheitlichung und Vereinfachung des US-Steuerrechts ableitet; ob daneben auch die Senkung der Steuerlast auf ein „akzeptables“ Maß sich merklich auf die Verbreitung der rechtspolitisch unerwünschten Gestaltungen auswirken würde, muss bezweifelt werden (a. A. Naujok, IStR 2003, 860, 864; Müller-Gatermann, Stbg 2007, 145, 147; Evans, Containing Tax Avoidance, 14); zwar ist es sicherlich – und aus auf der Hand liegenden Gründen – so, dass der Anreiz zu steuergünstigen Gestaltungen mit der absoluten Steuerbelastung steigt; es ist aber fraglich, ob es überhaupt Steuersätze gibt, die als akzeptabel empfunden werden und, wenn dies doch der Fall sein sollte, ob eine derartige Wahrnehmung auch tatsächlich zu einer Abnahme rechtspolitisch unerwünschter Gestaltungen führen würde (siehe etwa Holtgrewe, Der Steuerwiderstand, 49 ff., wonach eine Steuer kaum als „gerecht“ wahrgenommen werden könne, sondern vielmehr lediglich dann wenig Widerstand erwarten ließe, wenn sie „unauffällig“ ist, was wiederum weniger mit der Höhe, sondern mit der Erhebungsart der Steuer zu tun habe; die „Unmerklichkeit“ im Gegensatz zur konkreten Höhe der Steuer stellt auch Schmölders, Finanz- und Steuerpsychologie, 53 ff., in den Vordergrund; zur Relativität dessen, was als „akzeptabel“ angesehen wird, auch unter historischer Sicht, Schmölders, a. a. O., 60 f.; empirische Studien der letzten 25 Jahren ergeben kein einheitliches Bild zum Einfluss des Grenzsteuersatzes auf Steuerehrlichkeit (hierzu Kirchler, The Economic Psychology of Tax Behaviour, 114 f. m. w. N.)); jedenfalls im Bereich der Unternehmensbesteuerung ist
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geführt, ist es gerade die Komplexität des bestehenden Steuerrechts, die missbräuchlichen Gestaltungen eine Vorlage liefert und die Anwendung von § 42 AO vereitelt. Anstelle noch häufigerer hektischer spezialgesetzlicher Missbrauchsgesetzgebung wäre – bei allen tatsächlichen und rechtlichen Grenzen einer Steuersystemvereinfachung1631 – die Rückbesinnung auf eine sorgfältigere und prinzipiengeleitete Steuergesetzgebung, die einsichtige Belastungsgründe mit einer nachvollziehbaren Teleologie schafft, das beste Konzept zur Missbrauchsabwehr.1632 Dafür bedarf es aber gerade keines auf einzelne bestehende Lücken und Inkongruenzen ausgerichteten Anzeigepflichtsystems.
________________________ eher davon auszugehen, dass Umgehungs- und Arbitragegestaltungen – unabhängig von dem Empfinden einer zu hohen Steuerlast – schlicht auf der Verfügbarkeit derartiger Gestaltungen und dem Bestreben der Unternehmen zur Reduzierung der allgemeinen Kostenlast beruhen (hierzu etwa Shaviro, Corporate Tax Shelters in a Global Economy, 21; zum Zusammenhang der Entwicklung von Unternehmensteuerabteilungen zu „profit centers“ und der Zunahme von Steuerumgehungsgestaltungen, Avi-Yonah, Corporate Social Responsibility and Strategic Tax Behavior, 193); im Einzelfall kann eine Senkung der Steuersätze aber ggf. infolge der Tatsache, dass mit dem Rückgang der generellen Steuerbelastung der „Ertrag“ einer derartigen Steuerumgehungs- oder -arbitragegestaltung bei gleichbleibenden Transaktionskosten sinkt, infolge geänderter Kosten-Nutzen-Rechnung der Steuerpflichtigen zur Abstandnahme von der Gestaltung führen. 1631 Gerade auch die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass sich eine generelle und grundlegende Vereinfachung des Steuerrechts massiven politischen Widerständen ausgesetzt sieht; daneben stoßen Bemühungen zu genereller Vereinfachung des Steuerrechts auch auf verfassungsrechtliche Grenzen, insbesondere weil Gleichheitsgesichtspunkte nicht selten detaillierte und komplizierte Regelungen bedingen (vgl. zu den Vereinfachungsbestrebungen etwa die Diskussion der Finanzgerichtstage der letzten Jahre, etwa bei Brandt, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 3, 3 f. und 5); einerseits erfordert eine realitätsgerechte Abbildung von Lebenssachverhalten in all ihrer Komplexität entsprechend differenzierte rechtliche Tatbestände (James, British Tax Review 2008, 392; Neumann, DStJG 33 (2010), 73, 77); gleichzeitig ist aber auch festzustellen, dass ein komplexes Steuerrecht wegen der Schwierigkeit des gleichmäßigen Vollzugs zu einem Weniger an Gerechtigkeit führt (vgl. Vogel, DStJG 12 (1989), 123, 131 ff.; aus rechtshistorischer Sicht hierzu auch Kirchhof, DStJG 33 (2010), 9, 13); schließlich ist auch zu bedenken, dass selbst eine vereinfachend wirkende Neuausrichtung im Steuerrecht unter Umständen wiederum Grundlage für Umgehungsgestaltungen sein kann (vgl. etwa Bankman, 57 National Tax Journal (2004), 925, 935, am Beispiel der Überlegungen zur Einführung einer stringenten Konsumbesteuerung in den USA). 1632 Schön, „Grauzonen und Drohgebärden“, Handelsblatt v. 27.7.2007; Drüen, StuW 2008, 154, 166; Kessler/Eicke, BB 2007, 2370, 2376; Schler, 55 Tax Law Review (2002), 325, 373; siehe zur Vereinfachungsforderung auch Engels, Bundesrechnungshof: Probleme beim Vollzug der Steuergesetze, 158 f., sowie Bundesrechnungshof, Bericht v. 17.1.2012 über den Vollzug der Steuergesetze, 21.
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IV. Rechtliche Grenzen für den Erlass spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen Bei der Analyse von den Erlass spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen vorbereitenden Anzeigepflichten ist schließlich auch zu beachten, ob Missbrauchsnormen, die auf Informationen aus dem Anzeigepflichtsystem beruhen, überhaupt erlassen werden dürften. Denn wenn vorauszusehen ist, dass derartige Gesetzesänderungen im materiellen Recht mit höherrangigem Recht nicht in Einklang stehen, sind auch entsprechende Anzeigepflichten ihrer rechtspolitischen Funktion von vornherein beraubt. 1. Inkongruenzen zwischen den Steuersystemen Diese Problematik tritt besonders deutlich bei Anzeigepflichten zutage, die auf grenzüberschreitende Gestaltungen abzielen. So bezog sich etwa der deutsche Entwurf 2007 im Wesentlichen auf Steuerarbitragevorteile, die sich aus Inkongruenzen1633 zweier Rechtssysteme ergeben. Als Beispiel führt die Begründung des Gesetzesentwurfs die unterschiedliche Zurechnung steuerlichen Eigentums an, die im Ergebnis zu einem zweifachen steuerlichen Abzug in den beteiligten Ländern führt.1634 Fraglich ist allerdings, wie der deutsche Gesetzgeber Informationen, die aus derartigen Offenbarungspflichten gewonnen werden, umzusetzen gedachte.1635 a) Rechtsvereinheitlichung Der deutsche Entwurf von 2007 erwähnt in diesem Zusammenhang das Ziel der Steuerkoordination zwischen den EU-Mitgliedstaaten,1636 also eine Rechtsangleichung des Steuerrechts auf europäischer Ebene.1637 Eine derartige An________________________ 1633 „Strukturell angelegte, unerwünschte, sich aus dem Zusammenspiel von zwei Rechtsordnungen ergebende Steuerschlupflöcher“ (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 6 f., sowie Entwurf v. 11.9.2007, 73). 1634 Vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 7, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 74. 1635 Im Ansatz ist dem deutschen Fiskus die Berechtigung, gegen derartige Inkongruenzen anzugehen, aber nicht abzusprechen (a. A. Wassermeyer, Verfahrensrechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, B. IV.); zwar ist es zutreffend, dass viele anzeigepflichtige Situationen lediglich Folge der fehlenden internationalen Harmonisierung von Gewinnermittlungsvorschriften und sonstiger steuerlicher Regelungen sind oder auf der freien Entscheidung eines anderen Staates beruhen, von seinem Besteuerungsrecht nicht Gebrauch zu machen; allein daraus folgt aber noch nicht, dass der deutsche Fiskus derartige Inkongruenzen stets hinzunehmen hat. 1636 Entwurf v. 25.6.2007, 6, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 72; dies sehen auch Wilks/ Arenstein/Greenfield, European Taxation 2007, 47, 47, als zusätzlichen, eigenständigen Zweck von Anzeigepflichtsystemen. 1637 Zur Bedeutung der „Steuerkoordination“ als Rechtsangleichung auch die vom Entwurf in Bezug genommene Kommissionsmitteilung v. 24.11.2003, KOM(2003)726, „Ein Binnenmarkt ohne unternehmenssteuerliche Hindernisse“, S. 7 f.
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gleichung der steuerlichen Vorschriften würde eine grenzüberschreitende Steuerarbitrage in den betroffenen Ländern in der Tat verhindern. Handelt es sich hierbei jedoch um eine lediglich punktuelle Vereinheitlichung, so sind wiederum im jeweiligen nationalen Steuerrecht Friktionen zu befürchten.1638 Bei einer grundlegenden und umfassenden Rechtsangleichung hingegen bestünde dieses Risiko zwar nicht.1639 Es ist aber nicht recht ersichtlich, inwiefern es für eine grundlegende und umfassende Rechtsangleichung der Analyse aktueller punktueller Inkongruenzen bedarf, wie sie ein Anzeigepflichtsystem allein liefern könnte.1640 b) Spezialgesetzgebung für grenzüberschreitende Gestaltungen Sehr viel naheliegender und plausibler ist, dass derartige Anzeigepflichten zu einer einseitigen Änderung bzw. Ergänzung mitgliedstaatlicher Regelungen im Hinblick auf missbrauchsanfällige grenzüberschreitende Fallgestaltungen führten. Ein solcher Ansatz stieße allerdings wiederum schnell an europarechtliche Grenzen, führte er doch regelmäßig zu einer ungleichen Behandlung inländischer und grenzüberschreitender Sachverhalte nach mitgliedstaatlichem Steuerrecht und damit zu einer Beschränkung der Grundfreiheiten der ________________________ 1638 Die Situation ist insofern ähnlich gelagert wie oben zu spezialgesetzlichen Missbrauchsvorschriften beschrieben; wenn die bisherige Regelung im innerstaatlichen Regelungskontext systemgerecht und widerspruchsfrei war, steht zu befürchten, dass eine punktuelle Änderung ggf. vielfältige Folgeprobleme nach sich zöge und u. U. vor dem verfassungsrechtlichen Gebot der Systemgerechtigkeit keinen Bestand hätte; die Lösung des erwähnten Beispiels aus der Gesetzesbegründung etwa erforderte eine Neuordnung der steuerlichen Güterzuordnung; eine solche ließe zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen steuerlichen Regelungskomplexen befürchten. 1639 Auf einem ganz anderen Blatt steht, dass derart grundlegende und umfassende Rechtsangleichungen politisch nur schwer zu erreichen sind (vgl. etwa zu den Erfahrungen mit der Einführung einer einheitlichen körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage (CCCTB) Gnaedinger, 52 Tax Notes International (2008), 694, sowie Spengel/ Oesterreicher, DStR 2009, 773; zur deutschen Reaktion auf den Richtlinienvorschlag der EU-Kommission v. 16.3.2011, KOM(2011) 121/4, vgl. Riedel, „Berlin torpediert Firmensteuer-Reform“, Handelsblatt v. 11.5.2011, 18). 1640 Die Begründung des deutschen Gesetzesentwurfs von 2007 war in diesem Zusammenhang auch im Übrigen nicht ganz verständlich; der Entwurf stellte dar, dass Informationen zu den grenzüberschreitenden Gestaltungen nötig seien, um die Amtshilferichtlinie (EG-Richtlinie v. 19.12.1977, (77/799/EWG), ABl. L 336 v. 27.12.1977, S. 15; zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. L 363 v. 20.12.2006, S. 129) überhaupt anwenden zu können (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 7, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 74); hier ist aber zu beachten, dass die Amtshilferichtlinie nur Informationserteilung mit dem Ziel korrekter Steuerfestsetzung im Einzelfall sowie erfolgreicher Beitreibung von Steuerforderungen umfasst (vgl. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie), gerade also nicht Informationen zu Zwecken der Änderung der Steuergesetze.
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Steuerpflichtigen.1641 Diese Beschränkung stellte eine Verletzung der Grundfreiheiten dar, wenn sie nicht gerechtfertigt werden könnte. Allein durch eine Gestaltung bedingte Steuermindereinnahmen sind für eine Rechtfertigung von vornherein nicht ausreichend.1642 Näher zu untersuchen sind im Folgenden aber die Rechtfertigungsgründe der Bekämpfung von Gestaltungsmissbrauch (hierzu aa)) sowie der Kohärenz (hierzu bb)).1643 aa) Bekämpfung des Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten Nahe liegend wäre, bei Vorschriften gegen Steuerarbitrage an den Rechtfertigungsgrund der Bekämpfung von Gestaltungsmissbrauch bzw. Steuerumgehung zu denken. Dieser ist vom EuGH allerdings lediglich für nationale Regelungen akzeptiert, die speziell bezwecken, rein künstliche Konstruktionen, die auf eine Umgehung des nationalen Steuerrechts gerichtet sind, auszuschließen.1644 Steuerarbitragegestaltungen sind aber häufig nicht rein künstlich,1645 sondern mit wirtschaftlicher Substanz ausgestattet. Sie nutzen lediglich Inkongruenzen zwischen den Steuersystemen der beteiligten Staaten.1646 Allein aus einer Steuervermeidungsabsicht folgt noch kein Steuermissbrauch im Sinne der grundfreiheitlichen Rechtfertigung.1647 ________________________ 1641 Siehe dazu, dass hinter einer solchen Beschränkung letztlich eine versteckte Diskriminierung in der Form der Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Falls im Vergleich zum Inlandsfall zu sehen ist, Lammel/Reimer, Europäisches Unternehmenssteuerrecht, 179, sowie Friese, Rechtsformwahlfreiheit im Europäischen Steuerrecht, 82 ff. 1642 EuGH v. 6.4.2000, C-286/95 (ICI), Tz. 28; EuGH v. 8.3.2001, C-397/98 und C-410/98 (Metallgesellschaft/Hoechst), Tz. 59; EuGH v. 12.12.2002, C-324/00 (LankhorstHohorst), Tz. 36; EuGH v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Tz. 50; EuGH v. 7.9.2004, C-319/02 (Manninen), Tz. 49; EuGH v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Tz. 44; EuGH v. 12.9.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Tz. 49; EuGH v. 14.9.2006, C-386/04 (Stauffer), Tz. 59. 1643 Weitere anerkannte Rechtfertigungsgründe sollen hier ausgeklammert bleiben. Dies heißt nicht, dass nicht einzelne Missbrauchsvorschriften u. U. auf andere Rechtfertigungsgründe, etwa den Territorialitätsgrundsatz, gestützt werden können. 1644 EuGH v. 6.4.2000, C-286/95 (ICI), Tz. 26; EuGH v. 12.12.2002, C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Tz. 37; EuGH v. 11.3.2004, C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Tz. 50 f.; EuGH v. 12.9.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Tz. 51; EuGH v. 13.3.2007, C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Tz. 74; EuGH v. 29.3.2007, C-347/04 (REWE Zentralfinanz), Tz. 51; EuGH v. 18.7.2007, C-231/05 (Oy AA), Tz. 62. 1645 Zu Fallgruppen, in denen der EuGH rein künstliche Gestaltungen angenommen hat, Schön, Abuse of rights, 87 ff. 1646 Siehe zum vergleichbaren Problem bei § 42 AO, der ebenso wie der Missbrauchsbegriff im Rahmen der grundfreiheitlichen Rechtfertigungen derartige Arbitragegestaltungen nicht erfasst, oben, S. 284. 1647 EuGH v. 12.9.2006, C-196/04 (Cadbury Schweppes), Tz. 64; siehe hierzu allgemein Schön, Abuse of rights, 93.
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bb) Kohärenz Womöglich können Regelungen zur Verhinderung grenzüberschreitender Arbitrage aber durch Kohärenzüberlegungen gerechtfertigt werden. Daran ist zu denken, nachdem der EuGH in den letzten Jahren in mehreren Urteilen grenzüberschreitende Gesamtbelastungsüberlegungen angestellt und Steuerbelastungen in einem Mitgliedstaat angesichts steuerlicher Minderbelastungen in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen hat. So wurde in der Rechtssache Schempp anerkannt, dass ein Staat einen steuerlichen Abzug beim Zahlenden, hier Sonderausgabenabzüge im Rahmen des Realsplittings, davon abhängig machen darf, dass im anderen Staat der Einnahmezufluss beim Zahlungsempfänger auch tatsächlich besteuert wird.1648 Wenig später hat der EuGH in der Rechtssache Marks & Spencer die Verhinderung einer doppelten Verlustberücksichtigung in zwei Staaten als zulässigen Grund für eine beschränkende Regelung angesehen;1649 dies hat er im Jahr 2008 in der Rechtssache Lidl bestätigt.1650 Dieser grenzüberschreitende Belastungsvergleich fügt sich ein in die Argumentation des EuGH in Urteilen wie Manninen, Test Claimaints in the FII Group Litigation oder CLT-UFA, in denen der EuGH – wenngleich in diesem Zusammenhang nicht rechtfertigend, sondern als Argument gegen die belastende Maßnahme – eine Gesamtschau zwischen der Besteuerung des Gesellschafters in einem Mitgliedstaat und der Besteuerung der Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat vorgenommen hat.1651 Ganz ähnlich hat der Generalanwalt Mengozzi in der Rechtssache Columbus Container Services einen grenzüberschreitenden Belastungsvergleich angestellt, um die fehlende Kohärenz von § 20 Abs. 3 AStG a. F.1652 aufzuzeigen.1653 Gemeinsam ist die________________________ 1648 EuGH v. 12.7.2005, C-403/03 (Schempp), Tz. 28 ff.; der EuGH verneint hier aber bereits das Vorliegen einer Diskriminierung, prüft rechtstechnisch also nicht erst auf Ebene der Rechtfertigung. 1649 EuGH v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Tz. 47. 1650 EuGH v. 15.5.2008, C-414/06 (Lidl), Tz. 35 ff. 1651 EuGH v. 7.9.2004, C-319/02 (Manninen), Tz. 35 ff. sowie 44 ff.; EuGH v. 23.2.2006, C-253/03 (CLT-UFA), Tz. 27; EuGH v. 12.12.2006, C-446/04 (Test Claimants and the FII Group Litigation), Tz. 93 und 163; ebenso der Generalanwalt Maduro in seinen Schlussanträgen v. 7.4.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), Tz. 76 f. 1652 § 20 Abs. 3 AStG wurde durch das Missbrauchs- und Steuerbereinigungsgesetz v. 21.12.1993, BGBl. 1993 I, 2310, eingeführt und mit Gesetz v. 20.12.1996, BGBl. 1996 I, 2049, wieder aufgehoben; die Norm sah in gewissen Situationen für im Ausland gezahlte Vermögensteuer die Anrechnungs- anstelle der Freistellungsmethode vor. 1653 Schlussanträge v. 29.3.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Tz. 196 f.; der EuGH hingegen führte zur grenzüberschreitenden Gesamtschau des Generalanwalts im Rahmen der Kohärenzrechtfertigung nicht aus, da er bereits keine Beschränkung der Grundfreiheiten annahm (vgl. EuGH v. 6.12.2007, C-298/05 (Columbus Container Services); beachtlich an dieser Entscheidung ist aber, dass der EuGH für die Prüfung der Gleichbehandlung die im anderen Mitgliedstaat anfallende
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sen Entscheidungen und den Schlussanträgen ein Verständnis, das Kohärenz nicht mehr aus dem Blickwinkel allein eines Steuersystems, sondern beider beteiligter Steuersysteme gemeinsam beurteilt.1654 Für grenzüberschreitende Steuerarbitragegestaltungen und hiergegen gerichtete Missbrauchsvorschriften ist dies von besonderer Relevanz, weil diese Gestaltungen gerade das Fehlen eines grenzüberschreitenden einheitlichen Steuersystems ausnutzen. Allerdings wäre es trotz dieser Ansätze falsch zu erwarten, der EuGH hieße künftig auf Kohärenzüberlegungen gestützt sämtliche Regelungen gut, die zur Bekämpfung von Steuerarbitrage grenzüberschreitende Gestaltungen einseitig belasten. Der auf einer Gesamtschau der grenzüberschreitenden Belastungen beruhende Ansatz in den erwähnten Urteilen steht vielmehr dem in zahlreichen anderen Entscheidungen geprägten klassischen Kohärenzverständnis entgegen.1655 Hiervon weicht der EuGH auch nicht ausdrücklich ab. Einer expliziten Stellungnahme zu einer erleichterten Kohärenzrechtfertigung geht er vielmehr dadurch aus dem Weg, dass er entweder die Gesamtschau der grenzüberschreitenden Belastungen gar nicht im Rahmen der klassischen Kohärenzprüfung vornimmt,1656 obwohl dies thematisch die richtige Verortung gewesen wäre,1657 oder einen für die Kohärenzrechtfertigung erforder________________________
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Steuer ausdrücklich nicht einbezieht, obgleich sie zu einer höheren Gesamtbelastung führt (Columbus Container Services, a. a. O., Tz. 37 ff.). Zu diesem Gedanken Stahlschmidt, FR 2006, 249, 260; Lang, Wende der Rechtsprechung, 374; Axer, IStR 2007, 162, 167, verwendet hierfür den Begriff der „InterSystem-Kohärenz“. So schließen etwa die Entscheidungen EuGH v. 16.7.1998, C-264/96 (ICI), Tz. 29; EuGH v. 26.10.1999, C-294/97 (Eurowings), Tz. 43 f.; EuGH v. 6.6.2000, C-35/98 (Verkooijen), Tz. 56 ff.; sowie EuGH v. 15.7.2004, C-315/02 (Lenz), Tz. 42, Belastungen und Vorteile nach dem Steuersystem eines anderen Mitgliedstaats aus den Überlegungen aus; in der Literatur ausdrücklich in diese Richtung etwa Sedemund, IStR 2001, 190, 192, sowie kürzlich noch Verdoner, European Taxation 2009, 274, 280 f.; dieses klassische Kohärenzverständnis bestätigt Generalanwalt Mengozzi, Schlussanträge v. 29.3.2007, C-298/05 (Columbus Container Services), Tz. 188, jedenfalls für die Rechtslage vor Manninen. In der Rechtssache Schempp verneint der EuGH gestützt auf diese Überlegungen bereits das Vorliegen einer Diskriminierung; in der Rechtssache Marks & Spencer wählt der EuGH nicht Kohärenz als Aufhänger seiner Rechtfertigungsprüfung, sondern den neuen Rechtfertigungsgrund der Verhinderung doppelter Verlustberücksichtigung; diesen prüft er zudem lediglich in der Zusammenschau mit zwei weiteren Rechtfertigungsgründen; in der Rechtssache Manninen verwendet der EuGH den Ansatz der grenzüberschreitenden Gesamtschau lediglich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, nicht aber schon bei der Frage des rechtfertigungsbegründenden Konnexes; damit kann die Gesamtschau lediglich rechtfertigungsbeschränkend wirken (Tz. 45 f.). So Generalanwalt Maduro in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache Marks & Spencer, C-446/03, vom 7.4.2005, Tz. 65 ff. und 76 f.; Cloer, EWS 2005, 366, 368 zur Rechtssache Schempp; Schnitger, IStR 2005, 170, 171, bereits zu den entspre-
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lichen Konnex jedenfalls im konkreten Fall verneint.1658 Speziell die entsprechenden Ausführungen in Marks & Spencer schränkte der EuGH später selbst in mehrfacher Weise ein.1659 Insgesamt ist damit keine neue klare Linie, wenn auch ein neuer Ansatz zu erkennen.1660 Es ist nicht ersichtlich, welche Richtung der EuGH hier in künftigen Entscheidungen einschlagen wird. In den jüngeren Entscheidung Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation und Test Claimants in the CFC and Dividend Group Litigation hat der EuGH Signale in beide Richtungen gegeben, indem er einerseits eine Gesamtschau der Belastungen und steuerlichen Vorteile nicht grundsätzlich ausschloss, andererseits aber hohe Anforde-
________________________ chenden Schlussanträgen des Generalanwalts Geelhoed; Lang, Wende der Rechtsprechung, 373 f.; Lang, ET 2006, 54, 60, im Hinblick auf Marks & Spencer, mit der expliziten Vermutung, der EuGH habe den Bezug auf die Kohäsion deshalb unterlassen, um nicht den Bruch mit bisheriger Rechtsprechung offenbaren; ebenso allgemein Lang, Die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, 102; Albath/ Wunderlich, EWS 2007, 205, 207 f. 1658 So etwa EuGH v. 12.12.2006, C-446/04 (Test Claimants and the FII Group Litigation), Tz. 93; EuGH v. 29.3.2007, C-347/04 (REWE Zentralfinanz), Tz. 60 ff. Auch ein erweitertes Kohärenzverständnis muss sich gegenüber dem Kompensationsverbot bzw. dem Verbot des Vorteilsausgleichs abgrenzen, wonach nicht jegliche Kompensation eines Nachteils rechtfertigend wirken kann, sondern lediglich eine Kompensation durch mit dem Nachteil systematisch zusammenhängende Vorteile (vgl. zu diesem Spannungsverhältnis Lang, Die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, 54 f.). 1659 So weist der EuGH in der Rechtssache REWE Zentralfinanz darauf hin, dass der Rechtfertigungsgrund in der Entscheidung Marks & Spencer lediglich neben und im Zusammenhang mit zwei weiteren Rechtfertigungsgründen bejaht hat (vgl. EuGH v. 29.3.2007, C-347/04 (REWE Zentralfinanz), Tz. 41; in der Entscheidung Lidl hat der EuGH nun aber auch eine Rechtfertigung bejaht, wenn nur zwei der drei in Marks & Spencer genannten Rechtfertigungsgründe vorliegen (EuGH v. 15.5.2008, C-414/06 (Lidl), Tz. 40 ff.)); auch tatsächlich schränkt der EuGH den Anwendungsbereich von Marks & Spencer ein: Eine drohende doppelte Verlustberücksichtigung im Sinne des dort geprüften Rechtfertigungsgrundes liege jedenfalls dann nicht vor, wenn die Muttergesellschaft lediglich Teilwertabschreibungen infolge der Verluste ihrer Tochtergesellschaft geltend macht, nicht aber die direkte Berücksichtigung dieser Verluste auf der Ebene der Muttergesellschaft begehrt (REWE Zentralfinanz, Tz. 47 f.; vergleichbar im Hinblick auf Konzernbeitragsregelungen auch EuGH v. 18.7.2007, C-231/05 (Oy AA), Tz. 57). 1660 Vanistendael, EC Tax Review 2005, 208, 220–222; Hahn, DStZ 2005, 507, 512; Stahlschmidt, FR 2006, 249, 261; Lang, Wende der Rechtsprechung, 373 f.; Albath/ Wunderlich, EWS 2007, 205, 207; kritisch zur grenzüberschreitenden Gesamtschau Lang, ET 2006, 54, 58, Kube, 239 ff., sowie Vanistendael, EC Tax Review 2008, 52, 60 f.
