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German Pages 535 [536] Year 2004
Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Band 71
Meeresschutz im Völkerund Europarecht Das Beispiel des Nordostatlantiks
Von Alexander Proelß
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
ALEXANDER PROELSS
Meeresschutz im Völker- und Europarecht
Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Herausgegeben von Thomas Oppermann in Gemeinschaft mit Heinz-Dieter Assmann, Burkhard Heß K r i s t i a n K ü h l , H a n s v. M a n g o l d t We r n h a r d M ö s c h e l , M a r t i n N e t t e s h e i m Wo l f g a n g G r a f Vi t z t h u m , J o a c h i m Vog e l sämtlich in Tübingen
Band 71
Meeresschutz im Völkerund Europarecht Das Beispiel des Nordostatlantiks
Von Alexander Proelß
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hat diese Arbeit im Wintersemester 2002/2003 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 21 Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0720-7654 ISBN 3-428-11254-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort „Der Ozean“, schreibt Elisabeth Mann Borgese in ihrem letzten, im Jahre 1998 erschienenen Buch („Mit den Meeren leben“), „ist das Eigentliche [. . .]; die Kontinente sind Inseln, die auf dem Weltmeer treiben; der Ozean trennt und isoliert sie nicht, sondern er verbindet und vereinigt sie. Das Weltmeer ist unser gemeinsames Erbe.“ Vorliegende Arbeit, im Wintersemester 2002/2003 von der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen, will einen Beitrag zum Erhalten dieses „Eigentlichen“ leisten, dessen begrenzte Nutzbarkeit und Belastbarkeit zunehmend in das allgemeine Bewusstsein dringt. Die Untersuchung befindet sich auf dem Stand vom 1. Mai 2003. Vereinzelt konnten Veröffentlichungen noch nach diesem Zeitpunkt in der Druckvorlage berücksichtigt werden. Das Verfassen dieses Vorwortes ist Anlass, mich bei vielen für gewährte Unterstützung zu bedanken. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Wolfgang Graf Vitzthum, LL.M., an dessen Lehrstuhl ich tätig bin. Graf Vitzthum ließ mir nicht nur alle Freiheit bei Auswahl und Bearbeitung des Themas, sondern trug durch sein Vertrauen und seine Ermutigungen wesentlich zum Gelingen der Arbeit bei. Herrn Professor Dr. Martin Nettesheim bin ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie für zahlreiche weiterführende Hinweise dankbar verbunden. Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Thomas Oppermann danke ich für die ehrenvolle Aufnahme der Arbeit in die „Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht“. Erheblichen Anteil am Wecken meines Interesses für das internationale Recht und am Entstehen vorliegender Arbeit hat Herr University Lecturer in Law (Oxford) Priv.-Doz. Dr. Stefan Talmon, LL.M. Ihm danke ich ebenso wie Herrn Dr. Hans-Georg Neuhoff vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, der mich frühzeitig in das OSPAR-Thema eingeführt hat. Gedankt sei ferner den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Londoner IMO-Bibliothek für ihre Hilfsbereitschaft beim Beschaffen der Dokumente. Ole Andresen und Peter Schetter haben dankenswerterweise Korrektur gelesen. Die Arbeit wurde mit dem Preis der Reinhold-und-Maria-Teufel-Stiftung für hervorragende wissenschaftliche Leistungen ausgezeichnet. Dafür bin ich der Stiftung sehr verbunden.
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Vorwort
Meiner Verlobten Felicitas Buckler danke ich herzlich für alle Entlastung, Geduld und Zuneigung. Ich widme die Arbeit meinen Eltern. Ohne ihren Rückhalt hätte sie nicht entstehen können. Tübingen, im September 2003
Alexander Proelß
Inhaltsübersicht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Erster Teil: Der Nordostatlantik – Raum, Nutzung, Verschmutzung. . . . . . . . . . . . 35 Kapitel 1: Der Raum – geographische, normative und politische Region . . . . 37 Kapitel 2: Die Nutzung – Arten, Konflikte, Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Kapitel 3: Die Verschmutzung – Begriffe, Arten, Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Kapitel 4: Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Zweiter Teil: Meeresschutz im Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Kapitel 1: Das SRÜ – „Verfassung“ des völkerrechtlichen Meeresschutzes . . 74 Kapitel 2: Universelle Ausgestaltung des SRÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Kapitel 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Kapitel 4: Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Dritter Teil: Meeresschutz im Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Kapitel 1: Grundlagen – Räumliche und sachliche Dimension. . . . . . . . . . . . . . 271 Kapitel 2: Meeresschutzbezogene Kompetenzgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Kapitel 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 Kapitel 4: Formelle und institutionelle Probleme des nach außen gerichteten Gemeinschaftshandels über See . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 Kapitel 5: Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 Verzeichnis der verwendeten Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 Verzeichnis der verwendeten Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 Verzeichnis der verwendeten supranationalen Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 Verzeichnis der verwendeten Beschlüsse und Erklärungen internationaler Organisationen und Konferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 Verzeichnis der verwendeten Zeitschriften- und Zeitungsberichte . . . . . . . . . . . . . 522 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524
Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Erster Teil
Der Nordostatlantik – Raum, Nutzung, Verschmutzung
35
Kapitel 1: Der Raum – geographische, normative und politische Region . . 37 Kapitel 2: Die Nutzung – Arten, Konflikte, Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Landwärtige Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Industrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Seewärtige Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schifffahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fischerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Jagd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aquakultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Marine Rohstoffgewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
41 42 43 43 44 45 45 46 50 51 53
Kapitel 3: Die Verschmutzung – Begriffe, Arten, Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verschmutzungsarten und Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verschmutzung vom Lande aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pflanzennährstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schwermetalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Persistente Organische Schadstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Öl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Radionuklide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschmutzung durch Einbringen oder Verbrennen . . . . . . . . . . . . . . 3. Verschmutzung durch Offshore-Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verschmutzung durch andere Quellen, insbesondere Schifffahrt . . .
. . . . . . . . . . . .
54 55 58 58 58 59 60 61 62 63 65 66
Kapitel 4: Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
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Inhaltsverzeichnis Zweiter Teil
Meeresschutz im Völkerrecht Kapitel 1: Das SRÜ – „Verfassung“ des völkerrechtlichen Meeresschutzes I. Meeresumweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Strukturprinzipien des Meeresschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten der Meeresverschmutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Ausweisung von Meeresschutzgebieten nach dem SRÜ . . . . . . . 4. Durchsetzung und Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Durchsetzung durch Flaggenstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchsetzung durch Küstenstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Durchsetzung durch Hafenstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Staatenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bestandsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestandsschutz in der aWZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestandsschutz auf der Hohen See . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Artenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. SRÜ-Meeresschutz und das Konzept der nachhaltigen Entwicklung . .
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. . . . . . . . . . . . . .
Kapitel 2: Universelle Ausgestaltung des SRÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Meeresumweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Meeresschutzrecht der IMO: Bekämpfung der Verschmutzung durch Schiffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) MARPOL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) SOLAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Londoner Dumping-Konvention und das Dumping-Protokoll: Bekämpfung der Verschmutzung durch Einbringen . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Dumping-Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Dumping-Protokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bestandsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Verpflichtungen und Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorsorgeansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ganzheitlicher Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vereinbarkeit von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen d) Interesse der Staatengemeinschaft am Schutz der Straddling Stocks und der weit wandernden Arten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bedeutung regionaler Fischereiorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einschränkungen der Hohe See-Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitgliedschaft in regionalen Fischereiorganisationen . . . . . . . . . . . 3. Durchsetzung: Relativierung der Flaggenhoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Streibeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Artenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick: Das IWÜ und die Konkurrenz zu CITES . . . . . . . . . . . . . .
74 77 77 85 89 96 97 99 101 103 105 107 114 118 119 124 125 127 129 139 141 144 146 149 151 152 153 154 158 163 164 166 169 175 177 180
Inhaltsverzeichnis
11
2. Das Walfangmoratorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Public Opinion versus nachhaltige Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Kapitel 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Meeresumweltschutz: Das OSPAR-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Räumlicher und sachlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die OSPAR-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Verpflichtungen und umweltpolitische Schutzprinzipien 3. Verschmutzungsarten: OSPAR-„Primärrecht“ und -„Sekundärrecht“ a) Verschmutzung vom Lande aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verschmutzung durch Einbringen oder Verbrennen . . . . . . . . . . . . c) Verschmutzung durch Offshore-Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Formelles: Änderungsverfahren, Durchsetzung, Streitbeilegung . . . . a) Änderungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Ergebnisse von Sintra: Anlage V und Anhang III OSPAR-Ü . . . II. Bestandsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die horizontale Perspektive: Bestandsschutz im Nordostatlantik . . . . a) Das NASCO-Ü: Absolutes Fangverbot und subregionales Bewirtschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die ICCAT-Konvention: „International Conspiracy to Catch All the Tunas“ oder geeigneter Rahmen zur Ausübung wirtschaftlichen Drucks? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das NEAFC-Ü: Räumliche Differenzierung und differenziertes „Opting Out“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die vertikale Perspektive: Die NEAFC und das SSA . . . . . . . . . . . . . a) Formelle und institutionelle Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Materielle Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Artenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das NAMMCO-Ü: Vorrang der Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das ACCOBAMS: Vorrang des Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
191 192 193 193 194 197 201 208 208 212 215 221 221 222 225 229 231 232 235
237 240 243 243 245 256 256 259
Kapitel 4: Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
Dritter Teil
Meeresschutz im Europarecht Kapitel 1: Grundlagen – Räumliche und sachliche Dimension . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Raum: Das EG-Meer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sache: Das Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten . . . . . . . . . . . .
268 . . . .
271 271 276 280
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 2: Meeresschutzbezogene Kompetenzgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . I. Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innenkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kompetenzgrundlagen, Verfahren, Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umweltpolitische Schutzprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Horizontale Kompetenzabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vertikale Kompetenzabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Außenkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fischerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innenkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertikale Kompetenzabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Horizontale Kompetenzabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsgrundlagen in den Beitrittsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Außenkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Seeschifffahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innenkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 80 Abs. 2 EGV in vertikaler und horizontaler Betrachtung . b) EG und IMO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Außenkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
288 289 290 290 294 306 307 309 311 312 312 314 317 319 321 322 322 326 337
Kapitel 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmittelbarer Meeresumweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vergemeinschaftung einschlägiger Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bekämpfung der Meereseutrophierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Integrativer Gewässerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mittelbarer Meeresumweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Medienspezifischer Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stoffbezogener Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Artenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) FFH-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vogelschutzrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Artenschutzverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bestandsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Technische Erhaltungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zugang zu Fischgründen und historische Fischereirechte . . . . . . . . . . 3. TAC und Zuteilung von Fangquoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fangverbote und Einfuhrverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Seeschifffahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Erika-Maßnahmen – Antworten eines „grünen“ Akteurs auf Defizite bei der Schiffssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überwachung des Seeverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA)
340 343 345 346 348 349 352 352 354 356 357 369 372 373 374 376 380 387 396 396 401 406
Inhaltsverzeichnis
13
c) Hafenstaatkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 2. Entsorgung von Schiffsabfällen in Häfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Kapitel 4: Formelle und institutionelle Probleme des nach außen gerichteten Gemeinschaftshandels über See . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Gemeinschaft als Partei meeresschutzbezogener Übereinkommen . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemischte Abkommen im Spannungsfeld zwischen Völker- und Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Völkerrechtliche Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gemeinschaftsrechtliche Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Probleme einer EG-Mitgliedschaft in internationalen Organisationen . . . 1. Institutionelle Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkurrenzen im Rahmen der friedlichen Streitbeilegung . . . . . . . . .
415 416 416 420 420 422 432 433 437
Kapitel 5: Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 Verzeichnis der verwendeten Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 Verzeichnis der verwendeten Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 Verzeichnis der verwendeten supranationalen Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 Verzeichnis der verwendeten Beschlüsse und Erklärungen internationaler Organisationen und Konferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 Verzeichnis der verwendeten Zeitschriften- und Zeitungsberichte . . . . . . . . . 522 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524
Abkürzungsverzeichnis A/ a. A. ABl. EG Abs. ACCOBAMS
a. E. a. F. AFDI AJIL Änd. AöR Art. Aufl. AVR aWZ/en Bd. BDGVR BGBl. BGH BImSchG BR-Drs. Bull. EG BVerfG BWN BYBIL bzw. Cca. CITES
CMLR
Assembly (Document) anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Agreement on the Conservation of Cetaceans of the Black Sea, Mediterranean Sea and Contiguous Atlantic Area/Übereinkommen über die Erhaltung der Wale des schwarzen Meeres, des Mittelmeeres und der anschließenden Atlantikgebiete am Ende alte Fassung Annuaire Français de Droit International American Journal of International Law Änderung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Auflage Archiv des Völkerrechts ausschließliche Wirtschaftszone(n) Band Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundes-Immissionsschutzgesetz Bundesratsdrucksache Bulletin der Europäischen Gemeinschaften Bundesverfassungsgericht Ballast Water News British Year Book of International Law beziehungsweise Court (Urteil des Europäischen Gerichtshofes) circa Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Flora and Fauna/Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten, freilebenden Tieren und Pflanzen Common Market Law Review
16 CMS
das. d. h. Diss. Diss. Op. Doc. DÖV DÜ DVBl. EA EAGV/EAG-Vertrag ebd. EC EG EGKSV/EGKS-Vertrag EGV/EG-Vertrag EJIL ELR EMRK endg. EPIL EPL etc. EU EuGH EuGRZ EuR EUV/EU-Vertrag EuZW EWG EWGV/EWG-Vertrag
f./ff. FAO F.A.S. F.A.Z. Fn.
Abkürzungsverzeichnis Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals/Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten daselbst das heißt Dissertation Dissenting Opinion (abweichende Meinung) Document Die öffentliche Verwaltung Übereinkommen zur Durchführung des Teiles XI des Seerechts-Übereinkommens der Vereinten Nationen Deutsches Verwaltungsblatt Europa-Archiv Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft ebenda European Community Europäische Gemeinschaft Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft European Journal of International Law European Law Review Europäische Menschenrechtskonvention (Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten) endgültig Encyclopedia of Public International Law Environmental Policy and Law et cetera Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (in der bis zum 31. Oktober 1993 geltenden Fassung) folgende/fortfolgende Food and Agriculture Organization Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Frankfurter Allgemeine Zeitung Fußnote
Abkürzungsverzeichnis F.R. FS GATT geänd. GESAMP ggf. GS GYIL HELCOM h. M. Hrsg. ICCAT ICES ICJ ICJ Reports ICLQ i. d. F. i. E. IGH IJECL IJGLS IJIL IJMCL ILC ILM ILO ILR ILSAJICL IMCO IMF IMO ISGH ITLOS ITLOS Reports i.V. m. IWC IWK IWÜ
17
Frankfurter Rundschau Festschrift General Agreement on Tariffs and Trade geändert Joint Group of Experts on the Scientific Aspects of Marine Pollution gegebenenfalls Gedächtnisschrift German Yearbook of International Law Helsinki Commission herrschende Meinung Herausgeber International Commission for the Conservation of Atlantic Tunas International Council for the Exploration of the Sea International Court of Justice International Court of Justice, Reports of Judgments, Advisory Opinions and Orders International and Comparative Law Quaterly in der Fassung im Ergebnis Internationaler Gerichtshof International Journal of Estuarine and Coastal Law Indiana Journal of Global Legal Studies Indian Journal of International Law International Journal of Marine and Coastal Law International Law Commission International Legal Materials International Labour Organization International Law Reports ILSA Journal of International & Comparative Law Inter-governmental Maritime Consultative Organization (seit 1982: IMO) International Monetary Fund International Maritime Organization Internationaler Seegerichtshof International Tribunal for the Law of the Sea International Tribunal for the Law of the Sea, Reports of Judgments, Advisory Opinions and Orders in Verbindung mit International Whaling Commission Internationale Walfangkommission Übereinkommen über die Internationale Walfangkommission
18 JA JbUTR JMLC JuS JZ km KrW-/AbfG lit. m MARPOL
Max Planck YUNL Mio. MLR m. N. MP MPA m. w. N. NAMMCO NASCO NEAFC NGO NJIL NJW No. Nr. NuR NVwZ NYIL o. OCM ODIL OECD OSCOM OSPAR Commission OSZE PAK para./paras. PARCOM PCB PCIJ
Abkürzungsverzeichnis Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch Umwelt- und Technikrecht Journal of Maritime Law and Commerce Juristische Schulung Juristen-Zeitung Kilometer Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen litera (Buchstabe) Meter International Convention on the Prevention of Pollution from Ships/Internationales Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe Max Planck Yearbook of United Nations Law Million(en) Michigan Law Review mit Nachweisen Marine Policy Marine Protected Area mit weiteren Nachweisen North Atlantic Marine Mammal Commission North Atlantic Salmon Conservation Organisation North-East Atlantic Fisheries Commission Non-Governmental Organization Nordic Journal of International Law Neue Juristische Wochenschrift Number Nummer Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Netherlands Yearbook of International Law oben Ocean & Coastal Management Ocean Development & International Law Organization for Economic Cooperation and Development Oslo Commission Oslo Paris Commission Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Polyaromatische(r) Kohlenwasserstoff(e) paragraph/paragraphs Paris Commission Polychlorierte(s) Biphenyl(e) Permanent Court of International Justice Reports
Abkürzungsverzeichnis PCT POP PSSA QSR RBDI rd. RdC RECIEL RGDIP RIAA RIW RMC Rn. Rs./Verb. Rsen. RTDE S/ S. SAC Sep. Op. Slg. sog. SPA SRÜ SSA
StIGH S.Z. t TTAC TBT TLNJICL TranspR -Ü u. u. a. UAbs. UN UNCLOS
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Polychlorierte(s) Terphenyl(e) Persistente(r) Organische(r) Schadstoff(e) Particularly Sensitive Sea Area Quality Status Report Revue belge de droit international rund Recueil des Cours (Academie de Droit International) Review of European Community and International Environmental Law Revue générale de droit international public Reports of International Arbitral Awards Recht der Internationalen Wirtschaft Revue du marché commun Randnummer Rechtssache/Verbundene Rechtssachen Revue trimestrielle de droit européen Security Council (Document) Seite Special Area of Conservation Seperate Opinion (Einzelmeinung) Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz sogenannt(er/es) Special Protection Area Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen Straddling Stocks Agreement/Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und weit wandernden Fischbeständen Ständiger Internationaler Gerichtshof Süddeutsche Zeitung Tonnen Tribunal (Urteil des Europäisches Gerichts) Total Allowable Catch Tributylzinn Tulane Journal of International & Comparative Law Transport-Recht Übereinkommen unten und andere Unterabsatz United Nations United Nations Conference on the Law of the Sea
20 UNEP UNO UNTS UPR USA u. U. v. VBlBW Verf. VerwArch vgl. VJIL Vol. VVDStRL VwVfG WDCS WTO WVK WVKIO
WWF YEL YBILC YIEL ZaöRV ZEuS ZNR ZUR
Abkürzungsverzeichnis United Nations Environment Programme United Nations Organization United Nations Treaty Series Umwelt- und Planungsrecht United States of America unter Umständen vom Verwaltungsblätter Baden-Württemberg Verfasser Verwaltungsarchiv vergleiche Virginia Journal of International Law Volume Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz World Dolphin Conservation Society World Trade Organization Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen World Wildlife Fund Yearbook of European Law Yearbook of the International Law Commission Yearbook of International Environmental Law Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte Zeitschrift für Umweltrecht
Einführung „Die Zeit [hat] zwar die politischen Machtverhältnisse in Europa, aber weder die Präsenz noch die fundamentale Bedeutung der Meere verändert [. . .]. Diese erscheinen vielmehr als unveränderliche Komponenten der europäischen Identität, deren Beständigkeit Vergangenheit und Gegenwart mitprägt. Als Element der langen Dauer veränderte sich die Einwirkung der Meere dennoch, und sie wird sich auch weiterhin verändern gemäß den Wechselfällen der Geschichte, deren Wellen, so beständig sie als solche auch sein mögen, sich unaufhörlich verändern wie die Wellen des Meeres“1
Diese auf Europa bezogene Analyse von Michel Mollat du Jourdin veranschaulicht die Bedeutung des Meeres für die Geschichte der Menschheit. Spätestens seit Thales von Milet wird das Meer als Ursprung allen Lebens gesehen, und heute wie früher hat es entscheidenden Einfluss auf Klima und Entwicklung. Es ist Grundvoraussetzung für die Bewohnbarkeit des Planeten Erde, dessen Oberfläche bekanntlich zu mehr als zwei Dritteln vom Meer bedeckt wird2. Obwohl Stand- und Blickpunkt des Menschen dennoch erdbezogen sind3, verdankt seine Geschichte dem Meer nicht nur anthropologisch4, sondern auch in einem engeren, kulturwissenschaftlichen Sinne wichtige Impulse. Vor allem in Europa bildete das Meer stets gleichsam Hindernis und Chance – Hindernis als nur schwer überwindbare räumliche Barriere, als Ende der früher bekannten Welt5; Chance als Lebensund Nahrungsgrundlage, als Voraussetzung für den gegenseitigen Austausch der Kulturen, als von Anbeginn genutzter6 Verkehrsträger, als bedeutendes Identitäts- und Integrationselement. Von diesen Aspekten abgesehen wird die Beziehung zwischen Europa und dem Meer auch durch den Namen des 1
Mollat du Jourdin, Europa und das Meer, 1993, S. 15 f. Angesichts dieses Verhältnisses von Meer und Land trifft die Bezeichnung „Blauer Planet“ die Realität durchaus besser als „Erde“. 3 Vgl. Schmitt, Land und Meer, 1981, S. 9: „Es ist merkwürdig, daß der Mensch, wenn er an einer Küste steht, natürlicherweise vom Lande aufs Meer hinaus schaut und nicht umgekehrt vom Meer ins Land hinein.“ 4 Manche Forscher meinen, der Mensch habe eine entscheidende Phase seiner Evolution im Meer verbracht; dies legten bestimmte anatomische Merkmale – etwa eine auffällige, unter der Haut liegende Fettschicht und eine besondere Hautdrüsenart – nahe. Vgl. Geo Wissen 24 (1999), Ozean und Tiefsee, S. 100. 5 Betrachtet man Europa, „jenes zerklüftete Kap der euroasiatischen Landmasse“ (Sloterdijk, Falls Europa erwacht, 2002, S. 7), aus dem Weltraum, ähnelt es einer kleinen Halbinsel, die – mit Ausnahme des Ostens – vollständig von Wasser umspült wird. 2
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Kontinents veranschaulicht: Nach antiker Mythologie wurde die Meeresnymphe Europa, Schwester des Oceanus, an der Küste des Mittelmeers geboren und später von Zeus in Gestalt eines Stieres über das Meer entführt7. Problemidentifikation und Fragestellung In der Neuzeit stellte sich heraus, dass eine Umkehrung jener Einwirkung des Meeres auf den Menschen, nämlich die immer intensivere Nutzung des Meeres durch den Menschen, nicht nur in nachhaltig-schöpferischer Beständigkeit resultiert. Im Gegenteil: Praktisch jede Meeresnutzung kann die Meeresumwelt gefährden, der Mensch das Meer also im negativen Sinne beeinflussen – „überall, wo der europäische Geist herrscht, sieht man ein Maximum [. . .] an Veränderung der äußeren Natur [. . .] auftreten“ (Paul Valéry)8. Hat etwa der Atlantische Ozean mit seinem Kommunikations- und Nahrungspotential über Jahrhunderte hinweg die Entwicklung Europas gefördert, scheinen nun die Europäer imstande, innerhalb weniger Jahrzehnte das Meer in eine Müllgrube zu verwandeln9. Aus diesem Blickwinkel heraus passt „Unveränderlichkeit“ auf die Regelmäßigkeit von Schiffskatastrophen10, „Beständigkeit“ auf den so schleichenden wie nachhaltigen Prozess der Meeresverschmutzung. Die völker- und europarechtlichen Instrumente zur Bekämpfung der negativen Folgen der Einwirkung des Menschen auf die Meeresumwelt, dargestellt am regionalen Beispiel des Nordostatlantiks, bilden den Gegenstand vorliegender Untersuchung. Das Thema „Meeresschutz“ erfährt ganz im Sinne selektiver Wahrnehmung immer dann öffentliche Aufmerksamkeit, wenn aufgrund von Unfällen11 Öl oder Chemikalien in das Meer gelangen und infolgedessen Flora 6 Vgl. Anand, Origin and Development of the Law of the Sea, 1983, S. 10: „centuries before history was ever recorded [. . .] a period which runs back into darkness“. 7 Vgl. Harder, Europa [2], in: Cancick/Schneider (Hrsg.), Der Neue Pauly, Enzyklopädie der Antike, Bd. 4, 1998, S. 294, das. Verweise auf die Quellen Hesiot, Bakchylides und Hyginos. 8 Die Krise des Geistes, 1956, in: Werke, Bd. 7: Zur Zeitgeschichte und Politik, 1995, S. 26 (54); Hervorhebung im Original. 9 „[. . .] it is also our sewer, our toxic waste dump [. . .]“, Levinton, Afterword, zu: Carson, The Sea Around Us, 1961 (Nachdruck 1991), S. 239. Vgl. außerdem Geo Wissen 24 (1999), Ozean und Tiefsee, S. 120 ff. 10 „[Un] fléau aussi périodique que les cyclones tropicaux“ (Le Corre, Mers noires, 2001, S. 9). 11 Dabei muss es sich nicht immer um Schiffskatastrophen handeln. Erinnert sei an die Explosion (15. März 2001) und den anschließenden Untergang (20. März 2001) der weltgrößten Ölbohrplattform P-36 vor der brasilianischen Atlantikküste. Die Bohrinsel förderte täglich 84.000 Barrel Erdöl und 1,3 Mio. m3 Erdgas. Im
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und Fauna der betroffenen Küstenstriche, ggf. verbunden mit negativen wirtschaftlichen Folgen für die Küstenbewohner, oder Meereslebewesen (u. U. auch nur vermeintlich12) gefährdet werden. Katastrophen und Unfälle sind visuell besonders leicht vermittelbar13. Die auf internationaler Ebene zur Verhinderung und Bekämpfung der Meeresverschmutzung sowie zur Erhaltung der Artenvielfalt getroffenen Maßnahmen finden hingegen vergleichsweise wenig Beachtung, ein Kennzeichen des Völkerrechts auch im allgemeineren Kontext14. Dabei haben Öltankerunglücke in europäischen Gewässern – erinnert sei an die der Torrey Canyon (im Mai 1967) und der Amoco Cádiz (im März 1978) im Ärmelkanal, der Aegean Sea vor La Coruña (im Dezember 1992), der Braer vor den Shetland-Inseln (im Januar 1993), der Erika südlich der Westspitze der Bretagne (im Dezember 1999) sowie zuletzt der Prestige vor der Nordwestküste Spaniens (im November 2002) – die Einsicht der europäischen Staaten im Hinblick auf die von Art. 197 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (SRÜ)15 als erstrebenswert qualifizierte regionale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Meeresschutzes beflügelt. Die Ausbildung dieser Einsicht wurde durch den finalen Charakter des Rechts der Europäischen Gemeinschaft (EG)16 weiter vorangetrieben. Eigentlich hat die Meerespolitik der EG zwar erst durch die am 7. Dezember 1984 vorgenommene Zeichnung des SRÜ Fahrt aufgenommen. Der zwei Jahre später erfolgte EG-Beitritt der traditionell auf das Meer fixierten Staaten Portugal und SpaZeitpunkt des Untergangs befanden sich in ihren Tanks etwa 1,5 Mio. Liter Öl. Näher dazu F.A.Z. v. 21. 3. 2001, S. 13, das. eine Auflistung weiterer Bohrinselunglücke. 12 Vgl. etwa die Unsicherheit über die Gefährlichkeit der Stoffverbindung Styrol, die beim Untergang der Ievoli Sun vor der normannischen Küste austrat: „hochgiftiges Styrol“ (F.R. v. 3. 11. 2000, S. 9); „Styrol nicht hochgiftig“ (F.A.Z. v. 1. 11. 2000, S. 13). 13 Prägnant Gold, RECIEL 8 (1999), S. 16; de Dieu, EU Policies Concerning Ship Safety and Pollution Prevention Versus International Rule-Making, in: Ringbom (Hrsg.), Competing Norms in the Law of Marine Environmental Protection, 1997, S. 141 (146). 14 Lorz, F.A.Z. v. 19. 11. 2001, S. 8. Vgl. auch F.A.S. v. 5. 5. 2002, S. 71: „Artenschutz rangiert auf der Liste der Prioritäten im Bewußtsein der Mehrheit mittlerweile ganz hinten, ungefähr zwischen Denkmalpflege und Kulturaustausch“. 15 BGBl. 1994 II, S. 1799 ff. 16 Vgl. Art. 2, 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957, i. d. F. des Vertrags von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte vom 2. Oktober 1997 (EGV): BGBl. 1998 II, S. 387 ff., zuletzt geänd. durch Art. 2 des Vertrages von Nizza zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte vom 26. Februar 2001: BGBl. 2001 II, S. 1666 ff.
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nien hat das Bedürfnis nach einer gemeinsamen Verfolgung seerechtlicher Interessen aber dynamisiert. Aufgrund der immensen wirtschaftlichen Bedeutung bestimmter Meeresnutzungen17 und der kompetenzrechtlichen Ablösung der EG-Mitgliedstaaten durch die Gemeinschaft bei der Ausübung hoheitlicher Gewalt in küstennahen Meereszonen lässt sich mittlerweile geradezu von einer „seerechtlichen Orientierung“18 der EG und ihrer Rechtsordnung sprechen. Diese Orientierung kann auch mit Blick auf den Meeresschutz beobachtet werden, und für die Zukunft ist diesbezüglich ein noch stärkeres Engagement der Gemeinschaft zu erwarten. Gleichwohl sind die Gefahren für die Meeresumwelt weder in Europa noch andernorts gebannt. Ein gravierendes Problem stellt etwa die u. a. durch Einleitungen von überschüssigen Nährstoffen aus der Landwirtschaft verursachte Eutrophierung der Küstengewässer dar. Nach wie vor sind Sedimente ebenso wie Flora und Fauna durch anthropogene chemische Substanzen kontaminiert. In Fischen, Meeressäugetieren, Sedimenten werden erhöhte Konzentrationen von Schwermetallen und Polychlorierten Biphenylen (PCB) nachgewiesen. Hinzu tritt das dramatische, wenn auch regional und speziesbezogen unterschiedliche Ausmaß der Überfischung19. Von solchen Gefahren und Schäden ist die Meeresumwelt des hier im Vordergrund stehenden Nordostatlantiks ganz konkret betroffen. Angesichts der Tatsache, dass der Nordsee und Atlantik verbindende Ärmelkanal der meistbefahrene Schifffahrtsweg der Welt ist, überrascht es nicht, dass Küsten und Gewässer des Nordostatlantiks besonders häufig Schauplatz von Schiffsunglücken sind, zumal die Meerenge wegen ihrer Gezeiten und des starken Verkehrs (bis zu 700 Schiffe täglich) als schwer befahrbar gilt. Von 17 Bereits Hegel hat im Hinblick auf diesen ökonomischen Aspekt festgestellt: „Wie für das Prinzip des Familienlebens die Erde, fester Grund und Boden, Bedingung ist, so ist für die Industrie das nach außen sie belebende Element das Meer“, in: Grundlinien der Philosophie des Rechts, Vorlesung von 1822/23 (Nachschrift 1999), § 247 (Hervorhebung im Original). 18 H. P. Ipsen, EWG über See, in: Ipsen/Necker (Hrsg.), Recht über See, FS für Stödter, 1979, S. 167 (168). 19 Die Überfischung der europanahen Meeresgebiete hat dazu geführt, dass sich die EG verstärkt um den Abschluss von Fischereiabkommen mit Drittstaaten bemüht, die ihrer Fangflotte den Zugang zu neuen Fischgründen eröffnen sollen. So wurde etwa der Zugang zu den Fischgründen vor Mauretanien im Jahre 2001 mit 266 Mio. Euro subventioniert. Solche Einkäufe ziehen freilich neue Probleme nach sich – die EU-Fangflotte ist mitverantwortlich für die Überfischung der westafrikanischen Gewässer. Hinsichtlich der europäischen Fischbestände konnte Bywater im Übrigen bereits 1976 feststellen: „certains [. . .] sont surexploités à un point qu’ils risquent de disparaître“ (RMC 19 [1976], S. 487 [489]). Viel hat sich seither offenbar nicht getan. Immerhin hat der zuständige EG-Kommissar Fischler kürzlich mitgeteilt, die Belange der afrikanischen Länder (und die der Meeresumwelt in den betroffenen Gebieten) würden in neuen Fischereiabkommen besser berücksichtigt. Vgl. F.A.Z. v. 25. 1. 2002, S. 9.
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rechtswissenschaftlicher Warte aus ist dieses Meeresgebiet interessant, weil die europarechtlichen Maßnahmen zum Schutz der marinen Umwelt auf eine Vielzahl einschlägiger Meeresschutzübereinkommen universellen und regionalen Geltungsbereichs treffen. Unter letzteren ist das Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks vom 22. September 1992 (OSPAR-Ü)20 hervorzuheben, einer der derzeit aktuellsten und umfassendsten meeres- und umweltvölkerrechtlichen Regelungsansätze21. Das internationale Umweltschutzregime22 des Nordostatlantiks setzt sich somit aus verschiedenen Regelungsschichten – universelles Völkerrecht, regionales Völkerrecht, Europarecht – zusammen. Die Überlagerung dieser Schichten führt nicht nur zu komplexen Regelungszusammenhängen, deren Klärung, Strukturierung und Harmonisierung bislang vernachlässigt wurde23. Vielmehr ist theoretisch denkbar, dass Normkonflikte auftreten, Situationen also, in denen „ein Verhalten in abstracto oder in concreto zugleich als geboten und nicht geboten oder als verboten und nicht verboten oder gar als geboten und verboten erscheint“24. Normkonflikte im engeren Sinne sind freilich äußerst selten; sie setzen voraus, dass die einander widersprechenden Normen gleichzeitig gelten25. Bei näherer Betrachtung handelt es sich in der Regel um Scheinkonflikte, namentlich dann, wenn die Rechtsordnung selbst Lösungen für die Harmonisierung der zusammen treffenden, miteinander unvereinbaren Texte bereithält26. Dass dies gerade auch im 20
BGBl. 1994 II, S. 1360 ff. Siehe Birnie/Boyle, International Law and the Environment, 2. Aufl. 2002, S. 356: „the most important regional agreement“; Lagoni, Regional Protection of the Marine Environment in the Northeast Atlantic Under the OSPAR Convention of 1992, in: Nordquist/Moore/Mahmoudi (Hrsg.), The Stockholm Declaration and Law of the Marine Environment, 2003, S. 183 (184): „an example of a new generation of regional conventions“. 22 Der Begriff „Regime“ wird in vorliegender Untersuchung verstanden und verwendet als Summe der für ein bestimmtes Meeresgebiet einschlägigen Umweltschutznormen. Vgl. Young, International Cooperation: Building Regimes for Natural Resources and the Environment, 1989, S. 15: „The core of every international regime is a cluster of rights and duties.“ Allgemein zum Begriff ebd., S. 12 ff.; Biermann, Internationale Meeresumweltpolitik, 1994, S. 21–33; Saunders, Maritime Regional Cooperation: Theory and Principles, in: Valencia (Hrsg.), Maritime Regime Building, 2001, S. 1 (2 f.); Ott, Umweltregime im Völkerrecht, 1998, S. 37–46; enger Lang, YIEL 3 (1992), S. 108 (117 ff.). 23 Vgl. auch Stokke, Governance of High Seas Fisheries: The Role of Regime Linkages, in: Vidas/Østreng (Hrsg.), Order for the Oceans at the Turn of the Century, 1999, S. 157 (170): „Regime Linkages in Theory and Practice: An Agenda for Research“; Lell, ZUR Sonderheft 2001, S. 138 ff.; Wolfrum/Matz, Max Planck YUNL 4 (2000), S. 445 ff. 24 Engisch, Einführung in das juristische Denken, 9. Aufl. 1997, S. 162. 25 Karl, Vertrag und spätere Praxis im Völkerrecht, 1983, S. 61. 26 Ebd., S. 61, Fn. 277; Brownlie, Principles of Public International Law, 5. Aufl. 1998, S. 625; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2. Aufl. 2002, S. 682. 21
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Hinblick auf das nordostatlantische Meeresschutzregime gilt, dass also jene Überlagerung nicht zu Normwidersprüchen im engeren Sinne führt, die verschiedenen Regelungsschichten vielmehr mit den vorhandenen Mitteln des Rechts harmonisiert werden können, ist eine vorliegender Untersuchung zu Grunde liegende These. In Frageform gefasst lassen sich die soeben skizzierten rechtlichen Aspekte des Meeresschutzthemas wie folgt weiter konkretisieren: – Aus welchen Verträgen setzt sich das nordostatlantische Umweltregime zusammen? Welche Normen bilden den ausfüllungsbedürftigen Rahmen des völkerrechtlichen Meeresschutzes, und wie kann der hier gewählte Oberbegriff „Meeresschutz“ mit Gehalt gefüllt werden? – Wie vollzieht sich die Ausgestaltung des universellen meeresschutzbezogenen Völkerrechts auf regionaler Ebene bzw. „funktioniert“ die Ausgestaltung überhaupt? Welche Vorteile ergeben sich aus der noch näher zu konkretisierenden Regionalisierung des Meeresschutzes? Was ist das Besondere des regionalen Schutzregimes gegenüber den Rechtsnormen mit universellem Anwendungsbereich, was sein normativer Gehalt? Wo liegen die Defizite? – Welche meeresschutzbezogenen Maßnahmen kann die EG – kompetenzrechtlich betrachtet – erlassen, und in welchem Verhältnis stehen diese Maßnahmen zu den existierenden Normen des Völkerrechts? Auf welche Weise begegnen sich Völker- und Europarecht auf dem Gebiet des Meeresschutzes? Handelt es sich um voneinander unabhängige Materien, bestehen Wechselwirkungen oder Widersprüche? Hilft das Handeln der Gemeinschaft über See dem Meeresschutz auf, und bejahendenfalls, was sind die Gründe dafür?
Regionalisierung des Meeresschutzes Bei alledem erscheint die vorliegend auferlegte Beschränkung auf ein ganz bestimmtes Meeresgebiet nicht zuletzt vor dem Hintergrund der meeresschutzbezogenen Regionalisierungsprozesse geboten, die Ende der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts einsetzten und denen das SRÜ bekanntlich Rechnung trägt. So fordert Art. 197 SRÜ die Vertragsparteien auf, „auf weltweiter und gegebenenfalls auf regionaler Ebene zum Schutz und zur Bewahrung der Meeresumwelt“ zusammenzuarbeiten; dabei sollen „sie charakteristische regionale Eigenheiten berücksichtigen“. Es ist bemerkenswert, dass das SRÜ gerade im Zusammenhang mit dem Meeresschutz auf eine regionale Zusammenarbeit der Vertragsparteien pocht. Diese Konzentration auf ein Sachgebiet resultiert aus dem Umstand, dass die einschlägigen Bestimmungen (Art. 192 ff. SRÜ) mehr als jeder andere Teil des Übereinkommens einen bloßen „umbrella“27 bilden, also ausfüllungsund implementierungsbedürftig sind, was sich regelungstechnisch eben am 27 UN Doc. A/44/461, Law of the Sea, Protection and Preservation of the Marine Environment, Report of the Secretary-General, 18 September 1989, 5, para. 7: „[. . .]
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leichtesten „im kleinen Kreis“, d. h. auf regionaler und nationaler Ebene, erreichen lässt28. Bereits vor Annahme des SRÜ hatten die Vereinten Nationen im Rahmen des UNEP, einem von der Generalversammlung geschaffenen29 Nebenorgan im Sinne von Art. 7 Abs. 2 UN-Charta mit Sitz in Nairobi/Kenia, ein Regional Seas Programme ins Leben gerufen. Dieses Programm war und ist Schwerpunkt des Sachgebiets „Ozeane“30 und primär dem Schutz regionaler Meeresgebiete gewidmet. UNEP erarbeitet auf Antrag der Regierungen benachbarter Küstenstaaten Aktionspläne, die sich mit verschiedenen Aspekten des Meeresschutzes befassen und etwa die Verabschiedung regionaler Meeresschutzübereinkommen fördern sollen31. Derzeit werden weltweit 13 Regionen von Aktionsplänen erfasst, ein weiterer ist im Entstehen begriffen32. Der Nordostatlantik gehört zwar nicht zu diesen UNEPRegionen; UNEP verfügt aber über Beobachterstatus in der OSPAR-Kommission. Trotz des Einsatzes von Klaus Töpfer befindet sich das Umweltprogramm momentan in der Krise33. Die Aufgaben, die Kapitel 38.22 der Agenda 2134, das berühmte Aktionsprogramm zur Umsetzung der Rio-Deklaration von 1992, dem UNEP überträgt, kann es weder finanziell noch strukturell erfüllen35. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich die Krise auf die Effektivität des Regional Seas Programme auswirkt. Seit 1991 wurden immerhin noch vier Aktionspläne angenommen, zuletzt (2001) der bezüglich des Nordostpazifiks; von einem Gewichtsverlust lässt sich insofern bislang (noch) nicht sprechen.
Von den institutionellen Problemen abgesehen ist das Regional Seas Programme von UNEP der wohl prägnanteste Ausdruck der vielfach aufgestellPart XII is expressly designed to operate as an for further global, regional and national actions.“ Siehe auch Franckx, IJMCL 13 (1998), S. 307 (310 ff.). 28 Zum Begriff „Region“ näher u. Erster Teil, Kapitel 1. 29 Vgl. UN Doc. A/RES/2997 (XXVII), Institutional and Financial Arrangements for International Environmental Co-operation, 15 December 1972. Zum UNEP etwa Birnie/Boyle (Fn. 21), S. 53 f.; Kilian, Umweltschutz durch Internationale Organisationen, 1987, S. 355–395. 30 Vgl. Decisions of the Governing Council of the United Nations Environment Programme at its First Session, 12–22 June 1973, Decision 1 (I), Action Plan for the Human Environment: Programme Development and Priorities, para. 12 lit. e („Oceans“). 31 Vgl. Akiwumi/Melvasalo, MP 22 (1998), S. 229 ff. 32 Siehe die Liste auf der Homepage des Regional Seas Programme: http:// www.unep.ch/seas/mappage1.html. 33 Siehe nur F.A.Z. v. 29. 6. 1999, S. 10. 34 UN Doc. A/CONF. 151/26, Agenda 21, 13 June 1992. 35 Downie/Levy, The UN Environment Programme at a Turning Point: Options for Change, in: Chasek (Hrsg.), The Global Environment in the Twenty-first Century: Prospects for International Cooperation, 2000, S. 355 (357 ff.).
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ten These von der Vorzugswürdigkeit regionaler Meeresschutzregimes gegenüber universellen36. Regionale Schutzansätze, so wird argumentiert, würden den ökologischen und ozeanographischen Gegebenheiten der betroffenen Meeresgebiete besser gerecht und ermöglichten dadurch eine effektivere Bekämpfung der Meeresverschmutzung. Daneben würden die Staaten einer Region in der Regel in vergleichbarem Ausmaß von den Folgen der Meeresverschmutzung betroffen; das erleichtere die Ausbildung eines übereinstimmenden politischen Willens, Schutzregimes könnten einfacher und schneller etabliert und institutionalisiert werden. Schließlich sei die Einhaltung und Durchführung meeresschutzbezogener Normen im regionalen Rahmen wirksamer überprüf- und kontrollierbar. Diese Argumente können indes nicht über die gleichsam vorhandenen Gefahren und Nachteile einer Regionalisierung des internationalen Meeresschutzes hinwegtäuschen37. Bereits die Festlegung der Grenzen einer Region bereitet Schwierigkeiten. Soweit unter „Region“ ein Gebiet der Erdoberfläche verstanden wird, das aufgrund eines oder mehrerer kennzeichnender Merkmale von anderen Gebieten abgegrenzt werden kann38, fragt sich, auf welche Weise die Abgrenzungsmerkmale zu bestimmen sind. Die praktische Relevanz dieser Frage liegt auf der Hand: Einige der im Rahmen des Regional Seas Programme angenommenen Aktionspläne leiden nicht zuletzt deshalb an Erfolglosigkeit39, weil sich die von ihnen erfassten Staaten weder räumlich noch hinsichtlich ihrer Interessen von Drittstaaten abgrenzen wollen bzw. können. Weiterhin ist an das Konfliktpotential zwischen regionalem Meeresschutz einerseits und überregionalen Meeresnutzungen wie Seeschifffahrt und Fischerei andererseits zu denken. Die Vorteile regionaler Schutzansätze vermögen die Nachteile insofern jedenfalls nicht immer und überall auszugleichen. Für den Nordostatlantik gelten aufgrund der Existenz der EG freilich Besonderheiten. So tritt in diesem Meeresgebiet mit dem Europarecht eine zu36 Vgl. etwa Aussant, RMC 30 (1987), S. 14 (15); Kindt, VJIL 20 (1979–80), S. 313 (328 ff.; 339); Biermann (Fn. 22), S. 123 f.; Birnie/Boyle (Fn. 21), S. 354 ff.; Saunders (Fn. 22), S. 3–8. Zum ganzen siehe auch Bilder, The Consequences of Regionalization in the Treaty and Customary Law of the Sea, in: Johnston (Hrsg.), Regionalization of the Law of the Sea, 1978, S. 31 (33–35). – Kämmerer, Die Antarktis in der Raum- und Umweltschutzordnung des Völkerrechts, 1994, S. 61, konstatiert eine Verwandtschaft zwischen der Diskussion „Globalismus versus Regionalismus“ und dem auf Carl Schmitt zurückgehenden Konzept der Raumordnung. 37 Skeptisch etwa Riedel, The Progressive Development of International Law at the Universal and Regional Level, in: Wolfrum (Hrsg.), Strengthening the World Order: Universalism v. Regionalism, 1990, S. 134–136. Siehe auch Saunders (Fn. 22), S. 6 ff. 38 Alexander, AJIL 71 (1977), S. 84 (88). 39 Nachweise bei Haas, Ocean Yearbook 9 (1991), S. 188 (204 ff.).
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sätzliche Rechtsschicht neben das (universelle und regionale) Völkerrecht, und die Gemeinschaft selbst verfügt angesichts ihrer supranationalen Struktur über andere Möglichkeiten als der einzelne Küstenstaat. Das Handeln der „EG über See“40 im Nordostatlantik könnte insofern die Grundsatzdebatte über das Für und Wider von Universalismus und Regionalismus beeinflussen. Auch dieser „weite“, übergeordnete Zusammenhang wird in vorliegender Untersuchung berücksichtigt. So ist etwa zu fragen, ob dem meeresschutzbezogenen Umweltvölkerrecht durch Beteiligung supranationaler Organisationen zu höherer Effektivität verholfen werden kann. Europa und das Meer41 Dass der Zusammenhang zwischen Europa und dem Meer im Übrigen auch ein geschichtlicher, vor allem rechtsgeschichtlicher ist, sei an dieser Stelle nur angedeutet. Nicht ohne Grund hat Carl Schmitt von der „EuropaZentrik“ des Seerechts gesprochen42. Obgleich das Seerecht sicherlich keine europäische Erfindung ist43, wurzelt es doch – wie bekanntlich auch das allgemeine Völkerrecht – primär in der Alten Welt44. Als Gründe für diese jedenfalls seit dem „Ozeanischen Zeitalter“45 zu konstatierende Konzentration auf eine Region werden die christlich-europäische Dominanz bei 40
Ipsen (Fn. 18), S. 167 ff. Titel der historischen Untersuchung von Mollat du Jourdin (Fn. 1). 42 Der Nomos der Erde, 1960, S. 19 f. 43 Vgl. die Kritik an der „Europa-Zentrik“-These bei Anand (Fn. 6), S. 3 ff. Zum Beitrag anderer Gebiete der Erde siehe ebd., S. 12–39; Graf Vitzthum, Seerechtsfrühgeschichte, in: Ascheri/Ebel/Heckel/Padoa-Schioppa/Poeggeler/Ranieri/Rütten (Hrsg.), Ins Wasser geworfen und Ozeane durchquert, FS für Nörr, 2003, S. 1031 (1032). – Die Tendenz, dass Küstenbevölkerungen das Meer nicht als Grenze, sondern als Medium zur Durchführung des Seehandels begriffen, reichte weit über Europa hinaus. Stets folgte dem Einsetzen des Handels die Piraterie und, ganz im Sinne einer Reaktionskette, die Formulierung erster Rechtssätze. Schon um 300 v. Chr. kam es etwa in Indien unter Kaiser Chandragupta Maurya zu einer räumlichen Ausdehnung küstenstaatlicher Jurisdiktion (nur) zum Zweck der Piratenbekämpfung. 44 Erinnert sei an die berühmte lex rhodia. Über die Ursprünge dieser Seerechtssammlung, die sich mit Fragen der Schifffahrt und des Seehandels beschäftigte, ist wenig bekannt. Wahrscheinlich wurden die Rechtssätze teils aus attischer Tradition übernommen, teils eigenständig entwickelt; vgl. Klose, Die völkerrechtliche Ordnung der hellenistischen Staatenwelt in der Zeit von 280–168 v. Chr., 1972, S. 122, Fn. 490. Sie basierten auf dem Prinzip der Freiheit der Meere, das vor allem zur Rechtfertigung der Piratenbekämpfung rekurriert wurde. Nach wie vor ist nicht geklärt, ob das Rhodische Seerecht bereits schriftlich kodifiziert worden war – die heute vorhandene schriftliche Fassung ist erst zwischen 600 und 800 n. Chr. entstanden (Ashburner, The Rhodian Sea-Law, 1909 [Nachdruck 1976], S. LXXV; auf S. 1 ff. findet sich ein Abdruck dieser schriftlichen Fassung des Rhodischen Seerechts) und beruht auf den unter Kaiser Tiberius vorgenommenen Anpassungen und Erweiterungen. 41
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der Zusammensetzung der Völkerfamilie, der Prozess der Gestaltwerdung des modernen europäischen Staates sowie die europäische Expansion nach Übersee angeführt46. Mit dem Ausgreifen staatlicher Herrschaftsansprüche in die Weite der Ozeane nahm der Kontinent – über sein „maritimes“, gleichsam mit den Küsten verwobenes Profil hinaus – „ozeanischen“ Charakter an. Die mit der päpstlichen Bulle Inter caetera von 1493 sowie dem von Portugal und Spanien im Jahre 1494 geschlossenen Vertrag von Tordesillas vorgenommene Aufteilung der Neuen Welt bedeutete eine Herausforderung für die Seerechtsentwicklung, die – verdeckter zwar, aber nicht weniger nachhaltig – bis in die Moderne fortwirkte47. Vor allem wurde das Seerecht durch jene berühmte, originär europäische Bücherschlacht geprägt, im Rahmen derer sich Hugo Grotius, „Feldherr“ der Niederlande, auf die Freiheit der Meere (mare liberum) berief, indessen John Selden, vom englischen König Jakob I. mit der Abfassung einer Widerlegungsschrift zu Grotius beauftragt, 1635 für das Konzept des mare clausum eintrat48. Der vorliegend im Mittelpunkt stehende Atlantik hatte freilich schon zuvor die Bühne betreten. Die spätestens im 12. Jahrhundert endgültig vollzogene Verschiebung maritimer Macht von Rom49 gen Norden gipfelte im Aufschwung Lübecks und seiner gotländischen Tochterstadt Wisby – beide Städte waren Handelsmittelpunkte, letztere Sitz eines Seegerichtshofes50 –, weiterhin im 1358 gegründeten Städteverbund der Deutschen Hanse, der im 45 Begriff von Truyol y Serra, Die Entstehung der Weltstaatengesellschaft unserer Zeit, 1963, S. 46. Das Ozeanische Zeitalter entspricht dem „Spanischen Zeitalter“ Grewes (Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 2. Aufl. 1988, S. 23 f.). Soweit die Geschichte des Seerechts in Rede steht, ist die Bezeichnung „Ozeanisches Zeitalter“ vorzugswürdig. Vgl. auch Graf Vitzthum, Seerechtsglobalisierung, in: v. Schorlemer (Hrsg.), Praxishandbuch UNO, 2003, S. 397 (402): „iberisches Zeitalter“. 46 Vgl. nur Schwarzenberger, The Frontiers of International Law, 1962, S. 46 f.; Churchill/Lowe, The Law of the Sea, 3. Aufl. 1999, S. 3 f. 47 Siehe etwa die eindringliche Warnung vor einer „Terraneisierung des Meeres“ bei Graf Vitzthum, EA 31 (1976), S. 129 ff. 48 Dazu etwa Graf Vitzthum (Fn. 45), S. 404–407; O’Connell, The International Law of the Sea, Bd. I, 1982, S. 1–18; Ziegler, ZNR 23 (2001), S. 1 (19–23). 49 Rom hatte die lex rhodia zu einem „neuen“ römischen Seerecht erweitert. Während sich das Rhodische Seerecht lediglich auf Schifffahrt und Seehandel bezog, wurde der Grundsatz der Freiheit der Meere nunmehr auf andere Nutzungsarten, u. a. die Fischerei, ausgedehnt; vgl. Fenn, AJIL 19 (1925), S. 716 (721). 50 Das durch die Judikatur dieses Gerichtshofes geschaffene und von der hinter ihm stehenden Seepolizei durchgesetzte Recht war ein auf den Seeverkehr angewandtes ius gentium des Mittelalters (Reibstein, ZaöRV 17 [1956/57], S. 38 [63 ff.] m. w. N.), Beleg für verstärkt einsetzende Wechselwirkungen zwischen der übergeordneten völkerrechtlichen Ordnung und der seerechtlichen Sonderrechtsordnung. Zur Entstehung des Seerechts von Wisby siehe Colombos, Internationales Seerecht, 1963, S. 20 f., § 38.
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Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung mehr als 200 Handelsstädte zusammenfasste. Tragende Idee des alten hansischen Seerechts war der Grundsatz der Freiheit der Meere, lebendig im Selbsterhaltungstrieb und Unternehmungsgeist der Kaufleute, wirksam in der städtischen Politik der Meeresbefriedung51. Dies unterstreicht: Die Ausbildung seerechtlicher Ansätze war seit jeher von den vorhandenen Möglichkeiten der Meeresnutzung abhängig. Für die Gegenwart folgt daraus ein wichtiges rechtspolitisches Anpassungsgebot. Wurde das Meer in der Vergangenheit lediglich beschränkt als Nahrungsquelle und Handelsträger genutzt, verlangen moderne, ökonomisch orientierte Tätigkeiten – zu denken ist etwa an Bergbau, Energiegewinnung, Tourismus – eine Konkretisierung, Spezialisierung und Erweiterung des Rechts im Rahmen eines ganzheitlichen, also sachgebietsübergreifenden Ansatzes52. Abschließend sei die Bedeutung des Meeres für den europäischen Integrationsprozess betont. Es steht außer Frage, dass die Aus- und Weiterbildung einer – bekanntlich nur schwer konkretisierbaren53 – europäischen Identität eine Säule der europäischen Integration darstellt, ja sogar erst die demokratische und mythologische Bindung der Völker und des Einzelnen an Europa ermöglicht54. Für die europäische Identität ist das Meer – wie schon mit dem eingangs vorangestellten Zitat angedeutet – ein greifbarer Faktor, ein greifbares Element: Es ist „eine der beständigsten und fruchtbarsten Gemeinsamkeiten der Europäer“55 – umso mehr, als die europäischen Meereszonen durch die Zuständigkeit der EG zwischenzeitlich sachlich mit51 Lübeck, Rostock und Wismar hatten bereits 1250 beschlossen, dass See- und Straßenräuber überall friedlos und geächtet sein sollen; vgl. Reibstein (Fn. 50), S. 66. Gegenüber anderen Ländern wurde die Politik der Meeresbefriedung in der Regel durch wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen ausgeübt, konnte aber auch die Anwendung militärischer Gewalt bedeuten. So führte die Hanse Krieg gegen den König von Dänemark und zwang ihn 1370 zum Frieden von Stralsund – Indiz für die Macht der Hanse, Keimzelle eines „maritimen Profils des modernen Europa“ (Mollat du Jourdin [Fn. 1], S. 73). 52 Vgl. das von Prahl, Meeresbewußtsein und Gesellschaft – Bemerkungen zur Maritimen Soziologie, in: ders./Schack, Meer und Gesellschaft, 1992, S. 114 (117 ff.), vorgeschlagene „Fünf-Sektoren-Modell“. 53 Dazu Graf Vitzthum, EuR 37 (2002), S. 1 (5 ff.). 54 Walkenhorst, Europäischer Integrationsprozeß und europäische Identität, 1999, S. 212 ff., 220: „Europäische Identität kann [. . .] zum entscheidenden Integrationsmechanismus generieren, der für eine erfolgreiche Einigung fehlt“. 55 Mollat du Jourdin (Fn. 1), S. 281; Berg, The Living European Maritime Heritage, in: Council of Europe (Hrsg.), Oceans, 1999, S. 20–24. – Doch woher nimmt das Meer diese identitätsstiftende Wirkung? Sind es, wie Rolf Hochhuth in seiner Atlantik-Novelle (1985) behauptet, die Träume, die beginnen „wenn man ins breite, weißwirbelnden Kielwasser blickt, lesend, dösend, schreibend, sprechend“ (S. 15) und die „aus unseren Gefährten, Gespielen und Gebietern erst deren volle Identität herausholen“ (S. 9)?
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einander verbunden („europäisiert“) wurden. Hiernach kann der Tatbestand der Meeresverschmutzung in zweifacher Hinsicht einen Neubeginn markieren: Im Sinne des Anbrechens einer neuen, durch Nachhaltigkeit und echtes Meeresbewusstsein geprägten Seerechtsepoche einerseits und als Anstoß zur Bewahrung des gemeinsamen historischen und identitären Erbes aller Europäer andererseits. Gang der Untersuchung Nachfolgende Ausführungen untergliedern sich in drei Teile. Der erste Teil behandelt die faktische Seite des nordostatlantischen Umweltregimes, der zweite und der dritte Teil die normative, wobei Gegenstand des zweiten Teils die völkerrechtlichen, Gegenstand des dritten Teils die europarechtlichen Aspekte des Meeresschutzes sind. Allen drei Teilen liegt ein ganzheitlicher Ansatz zu Grunde: Faktisch, völkerrechtlich und europarechtlich wird nicht nur Meeresumweltschutz im engeren Sinne, d. h. der Schutz der Meeresumwelt vor Verschmutzung durch Stoffe und Energie, thematisiert, sondern auch der Bestands- und der Artenschutz. Während ersterer die Erhaltung der lebenden Ressourcen, d. h. von Arten, die vom Menschen genutzt werden, erfasst, ist Artenschutz dem Schutz der marinen Flora und Fauna um ihrer Erhaltung willen gewidmet56. Bestandsschutz schlägt in marinen Artenschutz um, sobald die Grenze der Nutzbarkeit der Bestände unterschritten wird. Grund für das Bestehen auf einem ganzheitlichen Ansatz ist, dass jene drei Kategorien nicht voneinander isoliert betrachtet werden können, schon weil sie sich faktisch wechselseitig beeinflussen. So haben etwa die in das Meer eingebrachten Stoffe ihrerseits Auswirkungen auf Größe und Vielfalt der Fischpopulationen. Eine Untergliederung Meeresumweltschutz-Bestandsschutz-Artenschutz ist demnach allenfalls unter normativen Gesichtspunkten – etwa im Hinblick auf sachgebietsspezifische Übereinkommen – sinnvoll57. Freilich scheint sich neuerdings selbst auf normativer Ebene eine ganzheitliche Betrachtungsweise durchzusetzen. Diesbezüglich sei an das am 17. Januar 2000 in Kraft getretene Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets vom 9. April 1992 (Helsinki-Ü)58 erinnert, das in Art. 15 Bestimmungen über den Naturschutz und die Artenvielfalt enthält. Auch der Internationale Seegerichts56 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl. 1998, S. 737, Rn. 79: kein Artenschutz für Nutztiere und -pflanzen. 57 Die Agenda 21 (siehe die in Fn. 34 angegebene Fundstelle) fasst Meeresumweltschutz und Bestandsschutz in einem einheitlichen Kapitel (Kapitel 17) zusammen. Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 2000, S. 109, behandelt beide Gebiete lediglich „der besseren Übersicht“ halber getrennt. 58 BGBl. 1994 II, S. 1397 ff. Vertragsparteien sind Dänemark, Deutschland, EG, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Polen, Russland, Schweden.
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hof (ISGH) hat in den Southern Bluefin Tuna-Fällen unterstrichen, dass „the conservation of the living resources of the sea is an element in the protection and preservation of the marine environment“59. Für den übergeordneten Zusammenhang ist der hier gewählte Begriff „Meeresschutz“ nach alledem treffender als „Meeresumweltschutz“60.
Der erste Teil konkretisiert als empirischer Befund das Meeresgebiet „Nordostatlantik“ und seine Grenzen, seine Nutzung sowie seine Verschmutzung. Die faktische Dimension ist für eine rechtswissenschaftliche – zumal umweltrechliche – Arbeit relevant, weil abstrakt-normative Erörterungen in der Praxis unbrauchbar sind: Die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung der völker- und europarechtlichen Normen lässt sich angesichts ihres umweltbezogenen Gehalts, ihrer Wirklichkeitsnähe also, rechtspolitisch nicht ohne Kenntnis der zu Grunde liegenden Tatsachen begründen61. Bildlich gesprochen schwebte der rechtliche Befund horizontal über der See, ohne vertikal in den Tatbestand der Meeresverschmutzung einzugreifen. Auch de lege lata sind Art und Ausmaß der Meeresnutzung und -verschmutzung für die Interpretation des Umweltrechts von Bedeutung. Daneben ermöglichen faktische Befundnahmen, die Wirksamkeit der erlassenen Rechtsnormen zu überprüfen. Will sich vorliegende Untersuchung nicht dem Vorwurf mangelnder Praxisnähe aussetzen, muss der Zusammenhang zwischen biologischen und biochemischen Prozessen in der Meeresumwelt einerseits und dem geltenden wie dem sich entwickelnden Recht andererseits berücksichtigt werden. Soweit die Befundnahme dabei zwingend interdisziplinärer Natur ist und insofern die Gefahr wissenschaftlicher Oberflächlichkeit birgt, ist festzustellen, dass juristische Argumentationsmuster bei der Begutachtung von Meeresnutzungen, stofflichen Einträgen und deren Auswirkungen auf das marine Leben (natürlich) nicht weiterhelfen. Im Übrigen verfügt disziplinübergreifende Herangehensweise über den Vorteil wechselseitiger begrifflicher und dogmatischer Beeinflussung62.
59 Southern Bluefin Tuna (New Zealand v. Japan; Australia v. Japan), ITLOS Reports 1999, 280, 295. 60 Zur Klarstellung: Während Meeresschutz sachlich ein Bestandteil des Umweltvölkerrechts ist, ist er räumlich-medial dem Seerecht zuzuordnen, wie etwa Teil XII SRÜ (Schutz und Bewahrung der Meeresumwelt) unterstreicht: partielle Überschneidung von Umweltrecht und Seerecht. – Dem Begriff „Meeresschutz“ ist im Übrigen kein eigenständiger normativer Gehalt inhärent. 61 Vgl. Kiss, GYIL 32 (1989), S. 241 (253). 62 Siehe etwa die „Fallgruppen“ bei Graf Vitzthum, Der Rechtsstatus des Meeresbodens, 1972, S. 43. Fachübergreifende Untersuchungen und Tagungen sind im Rahmen des Meeresschutzes gang und gebe; vgl. nur die Supplemente zur Deutschen Hydrographischen Zeitschrift über aktuelle Probleme der Meeresumwelt. – Dass zwischen der Kategorie des Seins (Faktizität) und der des Sollens (Normativität) ein Zusammenhang besteht, wird im Übrigen auch von den Vertretern einer
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Gegenstand des zweiten Teils ist das völkerrechtliche Regime zum Schutz des Nordostatlantiks. Die verschiedenen Meeresschutzübereinkommen werden zunächst isoliert betrachtet und dann, soweit möglich, zueinander in Beziehung gesetzt. Daneben sollen Anstöße zur Lösung von Auslegungsproblemen gegeben, allgemeine Strukturprinzipien des (Meeres-) Umweltvölkerrechts herausgearbeitet und die Zusammenhänge mit dem allgemeinen Völkerrecht aufgezeigt werden. Letzteres spielt auch im Rahmen der Beilegung jener bereits benannten (unechten) Normkonflikte sowie im Zusammenhang mit der Harmonisierung der sich räumlich und sachlich überlagernden Rechtsebenen eine Rolle. Ferner gilt es, Unterschiede und Gemeinsamkeiten hinsichtlich der auf den Sektoren Meeresumweltschutz, Bestandsschutz, Artenschutz gewählten Ansätze zu erarbeiten, um – in Verbindung mit der faktischen Dimension – Rückschlüsse über die Eignung der zur Anwendung kommenden völkerrechtlichen Instrumente zu ermöglichen. Bei alledem wird der Frage nach den Mängeln des völkerrechtlichen Meeresschutzregimes und ihren Ursachen stets besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Der dritte Teil ist dem europarechtlichen Meeresschutzregime gewidmet und bezieht sowohl die primärrechtliche Ebene wie die sekundärrechtliche Ebene mit ein. Erstere betrifft die kompetenzrechlichen Grundlagen der Gemeinschaft für meeresschutzbezogene Aktivitäten. Neben den (vertikalen und horizontalen) Kompetenzgrenzen interessieren in ihrem Rahmen vor allem die Schnittstellen zwischen der an sich autonomen Gemeinschaftsrechtsordnung und dem Völkerrecht. Die zweite Ebene behandelt die Ausgestaltung der gemeinschaftlichen Kompetenznormen durch meeresschutzbezogene Maßnahmen. Sie bereitet wegen des Fehlens einer allgemeinen Systematik Probleme. Während manche Regelungen sowohl auf land- wie auf meeresbezogene Sachverhalte Anwendung finden – und damit den Besonderheiten der marinen Umwelt u. U. nicht genügend Rechnung tragen –, sind andere auf Spezialprobleme, etwa im Zusammenhang mit bestimmten Stoffgruppen, zugeschnitten. Vorrangige Aufgabe ist insofern der Versuch einer Systematisierung des meeresschutzbezogenen Sekundärrechts, unter Berücksichtigung der Vorgaben des Primärrechts sowie, soweit anwendbar, der des einschlägigen Völkerrechts. Anschließend werden der zweite und der dritte Teil in einem Kapitel zusammengeführt, das sich mit der Beteiligung der Gemeinschaft an meeresschutzbezogenen Übereinkommen und ihrer Mitgliedschaft in anderen internationalen Organisationen sowie mit der innergemeinschaftlichen Geltung der von der Gemeinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Verträge befasst.
streng positivistischen Rechtslehre nicht geleugnet; vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 5 f., 215–221.
Erster Teil
Der Nordostatlantik – Raum, Nutzung, Verschmutzung Die Bedeutung empirischer Befundnahmen für rechtswissenschaftliche Untersuchungen wurde bereits einführend betont. Vor allem umweltrechtliche Studien blieben ohne Darstellung der faktischen Zustände realitätsfern und unverständlich. Aus dieser Erkenntnis darf natürlich nicht geschlossen werden, dass die einschlägigen Normen nur insoweit Geltung beanspruchen, als sie „wahr“ sind, d. h. der Realität Rechnung tragen. Immerhin aber ist erforderlich, dass die Normen „geeignet sind, einen gewollten Zustand anzustreben, auch wenn dessen Vollendung nicht eintritt und vielleicht niemals vollständig eintreten kann.“1 Insoweit findet der Gemeinsatz von der normativen Kraft des Faktischen seine Rechtfertigung. Um dies in vorliegendem Zusammenhang anhand eines Beispiels zu verdeutlichen: Mit der Annahme eines Vertrags, der das Durchführen von Abfallverbrennungen auf See verböte, wäre nichts gewonnen, wenn ebensolche Verbrennungen in dem vertraglich erfassten Meeresgebiet gar nicht mehr praktiziert würden. Wolfgang Graf Vitzthum hat die Bedeutung faktischer Gegebenheiten für umweltvölkerrechtliche Fragestellungen treffend wie folgt zusammengefasst: „Der Entwurf eines neuen Ordnungsrahmens setzt die Kenntnis der Merkmale der Unordnung voraus, der Wunsch nach Einflußnahme auf konkrete Vorgänge Kenntnis ihrer Zwangsläufigkeiten und Entwicklungsgesetze.“2
Diese Aussage trifft nicht nur gebietsrechtlich Wesentliches, sondern auch und gerade nutzungs- und schutzrechtlich; vor allem letztere, hier interessierende Kategorie ist in besonderem Maße vom tatsächlichen Zustand der zu schützenden Güter abhängig. Auch der IGH hat im Fall GabcííkovoNagymaros Project den im Rahmen umweltvölkerrechtlicher Sachverhalte bestehenden Zusammenhang zwischen Faktizität und Normativität unterstrichen: „Throughout the ages, mankind has, for economic and other reasons, constantly interfered with nature. In the past, this was often done without consideration of the effects upon the environment. Owing to new scientific insights and to a growing awareness of the risks for mankind – for present and future generations 1 2
Doehring, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 2000, S. 12, Rn. 19. Graf Vitzthum, Der Rechtsstatus des Meeresbodens, 1972, S. 31.
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1. Teil: Der Nordostatlantik – Raum, Nutzung, Verschmutzung
– of pursuit of such interventions at an unconsidered and unabated pace, new norms and standards have been developed, set forth in a great number of instruments during the last two decades.“3
Da die Berücksichtigung der faktischen Zustände insofern gleichsam Voraussetzung für eine Durchleuchtung und kritische Würdigung des geltenden Umweltvölkerrechts ist, wurde vorliegender Begutachtung der Rechtsfragen des nordostatlantischen Meeresschutzregimes eine empirische Untersuchung der Meeresumwelt des Nordostatlantiks vorangestellt. Unter Gesichtspunkten der Anschaulichkeit und Regelungsnähe erscheint es dabei hilfreich, diese Untersuchung aufbautechnisch an das Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks vom 22. September 1992 (OSPAR-Ü)4 anzulehnen, womit noch nichts über den normativen Gehalt dieses Übereinkommens gesagt wird. Im Hinblick auf seinen räumlichen Geltungsbereich ist etwa festzustellen, dass die vorliegend nicht behandelte Nordsee – sie wird, trotz mancher Überlagerung, von einem speziellen Umweltregime erfasst5 und ist durch besondere faktische Gegebenheiten geprägt – zum Konventionsgebiet des OSPAR-Ü gehört. Den Nutzungs- und Verschmutzungsarten ist der Versuch einer räumlichen Eingrenzung der vorliegend in Rede stehenden Meeresregion vorangestellt. Im Vordergrund steht dabei die Frage, wo sich der Nordostatlantik befindet und wo seine Grenzen liegen.
3 Gabcííkovo-Nagymaros Project (Hungary v. Slovakia), ICJ Reports 1997, 6, 78 (Hervorhebungen vom Verf.). Siehe auch Gündling, EPIL II (1995), S. 96 (99). 4 BGBl. 1994 II, S. 1360 ff. Das Übereinkommen hat mit seinem In-Kraft-Treten am 25. März 1998 das (Pariser) Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung vom Lande aus vom 21. Februar 1974 (Paris-Ü: BGBl. 1981 II, S. 870 ff.) sowie das (Osloer) Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen durch Schiffe und Luftfahrzeuge vom 15. Februar 1972 (Oslo-Ü: BGBl. 1977 II, S. 165 ff.; Protokoll vom 2. März 1983: BGBl. 1986 II, S. 998 ff.; Protokoll vom 5. Dezember 1989: BGBl. 1994 II, S. 1355 ff.) ersetzt (vgl. Art. 31 Abs. 1 OSPAR-Ü). 5 Die Nordsee ist etwa Bezugsobjekt des Übereinkommens über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Verschmutzung der Nordsee durch Öl und andere Schadstoffe vom 13. September 1983 (BGBl. 1990 II, S. 71 ff.), und sie ist eine „Special Area“ im Sinne von Anlage V des Internationalen Übereinkommens von 1973 zur Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe vom 2. November 1973 (MARPOL: BGBl. 1982 II, S. 2 ff.). Siehe dazu Cron, Das Umweltregime der Nordsee – völker- und europarechtliche Aspekte, 1995, S. 108 ff.