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rungen an einen Zusammenhang zwischen beiden stellte.1661 In der Rechtssache Amurta SGPS wiederum hat der EuGH die Frage, ob Kohärenz grenzüberschreitend beurteilt werden kann, ausdrücklich offen gelassen.1662 In jedem Fall ergibt sich für die häufigen Fälle, in denen ein doppelter Vorteil bei einer Gestaltung gerade dadurch möglich ist, dass einer der Mitgliedstaaten durch den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens auf die Ausübung seiner Steuerhoheit verzichtet hat, eine weitere Einschränkung der Kohärenzrechtfertigung. In diesem Fällen untersagt der EuGH nämlich dem sich selbst mittels Abkommens der Steuerbefugnis beraubenden Staat generell den Einwand zur Verteidigung einer beschränkenden Norm, die dadurch sichergestellte zumindest einmalige Besteuerung durch diesen Staat diene grenzüberschreitenden Kohärenzerfordernissen.1663 In Anbetracht der lediglich verdeckten Anwendung von Gesamtschaugrundsätzen zu Rechtfertigungszwecken, der zahlreichen erfolgten Einschränkungen und der Tatsache, dass abgesehen von den Urteilen Schempp und Marks & Spencer die Gesamtschau bislang ersichtlich kein für den jeweils betroffenen Fiskus positives Ergebnis zeitigte, steht jedenfalls aber nicht zu erwarten, dass Regelungen gegen Steuerarbitragegestaltungen künftig regelmäßig vom EuGH aufrecht erhalten werden. Ohnehin scheidet diese Rechtfertigung von vornherein aus, wenn die Anzeigepflicht nicht – wie nach dem deutschen Entwurf von 2007 – spezifisch an Steuerarbitrage, also die doppelte Erzielung steuerlicher Vorteile oder die doppelte Vermeidung einer steuerlichen Belastung, anknüpft. Den israelischen Fallgruppen mit Auslandsbezug etwa fehlt dieser spezifische Bezug auf ________________________ 1661 Insbesondere EuGH v. 13.3.2007, C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Tz. 68 f.: Der die belastende Norm verteidigende Mitgliedstaat müsse darlegen, dass nach seinen Rechtsvorschriften in Verbindung mit seinen Doppelbesteuerungsabkommen jede Erhöhung der steuerpflichtigen Gewinne […] dadurch ausgeglichen werde, dass [… im jeweils anderen Staat] ein steuerlicher Vorteil gewährt wird (Hervorhebung nicht im Original); ähnlich auch EuGH v. 23.4.2008, C-201/05 (Test Claimants in the CFC and Dividend Group Litigation), Tz. 64 ff., in Bezug auf die Beschränkung der Steuergutschrift für Dividenden aus gebietsfremden Gesellschaften auf Beteiligungsverhältnisse von mindestens 10 Prozent der Stimmrechte; letztlich greift der EuGH hier auf den sogenannten Anerkennungsgrundsatz zurück (zu diesem ausführlicher unten, ab S. 365). 1662 EuGH v. 8.11.2007, C-379/05 (Amurta SGPS), Tz. 45 und 52. 1663 EuGH v. 28.2.2008, C-293/06 (Deutsche Shell), Tz. 51, in Bezug auf eine grenzüberschreitende Gesamtschau; ähnlich bereits EuGH v. 11.8.1995, C-80/94 (Wielockx), Tz. 23 ff. im Zusammenhang einer damals noch durch das Steuersystem begrenzten Kohärenzprüfung.
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Steuerarbitrage.1664 Sie stellen allein auf die Beteiligung an Auslandsgesellschaften in Niedrigsteuerländern bzw. Basisgesellschaften in Vertragstaaten ab. Nicht die steuerliche Gesamtschau, sondern allein eine aus israelischer Sicht missbräuchliche Einkommensverlagerung ist damit Anknüpfungspunkt der Anzeigepflicht. Damit kommt in Bezug auf Fallgruppen, die den israelischen gleichen, grundsätzlich lediglich der Rechtfertigungsgrund der Steuermissbrauchsbekämpfung, nicht aber der Kohärenz in Betracht.1665 Das bedeutet insgesamt, dass Anzeigepflichten, nach denen spezifisch grenzüberschreitende Gestaltungen anzeigepflichtig sind, nur eingeschränkt den Zweck haben können, die Erforderlichkeit von Gesetzesänderungen offen zu legen und diese inhaltlich vorzubereiten.1666 2. Besteuerungslücken infolge Doppelbesteuerungsrechts Fraglich ist, ob sich anderes ergibt, wenn die Anzeigepflicht nicht auf Inkongruenzen zwischen Steuersystemen, sondern vielmehr auf Besteuerungslücken infolge des Rechts der Doppelbesteuerungsabkommen abzielt.1667 Insofern sind die Anzeigepflichten mögliche Grundlage für unilaterale Rückfallklauseln bzw. subject to tax-Klauseln.1668 Derartige Klauseln werden häufig einen Verstoß gegen die Doppelbesteuerungsabkommen darstellen (treaty override).1669 Nach überkommener Auffassung begründet ein solcher Vertragsverstoß zwar keine Zweifel an der Wirksamkeit der formellgesetzlichen ________________________ 1664 Hierzu oben, S. 123; dazu, dass die israelischen Regelungen selbst ohnehin maßgeblich veranlagungsunterstützend und nicht etwa rechtspolitisch geprägt sind, oben, S. 176. 1665 Auf die Frage, unter welchen besonderen Voraussetzungen derartige Gesetzesänderungen ausnahmsweise durch andere zwingende Allgemeinwohlbelange, etwa die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten oder das Territorialprinzip, gerechtfertigt werden können, soll hier nicht weiter eingegangen werden. 1666 Von dieser Einzelfrage im Rahmen der rechtspolitischen Funktion von Anzeigepflichten zu unterscheiden ist das Problem, ob Anzeigepflichten selbst die Grundfreiheiten verletzten, wenn sie spezifisch an grenzüberschreitende Transaktionen anknüpfen (hierzu unten, S. 363 ff.). 1667 Eine der sieben Fallgruppen im deutschen Entwurf bezog sich auf diese Konstellation: „Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung werden durch die Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt und angewandt“ (hierzu oben, S. 159). 1668 Kurzfristige Anpassung der Doppelbesteuerungsabkommen selbst sind hingegen häufig illusorisch (siehe auch Gosch, IStR 2008, 413, 413). 1669 Zur begrenzten Grundlage derartiger nationalstaatlicher Klauseln in den Doppelbesteuerungsabkommen siehe Vogel, in: Vogel/Lehner, Vor Art. 6-22 OECD-MA, Tz. 31 ff., sowie Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, Art. 23 A OECD-MA, Tz. 161 f.; zu stillschweigenden Missbrauchsvorbehalten in Doppelbesteuerungsabkommen Menhorn, IStR 2005, 325.
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Überlegungen zur rechtspolitischen Funktion
Vorschrift.1670 Angestoßen insbesondere auch durch die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung in Sachen Görgülü1671, mehrten sich in den vergangenen Jahren allerdings Stimmen, die einen treaty override wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip für verfassungswidrig und die entsprechende Norm mithin für unwirksam halten.1672 Diesen Bedenken hat sich nun auch der BFH angeschlossen und die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.1673 Daneben wird verstärkt diskutiert, unter welchen Voraussetzungen ein treaty override die Grundrechte1674 bzw. Europarecht1675 verletzt. Insgesamt ist die Zulässigkeit auch von unilateralen Rückfallklauseln bzw. subject to tax-Klauseln mithin verstärkt fraglich. Damit erscheinen aber auch Anzeigepflichten, die auf die Aufdeckung von Besteuerungslücken infolge der Doppelbesteuerungsabkommen abzielen, in einem anderen Licht. Ist ein treaty override unzulässig, so erübrigen sich Anzeigepflichten, die einen solchen vorbereiten.
B. Bedeutung im Übrigen Allein die potentielle Hilfe von Anzeigepflichten bei der Klärung von Zweifelsfragen mittels untergesetzlichen Rechts oder in Gerichtsverfahren sowie bei der Einführung sonstiger Maßnahmen der Missbrauchsbekämpfung ver________________________ 1670 Zur Zulässigkeit eines treaty override nach traditioneller Auffassung vgl. BFH v. 13.7.1994, I R 120/93, BStBl. II 1995, 129, sowie FG München v. 30.7.2009, 1 K 1816/09, IStR 2009, 864, 866; ebenso die bislang g. h. M., vgl. nur BrombachKrüger, Ubg 2008, 324; Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, Art. 1 DBA-MA, Tz. 12 m. w. N.; Voraussetzung ist danach lediglich, dass der Gesetzgeber den gewollten Vorrang vor dem Abkommen deutlich zum Ausdruck bringt. 1671 BVerfG v. 14.10.2004, 2 BvR 1481/04 (Görgülü), BVerfGE 111, 307; das BVerfG hat hier festgestellt, zur Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) gehöre unter anderem auch die Berücksichtigung der Gewährleistungen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte, also ein völkerrechtliches Abkommen. 1672 Vgl. Vogel, IStR 2005, 29, 30; ders., in: Vogel/Lehner, Einl. Tz. 205; Rust/Reimer, IStR 2005, 843, 847; Stein, IStR 2006, 505, 508; Rosenthal, IStR 2007, 610, 615; Weigell, IStR 2009, 636, 639 ff.; ebenso in der Tendenz auch Gosch, IStR 2008, 413, 418 f. und 421. 1673 BFH v. 10.1.2012, I R 66/09, DStR 2012, 949; in diese Richtung zuvor bereits BFH v. 19.5.2010, I B 191/09, IStR 2010, 530; offen gelassen noch von BFH v. 8.9.2010, I R 74/09, IStR 2011, 32. 1674 So Frotscher, IStR 2009, 593, 597 ff., am Beispiel von § 50d Abs. 10 EStG, in Bezug auf treaty override, der zu einer Doppelbesteuerung führt; eine Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs scheide deswegen aus, weil die Norm infolge des treaty override gegen den Grundsatz der Völkerrechtswidrigkeit des Grundgesetzes und das Rechtsstaatsprinzip verstoße. 1675 Für einen Gemeinschaftsrechtsverstoß etwa Kofler, SWI 2006, 62, sowie Rosenthal, IStR 2007, 610, 613 ff.; offen Gosch, IStR 2008, 413, 419 ff.; gegen einen Gemeinschaftsrechtsverstoß Forsthoff, IStR 2006, 509, Bron, IStR 2007, 431, sowie Brombach-Krüger, Ubg 2008, 324, 324 ff.
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Rechtspolitische Überlegungen
mag die Einführung eines solchen Systems und die damit verbundenen Kosten von vornherein nicht zu rechtfertigen.1676 Insbesondere ist bei diesen Maßnahmen der durch Anzeigepflichten vermittelte zeitliche Vorteil, der sonst wesentlicher Aspekt bei deren Einführung ist, nicht von gesteigerter Bedeutung; eine Rückwirkungsproblematik stellt sich weder bei der bloßen Klärung von rechtlichen Zweifelsfragen (im Gegensatz zu gesetzlichen Änderungen) noch bei denkbaren Maßnahmen des Verfahrensrechts. Auch in den USA, wo diese Ausprägung der rechtspolitischen Funktion vom IRS genutzt wird, stellt sie keineswegs die zentrale Überlegung dar. Wie gezeigt, ist das US-System vielmehr maßgeblich veranlagungsunterstützend ausgerichtet.1677
C. Schlussfolgerungen für die rechtspolitische Funktion Die Einführung eines Anzeigepflichtsystems mit rechtspolitischer Funktion kann, wenn überhaupt, lediglich durch Vorteile bei der Änderung des materiellen Rechts gerechtfertigt sein. Durch die allgemeine Missbrauchsvorschrift des § 42 AO werden keineswegs alle rechtspolitisch unerwünschten Gestaltungen erfasst. Ein Bedürfnis für spezialgesetzliche Missbrauchsnormen, deren Erlass Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion zu ermöglichen und erleichtern bestimmt sind, entfällt damit nicht von vornherein. Anzeigepflichten erleichtern die Missbrauchsgesetzgebung in sachlicher und zeitlicher Hinsicht. Andererseits darf die Bedeutung der Vorteile in Anbetracht neben dem Veranlagungssystem bestehender, der Steuerverwaltung zugänglicher Quellen zu Steuergestaltungen sowie in Anbetracht weitgehend zulässiger Rückwirkung des Erlasses von spezialgesetzlichen Missbrauchsnormen auch nicht überschätzt werden. Den Vorteilen ist zudem der durch ein Anzeigepflichtsystem bei allen Beteiligten hervorgerufene Verwaltungsaufwand gegenüberzustellen. Spezialgesetzliche Missbrauchsnormen bringen wiederum vielfältige Probleme mit sich. Sie erhöhen die Komplexität des Steuerrechts und bieten neue Anknüpfungspunkte für Missbrauchsgestaltungen. Gleichzeitig können sie den Anwendungsbereich von § 42 AO einschränken. Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion bieten keinen hiervon zu trennenden Lösungsweg, sondern wirken lediglich innerhalb der Missbrauchsgesetzgebung. Es besteht die strukturell begründete Sorge, dass Anzeigepflichten die Kurzatmigkeit der Missbrauchsgesetzgebung nochmals deutlich erhöhen und damit die Problematik nicht lindern, sondern verstärken. Die Erfahrung insbesondere mit dem britischen Anzeigepflichtsystem scheint diese Sorge zu bestätigen. ________________________ 1676 Zu dieser Ausprägung der rechtpolitischen Funktion von Anzeigepflichten oben, S. 181 f. 1677 Hierzu oben, S. 175 f.
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Überlegungen zur rechtspolitischen Funktion
Missbrauchsgesetzgebung mit spezifisch grenzüberschreitendem Bezug sieht sich engen Grenzen des Europarechts und verstärkt auch des Doppelbesteuerungsrechts ausgesetzt. Bei einem Anzeigepflichtsystem, das – wie der deutsche Entwurf von 2007 – auf derartige Gesetzgebung abzielt, ist daher neben der geschilderten generellen Problematik auch fraglich, inwiefern die Anzeigepflichten überhaupt auf ein geeignetes Ziel gerichtet sind. Auch die Einführung eines Anzeigepflichtsystems mit rechtspolitischer Funktion ist in Deutschland demnach nicht zu empfehlen. Dies gilt erst recht für ein Anzeigepflichtsystem, das auf spezifisch grenzüberschreitende Gestaltungen abzielt.
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Rechtspolitische Überlegungen
Kapitel 3: Überlegungen zur abschreckenden Funktion Im Folgenden soll schließlich noch die abschreckende Funktion untersucht werden. Insofern sich die abschreckende Wirkung aus den beiden Hauptfunktionen, der veranlagungsunterstützenden und der rechtspolitischen Funktion, ergibt, stellt die Analyse der abschreckenden Funktion letztlich eine Erweiterung der Diskussion der beiden Hauptfunktionen selbst dar (hierzu A. und B.). Wie gezeigt, kann die Abschreckung sich daneben aber auch schon aus der Anzeigepflichtigkeit als solcher bzw. aus unmittelbar daran geknüpften weiteren Folgen ergeben (hierzu C.).
A. Abschreckung infolge der veranlagungsunterstützenden Funktion Zum einen kann, wie dargestellt, allein die erhöhte Wahrscheinlichkeit der (Über-)Prüfung der anzeigepflichtigen Gestaltung im Veranlagungsverfahren abschreckend wirken. Erfasst sind von der abschreckenden Wirkung hier all diejenigen Gestaltungen, bei denen die Beteiligten eine genaue Durchsicht der Steuererklärung durch die Finanzbehörde nicht wünschen.1678 Eine auf diese Weise abschreckende Wirkung ist durchweg positiv zu beurteilen. Zwar kann sich hiernach eine Abschreckung auch bei Gestaltungen ergeben, die letztlich mit dem geltenden Recht in Einklang stehen. Allerdings rechtfertigt das die Abschreckung vermittelnde Kriterium des Wunsches nach mangelnder Transparenz gegenüber den Veranlagungsbehörden eine solch abschreckende Wirkung hinreichend. Gestaltungen, die von den Beteiligten gegenüber der Finanzverwaltung lieber verborgen würden, sind nicht schutzwürdig, auch wenn sie letztlich nicht gegen materielles Recht verstoßen. Allerdings spricht diese – grundsätzlich wünschenswerte – abschreckende Wirkung von Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Funktion nicht etwa für die Einführung eines derartigen Systems in Deutschland. Denn das deutsche Veranlagungsverfahren ist bereits nach geltender Lage so ausgestaltet, dass es regelmäßig zu einer rechtlichen Überprüfung einer jeden Steuererklärung kommt.1679 Eine nennenswerte zusätzliche abschreckende Wirkung in der eben dargestellten, grundsätzlich wünschenswerten Form ist bei Einführung eines Anzeigepflichtsystems damit nicht zu erwarten. Auch unter dem Blickwinkel der Abschreckung als Nebenfolge bleibt es damit bei ________________________ 1678 Hierzu oben, S. 184 f. 1679 Hierzu oben, ab S. 234.
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Überlegungen zur abschreckenden Funktion
dem oben festgestellten Ergebnis, dass eine veranlagungsunterstützende Funktion in Deutschland nicht erforderlich ist.
B. Abschreckung infolge der rechtspolitischen Funktion In ihrem theoretischen Grundansatz erscheint auch die aus der rechtspolitischen Funktion erwachsende abschreckende Wirkung wünschenswert. Sie führt dazu, dass von Gestaltungen Abstand genommen wird, bei denen mit einer Änderung durch den Gesetzgeber gerechnet werden muss, wenn der Gesetzgeber nur von ihnen erfährt. Mithin wird von vermuteten rechtspolitisch unerwünschten Gestaltungen abgeschreckt.1680 Wie beschrieben, erübrigt sich dadurch gegebenenfalls sogar der Erlass der spezialgesetzlichen Missbrauchsvorschrift selbst, weil entsprechende Gestaltungen infolge der Abschreckung schon gar nicht eingegangen werden. Diese in der Theorie durchweg positive Wirkung setzte allerdings voraus, dass tatsächlich ersichtlich ist, welche Gestaltungen rechtspolitisch unerwünscht sind. In vielen Fällen liegt ein derartiger Charakter der Gestaltung aber gerade nicht offen zutage.1681 Wann etwa ein steuerlicher Vorteil in einer Gestaltung regelungssystematisch unangebracht ist, sich also aus einer gesetzlichen Lücke ergibt, ist keineswegs immer eindeutig zu bestimmen. Auch in diesen unklaren Fällen entfaltete die aus der rechtspolitischen Funktion folgende Abschreckung aber ihre Wirkung. Abgeschreckt würde damit also auch vor Gestaltungen, die nicht nur – wie für die rechtspolitische Funktion selbstverständlich – mit geltendem materiellen Recht in Einklang stehen, sondern die vielmehr darüber hinausgehend nicht einmal rechtspolitisch unerwünscht sind. Die Abschreckung ergäbe sich für den gesamten „Graubereich“ zwischen tatsächlich rechtspolitisch unerwünschten und unproblematischen Gestaltungen. Neben der überschießenden Wirkung muss auch das Mittel der Abschreckung kritisch hinterfragt werden. Der Mechanismus der hier untersuchten abschreckenden Wirkung ist nämlich eindeutig: Er besteht in Rechtsunsicherheit. Die Abschreckung beruht darauf, dass für sämtliche anzeigepflichtige Gestaltungen die Rechtsfortbestandsunsicherheit weiter erhöht würde, wenn nicht das Fehlen eines gesetzgeberischen Änderungsinteresses im konkreten Fall offensichtlich ist. In diesem Bereich wären häufiger und schneller ergehende spezial________________________ 1680 Hierzu oben, S. 185. 1681 So auch Shaviro, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 232, sowie Seer, Tax Shelter Disclosure and Civil Penalty Rules, 263, beide in der Ablehnung der Aussage „I know it when I see it“ in Bezug auf die Bestimmung eines tax shelter.
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Rechtspolitische Überlegungen
gesetzliche Missbrauchsnormen und Gesetzesänderungen zu erwarten.1682 Dem Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage würde bei diesen Gestaltungen der Boden in grundsätzlicher Weise entzogen. Zum Teil wird argumentiert, durch Rechtsunsicherheit bewusst hervorgerufene Abschreckung sei jedenfalls im Bereich der aggressiven Steuerplanung ein durchaus legitimes Mittel.1683 Auch für den deutschen Steuergesetzgeber wäre dieser Ansatz nicht ganz neu. So drängte sich bei § 2b EStG a. F. der Eindruck auf, dass durch die mit dessen Anwendung verbundene Rechtsunsicherheit bewusst von ungewollten Gestaltungen in der Randzone der Regelung abgeschreckt werden sollte.1684 Dieser Ansatz ist aber abzulehnen.1685 Für den Gesetzgeber käme er einem Offenbarungseid gleich. Anstatt die Grenzen des Zulässigen souverän und präzise vorzugeben, zöge er sich auf bewusste Unberechenbarkeit zurück.1686 Es wäre ein geradezu widersinniges Ergebnis, wenn Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion, deren vorgebliches Ziel es ist, den Gesetzgeber bei Gesetzesänderungen zu unterstützen, Abschreckung durch Rechtsunsicherheit provozierten. Was schon für tatsächlich rechtspolitisch unerwünschte Gestaltungen fragwürdig ist, wird schließlich völlig untragbar, wenn nochmals die aus der mangelnden Präzision folgende überschießende Tendenz dieser abschreckenden Wirkung bedacht wird: Betroffen sind gerade auch Gestaltungen, bei denen der Gesetzgeber im Ergebnis nach eingehender Prüfung der Anzeige zu dem Schluss kommt, dass eine Gesetzesänderung nicht geboten ist, sie also auch weiterhin geltendem Recht entsprechen sollen. Die durch die rechtspolitische Funktion von Anzeigepflichten hervorgerufene abschreckende Wirkung ist nach alledem nicht wünschenswert. Sie ist ein weiteres Argument gegen die Einführung derartiger Anzeigepflichten.
________________________ 1682 Hierzu oben, S. 305 ff. 1683 So etwa Freedman, British Tax Review 2004, 332, 345 f. sowie 357; auch Weisbach, 54 Southern Methodist University Law Review (2001), 73, 81, beurteilt derartige Rechtsunsicherheit im Bereich der aggressiven Steuergestaltungen jedenfalls nicht negativ. 1684 Zu dieser Vermutung Seer/Schneider, BB 1999, 872, 878, sowie Kaligin, in: Lademann, § 2b EStG, Tz. 16. 1685 Kritisch etwa auch Logue, 25 Virginia Tax Review (2005), 339, 374 f. 1686 Selbstverständlich gibt es aber umgekehrt auch kein positives Leistungsgebot an den Fiskus, auch für riskante Steuerplanung im Grenzbereich der Steuerumgehung endgültige Planungssicherheit zu schaffen; wer die Grenzen steuerorientierter Gestaltung austestet, muss auch das Risiko des Scheiterns tragen (vgl. hierzu Drüen, StuW 2008, 154, 161; ebenso Kirchhof, DStJG 33 (2010), 9, 27).
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Überlegungen zur abschreckenden Funktion
C. Abschreckung als eigenständige Funktion Wie oben dargestellt, können Anzeigepflichten daneben eine eigenständige abschreckende Wirkung haben, die durch mit der Anzeigepflicht verbundenen Aufwand oder – wie in einigen Ländern geschehen – durch unmittelbar an die Anzeigepflicht anknüpfende Erschwerungen im materiellen Recht, Verfahrensrecht oder Steuerstrafrecht vermittelt sein kann.1687 Für die Beurteilung einer eigenständigen abschreckenden Wirkung ist zunächst erheblich, inwieweit eine an die Anzeigepflicht als solche anknüpfende Abschreckung zielgenau ansetzen kann (hierzu I.). Zudem soll untersucht werden, wie sich die eigenständig abschreckende Wirkung bei unterstellter Zielgenauigkeit auswirkte (hierzu II.)
I. Problematik des zu weiten Anwendungsbereichs Für die Sinnhaftigkeit einer Abschreckung unmittelbar durch die Anzeigepflicht bzw. mittelbar durch daran geknüpfte weitere Belastungen müsste die Anzeigepflicht ein hinreichender Indikator für unerwünschte Gestaltungen sein. Das ist aber in Anbetracht der Tatsache, dass Anzeigepflichten in aller Regel eine Filterfunktion zukommt, zweifelhaft.1688 Ihr sachlicher Anwendungsbereich umfasst mehr als nur die letztlich intendierten (mit dem geltenden Recht nicht in Einklang stehenden bzw. rechtspolitisch unerwünschten) Gestaltungen. Es handelt sich demnach bei Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen denklogisch um keine Auflistung materiellrechtlich unzulässiger oder auch nur rechtspolitisch unerwünschter Gestaltungen. Damit eignen sich Fallgruppen anzeigepflichtiger Geschäfte aber regelmäßig von vornherein nicht als Indikator für weitere negative Folgen. Anders kann dies lediglich dann sein, wenn den Fallgruppen im Einzelfall keine Filterfunktion zukommt, sondern – wie bei den Kataloggestaltungen mit angenommener Missbräuchlichkeit des US-Rechts – mit der Anordnung bereits die Aussage der Finanzverwaltung verbunden ist, dass es sich um eine missbräuchliche Gestaltung handelt.
II. Problematik bei zielgenauem Anwendungsbereich Für die Frage, ob eine eigenständig abschreckende Wirkung von Anzeigepflichten zumindest dann positiv zu beurteilen wäre, wenn es gelänge, den Anwendungsbereich zielgenau auf ungewollte Gestaltungen zu beschränken, ist danach zu unterscheiden, ob die beschwerte Gestaltung mit materiellem Recht in Einklang steht oder nicht. ________________________ 1687 Hierzu oben, ab S. 185. 1688 Hierzu oben, S. 208 f.