Kap. 1: Der Raum – geographische, normative und politische Region
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Kapitel 1
Der Raum – geographische, normative und politische Region Laut Art. 1 lit. a OSPAR-Ü umfasst der Nordostatlantik „die inneren Gewässer und die Küstenmeere der Vertragsparteien, das jenseits des Küstenmeers gelegene und an dieses angrenzende Meer, das den Hoheitsbefugnissen des Küstenstaats unterliegt, soweit es durch das Völkerrecht anerkannt ist, sowie die Hohe See, einschließlich des Bodens und des Untergrunds aller dieser Gewässer, innerhalb der folgenden Begrenzungen: i) diejenigen Teile des Atlantischen Ozeans und des Nördlichen Eismeers und ihrer Nebengewässer, die nördlich von 36º nördlicher Breite und zwischen 42º westlicher Länge und 51º östlicher Länge liegen, jedoch ausschließlich 1. der Ostsee und der Belte südlich und östlich der Linien, die vom Kap Hasenöre zum Kap Gniben, von Korshage nach Spodsbjerg und vom Kap Gilbjerg nach Kullen verlaufen, sowie 2. des Mittelmeers und seiner Nebengewässer bis zum Schnittpunkt des Breitenkreises in 36º nördlicher Breite und des Längenkreises in 5º360 westlicher Länge; ii) derjenige Teil des Atlantischen Ozeans, der nördlich von 59º nördlicher Breite und zwischen 44º westlicher Länge und 42º westlicher Länge liegt.“
Das solchermaßen umschriebene Meeresgebiet reicht in Ost-West-Richtung von der Barentssee bis zur Südspitze Grönlands, in Nord-Süd-Richtung vom Nordpol bis auf die Höhe der Meerenge von Gibraltar. Es bildet eine Oberfläche von 13,5 106 km2 und verfügt über ein Volumen von 30 106 km3 Wasser6. Besondere topographischen Merkmale dieses Gebiets sind der Mittelatlantische Rücken und der Grönland-Schottland-Rücken. Während sich jener als Unterwassergebirge vulkanischen Ursprungs bis zu 3.000 m Höhe über den angrenzenden Meeresboden auftürmt – die Azoren und Island sind die höchsten Erhebungen –, trennt dieser das Atlantische Becken von den arktischen Gewässern. Die Meerestiefe schwankt zwischen 5.000 m an den Rändern des Mittelatlantischen Rückens und 200 m an den Festlandsockeln der europäischen Küstenstaaten7. Auf die historische und geopolitische Bedeutung des Nordostatlantiks wurde bereits einführend hingewiesen8. 6 OSPAR-Kommission (Hrsg.), Quality Status Report 2000 [im Folgenden: QSR 2000], S. 6. Diese Bestandsaufnahme der Meeresumwelt im Nordostatlantik, „an important interface between science (assessment) and politics (measures)“ (Salchow, The Quality Status Report [QSR 2000] for the North East Atlantic, in: P. Ehlers/ Mann Borgese/Wolfrum [Hrsg.], Marine Issues, 2002, S. 119 [131]), wurde erstmals im Jahre 2000 von der mit dem OSPAR-Ü ins Leben gerufenen (Art. 10) internationalen Organisation vorgelegt. Weitere Auflagen sollen folgen. 7 Geographisch handelt es sich um einen zusammenhängenden europäischen Festlandsockel – „künstliche“ und funktionale Grenzziehung durch Staaten. Art. 76 Abs. 1 SRÜ spricht vom „Festlandsockel eines Küstenstaats“.
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1. Teil: Der Nordostatlantik – Raum, Nutzung, Verschmutzung
Abbildung 1: Konventionsgebiet des OSPAR-Ü9
Der räumliche Geltungsbereich des OSPAR-Ü ist allerdings nicht deckungsgleich mit dem Konventionsgebiet des Übereinkommens über die Zusammenarbeit beim Schutz der Küsten und Gewässer des Nordostatlantiks gegen Verschmutzung vom 17. Oktober 199310, das, wie der Name schon sagt, ebenfalls dem Schutz des Nordostatlantiks gewidmet ist. Für die fehlende Deckungsgleichheit können zwei Gründe angeführt werden: Zum einen ist der Nordostatlantik, geographisch gesehen, Teil eines Ozeans; er 8
Siehe o. Einführung („Europa und das Meer“). Quelle: OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, S. 2. 10 ABl. EG 1993, Nr. L 267, S. 22 ff. Das – noch nicht in Kraft getretene – Übereinkommen ist räumlich durch die Außengrenzen der ausschließlichen Wirtschaftszonen der Vertragsparteien begrenzt. 9
Kap. 1: Der Raum – geographische, normative und politische Region
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wird nicht allseitig von Land begrenzt, ist vielmehr „offen“11. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die beiden Übereinkommen zwar ein einheitliches Schutzobjekt betreffen, dabei freilich auf verschiedenen Regelungsansätzen beruhen, sich also in sachlicher Hinsicht unterscheiden; „Schutz der Meeresumwelt“ ist insofern eine Überschrift, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Daraus folgt, dass sich eine Vertragsbestimmung wie Art. 1 lit. a OSPAR-Ü nur im Ansatz als Anknüpfungspunkt für die räumliche Erfassung des Nordostatlantiks eignet. Eine Konkretisierung des vorliegend relevanten Meeresgebiets könnte über den Begriff „Region“ erreicht werden. Mit diesem Begriff wird ein Gebiet der Erdoberfläche beschrieben, das aufgrund eines oder mehrerer kennzeichnender, nicht zwingend geographischer12 Merkmale von anderen Gebieten abgegrenzt werden kann13 bzw. bezüglich dessen völkerrechtliche Regeln vereinbart werden können, die ausschließlich für das betreffende Gebiet zutreffen und insofern eine einheitliche Rechtsanwendung bestimmen14. Dabei ist sogleich festzuhalten, dass „Region“ ein Kunstbegriff ist, der die Einpassung eines tatsächlichen Zustandes in einen Regelungsrahmen ermöglichen soll. Worin nämlich die gemeinsamen Merkmale des betroffenen Raumes liegen, ist wiederum Definitionssache: „Relativität der Kriterien“15. So existiert im Hinblick auf den Nordostatlantik kein eindeutiges geographisches Merkmal, mit Hilfe dessen dieses Meeresgebiet von anderen abgegrenzt werden könnte16. Zwar werden Nord- und Südatlantik anhand der verschiedenen ozeanischen Becken – ein in der Geographie aner11
Vgl. Alexander, AJIL 71 (1977), S. 84 (86): „[. . .] many of the marine-related issues which might respond to regional or subregional action are [. . .] found [. . .] in the open oceans, where physical boundaries are difficult, if not impossible to define“ (Hervorhebung hinzugefügt). 12 Schindler, EPIL IV (2000), S. 161: „The geographic element [. . .] does not delimit the extent of regions with a sufficient degree of accuracy.“ Vgl. auch Jia, The Regime of Straits in International Law, 1998, S. 3: „[. . .] laxity of geographical terms [. . .]“. Näher zur geographischen Region etwa Lang, Der internationale Regionalismus, 1982, S. 66 ff. Allgemein zur räumlichen Dimension der Rechtsgeltung vgl. Winkler, Raum und Recht, 1999, S. 50–58. 13 Siehe Einführung, Fn. 38. 14 Quéneudec, Les tendances régionales dans le droit de la mer, in: Société française pour le droit international (Hrsg.), Régionalisme et universalisme dans le droit international contemporain, 1977, S. 257 (259); Knemeyer, Die Region – EuropaRaum des Rechts, in: Dreier/Forkel/Laubenthal (Hrsg.), Raum und Recht, FS 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät, 2002, S. 87 (90). Einschränkend Lagoni, Regional Protection of the Marine Environment in the Northeast Atlantic Under the OSPAR Convention of 1992, in: Nordquist/Moore/Mahmoudi (Hrsg.), The Stockholm Declaration and Law of the Marine Environment, 2003, S. 183 (185): „absence of a general definition of a in international law“. 15 Lang (Fn. 12), S. 64.
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1. Teil: Der Nordostatlantik – Raum, Nutzung, Verschmutzung
kanntes Abgrenzungsmerkmal17 – unterschieden, wobei die Grenze, eine bloße Anhaltslinie, vom Kap São Roque in Brasilien zum Kap Palmas in Liberia verläuft. Wie aber lässt sich dann die nordostatlantische (Sub-)Region von der des Nordwestatlantiks, beide Bestandteile desselben ozeanischen Beckens, abgrenzen? Bei der Beantwortung dieser Frage helfen geographische Kriterien nicht weiter. Neben normativen und geographischen Kriterien kommen weitere Abgrenzungskriterien in Betracht, z. B. wirtschaftliche und politische. Nach Winfried Lang existieren etwa politische Regionen, die unter anderem durch „Koinzidenz oder Komplementarität von Interessen“ geprägt sind18. Diesbezüglich lässt sich durchaus der innerhalb Europas vorhandene Interessengleichklang in maritimen Angelegenheiten in Ansatz bringen, der erstmals im Jahre 1977 mit der Bildung des EG-Meeres offenbar wurde19. Seither vollzieht sich die Interessenübereinstimmung sachgebietsübergreifend; sie erfasst auch und gerade Aspekte des Meeresschutzes, wie, von der breitgefächerten EG-Umweltpolitik einmal abgesehen, unter anderem der Abschluss des OSPAR-Ü durch sämtliche EG-Mitgliedstaaten und die EG selbst dokumentiert. Europa ist also nicht nur eine politische und wirtschaftliche, sondern zugleich eine den Nordostatlantik umfassende „marineoriented region“20. Letzteres darf zwar nicht im Sinne einer Interessenkonzentration verstanden werden. Auf der begrifflichen Ebene räumt die damit angedeutete Verzweigung der EG-Tätigkeitsfelder über See aber grundsätzliche Bedenken21 gegen die fehlende Flexibilität von Regionalisierungsprozessen aus. 16 Anders das Mittelmeer: Es wird im Westen durch die Meerenge von Gibraltar, einem geographischen Kennzeichen also, vom Atlantik getrennt; siehe Zoller, Völker- und europarechtliche Aspekte des Mittelmeerumweltschutzes, 1996, S. 19. 17 Alexander (Fn. 11), S. 89. 18 (Fn. 12), S. 72. Vgl. auch Aussant, RMC 30 (1987), S. 14. 19 Dazu siehe u. Dritter Teil, Kapitel 1, II. 20 Begriff von Alexander (Fn. 11), S. 88. – Man ist versucht, in diesem Zusammenhang von einem europäischen Großraum zu sprechen. Freilich verbietet bereits die innerhalb der marinen Region nach wie vor bestehende souveräne Gleichheit der Staaten ein Rekurrieren auf die maßgeblich von Carl Schmitt geprägte Großraumtheorie. Zur Frage der Kontinuität zwischen Schmitts Großraumtheorie und dem heutigen EU-Europa etwa Dreier, Die deutsche Staatsrechtslehre in der Zeit des Nationalsozialismus, VVDStRL 60, S. 9 (62–66); Joerges, Europa ein Großraum?, EUI Working Papers, LAW No. 2002/2, S. 34 ff.; Proelß, Nationalsozialistische Baupläne für das europäische Haus?, forum historiae iuris, http://www.rewi. hu-berlin.de/online/fhi/zitat/0305proelss.htm. Allgemein zur Großraumtheorie Schmoeckel, Die Großraumtheorie, 1994, passim. 21 Siehe etwa bei Riedel, The Progressive Development of International Law, in: Wolfrum (Hrsg.), Strengthening the World Order: Universalism v. Regionalism, 1990, S. 133 f.
Kap. 2: Die Nutzung – Arten, Konflikte, Tendenzen
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Nach alledem ist die über das funktionale Kriterium der Interessenübereinstimmung konkretisierbare nordostatlantische Region räumlich flexibel; sie ist ausdehnbar. So kann eine meeresschutzbezogene Interessenübereinstimmung von Drittstaaten mit den Staaten der marinen Region Europa eine funktional-begrenzte Erweiterung der Region nach sich ziehen. Es entsteht dann ein „Kernraum“ mit „Randgebieten“22, die funktionale Region verbindet sich mit der normativen. In diesem Sinne sind etwa Island, Norwegen und die Schweiz im Rahmen des OSPAR-Ü Partner der EG und ihrer Mitgliedstaaten. Eine eindeutige, allgemeingültige geographische Eingrenzung des Nordostatlantiks erscheint demgegenüber ausgeschlossen, mag im Hinblick auf die einzelnen Meereszonen auch nach wie vor die geopolitische Dimension dominieren. Das ist freilich kein Nachteil. Vielmehr tritt die räumliche Dimension zugunsten eines schutzbezogenen, funktionalen Ansatzes zurück. Wie noch gezeigt wird, ist dieser Ansatz kraft seiner Flexibilität geeignet, den bestehenden umweltpolitischen Anforderungen zu entsprechen. Kapitel 2
Die Nutzung – Arten, Konflikte, Tendenzen Gemäß Abs. 3 der Präambel des OSPAR-Ü haben die Vertragsparteien das Übereinkommen unter anderem in der Erkenntnis geschlossen, „dass ein untereinander abgestimmtes Vorgehen auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene unerläßlich ist zur Verhütung und Beseitigung der Meeresverschmutzung und zur Erreichung einer nachhaltigen Bewirtschaftung des Meeresgebiets, das heißt einer solchen Gestaltung der menschlichen Tätigkeiten, dass das Meeresökosystem weiterhin die rechtmäßigen Nutzungen des Meeres erlaubt und die Bedürfnisse der heutigen und der künftigen Generationen befriedigt“23.
Hiernach spielt die Nutzung des Nordostatlantiks unter zwei Gesichtspunkten eine Rolle: Einerseits ist sie unmittelbare Quelle der Meeresverschmutzung – ohne Nutzung des Meeres und der Meeresküsten keine Primärverschmutzung24 –, andererseits, ihre Rechtmäßigkeit vorausgesetzt, gleichsam selbst völkerrechtlich geschütztes Gut25. Entgegen dem ersten Eindruck liegt in dieser Feststellung kein logischer Widerspruch. Beide 22 Terminologie von Lang (Fn. 12), S. 89, 91 f. Siehe auch Saunders, Maritime Regional Cooperation: Theory and Principles, in: Valencia (Hrsg.), Maritime Regime Building, 2001, S. 1 (6): „overlapping regions“. 23 Hervorhebung vom Verf. 24 Vgl. nur Ehlers, Schiffahrt International 51 (2000), S. 12 (13). 25 Vgl. auch die Verschmutzungsdefinition des Art. 1 lit. d OSPAR-Ü sowie Abs. 4 der Präambel OSPAR-Ü: „das ökologische Gleichgewicht und die rechtmäßigen Nutzungen des Meeres durch Verschmutzung bedroht sind“.
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1. Teil: Der Nordostatlantik – Raum, Nutzung, Verschmutzung
Aspekte verdeutlichen vielmehr, dass Meeresschutz und Meeresnutzung einander nicht ausschließen, sondern in einen nachhaltigen Ausgleich zu bringen sind26. Eine Bestandsaufnahme der Nutzungen des Nordostatlantiks ist insofern sowohl im Hinblick auf die Verschmutzung dieses Meeresgebiets als auch hinsichtlich des Schutzbereichs rechtmäßiger Meeresnutzung geboten. Dabei lässt sich die Bedeutung des zweitgenannten Aspekts selbst von Befürwortern einer Nutzungsreduktion schwerlich leugnen. Große Teile der Küstenbevölkerungen hängen wirtschaftlich von der Nutzung des Meeres ab; für viele Menschen ist es eine lebenswichtige Nahrungsquelle, zudem ein bedeutendes Transportmedium. Unabhängig von den Bedingungen des positiven Rechts ist die Nutzung des Nordostatlantiks mithin auch in faktischer Hinsicht ein Bestandteil meeresschutzbezogener Überlegungen. In diesem Zusammenhang ermöglicht die vorliegender Untersuchung zu Grunde liegende Konzentration auf den Meeresschutz eine Eingrenzung des Nutzungsbegriffs. Während Gerhard Hafner unter Nutzungen „jene menschlichen Tätigkeiten [versteht], die zwecks Gewinnung (Erzielung) eines Vorteils – wie immer dieser quantifizierbar und objektivierbar sei – gesetzt werden und ihr Handlungszentrum unter dem oder im Meer besitzen“27, wird „Nutzung“ hier auf diejenigen Tätigkeiten beschränkt, die über Verschmutzungspotential verfügen. Weiterhin wird im Folgenden zwischen land- und seewärtiger Nutzung differenziert, wobei eine jeweils erschöpfende Aufzählung schon angesichts ständiger technischer Weiterentwicklungen weder möglich noch erforderlich ist28. I. Landwärtige Nutzung Die Küstenstriche des Nordostatlantiks werden in nach wie vor steigendem Ausmaß von Industrie, Landwirtschaft und Tourismus genutzt. Angesichts vielfältiger Überlagerungen können diese Kategorien zwar nicht randscharf voneinander abgegrenzt werden. Eine getrennte Erörterung erscheint indes nicht nur aus Gründen der Übersichtlichkeit zweckmäßig. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass jede Meeresnutzung die Meeresumwelt auf eigene Art gefährdet. Liegt das Gefährdungspotential der Küstenindustrie in diesem Sinne vor allem auf der stofflichen Ebene, ist das Spektrum der vom Tourismus ausgehenden Umweltgefährdungen breiter, diffuser gestreut. 26
Zum Konzept der nachhaltigen Entwicklung siehe u. Zweiter Teil, Kapitel 1, IV. Hafner, Die seerechtliche Verteilung von Nutzungsrechten, 1987, S. 20. 28 Eine besonders anschauliche, wenngleich etwas veraltete Zusammenstellung findet sich bei Clark, Die Nutzung des Meeresraumes, in: Flemming/Meincke (Hrsg.), Das Meer, 1977, S. 166 ff. 27
Kap. 2: Die Nutzung – Arten, Konflikte, Tendenzen
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1. Industrie Weltweit sind die Küsten des Meeres bevorzugte Industriestandorte. Das liegt zum einen daran, dass Küstenstandorte den Zugang zum Meer – ein für den internationalen Handel unverzichtbarer Faktor29 – gewährleisten. Zum anderen sind viele Industriezweige auf die Ressource Wasser angewiesen, etwa um die Wasser- und Energieversorgung der Anlagen sicherzustellen. Der Nordostatlantik bildet in diesem Zusammenhang keine Ausnahme. An seinen Küsten wurden und werden Industriezweige aller Art angesiedelt, häufig in der Nähe großer Häfen und an Flussmündungen. Die Verzweigungen reichen von der Eisen- und Stahlproduktion, der Öl-, Gas-, Elektro- und Chemieindustrie, dem Schiff-, Kraftfahrzeug- und Maschinenbau bis zur Nahrungsmittelproduktion. Die englischen, französischen, irischen und spanischen Atlantikküsten verfügen über eine besonders hohe Industriedichte, weshalb es nicht überrascht, dass die Meeresumwelt dieser Subregionen ungleich stärker als andernorts unter Einleitungen gefährlicher Stoffe leidet30. 2. Landwirtschaft Des weiteren werden große Flächen der nordostatlantischen Küstenregionen landwirtschaftlich genutzt. Mögen aktuelle Prognosen auch eine rückläufige Tendenz andeuten31, dürfte diese Nutzung nicht zuletzt auf den europäischen Agrarmarkt zurückzuführen sein; die Europäische Gemeinschaft (EG) ist bekanntlich, wie die hohen Ausgaben für die Landwirtschaft (mehr als 40% des Gemeinschaftshaushalts) verdeutlichen, auch und gerade eine Agrargemeinschaft. Unter anbauspezifischen Gesichtspunkten lassen sich die bewirtschafteten Küstengebiete Westeuropas in zwei Kategorien einteilen, namentlich in Gebiete mit intensivem Getreideanbau einerseits und in Gebiete mit Tierproduktion sowie Obst- und Gemüseanbau andererseits. Beide Kategorien zeitigen vergleichbare Auswirkungen auf die Meeresumwelt der angrenzenden Küstengewässer. So belegen Forschungsergebnisse, dass die Landwirtschaft eine Hauptursache für die Eutrophierung des Meeres darstellt; wie noch zu zeigen ist, kann dieses Phänomen die Erstickung 29 Aus rechtlicher Sicht vgl. etwa Wolfrum, Der Zugang zum Meer – eine vernachlässigte oder obsolete Problematik?, in: Arndt/Knemeyer/Kugelmann/Meng/ Schweitzer (Hrsg.), Völkerrecht und deutsches Recht, FS für Rudolf, 2001, S. 125 ff. 30 Auf die konkreten Auswirkungen ist im Rahmen der Verschmutzungsarten (Kapitel 3) zurückzukommen. 31 In Frankreich hat sich die Fläche landwirtschaftlich genutzter Küstengebiete seit 1970 um 17% verringert; siehe OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, Region IV, S. 51.
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1. Teil: Der Nordostatlantik – Raum, Nutzung, Verschmutzung
marinen Lebens nach sich ziehen32. Weiterhin gelangen die unter anderem zur Schädlingsbekämpfung eingesetzten Schwermetalle und Persistenten Organischen Schadstoffe (POP) infolge landwirtschaftlicher Aktivitäten in die Meeresumwelt33. 3. Tourismus Im Rahmen der landwärtigen Nutzung des Nordostatlantiks ist schließlich die touristische Erschließung der Meeresküsten zu erwähnen. Der Begriff „Tourismus“ steht für die Tatsache, dass ortsfremde Personen ihre Urlaubszeit an der Küste mit Erholungsaktivitäten, etwa Baden, Segeln, Surfen, Fischen, Tauchen, verbringen34. Wie die folgenden Zahlen beispielhaft belegen35, sind die Besucherzahlen konstant angestiegen. So ist in Irland die Anzahl von Tagesausflügen an die Küste seit den siebziger Jahren um das 600fache angestiegen. Portugal verzeichnete 1996 die Rekordsumme von 1,2 Mio. Menschen, die die Küsten des Landes – in erster Linie war die südportugiesische Algarve betroffen – aufgesucht haben, und auf den Azoren wurde seit dem Jahre 1980 ein Anstieg der Touristenunterkünfte um 83% vermerkt. Solche Zahlen sind Ausdruck des Umstands, dass sich die touristische Nutzung bei steigender Intensität räumlich auf wenige Küstengebiete konzentriert, sog. Tourismusdruck. Vergleichbares lässt sich im Wesentlichen für nahezu alle europäischen Küstenregionen feststellen, zumal Tourismus ein Musterbeispiel für die Verschränkung von Meeresnutzung, Meeresschutz und anderen Faktoren, etwa sozialen und wirtschaftlichen, darstellt. Als Verschmutzungsquelle ist er angesichts seiner Diffusität besonders problematisch; zu denken ist unter anderem an eine Erhöhung der Meeresverschmutzung vom Lande aus36, die mit der Errichtung neuer Yachthäfen regelmäßig einhergehende Verdrängung ansässiger Arten sowie die Beeinträchtigung der marinen Flora und Fauna infolge Sportboot- und Jetskiverkehrs37. Andererseits ist eine hohe Qualität der Meeresumwelt gleichsam Voraussetzung für die touristische Nutzbarkeit der Küstenge32
Siehe u. Kapitel 3, II. 1. a). Zu Wirkungsweise und Folgen dieser Stoffgruppen siehe sogleich in Kapitel 3 unter II. 1. b). 34 Zu den Tatbestandsmerkmalen des Küstentourismus siehe Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.), Biodiversität und Tourismus, 1997, S. 44 f. 35 Quelle: OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, S. 18 f.; dies., QSR 2000, Region IV, S. 38. 36 Erinnert sei nur an die 90er Jahre, als sich in der italienischen Adria massive Algenteppiche ausbreiteten. 37 Zu den Auswirkungen des Küstentourismus siehe die Aufstellung in Bundesamt für Naturschutz (Fn. 34), S. 51 ff., das. (S. 126 ff.) auch zum innereuropäischen Sachverhalt. 33
Kap. 2: Die Nutzung – Arten, Konflikte, Tendenzen
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biete38, wie die zwischenzeitlich in regelmäßigen Intervallen veröffentlichten Berichte über die Qualität der Badegewässer belegen. II. Seewärtige Nutzung 1. Schifffahrt Funktionierende Weltwirtschaft ohne Seetransporte ist nicht vorstellbar. Die Möglichkeit eines Warenaustausches über See ist vielmehr entscheidende Voraussetzung für die Wirtschaftsglobalisierung. Im Rahmen des weltweiten Seehandels gehört der Schiffsverkehr in der nordostatlantischen Region zu den bedeutendsten der Erde. So wird alleine der 560 km lange, Atlantik und Nordsee verbindende Ärmelkanal – ein „europäisches Meer im strikten Sinne des Wortes“39 – täglich von bis zu 700 Schiffen – im Jahr sind es mehr als 200.000 – befahren. Diese Schiffe haben ein Viertel der Fracht geladen, die weltweit über den Seeweg transportiert wird40. Neben dem Öltransport – 90% der europäischen Erdöleinfuhren werden auf dem Seeweg befördert, davon wiederum 70% entlang der bretonischen Küste und durch den Ärmelkanal41 – ist vor allem der Rohstoff- und Gütertransport durch Massengutfrachter (36% der Weltflottentonnage42), Stückgutfrachter (13,1%) und Containerzellenschiffe (8,8%) zu erwähnen43. Stellvertretend für andere Güter sei beispielhaft genannt, dass im Jahre 1997 von weltweit 430 Mio. t Eisenerz derer 145 Mio. t, d. h. etwa ein Drittel, durch den räumlichen Geltungsbereich des OSPAR-Ü verschifft wurden44. Auf den Nordostatlantik bezogene Prognosen lassen einen weiteren Anstieg des Gütertransports zur See und eine Erhöhung der Hafenauslastung45 erwarten. Trotz fallender Tendenzen auf dem Schiffbausektor lag der Umsatz 38 Das hat auch die EG längst erkannt; siehe die Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der Badegewässer: ABl. EG 1976, Nr. L 31, S. 1 ff. 39 Mollat du Jourdin, Europa und das Meer, 1993, S. 99. 40 Vgl. F.R. v. 3. 11. 2000, S. 9. 41 Siehe KOM(2001) 370 endg., Weissbuch, Die Europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft, 12. September 2001, S. 110. 42 Die Weltflottentonnage bezeichnet die Summe der Tonnengehalte aller weltweit registrierten Schiffe. 43 Quelle der Tonnageverteilung: Institut für Seeverkehrswirtschaft und Statistik, ISL Shipping Statistics and Market Review [SSMR] 44 (2000), SSMR Market Analysis No. 1/2: http:/www.isl.org/deutsch/frames/. 44 OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, S. 33. 45 Einschlägigen Prognosen zufolge wird der Hafen von Rotterdam ab dem Jahre 2020 über ein jährliches Abfertigungsvolumen von 20 Mio. Containern verfügen; vgl. OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, S. 32.
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1. Teil: Der Nordostatlantik – Raum, Nutzung, Verschmutzung
der deutschen Werften im Jahre 1999 denn auch immerhin noch bei 7,3 Milliarden DM. Verglichen mit der Handelsmarine führt die Passagierschifffahrt mit einem Anteil von etwa 0,7% der Weltflottentonnage ein eher bescheidenes Dasein. Sie ist indes – dem Tourismus insofern verwandt – im engeren, regionalen Rahmen von großer Bedeutung. Insbesondere die „marine-oriented region“ Europa ist auf funktionierende Verbindungen angewiesen, was eindrucksvoll durch den Bestand von mehr als 140 innergemeinschaftlichen Fährrouten dokumentiert wird. Soweit der Nordostatlantik daneben von den Kriegsmarinen seiner Anliegerstaaten befahren wird, ist festzustellen, dass Marinemanöver die Meeresumwelt des abgesperrten Übungsgebiets erheblich belasten, zudem jede andere (rechtmäßige) Meeresnutzung verdrängen. Erinnert sei schließlich an Meeresschrott (Übungsbomben, Sonarbojen), der etwa im Rahmen der U-Boot-Jagd in die Meeresumwelt eingebracht wird.
Zusammenfassend verkörpert die Schifffahrt unter zwei Gesichtspunkten eine unmittelbare Quelle der Meeresverschmutzung: Zum einen werden vorsätzlich Schiffsabfälle in das Meer eingebracht (sog. Dumping)46, zum anderen wird die Meeresumwelt durch die beim Schiffsbetrieb und bei Schiffsunfällen austretenden Stoffe gefährdet47. Die Folgen dieser beiden Verschmutzungsarten sind dabei weit weniger problematisch als die der Meeresverschmutzung vom Lande aus48, und auch im Vergleich mit landund luftbezogenen Transportträgern kann die Schifffahrt mit Fug und Recht als „umweltfreundlicher Verkehrsträger“49 bezeichnet werden. 2. Fischerei In den Anrainerstaaten des Nordostatlantiks spielt die Fischerei sowohl unter ökonomischen wie unter sozialen Gesichtspunkten eine tragende Rolle. Sie ist die Urzelle der maritimen Wirtschaft. Der Beitrag des Fischereisektors zum Bruttosozialprodukt der EG-Mitgliedstaaten liegt zwar in der Regel unter 1%, doch bilden seine Arbeitsplätze – innerhalb der EU sind rd. 260.000 Fischer voll- und teilzeitlich unmittelbar in der Fangwirtschaft beschäftigt – das Rückgrat vieler entlegener Küstengebiete. An den spanischen und schottischen Atlantikküsten hat der Fischereisektor etwa einen Anteil von 10% an der Gesamtbeschäftigung50. Auch in weniger fischereiorientierten Subregionen sind die Arbeitsplätze des Fischereisektors wichtig: 46
Siehe u. Kapitel 3, II. 2. Dazu Kapitel 3, II. 4. – Im Übrigen ist wahrscheinlich, dass die von der Schifffahrt ausgehenden Lärmemissionen – zu denken ist etwa an die in der Militärschifffahrt verwendeten Sonarsysteme – zu Kommunikationsproblemen bei bestimmten Meeressäugern (Wale, Delfine) führen, letztlich also die Ursache für die zuletzt häufiger zu beobachtenden Strandungen der Tiere bilden. 48 Siehe aber Ehlers (Fn. 24): dies dürfe „nicht als Freibrief verstanden werden“. 49 Ehlers, ebd. 47
Kap. 2: Die Nutzung – Arten, Konflikte, Tendenzen
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Mit Ausnahme der großen Häfen verfügen Küstengebiete regelmäßig über Standortnachteile und wirken insofern negativ auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ein. In Europa beliefert der Fischereisektor mit dem EG-Markt zudem einen der größten Fischmärkte der Welt. In den von der OSPAR-Kommission zu empirischen Zwecken ausgewiesenen Subregionen I bis V werden, je nach vorherrschenden ökologischen Bedingungen, ganz unterschiedliche Fischarten gefangen. Im Jahre 1995 wurden insgesamt rd. 6 Mio. t Fisch, exklusive Schalentiere, angelandet51, womit der Nordostatlantik zu den drei weltweit am intensivsten befischten Meeresgebieten gehört. Unter diesem Gesamtfang befanden sich sowohl Grund- und Bodenfische wie Scholle, Seelachs, Kabeljau, Schellfisch, Seeteufel, Seehecht, Rotbarsch, Seezunge, Stein- und Heilbutt als auch pelagische, d. h. im freien Meer schwimmende Arten, darunter Hering, Schwertfisch, Roter Thun, Makrele, Sardelle. Jene Zahl beinhaltete im Übrigen auch die Erträge der Industriefischerei, d. h. den Fang von Arten, die zwar nicht zum menschlichen Konsum geeignet sind, jedoch zu Fischmehl verarbeitet an Land(Nutz- und Pelztiere) und Meerestiere (Aquakultur) verfüttert werden52. Die (EU-) europäische Fischereiflotte umfasst derzeit 97.000 Schiffe. Sie wurde in den letzten Jahren verkleinert, da sie für die verfügbaren Fangmengen zu groß und unwirtschaftlich geworden war. Durch Modernisierungsmaßnahmen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) soll ihre Wettbewerbsfähigkeit sichergestellt und den Anforderungen der Globalisierung angepasst werden.
Angesichts des erwähnten Fangvolumens bedroht die Fischerei die Meeresumwelt nicht nur unter Gesichtspunkten der Bestandserhaltung, sondern sie stellt sich als Nutzungsart gleichsam selbst in Frage: Um Fisch fangen zu können, muss es Fische geben. Demgegenüber bedeuten zu viele Fischereifahrzeuge Überfischung und Bestandsrückgänge. Solche Rückgänge ziehen dann ihrerseits eine Verringerung der Beschäftigung auf dem Fischereisektor nach sich. Da dieser im Übrigen durch große regionale und nationale Heterogenität geprägt ist, wird die Absicherung seiner wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit immer schwieriger. Die EG musste über das Finanz50 Vgl. Europäische Kommission, Generaldirektion Fischerei, Die Gemeinsame Fischereipolitik, Der Fischereisektor in der Europäischen Union: http://europa. eu.int/comm/fisheries/doc_et_publ/factsheets/facts/de/pcp2_1.htm. 51 OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, S. 19 f. Trotz dieser beeindruckenden Zahl standen den Ausfuhren der EU-Mitgliedstaaten in Höhe von 1,6 Mio. t im Jahre 1998 Einfuhren von über 4 Mio. t gegenüber, damit der Bedarf EU-Europas gedeckt werden konnte. Siehe Europäische Kommission, Generaldirektion Fischerei, ebd. 52 Das aus der Industriefischerei gewonnene Fischöl wird auch in der Lebensmittelproduktion verwendet. Näher zur Industriefischerei, problematisch vor allem wegen der hohen Beifangzahl, etwa Hubold, Informationen für die Fischwirtschaft aus der Fischereiforschung 44 (1997), S. 136. – Die EG-Kommission sieht diesbezüglich offenbar keinen Handlungsbedarf; siehe die Antwort des zuständigen Kommissars Fischler auf die schriftliche Anfrage E-1584/99: ABl. EG 2000, Nr. C 203E, S. 8 f.
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1. Teil: Der Nordostatlantik – Raum, Nutzung, Verschmutzung
instrument für die Ausrichtung der Fischerei (FIAF) – neben weiteren Zuschüssen und Beihilfen seitens der EG-Mitgliedstaaten – eine finanzielle Stütze für den Fischereisektor schaffen. Dennoch reichen die eingefahrenen Gewinne nicht einmal zur Deckung der Kosten und des Kapitalverzehrs aus53. Kaum ein umweltrelevanter Tätigkeitsbereich führt insofern den Zusammenhang zwischen der Erhaltung der natürlichen Ressourcen und der rechtmäßigen Nutzung des Meeres so nachdrücklich vor Augen wie die Fischerei. Erst eine Hinwendung zu nachhaltiger Fischereiwirtschaft könnte eine Umkehr der benannten wirtschaftlichen und sozialen Trends bewirken54. Ein erster Schritt wäre etwa die Einstellung der Fischereisubventionen, die wesentlich – und entgegen aller ökonomischen Logik – zur Überfischung des Meeres beitragen. Auch die World Trade Organization (WTO) hat festgestellt: „Consensus exists that fisheries subsidies are widespread, trade distorting and undermine the sustainable use of fish resources.“55
Von nachhaltiger Ressourcenausbeutung ist Europa derzeit freilich weit entfernt. Diese Feststellung kann mit allgemeiner Gültigkeit getroffen werden, weil die Entwicklung der Fischbestände primär auf vier biologischen Faktoren (Rekrutierung, Wachstum, natürliche Sterblichkeit, fischereiliche Sterblichkeit) beruht56, die sich ihrerseits mit großer empirischer Sicherheit bewerten lassen. Diesbezüglich besteht nach Einschätzung von David Symes kaum Anlass, optimistisch in die Zukunft zu blicken57 – die Folgen des Überfischungsprozesses sind auch im Nordostatlantik nicht zu übersehen. Die meisten kommerziell bedeutsamen Fischarten befinden sich, bei subregionalen Unterschieden, in ihren Gesamtbeständen außerhalb der safe biolo53
Siehe KOM(2001) 135 endg., Grünbuch, Band I, Über die Zukunft der Gemeinsamen Fischereipolitik, 20. März 2001, S. 14 ff. 54 Ebd., S. 17. Siehe auch Das Parlament v. 17. 5. 2002, S. 10. – Die Kommission bemüht sich, diesen Faktoren im Rahmen der eingeleiteten Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik Rechnung zu tragen; vgl. Mitteilung der Kommission über die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik, Fahrplan, 28. Mai 2002, S. 10 f., 18 ff. 55 WT/CTE/W/67, Committee on Trade and Environment, Environmental Benefits of Removing Trade Restrictions and Distortions, Note by the Secretariat, 7 November 1997, para. 93. Siehe auch UN Doc. A/CONF. 199/20, Report of the World Summit on Sustainable Development, Resolution 2, Plan of Implementation of the World Summit on Sustainable Development, 4 September 2002, 25, para. 31 (f). 56 KOM(2001) 135, Grünbuch, Band II, Die Gemeinsame Fischereipolitik nach 2002, Bericht über den Zustand der Ressourcen und ihre erwartete Entwicklung, 20. März 2001, S. 3. 57 OCM 35 (1997), S. 51 (56). – Überfischung hat auch Einfluss auf den Genpol der Bestände. Am Beispiel einer vor Neuseeland lebenden Snapper-Art konnte kürzlich gezeigt werden, dass die genetische Bandbreite im Bestand abnehmen kann; S.Z. v. 12. 11. 2002, S. V2/11.
Kap. 2: Die Nutzung – Arten, Konflikte, Tendenzen
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gical limits (SBL), die eine Arterhaltung bei gleichbleibenden Fangvolumina gewährleisten würden58. Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen: Für eine Erholung der Biomasse des Laicherbestands des kommerziell besonders wertvollen Roten Thuns müsste das Fangniveau von heute auf weniger als 75% des Niveaus von 1994 zurückgeführt werden. Konnte der Entdecker Giovanni Caboto 1497 hinsichtlich des Fischreichtums vor der Küste Neufundlands behaupten, man habe den Kabeljau mit Körben aus dem Meer schöpfen können, haben die Europäer das biblische Gebot „[. . .] und herrscht über die Fische des Meeres“59 seither offenbar allzu wörtlich genommen. Ob das jüngst von EG-Kommissar Fischler auf den Weg gebrachte Aktionsprogramm für die Reform der GFP ein Umdenken in Sachen nachhaltiger Fischereipolitik zu leisten imstande ist, bleibt abzuwarten. Die mit dem neuen Konzept verfolgten Ziele sind zwar durchweg zu begrüßen60; einmal mehr ist im Hinblick auf eine konsequente Umsetzung des Konzepts aber Skepsis angebracht. Fischler ist denn auch schon auf heftigen Widerstand gestoßen, vor allem aus dem traditionell fischereiorientierten Spanien, das von seinen rd. 18.000 Schiffen etwa 1.300 abwracken soll61. Von der Überfischung der Bestände abgesehen ist die Fischerei nicht zuletzt mit Blick auf Beifänge von Meeressäugetieren problematisch. So betrug die Zahl der 1998 unvorsätzlich gefangenen Delphine mehr als 10.000 Tiere62. Zuletzt sind die in der Nordsee, also im Nordostatlantik im weiteren Sinne, lebenden Schweinswale in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Jedes Jahr sterben mehr als 7.500 Tiere dieser einzigen originär europäischen Walspezies in Fischernetzen als unbeabsichtigte Beifänge – zu viel für eine Arterhaltung, zumal Schweinswale nur ein einziges Mal alle zwei Jahre Nachwuchs bekommen können. Grund für die Beifänge ist die 58 Siehe nur die Auflistung in OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, S. 68 f.; S.Z. v. 12. 11. 2002, S. V2/11. Zur weltweiten Lage vgl. Nature 423 (2003), 15 May 2003, S. 280 ff. Eingehend nunmehr Pauly/Maclean, In a Perfect Ocean, 2003, S. 23 ff. 59 Genesis 1, 28. 60 Vgl. Mitteilung der Kommission über die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik, Fahrplan, 28. Mai 2002, S. 7: „Die Kommission verfolgt mit ihrem neuen Konzept des Fischereimanagements folgende Ziele: Neuausrichtung des Fischereimanagements auf ein langfristigeres Konzept zur Gewährleistung nachhaltiger Fischerei mit hohen Erträgen; Steuerung des Fischereiaufwands im Einklang mit nachhaltigen Fangmöglichkeiten, wofür eine sofortige und signifikante Senkung des Fischereiaufwandes unumgänglich ist; Berücksichtigung von Umweltfragen im Fischereimanagement, insbesondere durch einen Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt; schrittweiser Übergang zu einer Fischereiwirtschaft, die sich am Ökosystem-Ansatz orientiert; bestmögliche Nutzung der Ressourcen und Vermeidung von Verschwendung; Förderung der Erstellung wissenschaftlicher Gutachten von hoher Qualität.“ Siehe auch F.A.Z. v. 29. 5. 2002, S. 16. 61 F.A.Z. v. 10. 6. 2002, S. 14. 62 OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, S. 22.
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1. Teil: Der Nordostatlantik – Raum, Nutzung, Verschmutzung
Verwendung von Treib- und Grundnetzen, die eine Differenzierung nach Tierarten erheblich erschweren; vor allem die erstgenannten, zum Fang pelagischer Arten genutzten Netze – bis zu 30 m hoch und 100 m lang – sind zu wenig selektiv. Eine Anhebung der Mindestmaschenöffnung von Fangnetzen dürfte die Quantität der Beifänge kaum verringern. Letztlich wird man des Beifangproblems nur über eine allgemeine Reduzierung der Fischereitätigkeit Herr werden können. Daneben ist die Einrichtung von Schutzgebieten (ggf. auch temporärer Natur) an Orten in Erwägung zu ziehen, an denen besonders viele Meeressäuger leben. Bezüglich der Schweinswale haben Nichtregierungsorganisationen (NGOs), namentlich WDCS und WWF, erfolgreich Kampagnen initiiert, um das Beifangproblem als Verhandlungsgegenstand auf die Tagesordnung der 5. Nordseeschutzkonferenz vom März 2002 zu setzen63. In der aus dieser Konferenz hervorgegangenen Ministererklärung wurde als Ziel vereinbart, „die Beifänge von Schweinswalen auf unter 1,7% der besten Populationsschätzung zu reduzieren. Auf der gleichen Grundlage einigen sich die Minister auf ein Vorsorgeziel, um die Beifänge von Meeressäugetieren auf weniger als 1% der besten verfügbaren Populationsschätzung zu senken und fordern die zuständigen Behörden dringend auf, spezifische Grenzwerte für die betroffenen Arten zu erarbeiten.“64
Für den Thunfischfang ist die Verwendung von Treibnetzen immerhin europaweit seit dem 1. Januar 2002 verboten65. In realanalytischer Hinsicht ist unter die Nutzungsart Fischerei auch der Fang von Schalentieren zu subsumieren. An den Küsten des OSPAR-Konventionsgebiets wurden im Jahre 1996 rd. 500.000 t Schalentiere angelandet, vor allem Miesmuscheln, Herzmuscheln, Garnelen, Hummer66. Der Schalentierfang erfolgt mit Baggern und Saugpumpen, Netzen und Fangkörben. Überfischung droht primär den küstennah ansässigen Arten. 3. Jagd Die Jagd unterscheidet sich von der Fischerei durch die verschiedenen Bezugsobjekte. Während sich diese – wie gezeigt – auf Fische und Schalentiere bezieht, ist jene begrifflich auf den Fang von Meeressäugetieren gerichtet. Bekanntlich hatte die exzessive Jagd auf Wale im 20. Jahrhundert zu drasti63
F.A.Z. v. 20. 3. 2002, S. 12. Ministerial Declaration of the Fifth International Conference on the Protection of the North Sea („Bergen Declaration“), 21 March 2002, 17, para. 29 (Hervorhebungen im Original). 65 Zur weltweiten Entwicklung vgl. Churchill/Lowe, The Law of the Sea, 1999, S. 299 ff. 66 Siehe die Aufstellung in OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, S. 23. 64
Kap. 2: Die Nutzung – Arten, Konflikte, Tendenzen
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schen Bestandsreduzierungen bis an die Grenze der vollständigen Ausrottung der Tiere geführt. Im Nordostatlantik unterliegen Walfangaktivitäten seit längerem der Zuständigkeit zweier internationaler Organisationen: der universell zuständigen International Whaling Commission (IWC) und der regional operierenden North Atlantic Marine Mammal Commission (NAMMCO)67. Die Bestände der in diesem Meeresgebiet vorkommenden Wale68 haben sich zwischenzeitlich erholt und können – mit Ausnahme der Zwergwale69 – als gesichert gelten. Norwegen gestattet seinen Staatsangehörigen seit 1992 die Jagd auf Zwergwale nach einer jährlich festgelegten, von der jeweiligen Populationsstärke abhängigen Quote. Im Jahre 1999 wurden 753 Tiere harpuniert, angesichts eines Gesamtbestands von höchstens 125.000 nordostatlantischen Zwergwalen eine nicht unbedenkliche Zahl. Island hat angekündigt, den kommerziellen Walfang in Kürze wiederaufnehmen zu wollen. Vom kommerziellen Walfang ist der Walfang indigener Gemeinschaften zur Befriedigung ihrer Lebensbedürfnisse zu unterscheiden. Diesbezüglich werden jährlich durchschnittlich 850 Pilotwale (aus einem Bestand von mehr als 800.000 Tieren) sowie 292 Zwergwale gejagt, vorwiegend von Grönland und den Färöer Inseln aus70. Die Zahlen verdeutlichen, dass die Nutzung von Walen und anderen marinen Säugetieren zu nicht-kommerziellen Zwecken ein Überleben der Arten nicht gefährdet. 4. Aquakultur Aquakultur ist die vom Menschen gesteuerte, zu Gewinnzwecken ausgeübte Aufzucht von Flora und Fauna, deren Lebensraum das Meer, Flüsse und Binnengewässer bilden. Im Vergleich zur mit der Menschheitsgeschichte unmittelbar verknüpften Kultivierung des Landes ist die „Seewirtschaft“ – jedenfalls in einem über die traditionelle Fischzucht hinausgehenden, d. h. ökonomisch relevanten Ausmaß – eine noch junge Form der Meeresnutzung71. In den letzten Jahrzehnten konnte freilich ein deutlicher 67
Zum ganzen näher Zweiter Teil, Kapitel 2, III. sowie Kapitel 3, III. 1. Siehe die Aufstellung in OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, S. 72. 69 Vgl. die Aufnahme dieser Walart (Caperea marginata) in Anlage I zum (Washingtoner) Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen vom 3. März 1973 (CITES): BGBl. 1975 II, S. 7773 ff. Anlage I CITES enthält eine Auflistung von Arten, die von der Ausrottung bedroht sind. 70 OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, Region I, S. 29. Es sei hinzugefügt, dass sich dieser Jahresdurchschnitt seit Anfang des 18. Jahrhunderts nicht verändert hat. 71 Soweit ersichtlich findet der Begriff der Aquakultur in einer gemeinschaftsrechtlichen Norm erstmals Erwähnung in der Verordnung (EWG) Nr. 2908/83 des Rates vom 4. Oktober 1983 über eine gemeinsame Maßnahme zur Umstrukturie68
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1. Teil: Der Nordostatlantik – Raum, Nutzung, Verschmutzung
Anstieg seewirtschaftlicher Aktivitäten verzeichnet werden; es setzte eine funktional-begrenzte „Terraneisierung des Meeres“ ein72. In manchen Küstenstaaten erreicht die auf Aquakultur basierende Fischproduktion mengenmäßig mittlerweile ein der traditionellen Fischerei vergleichbares Niveau. So wurden 1997 im räumlichen Geltungsbereich des OSPAR-Ü 1,1 Mio. t Fisch und Schalentiere erzeugt, wobei Norwegen den höchsten Anteil dieser Menge produzierte (34%), gefolgt von Frankreich und Spanien (jeweils 18%) sowie England und den Niederlanden73. Auf Fischzucht spezialisiert haben sich Irland, Norwegen, Schottland. Diese Staaten züchten primär Lachs und Regenbogenforelle, daneben Heilbutt, Steinbutt, Kabeljau, Seebarsch, Aal. Muscheln werden im Vereinigten Königreich, den Niederlanden, Frankreich, Spanien, Portugal und Norwegen gezüchtet, darunter Miesmuscheln, Austern, Jakobsmuscheln und Venusmuscheln. Wesentlicher Vorteil der Aquakultur gegenüber Landwirtschaft ist die bessere Futterverwertung der wasserbewohnenden Fauna: Im Unterschied zu (warmblütigen) Landtieren benötigen Fische und Schalentiere keinerlei Energie zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur. Aquakultur ermöglicht daneben eine gezielt steuerbare Versorgung der Tiere. Wissenschaftliche Studien legen die Annahme nahe, dass der Preis für Meeresfrüchte durch Aquakultur langfristig gesenkt werden könnte. Über den Zustand der Meeresumwelt der an die Zuchtgebiete angrenzenden Gewässer lässt sich freilich kein ähnlich positives Zeugnis ausstellen. Die Zuführung von Nährstoffen zwecks Wachstumsbeschleunigung begünstigt vielmehr die Eutrophierung des Meerwassers74, mit subregionalen Folgen, weil die Zuchtgebiete vorwiegend in strömungsarmen Küstengewässern angelegt wurden. Die Nährstoffanreicherung führt zu Sedimentveränderungen und -überwucherungen mit opportunistischen Arten. Des weiteren werden bei der Fischzucht Impfstoffe, Antibiotika sowie – vor allem in der Lachsproduktion – Chemikalien zur Parasitenbekämpfung verwendet. Diese Stoffe gefährden die marine Meeresflora- und fauna, indem sie deren Abwehrkräfte im Wege eines Gewöhnungsprozesses mittelbar schwächen. Langfristig betrachtet können Impfstoffe die Hormonsysteme der Meereslebewesen auch unmittelbar schädigen75. Bei der Produktion von Schalentieren ist im Übrigen an Risiken einer Krankheitsübertragung von „importierten“ Spezies auf die ursprünglich ansässigen Arten zu denken76. rung, Modernisierung und Entwicklung der Fischwirtschaft und zur Entwicklung der Aquakultur: ABl. EG 1983, Nr. L 290, S. 1 ff. 72 Graf Vitzthum, EA 31 (1976), S. 129 ff., das. bezogen auf den Meeresbodenbergbau. 73 Quelle aller Daten: OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, S. 25 f. 74 Näher zu diesem Prozess siehe u. Kapitel 3, II. 1. a). 75 Siehe die Beschreibung solcher Störungen in Kapitel 3, II. 1. c).
Kap. 2: Die Nutzung – Arten, Konflikte, Tendenzen
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Von diesen Aspekten abgesehen bringt die Aquakultur offenbar auch nicht die erhoffte Erholung der Fischbestände mit sich. Was auf den ersten Blick überrascht, erklären die Ernährungsgewohnheiten der vorwiegend gezüchteten Arten Lachs und Shrimps. Beide Spezies benötigen für ihr Wachstum tierische Proteine, die in Form von Fischmehl und -öl, seinerseits im Wege der Industriefischerei produziert, zugeführt werden. Letztlich verbraucht so jedes produzierte Kilo Zuchtfisch rd. zwei Kilo herkömmlich gefischten Wildfisch77. Unter umweltpolitischen Gesichtspunkten lässt dieser Umstand das Vorhaben, den Hunger der wachsenden Erdbevölkerung mit Hilfe der Aquakultur zu stillen – erinnert sei an die Hoffnungen der Weltbank auf eine „blaue Revolution“ –, fragwürdig erscheinen. Eine Alternative ist die nachhaltige Aquakultur, bei der weniger Fische pro Kulturfläche gezüchtet werden. Für die Fische bedeutet dies weniger Stress und Krankheiten, die Zuführung von Antibiotika kann gedrosselt werden. Um zugleich den Bedarf industriell gefangenen Fisches zu senken, darf im Rahmen nachhaltiger Aquakultur nur Fischmehl verfüttert werden, das ausschließlich aus Verarbeitungsresten von Speisefischen besteht.
5. Marine Rohstoffgewinnung Der Nordostatlantik wird schließlich zum Abbau mariner Rohstoffe genutzt. Gewonnen werden Kohlenwasserstoffe, insbesondere Erdöl und Erdgas, außerdem Kies und Sand. Der im Rahmen der Aushandlung des SRÜ besonders umstrittene78 Meeresbodenbergbau – es geht um die Erschließung der auf dem Meeresboden lagernden Manganknollenvorkommen – ist mangels hinreichend effizienter Abbautechniken nach wie vor nicht wettbewerbsfähig. Die Gewinnung von Manganknollen wird erst dann auf die Tagesordnung gelangen, wenn sich die Rohstoffpreise, genauer: Nickelpreise79, verdoppeln und die Abbautechniken ökonomischer arbeiten80. 76
In Irland breitete sich eine Austernpest aus, die offenbar durch den illegalen Import von nordfranzösischen Austern hervorgerufen wurde. 80% der heimischen Austern fielen der Krankheit zum Opfer; siehe OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, Region III, S. 90. Zur weltweiten Ausbreitung der Schildkrötenkrankheit Fibropapillomatose durch gezüchtete Meeresschildkröten siehe Davidson, F.A.S. v. 24. 8. 2003, S. 52 f. 77 GEO 4/2001, S. 211 (214); The Economist 368 (2003), No. 8336 (August 9th), S. 19 (21), das. auch die Vorteile der Aquakultur auflistend. 78 Dazu Graf Vitzthum, ZaöRV 38 (1978), S. 745 ff.; Churchill/Lowe (Fn. 65), S. 224 ff. 79 Das primäre Wertmetall der Manganknollen ist Nickel. Sie enthalten außerdem Kupfer, Kobalt und Titan. 80 Jenisch, Jahrbuch Internationale Politik 1997/1998, S. 364 (366). Schätzungen aus dem vorherigen Jahrzehnt erwarteten eine wirtschaftliche Förderung der Manganknollen nicht vor 2005; siehe etwa Lagoni, Das Seerecht zu Beginn der neunziger Jahre, in: Seerechtliche Gespräche in der Vertretung der Freien und Hansestadt Hamburg beim Bund, 1990, S. 7 (17, Endnote 64). Aus heutiger Sicht erscheint diese Prognose verfrüht. In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts hielt man angesichts der angespannten (Welt-) Versorgungslage auf dem betroffenen Metallsektor
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1. Teil: Der Nordostatlantik – Raum, Nutzung, Verschmutzung
Die überaus ertragreiche Gewinnung von Erdöl und Erdgas ist eine Meeresnutzung, die den Meeresboden – Grundlage pflanzlichen und tierischen Lebens – zwar weder unmittelbar noch langzeitig beansprucht81, jedoch in stofflicher Hinsicht Umweltrisiken begründet82. Bohraktivitäten werden sowohl in Nordsee wie Nordostatlantik vorgenommen, unter anderem vor der norwegischen Küste, in der Irischen See sowie im Gebiet nördlich der spanischen Atlantikküste. Im räumlichen Geltungsbereich des OSPAR-Ü wurden bislang 800 Offshore-Plattformen errichtet83, deren Fördervolumen im Jahre 1998 mehr als 170 Billionen m3 Erdgas und 320 Mio. t Erdöl betrug, Tendenz steigend. Im Unterschied zur Kohlenwasserstoffgewinnung zeichnet sich die marine Sand- und Kiesgewinnung durch ihre so unmittelbare wie langzeitige Einwirkung auf den Meeresboden aus, da dieser selbst Gegenstand der Produktion ist. Manche Küstenstaaten beziehen bis zu 15% der zu Konstruktionszwecken und Strandauffüllungen benötigten Sand- und Kiesmenge aus dem Meer; im Jahresdurchschnitt wurden in den OSPAR-Vertragsstaaten mehr als 40 Mio. m3 gefördert84. Der Schutz des Meeresbodenlebens vor dieser Abtragung ist – trotz des langzeitigen Schädigungseffekts – völkerrechtlich bislang nur bruchstückartig normiert. Gemäß Art. 1 lit. j OSPAR-Ü ist der Sand- und Kiesabbau jedenfalls keine „Offshore-Aktivität“. Daher könnte die Öffnungsklausel Art. 7 OSPAR-Ü künftig in diesem Zusammenhang Relevanz entfalten85. Kapitel 3
Die Verschmutzung – Begriffe, Arten, Stoffe Die Gefährdungen und Beeinträchtigungen der Meeresumwelt stehen den soeben beschriebenen Nutzungsarten spiegelbildlich gegenüber: Sie sind die sowie der damals verbreiteten „autarkiepolitischen Erwägungen“ der Staaten den Termin 1980 für realistisch. Dazu Graf Vitzthum (Fn. 2), S. 84. 81 Dafür aber mittelbar: Die auf Infraschalltechnik beruhende Suche nach Ölund Erdgasvorkommen beeinträchtigt höchstwahrscheinlich die ebenfalls mittels Infraschall vonstatten gehende Kommunikation vieler Meeressäuger. Siehe auch schon o. Fn. 47. – Zwischen dem Abbau von Ressourcen, die zugleich Grundlage schützenswerten Lebens sind, und mariner Rohstoffgewinnung ohne langzeitige Beanspruchung des Meeresbodens unterscheidet Czybulka, Probleme des küstennahen marinen Bergbaus aus naturschutzrechtlicher Sicht, Deutsche Hydrographische Zeitschrift, Supplement 8 (1998), S. 155. 82 Dazu siehe Kapitel 3, II. 3. 83 OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, S. 89. 84 Ebd., S. 27 f. 85 Zu weiteren völkerrechtlichen Instrumenten vgl. die Übersicht bei Czybulka (Fn. 81), S. 158 f.
Kap. 3: Die Verschmutzung – Begriffe, Arten, Stoffe
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unmittelbaren Quellen der Meeresverschmutzung. Diesbezüglich wird herkömmlicherweise zwischen diffusen, d. h. indirekten Quellen einerseits und punktförmigen, also direkten Quellen andererseits unterschieden. Während bei diesen die Herkunft der Meeresverschmutzung eindeutig und punktuell feststellbar ist, zeichnen sich jene dadurch aus, dass die Verschmutzungen das Meer über bestimmte Transportmedien, etwa die Atmosphäre oder Flüsse, erreichen. Dem Meeresschutz wird mit der Unterscheidung nach Quellen indes weder faktisch noch normativ aufgeholfen. Art. 1 lit. e OSPAR-Ü fasst die Verschmutzung aus diffusen Quellen und die aus Punktquellen denn auch unter dem Gesichtspunkt der Verschmutzung vom Lande aus zusammen und verdeutlicht insofern beispielhaft, dass es nicht auf die Verschmutzungsquellen ankommt, sondern vielmehr auf die Verschmutzungsarten bzw. -kategorien. Wie aber unterscheiden sich Verschmutzungsarten von Verschmutzungsquellen? Und was bedeutet der Begriff „Verschmutzung“? Angesichts bestehender terminologischer Unsicherheiten wird das der Verschmutzung des Nordostatlantiks gewidmete Kapitel mit entsprechenden Begriffsdefinitionen eingeleitet (I), bevor anschließend die chemischen und biochemischen Auswirkungen der in das Wasser eingebrachten Stoffe und Energie anhand der Verschmutzungsarten untersucht werden (II). I. Begriffe Geeigneter Ansatzpunkt einer Verschmutzungsdefinition ist Art. 1 lit. d OSPAR-Ü, wonach unter „Verschmutzung“ „die unmittelbare oder mittelbare Zuführung von Stoffen oder Energie in das Meeresgebiet durch den Menschen, aus der sich eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit, eine Schädigung der lebenden Ressourcen und der Meeresökosysteme, eine Beeinträchtigung der Annehmlichkeiten der Umwelt oder eine Behinderung der sonstigen rechtmäßigen Nutzungen des Meeres ergeben oder ergeben können“86,
zu verstehen ist. Dieser Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass er – im Unterschied etwa zum Definitionsvorschlag der „Joint Group of Experts on the Scientific Aspects of Marine Environmental Protection“ (GESAMP)87 86 Vgl. die anderslautende Übersetzung in ABl. EG 1998, Nr. L 104, S. 1 ff., die der englischen (verbindlichen) Fassung freilich weniger gerecht wird: „[. . .] die unmittelbare oder mittelbare Zuführung von Stoffen oder Energie in das Meeresgebiet durch den Menschen, aus der sich eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit, eine Schädigung der lebenden Ressourcen und der Meeresökosysteme, Beeinträchtigungen der allgemeinen und verträglichen Nutzung des Meeres oder eine Behinderung anderer rechtmäßiger Nutzungen des Meeres ergeben oder ergeben könnten.“ 87 GESAMP ist ein im Jahre 1969 von verschiedenen UN-Sonderorganisationen (ursprünglich: International Maritime Organization [IMO]; Food and Agriculture Or-
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1. Teil: Der Nordostatlantik – Raum, Nutzung, Verschmutzung
sowie zu Art. 1 Abs. 1 Paris-Ü88, indes, trotz kleinerer redaktioneller Abweichungen, in Übereinstimmung zu Art. 1 Abs. 1 Nr. 4 SRÜ89 – nicht nur auf bereits eingetretene, sondern auch und gerade auf potentielle Folgen der Stoff- bzw. Energiezuführung in das Meeresgebiet abstellt. Dabei geben sowohl der – nicht verbindliche – deutsche Wortlaut („[. . .] ergeben können“) und die – verbindliche – französische Version („[. . .] susceptibles des créer [. . .]“), anders als die (ebenfalls verbindliche) englischen Fassung („[. . .] is likely to result [. . .]“), Anlass zu einer extensiven Auslegung dieses Möglichkeitsmoments. Das OSPAR-Ü berücksichtigt demnach offenbar bereits auf Ebene der Definitionen das Vorsorgeprinzip, das sowohl im Rahmen des marinen Umweltschutzes – das unterstreicht etwa die Präambel des OSPAR-Ü (Abs. 13: „[. . .] das Vorsorgeprinzip berücksichtigt [. . .]“) – wie auf der intermedialen, allgemein-umweltvölkerrechtlichen Ebene von großer Bedeutung ist90. Wie weiterhin der Reihenfolge der in Art. 1 lit. d OSPAR-Ü genannten Schutzgüter entnommen werden kann, betont die Verschmutzungsdefinition nicht nur nutzungsrechtliche Aspekte, u. a. die touristische Nutzung („Annehmlichkeiten der Umwelt“), sondern im Sinne einer umfassenden, ganzheitlichen Betrachtungsweise auch den Schutz der Meeresökosysteme an sich. Ob das Festhalten am Erfordernis einer Stoff- bzw. Energiezuführung eine Limitierung des sachlichen Geltungsbereichs des OSPAR-Ü bedeutet91, mag an dieser Stelle dahinstehen. „Zuführung“ setzt jedenfalls weder ein Verschuldenselement noch ein Unmittelbarkeitselement voraus, zumal Art. 1 lit. d OSPAR-Ü atmosphärische Einträge ausdrücklich einbezieht. Meeresverschmutzung, die nicht unter ein solchermaßen weit verstandenes Zuführungserfordernis gefasst werden kann, ist letztlich kaum vorstellbar92.
ganization of the United Nations [FAO]; United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization [UNESCO]; World Meteorological Organization [WMO]. Später „Beitritt“ von UN; World Health Organization [WHO]; International Atomic Energy Agency [IAEA]; United Nations Environment Programme [UNEP]) gegründetes Spezialistengremium. Vgl. dazu Khalimonov, OCM 29 (1995), S. 297 ff. 88 Siehe die in Fn. 4 genannte Fundstelle. 89 Insoweit unrichtig Hilf, ZaöRV 55 (1995), S. 580 (585): „Unlike the definition of pollution in [. . .] Art. 1 para. 4 of the UN Convention of the Law of the Sea, the Contracting Parties incorporated a precautionary element by adding the words “. 90 Näher zum Vorsorgeprinzip siehe u. Zweiter Teil, Kapitel 1, I. 1. 91 So Hilf (Fn. 89); Hey/IJlstra/Nollkaemper, IJMCL 8 (1993), S. 1 (8). – Die noch nicht in Kraft getretene Convention on the Law of the Non-Navigational Uses of International Watercourses (abrufbar unter www.un.org/law/ilc/texts/nnavfra. htm) nimmt in Art. 21 Abs. 2 nicht mehr Bezug auf ein Zuführungserfordernis, sondern ist ausschließlich ergebnisorientiert. 92 Zu nicht-stofflichen Einwirkungen vgl. etwa Stoll, NuR 21 (1999), S. 666 (670 ff.).
Kap. 3: Die Verschmutzung – Begriffe, Arten, Stoffe
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Aus jener Verschmutzungsdefinition ergibt sich weiterhin, dass die sich aus dem Überfischungstatbestand ergebenden Gefahren für die lebenden Meeresressourcen93 nicht vom sachlichen Geltungsbereich des OSPAR-Ü erfasst werden94; das Übereinkommen ist dem Meeresumweltschutz im engeren Sinne gewidmet. Wie bereits einführend hervorgehoben, nehmen die in das Meer eingebrachten Stoffe aber ebenfalls Einfluss auf Größe und Vielfalt von Fisch- und Artenpopulationen. Es entspricht dem vorliegender Untersuchung zu Grunde liegenden Ansatz, dass die Auswirkungen der eingebrachten Stoffe und Energie auf die marine Flora und Fauna im Rahmen der nachfolgenden, auf die faktischen Zustände bezogenen Analyse der Verschmutzung des Nordostatlantiks berücksichtigt werden. Bei alledem kann und muss „Zuführung von Stoffen und Energie“ im Sinne von Art. 1 lit. d OSPAR-Ü näher kategorisiert werden. Soweit Art. 7 OSPAR-Ü auf die „Verschmutzung aus anderen Quellen“ verweist, ergibt sich aus der Systematik des Übereinkommens, dass jene „anderen Quellen“ solche sind, die nicht schon von den Art. 3–5 OSPAR-Ü (Verschmutzung vom Lande aus; Verschmutzung durch Einbringen oder Verbrennen; Verschmutzung durch Offshore-Quellen) erfasst werden. Bei näherer Betrachtung ist die Frage nach den Verschmutzungsquellen freilich diejenige nach Ursprung und Herkunft der Verschmutzung, letztlich also die nach den Meeresnutzungen. Begrifflich ist der Verweis von Art. 7 OSPAR-Ü auf Art. 3 ff. OSPAR-Ü insofern ungenau. So besagt etwa die Kategorisierung einer Meeresverschmutzung als „Einbringen“ bzw. „Verbrennen“ noch nichts über die genaue Herkunft dieser Verschmutzung, und ebensowenig ist die den Gegenstand von Art. 3 OSPAR-Ü bildende Verschmutzung vom Lande aus im Wortsinne gleichsam konkreter Ursprung der Meeresverschmutzung. Die vom Übereinkommen in den Art. 3–5 gebildeten Kategorien lassen sich demnach mit Oberbegriffen überschreiben, die jeweils verschiedene Verschmutzungsquellen (im engeren Sinne) zusammenfassen, wie auch die englische Fassung von Art. 3 OSPAR-Ü unterstreicht („pollution from land-based sources“). Mithin ist es missverständlich, wenn im einschlägigen Schrifttum die in den Abkommen zum Schutz der Meeresumwelt enthaltenen Verschmutzungskategorien (Beispiele: Art. 3–5 OSPAR-Ü, Art. 207 ff. SRÜ) als „Verschmutzungsquellen“ bezeichnet 95 bzw. Ausmaß 93 In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass „Ressource“ nicht ohne Grund ein primär ökonomischer Begriff ist, der den zwischen Nutzung und Umweltschutz bestehenden Zusammenhang unterstreicht. 94 Siehe auch Abs. 12 Präambel OSPAR-Ü: „In der Erkenntnis, dass Fragen der Fischereiwirtschaft in angemessener Weise im Rahmen internationaler und regionaler Übereinkünfte geregelt sind, die sich eigens mit diesen Fragen befassen“ (Hervorhebung im Original).
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1. Teil: Der Nordostatlantik – Raum, Nutzung, Verschmutzung
und Vielfalt der Stoffeinträge unter diese Überschrift subsumiert werden. Vorzugswürdig erscheint die Bezeichnung „Verschmutzungsarten“96. Diese können zwar nicht anhand von Stoffgruppen unterschieden werden; manche Stoffe gelangen etwa sowohl vom Lande aus als auch über OffshoreQuellen in die Meeresumwelt. Durch ihren zusammenfassenden Charakter ermöglicht die Bezeichnung aber, dass räumlichen Gesichtspunkten („vom Lande aus“) einerseits und praktischen Gesichtspunkten andererseits in einem ausgewogenen Verhältnis Rechnung getragen werden kann, zumal sich, wie gezeigt, offenbar auch die normative Ebene nach diesen Gesichtspunkten ausrichtet97. II. Verschmutzungsarten und Stoffe 1. Verschmutzung vom Lande aus Die Verschmutzung vom Lande aus ist mit rd. 70% die anteilig schwerwiegendste Verschmutzungsart98. Sie fasst primär Verschmutzungsquellen zusammen, die räumlich nicht genau zugeordnet werden können, die also eine diffuse, d. h. indirekte Meeresverschmutzung bewirken. a) Pflanzennährstoffe Die vor allem von Industrie und Landwirtschaft als Abwässer in das Meer eingeleiteten Pflanzennährstoffe – vorherrschend sind Stickstoff, Phosphor, Kieselerde und Spurenelemente – können eine Eutrophierung99, d. h. Nährstoffanreicherung des Wassers hervorrufen. Eine solche Anreicherung kann zwar auch aus natürlichen Faktoren resultieren, etwa aus Lichteinstrahlung und Wassertemperatur. Wird die natürliche Nährstoffproduktion jedoch überschritten, führt dies in der Regel zu massiver Algenblüte, 95 So aber Zoller (Fn. 16), S. 38 f.; Cron (Fn. 5), S. 40 f.; Posselt, Umweltschutz in umschlossenen und halbumschlossenen Meeren, 1995, S. 176. Ungenau auch Salmon, EPIL III (1997), S. 289. 96 Diese Bezeichnung wird etwa verwendet von Lagoni, Das OSPAR-Übereinkommen von 1992 und der Schutz der Nordsee: Einwirkungen auf das deutsche Umweltrecht, in: Koch/Lagoni (Hrsg.), Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee, 1996, S. 79 (85, Fn. 19); Schütte, Der Schutz des Wattenmeeres, 2001, S. 105. 97 So waren etwa die durch das OSPAR-Ü zusammengeführten Paris-Ü und Oslo-Ü jeweils sachlich auf eine Verschmutzungsart (Meeresverschmutzung vom Lande aus; Meeresverschmutzung durch Einbringen) begrenzt. 98 Siehe Kapitel 17.18 der Agenda 21: UN Doc. A/CONF. 151/26. 99 Begrifflichkeit stammt ab von eutroph, griech. für nährstoffreich. Zu diesem Prozess näher Asmus, Eutrophierung und Sauerstoffzehrung, in: Gelpke (Hrsg.), Unendliches Meer, 1992, S. 38 ff.
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wodurch der Sauerstoffgehalt des Wassers absinkt und Schwefelwasserstoffe produziert werden. Letztere sind für viele Meereslebewesen giftig und können Artensterben auslösen. Die Schwellenkonzentration der Nährstoffe, ab deren Überschreiten jener Prozess einsetzt, hängt im Einzelnen von der Topographie und den physikalischen und chemischen Eigenschaften des betroffenen Meeresgebiets ab100. „Handlungsorte“ der Eutrophierung sind ausschließlich Küstengewässer, Buchten, Flussdeltas, „Erfolgsorte“ hingegen auch die Meeresökosysteme anderer, über diese Zonen hinausreichender Gebiete. Eutrophierung ist demnach ein raumübergreifender Prozess. Das vorliegend interessierende Meeresgebiet weist schwankende Nährstoffwerte auf. Zwar wurde die französische Atlantikküste in den Jahren 1983–1995 von schweren Eutrophierungserscheinungen heimgesucht, die sich im Wachstum toxischer Algen und in der Entwicklung großer Grünalgenteppiche äußerten, und noch heute ist überdies eine erhöhte Nährstoffanreicherung der Irischen See feststellbar. Von diesen Subregionen abgesehen können allerdings weder fallende noch steigende Tendenzen prognostiziert werden. Die im Rahmen des OSPAR-Ü geschaffene „Common Procedure for the Identification of the Eutrophication Status of the Maritime Area“ soll hier Abhilfe schaffen101. b) Schwermetalle „Schwermetall“ ist ein Oberbegriff für Metalle und Halbmetalle mit einer Dichte von mehr als 6 g/cm3 102. Er wird für die Elemente Arsen, Cadmium, Chrom, Kupfer, Quecksilber, Nickel, Blei und Zink verwendet, Elemente also, die häufig in einem Zusammenhang mit Verschmutzungs- und Toxizitätsproblemen stehen. Viele Meeresorganismen können sich zwar an veränderte Schwermetallkonzentrationen anpassen; sind die Elemente jedoch erst einmal in die Nahrungskette gelangt, stellen sie für die betroffenen Arten eine erhebliche Gefahr dar: Akkumulation durch längeranhaltenden Überschuss wirkt toxisch und führt im Extremfall zum Tod. Beispielhaft sei erwähnt, dass in der Nähe englischer Häfen vor einigen Jahren Austern mit Anzeichen von Wachstumsanomalien, die auf Schwermetalleinleitungen zurückzuführen waren, entdeckt wurden103. Inzwischen unter100 European Environment Agency (Hrsg.), Die Umwelt in Europa: Der zweite Lagebericht, 1998, Kapitel 10, Meeres- und Küstenumwelt, ohne Seitenangabe: http://reports.eea.eu.int/92-828-3351-8/de/10de.pdf. 101 Dazu näher siehe u. Zweiter Teil, Kapitel 3, I. 3. a). 102 Alloway/Ayres/Förstner, Schadstoffe in der Umwelt, 1996, S. 165. 103 European Environment Agency (Hrsg.), Die Umwelt in Europa: Der zweite Lagebericht, 1998, Kapitel 6, Chemische Stoffe, ohne Seitenangabe: http://reports. eea.eu.int/92-828-3351-8/de/6de.pdf.