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Rechtspolitische Überlegungen
Bei nach materiellem Recht unzulässigen Gestaltungen erübrigt sich eine abschreckende Wirkung, sofern nur tatsächlich sichergestellt ist, dass die Gestaltungen im Veranlagungsverfahren rechtlich geprüft werden. Denn dann verspricht eine derartige Gestaltung ohnehin keine Aussicht auf Erfolg. Zusätzliche Abschreckung ist demnach bei unzulässigen Gestaltungen nur dann erforderlich, wenn es gerade keine sichere Gewähr für eine rechtliche Prüfung gibt.1689 Bei materiellrechtlich zulässigen Gestaltungen ergeben sich drei Kategorien, nämlich (1) die der rechtlich unzulässigen Gestaltungen (seien sie zusätzlich durch ein Anzeigepflichtsystem beschwert oder nicht), (2) die der rechtlich zulässigen und nicht weiter beschwerten Gestaltungen, sowie (3) die der rechtlich zulässigen, aber dennoch bewusst beschwerten Gestaltungen.1690 Es könnte daran gedacht werden, in diesem abgestuften Instrumentarium bereits einen gesetzgeberischen Widerspruch insofern zu sehen, als Gestaltungen bewusst beschwert werden, die materiellrechtlich zulässig sind. Dieses Argument berücksichtigt aber nicht, dass es gerade kein Widerspruch sein muss, sondern eine mildere Maßnahme darstellen kann, einer Gestaltung zwar nicht die materielle Zulässigkeit abzuerkennen, sie aber mit höheren Kosten zu belasten. Dieser Gedanke ist unserem Rechtssystem auch nicht fremd, sondern etwa bei Lenkungssteuern – als mildere Maßnahme zu einem ordnungsrechtlichen Verbot – anzutreffen. Auch wenn eine derartige dritte Kategorie zulässiger, aber bewusst beschwerter Gestaltungen damit noch nicht von vornherein widersprüchlich oder unzulässig ist, so ist sie doch bei Steuergestaltungen zumindest unzweckmäßig. Das zeigt insbesondere der Vergleich zu den Lenkungssteuern. Dort geht es um die Ausübung tatsächlicher Verhaltensweisen (z. B. Individualverkehr mit Kraftfahrzeugen), die nicht grundsätzlich unerwünscht sind, die aber modifiziert (z. B. sparsamere Pkws) oder gedrosselt (z. B. verstärkter Umstieg auf öffentlichen Nahverkehr) werden sollen. Die „dritte Kategorie“ (z. B. in Form einer höheren Mineralölsteuer) ist demnach eine grundsätzlich sinnvolle Alternative zum Verbot zwar prinzipiell, aber nicht in diesem Ausmaß oder nicht in dieser Art gewünschter Tätigkeiten. Eine vergleichbare Situation ist bei Steuergestaltungen aber nicht ersichtlich. Eine Gestaltung ist rechtspolitisch erwünscht oder sie ist unerwünscht. Eine Mittellösung im Sinne einer Mäßi________________________ 1689 Davon unabhängig ist die Frage, ob Anzeigepflichten bei materiellrechtlich unzulässigen Gestaltungen für Steuerpflichtige, die sich der Unzulässigkeit nicht bewusst sind, eine Hinweisfunktion haben können; ein entsprechender Hinweis könnte jedoch ebenso durch eindeutige Erlasse von Verwaltungsseite, also ganz ohne Anzeigepflichtsystem, erfolgen. 1690 Siehe zu dem damit geschaffenen Zwischenstatuts der quasi-illegality auch Friese/ Link/Mayer, Taxation and Corporate Governance – The State of the Art, 399 ff.
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Überlegungen zur abschreckenden Funktion
gung erscheint hier nicht sinnvoll. Die Belastung materiellrechtlich zulässiger Gestaltungen ist demnach als Mittel zwar nicht widersprüchlich oder grundsätzlich unzulässig. Sie ist aber ohne praktischen Nutzen. Einen Reiz mag die „dritten Kategorie“ für den Fiskus bei Steuergestaltungen haben, bei denen eine materiellrechtliche Änderung nach Verfassungs- oder Europarecht nicht zulässig ist. Dieser Reiz mag gerade auch bei dem deutschen Entwurf von 2007 und dessen abschreckender Wirkung1691 eine Rolle gespielt haben, sind materiellrechtlichen Änderungen im grenzüberschreitenden Bereich doch enge Grenzen gesetzt.1692 Die Hoffnung, die entsprechenden Gestaltungen über den Umweg bewusst belastender Anzeigepflichten angehen zu können, geht dabei aber fehl. Denn die verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben, die eine materiellrechtliche Änderung untersagen, werden in aller Regel auch einer bewussten Beschwer der betreffenden Gestaltungen entgegenstehen.1693 Auch bei materiellrechtlich zulässigen, aber rechtspolitisch ungewollten Gestaltungen ist demnach von einer eigenständigen abschreckenden Wirkung abzuraten. Rechtspolitisch ungewollten Gestaltungen sollte vielmehr auch weiterhin ausschließlich mit dem materiellen Recht begegnet werden. Anzeigepflichten sollten mithin, unabhängig davon, ob die betroffenen Gestaltungen materiellrechtlich zulässig oder unzulässig sind, keine eigenständige abschreckende Wirkung haben.
D. Schlussfolgerungen für die Abschreckungsfunktion Die sich aus der veranlagungsunterstützenden Funktion ergebende Abschreckung wirkt positiv, ist allerdings im deutschen Veranlagungssystem nicht erforderlich. Die der rechtspolitischen Funktion innewohnende Abschreckung wäre, wenn überhaupt, im – unrealistischen – Fall der allgemeinen und eindeutigen Erkennbarkeit rechtspolitisch unerwünschter Gestaltungen zu begrüßen. Wegen ihrer Wirkung, auch für Gestaltungen, die letztlich rechtspolitisch unproblematisch sind, die Rechtsfortbestandssicherheit zu reduzieren, ist sie jedoch ein weiteres Argument gegen die Einführung von Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion. ________________________ 1691 Hierzu oben, S. 187. 1692 Hierzu oben, S. 310 ff. 1693 Siehe zu dem Gedanken, dass eine bewusste Abschreckung mangels einschlägigen Rechtfertigungsgrunds gar schwerer zu rechtfertigen sein kann als die materiellrechtliche Änderung, unten, S. 370.
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Rechtspolitische Überlegungen
Eine eigenständige abschreckende Wirkung von Anzeigepflichten ist negativ zu beurteilen. Vielmehr sollten Anzeigepflichten in jedem Fall so ausgestaltet sein, dass der Verwaltungsaufwand, der mit der Anzeigepflicht für Steuerpflichtige und Externe einhergeht, nicht das für die Erfüllung der jeweiligen Hauptfunktion erforderliche Maß übersteigt. Daneben ist die in einigen Ländern zu beobachtende Tendenz, an die Anzeigepflicht selbst weitere Belastungen im materiellen Recht, Verfahrensrecht oder Steuerstrafrecht zu knüpfen, klar abzulehnen.
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Rechtspolitische Gesamtbeurteilung der Anzeigepflichten
Kapitel 4: Rechtspolitische Gesamtbeurteilung der Anzeigepflichten Die Einführung eines Anzeigepflichtsystems bei Steuergestaltungen ist in Deutschland nicht wünschenswert. Vor dem Hintergrund des bestehenden Veranlagungssystems ist die veranlagungsunterstützende Wirkung der Regelungen nicht erforderlich. Die mit ihnen verbundenen Vorteile führten insgesamt nicht zu einer Effizienzsteigerung. Die Erleichterungen für den Steuergesetzgeber, die sich aus Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion ergeben, sind bei näherer Betrachtung geringer als man zunächst vermuten mag. Ohnedies haben diese Erleichterungen lediglich beim Erlass spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen Bedeutung, nicht aber bei einer grundlegenden Reform des Steuerrechts. Es steht zu befürchten, dass Anzeigepflichten die mit dieser Missbrauchsgesetzgebung verbundenen Probleme weiter verschärften. Das Potential von Anzeigepflichten zur Abschreckung von Gestaltungen, die weder eine Umgehung des geltenden Rechts darstellen noch rechtspolitisch unerwünscht sind, ist ein weiteres Argument gegen die Einführung von Anzeigepflichten.
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Teil IV: Grenzen durch höherrangiges Recht Die Tatsache, dass die Einführung eines Systems von Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen in Deutschland rechtspolitisch nicht zu empfehlen ist, bedeutet nicht gleichzeitig, dass diese rechtlich unzulässig wäre. Der Frage nach der grundsätzlichen rechtlichen Zulässigkeit sowie nach den rechtlichen Grenzen eines Anzeigepflichtsystems in Deutschland soll im Folgenden vor dem Hintergrund des deutschen Verfassungsrechts und des Europarechts nachgegangen werden.1694
Kapitel 1: Deutsches Verfassungsrecht A. Grenzen durch die Berufsfreiheit Wie gesehen, treffen Anzeigepflichten nach den bestehenden Regelungen in den meisten Ländern sowie den dargestellten Gesetzesentwürfen vornehmlich Externe, also Berater, Promotoren bzw. Vermarkter.1695 Damit sind die Anzeigepflichten zunächst an der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zu messen.
I. Eingriffscharakter Die hier untersuchten Regelungen haben nicht Berufsrecht, sondern eine – letztlich berufsunabhängige – steuerliche Anzeigepflicht zum Gegenstand. Sie haben damit nicht unmittelbar berufsrechtlichen Charakter. Allerdings wirken die Anzeigepflichten dennoch als Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit, weil sie in ihren tatsächlichen Auswirkungen geeignet sind, die ________________________ 1694 Eine Untersuchung der durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gesetzten Grenzen erfolgt in dieser Arbeit nicht; die EMRK hat nach ihrer Transformation in das deutsche Recht den Rang eines einfachen Bundesgesetzes (vgl. MüllerFranken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Vorb. v. Art. 1 GG, Tz. 48); es handelt sich insofern also nicht um höherrangiges Recht; in Großbritannien hingegen werden Grenzen des tax disclosure regime auch am Maßstab der EMRK diskutiert (vgl. Baker, Disclosure and Civil Penalty Rules in the U.S. Legal Response to Corporate Tax Shelters, 259; zu entsprechenden Ansätzen in Deutschaland, insbesondere in der Folge der BVerfG-Entscheidung Görgülü, oben, S. 317). 1695 Siehe oben, S. 210 ff.; lediglich nach den israelischen Regelungen, dem jüngeren französischen Gesetzesvorschlag sowie den ursprünglichen südafrikanischen Regelungen ist diese Personengruppe nicht (primär) anzeigepflichtig (hierzu oben, S. 213).
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Grenzen durch höherrangiges Recht
Freiheit der Berufsausübung unmittelbar zu beeinträchtigen.1696 Indem sie die an entsprechenden Steuergestaltungen beteiligten Externen zur Offenlegung des Produkts oder Bezugspunkts ihrer Arbeit verpflichten, haben die Regelungen direkte und beschränkende Auswirkungen auf zentrale Aspekte der Berufsausübung. Die Regelungen können zudem dazu führen, dass Externe und Steuerpflichtige infolge der Anzeigepflicht und den damit einhergehenden Risiken von gewissen Gestaltungen Abstand nehmen.1697 In der Folge können für den Externen die entsprechenden Arbeitsbereiche teilweise oder vollständig wegfallen.
II. Rechtfertigung 1. Rechtfertigungsmaßstab a) Allgemeiner Rechtfertigungsmaßstab Anzeigepflichten sind im Grundsatz bloße Berufsausübungsregelungen, die die Berufswahl unberührt lassen.1698 Als solche sind sie dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie sachgerechte und vernünftige Gründe des Gemeinwohls verfolgen, zur Erreichung des verfolgten Zweckes geeignet und erforderlich sowie dem Betroffenen zumutbar sind.1699 ________________________ 1696 Zu diesem Kriterium der „objektiv berufsregelnden Tendenz“ stellvertretend BVerfG v. 19.6.1985, 1 BvL 57/79 (Fischereirechte), BVerfGE 70, 191, Tz. 59, sowie BVerfG v. 12.6.1990, 1 BvR 355/86 (Krankenhausplan), BVerfGE 82, 209, Tz. 62 f. 1697 Siehe ausführlich zur abschreckenden Wirkung von Anzeigepflichten oben, S. 184 ff. und 320 ff. 1698 Dies ist selbst dann der Fall, wenn in ihrer Folge vorherige Arbeitsbereiche oder Berufszweige gänzlich wegfallen sollten; denn die Ausübung der entsprechenden Berufe bleibt weiterhin rechtlich möglich (vgl. Schenke, Verfassungs- und europarechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, Teil 1, A. II.); ohnedies sind durch die Anzeigepflichten in jedem Fall lediglich einzelne Arbeitsbereiche von Berufsgruppen (Steuerberatern, Finanzinstituten, etc.) berührt, nicht aber die Berufsgruppen selbst. 1699 Stellvertretend für die ständige Rechtsprechung BVerfG v. 16.1.1980, 1 BvR 249/79 (Schokoladenosterhase), BVerfGE 53, 135, Tz. 42, sowie BVerfG v. 26.5.1981, 1 BvL 56/78 u. a. (Schwerbehindertenabgabe), BVerfGE 57, 139, Tz. 71; auf die Frage, ob es sich im Zusammenhang mit missbräuchlichen Steuergestaltungen bei der Tätigkeit eines Externen um eine „an sich unerwünschte Tätigkeit“ im Sinne von BVerfG v. 19.7.2000, 1 BvR 539/96 (Spielbankgesetz Baden-Württemberg), BVerfGE 102, 197, Tz. 68 ff., handelt, kommt es bei Berufsausübungsregelungen nicht an; denn eine „an sich unerwünschte Tätigkeit“ führt dem Beschluss des Gerichts folgend lediglich dazu, dass eine sonst an den im Sinne der 3-Stufen-Theorie strengeren Anforderungen zu messende Berufswahlbeschränkung für die Rechtfertigungsprüfung als Berufsausübungsregelung behandelt wird; die allgemeinen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgebots gelten aber ausdrücklich auch hier (vgl. BVerfG, a. a. O., Tz. 74; kritisch zu diesem Urteil Sodan, NJW 2003, 257, 259 ff.).
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Deutsches Verfassungsrecht
b) Rechtfertigungsmaßstab bei beschränktem persönlichen Anwendungsbereich Ein strengerer Maßstab gilt aber dann, wenn Berufsausübungsregelungen in ihrer Wirkungsweise Eingriffen in die Berufswahl nahe kommen.1700 Das kann bei Anzeigepflichten dann der Fall sein, wenn der persönliche Anwendungsbereich stark beschränkt ist und sich dadurch Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der Gruppe der Externen ergeben. Etwa wenn die Anzeigepflicht territorial (nur inländische Externe) oder berufsgruppenspezifisch (nur Steuerberater, nicht aber auch vermittelnde Finanzinstitute) beschränkt ist, sind zur Vermeidung der Nachteile der Anzeigepflicht Ausweichreaktionen auf die nicht anzeigepflichtigen Berufsgruppen zu erwarten.1701 Ein Ausschluss von kleineren Externen1702 oder von in house entwickelten Gestaltungen aus dem Anwendungsbereich lässt vergleichbare Ausweichreaktionen hingegen nicht erwarten.1703 Etwa werden Unternehmen kaum allein zur Vermeidung der Anzeigepflicht eine eigene Steuerabteilung aufbauen oder diese substantiell erweitern. Bei kleineren Externen ist zudem zu bedenken, dass ein Ausweichen auf diese deren Entgelt ansteigen lässt und sie somit in den Bereich der größeren Externen und mithin der Anzeigepflicht bringt. 2. Geeignetheit Zunächst müssen die Anzeigepflichten vernünftigen Gründen des Allgemeinwohls dienen und zur Erreichung dieses Ziels geeignet sein. Der Gesetzgeber hat bei der Wahl seiner Regelungsziele aber einen großen Beurteilungs- und Ermessensspielraum.1704 Allein die Tatsache, dass die Regelungen rechtspolitisch nicht zu empfehlen sind, führt im Rahmen der verfassungsrechtlichen ________________________ 1700 BVerfG v. 23.3.1960, 1 BvR 216/51, BVerfGE 11, 30, 44 f.; BVerfG v. 25.3.1992, 1 BvR 298/86, BVerfGE 86, 28, 38. 1701 Vgl. zum deutschen Entwurf Schenke, Verfassungs- und europarechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, Teil 1, A. II. und III., Kessler/Eicke, BB 2007, 2370, 2374 („existenzgefährdende und wettbewerbsverzerrende Wirkung für die Gruppe der hochspezialisierten inländischen Berater“), allerdings unter Verkennung der Tatsache, dass der deutsche Entwurf selbst eine derartige Beschränkung weder rechtstechnisch noch faktisch enthielt (hierzu oben, S. 164); in anderen Anzeigepflichtsystemen werden Ausweichreaktionen infolge der subsidiären Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen von vornherein vermieden (hierzu oben, S. 210 f.). 1702 Zu Mindestentgeltgrenzen siehe rechtsvergleichend oben, S. 215 f. 1703 A. A. offenbar Schenke, Verfassungs- und europarechtliche Fragen des § 138a AOEntwurfs, Teil 1, A. II. und III., sowie Kessler/Eicke, BB 2007, 2370, 2374, die diese beiden Beschränkungen des deutschen Entwurfs in einem Atemzug mit der – vorgeblichen – Beschränkung auf inländische Berater nennen. 1704 BVerfG v. 26.5.1981, 1 BvL 56/78 u. a. (Schwerbehindertenabgabe), BVerfGE 57, 139, Tz. 72; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Art. 12 GG, Tz. 59; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 GG, Tz. 279 ff.
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Grenzen durch höherrangiges Recht
Prüfung nicht zur mangelnden Geeignetheit. Auch bestehende Ausweichmöglichkeiten infolge einer Beschränkung des (persönlichen) Anwendungsbereichs der Anzeigepflichten führen regelmäßig nicht dazu, dass sie ein generell ungeeignetes Mittel sind. Anders wäre dies lediglich dann, wenn die Ausweichmöglichkeiten derart offensichtlich sind, dass den Regelungen in der Praxis kein nennenswerter Anwendungsbereich verbleibt. Dies ist in keinem der untersuchten Anzeigepflichtsysteme der Fall. Die Geeignetheitsprüfung ist wiederum an den verschiedenen Zwecksetzung und Ausgestaltungen von Anzeigepflichten zu orientieren. a) Veranlagungsunterstützende Funktion Anzeigepflichtsysteme helfen, wie gezeigt, im konkreten Veranlagungsverfahren bei der Feinsteuerung der Prüfungsrichtung sowie der Optimierung des Prüfungsverfahrens.1705 Sie sind damit Mittel zur gleichmäßigen Durchsetzung des geltenden Steuerrechts. Dies stellt einen relevanten Gemeinwohlbelang dar, sind doch die Gleichmäßigkeit bzw. Gesetzmäßigkeit der Besteuerung anerkannte öffentliche Interessen mit Verfassungsrang.1706 b) Rechtspolitische Funktion Die rechtspolitische Funktion zielt darauf ab, dem Gesetzgeber Informationen zu liefern, auf die gestützt er das materielle Steuerrecht ändern, insbesondere spezialgesetzliche Missbrauchsvorschriften erlassen kann. Dabei wird regelmäßig plausibel vorgebracht werden können, dass derartige Missbrauchsgesetzgebung über rein fiskalisches Interesse, also das bloße staatliche Interesse an der Abschöpfung von Mitteln, das nicht zur Rechtfertigung dienen könnte, hinaus Bedeutung hat.1707 Zwar ist anzunehmen, dass mit den spezialgesetzlichen Missbrauchsnormen zuvorderst Steuerausfälle vermieden werden sollen. Dies wird aber in den allermeisten Fällen mit der Vorgabe geschehen, die ________________________ 1705 Hierzu oben, S. 173 f. sowie 259 ff. 1706 BVerfG v. 17.7.1984, 2 BvE 11/83, 2 BvE 15/83, BVerfGE 67, 100, Tz. 69; BFH v. 26.2.2004, IV R 50/01, BStBl. II 2004, 502, Tz. 19; BFH v. 15.1.1998, IV R 81/96, BStBl. II 1998, 263, Tz. 16. 1707 BVerfG v. 28.3.2006, 1 BvR 1054/01 (Sportwettenmonopol), BVerfGE 115, 276, Tz. 107 ff.; BVerfG v. 27.6.1991, 2 BvR 1493/89 (Zinsurteil), BVerfGE 84, 239, Tz. 139; BVerfG v. 16.11.1965, 2 BvL 8/64, BVerfGE 19, 187, Tz. 12; die finanzielle Sicherheit des Staates sowie die Sicherung der Steuereinnahmen wurden hingegen in anderen Entscheidungen als relevante Gemeinwohlbelange anerkannt (vgl. hierzu BVerfG v. 6.4.1989, 1 BvR 33/87, HFR 1989, 440, 441; BFH v. 11.10.1989, I R 101/87, BStBl. II 1990, 280, Tz. 23; BFH v. 25.10.1973, VII R 113/69, BStBl. II 1974, 172, Tz. 23; FG Düsseldorf, v. 15.1.1997, 13 K 350/90 AO, EFG 1997, 582, Tz. 82).
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Rechtssetzungsgleichheit zu befördern und damit dem Verfassungsauftrag in Art. 3 Abs. 1 GG nachzukommen. Damit sind die Missbrauchsgesetzgebung und damit auch die ihnen dienenden Anzeigepflichten aber auf ein verfassungsrechtlich relevantes Ziel gerichtet.1708 An der Geeignetheit mangelt es jedoch dann, wenn die Anzeigepflichten nach ihrer konkreten Ausgestaltung zu rechtspolitischen Maßnahmen gar nicht verhelfen können. Dies wäre insbesondere bei einem auf internationale Steuerarbitragegestaltungen ausgerichteten Anzeigepflichtsystem wie dem deutschen Entwurf von 2007 problematisch. Denn auf ein solches System gestützte spezialgesetzliche Missbrauchsvorschriften stellen regelmäßig eine Beschränkung der EG-Grundfreiheiten dar und sehen sich engen Rechtfertigungsgrenzen ausgesetzt.1709 c) Abschreckende Funktion Sofern sich die Abschreckung als Nebenfolge aus der veranlagungsunterstützenden oder rechtspolitischen Funktion ergibt,1710 kann vorgebracht werden, dass diese – ebenso wie die jeweilige Grundfunktion selbst – der Rechtsanwendungsgleichheit bzw. Rechtssetzungsgleichheit dient und damit an einem zulässigen Ziel ausgerichtet ist. Auch für die selbständig abschreckende Wirkung von Anzeigepflichten unmittelbar wegen des mit ihnen verbundenen Verwaltungsaufwands oder wegen tatbestandlicher Anknüpfung von Belastungen an die anzeigepflichtigen Fallgruppen wird der Fiskus wohl regelmäßig wiederum auf das gleichheitsrechtliche Gebot als Rechtfertigung verweisen können, geht es auch hier doch darum, rechtlich unzulässige oder rechtspolitisch ungewollte Gestaltungen zurückzudrängen. Das Ziel unterscheidet sich damit von den Zielen der veranlagungsunterstützenden bzw. rechtspolitischen Funktion nicht; lediglich der Mechanismus zur Erreichung des Ziels ist ein anderer, unmittelbarerer. Es ist kein Rechtssatz ersichtlich, nach dem unerwünschten Gestaltungen lediglich mit den Mitteln des materiellen Steuerrechts begegnet werden darf. Der Gesetzgeber hat auch hier grundsätzlich die freie Wahl seiner Mittel. Will er eine bestimmte Gruppe an Gestaltungen zurückdrängen, so steht es ihm ________________________ 1708 Diese Verankerung in der Rechtssetzungsgleichheit verkennt Scholz, Rechtsgutachterliche Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen (§ 138a AO), II. 1. b), mit dem Hinweis, „der Tatbestand einer „unerwünschten Steuergestaltung“ stell[e] kein hinlänglich justitiables Schutzgut dar“. 1709 Hierzu ausführlich oben, S. 309 ff. 1710 Hierzu oben, S. 184 f.
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grundsätzlich frei, dies über erhöhten (Verwaltungs-)Aufwand, Gebühren, oder ähnliches zu erreichen.1711 Auch die abschreckende Wirkung von Anzeigepflichten hat damit verfassungsrechtlich zulässige Ziele und Mittel zur Grundlage. 3. Erforderlichkeit Die Anzeigepflichten müssten zudem erforderlich im verfassungsrechtlichen Sinn sein. Hieran fehlt es dann, wenn es ein weniger belastendes Mittel gleicher Geeignetheit gibt.1712 a) Veranlagungsunterstützende Funktion Die Anzeigepflichten könnten in Deutschland deshalb nicht erforderlich sein, weil die entsprechenden Informationen größtenteils bereits durch die nach geltendem Recht vorgesehenen Offenbarungspflichten sowie das Instrument der Außenprüfung erlangt werden.1713 Allerdings beinhalten Anzeigepflichten über dieses Instrumentarium hinausgehende Vorteile, indem sie dem Fiskus etwa eine rechtlich aufbereitete Darstellung liefern oder eine automatische Zuweisung an spezialisierte Einheiten der Finanzverwaltung erlauben.1714 Damit ist das traditionelle Instrumentarium weniger geeignet und scheidet als milderes Mittel aus. b) Rechtspolitische Funktion Auch bei der Missbrauchsgesetzgebung vermitteln Anzeigepflichten Vorteile, die durch alternative Ansätze nicht oder zumindest nicht so schnell gewonnen werden könnten.1715 So bietet insbesondere auch das Veranlagungsverfahren keine Gewähr dafür, dass alle rechtspolitisch unerwünschten (im Gegensatz zu den rechtlich unzulässigen) Gestaltungen zur Kenntnis der Finanzverwaltung gelangen. Die Grenzen der Auswertung von in der Literatur dargestellten ________________________ 1711 Zur Zulässigkeit von Lenkungssteuern vgl. etwa Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. A., § 118, Tz. 46 ff.; zu einem Übergriff in den Kompetenzbereich des Sachgesetzgebers (zu den in einem solchen Fall bestehenden Anforderungen vgl. BVerfG v. 7.5.1998 (Landesabfallabgabe), BVerfGE 98, 83, 97 f. sowie 104 f.) kann es im Steuerrecht nicht kommen, da für Anzeigepflichten und das materielle Ertragsteuerrecht dieselbe konkurrierende Gesetzgebungskompetenz besteht (vgl. Art. 105 Abs. 2 GG). 1712 Stellvertretend für die ständige Rechtsprechung BVerfG v. 19.7.2000, 1 BvR 539/96 (Spielbankgesetz Baden-Württemberg), BVerfGE 102, 197, Tz. 76; BVerfG v. 17.10.1990, 1 BvR 283/85, BVerfGE 83, 1, Tz. 73. 1713 So (im Ergebnis aber unzutreffend) Flämig, DStR 2007, Beihefter zu Heft 44, 2, 8. 1714 Die Tatsache, dass diese Vorteile die dadurch entstehenden Verwaltungsnachteile nicht aufwiegen (hierzu oben, S. 259 ff.), ändert hieran nichts. 1715 Siehe hierzu oben, S. 286 ff.