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scheiden sich küstennah ansässige Muscheln und Fische hinsichtlich der Schwermetallbelastungen kaum mehr von Artgenossen, die fern der Schadstoffquellen leben. Freilich ergab eine Messung der Quecksilberbelastung – aufgrund seiner hohen Toxizität ein besonders problematisches Schwermetall – an der spanischen Atlantikküste kürzlich einen Konzentrationswert von 120 mg pro kg Feuchtgutmasse104, ein Wert, der jedenfalls subregional weitere Beobachtung erforderlich macht. c) Persistente Organische Schadstoffe Unter persistenten, schwer abbaubaren organischen Schadstoffen (POP) sind Stoffe zu verstehen, die aufgrund ihrer Toxizität, biologischen Verfügbarkeit und langen Verweildauer in der Umwelt problematisch sind. Manche POP sind unerwünschte Nebenprodukte der Industrie, andere werden eigens produziert, etwa für die Schädlingsbekämpfung oder industrielle Zwecke. Heute sind einige hundert verschiedene Stoffkombinationen bekannt. Die besonders gefährlichen polychlorierten Biphenyle (PCB) sind unter anderem in Druck- und Anstrichfarben enthalten und werden als Weichmacher bei der Kunststoffproduktion und als Isolationsflüssigkeiten in Trafos, Kondensatoren und Kabeln verwendet105. Ebenso wie die ähnlich wirkende, als Holz- und Lederschutzmittel verwendete Verbindung Pentachlorphenol (PCP) wurden die PCB in Europa schon vor mehreren Jahren vollständig vom Markt genommen. Von anderen Schadstoffen unterscheiden sich POP durch ihre bereits in geringen Dosen einsetzende Wirkung auf das Hormonsystem von Lebewesen. Sie werden daher auch als hormonelle Schadstoffe bezeichnet. Da das Hormonsystem eine Vielzahl körperlicher Funktionen (Ernährung, Stoffwechsel, Kreislauf, Wachstum, Fortpflanzungsfähigkeit) steuert, hat seine Störung schwerwiegende Folgen. So können hormonelle Schadstoffe wie Hormonblocker wirken bzw. körpereigene Hormone nachahmen und dann über Rezeptorbindung zu nachteiligen Reaktionen führen106, bei Fischen etwa zu Immunschwächen und Zwittrigkeit, bei Meeressäugern zu Skelettdeformationen, Unfruchtbarkeit und Schäden an Fortpflanzungsorganen. Im Nordostatlantik konnte letzteres an Uterusverengungen und Skelettdeformationen bei Kegelrobben und Walen beobachtet werden107. Inzwischen sprechen zwar viele Anzeichen für abnehmende POP-Freisetzungen. Gleich104
European Environment Agency (Fn. 100). Alloway/Ayres/Förstner (Fn. 102), S. 244; European Environment Agency (Fn. 103). 106 Vgl. dazu Cameron, Deutsche Hydrographische Zeitschrift, Supplement 8 (1998), S. 65 (66). 107 European Environment Agency (Fn. 103). 105
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wohl sind im Nordostatlantik und nicht zuletzt auch im EG-Meer immer noch Rückstände feststellbar, was die lange Verweildauer der Stoffe in der Meeresumwelt belegt und weitere Beobachtungen erforderlich macht. d) Öl Die Ölverschmutzung des Meeres ist nicht nur eine Folge von Tankerunglücken. Das meiste Öl gelangt vielmehr über landbürtige Abflüsse und Einleitungen in die See. Der diesbezügliche Anteil der im Jahre 1982 in das Meer eingebrachten 3,1 Mio. t Erdöl betrug immerhin 45%108, heute wird von einem weitaus größeren Anteil ausgegangen. Für die Meeresumwelt ist Öl aufgrund der in ihm enthaltenen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) gefährlich. PAK sind in Wasser nur schwer löslich, zudem leicht entflammbar. Zwar werden Kohlenwasserstoffe auch von Meereslebewesen produziert und verbraucht, weshalb stets eine natürliche Konzentration vorhanden ist109. In größeren Konzentrationen werden PAK indes unter Mithilfe der UV-Strahlung oxidiert und dann mikrobiell zersetzt. Es entstehen toxische Stoffe, sog. Metabolite, die das Ökosystem des Meeresbodens sowie Vogel-, Schildkröten- und Meeressäugerpopulationen, in geringerem Maße auch die Fischbestände, gefährden110. Je nach Konzentration können Metabolite unter anderem Haut- und Leberkrebs verursachen. Die konkreten Auswirkungen des in die Meeresumwelt eingeleiteten Öls hängen freilich von so unterschiedlichen Faktoren wie Dichte und Menge des Öls, Gezeiten, Wellen, Temperatur, Windverhältnisse111 sowie Verdunstungs- bzw. Emulgierungsgschwindigkeit112 ab; erwiesen ist zudem, dass in die Meeresumwelt eingebrachtes Öl von mehr als 25 Meeresbakterienarten abgebaut wird. Exakte Messdaten sind deshalb oftmals Mangelware, auch und gerade im „offenen“ Nordostatlantik. Mit Blick auf die „geschlossene“ Nordsee wird vermutet, dass jährlich rd. 130.000 t Öl eingeleitet werden113. 108 Alloway/Ayres/Förstner (Fn. 102), S. 4. Vgl. auch GESAMP (Hrsg.), Reports and Studies No. 50, Impact of Oil and Related Chemicals and Wastes on the Marine Environment, 1993 [im Folgenden: GESAMP Report No. 50], S. 4: „There is increasing evidence that the input of oil from land-based sources has so far been underestimated [. . .].“ 109 Bis zu 15% der jährlich in die Weltmeere eingebrachten Ölmenge dürften etwa auf natürlicher Versickerung beruhen; vgl. GESAMP Report No. 50, S. 4. 110 Zu den Auswirkungen auf die Meeresökosysteme näher Piker, Die letzte Ölung unserer Meere, in: Gelpke (Hrsg.), Un-endliches Meer, 1992, S. 68 (78 ff.). 111 Zu diesen Faktoren OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, S. 11 ff.; F.A.Z. v. 21. 11. 2002, S. 9. 112 Alloway/Ayres/Förstner (Fn. 102), S. 5. Vgl. auch die Auflistung in GESAMP Report No. 50, S. 44 ff.
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e) Radionuklide Die Wiederaufarbeitungsanlagen von La Hague (Frankreich) und Sellafield (Vereinigtes Königreich) leiten die im Rahmen der Produktion entstehenden Abprodukte in den Nordostatlantik ein. Trotz diverser Reinigungsmaßnahmen sind in diesen Abprodukten Radionuklide enthalten, die sich in der Nahrungskette anreichern, fortsetzen und so letztlich auch114 menschliches Leben gefährden. Die genauen Auswirkungen unterscheiden sich je nach Element außerordentlich: Manche Elemente dringen in die Nervenbahnen ein, andere schädigen Muskeln und Organe. Der Reaktorunfall von Windscale (heute Sellafield) führte etwa zu einer radioaktiven Verseuchung der in der Irischen See lebenden Fische durch das Radionuklid Caesium37115 mit 10 pCi/g Fisch – dem 100fachen Normalwert. Seither hat sich das Sediment der Irischen See weiter radioaktiv angereichert; es steht zu vermuten, dass dort insgesamt 200 kg Plutonium ruhen116. Die Einleitungen aus der Anlage Sellafield wurden zwischenzeitlich zwar erheblich reduziert. Anlässlich der Inbetriebnahme neuer Anlagenteile im Jahre 1994 genehmigten die zuständigen Behörden jedoch Ausnahmen für bestimmte Radionuklide, u. a. für das Radionuklid 99Tc mit einer Halbwertzeit von 213.000 Jahren, das sich außerordentlich stark in Hummer und Tang akkumuliert. Auch andere Gegenden des Nordostatlantiks sind noch immer mehr oder weniger stark kontaminiert, weil sich die in La Hague eingeleiteten Radionuklide über Meeresströmungen im gesamten Gebiet ausbreiten und etwa nach 7–9 Jahren die Küsten Islands und Grönlands erreichen117. Dies hat zu erheblicher Sensibilisierung der betroffenen Bevölkerungen geführt. Als Großbritannien im Oktober 2001 die Inbetriebnahme eines weiteren Anlageteils – des sog. MOX Plant – genehmigte, beantragte Irland als unmittelbar betroffener Meeresanlieger die Anordnung vorläufiger Maßnahmen durch den Internationalen Seegerichtshof (ISGH) in Hamburg118. Kürzlich wurde 113
GESAMP Report No. 50, S. 27. Früher wurde ausschließlich der menschliche Organismus als vor radioaktiver Verseuchung zu schützendes Gut anerkannt; die Meeresfauna und -flora wurde demgegenüber nicht einmal als Maßstab herangezogen. Vgl. OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, S. 82 f. 115 Zu den Folgen von Radionuklid-Emissionen näher Alloway/Ayres/Förstner (Fn. 102), S. 194 f. 116 Vgl. Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie (BSH), FS Gauss untersucht Radioaktivität in der Irischen See und Nordsee: www.bsh.de/Allgemeininfos/ Pressemitteilungen/42-1999.html. Siehe auch The MOX Plant (Ireland v. United Kingdom), Request for Provisional Measures and Statement of Case of Ireland, 6 ff.: http://www.itlos.org/case_documents/2001/document_en_191.pdf. 117 Vgl. auch European Environment Agency (Hrsg.), Environment in the European Union at the Turn of the Century, 1999, Chapter 3.14, Coastal and Marine Zones, S. 12: http://reports.eea.eu.int/92-9157-202-0/en/page314.html. 114
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der letzte Reaktorblock in Sellafield – mit 47 Betriebsjahren der älteste Reaktor der Welt – abgeschaltet119. 2. Verschmutzung durch Einbringen oder Verbrennen 80–90% aller vorsätzlich in das Meer eingebrachten Stoffe sind Baggergute und inerte Stoffe120 natürlichen Ursprungs, insgesamt mehrere hundert Mio. t pro Jahr121, davon etwa 10% mit toxischen Stoffen und Pestiziden kontaminiert. Von Schiffen aus werden zudem Abfälle in den Nordostatlantik eingebracht, die in der Regel aus nicht-abbaubarem Plastik bestehen. Solche Abfälle gefährden Seevögel – sie können sich in Plastikplanen verfangen und ertrinken – und Meeressäugetiere, die die Plastikteile verschlucken und an den daraus resultierenden Atemwegsblockaden zu verenden drohen. Schwimmende Abfälle sind im Übrigen Transportmedien für Bakterien, die in „artfremde“ Meeresgebiete versetzt werden. Weiterhin ist an das Einbringen radioaktiver Stoffe zu denken. Großbritannien hat im 170 m tiefen, im Ärmelkanal gelegenen Graben von Casquets in den Jahren 1950 bis 1963 mehr als 17.000 Fässer mit radioaktivem Müll versenkt, obwohl die See an dieser Stelle besonders reich an Schalentieren ist122. Auch sei an Pläne amerikanischer Forscher erinnert, nach welchen hochradioaktive Abfälle im Meeresgrund vergraben, die Ozeane also als Endlager genutzt werden sollen. Strahlender Abfall würde von Schiffen aus durch lange Rohre in die Tiefe rauschen oder in torpedoförmigen Behältern ins Meer geworfen, ohne genaue Plazierung und ohne Chance auf exakte Ortung123. Eine Zeitbombe im wahrsten Sinne des Wortes ist schließlich die während der beiden Weltkriege in den Nordostatlantik eingebrachte Munition. In Tiefen zwischen 500 und 4.500 m lagern dort zudem rd. 137.000 t chemischer Waffen. Auch die Seeschifffahrt spielt eine nicht unerhebliche Rolle. Da die Verschmutzungsart „Einbringen“ Vorsatz voraussetzt, können nur die von Tank- und Frachtschiffen verursachten Verschmutzungen berücksichtigt 118
Dazu siehe u. Zweiter Teil, Kapitel 3, I. 4. c). F.A.Z. v. 1. 4. 2003, S. 2. 120 Inerte Stoffe sind reaktionsträge Stoffe, die sich an gewissen chemischen Vorgängen nicht beteiligen (z. B. Edelgase). 121 Alleine im räumlichen Geltungsbereich des Oslo-Ü wurden in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts jährlich zwischen 60 und 100 Mio. t Baggergut in das Meer eingebracht. Vgl. Oslo and Paris Commissions (Hrsg.), Dumping and Incineration at Sea, 1992, S. 15. 122 Der Spiegel 45 (2000), S. 266. 123 Geo Wissen 24 (1999), Ozean und Tiefsee, S. 121 ff. m. w. N. 119
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werden, die beim Ablassen von Ladungsresten entstehen (sog. wilde Verklappung). In diesem Sinne war am Tag des Untergangs der Ievoli Sun ein Ölteppich vor der britischen Kanalinsel Guernsey entstanden, obwohl die Ievoli Sun gar kein Öl geladen hatte; offenbar hatten die Kapitäne anderer Schiffe die durch das Schiffsunglück verursachten Verschmutzungen zum Anlass genommen, die eigenen Tanks von Ölrückständen zu reinigen124. Während (unvorsätzlichen) Schiffsunfällen durch eine Verbesserung der Schiffbaumethoden – zu denken ist etwa an die Konstruktion von Doppelhüllen-Tankschiffen – vorgebeugt werden kann, ist wilder Verklappung kaum im Vorhinein beizukommen. So lassen sich außenbords mündende Abflussleitungen problemlos erst auf Hoher See einrichten. Mitunter werden die Schiffsbesatzungen von den Reedereien sogar vertraglich zur Verklappung von Ölschlämmen und Ladungsresten verpflichtet, obwohl in allen großen Seehäfen eine umweltgerechte Entsorgung in Abfangbecken möglich und, wie noch zu zeigen ist, rechtlich auch gefordert ist125. Die Kosten für eine Ölschlammentsorgung im Hafen übersteigen freilich zum Teil die im Falle des Entdeckt-Werdens erhobenen Strafgelder. Auch ist zu bedenken, dass in vielen Staaten das Prinzip der persönlichen Verantwortlichkeit gilt126, nach dem zwar die Schiffsbesatzungen (konkret: der zuständige Schiffsingenieur) für Verstöße gegen das Umweltrecht verantwortlich gemacht werden können, nicht aber die wirtschaftlich mächtigen Reedereien. Hier mögen die am 1. Januar 1998 in Kraft getretenen Änderungen des Internationalen Übereinkommens zum Schutz des menschlichen Lebens auf See vom 1. November 1974 (SOLAS)127 Abhilfe schaffen. Der in das Übereinkommen aufgenommene ISM-Code (Kapitel XI Anlage SOLAS) hat ein System kumulativer Verantwortlichkeit von Schiffsbesatzung und Reederei eingeführt, das gegenüber dem Flaggenstaat offengelegt und von ihm zertifiziert wird128. Faktische Aspekte dürften das Fehlen von Sanktionsmechanismen für den Fall der Nichteinhaltung relativieren. So werden Versicherungsagenturen kaum Versicherungsschutz für Schiffe gewähren, die nicht mit einem entsprechenden ISM-Zertifikat ausgestattet sind.
Die zweite Alternative vorliegender Verschmutzungsart ist die Verbrennung von Industrieabfällen auf Hoher See129. In der Vergangenheit wurden 124
F.A.Z. v. 6. 11. 2000. Dazu siehe u. Dritter Teil, Kapitel 3, III. 2. – Der von Kunig (NuR 8 [1986], S. 265 [266]) im Jahre 1986 angestellte Befund, „die technischen Voraussetzungen für eine reibungslose Abgabe der Ölrückstände [sind] an den allermeisten Häfen nicht ausreichend“, trifft heute nicht mehr zu. 126 Vgl. z. B. § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über das Verbot der Einbringung von Abfällen und anderen Stoffen und Gegenständen in die Hohe See (Hohe-SeeEinbringungsgesetz): BGBl. 1998 I, S. 2455 ff. 127 BGBl. 1979 II, S. 141 ff. 128 Näher dazu siehe u. Zweiter Teil, Kapitel 2, I. 1. b). 129 Nach dem Oslo-Ü war die Seeverbrennung von Abfällen keine eigenständige Verschmutzungsalternative, sondern „Einbringen“ im Sinne von Art. 19 Oslo-Ü. – Die zuständige Oslo-Kommission erlaubte im Jahre 1975 das Durchführen von Seeverbrennungen für Stoffe, bezüglich derer eine Entsorgung an Land nicht in Betracht kam. Verbrannt werden durfte ausschließlich in einem genau eingegrenzten 125
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vor allem Rückstände aus der Produktion halogenierter Kohlenwasserstoffe entsorgt. Deutschland hatte ursprünglich drei in der Nordsee operierende Verbrennungsschiffe betrieben, diese jedoch – wie alle anderen europäischen Staaten auch – im Jahre 1991, also 11 Monate vor dem im (rechtlich unverbindlichen) OSCOM-Beschluss 90/2 gesetzten Fristende130, außer Dienst gestellt. Die Verbrennungsalternative ist insofern ein seltenes Beispiel dafür, dass einer umweltpolitischen Erkenntnis bereits vor ihrer normativen Ausgestaltung entsprochen wurde. 3. Verschmutzung durch Offshore-Quellen Die Verschmutzung durch „Offshore-Quellen“ ist die Folge der Erdölund Erdgasausbeutung der küstenstaatlichen Festlandsockel. Von versehentlich austretendem Rohöl abgesehen wird bei solchen Offshore-Aktivitäten das zu Bohrzwecken benutzte Wasser in die See abgelassen. Außer Ölrückständen enthält dieses Wasser Rückstände sog. Offshore-Chemikalien, die zu Bohrzwecken eingesetzt werden131. Im Einzelnen handelt es sich um Bohrschlämme, Injektionschemikalien, Produktionschemikalien und Zementierungsmittel, allesamt hochgiftig für die Meeresumwelt, zumal sie durch Zusatz von Additiven, darunter auch Biozide, dem jeweiligen Einsatzzweck angepasst werden. Da sich Additive ihrerseits aus verschiedenen Chemikalien zusammensetzen – insgesamt sind mehr als 1.000 Stoffkombinationen denkbar132 – und Offshore-Chemikalien z. T. schon während des Bohrvorgangs in das Meer gelangen, ist eine Überprüfung der umweltschädigenden Relevanz besonders kompliziert. Aus diesem Grunde werden die unbekannten bzw. nicht messbaren „Stoffdaten“ durch Standardwerte ersetzt, die eine besonders umweltschädliche Wirkung der Stoffe simulieren – ein Verfahren, das sowohl Auskunft über die Gefährlichkeit der verwendeten Chemikalien als auch Anstöße zu stofflichen Alternativen gibt133. Die Entwicklung eines entsprechenden Messverfahrens war nach Art. 10 Anlage III OSPAR-Ü Aufgabe der OSPAR-Kommission, der im Jahre 1996 mit dem Verbrennungsgebiet in der Nordsee bzw. – in Notfällen – in einem „Fluchtgebiet“ vor der niederländischen Küste, jeweils auf speziellen Verbrennungsschiffen. Siehe Oslo and Paris Commissions (Fn. 121), S. 236 f. 130 Ebd., S. 238 ff. 131 Rüdel/Müller/Herrchen, Deutsche Hydrographische Zeitschrift, Supplement 8 (1998), S. 139. – Allein durch den Betrieb der Nordsee-Bohrinseln sollen jährlich etwa 17.000 t Rohöl und 100.000 t Chemikalien in das Meer gelangen. Vgl. Der Spiegel 51 (2002), S. 156 (158). 132 GESAMP Report No. 50, S. 106. 133 Zu einem solchen Bewertungsverfahren siehe Rüdel/Müller/Herrchen (Fn. 131), S. 140 ff.
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PARCOM-Beschluss 96/3, ersetzt durch den OSPAR-Beschluss 2000/2, nachgekommen wurde134. In der näheren Umgebung von Offshore-Gebieten wurden – vermutlich eine Folge jener Chemikalien – Veränderungen des Meeresbodenökosystems festgestellt. Die Artenquantität nahm um die Anlagen herum in einem Radius von 500 m bis 1.000 m ab; heimische Arten waren zum Teil von sog. opportunistischen Arten verdrängt worden, die den Meeresboden überwucherten. Manche Offshore-Gebiete wurden in einem Durchmesser von bis zu 24 km mit monozyklischen und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen kontaminiert135. Immerhin konnte die Menge des durch Offshore-Quellen eingebrachten Öls im OSPAR-Konventionsgebiet während der Jahre 1985–1997 um mehr als 60% – von 28.300 t auf 9.500 t – reduziert werden136. Seit dem 16. Januar 2001 ist auch das Ablassen biozid-verseuchter und bestimmter synthetisch-verseuchter Bohrschlämme verboten (vgl. OSPAR-Beschluss 2000/3), die für die beobachtete Artenverdrängung primär verantwortlich sind137. Bei alledem ist zu bedenken, dass sich in naher Zukunft eine derzeit noch nicht genau bestimmbare Anzahl der nordostatlantischen Öl- und Gasfelder erschöpfen wird, weshalb sich die Frage nach der Entsorgung ausgedienter Bohrplattformen stellt138. In faktischer Hinsicht sind Offshore-Anlagen mithin selbst eine Quelle der Offshore-Verschmutzung. 4. Verschmutzung durch andere Quellen, insbesondere Schifffahrt Angesichts der Gefahr von Schiffsunfällen und den Möglichkeiten eines unvorsätzlichen Einbringens ist die Seeschifffahrt als eigenständige Verschmutzungsart qualifizierbar139. Das Beispiel des Öl- und Chemikalientransports zeigt, dass die Meeresumwelt des Nordostatlantiks durch die Seeschifffahrt in besonderem Ausmaß gefährdet wird140. Im Jahre 1994 kam es zu achtzehn, 1995 zu dreizehn Schiffsunfällen mit schweren Folgen für die Meeresumwelt141. Beispielhaft sei an die Katastrophe der Erika erinnert: 134 Zum PARCOM-Beschluss 96/3 vgl. Meijer, Deutsche Hydrographische Zeitschrift, Supplement 8 (1998), S. 135 (137). – Gemäß Art. 31 Abs. 2 OSPAR-Ü gelten Beschlüsse und Empfehlungen von OSCOM und PARCOM grundsätzlich auch nach In-Kraft-Treten des OSPAR-Ü weiter. 135 GESAMP Report No. 50, S. 121. 136 OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, S. 98. 137 Ebd., S. 29. 138 Dazu siehe u. Zweiter Teil, Kapitel 3, I. 3. c). 139 Die OSPAR-Kommission verweist hinsichtlich des Verschmutzungspotentials der Seeschifffahrt auf die von der IMO getroffenen Maßnahmen; siehe OSPARKommission (Hrsg.), QSR 2000, S. 92. 140 Siehe schon o. Kapitel 2, II. 1.
Kap. 3: Die Verschmutzung – Begriffe, Arten, Stoffe
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Dieses 25jährige Einhüllen-Öltankschiff142 brach am 12. Dezember 1999 vor der Westspitze der Bretagne auseinander. Von den geladenen 30.000 t Schweröl flossen über 10.000 t in den Nordostatlantik und verwandelten die französische Atlantikküste in einen Friedhof für 30.000 Seevögel. Trotz heftiger öffentlicher Kritik und von der EG-Kommission eilig auf den Weg gebrachter Maßnahmen zur Verbesserung der Schiffssicherheit143 kam es in der gleichen Region am 31. Oktober 2000 erneut zu einem Unfall, bei dem die Ievoli Sun, beladen mit 6.000 t giftiger Chemikalien, vor der normannischen Küste sank. Zwar bekannte sich der Multi Shell, in dessen Auftrag die Chemikalienfracht transportiert wurde, sogleich zu seiner Verantwortung und stellte Maßnahmen zum Abpumpen der im Wrack verbliebenen Ladung in Aussicht144. Die bereits eingetretenen Schäden konnten dadurch freilich nicht rückgängig gemacht werden. Angesichts eines durchschnittlichen Tankschiffalters von 18 Jahren – am 1. Januar 2000 waren 40,4% aller Tankschiffe älter als 20 Jahre145 – ist die hohe Zahl von Schiffsunfällen im Übrigen kein Zufall. Auch die am 19. November 2002 vor der galicischen Küste auseinander gebrochene Prestige war mit ihren 26 Jahren hoch betagt. Trotz der beschriebenen katastrophalen regionalen Auswirkungen146 sind gleichwohl nur 5% der in die Weltmeere eingebrachten Ölmenge auf Tankerunglücke zurückzuführen147. Im Hinblick auf die Unfallfolgen nuklear betriebener Schiffe sei an den Untergang des russischen Atom-U-Boots Kursk in der Barentssee am 12. August 2000 erinnert. Da die nordostatlantischen Schifffahrtsrouten von reaktorbetriebenen Schiffen befahren werden, hat die OSPAR-Kommission erklärt, ein entsprechender Vorfall könne für den räumlichen Geltungsbereich des OSPAR-Ü nicht ausgeschlossen werden148. Im Falle der zwischenzeitlich gehobenen Kursk befürchteten die 141
OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, S. 32. Von derzeit 7.000 hochseetauglichen Öl- und Ölproduktenschiffen verfügen nur etwa 900 über eine Doppelhülle; vgl. S.Z. v. 20. 11. 2002, S. 9. 143 Dazu siehe u. Dritter Teil, Kapitel 3, III. 1. – In ähnlicher Weise stand die Entschließung des Rates vom 19. Juni 1990 über die Verhütung von Unfällen, die zur Meeresverschmutzung führen (ABl. EG 1990, Nr. C 206, S. 1 f.), in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Umstand, „dass infolge der Unfälle, die der unter spanischer Flagge fahrende Tanker Aragon und der unter iranischer Flagge fahrende Tanker Khark-V in atlantischen Gewässern nahe von Archipelen zweier Länder der Gemeinschaft in den letzten beiden Wochen des Jahres 1989 erlitten haben, sowie dass infolge des ähnlich gearteten Unfalls des Tankers Seawind Dos mehr als 100.000 Tonnen Mineralöl ins Meer geflossen sind“ (ebd.). 144 Der Spiegel 45 (2000), S. 266. 145 Institut für Seeverkehrswirtschaft und Statistik, ISL Shipping Statistics and Market Review 45 (2001), SSMR Market Analysis No. 3: http://www-old.isl.org/ deutsch/veroeff/shortcommentno3d.html. 146 Zu den Folgen der von der Prestige verursachten Ölpest siehe S.Z. v. 20. 11. 2002, S. 2; F.A.Z. v. 20. 11. 2002, S. 9. 147 GESAMP Report No. 50, S. 5. 142
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1. Teil: Der Nordostatlantik – Raum, Nutzung, Verschmutzung
Fachleute den Austritt von Radioaktivität aus dem Hauptbetriebsreaktor. Obwohl der Reaktor rechtzeitig von der Schiffsbesatzung abgeschaltet worden war, konnte die Wärmeentwicklung nicht vollständig gestoppt werden. Daneben bestand die Gefahr, dass sowohl der Reaktor als auch die mit nuklearen Sprengköpfen bestückten Raketen korrodieren könnten. Für die Barentssee, eines der reichsten Fischfanggebiete der Welt, hätte eine massive Freisetzung von Radioaktivität unabsehbare Folgen gehabt.
Mit den Möglichkeiten eines unvorsätzlichen Einbringens sind schließlich die von Schiffen verursachten Verschmutzungen betrieblicher Art angesprochen. Solche Verschmutzungen entstehen zum einen bei der Auffüllung der Schiffstanks mit Meerwasser nach dem Löschen der Ladung. Dieses sog. Ballastwasser verbleibt bis zur neuerlichen Beladung im Heimat- oder Zielhafen an Bord, um die Stabilität der Schiffe – und damit eine möglichst schnelle Fahrt – zu gewährleisten. Der Wassertransport birgt allerdings Gefahren für die Meeresumwelt: Mit dem Ballastwasser werden unzählige Meeresorganismen verschleppt, darunter auch solche, die in den Zielregionen nicht heimisch sind, die also zu Veränderungen der heimischen Meeresumwelt führen können149. Die Schifffahrtsnationen haben das Problem zwar erkannt und auf die Tagesordnung der IMO gesetzt150. Angesichts der hohen Kosten, die die meisten Lösungsansätze mit sich brächten, konnte bislang indes keine Einigung erzielt werden. Ungeachtet dieser Schwierigkeiten will die IMO im Jahre 2003 eine Konvention zum Umgang mit dem Ballastwasser verabschieden; entsprechende Draft Articles liegen bereits vor151. Verschmutzungen betrieblicher Art entstehen zum anderen infolge des Umstands, dass die Schiffsrümpfe mit Antibewuchsmittel bestrichen werden. Früher wurde vor allem die Verbindung Tributylzinn (TBT) verwendet, ein POP, der sich von den Rümpfen löst und sich im Wasser an Schwebstoffpartikel bindet. Diese Verbindung sinkt dann in die Tiefe und lagert 148 OSPAR-Kommission (Hrsg.), QSR 2000, S. 97. – In diesem Zusammenhang ist an die ungleich größere Tiefe des Nordostatlantiks zu denken. Während der Hauptbetriebsreaktor der Kursk einem Umgebungsdruck von „nur“ 13 Atmosphären ausgesetzt war, wären es im Nordostatlantik mancherorts bis zu 450 Atmosphären (bei 4.500 m Wassertiefe) gewesen. Vgl. auch Der Spiegel 51 (2002), S. 156 ff., zum Untergang der Prestige. Das Wrack des Öltankers liegt in 3.800 m Tiefe auf dem Grund des Nordostatlantiks. 149 F.A.Z. v. 21. 1. 2002, S. 10. Das Ballastwasserproblem ist auch eines des Gesundheitsschutzes; siehe Casale, BWN 8 (2002), S. 4 f. 150 Vgl. IMO Doc. A 20/Res.868, Resolution A.868(20), Guidelines for the Control and Management of Ships’ Ballast Water to Minimize the Transfer of Harmful Aquatic Organisms and Pathogens, 27 November 1997. 151 Draft Text of International Convention for the Control and Management of Ships’ Ballast Water and Sediments: IMO Doc. MEPC 46/3, Harmful Aquatic Organisms in Ballast Water, 21 December 2000, Annex 2.
Kap. 4: Zusammenfassung
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sich am Meeresboden ab152. Mit der Richtlinie 89/677/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989153 wurde die Verwendung von TBT zwar europaweit für Schiffe unter 25 m Länge verboten. Bereits eingetretene Schäden, unter anderem Fortpflanzungsschäden, Populationsveränderungen und Artensterben bei verschiedenen Meeresschnecken (Molluscen), konnten freilich nicht rückgängig gemacht werden. Bei Großschiffen wird TBT nach wie vor eingesetzt. Noch 1998 wurde an der deutschen Küste eine Stoffbelastung von bis zu 470.000 mg pro kg Feuchtgutmasse gemessen, obgleich für Molluscen und Grundfische bereits eine Belastung von 0,5 mg pro kg schädlich sein kann154. Sogar in Fischkonserven konnten TBT-Rückstände nachgewiesen werden. Von daher besteht Handlungsbedarf, der sich in einem Zweiklang rechtlicher Schritte und der Entwicklung naturverträglicher Ersatzstoffe – zu denken ist etwa an Schiffsanstriche auf Silikonbasis – vollziehen sollte. Kürzlich konnte ein erster Erfolg verbucht werden: Auf Druck verschiedener NGOs beschloss der weltgrößte Schiffsfarbenhersteller International Marine Coatings, ab 2003 keine Farben mit TBT mehr zu verkaufen; zeitgleich verständigten sich die in der „Gruppe 2003“ zusammen geschlossenen Reedereien, Hersteller und Werften darauf, die Verwendung von TBT schon vor 2003 einzustellen. Kapitel 4
Zusammenfassung 1. Neben den Arten der Meeresnutzung und der auf ihnen beruhenden Meeresverschmutzung hat die empirische Untersuchung des Nordostatlantiks die zwischen beiden Aspekten bestehenden Zusammenhänge aufgezeigt. Auf einen Nenner gebracht, äußern sich diese Zusammenhänge darin, dass mit jeder Nutzungsintensivierung die Meeresverschmutzung gleichsam proportional ansteigt. Auch ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts mehr denn je zu konstatieren, dass die Weite und Tiefe des Meeres nicht vor seiner vollständigen Ausbeutung schützt. Sogar in an sich „offenen“ Meeresgebieten wie dem Nordostatlantik sind allenthalben Bestandsrückgänge und Artenschwund zu beobachten – zwar weniger augenfällig, dafür aber umso schleichender und nachhaltiger als etwa in umschlossenen und halbumschlossenen Meeren. 2. Diesen Gesichtspunkten muss auf verschiedenerlei Art, nämlich disziplinübergreifend, Rechnung getragen werden. Ansätze, die auf einer Verrin152 153 154
Cameron (Fn. 106), S. 67. ABl. EG 1989, Nr. L 398, S. 19 ff. Cameron (Fn. 106), a. a. O.
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1. Teil: Der Nordostatlantik – Raum, Nutzung, Verschmutzung
gerung der Meeresnutzung basieren, gehen dabei an der Realität vorbei – bekanntlich lässt sich auch niemand aus Gründen des Klimaschutzes das Autofahren verbieten. Menschliches Profitstreben, ernährungswissenschaftliche Gesichtspunkte oder bloße Tradition machen vor dem an sich fremden Element Wasser nicht halt. Daneben würde eine Nutzungsreduktion die Bedingungen eines ganzheitlichen und nachhaltigen Ansatzes verwischen und ihrerseits Folgeprobleme sozialer und ökonomischer Art nach sich ziehen. Deshalb ist nach Möglichkeiten zu suchen, mit Hilfe derer Meeresnutzung und Meeresschutz in einen Ausgleich gebracht werden können. In diesem Sinne muss etwa der wissenschaftliche Fortschritt bei der Entwicklung naturverträglicher Stoffe das geltende Recht flankieren. Wirtschaftlichen Interessen der Küstenbevölkerungen ist verstärkt durch Schaffung gemeinsamer Nenner von Nutzung und Natur wie Ökotourismus u. ä. zu entsprechen. Aquakultur stellt nur insoweit eine Alternative zur traditionellen Fischerei dar, als sie selbst in umweltschonender und nachhaltiger Form realisiert werden kann155. An solche und ähnliche Ansätze ist stets zu denken, wenn im Folgenden das im Nordostatlantik geltende Meeresschutzregime untersucht wird. Dabei steht unter anderem die Frage im Vordergrund, ob und inwiefern die einschlägigen Instrumente des internationalen und supranationalen Rechts die faktischen Zuständen tatsächlich berücksichtigen, d. h. wirklichkeitsnah sind. Kann also, um an das in diesen Teil einführende Zitat anzuknüpfen, der vom Völker- und Europarecht gezeichnete Rahmen die im Nordostatlantik herrschende Unordnung in ein System der Ordnung einpassen?
155 So ist eine Beschränkung auf Fischarten zu erwägen, die nicht auf tierische Proteine angewiesen sind und im Sinne einer Polykultur an verschiedenen Gliedern der Nahrungskette wirken; vgl. etwa GEO 4/2001, S. 211 (212), zu chinesischen Erfahrungen mit der Karpfenzucht.
Zweiter Teil
Meeresschutz im Völkerrecht Der Nordostatlantik ist Bezugsobjekt einer Vielzahl völkerrechtlicher Verträge, von denen sich einige dem Meeresumweltschutz, andere dem Bestandsschutz, dritte dem marinen Artenschutz widmen. Diese Verträge bilden – gemeinsam mit dem sachlich korrespondierenden Völkergewohnheitsrecht – den Gegenstand des Zweiten Teils vorliegender Untersuchung. Obwohl der europäische Integrationsprozess weltweit ohne Beispiel ist und gewiss auch das Völkerrecht beeinflusst, und obgleich der EG-Vertrag eine „eigene Rechtsordnung“1 geschaffen hat, handelt es sich bei der Europäischen Gemeinschaft (EG) um eine internationale Organisation, d. h. um ein Subjekt des Völkerrechts2. Angesichts der Autonomie der Gemeinschaftsrechtsordnung folgt daraus zwar kein allgemeiner Vorrang des Völkerrechts vor dem Europarecht. Als Völkerrechtssubjekt ist die EG indes an die von ihr abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge, an das Völkergewohnheitsrecht und an die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Völkerrechts gebunden3. Von daher ist der im Rahmen thematisch verwandter Untersuchungen gewählte Aufbau (Universelles Völkerrecht; Regionales Völkerrecht; Europarecht)4 nach wie vor sinnvoll, wobei insbesondere den Bindegliedern zwischen den Ebenen Aufmerksamkeit zu schenken ist. Systematisch orientieren sich die folgenden Ausführungen, wie bereits einführend angedeutet, weniger an der sachlichen Dimension denn an der räumlichen: Meeresumweltschutz, Bestandsschutz und Artenschutz werden nicht blockweise behandelt, sondern jeweils im Zusammenhang mit der einschlägigen räumlichen Kategorie (Erde; Region) – Ausfluss auch der Erkenntnis, dass eine sachlich-sektorielle Betrachtungsweise den Zusammenhängen, die zwischen jenen Tätigkeitsfeldern bestehen, nicht gerecht würde. 1
EuGH, Rs. 6/64, Flaminio Costa/E.N.E.L., Slg. 1964, 1253 (1269). Vgl. auch Art. 281 EGV. 3 Ob das einschlägige Völkerrecht auch innerhalb der Gemeinschaftsrechtsordnung gilt, ist eine andere Frage. Dazu näher siehe u. Dritter Teil, Kapitel 4. 4 Siehe etwa Cron, Das Umweltregime der Nordsee – völker- und europarechtliche Aspekte, 1994; Zoller, Völker- und europarechtliche Aspekte des Mittelmeerumweltschutzes, 1996; Milbradt, Liberalisierung der Seekabotage unter völkerrechtlichen und europarechtlichen Aspekten, 1999; Schütte, Der Schutz des Wattenmeeres, 2000. 2
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
In diesem Sinne ist das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (SRÜ)5, die „Verfassung“ des Meeres, Basis des universellen Meeresschutzrechts; an seinen Bestimmungen hat sich jede meeresschutzbezogene Untersuchung zu orientieren. Zugleich bilden sie den normativen Rahmen für das anschließend untersuchte speziellere Recht. Im Bereich des Meeresumweltschutzes sind diesbezüglich vor allem die im Rahmen der IMO entstandenen Übereinkommen6 bedeutsam, weiterhin das Londoner Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen vom 29. Dezember 1972 (Londoner Dumping-Konvention)7. Mit Bezug auf den Bestandsschutz ist an das Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und weit wandernden Fischbeständen vom 4. Dezember 1995 (SSA)8 zu denken. Aspekte des universellen marinen Artenschutzes werden vom Internationalen Übereinkommen zur Regelung des Walfangs vom 2. Dezember 1946 (IWÜ)9 angesprochen. Das konkret auf den Nordostatlantik bezogene, also regional begrenzte Meeresschutzregime beruht vor allem auf dem bereits mehrfach erwähnten Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks vom 22. September 1992 (OSPAR-Ü)10. Bezüglich der Bestandserhaltung im Nordostatlantik sind die Internationale Konvention zur Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik vom 14. Mai 1966 (ICCAT-Konvention)11, das Übereinkommen über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordostatlantik vom 18. November 1980 (NEAFC-Ü)12 sowie das Übereinkommen zur Lachserhaltung im Nordatlantik vom 2. März 1982 (NASCO-Ü)13 zu berücksichtigen, im Hinblick auf den Artenschutz das Übereinkommen über die Kooperation bezüglich Forschung, Erhaltung und Bewirtschaftung der Meeressäugetiere im Nordatlantik vom 9. April 1992 (NAMMCO-Ü)14 sowie das Übereinkommen über die Erhaltung der Wale des Schwarzen Mee5
BGBl. 1994 II, S. 1799 ff. Eine Liste aller aufgelegten IMO-Konventionen samt Status und Staatenpraxis kann auf der IMO-Homepage abgerufen werden: http://www.imo.org/includes/blastDataOnly.asp/data_id%3D5461/status.xls. 7 BGBl. 1977 II, S. 180 ff.; Änderungen vom 12. Oktober 1978: BGBl. 1987 II, S. 118 ff. 8 BGBl. 2000 II, S. 1023 ff. 9 BGBl. 1982 II, S. 559 ff. 10 BGBl. 1994 II, S. 1360 ff. 11 673 UNTS 63 ff. 12 1285 UNTS 129 ff. 13 ABl. EG 1982, Nr. L 378, S. 25 ff. 14 http://www.nammco.no/Agreement.htm. 6
2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
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res, des Mittelmeeres und der anschließenden Atlantikgebiete vom 24. November 1996 (ACCOBAMS)15. Mit den soeben genannten und in den folgenden Kapiteln näher begutachteten Übereinkommen sind zwar die wichtigsten, keineswegs aber alle (auch) dem Schutz des Nordostatlantiks gewidmeten multilateralen Verträge bezeichnet. Der Umfang vorliegender Untersuchung würde bei Berücksichtigung aller Verträge unterdessen gesprengt, zumal hier vor allem die Konkretisierungen, Überlagerungen, Widersprüche der aus den Verträgen fließenden Rechte und Pflichten im Vordergrund stehen. Insofern seien die nicht bzw. nur am Rande erwähnten Verträge der Vollständigkeit halber aufgelistet: • (Washingtoner) Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen vom 3. März 1973 (CITES)16 • Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten vom 23. Juni 1979 (CMS)17 • Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume vom 19. September 197918 • Übereinkommen über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Verschmutzung der Nordsee durch Öl und andere Schadstoffe vom 13. September 198319 • Übereinkommen über die Zusammenarbeit beim Schutz der Küsten und Gewässer des Nordostatlantiks vor Verschmutzung vom 17. Oktober 199020 • Internationales Übereinkommen über Vorsorge, Bekämpfung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Ölverschmutzung vom 30. November 199021 • Übereinkommen über die biologische Vielfalt vom 5. Juni 1992 (Rio-Ü)22 • Übereinkommen zur Förderung der Einhaltung internationaler Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen auf Hoher See vom 23. November 1993 (Compliance Agreement)23 • Übereinkommen zur Durchführung des Teiles XI des Seerechts-Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 vom 28. Juli 1994 (DÜ)24 15
ILM 36 (1997), 777 ff. BGBl. 1975 II, S. 777 ff. 17 BGBl. 1984 II, S. 571 ff. 18 BGBl. 1984 II, S. 618 ff. 19 BGBl. 1990 II, S. 71 ff. Gemäß Art. 2 gilt das Übereinkommen nicht nur für die Nordsee im engeren Sinne, sondern auch für den Ärmelkanal sowie den Skagerrak. 20 ILM 30 (1991), 1229 ff., nicht in Kraft. 21 BGBl. 1994 II, S. 3799 ff. 22 BGBl. 1993 II, S. 1742 ff. 23 ILM 33 (1994), 969 ff., nicht in Kraft. 24 BGBl. 1994 II, S. 2566 ff. 16
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
Die Vielzahl der einschlägigen Verträge führt dazu, dass der erste Eindruck vom nordostatlantischen Umweltregime ein verschwommener ist, zumal sich die Verträge sowohl bezüglich ihres räumlichen Geltungsbereichs als auch hinsichtlich der jeweils begrenzten Schutzansätze, der sachlichen Dimension also, zum Teil außerordentlich unterscheiden. Die Frage, ob sich dieser Eindruck bei näherer Betrachtung relativiert, ist im Folgenden zu beantworten. Kapitel 1
Das SRÜ – „Verfassung“ des völkerrechtlichen Meeresschutzes Das SRÜ, von 117 Staaten in Montego Bay/Jamaica unterzeichnet und am 16. November 1994 in Kraft getreten, ist räumlich wie sachlich ein universelles Übereinkommen. Es wurde deshalb als „Verfassung für die Meere“ beschrieben25. In Übereinstimmung zu dieser sich an das Staatsrecht anlehnenden Beschreibung überwölbt das SRÜ beinahe alle denkbaren seerechtlichen Aspekte, und es nimmt sachgebietsübergreifenden Bezug, indem es in der Präambel auf die der UN-Charta zu Grunde liegenden Ziele verweist26. Daneben ist das Übereinkommen auch eine große Umweltkonvention. Obwohl aus Sicht der Küstenstaaten vor allem die seewärtige Ausweitung staatlicher Hoheitsrechte im Vordergrund gestanden haben mag, und obgleich viele Regelungen des SRÜ bekanntlich nur im Rahmen des „package-deal“-Verfahrens27 zustande kommen konnten, liegt dem SRÜ ein unter umweltrechlichen Gesichtspunkten bemerkenswerter, nämlich ganzheitlicher Ansatz zu Grunde. Gemäß Abs. 4 der Präambel soll das Übereinkommen schwerpunktmäßig „die Nutzung der Meere und Ozeane zu friedlichen Zwecken, die ausgewogene und wirkungsvolle Nutzung ihrer Ressourcen, die Erhaltung ihrer lebenden Ressourcen und die Untersuchung, den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt fördern“.
Gemäß Abs. 3 Präambel wurde das SRÜ daneben in dem Bewusstsein geschlossen, „dass die Probleme des Meeresraums eng miteinander verbunden sind und als Ganzes betrachtet werden müssen“, 25 Graf Vitzthum, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 2. Aufl. 2001, S. 404, Rn. 38. Siehe auch UN Doc. A/CONF. 199/20, Report of the World Summit on Sustainable Development, Resolution 2, Plan of Implementation of the World Summit on Sustainable Development, 4 September 2002, 24, para. 30 (a): „the overall legal framework for ocean activities“. 26 Abs. 7 der Präambel. 27 Birnie/Boyle, International Law and the Environment, 2. Aufl. 2002, S. 391, sprechen vom „package deal on which the Convention is based.“
Kap. 1: Das SRÜ – „Verfassung‘‘ des völkerrechtlichen Meeresschutzes
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und nach Abs. 5 Präambel soll es „zur Verwirklichung einer gerechten und ausgewogenen internationalen Wirtschaftsordnung beitragen, [in deren Rahmen] vor allem die besonderen Interessen und Bedürfnisse der Entwicklungsländer, ob Küsten- oder Binnenländer, berücksichtigt“
werden. Insofern basiert das SRÜ offenbar bereits auf dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung, das seinen weltweiten Durchbruch doch eigentlich erst im Jahre 1992 erfuhr und dessen Kerngehalt der enge, Generationen übergreifende Zusammenhang zwischen Umweltschutz und Entwicklung ist28. Die umweltvölkerrechtliche Bedeutung des SRÜ wird weiterhin dadurch betont, dass das Übereinkommen einen besonderen meeresschutzbezogenen Teil enthält (Teil XII). Die Vorschriften dieses Teils werden durch spezielle Schutzbestimmungen ergänzt, die in den Regelungszusammenhang der verschiedenen Meereszonen eingegliedert wurden29. Bedingt durch den Ablauf der Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen (UNCLOS), während derer die verschiedenen Sachthemen in getrennten Ausschüssen verhandelt wurden30, ergibt sich insofern eine etwas unübersichtliche Struktur des im SRÜ niedergelegten Meeresschutzregimes. Wie jede Verfassung ist das SRÜ bei alledem auf Konkretisierung und Implementierung angewiesen, etwa durch nationale Gesetze, durch regionale Schutzregimes oder durch Ermächtigung einer internationalen Organisation. So verpflichtet Teil XII SRÜ die Vertragsparteien dazu, zwecks Schutz und Bewahrung der Meeresumwelt „erforderliche“ bzw. „notwendige“ Maßnahmen zu treffen (Art. 194 ff.) oder innerstaatliche Rechtsvorschriften zu erlassen. Art. 197 SRÜ fördert die weltweite und regionale Kooperation der Staaten „bei der Abfassung und Ausarbeitung von [. . .] internationalen Regeln, Normen und [. . .] Verfahren zum Schutz und zur Bewahrung der Meeresumwelt“, und vor allem der IMO wurden wichtigen Aufgaben übertragen. Dennoch: Obwohl das SRÜ von bislang 142 Staaten ratifiziert wurde, gelten seine Bestimmungen nicht automatisch für alle Staaten. Zwar inkorporiert es die wesentlichen Regeln der Genfer Seerechtsübereinkommen von 1958 und normiert zum Teil geltendes Völkergewohnheitsrecht. Einzelne Bestandteile gehen allerdings über das von den Genfer Seerechtskonventionen geprägte „Alte Seerecht“ und das Gewohnheitsrecht hinaus; zu denken ist nicht nur an das Regime der Transitdurchfahrt durch Meerengen und an das der Archipelstaaten31, sondern auch und gerade an einzelne Abschnitte des meeresschutzbezogenen Teils XII SRÜ. Deswe28 Vgl. nur Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 2000, S. 18. Näher zum Konzept der nachhaltigen Entwicklung siehe u. IV. Vgl. auch Bothe, Das Seerecht als Motor des internationalen Umweltrechts, in: Ando/McWhinney/Wolfrum (Hrsg.), Liber Amicorum Judge Shigeru Oda, Vol. 2, 2002, S. 1335 (1337 f.). 29 Vgl. etwa Art. 21, 56, 61 ff., 117 ff., 145 SRÜ. 30 Vgl. Wolfrum, Die Entwicklung des Seerechts zum Recht der marinen Umwelt, in: P. Ehlers/Erbguth (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen im Seerecht, 2000, S. 69 (70). 31 Graf Vitzthum (Fn. 25), S. 406, Rn. 41; Churchill/Lowe, The Law of the Sea, 3. Aufl. 1999, S. 105.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
gen sind Ratifikation (Art. 306) bzw. Beitritt (Art. 307) für die Geltung des SRÜ nach wie vor konstitutiv. Die Küstenstaaten des Nordostatlantiks haben das Übereinkommen freilich ausnahmslos ratifiziert, und auch die EG hat es mit Beschluss 98/ 392/EG vom 23. März 199832 abgeschlossen, so dass die Gewässer des Nordostatlantiks ohne weiteres von den Bestimmungen des SRÜ durchdrungen werden.
Der dem Schutz und der Bewahrung der Meeresumwelt gewidmete Teil XII SRÜ behandelt primär den Meeresumweltschutz, wohingegen Bestandsschutz und Artenschutz in die den Meereszonen aWZ und Hohe See gewidmeten Teile des Übereinkommens (Teile V und VII) integriert, also räumlich zugeordnet wurden. Der Schutz der Meeressäugetiere richtet sich gemäß Art. 65 SRÜ zwar grundsätzlich nach den fischereibezogenen Art. 61– 64 SRÜ. Unter Berücksichtigung der von Art. 65 SRÜ vorgesehenen Möglichkeit, verstärkte Schutzmaßnahmen zu treffen, sowie eingedenk der faktischen Hintergründe33 erscheint es gleichwohl gerechtfertigt, den Schutz der Meeressäugetiere in einem eigenen Abschnitt „Artenschutz“ (u. III.) zu behandeln. Ergänzend sei vorab darauf hingewiesen, dass gemäß Art. 236 SRÜ sämtliche Bestimmungen über den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt nicht auf Kriegsschiffe und andere Staatsschiffe sowie Staatsluftfahrzeuge anwendbar sind34 – angesichts des (räumlich begrenzten) Verschmutzungspotentials militärischer Meeresnutzung35 eine nicht unbedeutende Ausnahme, die indes ohne nennenswerte Opposition in das SRÜ aufgenommen wurde36. Nach Art. 236 S. 2 SRÜ sind die betroffenen Staaten zwar zur Berücksichtigung der Belange des Meeresschutzes verpflichtet; die Voraussetzungen dieser Pflicht eröffnen freilich einen kaum zu überschreitenden Ermessensspielraum37.
32 ABl. EG 1998, Nr. L 179, S. 1 ff. Zu den Problemen näher siehe u. Dritter Teil, Kapitel 4, I. 2. 33 Siehe Erster Teil, Kapitel 2, II. 3. 34 Entgegen der systematischen Einordnung in Teil XII SRÜ und dem mit der Überschrift dieses Teils übereinstimmenden Wortlaut gilt Art. 236 SRÜ nicht nur für die Art. 192–235 SRÜ, sondern für alle meeresschutzbezogenen Bestimmungen des SRÜ. Siehe Nordquist/Rosenne/Yankov (Hrsg.), United Nations Convention on the Law of the Sea 1982, A Commentary, Vol. IV, 1991, S. 421, para. 236.6(e); Oxman, VJIL 24 (1984), S. 809 (821, Fn. 34). 35 Dazu siehe o. Erster Teil, Kapitel 2, II. 1. 36 Die andernfalls erforderliche Kontrolle von Kriegsschiffen wurde im Rahmen der Dritten Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen einhellig abgelehnt; siehe Oxman (Fn. 34), S. 821. 37 Vgl. dazu Vöneky, Die Fortgeltung des Umweltvölkerrechts in internationalen bewaffneten Konflikten, 2001, S. 82; Heintschel von Heinegg/Donner, GYIL 37 (1994), S. 281 (299).
Kap. 1: Das SRÜ – „Verfassung‘‘ des völkerrechtlichen Meeresschutzes
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I. Meeresumweltschutz Im Hinblick auf die Bestimmungen, die dem Schutz der Meeresumwelt gewidmet sind, hat David M. Dzidzornu treffend festgestellt, dass „the 1982 Convention on the Law of the Sea is [. . .] pregnant with principles and rules for marine environmental protection“38.
Diese hier als Strukturprinzipien bezeichneten Grundsätze werden in den Art. 192–196 SRÜ zum Teil ausdrücklich formuliert, teilweise ergeben sie sich erst aus der Zusammenschau mehrerer Bestimmungen bzw. liegen diesen konkludent zu Grunde. Sie werden in den folgenden Abschnitten des Teils XII SRÜ am Maßstab der verschiedenen Verschmutzungsarten konkretisiert, wobei die Bestimmungen, die sich auf die Verschmutzungsarten beziehen (Art. 207–212 SRÜ), ihrerseits konkretisierungsbedürftig sind. Gegenstand der Art. 213 ff. SRÜ ist die Durchsetzung der Schutzbestimmungen. 1. Strukturprinzipien des Meeresschutzes Teil XII SRÜ eröffnet mit Art. 192 SRÜ, wonach die Vertragsparteien verpflichtet sind, „die Meeresumwelt zu schützen und zu bewahren.“ Trotz ihrer Unbestimmtheit enthält die Norm nicht nur eine politische Verpflichtung, sondern eine rechtliche, wenn auch für sich schwerlich durchsetzbare; sie lässt sich deswegen als Strukturprinzip des Meeresschutzes charakterisieren39. Unterdessen ist die horizontale Reichweite der Rechtsverbindlichkeit unklar. Insbesondere fragt sich, ob die Bindungswirkung des Strukturprinzips über den Kreis der SRÜ-Vertragsparteien hinaus reicht. Der grundlegenden Bedeutung von Art. 192 SRÜ würde es gewiss gerecht, in der Verpflichtung zu Schutz und Bewahrung eine Verpflichtung erga omnes zu erblicken, mit der Folge, dass jeder Staat – also nicht nur die Vertragsparteien des SRÜ – gegenüber der Staatengemeinschaft zum Schutz der Meeresumwelt verantwortlich wäre40. Die erga omnes-Wirkung einer Rechtspflicht ist allerdings nur schwer feststellbar. Zudem ist im Rahmen multilateraler Verträge immer an die in Art. 34 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (WVK)41 enthaltene pacta ter38
Dzidzornu, ODIL 29 (1998), S. 91 (97). Prinzipien sind (Rechts-)Normen, die einen mehr oder weniger großen Gestaltungsspielraum offenlassen, die also im Hinblick auf das „Wie“ der Umsetzung (nicht aber das „Ob“) nur über schwachen normativen Gehalt verfügen. Vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, 3. Aufl. 1996, S. 75 f.; Verschuuren, Principles of Environmental Law, 2003, S. 25 f., 144 f. 40 Grundlegend Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited (Belgium v. Spain), ICJ Reports 1970, 3, 32. Vgl. auch Smith, State Responsibility and the Marine Environment, 1988, S. 94 ff. 39
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
tiis-Regel zu denken42, die freilich nur eine de jure-Drittwirkung, nicht aber eine bloße de facto-Drittwirkung verbietet43. Da der Gehalt von Art. 192 SRÜ unzweifelhaft zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt ist44, scheitert die Annahme einer Verpflichtung erga omnes indes nicht schon an der – ebenfalls völkergewohnheitsrechtlich geltenden45 – pacta tertiis-Regel. Voraussetzung für eine entsprechende Verpflichtung ist allerdings, dass im konkreten Einzelfall ein Interesse der Staatengemeinschaft feststellbar ist46. Erscheint das Vorliegen eines solchen Interesses bezüglich der Hochseefischerei, wie noch zu zeigen ist, zweifelhaft47, ist die Situation im Hinblick auf den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt eine grundsätzlich andere, da sich die Verpflichtung des Art. 192 SRÜ gerade nicht auf 41
BGBl. 1985 II, S. 927 ff. Wolfrum, GYIL 33 (1990), S. 308 (324); Graf Vitzthum, Begriff, Geschichte und Quellen des Völkerrechts, in: ders. (Fn. 25), S. 66, Rn. 120; Heintschel von Heinegg in: K. Ipsen, Völkerrecht, 4. Aufl. 1999, S. 134, Rn. 28. Vgl. auch das in Fn. 40 zitierte Judikat des IGH: „Some of the corresponding rights of protection have entered into the body of general international law [. . .]; others are conferred by international instruments of a universal or quasi-universal character.“ – Zu einzelnen Bestimmungen des SRÜ Picone, Obblighi reciproci ed obblighi erga omnes degli Stati nel campo della protezione internazionale dell’ambiente marino dall’inquinamento, in: ders. (Hrsg.), Diritto internazionale e protezione dell’ambiente marino, 1983, S. 15 (94 ff.). 43 Dazu noch näher u. Kapitel 2, I. 1. a) („Das Problem der Nichtbegünstigungsklausel“). 44 UN Doc. A/44/461, Law of the Sea, Protection and Preservation of the Marine Environment, Report of the Secretary-General, 18 September 1989, 10, para. 29: „In addition to their status as conventional obligations binding on States parties to the Convention, articles 192 and 193 are generally regarded as statements of customary international law on the extent of the environmental responsibility of States towards the oceans.“ Siehe auch Lagoni, Die Abwehr von Gefahren für die marine Umwelt, BDGVR 32 (1991), S. 87 (145). – Die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht setzt bekanntlich den Bestand einer allgemeinen Staatenpraxis und einer entsprechenden opinio iuris voraus; siehe nur North Sea Continental Shelf (Germany v. Denmark; Germany v. Netherlands), ICJ Reports 1969, 3, 42; Shaw, International Law, 4. Aufl. 1997, S. 56 ff. m. w. N. Vgl. auch Art. 38 Abs. 1 lit. b des Statuts des Internationalen Gerichtshofs vom 26. Juni 1945: BGBl. 1973 II, S. 505 ff. 45 Siehe nur Graf Vitzthum (Fn. 42), S. 66, Rn. 120; Cassese, International Law, 2001, S. 126; Shaw (Fn. 44), S. 652. Vgl. auch Certain German Interests in Polish Upper Silesia (Germany v. Poland), PCIJ, Ser. A, No. 7, 1926, 3, 29; Free Zones of Upper Savoy and the Disrict of Gex (France v. Switzerland), PCIJ, Ser. A/B, No. 46, 1932, 96, 141; Territorial Jurisdiction of the International Commission of the River Oder (Czechoslovakia, Denmark, France, Germany, Sweden, United Kingdom v. Poland), PCIJ, Ser. A, No. 23, 1929, 5, 20. Weitere Nachweise zur Staatenpraxis bei McNair, The Law of Treaties, 2. Aufl. 1961, S. 309–321. 46 IGH (Fn. 40), a. a. O. Insofern ist es unrichtig, dem SRÜ insgesamt erga omnes-Wirkung zuzusprechen; so aber Ilg, Die Rechtsetzungstätigkeit der International Maritime Organization, 2001, S. 121. 47 Siehe u. Kapitel 2, II. 1. c) und d). 42
Kap. 1: Das SRÜ – „Verfassung‘‘ des völkerrechtlichen Meeresschutzes
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die nutzungsrechtliche Seite des Meeresschutzes erstreckt48. Daneben erfasst Art. 192 SRÜ nicht nur den Schutz der Meeresumwelt von Gebieten unter aquitorialer Souveränität bzw. unter Nutzungshoheit, sondern – das wirklich „Neue“ am Meeresschutzregime des Neuen Seerechts49 – den der gesamten Meeresumwelt. Diesbezüglich mangelt es, wie etwa auch im Bereich der Menschenrechte, an wirksamen Durchsetzungsmechanismen, weshalb eine Verwandtschaft zu den vom IGH ausdrücklich genannten50 Fallgruppen erkennbar ist51. Vieles spricht insofern für eine erga omnes-Wirkung der aus Art. 192 SRÜ folgenden Verpflichtung52, die von Art. 194 SRÜ näher konkretisiert wird. Dabei bedeutet eine solche Wirkung gegenüber der ohnehin bestehenden völkergewohnheitsrechtlichen Geltung ein rechtliches Mehr, aus zwei Gründen: Zum einen setzt erstere, wie gesagt, ein zusätzliches, freilich schwer zu definierendes Element des Allgemeininteresses voraus, dessen Träger die Staatengemeinschaft als solche ist; Anknüpfungspunkt für die Entstehung universellen Völkergewohnheitsrechts ist demgegenüber die Praxis vieler, aber nicht schlechthin aller Staaten53. Aus diesem Grunde kann ein Verstoß gegen eine Verpflichtung erga omnes von jedem Staat sanktioniert werden, etwa im Wege der Repressalie, und zwar auch und gerade dann, wenn er von dem Völkerrechtsbruch nicht unmittelbar betroffen ist54. Angesichts 48
Vgl. andererseits Art. 193 SRÜ. Vgl. Birnie/Boyle (Fn. 27), S. 352; Wolfrum (Fn. 30), S. 71. 50 IGH (Fn. 40), a. a. O.: „Such obligations derive, for example, in contemporary international law, from the outlawing of acts of aggression, and of genocide, as also from the principles and rules concerning the basic rights of the human person, including protection from slavery and racial discrimination.“ Zu weiteren erga omnes-Verpflichtungen vgl. East Timor (Portugal v. Australia), ICJ Reports 1995, 89, 102; Application of the Convention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia-Herzegovina v. Yugoslavia), ICJ Reports 1996, 594, 616. 51 So auch Ziemer, Das gemeinsame Interesse an einer Regelung der Hochseefischerei, 2000, S. 217 f.; Birnie/Boyle (Fn. 27), S. 196. 52 In der Tendenz für eine erga omnes-Verpflichtung auch Ragazzi, The Concept of International Obligations Erga Omnes, 1997, S. 158 ff.; Lagoni (Fn. 44), S. 147 f. Vgl. auch UN Doc. A/35/10, Report of the International Law Commission on the Work of its Thirty-second Session (5 May-25 July 1980), Draft Articles on State Responsibility (YBILC 1980 II/2, S. 30 ff.), Art. 19 Abs. 3 lit. d: „[An international crime may result, inter alia, from] a serious breach of an international obligation of essential importance for the safeguarding and preservation of the human environment, such as those prohibiting massive pollution of the atmosphere or the sea“ (Hervorhebung vom Verf.). 53 Asylum (Colombia v. Peru), ICJ Reports 1950, 266, 277; North Sea Continental Shelf (Germany v. Denmark; Germany v. Netherlands), ICJ Reports 1969, 3, 43; Brownlie, Principles of Public International Law, 5. Aufl. 1998, S. 5. 54 Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (84); Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 217 (296 f.); Brunnée, ZaöRV 49 (1989), S. 791 (801); Frowein, Das Staatengemein49
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
akuter Missbrauchsgefahr dürfte allerdings eine vorausgehende Feststellung der Pflichtverletzung durch die UN zu fordern sein. Zum anderen unterscheidet sich eine Verpflichtung erga omnes von einer gewohnheitsrechtlichen Pflicht dadurch, dass es sich bei der Norm, der die erga omnes-Wirkung zugesprochen wird, in der Regel55 um eine Norm des ius cogens handelt56, also um eine „zwingende Norm des allgemeinen Völkerrechts [. . .], die von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit angenommen und anerkannt wird als eine Norm, von der nicht abgewichen werden darf und die nur durch eine spätere Norm des allgemeinen Völkerrechts derselben Rechtsnatur geändert werden kann“57.
Anders als im Fall des Völkergewohnheitsrechts ist den Staaten gegenüber einer ius cogens-Norm nach zutreffender Auffassung eine persistent objection versagt, d. h. sie können eine Bindung an den Gehalt der Norm nicht durch (steten) Widerspruch verhindern58. Ob Art. 192 SRÜ eine Norm des ius cogens ist, lässt sich allerdings ebenfalls kaum eindeutig beantworten. Angesichts der unstreitig gegebenen Verwandtschaft des ius cogens-Prinzips einerseits und der Lehre von den Verpflichtungen erga omnes andererseits59 – beide setzen ein gemeinsames Interesse der Staatengemeinschaft voraus – erscheint naheliegend, in Art. 192 SRÜ eine zwingende Norm des allgemeinen Völkerrechts im Sinne von Art. 53 S. 2 WVK zu sehen, jedenfalls bezüglich des Staatengemeinschaftsraumes Hohe See. Indes: Für die Meeresumwelt, ein tatsächlicher Zustand, wäre mit der in Art. 53 S. 1 WVK angeordneten Rechtsfolge eines ius cogens-Verstoßes schaftsinteresse – Probleme bei Formulierung und Durchsetzung, in: Hailbronner/ Ress/Stein (Hrsg.), Staat und Völkerrechtsordnung, FS für Doehring, 1989, S. 219 (228); a. A. Ragazzi (Fn. 52), S. 210 ff. Vgl. zum ganzen auch Frowein, Die Verpflichtungen erga omnes im Völkerrecht und ihre Durchsetzung, in: Bernhardt/ Geck/Jaenicke/Steinberger (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung, Internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte, FS für Mosler, 1983, S. 241 (262); Paulus, Die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, 2001, S. 385 f. 55 Aber nicht immer; siehe Simma (Fn. 54), S. 300; Frowein, EPIL III (1997), S. 65 (67). 56 Lagoni (Fn. 44), S. 146 f.; Brownlie (Fn. 53), S. 602, Fn. 198; Kornicker, Ius cogens und Umweltvölkerrecht, 1997, S. 112. Zurückhaltend etwa Heintschel von Heinegg in: Ipsen (Fn. 42), S. 163, Rn. 57. 57 Art. 53 S. 2 WVK. 58 North Sea Continental Shelf (Germany v. Denmark; Germany v. Netherlands), Diss. Op. Lachs, ICJ Reports 1969, 3, 218, 229; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2. Aufl. 2002, S. 627; Alexidze, RdC 172 (1981-III), S. 218 (258); Brownlie (Fn. 53), S. 11, Fn. 56 und S. 516; Rozakis, The Concept of Jus Cogens in the Law of Treaties, 1976, S. 78. 59 Vgl. BVerfGE 18, 441, 449. Siehe auch Ragazzi (Fn. 52), S. 72 f.; Shaw (Fn. 44), S. 96; Paulus (Fn. 54), S. 413–416.
Kap. 1: Das SRÜ – „Verfassung‘‘ des völkerrechtlichen Meeresschutzes
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(Nichtigkeit des einschlägigen völkerrechtlichen Vertrags) kaum etwas gewonnen, zumal die Tatbestandsmerkmale der Vorschrift so unbestimmt sind, dass bereits die Feststellung eines Verstoßes im Einzelfall Schwierigkeiten bereitet. Vergleichbare Probleme bestehen im Hinblick auf das (in Teil XII SRÜ nicht ausdrücklich genannte) Vorsorgeprinzip. In seiner allgemeinsten Form besagt es, dass die Staaten vorausblickend vorgehen sollen, wenn sie Entscheidungen über Handlungsweisen fällen, die schädigende Auswirkungen auf die Umwelt mit sich bringen können60. Über die genaue inhaltliche Tragweite herrscht freilich Uneinigkeit. Das Vorsorgeprinzip wurde zwar als allgemeiner Grundsatz in viele umweltvölkerrechtliche Verträge inkorporiert, dabei aber nur selten definiert und konkretisiert. Von daher überrascht es nicht, dass die völkergewohnheitsrechtliche Geltung des Prinzips noch immer bestritten wird61. Dabei wird auch von den Befürwortern einer gewohnheitsrechtlichen Geltung62 mitunter übersehen, dass jene beiden Aspekte – die völkergewohnheitsrechtliche Geltung des Vorsorgeprinzips einerseits, seine inhaltliche Tragweite andererseits – rechtsmethodisch nicht voneinander getrennt behandelt werden dürfen63. Soweit im Hinblick auf einzelne Elemente des Prinzips eine einheitliche Staatenpraxis und entsprechende opinio iuris nicht feststellbar sind, kommt eine völkergewohn60
Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien des Umweltvölkerrechts, 1998, S. 91; Freestone/Hey, Origins and Development of the Precautionary Principle, in: dies. (Hrsg.), The Precautionary Principle and International Law, 1996, S. 3 (12 f.); Ziemer (Fn. 51), S. 62; Verschuuren (Fn. 39), S. 56; The MOX Plant (Ireland v. United Kingdom), Sep. Op. Wolfrum, ILM 41 (2002), 405, 426 (428). 61 Unter anderem von Dzidzornu (Fn. 38), S. 99; Beyerlin, ZaöRV 54 (1994), S. 124 (134, Fn. 47); Schröder, AVR 34 (1996), S. 251 (272); Kwiatkowska, The Law-of-the-Sea-related Cases in the International Court of Justice during the Presidency of Judge Stephen M. Schwebel (1997–2000), S. 18: http://www.rgl.ruu.nl/ english/isep/paper.asp. 62 Vgl. Marr, EJIL 11 (2000), S. 815 (827); Soria Jiménez, GYIL 39 (1996), S. 388 (400); Freestone, The Conservation of Marine Ecosystems under International Law, in: Bowman/Redgwell (Hrsg.), International Law and the Conservation of Biological Diversity, 1996, S. 91 (105 f.); Epiney/Scheyli (Fn. 60), S. 103–107; Verschuuren (Fn. 39), S. 74 f. Vgl. auch Request for an Examination of the Situation in Accordance with Paragraph 63 of the Court’s Judgment of 20 December 1974 in the Nuclear Tests (New Zealand v. France) Case, Diss. Op. Weeramantry, ICJ Reports 1995, 287, 317, 342 f.; The MOX Plant (Ireland v. United Kingdom), Request for Provisional Measures and Statement of Case of Ireland, 44, para. 97: http:// www.itlos.org/case_documents/2001/document_en_191.pdf. 63 Ähnlich Epiney/Scheyli (Fn. 60), S. 45: „Zur Frage, ob ein Prinzip/eine Verhaltensregel Völkergewohnheitsrecht darstellt, gesellt sich daher immer diejenige nach dem normativen Gehalt dieser Regel.“ Siehe aber ebd., S. 108. Vgl. auch Kahl, Der Nachhaltigkeitsgrundsatz im System der Prinzipien des Umweltrechts, in: Bauer/Czybulka/Kahl/Vosskuhle (Hrsg.), Umwelt, Wirtschaft und Recht, 2002, S. 111 (121 f.).
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
heitsrechtliche Geltung einschließlich jener Elemente nicht in Betracht64. Deswegen ist der inhaltlichen Tragweite des Vorsorgeprinzips vorrangige Aufmerksamkeit zu schenken. Diesbezüglich haben Astrid Epiney und Martin Scheyli65 sowie James Cameron und Juli Abouchar66 nachgewiesen, dass das Vorsorgeprinzip nach insoweit einheitlicher Staatenpraxis und opinio iuris im Wesentlichen durch den Verzicht auf völlige wissenschaftliche Gewissheit bezüglich des Bestehens einer Umweltgefährdung geprägt ist. Die Staaten können also nicht mit dem Argument untätig bleiben, es sei nicht erwiesen, dass ein bestimmtes Verhalten zu einer Umweltgefährdung führe. Dieses Element findet sich auch in der Verschmutzungsdefinition des SRÜ (vgl. Art. 1 Abs. 1 Nr. 4), wenn es dort heißt, dass sich aus der „Zuführung von Stoffen oder Energie [. . .] abträgliche Wirkungen [. . .] ergeben oder ergeben können“67. Andererseits müssen die Staaten gemäß Art. 194 Abs. 1 SRÜ „alle mit diesem Übereinkommen übereinstimmenden Maßnahmen [treffen], die notwendig sind, um die Verschmutzung der Meeresumwelt ungeachtet ihrer Ursache zu verhüten, zu verringern und zu überwachen“.
Hiernach („verhüten“)68 könnte zweifelhaft erscheinen, ob Teil XII SRÜ tatsächlich ein Element der Vorsorge im Sinne von Risikomanagement be64 Damit wird nicht geleugnet, dass auch im Völkerrecht Normen mit schwachem und solche mit hohem normativen Gehalt existieren. Mit Robert Alexy ([Fn. 39], a. a. O.) können erstere Prinzipien, letztere Regeln genannt werden. Voraussetzung für die Auswachsung eines Satzes in eine Norm des Völkergewohnheitsrechts ist freilich die jedenfalls partielle Bestimmbarkeit seiner inhaltlichen Tragweite, könnten doch andernfalls Staatenpraxis und opinio iuris nicht nachgewiesen werden. Vgl. Beyerlin, „Prinzipien“ im Umweltvölkerrecht – ein pathologisches Phänomen?, in: Cremer/Giegerich/Richter/Zimmermann (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit des Rechts, FS für Steinberger, 2002, S. 31 (55); ders., Staatliche Souveränität und internationale Umweltschutzkooperation, in: Beyerlin/Bothe/Hofmann/Petersmann (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, FS für Bernhardt, 1995, S. 937 (951). 65 (Fn. 60), S. 110 ff. 66 The Status of the Precautionary Principle in International Law, in: Freestone/ Hey (Fn. 60), S. 29 (36 ff.). Siehe auch Krohn, Die Bewahrung tropischer Regenwälder durch völkerrechtliche Kooperationsmechanismen, 2002, S. 185 f., die die völkergewohnheitsrechtliche Geltung des Vorsorgeprinzips allgemein, also auch in der sogleich im Text konkretisierten Form, ablehnt. Umfassende Nachweise zur Staatenpraxis nunmehr bei Trouwborst, Evolution and Status of the Precautionary Principle in International Law, 2002, S. 55–249. Ebd., S. 284, wird die völkergewohnheitsrechtliche Geltung des Prinzips bejaht, der Umfang der gewohnheitsrechtlichen Ausprägung freilich nur am Rande thematisiert (S. 286). 67 Hervorhebung hinzugefügt. 68 Vgl. auch den (verbindlichen) englischen Wortlaut von Art. 194 Abs. 1 SRÜ: „States shall take, individually or jointly as appropriate, all measures consistent
Kap. 1: Das SRÜ – „Verfassung‘‘ des völkerrechtlichen Meeresschutzes
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inhaltet, oder ob es nicht vielmehr um die bereits im Prinzip der Vorbeugung enthaltene Gefahrenabwehr geht69, zumal das Vorsorgeprinzip erstmals im Jahre 1987, also erst nach Annahme des SRÜ, ausdrücklich in einem völkerrechtlichen Text auftauchte70. Die Vorschriften des SRÜ sind indes auch in zeitlicher Hinsicht kein geschlossenes System, sondern entwicklungsoffen. So hat der Internationale Seegerichtshof (ISGH) in den Southern Bluefin Tuna-Fällen unlängst den Zusammenhang zwischen Meeresschutz und Vorsorgeprinzip betont und damit letztlich die Bestimmungen des SRÜ konkretisiert71. Gewiss: Auch der Gerichtshof verwies nicht ausdrücklich auf das Vorsorgeprinzip, sondern stellte lediglich fest, dass „the parties should in the circumstances act with prudence and caution to ensure that the effective conservation measures are taken to prevent serious harm to the stock of southern bluefin tuna“72.