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Gestaltungen liegen ohnedies auf der Hand. Eine mangelnde Erforderlichkeit im verfassungsrechtlichen Sinne vermögen diese alternativen Quellen nicht zu begründen. c) Abschreckende Funktion Fraglich ist aber die verfassungsrechtliche Erforderlichkeit einer eigenständig abschreckenden Funktion. Diese hat infolge der Filterfunktion von Anzeigepflichten regelmäßig viele Gestaltungen zum Gegenstand, die von ihr nicht intendiert sind, die also weder materiellrechtlich unzulässig noch rechtspolitisch unerwünscht sind. Damit wirkt die eigenständig abschreckende Funktion aber belastender als eine Alternativmaßnahme, bei der dieselben belastenden Wirkungen im Verfahrensrecht, materiellen Recht oder Strafrecht bzw. dieselben Kosten lediglich Gestaltungen auferlegt werden, die tatsächlich materiellrechtlich unzulässig bzw. rechtspolitisch unerwünscht sind. Milderes, aber für die letztlich intendierten Gestaltungen gleich wirksam abschreckendes Mittel wäre demnach eine Maßnahme, die ohne Filterfunktion auskommt, bei der also die beschriebenen tatbestandlichen Anknüpfungen und Kostenbelastungen nicht auf die Anzeigepflicht als solche abstellen.1716 Wegen ihrer überschießenden Tendenz mangelt es der eigenständig abschreckenden Funktion damit an verfassungsrechtlicher Erforderlichkeit. Die tatbestandliche Anknüpfung direkt an die Anzeigepflicht mit dem Ziel, von den anzeigepflichtigen Gestaltungen abzuschrecken, ist damit verfassungsrechtlich unzulässig. Daneben bedeutet die Unzulässigkeit der eigenständig abschreckenden Funktion für Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender bzw. rechtspolitischer Funktion, dass der durch sie bei den Privaten hervorgerufene Aufwand nicht größer sein darf als zur Erreichung dieser jeweiligen Hauptfunktion erforderlich. 4. Angemessenheit a) Allgemeiner Maßstab Schließlich müssen die Anzeigepflichten auch verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Eine Grenze besteht hier allerdings nur in der Unzumutbarkeit; im Übrigen hat der Gesetzgeber bei Berufsausübungsregelungen wie im vorlie-
________________________ 1716 Etwa ein Strafzuschlagsystem bei Steuerfehlbeträgen knüpft ausschließlich an die tatsächlich intendierten Gestaltungen an; wenn dieses auch für Steuerfehlbeträge greift, die sich infolge rückwirkender Steuergesetzänderung ergeben, erfasst es auch viele zum Zeitpunkt des Eingehens der Gestaltung bloß rechtspolitisch unerwünschte Gestaltungen.
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genden Fall das Recht, in weitem Umfang Zweckmäßigkeitserwägungen zugrunde zu legen.1717 Es ist nicht ersichtlich, dass der mit den Anzeigepflichten bei Externen verbundene Aufwand die Grenze der Unzumutbarkeit erreicht. Zwar kann dieser Aufwand im Einzelfall erheblich sein.1718 Allerdings sind die rechtliche Prüfung sowie die Erhebung der sonstigen in der Anzeige geforderten Informationen in vielen Fällen ohnehin Bestandteil der Berater-, Promotoren-, bzw. Vermarktertätigkeit. Zudem werden in vielen Fällen die durch die Anzeigepflicht entstehenden Kosten schlicht auf die an der Gestaltung beteiligten Steuerpflichtigen umgelegt werden können. Zwar ist es möglich, dass gewisse Berufszweige durch die Einführung von Anzeigepflichten besonders stark belastet werden. So ist etwa denkbar, dass auf steuerliche Finanzprodukte spezialisierte Bankenabteilungen von einem rechtspolitisch ausgerichteten Anzeigepflichtsystem besonders betroffen wären, weil dieses die Rentabilität ihrer Produkte verringert.1719 Es ist aber insgesamt nicht ersichtlich, dass die Einführung von Anzeigepflichten über das Maß an Aufwand und Umstellungserfordernissen hinausgehen würde, das durch regulatorische Maßnahmen oder auch tiefgreifende Änderungen des materiellen Steuerrechts1720 häufig bedingt wird.1721 b) Maßstab bei beschränktem persönlichen Anwendungsbereich Anders kann die Angemessenheitsprüfung aber dann ausfallen, wenn der persönliche Anwendungsbereich der Anzeigepflichten derart beschränkt ist, dass Ausweichreaktionen auf nicht erfasste Personengruppen leicht möglich sind. Zum einen wird die Wirkungsweise dann Eingriffen in die Berufswahl nahekommen, so dass der generelle Prüfungsmaßstab erhöht ist.1722 Zudem kommt ________________________ 1717 Vgl. BVerfG v. 11.6.1958, 1 BvR 596/56 (Apothekenurteil), BVerfGE 7, 377, Tz. 76; allgemein zum weiten Ermessensspielraum des Gesetzgebers bei Berufsausübungsregelungen Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 12 GG, Tz. 145. 1718 Hierzu oben, S. 229 f. 1719 Siehe zu diesem Mechanismus oben, S. 185. 1720 Es ist etwa daran zu denken, welcher Beratungsaufwand wegfiele oder – womöglich realistischer – sich auf andere Bereiche verlagerte, wenn es zu einer wirklich grundlegenden Steuerreform käme, nach der Fremd- und Eigenkapital steuerlich gleiche Auswirkungen hätten (vgl. etwa den Vorschlag zur Reform der Einkommens- und Unternehmensbesteuerung durch die Duale Einkommensteuer von Sachverständigenrat, Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, sowie ZEW v. 13.2.2006, S. 24). 1721 Anders klingt es an bei Flämig, DStR 2007, Beihefter zu Heft 44, 2, 7 ff., der angesichts des deutschen Gesetzesentwurfs zu Anzeigepflichten den Schwanengesang auf (internationale) Steuerplanung anstimmt. 1722 Hierzu oben, S. 331.
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in der konkreten Abwägung hinzu, dass die Anzeigepflichten infolge der Ausweichmöglichkeiten in ihrer Geeignetheit beschränkt sind und somit Eingriffe in die Berufsfreiheit auch nur in reduzierter Weise rechtfertigen können. 5. Exkurs: Verpflichtende Verbindliche Auskünfte Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist auch ein zentraler Alternativvorschlag zu Anzeigepflichten anzusprechen, nämlich der Vorschlag, verbindliche Auskünfte für Steuergestaltungsmodelle verpflichtend einzuführen. An die Stelle einer bloßen Anzeigepflicht für Steuergestaltungen träte hier die Verpflichtung, eine Genehmigung einzuholen. Die Informationsgewinnung für den Fiskus wäre dieselbe wie bei Anzeigepflichten. Nur bestünde dann zudem für genehmigte Gestaltungen Vertrauensschutz im Hinblick auf die genehmigte steuerliche Struktur.1723 Dieser Vorschlag wurde wiederholt im politischen Raum diskutiert,1724 ist gar Gegenstand eines parlamentarischen Vorschlags gewesen,1725 und wird auch in der Literatur als verfassungsrechtlich weniger problematische Alternative gepriesen.1726 Die Genehmigungspflicht wird teilweise im Zusammenhang mit einer Positivliste von Steuergestaltungen genannt, also einer Liste, die sich aus bereits genehmigten Gestaltungen zusammensetzt und veranlagenden Finanzbeamten Erleichterung
________________________ 1723 Zum Vertrauensschutz bei verbindlichen Auskünften generell, siehe Bruschke, DStZ 2007, 267, 271. Wie weit dieser Vertrauensschutz bei verpflichtenden verbindlichen Auskünften zu Steuergestaltungen in persönlicher Hinsicht reichen soll, ist nicht ganz klar. Sinnvollerweise würde sich der Vertrauensschutz, anders als im heutigen System, über die Person des die Genehmigung Beantragenden auf alle die gleiche Gestaltung implementierenden Steuerpflichtigen erstrecken. Insbesondere bei der Vermarktung von Gestaltungen an mehrere Steuerpflichtige wäre dies ein Gebot der Praktikabilität. 1724 Siehe etwa der damalige hessische Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) im Interview mit der Börsen-Zeitung v. 19.5.2006, Nr. 96, S. 6; ebenso Christine Scheel, MdB (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), in der Plenarsitzung des Deutschen Bundestags v. 28.9.2006 (vgl. Plenarprotokoll 16/54, 5324). 1725 Siehe den Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags v. 9.11.2006, BT-Drucksache 16/3368, S. 11 f. Der Antrag wurde im Finanzausschuss mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP abgelehnt. 1726 Siehe Flämig, DStR 2007, Beihefter zu Heft 44, 2, 11; in diese Richtung auch Lamprecht in der Diskussion auf der 34. Jahrestagung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft, DStJG 33 (2010), 107, 111 f.; der deutsche Entwurf hat sich allerdings ausdrücklich gegen die Verknüpfung von Anzeigeverfahren und Aussagen zur materiellrechtlichen Behandlung der betroffenen Gestaltungen durch die Finanzverwaltung ausgesprochen (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 5 und 7, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 71 und 75).
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sowie Steuerpflichtigen Vertrauen verschaffen soll.1727 Ein Vorbild in den untersuchten Anzeigepflichtsystemen hat diese Überlegung allerdings nicht.1728 Hinter dem Vorschlag verpflichtender verbindlicher Auskünfte steht offenbar die Überlegung, dass den Pflichten für Steuerpflichtige und Externe auch direkte Vorteile gegenüberstehen sollen. Am Zwang zur Offenbarung änderte sich dadurch zwar nichts. Der Zwang würde aber als erträglicher wahrgenommen, da er mir Rechtssicherheit für die Beteiligten einherginge. a) Verfassungsrechtliche Anforderungen Fraglich ist, ob das Verfassungsrecht eine solche Genehmigungs- anstelle einer Anzeigepflicht gebietet. Im Bereich der hoheitlichen Eingriffsverwaltung, deren exponiertes Beispiel das Steuerrecht ist, gilt kein allgemeiner Grundsatz der Äquivalenz zwischen Pflichten und Vorteilen. Es existiert kein verfassungsrechtlicher Satz, nach dem neue Pflichten lediglich zulässig sind, wenn sie auch mit neuen Rechten korrespondieren. Im Bereich der Eingriffsverwaltung gilt vielmehr lediglich die Grenze des Übermaßverbots. Diese kann im Einzelfall erfordern, dass eine Belastung mit anderweitigen Vorteilen einhergeht. Die ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmungen im Bereich der Eigentumsgarantie1729 sind bekanntes Beispiel für diesen auch außerhalb von Art. 14 GG anwendbaren Gedanken. Eine Ausgleichspflicht ist aber nur dann verfassungsrechtlich geboten, wenn ohne sie das Übermaßverbot verletzt wäre. Wie vorstehend argumentiert, ist dies hier allerdings nicht der Fall. Es ist nicht ersichtlich, dass die Anzeigepflichten in ihrer Wirkung für die Steuerpflichtigen oder Externe die Schwelle des Zumutbaren überschreiten.1730 Genehmigungspflichten anstelle der reinen Anzeigepflichten wären damit zwar verfassungsrechtlich zulässig, nicht aber geboten. ________________________ 1727 Vgl. Karlheinz Weimar im Interview mit der Börsen-Zeitung v. 19.5.2006, Nr. 96, S. 6. 1728 Aus dem französischen Entwurf von 2005 konnte allerdings eine gewisse Verpflichtung der Finanzverwaltung zur Reaktion auf die Anzeige innerhalb von 6 Monaten herausgelesen werden. Innerhalb dieses Zeitraums musste die Verwaltung aber lediglich allgemein die Absicht kundtun, die Gestaltung nicht aufrecht erhalten zu wollen. Bei Unterlass dieser Aussage konnten Strafzuschläge nicht mehr festgesetzt werden. Materiellrechtliche Auswirkungen ergaben sich in keinem Fall (vgl. hierzu oben, S. 152 f.). 1729 Vgl. hierzu etwa BVerfG v. 14.7.1981, 1 BvL 24/78 (Pflichtexemplar), BVerfGE 58, 137, oder BVerfG v. 2.3.1999, 1 BvL 7/91 (Rheinland-Pfälzisches Denkmalschutzgesetz), BVerfGE 100, 226. 1730 Hierzu oben, S. 336. Als „milderes Mittel“ im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung kann eine Genehmigungspflicht schon denklogisch nicht in Betracht kommen. Hier ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass eine solche Genehmigungspflicht eine klassische Anzeigepflicht beinhaltete, die lediglich kombiniert wäre mit der aus einer Genehmigung folgenden Rechtssicherheit. Es handelte sich um keine Minderbelas-
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b) Rechtspolitische Überlegungen Weiterhin stellt sich die Frage, ob ein Genehmigungssystem rechtspolitisch wünschenswert wäre. Es wurde festgestellt, dass in Deutschland Bedarf für eine Anzeigepflicht, wenn überhaupt, lediglich für rechtspolitische Zwecke besteht, also im Zusammenhang mit der Änderung des materiellen Rechts.1731 Gerade in diesem Bereich passt ein Genehmigungssystem aber nicht, weil es nicht um die aktuelle Rechtslage selbst geht, sondern die Frage, wie lange diese noch aufrechterhalten bleibt. In diesem System hat die Anzeige gerade das Ziel, eine Änderung der Rechtslage herbeizuführen. Eine Bindung des Gesetzgebers infolge Genehmigung durch die Verwaltung wäre widersinnig. Verfassungsrechtlich wäre sie ohnedies nicht möglich.1732 Mithin können auch die Steuerpflichtigen bzw. Externe in diesem Bereich regelmäßig kein vernünftiges Interesse an einer Genehmigung durch die Finanzverwaltung haben. In diesem Zusammenhang ist auch wichtig, auf den mit einem Genehmigungssystem erfolgenden Paradigmenwechsel hinzuweisen: Ein Genehmigungssystem hätte zur Folge, dass ein Anspruch auf verbindliche Stellungnahme der Finanzverwaltung zu anzeigepflichtigen Gestaltungen bestünde. Eine derartige Verpflichtung zur verbindlichen Auskunft ist dem deutschen Abgabenrecht nicht grundsätzlich fremd.1733 Im Hinblick auf Steuergestaltungsmodelle sieht die heutige Verwaltungspraxis aber genau entgegengesetzt aus. Eine Verpflichtung zur bzw. ein Anspruch auf Zusagenerteilung besteht außerhalb der gesetzlich speziell geregelten Fälle nicht.1734 Im Hinblick auf Gestaltungen, bei denen die Erzielung eines Steuervorteils im Vordergrund ________________________
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tung, sondern eine gleich belastende Maßnahme, die lediglich kompensiert wird. Eine solche kann aber nicht milderes Mittel sein. Sonst wäre eine (nahezu in jeder Situation denkbare) Kompensation stets milderes Mittel für belastende Maßnahmen. Umgekehrt würde jeder Eingriff, der nicht kompensiert wird, an der Erforderlichkeitsprüfung scheitern. Es liegt auf der Hand, dass diese Betrachtungsweise nicht richtig sein kann. Auch diese ist im Ergebnis wegen ihrer negativen Auswirkungen auf die Rechtssicherheit aber abzulehnen. Vgl. etwa BVerfG v. 3.12.1997, 2 BvR 882/97 (Schiffbauverträge), BVerfGE 97, 67, Tz. 53 ff. zum Unvermögen der Verwaltung, den Gesetzgeber zu binden. Vgl. zum Beispiel die für den Fiskus verpflichtende Antwort auf die Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e S. 1 EStG; die dortige Verpflichtung zur Auskunftserteilung wird deshalb für gerechtfertigt gehalten, weil der Arbeitgeber im Falle der Einbehaltung der Lohnsteuer eine Tätigkeit wahrnimmt, die eigentlich dem Finanzamt obliegt (vgl. Wermelskirchen, in: Lademann, § 42e EStG, Tz. 1). Der Arbeitgeber ist hier grundsätzlich unbeteiligter Dritter, wohingegen die Berater, Promotoren bzw. Vermarkter die Hauptakteure bei der Entwicklung und dem Vertrieb von Steuergestaltungen sind. Die Situation ist somit nicht vergleichbar. Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einf. ESt, Tz. 564 m. w. N.; Schallmoser, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor § 204 AO, Tz. 7 m. w. N.; Krabbe, DB 1987, 2067.
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steht, wird das mithin bestehende Ermessen vielmehr nach ständiger Verwaltungspraxis,1735 die mittlerweile auch ausdrücklich durch den Gesetzgeber legitimiert wurde,1736 dahingehend ausgeübt, dass eine verbindliche Auskunft nicht erteilt wird. Hier sind insbesondere auch Steuerspar- und Steuerstundungsmodelle erfasst.1737 Das heißt, dass gerade für diejenigen Gestaltungen, bei denen heute eine fakultative verbindliche Auskunft ausgeschlossen ist, durch ein Genehmigungssystem eine verpflichtende verbindliche Auskunft eingeführt würde. Der bisherigen Verwaltungspraxis liegt offenbar die Überlegung zugrunde, dass der Entwicklung von Steuersparmodellen nicht von fiskalischer Seite durch die Schaffung von Rechtssicherheit bereits vor Umsetzung der Gestaltung nachgeholfen werden soll. Diese im bisherigen System der verbindlichen Auskünfte dominierende und grundsätzlich sinnvolle Überlegung würde sich in einem Genehmigungssystem nicht mehr wiederfinden, sondern vielmehr in ihr Gegenteil verkehrt.1738 Zu klären wäre zudem das Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern im Rahmen einer Genehmigungspflicht. Die Ertragsteuerveranlagung im konkreten Fall ist gemäß Art. 108 Abs. 2 GG Aufgabe der Länder. Einhergehend damit liegt auch die Kompetenz für verbindliche Auskünfte bei den jeweils für die Veranlagung zuständigen Landesfinanzämtern.1739 Der Anzeigepflicht wäre aber sinnvollerweise gegenüber einer zentralen Stelle in der Bundes________________________ 1735 BMF, Schreiben betreffend Auskunft mit Bindungswirkung nach Treu und Glauben (verbindliche Auskunft) v. 29.12.2003, IV A 4 – S 0430 – 7/03, BStBl. I 2003, 742, Tz. 2.5; aufgehoben im Zuge der Einfügung von § 89 Abs. 2 bis 5 AO; nunmehr AEAO zu § 89, Tz. 3.5.4. 1736 Vgl. im Rahmen der Einfügung von § 89 Abs. 2 AO die Entwurfsbegründung zum Föderalismus-Begleitgesetz, BT-Drs. 16/814, S. 23; zum Verständnis des Begriffs „besonderes Interesse“ in § 89 Abs. 1 S. 1 AO wird dabei auf das frühere BMF-Schreiben verwiesen. 1737 Hierzu Neumann, DStJG 33 (2010), 73, 78 f.; hierbei geht es etwa um Verlustzuweisungsgesellschaften, Bauherrengemeinschaften, Erwerbergemeinschaften, Fondsgesellschaften und andere Gestaltungen, für die in der Öffentlichkeit mit Steuersparmöglichkeiten geworben wird; ebenso Anlagemodelle, bei denen ernstliche Zweifel daran bestehen, ob das Unternehmen infolge extrem hoher Anlaufkosten und spekulativer Ertragserwartungen jemals in die Gewinnzone gelangen wird (Bruschke, DStZ 2007, 267, 270). Daneben sind unter anderem die Feststellung der Grenzen von Gestaltungsmissbrauch sowie verdeckte Gewinnausschüttungen erfasst. 1738 Zum Für und Wider der Ausgrenzung von Steuervermeidungsplanung und zum Streitstand in der Literatur, siehe Hey, Steuerplanungssicherheit, 705 f.; hiervon abzugrenzen ist der – unzulässige – Versuch, Rechtsunsicherheit bei aggressiver Steuerplanung sogar bewusst zu erhöhen (siehe hierzu oben im rechtspolitischen Teil, S. 322). 1739 Bruschke, DStZ 2007, 267, 268; in den Ausnahmefällen, in denen das Bundeszentralamt für Steuern für die steuerliche Frage zuständig ist (vgl. § 5 FVG), werden auch verbindliche Auskünfte durch dieses erteilt.
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finanzverwaltung nachzukommen.1740 Ein Genehmigungssystem auf Bundesebene wäre allerdings zumindest ungewöhnlich. Es ist auch fraglich, ob es überhaupt verfassungsrechtlich zulässig wäre. Denn als Summe von Einzelanweisungen im Sinne des Art. 85 Abs. 3 i. V. m. Art. 108 Abs. 3 GG ließe sich ein solch umfassendes und institutionalisiertes Genehmigungssystem schwer darstellen. Art. 108 Abs. 4 GG wiederum erlaubt wegen seines Ausnahmecharakters lediglich partielle Abweichungen von der Kompetenzabgrenzung der Finanzverfassung.1741 Es ist fraglich, ob es sich bei einem Genehmigungssystem für berichtspflichtige Gestaltungen noch um eine derartige partielle Abweichung handelte1742 oder nicht vielmehr um eine grundlegende Änderung der finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenteilung.1743 Ein solches Genehmigungssystem ließe schließlich einen deutlich erhöhten Personalbedarf bei der (Bundes-)Finanzverwaltung erwarten. Selbstverständlich ist auch bei einer reinen Anzeigepflicht erhöhter personeller Aufwand zu verzeichnen. Es gibt aber doch einen wesentlichen Unterschied: Die Prüfung der Anzeigen in einem Anzeigepflichtsystem ist rein auf die Gewinnung rechtspolitisch relevanter Informationen ausgerichtet. Das heißt, dass Anzeigen, die offenbar keine rechtspolitisch relevante Gestaltung zum Gegenstand haben, nur kursorisch bearbeitet, insbesondere aber nicht beantwortet werden müssen. Im Gegensatz hierzu wäre in einem System von Genehmigungspflichten jede Gestaltung detailliert zu bearbeiten und jede Eingabe zu bescheiden. Auch erforderte ein solches System ausführlichere Informationen über die konkret vorliegende Gestaltung, wohingegen sich in einem Anzeigepflichtsystem die abgefragten Informationen auf gewisse abstrakte Aspekte beschränken können. Insbesondere wegen dieser Unterschiede im Verwaltungsaufwand für die Finanzverwaltung und die Berichtspflichtigen hat sich ________________________ 1740 Hierzu oben, S. 174 und 179. 1741 Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 108 GG, Tz. 10 und 47; Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, Art. 108 GG, Tz. 10. 1742 Selbst wenn es sich doch noch um rein partielle Änderungen handelte, wären jedenfalls politische Hürden zu überwinden: Denn eine derartige Abweichung ist nur mittels zustimmungspflichtigem Bundesgesetz möglich (vgl. Art. 108 Abs. 4 GG); für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit müsste dieses Gesetz zudem den Vollzug der Steuergesetzte „erheblich verbessern oder erleichtern“ (Art. 108 Abs. 4 S. 1 GG); insofern hat der Gesetzgeber aber einen weiten Beurteilungsspielraum (vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 108 GG, Tz. 50). 1743 Bei einem reinen Anzeigesystem stellt sich dieses Problem nicht; denn hier verbleibt es für die Veranlagung von vornherein bei der alleinigen Zuständigkeit der Landesfinanzämter im Außenverhältnis; das Bundeszentralamt hätte hier lediglich die Aufgabe, die Anzeigen zu prüfen, Registriernummern ohne Wertung über die Zulässigkeit der Gestaltung zu verteilen und Empfehlungen an das Bundesfinanzministerium zur Ausarbeitung von Gesetzen oder zum Erlass von untergesetzlichem Recht vorzubereiten.
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auch Großbritannien gegen die Einführung eines Genehmigungsmodells und für ein bloßes Anzeigemodell entschieden.1744 Nach alledem ist auch aus rechtspolitischer Sicht die Überlegenheit eines Genehmigungs- gegenüber einem Anzeigepflichtsystem fraglich.
III. Inpflichtnahme Privater Eine besondere Problematik im Rahmen der Prüfung der Berufsfreiheit ergibt sich schließlich dadurch, dass die Externen mit den Anzeigepflichten zu Aufgaben herangezogen werden, die nicht ihrer eigenen Besteuerung oder anderen sie unmittelbar betreffenden Zwecken dienen, sondern im Allgemeininteresse liegen. Teile der Literatur halten Anzeigepflichten (auch) aus diesem Grund für vor Art. 12 GG nicht zu rechtfertigen.1745 Unter den Grundsätzen der Inpflichtnahme Privater können Privaten aber auch Aufgaben übertragen werden, die im Allgemeininteresse liegen, sofern der Staat nicht selbst in der Lage ist, die den Privaten abverlangte Leistung alleine zu erbringen.1746 Die Anzeigepflichten verschaffen dem Fiskus für die Veranlagung der Steuerpflichtigen sowie die Beseitigung von Lücken und Inkongruenzen im materiellen Steuerrecht Informationen, die er selbst nicht, nicht so bzw. nicht ebenso rechtzeitig erlangen könnte.1747 Damit ist die Inpflichtnahme der Externen im Grundsatz zulässig.1748 Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die Inpflichtnahme nur gegen Entschädigung erfolgen könnte. Maßstab des Bundesverfassungsgerichts für eine Entschädigungspflicht ist die Verhinderung einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung für die Verpflichteten.1749 Wie oben dargestellt, lassen Anzeige________________________
1744 HMRC Regulatory Impact Assessment (RIA), The Tax Avoidance Schemes Regulations 2006 (SI 2006/1543 and SI 2006/1544) v. 12.6.2006 (abrufbar unter www.hmrc. gov.uk/ria/riata1543-4.pdf), Tz. 11. 1745 Vgl. Scholz, Rechtsgutachterliche Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen (§ 138a AO), II. 3. b); der Bürger sei kein „Gehilfe des Gesetzgebers“. 1746 Vgl. BVerfG v. 29.11.1967, 1 BvR 175/66 (Kuponsteuer), BVerfGE 22, 380, 383 ff.; BVerfG v. 16.3.1971, 1 BvR 52, 665, 667, 754/66 (Erdölbevorratung), BVerfGE 30, 292, 312 ff. 1747 Zur veranlagungsunterstützenden Funktion oben, ab S. 259, sowie zur rechtspolitischen Funktion oben, ab S. 286. 1748 So auch Schenke, Verfassungs- und europarechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, Teil 1, B. I. 1749 Vgl. etwa BVerfG v. 10.1.2007, 2 BvR 2592/06, NJW 2007, 1445, Tz. 3; das BVerfG lehnt es insbesondere also ab, dem Vorschlag der Literatur (vgl. hierzu Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 GG, Tz. 378i ff.) zur Übertragung der Grundsätze für Sonderabgaben zu folgen und eine Ausgleichspflicht bereits bei mangelnder Gruppenverantwortlichkeit anzunehmen (vgl. BVerfG v. 15.12.1987, 1 BvR 563, 582/86, 974/86 und 1 BvL 3/86, BVerfGE 77, 308, 338 f.).
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pflichten eine für Externe unzumutbare Belastung jedoch nicht erwarten.1750 Bei der Verhältnismäßigkeit der Inpflichtnahme ist zudem zu beachten, dass die Anzeigepflichten nicht etwa völlig unbeteiligte Dritte treffen, sondern die Promotoren und Vermarkter eben jener Gestaltungen, deren genauere Prüfung in der Veranlagung oder für rechtspolitische Zwecke durch die Anzeige ermöglicht werden soll.1751
IV. Ergebnis Die Anzeigepflicht der Externen verstößt in der Regel nicht gegen deren Berufsfreiheit.1752 Dies gilt jedenfalls für die veranlagungsunterstützenden und rechtspolitischen Hauptfunktionen von Anzeigepflichten. Die rechtspolitischen Einwände gegen die Einführung dieser Regelungen wirken sich verfassungsrechtlich insofern also nicht aus. Eine selbständig abschreckende Funktion von Anzeigepflichten ist jedoch verfassungsrechtlich unzulässig. Ein alternatives Genehmigungssystem ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Es wäre auch rechtspolitisch sowie finanzverfassungsrechtlich fragwürdig.
B. Grenzen durch die Eigentumsgarantie Fraglich ist, ob das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 und 3 GG) einem Anzeigepflichtsystem weitergehende verfassungsrechtliche Grenzen setzt. Durch dieses Grundrecht wird aber lediglich das Erworbene im Sinne des vorhandenen Bestands an vermögenswerten Gütern geschützt.1753 Bereits entwickelte anzeigepflichtige Gestaltungen werden durch ein Anzeigepflichtsystem jedoch nicht etwa in ihrem Bestand beeinträchtigt.1754 Mit den An________________________
1750 Hierzu oben, S. 336. 1751 So stellt auch die Entwurfsbegründung fest, die Inanspruchnahme von Externen sei gerechtfertigt, weil die „Modellentwickler in ihrer Eigenschaft als Berater und/oder Vermarkter im gleichen Maß und ggf. sogar noch mehr als der Steuerpflichtige zur Steuervermeidung beitragen“ (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 4 f., sowie Entwurf v. 11.9.2007, 70). 1752 A. A. Brandt, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 3, 7, der bei Anzeigepflichten für Vermarkter einen „kaum zu rechtfertigenden“ Grundrechtseingriff annimmt, es für diese Ansicht allerdings an jedweder Begründung fehlen lässt. 1753 Vgl. hierzu BVerfG v. 16.3.1971, 1 BvR 52/66 u. a. (Erdölbevorratung), BVerfGE 30, 292, 335; etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Figur des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. BVerfG v. 26.6.2002, 1 BvR 558, 1428/91, BVerfGE 105, 252, 278). 1754 Ohnedies handelt es sich bei entwickelten Gestaltungen lediglich um nicht geschützte Ideen (siehe zur Diskussion um die Patentierbarkeit von Steuergestaltungen oben, S. 16), so dass es auch bereits an der für den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff erforderlichen Rechtsposition mangelte (vgl. hierzu Depenheuer, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 14 GG, Tz. 64 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 14 GG, Tz. 8).
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zeigepflichten wird vielmehr lediglich die Möglichkeit, aus den Gestaltungen nachhaltig Gewinn zu erzielen, reduziert. Eine derartige Erwerbschance unterfällt aber nur dem Schutzbereich der Berufsfreiheit, nicht der Eigentumsgarantie. Art. 14 GG ist durch Anzeigepflichten mithin nicht betroffen.
C. Grenzen durch die allgemeine Handlungsfreiheit Die Steuerpflichtigen selbst werden durch ein System von Anzeigepflichten regelmäßig nur in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) betroffen sein.1755 Ist die Beteiligung an einschlägigen Steuergestaltungen wesentlicher Bestandteil der beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen – was etwa bei Banken, deren Eigenhandelsabteilungen Steuerarbitragegestaltungen durchführen, der Fall sein kann – so kann ausnahmsweise als spezielleres Grundrecht aber auch deren Berufsfreiheit berührt sein.1756 Schranken-Schranke bei formalgesetzlichen Eingriffen in die allgemeine Handlungsfreiheit ist dabei wiederum lediglich das Übermaßverbot.1757 Zu den Aspekten der Geeignetheit und Erforderlichkeit kann hierbei auf die obigen Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit bei den Externen verwiesen werden.1758 Fraglich ist aber, ob die Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen selbst unverhältnismäßig im engeren Sinne wäre. Die Beurteilung, ob eine Gestaltung anzeigepflichtig ist, sowie die Verpflichtung, eine anzeigepflichtige Gestaltung in ihrer rechtlichen Struktur darzustellen, wird steuerlich nicht Versierte in aller Regel überfordern. Die faktische Verpflichtung, sich steuerlich beraten zu lassen, führt allein aber noch nicht zur Unzumutbarkeit; sie ist vielmehr bei vielen komplexeren Regelungen im Steuerrecht gang und gäbe. Etwas anderes ergibt sich bei Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion auch nicht daraus, dass diese gar nicht der Besteuerung des Steuerpflichtigen selbst dienen, sondern vielmehr dem Allgemeininteresse an einer Ergänzung und Änderung des materiellen Steuerrechts. Wie oben dargestellt, ist eine ________________________ 1755 Dies gilt auch für juristische Personen, deren Handlungsfreiheit im wirtschaftlichen Verkehr durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt wird (vgl. BVerfG v. 17.11.1959, 1 BvR 94/57, BVerfGE 10, 221, Tz. 19; BVerfG v. 3.5.1994, 1 BvR 737/94, NJW 1994, 1784, Tz. 8 und 11). 1756 Weitergehend Reuß, Grenzen steuerlicher Mitwirkungspflichten, 103 f., der etwa die erhöhten Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen nach § 90 Abs. 2 AO generell an der Berufsfreiheit messen möchte. 1757 Vgl. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Art. 2 GG, Tz. 12. 1758 Hierzu oben, ab S. 331; daraus, dass die Steuerpflichtigen die Kosten aus dem Anzeigepflichtsysteme – anders als die Externen – regelmäßig nicht weiterreichen können, folgt nicht etwa, dass die Anzeigepflichten unverhältnismäßig im engeren Sinne wären; den Steuerpflichtigen stehen nämlich umgekehrt auch etwaige Vorteile aus den betroffenen Gestaltungen selbst zu.
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Inpflichtnahme Privater für Allgemeinwohlbelange verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig.1759 Dies gilt hier zumal die Steuerpflichtigen nur zu Gestaltungen, an denen sie selbst beteiligt sind und aus denen sie selbst etwaige steuerliche Vorteile ziehen, anzeigen müssen. Ist das System der Anzeigepflichten so ausgeprägt, dass die Steuerpflichtigen ohnehin nur auf eine Registriernummer hinweisen, nicht aber selbst der vollen Anzeigepflicht nachkommen müssen, so ist wegen der deutlich geringeren Eingriffsintensität eine Unzumutbarkeit erst recht nicht ersichtlich.1760 Insofern ergibt sich auch aus dem Blickwinkel der allgemeinen Handlungsfreiheit der Steuerpflichtigen eine verfassungsrechtliche Unzulässigkeit nur für Anzeigepflichten mit eigenständig rechtspolitischer Funktion, da es bei diesen an der Erforderlichkeit im verfassungsrechtlichen Sinn mangelt.1761
D. Grenzen durch das Bestimmtheitsgebot Die Anzeigepflichten müssen auch dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Bestimmtheitsgebot genügen. Dies gilt für die Definition des persönlichen und sachlichen Anwendungsbereichs, also insbesondere für die Beschreibung der Fallgruppen, ebenso wie für die Bezeichnung des Inhalts der Anzeigepflichten und der Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung. Von vornherein nicht rechtfertigungsbedürftig vor dem Bestimmtheitsgrundsatz sind hingegen bloße gesetzgeberische Motive, da diese für den Betroffenen keine gesonderte Rechtsfolge vorsehen.1762 Eine konkrete Bestimmtheitsprüfung aller denkbaren Einzelregelungen kann hier nicht erfolgen.1763 Im Folgenden werden vielmehr lediglich allgemeine Aspekte des Maßstabs der Bestimmtheitsprüfung (hierzu I.) sowie konkret die Bestimmtheit des in (nahezu) allen Anzeigepflichtsystemen verwendeten Begriffs des „steuerlichen Vorteils“ (hierzu II.) untersucht.
________________________ 1759 1760 1761 1762
Hierzu oben, S. 342 f. Zur Problematik des Selbstbelastungsverbots siehe gesondert unten, S. 348 ff. Hierzu oben, S. 335. Dies übersieht Scholz, Rechtsgutachterliche Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen (§ 138a AO), II. 2. b) mit dem Einwand, der massivste Bestimmtheitsverstoß liege im Kriterium der „unerwünschten Steuergestaltung“, wie er der rechtspolitischen Funktion zugrunde liegt. 1763 Zu besonders unbestimmten Einzelregelungen aber schon oben, etwa zur portugiesischen Fallgruppe bei Risiko einer Umqualifizierung (vgl. S. 129).
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I. Maßstab für die Bestimmtheitsprüfung Die Bestimmtheitsprüfung von Steuernormen ist grundsätzlich danach auszurichten, ob der nicht steuerrechtskundige Steuerpflichtige sie zu verstehen vermag.1764 Abzustellen ist also nicht auf den Horizont eines Steuerberaters oder eines sonst steuerlich Versierten.1765 Diese Anforderung kann insbesondere bei der Definition von Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen von Bedeutung sein, wenn das Anzeigepflichtsystem nicht ohnehin nur steuerliche Berater in die Pflicht nimmt. Denn häufig knüpfen Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen an komplexere rechtliche Vorprüfungen an, so dass deren Rechtsfolge für einen Laien gerade nicht hinreichend voraussehbar ist.1766 Fraglich ist, ob der Maßstab der Bestimmtheit bei Anzeigepflichten aber nicht dann reduziert werden muss, wenn der Normadressat typischerweise steuerlich beraten ist.1767 Bei Anzeigepflichtsystemen, die – ausgesprochen oder implizit – eine Modellhaftigkeit voraussetzen oder an Gestaltungstypen anknüpfen, denen eine besondere Komplexität innewohnt, werden die erfassten Gestaltungen von steuerlichen Beratern als Externen entwickelt und vertrieben werden, wenn sie nicht ohnehin von Experten in house entwickelt wurden. Ein Externer wird bei Überlassung der Gestaltung dann aber als vertragliche Nebenpflicht zur Beratung oder Vermarktung auf eine eventuelle Anzeigepflicht der betreffenden Gestaltung hinzuweisen haben. Damit ist dann aber sichergestellt, dass die Beurteilung, ob eine Gestaltung anzeigepflichtig ist, automatisch von einem steuerlichen Experten getroffen wird. Anders ist dies jedoch bei Fallgruppen, die auch einfacher strukturierte Steuergestaltungen ohne Modellhaftigkeit erfassen. Hier verbleibt es bei dem strengeren Maßstab der Rechtsfolgenvorhersehbarkeit gerade auch für steuerliche Laien. Ein gesondertes Problem stellt sich, wenn die Anzeigepflicht auf steuerliche Erfolge abstellt, deren Bestimmung im materiellen Recht rechtlich nicht abschließend geklärt ist, wie dies etwa bei der Anknüpfung an die Zuordnung ________________________ 1764 Vgl. etwa BVerfG v. 10.11.1998 (Betreuungsbedarf), BVerfGE 99, 216, 243. 1765 Siehe zu der damit verbundenen Problematik im Steuerrecht ausführlicher Hey, Steuerplanungssicherheit, 558 ff. m. w. N. 1766 Siehe hierzu im Rahmen des deutschen Entwurfs Scholz, Rechtsgutachterliche Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen (§ 138a AO), II. 2. b), mit dem Hinweis darauf, es sei dem Bürger nicht zuzumuten, das gesamte internatonale Steuerrecht so zu übersehen, dass er eine tatbestandliche Zuordnung, wie sie von § 138a AO verfolgt wird, seinerseits erkennen und über entsprechende Anzeigen erfüllen könne. 1767 Siehe zu der Möglichkeit eines solchen reduzierten Maßstabs BFH v. 6.9.2006 (Mindestbesteuerung), XI R 26/04, BStBl. II 2007, 167, 172.
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von Wirtschaftsgütern der Fall ist.1768 Teilweise wird vorgebracht, in diesen Bereichen verböte sich eine Anzeigepflicht, jedenfalls solange diese mit einem nennenswerten Bußgeld belegt ist.1769 Es ist allerdings nicht einsichtig, warum die Bestimmtheitsanforderungen hier strenger sein sollten als unmittelbar bei der Prüfung der zugrunde liegenden materiellen Steuernormen. Dies zeigt sich insbesondere auch bei Vergleich der bei Fehlentscheidung drohenden Sanktionen: Was den Steueranspruch selbst anbelangt, kann ein Vorwurf der Steuerhinterziehung die Folge sein, wenn der Sachverhalt nicht gegebenenfalls ergänzend dargestellt wird.1770 Auch bei den Anzeigepflichten kann der Betroffene auf die materiellrechtliche Unsicherheit entsprechend reagieren, indem er eine Anzeige zur Vermeidung von Bußgeldern sicherheitshalber auch gegen die eigene Rechtsüberzeugung abgibt. Insofern ergeben sich grundsätzlich keine Unterschiede. Strengere Maßstäbe an die Bestimmtheit als im materiellen Recht wären allerdings dann anzulegen, wenn – anders als im deutschen Entwurf erfolgt und im deutschen Bußgeldrecht üblich – bereits der objektive Verstoß gegen die Anzeigepflichten sanktioniert und damit das Risiko der Sanktionierung deutlich erhöht würde.1771
II. Begriff des „steuerlichen Vorteils“ Der deutsche Entwurf der Anzeigepflichten von 2007 beinhaltete ebenso wie die Regelungen einiger anderer Rechtssysteme den Begriff des „Steuervorteils“. Der BFH hat das Tatbestandsmerkmal des „steuerlichen Vorteils“ in § 2b EStG a. F. jedoch für nicht hinreichend bestimmt gehalten und (auch) daher ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Norm geäußert.1772 In der Literatur wird vor diesem Hintergrund teilweise auch § 42 AO, der neuerdings dieses Merkmal aufweist, dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit ausgesetzt.1773 Es stellt sich damit die Frage, ob das Kriterium des „Steuervorteils“ bei der Festlegung von Anzeigepflichten den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügen kann. ________________________ 1768 Hierzu oben, Fn. 898. 1769 So etwa Kessler/Eicke, BB 2007, 2370, 2378, sowie Wassermeyer, Verfahrensrechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, B. II. 1770 Hierzu oben, ab S. 245. 1771 Zur entsprechenden Ausgestaltung des Bußgeldsystems in den USA und Kanada siehe die Übersicht oben, S. 226 f. 1772 BFH v. 2.8.2007, IX B 92/07, BFH/NV 2007, 2270, Tz. 15 ff.; zustimmend Bock/ Raatz, DStR 2008, 1407, sowie Kohlhaas, DStR 2008, 480. 1773 So etwa Wagner, Der Konzern 2008, 409, 411; Drüen, Ubg 2008, 31, 36; Drüen, StuW 2008, 154, 162; ebenso die Stellungnahme des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. v. 23.11.2007 (abrufbar unter www.dstv.de/presseservice/?inhalt= pm2007-02-08-2.pdf).
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Nach richtiger Ansicht hat der Begriff des Steuervorteils im Kontext der Anzeigepflichtsysteme einen klar bestimmten Inhalt. Wie oben beschrieben, handelt es sich hierbei um einen rechnerischen Abgleich der steuerlichen Situation mit der bzw. ohne die betreffende Gestaltung oder mit dem bzw. ohne das die Anzeigepflicht auslösende steuerliche Element, so dass sich die Bedeutung des Merkmals im Ausschluss derjenigen Gestaltungen erschöpft, die für den Steuerpflichtigen letztlich nachteilig sind.1774 Insbesondere ist damit also nicht etwa ein wie auch immer gearteter Abgleich mit einem gesetzgeberisch intendierten Idealzustand gefordert. Der beschriebene rechnerische Abgleich kann im Einzelfall aufwendig sein; die Anforderung ist dennoch hinreichend bestimmt. Die BFH-Entscheidung zu § 2b EStG a. F. widerspricht diesem Ergebnis nicht.1775 Denn darin hat der BFH gar nicht zentral auf das Merkmal des „steuerlichen Vorteils“ abgestellt, es vielmehr in nur einem Satz behandelt.1776 Die wesentliche Kritik gegen § 2b EStG bezog sich in der Entscheidung – wie auch in der Literatur – auf andere Aspekte, im Rahmen der Bestimmtheitsprüfung letztlich auf den Vorwurf, § 2b EStG enthalte insgesamt zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe.1777
E. Grenzen durch das Selbstbelastungsverbot Fraglich ist, ob sich aus dem verfassungsrechtlichen Selbstbelastungsverbot Grenzen für ein Anzeigepflichtsystem ergeben.1778 Das Selbstbelastungsverbot ________________________ 1774 Hierzu oben, S. 202 f.; für die Anzeigepflichten nach dem deutschen Entwurf wäre dies etwa eine Gestaltung, bei der ein Wirtschaftsgut in mehreren Steuerrechtsordnungen berücksichtigt wird (vgl. § 138a Abs. 2 Nr. 1 AO-E) und dies beim Steuerpflichtigen zu einer im Vergleich zum reinen Inlandssachverhalt höheren Besteuerung führt. 1775 Ohnedies gehen Teile der Literatur davon aus, dass das BVerfG die Gesamtbewertung zu § 2b EStG a. F. anders als der BFH vornehmen würde (vgl. etwa Ronig, in: Bordewin/Brandt, § 2b EStG, Tz. 58; Stuhrmann, in: Blümich, § 2b EStG, Tz. 36). 1776 „Der unbestimmte Rechtsbegriff „steuerlicher Vorteil“ erfährt weder aus dem systematischen Zusammenhang des § 2b EStG im Einkommensteuerrecht noch aus § 2b Satz 3 EStG eine hinreichend eindeutige Bestimmung.“ (Vgl. BFH v. 2.8.2007, a. a. O., Tz. 15). 1777 Aus der Literatur etwa Seeger, in: Schmidt, 26. Aufl. (2007), § 2b EStG, Tz. 23 ff.; Kaligin, in: Lademann, § 2b EStG, Tz. 16; Handzik, in: Littmann/Bitz/Pust, § 2b EStG, Tz. 4 f.; v. Beckerath, in: Kirchhof, 7. Aufl. (2007), § 2b EStG, Tz. 15. 1778 „Nemo tenetur-Grundsatz“; der Streit, ob das Selbstbelastungsverbot im deutschen Verfassungsrecht allein im allgemeinen Persönlichkeitsrecht verankert ist (so Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 GG, Tz. 56, und Art. 2 GG, Tz. 105, sowie BFH v. 19.10.2005, X B 88/05, BFH/NV 2006/15, Tz. 9) oder (auch) in der Menschenwürdegarantie fußt (so BVerfG v. 13.1.1981, 1 BvR 116/77 (Selbstbezichtigung des Gemeinschuldners), BVerfGE 56, 37, Tz. 23, sowie BVerfG v. 22.10.1980, 2 BvR
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gilt auch außerhalb von strafrechtlichen Verfahren. Allerdings findet es dort lediglich insoweit Anwendung, als der Betroffene gezwungen ist, eine von ihm begangene strafbare Handlung oder eine ihm zur Unehre gereichende Tatsache zu offenbaren.1779 Beides ist bei Anzeigepflichten nicht gegeben. Die Beteiligung eines Steuerpflichtigen oder Externen an einer anzeigepflichtigen Gestaltung stellt keine strafbare Handlung dar.1780 Anzeigepflichtsysteme bei Steuergestaltungen zielen zudem nicht auf Gestaltungen mit dem Verdacht einer falschen Sachverhaltsschilderung ab.1781 Zwar ist es möglich, dass aufgrund der auf die Anzeige einer Gestaltung folgenden intensiveren Prüfung der Steuererklärung auch eine daneben vorliegende Steuerhinterziehung leichter zutage tritt. Dies wäre allerdings nur mittelbare Folge der Anzeige. In den Konflikt, sich selbst strafrechtlich belasten zu müssen, gerät der Anzeigepflichtige dadurch nicht. Auch besteht durch die Pflicht zur Anzeige entsprechender Gestaltungen keine Gefahr, eine dem Anzeigenden zur Unehre gereichende Tatsache offen zu legen.1782 Zwar ist es denkbar, dass die Beteiligung an anzeigepflichtigen Gestaltungen in der öffentlichen Wahrnehmung als missbräuchlich und unehrenhaft beurteilt wird.1783 Den Anzeigepflichten ist aber schon gar nicht öffentlich nachzukommen, sondern vielmehr lediglich gegenüber den entsprechenden Stellen der Finanzverwaltung.1784 Vor diesem Hintergrund ist die Gefahr, dass eine Anzeige dem Anzeigenden zur Unehre gereichen könnte, nicht erkennbar. Bedenken gegen Anzeigepflichten ergeben sich aus dem Selbstbelastungsverbot demnach nicht.
________________________
1779
1780
1781 1782 1783
1784
1172/79 u. a., BVerfGE 55, 144, Tz. 17), ist für die Prüfung im Ergebnis nicht von Belang. BVerfG v. 13.1.1981, 1 BvR 116/77 (Selbstbezichtigung des Gemeinschuldners), BVerfGE 56, 37, Tz. 19 und 26; auf strafbare Handlungen beschränkt ebenso BFH v. 19.10.2005, X B 88/05, BFH/NV 2006/15, Tz. 9. A. A. offenbar Scholz, Rechtsgutachterliche Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen (§ 138a AO), II. 3. c), mit dem pauschalen Hinweis auf eine „Pönalisierung“ der anzeigepflichtigen Gestaltungen, die eine Verpflichtung zur Selbstanzeige verbiete. Hierzu oben, S. 175. BFH v. 19.10.2005, X B 88/05, a. a. O., beschränkt den Umfang des Selbstbelastungsverbots anders als das BVerfG ohnehin lediglich auf strafbare Handlungen. Hierzu jedenfalls im Kontext der Kataloggestaltungen des US-Rechts oben, S. 27; zu der generellen Tendenz, der Anzeigepflicht eine Aussage zur fiskalischen Missbilligung zu entnehmen oben, S. 186. Davon zu unterscheiden ist die Öffentlichkeit der Sanktionierung bei Verstoß gegen die Anzeigepflicht (hierzu oben, S. 228).
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F. Grenzen durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Im Folgenden ist zu untersuchen, welche Grenzen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG einem Anzeigepflichtsystem setzen würde.
I. Personenbezogene Daten Der Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist dann eröffnet, wenn personenbezogene Daten betroffen sind.1785 Als personenbezogene Daten sind dabei alle Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person erfasst.1786 Ob personenbezogene Daten vorliegen, hängt von der Art der Informationen ab, kann sich aber auch aus der Nutzbarkeit und Verwendungsmöglichkeit der Informationen ergeben.1787 Informationen über wirtschaftliche Verhältnisse von Steuerpflichtigen können personenbezogene Daten sein.1788 Danach ist die Mitteilung der Beteiligung eines Steuerpflichtigen an einer anzeigepflichtigen Gestaltung personenbezogen, erfasst diese Information doch zumindest einen Teilbereich der wirtschaftlichen Situation und des wirtschaftlichen Verhaltens des Steuerpflichtigen. Daneben hat die Mitwirkung eines Externen bei der Entwicklung, dem Vertrieb oder der Implementierung einer anzeigepflichtigen Gestaltung personenbezogenen Informationsgehalt. Es handelt sich dabei um sachliche Informationen über den betreffenden Externen selbst, die auch Anlass zu Rückfragen und weiteren Ermittlungen bei dem Externen von Seiten der Finanzbehörden geben können, sowohl zu der angezeigten Gestaltung und den daran Beteiligten als auch zu weiteren von den Externen betreuten Gestaltungen. Bereits die Anzeige einer Gestaltung durch einen Externen offenbart dessen eigene Beteiligung. Insofern ist die Lage grundsätzlich anders als bei der Abfrage von Kontostammdaten, wo das BVerfG die Information darüber, dass ein bestimmtes Kreditinstitut geschäftliche Beziehungen mit der Zielperson des Stammdatenabrufs unterhält, nicht für persönlichkeitsrelevant erkannt hat, weil Ermittlungen gegen das Kreditinstitut nicht anstan________________________ 1785 BVerfG v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 440/83, 1 BvR 484/83 (Volkszählung), BVerfGE 65, 1, Tz. 152 ff.; nach BVerfG v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03, 2357/04, 603/05 (Kontostammdaten), BVerfGE 118, 168, 203 f. können sich auch juristische Personen grundsätzlich auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung berufen; anders die zuvor herrschende Literaturmeinung (vgl. Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 19 Abs. 3 GG, Tz. 319; Schmitt Glaeser, in: Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. A., § 129, Tz. 88). 1786 Di Fabio, in: Maunz-Dürig, Art. 2 Abs. 1 GG, Tz. 175. 1787 BVerfG v. 15.12.1983, a. a. O., Tz. 152 f. 1788 BVerfG v. 14.10.1987, 1 BvR 1244/87, BVerfGE 77, 121, 125.