Diese Formulierung ist aber „pregnant with meaning“73. Jener Zusammenhang wird weiterhin von Kapitel 17 der Agenda 2174 betont, das seinerwith this Convention that are necessary to prevent, reduce and control pollution of the marine environment from any source, using for this purpose the best practicable means at their disposal and in accordance with their capabilities, and they shall endeavour to harmonize their policies in this connection“ (Hervorhebung hinzugefügt). 69 Zum Unterschied näher siehe u. Dritter Teil, Kapitel 3, I. 1. b) („Prinzip der Vorbeugung“) sowie Trouwborst (Fn. 66), S. 37–43. 70 Vgl. Art. XVI Abs. 1 der auf der Zweiten Internationalen Nordseeschutzkonferenz in London angenommenen Ministererklärung (London Declaration), einem Schlüsseltext für den Meeresschutz in Europa (Text z. B. in: Danish Environmental Protection Agency [Hrsg.], Ministerial Declarations, International Conferences on the Protection of the North Sea, 1995, S. 43 ff. Die Textsammlung war offizielles Hintergrundmaterial der Vierten Nordseeschutzkonferenz, 1995, Kopenhagen, Dänemark.). 71 Vgl. auch Fabra, YIEL 10 (1999), S. 15 (24). 72 Southern Bluefin Tuna (New Zealand v. Japan; Australia v. Japan), ITLOS Reports 1999, 280, 296. 73 Southern Bluefin Tuna (New Zealand v. Japan; Australia v. Japan), Sep. Op. Laing, ITLOS Reports 1999, 280, 305, 310. Vgl. auch ebd., Sep. Op. Shearer, 320, 327; Marr (Fn. 62), S. 826. – Ob auf dem Gebiet der Bestandserhaltung tatsächlich von einem Vorsorgeprinzip gesprochen werden kann, ist eine andere Frage. Dazu siehe u. die Einleitung zu II. 74 UN Doc. A/CONF. 151/26, Agenda 21, 13 June 1992. Kapitel 17.21 lautet: „A precautionary and anticipatory rather than a reactive approach is necessary to prevent the degradation of the marine environment. This requires, inter alia, the adoption of precautionary measures, environmental impact assessments, clean production techniques, recycling, waste audits and minimization, construction and/or improvement of sewage treatment facilities, quality management criteria for the proper handling of hazardous substances, and a comprehensive approach to damaging impacts from air, land and water. Any management framework must include the improvement of coastal human settlements and the integrated management and development of coastal areas.“
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
seits auf die Bestimmungen des SRÜ verweist und diesen wichtige Anstöße liefert75. Insofern wird das Vorsorgeprinzip nicht nur über die Verschmutzungsdefinition des Art. 1 Abs. 1 SRÜ in die Art. 192 ff. SRÜ gelesen, sondern es ist in diesen Bestimmungen, ebenso wie das Prinzip der Vorbeugung, implizit enthalten76. Nach geltendem universellen Völkerrecht kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass das Vorsorgeprinzip für den Fall des Bestreitens der Umweltgefährlichkeit eines staatlichen Verhaltens die Beweislast demjenigen Staat auferlegt, der sich auf die Ungefährlichkeit seines Verhaltens beruft77. Das SRÜ kennt eine solche Beweislastumkehr nicht, und für eine entsprechende Staatenpraxis sind keine Anhaltspunkte erkennbar78. Damit wird das allgemein anerkannte Element des Vorsorgeprinzips – jener Verzicht auf wissenschaftliche Gewissheit – stark relativiert; auf universeller Ebene wird sich die normative Bedeutung des Vorsorgeprinzips erst nach entsprechender Konkretisierung voll entfalten können. Mit dem Gebot, „Schäden oder Gefahren weder unmittelbar noch mittelbar von einem Gebiet in ein anderes zu verlagern“ (Art. 195 SRÜ), verweist das SRÜ im Übrigen auf das Ursprungsprinzip, nach welchem Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen sind, sowie mittelbar auch auf das vierte Strukturprinzip, das Verursacherprinzip, könnten sich die Staaten doch andernfalls infolge einer räumlichen Verlagerung der Verschmutzung ihrer Kostentragungspflicht (partiell) entziehen79. Schließlich sind die Vertragsparteien gemäß Art. 197 SRÜ auf universeller wie auf regionaler Ebene zur Zusammenarbeit verpflichtet80.
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Dazu siehe u. IV. I. E. auch Wolfrum (Fn. 30), S. 72: „Grundlage von Art. 194 und 195 SRÜ“; Freestone (Fn. 62), S. 103. 77 So aber Request for an Examination of the Situation in Accordance with Paragraph 63 of the Court’s Judgment of 20 December 1974 in the Nuclear Tests (New Zealand v. France) Case, Diss. Op. Weeramantry, ICJ Reports 1995, 287, 317, 343, mit Hinweis auf Art. 3 Abs. 3 lit. c Anlage II OSPAR-Ü; Hinds, Umweltrechtliche Einschränkungen der Souveränität, 1997, S. 241 f.; Verschuuren (Fn. 39), S. 87. 78 Die in der abweichenden Meinung des Richters Weeramantry (ebd.) zitierte Norm (Art. 3 Abs. 3 lit. c Anlage II OSPAR-Ü) ist, soweit ersichtlich, auf internationaler Ebene die einzige meeresschutzbezogene Bestimmung, die eine Beweislastumkehr ausdrücklich vorschreibt. In der Definition des Vorsorgeprinzips in Art. 2 Abs. 2 lit. a OSPAR-Ü ist dies hingegen nicht geschehen. Näher dazu siehe u. Kapitel 3, I. 2. 79 Demgegenüber hält Wolfrum ([Fn. 30], S. 72) Art. 195 SRÜ für eine Ausgestaltung des Vorsorgeprinzips. – Näher zu beiden Prinzipien siehe u. Dritter Teil, Kapitel 3, I. 1. b). 80 Zu dieser Verpflichtung vgl. die Argumentation Irlands im Fall The MOX Plant (Irland v. United Kingdom), Request for Provisional Measures and Statement 76
Kap. 1: Das SRÜ – „Verfassung‘‘ des völkerrechtlichen Meeresschutzes
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2. Arten der Meeresverschmutzung Die Art. 207 ff. SRÜ konkretisieren die Strukturprinzipien des Meeresschutzes anhand der verschiedenen Verschmutzungsarten81. Neben der – bekanntlich folgenreichsten – Verschmutzung vom Lande aus (Art. 207 SRÜ), der Verschmutzung durch Einbringen (Art. 210 SRÜ) und der Verschmutzung durch Schiffe (Art. 211 SRÜ) werden Verschmutzungen durch Tätigkeiten auf dem Meeresboden, die unter nationale Hoheitsbefugnisse fallen (Art. 208 SRÜ), Verschmutzungen durch Tätigkeiten im Gebiet (Art. 209 SRÜ) sowie Verschmutzungen aus der Luft oder durch die Luft (Art. 212 SRÜ) erfasst. Alle Bestimmungen, obschon jeweils auf nur eine Verschmutzungsart gerichtet, sind dabei ihrerseits konkretisierungsbedürftig. So verlangt etwa Art. 207 Abs. 1 SRÜ, dass die Staaten zur Verhütung, Verringerung, Überwachung der Meeresverschmutzung vom Lande aus „Gesetze und sonstige Vorschriften“ erlassen. Auch wird den Vertragsparteien ein weiter Beurteilungsspielraum bei der Umsetzung zugestanden: „Die Staaten ergreifen andere Maßnahmen, die zur Verhütung, Verringerung und Überwachung einer solchen Verschmutzung notwendig sein können“ (Art. 207 Abs. 2; Art. 208 Abs. 2; Art. 210 Abs. 2; Art. 212 Abs. 2 SRÜ), und die aufgestellten „Regeln, Vorschriften und Verfahren werden nach Bedarf von Zeit zu Zeit überprüft“ (Art. 209 Abs. 1; Art. 210 Abs. 4 SRÜ). Zum Teil müssen sich die Vertragsparteien auch nur „bemühen“, ihre Politiken aufeinander abzustimmen82, wobei „die Wirtschaftskraft der Entwicklungsstaaten und die Notwendigkeit ihrer wirtschaftlichen Entwicklung“ (Art. 207 Abs. 4 SRÜ) zu berücksichtigen sind. Letztere due diligence-Einschränkung, deren Fundament bereits in Art. 194 Abs. 1 SRÜ gegossen wird („ihnen zur Verfügung stehenden Mittel“)83, wird zwar dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung formell gerecht84, gewährt den Entwicklungsstaaten aber einen nicht unerheblichen Ermessensspielraum – besonders problematisch angesichts der von Art. 207 SRÜ betroffenen Verschmutzungsart (Verschmutzung vom Lande aus), begründet in den Bedenken der Dritte Welt-Staaten, dass die meeresschutzbezogenen Verpflichtungen ihren Handlungsspielraum weiter einschränken könnten85. of Case of Ireland, 28 ff., paras. 57 ff. (abrufbar unter der in Fn. 62 angegebenen Internet-Adresse). 81 Zum Begriff siehe o. Erster Teil, Kapitel 3, I. 82 Vgl. Art. 207 Abs. 3; Art. 208 Abs. 4; Art. 210 Abs. 4; Art. 212 Abs. 3 SRÜ. 83 Vgl. auch Prinzip 15 der Rio-Deklaration (ILM 31 [1992], 874 ff.): „In order to protect the environment, the precautionary approach shall be widely applied by States according to their capabilities“ (Hervorhebung hinzugefügt). 84 Dazu siehe u. IV. 85 Nordquist/Rosenne/Yankov (Fn. 34), S. 64, para. 194.10 (b); Boyle, AJIL 79 (1985), S. 347 (354). – Kindt (VJIL [1979–1980], S. 313 [333]) erkennt in Art. 207
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
Aus alledem wird deutlich, dass der mit den Art. 192 ff. SRÜ aufgespannte „umbrella“86 sein Schutzpotential nur bei hinreichender Ausgestaltung auf universeller, regionaler und nationaler Ebene entfalten kann. Immerhin verlangen die Art. 208–211 SRÜ, dass die innerstaatlichen Maßnahmen nicht weniger wirkungsvoll sein dürfen als die internationalen. Letzteres wird allerdings wiederum dadurch relativiert, dass insoweit ausgerechnet die problematischste Verschmutzungsart (Art. 207 SRÜ) ausgespart wurde. Ein Sonderfall ist Art. 211 SRÜ. Diese auf die Verschmutzung durch Schiffe gerichtete Bestimmung ist mit ihren sieben Absätzen nicht nur umfangreicher, sondern sie geht in materieller Hinsicht erheblich über den Gehalt der anderen Vorschriften hinaus. Zwar bedarf auch Art. 211 SRÜ – er konkretisiert Art. 194 Abs. 3 lit. b SRÜ – der näheren Ausgestaltung, durch internationale Regeln und Normen einerseits (Abs. 1), durch innerstaatliche Gesetze andererseits (Abs. 2). Im Unterschied zu den Art. 207 ff. SRÜ sowie zu Art. 212 SRÜ ist der Verweis auf die Tätigkeit einer internationalen Organisation allerdings im Singular formuliert – eine Verfestigung zugunsten der IMO, demgegenüber etwa im Rahmen von Art. 207 SRÜ kein entsprechender Konsens bestand87. Die Vertragsparteien sind ferner verpflichtet, im Rahmen der IMO Maßnahmen zur Verhütung und zur Bekämpfung der Meeresverschmutzung durch Schiffe zu erlassen; die völkerrechtliche Zusammenarbeit muss also, anders als im Fall des ansonsten lediglich geforderten „Bemühens“, Früchte tragen, was bislang durchaus eindrucksvoll geschehen ist88. Abs. 4 SRÜ ein Indiz dafür, dass die Konferenzteilnehmer regionale Schutzansätze für vorzugswürdig hielten. Das ist insoweit richtig, als die Bestimmung auch „charakteristische regionale Eigenheiten“ erwähnt. Die Betonung der „Wirtschaftskraft“ bzw. der „wirtschaftlichen Entwicklung“ lässt sich diesbezüglich hingegen nicht in Ansatz bringen. 86 UN Doc. A/44/461, Law of the Sea, Protection and Preservation of the Marine Environment, Report of the Secretary-General, 18 September 1989, 5, para. 7. 87 UN Doc. A/52/491, Law of the Sea, Impact of the Entry into Force of the 1982 United Nations Convention on the Law of the Sea on Related Existing and Proposed Instruments and Programmes, Report of the Secretary-General, 20 October 1997, 17, para. 9: „In such cases the expression , when used in the singular in UNCLOS, applies exclusively to IMO, bearing in mind the global mandate of the organization as a special agency within the United Nations system established by the Convention on the International Maritime Organization (the ,IMO Convention‘)“. Vgl. auch IMO Doc. LEG/MISC/1, Implications of the United Nations Convention on the Law of the Sea, 1982 for the International Maritime Organization (IMO), 10 February 1986, 2, para. 5; Nordquist/ Rosenne/Yankov (Fn. 34), S. 133, para. 207.7 (d); Boyle (Fn. 85), S. 354 f.; Kilian, Umweltschutz durch Internationale Organisationen, 1987, S. 315. 88 Dazu siehe u. Kapitel 2, I. 1.
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Daneben unterscheidet Art. 211 SRÜ hinsichtlich der staatlichen Zuständigkeit für Schutzmaßnahmen. Zum einen können die Vertragsparteien Schutzmaßnahmen für die unter ihrer Flagge fahrenden Schiffe erlassen, zum anderen verfügen sie auch gegenüber fremden Schiffen über Hoheitsrechte, soweit letztere in ihre Häfen einlaufen wollen (Abs. 3) oder durch das Küstenmeer (Abs. 4) bzw. die aWZ (Abs. 5) fahren. Im Küstenmeer ist dabei das auch gewohnheitsrechtlich anerkannte89 Recht der friedlichen Durchfahrt (vgl. Art. 17 ff. SRÜ) zu respektieren, und die Schutzmaßnahmen in der aWZ müssen den „allgemein anerkannten internationalen, im Rahmen der zuständigen internationalen Organisation oder einer allgemeinen diplomatischen Konferenz aufgestellten Regeln und Normen entsprechen“. Es fragt sich indes, wann eine Regel bzw. Norm in diesem Sinne „allgemein anerkannt“ ist. Art. 211 SRÜ selbst gibt keine eindeutige Antwort, enthält in Abs. 7 lediglich materielle Vorgaben90. Deshalb ist die Bestimmung anhand der Kriterien des Art. 31 WVK auszulegen. Legt der in Abs. 5 getroffene Verweis auf den „Rahmen der zuständigen internationalen Organisation“ nahe, auf eine überwiegende Anzahl von Ratifizierungen („wider acceptance“) der einschlägigen IMO-Konventionen abzustellen91, sprechen etwa die Wortlautähnlichkeiten mit Art. 38 Abs. 1 lit. b IGH-Statut dafür, zusätzlich die völkergewohnheitsrechtliche Geltung des IMO-Rechts zu verlangen92. Letzteres erscheint auch deshalb naheliegend, weil auf diese 89 Siehe Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. USA), ICJ Reports 1986, 13, 111; O’Connell, The International Law of the Sea, Vol. I, 1982, S. 270 f. 90 Abs. 7 lautet: „Die in diesem Artikel genannten internationalen Regeln und Normen sollen unter anderem die Verpflichtung vorsehen, die Küstenstaaten umgehend zu benachrichtigen, deren Küsten oder damit zusammenhängende Interessen möglicherweise durch Ereignisse einschließlich Seeunfälle beeinträchtigt werden, bei denen es zu einem Einleiten kommt oder kommen könnte.“ 91 So Timagenis, International Control of Marine Pollution, Vol. 2, 1980, S. 606 f.; Lagoni (Fn. 44), S. 133; Blanco-Bazán, IMO interface with the Law of the Sea Convention (2000): www.imo.org/InfoResource/mainframe.asp?topic_id= 406&doc_id=1077; König, Durchsetzung internationaler Bestands- und Umweltschutzvorschriften auf Hoher See im Interesse der Staatengemeinschaft, 1990, S. 147; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/2, 2. Aufl. 2002, S. 383; offenbar auch Ringbom, RECIEL 8 (1999), S. 21 (22). – Der Grundsatz pacta tertiis nec nocent nec prosunt spricht nicht gegen dieses Ergebnis; a. A. Graf Vitzthum/Talmon, Alles fließt, 1998, S. 138. Es steht den Staaten frei, dem SRÜ beizutreten. Im Rahmen der Entscheidung über den Beitritt hat jeder Staat zu berücksichtigen, dass er sich ggf. weiteren Pflichten unterwirft, die in das Übereinkommen „gesogen“ werden. Van Reenen (NYIL 12 [1981], S. 3 [15]) hat darauf hingewiesen, dass diesbezügliche Vorbehalte wegen Art. 309 SRÜ nicht in Betracht kommen. 92 van Reenen, ebd., S. 8–12 m. N. zur Entstehungsgeschichte. Offengelassen von Churchill/Lowe (Fn. 31), S. 346 f.; Ilg (Fn. 46), S. 129 ff. Vermittelnd Wolfrum,
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
Weise das zu Völkergewohnheitsrecht erstarkte soft law der IMO angemessen berücksichtigt werden kann, zumal Art. 211 Abs. 2, 5 SRÜ zwischen „Regeln“ und „Normen“ unterscheidet, mithin offenbar an die unterschiedlichen Ausprägungen der IMO-Rechtsetzungstätigkeit anknüpft. Im Übrigen ist kein geeignetes Abgrenzungskriterium vorstellbar, mit Hilfe dessen sich ermitteln ließe, ob die Anzahl der Ratifizierungen hinreichend groß ist, um von einer allgemeinen Anerkennung der betreffenden Regel oder Norm auszugehen. Eine andere Interpretation könnte allenfalls dann in Betracht gezogen werden, wenn sich „Regeln und Normen“ im Sinne von Art. 211 Abs. 2, 5 SRÜ von vorne herein ausschließlich auf die Bestimmungen der IMO-Konventionen und die ihrer Anhänge bezögen, nicht aber auf das im IMO-Rahmen beschlossene soft law93. Für eine solche Differenzierung ließen sich auf den ersten Blick Art. 39 Abs. 2 lit. a, b und Art. 94 Abs. 5 SRÜ in Ansatz bringen, in denen nicht von Regel und Normen die Rede ist, sondern, in allgemeinerer Form, von „allgemein anerkannten internationalen Vorschriften, Verfahren und Gebräuche[n]“. Die Bedeutung jener Bestimmungen ist indes die gleiche94; es besteht kein Anlass, soft law-Instrumente im einen Fall einzubeziehen, im anderen nicht. Kann somit auch soft law unter die Merkmale „Regeln oder Normen“ subsumiert werden, muss seine Erstarkung zu Gewohnheitsrecht Voraussetzung für eine Bindung der SRÜVertragsparteien sein. Andernfalls würde die Entscheidung der IMO-Mitgliedstaaten, der Organisation keine autonomen Rechtsetzungsbefugnisse zu übertragen, mittelbar unterlaufen. In der Praxis dürften die beiden Interpretationsmöglichkeiten – überwiegende Ratifizierung einerseits, völkergeRecht der Flagge und „Billige Flaggen“ – Neuere Entwicklungen im Völkerrecht, BDGVR 31 (1990), S. 121 (138), der im Zusammenhang mit Art. 211 Abs. 2 SRÜ zwar verlangt, dass „die betreffenden Regeln und Standards von der Mehrzahl der Staaten als rechtsverbindlich anerkannt wurden“, dabei aber meint, „die Schwelle für die Erstarkung zur allgemeinen Rechtsverbindlichkeit [liege] tiefer als bei der Entstehung von Gewohnheitsrecht“. Letzteres hätte freilich die Anerkennung einer neuen Rechtsquelle zur Folge. – Noch enger (nur Vertragsparteien der einschlägigen IMO-Konventionen seien über Art. 211 Abs. 2, 5 SRÜ an die entsprechenden allgemein anerkannten internationalen Regeln und Normen gebunden) Graf Vitzthum/ Talmon (Fn. 91), S. 138. 93 So etwa Lagoni (Fn. 44), S. 126; Boyle (Fn. 85), S. 383. Siehe demgegenüber IMO Doc. LEG/MISC/2, Implications of the Entry into Force of the United Nations Convention on the Law of the Sea for the International Maritime Organization, 6 October 1997, 5. – Näher zum soft law der IMO siehe u. Kapitel 2, I. 1. 94 Nordquist/Nandan/Rosenne (Hrsg.), United Nations Convention on the Law of the Sea 1982, A Commentary, Vol. II, 1993, S. 344, para. 39.10 (j); dies. (Hrsg.), United Nations Convention on the Law of the Sea 1982, A Commentary, Vol. III, 1995, S. 150, para. 94.8 (i). Vgl. auch Nandan/Anderson, BYBIL 60 (1989), S. 159 (185).
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wohnheitsrechtliche Geltung andererseits – ohnehin nur selten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, da die Anzahl der Vertragsparteien einer IMO-Konvention zugleich (widerlegliches) Indiz für die völkergewohnheitsrechtliche Geltung ihrer Bestimmungen ist. Ein Unterschied ergibt sich im Hinblick auf den persistent objector, der nach der auf die Ratifizierungsanzahl abstellenden Auffassung über Art. 211 Abs. 2 SRÜ trotz stetiger Ablehnung der betreffenden Regel oder Norm ohne weiteres an die Vorgabe der IMO gebunden würde. Mithin sind die in Art. 211 SRÜ enthaltenen Verweise auf die Rechtsetzungstätigkeit der IMO streng genommen rein deklaratorisch95. Die Bedeutung der Bestimmung erschöpft sich in der Betonung der universellen Zuständigkeit der IMO für die Schaffung materiell-rechtlicher Schutzstandards. Das gegenteilige Ergebnis ist nicht mit dem trotz aller Innovativität grundsätzlich souveränitätsfixierten Ansatz des SRÜ vereinbar, zumal die Schifffahrtsnationen andernfalls von ihrer Beteiligung an den IMO-Konventionen mit dem Argument absehen könnten, sie würden ja ohnehin über Art. 211 SRÜ an die Schutzstandards gebunden. Auch im Hinblick auf den Geltungsanspruch des SRÜ ist die geforderte gewohnheitsrechtliche Geltung der IMO-Standards vorzugswürdig, weil manche Staaten aus Angst vor versteckter Vereinnahmung der Bestimmungen anderer Übereinkommen vor einem Beitritt zum SRÜ zurückschrecken könnten. 3. Die Ausweisung von Meeresschutzgebieten nach dem SRÜ Art. 211 Abs. 6 SRÜ sieht Möglichkeiten eines verschärften Schutzes vor. Nach dieser Bestimmung kann ein Küstenstaat gegenüber der „zuständigen internationalen Organisation“ – auch hier ist die IMO gemeint – ein Gebiet in seiner aWZ mit der Empfehlung bezeichnen, sie möge die besondere Schutzbedürftigkeit des Gebiets bestätigen. Der Küstenstaat darf dann strengere Schutzmaßnahmen treffen, die freilich mit den von der IMO angenommenen, an sich unverbindlichen Kriterien übereinstimmen müssen. Die den Gegenstand dieser Bestimmung bildenden Meeresgebiete sind Schutzgebiete, die in der Regel als „Marine Protected Areas“ (MPAs) bezeichnet werden. Wie der schifffahrtsbezogene Spezialfall Art. 211 Abs. 6 SRÜ verdeutlicht, treffen bei der Ausweisung von MPAs umweltpolitische Interessen einerseits und nutzungspolitische Interessen andererseits aufeinander. Problematisch ist insbesondere, inwiefern der Schiffsverkehr in solchen Gebieten reguliert oder gar ausgeschlossen werden kann.
95 I. E. wie hier Kirgis, Shipping, in: Schachter/Joyner (Hrsg.), United Nations Legal Order, Vol. 2, 1995, S. 715 (735–737).
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Die im Zusammenhang mit MPAs auftretenden Fragen sind im Hinblick auf den Nordostatlantik praktisch überaus relevant, weil zum einen die EGMitgliedstaaten nach den Vorschriften der FFH-Richtlinie europarechtlich zur Ausweisung von Schutzgebieten, ggf. auch für Meeressäugetiere, verpflichtet sein werden96, zum anderen die OSPAR-Mitgliedstaaten bereits rd. 100 Meeresschutzgebiete nach nationalem Recht ausgewiesen haben. Auch die im Jahre 1998 in Sintra/Portugal angenommene Anlage V OSPAR-Ü über den Schutz und die Erhaltung der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt des Meeresgebiets spricht Schutzgebietsaspekte an97. Zu erwähnen ist schließlich das Rio-Ü98, das in Art. 8 lit. a die Ausweisung von Schutzgebieten fordert. Insofern steht zu befürchten, dass künftig Widersprüche zwischen den verschiedenen Verpflichtungen hinsichtlich der Zulässigkeit von MPAs auftreten. Zur Klärung der völkerrechtlichen Seite dieses Problems ist Art. 211 Abs. 6 SRÜ – die einzige Bestimmung des SRÜ, die auf das Schutzgebietsproblem eingeht – geeigneter Ansatzpunkt. Art. 211 Abs. 6 lit a SRÜ spricht von „bestimmten, genau bezeichneten Gebieten“, in denen es „erforderlich ist, besondere obligatorische Maßnahmen zur Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe zu ergreifen“; in Art. 211 Abs. 6 SRÜ geht es also nur um die Verschmutzung durch Schiffe. Allerdings sind MPAs begrifflich nicht auf die den Gegenstand der Bestimmung bildenden Gebiete beschränkt. Vielmehr reicht die Bandbreite denkbarer Meeresschutzgebiete von umfassenden Gebieten, Gebieten also, in denen jede menschliche Aktivität untersagt ist, bis zu lediglich partiell schutzbezogenen Nutzgebieten. Eine allgemeine Definition ist insofern schwierig. Denkbar weit versteht etwa die World Conservation Union (IUCN), ein internationales Umweltforum, das mit der World Commission on Protected Areas (WCPA) ein globales Schutzgebietsnetzwerk unterhält, unter MPA „any area of intertidal or subtidal terrain, together with its overlying water and associated flora, fauna, historical and cultural features, which has been reserved by law or other effective means to protect part or all of the enclosed environment“99
und unterscheidet sechs Gebietskategorien100. Im Einzelfall problematisch ist vor allem die Zulässigkeit ersterer, umfassender Kategorie. Die vom 96
Dazu siehe u. Dritter Teil, Kapitel 3, I. 3. a) m. w. N. Dazu siehe u. Kapitel 3, I. 5. 98 Siehe die in Fn. 22 angegebene Fundstelle. 99 Kelleher/Kenchington, Guidelines for Establishing Marine Protected Areas, 1991, S. 2. 100 IUCN (Hrsg.), Guidelines for Protected Area Management, Categories, 1994: Category I Protected area managed mainly for science or wilderness protection (Strict Nature Reserve/Wilderness Area); Category II Protected area managed mainly for ecosystem protection and recreation (National Park); 97
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Völkerrecht gezogenen Grenzen hängen primär davon ab, in welcher Meereszone des SRÜ im konkreten Fall ein Schutzgebiet ausgewiesen werden soll. Immerhin ergibt sich offenbar aus Art. 194 Abs. 5 SRÜ i.V. m. Art. 194 Abs. 1 SRÜ, dass die Ausweisung eines Schutzgebietes – eine denkbare erforderliche Maßnahme im Sinne von Art. 194 Abs. 5 SRÜ – in keiner Meereszone von vorne herein unzulässig ist101, wenn auch grundsätzlich unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit den Vorgaben des SRÜ steht102. Bei alledem wird schon die Frage nach dem Sinn und Zweck der Ausweisung von MPAs nicht einheitlich beantwortet. Während NGOs ein ganzes Netzwerk von Schutzgebieten auch und gerade im Nordostatlantik fordern103, wird andernorts zu Recht geltend gemacht, dass MPAs vor der quantitativ größten Verschmutzungsart, der Verschmutzung vom Lande aus, keinerlei Schutz bieten104. Auch wird zum Teil übersehen, dass die Meeresnutzung selbst ein zu schützendes Rechtsgut darstellt. Kritische Stimmen, bezogen auf Hohe See-MPAs, gipfeln in dem Vorwurf, hinter der Forderung nach Einrichtung eines Schutzgebietsnetzwerks stünden letztlich weniger meeresschutzbezogene Überlegungen denn Tendenzen zu einer Ausweitung küstenstaatlicher Hoheitsrechte mit Bezug auf die Ausbeutung der natürlichen Meeresressourcen; die Ausweisung von MPAs sei insofern Ausdruck eines neuen creeping jurisdiction-Prozesses105. Mag letzteres auch übertrieben erscheinen, ist die Category III
Protected area managed mainly for conservation of specific natural features (Natural Monument); Category IV Protected area managed mainly for conservation through management intervention (Habitat/Species Management Area); Category V Protected area managed mainly for landscape/seascape conservation and recreation (Protected Landscape/Seascape); Category VI Protected area managed mainly for the sustainable use of natural ecosystems (Managed Resource Protected Area). 101 Siehe Scovazzi, Marine Specially Protected Areas under International Law, in: ders. (Hrsg.), Marine Specially Protected Areas, 1999, S. 17 (23); Czybulka, NuR 21 (1999), S. 562 (564 ff.); Janssen, Die rechtlichen Möglichkeiten der Einrichtung von Meeresschutzgebieten in der Ostsee, 2002, S. 72 („Rechtsgrundlage“). Skeptisch Jarass, Naturschutz in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, 2002, S. 30. Zu Art. 194 Abs. 5 SRÜ siehe noch näher u. II. 102 Vgl. Art. 194 Abs. 1 SRÜ. Vgl. auch UN Doc. A/CONF. 199/20, Report of the World Summit on Sustainable Development, Resolution 2, Plan of Implementation of the World Summit on Sustainable Development, 4 September 2002, 26, para. 32 (c): „[. . .] the establishment of marine protected areas consistent with international law [. . .]“ (Hervorhebung hinzugefügt). 103 Vgl. etwa WWF (Hrsg.), Developing a Framework for Marine Protected Areas in the North-East Atlantic, 2000. 104 Siehe Kotliar, Marine Protected Areas on the High Seas (Some Legal Aspects), in: Thiel/Koslow (Hrsg.), Managing Risks to Biodiversity and the Environment on the High Seas, Including Tools such as Marine Protected Areas, 2001, S. 143 (147). 105 So etwa Platzöder, The United Nations Convention on the Law of the Sea and Marine Protected Areas on the High Seas, in: Thiel/Koslow (Fn. 104), S. 137 (139).
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vielfach ausgesprochene Forderung, bis 2010 seien mindestens 10% der weltweiten Meeresoberfläche in einem Schutzgebietsnetzwerk zu erfassen106, nicht unproblematisch, schon angesichts der verschiedenen Faktoren107, die bei Schutzgebietsausweisungen zu berücksichtigen sind, und eingedenk der verschiedenen MPA-Kategorien nicht. So könnten die primär betroffenen Schifffahrtsnationen ihre Zustimmung zu entsprechenden Maßnahmen versagen. Auch umweltpolitisch ist die Ausweisung von MPAs nur sinnvoll, soweit sie dem Schutz gefährdeter Arten, die über ein hohes Maß an Sesshaftigkeit verfügen, sowie dem Schutz ihrer Habitate zu dienen bestimmt sind. Dabei fragt sich allerdings, welche rechtlichen Grenzen das SRÜ der Ausweisung solcher MPAs setzt.
Mit Bezug auf die inneren Gewässer und das Küstenmeer ist die Ausweisung von MPAs insofern unproblematisch, als sich die Schutzgebiete innerhalb der küstenstaatlichen Aquitorien befinden. Der Küstenstaat kann dort grundsätzlich frei über die Einrichtung von MPAs entscheiden. Im Küstenmeer ist seine aquitoriale Souveränität jedoch durch das Recht der friedlichen Durchfahrt begrenzt. Zwar kann er gemäß Art. 21 Abs. 1 SRÜ zur „Erhaltung der lebenden Ressourcen des Meeres“ (lit. d) und zum „Schutz der Umwelt [und zur] Verhütung, Verringerung und Überwachung ihrer Verschmutzung“ (lit. f) Regelungen über die friedliche Durchfahrt treffen. Auch besteht gemäß Art. 22 Abs. 1 SRÜ die Möglichkeit, Schifffahrtswege für die friedliche Durchfahrt festzulegen, dies freilich – trotz des zwischen Schiffssicherheit und Umweltschutz bestehenden Zusammenhangs108 – nur dort, „wo es die Sicherheit der Schifffahrt erfordert“, nicht aber, soweit es der Meeresschutz als solcher erfordert109. Vollständig aussetzen kann der Küstenstaat das Durchfahrtsrecht indes nur dann, wenn die Durchfahrt unfriedlich ist, wobei der Schutz der Meeresumwelt im diesbezüglich einschlägigen (und abschließenden)110 Art. 19 Abs. 2 SRÜ unter lit. h genannt wird. Hiernach gilt die Durchfahrt eines fremden Schiffes als unfriedlich, wenn das Schiff „eine vorsätzliche schwere Verschmutzung entgegen diesem Übereinkommen“ vornimmt, wobei die engen Voraussetzungen (Vorsatz!) im Einzelfall erfüllt sein müssen. Ein Verstoß gegen die in Art. 21 Abs. 1 SRÜ genannten Maßnahmen des Küstenstaats macht die Durchfahrt demgegenüber nicht unfriedlich, sondern berechtigt den Küstenstaat ledig106
Nachweise bei WWF (Hrsg.), Marine Protected Areas, 1998, S. 37 f. Zu ökonomischen Faktoren vgl. etwa Farrow, MP 20 (1996), S. 439 ff. 108 Siehe o. Erster Teil, Kapitel 2, II. 1. sowie Kapitel 3, II. 4. 109 Vgl. Nordquist/Nandan/Rosenne (Fn. 94), Vol. II, S. 211, para. 22.8 (a); Spadi, ODIL 31 (2002), S. 285 (289). Daneben muss der Küstenstaat bei der Ausweisung der Schifffahrtswege und Verkehrstrennungsgebiete die Empfehlungen der IMO berücksichtigen (vgl. Art. 22 Abs. 3 lit. a SRÜ). 110 Vgl. das – rechtlich unverbindliche – Joint Statement of the Union of Soviet Socialist Republics and the United States, Uniform Interpretation of Rules of International Law Governing Innocent Passage (ILM 28 [1989], 1444 ff.), para. 3: „exhaustive list“. 107
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lich zur Verfolgung des Rechtsverstoßes nach innerstaatlichem Recht111. Ausnahmsweise ist der Küstenstaat gemäß Art. 220 Abs. 2 SRÜ zur Unterbindung der (nach wie vor) friedlichen Durchfahrt eines Schiffes befugt, wenn „eindeutige Gründe für die Annahme [bestehen], daß [das] Schiff während seiner Durchfahrt durch das Küstenmeer gegen die in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen erlassenen Gesetze und sonstigen Vorschriften dieses Staates oder gegen anwendbare internationale Regeln und Normen zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Schiffe verstoßen hat“.
Auch diese Bestimmung ist aber einzelfallbezogen, so dass die Durchfahrt durch eine im Küstenmeer gelegene MPA nur dann grundsätzlich ausgeschlossen werden kann, wenn der Küstenstaat zulässigerweise Schifffahrtswege ausgewiesen hat. Mit Blick auf Meeresschutzgebiete, die in der aWZ ausgewiesen werden sollen, ist die Rechtslage, oberflächlich betrachtet, vergleichbar. Zwar verfügen die Küstenstaaten in dieser Meereszone lediglich über funktional begrenzte Rechte, d. h. sie können nur diejenigen Rechte ausüben, die ihnen vom geltenden Völkerrecht übertragen werden. Allerdings sind sie gemäß Art. 192 ff. SRÜ zonenübergeifend, also auch und gerade bezüglich ihrer aWZen, zum Meeresschutz verpflichtet. Letzteres wird durch Art. 56 Abs. 1 SRÜ konkretisiert, wonach die Küstenstaaten „Hoheitsbefugnisse [. . .] [unter anderem] in Bezug auf den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt“ (lit. b, iii) innehaben. Daneben sind sie gemäß Art. 61 Abs. 2 SRÜ zur Erhaltung der lebenden Ressourcen verpflichtet und müssen diesbezüglich „geeignete Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen“ treffen. Demnach ist die Ausweisung von Schutzgebieten in der aWZ offenbar ebensowenig grundsätzlich unzulässig wie im Küstenmeer. Indes: Die meeresschutzbezogenen Hoheitsrechte der Küstenstaaten unterliegen ihrerseits den Grenzen des Völkerrechts: „Alle Staaten, ob Küsten- oder Binnenstaaten, genießen in der ausschließlichen Wirtschaftszone vorbehaltlich der diesbezüglichen Bestimmungen dieses Übereinkommens die in Artikel 87 genannten Freiheiten der Schiffahrt, des Überflugs und der Verlegung unterseeischer Kabel und Rohrleitungen sowie andere völkerrechtlich zulässige, mit diesen Freiheiten zusammenhängende Nutzungen des Meeres, insbesondere im Rahmen des Einsatzes von Schiffen und Luftfahrzeugen sowie des Betriebs unterseeischer Kabel und Rohrleitungen, die mit den anderen Bestimmungen des Übereinkommens vereinbar sind“ (Art. 58 Abs. 1 SRÜ).
Eine „diesbezügliche Bestimmung“ im Sinne von Art. 58 Abs. 1 SRÜ ist der bereits erwähnte Art. 211 Abs. 6 SRÜ, wonach der Küstenstaat in einem bestimmten Gebiet seiner aWZ zwar strengere Regeln hinsichtlich 111
Brown, The International Law of the Sea, Vol. I, 1994, S. 57, 59.
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der Meeresverschmutzung durch Schiffe erlassen, nicht aber einseitig Meeresschutzgebiete festlegen kann112. Der Küstenstaat kann lediglich einen entsprechenden Vorschlag an die IMO richten, die dann über die Erforderlichkeit der Ausweisung entscheidet. Auch im Rahmen der anschließend erlassenen Maßnahmen ist er gemäß Art. 211 Abs. 6 lit. a SRÜ an die Vorgaben der IMO gebunden: „Entscheidet die Organisation in diesem Sinne, so kann Gebiet zur Verhütung, Verringerung und Überwachung Schiffe Gesetze und sonstige Vorschriften erlassen, die für Sondergebiete zugelassenen internationalen Regeln fahrtsgebräuchen Wirksamkeit verleihen“.
der Küstenstaat für dieses der Verschmutzung durch den von der Organisation und Normen oder Schiff-
Die IMO hat nun zwar Kriterien für die Ausweisung und Ausgestaltung von „Special Areas“ sowie „Particularly Sensitive Sea Areas“ (PSSAs) geschaffen113; diese MPA-Kategorien stimmen aber, obgleich auf die Verschmutzung durch Schiffe bezogen, nicht mit den Sondergebieten im Sinne von Art. 211 Abs. 6 lit. a SRÜ überein114. Während das „Special Areas“Konzept von vorne herein nicht auf dem SRÜ beruht, sondern auf den Bestimmungen von MARPOL115, kann eine PSSA unter weniger strengen Voraussetzungen als ein Schutzgebiet im Sinne von Art. 211 Abs. 6 SRÜ ausgewiesen werden116. Weiterhin findet das in Art. 211 Abs. 6 lit. c SRÜ niedergelegte Recht des Küstenstaates, „zusätzliche Gesetze und sonstige Vorschriften zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Schiffe zu erlassen“, im IMO-Recht keine Entsprechung. Schließlich sind jene IMO-Schutzgebietsarten in räumlicher Hinsicht nicht auf die aWZ begrenzt117. Die IMO ist deshalb aufgefordert, spezifische, unmittelbar auf Art. 211 Abs. 6 lit. a SRÜ bezogene Kriterien zu entwickeln 112 Siehe o. 2. Vgl. auch Merialdi, Legal Restraints on Navigation in Marine Specially Protected Areas, in: Scovazzi (Fn. 101), S. 29 (34). 113 Vgl. IMO Doc. A 22/Res.927, Resolution A.927(22), Guidelines for the Designation of Special Areas under MARPOL 73/78 and Guidelines for the Identification and Designation of Particularly Sensitive Sea Areas, 15 January 2002. 114 Vgl. IMO Doc. MEPC 43/6/2, Identification and Protection of Special Areas and Particularly Sensitive Sea Areas, 31 March 1999, 7 ff., paras. 26 ff.; Merialdi (Fn. 112), S. 34; Janssen (Fn. 101), S. 254. 115 Dazu siehe u. Kapitel 2, I. 1. a). 116 Art. 211 Abs. 6 lit. a SRÜ verlangt das kumulative Vorliegen der Ausweisungsvoraussetzungen: „[. . .] aus anerkannten technischen Gründen im Zusammenhang mit den ozeanographischen und ökologischen Verhältnissen dieses Gebiets, mit seiner Nutzung oder dem Schutz der Ressourcen und mit der besonderen Art des Verkehrs [. . .]“ (Hervorhebung hinzugefügt). 117 IMO Doc. A 22/Res.927, Resolution A.927(22), Guidelines for the Designation of Special Areas under MARPOL 73/78 and Guidelines for the Identification and Designation of Particularly Sensitive Sea Areas, 15 January 2002, 3, para. 2.2; 8, para. 4.3.
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bzw. die vorhandenen Kriterien den Anforderungen von Art. 211 Abs. 6 lit. a SRÜ anzugleichen118, andernfalls der Bestimmung auch künftig keine eigenständige Bedeutung zukommen wird. Den vollständigen Ausschluss der Schifffahrt innerhalb einer MPA sehen freilich auch die IMO-Kriterien nicht vor. Innerhalb der aWZ können mithin nur solche Schutzgebiete ausgewiesen werden, die den Rahmen der den Staaten ausdrücklich zugewiesenen, funktional begrenzten Rechte nicht sprengen119. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn zwei oder mehr SRÜ-Vertragsparteien die Ausweisung einer MPA vereinbaren, in der die Schifffahrt vollständig ausgeschlossen wird. In diesem Fall sind nur die Parteien dieser Vereinbarung an die strengeren Regeln gebunden120. Art. 234 SRÜ betrifft einen Sonderfall. Nach dieser Vorschrift kann ein Küstenstaat in den eisbedeckten Gebieten seiner aWZ – im Hinblick auf den Nordostatlantik ist hier an Island und Norwegen zu denken – unter den genannten Voraussetzungen „nichtdiskriminierende Gesetze und sonstige Vorschriften zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Meeresverschmutzung durch Schiffe“ erlassen und insofern einseitig MPAs ausweisen. Dabei muss er freilich „die Schiffahrt sowie den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt [. . .] gebührend berücksichtigen“ (S. 2). Die Ausweisung umfassender MPAs, in denen die Schifffahrt vollständig ausgeschlossen ist, dürfte hiernach wiederum unzulässig sein. Mag der Umfang der staatlicherseits zu berücksichtigenden Schifffahrtsaspekte dem Wortlaut nach auch unklar bleiben121, ist dafür in Ansatz zu bringen, dass Art. 234 SRÜ nicht von den „Belangen der [existierenden] Schifffahrt“ spricht, sondern allgemein von der Schifffahrt als solcher. Demgegenüber dürfte die Festlegung von Schifffahrtswegen auch ohne Zustimmung der IMO den Bereich des Zulässigen nicht überschreiten. 118 Siehe auch IMO Doc. MEPC 43/6/2, Identification and Protection of Special Areas and Particularly Sensitive Sea Areas, 31 March 1999, 10, para. 40: „[. . .] the Guidelines should be re-assessed in relation to the Convention. There is a need to reconcile the concept of a MARPOL Special Area and that of a Particularly Sensitive Sea Area with ,a cearly defined area‘ under article 211, paragraph 6 of the Convention.“ 119 So auch Lagoni, NuR 24 (2002), S. 121 (127). Zu weiteren vom Küstenstaat gemäß Art. 56 Abs. 2 SRÜ zu berücksichtigenden Rechten anderer Staaten siehe Janssen (Fn. 101), S. 265–280. 120 Vgl. Art. 311 Abs. 3 SRÜ: „die Bestimmungen [. . .] dürfen die anderen Vertragsstaaten [des SRÜ] in dem Genuss ihrer Rechte oder in der Erfüllung ihrer Pflichten aus dem Übereinkommen nicht beeinträchtigen“. – Zum Problem der Schutzgebietsausweisung nach Europarecht siehe u. Dritter Teil, Kapitel 3, I. 3. a). 121 Vgl. Franckx, Vessel-source Pollution and Coastal State Jurisdiction, 2001, S. 102 f. m. w. N. Angesichts des unterschiedlichen Wortlauts kann nicht davon ausgegangen werden, dass die vom Küstenstaat erlassenen „Gesetze und sonstigen Vorschriften“ (Art. 234 SRÜ) den „allgemein anerkannten internationalen [. . .] Regeln und Normen“ (Art. 211 Abs. 5 SRÜ) bzw. „den von der Organisation für Sondergebiete zugelassenen internationalen Regeln und Normen“ (Art. 211 Abs. 6 lit. a SRÜ) entsprechen müssen. Siehe Kwiatkowska, The 200 Mile Exclusive Economic Zone in the New Law of the Sea, 1989, S. 176.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
MPAs können schließlich auf Hoher See eingerichtet werden. Das SRÜ enthält diesbezüglich zwar keine einschlägigen Bestimmungen; die Ausweisung einer MPA ist aber jedenfalls eine denkbare „erforderliche Maßnahme“ im Sinne von Art. 194 Abs. 5 SRÜ122. Freilich müssen die Schranken dieser Norm berücksichtigt werden, auf Hoher See also etwa das ius cogens-Prinzip der Freiheit der Hohen See (vgl. Art. 87 SRÜ), das seinerseits unter anderem die Freiheit der Schifffahrt umfasst. Mithin kann die Schifffahrt auch in Hohe See-MPAs nicht vollständig ausgeschlossen werden. 4. Durchsetzung und Verantwortlichkeit Den Bestimmungen, die sich auf die verschiedenen Verschmutzungsarten beziehen, stellt das SRÜ jeweils entsprechende Durchsetzungsvorgaben zur Seite (Art. 213–222 SRÜ), wobei die Verschmutzung durch Schiffe, auf die alleine vier Bestimmungen gerichtet sind, den breitesten Raum einnimmt. In materieller Hinsicht findet sich in den Art. 213 ff. SRÜ wenig Konkretes. Art. 213 SRÜ verlangt etwa, dass „die Staaten [. . .] ihre in Übereinstimmung mit Artikel 207 erlassenen Gesetze und sonstigen Vorschriften durch[setzen]“, verpflichtet indes nicht zu einer bestimmten Art und Weise der Durchsetzung. Eine Ausnahme bildet Art. 215 SRÜ. Diese der Verschmutzung durch Tätigkeiten im Gebiet gewidmete Norm verweist auf die Bestimmungen des Teils XI SRÜ. In diesem Zusammenhang ist Art. 185 SRÜ zu berücksichtigen, wonach „ein Vertragsstaat, der gegen die Bestimmungen dieses Teiles grob und beharrlich verstößt, [. . .] auf Empfehlung des Rates durch die Versammlung von der Ausübung der Rechte und Vorrechte aus seiner Mitgliedschaft suspendiert werden [kann]“ – eine Umsetzung von Wolfgang Friedmanns „sanctions of non-participation“123, die auch im Falle umweltschädigenden Verhaltens greifen können124. Art. 216 SRÜ, auf die Verschmutzung durch Einbringen bezogen, enthält eine erste Aufteilung der Durchsetzungszuständigkeiten. Das dieser Aufteilung zu Grunde liegende Konzept ist das des Einsatzes des Interessiertesten, d. h. desjenigen Akteurs, der von der Normdurchsetzung am meisten profitiert125. So ist es nur folgerichtig, dass im Hinblick auf das Einbringen im Küstenmeer, in der aWZ und auf dem Festlandsockel der Küstenstaat für die Durchsetzung der einschlägigen Schutzbestimmungen zuständig ist. Auch bezüglich der Verschmutzung durch Schiffe (Art. 211 SRÜ) wendet 122
Siehe o. im Text. The Changing Structure of International Law, 1964, S. 89 ff. 124 Vgl. Art. 145 SRÜ. 125 Vgl. etwa Ladenburger, Durchsetzungsmechanismen im Umweltvölkerrecht, 1996, S. 39 f. 123
Kap. 1: Das SRÜ – „Verfassung‘‘ des völkerrechtlichen Meeresschutzes
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sich das SRÜ nicht mehr nur an die Flaggenstaaten, sondern auch an die Hafen- (Art. 218 SRÜ) und an die Küstenstaaten (Art. 220 SRÜ); die traditionsreiche und verschärfte (vgl. Art. 217 SRÜ) Flaggenstaatsdurchsetzung wird insofern durch Hafen- und Küstenstaatsdurchsetzung ergänzt. Verfahrensrechtlich bleibt der Flaggenstaat vorrangig zuständig (vgl. Art. 228 Abs. 1 SRÜ), und auch die Art. 223 ff. SRÜ enthalten weitere Schutzbestimmungen zugunsten des Flaggenstaats – keine konkurrierende Zuständigkeit also, sondern eine partiell gestufte. Auch nach der Systematik des SRÜ steht die Durchsetzung durch Flaggenstaaten an erster Stelle. Im Unterschied zu den Art. 213–216 SRÜ legen die schifffahrtsbezogenen Art. 217 ff. SRÜ die Art und Weise der Durchsetzung im Einzelnen fest und lohnen insofern eine genauere Betrachtung. Bei alledem lässt sich einführend feststellen: Faktisch betrachtet ist „Durchsetzung“ bislang eine relative Angelegenheit. Wo kein Wille, da kein Weg, könnte man angesichts der Durchsetzungsschwäche des Völkerrechts im Allgemeinen126 und des Umweltvölkerrechts im Besonderen127 mitunter resignierend feststellen. Die Art. 213 ff. SRÜ sind, wie gezeigt, denkbar offen und weit formuliert, weichen also letztlich dem heiklen Durchsetzungsproblem aus, anstatt ihm selbstbewusst zu begegnen. Kann diesbezüglich die Beteiligung internationaler Organisationen und insbesondere die der EG Abhilfe schaffen? Auf diese Frage wird zurückzukommen sein. Mit Bezug auf die universell zuständige IMO ist festzustellen, dass sie sich mit Durchsetzungsfragen nur am Rande beschäftigt128.
a) Durchsetzung durch Flaggenstaaten Gemäß Art. 217 Abs. 1 SRÜ sind die Flaggenstaaten verpflichtet, „dass die ihre Flagge führenden oder in ihr Schiffsregister eingetragenen Schiffe die anwendbaren internationalen Regeln und Normen [. . .], sowie die Gesetze und sonstigen Vorschriften einhalten, die sie in Übereinstimmung mit diesem Überein126 Vgl. nur Schachter, International Law in Theory and Practice, 1991, S. 184; Beyerlin/Marauhn, Rechtssetzung und Rechtsdurchsetzung im Umweltvölkerrecht nach der Rio-Konferenz 1992, 1997, S. 74; Beyerlin (Fn. 28), S. 231, Rn. 460; König, ZaöRV 62 (2002), S. 1 (2); dies. (Fn. 91), S. 21. 127 Vgl. etwa Wolfrum, RdC 272 (1998), S. 9 (27); Bothe, The Evaluation of Enforcement Mechanisms in International Environmental Law – An Overview, in: Wolfrum (Hrsg.), Enforcing Environmental Standards: Economic Mechanisms as Viable Means?, 1996, S. 13 (14); Ruffert, ZUR 1993, S. 208 (212); Doehring, Völkerrecht, 1999, S. 515, Rn. 1202 f.; Ladenburger (Fn. 125), S. 3 ff.; Beyerlin (Fn. 28), S. 232, Rn. 461; Epiney/Scheyli (Fn. 60), S. 177; Stoll, Friedens-Warte 74 (1999), S. 187 ff. Zum Meeresschutz vgl. bereits UN Doc. A/RES/34/183, Marine Pollution, 18 December 1979, 7. Erwägungsgrund. 128 Vgl. ILA, London Conference (2000), Committee on Coastal State Jurisdiction Relating to Marine Pollution, Final Report, S. 7, Fn. 25, abgedruckt in: Franckx (Fn. 121), S. 75 ff. Siehe auch u. Dritter Teil, Kapitel 3, III. 1. mit Fn. 604.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
kommen erlassen haben, um die Verschmutzung der Meeresumwelt durch Schiffe zu verhüten, zu verringern und zu überwachen.“
Voraussetzung für die Erfüllung dieser Pflicht ist die Kontrolle der die eigene Flagge führenden bzw. in das Schiffsregister eingetragenen Schiffe129. Dies soll im Wesentlichen durch Mitführung der „nach den in Absatz 1 genannten internationalen Regeln und Normen erforderlich[en]“ (Abs. 3) – ein Verweis auf die Rechtsetzungstätigkeit der IMO130 – Zeugnisse und durch regelmäßige Schiffsüberprüfungen gewährleistet werden. Während der Flaggenstaat früher in der Wahl der Durchsetzungsmittel in aller Regel frei war131, wird in Abs. 2 nunmehr beispielhaft („insbesondere“) die Pflicht erwähnt, das Auslaufen eines Schiffes zu verbieten, falls die in Abs. 1 genannten Regeln und Normen nicht eingehalten wurden. Daneben muss der Flaggenstaat Untersuchungen durchführen, bezüglich derer er um die Hilfe jedes anderen Staates ersuchen kann (Abs. 5). Ggf. muss er ein Verfahren einleiten (Abs. 4). Wird der Flaggenstaat bezüglich eines seiner Schiffe von einem anderen Staat schriftlich um Hilfe ersucht (Abs. 6), ist er diesem gegenüber sowie gegenüber der IMO hinsichtlich der von ihm getroffenen Maßnahmen auskunftspflichtig (Abs. 7), mit anderen Worten: er muss Farbe bekennen. Abs. 8 greift schließlich auf die innerstaatliche Ebene aus: Strafen, die der Flaggenstaat im Falle des Verstoßes gegen einschlägige Schutzbestimmungen verhängt, müssen über hinreichend abschreckende Wirkung verfügen. Trotz dieser mit dem SRÜ eingeführten Verschärfungen ist die primäre Zuständigkeit der Flaggenstaaten nach wie vor wesentliche Ursache jenes bereits in allgemeiner Form angesprochenen Durchsetzungsdilemmas. Im Unterschied zum Küsten- und zum Hafenstaat verfügt der Flaggenstaat in der Regel nicht über ein unmittelbares (wirtschaftliches) Interesse an der 129 UN Doc. A/56/58, Oceans and the Law of the Sea, Report of the SecretaryGeneral, 9 March 2001, 32, para. 154. – Der überkommene Begriff „Flaggenstaat“ ist insofern missverständlich, als gemäß Art. 91 Abs. 1 SRÜ „jeder Staat [. . .] die Bedingungen fest[legt], zu denen er Schiffen seine Staatszugehörigkeit gewährt, sie in seinem Hoheitsgebiet in das Schiffsregister einträgt und ihnen das Recht einräumt, seine Flagge zu führen.“ Zwar wird die Staatszugehörigkeit eines Schiffes in der Regel über die Flagge vermittelt (vgl. Art. 91 Abs. 1 S. 2 SRÜ); aus konkretisierenden bzw. abweichenden innerstaatlichen Regelungen kann sich gegenüber den Vertragsparteien des SRÜ, d. h. mit Außenwirkung, aber etwas anderes ergeben (missverständlich Núñez-Müller, Die Staatszugehörigkeit von Handelsschiffen im Völkerrecht, 1994, S. 174). So kann das Recht eines Schiffes, die Flagge zu führen, nach innerstaatlichem Recht etwa unmittelbar aus dem Akt der Registrierung folgen. Vgl. The „Grand Prince“ (Belize v. France), 28 f., para. 83: http://www. itlos.org/case_documents/2001/document_en_88.pdf. 130 Siehe o. 2. 131 Vgl. Boyle (Fn. 85), S. 363; Nordquist/Rosenne/Yankov (Fn. 34), S. 242, para. 217.1.
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Erhaltung der Meeresumwelt – er selbst ist ja meistens nicht von den Verschmutzungen betroffen – und wird deshalb oft die mit der Durchsetzung einhergehenden Kosten scheuen. Der Grundsatz von der Personalunion von schädigendem und schützendem Staat dürfte nach den Erfahrungen der Praxis als gescheitert bezeichnet werden können. Weder der Vorwurf der Vertragsbrüchigkeit noch das Institut der Staatenverantwortlichkeit haben der mangelhaften Durchsetzungsmotivation der Flaggenstaaten aufhelfen können. Deshalb ist die Durchsetzung durch Küsten- und Hafenstaaten besonders bedeutsam. b) Durchsetzung durch Küstenstaaten Die International Law Association (ILA), eine internationale NGO und unter anderem der Weiterentwicklung des Völkerrechts verschrieben132, hat sich vor kurzem mit der küstenstaatlichen Durchsetzung der schifffahrtsbezogenen SRÜ-Normen beschäftigt133, Indiz für den Umstand, dass die Implementierung134 jener Durchsetzungsbefugnisse, die von der Informationsbeschaffung zwecks Erleichterung der Hafenstaatkontrolle135 bis zum Recht des Küstenstaates reichen, ein im Küstenmeer oder in der aWZ fahrendes Schiff zurückzuhalten (vgl. Art. 220 Abs. 6 SRÜ), nach wie vor überaus problematisch ist. Das SRÜ begegnet den Gefahren für die Schifffahrtsfreiheit mit je nach Meereszone und Gefährdungsintensität gestaffelten Anforderungen an die Beweiserbringung und an das Ausmaß der drohenden Schäden (vgl. Art. 220 Abs. 3–6 SRÜ). Die diesbezüglich einschlägigen Tatbestandsvoraussetzungen („eindeutige Gründe“; „eindeutiger objektiver Beweis“; „erhebliche Verschmutzung“; „schwere Schäden“) sind freilich ihrerseits auslegungsbedürftig und eröffnen dem Küstenstaat einen weiten Einschätzungsspielraum. Auch birgt der Verweis auf die „anwendbaren in132 Vgl. para. 3.1 des ILA-Statuts (http://www.ila-hq.org/html/layout_about.htm): „The objects of the Association include the study, elucidation and advancement of international law, public and private, the study of comparative law, the making of proposals for the solution of conflicts of law and for the unification of law, and the furthering of international understanding and goodwill.“ 133 Vgl. ILA (Fn. 128), S. 6 ff. 134 Der Begriff „Implementierung“ erfasst die nach innerstaatlichem Recht zur Umsetzung völkerrechtlicher Pflichten getroffenen Maßnahmen; siehe Loibl, Compliance with International Environmental Law, in: Benedek/Isak/Kicker (Hrsg.), Development and Developing International and European Law, FS für Ginther, 1999, S. 263 (265). 135 Vgl. Art. 220 Abs. 3 SRÜ: „[. . .] so kann dieser Staat das Schiff auffordern, Angaben über seine Identität und seinen Registerhafen, seinen letzten und nächsten Anlaufhafen und andere sachdienliche Angaben zu machen, die erforderlich sind, um festzustellen, ob ein Verstoß erfolgt ist“ (Hervorhebung hinzugefügt).
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
ternationalen Regeln und Normen“ (Abs. 1, 2, 3) angesichts seiner mangelnden Konkretheit ein gewisses Missbrauchspotential136. Faktisch betrachtet lässt sich ein Durchsetzungsinteresse der Küstenstaaten nicht leugnen. Die Küstenstaaten sind in der Regel die von der Verschmutzung durch Schiffe primär Betroffenen, also die Interessiertesten. Dieser Gedanke wird von Art. 221 Abs. 1 SRÜ aufgegriffen, der das völkervertrags-137 und völkergewohnheitsrechtlich138 geltende (Interventions-) 136
Vgl. Churchill/Lowe (Fn. 31), S. 349; Wilkens, Rechtsregeln zur Vermeidung von Tankerunfällen, zur Schadenseindämmung und zur Schadensregulierung, 1994, S. 72 ff.; Lagoni, AVR 26 (1988), S. 261 (339 f.): „Rechtsgrundverweisung“. 137 Vgl. das Internationale Übereinkommen vom 29. November 1969 über Maßnahmen auf Hoher See bei Ölverschmutzungsunfällen (BGBl. 1975 II, S. 137 ff.), einschließlich des Protokolls vom 2. November 1973 (BGBl. 1985 II, S. 593). Dem Übereinkommen sind bislang 78 Staaten beigetreten, dem Protokoll 44. 138 Völkergewohnheitsrechtlich ist ein Interventionsrecht des Küstenstaates nur im Falle einer Selbstverteidigungssituation oder einer Notstandslage vorstellbar. Als Großbritannien im Jahre 1967 den außerhalb des britischen Küstenmeers havarierten Supertanker Torrey Canyon bombadierte, um das im Wrack verbliebene Öl in Brand zu setzen, wurde dies zum Teil als Akt der Selbstverteidigung interpretiert (vgl. Stansfield, EPIL IV [2000], S. 867). Freilich fehlte es diesbezüglich an einem bewaffneten Angriffs Liberias, unter dessen Flagge die Torrey Canyon fuhr (Caflisch, RBDIP 8 [1972], S. 7 [20]; Wilkens [Fn. 136], S. 157; unentschieden Abecassis, Oil Pollution from Ships, 1978, S. 86). Im Rahmen der International Law Commission (ILC) wurde der Torrey Canyon-Sachverhalt wiederholt als Beispiel für eine Notstandslage herangezogen (vgl. YBILC 1980 II, Addendum to the Eighth Report on State Responsibility, 13, 28; UN Doc. A/56/10, Report of the International Law Commission of its Fifty-third Session, 23 April-1 June, 2 July-10 August 2001, 199 [Commentary on Art. 25 Draft Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts]: http://www.un.org/law/ilc/reports/2001/2001report. htm). Die Grenzen zulässiger Eingriffe im Falle von Umweltnotstandslagen sind indes problematisch, zumal dann, wenn sich die Eingriffe in der Anwendung militärischer Gewalt manifestieren (vgl. ebd., 205 [Commentary on Art. 25 Draft Articles]; Partsch, Selbsterhaltungsrecht, in: Strupp/Schlochauer [Hrsg.], Wörterbuch des Völkerrechts, 3. Bd., 2. Aufl. 1962, S. 255 [259]; Nettesheim, AVR 34 [1996], S. 168 [180]; Tomuschat, EuGRZ 28 [2001], S. 535 [539]. Zu Ausnahmen siehe Brownlie, International Law and the Use of Force by States, 1963, S. 376). Stets besteht eine Missbrauchsgefahr. Dem Fall der Torrey Canyon lag freilich eine Ausnahmesituation zu Grunde, in der es an der Ausübung von Gewalt im Sinne von Art. 2 Nr. 4 UNCharta gefehlt haben dürfte. Zwar bedeutet der Angriff auf ein in internationalen Gewässern fahrendes Schiff grundsätzlich einen Verstoß gegen das Gewaltverbot (vgl. Nettesheim, a. a. O., S. 179; Hailbronner, Die Grenzen des völkerrechtlichen Gewaltverbots, in: BDGVR 26 [1986], S. 49 [69]; a. A. Lagoni, Gewaltverbot, Seekriegsrecht und Schifffahrtsfreiheit im Golfkrieg, in: Fürst/Herzog/Umbach, FS für Zeidler, Bd. 2, 1987, S. 1833 [1840]). Da die havarierte Torrey Canyon jedoch ohnehin verloren war, fehlte es hier schon faktisch an einer Beeinträchtigung der Schifffahrtsfreiheit des Flaggenstaates Liberia. Liberia hatte auch nicht gegen die Bombadierung des Schiffes protestiert, Indiz für ein konkludent erteiltes Einverständnis.
Kap. 1: Das SRÜ – „Verfassung‘‘ des völkerrechtlichen Meeresschutzes
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Recht der Küstenstaaten bestätigt, außerhalb des Küstenmeers „Maßnahmen zu ergreifen und durchzusetzen, um ihre Küste oder damit zusammenhängende Interessen, einschließlich der Fischerei, vor tatsächlicher oder drohender Verschmutzung infolge eines Seeunfalls oder damit zusammenhängender Handlungen zu schützen“. Angesichts bestehender Wechselwirkungen mit der Schifffahrtsfreiheit überrascht es nicht, dass Art und Umfang der küstenstaatlichen Durchsetzungsbefugnisse mittelbar auch vor dem ISGH eine Rolle spielen. Fünf der acht bislang materiell entschiedenen Fälle lagen Schiffsfreigabeverfahren im Sinne von Art. 292 SRÜ zu Grunde139. Zwar beruhten die Schiffsfestsetzungen jeweils nicht auf Art. 220 Abs. 6 SRÜ, sondern auf Art. 73 Abs. 1 SRÜ, wonach „der Küstenstaat [. . .] bei der Ausübung seiner souveränen Rechte zur Erforschung, Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden Ressourcen in der ausschließlichen Wirtschaftszone die erforderlichen Maßnahmen einschließlich [. . .] des Festhaltens [. . .] ergreifen [kann], um die Einhaltung der von ihm in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen erlassenen Gesetze und sonstigen Vorschriften sicherzustellen“. Gleichwohl ist Art. 220 Abs. 6, 7 SRÜ, wie der ISGH selbst betonte140, eine mit Art. 73 Abs. 1, 2 SRÜ verwandte Bestimmung. Auf die Umsetzung der Vorgaben von Art. 220 SRÜ im Nordostatlantik wird in den folgenden Kapiteln eingegangen. c) Durchsetzung durch Hafenstaaten Während die Durchsetzung durch Küstenstaaten im Rahmen der Aushandlung des SRÜ die von den Entwicklungsländern bevorzugte Ergänzung der Flaggenstaatszuständigkeit darstellte, befürworteten die Industrienationen mehrheitlich die Option „Durchsetzung durch Hafenstaaten“141. Sie sahen in der Zuständigkeit der Küstenstaaten eine Gefährdung ihrer Schifffahrtsfreiheit142. Die Hafenstaatszuständigkeit umgeht diese Bedenken, da sie nicht unmittelbar zu einer räumlichen Ausdehnung der staatlichen Hoheitsrechte führt. 139 The M/V „Saiga“ (No. 1) (Saint Vincent and the Grenadines v. Guinea), ITLOS Reports 1997, 4 ff.; The „Camouco“ (Panama v. France), ILM 39 (2000), 666 ff.; The „Monte Confurco“ (Seychelles v. France); The „Grand Prince“ (Belize v. France); The „Volga“ (Russian Federation v. Australia); die drei letztgenannten Entscheidungen sind unter http://www.itlos.org/start2_en.html abrufbar. 140 Vgl. The M/V „Saiga“ (No. 1) (Saint Vincent and the Grenadines v. Guinea), ITLOS Reports 1997, 4, 28. 141 Zur Entstehungsgeschichte vgl. etwa König (Fn. 91), S. 194 ff. 142 Vgl. M’Gonigle/Zacher, Pollution, Politics, and International Law, 1979, S. 233 f., 237 m. N.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
Das SRÜ spricht dem Hafenstaat zwei unterschiedliche Durchsetzungsmittel zu. Zum einen kann er Untersuchungen durchführen (sog. Hafenstaatkontrolle) und ggf. ein Verfahren wegen Einleitens aus einem Schiff eröffnen (vgl. Art. 218 SRÜ), zum anderen kann ein Schiff unter bestimmten Voraussetzungen am Auslaufen gehindert werden (vgl. Art. 219 SRÜ). Das Interessante ist die unterschiedliche Stoßrichtung: Unter den Voraussetzungen von Art. 218 Abs. 2–4 SRÜ – erforderlich ist, dass der Küstenstaat den Hafenstaat um ein Tätigwerden ersucht – handelt der Hafenstaat im Interesse des unmittelbar betroffenen Küstenstaates, d. h. als Vertreter des Interessiertesten, und auch im Rahmen des Art. 219 SRÜ beruht die Durchsetzungskompetenz im Wesentlichen auf einem Interessenzweiklang des „vertretenen“ Staates und des Hafenstaates selbst, mag Art. 219 SRÜ dem Wortlaut nach auch darauf abstellen, dass ein Schiff „die Meeresumwelt zu schädigen droht“. Mit Blick auf das Verhältnis zur Flaggen- und Küstenstaatsdurchsetzung bleibt insofern alles beim Alten. Anderes gilt aber im Rahmen von Art. 218 Abs. 1 SRÜ, wonach der Hafenstaat unter Umständen ein Verfahren wegen Einleitens aus einem Schiff auch „außerhalb der inneren Gewässer, des Küstenmeers oder der ausschließlichen Wirtschaftszone dieses Staates“, auf Hoher See also, eröffnen kann. Das Konzept vom Einsatz des Interessiertesten wird hier insoweit modifiziert, als der Hafenstaat nunmehr Einleitungsbestimmungen durchsetzen kann, deren Verletzung weder ihn noch andere Küstenstaaten räumlich unmittelbar tangiert; es stehen keine Interessen auf dem Spiel, die einem einzelnen Staat zugeordnet werden können. Wer aber ist dann der Interessierteste bzw. was ist die hinter Art. 218 Abs. 1 SRÜ stehende Durchsetzungsmotivation? Das SRÜ hat diesbezüglich das Interesse der Staatengemeinschaft an einer intakten Meeresumwelt im Visier. Angesichts des Umstands, dass die Flaggenstaaten die einschlägigen Schutzvorschriften offensichtlich nicht in hinreichendem Maße durchsetzen wollen oder können, wurde der Hafenstaat zum Sachwalter143 eines Allgemeininteresses befördert. Die erga omnes-Wirkung der allgemeinen, ihren Ausdruck in Art. 192 SRÜ findenden Verpflichtung findet so partiell ihr Pendant auf der Durchsetzungsebene144. Ge143
Vgl. nur König (Fn. 91), S. 182, 227 ff.; Ladenburger (Fn. 125), S. 167 f. Wolfrum (Fn. 42), S. 326, sieht in Art. 218 Abs. 1 SRÜ eine konsequente Fortsetzung des vom IGH im Barcelona Traction-Judikat (Fn. 40) rekurrierten Konzepts der Verpflichtungen erga omnes (offengelassen von Ragazzi [Fn. 52], S. 162). Daran ist richtig, dass die in Art. 192 SRÜ genannte allgemeine Verpflichtung, „die Meeresumwelt zu schützen und zu bewahren“, in der Tat eine Verpflichtung erga omnes darstellen dürfte, d. h. der einzelne Staat ist gegenüber der Staatengemeinschaft insgesamt zum Schutz der Meeresumwelt verpflichtet. Auf der Rechtsfolgenseite ist im Falle der Verletzung einer solchen Pflicht aber grundsätzlich jeder Staat gegenüber dem Pflichtverletzer zur Durchsetzung befugt, demgegenüber Art. 218 Abs. 1 SRÜ nur die Durchsetzung durch eine bestimmte Staatengruppe – die Hafenstaaten – regelt. Insofern besteht im Hinblick auf das hinter Art. 218 Abs. 1 SRÜ 144
Kap. 1: Das SRÜ – „Verfassung‘‘ des völkerrechtlichen Meeresschutzes
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wiss: Jene (im Übrigen noch nicht gewohnheitsrechtlich geltende) Sachwalterschaft kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Durchsetzung durch Hafenstaaten in deren freiem Ermessen steht („kann“) und ihrer Natur nach zufällig ist, zumal der Hafenstaat vor dem (freiwilligen!) Einlaufen des Schiffes in den Hafen bzw. Umschlagplatz nicht tätig werden darf (vgl. Art. 218 Abs. 1 SRÜ). Kumulativ betrachtet führen die verschiedenen Durchsetzungsansätze aber zu einem gegenüber dem souveränitätsfixierteren Alten Seerecht, das bekanntlich ausschließlich auf die Durchsetzung durch Flaggenstaaten abstellte, höheren Niveau. d) Staatenverantwortlichkeit Staatenverantwortlichkeit, genau genommen ein Instrument der Durchsetzung145, betrifft nicht die Art und Weise der Befolgung völkerrechtlicher Pflichten („Durchsetzung im engeren Sinne“), sondern die Frage nach den sich aus einem Pflichtverstoß ergebenden Rechtsfolgen. Während die Vertragsparteien die ihnen gemäß Art. 192 ff. SRÜ obliegenden Pflichten unter den dort genannten Bedingungen implementieren müssen, geht es im Rahmen der Staatenverantwortlichkeit ergänzend um Schadensbehebung, also um Reaktionen auf fehlende bzw. mangelhafte Pflichterfüllung: „It is a principle of international law that the breach of an engagement involves an obligation to make reparation in an adequate form.“146
Staatenverantwortlichkeit ist demnach „Durchsetzung im weiteren Sinne“147 – ein Mittel der Reaktion und Abschreckung zwar, aber kein Bestandteil einer Primärpflicht. Gleichwohl ist diese Durchsetzungskategorie überaus wirksam, wenn sie, wie noch für den Bereich des Europarechts zu zeigen ist148, mit obligatorischer Gerichtsbarkeit verknüpft wird. Art. 235 Abs. 1 SRÜ erfasst den Zusammenhang zwischen Meeresschutz und Staatenverantwortlichkeit: stehende Allgemeininteresse zwar eine Verwandtschaft, nicht aber bezüglich des Kreises der Durchsetzungsberechtigten. Im Übrigen reduziert Art. 218 Abs. 1 SRÜ die Anzahl der zulässigen Durchsetzungsmittel auf die beiden genannten, wohingegen im Falle der Verletzung einer Verpflichtung erga omnes jeder Staat das Recht hat, „to resort to traditional means of redress“ (Cassese [Fn. 45], S. 16). 145 Vgl. Wolfrum (Fn. 127), S. 77 ff.; Birnie/Boyle (Fn. 27), S. 181 ff., 200; Ladenburger (Fn. 125), S. 20; Epiney/Scheyli (Fn. 60), S. 178. 146 Chorzów Factory (Germany v. Poland), PCIJ, Ser. A, No. 9, 1927, 3, 21. Vgl. auch Birnie/Boyle (Fn. 27), S. 200: „Like tort law, [state responsibility] complements, but does not displace, the need for a system of environmental regulation.“ 147 Vgl. auch die Überschriften von Abschnitt 6 („Durchsetzung“) und Abschnitt 9 („Verantwortlichkeit und Haftung“) des Teils XII SRÜ. 148 Dazu siehe etwa u. Dritter Teil, Kapitel 3 I. 1. a).
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
„Die Staaten sind für die Erfüllung ihrer internationalen Verpflichtungen betreffend den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt verantwortlich. Sie haften in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht.“
Hiernach erschöpft sich die Funktion der Norm in einer Rechtsgrundverweisung auf das geltende Völkerrecht: Der Staat muss das eine Pflichtverletzung konstituierende Verhalten beenden und haftet in Übereinstimmung mit den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätzen der Staatenverantwortlichkeit149. Dabei ist zu beachten, dass Art. 235 SRÜ nur auf Verstöße gegen völkerrechtliche Verpflichtungen anwendbar ist, demgegenüber Verstöße gegen die zwecks Konkretisierung des SRÜ erlassenen innerstaatlichen Gesetze außer Betracht bleiben. Wie Art. 235 Abs. 3 SRÜ unterstreicht, liegt der Vorteil jener Verweisung in der Offenheit für Weiterentwicklungen des einschlägigen Völkerrechts. In diesem Sinne muss etwa den kürzlich von der International Law Commission (ILC) angenommenen Draft Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts150, die zum Teil geltendes Gewohnheitsrecht wiedergeben, großes Gewicht beigemessen werden. Dass die Determinierung des Umfangs der Schadensbehebung große Schwierigkeiten bereitet, wenn der frühere Zustand nicht wiederhergestellt werden kann, versteht sich von selbst. Art. 235 Abs. 3 SRÜ begegnet diesen Schwierigkeiten unter anderem mit der Normierung einer Pflicht zur Zusammenarbeit bei der Weiterentwicklung des Völkerrechts, die sich etwa im Abschluss der International Convention on Liability and Compensation for Damage in Connection with the Carriage of Hazardous and Noxious Substances vom 3. Mai 1996 (HNS-Konvention)151 manifestiert. Ähnlich 149 Zum ganzen Bussek, Schutz der Meeres vor Verschmutzung, 1993, S. 22–53. Es wird hier davon ausgegangen, dass das Vorliegen eines Schadens grundsätzlich nicht Voraussetzung für die Verantwortlichkeit eines Staates ist; vgl. dazu UN Doc. A/56/10, Report of the International Law Commission of its Fifty-third Session, 23 April-1 June, 2 July-10 August 2001, 73 (Commentary on Art. 2 Draft Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts): http://www.un.org/law/ ilc/reports/2001/2001report.htm; Rainbow Warrior (New Zealand v. France), RIAA XX, 217, 266 f.; Boyle (Fn. 85), S. 367; Beyerlin (Fn. 28), S. 273, Rn. 539; Schröder, Verantwortlichkeit, Völkerstrafrecht, Streitbeilegung und Sanktionen, in: Graf Vitzthum (Fn. 25), S. 557, Rn. 14; Wolfrum/Langenfeld, Umweltschutz durch internationales Haftungsrecht, 1999, S. 133. Art. 235 Abs. 1 SRÜ stellt ausschließlich auf die Pflichterfüllung ab. Fehlt es am Eintritt eines Schadens, kommen angesichts der erga omnes-Wirkung von Art. 192 SRÜ Unterlassungsansprüche jeder anderen Vertragspartei gegenüber dem Pflichtverletzer in Betracht. 150 Siehe die in Fn. 149 angegebene Fundstelle. 151 ILM 35 (1996), 1415 ff. Das Übereinkommen wurde bislang nur von zwei Staaten ratifiziert; bis auf weiteres wird es nicht in Kraft treten. Die Skepsis der Staaten dürfte nicht zuletzt darin begründet sein, dass die HNS-Konvention – im Unterschied etwa zum Londoner Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen vom 19. November 1976 (BGBl. 1986 II, S. 786 ff.) –
Kap. 1: Das SRÜ – „Verfassung‘‘ des völkerrechtlichen Meeresschutzes
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wie das Internationale Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden vom 29. November 1969152 behandelt die HNSKonvention allerdings nicht die Staatshaftung, sondern eine verschuldensunabhängige Verursacherhaftung des Schiffseigentümers. Die Übereinkommen sehen für den Fall, dass dieser für einen Schaden nicht eintritt bzw. eintreten kann, auch keine subsidiäre Staatshaftung vor. Die Vertragsparteien des SRÜ haben insofern über Art. 235 Abs. 3 SRÜ den Rahmen der völkerrechtlichen Staatenverantwortlichkeit verlassen und durch Individualverantwortung ergänzt – zulässigerweise, wie sich aus dem Zusammenhang der Abs. 2 und 3 ergibt. Im Übrigen kann ein Staat nach einer anerkannten Regel der Staatenverantwortlichkeit im Wege des diplomatischen Schutzes Schadensersatz für einen Staatsangehörigen fordern153, soweit der Geschädigte zuvor die innerstaatlichen Rechtsmittel erschöpft hat154. Diese Regel konkretisierend verlangt Art. 235 Abs. 2 SRÜ, dass innerhalb des beklagten Staats ein entsprechender Rechtsweg gegeben ist, wenn der entstandene Schaden von natürlichen oder juristischen Personen verursacht wurde, die seiner Gerichtsbarkeit unterstehen. Auf Schäden, die unmittelbar durch den Staat verursacht wurden, ist Art. 235 Abs. 2 SRÜ nicht anwendbar155. II. Bestandsschutz Im Unterschied zu den meeresumweltschutzbezogenen Bestimmungen des SRÜ sind die bestandsschutzbezogenen Normen nicht in einem eigenständigen, meereszonenunabhängigen Teil zusammengefasst. Zwar verpflichtet der für alle Meereszonen geltende Art. 194 Abs. 5 SRÜ die Vertragsstaaten, „die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz und zur Bewahrung seltener oder empfindlicher Ökosysteme sowie des Lebensraums gefährdeter, bedrohter oder vom Aussterben bedrohter Arten und anderer Formen der Tier- und Pflanzenwelt des Meeres“
grundsätzlich eine unbeschränkte Haftung des Schiffseigners anordnet. Zum Zusammenhang zwischen Art. 235 Abs. 3 SRÜ und der HNS-Konvention siehe Nordquist/ Rosenne/Yankov (Fn. 34), S. 414, para. 235.10(f.). 152 BGBl. 1975 II, S. 301 ff.; Protokoll vom 25. Mai 1984: BGBl. 1988 II, S. 705, 824 ff.; Protokoll vom 27. November 1992: BGBl. 1994 II, S. 1152 ff. Zum Übereinkommen und seinen Protokollen näher Wolfrum/Langenfeld (Fn. 149), S. 6 ff. 153 Mavrommatis Palestine Concessions (Greece v. United Kingdom), PCIJ, Ser. A, No. 2, 1924, 6, 12. 154 Vgl. Art. 295 SRÜ. 155 Nordquist/Rosenne/Yankov (Fn. 34), S. 413, para. 235.10(d).
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
zu ergreifen. Welche Maßnahmen im Einzelnen „erforderlich“ sind, steht freilich in ihrem Ermessen, zumal Art. 194 Abs. 5 SRÜ primär auf den Schutz der Lebensräume an sich abstellt, nicht hingegen auf den der Bestände bzw. marinen Arten. Der insofern hinter der Bestimmung stehende ökosystemare Ansatz entspricht zwar der Erkenntnis, dass der Schutz der Lebensräume ein entscheidender Faktor für die Bestands- und Artenerhaltung ist. Indes ergibt sich aus der Systematik von Art. 194 SRÜ, dass die nach Abs. 5 zu ergreifenden Maßnahmen ihrerseits unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit „mit diesen Übereinkommen“ (Abs. 1) stehen. Die Bedeutung von Art. 194 Abs. 5 SRÜ erschöpft sich demnach im Charakter einer Öffnungsklausel156, d. h. die in Teil XII SRÜ angelegten meeresschutzbezogenen Strukturprinzipien157 gelten nicht nur für den Schutz der Meeresumwelt, sondern auch und gerade für den Bestands- und den Artenschutz158, freilich in modifizierter Form: kein Vorsorgeprinzip („precautionary principle“) etwa, sondern ein Vorsorgeansatz („precautionary approach“)159. Während ein auf den Fischereisektor angewandtes Vorsorgeprinzip angesichts bestehender wissenschaftlicher Unsicherheit über Bestandsentwicklungen und -erholungen in der Regel die Verhängung von Fischereiverboten verlangen würde, führt der Vorsorgeansatz – hier verstanden als ein originär meeresschutzbezogenes Instrument – zu flexibleren Lösungsmöglichkeiten, die der ökonomischen Bedeutung der Fischerei hinreichend Rechnung tragen160. Nach der Staatenpraxis können Fischereimoratorien allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden161. Im Übrigen beinhaltet auch 156 Insofern handelt es sich nicht, wie gelegentlich behauptet, um eine Ermächtigungsnorm hinsichtlich eines ökosystemar ausgerichteten Meeresschutzes. So aber offensichtlich Janssen (Fn. 101), a. a. O. Wie hier Jarass (Fn. 101), S. 30. Kritisch zum Charakter als Öffnungsklausel Wolff, Fisheries and the Environment, 2002, S. 66. 157 Zu diesen Prinzipien siehe o. I. 1. 158 I. E. wie hier Wolfrum, The Protection of the Marine Environment after the Rio Conference: Progress or Stalemate?, in: Beyerlin (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung: Völkerrecht, Europarecht, Staatsrecht, FS für Bernhardt, 1995, S. 1003 (1009). A. A. Beyerlin (Fn. 28), S. 113, Rn. 228. Siehe auch Southern Bluefin Tuna (New Zealand v. Japan; Australia v. Japan), ITLOS Reports 1999, 280, 295. 159 Southern Bluefin Tuna (New Zealand v. Japan; Australia v. Japan), Sep. Op. Laing, ITLOS Reports 1999, 280, 305, 313; Sep. Op. Shearer, ITLOS Reports 1999, 280, 320, 326; Marr (Fn. 62), S. 821 f. Vgl. auch Art. 6 Abs. 1 SSA. Dazu näher u. Kapitel 2, II. 1. a). 160 Vgl. Southern Bluefin Tuna (New Zealand v. Japan; Australia v. Japan), Sep. Op. Laing, ILOS Reports 1999, 280, 305, 313; MacDonald, ODIL 26 (1995), S. 255 (270 f.); Wolff (Fn. 156), S. 73. Skeptisch Mascher, EPL 14 (1997), S. 70; Trouwborst (Fn. 66), S. 4–6. 161 Orrego Vicuña, The Changing International Law of High Seas Fisheries, 1999, S. 157 ff. m. w. N.
Kap. 1: Das SRÜ – „Verfassung‘‘ des völkerrechtlichen Meeresschutzes
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der Vorsorgeansatz nur dann eine Beweislastumkehr, wenn dies in einem meeresschutzbezogenen Vertrag ausdrücklich niedergelegt, der Vorsorgeansatz also entsprechend inhaltlich konkretisiert wurde162. Das SRÜ regelt die Bestandserhaltung zonenabhängig in Teil V (aWZ) und Teil VII (Hohe See). Aus dem Fehlen entsprechender Bestimmungen für das Küstenmeer, die inneren Gewässer sowie die Archipelgewässer folgt zum einen, dass die Küstenstaaten die dort vorkommenden lebenden Ressourcen grundsätzlich frei ausbeuten können163, soweit sich aus dem Völkerrecht nichts Gegenteiliges ergibt164. Zum anderen kann der Küstenstaat gemäß Art. 21 Abs. 1 lit. d SRÜ „Gesetze über die friedliche Durchfahrt durch das Küstenmeer in Bezug auf [die] Erhaltung der lebenden Ressourcen des Meeres“ erlassen, dies trotz des Umstands, dass seine Souveränität durch das Recht der friedlichen Durchfahrt eingeschränkt wird. Die fischereibezogene Souveränität des Küstenstaates ist im Küstenmeer demnach ökonomisch wie ökologisch umfassend165. Für aWZ und Hohe See beansprucht dieser Befund keine Gültigkeit. 1. Bestandsschutz in der aWZ Art. 56 Abs. 1 lit. a SRÜ spricht dem Küstenstaat zwecks „Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden und nichtlebenden natürlichen Ressourcen über dem Meeresboden, des Meeresbodens und seines Untergrunds“ souveräne Rechte zu. Konkretisiert wird diese Norm durch die Art. 61 ff. SRÜ, die zugleich nutzungs- und schutzrechtliche Aspekte berücksichtigen. So verfügt der Küstenstaat gemäß Art. 62 SRÜ zwar über exklusive Nutzungsrechte bezüglich der in seiner aWZ vorkommenden lebenden Ressourcen. Nach Art. 61 SRÜ muss er aber die zulässige Fangmenge (total allow162 Siehe die Nachweise bei Orrego Vicuña, ebd., S. 159, 161; Freestone, Implementing Precaution Cautiously, in: Hey (Hrsg.), Developments in International Fisheries Law, 1999, S. 287 (313, 317). Offengelassen in Southern Bluefin Tuna (New Zealand v. Japan; Australia v. Japan), Sep. Op. Laing, ITLOS Reports 1999, 280, 305, 314 f. Richter Laing verwies bezüglich der Frage der Beweislastumkehr auf die Entscheidung des mit der Streitigkeit hauptsächlich befassten Schiedsgerichts, das indes seine Zuständigkeit verneinte; vgl. Southern Bluefin Tuna (Australia and New Zealand v. Japan), ILM 39 (2000), 1359 (1386 ff.). Vgl. auch das vom Rat der NASCO angenommene Agreement on Adoption of a Precautionary Approach (CNL[98]46), para. 2 lit. e („appropriate placement of the burden of proof [. . .]“): http://www.nasco.org.uk/html/agreement_on_adoption_of_a_pre.html. 163 Vgl. Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 193 SRÜ; IMO Doc. MEPC 43/6/2, Marine Environment Protection Committee, Identification and Protection of Special Areas and Particularly Sensitive Sea Areas, 31 March 1999, 2, para. 4; Hey, The Fisheries Provisions of the LOS Convention, in: dies. (Fn. 162), S. 13 (20). 164 Vgl. etwa Art. 51 Abs. 1 SRÜ. 165 Siehe aber o. I. 3. zur Rechtmäßigkeit von Schutzgebietsausweisungen.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
able catch [TAC]) festlegen (Abs. 1) und durch geeignete Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen dafür sorgen, dass die Bestände nicht durch übermäßige Ausbeutung gefährdet werden (Abs. 2). Art. 62 Abs. 4 SRÜ listet Beispiele für solche Maßnahmen auf. Die Liste ist nicht abschließend („insbesondere“)166; hinsichtlich der Fragen, welche Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen im Einzelfall „geeignet“ sind, und ab welchem Zeitpunkt bzw. ab welcher Nutzungsintensität die Ausbeutung der lebenden Ressourcen „übermäßig“ ist, hat der Küstenstaat einen weiten Einschätzungsspielraum. Ferner müssen jene Maßnahmen dem Ziel dienen, den „größtmöglich erreichbaren Dauerertrag“ (Art. 61 Abs. 3 SRÜ), ein nutzungspolitischer Faktor, zu sichern. Bei der insofern erforderlichen Bestandsentwicklungsprognose sind unter anderem die „allgemein empfohlenen Mindestnormen [. . .] subregionaler, regionaler oder weltweiter Art zu berücksichtigen“ (ebd.), eine Öffnungsklausel insbesondere für das im Rahmen der Food and Agriculture Organization (FAO) entstandenen soft law („empfohlenen“)167. Gemäß Art. 62 Abs. 2 SRÜ öffnet der Küstenstaat anderen Staaten „durch Abkommen und andere Vereinbarungen“ den Zugang zum Überschuss der nach Abs. 1 zulässigen Fangmenge, wenn er nicht über „die Kapazität zum Fang der gesamten zulässigen Fangmenge“ verfügt. Diese Bestimmung hat insbesondere die Binnenstaaten im Sinne von Art. 69 SRÜ sowie die geographisch benachteiligten Staaten im Sinne von Art. 70 SRÜ im Blick. Offen bleibt, ab wann ein Küstenstaat nicht (mehr) über jene Kapazität verfügt168. Daneben ist festzustellen, dass der auf Art. 69 f. SRÜ bezogene Art. 72 SRÜ vor allem die Entwicklungsstaaten169 bevor166 Die Rechtsetzungskompetenzen des Küstenstaates sind völkerrechtlich allerdings auf Maßnahmen beschränkt, die mit den in Art. 62 Abs. 4 SRÜ beispielhaft aufgezählten Bereichen in einem sachlichen Zusammenhang stehen; vgl. Case Concerning Filleting within the Gulf of St. Lawrence (Canada v. France), RIAA XIX, 225, 257. Insoweit a. A. Churchill/Lowe (Fn. 31), S. 291 f. 167 Wolfrum/Röben/Morrison, Preservation of the Marine Environment, in: Morrison/Wolfrum (Hrsg.), International, Regional and National Environmental Law, 2000, S. 225 (233). Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang insbesondere der Code of Conduct for Responsible Fisheries vom 31. Oktober 1995 (http:// www.fao.org/fi/agreem/codecond/ficonde.asp), ein ganz unter dem Leitbild des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung stehendes (vgl. nur Art. 7.1.1 des Codes) soft law-Instrument, das sämtliche fischereibezogenen Fragen anspricht. Näher zu diesem Code etwa Orrego Vicuña (Fn. 161), S. 230 ff.; Doulman, Code of Conduct for Responsible Fisheries: Development and Implementation Considerations, in: Nordquist/Moore (Hrsg.), Current Fisheries Issues and the Food and Agriculture Organization of the United Nations, 2000, S. 307 ff. Die UN-Generalversammlung bemüht sich, dem Code größeres Gewicht zu verleihen; vgl. UN Doc. A/RES/55/8, Large-scale Pelagic Drift-net Fishing, Unauthorized Fishing in Zones of National Jurisdiction and on the High Seas, Fisheries By-catch and Discards, and other Developments, 2 May 2001, 4, para. 7. 168 Zu Interpretationsmöglichkeiten vgl. Oda, AJIL 77 (1983), S. 739 (744). 169 Vgl. Art. 69 Abs. 3; Art. 70 Abs. 4 SRÜ.
Kap. 1: Das SRÜ – „Verfassung‘‘ des völkerrechtlichen Meeresschutzes
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mundet, indem diese nicht frei über die Art und Weise der Nutzung des Überschusses bestimmen können, vielmehr auf die unmittelbare Nutzung, den Eigenverbrauch also, beschränkt werden. Schließlich muss der Küstenstaat auch die Interessen derjenigen Staaten berücksichtigen, deren Angehörige gewohnheitsmäßig in seiner aWZ gefischt haben (vgl. Art. 62 Abs. 3 SRÜ) – ein Hinweis auf die Existenz historischer Fischereirechte, deren Bedeutung sich freilich in der Pflicht des Küstenstaates erschöpft, „wirtschaftliche Störungen in [betroffenen] Staaten auf ein Mindestmaß zu beschränken“170.
Für Bestände, die nicht ausschließlich in ein und derselben aWZ vorkommen, sondern sich über die künstlich gezogenen Zonengrenzen hinweg bewegen, enthält das SRÜ Spezialbestimmungen. Sie unterscheiden sechs Bestandskategorien: Bestände, die innerhalb der aWZen mehrerer Küstenstaaten vorkommen (vgl. Art. 63 Abs. 1 SRÜ); Bestände, die sowohl innerhalb der aWZ als auch in einem seewärts an sie angrenzenden Gebiet, auf Hoher See also, vorkommen (vgl. Art. 63 Abs. 2 SRÜ, sog. Straddling Stocks); weit wandernde Arten (vgl. Art. 64 SRÜ171); Meeressäugetiere (vgl. Art. 65 SRÜ), die vom Bestandsschutz begrifflich freilich nur insoweit erfasst sind, als sie überhaupt wirtschaftlich genutzt werden; anadrome Arten, Arten also, die zum Ablaichen aus dem Meer die Flüsse hinaufwandern (vgl. Art. 66 SRÜ); katadrome Arten, d. h. Arten, die vom Süßwasser zum Laichen in das Salzwasser wandern (vgl. Art. 67 SRÜ). Im Hinblick auf die drei erstgenannten Bestandsgruppen werden der Küstenstaat sowie die Staaten, die die Bestände in den angrenzenden Räumen befischen172, im Sinne eines pactum de negotiando173 zur Zusammenarbeit bei der Bestandserhaltung und -entwicklung aufgefordert („bemühen sich“). Die Staaten sind insofern zwar verpflichtet, „not only to go through a formal process of negotiations but also to pursue them as far as possible with a view to concluding agreements“174,
nicht hingegen, tatsächlich entsprechende Übereinkünfte zu erzielen175. Aus dem Umstand, dass die anderen fischereibezogenen Bestimmungen des Teils V SRÜ gemäß Art. 64 Abs. 2 SRÜ auf die weit wandernden Arten 170
Zum europäischen Kontext siehe u. Dritter Teil, Kapitel 3, II. 2. Anlage I SRÜ enthält eine Liste der von Art. 64 SRÜ erfassten Fischspezies, darunter, kommerziell besonders bedeutsam, Thunfisch und Schwertfisch. Im Hinblick auf einige dort ebenfalls genannte Meeressäugerarten ist Art. 65 SRÜ gegenüber Art. 64 SRÜ eine mehr schutz- denn nutzungsbezogene lex specialis. 172 Das SRÜ fordert nicht, dass der Küstenstaat die betroffenen Bestände tatsächlich nutzt; die Art. 63 f. SRÜ dienen insofern nicht zuletzt dem Schutz der potentiellen Interessen des Küstenstaates bezüglich der (auch) in seiner aWZ lebenden Fischbestände. Siehe Hey (Fn. 163), S. 24. 173 Vgl. Hayashi, IJMCL 8 (1993), S. 245 (249). 174 Railway Traffic between Poland and Lithuania, PCIJ, Ser. A/B, No. 42, 1931, 107, 116. 171
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
anwendbar sind, könnte zu folgern sein, dass dies bezüglich der den Gegenstand von Art. 63 Abs. 2 SRÜ bildenden Straddling Stocks nicht gilt, fehlt es dort doch an einer Art. 64 Abs. 2 SRÜ entsprechenden Bestimmung. Im Unterschied zu Art. 63 Abs. 1 SRÜ gilt Abs. 2 auch nicht „unbeschadet der anderen Bestimmungen dieses Teils“. Gleichwohl kommt Art. 63 Abs. 2 SRÜ kein abschließender Charakter zu. Zum einen bezieht sich die dort normierte Pflicht zur Zusammenarbeit lediglich auf das an die küstenstaatliche aWZ angrenzende Hohe See-Gebiet („in dem angrenzenden Gebiet“). Zum anderen liefe andernfalls der duale, gleichsam schutz- wie nutzungspolitische Ansatz der Art. 61 ff. SRÜ gerade bezüglich der auch im Nordostatlantik176 fischereipolitisch so wichtigen Straddling Stocks leer, zumal Art. 63 Abs. 2 SRÜ dem Küstenstaat hinsichtlich des an seine aWZ angrenzenden Hohe See-Gebiets eben nicht mehr als ein Beteiligungsrecht zuspricht177. Die fehlende Konkretheit von Art. 63 Abs. 2 SRÜ hat freilich maßgeblich zum Überfischungsprozess beigetragen. Vor allem sagt die Bestimmung nichts darüber aus, welches Schutzregime für Straddling Stocks gilt, wenn zwischen den betroffenen Staaten keine Vereinbarung über die erforderlichen Maßnahmen zustande kommt178. Während in der aWZ dann Art. 61 SRÜ zur Anwendung gelangt, gilt auf Hoher See offenbar grundsätzlich179 Fischereifreiheit. 175
Ebd. Vgl. auch Lac Lanoux (Espagne v. France), RIAA XII, 281, 310. – Dahm/Delbrück/Wolfrum (Fn. 91), S. 393, merken an, dass von der gemeinsamen Bewirtschaftung nach Art. 64 Abs. 1 SRÜ, anders als nach Art. 63 Abs. 2 SRÜ, sowohl die Bestände innerhalb als auch außerhalb der Wirtschaftszonen erfasst werden. Da die Staatenpraxis dem nicht entspreche, die meisten Küstenstaaten weit wandernde Arten vielmehr in ihre Regelungs- und Durchsetzungskompetenzen einbezögen, müsse von der Entwicklung einer die Bestimmung modifizierenden gewohnheitsrechtlichen Regel ausgegangen werden. Dies erscheint zweifelhaft. Abs. 2 des Art. 64 SRÜ verweist „zusätzlich“ auf die „anderen Bestimmungen dieses Teiles“, schließt also gerade nicht aus, dass die Küstenstaaten ihre Jurisdiktion (Art. 61 f. SRÜ) innerhalb der aWZen auch auf die weit wandernden Arten erstrecken. Dem Ziel, „die Erhaltung [der weit wandernden Arten] zu gewährleisten und ihre optimale Nutzung [. . .] zu fördern“ (Art. 64 Abs. 1 SRÜ), steht diese Interpretation nicht entgegen. Im Übrigen erfasst etwa die dem Schutz der Thunfische – eine weit wandernde Art im Sinne von Art. 64 SRÜ – gewidmete ICCAT-Konvention (näher dazu u. Kapitel 3, II. 1. b)) räumlich nicht nur die Hohe See, sondern die „gesamten Gewässer des Atlantischen Ozeans und der angrenzenden Meere“ (Art. I ICCAT-Konvention). Entgegen Dahm/Delbrück/Wolfrum entspricht die Staatenpraxis mithin durchaus den Vorgaben des Art. 64 SRÜ. 176 Siehe dazu u. Kapitel 3, II. 1. Abb. 2. 177 Meseguer, AFDI 28 (1982), S. 885 (898); Jennings/Watts (Hrsg.), Oppenheim’s International Law, Vol. I (Peace), Parts 2 to 4, 9. Aufl. 1992, S. 800, § 337; Ziemer (Fn. 51), S. 46 ff. m. w. N. Weitergehend Lugten, EPL 25 (1995), S. 223 (224). 178 Davies/Redgwell, BYBIL 67 (1996), S. 199 (236); Treves, RdC 223 (1990IV), S. 9 (231); Orellana, NJIL 71 (2002), S. 55 (56); Wolff (Fn. 156), S. 64.
Kap. 1: Das SRÜ – „Verfassung‘‘ des völkerrechtlichen Meeresschutzes
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Eingedenk dessen haben sich manche Staaten, darunter Argentinien, Chile und Kanada, in der Vergangenheit dazu veranlasst gesehen, die von ihnen getroffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen in völkerrechtswidriger Weise auf die Hohe See hinaus auszudehnen180. Im Hintergrund standen freilich nicht nur meeresschutzbezogene Überlegungen: Kanada, das sich im Kabeljaukrieg zum Patron des Meeresschutzes erhob181, hatte etwa sein Monopol auf den Fang von Kabeljau – ein Straddling Stock – infolge der zunehmenden Fischereitätigkeit von Spanien und anderer europäischer Staaten in dem an die kanadische aWZ angrenzenden Hohe See-Gebiet eingebüßt. Von daher ist zu begrüßen, dass das diesbezüglich einschlägige SSA182, dem Namen nach ein „Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von Fischbeständen, die sowohl innerhalb als auch außerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszonen vorkommen (gebietsübergreifende Bestände), und von weit wandernden Fischbeständen“, am 11. Dezember 2001 in Kraft getreten ist. Inwiefern dieses Übereinkommen die Art. 63 Abs. 2, Art. 64 SRÜ tatsächlich zu konkretisieren vermag, bedarf noch näherer Untersuchung183.
Hinsichtlich der dem Schutz und der Nutzung von anadromen und katadromen Beständen gewidmeten Art. 66 f. SRÜ ist festzustellen, dass diese Normen auf die Hohe See ausgreifen und insofern die von Art. 87 Abs. 1 lit. e SRÜ gewährleistete Freiheit der Fischerei einschränken. Während die Fischerei nach anadromen Beständen – ökonomisch relevant ist vor allem die Lachsfischerei – auf Hoher See unter engen Voraussetzungen zulässig ist (vgl. Art. 66 Abs. 3 lit. a SRÜ), dürfen katadrome Arten – zu denken ist etwa an Aale – ausschließlich in den landwärts der äußeren aWZ-Grenzen gelegenen Gebieten gefischt werden (vgl. Art. 67 Abs. 2 SRÜ); im einen Fall gilt auf Hoher See demnach ein relatives Fischereiverbot, im anderen ein absolutes. Für die Bewirtschaftung ist jeweils der Küsten- bzw. Ursprungsstaat184 verantwortlich, in dessen Süßwassergebieten die Fische die maßgeblichen Teile ihrer Lebenszyklen verbringen. Hinsichtlich der Fischerei auf katadrome Arten sind auch die anderen fischereibezogenen Bestimmungen des Teils V SRÜ anwendbar185; der Küstenstaat ist mithin etwa zu 179
Vgl. Art. 116 SRÜ. Näher dazu Ziemer (Fn. 51), S. 34–38; Orellana (Fn. 178), S. 56 ff. 181 Zum Kabeljaukrieg näher u. 2. 182 Die Kurzbezeichnung „Straddling Stocks Agreement“ ist irreführend, weil das Übereinkommen nicht nur die Straddling Stocks, sondern auch und gerade die weit wandernde Arten im Sinne von Art. 64 SRÜ erfasst. Andererseits hilft die unter anderem von Ziemer vorgeschlagene Alternativbezeichnung „Fish Stocks Agreement“ ([Fn. 51], S. 20, Fn. 10) nicht weiter, da das Übereinkommen nicht alle im SRÜ unterschiedenen Bestandskategorien behandelt. Angesichts des Umstands, dass sich „Straddling Stocks Agreement“ als Kurzbezeichnung durchgesetzt hat, wird diese in vorliegender Untersuchung beibehalten. 183 Dazu siehe u. Kapitel 2, II. 184 Ursprungsstaat und Küstenstaat müssen nicht identisch sein. 185 Vgl. Art. 67 Abs. 2 SRÜ. 180
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
optimaler Nutzung und zur TAC-Festlegung verpflichtet. Mit Blick auf die anadromen Bestände verfügt der Ursprungsstaat hingegen über einen Beurteilungsspielraum („geeignete Maßnahmen“) und ist insofern nicht an das Instrumentarium des Art. 61 Abs. 1 SRÜ gebunden186 – eine Besonderheit auch deshalb, weil Art. 66 SRÜ nicht nur für die aWZ gilt, sondern alle „landwärts der äußeren Grenzen der ausschließlichen Wirtschaftszonen“ (Abs. 3 lit. a) gelegenen Meereszonen umfasst. Mangels Verweises auf die „anderen Bestimmungen dieses Übereinkommens“187 ist der Ursprungsstaat auch nicht verpflichtet, anderen Staaten Zugang zum Überschuss der ggf. („kann“) festgelegten Fangmenge zu gewähren188. Hat er eine TAC festgelegt, gilt diese für sämtliche aus seinen Flüssen stammenden Bestände, greift also auf die Hohe See aus. Freilich muss der Ursprungsstaat zuvor in Konsultationen mit Staaten treten, die wegen Art. 66 Abs. 3 lit. a SRÜ ausnahmsweise auf Hoher See fischen dürfen, weil andernfalls wirtschaftliche Störungen zu befürchten sind. Wie sich aus Art. 66 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 SRÜ ergibt, gilt das Primat der Interessen des Ursprungsstaats auch hinsichtlich anderer „geeigneter Maßnahmen“ zur Erhaltung anadromer Bestände189. In diesem Fall müssen die nach Art. 66 Abs. 3 lit. a SRÜ erforderlichen Konsultationen darauf abzielen, „Einvernehmen über die Bedingungen dieser [Hohe See-]Fischerei“ herzustellen190. Für den Fall, dass katadrome Bestände nicht nur in der aWZ des Küstenstaates vorkommen, sondern durch eine benachbarte aWZ wandern, gebietet Art. 67 Abs. 3 SRÜ – bislang ohne praktische Bedeutung – den Abschluss von Bewirtschaftungsvereinbarungen zwischen den benachbarten Küstenstaaten, demgegenüber Art. 66 Abs. 4 SRÜ für die anadromen Bestände lediglich fordert, dass die Küstenstaaten bei der Erhaltung und Bewirtschaftung zusammenarbeiten. Angesichts des Umstands, dass Art. 66 Abs. 4 SRÜ, anders als Art. 67 Abs. 3 SRÜ191, auch für Küstenmeer und innere Gewässer gilt, dürfte der weichere Charakter der in erstgenannter Bestimmung enthaltenen Verpflichtung als Zugeständnis an die unmittelbarer be186
Vgl. Orrego Vicuña (Fn. 161), S. 36. Vgl. etwa Art. 67 Abs. 2 SRÜ. 188 Vgl. Art. 66 Abs. 2 SRÜ. I. E. wie hier Churchill/Lowe (Fn. 31), S. 314. 189 Vgl. insbesondere Art. 66 Abs. 3 lit. c SRÜ: „Die [. . .] Staaten, die durch Vereinbarung mit dem Ursprungsstaat an Maßnahmen zur Erneuerung anadromer Bestände, insbesondere durch Aufwendungen zu diesem Zweck teilnehmen, werden vom Ursprungsstaat bei der Befischung der aus seinen Flüssen stammenden Bestände besonders berücksichtigt.“ Siehe auch Orrego Vicuña (Fn. 161), S. 33. 190 Dabei sind nach Art. 66 Abs. 3 lit. a SRÜ die Erhaltungserfordernisse und die Bedürfnisse des Ursprungsstaats gebührend zu berücksichtigen. 191 Vgl. den unterschiedlichen Wortlaut beider Bestimmungen: „Gewässer landwärts der äußeren Grenzen der ausschließlichen Wirtschaftszone“ (Art. 66 Abs. 4 SRÜ); „durch die ausschließliche Wirtschaftszone“ (Art. 67 Abs. 3 SRÜ). 187
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troffene aquitoriale Souveränität des Küstenstaats zu deuten sein. Werden anadrome Bestände demgegenüber (ausnahmsweise) auf Hoher See befischt, verlangt Art. 66 Abs. 5 SRÜ den Abschluss entsprechender Fischereiabkommen, „gegebenenfalls im Rahmen regionaler Organisationen“. Die Anliegerstaaten des Nordatlantiks – im Hinblick auf den Lachsfang sind vor allem die USA und Kanada betroffene Ursprungsstaaten im Sinne von Art. 66 SRÜ – haben diesem Gebot durch Abschluss des NASCO-Ü entsprochen. Die Durchsetzung der gemäß Art. 61 ff. SRÜ getroffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen obliegt, anders als auf Hoher See, den Küstenstaaten, Art. 73 SRÜ. Nach dieser Norm kann der Küstenstaat fremde Schiffe anhalten, überprüfen, festhalten und ggf. gerichtliche Verfahren ergreifen, „um die Einhaltung der von ihm [. . .] erlassenen Gesetze und sonstigen Vorschriften sicherzustellen“ (Abs. 1). Angesichts der Gewinnverluste, die einem Schiffsreeder durch das Festsetzen eines Schiffes entstehen, stellt Art. 73 Abs. 1 SRÜ den Küstenstaaten einen effektiven Durchsetzungshebel zur Verfügung. Die Rechte des Flaggenstaates werden durch Art. 73 Abs. 2 SRÜ geschützt, wonach ein festgehaltenes Schiff und seine Besatzung nach Hinterlegung einer angemessenen Kaution oder anderer Sicherheiten sofort freigegeben werden müssen. Die Interessen der Flaggenstaaten sind auch verfahrensrechtlich abgesichert. Gemäß Art. 292 SRÜ kann der Flaggenstaat eines festgehaltenen Schiffes unter anderem dem ISGH einen Antrag auf Freigabe unterbreiten. Dieses Schiffsfreigabeverfahren192 zeichnet sich durch eine verhältnismäßig kurze Prozessdauer von maximal 31 Tagen193 ab Eingang des Antrags – es handelt sich nicht um ein Verfahren der vorläufigen Anordnung194, sondern um ein Hauptsacheverfahren (!) – sowie einen stark eingeschränkten Streitgegenstand aus: Der ISGH (bzw. das von den Parteien einvernehmlich bestimmte Gericht) entscheidet ausschließlich über die Frage der Freigabe195. Der ISGH hatte sowohl über die Frage, wann eine Kaution „angemessen“ sei, als auch über die Rechtmäßigkeit der 192
Dazu Wolfrum, Verfahren zur Freigabe von Schiffen vor dem Internationalen Seegerichtshof, in: Lagoni/Paschke (Hrsg.), Seehandelsrecht und Seerecht, FS für Herber, 1999, S. 567 ff.; Treves, IJMCL 11 (1996), S. 179 ff. 193 Vgl. Art. 112 der Geschäftsordnung des Gerichtshofs: International Tribunal for the Law of the Sea (Hrsg.), Basic Texts 1998, 1999, S. 15 ff.; geänderte Fassung unter www.itlos.org/documents_publications/rules_en.pdf. Zu den Bestimmungen im Einzelnen Treves, The Rules of the International Tribunal for the Law of the Sea, in: Rao/Khan (Hrsg.), The International Tribunal for the Law of the Sea, 2001, S. 135 ff. 194 Vgl. Art. 290 SRÜ. Um die Anordnung vorläufiger Maßnahmen ging es in den Fällen The M/V „Saiga“ (No. 2) (Saint Vincent and the Grenadines v. Guinea), ITLOS Reports 1998, 22 ff.; Southern Bluefin Tuna (New Zealand v. Japan; Australia v. Japan), ITLOS Reports 1999, 280 ff., sowie The MOX Plant (Ireland v. United Kingdom), ILM 41 (2002), 405 ff.
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Festsetzung an sich bereits mehrfach zu befinden196. Die Entscheidungen sind von den betroffenen Staaten vollständig umgesetzt worden – ein positives Zeichen sowohl für die Akzeptanz des ISGH in der Staatengemeinschaft wie auch für die Durchsetzbarkeit der in der aWZ geltenden Schutzvorschriften. 2. Bestandsschutz auf der Hohen See Von den bereits genannten, auf die Hohe See ausgreifenden Normen abgesehen sind Bestandsschutzbestimmungen in Teil VII SRÜ („Hohe See“) enthalten (vgl. Art. 116–120 SRÜ). Art. 87 Abs. 1 lit. e SRÜ stellt eingangs klar, dass grundsätzlich („unter den Bedingungen des Abschnitts 2“) Fischereifreiheit, ein Unterfall der Hohe See-Freiheit, gilt; anders als in der aWZ197 besteht auf Hoher See offenbar ein Vorrang der Bestandsnutzung vor der Bestandserhaltung. Dies wird auch dadurch deutlich, dass die Art. 116 ff. SRÜ, im Unterschied zu Art. 62 Abs. 1 SRÜ, eine optimale, d. h. alle denkbaren Faktoren berücksichtigende Bestandsnutzung nicht verlangen198. Faktisch ist diese Gewichtung zu bedauern; mag sich der Großteil der weltweiten Fischereiaktivitäten auch auf die aWZen konzentrieren, haben sich die Bestandszahlen der auf Hoher See lebenden Arten nicht zuletzt aufgrund des Umstands, dass die küstennahen Zonen mancherorts vollständig leergefischt wurden, dramatisch verschlechtert. Von daher überrascht es nicht, dass der Schutz der Hohe See-Bestände in letzter Zeit in den Mittelpunkt auch des (rechts-)wissenschaftlichen Interesses gerückt ist199. Gemäß Art. 116 SRÜ gehören zu den „Bedingungen“ im Sinne von Art. 87 Abs. 1 lit. e SRÜ unter anderem die „vertraglichen Verpflichtungen“ der Vertragsparteien, etwa die aus dem SSA folgenden. Probleme entstehen, wenn Verpflichtungen aus älteren Übereinkommen (lit. a) nicht mit den einschlägigen Bestimmungen des SRÜ, also den Art. 63 Abs. 2, 64–67 195 Freilich stehen hinter dieser Frage mitunter Überlegungen von ungleich größerer Tragweite, etwa im Zusammenhang mit der Staatszugehörigkeit von Schiffen. So ermöglicht erst die Anerkennung der Antragsbefugnis von Billigflaggenstaaten ihre wenigstens marginale Kontrolle, andernfalls sie endgültig aus der „rule of law“ ausbrechen könnten. Dazu Graf Vitzthum, Die Organisation der Welt, in: Ruffert (Hrsg.), Recht und Organisation, FS für Schröder, 2003, S. 133 (149–153). 196 Siehe die in Fn. 139 genannten Fälle. 197 In systematischer Hinsicht wird der aWZ-Bestandsschutz bereits dadurch hervorgehoben, dass die fischereibezogenen Bestimmungen mit der Schutznorm Art. 61 SRÜ eröffnen, bevor Art. 62 SRÜ die Bestandsnutzung anspricht. 198 Vgl. Hey (Fn. 163), S. 23, Fn. 48; Freestone (Fn. 162), S. 301 m. w. N. 199 Vgl. nur die Untersuchungen von Burke (The New International Law of Fisheries, 1994) und Orrego Vicuña (Fn. 161) sowie den von Stokke herausgegebenen Band „Governing High Seas Fisheries“ (1998).
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SRÜ (lit. b) bzw. den Art. 117 ff. SRÜ (lit. c) in Einklang gebracht werden können200. In solchen Fällen werden die Rechte und Pflichten aus dem älteren Vertrag von denen des SRÜ verdrängt, arg Art. 311 Abs. 2 SRÜ201; Art. 237 SRÜ ist angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts („dieser Teil“) nicht anwendbar. Art. 117 SRÜ verpflichtet die Vertragsparteien, bezüglich ihrer Angehörigen „die erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung der lebenden Ressourcen der Hohen See zu ergreifen oder mit anderen Staaten zu diesem Zweck zusammenzuarbeiten“. Diese (auch gewohnheitsrechtlich geltende202) Verpflichtung wird durch Art. 118 SRÜ bezüglich der Zusammenarbeit, durch Art. 119 SRÜ bezüglich der erforderlichen Bestandserhaltungsmaßnahmen konkretisiert. Letztere Bestimmung dehnt Art. 61 SRÜ auf die Hohe See aus203. Obwohl Art. 119 SRÜ nicht verlangt, dass die Staaten, die auf Hoher See Fischerei betreiben, TACs festlegen, wird doch hinreichend deutlich, dass die Festlegung der zulässigen Fangmenge die vorrangig in Betracht zu ziehende Bestandserhaltungsmaßnahme ist204. Daneben müssen die getroffenen Maßnahmen „auf der Grundlage der besten [. . .] zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Angaben“ (lit. a) basieren. Die befischten Bestände sind ferner auf einem Stand zu erhalten, der den „größtmöglichen Dauerertrag“ (ebd.) sichert. Schließlich müssen sowohl die Bedürfnisse der Entwicklungsstaaten als auch die zwischen den verschiedenen Bestandsgruppen bestehenden Wechselwirkungen (lit. b) gebührend berücksichtigt werden. Art. 120 SRÜ erstreckt den Gehalt des auf den Schutz der Meeressäuger bezogenen Art. 65 SRÜ auf die Hohe See.
Die Freiheit der Fischerei steht unter dem Vorbehalt der „Rechte und Pflichten sowie der Interessen der Küstenstaaten, wie sie unter anderem in Artikel 63 Absatz 2 und in den Artikeln 64 bis 67 vorgesehen sind“ (Art. 116 lit. b SRÜ). Diese Vorbehaltsklausel ist sprachlich misslungen205, 200 Dies wurde zum Teil mit Bezug auf die ICCAT-Konvention behauptet, etwa von Patricia Birnie (IJMCL 12 [1997], S. 307 [336]). Zu dieser Konvention näher siehe u. Kapitel 3, II. 1. b). 201 Art. 311 Abs. 2 SRÜ lautet: „Dieses Übereinkommen ändert nicht die Rechte und Pflichten der Vertragsstaaten aus anderen Übereinkünften, die mit dem Übereinkommen vereinbar sind und andere Vertragsstaaten in dem Genuss ihrer Rechte oder in der Erfüllung ihrer Pflichten aus dem Übereinkommen nicht beeinträchtigen.“ – Im Falle der ICCAT-Konvention sind einige Vertragsparteien, darunter Kanada und die USA, dem SRÜ bislang nicht beigetreten. Für diese Staaten gilt der Vorrang des SRÜ (natürlich) nur insoweit, als dessen Bestimmungen zwischenzeitlich zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt sind. 202 Vgl. die Nachweise bei Burke (Fn. 199), S. 99 ff. 203 Siehe United Nations, Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea, Office of Legal Affairs (Hrsg.), The Law of the Sea: The Regime for High Seas Fisheries, 1992, 9 f. 204 Art. 119 Abs. 1 SRÜ spricht von „der Festlegung der zulässigen Fangmenge und andere[n] Maßnahmen für die Erhaltung der lebenden Ressourcen der Hohen See“. 205 Vgl. auch den verbindlichen englischen Wortlaut: „All States have the right for their nationals to engage in fishing on the high seas subject to: [. . .] (b) the
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weil sich die Art. 63 Abs. 2, 64–67 SRÜ gerade auch an die Staaten richten, die in den an die küstenstaatlichen aWZen angrenzenden Hohe SeeGebieten Fischfang betreiben, also gerade keine Küstenstaaten im engeren Sinne sind206. Um Widersprüche zum Schutzregime der aWZ zu vermeiden, muss Art. 116 lit. b SRÜ deshalb dahingehend ausgelegt werden, dass Staaten, deren Angehörige Fischerei auf Hoher See ausüben, nicht nur die Rechte und Pflichten sowie die Interessen der Küstenstaaten berücksichtigen müssen, sondern auch in ihrer eigenen Fischereifreiheit beschränkt sind, soweit sie an die Art. 63 Abs. 2, 64–67 SRÜ gebunden sind. Im Hinblick auf die Durchsetzung dieser Beschränkungen ist festzustellen, dass die Effektivität des auf Hoher See geltenden Schutzregimes gegenüber dem der aWZ insofern zurückbleibt, als gemäß Art. 92 Abs. 1 SRÜ auf Hoher See die Flaggenstaaten ausschließlich zuständig sind. Die Folgen dieses Zurückbleibens werden anschaulich vom kanadisch-spanischen Fischereistreit illustriert. Ein Schiff der kanadischen Kriegsmarine hatte den Fischtrawler Estai beim illegalen Fang auf Straddling Stocks aufgebracht und festgesetzt – freilich nicht innerhalb der kanadischen aWZ, sondern auf Hoher See (im räumlichen Geltungsbereich des NAFO-Ü207). Kanada wurde aufgrund nationaler Gesetze tätig, die das Durchsetzungsinstrumentarium des Art. 73 SRÜ in völkerrechtswidriger Weise208 auf die Hohe See ausdehnten209. Spanien, Flaggenstaat der Estai, brachte den Fall deshalb rights and duties as well as the interests of coastal States provided for, inter alia, in article 63, paragraph 2, and articles 64 to 67“. 206 Siehe o. 1. Vgl. auch Oda (Fn. 168), S. 750. Bei Art. 67 SRÜ wird dies am wenigsten deutlich, weil die Vorschrift nur die Fischerei auf katadrome Arten in „Gewässern landwärts der ausschließlichen Wirtschaftszonen“ in den Blick nimmt. Auch dies hat freilich mittelbare Folgen für die Fischerei auf Hoher See: Weder Ursprungsstaat noch andere Staaten dürfen katadrome Arten auf Hoher See befischen. 207 Das NAFO-Ü unterscheidet zwischen dem Konventionsgebiet (Art. I Abs. 1) und dem Regelungsgebiet (Art. I Abs. 2). Während jenes den räumlichen Geltungsbereich des NAFO-Ü konkretisiert und etwa auch die kanadische aWZ umfasst, ist dieses der Zuständigkeitsbereich der Northwest Atlantic Fisheries Organization (NAFO). 208 Zwar hat Kanada das SRÜ bislang nicht ratifiziert; Art. 92 Abs. 1 SRÜ, wonach die auf Hoher See fahrenden Schiffe der ausschließlichen Hoheitsgewalt des Flaggenstaats unterstehen, gibt indes geltendes Gewohnheitsrecht wieder (Nachtrag: Kanada ist dem SRÜ am 7. November 2003 beigetreten). Im Übrigen sei daran erinnert, dass Art. 63 Abs. 2 SRÜ nicht zu einer Ausdehnung der küstenstaatlichen Hoheitsrechte führt, sondern lediglich die Fischereistaaten verpflichtet, die Interessen des Küstenstaates im Rahmen der geforderten Zusammenarbeit zu berücksichtigen (siehe o. 1.). Dieser Pflicht war die EG innerhalb der NAFO in ausreichendem Maße nachgekommen. Inwiefern die EG ansonsten gegen ihre Verpflichtungen aus dem NAFO-Ü verstoßen hatte, ist eine andere, hier nicht zu klärende Frage. Seit Beilegung des Fischereistreits ist angesichts verschärfter Kontrollen davon auszugehen, dass die NAFO-Mitglieder innerhalb der zulässigen Quoten fischen.
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vor den IGH210. Im Verfahren berief sich Kanada auf einen Vorbehalt zu seiner Unterwerfungserklärung im Sinne von Art. 36 Abs. 2 IGM-Statut, nach welcher der Gerichtshof für Streitigkeiten „arising out of or concerning conservation and management measures taken by Canada with respect to vessels fishing in the NAFO Regulatory Area, as defined in the Convention on Future Multilateral Co-operation in the Northwest Atlantic Fisheries, 1978, and the enforcement of such measures“211 nicht zuständig sei. Der IGH schloss sich der Position Kanadas an und erklärte sich für unzuständig212. Der Konflikt wurde schließlich durch ein zwischen Kanada und der EG geschlossenes Abkommen beigelegt213.
Mag das auf Hoher See geltende Bestandserhaltungsregime angesichts solcher Probleme kaum geeignet erscheinen, effektiv zum Schutz der Meereslebewesen beizutragen, ist die Offenheit der einschlägigen Bestimmungen gleichwohl positiv zu bewerten. Das SRÜ bleibt seinem Verfassungscharakter konsequent treu und vermeidet detaillierte Vorgaben zugunsten der Verhältnisse vor Ort. In diesem Sinne ist die mit dem NEAFC-Ü geschaffene North-East Atlantic Fisheries Commission (NEAFC) die für den Nordostatlantik zuständige regionale Fischereiorganisation im Sinne von Art. 118 SRÜ. Ihr ist noch nähere Aufmerksamkeit zu schenken, etwa mit Blick auf die Frage, ob in ihrem Rahmen ähnliche Schwierigkeiten aufgetreten sind wie in der NAFO. Bereits an dieser Stelle sei unterdessen allgemein festgestellt: Misslingt das Ausgestalten auf universeller und regionaler Ebene, bedeuten die Art. 116 ff. SRÜ gegenüber dem früher geltenden, freiheitsbetonteren Regime214 keinen Fortschritt. 209 Joyner, On the Borderline? Canadian Activism in the Grand Banks, in: Stokke (Fn. 199), S. 207 (213 f.) m. w. N. 210 Fisheries Jurisdiction (Spain v. Canada), ICJ Reports 1998, 431 ff. – Mangels Staatsqualität ist die in Europa für Fischereifragen ausschließlich zuständige EG (siehe u. Dritter Teil, Kapitel 2, II. 1. lit. c) vor dem IGH nicht klagebefugt; vgl. Art. 34 Abs. 1 IGH-Statut: „Nur Staaten sind berechtigt, als Parteien vor dem Gerichtshof aufzutreten“ (Hervorhebung hinzugefügt). Vgl. andererseits Art. 34 Abs. 2 IGH-Statut: „Der Gerichtshof kann nach Maßgabe seiner Verfahrensordnung öffentlich-rechtliche internationale Organisationen um Auskünfte betreffend bei ihm anhängige Rechtssachen ersuchen; er nimmt auch derartige Auskünfte entgegen, wenn diese Organisation sie ihm von sich aus erteilt.“ Spanien berief sich nicht auf „seine“ Fischereirechte, sondern ausschließlich auf eine Verletzung seiner Flaggenhoheit (vgl. ICJ Reports 1998, 431, 447). Bezüglich einer Verletzung der Fischereibestimmungen wäre allenfalls eine Sachwalterschaft Spaniens in Betracht gekommen. Zu dieser Rechtsfigur siehe u. Dritter Teil, Kapitel 3, III. 2. 211 Erklärung wiedergegeben nach ICJ Reports 1998, 431, 457. 212 Ebd., 468. 213 Vgl. dazu Joyner (Fn. 209), S. 216 ff. Zum parallelen Hintergrund des zwischen Chile und der EG ausgebrochenen Schwertfischstreits vgl. Orellana (Fn. 178), S. 56–65. 214 Dazu vgl. Wolfrum, ZaöRV 38 (1978), S. 659 (665 ff.).
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III. Artenschutz Dem Schutz der Meeressäugetiere ist Art. 65 SRÜ gewidmet. Dieser räumlich215 wie sachlich216 mit dem Regime der aWZ verknüpften, freilich auch für die Hohe See geltenden (vgl. Art. 120 SRÜ) Bestimmung kann entnommen werden, dass die Vorschriften über die Fischerei auf die Erhaltung und Ausbeutung der Meeressäugetiere grundsätzlich anwendbar sind. Der Schutz dieser Tiere darf insofern jedenfalls nicht hinter dem der Fische zurückbleiben. Zugleich berechtigt Art. 65 SRÜ die Küstenstaaten (oder eine zuständige internationale Organisation), die Ausbeutung stärker zu verbieten, zu begrenzen oder zu regeln. Eingedenk drastischer Bestandsreduzierungen im 20. Jahrhundert müssen die Küstenstaaten also weder anderen Staaten den Zugang zum Überschuss der zulässigen Fangmenge gewähren, noch müssen sie sich die optimale Nutzung der Meeressäuger zum Ziel setzen217. Im Vergleich mit den fischereibezogenen Bestimmungen des SRÜ ist der Ansatz von Art. 65 SRÜ demnach mehr schutz- denn nutzungsorientiert, mehr artenschutz- denn bestandsschutzbezogen. Auffällig ist, dass S. 1 im Singular von „einer zuständigen Organisation“ spricht, demgegenüber sich die Zusammenarbeit nach S. 2, soweit die Wale betroffen sind (vgl. 2. Halbsatz), offenbar im Rahmen verschiedener internationaler Foren vollziehen kann. Durch Verwendung des Singulars unterstreicht Art. 65 S. 1 SRÜ die Zuständigkeit der mit dem IWÜ geschaffenen Internationalen Walfangkommission (IWK) für strengere Regelungen218; zugleich gestattet Art. 65 S. 2 SRÜ angesichts des im Plural formulierten Verweises auf andere internationale Organisationen219 eine Schwerpunktverlagerung zugunsten intensiverer Nutzung („insbesondere“) der Wale. Dafür spricht auch, dass sich Art. 65 S. 1 SRÜ dem Wortlaut nach nur auf 215
Entgegen Birnie/Boyle ([Fn. 27], S. 666) kann nicht davon ausgegangen werden, dass Art. 65 SRÜ auch für die küstenstaatlichen Aquitorien gilt; vgl. den (verbindlichen) englischen Wortlaut der Vorschrift: „Nothing in this Part restricts the right of a coastal State or the competence of an international organization, as appropriate, to prohibit, limit or regulate the exploitation of marine mammals more strictly than provided for in this Part [. . .]“ (Hervorhebung vom Verf.). 216 Die Ausdehnung der ersten 200-Seemeilen-Fischereizonen in Südamerika stand in unmittelbarem Zusammenhang mit der Nutzung der dort vorkommenden Wale; vgl. Hollick, AJIL 71 (1977), S. 494 (495 ff.). 217 Orrego Vicuña (Fn. 161), S. 37; Birnie/Boyle (Fn. 27), S. 666; Birnie, The Conservation and Management of Marine Mammals and Anadromous and Catadromous Species, in: Hey (Fn. 162), S. 357 (370). 218 Vgl. auch Kapitel 17.61 lit. a der Agenda 21: „[States recognize] the responsibility of the International Whaling Commission for the conservation and management of whale stocks and the regulation of whaling pursuant to the 1946 International Convention for the Regulation of Whaling“; Hayashi (Fn. 173), S. 251. 219 Entgegen Gillespie (ODIL 33 [2002], S. 17 [21 mit Fn. 41]) kommt CITES schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich nicht um eine internationale Organisation handelt. Siehe u. Kapitel 2, III.
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„diesen Teil“, auf die Art. 55–75 SRÜ also, bezieht. Während demnach einerseits der von den Art. 61–64 SRÜ vorgegebene Rahmen nicht überschritten werden darf, kann andererseits von einer Vereinnahmung der IWÜ-Pflichten, von einer vertraglichen bzw. gewohnheitsrechtlichen Pflicht, dem IWÜ beizutreten220, oder von einer Mitgliedschaftspflicht in irgendeiner „geeigneten“ internationalen Organisation keine Rede sein221.
Im Hinblick auf die Durchsetzung der in Übereinstimmung mit Art. 65 bzw. Art. 110 SRÜ getroffenen Maßnahmen gilt das zum Bestandsschutz Gesagte. Während Art. 73 SRÜ den Küstenstaaten die effektive Durchsetzung der artenschutzbezogenen Vorschriften in ihren aWZen ermöglicht222, bleibt der in Art. 120 SRÜ enthaltene Verweis (nur) auf Art. 65 SRÜ mangels entsprechender Zuständigkeit der Küstenstaaten ohne Biss. IV. SRÜ-Meeresschutz und das Konzept der nachhaltigen Entwicklung Elisabeth Mann Borgese hat treffend festgestellt, dass die Entwicklung eines effektiven Meeresschutzregimes mit dem In-Kraft-Treten des SRÜ keineswegs beendet ist: „[. . .] the Convention is unfinished business, a process rather than a product“223. Diese Erkenntnis findet ihren Ausdruck nicht nur im Verlangen nach weiterer Konkretisierung des SRÜ auf universeller und regionaler Ebene, sondern auch in neuen umweltvölkerrechtlichen und -politischen Errungenschaften, etwa dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung. Dieses Konzept, dessen Ursprünge bis in das Jahr 1970 zurückverfolgt werden können224, hat seinen weltweiten Durchbruch im Rahmen der 1992 in Rio de Janeiro abgehaltenen Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) erfahren und „beherrscht seitdem die gesamte Umweltdiskussion“225. Seine Berücksichtigung im Rahmen ei220 I. E. auch Andresen, The International Whaling Regime: Order at the Turn of the Century?, in: Vidas/Østreng (Hrsg.), Order for the Oceans at the Turn of the Century, 1999, S. 215 (222). 221 Birnie/Boyle (Fn. 27), S. 667. Island und Kanada konnten daher ohne weiteres vom IWÜ zurücktreten. 222 Wie sich schon aus der Eingliederung von Art. 65 SRÜ in Teil V SRÜ ergibt, handelt es sich auch bei Meeressäugetieren um „lebende Ressourcen“ im Sinne von Art. 73 Abs. 1 SRÜ. Vgl. Wilder, Quota Systems in International Wildlife and Fisheries Régimes, in: Bothe/Sand (Hrsg.), Environmental Policy, 2002, S. 529 (534); Nordquist/Nandan/Rosenne (Fn. 109), S. 794, para. 73.10(a). 223 Mann Borgese, EPL 27 (1997), S. 203 (207). Siehe auch Falk/Elver, Comparing Global Perspectives: The 1982 UNCLOS and the 1992 UNCED, in: Vidas/Østreng (Fn. 220), S. 145 (147). 224 Vgl. die Nachweise in Fn. 28. 225 Rest, Umweltschutz, internationaler, in: Seidl-Hohenveldern (Hrsg.), Lexikon des Rechts, Völkerrecht, 3. Aufl. 2001, S. 426 (428).
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ner meeresschutzbezogenen Untersuchung ist schon deshalb geboten, weil es den (unverbindlichen) Texten226, die im Laufe der Rio-Konferenz angenommen wurden, zu Grunde liegt. Einer dieser Texte, die Agenda 21, enthält mehr oder weniger detaillierte Vorgaben bezüglich der „Protection of the oceans, all kinds of seas, including enclosed and semi-enclosed seas, and coastal areas and the protection, rational use and development of their living resources“227, die mehrfach auf das SRÜ verweisen228. Demnach besteht zwischen dem SRÜ und der Agenda 21, mittelbar also dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung, ein Zusammenhang. Schon angesichts seiner inhaltlichen Unbestimmtheit229 kann das Konzept der nachhaltigen Entwicklung allerdings nicht zum Bestand des Völkerrechts gezählt werden230; die begriffliche Einordnung als „Konzept“ ist gegenüber der als „Prinzip“ insofern vorzugswürdig231. Eine zur Agenda 21 konforme Auslegung der SRÜ-Bestimmungen (vgl. Art. 31 Abs. 3 lit. b WVK) kommt nicht in Betracht. Im Hinblick auf den Inhalt des Konzepts dürfte allenfalls dahingehend Übereinstimmung bestehen, dass sich Nachhaltigkeit in ökonomische, ökologische und soziale Aspekte untergliedert und diese in Beziehung zueinander gesetzt werden232. Nach der Rio-Dekla226 Rio-Deklaration (ILM 31 [1992], 874 ff.); Authoritative Statement of Principles for a Global Consensus on the Management, Conservation and Sustainable Development of All Types of Forests (Wald-Grundsatzerklärung: ILM 31 [1992], 881 ff.); Agenda 21 (siehe die in Fn. 74 angegebene Fundstelle). 227 Titel von Kapitel 17. 228 Vgl. Kapitel 17.1; 17.22; 17.31; 17.44; 17.49; 17.69; 17.77; 17.78; 17.99. 229 Siehe schon o. Fn. 63 f. sowie Beaucamp, Das Konzept der zukunftsfähigen Entwicklung im Recht, 2002, S. 51. 230 H. M., vgl. nur Beaucamp (ebd.), S. 80–87 m. w. N. Vgl. aber Gabcííkovo-Nagymaros Project (Hungary v. Slovakia), Sep. Op. Weeramantry, ICJ Reports 1997, 6, 88, 92 ff.; Johnston, Sustainability, Biodiversity and International Law, in: Bowman/ Redgwell (Fn. 62), S. 51 (57); differenzierend Epiney/Scheyli (Fn. 60), S. 77, 81 ff. Nachweise über die Staatenpraxis bei Bartholomäi, Sustainable Development und Völkerrecht, 1997, S. 72–82. Mit der fehlenden gewohnheitsrechtlichen Geltung des Konzepts ist nicht gesagt, dass nicht einzelne Aspekte, etwa das Vorsorgeprinzip, zwischenzeitlich zu Gewohnheitsrecht erstarkt sind. 231 Vgl. Dzidzornu (Fn. 38), S. 93: „[. . .] a principle is different from a policy in another important way: It is more specific. For instance, the now commonplace concept of sustainable development acts as a policy goal incorporating principles that veer in tandem toward environmental preservation on the one hand and economic development on the other.“; Verschuuren (Fn. 39), S. 24 („ideal“); Kahl (Fn. 63), S. 125 („politisches Leitbild“). 232 Gabcííkovo-Nagymaros Project (Hungary v. Slovakia), ICJ Reports 1997, 6, 78; Gündling, AJIL 84 (1990), S. 207 (208); El-Sabh/Demers/Lafontaine, OCM 39 (1998), S. 1 (12 f.); Beyerlin (Fn. 28), S. 18, Rn. 37; Dzidzornu (Fn. 38), S. 95; Graf Vitzthum (Fn. 25), S. 464 f., Rn. 161; Kahl (Fn. 63), S. 122–129; Beaucamp (Fn. 229), S. 18 ff. m. w. N. Siehe nunmehr auch UN Doc. A/CONF. 199/20, Report of the World Summit on Sustainable Development, Resolution 1, Johannesburg
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ration sind insbesondere die enge Verflechtung von Umwelt und Entwicklung (vgl. Prinzip 4) sowie die Bezugnahme auf künftige Generationen (vgl. Prinzip 3) Kennzeichen einer nachhaltigen Entwicklung. Auf welche Weise diese Kennzeichen von den Staaten implementiert werden sollen, sagt die Rio-Deklaration nicht. Die Agenda 21 enthält im meeresbezogenen Kapitel 17 zwar diesbezügliche Vorgaben; sie erschöpfen sich freilich ihrerseits in mehr oder weniger programmatischen Ausführungen zu (1) Financing and cost evaluation, (2) Scientific and technological means, (3) Human resource development und (4) Capacity-building, jeweils bezüglich der sog. „Main programme areas“233. Angesichts der Probleme bei der Inhaltsbestimmung ist unter anderem vorgeschlagen worden, den Grundsatz der Subsidiarität, nach welchem die in Betracht kommenden Maßnahmen jeweils auf der untersten Ebene, die eine gleichbleibend effektive Implementierung gewährleistet, zu treffen sind, in das Konzept der nachhaltigen Entwicklung zu integrieren und letzteres dadurch greifbarer zu machen234. Die Erfolgsaussichten solcher Ansätze können hier nicht geklärt werden235. Fest steht, dass die unterschiedlichen Ausprägungen nachhaltiger Entwicklung im Gesamtzusammenhang betrachtet werden sollen. Im Hinblick auf das traditionell gespannte Verhältnis von Entwicklung und Meeresschutz folgt daraus, dass ein ausschließlich wirtschaftlich ausgerichteter Ansatz mit nachhaltiger Entwicklung nicht in Einklang zu bringen ist: „Ocean economics can rely on the only to a certain extent“236. Von daher sind etwa die fischereibezogenen Bestimmungen der Agenda 21, die, wie Ulrich Beyerlin zutreffend ausgeführt hat237, die Bestandsnutzung offenbar höher gewichten als den Bestandsschutz238, wenig glücklich formuliert. Im Plan Declaration on Sustainable Development, 4 September 2002, 2, para. 11: „We recognize that poverty eradication, changing consumption and production patterns and protecting and managing the natural resource base for economic and social development are overarching objectives of and essential requirements for sustainable development“. 233 A) Integrated management and sustainable development of coastal and marine areas, including exclusive economic zones; B) Marine environmental protection; C) Sustainable use and conservation of marine living resources of the high seas; D) Sustainable use and conservation of marine living resources under national jurisdiction; E) Addressing critical uncertainties for the management of the marine environment and climate change; F) Strengthening international, including regional, cooperation and coordination; G) Sustainable development of small islands. 234 Vgl. Hanson, OCM 39 (1998), S. 167 (170). 235 Zu weiteren Ansätzen Liu, Trust Funds as Mechanisms for Sustainable Development, in: Bothe/Sand (Fn. 222), S. 269 ff. 236 Mann Borgese (Fn. 223), S. 204. 237 Beyerlin, ZaöRV 55 (1995), S. 544 (569 f.). 238 Vgl. Kapitel 17.46: „States commit themselves to the conservation and sustainable use of marine living resources on the high seas [. . .]“ (Hervorhebung hinzugefügt).
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
of Implementation of the World Summit on Sustainable Development, der am 4. September 2002 im Rahmen der Johannesburg-Konferenz verabschiedet wurde239, wurde das Ziel des Bestandsschutzes auf europäischen Druck hin wie folgt konkretisiert: „Maintain or restore stocks to levels that can produce the maximum sustainable yield with the aim of achieving these goals for depleted stocks on an urgent basis and where possible not later that 2015“ (para. 31 [a]).
Damit sind vor allem die USA von ihrer ursprünglichen Position abgerückt, nach der in Johannesburg keine neuen verbindlichen Zeitziele vereinbart werden sollten. Ob die Vereinbarung tatsächlich als Erfolg gewertet werden kann, erscheint vor dem Hintergrund des relativierenden Zusatzes „where possible“ unterdessen zweifelhaft. Gleiches gilt für das mit Bezug auf die biologische Vielfalt ausgegebene Ziel, bis 2010 eine „significant reduction in the current rate of loss of biological diversity“ zu erreichen. Angesichts des Umstands, dass die Bestimmungen des Plans of Implementation im Übrigen auf die bestehenden meeresschutzbezogenen Instrumente des Völkerrechts verweisen240, dürfte es letztlich nach wie vor primär auf das konkretisierende Recht ankommen. Auf universeller Ebene hat das Implementierungsproblem nicht nur eine materielle Seite, sondern auch eine institutionelle241. So fragt sich, welcher internationale Akteur jeweils darüber befinden soll, ob ein Faktor dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung genügt, und, bejahendenfalls, über welches Gewicht er in dessen Rahmen verfügt. Auf Geheiß der Agenda 21242 hat der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) im Jahre 1992 die UN Commission on Sustainable Development eingerichtet, eine Kommission im Sinne von Art. 68 UN-Charta, 239 UN Doc. A/CONF. 199/20, Report of the World Summit on Sustainable Development, Resolution 2, Plan of Implementation of the World Summit on Sustainable Development, 4 September 2002, 7–77. Die einschlägigen Bestimmungen des Plans stehen in einem engen Zusammenhang mit Kapitel 17 der Agenda 21, vgl. paras. 30 (b), 32. 240 Vgl. UN Doc. A/CONF. 199/20, Report of the World Summit on Sustainable Development, Resolution 2, Plan of Implementation of the World Summit on Sustainable Development, 4 September 2002, 24–27, paras. 30 (a); 31 (b), (c), (e); 32 (b), (e); 34 (a). 241 KOM(2001) 53 endg., Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament, 10 Jahre nach Rio: Vorbereitung auf den Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung im Jahr 2002, 6. Februar 2001, S. 13 f.; Beaucamp (Fn. 229), S. 137–140 m. w. N. Ebd., S. 140 f., zu denkbaren Reformansätzen. 242 Kapitel 38.11: „In order to ensure the effective follow-up of the Conference, as well as to enhance international cooperation and rationalize the intergovernmental decision-making capacity for the integration of environment and development issues and to examine the progress in the implementation of Agenda 21 at the national, regional and international levels, a high-level Commission on Sustainable Development should be established in accordance with Article 68 of the Charter of the United Nations [. . .]“.
Kap. 1: Das SRÜ – „Verfassung‘‘ des völkerrechtlichen Meeresschutzes
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die für die Umsetzung der Rio-Instrumente zuständig ist und sich seither um die Festlegung einheitlicher Indikatoren für nachhaltige Entwicklung bemüht. Obwohl der die Zuständigkeiten des ECOSOC auflistende Art. 62 UN-Charta den Umweltschutz als solchen nicht erwähnt, lag die Einrichtung dieser Kommission im Rahmen der Kompetenzen des Rates. Denn dieser kann gemäß Art. 68 UN-Charta Kommissionen „für wirtschaftliche und soziale Fragen“ einsetzen, und Art. 62 UNCharta erstreckt seine Zuständigkeit auf „verwandte Gebiete“, zu denen eine nachhaltige Entwicklung schon angesichts der Verflechtung der betroffenen Politikfelder zu zählen ist. Von jener Kommission abgesehen hat UN-Generalsekretär Kofi Annan, einen Vorschlag des damaligen maltesischen Außenministers aufgreifend, 1997 gefordert, den Treuhandrat der Vereinten Nationen (vgl. Art. 86 ff. UNCharta) in ein Forum umzugestalten, „through which Member States exercise their collective trusteeship for the integrity of the global environment and common areas such as the oceans, atmosphere and outer space.“243 Dieser Vorschlag hat sich jedoch bislang nicht durchgesetzt, wohl auch aufgrund der sich aufdrängenden Abgrenzungsfragen zur Commission on Sustainable Development nicht244, die angesichts der Bandbreite der ihr übertragenen Aufgaben245 ihrerseits kaum Erfolge vorweisen kann246. Der Plan of Implementation of the World Summit on Sustainable Development hält an der primären Zuständigkeit der Commission on Sustainable Development fest247.