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den und auch nicht zu erwarten waren.1789 Damit berührt die Anzeigepflicht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowohl der Steuerpflichtigen als auch der Externen.1790
II. Rechtfertigung Jede Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe einer personenbezogenen Informationen stellt einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Einschränkungen sind nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes möglich.1791 Es ergeben sich hieraus folgende Vorgaben an ein deutsches Anzeigepflichtsystem: 1. Anzeige des Steuerpflichtigen gegenüber dem veranlagenden Finanzamt Die Verpflichtung der Steuerpflichtigen zur unmittelbaren Anzeige der Gestaltung und der eigenen Beteiligung gegenüber dem jeweiligen veranlagenden Finanzamt lässt sich nach diesem Maßstab regelmäßig rechtfertigen. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der betreffenden Steuerpflichtigen sind den veranlagenden Finanzbehörden ohnehin aus den Jahressteuererklärungen bekannt. Sie werden hier nur in den technischen Details der Gestaltungen präzisiert.1792 Der persönlichkeitsrelevante Gehalt der Informationen geht damit nicht oder kaum über die Mitteilungen in den einzelnen Jahressteuererklärungen hinaus. Die bisher im Steuerrecht verankerten Auskunfts- und Anzeigepflichten genügen aber jedenfalls den Anforderungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.1793 ________________________ 1789 BVerfG v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03, 2357/04, 603/05 (Kontostammdaten), BVerfGE 118, 168, 204 f. 1790 Anders wäre dies lediglich bei einer anonymen Anzeige einer anzeigepflichtigen Gestaltung. Denn wenn sich die Anzeige lediglich auf die rechtliche Struktur der Gestaltung, nicht aber beteiligte Personen bezieht, werden keine personenbezogenen Daten kommuniziert. Eine solche anonyme Anzeige ist allerdings wenig praktisch, da sie weder Rückfragen noch die Kontrolle, ob der Anzeigepflicht nachgekommen wurde, zuließe. Sie kommt in den untersuchten Anzeigepflichtsystemen auch nicht vor. 1791 Stellvertretend Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Art. 2 GG, Tz. 26. 1792 Gleiches gilt dann, wenn die Steuerpflichtigen zwar nicht selbst die Gestaltungen anzeigen müssen, sie allerdings verpflichtet sind, in ihrer Steuererklärung mittels Angabe einer Registriernummer auf die bereits angezeigte Gestaltung hinzuweisen. Umfang und Adressat der Mitteilung personenbezogener Daten ändert sich durch diese Struktur nämlich nicht. 1793 So auch etwa Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Art. 2 GG, Tz. 27.
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2. Behördenspezifische Betrachtung Die eben vorgenommene Bewertung gilt allerdings nur für die Veranlagungsbehörde selbst bzw. innerhalb dieser Behörde lediglich für die unmittelbar mit der Veranlagung betrauten Personen. Es ist hier nämlich nicht möglich, die Finanzverwaltung als Ganzes zu betrachten. Vielmehr gilt im Datenschutzrecht eine nach Behörden bzw. nach behördeninternen Aufgaben unterteilte Betrachtung.1794 Daraus folgt zum einen, dass der Gesetzgeber den Verwendungszweck der erhobenen Daten präzise bestimmen muss.1795 Zudem bedarf jede Weiterleitung von Informationen an andere Behördeneinheiten gesonderter Rechtfertigung im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. 3. Anonymisierte Erhebung und Weiterleitung Grundsätzlich sieht sich eine anonymisierte Erhebung und Weiterleitung personenbezogener Daten geringeren verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenüber.1796 Dahingegen bedarf die Verpflichtung zur Offenlegung auch der Identität von Steuerpflichtigen und Externen jeweils gesonderter Rechtfertigung.1797 Je nach Ausgestaltung der Regelungen kann diese Verpflichtung aber gerechtfertigt sein, um die korrekte Veranlagung1798 oder auch nur die Einhaltung der Anzeigepflicht selbst1799 sicherzustellen. Insofern kann die Identitätsangabe wie eine Kontrollmitteilung wirken.1800 Im Sinne der oben beschriebenen behördenspezifischen Betrachtung ist dann allerdings jeweils darauf zu achten, dass der Adressatenkreis für die Anzeige nicht über das Erforderliche hinausgeht. So ist zum Beispiel kein Grund dafür ersichtlich, dass die für die Prüfung der angezeigten Gestaltungen in Vorbereitung rechtspolitischer Entscheidungen zuständige zentrale Stelle, etwa im Bundeszentralamt ________________________ 1794 Vgl. Di Fabio, in: Maunz-Dürig, Art. 2 Abs. 1 GG, Tz. 184 m. w. N. 1795 BVerfG v. 12.4.2005, 2 BvR 1027/02 (Beschlagnahme von Datenträgern), BVerfGE 113, 29, Tz. 103 m. w. N. 1796 Di Fabio, in: Maunz-Dürig, Art. 2 Abs. 1 GG, Tz. 185 m. w. N.; dazu, dass bei einem anonymen Bericht nur der Struktur der Gestaltung bereits keine personenbezogenen Daten vorliegen, oben, Fn. 1790. 1797 Nach dem deutschen Entwurf war diese nicht gefordert (hierzu siehe oben, S. 168). 1798 Gegebenenfalls kann hierdurch die Abfrage der Identität der beteiligten Steuerpflichtigen bei den Externen mit dem Ziel, nachzuprüfen, ob die Gestaltung durch die Steuerpflichtigen in der Jahressteuererklärung (zutreffend) erklärt wurde, gerechtfertigt werden. 1799 Die Verpflichtung, (andere) Externe anzugeben, kann unter Umständen mit dieser Zwecksetzung gerechtfertigt werden. 1800 Zur Zulässigkeit eines Kontrollmitteilungssystems unter dem Blickwinkel des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Hopfauf, Art. 2 GG, Tz. 27.
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für Steuern, Informationen über die Identitäten der beteiligten Steuerpflichtigen benötigte.1801 4. Datensammlung auf Vorrat Eine spezielle Ausprägung des Erforderlichkeitsgebots stellt das Verbot der Vorratsabfrage dar. Die Sammlung nicht anonymisierter Daten auf Vorrat zu noch nicht bestimmbaren Zwecken ist unzulässig.1802 Auch hier ist allerdings wieder auf den mit der Anzeigepflicht verfolgten Zweck abzustellen. Eine Anzeigepflicht, die, wie im deutschen Vorschlag vorgesehen, bereits an das Angebot bzw. die Empfehlung der anzeigepflichtigen Gestaltung durch den Vermarkter anknüpft, also unabhängig davon ist, ob die Gestaltung von Steuerpflichtigen letztlich tatsächlich genutzt wird, stellt demnach keine Datensammlung auf Vorrat dar.1803 Denn zwar besteht zum Zeitpunkt einer solchen Abfrage keine Gewähr dafür, dass die abgefragten Informationen jemals im Rahmen der konkreten Veranlagung verwendet werden. Allerdings ist dieser frühe Zeitpunkt offensichtlich durch die rechtspolitische Funktion der Anzeigepflichten bedingt. In diesem Zusammenhang ist es zweckmäßig, möglichst frühzeitig und losgelöst von der Umsetzung der Gestaltung eventuellen Handlungsbedarf des Gesetzgebers zu prüfen.1804 Die Abfrage erfolgt also nicht in Vorbereitung auf eine unbestimmte spätere Verwendung, sondern im Hinblick auf eine unmittelbar anstehende Prüfung zu rechtspolitischen Zwecken.
G. Grenzen durch das berufsbezogene Vertrauensverhältnis I. Verfassungsrechtliche Problematik Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern einerseits sowie ihren Mandanten andererseits und das sich hieraus ergebende berufsbezogene Schweigerecht sind in Deutschland1805 verfassungs________________________
1801 Allenfalls könnte in diesem Zusammenhang eine anonymisierte Übersicht über die Beteiligungsstruktur von Bedeutung für eine wohlinformierte rechtspolitische Entscheidung sein. 1802 BVerfG v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 440/83, 1 BvR 484/83 (Volkszählung), BVerfGE 65, 1, 46. 1803 So aber Flämig, DStR 2007, Beihefter zu Heft 44, 2, 8, mit dem Hinweis darauf, erst die Nutzung der Steuergestaltung löse einen möglichen Steuermissbrauch aus. Offensichtlich erfolgt diese Aussage ausschließlich vor dem Hintergrund der veranlagungsunterstützenden Funktion. 1804 Hierzu oben, S. 220. 1805 Zu den sich aus dem berufsbezogenen Vertrauensverhältnis in den USA und in Großbritannien ergebenden Grenzen für ein Anzeigepflichtsystem oben, S. 39 ff. bzw. S. 103 ff.
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rechtlich garantiert.1806 Sie sind subjektivrechtlich im Recht des Mandanten auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG)1807 sowie als unverzichtbare Grundlage der Berufsausübung in der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)1808 verankert.1809 Eine objektivrechtliche Verstärkung erhält das berufsbezogene Vertrauensverhältnis durch die Tatsache, dass der Rechtsanwalt Organ der Rechtspflege bzw. der Steuerberater Organ der Steuerrechtspflege ist und daher die Vertrauensbeziehung zwischen Berufsträger und Mandant auch im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten (Steuer-)Rechtspflege liegt.1810 In sachlicher Hinsicht umfasst das berufsbezogene Schweigerecht das beruflich1811 Bekanntgewordene oder Anvertraute, wobei jeweils auf die Relevanz ________________________ 1806 Aus dem Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant wachsen gleichzeitig Schweigepflicht und Schweigerecht des Berufsträgers (vgl. Henssler, NJW 1994, 1817, 1817 f.; Lichtner, Die Verschwiegenheitspflicht des Wirtschaftsprüfers, 33); umfassend einfachgesetzlich geregelt ist lediglich die Schweigepflicht (§ 43a Abs. 2 BRAO, § 57 Abs. 1 StBerG, § 43 Abs. 1 S. 1 WPO, strafrechtlich abgesichert in § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB); das Schweigerecht (und mit diesem regelmäßig einhergehend das Recht zur Verweigerung der Herausgabe von Urkunden, vgl. z. B. § 104 Abs. 1 AO) zeigt sich punktuell in den Bestimmungen der einzelnen Verfahrensordnungen (vgl. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, § 53 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO, § 102 Abs. 1 Nr. 3 AO, § 84 Abs. 1 FGO). 1807 BVerfG v. 12.4.2005, 2 BvR 1027/02 (Beschlagnahme von Datenträgern), BVerfGE 113, 29, Tz. 81 ff.; BFH v. 26.2.2004, IV R 50/01, BStBl. II 2004, 502, Tz. 18; Göpfert, DB 2006, 581, 581; Lichtner, 33 f. 1808 BVerfG v. 30.3.2004, 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01 (Geldwäsche), BVerfGE 110, 226, Tz. 101; BVerfG v. 7.9.2006, 2 BvR 1141/05, NJW 2006, 3411, Tz. 16; VG Berlin v. 3.5.2006, 1 A 173.05, Tz. 45; Henssler, NJW 1994, 1817, 1823; mangels berufsregelnder Tendenz der Maßnahme prüft das BVerfG zum Teil auch an Art. 2 Abs. 1 GG, in dessen Rahmen es dann die Beachtung des besonderen Vertrauensverhältnisses berücksichtigt (vgl. BVerfG v. 12.4.2005, 2 BvR 1027/02 (Beschlagnahme von Datenträgern), BVerfGE 113, 29, Tz. 90 ff.; sowie BVerfG v. 5.5.2008, 2 BvR 1801/06, NJW 2008, 2422, Tz. 15); für die Prüfung im Weiteren ergeben sich durch diesen anderen Ansatz keine Auswirkungen. 1809 In jedem Fall ist „Herr des Schweigerechts“ und „Träger des Geheimhaltungsinteresses“ aber nicht der Berufsträger, sondern der Mandant (vgl. anstelle vieler VG Berlin v. 3.5.2006, 1 A 173.05, Tz. 45). 1810 BVerfG v. 30.3.2004, 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01 (Geldwäsche), BVerfGE 110, 226, Tz. 100; BVerfG v. 12.4.2005, 2 BvR 1027/02 (Beschlagnahme von Datenträgern), BVerfGE 113, 29, Tz. 94, 96 und 112; BVerfG v. 7.9.2006, 2 BvR 1141/05, NJW 2006, 3411, Tz. 16. 1811 Handelt der Berufsträger als gesetzlicher Vertreter (§ 34 AO), Vermögensverwalter (§ 35 AO), Verfügungsberechtigter (§ 35 AO) oder von Amts wegen bestellter Vertreter (§ 81 AO), wird er nicht in der Eigenschaft als Berufsträger tätig, sondern für und anstelle des Beteiligten, so dass er diesem gleichgestellt und wie dieser auskunftspflichtig ist (vgl. Schuster, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 102 AO, Tz. 36a).
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für das Vertrauen des Mandanten abzustellen ist.1812 Danach ist insbesondere vertrauliche Kommunikation zwischen dem Mandanten und dem Berufsträger bzw. dessen Mitarbeitern erfasst.1813 Die genaue Reichweite des Schutzes ist noch nicht abschließend geklärt.1814 Aus der funktionalen Ausrichtung am Vertrauen des Mandanten als „Herrn des Schweigerechts“ ergibt sich aber jedenfalls zum einen, dass – anders als in den USA1815 – die Produkte der Tätigkeit des Berufsträgers nicht geschützt sind, sofern sie nicht persönliche Informationen über den Mandanten enthalten.1816 Hieraus folgt zudem, dass Informationen über Verhältnisse Dritter, zu denen der Berufsträger nicht in einer entsprechenden Vertrauensbeziehung gestanden hat, nicht geschützt sind, wenn sie nicht wiederum vertraulich über den Mandanten erlangt wurden.1817 Konkret für Zwecke der Anzeigepflichten der Berater – von vornherein aber niemals der Steuerpflichtigen selbst – bedeutet dies Folgendes: Solange der Berater lediglich zur Anzeige der abstrakten Struktur der Gestaltung verpflichtet ist, besteht kein Konflikt mit dem berufsbezogenen Vertrauensverhältnis, auch wenn er etwa Werbematerial oder zu der Gestaltung erstellte Steuergutachten mit einreichen muss.1818 Sollten die Unterlagen geheimhaltungsbedürftige Informationen enthalten, so bietet sich der Ausweg an, der Finanzverwaltung die entsprechenden Informationen durch geeignete organisatorische Maßnahmen (Abdecken, Schwärzen, etc.) vorzuenthalten.1819 Allein die psychologische Belastung des Verhältnisses zwischen Mandant und
________________________ 1812 Zu dieser funktionalen Betrachtungsweise siehe Rüping/Nordholtz, DStR 2006, 1623, 1623 f.; BFH v. 2.2.1989, IV B 114/88, BFH/NV 1989, 761, Tz. 16. 1813 BVerfG v. 12.4.2005, 2 BvR 1027/02 (Beschlagnahme von Datenträgern), BVerfGE 113, 29, Tz. 88. 1814 Vgl. hierzu ausführlicher Rüping/Nordholtz, DStR 2006, 1623. 1815 Hierzu oben, S. 40. 1816 Das Auskunftsverweigerungsrecht bezieht sich immer auf die Verhältnisse des Mandanten, nicht auf das eigene Verhalten des Berufsträgers (vgl. Schuster, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 102 AO, Tz. 36a; FG Nürnberg v. 19.1.1983, V 252/79, EFG 1983, 331). 1817 Siehe zur einfachgesetzlichen Konkretisierung dieser Überlegung FG Berlin v. 18.4.1988, VIII 79/86, EFG 1988, 456. 1818 Dazu, dass durch die Vorlage von Dokumenten nach dem deutschen Entwurf persönliche Verhältnisse der Steuerpflichtigen nicht offenbart werden sollten, oben, S. 168. 1819 Vgl. BFH v. 14.5.2002, IX R 31/00, BStBl. II 2002, 712, Tz. 21, zu Fahrtenbüchern und Postausgangsbüchern, welche die Identität von Mandanten angeben; ebenso FG Münster v. 25.7.2003, 11 K 3622/02 AO, EFG 2005, 1402, Tz. 49 f., insoweit bestätigt durch BFH v. 28.10.2009, VIII R 78/05, BStBl. II 2010, 455; a. A. BFH v. 11.12.1957, II 100/53 U, BStBl. III 1958, 86, Tz. 21; kritisch zu diesem Ansatz Göpfert, DB 2006, 581, 583, sowie Rätke, in: Klein, § 104 AO, Tz. 4).
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Berater vermag hingegen noch keinen verfassungsrechtlich relevanten Eingriff in das Vertrauensverhältnis zu begründen.1820 Fraglich ist jedoch, ob eine Verpflichtung, die Beteiligung der eigenen Mandanten an der Gestaltung preiszugeben, das berufsbezogene Vertrauensverhältnis verletzte. Bereits das Bestehen eines Mandatsverhältnisses ist eine vom Schweigerecht des Berufsträgers erfasste Information.1821 Die von den Anzeigepflichten geforderte Mitteilung geht hierüber noch deutlich hinaus, indem sie nicht nur das Mandatsverhältnis, sondern auch die Beteiligung des betreffenden Steuerpflichtigen an einer bestimmten anzeigepflichtigen Gestaltung offenlegt. Allerdings stellt sich bei Anzeigepflichten die Frage, ob Vertrauensschutzerwartungen bei den Beteiligten derartiger anzeigepflichtiger Gestaltungen überhaupt entstehen können. In keinem der untersuchten Anzeigepflichtsysteme ist bereits die Tatsache zu offenbaren, dass sich ein Steuerpflichtiger beraten lässt. Erst die tatsächliche Beteiligung an einer anzeigepflichtigen Gestaltung führt zu der Verpflichtung des Beraters, die Identität des betreffenden Steuerpflichtigen zu offenbaren. Die Anzeigepflicht ist damit einer der unmittelbar mit der Beteiligung an der Gestaltung zusammenhängenden Nachteile, über die aufzuklären den Berater eine Sorgfaltspflicht trifft.1822 Wenn eine solche Aufklärung erfolgt und sich der Steuerpflichtige dennoch für die Beteiligung an der Gestaltung entscheidet, verzichtet dieser konkludent auf die Geheimhaltung der Beteiligung. Auf dieser Linie hat der BFH auch zur Nachweispflicht in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG argumentiert: Ein Mandant, der sich von einem Rechtsanwalt zum Essen einladen lässt, müsse in Anbetracht der bestehenden Nachweispflicht sozialadäquat damit rechnen, dass das Mandatsverhältnis gegenüber den Steuerbehörden offen gelegt wird.1823 ________________________ 1820 Anders aber etwa Kessler/Eicke, BB 2007, 2370, 2374 mit dem Einwand, der Berater werde durch die Anzeigepflichten gezwungen, „als Verräter […] die soeben verkaufte Gestaltung faktisch [zu entwerten]“, oder Schenke, Verfassungs- und europarechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, Teil 1, C. II., mit dem Hinweis auf die Verpflichtung der Externen, „gleichsam als verlängerte[r] Arm des Finanzamtes“ zu fungieren und der daraus folgenden „schwere[n] Hypothek und Belastung für die grundsätzlich freie Kommunikation zwischen den steuerberatenden Berufsgeheimnisträgern und ihren Mandanten“. 1821 So auf einfachgesetzlicher Ebene, BFH v. 8.4.2008, VIII R 61/06, DStR 2008, 1361, Tz. 17; BFH v. 14.5.2002, IX R 31/00, BStBl. II 2002, 712, Tz. 14 m. w. N.; vgl. auch Göpfert, DB 2006, 581, 585; ebenso Wünsch, in: Pahlke/Koenig, § 102 AO, Tz. 13 f. 1822 Hierzu im Zusammenhang der Bestimmtheitsprüfung bereits oben, S. 346. 1823 Vgl. BFH v. 26.2.2004, IV R 50/01, BStBl. II 2004, 502, Tz. 23; ähnlich auch die Fälle, in denen ein konkludenter Verzicht des Mandanten auf die Geheimhaltung seiner Identität angenommen wird, wenn er den Steuerberater auch mit der Erstellung der Steuererklärung beauftragt (vgl. BFH v. 8.4.2008, VIII R 61/06, DStR 2008, 1233, Tz. 17).
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Zudem besteht auch bei Eingriffen in das berufsbezogene Vertrauensverhältnis lediglich wiederum die zentrale Schranken-Schranke der Verhältnismäßigkeit.1824 In Anbetracht der Tatsache, dass es sich um Informationen handelt, die ohnehin im Rahmen der Steuererklärung durch den Steuerpflichtigen selbst kommuniziert werden müssen, würde die Rechtfertigung eines Eingriffs regelmäßig nicht schwer fallen.
II. Einfachgesetzliche Ausgestaltung Einfachgesetzlich könnte es sich bei den Regelungen zu den Anzeigepflichten, sofern sie explizit eine Anzeige durch Berufsträger vorsehen, um leges speciales gegenüber den allgemein gehaltenen Regelungen zum Schweigerecht und zum Recht, Urkundenherausgabe zu verweigern, handeln.1825 Selbstverständlich ist dies allerdings nicht. So hat der IX. Senat des BFH beispielsweise entschieden, dass die Pflicht zur Vorlage von Belegen nach § 160 AO das Schweigerecht nach § 102 Abs. 1 AO nur dann verdrängt, wenn in letzter Vorschrift ausdrücklich auf § 160 AO Bezug genommen wird.1826 Der IV. Senat des BFH löst das Vorrangverhältnis bei fehlender gesetzgeberischer Anweisung im Rahmen einer offenen Güterabwägung zwischen berufsbezogener Schweigepflicht und Gleichmäßigkeit der Besteuerung.1827 Bei den hier untersuchten Anzeigepflichten wäre ein derartiger Konflikt auf einfachgesetzlicher Ebene aber weniger wahrscheinlich. Denn Anzeigepflichten durch Berufsträger erzeugen einen direkten und generellen Konflikt zu den berufsbezogenen Schweigerechten. Der Wille des Gesetzgebers bezüglich der Vorrangfrage läge hier damit auf der Hand. Zur sicheren Vermeidung von Anwendungskonflikten böte es sich bei Einführung eines Anzeigepflichtsystems in Anbetracht der beschriebenen Problematik aber gegebenenfalls an, das Vorrangverhältnis in den Regelungen zur Anzeigepflicht ausdrücklich klar zu stellen. ________________________ 1824 BVerfG v. 5.5.2008, 2 BvR 1801/06, NJW 2008, 2422, Tz. 15; Henssler, NJW 1994, 1817, 1820; BVerfG v. 12.4.2005, 2 BvR 1027/02 (Beschlagnahme von Datenträgern), BVerfGE 113, 29, Tz. 106 ff.; BFH v. 8.4.2008, VIII R 61/06, DStR 2008, 1233, Tz. 19. 1825 Zu den einfachgesetzlichen Regelungen siehe oben, Fn. 1806. 1826 BFH v. 14.5.2002, IX R 31/00, BStBl. II 2002, 712, Tz. 28. 1827 BFH v. 26.2.2004, IV R 50/01, BStBl. II 2004, 502, Tz. 18 ff.; der Pflicht zum Nachweis der Bewirtungskosten in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG räumt der BFH dabei, unter anderem wegen der Bedeutung der Vorschrift zur Eingrenzung des „Spesenunwesens“, einen höheren Stellenwert ein; ebenso im Hinblick auf das Auskunftsverweigerungsrecht zur Wahrung des Presse- und Rundfunkgeheimnisses BFH v. 15.1.1998, IV R 81/96, BStBl. II 1998, 263, Tz. 16 ff.; kritisch zum Lösungsansatz der Güterabwägung Göpfert, DB 2006, 581, 584.
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H. Grenzen durch den Gleichheitssatz I. Allgemeiner Maßstab Auch der Gleichheitssatz ist darauf zu überprüfen, welche Grenzen er der Einführung von Anzeigepflichten setzt. Dem Gesetzgeber steht im Rahmen der Rechtssetzungsgleichheit allerdings grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum zu. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt danach lediglich, dass sich eine unterschiedliche Behandlung auf einen vernünftigen oder sonstwie einleuchtenden Grund zurückführen lässt, mithin nicht willkürlich ist.1828 So wäre die inhaltliche Beschränkung auf internationale Gestaltungen im deutschen Gesetzesentwurf 2007 wohl ausreichend gerechtfertigt gewesen durch die im Gesetzesentwurf vorgetragene Begründung, im Zusammenhang mit rein nationalen Steuergestaltungsmodellen bestehe kein gesteigerter Handlungsbedarf, nachdem in diesem Bereich bereits zahlreiche spezialgesetzliche Missbrauchsvorschriften erlassen worden sind.1829 Wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, in einem Teilbereich des Steuerrechts bestehe keine gesteigerte Missbrauchsgefahr, ist er selbstverständlich nicht gehalten, dennoch auch hier Anzeigepflichten einzuführen.
II. Differenzierung nach Personengruppen Eine strengere Verhältnismäßigkeitsprüfung ist nach der sogenannten neuen Formel des Bundesverfassungsgerichts aber dann erforderlich, wenn nach Personengruppen und nicht nur Sachverhalten differenziert wird. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn zwischen Gruppen von Normadressaten, die vom Gesetzgeber nicht gleich behandelt werden, keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.1830 Schwerlich zu rechtfertigen ist vor diesem Hintergrund eine – ausdrückliche oder wie im deutschen Entwurf zumindest faktische1831 – Beschränkung auf die Anzeigepflicht Externer unter Ausschluss von in house-Gestaltungen. Wie oben dargelegt, ist ein Grund für eine derartige Beschränkung im Lichte sowohl der rechtspolitischen als auch der veranlagungsunterstützenden Grundfunktion von Anzeigepflichten nicht ersichtlich.1832 ________________________ 1828 Vgl. BVerfG v. 22.11.2000, 1 BvR 2307/94, 1120, 1408, 2460, 2471/95, BVerfGE 102, 254, 299; BVerfG v. 30.10.2002, 1 BvL 13, 14, 15/96, BVerfGE 106, 201, 206. 1829 Vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 6, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 72. 1830 Vgl. BVerfG v. 4.4.2001, 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310, 318 f.; BVerfG v. 13.6.2006, 1 BvR 1160/03, BVerfGE 116, 135, 160 f. 1831 Hierzu oben, S. 163 f. 1832 Hierzu oben, S. 212.