Freilich wird der Agenda 21 teilweise Unrecht getan. Ebensowenig wie das Konzept der nachhaltigen Entwicklung selbst kann sie die Antworten auf alle umweltpolitischen Fragestellungen liefern. Mehr als ein universelles Arbeitsprogramm bzw. „ganzheitliches Politikziel“248, durch das die bestehenden, bislang aber (auch vom SRÜ) vernachlässigten Zusammenhänge zwischen den Faktoren Ökonomie, Ökologie, Entwicklung in den Vordergrund gerückt werden, kann und will sie schon angesichts des allgemeinen, über das Meer hinausgehenden Umweltbezugs nicht sein. Insofern geht die verschiedentlich geäußerte Kritik, im Vergleich mit manch verbindlichem Meeresschutzinstrument habe die Agenda 21 die Erwartungen nicht erfüllt, an der Sache vorbei249. Dass der ihr zu Grunde liegende Ansatz faktisch 243 UN Doc. A/51/950, Renewing the United Nations: A Programme for Reform, Report of the Secretary-General, 14 July 1997, para. 85. 244 Dazu und zu weiteren Problemen siehe Mann Borgese, Mit den Meeren leben, 1999, S. 189 ff., 226 ff. 245 Vgl. Kapitel 38.13 Agenda 21. 246 Maier in: Völger (Hrsg.), Lexikon der Vereinten Nationen, 2000, S. 44 (45); Cicin-Sain, Implementation of Earth Summit Agreements: Progress since Rio, in: Belfiore/Lucia/Pesaro (Hrsg.), Regional Seas Towards Sustainable Development, 1996, S. 17 (20 ff.) m. w. N. 247 UN Doc. A/CONF. 199/20, Report of the World Summit on Sustainable Development, Resolution 2, Plan of Implementation of the World Summit on Sustainable Development, 4 September 2002, 72–74, paras. 145 ff. 248 Beyerlin (Fn. 28), S. 18, Rn. 37.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
den Tatsachen entspricht, steht außer Frage, mag letzteres bislang auch nur partiell in das Bewusstsein der Staaten vorgedrungen sein250. Im Übrigen ist bereits der Umstand, dass sich die in Rio versammelten Vertreter aller nur denkbaren Interessengruppen überhaupt auf einen Nenner einigen konnten, als Erfolg zu werten. Die Agenda 21 und das zu Grunde liegende Konzept der nachhaltigen Entwicklung verkörpern demnach ein politisches Ideal, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es bleibt abzuwarten, ob und inwiefern einzelne Ausprägungen künftig auch normative Anerkennung finden, zumal nach den (freilich hinter den Erwartungen gebliebenen) Konkretisierungen, auf die sich die Staatengemeinschaft im Rahmen des JohannesburgGipfels verständigen konnte. Bislang steht es den Vertragsparteien des SRÜ überwiegend frei, ihre aus dem Übereinkommen folgenden Pflichten im Lichte nachhaltiger Entwicklung zu implementieren; einzig die zeitlichen Zielvorgaben des in Johannesburg verabschiedeten Plan of Implementation müssen berücksichtigt werden, soweit ihre Erfüllung nicht in das Ermessen der Staaten gestellt wurde. Dass aber weder die Agenda 21 noch das Konzept der nachhaltigen Entwicklung spurlos am meeresschutzbezogenen Umweltvölkerrecht vorbeigegangen sind, wird nicht zuletzt durch die Art und Weise belegt, in der das SRÜ auf der universellen und der regionalen Ebene, auch und gerade im Nordostatlantik, ausgestaltet wurde251. Kapitel 2
Universelle Ausgestaltung des SRÜ Der vom SRÜ vorgegebene Rahmen wird unter anderem durch umweltvölkerrechtliche Verträge konkretisiert, deren räumliche Geltungsbereiche sich nicht auf den Nordostatlantik beschränken, die vielmehr in allen Meeresgebieten der Erde gelten. In sachlicher Hinsicht ist der diesen Verträgen zu Grunde liegende Schutzansatz in der Regel funktional begrenzt, d. h. es handelt sich nicht um Meeresschutzübereinkommen im weiteren Sinne, sondern um Meeresumweltschutz-, Bestandsschutz- oder Artenschutzübereinkommen. Mag diese Begrenztheit im Hinblick auf das Erfordernis einer 249
So aber Wolfrum (Fn. 158), S. 1016. Kritisch auch Johnston, UNCLOS III and UNCED: A Collision of Mind-Sets?, in: Kriwoken/Haward/VanderZwaag/Davis (Hrsg.), Oceans Law and Policy in the Post-UNCED Era: Australian and Canadian Perspectives, 1996, S. 11 (14 ff.); Hanson (Fn. 234), S. 174. 250 Eine aufsehenerregende Ausnahme bildet der kanadische Oceans Act von 1996, nach welchem die Bewirtschaftung der unter kanadischer Gebiets- bzw. Funktionshoheit stehenden Räume auf dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung beruhen muss (para. 30 lit. a); vgl. An Act respecting the oceans of Canada, 1996, c. 31: http://lois.justice.gc.ca/en/O-2.4/82235.html. 251 Siehe auch Birnie/Boyle (Fn. 27), S. 349.
Kap. 2: Universelle Ausgestaltung des SRÜ
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ganzheitlichen Betrachtungsweise zu bedauern sein, ist sie doch im SRÜ selbst angelegt: Indem die Bestimmungen der Meeresverfassung etwa auf die „zuständigen internationalen Organisationen“ sowie die „allgemein anerkannten internationalen Regeln und Normen“ verweisen, leisten sie letztlich einer Zersplitterung des Meeresschutzregimes Vorschub. Damit einher geht die Gefahr, dass sich die Bestimmungen der verschiedenen Meeresschutzübereinkommen widersprechen. Gewiss: Dass eine wirksame Konkretisierung des SRÜ durch völkerrechtliche Verträge, die ganzheitlichen Ansätzen genügen, angesichts der hohen Technizität und Spezialität umweltpolitischer Erfordernisse nur schwer zu erreichen ist, versteht sich von selbst. Gleichwohl müssen bei der Schaffung umweltvölkerrechtlicher Normen die zwischen den einzelnen Ausprägungen des Meeresschutzes bestehenden Zusammenhänge künftig stärker berücksichtigt werden, sei es durch Öffnungsklauseln und Verweise, sei es durch Zielbestimmungen252. Wenn im Folgenden das universelle Völkerrecht in die Kategorien Meeresumweltschutz, Bestandsschutz, Artenschutz untergliedert wird, wird damit lediglich den derzeitigen Gegebenheiten entsprochen. Wie bereits einführend hervorgehoben, geht es im Übrigen nicht um eine erschöpfende Untersuchung aller thematisch einschlägigen Verträge. Vielmehr werden die wichtigsten Übereinkommen unter der Leitfrage begutachtet, ob und inwiefern der vom SRÜ gezeichnete Rahmen des völkerrechtlichen Meeresschutzes ausgefüllt bzw. erweitert wird. I. Meeresumweltschutz Der Sektor „Meeresumweltschutz“ wird im Wesentlichen vom im Rahmen der IMO entstandenen Völkerrecht sowie der Londoner Dumping-Konvention geprägt. Letztere wurde zwar nicht von der IMO-Versammlung angenommen, weist der IMO jedoch die Aufgaben und Befugnisse des Sekretariats zu253. Insofern ist die institutionelle Grenze254 zwischen dem IMO252
Vgl. auch UN Doc. A/RES/55/7, Oceans and the Law of the Sea, 2 May 2001, 1, para. 6 der Präambel: „Conscious also that the problems of ocean space are closely interrelated and need to be considered as a whole“ (Hervorhebung im Original). – Auf der regionalen Ebene ist die Berücksichtigung des Natur- und Artenschutzes in Art. 15 des Übereinkommens von 1992 über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets (Helsinki-Ü: BGBl. 1994 II, S. 1397 ff.) ein erster Schritt in die richtige Richtung. 253 Vgl. Art. XIV Abs. 2 S. 1: „Die Vertragsparteien bezeichnen eine zur Zeit jener Sitzung bestehende zuständige Organisation, die für Sekretariatsarbeiten im Zusammenhang mit diesem Übereinkommen verantwortlich ist.“ 254 Nicht aber die sachliche: Die Londoner Dumping-Konvention und das Internationale Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe vom 2. November 1973 überschneiden sich nicht, sondern klammern den sachlichen Geltungsbereich des jeweils anderen Übereinkommens ausdrücklich aus.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
Recht einerseits und der Londoner Dumping-Konvention andererseits fließend. Hervorzuheben ist, dass weder das IMO-Recht – vor dem Hintergrund des Gegenstands vorliegender Untersuchung beschränkt sich die Zuständigkeit der IMO auf die Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe255 – noch die Dumping-Konvention die Meeresverschmutzung vom Lande aus erfassen. Obgleich faktisch die mit Abstand schwerwiegendste Art der Meeresverschmutzung hat es auf universeller Ebene bislang nicht zu mehr als einer rechtlich unverbindlichen, dem Code of Conduct for Responsible Fisheries256 insofern verwandten Richtschnur gereicht257. Staatliche Souveränitätsbedenken haben bislang als unüberwindliche Barriere gewirkt, und es sind keine Anhaltspunkte dahingehend erkennbar, dass sich dies in naher Zukunft ändert258. Allerdings ist zu bedenken, dass die Verschmutzung vom Lande aus nicht zuletzt eine Aufgabe des terrestrischen Umweltschutzes und des Süßwasserschutzes ist259. Unter diesem Gesichtspunkt ist die sog. EG-Wasserrahmenrichtlinie auch weltweit ein Prüfstein für die Praktikabilität eines integrativen, intermedialen Umweltschutzes260.
255 Gemäß Art. 1 lit. a des Übereinkommens über die Internationale Seeschifffahrts-Organisation vom 15. November 1979 (IMO-Ü: BGBl. 1982 II, S. 873 ff.), das seinerseits das Übereinkommen über die Zwischenstaatliche Beratende Seeschiffahrts-Organisation vom 6. März 1948 (IMCO-Ü: BGBl. 1965 II, S. 313 ff.) ersetzt hat, ist es Ziel der IMO, „eine Zusammenarbeit zwischen den Regierungen bei der staatlichen Regelung und Handhabung fachlicher Angelegenheiten aller Art der internationalen Handelsschifffahrt herbeizuführen, auf die allgemeine Annahme möglichst hoher Normen hinsichtlich der Sicherheit auf See, der Leistungsfähigkeit der Schifffahrt und der Verhinderung und Bekämpfung der Meeresverschmutzung durch Schiffe hinzuwirken und Rechtsfragen im Zusammenhang mit den in diesem Artikel genannten Zielen zu behandeln“ (Hervorhebung vom Verf.). 256 Siehe Fn. 167. 257 UN Doc. A/51/116, Annex II, The Global Programme of Action for the Protection of the Marine Environment from Land-based Activities, 3 November 1995. Die UN-Generalversammlung bemüht sich, diesem Programm zur Geltung zu verhelfen; UN Doc. A/RES/55/7, Oceans and the Law of the Sea, 2 May 2001, 6, para. 27. 258 Siehe auch Chircop, Marine Pollution from Land-Based Activities: Legal Regimes and Management Frameworks, in: Vidas/Østreng (Fn. 220), S. 173: „There is as yet no dedicated global legal instrument on marine pollution from land-based activities, nor is there likely to be one in the near future, given the dominance of territorial sovereignty and the sensitivities concerned.“ – Zum Verhalten der EG siehe u. Dritter Teil, Kapitel 4, I. 1., 2. 259 Vgl. UN Doc. E/CN.17/1999/4, Oceans and Seas, Report of the SecretaryGeneral, 8 February 1999, 3, para. 3. 260 Dazu siehe u. Dritter Teil, Kapitel 3, I. 1. c).
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1. Das Meeresschutzrecht der IMO: Bekämpfung der Verschmutzung durch Schiffe Die IMO, eine UN-Sonderorganisation im Sinne von Art. 58 UN-Charta mit Sitz in London, ist die für alle schifffahrtsrechtlichen Fragen zuständige internationale Organisation261. Ihre 162 Mitgliedstaaten repräsentieren mehr als 95% der Welthandelsflottentonnage. Der Zusammenhang zwischen dieser Organisation und dem Sachgebiet „Meeresschutz“ besteht darin, dass sich ihre Zuständigkeit sowohl auf die Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe als auch auf die Sicherheit des Seeverkehrs erstreckt262. Zu diesem Zweck wurden zwei Ausschüsse geschaffen, deren Aufgabenbereiche sich partiell überschneiden263: das Marine Environment Protection Committee (MEPC) einerseits und das Maritime Safety Committee (MSC) andererseits264. Das MEPC beschäftigt sich vor allem mit der Überarbeitung bestehender und der Ausarbeitung neuer Konventionen zum Schutz der Meeresumwelt durch schifffahrtsbedingte Verschmutzungen. Derzeit wird ein Konventionsentwurf zur Vermeidung der Verschleppung von Tier- und Pflanzenarten im Ballastwasser von Schiffen diskutiert265; Ergebnisse werden nicht vor Ende 2003 erwartet. Davon abgesehen ist die IMO, wie bereits erwähnt, die zuständige internationale Organisation im Sinne von Art. 211, 217, 218 SRÜ266, und sie ist das Forum, innerhalb dessen die „allgemein anerkannten internationalen Regeln und Normen“ (Art. 211 Abs. 5 SRÜ) aufgestellt werden. Die im Rahmen der Organisation entstandenen Schutzstandards spielen bei der Ausgestaltung der meeresschutzbezogenen Bestimmungen des SRÜ eine besondere Rolle. Diesbezüglich ist zwischen internationalen Übereinkommen zu Schiffssicherheit und Meeresumweltschutz267 einerseits und bestimmten Instrumenten des soft law268 – in der Regel handelt es sich um Richtlinien (Guide261 Allgemein zur IMO etwa Jenisch, Internationale Schifffahrts-Organisation, in: Andersen/Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch Internationale Organisationen, 2. Aufl. 1995, S. 202; Simmonds, EPIL II (1995), S. 1262 ff., Addendum Zimmermann, S. 1266 f. 262 Vgl. den in Fn. 255 wiedergegebenen Wortlaut des Art. 1 lit. a IMO-Ü. 263 Jede Schiffssicherheitsbestimmung fördert mittelbar den Meeresschutz. 264 Vgl. Art. 11 IMO-Ü. Anders noch die Struktur der älteren IMCO: Art. 12 IMCO-Ü verwies nur auf das Maritime Safety Committee. 265 Siehe etwa BWN 3 (2000), S. 5; BWN 8 (2002), S. 3; IMO News 2/2002, S. 16 ff.; F.A.Z. v. 21. 1. 2002, S. 10; de La Fayette, EPL 29 (1999), S. 85 (88). Zum faktischen Problem siehe Erster Teil, Kapitel 3, II. 4. 266 Siehe schon o. Fn. 87. 267 Sog. IMO-Konventionen bzw. IMO-Übereinkommen. Eine Übersicht der wichtigsten IMO-Konventionen einschließlich Status und Anzahl der Vertragsparteien ist unter www.imo.org/Conventions/mainframe.asp?topic_id=247 abrufbar. 268 Art. 2 lit. a, b IMO-Ü verwendet „Empfehlungen“ als Oberbegriff.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
lines) und Codes zu technischen Standards269 – andererseits zu unterscheiden. Während diese zwar für die Ausbildung der Staatenpraxis bedeutsam sind270 und durch Aufnahme in einen völkerrechtlichen Vertrag – etwa eine IMO-Konvention – verbindlich gemacht werden können271, selbst freilich kein verbindliches Recht darstellen272, ist bezüglich jener die IMO das zuständige Forum der Vertragsaushandlung und -annahme. Nach allgemeinem Vertragsrecht (vgl. Art. 11 ff. WVK) müssen die Konventionen im Wege mitgliedstaatlicher Zustimmung – notwendig ist eine im jeweiligen Übereinkommen festgelegte Anzahl von Zustimmungen – in Kraft gesetzt werden273, um Rechtswirkungen zu entfalten274. Sie treten im Durchschnitt fünf Jahre nach Annahme durch die IMO-Versammlung in Kraft. Die beiden wichtigsten meeresschutzbezogenen IMO-Konventionen sind das Internationale Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe vom 2. November 1973 (MARPOL)275 und das Internationale Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See vom 1. November 1974 (SOLAS)276.
269 Vgl. etwa Code for the Construction and Equipment of Ships Carrying Dangerous Chemicals in Bulk (BCH Code, 1971); Code for the Construction and Equipment of Mobile Offshore Drilling Units (MODU Code, 1979); International Safety Management Code (ISM Code, 1993). Eine Sammlung in Buchform ist International Maritime Organization (Hrsg.), Comprehensive Index of Valid Guidelines and Recommendations, 1992. Näher zu den Codes Lagoni, Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) als Rechtsetzungsorgan, in: P. Ehlers/Erbguth (Hrsg.), 50 Jahre Vereinte Nationen, 1997, S. 45 (51 f.). 270 Ist ein soft law-Instrument der IMO einmal völkergewohnheitsrechtlich anerkannt, fließt es auch in die Bestimmungen des SRÜ ein; siehe o. Kapitel 1, I. 2. 271 Der Inhalt der meisten IMO-Konventionen kann im Wege eines vereinfachten Vertragsänderungsverfahrens („tacit acceptance“-Verfahren) durch Aufnahme von Codes flexibel angepasst werden. Zu diesem Verbindlich-Machen siehe etwa Kirgis (Fn. 95), S. 723–727; Lagoni (Fn. 269), S. 51 f. 272 Vgl. Graf Vitzthum (Fn. 42), S. 82, Rn. 152 („Recht ist Recht, wenn es von einem zur Rechtsetzung befugten Organ als rechtlich geltend gesetzt wird.“); Detter, Law Making by International Organizations, 1965, S. 207 f. 273 Dazu etwa P. Ehlers, Die nationale Umsetzung von Übereinkommen und Beschlüssen der Internationalen Seeschiffahrts-Organisation (IMO), in: P. Ehlers/Erbguth (Fn. 269), S. 57 ff. 274 Die bereits ab Unterzeichnung bestehende Verpflichtung, „sich aller Handlungen zu enthalten, die Ziel und Zweck eines Vertrags vereiteln würden“ (Art. 18 WVK), sei an dieser Stelle ausgeklammert. 275 BGBl. 1982 II, S. 4 ff.; Protokoll vom 17. Februar 1978: BGBl. 1984 II, S. 230 ff. 276 BGBl. 1979 II, S. 141 ff.; Protokoll vom 17. Februar 1978: BGBl. 1980 II, S. 526 ff.
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a) MARPOL MARPOL, am 2. Oktober 1983 in Kraft getreten, ist der Bekämpfung der Meeresverschmutzung durch Schiffe277 gewidmet und konkretisiert insofern Art. 211 SRÜ. Es handelt sich seinerseits um ein Rahmenübereinkommen. Neben Fragen der Definitionen278, des Geltungsbereichs279, der Streitbeilegung280, der internationalen Kooperation281, der Berichterstattung282 und des Änderungsverfahrens283 wurden in den nur 20 Artikeln die grundlegenden Rechte und Pflichten der Vertragsparteien normiert. Gemäß Art. 4 MARPOL sind etwa alle Verstöße gegen die Bestimmungen des Übereinkommens verboten, und die Vertragsparteien sind verpflichtet, dieses Verbot mit Strafen zu bewehren. Das Problem der Nichtbegünstigungsklausel Die Art. 5, 6 MARPOL (i.V. m. den in den Anlagen enthaltenen Regeln) führen ein System der Hafenstaatkontrolle ein. Dieses System wird – wie offenbar auch die anderen MARPOL-Bestimmungen – gemäß der Nichtbegünstigungsklausel Art. 5 Abs. 4 MARPOL auf Drittlandsschiffe ausgedehnt: „Bei Schiffen von Nichtvertragsparteien wenden die Vertragsparteien die Vorschriften dieses Übereinkommens an, soweit dies notwendig ist, um sicherzustellen, dass diesen Schiffen keine günstigere Behandlung gewährt wird.“284
Im Hinblick auf den in Art. 34 WVK normierten Grundsatz pacta tertiis nec nocent nec prosunt bestehen Zweifel an der Völkerrechtmäßigkeit dieser Ausdehnung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass MARPOL über 125 Ver277 Schiffe im Sinne von MARPOL sind alle unter der Flagge einer Vertragspartei fahrenden Schiffe bzw. alle Schiffe, die von einer Vertragspartei kontrolliert werden, einschließlich fester und schwimmender Plattformen; vgl. Art. 2 Abs. 4 MARPOL. Hinsichtlich von Plattformen enger das Europarecht; siehe u. Dritter Teil, Kapitel 2, III. 1. a). 278 Art. 2 MARPOL. 279 Art. 3, 9 MARPOL. 280 Art. 10 MARPOL. 281 Art. 6 MARPOL. 282 Art. 8 MARPOL. Die gemäß Art. 8 MARPOL bestehende Berichterstattungspflicht wird von den Bestimmungen des Protokolls vom 17. Februar 1978 näher ausgestaltet. 283 Art. 16 MARPOL. 284 Vgl. auch die Parallelbestimmung des SOLAS-Protokolls vom 17. Februar 1978: „In bezug auf Schiffe von Nichtvertragsparteien des Übereinkommens und dieses Protokolls wenden die Vertragsparteien des Protokolls die Vorschriften des Übereinkommens und des Protokolls an, soweit dies nötig ist, um sicherzustellen, dass diesen Schiffen keine günstigere Behandlung zuteil wird“ (Art. II Abs. 3).
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tragsparteien verfügt, die 97% der Welthandelsflottentonnage repräsentieren. Insofern muss davon ausgegangen werden, dass viele MARPOL-Bestimmungen zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt sind285, darunter auch und gerade das System der Hafenstaatkontrolle im Sinne der Art. 5, 6 MARPOL, soweit Verstöße gegen MARPOL-Regeln innerhalb der küstenstaatlichen Aquitorien in Rede stehen286. Art. 5 Abs. 1–3, 6 MARPOL binden demnach nicht nur die MARPOL-Vertragsparteien, sondern alle Flaggenstaaten (mit Ausnahme der persistent objectors); Art. 34 WVK tritt insoweit zurück287. Im Übrigen unterliegen fremde Schiffe in Häfen bekanntlich ohnehin der Gebietshoheit des Hafenstaats288. 285 Bei diesen Bestimmungen handelt es sich folglich um „allgemein anerkannte internationale Normen“ im Sinne von Art. 211 SRÜ. Siehe o. Kapitel 1, I. 2. – Die gewohnheitsrechtliche Geltung ist für jede Vertragsbestimmung selbständig zu ermitteln. In diesem Zusammenhang ist die Anzahl der Parteien des Übereinkommens ein Indiz (ob für das Element der Übung oder das der opinio iuris, ist freilich ungeklärt) – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Zum einschlägigen Problem „Gewohnheitsrecht aus Verträgen“ siehe Doehring, ZaöRV 36 (1976), S. 77 (83 ff.); ders. (Fn. 127), S. 136–139, Rn. 314–322; Brownlie (Fn. 53), S. 11 ff. Vgl. auch Art. 38 WVK. 286 Vgl. auch das Übereinkommen über Mindestnormen auf Handelsschiffen vom 29. Oktober 1976 (BGBl. 1980 II, S. 608 ff.) sowie die (unverbindliche: Kasoulides, Global and Regional Port State Regimes, in: Ringbom [Hrsg.], Competing Norms in the Law of Marine Environmental Protection, 1997, S. 121 [130]) Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle vom 26. Januar 1982 (BGBl. 1998 II, S. 2780 ff.). Nachweise über weitere einschlägige Memoranda of Understanding bei Valenzuela, Enforcing Rules against Vessel-Source Degradation of the Marine Environment: Coastal, Flag and Port State Jurisdiction, in: Vidas/Østreng (Fn. 220), S. 485 (497– 500). Zum ganzen auch Churchill/Lowe (Fn. 31), S. 274. – Aus den genannten Vereinbarungen und der im Hinblick auf Art. 218 SRÜ einschlägigen Staatenpraxis ergibt sich, dass sich die Durchsetzung durch Hafenstaaten gewohnheitsrechtlich ausschließlich auf Untersuchungen wegen Einleitens innerhalb des küstenstaatlichen Aquitoriums bezieht. Art. 218 SRÜ geht insofern über das geltende Gewohnheitsrecht hinaus; Yahia, The Law of the Sea Convention: A Regulatory Regime for the Implementation of UNCED Agenda 21 in the Mediterranean, in: Belfiore/Lucia/Pesaro (Fn. 246), S. 256 (264); Lagoni (Fn. 44), S. 144; Churchill/Lowe (Fn. 31), S. 350; König (Fn. 91), S. 204; Graf Vitzthum/Talmon (Fn. 91), S. 137; Ringbom (Fn. 91), S. 25; Cron (Fn. 4), S. 82, Fn. 270, jeweils m. w. N. Dass ein bestimmtes Recht, obschon sowohl völkervertragsrechtlich als auch völkergewohnheitsrechtlich anerkannt, je nach Rechtsquelle verschiedenen Umfangs sein kann, hat bereits der IGH festgestellt; Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. USA), ICJ Reports 1986, 13, 94, 102. 287 Vgl. Art. 38 WVK. Zu dieser Bestimmung Rozakis, ZaöRV 35 (1975), S. 1 (25–38). 288 Siehe nur Churchill/Lowe (Fn. 31), S. 64 f.; Graf Vitzthum (Fn. 25), S. 405, Rn. 40; Badura, EPIL III (1997), S. 1068 (1070); Gloria in: Ipsen (Fn. 42), S. 722 f., Rn. 8; Lagoni (Fn. 136), S. 342; ders., TranspR 24 (2001), S. 24 (291); Núñez-Müller (Fn. 129), S. 262; Ringbom (Fn. 91), S. 23. Vgl. auch den Wortlaut von Art. 219 SRÜ: „Vorbehaltlich des Abschnitts 7 ergreifen Staaten, die auf Ersu-
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Angesichts des Umstands, dass sich Art. 5 Abs. 4 MARPOL dem insoweit eindeutigen Wortlaut nach nicht nur auf die vorangehenden Absätze der Norm, auf das formelle Verfahren der Hafenstaatkontrolle also, sondern allgemein auf die „Vorschriften dieses Übereinkommens“ bezieht289, können die hinsichtlich der Völkerrechtskonformität jener Ausdehnung geäußerten Bedenken indes nicht vollständig mit dem Hinweis auf das Gewohnheitsrecht entkräftet werden. So bliebe etwa die Kontrolle eines Drittlandsschiffes gemäß Art. 6 Abs. 2 MARPOL problematisch, wenn die Kontrolle auf dem Vorwurf basierte, das Schiff habe entgegen den MARPOL-Regeln auf Hoher See Schadstoffe in die Meeresumwelt eingeleitet. Im Schrifttum wird dem zum Teil unter Hinweis auf die angeblich nur indirekte bzw. mittelbare Drittwirkung der Nichtbegünstigungsklausel entgegengetreten290. Grundlage dieser Argumentation ist der zutreffende Befund, dass die Parteien eines völkerrechtlichen Vertrags in der Tat zulässigerweise Abreden treffen können, durch die dritte Staaten indirekt benachteiligt oder unter Druck gesetzt werden291. Dabei handelt es sich freilich um faktische Belastungen, also um „politische Reflexe ohne Rechtscharakter“292. Davon zu unterscheiden sind Fälle indirekter rechtlicher Belastungen293, in denen ein Vertrag für Drittstaaten zwar keine unmittelbaren chen oder von sich aus festgestellt haben, dass ein Schiff in einem ihrer Häfen [. . .] gegen anwendbare internationale Regeln und Normen über die Seetüchtigkeit der Schiffe verstößt und dadurch die Meeresumwelt zu schädigen droht, nach Möglichkeit Verwaltungsmaßnahmen, um das Schiff am Auslaufen zu hindern“ (Hervorhebung vom Verf.). 289 A. A. OVG Hamburg, NuR 13 (1991), S. 388 (389): Art. 5 Abs. 4 MARPOL beziehe sich ausschließlich auf die Abs. 1–3 der Bestimmung. Siehe aber ebd.: Ein anderes Ergebnis sei wegen Art. 34 f. WVK ausgeschlossen. – Dass Art. 5 Abs. 4 MARPOL dem Wortlaut nach alle Bestimmungen des Übereinkommens erfasst, wird unter anderem von Handl, Regional Arrangements and Third State Vessels: Is the Pacta Tertiis Principle Being Modified? in: Ringbom (Fn. 286), S. 217 (222 f.), übersehen. 290 So etwa König (Fn. 91), S. 168 f.; Núñez-Müller (Fn. 129), S. 261; Wolfrum (Fn. 92), S. 139 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum (Fn. 91), S. 379. 291 Doehring (Fn. 127), S. 150, Rn. 347; Chinkin, Third Parties in International Law, 1993, S. 19; Ballreich, EPIL IV (2000), S. 945; ders., Völkerrechtliche Verträge zu Lasten Dritter, in: Schreiber/Mosler (Hrsg.), FS für Bilfinger, 1954, S. 1 (2); Wetzel, Verträge zugunsten und zu Lasten Dritter, 1973, S. 13 f.; Aust, Modern Treaty Law and Practice, 2000, S. 207; Sinclair, The Vienna Convention on the Law of Treaties, 2. Aufl. 1984, S. 99; Cahier, RdC 143 (1974-III), S. 589 (597); Dahm, Völkerrecht, Bd. 3, 1961, S. 118; Wengler, Völkerrecht, Bd. I, 1964, S. 244 f.; Jennings/Watts (Fn. 177), S. 1261, § 626; Geiger, Verträge, allgemeines, in: SeidlHohenveldern (Fn. 225), S. 472 (477). 292 Ballreich, Verträge zugunsten und zu Lasten Dritter, in: Strupp/Schlochauer (Fn. 138), S. 544. 293 Siehe Doehring (Fn. 127), S. 150, Rn. 347.
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Pflichten begründet, die Vertragsbestimmungen aber, wie im Falle der Nichtbegünstigungsklauseln von MARPOL und SOLAS, von den Vertragsparteien auch gegenüber Drittstaaten angewendet, letztere also gleichsam durch die Hintertüre verpflichtet werden sollen. Es fragt sich, ob solche indirekten Verpflichtungen von Art. 34 WVK erfasst werden294. Diese Frage wird unter anderem von Doris König295 verneint: Indirekte Verpflichtungen verkörperten lediglich unbeachtliche Rechtsreflexe und griffen nicht in die Rechtspositionen von Nichtvertragsparteien ein. Auch Ralf Günter Wetzel zufolge sind „Verträge zu Lasten Dritter von Drittstaaten belastenden Rechtsreflexen eines Vertrags abzugrenzen“296; faktische Folgen eines Vertrags seien als Rechtsreflexe zu qualifizieren, wenn es an der unmittelbaren Verpflichtung von Drittstaaten fehle. Nach Auffassung anderer Autoren verbietet Art. 34 WVK hingegen nicht nur die unmittelbare Verpflichtung von Drittstaaten, sondern auch, dass ein Vertrag die Rechte von Drittstaaten aufhebt bzw. zu ihrem Nachteil verändert297. In diesem Sinne lautete Absatz 1 des vom damaligen Special Rapporteur der ILC, Sir Humphrey Waldock, für den Entwurf der heutigen WVK vorgeschlagenen Art. 61: „1. Except as provided in article 62 and 63, a treaty applies only between the parties and does not (a) impose any legal obligations upon States not parties to the treaty or modify in any way their legal rights; (b) confer any legal rights upon States not parties to the treaty.“298
Freilich ist zweifelhaft, ob die von Waldock vorgeschlagene Fassung über einen weiteren Anwendungsbereich als der heutige Art. 34 WVK verfügen sollte. Waldock selbst hat auf den Vorschlag, die Worte „or modify in any way their legal rights“ zu streichen, eingeräumt, dass dieser Teil des Art. 61 Abs. 1 lit. a letztlich bedeutungslos sei und daher in der Tat gestrichen wer294
Zur Klarstellung: Im vorliegenden Zusammenhang geht es nicht um Ausnahmen zu Art. 34 WVK, sondern um die Reichweite dieser Bestimmung. Ausnahmen sind für Verfügungsverträge, gestaltende Verträge also, sowie für Statusverträge anerkannt. Näher dazu u. II. 1. d). 295 (Fn. 91), S. 168 f. 296 (Fn. 291), S. 13. 297 Dahm (Fn. 291), S. 117 f.; Ballreich (Fn. 291), S. 7 („Wirkungen auf Dritte sind ihnen [den Verträgen] notwendig wesensfremd“); Aust (Fn. 291), S. 207; International Status of South West Africa, Sep. Op. Read, ICJ Reports 1950, 128, 164, 165 („It is a principle of international law that the parties to a multilateral treaty, regardless of their number or importance, cannot prejudice the legal rights of other states.“); Island of Palmas (Netherlands v. USA), RIAA II, 829, 842. 298 UN Doc. A/CN.4/167, Third Report on the Law of Treaties, by Sir Humphrey Waldock, Special Rapporteur, 3 March, 9 June, 12 June and 7 July 1964: YBILC 1964 II, 5, 17 (Hervorhebung hinzugefügt).
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den könne, ohne dass der Gehalt der Bestimmung verändert werde299. Der hier einschlägige Fall einer indirekten Drittwirkung war also offenbar nicht gemeint. Gleichwohl spricht vieles für eine weite, jene rechtlichen Drittwirkungen jedenfalls teilweise erfassende Auslegung von Art. 34 WVK. Mit Blick auf die Eingriffsintensität besteht kein Unterschied, ob ein Drittstaat unmittelbar an die Vorgaben eines Vertrags gebunden wird – dann ist Art. 34 WVK eindeutig verletzt –, oder ob die Vertragsparteien die Vorgaben des Vertrags dem Drittstaat gegenüber anwenden, der Drittstaat insofern lediglich mittelbar gebunden wird. In beiden Fällen handelt es sich um Eingriffe in Rechtspositionen des Drittstaats300. Die Gegenmeinung trennt nicht hinreichend deutlich zwischen rechtlichen und faktischen Belastungen, und es ist zumindest missverständlich, wenn Wetzel im Zusammenhang mit belastenden Rechtsreflexen von faktischen Folgen spricht301. Für die hier vertretene Auffassung ist des weiteren anzuführen, dass in den unmittelbar auf die Gründung der Vereinten Nationen folgenden Jahren die Vereinbarkeit von Art. 2 Nr. 6 sowie von Art. 102 Abs. 2 UN-Charta – beiden Normen verfügen über indirekte Drittwirkung302 und sind insoweit mit den vorliegend problematischen Nichtbegünstigungsklauseln vergleichbar – mit der pacta tertiis-Regel bezweifelt wurde303. Zuzugeben ist, dass sich die Abgrenzung von indirekter Drittwirkung einerseits und faktischen Belastungen andererseits im Einzelfall schwierig gestalten kann304. Vereinbaren etwa zwei Staaten, dass einem dritten Staat bestimmte Waren nicht geliefert werden, ist dies für den Drittstaat eine zwar unangenehme, aber grundsätzlich rechtlich irrelevante, da faktische Belastung305. Diese Belastung kann indes ihrer299 YBILC 1964 I, 66, para. 71. Vgl. auch die vorausgehenden Stellungnahmen von de Luna („Restricting a right was equivalent to imposing an obligation [. . .]“) und Jiménez des Aréchaga: YBILC 1964 I, 65, paras. 61, 63. 300 Jennings/Watts (Fn. 177), S. 1264, § 627 mit Fn. 4 („The obligation, it will be noted, is not a direct one. However, inasmuch as a legal rule is conceived as a precept of conduct enforced by external sanction, the difference is one of form rather than of substance.“); Kelsen, Prager JZ 14 (1934), S. 419 (424, 428). Vgl. auch Wengler (Fn. 291), S. 248: „Staaten [können] in einem Vertrag im Prinzip nicht vereinbaren [. . .], dass bei einer Verletzung der in dem Vertrag begründeten Rechtspflichten andere Staaten als die Vertragsschließenden sollen. [. . .] Dass durch Vertrag nur die vertragschließenden Staaten selbst für die Befolgung der in dem Vertrag enthaltenen Normen haftbar werden können, ist eine der praktisch wichtigsten Folgen aus der Souveränitätsidee.“ Konkret zur MARPOL-Nichtbegünstigungsklausel auch OVG Hamburg, NuR 13 (1991), S. 388 (389). 301 (Fn. 291), S. 13. Ebenso Núñez-Müller (Fn. 129), S. 261. 302 Jennings/Watts (Fn. 177), S. 1264, § 627. 303 Kunz, AJIL 41 (1947), S. 119 (125); Kelsen, The Law of the United Nations, 1950, S. 110; Ballreich (Fn. 292), S. 545; Goodrich/Hambro, Charter of the United Nations, 2. Aufl. 1949, S. 108 f.; Katzarov, AVR 3 (1951/52), S. 1 (5, 17). 304 Ballreich (Fn. 292), S. 545.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
seits zu einem Völkerrechtsverstoß führen, dies freilich nicht unter Gesichtspunkten des (ja faktische Belastungen nicht erfassenden) Art. 34 WVK, sondern wegen Verletzung einer Norm des ius cogens. Sowohl indirekte Drittwirkung wie faktische Belastung können also unter Umständen einen Völkerrechtsverstoß bedeuten. Die insofern bestehenden Parallelen hinsichtlich der Rechtsfolgen erschweren eine eindeutige Abgrenzung.
Angesichts dieser Schwierigkeiten und im Hinblick auf den Wortlaut von Art. 34 WVK („Pflichten“) bietet es sich an, nur solche indirekten Eingriffe dem Anwendungsbereich der pacta tertiis-Regel zuzuordnen, durch die der Drittstaat in vergleichbarem Maße wie durch eine unmittelbare Verpflichtung belastet wird. Entscheidend ist also die Intensität der Rechtsbelastung (nicht aber die regelmäßig nicht feststellbare Absicht der vertragschließenden Parteien!306), wobei daran zu erinnern ist, dass Art. 34 WVK in besonderem Maße Ausfluss der Souveränität und Gleichheit der Staaten ist307, letztlich also auf den sog. Grundrechten der Staaten bzw. den Strukturprinzipien des Völkerrechts fußt. Deshalb erscheint naheliegend, die Reichweite der pacta tertiis-Regel hinsichtlich indirekter Rechtswirkungen entsprechend auf Verträge zu beschränken, die die Grundrechte von Drittstaaten tangieren. Zu den Grundrechten der Staaten gehören insbesondere das Recht auf politische Unabhängigkeit, das Recht auf Gleichheit, das Recht auf Achtung der Gebietshoheit, das Recht auf Ehre, das Recht auf Verkehr308. Vorliegend betrifft die indirekte Drittwirkung der Nichtbegünstigungsklauseln von MARPOL und SOLAS die Flaggenhoheit. Es fragt sich, ob diese Hoheitskategorie zu den Grundrechten des Staates gezählt werden kann. Das ließe sich etwa mit dem Argument bejahen, dass die Flaggenhoheit letztlich nichts anderes als eine seewärtige Fortsetzung der Gebietshoheit, das Schiff also ein schwimmender Gebietsteil sei309. Indes bestehen zwischen Gebietshoheit und Flaggenhoheit de lege lata, wie von Marco Núñez-Müller 305
Beispiel von Doehring (Fn. 127), S. 150, Rn. 347. Vgl. Wetzel (Fn. 291), S. 5. 307 Wengler (Fn. 291), a. a. O.; Ballreich (Fn. 291), S. 5 f.; Shaw (Fn. 44), S. 652; Wetzel (Fn. 291), S. 72 f.; Geiger (Fn. 291), S. 477; Jennings/Watts (Fn. 177), S. 1264, § 627. 308 Seidl-Hohenveldern, Grundrechte, völkerrechtliche, in: ders. (Fn. 225), S. 156; Scupin, Grundrechte und Grundpflichten der Staaten, in: Strupp/Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, 1. Bd., 2. Aufl. 1960, S. 723; Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, S. 272 ff., §§ 451 ff. Zurückhaltend Dahm, Völkerrecht, Bd. 1, 1958, S. 191 ff. Vgl. auch UN Doc. A/RES/2625 (XXV), Declaration on Principles of International Law Concerning Friendly Relations and Cooperation among States in Accordance with the Charter of the United Nations, 24 October 1970. 309 In diesem Sinne The Lotus (France v. Turkey), PCIJ, Ser. A, No. 10, 1927, 3, 25; Maunz in: Maunz/Dürig/Herzog (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. III, Art. 27, Rn. 24; Wengler, Völkerrecht, Bd. II, 1964, S. 1073. Weitere Nachweise bei Núñez-Müller (Fn. 129), S. 82. 306
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überzeugend dargelegt310, gewichtige Unterschiede, die eine Differenzierung auch im Rahmen des hier zu klärenden Problems verlangen. Zwar ist auch die Gebietshoheit nach allgemeinem Völkerrecht nicht schrankenlos. Im Hinblick auf eine Vergleichbarkeit beider Hoheitskategorien ist aber zu bedenken, dass die Hoheit des Flaggenstaates nur auf Hoher See eine ausschließliche ist311, wohingegen ein sich im Aquitorium eines Küstenstaats befindendes Schiff ohne weiteres (auch) dessen Gebietshoheit unterfällt. Sogar in der aWZ, einem bloßen Funktionshoheitsraum, ist die Flaggenhoheit durch Art. 73 SRÜ eingeschränkt. Insofern steht die Flaggenhoheit in Abhängigkeit zur räumlichen Kategorie; qualitativ ist sie gegenüber der Gebietshoheit ein Minus.
Nichtsdestotrotz gründet die Flaggenhoheit – wie alle Formen staatlicher Hoheitsgewalt – auf der einzelstaatlichen Souveränität312. Mag das allgemeine Völkerrecht den Hoheitskategorien auch verschiedene Schranken setzen, ist die Flaggenhoheit hinsichtlich ihrer Begründung gleichwohl originäre Hoheitsgewalt, Gewalt also, die weder über die Gebietshoheit noch über die Personalhoheit vermittelt wird313. So wird die Flaggenhoheit von der Gebietshoheit des Küstenstaats in dessen Hoheitsgebiet nicht verdrängt, sondern besteht – eingeschränkt – fort314. Angesichts der insofern bestehenden Vergleichbarkeit der verschiedenen Ausprägungen von Hoheitsgewalt muss die Flaggenhoheit zu den Grundrechten des Staates gezählt werden315. Für vorliegendes Problem folgt daraus, dass die MARPOL-Nichtbegünstigungsklausel bezüglich der noch nicht zu Gewohnheitsrecht erstarkten Bestimmungen des Übereinkommens316 ohne Rechtswirkung bleibt. Das Problem ist durch eine zu Art. 3 Abs. 1 lit. b MARPOL konforme, also einschränkende Auslegung von Art. 5 Abs. 4 MARPOL zu lösen317. Nach 310
(Fn. 129), S. 82–87. Freilich unterliegen Handelsschiffe selbst auf Hoher See bestimmten Hoheitsakten anderer Staaten; vgl. Art. 99 ff. SRÜ. 312 Lagoni (Fn. 136), S. 328 f.; Núñez-Müller (Fn. 129), S. 80. 313 Vgl. Art. 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 SRÜ. 314 Lagoni (Fn. 136), S. 335 f.; Bolte, Rechte des Uferstaates in Seehäfen über ausländische Handelsschiffe, 1969, S. 31 ff. 315 Talmon, Kollektive Nichtanerkennung illegaler Staaten, 2002, Manuskript, S. 237. Auch Folz, Die unmittelbaren Rechte der Staaten, in: Miehsler/Mock/ Simma/Tammelo (Hrsg.), Ius Humanitatis, FS für Verdross, 1980, S. 403 (405), unterscheidet nicht zwischen den verschiedenen Kategorien der Hoheitsgewalt, sondern spricht im Zusammenhang mit den Grundrechten des Staates allgemein von „Achtung staatlicher Souveränität und Hoheitsgewalt“. Wengler (Fn. 309), S. 1065 f., fasst die drei Kategorien der Hoheitsgewalt mit dem Begriff „Staatshoheit“ zusammen. 316 Um welche Bestimmungen es sich handelt, bedürfte schon deshalb näherer Untersuchung, weil die Bestimmungen der MARPOL-Anlagen im Wege eines vereinfachten Vertragsänderungsverfahrens an neue faktische Entwicklungen angepasst werden können; siehe dazu sogleich im Text. 317 Vgl. auch Ballreich (Fn. 292), S. 546: „Aus dem bei allem Wandel des Inhalts der Souveränität von den Gerichten beachteten Grundsatz, dass im Zweifel ein 311
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Art. 3 Abs. 1 lit. b MARPOL gilt das Übereinkommen auch für solche Schiffe, „die nicht berechtigt sind, die Flagge einer Vertragspartei zu führen [– die also wegen Art. 91 Abs. 1 S. 2 SRÜ grundsätzlich nicht die Staatszugehörigkeit einer Vertragspartei besitzen318 –], die jedoch unter der Hoheitsgewalt einer Vertragspartei betrieben werden.“
Gegenüber einer Reduktion von Art. 5 Abs. 4 MARPOL ausschließlich auf die Abs. 1–3 der Norm ist die zu Art. 3 MARPOL konforme Auslegung vorzugswürdig, da sie sowohl dem Wortlaut von Abs. 4 als auch der Systematik des Übereinkommens Rechnung trägt. Unabhängig davon bleiben die Vertragsparteien nach allgemeinem Völkerrecht (natürlich) berechtigt, in ihren Häfen liegende Drittstaatsschiffe zu kontrollieren, wenn es innerhalb des küstenstaatlichen Aquitoriums zu einem Verstoß gegen MARPOL-Regeln gekommen ist bzw. ein solcher Verstoß vermutet wird. Die MARPOL-Anlagen: Überblick Die Bestimmungen des Rahmenübereinkommens werden von sechs Anlagen näher ausgestaltet319. Während die Anlagen I und II gemäß Art. 14 MARPOL automatisch für die MARPOL-Vertragsparteien gelten, sind die Anlagen III-VI fakultativ („Optional Annexes“), d. h. sie bedürfen jeweils der neuerlichen Ratifikation durch die IMO-Mitgliedstaaten. Da Anlage VI noch nicht in Kraft getreten ist, kann bei ihr nicht von einer gewohnheitsrechtlichen Geltung ausgegangen werden. Hinzu tritt, dass die Bestimmungen der Anlagen angesichts ihres technischen Gehalts kaum über den nach IGH-Judikatur erforderlichen „fundamentally norm-creating character“ 320 verfügen dürften. Während die obligatorischen Anlagen I und II die Meeresverschmutzung durch Öl (Anlage I) und durch als Massengut beförderte schädliche flüssige Stoffe (Anlage II) behandeln, sind die fakultativen Anlagen der Verschmutzung durch Schadstoffe in verpackter Form (Anlage III), durch Schiffsabwässer (Anlage IV) und durch Schiffsmüll (Anlage V) gewidmet; Anlage Vertrag die Souveränität – zumal eines Dritten Staats – nicht habe tangieren wollen, werden sie bei der Anerkennung von Drittwirkungen jedenfalls gegenüber Staaten außerordentlich vorsichtig sein, einschlägige Bestimmungen also restriktiv auslegen.“ 318 Zur Auslegung von Art. 91 Abs. 1 SRÜ siehe o. Fn. 129. 319 Überblick bei Beyerlin (Fn. 28), S. 120 ff., Rn. 247 ff. Zu Anlage I siehe auch Griffin, IJGLS 1 (1994), S. 489 (496 f., 508 f.). 320 North Sea Continental Shelf (Germany v. Denmark; Germany v. Netherlands), ICJ Reports 1969, 3, 42. – Den Hinweis auf diesen Aspekt des IGH-Judikats verdanke ich Henning Schult.
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VI bezieht sich auf die Verhütung der Luftverschmutzung durch Schiffe. Der intermediale Ansatz der letztgenannten Anlage ist angesichts des Zusammenhangs mit Aspekten des Klimaschutzes – Anlage VI enthält unter anderem Vorgaben bezüglich ozonabbauender Stoffe (Regel 12) – bislang auf breite Skepsis der IMO-Mitgliedstaaten gestoßen321; Anlage IV, erst am 27. 9. 2003 in Kraft getreten, ist problematisch, weil die Vertragsparteien nach ihr verpflichtet sind, in Häfen und an Umschlagplätzen Anlagen einzurichten, in denen die den Gegenstand der Anlage bildenden Schiffsabwässer entsorgt werden können (Regel 10). Daneben soll zu Kontrollzwecken ein Zertifizierungssystem eingeführt werden (Regeln 3–7). Der insofern vorhandene Investitionsbedarf hat sich offenbar negativ auf die Ratifikationsmotivation der IMO-Mitgliedstaaten ausgewirkt. Einmal mehr zeigt sich: Werden die Interessen der betroffenen Staaten nicht hinreichend berücksichtigt, werden im Rahmen des Rechtsetzungsprozesses gar die wirtschaftlichen Realitäten ignoriert, sind die geplanten Normen in aller Regel von vorne herein zur Wirkungslosigkeit verurteilt. Anlagen I, II und V erklären bestimmte Meeresgebiete zu Sondergebieten („special areas“), für die ein gegenüber anderen Gebieten verschärftes Schutzregime gilt322. Teile des Nordostatlantiks bilden ein Sondergebiet im Sinne von Anlage I (Regel 10: „North West European Waters“), nicht aber im Sinne der Anlagen II und V. Daneben kann die IMO auf Vorschlag einer Vertragspartei ein Meeresgebiet als „Particular Sensitive Sea Area“ (PSSA) ausweisen323. Dies ist weltweit bislang in sechs Fällen geschehen: dem Great Barrier Reef (Australien), dem Sabana-Camagüey Archipelago (Kuba), den Florida Keys (USA), der Malpelo Island (Kolumbien), dem Wattenmeer (Deutschland und Niederlande) sowie dem Paracas National Reserve (Peru). Innerhalb solcher PSSAs können unter anderem Schifffahrtsrouten festgelegt werden324.
321 Anlage VI, im Unterschied zu den Anlagen III-V in Form eines MARPOLProtokolls verabschiedet, wurde bislang lediglich von acht Staaten ratifiziert. Die IMO hat ihre Mitgliedstaaten kürzlich erneut zur Ratifikation der Anlage aufgefordert; vgl. IMO Doc. A 22/Res.929, Resolution A.929(22), Entry into Force of Annex VI of MARPOL 73/78, 15 January 2002, 2, para. 1. 322 Vgl. etwa Regel 10 Abs. 2 lit. a Anlage 1: „Subject to the provisions of Regulation 11 of this Annex, any discharge into the sea of oil or oily mixture from any oil tanker and any ship of 400 tons gross tonnage and above other than an oil tanker shall be prohibited, while in a special area.“ 323 Siehe dazu schon o. Kapitel 1, I. 3. Vgl. auch Merialdi (Fn. 112), S. 36 ff.; Gjerde, Protecting Particularly Sensitive Areas from Shipping: A Review of IMO’s New PSSA Guidelines, in: Thiel/Koslow (Fn. 104), S. 123 ff. 324 Vgl. IMO Doc. A 22/Res.927, Resolution A.927(22), Guidelines for the Designation of Special Areas under MARPOL 73/78 and Guidelines for the Identification and Designation of Particularly Sensitive Sea Areas, 15 January 2002, 13, para. 7.4.2.1 lit. b.
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Größerer Erfolg scheint der Agende „Ausmusterung von Einhüllen-Tankschiffen“ beschieden. Anlage I MARPOL wurde im April 2001 um einen Zeitplan zum Außerdienststellen dieser Schiffe erweitert (Regel 13G); die Erweiterungen sind am 1. September 2002 in Kraft getreten. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Außerdienststellung unterscheidet die Regel je nach Schiffsbaujahr325; die vollständige Ausmusterung der Einhüllen-Öltanker wird nicht vor 2015 beendet sein. Auch in diesem Zusammenhang haben wirtschaftliche Erwägungen die meeresschutzbezogene Motivation der Staaten gebremst. Die heute „neuen“ Tankschiffe werden im Jahre 2015 beinahe so alt sein wie die Erika im Zeitpunkt ihres Untergangs. Immerhin: Die schnelle Anpassung von Anlage I MARPOL ist positiv zu beurteilen. Art. 16 MARPOL stellt verschiedene Verfahren zur Änderung und Erweiterung des Übereinkommens zur Verfügung, von denen eines das Verfahren der vereinfachten Vertragsänderung („tacit acceptance“-Verfahren) ist326. Nach diesem Verfahren gilt die Änderung einer Anlage als angenommen, wenn sie nicht innerhalb einer Frist von mindestens 10 Monaten von einem Drittel der Vertragsparteien bzw. von Vertragsparteien, die gemeinsam mindestens 50% der Welthandelsflottentonnage repräsentieren, zurückgewiesen wird (Abs. 2 lit. f [iii]). Die Änderung tritt dann sechs Monate nach Annahme für alle Staaten in Kraft, die der Änderung nicht rechtzeitig widersprochen haben (Abs. 2 lit. g [ii]). Die Grenzen des „tacit acceptance“-Verfahrens sind erreicht, wenn die Änderung wichtiger materiell-rechtlicher Bestimmungen zur Diskussion steht. So gilt es von vorne herein nur für Änderungen der Anlagen einschließlich ihrer Anhänge327. Jene Regel 13G, die den Zeitplan für das Außerdienststellen der Einhüllen-Tankschiffe normiert, wurde jedenfalls im Wege des „tacit acceptance“Verfahrens in Anlage I MARPOL eingefügt328. Völkerrechtlich spricht im Übrigen nichts gegen die Bindungswirkung der im Wege dieses Vertragsänderungsverfahrens erzeugten Normen, kann doch die Zustimmung eines Staates, durch einen Vertrag gebunden zu werden, gemäß Art. 11 WVK neben Unterzeichnung usw. auch „auf eine andere vereinbarte Art ausgedrückt werden“329. 325 Siehe den Wortlaut von Regel 13G: http://www.imo.org/Newsroom/contents. asp?doc_id=756&topic_id=281. 326 Vgl. Art. 16 Abs. 2 lit. g ii) MARPOL. Dazu Juda, ICLQ 26 (1977), S. 558 (573 ff.); Bloch, VN 51 (2003), S. 11 (12 f.). 327 Vgl. Art. 16 Abs. 2 lit. f i) MARPOL. Zu den Grenzen des „tacit acceptance“-Verfahrens vgl. auch Ilg (Fn. 46), S. 44 ff. 328 Vgl. IMO Doc. MEPC 46/WP.4, Resolution MEPC 4(46), Amendments to the Annex of the Protocol of 1978 relating to the International Convention for the Prevention of Pollution from Ships, 1973, 27 April 2001, 1, para. 2. 329 Siehe auch Ilg (Fn. 46), S. 43; Lagoni (Fn. 136), S. 340, Fn. 337.
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b) SOLAS Im Zusammenhang mit der Verschmutzung durch Schiffe ist auf Ebene des universellen Meeresschutzrechts neben MARPOL vor allem SOLAS zu erwähnen. Zwar ist das Übereinkommen nicht unmittelbar auf den Schutz der Meeresumwelt gerichtet, sondern auf den Schutz des menschlichen Lebens auf See. Diesbezügliches Instrument ist aber die Verbesserung der Sicherheit im Seeverkehr, von der mittelbar die Meeresumwelt profitiert. Auch im Falle von SOLAS handelt es sich um ein Rahmenübereinkommen, das durch die in seiner Anlage enthaltenen Bestimmungen materiell-rechtlich ausgestaltet wird. Art. I SOLAS enthält etwa die grundlegende Verpflichtung der Vertragsparteien, den Bestimmungen des Übereinkommens „und seiner Anlage, die Bestandteil des Übereinkommens ist, Wirksamkeit zu verleihen“. Insofern kommt es wiederum maßgeblich auf die innerstaatliche Implementierung der SOLAS-Bestimmungen an. Gegenstand des umfangreichen Art. VIII SOLAS sind die Vertragsänderungsverfahren, von denen eines das bereits erläuterte330 „tacit acceptance“-Verfahren ist (lit. b vi), vii)). Es ist nur für Änderungen der Anlage, mit Ausnahme ihres Kapitels I, vorgesehen. Das zweite Verfahren ist die Änderung durch eine Konferenz (lit. c), das dritte, in Art. VIII SOLAS (natürlich) nicht genannt, der Abschluss eines neuen völkerrechtlichen Vertrags. In diesem Sinne wurden in den Jahren 1978 und 1988 zwei Protokolle angenommen, von denen das erste331 die Sicherheit von Tankschiffen betrifft und sich sowohl auf SOLAS wie auf MARPOL bezieht, wohingegen das zweite332 die Bestimmungen von SOLAS mit denen von MARPOL sowie denen des Internationalen Freibord-Übereinkommens vom 5. April 1966333 harmonisiert. Die Bestimmungen der in 12 Kapitel unterteilten Anlage schreiben in erster Linie technische Mindeststandards für Handelsschiffe vor. Während das nicht der „tacit acceptance“-Prozedur unterliegende Kapitel I der Schiffsüberwachung gewidmet ist und unter anderem eine – freilich nur eingeschränkte – Hafenstaatkontrolle einführt (Regel 19), stellt etwa Kapitel II Anforderungen an die Konstruktion von Handelsschiffen sowie an die zu treffenden Brandschutzvorkehrungen334. Zwischen obligatorischen und fakultativen Kapiteln der Anlage differenziert SOLAS nicht. Wird ein Kapitel der SOLAS-Anlage in Übereinstimmung zu dem in Art. VIII SOLAS niedergelegten vereinfachten Änderungsverfahren geändert, sind alle Vertrags330
Siehe o. a) („Die MARPOL-Anlagen: Überblick“). Siehe die in Fn. 276 genannte Fundstelle. 332 Protokoll vom 11. November 1988: BGBl. 1994 II, S. 2458 ff. 333 BGBl. 1969 II, S. 249 ff. 334 Überblick über die einzelnen SOLAS-Kapitel unter http://www.imo.org/Conventions/contents.asp?topic_id=257&doc_id=647. 331
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parteien, vorbehaltlich des fristgerechten Einspruchs einer bestimmten Anzahl von Vertragsparteien, automatisch an die geänderten Bestimmungen gebunden. Dieser Umstand ist der Grund dafür, weshalb dem „tacit acceptance“-Verfahren im SOLAS-Rahmen seitens der Vertragsparteien größere Skepsis entgegen gebracht wird, als dies bei MARPOL der Fall ist. Daneben ist zu bedenken, dass eine Änderung der SOLAS-Anlage angesichts von 146 Vertragsstaaten, die 98,49% der Welthandelsflottentonnage repräsentieren, immer zugleich Auswirkungen auf den Umfang des geltenden Völkergewohnheitsrechts haben dürfte335. Zu viele und zu schnelle Änderungen bringen außerdem Umsetzungsprobleme mit sich; Robin Churchill und Vaughan Lowe verweisen in diesem Zusammenhang auf eine Übereinkunft, wonach das Übereinkommen einschließlich seiner Anlage grundsätzlich nur mehr frühestens alle vier Jahre geändert werden soll336. Unter den aktuellsten SOLAS-Änderungen ist der International Ship Management Code (ISM-Code) hervorzuheben. 1993 beschlossen, wurde dieser eigentlich unverbindliche Code337 im Jahre 1994 über Kapitel IX Anlage SOLAS in das Übereinkommen inkorporiert und damit verbindlich gemacht. Kapitel IX Anlage SOLAS und der ISM-Code sind allerdings nicht identisch; vielmehr verweist Kapitel IX Anlage SOLAS bezüglich der Einzelheiten auf den Code zurück338. Nach ihm sind die Reedereien nunmehr verpflichtet, ein „Safety Management System“ einzuführen, das ganz auf unternehmerische Eigenverantwortlichkeit setzt. So muss jede Reederei eine Sicherheits- und Umweltpolitik verfolgen (para. 2), und sie muss eine verantwortliche Person an Land benennen, die eine ständige Verbindung zwischen Schiff und Reederei gewährleistet (para. 4). Die Reedereien müssen also einen Teil ihres inneren Gefüges offenlegen. Ferner haben sie für eine nationalen und internationalen Standards genügende Ausbildung ihrer Seeleute zu sorgen (para. 6). Reedereien, die den Vorgaben des ISM-Codes entsprechen, erhalten vom Flaggenstaat ein Document of Compliance (para. 13.2), das seitens des Schiffes stets mitzuführen ist (para. 13.3). Zu Kontrollzwecken wird des weiteren ein SMS-Zertifikat ausgestellt (para. 13.4). Ähnlich wie Regel 13G Anlage I MARPOL sah Regel 2 Kapitel IX Anlage SOLAS je nach Schiffstyp unterschiedliche Zeitpunkte für das In-Kraft-Tre335 Das gilt nicht für die Bestimmungen des Protokolls von 1988, das bislang lediglich von 61 Staaten ratifiziert wurde, die 63,26% der Welthandelsflottentonnage repräsentieren. – Zum Problem Völkergewohnheitsrecht aus Vertragsrecht siehe schon o. Fn. 285. 336 (Fn. 31), S. 273. 337 Vgl. IMO Doc. A 18/Res.741, Resolution A.741(18), The International Safety Management Code, 4 November 1993. 338 Vgl. etwa Regel 3.1: „The company and the ship shall comply with the requirements of the International Safety Management Code.“
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ten des ISM-Codes vor. Seit dem 1. 7. 2002 gelten seine Bestimmungen nunmehr für alle Schiffe. Hingewiesen sei schließlich auf die jüngst erfolgten, ebenfalls am 1. 7. 2002 in Kraft getretenen Novellierungen von Kapitel V Anlage SOLAS („Safety of Navigation“), wonach Schiffe mit bestimmten nautischen Systemen auszurüsten sind, darunter satellitengestützte Ortungs- und Navigationssysteme (GPS). Schiffe mit einer Bruttoraumzahl von mehr als 300 müssen weiterhin über ein automatisches Schiffsidentifizierungssystem (AIS) verfügen, das eine jederzeitige Ortung ermöglicht (Regel 19.2.4)339, größere Schiffe (über 3000 BRZ) und Passagierschiffe – auch hier gilt: Schiffstyp und Baujahr entscheiden über den Zeitpunkt – über Schiffsdatenschreiber, die den aus Flugzeugen bekannten „black boxes“ entsprechen (Regel 20)340. Bezüglich all jener verschärften Schutzstandards ist relativierend festzustellen: Für die Implementierung und Durchsetzung sind nach wie vor in erster Linie die Flaggenstaaten zuständig341. Weder MARPOL noch SOLAS sind allein hinreichend geeignet, dem Vollzugsdefizit des Umweltvölkerrechts abzuhelfen. Andererseits hat die IMO die ihr vom SRÜ übertragene Aufgabe, die Verfassung des Meeres mit materiellen Detailvorgaben aufzufüllen, recht wirkungsvoll wahrgenommen. Auch in allgemeiner Hinsicht verdankt das Umweltvölkerrecht der IMO wichtige Anstöße, unter anderem im Hinblick auf die Möglichkeit flexibler Vertragsanpassungen. So könnte etwa das „tacit acceptance“-Verfahren in anderen Rechtsbereichen, etwa dem Klimaschutzrecht, zur Anwendung gelangen. 2. Die Londoner Dumping-Konvention und das Dumping-Protokoll: Bekämpfung der Verschmutzung durch Einbringen Die Londoner Dumping-Konvention342 ist das bedeutendste völkerrechtliche Instrument zur Ausgestaltung von Art. 210 SRÜ. Wenn Art. 210 Abs. 6 SRÜ fordert, „die innerstaatlichen Gesetze [. . .] dürfen [. . .] nicht weniger wirkungsvoll sein als die weltweiten Regeln und Normen“, wird letzteres als Verweis auf die Bestimmungen dieser Konvention verstanden343, die im 339 Das System übermittelt zugleich alle schiffsrelevanten Daten, darunter unter anderem den Tiefgang. Auf diese Weise kann die Durchfahrt durch Meerengen und unterseeische Schneisen besser überwacht werden. Zu den Gefahren in der Kadetrinne siehe etwa F.A.S. v. 21. 10. 2001, S. 64. 340 Dazu siehe IMO News 1/2001, S. 9 f. 341 Die Bestimmungen über die Hafenstaatkontrolle bleiben weit hinter dem Durchsetzungsregime des SRÜ zurück; siehe o. a) und Kapitel 1, I. 4. Vgl. dazu auch König (Fn. 91), S. 184 ff. 342 Siehe die in Fn. 7 angegebene Fundstelle.
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Zeitpunkt der Annahme des SRÜ schon in Kraft getreten war344. Freilich erscheint auf den ersten Blick problematisch, dass Art. 210 Abs. 6 SRÜ das Schutzregime der Dumping-Konvention offenbar auch für die Staaten als Maßstab benennt, die nicht Vertragspartei der Konvention sind, obwohl ein Vertrag, wie bereits mehrfach betont, gemäß Art. 34 WVK (und entsprechendem Völkergewohnheitsrecht345) für einen Drittstaat ohne dessen Zustimmung keine Rechte und Pflichten begründet346. Tatsächlich sind mehr als 70 Vertragsparteien des SRÜ, darunter auch die EG347, der DumpingKonvention bislang nicht beigetreten. Von einer gewohnheitsrechtlichen Geltung der Bestimmungen des Übereinkommens kann angesichts von 79 Vertragsparteien, die 70,4% der Welthandelsflottentonnage repräsentieren, bislang nicht ausgegangen werden; Art. 38 WVK hilft insofern nicht weiter. Indes steht es den Staaten frei, sich durch den Beitritt zum SRÜ gleichsam mittelbar Verpflichtungen aus anderen Übereinkommen zu unterwerfen. Der Unterschied zum im Zusammenhang mit der MARPOL-Nichtbegünstigungsklausel diskutierten Problem besteht darin, dass sich die Staaten mit dem Beitritt zum SRÜ freiwillig den Bestimmungen eines anderen Vertrags, namentlich den der Dumping-Konvention, unterworfen haben, ohne dass dies Auswirkungen auf Drittstaaten hätte348. In diesem Fall ist der pacta tertiis-Grundsatz tatbestandlich nicht betroffen. Deshalb müssen die Vertragsparteien des SRÜ im Rahmen ihrer innerstaatlichen, auf die Verschmutzung durch Einbringen bezogenen Rechtsetzung die Vorgaben der Dumping-Konvention berücksichtigen349. Neben Art. 210 Abs. 6 SRÜ widmet sich auch Art. 237 SRÜ dem Verhältnis zwischen der älteren Dumping-Konvention und dem SRÜ. Hiernach berührt Teil XII 343 IMO Doc. LEG/MISC/2, Implications of the Entry into Force of the United Nations Convention on the Law of the Sea for the International Maritime Organization, 6 October 1997, 39; IMO Doc. LC 17/14, Report of the Seventeenth Consultative Meeting, 28 October 1994, 6, para. 2.5; de La Fayette, IJMCL 13 (1998), S. 515 (516). 344 Die Dumping-Konvention trat am 30. 8. 1975 in Kraft. 345 Siehe die Nachweise in Fn. 45. 346 Zum Problem vgl. auch Anderson, EPL 28 (1998), S. 237 (239). 347 Die Gemeinschaft konnte der Dumping-Konvention schon deshalb nicht beitreten, weil das Übereinkommen gemäß Art. XVI nur von „Staaten“ gezeichnet werden kann. 348 Insofern ist Art. 210 Abs. 6 SRÜ hinsichtlich der Rechtsfolgen mit Art. 211 Abs. 2, 5 SRÜ („allgemein anerkannten internationalen Regeln und Normen“) vergleichbar; siehe o. Kapitel 1, I. 2. 349 Siehe auch IMO Doc. LC 17/14, Report of the Seventeenth Consultative Meeting, 28 October 1994, 6, para. 2.5: „The Meeting took note of the opinion of several delegations that such States Parties [to UNCLOS] were not only bound to adopt requirements consistent with the current London Convention 1972 but also with future amendments adopted thereto.“
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SRÜ nicht die „Verpflichtungen, die Staaten aufgrund früher geschlossener besonderer Übereinkommen und Abkommen über den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt übernommen haben“ (Abs. 1), soweit diese Verpflichtungen „mit den allgemeinen Grundsätzen und Zielen [des SRÜ] vereinbar“ (Abs. 2) sind. Dieses „Nichtberühren“ ist vor allem mit Blick auf die Dumping-Konvention wichtig, da diese erst dadurch von Art. 210 SRÜ in die Meeresverfassung gesogen werden kann. Die älteren Verpflichtungen bestehen also weiter, soweit sie nicht in Widerspruch mit den allgemeinen Grundsätzen und Zielen des SRÜ treten350. Freilich lässt Art. 237 SRÜ offen, was im Falle eines solchen Widerspruchs geschieht. Nach dem gewohnheitsrechtlich geltenden lex posterior-Grundsatz werden die aus dem älteren Vertrag – der Dumping-Konvention – folgenden Verpflichtungen zwischen den Parteien beider Verträge dann von denen des SRÜ verdrängt351. Dabei stellt Art. 237 SRÜ weniger strenge Anforderungen als etwa Art. 311 Abs. 2 SRÜ: Jene Bestimmung verlangt im Unterschied zu dieser nicht die Vereinbarkeit „mit dem Übereinkommen“, sondern nur die Vereinbarkeit mit den im SRÜ enthaltenen „allgemeinen Grundsätzen und Zielen“. Im Übrigen bedarf die Dumping-Konvention ihrerseits näherer Ausgestaltung, ist entwicklungsoffen: Art. VIII fordert Vertragsparteien, deren Interessen hinsichtlich des Schutzes eines bestimmten Meeresgebietes übereinstimmen, zum Abschluss regionaler Übereinkommen auf. Ein auf den Nordostatlantik bezogenes Beispiel ist das OSPAR-Ü, das sich auch und gerade der Verschmutzung durch Einbringen widmet352.
Art. 210 SRÜ verlangt, dass die in der Dumping-Konvention niedergelegten „Regeln, Normen und empfohlenen Gebräuche und Verfahren [. . .] nach Bedarf von Zeit zu Zeit überprüft“ (Abs. 4) werden müssen, und Kapitel 17.30 lit. b (i) Agenda 21 fordert die Staaten auf, „to address degradation of the marine environment from dumping, by [. . .] supporting wider ratification, implementation and participation in relevant Conventions on dumping at sea, including early conclusion of a future strategy for the London Dumping Convention“353.
Diesem Auftrag sind die Staaten mit Annahme des Protokolls zum Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen vom 7. November 1996 (Dum350 Vgl. auch IMO Doc. LEG/MISC/1, Implications of the United Nations Convention on the Law of the Sea, 1982 for the International Maritime Organization (IMO), 10 February 1986, 33 f., para. 71 f. Zu diesem Dokument Mann Borgese, Ocean Yearbook 7, S. 8 ff. 351 Vgl. Mavrommatis Palestine Concessions (Greece v. United Kingdom), PCIJ, Ser. A, No. 2, 1924, 6, 31; Karl, EPIL IV (2000), S. 935 (938 f.); Wengler (Fn. 291), S. 406; Graf Vitzthum (Fn. 42), S. 69, Rn. 125; Dahm/Delbrück/Wolfrum (Fn. 58), S. 692 f. Vgl. auch Nordquist/Rosenne/Yankov (Fn. 34), S. 425, para. 237.7(d): „As the emphasis of this article is on the relationship between different sets of treaty obligations or other instruments, article 237 has an effect on other treaty obligations or commitments similar to that of Article 103 of the United Nations Charter in its general bearing.“ 352 Näher dazu siehe u. Kapitel 3. I. 353 Hervorhebung hinzugefügt.
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ping-Protokoll)354 nachgekommen. Das Protokoll, bislang nicht in Kraft getreten, ist eigentlich ein neues Übereinkommen, das mit seinem In-KraftTreten für die Vertragsparteien an die Stelle der Dumping-Konvention treten wird355. Da die ursprüngliche Konvention den Erfordernissen eines effektiven Meeresschutzes offenbar nicht genügte, ist nach den Unterschieden zwischen beiden Verträgen zu fragen. Angesichts des Umstands, dass das Protokoll voraussichtlich innerhalb der nächsten drei Jahre, also bis 2005, in Kraft treten wird356, ist ferner die derzeitige Übergangsphase näher zu beleuchten. a) Die Dumping-Konvention Gegenstand der Dumping-Konvention ist die Verhinderung der Meeresverschmutzung durch Einbringen in allen an die inneren Gewässer der Vertragsparteien angrenzenden Gewässer einschließlich der Hohen See. Art. III Dumping-Konvention definiert „Einbringen“, begrifflich gleichbedeutend mit „Dumping“, als „i) jede auf See erfolgende vorsätzliche Beseitigung von Abfällen oder sonstigen Stoffen von Schiffen, Luftfahrzeugen, Plattformen oder sonstigen auf See errichteten Bauwerken aus; ii) jede auf See erfolgende vorsätzliche Beseitigung von Schiffen, Luftfahrzeugen, Plattformen und sonstigen auf See errichteten Bauwerken“.
Nach dieser Definition, die beinahe wortwörtlich von Art. 1 Abs. 1 Nr. 5 lit. a SRÜ übernommen wurde, sind betriebsbedingte Einleitungen von Schiffen nicht vom sachlichen Geltungsbereich der Dumping-Konvention erfasst357. Auch fehlt es an einem grundsätzlichen Verbot des Einbringens. Die zentrale Bestimmung der Dumping-Konvention, Art. IV, normiert vielmehr je nach betroffener Abfall- bzw. Stoffkategorie unterschiedlich strenge Anforderungen für die Zulässigkeit eines Einbringens. Während das Einbringen der in Anlage I („black list“) aufgelisteten Stoffe und Abfälle, darunter Öl, Plastik und hochgradig radioaktive Abfälle, verboten ist, dürfen die in Anlage II („grey list“) genannten Stoffe und Abfälle358 vorbehaltlich einer vorherigen Sondererlaubnis ebenso wie alle anderen Abfälle und Stoffe vorbehaltlich einer zuvor erteilten allgemeinen Erlaubnis in die Mee354
ILM 36 (1997), 7 ff. Vgl. Art. 23 Dumping-Protokoll. 356 Für das In-Kraft-Treten des Protokolls sind 26 Ratifikationen erforderlich, unter denen sich mindestens 15 Vertragsparteien der Dumping-Konvention befinden müssen (Art. 25 Dumping-Protokoll). Derzeit haben 16 Staaten das Protokoll ratifiziert, mit Ausnahme von Georgien sowie Trinidad & Tobago allesamt Vertragsparteien der alten Konvention. 357 Vgl. Art. III Nr. 1 lit. b Dumping-Konvention. 355
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resumwelt eingebracht werden. Im Hinblick auf die beiden auch dem SRÜ bekannten Erlaubnisformen enthält Anlage III eine (nicht abschließende) Liste der behördlicherseits zu berücksichtigenden Faktoren. Verwaltungsrechtlicher Terminologie zufolge liegt der Dumping-Konvention demnach das Modell einer Kontrollerlaubnis bzw. eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt zu Grunde359, ein Modell, das, wie noch zu zeigen ist, vom DumpingProtokoll aufgegeben wurde. Die in Art. IV Dumping-Konvention niedergelegten Pflichten gelten ohnehin nur vorbehaltlich der Ausnahmebestimmung Art. V Dumping-Konvention, nach welcher ein Einbringen sogar der in Anlage I genannten Abfälle und Stoffe in Fällen höherer Gewalt zum Schutz des menschlichen Lebens bzw. zum Schutz von Schiffen, Flugzeugen, Plattformen und anderen auf See errichteten Bauwerken zulässig ist. (Auch) in diesen Fällen muss aber stets die Schranken-Schranke der Verhältnismäßigkeit eingehalten werden. Wo liegen die Schwächen der Dumping-Konvention? Diesbezüglich ist zum einen das gewählte Modell „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ zu benennen, das in der Praxis eher zu Dumpingfreiheit denn zu einem Dumpingverbot geführt hat. Zum anderen enthält die Konvention weder wirksame Durchsetzungsmechanismen noch ein funktionsfähiges Streitbeilegungsverfahren. Im Hinblick auf die Staatenverantwortlichkeit für Umweltschäden verlangt Art. X Dumping-Konvention lediglich, dass die Vertragsparteien Verfahren zur Feststellung der Haftung und zur Streitbeilegung über das Einbringen entwickeln müssen, und Art. XI Dumping-Konvention fordert, dass die Vertragsparteien Streitbeilegungsverfahren über die Auslegung und Anwendung der Konvention erörtern. Letzteres war freilich offenbar ein so heikles Thema, dass die entsprechenden, am 12. 10. 1978 angenommenen Änderungen360 nie in Kraft traten. Angesichts solcher Umsetzungsdefizite überrascht es nicht, dass allenfalls die Hälfte der Vertragsparteien der ihnen gemäß Art. VI Abs. 1 lit. c, Abs. 4 Dumping-Konvention obliegenden Berichterstattungspflicht nachgekommen ist361. Viele der im Rahmen der IMO – ihr wurden die Aufgaben des Sekretariats im Sinne von Art. XIV 358 In Anlage II sind unter anderem arsen-, zink-, blei- und kupferhaltige Abfälle genannt, weiterhin etwa Abfälle, die Fluoride und Pestizide enthalten, sowie radioaktive Abfälle, die nicht bereits in Anlage I aufgenommen wurden. 359 Vgl. etwa Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2002, S. 209 f., Rn. 51; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl. 1994, S. 656, Rn. 36 („Unbedenklichkeitsbescheinigung“); D. Ehlers, Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, in: Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, S. 21 f., Rn. 36 („präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“). 360 ILM 18 (1979), 516 ff. 361 IMO Doc. LC 19/2/2, Status of the London Convention 1972 and of the 1996 Protocol, 4 September 1997, 2 ff.