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Die im deutschen Vorschlag vorgenommene Beschränkung der Anzeigepflicht innerhalb der Gruppe der Vermarkter auf die lediglich größeren Vermarkter1833 hielte hingegen auch dieser strengeren Prüfung stand.1834 Anzeigepflichten belasten kleinere Vermarkter im Verhältnis stärker. Vermarkter mit einem jährlichen Umsatz aus Vermarktertätigkeit von 250.000 € und mehr1835 können sich leichter als kleine Vermarkter auf die Anzeigepflichten und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand einstellen. Bei einem (auch) an Veranlagungsunterstützung ausgerichteten System erlaubt dieses Kriterium zudem zumindest eine gewisse Indikation über die fiskalische Bedeutung der Gestaltung.1836
III. Gebot der Folgerichtigkeit Eine spezielle Ausprägung des Gleichheitssatzes findet sich im Gebot der Folgerichtigkeit bzw. Systemgerechtigkeit.1837 In der Literatur wird zum Teil vertreten, dass ein Anzeigepflichtsystem gegen dieses Gebot verstoße. Es beinhalte „echte Systembrüche“ insofern, als damit zum einen Elemente generell-abstrakter Strukturkontrolle eingeführt würden, wohingegen das Steuerrecht bislang – verkörpert in § 42 AO – lediglich konkret-individuelle Missbrauchskontrolle kenne; zudem werde durch den Einbezug der Externen aus einem bislang bipolaren Steuerrechtsverhältnis zwischen Steuerpflichtigem und Fiskus ein multipolares Rechtsverhältnis; schließlich liege ein Systembruch auch in der „Pönalisierung“ legaler Gestaltungen.1838 Der Einwand der verfassungsrechtlichen Systemwidrigkeit geht fehl. Das Gebot der Folgerichtigkeit versperrt sich neuen Elementen nicht grundsätzlich, sondern nur dann, wenn diese mit der vom Gesetz selbst vorgegebenen Sach-
________________________ 1833 Vgl. die Grenze von 250.000 Euro jährlicher Vermarktungstätigkeit in § 138a Abs. 5 AO-E. 1834 Der Einwand von Schenke, Verfassungs- und europarechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, Teil 1, A. III. 5., gerade große Vermarkter böten aufgrund ihres bisherigen Markterfolgs besondere Gewähr für eine sachgerechte Beratung und dürften daher nicht schlechter gestellt werden als kleinere Vermarkter, erscheint hingegen wenig überzeugend. 1835 Zu dieser Grenze siehe oben, S. 161. 1836 Die Begründung des Gesetzesentwurfs stellt explizit auf das Steuerausfallrisiko ab (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 9, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 78); zu dieser Problematik siehe oben, S. 216. 1837 Siehe hierzu etwa Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 3 GG, Tz. 29, 46 und 47 m. w. N.; Hey, DStR 2009, 2561. 1838 So Scholz, Rechtsgutachterliche Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen (§ 138a AO), II. 3.
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gesetzlichkeit in Widerspruch stehen.1839 Widersprüche zu einer anderweitigen grundlegenden gesetzgeberischen Entscheidung sind hier aber nicht ersichtlich. Schon bislang sah das Steuerrecht Offenbarungspflichten für Steuerpflichtige vor, die mit der Veranlagung des Verpflichteten, wenn überhaupt, nur den Anlass gemein haben, die aber für andere Zwecke verwendet werden.1840 Zudem ist auch eine systemwidrige Pönalisierung legaler Gestaltungen nicht zu erkennen.1841 Dies gilt selbst dann, wenn den Anzeigepflichten eine eigenständige abschreckende Funktion zukommt.1842 Zwar wird dann beschwert, was nach materiellem Steuerrecht zulässig ist. Nicht aber wirken sich die Anzeigepflichten so aus, dass die Entwicklung oder die Beteiligung an einer betroffenen Steuergestaltung gänzlich unmöglich ist. Vielmehr werden lediglich die mit der Entwicklung, dem Vertrieb und/oder der Beteiligung verbundenen Kosten, Ertragschancen und Risiken berührt. Damit wird eine neue Gruppe von Gestaltungen geschaffen, die zwar zulässig sind, aber eben risikobehafteter und finanziell weniger attraktiv.1843 Dies ist ein milderes Mittel zur materiellrechtlichen Unzulässigerklärung und enthält damit keinen Widerspruch zur materiellrechtlichen Zulässigkeit.1844
I. Zusammenfassung Die mangelnde Zweckmäßigkeit von Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen schlägt auf die verfassungsrechtliche Beurteilung nur zu einem Teil durch. So sind Anzeigepflichten mit eigenständig abschreckender Wirkung verfassungsrechtlich unzulässig, allerdings nur, weil sie einen nicht erforderlichen Eingriff in die Freiheitsrechte der Anzeigeverpflichteten darstellen, nicht auch, ________________________ 1839 Allein die Tatsache, dass „vergleichbare Pflichten nirgends sonst in der Rechtsordnung nachweisbar sind“, ist demnach noch nicht relevant (so aber Scholz, Rechtsgutachterliche Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen (§ 138a AO), II. 1. a)). 1840 Siehe etwa die Pflicht zur Benennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern in § 160 AO, die Mitteilungspflicht der Steuerabzugsverpflichteten nach § 45d EStG, die Anzeigepflicht der Vermögensverwalter nach § 33 ErbStG, die Anzeigepflicht der Behörden und Notare nach § 34 ErbStG sowie § 18 GrEStG, die Meldepflicht bei innergemeinschaftlicher Lieferung neuer Fahrzeuge nach § 18c UStG oder die Pflicht zur Zusammenfassenden Meldung nach § 18a UStG. 1841 Mit Bußgeld ist lediglich die Nichtbeachtung der Anzeigepflichten bewehrt; dies verkennt Scholz, Rechtsgutachterliche Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen (§ 138a AO), I. 3. d), der die Pönalisierung ausschließlich mit dem Bußgeld, nicht aber mit einer darüber hinausgehenden abschreckenden Funktion von Anzeigepflichten begründet. 1842 Hierzu oben, S. 185 f. sowie 323 ff. 1843 Zur mangelnden Zweckmäßigkeit dieses Vorgehens aber oben, ab S. 323. 1844 Siehe aber zur sich aus der Unverhältnismäßigkeit ergebenden Verfassungswidrigkeit einer eigenständig abschreckenden Wirkung oben, S. 335.
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weil sie daneben mangels Folgerichtigkeit gegen den Gleichheitssatz verstießen. Anzeigepflichten mit rechtspolitischer Funktion mangelt es dann, wenn sie spezifisch grenzüberschreitende Gestaltungen erfassen, an der verfassungsrechtlichen Geeignetheit. Auch eine Beschränkung der Anzeigepflicht allein auf Externe unter Ausschluss der in house entwickelten Gestaltungen ist verfassungsrechtlich unzulässig. Im Übrigen ergeben sich keine generellen verfassungsrechtlichen Vorbehalte gegen Anzeigepflichten. Die Ausgestaltung im Detail kann aber Grenzen etwa in den Vorgaben des Bestimmtheitsgrundsatzes sowie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung finden.
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Kapitel 2: Europarecht Auch das Europarecht kann deutschen Anzeigepflichten Grenzen setzen. Ein Konflikt mit EG-Sekundärrecht ist zwar nicht ersichtlich. Die Regelungen sind aber an den Grundfreiheiten des EG-Vertrags zu messen.1845 Je nach sachlichem Bezug der Fallgruppe können dabei alle Grundfreiheiten der Steuerpflichtigen betroffen sein. Anzeigepflichtige Externe können in ihrer Dienstleistungsfreiheit betroffen sein.1846
A. Unterschiedslose Anzeigepflichten Anzeigepflichten stehen als solche grundsätzlich nicht in Konflikt mit den Grundfreiheiten, sofern sie sachlich und persönlich unterschiedslos auf rein nationale sowie grenzüberschreitende Gestaltungen bzw. im In- und Ausland ansässige Anzeigeverpflichtete anwendbar sind. Bei dieser Aussage verbleibt es auch dann, wenn man den EG-Grundfreiheiten ein echtes Beschränkungsverbot entnimmt, nach dem auch unterschiedslose, aber den freien Markt beschränkende Maßnahmen vor den Grundfreiheiten rechtfertigungsbedürftig sind.1847 Denn auch dieses Beschränkungsverbot gilt nicht umfassend, sondern lediglich in Bezug auf Maßnahmen, die unmittelbar den Marktzugang betreffen bzw. spezifisch den grenzüberschreitenden Sachverhalt belasten.1848 Dies ist bei unterschiedslosen Anzeigepflichten aber nicht der Fall, unabhängig davon ob sie Steuerpflichtige oder Externe treffen. Sie beziehen sich nicht auf den Marktzugang, sondern auf die bloße Ausübung von Tätigkeiten in diesem ________________________ 1845 Davon zu unterscheiden ist die oben auf S. 309 ff. dargestellte Frage, welche Grenzen die EG-Grundfreiheiten dem Erlass spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen setzen, die sich aus den Anzeigepflichten ergeben. 1846 Zweifellos gilt dies, wenn der Dienstleistungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist; aber auch dann, wenn alle Beteiligten im Inland ansässig sind, aber die anzeigepflichtige Fallgruppe grenzüberschreitenden Bezug hat, kann die Dienstleistungsfreiheit in ihrer Ausprägung als Produktfreiheit betroffen sein (vgl. zur produktbezogenen Komponente der Dienstleistungsfreiheit Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 57 AEUV, Tz. 5 und 77 f.). 1847 Ein derartig freiheitsrechtliches Verständnis der Grundfreiheiten ist mehreren Entscheidungen außerhalb des Steuerrechts zu entnehmen (ausführlich Friese, Rechtsformwahlfreiheit im Europäischen Steuerrecht, 88 ff.; Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, 43 ff.); im Bereich des materiellen Steuerrechts ist die Entwicklung zu einem echten Beschränkungsverbot zwar noch nicht vollzogen, allerdings in einzelnen Urteilen angedeutet (Friese, Rechtsformwahlfreiheit im Europäischen Steuerrecht, 115 ff.); im Steuerverfahrensrecht findet sich ein entsprechender Ansatz bei EuGH v. 15.5.1997, C-250/95 (Futura Participations und Singer), Tz. 23 ff. 1848 Friese, Rechtsformwahlfreiheit im Europäischen Steuerrecht, 130 f.; Cordewener, The prohibitions of discrimination and restriction, 34 f.
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Markt, und belasten damit nicht spezifisch den Grenzübertritt. Es ergibt sich damit auch nach einem weiten Verständnis der Bedeutung von Grundfreiheiten kein Rechtfertigungsbedürfnis für unterschiedslose Anzeigepflichten.
B. Fallgruppen mit spezifischer Anknüpfung an grenzüberschreitende Sachverhalte I. Beschränkende Wirkung Anderes gilt allerdings dann, wenn die Anzeigepflicht ausdrücklich oder zumindest in ihrer Wirkung spezifisch an grenzüberschreitende Sachverhalte anknüpft, wie insbesondere in den deutschen und israelischen Regelungen.1849 Denn dann werden diese Sachverhalte mit der Pflicht zur Anzeige belastet, während ein reiner Inlandssachverhalt nicht anzeigepflichtig ist. Es handelt sich damit – entgegen der Begründung zum deutschen Entwurf von 20071850 – nicht etwa um eine bloße Quasibeschränkung wie bei der allgemeinen Steuererklärungspflicht, die unvermeidlich aus dem Nebeneinander nationaler Steuersysteme erwächst und gegebenenfalls hinzunehmen wäre.1851 Denn die Anzeigepflicht folgt hier nicht aus dem Nebeneinander verschiedener Systeme, sondern aus der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, den grenzüberschreitenden Sachverhalt mit einer Anzeigepflicht zu belegen.1852 Es findet für Anzeigepflichten zudem weder ein de minimis-Vorbehalt1853 noch eine ________________________
1849 Dabei macht es im Hinblick auf derartige Fallgruppen keinen Unterschied, ob innerhalb des Systems der Anzeigepflichten lediglich einzelne Fallgruppen spezifisch grenzüberschreitende Gestaltungen betreffen, wie dies etwa in Israel der Fall ist, oder ob, wie nach dem deutschen Entwurf, sämtliche Fallgruppen sich ausschließlich auf internationale Sachverhalte beziehen. 1850 Vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 6, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 73. 1851 Siehe zu derartigen Quasibeschränkungen grundlegend Generalanwalt Geelhoed, Schlussanträge v. 23.2.2006, C-374/04 (ACT), Tz. 37 ff.; ohnedies ist selbst bei derartigen Quasi-Beschränkungen das Rechtfertigungsbedürfnis umstritten (dafür Vanistendael, EC Tax Review 2008, 52, 61 ff.; dagegen Geelhoed, a. a. O.; offen gelassen von Generalanwältin Sharpston v. 17.12.2009, C-96/08 (CIBA), Tz. 27 ff.). 1852 Eine Quasibeschränkung läge hingegen vor, wenn eine unterschiedslos in- und ausländische Sachverhalte erfassende Anzeigepflicht neben eine im Ausland bestehende Anzeigepflicht derselben Gestaltung tritt. 1853 Generell ablehnend zu einem Ausschluss von geringfügigen bzw. unbedeutenden Beschränkungen EuGH v. 28.1.1986, C-270/83 (Avoir fiscal), Tz. 21; EuGH v. 18.5.1993, C-126/91 (Yves Rocher), Tz. 21; EuGH v. 11.3.2004, C-9/02 (Lasteyrie du Saillant), Tz. 43; in Anbetracht der mit der Nichtbeachtung der Anzeigepflichten verbundenen Sanktionen ist ohnehin nicht von einer nur geringfügigen Belastung auszugehen; dies gilt zumal bereits die Verpflichtung zur Abgabe einer einfachen Steuererklärung als beschränkend angesehen wurde (vgl. die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 30.3.2006, C-470/04 (N.), Tz. 79, sowie das nachfolgende Urteil des EuGH v. 7.9.2006, C-470/04 (N.), Tz. 38).
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Bereichsausnahme für reine Verfahrensregelungen1854 Anwendung. Jede einzelne Fallgruppe, die spezifisch grenzüberschreitende Sachverhalte betrifft, beschränkt damit den grundfreiheitlich gesicherten freien Verkehr und ist rechtfertigungsbedürftig.
II. Rechtfertigung Bei der Rechtfertigung ist wiederum nach den verschiedenen Funktionen von Anzeigepflichten zu unterscheiden. 1. Veranlagungsunterstützende Funktion a) Geeigneter Rechtfertigungsgrund Die Wirksamkeit der Steueraufsicht ist anerkannter zwingender Grund des Allgemeininteresses. Mit ihrer Zielrichtung, die klare und eindeutige Feststellung von Steueransprüchen zu sichern,1855 also dem geltenden Steuerrecht zu gleichmäßiger Durchsetzung im konkreten Fall zu verhelfen, ist sie geeignete Grundlage für eine Rechtfertigung von Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Funktion. Zwar wird dieser Allgemeinwohlbelang vom EuGH regelmäßig im Zusammenhang mit der Rechtfertigung materiellrechtlicher Steuergesetze diskutiert.1856 Zumindest in der Rechtssache Futura Participations und Singer hat der EuGH die Wirksamkeit der Steueraufsicht aber auch an einer verfahrensrechtlichen Verpflichtung festgemacht,1857 so dass eine Anwendung dieses Rechtfertigungsgrunds auf Anzeigepflichten auch insofern zulässig erscheint. ________________________ 1854 Selbst wenn man von der Existenz einer solchen Bereichsausnahme ausginge (vgl. etwa Hruschka, IStR 2002, 753, 756 zu § 90 Abs. 2 AO), so findet sie wiederum jedenfalls dort keine Anwendung, wo die Verfahrensregelung durch Konsequenzen im materiellen Recht oder im Bußgeldrecht abgesichert und verstärkt ist. 1855 Vgl. etwa EuGH v. 15.5.1997, C-250/95 (Futura Participations und Singer), Tz. 31; EuGH v. 28.10.1999, C-55/98 (Vestergaard), Tz. 25; EuGH v. 29.3.2007, C-347/04 (REWE Zentralfinanz), Tz. 55. 1856 EuGH v. 20.2.1979, C-120/78 (Cassis de Dijon), Tz. 8; EuGH v. 28.1.1992, C-204/90 (Bachmann), Tz. 17 ff.; EuGH v. 8.7.1999, C-254/97 (Baxter), Tz. 18; EuGH v. 28.10.1999, C-55/98 (Vestergaard), Tz. 23 und 25 ff.; EuGH v. 26.9.2000, C-478/98 (Kommission/Belgien), Tz. 38 f.; EuGH v. 21.11.2002, C-436/00 (X und Y), Tz. 51; EuGH v. 15.7.2004, C-315/02 (Lenz), Tz. 45; EuGH v. 14.9.2006, C-386/04 (Stauffer), Tz. 47; EuGH v. 29.3.2007, C-347/04 (REWE Zentralfinanz), Tz. 55. 1857 EuGH v. 15.5.1997, C-250/95 (Futura Participations und Singer), Tz. 31; die Beschränkung des Verlustvortrags auf Betriebsstätten, die ihre Bücher in Luxemburg führen, war allerdings wiederum in einer materiellrechtlichen Norm, § 157 Abs. 2 des luxemburgischen Einkommensteuergesetzes enthalten.
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b) Erforderlichkeit Es ist bereits fraglich, ob die Anzeigepflichten der EG-rechtlichen Erforderlichkeitsprüfung standhalten könnten. Denn der EuGH nimmt tendenziell eine strengere Erforderlichkeitsprüfung vor als das Bundesverfassungsgericht.1858 Er gesteht dem mitgliedstaatlichen Gesetzgeber keine umfassende Einschätzungsprärogative zu, sondern stellt eine eigenständige Sachprüfung an.1859 Auch versagt er die Rechtfertigung nicht nur bei milderen Alternativmaßnahmen, die mindestens ebenso geeignet sind, sondern schon dann, wenn die Alternativmaßnahme auch nur den gleichen Zweck verfolgt wie die in Frage stehende Maßnahme und gleichzeitig gemeinschaftswohldienlicher ist als diese.1860 Damit könnte hier der oben im Rahmen der verfassungsrechtlichen Erforderlichkeitsprüfung dargestellte Einwand, die tradierten Offenbarungspflichten seien für veranlagungsunterstützende Zwecke nicht ebenso geeignet wie ein neues Anzeigepflichtsystem, abgeschnitten sein.1861 c) Anerkennungsgrundsatz Jedenfalls aber würden die Anzeigepflichten für spezifisch grenzüberschreitende Gestaltungen am vom EuGH häufig zusätzlich geprüften sog. Anerkennungsgrundsatz scheitern.1862 Danach prüft der EuGH, ob das Recht des betroffenen Mitgliedstaats die angegriffene Maßnahme wirklich in allen Fällen vorsieht, in denen sie nach der Sachlogik des behaupteten Rechtfertigungsgrunds vorgesehen werden müsste, und versagt andernfalls die Rechtfertigung in toto.1863 Die Perspektive ist hier also umgekehrt: Während bei der Erforder________________________ 1858 Lammel/Reimer, Europäisches Unternehmenssteuerrecht, 180; stärker die Vergleichbarkeit betonend hingegen Hahn, DStZ 2005, 507, 513. 1859 Lammel/Reimer, Europäisches Unternehmenssteuerrecht, 180; relativierend Kischel, EuR 2000, 380, 387. 1860 Vgl. hierzu Dammann, Materielles Recht und Beweisrecht im System der Grundfreiheiten, 324 f. sowie 454 ff.; generell zur im Vergleich zum deutschen Verfassungsrecht strengeren Prüfung nach EG-Recht Lammel/Reimer, Europäisches Unternehmenssteuerrecht, 180; stärker die grundsätzliche Vergleichbarkeit betonend hingegen Hahn, DStZ 2005, 507, 513, sowie Kischel, EuR 2000, 380, 390 ff. und 401 f. 1861 Siehe zur Erforderlichkeitsprüfung im deutschen Recht oben, S. 334 f. 1862 Hierzu Dautzenberg, FR 1997, 570, 571, Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 636 f., Lammel/Reimer, Europäisches Unternehmenssteuerrecht, 180 f., sowie ausführlich Reimer, FR 2007, 217. 1863 Siehe beispielsweise EuGH v. 15.5.1997, C-250/95 (Futura Participations und Singer), Tz. 37 ff.: Genereller Verzicht Luxemburgs auf die Verpflichtung von Steuerausländern, im Inland Bücher zu führen, versperrt die Möglichkeit, für die Geltendmachung eines Verlustvortrags die Buchführung in Luxemburg einzufordern. Ähnlich EuGH v. 26.9.2000, C-478/98 (Kommission/Belgien), Tz. 46: Die generelle Verfügbarkeit anderer Euroanleihen steht dem Verbot des Erwerbs einer speziellen Auslandsanleihe entgegen.
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lichkeitsprüfung danach gefragt wird, ob die betroffene Maßnahme nicht womöglich zu weit geht, leitet der Anerkennungsgrundsatz den Blick darauf, ob die Maßnahme ihrer Zielsetzung folgend nicht zu kurz greift und dem Gesetzgeber deswegen die – folglich nur punktuelle – Rechtfertigung mit dieser Zielsetzung verwehrt wird. Damit ist der Anerkennungsgrundsatz letztlich gleichheitsrechtlich verankert.1864 Die Aufstellung von Fallgruppen gerade mit spezifischem Auslandsbezug müsste also durch einen sachlogischen Grund gerechtfertigt sein. Ein solcher ist bei Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Funktion aber nicht ersichtlich. Durch die Tatsache, dass sich hier Teile des Sachverhalts im Ausland abspielen, ergibt sich keine Änderung. Zunächst sind die bereits bestehenden Offenbarungspflichten nicht etwa nur auf inländische Sachverhaltselemente beschränkt, sondern erfassen ohne Beschränkung alle für die steuerliche Beurteilung (etwa im Lichte des § 42 AO) relevanten Tatsachen, also auch ausländische Sachverhaltselemente.1865 Damit liegt nach der Struktur der bestehenden Offenbarungspflichten die Sachverhaltsschilderung in jedem Fall – strafrechtlich abgesichert – für die Finanzverwaltung zutage.1866 Eventuelle verwaltungstechnische Probleme infolge der ausländischen Sachverhaltsbelegenheit können keinen Differenzierungsgrund darstellen. Denn zumindest aus Sicht der bisherigen EuGH-Rechtsprechung können die durch den Auslandsbezug zunächst bestehenden Probleme mittels der Amtshilferichtlinie1867 überwunden werden. Auf diese Möglichkeit der europaweiten Amtshilfe in Steuersachen verweist der EuGH regelmäßig bei der Ablehnung der Erforderlichkeit einer Maßnahme zur Wirksamkeit der Steueraufsicht.1868 Zwar ist eine derartige Auslandsauskunft in der Praxis mannigfachen sprachlichen, technischen und zeitlichen Hürden ausgesetzt. Bloße verwaltungstechnische Nachteile vermögen die Behinderung von Grundfreiheiten aber nicht
________________________ 1864 Vgl. Reimer, FR 2007, 217, 225. 1865 Zu diesen Offenbarungspflichten oben, S. 240 ff. 1866 Vor diesem Hintergrund kann auch schwerlich argumentiert werden, die Anzeigepflichten seien erforderlich um die EG-Amtshilferichtlinie überhaupt anwenden zu können (so aber – ohne nähere Begründung – der deutsche Entwurf von 2007, S. 7). 1867 EG-Richtlinie v. 19.12.1977, (77/799/EWG), ABl. L 336 v. 27.12.1977, S. 15; zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. L 363 v. 20.12.2006, S. 129. 1868 EuGH v. 28.1.1992, C-204/90 (Bachmann), Tz. 18; EuGH v. 12.4.1994, C-1/93 (Halliburton), Tz. 22; EuGH v. 14.2.1995, C-279/93 (Schumacker), Tz. 45; EuGH v. 15.5.1997, C-250/95 (Futura Participations und Singer), Tz. 41; EuGH v. 28.10.1999, C-55/98 (Vestergaard), Tz. 26 ff.; EuGH v. 14.9.2006, C-386/04 (Stauffer), Tz. 50; EuGH v. 29.3.2007, C-347/04 (REWE Zentralfinanz), Tz. 56.
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zu rechtfertigen.1869 Diese Schwierigkeiten können eine gesonderte Auskunftspflicht also nicht begründen. In einigen, insbesondere auch neueren, Urteilen variiert der EuGH die stereotype Bezugnahme auf die Amtshilferichtlinie zwar mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, steuerliche Vorteile von der Vorlage von Belegen und Nachweisen über ausländische Sachverhalte abhängig zu machen.1870 Insofern diesen Entscheidungen die Aussage zu entnehmen ist, dass Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen trotz des Instrumentariums der Amtshilferichtlinie zulässig sein können,1871 ändert dies aber nichts am oben festgestellten Ergebnis. Denn die behandelten Pflichten zur Belegvorlage sichern ebenso wie die Amtshilferichtlinie selbst lediglich die Sachverhaltsnachprüfung. Dies ist insofern stimmig, als allein die Sachverhaltsnachprüfung durch die Auslandsbelegenheit des betreffenden Sachverhaltsteils erschwert wird. Die mit Anzeigepflichten einhergehende Pflicht zur detaillierteren Sachverhaltsdarstellung oder zur Aufbereitung der rechtlichen Struktur der Gestaltung lässt sich mit der Auslandsbelegenheit hingegen nicht begründen.1872 Ein Grund, Anzeigepflichten spezifisch auf grenzüberschreitende Sachverhalte zu beziehen, besteht somit nicht. Dem europarechtlichen Anerkennungsgrundsatz würde ein derartiges Anzeigepflichtsystem mithin nicht genügen.
________________________ 1869 EuGH v. 15.7.2004, C-315/02 (Lenz), Tz. 48; EuGH v. 14.9.2006, C-386/04 (Stauffer), Tz. 48. 1870 EuGH v. 28.1.1992, C-300/90 (Kommission/Belgien), Tz. 13; EuGH v. 28.10.1999, C-55/98 (Vestergaard), Tz. 28; EuGH v. 3.10.2002, C-136/00 (Danner), Tz. 50; EuGH v. 26.6.2003, C-422/01 (Skandia), Tz. 43; EuGH v. 10.3.2005, C-39/04 (Laboratoires Fournier), Tz. 25; EuGH v. 27.9.2007, C-184/05 (Twoh International), Tz. 35. 1871 So Lang, Die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, 90 und 104; Seer, in: Tipke/Kruse, § 90 AO, Tz. 30; Musil/Fähling, DStR 2010, 1501, 1503. 1872 Insofern unterscheidet sich das Problem der Anzeigepflichten etwa von demjenigen der erhöhten Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO. Denn dort geht es zentral lediglich um die Pflicht zur Beibringung von Beweismitteln (vgl. Hruschka, IStR 2002, 753, 757; Seer, in: Tipke/Kruse, § 90 AO, Tz. 21 ff.). Damit ist es vor dem Hintergrund der zuletzt dargestellten EuGH-Rechtsprechung möglich, § 90 Abs. 2 AO als europarechtsgemäß anzusehen (umstritten; zum Streitstand Seer, in: Tipke/ Kruse, § 90 AO, Tz. 30, sowie Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 90 AO, Tz. 146 ff.).