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Dumping-Konvention übertragen362 – angenommenen (unverbindlichen) Richtlinien wurden nie befolgt. Hat das Dumping-Protokoll jenen Defiziten abhelfen können? b) Das Dumping-Protokoll Das Protokoll zum Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen vom 7. November 1996 verändert die Ansätze der Dumping-Konvention im Grundsätzlichen. Die Unterschiede beginnen mit dem räumlichen Geltungsbereich. So gilt das Protokoll in vertikaler Hinsicht nicht nur für die Meeresgewässer, sondern auch für den Meeresboden und den Meeresuntergrund (vgl. Art. 1 Abs. 7). In horizontaler Hinsicht bezieht das Dumping-Protokoll – freilich auf freiwilliger Basis der Vertragsparteien – die inneren Gewässer ein (vgl. Art. 7). Das ermöglicht eine engere Verknüpfung von Küsten- und Meeresschutz363. In sachlicher Hinsicht werden durch das neue Übereinkommen bereits die Definitionen der Dumping-Konvention modifiziert. „Einbringen“ beinhaltet nunmehr, der räumlichen Dimension insofern korrespondierend, sowohl die Lagerung von Abfällen bzw. Stoffen auf dem Meeresboden und im Meeresuntergrund (Art. 1 Abs. 4.1.3) als auch das bloße Aufgeben von ausgedienten Ölbohrplattformen, soweit dies einzig zu Zwecken der Beseitigung erfolgt364; Bohrinseln dürfen also grundsätzlich nicht versenkt365 und ebensowenig auf See „vergessen“ werden. Das Dumping-Protokoll beschränkt sich nicht auf das Einbringen von Abfällen und Stoffen. Vielmehr müssen die Vertragsparteien auch Abfallverbrennungen auf See vollständig verbieten (vgl. Art. 5). In Europa werden bereits seit 1991 keine 362 Vgl. IMO Doc. LEG/MISC/1, Implications of the United Nations Convention on the Law of the Sea, 1982 for the International Maritime Organization (IMO), 10 February 1986, 12, para. 32. 363 Siehe auch Dyoulgerov, OCM 39 (1998), S. 265 (268); Graf Vitzthum/Talmon (Fn. 91), S. 128–131. 364 Vgl. Art. 1 Abs. 4.1.4 Dumping-Protokoll: „for the sole purpose of deliberate disposal“. Demnach dürfen ausgediente Ölbohrplattformen und andere Bauwerke in die Meeresumwelt eingebracht werden, wenn damit andere Zwecke als ihre Beseitigung verfolgt werden. Diesbezüglich ist etwa an die Schaffung künstlicher, auch touristisch nutzbarer Riffe zu denken, so geschehen im Golf von Mexico: Dort wurden die „Riffe“ weitaus schneller von der Meeresumwelt angenommen als ursprünglich vermutet. Sollen künstliche Riffe durch andere Abfälle angelegt werden (zu einem Beispiel [U-Bahn-Waggons] siehe F.A.Z. v. 24. 8. 2001, S. 10), gelten die allgemeinen Bestimmungen des Dumping-Protokolls. 365 Zur Vereinbarkeit der Versenkung von ausgedienten Ölbohrplattformen mit den Bestimmungen des Dumping-Protokolls am Beispiel der Brent Spar siehe Kirk, ICLQ 46 (1997), S. 957 ff.
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Abfallverbrennungen auf See mehr durchgeführt, und der entscheidende Anstoß kam, ebenso übrigens wie der zur Einbeziehung der inneren Gewässer, nicht aus London, sondern aus Oslo366.
Im Rahmen der „general obligations“ (vgl. Art. 3) werden die Vertragsparteien verpflichtet, einen „precautionary approach“ zu verfolgen (Abs. 1). Sie müssen ferner das Verursacherprinzip (Abs. 2) und das Ursprungsprinzip (Abs. 3) berücksichtigen. Eine Vertragspartei, die zulässigerweise367 Abfälle bzw. andere Stoffe in die Meeresumwelt eingebracht hat, kann also nicht mehr mit dem Argument untätig bleiben, das umweltschädigende Potential der eingebrachten Stoffe sei wissenschaftlich nicht gesichert. Andererseits müssen sie die Umweltverträglichkeit des Einbringens nicht selbst beweisen; eine Umkehr der Beweislast kann Art. 3 Abs. 1 Dumping-Protokoll nicht entnommen werden368. Die folgenreichste Neuerung des Protokolls gegenüber der Konvention ist aber, dass die Vertragsparteien verpflichtet sind, das Einbringen von Abfällen und Stoffen zu verbieten (vgl. Art. 4 Abs. 1). Nur die in Anlage 1 genannten Abfälle und Stoffe dürfen, vorbehaltlich einer vorherigen Erlaubnis, in die Meeresumwelt eingebracht werden: sog. „reverse listing“-Ansatz. Die Erlaubnis ist dabei, anders als im Falle der alten Dumping-Konvention, weniger eine Kontrollerlaubnis denn eine Ausnahmebewilligung369. Einziger Nachteil ist, dass die Ausnahmetatbestände des Art. V Dumping-Konvention in nahezu unveränderter Form fortgelten (vgl. Art. 8 Dumping-Protokoll). Art. 16 Dumping-Protokoll enthält schließlich – auch das eine bedeutende Weiterentwicklung der Dumping-Konvention – Vorgaben zur friedlichen Streitbeilegung. Nach ihnen müssen die Vertragsparteien ihre Streitigkeiten in erster Linie durch Verhandlung, Vermittlung oder Schlichtung beilegen. Gelingt dies nicht innerhalb von 12 Monaten, nachdem der zwischen den Parteien bestehende Streit bekannt geworden ist, greift das in Anlage 3 – sie wird als Bestandteil des Protokolls (vgl. Art. 20) gemeinsam mit die366 Vgl. das (Osloer) Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen durch Schiffe und Luftfahrzeuge vom 15. Februar 1972 (BGBl. 1977 II, S. 165 ff.) i. d. F. der Protokolle vom 2. März 1983 (BGBl. 1986 II, S. 998 ff.) und vom 5. Dezember 1989 (BGBl. 1994 II, S. 1355 ff.). Siehe auch u. Kapitel 3, I. 3. b). 367 Wegen Art. 4 Abs. 1 Dumping-Protokoll greift der Vorsorgeansatz nur hinsichtlich der in Anlage 1 genannten Abfälle und Stoffe. 368 A. A. Dyoulgerov (Fn. 363), 266. Zum Problem siehe o. Kapitel 1, II. 1. a) – Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tragweite des Vorsorgeansatzes nicht mit der des (auch) gewohnheitsrechtlich geltenden Vorsorgeprinzips übereinstimmt. 369 Vgl. Maurer (Fn. 359), S. 212 f., Rn. 55; Wolff/Bachof/Stober (Fn. 359), S. 659, Rn. 44; Ehlers (Fn. 359), S. 22, Rn. 36 („repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt“).
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sem in Kraft treten – niedergelegte Schiedsverfahren, soweit sich die Parteien nicht auf eines der in Art. 287 Abs. 1 SRÜ genannten Streitbeilegungsverfahren geeinigt haben. Von daher kann etwa der ISGH für eine im Rahmen des Londoner Dumping-Protokolls entstandene Streitigkeit zuständig sein, und zwar selbst dann, wenn die Parteien keine Vertragsstaaten des SRÜ sind (vgl. Art. 16 Abs. 2 Dumping-Protokoll)370. Demgegenüber wird das heiße Eisen „Staatenverantwortlichkeit“ vom Dumping-Protokoll nicht härter geschmiedet als von der Dumping-Konvention bzw. dem SRÜ. In der jüngeren Vergangenheit haben sich die Vertragsparteien der Dumping-Konvention bemüht, die Bestimmungen der Konvention zum Teil an die des Protokolls anzugleichen, um den verschärften Regeln frühzeitig zur Geltung zu verhelfen. So wurde die in Anlage I der Konvention enthaltene Stoffliste im Jahre 1993 um Industrieabfälle und radioaktive Abfälle erweitert, und auch die Verbrennung von Industrieabfällen auf See wurde vollständig verboten. Nachdem diese Änderungen für die meisten Vertragsparteien der Dumping-Konvention zwischenzeitlich in Kraft getreten sind – Australien und Russland hatten ursprünglich eine Erklärung im Sinne von Art. XV Abs. 2 Dumping-Konvention abgegeben, Australien seine Erklärung aber kurz darauf wieder zurückgenommen371 –, ist das Modell der Kontrollerlaubnis derartig verschärft, dass kaum mehr ein Unterschied zum Schutzniveau des Dumping-Protokolls bestehen dürfte. Unterstützt wird der Angleichungsprozess von der Arbeit der London Convention Scientific Group, die rechtlich unverbindliche „Guidelines for the Assessment of Wastes or Other Matter That May Be Considered for Dumping“ verabschiedet hat372. Diese Richtlinien sollen Anlage III Dumping-Konvention bzw. Anlage 2 Dumping-Protokoll zur Umsetzung verhelfen und zugleich für Kontinuität zwischen beiden Instrumenten sorgen373. Als Maßstab für die Dumping-Konvention wurden die Richtlinien bereits angenommen, und mit Be370
Die Zuweisung an den ISGH ist rechtlich unbedenklich, weil sich die Zuständigkeit des ISGH gemäß Art. 21 seines Statuts (= Anlage VI SRÜ) auf „alle in einer sonstigen Übereinkunft, die dem Gerichtshof die Zuständigkeit überträgt, besonders vorgesehenen Angelegenheiten“ erstreckt. – Im Hinblick auf den Schutz der Meeresumwelt hat der ISGH von der gemäß Art. 15 Abs. 1 Anlage VI SRÜ bestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Sonderkammer einzurichten. Diese Chamber for Marine Environment Disputes besteht aus sieben Richtern und soll schnelleres Entscheiden gewährleisten, wenn ernsthafte Gefahren für die Meeresumwelt bestehen; siehe Mensah, EPL 28 (1998), S. 216 (219). Bislang ist sie freilich nicht in Anspruch genommen worden. 371 Anders Russland: Mangels hinreichender Entsorgungsmöglichkeiten hat Russland die Änderungen bezüglich des Einbringens von radioaktiven Abfällen bislang nicht akzeptieren können. Vgl. IMO Doc. LC 22/14, Report of the Twenty-Second Consultative Meeting, 25 October 2000, 7, para. 2.2. 372 Vgl. IMO Doc. LC/SG 20/12, Report of the Twentieth Meeting of the Scientific Group, 11 June 1997, Annex 2.
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zug auf das Protokoll haben die Vertragsparteien die Annahme für die Zeit nach In-Kraft-Treten des Protokolls empfohlen374. II. Bestandsschutz Zentrales Bestandsschutzinstrument auf universeller Ebene ist das vor kurzem in Kraft getretene SSA. Dieses Übereinkommen wurde bereits verschiedentlich untersucht375; eine umfassende Begutachtung der einzelnen Bestimmungen ist hier deshalb nicht vorzunehmen. Vorliegend geht es vielmehr darum, die gegenüber den Bestimmungen des SRÜ vorhandenen Unterschiede und Verschärfungen herauszuarbeiten. In diesem Sinne ist etwa zu fragen, ob das SSA Regelungslücken des SRÜ füllt, und ob seine Bestimmungen geeignet sind, zu einem effektiveren Bestandsschutz beizutragen. Was also ist das Neue am SSA gegenüber dem bislang geltenden Bestandsschutzregime? Welche Auswirkungen ergeben sich hieraus für die regionale Ebene? Und schließlich: Kann das SSA der Durchsetzungsschwäche des Meeresschutzrechts abhelfen und insofern den an das Übereinkommen gestellten Erwartungen entsprechen376? – Dass zwischen dem SSA und dem SRÜ ein enger Zusammenhang besteht, wird von Art. 2 SSA unterstrichen. Nach dieser Bestimmung ist Ziel des Übereinkommens „die Sicherung der langfristigen Erhaltung und nachhaltigen Nutzung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und Beständen weit wandernder Fische durch die wirksame Durchführung der maßgeblichen Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens.“377 373
IMO Doc. LC/SG 23/11, Report of the Twenty-Third Meeting of the Scientific Group, 12 June 2000, 4, para. 2.1. Siehe dazu auch de La Fayette (Fn. 343), S. 520 ff. 374 IMO Doc. LC 19/10, Report of the Nineteenth Consultative Meeting, 14 November 1997, 9 f., para. 4.2–4.8. 375 Siehe etwa Örebech/Sigurjonsson/McDorman, IJMCL 13 (1998), S. 119 ff.; Freestone/Makuch, YIEL 7 (1996), S. 3 ff.; Ziemer (Fn. 51), S. 108 ff.; Hayashi, The Straddling and Highly Migratory Fish Stocks Agreement, in: Hey (Fn. 162), S. 55 ff.; ders., The 1995 UN Fish Stocks Agreement and the Law of the Sea, in: Vidas/Østreng (Fn. 220), S. 37 ff.; Davies/Redgwell (Fn. 178), S. 199 ff.; Gherari, RGDIP 100 (1996), S. 367 ff.; Anderson, ICLQ 45 (1996), S. 463 ff.; Balton, ODIL 27 (1996), S. 125 ff. 376 Vgl. etwa UN Doc. A/RES/55/8, Large-scale Pelagic Drift-net Fishing, Unauthorized Fishing in Zones of National Jurisdiction and on the High Seas, Fisheries By-catch and Discards, and other Developments, 2 May 2001, 4, para. 8: „Calls upon States and other entities referred to in article 1, paragraph 2 (b) of the [Straddling Stocks Agreement] that have not done so to ratify or accede to it and to consider applying it provisionally“ (Hervorhebung im Original). 377 Anmerkung: Deutschland hat dem SSA mit Gesetz vom 2. August 2000 zugestimmt (BGBl. 2000 II, S. 1022), die EG das Übereinkommen mit Beschluss (98/ 414/EG) des Rates vom 8. Juni 1998 betreffend die Ratifikation des Übereinkom-
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Hiernach plementiert schied zum unabhängig SRÜ ist379.
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sollen die einschlägigen SRÜ-Bestimmungen also wirksam im(„durchgeführt“) werden. Gleichwohl ist das SSA, im UnterDÜ378, ein formell eigenständiger Vertrag, d. h. ein Beitritt ist davon möglich, ob der beitrittswillige Staat Vertragspartei des
Gemäß Art. 3 Abs. 1 SSA beschäftigt sich das Übereinkommen ausschließlich mit dem Schutz und der nachhaltigen Nutzung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und Beständen weit wandernder Fische380. Das Übereinkommen definiert aber nicht, was es unter diesen Bestandskategorien versteht. Angesichts des mit dem SRÜ bestehenden Zusammenhangs sind bei der Begriffsklärung die Bestimmungen der Meeresverfassung fruchtbar zu machen. So bezieht sich Art. 64 SRÜ eindeutig auf die Erhaltung und die Nutzung der weit wandernden Arten381. Die Bezeichnung „gebietsübergreifende Fischbestände“ wird vom SRÜ hingegen nicht verwendet. Der (verbindliche, vgl. Art. 50 SSA) englische Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 SSA spricht aber von „Straddling Fish Stocks“. Darunter werden herkömmlicherweise Fischbestände verstanden, die sowohl innerhalb der aWZ als auch im angrenzenden Hohe See-Gebiet vorkommen, d. h. die den Gegenstand von Art. 63 Abs. 2 SRÜ bildenden Bestände382. Bestände, die mens zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und weit wandernden Fischbeständen durch die Europäische Gemeinschaft (ABl. EG 1998, Nr. L 189, S. 14 f.) ratifiziert. Gemäß Art. 2 Abs. 2 dieses Beschlusses wird die Ratifikationsurkunde der EG indes gemeinsam mit den Ratifikationsurkunden aller Mitgliedstaaten hinterlegt. Das Übereinkommen ist bislang daher weder für die EG noch für ihre Mitgliedstaaten in Kraft getreten (vgl. Art. 40 Abs. 2 SSA). Zu den Hintergründen Treves, The European Community and the Law of the Sea Convention: New Developments, in: Cannizzaro (Hrsg.), The European Union as an Actor in International Relations, 2002, S. 279 (283–285). 378 Siehe die in Fn. 24 angegebene Fundstelle. Art. 2 Abs. 1 DÜ lautet: „Dieses Übereinkommen und Teil XI werden zusammen als eine Übereinkunft ausgelegt und angewendet. Im Fall eines Widerspruchs zwischen dem Übereinkommen und Teil XI ist das Übereinkommen maßgebend“ (Hervorhebung hinzugefügt). 379 Zwei Vertragsparteien des SSA (Iran und Kanada) sind dem SRÜ (noch) nicht beigetreten. 380 Art. 3 Abs 1 SSA lautet: „Sofern nichts anderes vorgesehen ist, findet dieses Übereinkommen auf die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und Beständen weit wandernder Fische außerhalb der Gebiete nationaler Hoheitsbefugnisse Anwendung; die Artikel 6 und 7 finden jedoch auch auf die Erhaltung und Bewirtschaftung solcher Bestände innerhalb der Gebiete nationaler Hoheitsbefugnisse nach Maßgabe der verschiedenen im Seerechtsübereinkommen vorgesehenen Rechtsordnungen innerhalb und außerhalb der Gebiete nationaler Hoheitsbefugnisse Anwendung.“ 381 Die englische Bezeichnung „highly migratory fish stocks“ wird sowohl in Art. 3 Abs. 1 SSA als auch in Art. 64 Abs. 1 SRÜ verwendet.
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innerhalb der aWZen mehrerer Küstenstaaten vorkommen, werden hingegen „Shared Stocks“ bzw. „Transboundary Fish Stocks“383 genannt. Seiner englischen Fassung zufolge beschäftigt sich das SSA demnach ausschließlich mit Fischbeständen im Sinne der Art. 63 Abs. 2, 64 SRÜ, erfasst also die Straddling Stocks und die weit wandernden Arten, nicht aber die Shared Stocks, zumal seine Bestimmungen gemäß Art. 3 Abs. 1 SSA in räumlicher Hinsicht grundsätzlich nur für die Hohe See gelten. Auch Art. 7 SSA, ausnahmsweise in den aWZen anwendbar, passt nicht auf Shared Stocks, weil er die Zusammenarbeit zwischen den Küstenstaaten und den Hochseefischereistaaten behandelt, demgegenüber der den Shared Stocks gewidmete Art. 63 Abs. 1 SRÜ gar nicht auf die Hohe See ausgreift. Im Folgenden wird daher entgegen der amtlichen deutschen Übersetzung des Übereinkommens nicht von gebietsübergreifenden Fischbeständen, sondern von Straddling Stocks gesprochen384. Die Bedeutung des Übereinkommens wird durch jenen begrenzteren Ansatz nicht geschmälert, im Gegenteil, sind doch die betroffenen Fischbestände ohnehin die ökonomisch bedeutendsten385. Die einführend formulierten Leitfragen werden anhand von vier Themenbereichen erörtert: Erstens geht es um die allgemeinen Verpflichtungen und Prinzipien, bevor – zweitens – das Verhältnis des SSA zu den regionalen Fischereiorganisationen untersucht wird. Die Rolle, die diesen Organisationen zugewiesen wird, steht – drittens – in einem Zusammenhang zum Durchsetzungsproblem einschließlich der Frage, inwiefern die Bestimmungen des SSA den auch völkergewohnheitsrechtlich geltenden Grundsatz der Flaggenhoheit durchbrechen. Viertens werden die Vorgaben zur Streitbeilegung behandelt. Bei alledem ist stets zu fragen, ob die Bestimmungen des SSA die vom SRÜ und dem allgemeinen Völkerrecht gezogenen Grenzen respektieren. 1. Allgemeine Verpflichtungen und Prinzipien Die allgemeinen Verpflichtungen und Prinzipien sind in den Art. 5–7 SSA normiert. Art. 5 lit. a SSA beinhaltet die bereits vom SRÜ bekannte Verpflichtung, geeignete Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen zu erlassen, mit Hilfe derer die optimale Nutzung der Fischbestände anzustreben ist, und die auf den besten zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Angaben beruhen müssen. Den Interessen der Entwicklungsländer wurde mit lit. b Rechnung getragen. Freilich erschöpft sich Art. 5 SSA nicht in 382
Siehe etwa Churchill/Lowe (Fn. 31), S. 305; Hey (Fn. 163), S. 24. Hayashi (Fn. 173), S. 245. 384 Die deutsche Übersetzung „gebietsübergreifende Arten“ ist missverständlich, weil auch Transboundary Fish Stocks gebietsübergreifende Bestände sind. 385 Zum ganzen siehe schon o. Kapitel 1, II., 2. 383
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einer Wiederholung der SRÜ-Verpflichtungen, sondern ergänzt diese um neuere umweltvölkerrechtliche Erkenntnisse. So muss etwa die Bestandsnutzung, wie auch die Zielbestimmung Art. 2 SSA unterstreicht, nachhaltig sein, d. h. sie muss die einschlägigen ökologischen und ökonomischen Faktoren in einen gerechten Ausgleich bringen (lit. a, h)386. Im Unterschied zum Hohe See-Fischereiregime des SRÜ (sowie dem des Alten Seerechts, enthalten im Genfer Übereinkommen über die Fischerei und die Erhaltung der biologischen Reichtümer der Hohen See vom 29. April 1958387) besteht im Rahmen des SSA offenbar keine Vorrangstellung der Bestandsnutzung vor dem Bestandsschutz388. a) Vorsorgeansatz Dieser Eindruck drängt sich auch mit Blick auf die Verpflichtung auf, dass die von den Vertragsparteien erlassenen Maßnahmen auf dem Vorsorgeansatz (nicht aber dem Vorsorgeprinzip)389 beruhen müssen (lit. c). Der Vorsorgeansatz wird in Art. 6 SSA konkretisiert. Die Vertragsparteien „lassen größere Vorsicht walten, wenn Informationen ungesichert, nicht verläßlich oder unzureichend sind. Fehlen ausreichende wissenschaftliche Informationen, so darf das nicht als Grund dafür gelten, die Einleitung von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen aufzuschieben oder zu unterlassen“ (Abs. 2).
Obgleich das SSA der erste universelle umweltvölkerrechtliche Vertrag ist, in welchem der Vorsorgeansatz normiert wurde, kann von einer Beweislastumkehr in dem Sinne, dass die Staaten, die die Straddling Stocks und weit wandernden Arten auf Hoher See befischen, zuvor beweisen müssten, dass die Bestandsentwicklung durch die Fischereitätigkeit nicht beeinträchtigt wird, nicht ausgegangen werden. Art. 6 Abs. 3 SSA beschreibt die Art und Weise, in der die Vertragsstaaten den Vorsorgeansatz vollziehen müssen, abschließend, und von einer Beweislastumkehr ist dort keine Rede390. 386 Zum Konzept der nachhaltigen Entwicklung siehe o. Kapitel 1, IV. Nach Beaucamp (Fn. 229), S. 109, lässt sich „die zukunftsfähige Nutzung natürlicher Ressourcen [. . .] immerhin für die Fischerei als Völkergewohnheitsrecht betrachten.“ Wie noch zu zeigen ist (siehe u. Kapitel 3, II.), kann eine einheitliche Staatenpraxis indes gerade auf dem Sektor Bestandsschutz nicht festgestellt werden. 387 499 UNTS 311 ff. Gemäß Art. 311 Abs. 1 SRÜ hat das SRÜ „zwischen den Vertragsstaaten Vorrang vor den Genfer Übereinkommen vom 29. April 1958 über das Seerecht“. 388 Siehe auch Freestone (Fn. 162), S. 316: „Gone is the dominace of human consumption so vividly expressed in the 1958 Fisheries Convention“. 389 Zum Unterschied siehe o. Kapitel 1, II. 390 In Art. 6 Abs. 3 SSA heißt es: „Zur Umsetzung des Vorsorgeansatzes [. . .]“, nicht hingegen, wie sonst im Übereinkommen üblich: „Zur Umsetzung des Vorsorgeansatzes einigen sich die Staaten unter anderem [. . .]“ (vgl. etwa Art. 9 Abs. 1).
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Auch ist zu bedenken, dass die Bestimmungen des SSA gemäß Art. 4 S. 2 in Übereinstimmung zum SRÜ auszulegen sind: „Das Übereinkommen wird im Zusammenhang und in Übereinstimmung mit dem Seerechtsübereinkommen ausgelegt und angewendet.“
Deshalb ist die vereinzelt aufgestellte These, die Bestimmungen des SRÜ müssten gemäß Art. 31 Abs. 3 lit. a WVK391 im Lichte des SSA ausgelegt werden392, abzulehnen. Schon die Anwendbarkeit dieser allgemeinen Auslegungsregel erscheint zweifelhaft. Zwar ist das SSA seinem Titel und Wesen nach ein Durchführungsübereinkommen. Im Unterschied zum DÜ ist es jedoch, wie gezeigt, formell eigenständig, mithin keine spätere Übereinkunft „zwischen den Vertragsparteien“. Jedenfalls tritt Art. 31 Abs. 3 lit. a WVK gegenüber der spezielleren Auslegungsregel Art. 4 SSA zurück. Da auch dem SRÜ eine Beweislastumkehr unbekannt ist393, kommt andererseits eine extensive Auslegung von Art. 6 SSA nicht in Betracht. b) Ganzheitlicher Ansatz Die Vertragsparteien sind weiterhin verpflichtet, einen ökosystemaren Ansatz zu verfolgen (lit. d, e). Sie müssen unter anderem Arten in ihre Maßnahmen einbeziehen, die an sich zwar nicht befischt werden, jedoch zum gleichen Ökosystem wie die Straddling Stocks und weit wandernden Arten gehören, und auf die sich die Fischereitätigkeiten auswirken können. Hintergrund dieser Verpflichtung ist die Erkenntnis, dass die sich innerhalb der Meeresumwelt vollziehenden biologischen und biochemischen Prozesse eng miteinander verknüpft sind, sich gegenseitig bedingen394. Im Hinblick auf den Sektor Bestandserhaltung bedeutet dies, dass die Entwicklung des einen Bestandes nicht unabhängig von der des anderen gesichert werden kann. Da die Vertragsparteien im Übrigen die Artenvielfalt der Meeresumwelt schützen müssen (lit. g), reicht es nicht aus, im Falle kritischer Bestandsrückgänge lediglich die Nutzung der betroffenen Bestände einzustellen. Vielmehr müssen die Vertragsparteien auch zugunsten der nicht genutzten Arten tätig werden, wenn deren Überleben gefährdet ist. Die Bestimmungen des SSA berücksichtigen demnach Aspekte des Artenschutzes und werden unter 391 Art. 31 Abs. 3 lit. a WVK lautet: „[Außer dem Zusammenhang sind für die Auslegung eines Vertrags in gleicher Weise zu berücksichtigen] jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen“. 392 So etwa Davies/Redgwell (Fn. 178), S. 259; Anderson (Fn. 375), S. 468. 393 Siehe o. Kapitel 1, II. 2. 394 Siehe Freestone (Fn. 62), S. 92–95. Allgemein Bowman, The Nature, Development and Philosophical Foundations of the Biodiversity Concept in International Law, in: ders./Redgwell (Fn. 62), S. 5 ff.
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diesem Gesichtspunkt dem einleitend geforderten ganzheitlichen Ansatz durchaus gerecht395. c) Vereinbarkeit von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen Art. 7 SSA steht in engem sachlichen Zusammenhang mit Art. 63 Abs. 3 SRÜ und Art. 64 Abs. 1 SRÜ. Wesentliche Neuerungen sind in Art. 7 Abs. 2 SSA enthalten: „Die für die Hohe See und die Gebiete nationaler Hoheitsbefugnisse beschlossenen Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen müssen miteinander vereinbar sein, damit die Erhaltung und die Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und Beständen weit wandernder Arten in ihrer Gesamtheit gewährleistet sind. Zu diesem Zweck sind die Küstenstaaten und die auf Hoher See Fischfang betreibenden Staaten zur Zusammenarbeit verpflichtet, um Maßnahmen, die miteinander vereinbar sind, für diese Bestände zu erreichen. [. . .]“.
Aus der Pflicht, sich um die Vereinbarung erforderlicher Maßnahmen zu „bemühen“ (Art. 63 Abs. 2 SRÜ), ist also eine Pflicht zur Zusammenarbeit geworden, eine Erfolgspflicht in dem Sinne, dass die bereits wegen Art. 5 SSA von den Küstenstaaten und den Hochseefischereistaaten zu treffenden Bestandserhaltungsmaßnahmen nunmehr miteinander kompatibel sein müssen. Im Hinblick auf diese Pflicht weist Art. 8 SSA den regionalen Fischereiorganisationen eine entscheidende Rolle zu. Hinter Art. 7 SSA, „one of the cornerstones of the Agreement“396, steht das Bemühen um eine Lösung des nach wie vor schwelenden Konflikts zwischen der Hohe See-Freiheit einerseits und der Ausbreitung küstenstaatlicher Hoheitsrechte andererseits. Während die in besonderem Maße vom Überfischungsprozess betroffenen Küstenstaaten im Rahmen der Aushandlung des SSA argumentierten, die für die aWZen getroffenen Schutzmaßnahmen würden angesichts der fehlenden Sesshaftigkeit der in Rede stehenden Bestände durch die auf Hoher See geltende Fischereifreiheit unterlaufen, erblickten die Fernfischereinationen in dem Versuch, das strengere aWZ-Schutzregime auf die Hohe See auszudehnen, einen verkappten creeping jurisdiction-Prozess; auf die Hohe See bezogene Bestandserhaltungsmaßnahmen seien deshalb alleine von den zuständigen Fischereiorganisationen zu treffen397. Da die inhaltliche Unbestimmtheit der in Art. 63 Abs. 2, 64 SRÜ normierten Be395 Siehe auch Abs. 7 Präambel SSA: „Eingedenk der Notwendigkeit, nachteilige Auswirkungen auf die Meeresumwelt zu vermeiden, die biologische Vielfalt zu bewahren, die Meeresökosysteme unversehrt zu lassen und die Gefahr langfristiger oder unumkehrbarer Auswirkungen durch Fischereitätigkeiten auf ein Mindestmaß zu beschränken“. Zum ganzen vgl. Wolff (Fn. 156), S. 69–71. 396 UN Doc. A/CONF. 164/35, Statement of the Chairman, Ambassador Satya N. Nandan, on August 4 1995, upon the Adoption of the Agreement for the Implementation of the Provisions of the United Nations Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982 relating to the Conservation and Management of Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks, 20 September 1995, para. 14.
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mühenspflicht maßgeblich zu den Bestandsrückgängen beigetragen hat, musste das Problem im SSA einer Lösung zugeführt werden. In Betracht kam zum einen ein „top-down approach“, wonach – ganz im Interesse der Mitbestimmungsrechte innehabenden Fischereinationen – die regionalen Fischereiorganisationen über die vorrangige Zuständigkeit bezüglich der Harmonisierung der innerhalb und außerhalb der aWZen geltenden Schutzmaßnahmen verfügen, zum anderen ein „bottom-up approach“, nach welchem in erster Linie die Küstenstaaten zuständig sind398. Mit Art. 7 SSA wurde nun ein zwischen beiden Extremlösungen angesiedelter Kompromiss gefunden, der sowohl die Interessen der Küstenstaaten wie die der Fernfischereinationen anhand von sechs Kriterien zu berücksichtigen sucht399. Ein allgemeiner Vorrang des einen oder des anderen Ansatzes ist nicht erkennbar, weshalb Vorwürfe, durch das SSA würden letztlich die Küstenstaaten bevorzugt400, rechtlich insoweit unbegründet sind und eher politisch motiviert sein dürften.
Es fragt sich allerdings, ob die Bestandsrückgänge mit der gewählten Kompromisslösung tatsächlich gestoppt und ggf. umgekehrt werden können, oder ob nicht vielmehr eine Quadratur des Kreises versucht wurde. Immerhin: Können sich die betroffenen Staaten nicht auf abgestimmte Maßnahmen einigen, kann jeder dieser Staaten ein Streitbeilegungsverfahren einleiten (vgl. Art. 7 Abs. 4 SSA), in dessen Rahmen das zuständige Organ – unter Umständen der ISGH401 – vorläufige Maßnahmen anzuordnen befugt ist (vgl. Art. 7 Abs. 5 i.V. m. Art. 31 Abs. 2 SSA). Macht etwa ein Hochseefischereistaat von seinem innerhalb einer Fischereiorganisation bestehenden „opting out“-Recht Gebrauch, und wird dadurch die Vereinbarkeit der vom Küstenstaat und den Hochseefischereistaaten getroffenen Maßnahmen gefährdet, steht es dem Küstenstaat frei, ein Streitbeilegungsverfahren mit der Begründung zu initiieren, das „opting out“ verstoße gegen Art. 7 Abs. 2 SSA402. Daneben besteht eine gegenseitige Informationspflicht hinsichtlich der getroffenen Maßnahmen (vgl. Art. 7 Abs. 7, 8 SSA). Angesichts des Umstands, dass das SSA erst kürzlich in Kraft getreten ist, kann die Effektivität des mit Art. 7 SSA verfolgten Ansatzes derzeit allerdings nicht abschließend beurteilt werden. Die von Jonna Ziemer aufgeworfene Frage, ob sich die in Art. 7 Abs. 2 SSA normierte Kooperationspflicht innerhalb des vom SRÜ mit Art. 63 Abs. 2, 64 Abs. 1 397
Zu den Hintergründen siehe Gherari (Fn. 375), S. 374 ff.; Ziemer (Fn. 51), S. 118 f.; Hayashi (Fn. 375), S. 62 f. Musterbeispiel jenes Konflikts war der zwischen Kanada und der EG im Jahre 1995 ausgebrochene Kabeljaukrieg. 398 Begriffe bei Örebech/Sigurjonsson/McDorman (Fn. 375), S. 128. 399 U. a. müssen „bereits vereinbarte Maßnahmen“ (lit. b, c), „die biologische Einheit [. . .] der Bestände“ (lit. d) und „die jeweilige Abhängigkeit der Küstenstaaten und der auf Hoher See Fischfang betreibenden Staaten von den betreffenden Beständen“ (lit. e) berücksichtigt werden. 400 So Gherari (Fn. 375), S. 376 f.; Freestone/Makuch (Fn. 375), S. 28. Wie hier dagegen Hayashi (Fn. 375), S. 51; ders. (Fn. 375), S. 63; Treves (Fn. 377), S. 286. 401 Dazu siehe noch u. 4. 402 Örebech/Sigurjonsson/McDorman (Fn. 375), S. 136.
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SRÜ vorgegebenen Rahmens hält403, ob es also wirklich um die „Durchführung“ der einschlägigen Bestimmungen des SRÜ geht, nicht um ihre Erweiterung, ist wie folgt differenzierend zu beantworten: Für die Staaten, die auf Hoher See Fischerei betreiben, ist die Verschärfung unbedenklich, da die Fischereifreiheit gemäß Art. 116 SRÜ nur vorbehaltlich anderer vertraglicher Verpflichtungen (lit. a) gewährleistet ist. Es steht ihnen frei, dem SSA beizutreten und sich den im Übereinkommen enthaltenen Pflichten zu unterwerfen. Mit Blick auf die Küstenstaaten ist hingegen festzustellen, dass die Art. 63 Abs. 2, 64 SRÜ eine Erfolgsverpflichtung im o. beschriebenen Sinne nicht kennen; einer Auslegung von Art. 7 Abs. 2 SSA in Übereinstimmung zum SRÜ steht trotz Art. 4 S. 2 SSA der eindeutige Wortlaut der Bestimmung entgegen. Andererseits genießen die Vorschriften des SSA gegenüber dem SRÜ keinen Vorrang404: „Dieses Übereinkommen läßt die Rechte, Hoheitsbefugnisse und Pflichten der Staaten aus dem Seerechtsübereinkommen unberührt“ (Art. 4 S. 1 SSA). Die Rechte und Pflichten der Küstenstaaten dürfen vom SSA also nicht gefährdet und beeinträchtigt werden405. Dies ist vorliegend aber gerade der Fall, weil die Küstenstaaten bezüglich ihrer aWZen, in denen Art. 7 SSA ausnahmsweise anwendbar ist406, verpflichtet und dadurch gleichsam in ihren souveränen Rechten „zum Zweck der [. . .] Erhaltung [. . .] der lebenden [. . .] natürlichen Ressourcen der Gewässer“ (Art. 56 Abs. 1 lit. a SRÜ) eingeschränkt werden407. Art. 7 Abs. 2 SSA verkörpert demnach eine über die bloße Durchführung von Art. 63 Abs. 2, 64 SRÜ hinausgehende Änderung des SRÜ durch einen zeitlich jüngeren Vertrag. Es fragt sich, wie diese Divergenz gelöst werden kann. 403
(Fn. 51), S. 116 ff. Anders im Falle des DÜ; siehe den in Fn. 378 wiedergegebenen Wortlaut von Art. 2 Abs. 1. Zum Verhältnis SSA und SRÜ siehe auch Dahm/Delbrück/Wolfrum (Fn. 91), S. 394. 405 Siehe auch UN Doc. A/CONF. 164/12, Statement made by the Chairman of the Conference at the Conclusion of the General Debate on 15 July 1993, 21 July 1993, para. 6 lit. c: „The debate has confirmed that the 1982 United Nations Convention on the Law of the Sea must be the legal framework within which conservation and management for the two types of stocks must be developed“; Erklärung Frankreichs im Sinne von Art. 43 SSA anlässlich der Unterzeichnung des Übereinkommens, para. 1: „The Government of the French Republic recalls that the requirements for implementing the Agreement must be strictly in conformity with the 1982 United Nations Convention on the Law of the Sea“ (http://www.un.org/Depts/ los/convention_agreements/fish_stocks_agreement_declarations.htm#FRANCE); Erklärung Maltas im Sinne von Art. 43 SSA anlässlich des Beitritts zum Übereinkommen, para. 1:„In the view of the Malta Government, the requirements of implementing the 1995 Agreement must be in conformity with the 1982 Convention on the Law of the Sea“ (http://www.un.org/Depts/los/convention_agreements/fish_ stocks_agreement_declarations.htm#MALTA). 406 Vgl. Art. 3 Abs. 1 SSA. 407 A. A. Orrego Vicuña (Fn. 161), S. 189, 193, der allerdings nicht auf das Gebot der Vereinbarkeit eingeht, sondern (zu Recht) die von anderen Autoren vorgebrachten Argumente verwirft. Siehe zum ganzen auch Rayfuse, The Interrelationship between the Global Instruments of International Fisheries Law, in: Hey (Fn. 162), S. 107 (134); Hayashi, OCM 29 (1995), S. 51 (57 f.). 404
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Das Verhältnis des SRÜ zu anderen Verträgen wird von Art. 311 Abs. 2 SRÜ angesprochen408, wonach „dieses Übereinkommen [. . .] nicht die Rechte und Pflichten der Vertragsstaaten aus anderen Übereinkünften [ändert], die mit dem Übereinkommen vereinbar sind und andere Vertragsstaaten in dem Genuß ihrer Rechte oder in der Erfüllung ihrer Pflichten aus dem Übereinkommen nicht beeinträchtigen“.
Die aus dem SRÜ folgenden Rechte und Pflichten genießen zwischen den Vertragsparteien also Vorrang vor den aus anderen Verträgen folgenden, wenn letztere nicht mit dem SRÜ vereinbar sind. In der Konsequenz wäre Art. 7 Abs. 2 SSA zwischen Vertragsparteien, die zugleich Vertragsparteien des SRÜ sind, unanwendbar, ein Rekurrieren auf den allgemeinen lex posterior-Grundsatz ausgeschlossen – ein den Zielsetzungen des SSA widersprechendes Ergebnis. Art. 311 Abs 3 SRÜ hilft in diesem Zusammenhang nicht weiter, da sich das SSA nicht nur an die Vertragsstaaten des SRÜ wendet, sondern vielmehr dem Beitritt aller Staaten im Sinne von Art. 37, 38 i.V. m Art. 1 Abs. 2 SSA offensteht409. Von einer völkergewohnheitsrechtlichen Geltung der in Art. 7 Abs. 2 SSA normierten Harmonisierungspflicht kann ebenfalls nicht ausgegangen werden. Bislang sind dem Übereinkommen lediglich 34 Staaten beigetreten, und Art. 7 SSA verkörpert zudem eine normative Neuheit, bezüglich derer sich (noch) keine einheitliche Staatenpraxis feststellen lässt. Daher werden die Bestimmungen des SSA in dem Fall, dass die Vorschriften des SRÜ nicht nur durchgeführt, sondern verändert werden, nach übereinstimmender Aussage beider Übereinkommen (vgl. Art. 311 Abs. 2 SRÜ; Art. 4 S. 2 SSA) von letzteren verdrängt410. 408 Art. 311 Abs. 2 SRÜ gilt auch für Verträge, die erst nach In-Kraft-Treten des SRÜ geschlossen wurden; siehe Nordquist/Rosenne/Sohn (Hrsg.), United Nations Convention on the Law of the Sea 1982, A Commentary, Vol. V, 1989, S. 243, para. 311.11. 409 Art. 311 Abs. 3 SRÜ lautet: „Zwei oder mehr Vertragsstaaten können Übereinkünfte schließen, welche die Anwendung von Bestimmungen dieses Übereinkommens modifizieren oder suspendieren und nur auf die Beziehungen zwischen ihnen Anwendung finden; diese Übereinkünfte dürfen sich jedoch nicht auf eine Bestimmung beziehen, von der abzuweichen mit der Verwirklichung von Ziel und Zweck des Übereinkommens unvereinbar ist; die Übereinkünfte dürfen ferner die Anwendung der in dem Übereinkommen enthaltenen wesentlichen Grundsätze nicht beeinträchtigen; die Bestimmungen der Übereinkünfte dürfen die anderen Vertragsstaaten in dem Genuß ihrer Rechte oder in der Erfüllung ihrer Pflichten aus dem Übereinkommen nicht beeinträchtigen.“ – Siehe auch Art. 41 Abs. 1 WVK: „[. . .] ausschließlich im Verhältnis zueinander [. . .]“ (Hervorhebung vom Verf.). 410 Insofern ist es nicht damit getan, den progressiven Charakter des SSA hervorzuheben und lediglich festzustellen, das Übereinkommen gehe „considerably beyond existing customary law as well as the strict regime of the LOSC“ (Freestone/Makuch [Fn. 375], S. 50). Siehe aber Davies/Redgwell (Fn. 178), S. 265; Gherari (Fn. 375), S. 379, die das Problem freilich nur mit Blick auf Art. 8 Abs. 4 SSA, Art. 17 SSA sowie Art. 21 SSA diskutieren. Dazu sogleich näher im Text.
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Folglich wäre Art. 7 Abs. 2 SSA für die Vertragsstaaten des SRÜ dergestalt zu reduzieren, dass ausschließlich die Staaten, die auf Hoher See Fischfang betreiben, an die Harmonisierungspflicht gebunden sind. Letztlich käme dies einer Interessenverschiebung zugunsten der Küstenstaaten gleich, die der von Art. 7 SSA verfolgte ausgeglichene Ansatz doch eigentlich vermeiden helfen sollte; die ohnehin latent vorhandene Skepsis gegenüber dem Übereinkommen könnte weiter wachsen, mag seitens der Küstenstaaten im Allgemeinen auch von ausgeprägteren Schutzinteressen auszugehen sein. Es liegt offenbar ein Normkonflikt vor411. d) Interesse der Staatengemeinschaft am Schutz der Straddling Stocks und weit wandernden Arten? Abgesehen vom vorliegend nicht einschlägigen Art. 1 Abs. 3 SSA412 käme ein anderes Ergebnis lediglich dann in Betracht, wenn die Bestimmungen des SSA nicht nur für die Vertragsparteien gelten würden, sondern für alle Fischerei betreibenden Staaten. Vor dem Hintergrund der pacta tertiis-Regel ist die automatische Drittwirkung eines Vertrags bislang allerdings nur bei sog. Statusverträgen anerkannt413. Bei diesen Verträgen handelt es sich Georg Dahm zufolge um Verträge, die „die Rechtsstellung eines Staates, eines Gebietes oder einer internationalen Verkehrstraße als eine für alle verbindliche Ordnung zu definieren vermögen.“414
Hiernach sind Statusverträge offenbar primär gebietsbezogen, d. h. die Drittwirkung ist auf räumliche Interessen der am Vertragsschluss beteiligten Staaten zurückzuführen415. Vorliegender Normkonflikt steht zwar in einem Zusammenhang mit den unterschiedlichen gebietsrechtlichen Status der be411
Siehe dazu die Einführung („Problemidentifikation“). Art. 1 Abs. 3 SSA lautet: „Dieses Übereinkommen findet sinngemäß Anwendung auf sonstige Rechtsträger im Fischereisektor, deren Schiffe auf Hoher See Fischfang betreiben“. 413 Ausnahmen zur pacta tertiis-Regel sind in Art. 35, 36 WVK enthalten. Eine weitere (ungeschriebene) Ausnahme gilt nach Auffassung des IGH hinsichtlich der Völkerrechtssubjektivität der UN; vgl. Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, ICJ Reports 1949, 174, 185. Siehe auch Art. 2 Nr. 6 UN-Charta. – E. Klein, Statusverträge im Völkerrecht, 1980, S. 345, macht die Drittwirkung eines Statusvertrags zusätzlich von einer positiven Reaktion der am Vertrag nicht beteiligten Staaten abhängig. Dann fragt sich indes, über welche Funktion das Tatbestandsmerkmal des Allgemeininteresses (siehe sogleich im Text) verfügen soll. 414 Dahm (Fn. 308), S. 24. Vgl. auch die auf den Vertrag zur Abschaffung der Sund- und Beltzölle vom 14. März 1857 (Fleischmann [Hrsg.], Völkerrechtsquellen, 1905, S. 58 ff.) bezogene Argumentation Finnlands im Fall Passage through the Great Belt (Finland v. Denmark), Memorial of the Government of the Republic of Finland, 118 f., paras. 381–383. 412
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troffenen Meereszonen; in erster Linie geht es aber um den nutzungs- und schutzrechtlichen Status der in diesen Zonen lebenden Fischvorkommen, namentlich der Straddling Stocks und der weit wandernden Arten. Angesichts des Umstands, dass über die völkerrechtliche Lage der verschiedenen Raumkategorien mittlerweile im Wesentlichen Klarheit besteht (mag es sich auch um staatsfreie Räume, globale Staatengemeinschaftsräume also, handeln, etwa die Antarktis, den Weltraum, die Hohe See und den Meeresboden416), fragt sich, ob das Konzept der Statusverträge, ggf. in Verbindung mit dem durchaus verwandten Institut der Verpflichtungen erga omnes, auf nicht-räumliche Kategorien ausgedehnt werden kann, etwa auf die Ressourcen der Staatengemeinschaftsräume (sog. global commons)417. In der völkerrechtlichen Literatur werden Bestrebungen zu einer Ausdehung des Konzepts der Statusverträge auf bestimmte Umweltgüter unter den Stichworten „Common Heritage of Mankind“ und „Common Concern of Mankind“ diskutiert und häufig in Bezug zum Begriff der „internationalen Gemeinschaft“ gesetzt418, der etwa in Art. 53 WVK Erwähnung findet. Das Konzept des Common Heritage of Mankind, „an essential element of the United Nations Convention on the Law of 415
Klein (Fn. 413), S. 45; Ziemer (Fn. 51), S. 215; Cahier (Fn. 291), S. 661. Vgl. auch den vom Special Rapporteur der International Law Commission, Sir Humphrey Waldock, im dritten Bericht zum Völkervertragsrecht vorgeschlagenen Art. 63: „1. A treaty establishes an objective régime when it appears from its terms and from the circumstances of its conclusion that the intention of the parties to create in the general interest general obligations and rights relating to a particular region, State, territory, locality, river, waterway, or to a particular area of the sea, sea-bed, or air-space; provided that the parties include among their number any State having territorial competence with reference to the subject-matter of the treaty, or that any such State has consented to the provision in question.“ [. . .]: UN Doc. A/CN.4/167, Third Report on the Law of Treaties, by Sir Humphrey Waldock, Special Rapporteur, 3 March, 9 June, 12 June and 7 July 1964 (YBILC 1964 II, 5, 26 f.). – Der Vorschlag wurde nicht in die WVK übernommen, sondern scheiterte bereits in den internen Beratungen der ILC (vgl. YBILC 1964 I, 96 ff.). 416 Siehe dazu Wolfrum, Die Internationalisierung staatsfreier Räume, 1984, S. 30 ff. Das Institut der Statusverträge verkörpert insofern geltendes Völkergewohnheitsrecht; Oxman, The International Commons, the International Public Interest and New Modes of International Lawmaking, in: Delbrück (Hrsg.), New Trends in International Lawmaking – International „Legislation“ in the Public Interest, 1997, S. 21 (25); Doehring (Fn. 127), S. 150, Rn. 348. 417 Dazu vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum (Fn. 58), S. 625–631; Oxman (Fn. 416), S. 55; Orellana (Fn. 178), S. 80. Zum Bestandserhaltungsproblem Stocker, Das Prinzip des Common Heritage of Mankind als Ausdruck des Staatengemeinschaftsinteresses im Völkerrecht, 1993, S. 212–214. – Umweltprobleme, die in ihren Folgen die gesamte Menschheit betreffen, resultieren freilich gerade auch aus der Nutzung von Ressourcen in staatlichen Territorien, Aquitorien oder Funktionshoheitsräumen. 418 Nettesheim, JZ 57 (2002), S. 569 (572); Tomuschat, AVR 33 (1995), S. 1 (5); Stocker (Fn. 417), S. 7 ff., 33 f. Zum Begriff der internationalen Gemeinschaft umfassend Paulus (Fn. 54), S. 9 ff. Siehe zum ganzen auch schon o. Kapitel 1, I. 1.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
the Sea“419, bezieht sich ausschließlich auf die Ressourcen der Staatengemeinschaftsräume420, und jedenfalls im Seerecht ist es nicht dem Ressourcenschutz, sondern der Ressourcennutzung gewidmet421. Das Konzept des Common Concern of Mankind, letztlich eine Weiterentwicklung des erstgenannten Konzepts422, soll hingegen zwar auf die Ressourcennutzung im Territorium Anwendung finden. Angesichts seiner inhaltlichen Unbestimmtheit kann es bislang allerdings ebensowenig wie das Konzept der nachhaltigen Entwicklung zum gesicherten Bestand des Völkergewohnheitsrechts gezählt werden423. Schon im Hinblick auf den gebietsübergreifenden Charakter der vorliegend relevanten Ressource kommt eine unmittelbare Anwendung auch nur eines der beiden Konzepte auf das Bestandsschutzproblem demnach nicht in Betracht.
Voraussetzung für eine Ausdehnung der Lehre von den Statusverträgen wäre daher, dass die anerkannten Tatbestandsmerkmale des Statusvertrags auch im Falle von Verträgen zum Schutz der sog. Global Commons und ihrer Umweltgüter, etwa dem SSA, sinngemäß verwirklicht sind. Wichtigstes Tatbestandsmerkmal von Statusverträgen ist die Existenz eines Allgemeininteresses424: 419 Wolfrum, EPIL I (1992), S. 692. Vgl. Art. 136 SRÜ: „Das Gebiet und seine Ressourcen sind das gemeinsame Erbe der Menschheit.“ Vgl. auch Art. 311 Abs. 6 SRÜ („wesentlicher Grundsatz“). 420 Wolfrum, ebd., S. 694; Pardo/Christol, The Common Interest: Tension Between the Whole and the Parts, in: MacDonald/Johnston (Hrsg.), The Structure and Process of International Law, 1983, S. 643 (647); Kewenig, EA 36 (1981), S. 1 (2); Ziemer (Fn. 51), S. 251. Einer Ausweitung des Konzepts auf staatliche Territorien erteilt Krohn (Fn. 66), S. 270–277, zu Recht eine klare Absage. 421 Beyerlin, ZaöRV 56 (1996), S. 602 (609); Krohn (Fn. 66), S. 266 f.; Kewenig, Common heritage of mankind – politischer Slogan oder völkerrechtlicher Schlüsselbegriff, in: v. Münch (Hrsg.), Staatsrecht-Völkerrecht-Europarecht, FS für Schlochauer, 1981, S. 385 (404). 422 Krohn (Fn. 66), S. 277. Zum Verhältnis beider Konzepte siehe auch Birnie/ Boyle (Fn. 27), S. 98 f. – Wenn der Gedanke des gemeinsamen Menschheitserbes zwischenzeitlich tatsächlich zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt sein sollte (so etwa Wolfrum, ZaöRV 43 [1983], S. 312 [333 f.], unter Hinweis auf „numerous statements made at the Third UN Law of the Sea Conference, in the United Nations General Assembly, and in UNCTAD, as well as in the national legislation of the potential deep sea-bed mining states“), erscheint es in begrifflicher Hinsicht vorzugswürdig, nicht mehr von einem Konzept, sondern von einem Prinzip zu sprechen; siehe schon o. Kapitel 1, 4. Vgl. zum ganzen auch UN Doc. A/RES/2749 (XXV), Declaration of Principles Governing the Sea Bed and the Ocean Floor, and the Subsoil Thereof, beyond the Limits of Jurisdiction, 17 December 1979, para. 1; A/RES/51/122, Declaration on International Cooperation in the Exploration and Use of Outer Space for the Benefit and in the Interest of All States, Taking into Particular Account the Needs of Developing Countries, 13 December 1996, Annex, para. 1. 423 Krohn (Fn. 66), S. 291, die allerdings von einem hinreichenden Grad der Konkretisierung ausgeht. Versuche einer Inhaltsbestimmung bei Kirgis, AJIL 84 (1990), S. 525 (527 ff.); Birnie/Boyle (Fn. 27), S. 99.
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„From time to time it happens that a group of great Powers, or a large number of States both great and small, assume a power to create by a multipartite treaty some new international régime or status, which soon acquires a degree of acceptance and durability extending beyond the limits of the actual contracting parties, and giving it an objective existence. This power is used when some public interest is involved [. . .]“425.
Wann aber besteht ein solches Interesse der – ohnedies nur schwer konkretisierbaren – Staatengemeinschaft? Und wer stellt dessen Vorliegen fest? Ein allgemeines ethisch-biologisches Interesse an der Erhaltung der marinen Artenvielfalt und der Meeresumwelt insgesamt lässt sich gewiss nicht leugnen426. Jedoch ist zu bedenken, dass, ebenso wie bei Bestandsaufnahmen des geltenden Völkergewohnheitsrechts, rechtspolitisch Wünschenswertes nicht an die Stelle des Tatsächlichen treten darf, wenn nicht die Kraft einer Rechtsnorm von vorne herein in Frage gestellt sein soll. Dies gilt zumal in Anbetracht der ohnehin latent vorhandenen Durchsetzungsschwäche des Umweltvölkerrechts427. Im Hinblick auf eine Drittwirkung der Bestimmungen des SSA ist deshalb Skepsis angezeigt. Zwar stehen hinter dem Übereinkommen in der Tat weniger nutzungspolitische denn schutzorientierte Überlegungen428, und immerhin wurde seine Aushandlung durch die UN initiiert429, die für die Feststellung eines Allgemeininteresses schon angesichts der Verwandtschaft beider Rechtsfiguren in gleicher Weise zuständig sein dürften wie für die Feststellung der Verletzung einer erga omnes-Pflicht430. Die noch immer zu konstatierende Zurückhaltung der 424 Zu weiteren Voraussetzungen siehe Cahier (Fn. 291), S. 661; Ziemer (Fn. 51), S. 278 ff. 425 International Status of South West Africa, Sep. Op. McNair, ICJ Reports 1950, 127, 146, 153 (Hervorhebung vom Verf.). Siehe auch Chinkin (Fn. 291), S. 143. 426 Vgl. etwa Oxman, The Law of the Sea, in: Schachter/Joyner (Fn. 95), S. 671 (701); Stocker (Fn. 417), S. 33. 427 Siehe die Nachweise in Fn. 127. Vgl. auch Scott/Reynolds/Lott, ILSAJICL 2 (1995), S. 23 (26 f.). 428 Vgl. nur UN Doc. A/CONF. 164/35, Statement of the Chairman, Ambassador Satya N. Nandan, on August 4 1995, upon the Adoption of the Agreement for the Implementation of the Provisions of the United Nations Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982 relating to the Conservation and Management of Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks, 20 September 1995, para. 28: „The result we have achieved today reflects a strong common purpose – the long-term sustainability of fishery resources“ (Hervorhebung hinzugefügt). 429 Vgl. UN Doc. A/RES/47/192, United Nations Conference on Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks, 22 December 1992. 430 Siehe o. Kapitel 1, I. 1. – Ob die Generalversammlung das diesbezüglich zuständige Organ ist, ist eine andere Frage, die Frowein (Fn. 54), S. 222, unter Hinweis auf den Nicaragua-Fall bejaht. Dort (ICJ Reports 1986, 3, 99) ging es freilich nur um die Bedeutung von Resolutionen der UN-Generalversammlung für die Feststellung von opinio iuris, also Völkergewohnheitsrecht. Gleichwohl ist zutreffend,
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Staaten bezüglich eines Beitritts zum SSA spricht aber eine deutliche Sprache431. Mag sich ein Allgemeininteresse seiner Herkunft nach auch grundsätzlich als Summe deckungsgleicher Einzelinteressen der betroffenen Staaten darstellen432 – für das „Begriffselement des Allgemeininteresses ist [. . .] die abstrakte Gemeinwohlvorstellung, die die Parteien zum Abschluss des Vertrages motiviert haben mag, nicht ausreichend.“433 Eingedenk der Verwandtschaft des Allgemeininteresses mit dem ius cogens-Konzept434 ist vielmehr erforderlich, dass die konkret getroffenen Regelungen ihrerseits dem (abstrakten) Allgemeininteresse entsprechen („doppelte Akzeptanz“)435. Es geht also um einen über die Summe der einzelstaatlichen Interessen hinausgehenden, da qualitativ gemeinwohlorientierten, originär völkerrechtlichen Topos. Dass das SSA diesen Voraussetzungen genügt, läßt sich angesichts von 34 Ratifikationen in mehr als 7 Jahren schwerlich behaupten. Zwar ist anerkannt, dass sich die Akzeptanz der konkreten Regelungen nicht im Sinne einer dauerhaften Übung manifestieren muss, bestünde doch andernfalls kaum ein Unterschied zur Rechtsquelle „Völkergewohnheitsrecht“436. Die fehlende gewohnheitsrechtliche Geltung der Bestimmungen des SSA ist für sich allein kein Argument gegen eine Drittwirkung gemäß den Voraussetzungen des Statusvertrags. Obgleich das SSA dem Beitritt aller Staaten offensteht und diesen auch anstrebt, hat sich die Mehrheit der Staaten bislang aber für ein Fernbleiben entschieden. Für die Hochseefischereinationen wirkt das SSA eben eher freiheitsbeschränkend denn freiheitserweiternd. Mithin verkörpern Annahme und In-Kraftdass die UN-Generalversammlung ein Allgemeininteresse der Staatengemeinschaft sicherlich besser repräsentiert als etwa der UN-Sicherheitsrat. Vgl. auch Mann Borgese (Fn. 244), S. 208. 431 Diese Zurückhaltung ist bei allen Vereinbarungen feststellbar, die nationale Belange beeinträchtigen, um im Interesse der Staatengemeinschaft globale Umweltgüter zu erhalten. Siehe Beaucamp (Fn. 229), S. 137. Fortschritte erkennt demgegenüber Beyerlin (Fn. 61), S. 124 (131). 432 Klein (Fn. 413), S. 53; Brunnée (Fn. 54), S. 792 f. 433 Klein, ebd., S. 62. Siehe auch Vöneky (Fn. 37), S. 391 ff., 425 ff.; Beyerlin (Fn. 421), S. 607 f.; Ziemer (Fn. 51). S. 274. 434 Gemäß Art. 53 WVK „ist eine zwingende Norm des allgemeinen Völkerrechts eine Norm, die von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit angenommen und anerkannt wird als eine Norm, von der nicht abgewichen werden darf und die nur durch eine spätere Norm des allgemeinen Völkerrechts derselben Rechtsnatur geändert werden kann.“ 435 Klein (Fn. 413), S. 62; Ziemer (Fn. 51), S. 274; Brunnée (Fn. 54), S. 802. 436 Dazu Doehring, ZaöRV 36 (1976), S. 77 (79 ff.). – Noch schwieriger ist die Abgrenzung, wenn man im Hinblick auf die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht mit Bing Cheng, IJIL 5 (1965), S. 23 ff., auf das Erfordernis einer dauerhaften Übung verzichtet; vgl. auch Brownlie (Fn. 53), S. 5; Talmon, Die Grenzen der „Grenzenlosen Gerechtigkeit“, in: März (Hrsg.), An den Grenzen des Rechts, 2003, S. 99 (137 f.).
Kap. 2: Universelle Ausgestaltung des SRÜ
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Treten des SSA zwar die (abstrakte) Behauptung, dass ein Allgemeininteresse bezüglich des Schutzes der Straddling Stocks und weit wandernden Arten vorliege, nicht aber die Akzeptanz des konkreten, durchschlagenden Schutzregimes durch die Staatengemeinschaft insgesamt. Das Schweigen der großen Mehrheit kann nicht als stillschweigende Zustimmung der Nichtvertragsparteien bewertet werden. Ob dieser Befund im Laufe der nächsten Jahre revidiert werden muss, bleibt abzuwarten; wie schon das Konzept des Common Heritage of Mankind verdeutlicht, ist eine Übertragung der Lehre von den Statusverträgen auf die Global Commons nicht prinzipiell ausgeschlossen. Im Hinblick auf Art. 7 Abs. 2 SSA bleibt es jedenfalls vorerst bei o. getroffener Feststellung: Solange ein entsprechendes Allgemeininteresse oder eine völkergewohnheitsrechtliche Geltung nicht festgestellt werden kann, ist Art. 7 Abs. 2 SSA für Küstenstaaten, die zugleich Vertragsparteien des SSA und des SRÜ sind, unanwendbar. Abhilfe kann nur über die universelle Akzeptanz des SSA oder eine Änderung von Art. 4 SSA in Übereinstimmung zum DÜ erreicht werden. Im Unterschied zu den auf dem Meeresboden lagernden nichtlebenden Ressourcen des Meeres fehlt es nach alledem an einem Konsens dahingehend, dass die lebenden Ressourcen „gemeinsames Erbe der Menschheit“ (Art. 136 SRÜ) bzw. gemeinsame Güter, Güter der Staatengemeinschaft also, sind437. Das Interesse der Staaten richtet sich auch heute noch in erster Linie auf die möglichst intensive, weil lukrative Ausbeutung der Fischbestände. Eine Drittwirkung der Bestimmungen des SSA scheidet aus. Im Hinblick auf den Schutz des Meeres und seiner lebenden Ressourcen mag man dies schmerzlich bedauern. Nochmals ist jedoch festzuhalten: Der Meeresumwelt ist mit der bloßen Behauptung eines verbesserten Schutzniveaus nicht geholfen. Durch eine zu dynamische Interpretation der einschlägigen Bestimmungen könnten sich Drittstaaten vielmehr in ihrer Zurückhaltung bestätigt fühlen, die Ausbildung eines Allgemeininteresses letztlich – den Interessen seiner Befürworter diametral gegenläufig – dauerhaft verhindert werden. 2. Die Bedeutung regionaler Fischereiorganisationen Wie eingangs angedeutet, weist das SSA den regionalen Fischereiorganisationen im Zusammenhang mit der geforderten Kooperation der Vertragsparteien eine exponierte Stellung zu: Sie sind die Foren, innerhalb derer sich die von Art. 197 SRÜ für den Meeresumweltschutz vorgesehene Zusammenarbeit auf regionaler Ebene vollziehen soll438. Entscheidend ist, 437 I. E. wie hier Davies/Redgwell (Fn. 178), S. 274. A. A., freilich ohne nähere Begründung, Orrego Vicuña (Fn. 161), S. 209.
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dass auf diese Weise die Besonderheiten der jeweils betroffenen Meeresgebiete berücksichtigt werden können: „Die Küstenstaaten und die auf Hoher See Fischfang betreibenden Staaten bemühen sich in Übereinstimmung mit dem Seerechtsübereinkommen um eine Zusammenarbeit in Bezug auf gebietsübergreifende Fischbestände und Bestände weit wandernder Fische unmittelbar oder über geeignete subregionale oder regionale Organisationen oder Vereinbarungen betreffend Fischereibewirtschaftung unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale der Subregion oder Region, um die wirksame Erhaltung und Bewirtschaftung dieser Bestände sicherzustellen“ 439.
Jene Zuweisung versagt allerdings, wenn in einem bestimmten Meeresgebiet keine Fischereiorganisation existiert. Gemäß Art. 8 Abs. 5 SSA – und in Übereinstimmung zu Art. 64 Abs. 1 SRÜ440 – müssen die Vertragsparteien dann zusammenarbeiten, um eine solche Organisation zu schaffen oder eine entsprechende Übereinkunft zu schließen. Art. 9–12 SSA enthalten Anforderungen, die an die existierenden bzw. die noch zu gründenden Fischereiorganisationen zu stellen sind, darunter ein Transparenzgebot (Art. 12 SSA), das unter anderem die Teilnahme von Vertretern der einschlägigen NGOs an den Sitzungen der Organisationen vorsieht. a) Einschränkungen der Hohe See-Freiheit Die Vertragsparteien sind allerdings nicht verpflichtet, Mitglieder in den zuständigen Fischereiorganisationen zu werden. Vielmehr können sie alternativ die von diesen Organisationen beschlossenen Maßnahmen als für sich verbindlich annehmen und anwenden (vgl. Art. 8 Abs. 3 SSA). Vertragsparteien, die weder Mitglieder in regionalen Fischereiorganisationen sind bzw. entsprechende Übereinkünfte geschlossen haben, noch die erlassenen Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen anwenden, haben gemäß Art. 8 Abs. 4 SSA keinen Zugang zu den vom Übereinkommen erfassten Fischbeständen. Diese Bestimmung, die verhindern soll, dass die Vertragsparteien die unter ihrer Flagge fahrenden Schiffe ausflaggen, um die von den Fi438 Siehe auch UN Doc. A/RES/55/8, Large-scale Pelagic Drift-net Fishing, Unauthorized Fishing in Zones of National Jurisdiction and on the High Seas, Fisheries By-catch and Discards, and other Developments, 2 May 2001, 6, para. 19: „Affirms also the central role that regional and subregional fisheries management organizations and arrangements have in intergovernmental cooperation to assess living marine resources within their competence, to manage their conservation and sustainable use [. . .]“ (Hervorhebung im Original). – Das SSA bezieht sich ausschließlich auf Organisationen, die sich mit der Bewirtschaftung und Erhaltung bestimmter Fischbestände beschäftigen. Zu anderen Organisationstypen vgl. Sydnes, ODIL 32 (2001), S. 349 ff. 439 Art. 8 Abs. 1 SSA (Hervorhebung hinzugefügt). 440 Bezüglich der Straddling Stocks kennt das SRÜ eine solche Verpflichtung nicht.
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schereiorganisationen getroffenen Maßnahmen zu unterlaufen441, wird durch Art. 17 Abs. 1 SSA ergänzt, wonach jene Staaten auch nicht von der (allgemeineren) Pflicht zur Zusammenarbeit bezüglich der Erhaltung und Bewirtschaftung der Straddling Stocks und der weit wandernden Arten befreit sind. Gemeinsamer Nenner der Art. 8, 17 SSA ist das Bemühen, auch Nichtmitglieder der regionalen Fischereiorganisationen an die von diesen getroffenen Maßnahmen zu binden. Im völkerrechtlichen Schrifttum wird dieses Bemühen im Hinblick auf den Grundsatz pacta tertiis nec nocent nec prosunt als problematisch eingestuft und mit der o. diskutierten Frage einer möglichen Drittwirkung der Bestimmungen des SSA verbunden442. Dabei ist zu bedenken, dass Art. 8 SSA gemäß Art. 3 Abs. 1 SSA zwar die Hohe See, nicht aber die küstenstaatlichen aWZen erfasst. Auf Hoher See gilt die Freiheit der Fischerei ohnehin nur vorbehaltlich der „vertraglichen Verpflichtungen“ (Art. 116 lit. a SRÜ) der Vertragsparteien des SRÜ, wobei Art. 116 lit. a SRÜ auch künftige Verträge einbezieht443. Wegen Art. 311 Abs. 5 SRÜ444 ist auch Art. 311 Abs. 2 SRÜ nicht auf die auf Hoher See geltende Fischereifreiheit anwendbar. Es steht den Staaten also frei, sich durch den Beitritt zum SSA strengeren Pflichten zu unterwerfen445. Im Verhältnis zum SRÜ ist gegen die in Art. 8 SSA enthaltenen Verpflichtungen somit nichts einzuwenden. Im Übrigen spricht Art. 8 SSA zwar in allgemeiner Form von „Staaten“, obwohl in Art. 1 Abs. 2 SSA nur der Begriff „Vertragsstaaten“ (lit. a) definiert wird446; demnach sollen Art. 8 ff. SSA offenbar nicht nur für die Vertragsparteien gelten, sondern für alle Staaten, wie auch Art. 17 Abs. 3 SSA anzudeuten scheint447. Indes: Solange die Bestimmungen des SSA weder 441
Davies/Redgwell (Fn. 178), S. 265. So etwa bei Ziemer (Fn. 51), S. 123–125, 193–195; Hayashi (Fn. 407), S. 59; Gherari (Fn. 375), S. 378 f.; Davies/Redgwell (Fn. 178), S. 265. I. E. wie hier dagegen Handl (Fn. 289), S. 228; wohl auch Dahm/Delbrück/Wolfrum (Fn. 91), S. 397. 443 A. A. offenbar Hayashi (Fn. 375), S. 76 („existing treaties“). 444 Art. 311 Abs. 5 SRÜ lautet: „Dieser Artikel berührt nicht internationale Übereinkünfte, die durch andere Artikel dieses Übereinkommens ausdrücklich zugelassen oder gewahrt sind“. – Dass Art. 116 lit. a SRÜ ein „anderer Artikel“ im Sinne von Art. 311 Abs. 5 SRÜ ist, belegt die Entstehungsgeschichte der Norm (die Hayashi [Fn. 375] ignoriert); siehe Nordquist/Rosenne/Sohn (Fn. 408), S. 240, para. 311.8. 445 I. E. wie hier Orrego Vicuña (Fn. 161), S. 209. 446 Siehe auch Örebech/Sigurjonsson/McDorman (Fn. 375), S. 124. 447 Art. 17 Abs. 3 SSA lautet: „Staaten, die Mitglieder einer subregionalen oder regionalen Organisation betreffend Fischereibewirtschaftung oder Teilnehmer an einer subregionalen oder regionalen Vereinbarung betreffend Fischereibewirtschaftung sind, fordern einzeln oder gemeinsam die in Artikel 1 Absatz 3 genannten Rechtsträger im Fischereisektor, deren Fischereifahrzeuge im maßgeblichen Bereich tätig sind, auf, mit dieser Organisation oder im Rahmen dieser Vereinbarung bei der 442
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gewohnheitsrechtlich anerkannt noch Ausdruck eines – doppelt verstandenen – Allgemeininteresses sind, ist eine de jure Drittwirkung abzulehnen448. Mit Ausnahme des – völkerrechtlich unbedenklichen – Art. 33 Abs. 1 SSA, wonach Nichtvertragsparteien dazu ermutigt werden sollen, dem Übereinkommen beizutreten, ist „Staaten“ demnach immer nur im Sinne von „Vertragsparteien“ zu verstehen449. Art. 17 Abs. 3 SSA widerspricht dem nicht, weil die in Art. 1 Abs. 3 SSA genannten Rechtsträger450 lediglich zur Zusammenarbeit aufgefordert, die festgelegten Bestandserhaltungsmaßnahmen zumal „de facto“ angewandt werden sollen. b) Mitgliedschaft in regionalen Fischereiorganisationen Den Gefahren, dass infolge der vorrangigen Zuständigkeit der regionalen Fischereiorganisationen der Zugang zu den Hohe See-Beständen auf wenige Staaten, namentlich die traditionellen Fischfangnationen, begrenzt wird, begegnet das SSA in Art. 8 Abs. 3. Nach dieser Norm können alle Staaten, die über ein „tatsächliches Interesse an der betreffenden Fischerei“ verfügen, Mitglieder jener Organisationen bzw. Parteien der einschlägigen Übereinkünfte werden. Die Bedingungen einer solchen Beteiligung dürfen dabei „die Mitgliedschaft oder Teilnahme dieser Staaten nicht verhindern; sie dürfen auch nicht so angewendet werden, dass ein Staat oder eine Gruppe von Staaten, die ein tatsächliches Interesse an der betreffenden Fischerei haben, diskriminiert wird.“451
Hiernach sollen zwar grundsätzlich alle Staaten die Möglichkeit haben, den regionalen Fischereiorganisationen beizutreten und dadurch Zugang zu den Hohe See-Fischbeständen erhalten. Die Bestimmung sagt indes nicht, wann ein Staat über ein tatsächliches Interesse („real interest“) verfügt. Diesbezüglich besteht dahingehend Einigkeit, dass jedenfalls die Staaten, die gegenwärtig im räumlichen Geltungsbereich einer Organisation bzw. Durchführung der festgelegten Bewirtschaftungs- und Erhaltungsmaßnahmen uneingeschränkt zusammenzuarbeiten, damit diese Maßnahmen de facto so umfassend wie möglich auf Fischereitätigkeiten in dem betreffenden Gebiet angewandt werden. Diese Rechtsträger im Fischereisektor genießen Vorteile aus der Teilnahme an der Fischerei, die ihrer eingegangenen Verpflichtung zur Einhaltung von Erhaltungsund Bewirtschaftungsmaßnahmen für die Bestände angemessen sind“ (Hervorhebung hinzugefügt). 448 Ebenso Molenaar, IJMCL 15 (2000), S. 475 (491). 449 I. E. auch Franckx, TLNJICL 8 (2000), S. 49 (63). A. A. Dahm/Delbrück/ Wolfrum (Fn. 91), S. 397, die nicht ausschließen, dass das SSA ein objektives Regime verkörpert und insofern offenbar das Vorliegen eines Allgemeininteresses bejahen. 450 Siehe Fn. 412. 451 Art. 8 Abs. 3 S. 3 SSA.