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2. Rechtspolitische Funktion a) Geeignete Rechtfertigungsgründe Anzeigepflichten für internationale Gestaltungen können auch unter dem Blickwinkel ihrer rechtspolitischen Funktion nicht gerechtfertigt werden.1873 Hier fehlt es schon an einem einschlägigen anerkannten Rechtfertigungsgrund.1874 aa) Bekämpfung von Missbräuchen Die Bekämpfung von Missbräuchen kann nur solche nationale Regelungen rechtfertigen, die speziell bezwecken, rein künstliche Konstruktionen, die auf eine Umgehung des nationalen Steuerrechts gerichtet sind, auszuschließen.1875 In aller Regel werden schon die spezialgesetzlichen Missbrauchsnormen, die aufgrund der aus den Anzeigepflichten gewonnen Informationen erlassen werden, diesen hohen Anforderungen nicht genügen.1876 Erst recht muss dieser Rechtfertigungsgrund aber dann ausscheiden, wenn es um die Anzeigepflichten selbst geht.1877 Denn viele angezeigte Gestaltungen werden – der notwendigen Weite der anzeigepflichtigen Fallgruppen geschuldet1878 – letztlich ohnehin völlig unproblematisch sein. bb) Wirksamkeit der Steueraufsicht Der deutsche Gesetzesentwurf von 2007 geht offenbar von einem erweiterten Rechtfertigungsgrund der wirksamen Steueraufsicht aus. Auch ein rechtspolitischer Einsatz der gewonnenen Informationen führe letztlich dazu, „für Erhebungsgleichheit bei der Besteuerung zu sorgen“.1879 Bislang wurde der Belang der wirksamen Steueraufsicht durch den EuGH aber stets im Zusammenhang mit Maßnahmen diskutiert, die den durch das materielle Steuerrecht ________________________
1873 In diese Richtung deuten die EG-rechtlichen Ausführungen des deutschen Entwurfs von 2007 (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 6 f., sowie Entwurf v. 11.9.2007, 72 f.), indem sie darauf hinweisen, es ginge bei den Anzeigepflichten weniger um eine Kontrolle im Einzelfall als um frühzeitige Informationsgewinnung über Gestaltungen (siehe auch generell zur Ausrichtung der deutschen Regelungen an der rechtspolitischen Funktion oben, Fn. 1013). 1874 So auch Ehlermann/Nakhai, 47 Tax Notes International (2007), 316, 319, die aber gleichzeitig eine gewisse Hoffnung auf Rechtfertigung wegen der nur geringen Eingriffsintensität der Anzeigepflichten äußern. 1875 Siehe die Rechtsprechungsnachweise oben, Fn. 1644. 1876 Hierzu oben, S. 311. 1877 Ohnedies setzte eine solche Rechtfertigung voraus, dass man den Rechtfertigungsgrund der Missbrauchsbekämpfung, der bislang in der Rechtsprechung stets auf die materiellrechtlichen Normen selbst bezogen wurde, auch auf formelle Belastungen wie Anzeigepflichten als vorbereitende Handlungen für den Erlass der Missbrauchsnormen erstrecken möchte. 1878 Hierzu oben, ab S. 208. 1879 Entwurf v. 25.6.2007, 6, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 73.
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begründeten Besteuerungsanspruch sicherstellen.1880 Anzeigepflichten zielen in ihrer rechtspolitischen Funktion aber gerade auf eine Änderung des materiellen Steuerrechts. Dies stellt keine bloße, letztlich auf derselben Grunderwägung beruhende Erweiterung der bisherigen EuGH-Rechtsprechung dar, sondern ein komplettes aliud.1881 Es ist mithin nicht ersichtlich, wie die Anzeigepflichten hierauf gestützt gerechtfertigt werden sollten. cc) Weitere Rechtfertigungsgründe Bei den richterrechtlich bislang entwickelten anerkannten Allgemeinwohlbelangen handelt es sich um keinen abgeschlossenen Kanon.1882 Damit ist die Rechtfertigung durch den EuGH nicht allein schon deshalb ausgeschlossen, weil keiner der bislang anerkannten Gründe einschlägig ist. In der Literatur wird vor diesem Hintergrund vereinzelt etwa die Rechtfertigung eines Anzeigepflichtsystems mit dem Zweck der „Erhöhung der Effektivität der Steuergesetzgebung zur Abwehr finanzpolitisch unerwünschter Steuergestaltungen“ für zumindest denkbar gehalten.1883 Selbst wenn ein solcher anderweitiger Rechtfertigungsgrund im Grundsatz zur Verfügung stände, so wäre doch die Anwendung auf die Anzeigepflichten fraglich. Denn wie gezeigt sind auf spezifisch grenzüberschreitende Gestaltungen abzielende spezialgesetzliche Missbrauchsnormen engen europarechtlichen Grenzen ausgesetzt.1884 Damit ist fraglich, inwieweit Anzeigepflichten hier überhaupt eine sinnvolle rechtspolitische Bedeutung haben können.1885 b) Erforderlichkeit Sollte wider Erwarten ein anderweitiger Rechtfertigungsgrund eingreifen, so wäre die Verhältnismäßigkeit im Übrigen wohl zu bejahen.1886 Selbst vor dem ________________________ 1880 Siehe die Rechtsprechungsnachweise oben, Fn. 1856; siehe hierzu auch Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Tz. 838, sowie Hahn, DStZ 2005, 507, 509. 1881 Anders als beim Rechtfertigungsgrund der Missbrauchsbekämpfung (vgl. Fn. 1877) ist es demnach auch nicht möglich, in den Anzeigepflichten vorbereitende Maßnahmen zu erblicken, die gegebenenfalls ebenso wie die Missbrauchsvorschriften selbst gerechtfertigt werden könnten. 1882 Vgl. besonders augenfällig die Rechtfertigungsprüfung in der Rechtssache Marks & Spencer, EuGH v. 13.12.2005, C-446/03, Tz. 35 ff.; vgl. zur mangelnden Begrenzung der Rechtfertigungsgründe auch bereits EuGH v. 20.2.1979, C-120/78 (Cassis de Dijon), Tz. 8 („insbesondere“). 1883 Etwa Schenke, Verfassungs- und europarechtliche Fragen des § 138a AO-Entwurfs, Teil 2, II. 2. d), der allerdings jedenfalls die Erforderlichkeit von Anzeigepflichten verneint. 1884 Siehe hierzu oben, S. 309 ff. 1885 Hierzu oben, S. 309 ff. und S. 333. 1886 Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit bei unklarem Eingreifen eines Gemeinwohlbelangs, siehe etwa EuGH v. 10.3.2005, C-39/04 (Laboratoires Fournier), Tz. 23.
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Hintergrund des tendenziell strengeren Maßstabs des EuGH1887 ist insbesondere fraglich, ob die Auswertung offen zugänglicher Quellen sowie der einzelnen Steuererklärungen für rechtspolitische Zwecke als ein die Erforderlichkeit ausschließendes Mittel angesehen werden kann.1888 Allzu offensichtlich sind der unterschiedliche Ansatz und die geringere Eignung dieser Alternativen. c) Anerkennungsgrundsatz Die Aufstellung von Fallgruppen mit spezifischem Auslandsbezug wäre schließlich noch am Anerkennungsgrundsatz zu messen. Die Beschränkung auf grenzüberschreitende Gestaltungen müsste durch einen sachlogischen Grund gerechtfertigt sein. Ob ein Hinweis wie im deutschen Entwurf, für nationale Missbrauchsfälle bestünden bereits ausreichend spezialgesetzliche Missbrauchsnormen,1889 als Differenzierungsgrund genügt, hängt dabei davon ab, in welchem Umfang der EuGH dem nationalen Gesetzgeber hier eine Einschätzungsprärogative zugesteht. 3. Abschreckungsfunktion Allgemeinwohlbelange zur Rechtfertigung einer eigenständig abschreckenden Funktion von Anzeigepflichten sind nicht ersichtlich.1890 Lediglich bei Fallgruppen, die zielgerichtet rein künstliche Umgehungsgestaltungen erfassen, könnte eine abschreckende Wirkung gerechtfertigt sein, wenn man die Missbrauchsbekämpfung von Maßnahmen des materiellen Steuerrechts auch auf Verfahrensvorschriften wie die Anzeigepflichten erstreckt. Die Rechtfertigung scheitert hier aber schon daran, dass Anzeigepflichten nicht derart zielgenau missbräuchliche Gestaltungen erfassen können.1891
C. Differenzierung nach in- und ausländischen Verpflichteten I. Rechtfertigungsbedürftige Differenzierungen Schließlich ist noch zu untersuchen, wie eine Differenzierung bei den Anzeigeverpflichteten danach, ob diese im In- oder Ausland ansässig sind, im Licht der Grundfreiheiten zu bewerten wäre. ________________________ 1887 1888 1889 1890
Hierzu oben, S. 365. Hierzu oben, S. 334 f. Hierzu oben, S. 358. Der Entwurf von 2007 stellt in der EG-rechtlichen Erläuterung dar, den Anzeigepflichten fehle es ohnehin an abschreckender Wirkung (vgl. Entwurf v. 25.6.2007, 6, sowie Entwurf v. 11.9.2007, 72). 1891 Hierzu oben, S. 323; dort auch zu der möglichen Ausnahme bei entsprechend ausgerichteten Kataloggestaltungen.
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Eine offene Diskriminierung läge dann vor, wenn nur Ausländer verpflichtet wären. Eine solche Ausgestaltung von Anzeigepflichten ist in den untersuchten Systemen aber nicht ersichtlich.1892 Vielmehr ist die Anzeigepflicht in Portugal gerade umgekehrt beschränkt, nämlich ausschließlich auf Inländer bezogen.1893 In den übrigen Ländern findet sich keine Beschränkung der Anzeigepflicht allein auf In- oder Ausländer.1894 Problematisch ist allerdings die sich in Großbritannien, Portugal, Südafrika und Irland wiederfindende Subsidiaritätsregelung.1895 Während dort bei Gestaltungen, bei denen es einen inländischen Externen gibt, die Steuerpflichtigen nicht selbst anzeigepflichtig sind, trifft diese die Anzeigepflicht dann, wenn es zwar einen Externen gibt, dieser aber im Ausland ansässig ist.1896 Damit wird die Beteiligung an Gestaltungen, für die lediglich ausländische Vermarkter tätig sind, mit Belastungen belegt, die für Beteiligungen an Gestaltungen, bei denen es (auch) inländische Vermarkter gibt, nicht bestehen.1897 Mithin liegt eine Schlechterstellung des Auslandssachverhalts vor, was zu einer Beschränkung der aktiven Dienstleistungsfreiheit ausländischer Externer sowie der passiven Dienstleistungsfreiheit der Steuerpflichtigen führt.
II. Rechtfertigung Eine Rechtfertigung dieser Beschränkung ist nicht ersichtlich. Offenbar beruht eine solche Differenzierung auf der Sorge, im Ausland ansässige Externe könnten sich ihrer Anzeigepflicht allzu leicht entziehen und damit die An________________________ 1892 Eine solche Beschränkung wäre auch sinnwidrig, da die Kontrolle der Einhaltung der Anzeigepflicht bei Inländern jedenfalls nicht schwieriger ist als bei Ausländern. 1893 Ein europarechtliches Problem ergibt sich durch eine solche Inländerdiskriminierung oder umgekehrte Diskriminierung allerdings nicht (vgl. EuGH v. 26.1.1993, C-112/91 (Werner), Tz. 10 ff.; BFH v. 18.9.2003, X R 2/00, BStBl. II 2004, 17, Tz. 44 ff.; kritisch hierzu Gosch, DStR 2007, 1553, 1556 f.). 1894 Siehe zum deutschen Entwurf oben, S. 164; dazu, dass in Kanada zwar nicht die Anzeigepflicht beschränkt ist, aber ausländische Promotoren faktisch keine Registriernummer erhalten können und somit vom Vertrieb anzeigepflichtiger Gestaltungen ausgeschlossen sind, oben, S. 66 f. 1895 Die europarechtliche Problematik der verdeckten Diskriminierung von ausländischen Promotoren nach den kanadischen Regelungen (hierzu oben, S. 66 f.) soll hier nicht weiter behandelt werden; sie ist eine Besonderheit des kanadischen Rechts, das die Zuteilung der Registriernummer als Voraussetzung für Vermarktertätigkeit vorsieht. 1896 Siehe hierzu oben, S. 210 f.; zur Ungleichbehandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden als verdeckte Diskriminierung von Staatsangehörigen, siehe Lang, Die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, 28 ff. m. w. N. 1897 Dazu, dass nach den britischen Regelungen die subsidiäre Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen bei im Ausland ansässigem Promotor sogar nach strengeren Regeln erfolgt als bei vollständigem Fehlen eines Promotors, siehe oben, S. 102 f.
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Grenzen durch höherrangiges Recht
zeige der betreffenden Gestaltungen gefährden. Letzteres soll dadurch verhindert werden, dass in derartigen Fällen (auch) die inländischen Steuerpflichtigen anzeigepflichtig werden. Gedacht werden könnte vor diesem Hintergrund allein an den Rechtfertigungsgrund der wirksamen Steueraufsicht. Dessen Anwendbarkeit ist allerdings insofern fraglich, als die Differenzierung zwischen im Inland und Ausland ansässigen Verpflichteten nicht der Sicherung eines Steueranspruchs dient, auf die der EuGH üblicherweise abhebt.1898 Vielmehr steht hier lediglich die Sicherung der Anzeigepflichten selbst, also die Sicherung einer steuerverfahrensrechtlichen Maßnahme im Raum.1899 Selbst wenn – in Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei den ungeschriebenen, richterrechtlich entwickelten Rechtfertigungsgründen nicht um einen abgeschlossenen Kanon handelt1900 – ein akzeptierter Gemeinwohlbelang als Rechtfertigung der Beschränkung im Grundsatz gefunden werden könnte, so wäre doch jedenfalls kein Grund für die Differenzierung der Anzeigepflichten nach Ansässigkeit der Beteiligten ersichtlich. Eine Rechtfertigung scheiterte damit wieder an der Verhältnismäßigkeit, speziell dem Anerkennungsgrundsatz. Zwar ist es dem betreffenden Mitgliedstaat wegen des völkerrechtlichen Prinzips der formellen Territorialität tatsächlich nicht möglich, die Einhaltung der Anzeigepflicht bei in einem anderen Mitgliedstaat Ansässigen unmittelbar zu erzwingen.1901 Allerdings ist die vollstreckungsrechtliche Erzwingung ohnehin nicht das zentrale Mittel zur Durchsetzung der Anzeigepflichten.1902 Vielmehr wird die Einhaltung vor allem mittels bußgeldrechtlicher Sanktionen sichergestellt. Diese Sanktionierung wiederum ist durch die EG-Beitreibungsrichtlinie im EU-Ausland ebenso wie im Inland gesichert.1903 Die Ansässigkeit der Verpflichteten im Ausland kann damit kein Grund zur Differenzierung mit dem Ziel der Sicherung einer wirksamen Steueraufsicht sein. Die mit der Differenzierung einhergehende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ist nicht erforderlich.1904
________________________ 1898 Hierzu oben, S. 364 und 368 f. 1899 Lediglich bei Anzeigepflichten mit veranlagungsunterstützender Wirkung könnte argumentiert werden, die subsidiäre Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen diene zumindest mittelbar der Sicherung der gegen sie bestehenden Steueransprüche. 1900 Hierzu oben, Fn. 1882. 1901 Hierzu oben, S. 164. 1902 Hierzu oben, S. 164 f. sowie 229. 1903 Hierzu oben, S. 165. 1904 Die Europarechtswidrigkeit der britischen Regelungen nehmen auch Foster/Barry, 762 The Tax Journal (2004), 4, 8, allerdings ohne nähere Begründung, an.
372
Europarecht
D. Zusammenfassung Die Einführung von Anzeigepflichten als solchen ist keinen europarechtlichen Bedenken ausgesetzt. Allerdings sind Anzeigepflichten, die – wie dies im deutschen Entwurf geschehen ist – spezifisch auf grenzüberschreitende Sachverhalte abstellen, europarechtswidrig. Dies gilt unabhängig davon, ob den Anzeigepflichten eine veranlagungsunterstützende, rechtspolitische oder abschreckende Funktion zukommt. Auch eine subsidiäre Anzeigepflicht der Steuerpflichtigen bei im Ausland ansässigen Externen, wie sie Bestandteil der Regelungen in Großbritannien, Portugal, Südafrika und Irland ist, hat keinen Bestand vor den europäischen Grundfreiheiten.
373
.
Schlussbetrachtung Anzeigepflichten bei Steuergestaltungen sind verfassungs- und europarechtlich grundsätzlich zulässig, wenn bei deren Ausgestaltung drei Bedingungen beachtet werden: Die Regelungen dürfen nicht danach differenzieren, ob ein Externer beteiligt ist oder ob dieser Externe im Inland oder Ausland ansässig ist. Zudem dürfen Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen keinen spezifisch grenzüberschreitenden Bezug haben. Schließlich muss die durch Anzeigepflichten verursachte abschreckende Wirkung möglichst gering gehalten werden. Auch wenn Anzeigepflichten bei Beachtung dieser Vorgaben rechtlich grundsätzlich zulässig wären, sind sie doch rechtspolitisch nicht wünschenswert. Die ihr zukommenden Funktionen sind entweder generell nicht erstrebenswert oder jedenfalls in Deutschland nicht erforderlich. Dieses Ergebnis kontrastiert mit der durchaus positiven Beurteilung der existierenden Anzeigepflichtsysteme durch die Finanzverwaltungen der betreffenden Länder sowie – insbesondere in Großbritannien – Teile der Rechtswissenschaft und Praxis. Die Unterschiede in der Bewertung sind durch zwei Aspekte bedingt: Zum einen ist bei der Übernahme von Regelungen aus einer anderen Rechtsordnung zu beachten, dass das legal transplant in der aufnehmenden Rechtsordnung auf einen gänzlich anderen Kontext stoßen kann und infolgedessen gegebenenfalls anders zu beurteilen ist. Die Offizialveranlagung, die weitgehend zulässige Rückwirkung spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen und eine Rechtsprechung, wonach der Erlass spezialgesetzlicher Missbrauchsnormen die allgemeine Missbrauchsnorm zurückzudrängen vermag, sind nur drei Beispiele für die Besonderheiten des deutschen Systems, die es in diesem Zusammenhang zu beachten galt. Daneben ergibt sich eine andere Bewertung selbstverständlich auch bei unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben. So steht außer Zweifel, dass die Leistungen des britischen Anzeigepflichtsystems im Rahmen der Missbrauchsgesetzgebung der letzten Jahre beachtlich sind. In dieser Arbeit wurde allerdings bereits die Sinnhaftigkeit des Ziels, auf neu entdeckte Gestaltungen gesetzgeberisch möglichst zeitnah zu reagieren, in Frage gestellt. Die Funktionen von Anzeigepflichten wurden in dieser Arbeit meist in ihrer Reinform diskutiert. Dies ist aus einer Perspektive vor Einführung derartiger Regelungen auch erforderlich, um die Zweckmäßigkeit an präzisen Maßstäben prüfen zu können. Auch müsste jede tatsächliche Einführung von Anzeigepflichten möglichst eng an der jeweils gewünschten Funktion ausgerichtet sein, um Details der Regelungen, wie etwa die Struktur der Fallgruppen, Ausnahmen von der Anzeigepflicht in persönlicher Hinsicht oder die Frist für die Anzeige, passgenau bestimmen zu können. Die Realität in den 375
Schlussbetrachtung
untersuchten Anzeigepflichtsystemen sieht allerdings anders aus. Über die Zeit entstanden dort Redundanzen (wie etwa bei der doppelten Anzeigepflicht sowohl der Steuerpflichtigen als auch der Externen in den USA). Ursprünglich in Reinform anzutreffende Regelungen wurden um anderen Zwecken dienende Details ergänzt (wie etwa im britischen System durch die neueste Fallgruppe der Umgehungsgestaltungen bei Altersvorsorgeaufwendungen). Zudem besteht eine klare Tendenz, Fallgruppen anzeigepflichtiger Gestaltungen nicht als Filter zu begreifen, die sie in einem Anzeigepflichtsystem eigentlich sein sollten, sondern als Kataloge tatsächlich fiskalisch unerwünschter Gestaltungen. Nahezu alle Anzeigepflichtsysteme wirken im Ergebnis abschreckend, auch wenn ihnen diese Funktion nicht zukommen sollte. Es stellt sich die Frage, ob nicht die offenbare Schwierigkeit, ein Anzeigepflichtsystem auf das eigentliche Ziel zu konzentrieren und effizient an diesem auszurichten, ein weiteres Argument gegen dessen Einführung ist.
376
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397
.
Stichwortverzeichnis Abschreckende Wirkung Siehe Abschreckungsfunktion Abschreckungsfunktion 27, 59, 134, 149, 172, 184 ff., 201, 231, 320 ff., 333, 335, 343, 360, 370, 373 Allgemeine Missbrauchsnorm 117, 126, 134, 137, 152, 176 f., 191, 195 f., 201, 231 f., 237, 239, 240, 263, 264 ff., 286, 302, 303, 305, 375 audit function Siehe Veranlagungsunterstützende Funktion Aufbewahrungspflicht 38, 49 Berufsgeheimnisschutz 39, 43, 103, 106, 107, 145, 211 bespoke schemes 144, 163, 215, 220 Bestimmtheit 130, 252, 264, 345 ff., 361 Bußgeld 12, 13, 51, 56, 69, 107, 110, 121, 125, 134, 146, 152, 155, 165, 169, 218, 223 ff., 228 f., 255, 347, 372 Circular 230 58 deterrence function Siehe Abschreckungsfunktion Dopplung der Anzeigepflicht 11, 35, 39, 46, 94, 150, 210, 218 f., 230, 236, 376 Effizienz im Veranlagungsverfahren 232, 259 ff. enforcement function Siehe Veranlagungsunterstützende Funktion Erfolgsgarantie 18, 59 Erzwingung der Anzeige 56, 76, 110, 147, 164, 229, 372
Externe 1, 8, 10 f., 14 f., 30, 64, 101, 131 f., 165, 172, 180, 184 f., 193 f., 209 f., 213 ff., 219 ff., 225 f., 228, 258, 260, 261, 288, 329, 331, 336, 338, 342 f., 346, 349 f., 352, 358, 359, 361 f., 371, 373, 375 Externe Berater Siehe Externe Finanzprodukte 71, 73, 84, 140, 203, 258, 336 Fiskalische Bedeutung 177, 189, 205, 207, 216, 359 Früherkennung 13, 93, 136, 180, 183, 213, 220, 263, 289, 299, 353 Gestaltung Siehe Steuergestaltung Grenzüberschreitende Gestaltung 153, 156, 158, 160, 191, 199, 204, 206, 237, 284, 287, 309, 310 ff., 319, 361, 362 f., 365, 367, 369 f., 373, 375 in house schemes 8, 11, 100, 102, 104, 106, 109, 131, 145 f., 163, 210 f., 331, 346, 358, 361 Indikatorische Wirkung 186 f., 189, 323 Kataloggestaltung 7, 9, 14, 24 ff., 27 f., 31, 34, 45, 49 ff., 53, 55, 57, 176, 187, 200, 208, 225, 323 Kohärenz 204, 312 ff., 316 Leistungsfähigkeit 267, 270, 272 listed transaction Siehe Kataloggestaltung marketed schemes 92, 144, 189, 220 Mindestentgelt 20, 32, 34, 215 f. 399
Stichwortverzeichnis
OECD 1, 186, 287 Office for Tax Shelter Analysis 33, 49 over-disclosure 25, 208, 209, 224 premium fee 73, 83, 85, 139 Promotor 1, 7, 65, 67 ff., 73, 76, 82 ff., 86, 89 f., 92 ff., 98, 100 ff., 105, 108 f., 111 ff., 115, 118 ff., 130 ff., 138 f., 142 ff., 150 ff., 154, 172, 194, 211, 214 f., 217, 219, 220 f., 223, 227, 329, 343 Rechtspolitische Funktion 172, 176, 177 ff., 184 f., 187, 189, 194, 201 f., 204, 207 f., 213, 216, 220, 223, 231, 263 ff., 286, 288, 295, 299 f., 305 f., 309, 318, 321 f., 325, 327, 332 ff., 339, 343, 344, 353, 358, 361, 368 f., 373 Rechtssicherheit 252, 298 ff., 304 f., 321 f., 338, 340 Rechtsunsicherheit Siehe Rechtssicherheit Registriernummern 5, 37, 48, 51, 66 f., 69, 95, 98, 109, 120, 125, 133, 145, 151, 167, 168 f., 174, 218, 222 f., 260, 345 Rückwirkung 26, 181, 185, 263, 289 ff., 296 ff., 300, 318, 375 Sachverhaltsdarstellung 175, 238, 251, 254, 256, 258, 367 Scheingeschäft 274 f. Selbstveranlagung 233, 234, 236 Spezialgesetzliche Missbrauchsnormen 88, 137, 160, 177, 181 f., 201, 263, 286, 289, 292, 294, 296, 298, 300 ff., 307, 309, 318, 322, 327, 332, 368 f., 370, 375 Standardisierung 85, 128, 131, 139 f., 189, 192, 195
400
Steuerarbitrage 160, 164, 183, 189, 204 f., 212, 308 f., 310 ff., 315, 333, 344 Steuerbefreite Person 9, 12, 34, 48, 50, 56, 59, 117, 129, 133, 196, 203 Steuergestaltung 1, 2, 6 f., 13, 15 ff., 25, 41, 61, 75, 129, 137, 156, 158, 180 f., 183, 188 f., 194, 230, 231, 238, 258, 287, 324, 337, 339, 344, 346, 369 Steuerhinterziehung 41, 57, 70, 175, 240, 242 f., 249, 258, 347, 349 Steuerliche Motivation 150, 195, 266 f., 275, 282 Steuerlicher Vorteil 7, 9, 62, 81, 115, 118, 137, 160, 195, 196 ff., 202, 315, 321, 347 Steuerumgehung 77 f., 174, 176, 240 f., 244, 265 f., 268 f., 271, 274 f., 277, 279, 283, 302, 311, 327, 368, 370 Strafzuschläge 12, 54, 57, 126, 151, 153, 186, 224 Subsidiäre Anzeigepflicht 106, 119, 131, 145, 151, 210 f., 213, 373 tax gap 1, 182 tax policy function Siehe Rechtspolitische Funktion tax shelter 6, 40, 61 f., 64 f., 67, 70, 187 Totalüberschussprognose 118, 175, 196 Veranlagungsunterstützende Funktion 172, 173 ff., 177, 179, 184, 189, 201 ff., 207 f., 212, 216, 218, 222, 230, 231 ff., 259, 261, 300, 320, 325, 327, 332 ff., 343, 358, 364, 366, 373 Verbindliche Auskunft 36, 49 f., 94, 125, 337, 338 ff.
Stichwortverzeichnis
Verlustgestaltung 6, 20, 62, 64, 86, 123 f., 130, 140, 154, 197, 242, 282 Versicherungen 19, 32, 129, 200 Vertraulichkeitsbeschränkungen 7, 9, 83, 138, 192 f., 201
Wesentlicher Berater 29, 30 f., 34, 51 Wirtschaftliche Substanz 176, 196, 270, 272 f., 280, 285, 311
401