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Übereinkunft Fischerei auf Straddling Stocks und weit wandernde Arten betreiben, ein tatsächliches Interesse an der Fischerei haben. Damit dürfte es freilich nicht getan sein; andernfalls hätte es genügt, in Art. 8 Abs. 3 S. 2 SSA auf S. 1 der Bestimmung zu verweisen, etwa mit der Formulierung „diese Staaten“. Andererseits geht der Vorschlag Erik Jaap Molenaars452, auch solche Staaten einzubeziehen, die Fischereiaktivitäten weder ausüben noch planen, aber dennoch „dabei sein wollen“, zu weit. In diesem Fall verlöre das „real interest“-Kriterium seinen Charakter als Zugangsvoraussetzung und könnte in den regionalen Fischereiorganisationen zur Mehrheitsbeschaffung missbraucht werden, ein von der IWK bekanntes Phänomen453. Vor dem Hintergrund des Diskriminierungsverbots des Art. 8 Abs. 3 S. 3 SSA bietet es sich an, grundsätzlich all jenen Staaten ein tatsächliches Interesse zuzubilligen, die aktiv Fischerei auf Straddling Stocks und weit wandernde Arten betreiben, betrieben haben oder (wieder) betreiben wollen454. Auf diese Weise lassen sich auch die legitimen Nutzungsinteressen der Fernfischereistaaten hinreichend berücksichtigen. Dass Art. 8 Abs. 3 SSA mit dem „real interest“-Erfordernis ein zusätzliches Kriterium einführt, unterstreicht jedenfalls den gegenüber dem SRÜ restriktiveren Ansatz des SSA. Dieser ist nicht zuletzt eine Reaktion auf die Praxis vieler Fischereinationen, Teile ihrer Flotten unter dem Hoheitszeichen von Billigflaggenstaaten fahren zu lassen, um die einschlägigen Schutzregimes zu umgehen455. Billigflaggenstaaten verfügen selbst meist nicht über ein fischereibezogenes „real interest“, sondern sind vor allem an den Registrierungsgebühren und anderen finanziellen Leistungen interessiert456. Für die in eine Fischereiorganisation neu aufgenommenen Mitglieder gilt Art. 11 SSA, freilich ebenfalls erst ab dem Zeitpunkt, ab dem ein tatsächliches Interesse besteht. Das Übereinkommen bemüht sich insofern, sowohl eine Diskriminierung „neuer“ Fischereinationen zu vermeiden, als auch den Interessen des Bestandsschutzes Rechnung zu tragen; deren Verfolgung würde durch eine wachsende Anzahl von Fischereinationen weiter erschwert. Der bereits erwähnte Art. 17 SSA ist bezüglich der Vertragsparteien einschlägig, die eingedenk ihrer Fischereitätigkeit über ein tatsächliches Interesse verfügen, aber nicht Mitglied der Fischereiorganisationen bzw. Übereinkünfte werden wollen.
Im Hinblick auf den Umstand, dass einige bereits existierende Fischereiorganisationen457 auf „geschlossenen“ Verträgen beruhen, Verträgen also, 452
(Fn. 448), S. 494 ff. Siehe dazu u. III. 2. 454 Enger Orrego Vicuña (Fn. 161), S. 208: „The fact of having fished in the past or the intention to do so in the future is not enough to qualify for membership or participation under the real interest criteria.“ Für eine Ausdehnung des „real interest“-Kriteriums auf artenschutzbezogene Gesichtspunkte spricht sich Orellana (Fn. 178), S. 74 f., aus. 455 Molenaar (Fn. 448), S. 501, 503. 456 Näher dazu u. Kapitel 3, II. 1. b). 453
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
bei denen ein Beitritt weiterer Staaten nur mit Zustimmung der ursprünglichen Vertragspartner möglich ist458, ist teilweise gefordert worden, das in Art. 8 Abs. 3 SSA niedergelegte Diskriminierungsverbot verlange eine Anpassung der Bestimmungen über die Parteifähigkeit in jenen Verträgen459. Diese Sichtweise ist in ihrer allgemeinen Form abzulehnen. Zwar genießt das SSA gemäß Art. 44 Abs. 1 SSA im Kollisionsfall Vorrang vor anderen Verträgen; nach allgemeinem Völkerrecht gilt dies freilich nur insoweit, als die Kreise der Vertragsparteien identisch sind460. So können etwa die in einer regionalen Fischereiorganisation versammelten SSA-Vertragsparteien den Beitritt eines weiteren Vertragsstaats zur Fischereiorganisation nicht verhindern, wenn dieser im Zuständigkeitsbereich der Organisation über ein tatsächliches Interesse gemäß Art. 8 Abs. 3 SSA verfügt. Ob dies der Fall ist, kann ggf. im Wege des Streitbeilegungsverfahrens (vgl. Art. 30 SSA) geklärt werden461. Die Zustimmungsrechte der Mitglieder der Fischereiorganisation, die dem SSA nicht beigetreten sind, bleiben davon unberührt. Eine ähnliche Frage stellt sich im Hinblick auf die innerhalb der meisten Fischereiorganisationen bestehende Möglichkeit, den beschlossenen Maßnahmen zu widersprechen: sog. „opting out“462. Die Wahrnehmung dieses Widerspruchsrechts hat in aller Regel zur Folge, dass der widersprechende Staat nicht an die betreffende Bestandserhaltungsmaßnahme, etwa die Festlegung einer TAC, gebunden ist. Seit die EG ihr „opting out“-Recht im NAFO-Rahmen zu dem Zweck eingesetzt hat, das Überleben der spanischen Fischereiflotte zu sichern463, haben sich kritische Stimmen zu Worte gemeldet. Nach den Bestimmungen des SSA erscheint die Zulässigkeit ei457
U. a. die NASCO; vgl. Art. 17 Abs. 3 NASCO-Ü: „This Convention shall be open for accession by the parties referred to in paragraph 1 and, subject to the approval of the Council, by any other State that exercises fisheries jurisdiction in the North Atlantic Ocean or is a State of origin for salmon stocks subject to this Convention“ (Hervorhebung vom Verf.). 458 Siehe nur Geiger (Fn. 291), S. 473. 459 So Örebech/Sigurjonsson/McDorman (Fn. 375), S. 123; Davies/Redgwell (Fn. 178), S. 264, Fn. 365. 460 Vgl. die Nachweise in Fn. 351. 461 Freestone/Makuch (Fn. 375), S. 30. 462 Siehe etwa Art. 8 Abs. 2 NEAFC-Ü: „Any Contracting State may, within ninety days of the date of notice of a recommendation to which paragraph (1) of this Article applies, object to it and in that event shall not be under obligation to give effect to the recommendation“. 463 Joyner (Fn. 209), S. 211: „[. . .] EC objections to NAFO Conservation measures became regular events [. . .]“. – Im Jahre 1995 hatte die NAFO der EG eine Kabeljau-TAC von 3.400 t zugesprochen. Nachdem die EG von ihrem „opting out“Recht Gebrauch gemacht hatte, legte sie eine eigene TAC von 18.630 t fest; siehe Lugten (Fn. 177), S. 226. Was dies für den ohnehin hochgradig überfischten Straddling Stock Kabeljau bedeutete, bedarf keiner näheren Erläuterung.
Kap. 2: Universelle Ausgestaltung des SRÜ
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nes solchen „opting outs“ nunmehr jedenfalls insofern zweifelhaft, als die Mitgliedstaaten einer regionalen Fischereiorganisation den getroffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen weiterhin widersprechen können, demgegenüber Nichtmitgliedstaaten gemäß Art. 8 Abs. 3 SSA („[. . .] der Anwendung der im Rahmen dieser Organisation oder Vereinbarung festgelegten Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen zustimmen“) offenbar (automatisch) an die Maßnahmen gebunden werden. Gleichwohl kann dem SSA kein allgemeines Verbot des „opting out“ entnommen werden; die in Art. 10 SSA enthaltenen Verpflichtungen sind diesbezüglich nicht hinreichend ergiebig464. Die in regionalen Bestandserhaltungsabkommen enthaltenen „opting out“-Klauseln bleiben daher auch zwischen den Vertragsparteien des SSA anwendbar, Art. 44 Abs. 1 SSA. Ein „opting out“ dürfte aber in den meisten Fällen einen Verstoß gegen Art. 5 lit. a, c i.V. m. Art. 6 SSA verkörpern465. 3. Durchsetzung: Relativierung der Flaggenhoheit Das SSA setzt auch auf der Rechtsfolgenseite an, namentlich bei der Durchsetzung der verschärften Bestandsschutzbestimmungen. Im Grundsatz bleibt es zwar bei der vorrangigen Zuständigkeit der Flaggenstaaten (vgl. Art. 18, 19 SSA); deren Pflichten wurden jedoch an die Vorgaben des Compliance Agreement466 angepasst. So sind die Flaggenstaaten nunmehr verpflichtet, den unter ihrer Flagge fahrenden Schiffen Fanglizenzen, Genehmigungen oder Erlaubnisse zu erteilen467. Schiffen, die nicht über eine entsprechende Lizenz verfügen, muss der Fischfang auf Hoher See verboten werden. Der Einsatz von Schiffen zum Fischfang auf Hoher See ist ferner nur dann zu genehmigen, wenn der Flaggenstaat in der Lage ist, diesen Schiffen gegenüber seinen Verpflichtungen aus dem SRÜ und dem SSA wirksam nachzukommen468. Der Erfolg dieser neuen Regelungen bleibt abzuwarten. Der Umstand, dass das angesprochene Compliance Agreement noch nicht in Kraft getreten ist, gibt nur wenig Anlass zu Hoffnung. Die 464 Im einzelnen siehe Örebech/Sigurjonsson/McDorman (Fn. 375), S. 125 f. Ohne „opting out“-Recht wäre etwa das von Art. 10 lit. j SSA geforderte vereinfachte Beschlussverfahren im regionalen Rahmen kaum umsetzbar. 465 Örebech/Sigurjonsson/McDorman (Fn. 375), S. 126, erkennen im „opting out“ einen Verstoß gegen Art. 2 SSA, obgleich es sich lediglich um eine Zielbestimmung ohne Rechtspflichtcharakter handelt: „Ziel dieses Übereinkommens ist die Sicherung der langfristigen Erhaltung und nachhaltigen Nutzung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und weit wandernden Fischbeständen durch die wirksame Durchführung der maßgeblichen Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens.“ 466 Siehe die in Fn. 23 angegebene Fundstelle. 467 Vgl. Art. 18 Abs. 3 lit. a SSA. 468 Vgl. Art. 18 Abs. 2 SSA.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
Zurückhaltung der Fischereinationen dürfte vor allem darin begründet sein, dass jenes Übereinkommen in Art. III Abs. 5 dem Problem des Umflaggens („flag shopping“) zu begegnen sucht. Schiffe, die zuvor unter der Flagge eines anderen Vertragsstaates fuhren und die die einschlägigen Bestandserhaltungsvorschriften nicht eingehalten haben, dürfen nach dieser Norm keine Fanglizenzen mehr erhalten469. Bahnbrechende Neuerungen sind in den Art. 20, 21 SSA enthalten470. Diese Bestimmungen sind Ausdruck der Erkenntnis, dass viele Flaggenstaaten die ihnen obliegenden Durchsetzungspflichten nicht wahrnehmen wollen bzw. können. Der Durchsetzung durch Flaggenstaaten wurde deswegen ein bislang beispielloses internationales Durchsetzungsschema zur Seite gestellt. So enthält Art. 20 SSA eine Pflicht zur Zusammenarbeit (Abs. 1), mit Hilfe derer die Durchsetzung der subregionalen oder regionalen Erhaltungs- und Bewirtschaftungsvorschriften für gebietsübergreifende Fischbestände und weit wandernde Fischbestände sichergestellt werden soll. Sie kann sich ihrerseits im Rahmen regionaler und subregionaler Durchsetzungsmechanismen vollziehen (Abs. 7); die existierenden Fischereiorganisationen spielen auch auf der Rechtsfolgenseite eine Rolle. Besteht Anlass zu der Annahme, dass ein sich auf Hoher See befindliches Schiff innerhalb der aWZ471 eines Küstenstaates unbefugt Fischfang betrieben hat, muss der Flaggenstaat gemäß Art. 20 Abs. 6 SSA auf Verlangen des Küstenstaates eine umfassende Untersuchung durchführen. Der Flaggenstaat kann den Küstenstaat berechtigen, das verdächtige Schiff zu betreten und zu kontrollieren472. Diese Rechte lassen, wie Art. 20 Abs. 6 SSA ausdrücklich klarstellt, das Recht der Nacheile gemäß Art. 111 SRÜ unberührt. Gemäß Art. 21 Abs. 1 SSA dürfen Vertragsparteien, die zugleich Mitglieder der jeweiligen regionalen Fischereiorganisationen bzw. Übereinkünfte sind, Schiffe anderer (SSA-)Vertragsparteien kontrollieren, um die Einhal469 Siehe dazu G. Moore, The FAO Compliance Agreement, in: Nordquist/Moore (Fn. 167), S. 77 (80 f.); Balton, The Compliance Agreement, in: Hey (Fn. 162), S. 31 (50). 470 Moran, OCM 27 (1995), S. 217 (223), sieht in den Bestimmungen des Teils VI SSA „the most clear example of progressive development of international law in the Agreement“. 471 Nicht auf Hoher See; diesbezüglich ist Art. 21 SSA einschlägig. Zum Verhältnis beider Bestimmungen siehe auch Davies/Redgwell (Fn. 178), S. 266 f. Systematisch unrichtig Ziemer (Fn. 51), S. 138: „Kommen die Flaggenstaaten aus irgendwelchen Gründen der Verpflichtung aus Art. 20 nicht nach, greift im Falle des Verdachtes eines Verstoßes ergänzend der Mechanismus des Art. 21 ein.“ Zum einen richtet sich Art. 20 SSA nicht nur an die Flaggenstaaten, sondern an alle (Vertrags-) Staaten. Zum anderen ist Art. 21 SSA keine Art. 20 SSA ergänzende Norm. 472 Angesichts des Einwilligungserfordernisses ist das Recht zum Betreten völkerrechtlich unproblematisch.
Kap. 2: Universelle Ausgestaltung des SRÜ
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tung der im Rahmen jener Organisation bzw. Übereinkunft beschlossenen Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen sicherzustellen. Dieses Recht besteht unabhängig davon, ob der Vertragsstaat, dessen Schiff kontrolliert wird, Mitglied der Organisation bzw. Teilnehmer der Übereinkunft ist: keine Ausnahme zugunsten der free rider, soweit diese Parteien des SSA sind. Als Kontrollstaat kommt ebenfalls grundsätzlich jeder Vertragsstaat in Betracht, wenn auch die finanziellen Möglichkeiten der Staaten (natürlich) eine Vorauswahl treffen. Insofern könnte eine Vertragspartei, vergleichbar mit dem die Piraterie so engagiert bekämpfenden England im 19. Jahrhundert473, theoretisch die Aufgaben einer universellen Seepolizei hinsichtlich der Fischerei auf Hoher See übernehmen. Andererseits werden die Interessen der Fischereinationen dadurch gewahrt, dass für die Entwicklung von Verfahren des Anbordkommens und der Kontrollen wiederum die Fischereiorganisationen zuständig sind (Abs. 2). Hat die betroffene Organisation nicht innerhalb von zwei Jahren nach „Annahme“474 des SSA, also bis zum 5. Dezember 1997, entsprechende Regeln aufgestellt, folgen die Kontrollen gemäß Art. 21 Abs. 3 SSA den Bestimmungen des SSA, insbesondere Art. 22. Ergibt eine vorgenommene Kontrolle eindeutige Gründe („clear grounds“475) für die Annahme, dass ein Schiff tatsächlich gegen Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen verstoßen hat, kann der kontrollierende Staat Beweismittel sichern; außerdem muss der Flaggenstaat unverzüglich vom mutmaßlichen Verstoß benachrichtigt werden (vgl. Art. 21 Abs. 5 SSA). Ohne länger in der Lage zu sein, vor seinen Kontrollpflichten die Augen zu verschließen, kann dieser die Untersuchung und Durchsetzung dann an sich ziehen (lit. a). Ähnlich wie bei den Art. 7, 8 und 17 SSA stellt sich im Zusammenhang mit dem neuen Durchsetzungsschema die Frage, ob das Recht zum Betreten und zum Kontrollieren nach Art. 21 SSA den vom SRÜ vorgezeichneten Rahmen verlässt, dieser also nicht mehr nur durchgeführt, sondern verändert wird476. Letzteres wäre dann nicht der Fall, wenn sich das 473
Siehe Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 2. Aufl. 1988, S. 657 f.,
672 f. 474
Missverständlich Freestone/Makuch (Fn. 375), S. 36, Fn. 178: „The meaning of ,adoption‘ in this context is not entirely clear. It obviously means something different from coming into force – it could simply mean conclusion of the text“. 475 Vgl. die weniger strengen Anforderungen in Art. 20 Abs. 6 SSA („reasonable grounds“): Dort geht es um den Bestandsschutz im küstenstaatlichen Funktionshoheitsraum aWZ. Die (unverbindliche) deutsche Übersetzung verwendet demgegenüber in beiden Fällen die Worte „besteht hinreichender Grund zu der Annahme“. 476 In diesem Sinne Ziemer (Fn. 51), S. 193; Hayashi (Fn. 375), S. 68 („entirely new exception“); Freestone/Makuch (Fn. 375), S. 36, Fn. 176 (unter Hinweis auf den nicht einschlägigen Art. 94 Abs. 6 SRÜ). Für eine Drittwirkung des Durchsetzungsregimes des SSA sprechen sich auch Dahm/Delbrück/Wolfrum (Fn. 58), S. 631, aus.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
SRÜ analog Art. 116 lit. a SRÜ seiner – ggf. auch weitgehenden – Ausgestaltung öffnete. Eine solche Öffnung wird nun in der Tat von Art. 110 Abs. 1 SRÜ, ein „Artikel“ im Sinne von Art. 311 Abs. 5 SRÜ, ermöglicht477. Diese Norm widmet sich den Voraussetzungen, unter welchen ein Kriegsschiff ein fremdes Schiff auf Hoher See anhalten (Abs. 1) und kontrollieren (Abs. 2, 3) darf. Obwohl es sich um eine Ausnahmebestimmung handelt, die sich („nur“) auf die in Abs. 1 genannten Fälle bezieht, steht sie unter dem Vorbehalt anderweitiger vertraglicher Befugnisse („Abgesehen von den Fällen, in denen ein Eingreifen auf vertraglich begründeten Befugnissen beruht“); es handelt sich demnach um eine Öffnungsklausel unter anderem im Hinblick auf universelle Bestandsschutzübereinkommen478, wobei jene Befugnisse nicht auf ein Recht zum Betreten beschränkt sind, sondern, wie unschwer dem Wortlaut von Art. 110 Abs. 1 SRÜ zu entnehmen ist („Eingreifen“), Kontrollrechte umfassen können. Vorliegende Interpretation ist auch mit dem Grundsatz der Flaggenhoheit vereinbar, weil das SRÜ selbst Ausnahmen zu diesem Grundsatz anerkennt479. Dass das Durchsetzungsschema des Art. 21 SSA im Übrigen nur für Vertragsparteien des SSA gilt, nicht aber auf Drittstaaten ausgreift, ergibt sich nicht erst aus dem Wortlaut der Bestimmung („Vertragsstaat“)480, sondern aus allgemeinem Völkerrecht: pacta tertiis nec nocent nec prosunt. Allerdings folgt aus dem bereits mehrfach rekurrierten Art. 4 SSA, dass Art. 21 SSA in Übereinstimmung zu Art. 110 Abs. 1 SRÜ, restriktiv also, auszulegen ist. Das Kontrollrecht darf deswegen nur von Kriegsschiffen481 ausgeübt werden – keine Privatisierung der Gewalt! – und besteht nicht gegenüber Schiffen, die nach den Art. 95, 96 SRÜ vollständige Im477 Anderson (Fn. 375), S. 472. I. E. auch Rayfuse (Fn. 407), S. 148 f. Kritisch Franckx (Fn. 449), S. 69, Fn. 94, dessen Argumente nichts daran ändern, dass sich das SRÜ mit Art. 110 Abs. 1 in unbestimmter Art und Weise einer Konkretisierung öffnet. 478 Vgl. auch Nordquist/Nandan/Rosenne (Fn. 94), Vol. III, S. 244, para. 110.11(a), Fn. 6. 479 Siehe auch Art. 92 Abs. 1 SRÜ: „Schiffe fahren unter der Flagge eines einzigen Staates und unterstehen auf Hoher See seiner ausschließlichen Hoheitsgewalt, mit Ausnahme der besonderen Fälle, die ausdrücklich in internationalen Verträgen oder in diesem Übereinkommen vorgesehen sind“ (Hervorhebung hinzugefügt). 480 So Anderson (Fn. 375), S. 472; Orrego Vicuña (Fn. 161), S. 249. 481 „Kriegsschiff“ wird in Art. 29 SRÜ für das gesamte Übereinkommen definiert als „ein zu den Streitkräften eines Staates gehörendes Schiff, das die äußeren Kennzeichen eines solchen Schiffes seiner Staatszugehörigkeit trägt; es muß unter dem Befehl eines Offiziers stehen, der sich im Dienst des jeweiligen Staates befindet und dessen Name in der entsprechenden Rangliste der Streitkräfte oder in einer gleichwertigen Liste enthalten ist; die Besatzung muß den Regeln der militärischen Disziplin unterliegen.“ – Gemäß Art. 110 Abs. 5 SRÜ gilt das Recht zum Betreten „auch für jedes andere ordnungsgemäß befugte Schiff oder Luftfahrzeug, das deutlich als im Staatsdienst stehend gekennzeichnet und als solches erkennbar ist.“
Kap. 2: Universelle Ausgestaltung des SRÜ
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munität genießen. Der Vorwurf, Art. 21 SSA verlassene den vom SRÜ gezeichneten Rahmen, ist jedenfalls unbegründet. Es erscheint zweifelhaft, ob dieser Befund auch für die in Art. 23 SSA niedergelegte Durchsetzung durch Hafenstaaten Gültigkeit beansprucht. Dem SRÜ ist diese Durchsetzungsart lediglich im Zusammenhang mit dem Meeresumweltschutz bekannt (vgl. Art. 218 SRÜ)482. Im Unterschied zu Art. 218 Abs. 1 SRÜ („kann“) hat der Hafenstaat nach Art. 23 Abs. 1 SSA zudem nicht nur das Recht, sondern „die Pflicht, [. . .] Maßnahmen zu ergreifen, um die Wirksamkeit subregionaler, regionaler und weltweiter Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen zu fördern“483.
Eine Maßnahme in diesem Sinne ist unter anderem die Überprüfung der Fanglizenzen und der Fischereiausrüstung (Abs. 2), wichtig etwa hinsichtlich der zulässigen Mindestmaschenöffnung. Weiterhin können die Hafenstaaten ihre nationalen Behörden ermächtigen, das Anlanden oder Umladen von Fängen zu verbieten, die nachweislich unter Beeinträchtigung der einschlägigen Schutzmaßnahmen auf Hoher See eingebracht wurden (Abs. 3). Abgesehen davon, dass jener Ermächtigung trotz des in Abs. 1 niedergelegten Diskriminierungsverbots die Gefahr missbräuchlicher Anwendung inhärent ist, die von den Behörden getroffenen Maßnahmen zumal in einem Spannungsverhältnis zum freien Welthandel stehen484, fragt sich, inwiefern die solchermaßen ausgestaltete Durchsetzung durch Hafenstaaten in Einklang mit dem SRÜ gebracht werden kann. Ein Rekurrieren auf Art. 218 SRÜ kommt vorliegend nicht in Betracht. Zwar wird Teil XII SRÜ – einschließlich Art. 218 SRÜ – durch Art. 194 Abs. 5 SRÜ auch gegenüber bestands- und artenschutzbezogenen Überlegungen geöffnet; dies gilt indes, wie gezeigt, ausschließlich für die Strukturprinzipien des Meeresumweltschutzrechts485. Ferner bezieht sich Art. 218 SRÜ ausdrücklich nur auf die Verschmutzung durch Schiffe. Einen Anhaltspunkt liefert Art. 23 Abs. 1 SSA, wonach die vom Hafenstaat erwogenen Maßnahmen „in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht“ stehen müssen. In diesem Sinne wäre es nach geltendem Gewohnheitsrecht grundsätzlich zulässig, den Hafenzugang für fremde Fischereifahrzeuge zu sperren, soweit vertraglich nichts anderes vereinbart wurde, und soweit sich die Sperrung nicht nur auf Fischereifahrzeuge bezieht, die unter bestimmten Flaggen fahren, also diskriminierend ist486. Auch können die Küstenstaaten Gesetze erlassen, die sich auf „die Anlandung des gesamten oder eines Tei482 483 484 485
Dazu schon o. Kapitel 1, I. 4. Hervorhebung hinzugefügt. Dazu Freestone/Makuch (Fn. 375), S. 38–41 m. w. N. Siehe dazu o. Kapitel 1, II.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
les des Fangs [der in der aWZ Fischfang betreibenden] Schiffe“ (Art. 62 Abs. 4 lit. h SRÜ) beziehen487. Ist Art. 23 SSA also eine normative Neuheit488 oder gibt die Bestimmung nur die ohnehin völkergewohnheitsrechtlich geltenden Rechte der Hafenstaaten wieder489? – Der zweitgenannten Auffassung ist zuzugestehen, dass andernfalls der Inhalt der Maßnahmen, die der Hafenstaat gemäß Art. 23 Abs. 2 SSA zulässigerweise treffen kann („unter anderem“), unbestimmt bliebe490. Dagegen spricht jedoch, dass es im Hinblick auf die in Abs. 2 und 3 aufgezählten Maßnahmen gerade an einer einheitlichen Staatenpraxis mangelt. Der erste multilaterale Fischereivertrag, in dem Kontrollrechte der genannten Art, zumal in deutlich abgeschwächter Form, normiert wurden, ist das Compliance Agreement aus dem Jahre 1993 (vgl. Art. V Abs. 2)491. Dieser Vertrag wurde bislang allerdings von lediglich 23 Staaten ratifiziert. Ein vergleichbares Kontrollrecht findet sich ansonsten nur im kanadisch-europäischen Fischereiabkommen, das am 20. April 1995 zur Beilegung des Kabeljaukrieges geschlossen wurde492, sowie in Art. 15 Abs. 2, 3 des neuen, ebenfalls noch nicht in Kraft getretenen Übereinkommens über die Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen im Südostatlantik vom 20. April 2001 (SEAFO-Ü)493. Infolgedessen ist Art. 23 SSA dahingehend auszulegen, dass jenes Übereinstimmungserfordernis („in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht“) auf Abs. 1 der Bestimmung beschränkt ist. Dafür spricht auch, dass die in den Abs. 2, 3 genannten Maßnahmen nicht, wie sonst im SSA üblich494, als 486 Orrego Vicuña (Fn. 161), S. 261–263 m. w. N. zur Staatenpraxis. Zum Hafenzugang siehe auch O’Connell, The International Law of the Sea, Vol. II, 1984, S. 848; Badura (Fn. 288), S. 1070; Churchill/Lowe (Fn. 31), S. 61. 487 Das ist Ausdruck der innerhalb der aWZ bestehenden Funktionshoheitsrechte des Küstenstaates und kann entgegen Orrego Vicuña (Fn. 161), S. 263, nicht ohne weiteres auf die Hohe See übertragen werden. Darum ist die diesbezüglich vorhandene Staatenpraxis vorliegend nicht einschlägig. 488 So Hayashi (Fn. 375), S. 63. 489 Vgl. Ziemer (Fn. 51), S. 145 („Interpretationshilfe“); Orrego Vicuña (Fn. 161), S. 265 f. 490 Gherari (Fn. 375), S. 382. 491 Art. V Abs. 2 Compliance Agreement lautet: „When a fishing vessel is voluntarily in the port of a Party other than its flag State, that Party, where it has reasonable grounds for believing that the fishing vessel has been used for an activity that undermines the effectiveness of international conservation and management measures, shall promptly notify the flag State accordingly. Parties may make arrangements regarding the undertaking by port States of such investigatory measures as may be considered necessary to establish whether the fishing vessel has indeed been used contrary to the provisions of this Agreement.“ 492 Siehe Annex I, II.7: ILM 34 (1995), 1260 (1267). 493 ILM 41 (2002), 257 ff. 494 Vgl. etwa Art. 6 Abs. 3; Art. 9 Abs. 1; Art. 11; Art. 18 Abs. 3.
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Auflistung an Abs. 1 angehängt wurden. Obwohl Art. 23 Abs. 2, 3 SSA insofern über das geltende Gewohnheitsrecht hinausgeht495, muss er wegen Art. 4 SSA gleichwohl in Übereinstimmung zum SRÜ interpretiert werden. Da die Meeresverfassung vorliegend indes keine Öffnungsklausel zur Verfügung stellt496, sind Art. 23 Abs. 2, 3 SSA für Vertragsparteien, die zugleich Parteien des SRÜ sind, unanwendbar – angesichts der in Art. 2 SSA formulierten Zielsetzung gewiss kein befriedigendes Ergebnis, das indes weniger in der Interpretation der durchaus „offenen“, anpassungsfähigen Meeresverfassung SRÜ497 denn im SSA selbst angelegt ist. Obgleich nämlich das Übereinkommen die Bestimmungen des SRÜ, die sich als ineffektiv erwiesen haben, zu konkretisieren sucht, ist es im Hinblick auf die Auslegung und Anwendung dieser Bestimmungen gemäß Art. 4 SSA seinerseits an das SRÜ gebunden498. Mit dem dynamischeren Ansatz des DÜ – unter Gesichtspunkten des Vertragsrechts freilich ebenfalls nicht unproblematisch499 – wäre für die Agende Bestandsschutz unter Umständen mehr zu holen gewesen. Dieser Befund wird erst hinfällig, wenn die Bestimmungen des SSA dereinst auch gewohnheitsrechtlich gelten sollten. Auch künftig wird es also maßgeblich auf die Akzeptanz des SSA durch die Staatengemeinschaft ankommen. 4. Streitbeilegung Art. 27–32 SSA enthalten die Regelungen zur friedlichen Streitbeilegung, bezüglich derer Parallelen zum Dumping-Protokoll bestehen. Zwar stellt das SSA kein eigenes Schlichtungsverfahren zur Verfügung (Ausnahme: Streitigkeiten hinsichtlich technischer Fragen, die gemäß Art. 29 SSA einem ad hoc Expertengremium vorgelegt werden können). Das Übereinkommen erklärt aber die SRÜ-Streitbeilegungsverfahren für anwendbar, dies unabhängig davon, ob die Streitparteien dem SRÜ beigetreten sind oder nicht 495
I. E. wie hier Franckx (Fn. 449), S. 70. Art. 116 lit. a SRÜ und Art. 118 SRÜ sind nicht anwendbar. In diesen Bestimmungen geht es nur um Verpflichtungen bezüglich der Fischerei, nicht aber um die Durchsetzung dieser Pflichten. A. A. Rayfuse (Fn. 407), S. 153. 497 Vgl. Gabcííkovo-Nagymaros Project (Hungary v. Slovakia), ICJ Reports 1997, 6, 78: „Owing to new scientific insights and to a growing awareness of the risks for mankind – for present and future generations – of pursuit of such interventions at an unconsidered and unabated pace, new norms and standards have been developed, set forth in a great number of instruments during the last two decades. Such new norms have to be taken into consideration, and such new standards given proper weight, not only when States contemplate new activities but also when continuing with activities begun in the past (Hervorhebung vom Verf.). 498 Siehe auch Juda, ODIL 28 (1997), S. 147 (154). 499 Dazu Franckx (Fn. 449), S. 60. 496
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(vgl. Art. 30 Abs. 1 SSA). Diese Verfahren werden auf Streitigkeiten ausgedehnt, die die Anwendung und Auslegung der einschlägigen (universellen, regionalen oder subregionalen) Fischereiabkommen betreffen (vgl. Art. 30 Abs. 2 SRÜ). Letzteres ist bedeutsam, weil die Abkommen selbst nur selten über effektive Streitbeilegungsverfahren verfügen. Künftig können, je nach Erklärung der Vertragsparteien, unter anderem der IGH oder der ISGH500 mit auftretenden Konflikten beschäftigt werden, ggf. sogar vorläufige Maßnahmen anordnen501. Haben die Konfliktparteien keine Erklärungen im Sinne von Art. 287 Abs. 1 SRÜ abgegeben, ist ein in Übereinstimmung mit Anlage VII SRÜ zu bildendes Schiedsgericht zuständig502. Die Bedeutung des ISGH kommt insbesondere im Rahmen des Schiffsfreigabeverfahrens nach Art. 292 SRÜ zum Tragen. Angesichts der vollständigen Vereinnahmung von Teil XV SRÜ steht dieses Verfahren den Vertragsparteien des SSA auch und gerade im Falle eines Zurückhaltens auf Hoher See offen503. Eine auf den ersten Blick schwerwiegende Beschränkung der Streitbeilegungsverfahren folgt aus Art. 32 SSA, wonach Art. 297 Abs. 3 SRÜ auf das SSA anwendbar ist. Nach dieser Bestimmung gelten die Streitbeilegungsvorschriften des SRÜ im Falle einer Fischereistreitigkeit nur insoweit, als nicht die „souveränen Rechte oder deren Ausübung in Bezug auf die lebenden Ressourcen seiner ausschließlichen Wirtschaftszone“ betroffen sind. Die Streitigkeit ist dann ggf. einem Vergleichsverfahren zu unterwerfen504. Im Hinblick auf den Umstand, dass nach Art. 7 Abs. 2 SSA die Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen, die für die aWZ und die benachbarten Hohe See-Gebiete getroffen werden, miteinander vereinbar sein müssen, scheint Art. 32 SSA einer Bevorzugung der Küstenstaaten Vorschub zu leisten. Diese könnten sich ermutigt fühlen, den Hochseefischereistaaten „ihre“ Bestandserhaltungsmaßnahmen aufzuzwingen; der von Art. 7 Abs. 2 SSA angestrebte Interes500
Skeptisch gegenüber der formellen Gleichstellung beider Gerichtshöfe in Art. 287 SRÜ Oda, RdC 244 (1993-VII), S. 9 (144 f.). In materieller Hinsicht hat sich eine Gleichstellung bislang nicht vollzogen. Sobald es „ans Eingemachte geht“, also maritime Gebiets- und Hoheitsrechte im engeren Sinne betroffen sind, bevorzugen die Staaten nach wie vor den IGH; siehe nur den noch nicht entschiedenen Fall Maritime Delimitation between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea (Nicaragua v. Honduras), der im Dezember 1999 beim IGH anhängig gemacht wurde. 501 Vgl. Art. 31 SSA i.V. m. Art. 290 SRÜ. 502 Vgl. Art. 287 Abs. 3, 5 SRÜ. 503 Örebech/Sigurjonsson/McDorman (Fn. 375), S. 140, weisen darauf hin, dass Art. 292 SRÜ die „Hinterlegung einer angemessenen Kaution“ (Abs. 1) voraussetzt, wohingegen Art. 21 Abs. 12 SSA die Freigabe eines Schiffes bereits auf „Ersuchen des Flaggenstaates“ verlangt. Wegen Art. 4 SSA ist eine „verfassungskonforme“ Auslegung von Art. 21 Abs. 12 SSA in Betracht zu ziehen. Auch den SRÜ-Vertragsstaaten steht das Freigabeverfahren im Falle eines Zurückhaltens auf Hoher See offen. Siehe dazu The M/V „Saiga“ (No. 1) (Saint Vincent and the Grenadines v. Guinea), ITLOS Reports 1997, 4, 28; Treves (Fn. 192), S. 186. 504 Vgl. Art. 297 Abs. 3 lit. b SRÜ.
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senausgleich drohte mittelbar unterlaufen zu werden. Art. 7 Abs. 4 SSA löst dieses Problem im Sinne einer Ausnahme zur Ausnahme: Die betroffenen Staaten können, trotz des Bezugs zu den in der küstenstaatlichen aWZ geltenden Bestandserhaltungsmaßnahmen, den Streitbeilegungsmechanismus der Art. 27 ff. SSA aktivieren. Es stellte einen Zirkelschluss dar, die Verweisung des Art. 7 Abs. 4 SSA auf den ja ebenfalls zu Teil VIII gehörenden Art. 32 SSA zu erstrecken. Gegen die andernfalls erforderliche Reduktion der Bestimmung auf Küstenstaaten sprechen neben dem insoweit eindeutigen Wortlaut („jeder der beteiligten Staaten“) auch teleologische Argumente, namentlich das schon genannte Bemühen von Art. 7 SSA, weder den Küstenstaaten noch den Hochseefischereistaaten eine Vorrangstellung einzuräumen, sondern einen ausgewogenen Interessenausgleich herbeizuführen.
Art. 30 Abs. 5 SSA erweitert den Prüfungsmaßstab des SRÜ (vgl. Art. 293 Abs. 1) um „allgemein anerkannte Normen für die Erhaltung und Bewirtschaftung lebender Meeresressourcen“, wobei, wie im Falle der Verschmutzung durch Schiffe505, die besseren Gründe dafür sprechen, für die Qualifikation eines Maßstabs als „allgemein anerkannt“ („generally accepted“) dessen gewohnheitsrechtliche Geltung zu fordern506. Soft law spielt demnach nur insoweit eine Rolle, als es für die Feststellung des Umfangs des Völkergewohnheitsrechts herangezogen werden kann. Das Erfordernis der Vereinbarkeit mit dem SRÜ („die mit dem Seerechtsübereinkommen nicht unvereinbar sind“) führt zu keinem anderen Ergebnis, weil es sich ausweislich des Wortlauts von Art. 30 Abs. 5 SSA507 nicht auf die „allgemein anerkannten Normen“ bezieht, sondern lediglich auf die anschließend genannten „sonstigen Regeln des Völkerrechts“. Bezüglich der Staatenverantwortlichkeit beschränkt sich das SSA in Art. 35 – auch das eine Parallele zum Dumping-Protokoll – im Übrigen auf eine Wiederholung der Vorgaben des SRÜ. III. Artenschutz Auf universeller Ebene werden Aspekte des marinen Artenschutzes insbesondere vom IWÜ angesprochen. Die Zuordnung dieses Übereinkommens zur Kategorie „Artenschutz“ ist keine absolute, weil Bestandsschutz einer505
Siehe o. Kapitel 1, I. 2. A. A. Örebech/Sigurjonsson/McDorman (Fn. 375), S. 138. 507 Art. 30 Abs. 5 SSA lautet: „Ein Gerichtshof oder Gericht, dem eine Streitigkeit nach dem vorliegenden Teil vorgelegt wurde, wendet die einschlägigen Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens, dieses Übereinkommens und der betreffenden subregionalen, regionalen oder weltweiten Fischereiübereinkünfte an sowie allgemein anerkannte Normen für die Erhaltung und Bewirtschaftung lebender Meeresressourcen und sonstige Regeln des Völkerrechts, die mit dem Seerechtsübereinkommen nicht unvereinbar sind, um die Erhaltung der betreffenden gebietsübergreifenden Fischbestände und Bestände weit wandernder Fische sicherzustellen.“ 506
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
seits und Artenschutz andererseits nicht randscharf voneinander abgegrenzt werden können. So wird der Bereich des Bestandsschutzes verlassen (und der Boden des Artenschutzes betreten), wenn eine bestimmte Fischart derart intensiv ausgebeutet wird, dass eine wirtschaftlich relevante Nutzung nicht mehr in Betracht kommt. Umgekehrt ist die Agende „Schutz der Meeressäuger“ nicht per se dem Artenschutz zurechenbar; auch Meersäugetiere wurden und werden von einzelnen Staaten zu kommerziellen Zwecken gejagt508. Gleichwohl ist die Einordnung des IWÜ – ursprünglich mehr nutzungs- denn schutzbezogen509 – unter die Überschrift „Artenschutz“ gerechtfertigt, weil für Meeressäugetiere, wie Art. 65 SRÜ unterstreicht510, in der Regel strengere Schutzstandards gelten511; seit Jahren besteht etwa ein Walfangmoratorium, dem sich auch Staaten angeschlossen haben, die intensive Fischerei betreiben. Spezielle, vom universellen Fischereiregime unabhängige Regelungen sind im Übrigen schon wegen der biologischen Besonderheiten der Meeressäugetiere erforderlich512. Natürlich ist das IWÜ nicht der einzige universelle völkerrechtliche Vertrag, der sich dem marinen Artenschutz widmet. Neben ihm ist etwa an CITES513 zu denken. Dieses Übereinkommen, das kürzlich seinen 25. Geburtstag feierte, dient der Kontrolle bzw. – je nach Einstufung der betroffenen Tierart – Unterbindung des Handels mit Produkten gefährdeter Tierarten514. In den Anhängen des Übereinkommens sind zwischenzeitlich mehr als dreißigtausend bedrohte Arten aufgelistet, darunter alle Walarten und verschiedene Meeresschildkröten. Freilich ist auch CITES kein reiner Artenschutzvertrag. Mit den in den Anhängen II und III genannten Spezies darf Handel betrieben werden, wenn auch nur unter engen Voraussetzungen515. Erst bei Aufnahme einer Art in Anhang I – dann besteht grundsätzlich ein Handelsverbot (vgl. Art. III CITES) – kann von Artenschutz im 508
Zur Lage im Nordostatlantik siehe o. Erster Teil, Kapitel 2, II. 3. Vgl. etwa Abs. 7 der Präambel IWÜ: „entschlossen, eine Vereinbarung zur vernünftigen Erhaltung der Walbestände zu treffen und so die geordnete Entwicklung der Walfangindustrie zu ermöglichen“ (Hervorhebung hinzugefügt). Siehe auch Birnie/Boyle, International Law and the Environment, 1. Aufl. 1992, S. 456: „The Whaling Convention provides a particularly interesting example of the use of techniques, which were essentially those common in fishery commissions established between 1930 and 1976 and were aimed at maintaining an exploitative industry, to achieve a purely conservatory objective.“ 510 Siehe dazu o. Kapitel 1, III. 511 Vgl. bereits Jessup, AJIL 24 (1930), S. 751 (752); Wilder (Fn. 222), S. 572, Fn. 154. 512 Zu diesen Besonderheiten siehe etwa Birnie (Fn. 217), S. 359 ff. 513 Siehe die in Fn. 16 angegebene Fundstelle. 514 Der Handel mit Tierprodukten ist nach dem Verlust von Lebensräumen die zweitwichtigste Ursache für das Artensterben; F.A.Z. v. 21. 6. 2001, S. 11. 515 Vgl. Art. IV, V CITES. 509
Kap. 2: Universelle Ausgestaltung des SRÜ
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engeren Sinne gesprochen werden. Unter den Meeressäugetieren verfügen unter anderem Blauwal (Balaenoptera musculus), Seiwal (Balaenoptera borealis), Minkwal (Balaenoptera acutorostrata) und die im Nordostatlantik anzutreffende Spezies Zwergwal (Caperea marginata) über einen solchen Schutzstatus. Ein Nachteil von CITES ist – neben den überall im Umweltvölkerrecht anzutreffenden Implementierungsproblemen – das starre und hochpolitische Verfahren der Listenänderung. Gemäß Art. XV Abs. 1 CITES werden Änderungen der in den Anhängen I und II enthaltenen Listen sowie Listenüberführungen bestimmter Spezies grundsätzlich im Rahmen der mindestens alle zwei Jahre stattfindenden516 Vertragskonferenzen mit 2/3-Mehrheit beschlossen517. Die öffentlich geführte Debatte über eine Lockerung des Schutzes des afrikanischen Elefanten belegt, dass sich solche Änderungen überaus problematisch gestalten können. Obgleich sich die unter den vollen Schutz von Art. III CITES gestellten Elefantenpopulationen in den Ländern Botswana, Namibia, Südafrika und Zimbabwe so schnell erholten, dass sie teilweise zu einer Plage für die ländliche Bevölkerung wurden, liefen vor allem die USA und die Staaten EU-Europas sowie verschiedene NGOs gegen die vorgeschlagene Überführung in Anhang II Sturm518. Dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung entsprach diese Haltung nicht519, mag auch Unsicherheit darüber bestehen, inwiefern eine Lockerung des Handelsverbots letztlich der illegalen Wilderei Vorschub leisten könnte. In den Jahren 1997 und 2000 kam es schließlich zu Listenüberführungen zugunsten der genannten Länder, die seither unter strengen Voraussetzungen Elfenbeinhandel betreiben dürfen. Gegenüber beschlossenen Änderungen können die Vertragsparteien im Sinne eines „opting out“ Vorbehalte geltend machen, mit der Folge, dass sie bezüglich des Handels mit der betroffenen Tierart als Nichtvertragspartei gelten520. Angesichts des Umstands, dass sowohl Japan als auch Norwegen anlässlich der im Jahre 1986 beschlossenen Aufnahme der Spezies Minkwal in Anhang I von diesem Recht Gebrauch gemacht haben, können die Pläne Norwegens, Walfleisch dieser Spezies nach Japan zu exportieren521, demnach nicht beanstandet werden. Ob gleiches aus Sicht des IWÜ gilt, bedarf freilich noch näherer Betrachtung522.
516
Vgl. Art. XI Abs. 2 CITES. Zwischen den Tagungen können die Listen nur geändert werden, wenn innerhalb von 60 Tagen, nachdem die Vertragsstaaten durch das CITES-Sekretariat von einem Änderungsvorschlag in Kennntnis gesetzt wurden, mindestens die Hälfte der Vertragsparteien über die Änderung abstimmt. Andernfalls „wird die vorgeschlagene Änderung zur weiteren Beratung an die nächste Tagung der Konferenz verwiesen“ (Art. XV Abs. 2 lit. i CITES). 518 F.A.Z. v. 19. 6. 1997, S. 11. Siehe auch F.A.Z. v. 1. 4. 2000, S. 9; F.A.Z. v. 10. 4. 2000, S. 15. Zu den mit Listenüberführungen einhergehenden Problemen vgl. auch Schulte zu Sodingen, Der völkerrechtliche Schutz der Wälder, 2002, S. 148 f. 519 So zu Recht Beyerlin (Fn. 28), S. 195 f., Rn. 400; Fuhr, F.A.Z. v. 19. 6. 1997, S. 1. 520 Vgl. Art. XV Abs. 3 CITES. 521 F.A.Z. v. 18. 1. 2001, S. 12. 522 Dazu sogleich unter 1. 517
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
Im Folgenden wird mit Bezug auf das IWÜ untersucht, ob und inwiefern das Verhalten der einzelnen Vertragsparteien mit dem Übereinkommen selbst und dem allgemeinen Völkerrecht vereinbar ist. In diesem Sinne ist etwa zu fragen, ob das nach wie vor bestehende Walfangmoratorium Ausdruck einer Staatenpraxis ist, die ein gewohnheitsrechtlich geltendes Walfangverbot indiziert. Zuvor wird einleitend ein Überblick über den Aufbau des IWÜ und die Aufgaben der mit dem Übereinkommen ins Leben gerufenen Internationalen Walfangkommission (IWK) gegeben. 1. Überblick: Das IWÜ und die Konkurrenz zu CITES Das IWÜ ist ein Rahmenübereinkommen, das ähnlich wie MARPOL und SOLAS im Wesentlichen prozedurale Bestimmungen enthält. In räumlicher Hinsicht gilt es für alle Gewässer, in denen Walfang betrieben wird (vgl. Art. I Abs. 2 IWÜ)523. Da Art. 65 SRÜ auf die Zuständigkeit der IWK verweist524, werden auch die küstenstaatlichen aWZen, obgleich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein noch unbekanntes Rechtsinstitut, von den Bestimmungen des IWÜ erfasst. Derzeit verfügt das Übereinkommen über 49 Vertragsparteien. Weltweit existiert kein Staat, der Walfangaktivitäten ausübt, ohne nicht zumindest über Beobachterstatus in der IWK zu verfügen. Weitere Beitritte zum IWÜ sind nicht ausgeschlossen; es handelt sich um einen offenen Vertrag, einen Vertrag also, dem jeder Staat ohne Zustimmung der Vertragsparteien beitreten kann: „Jede Regierung, die das Übereinkommen nicht unterzeichnet hat, kann ihm nach seinem In-Kraft-Treten durch eine an die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika gerichtete schriftliche Notifikation beitreten“ (Art. X Abs. 2 IWÜ).
Durch das Übereinkommen wurde die IWK eingesetzt, in die jede Vertragspartei ein Mitglied entsendet (vgl. Art. III Abs. 1 IWÜ). Die Kommission kann unter anderem unverbindliche Empfehlungen an die Vertragsparteien richten525. Von diesem Recht hat sie seit 1972 insbesondere auf dem Gebiet des Handels mit Walprodukten Gebrauch gemacht526, was zu Über523
Angesichts des seit 1985 bestehenden Walfangmoratoriums (dazu sogleich im Text) ist Art. I Abs. 2 IWÜ dahingehend auszulegen, dass das Übereinkommen (soweit von der Anlage vorgesehen) grundsätzlich auf alle Gewässer anwendbar ist, in denen Wale leben. Eine entsprechende Anpassung dieser Bestimmung wird dadurch erschwert, dass das IWÜ keine Vorgaben enthält, unter welchen Voraussetzungen der von ihm gezeichnete Rahmen (nicht aber die Anlage!) geändert werden kann. Siehe dazu auch Maffei, IJMCL 12 (1997), S. 287 (300). 524 Siehe o. Kapitel 1, III. 525 Siehe Art. VI IWÜ: „Die Kommission kann von Zeit zu Zeit an eine oder alle der vertragschließenden Regierungen Empfehlungen zu allen Fragen abgeben, die im Zusammenhang mit dem Wal oder Walfang oder dem Ziel und Zweck dieser Vereinbarung stehen.“
Kap. 2: Universelle Ausgestaltung des SRÜ
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lagerungen mit CITES geführt hat527. Obwohl Art. XV Abs. 2 lit. b CITES vorsieht, dass das CITES-Sekretariat im Falle des Vorschlags einer auf marine Arten bezogenen Listenänderung „die mit diesen Arten befaßten zwischenstaatlichen Gremien [konsultiert], um wissenschaftliche Unterlagen zu erhalten, die diese Gremien zur Verfügung stellen können, und um die Koordinierung mit den von diesen Gremien durchgeführten Erhaltungsmaßnahmen sicherzustellen“,
und obgleich die Vertragsstaaten von CITES wiederholt den Primat der IWK für alle mit dem Walschutz zusammenhängenden Fragen betont haben528, haben Japan, Norwegen und einige andere Staaten die Listenüberführung des afrikanischen Elefanten zum Anlass genommen, im CITESRahmen auf eine Lockerung des Handels mit verschiedenen Walprodukten hinzuwirken – nicht zuletzt in der Absicht, durch dieses „Forum Shopping“ die von der IWK beschlossenen Schutzmaßnahmen zu konterkarieren. Die Befürworter der Handelslockerungen argumentierten, die IWK habe mit jenen handelsbezogenen Resolutionen ihre Kompetenzen überschritten529. Hinter dieser zweifelhaften Argumentation, die schwerlich mit dem Wortlaut von Art. VI IWÜ vereinbar ist530 und den unverbindlichen Charakter der Resolutionen verkennt, standen wirtschaftliche Interessen an einer Wiederaufnahme des Walfangs. Mögen Sinn und Zweck des kommerziellen Walfangs heute auch fragwürdig erscheinen – in Japan ist der Walfang etwa ein Zuschuss-Betrieb –, haben die Befürworter des Walfangs mit ihrem Vorstoß einen an sich begrüßenswerten Paradigmenwechsel hin zu nachhaltiger Nutzung der Walbestände eingeleitet. Dies wurde mit der CITES-Resolution 9.24 deutlich, nach der die Zuständigkeit anderer internationaler Organisationen für die Erhaltung mariner Arten nur mehr zur Kenntnis genommen wird („noting“)531. Weiterhin sehen die in der Resolution enthaltenen „Everglades-Kriterien“ eine Effektivitätsprüfung der bestehenden 526 Siehe etwa Report of the International Whaling Commission 30 (1980), 38: „All member nations shall cease immediately any importation of whale meat and products from [. . .] non-member countries and operations“. 527 Auf mögliche Überlagerungen mit dem Zuständigkeitsbereich der WTO kann hier nicht eingegangen werden. 528 Siehe die Nachweise bei Gillespie (Fn. 219), S. 31–33. – Dass sich die CITES-Vertragsparteien im Hinblick auf den Schutz der Meeressäuger an den Vorgaben der IWK orientierten, zeigte sich unter anderem daran, dass bis zum In-KraftTreten des Walfangmoratoriums (1986) alle wichtigen Großwalarten in Anhang I CITES aufgenommen worden waren (ebd., S. 34). 529 Nachweise im Report of the International Whaling Commission 48 (1998), 25. 530 Wortlaut von Art VI IWÜ in Fn. 525. 531 CITES, Ninth Meeting of the Conference of the Parties, 7–18 November 1994, Resolution 9.24, Criteria for Amendment of Appendices I and II, Präambel, para. 11: http://www.cites.org/eng/resols/9/9_24.shtml.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
Schutzinstrumente vor532. Zwar wurden vorgeschlagene Listenüberführungen verschiedener Walspezies von Anhang I in Anhang II CITES von den Walfanggegnern bislang verhindert, zuletzt im November 2002 in Santiago de Chile533. Mittelbar läuft der mit Resolution 9.24 verfolge Ansatz jedoch auf einen Vorrang der von den CITES-Vertragsparteien getroffenen Entscheidungen gegenüber der Tätigkeit der IWK hinaus, soweit der Handel mit Meeressäugerprodukten betroffen ist534. Völkerrechtlich ist dieser Vorrang nicht zu beanstanden. Entgegen Alexander Gillespie535 ist Art. 30 Abs. 2 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen vom 21. März 1986536 (WVKIO) schon deshalb nicht einschlägig, weil auf Gründungsverträge internationaler Organisationen sowie auf Verträge, die im Rahmen einer internationalen Organisation angenommen werden, gemäß Art. 5 WVK die Bestimmungen der (allgemeinen) WVK Anwendung finden. Denkbar wäre insofern allenfalls, dem IWÜ gegenüber CITES gemäß dem Art. 30 Abs. 2 WVKIO inhaltlich korrespondierenden Art. 30 Abs. 2 WVK Vorrang einzuräumen. Dazu müsste das zweitgenannte Übereinkommen freilich ausdrücklich bestimmen, dass es gegenüber dem IWÜ „untergeordnet ist“. Allein das ist nicht der Fall. Art. XV Abs. 2 lit. b CITES sieht lediglich eine Konsultationspflicht vor, nicht aber eine Vereinbarkeitspflicht. Mangels Bindung an das IWÜ kann eine Lösung des Problems insofern nur durch Konkretisierung des sachlichen Geltungsbereichs des IWÜ oder durch Anpassung der Walschutzpolitik der IWK erreicht werden.
Die IWK ist daneben für die „von Zeit zu Zeit“ vorzunehmenden Änderungen der Anlage zum IWÜ zuständig, in der sämtliche materiell-rechtlichen Bestimmungen über den Walfang enthalten sind. Diese Bestimmungen 532 Ebd., Annex 6, para. 4.1.2: „In preparing proposals to amend the Appendices, consult in advance with the relevant competent intergovernmental organizations responsible for the conservation and management of the species, and take their views fully into account. Provide details of international instruments relating to the species in question, including the nature of the protection afforded by such instruments. Provide an assessment of the effectiveness of these instruments in ensuring the protection and/or wise management of the species. Provide similar information relating to international instruments relating to the management of trade in the species in question. Provide an assessment of the effectiveness of these instruments in controlling illegal trade in the species.“ 533 Zusammenfassung der Ergebnisse der zwölften CITES-Konferenz in F.A.Z. v. 16. 11. 2002, S. 9. Zur gleichen Diskussion im Rahmen der elften CITES-Konferenz in Nairobi, Kenia, siehe CITES, Eleventh meeting of the Conference of the Parties, 10–20 April 2000, Resolution 11.4, Conservation of Cetaceans, Trade in Cetacean Specimens and the Relationship with the International Whaling Commission: http://www.cites.org/eng/resols/11/11_4.shtml. 534 Gillespie (Fn. 219), S. 40. 535 Ebd., S. 20, 40. 536 BGBl. 1990 II, S. 1415 ff.
Kap. 2: Universelle Ausgestaltung des SRÜ
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sind integraler Bestandteil des IWÜ (vgl. Art. I Abs. 1 IWÜ), d. h. die Vertragsparteien sind automatisch an sie gebunden. Änderungen der Anlage werden innerhalb von neunzig Tagen für die Vertragsparteien rechtsverbindlich, die nicht vor Fristablauf bei der Kommission Einspruch erhoben haben (vgl. Art. V Abs. 3 IWÜ); wie im Falle von CITES ist im Rahmen des IWÜ demnach ein „opting out“ möglich. Gemäß Art. III Abs. 2 IWÜ ist für Änderungen der Anlage zudem jeweils die Dreiviertelmehrheit der abstimmenden Kommissionsmitglieder erforderlich. Einmal beschlossene Änderungen können unter anderem Einzelheiten bezüglich der geschützten und ungeschützten Walarten (vgl. Art. V bs. 1 lit. a IWÜ)537, der Fang- und Schonzeiten (lit. b) sowie der offenen und gesperrten Gewässer einschließlich der Bezeichnung von Schongebieten enthalten (lit. c)538, und sie „müssen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen“ (Art. V Abs. 2 lit. b IWÜ). Zu diesem Zweck hat die Kommission gemäß Art. III Abs. 4 IWÜ unter anderem einen wissenschaftlichen Ausschuss eingerichtet.
Der Blick auf Art. V IWÜ verdeutlicht, dass das Übereinkommen ein weltweit geltendes Walfangverbot ursprünglich nicht vorsah, vielmehr – auch das sehr modern, da (in der Theorie) ganz im Sinne des 1946 noch unbekannten Konzepts der nachhaltigen Entwicklung – sowohl nutzungswie schutzrechtliche Aspekte zu berücksichtigen suchte. Trotz dieses eigentlich ausgewogenen Ansatzes verabschiedete die Kommission im Jahre 1982 auf öffentlichen Druck539 ein Walfangmoratorium, indem für alle vom IWÜ erfassten Walarten eine „Zero-TAC“ festgelegt wurde: „Notwithstanding the other provisions of paragraph 10, catch limits for the killing for commercial purposes of whales from all stocks for the 1986 coastal and the 1985/86 pelagic seasons and thereafter shall be zero. This provision will be kept under review, based upon the best scientific advice, and by 1990 at the latest the Commission will undertake a comprehensive assessment of the effects of this de537 Bislang hat sich die IWK auf den Schutz der Großwale konzentriert (Ziffer 1 Anlage IWÜ). Bezüglich der kleineren Arten konnte die notwendige Dreiviertelmehrheit nicht erzielt werden, auch deshalb nicht, weil sich diese Arten vielfach in Küstennähe aufhalten, die Vertragsparteien indessen keine Einschränkungen innerhalb ihrer Funktionshoheitsräume hinnehmen wollten; siehe Birnie, IJMCL 12 (1997), S. 488 (499 ff.). Das SRÜ steht der Geltung des IWÜ in der aWZ nicht entgegen. 538 Letzteres ist mit der Ausweisung des Indischen Ozeans als Walschutzgebiet geschehen, siehe Ziffer 7 lit. a Anlage IWÜ. Auch dem Südmeer wurde zwischenzeitlich der Status eines Schutzgebiets verliehen, in dem kommerzielle Walfangaktivitäten absolut verboten sind (Ziffer 7 lit. b Anlage IWÜ). Dieser Status ist am 6. Dezember 1994 in Kraft getreten und gilt unabhängig von den Bestandszahlen der im Südmeer lebenden Walspezies. Hinsichtlich der Minkwalbestände hat Japan der Regelung fristgerecht widersprochen. Die Ausweisung neuer Schutzgebiete in Südatlantik und Südpazifik scheiterte 2002 am Widerstand Japans und anderer Nationen; siehe F.A.Z. v. 22. 5. 2002, S. 11. 539 Zu den Hintergründen siehe Knauss, ODIL 28 (1997), S. 79 ff.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
cision on whale stocks and consider modification of this provision and the establishment of other catch limits“ (Ziffer 10 lit. e Anlage).
Überraschenderweise ist dieses Moratorium, nach dem die Waljagd je nach Meeresgebiet bereits seit 1985 verboten ist, nach wie vor in Kraft. Obwohl der Wortlaut der IWÜ-Anlage verlangt, dass die Kommission (konkret: ihr wissenschaftlicher Ausschuss) bis spätestens 1990 umfassende Untersuchungen über die Folgen des Moratoriums für die Walbestände durchzuführen habe, wurde es jährlich verlängert540. Haben sich die Walbestände also bis heute nicht erholt? Auf diese Frage wird zurückzukommen sein. Norwegen ist kraft fristgerechten Einspruchs im Sinne von Art. V Abs. 3 lit. c IWÜ nicht an das Moratorium gebunden541, und Island hatte 1992 von seinem nach Art. XI IWÜ bestehenden Recht, vom Übereinkommen zurückgetreten, Gebrauch gemacht, sich freilich 2001 um eine Wiederaufnahme bemüht542. Auch Japan hatte ursprünglich Einspruch gegen das Moratorium eingelegt, diesen aber auf Druck der Vereinigten Staaten zurückgenommen (vgl. Art. V Abs. 3 lit c IWÜ)543; insofern ist es (wieder) an das Moratorium gebunden544. Dass dennoch Walfang betrieben werden kann, liegt an den zum Moratorium bestehenden Ausnahmen. Gemäß Art. VIII Abs. 1 IWÜ kann jede Vertragspartei unbeschadet der anderen Bestimmungen des Übereinkommens ihren „Staatsangehörigen eine Sondergenehmigung erteilen, die es ihnen erlaubt, zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung Wale in beschränkter Zahl und unter den von ihr für angemessen erachteten Bedingungen zu erlegen, zu fangen und zu verarbeiten; das Erlegen, Fangen und Verarbeiten der Wale nach diesem Artikel bleibt von der Anwendung des Übereinkommens ausgenommen [. . .]“.
540
Maffei (Fn. 523), S. 296. Zu den norwegischen Walfangaktivitäten im Nordostatlantik siehe Teil 1, Kapitel 2, II. 3. 542 Island wollte seinen Beitritt mit einem Einspruch gegen das Walfangmoratorium verbinden, was von der IWK zurückgewiesen wurde. Seither hat Island den Status eines Beobachters inne. Siehe IWC, Final Press Release 2001: http:// www.iwcoffice.org/pressrelease2001.htm. Auch im Rahmen der Jahresversammlung 2002 scheiterten Islands Bemühungen um eine Wiederaufnahme; vgl. F.A.Z. v. 22. 5. 2002. Am 17. 8. 2003 ist zum ersten Mal seit 14 Jahren ein isländisches Walfangschiff ausgelaufen, um zu „wissenschaftlichen Zwecken“ 38 Zwergwale zu fangen. 75% der Isländer votieren für eine Wiederaufnahme des Walfangs. 543 Knauss (Fn. 539), S. 81; Maffei (Fn. 523), S. 298. 544 Japan hat zugegeben, anlässlich der Jahresversammlung 2001 Mitglieder der IWK bestochen zu haben, damit diese für eine Aufhebung des Moratoriums stimmen; F.A.Z. v. 19. 7. 2001, S. 7. Auch im Jahre 2002 ging Japan unverhohlen mit Entwicklungshilfezusagen auf Stimmenfang, unter anderem bei den Neumitgliedern Benin, Gabun, Mongolei, Palau; vgl. F.A.Z. v. 21. 5. 2002, S. 11. 541
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Der Beschränkung auf „wissenschaftliche Forschung“ ist die Gefahr missbräuchlicher Auslegung und Anwendung inhärent, und auch bezüglich der Bedingungen der Jagd verfügen die Walfang ausübenden Staaten über einen weiten Ermessensspielraum („den von ihr für angemessen erachteten Bedingungen“). So hat Japan, das sich im Hinblick auf seine Walfangaktivitäten ausschließlich auf Art. VIII IWÜ beruft, vorgegeben, die Eindringtiefe verschiedener Harpunentypen (seit In-Kraft-Treten des Walfangmoratoriums wurden tausende Zwergwale harpuniert) und die (seit Jahrzehnten bekannten) Ernährungsgewohnheiten von Pottwalen zu untersuchen545. Ob und inwiefern diese Einlassungen von Art. VIII IWÜ gedeckt sind, ist eine Frage der Vertragsauslegung; die im Jahre 1977 initiierte Praxis des wissenschaftlichen Ausschusses, die von den Staaten erteilten Sondergenehmigungen einzusehen und zu kommentieren546, ist ohne zählbaren Erfolg geblieben. Angesichts des Umstands, dass ein Vertrag gemäß Art. 31 Abs. 1 WVK in erster Linie „nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen“
ist, sind Zweifel hinsichtlich der Völkerrechtmäßigkeit der japanischen Walfangaktivitäten angebracht. Grammatikalischer Auslegung zufolge bezieht sich „wissenschaftliche Forschung“ immer auf die Gewinnung neuer Erkenntnisse547, und das IWÜ dient gemäß Abs. 8 seiner Präambel548 eben nicht nur der Entwicklung der Walfangindustrie, sondern auch und gerade der „angemessenen Erhaltung der Walbestände“549. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass es sich bei Art. VIII IWÜ dem Wesen nach um eine Ausnahmebestimmung handelt, die im Zweifel restriktiv auszulegen ist550. Da die Voraussetzungen von Art. VIII IWÜ insofern nicht erfüllt sind, dürfte das Vorgehen Japans wegen Verstoßes gegen das Walfangmoratorium als völkerrechtswidrig zu qualifizieren sein. Eine Ausnahme zum Moratorium besteht hinsichtlich des Walfangs indigener Gemeinschaften (Ziffer 13 545
F.A.Z. v. 14. 7. 2000, S. 11; F.A.Z. v. 24. 7. 2001, S. 11; F.A.Z. v. 4. 11. 2002,
S. 9. 546
Siehe dazu Birnie (Fn. 537), S. 496 ff. m. w. N. Vgl. BVerfGE 35, 79, 113; E 47, 327, 367. 548 Vgl. Art. 31 Abs. 2 WVK: „Für die Auslegung eines Vertrags bedeutet der Zusammenhang außer dem Vertragswortlaut samt Präambel und Anlagen [. . .]“ (Hervorhebung hinzugefügt). 549 Siehe auch Abs. 3 der Präambel: „[. . .] dass es wesentlich ist, alle Walarten vor weiterer Überfischung zu schützen“. 550 Vgl. Nationality Decrees, PCIJ, Ser. B, No. 4, 1923, 3, 25. Zurückhaltend Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge, 1963, S. 182–184; ders., Vertragsauslegung, in: Seidl-Hohenveldern (Fn. 225), S. 505 (507 f.). 547
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Anlage IWÜ), der unter Gesichtspunkten des Artenschutzes sowohl faktisch551 wie normativ552 vernachlässigt werden kann553. 2. Das Walfangmoratorium Bei alledem steht auch die Zulässigkeit der jährlichen Verlängerung des Walfangmoratoriums nicht außer Zweifel. Zwar gestattet Art. 65 SRÜ, „die Ausbeutung von Meeressäugetieren stärker [als im SRÜ vorgesehen] zu verbieten, zu begrenzen oder zu regeln“; aus Sicht der Meeresverfassung ist also nichts gegen das Moratorium einzuwenden554. Mit Blick auf das IWÜ ist aber festzustellen, dass das Walfangmoratorium dem Erfordernis des Art. V Abs. 2 lit. b IWÜ nicht genügt. Die nach dieser Bestimmung bei Änderungen der IWÜ-Anlage, etwa der Verlängerung des Moratoriums, zwingend zu berücksichtigenden „wissenschaftlichen Erkenntnisse“ sprechen vielmehr dafür, dass eine nachhaltige Nutzung verschiedener Walbestände wieder in Betracht gezogen werden kann. So hat der wissenschaftliche Ausschuss der IWK selbst festgestellt, dass die nordostatlantischen Minkwalbestände eine (freilich begrenzte) Nutzung vertragen würden555. Auch hätte jener Ausschuss die „Revised Management Procedure“ (RMP) – „the most rigorously tested management procedure for a natural resource yet developed“556 – andernfalls nicht annehmen müssen. Dieses Verfahren, das der Bestimmung der an eine nachhaltige Walbestandsnutzung zu stellenden Anforderungen dient und unter anderem einen Quotenverteilungsschlüssel für Walfangaktivitäten vorsieht, konnte angesichts des Walfangmoratoriums bislang nicht umgesetzt werden. 551
Siehe o. Teil 1, Kapitel 2, I. 3. Zu Problemen vgl. Birnie (Fn. 537), S. 493–496. 553 Im Rahmen der 54. Jahresversammlung der IWK (2002) wurden die Sonderrechte der Inuit Amerikas und Russlands auf Initiative Japans aufgehoben, nachdem zuvor der japanische Vorstoß zur Aufhebung des Walfangmoratoriums gescheitert war; siehe F.A.Z. v. 25. 5. 2002, S. 10. Angesichts des Umstands, dass die Inuit seit jeher in konstantem Ausmaß Walfang betrieben haben (vgl. Dorough, Indigenious People and the Law of the Sea: The Need for a New Perspective, in: Vidas/Østreng [Fn. 220], S. 407 [410 ff.]), dürfte das Vorgehen Japans nichts am Bestand eines auf den Bedarf der Inuit begrenzten historischen Fangrechts ändern. Fraglich ist, ob dieses Recht den Inuit selbst zukommt, diese insoweit über partielle Völkerrechtsubjektivität verfügen. Im Zusammenhang mit historischen Fischereirechten vorsichtig in diese Richtung argumentierend Antunes, ICLQ 50 (2001), S. 299 (313, 315). Vgl. auch Art. 51 Abs. 1 SRÜ. – Näher zu den Voraussetzungen historischer Fischereirechte siehe u. Dritter Teil, Kapitel 3, II. 2. 554 A. A. offenbar Aron/Burke/Freeman, MP 24 (2000), S. 179 (182). 555 Siehe die Nachweise bei Maffei (Fn. 523), S. 299. Vgl. auch F.A.Z. v. 24. 7. 2001, S. 11. 556 Homepage der IWK: http://www.iwcoffice.org/Estimate.htm#RMP. Siehe auch Birnie/Boyle (Fn. 27), S. 667. 552
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Soweit über die Entwicklung einzelner Walbestände nach wie vor wissenschaftliche Unsicherheit besteht, könnte ein Fangmoratorium allenfalls durch Anwendung des Vorsorgeansatzes557 gerechtfertigt werden558. Zwar ist dieser Ansatz im IWÜ nicht enthalten. Im Hinblick auf die Frage, welche Rechtsfolgen sich aus wissenschaftlicher Unsicherheit ergeben, dürfte jedoch zwischenzeitlich von seiner gewohnheitsrechtlichen Geltung auszugehen sein559. Art. V IWÜ wäre insofern im Lichte des Vorsorgeansatzes auszulegen560. Allein, der Vorsorgeansatz sieht im Unterschied zum Vorsorgeprinzip auf der Rechtsfolgenseite grundsätzlich keine Fangmoratorien vor561. Von daher bedeutet die jährliche Verlängerung des Walfangmoratoriums eine Überschreitung der Voraussetzungen von Art. V IWÜ, zumal sich Änderungen der Anlage „auf die zur Erreichung der Ziele und Zwecke dieses Übereinkommens [. . .] beschränken“ (Art. V Abs. 2 lit. a IWÜ) und „die Interessen der Verbraucher von Walerzeugnissen sowie der Walfangindustrie berücksichtigen“ (lit. d) müssen. Das IWÜ ist aber, wie gesagt, kein reiner Artenschutzvertrag. Auch unter Gesichtspunkten des allgemeinen Völkervertragsrechts ist das Walfangmoratorium Bedenken ausgesetzt. Da das IWÜ ein offener Vertrag ist, sind ihm einige Staaten einzig zu dem Zweck beigetreten, die Dreiviertelmehrheit des Art. III Abs. 2 IWÜ zu sichern, damit das Walfangmoratorium jeweils verlängert werden konnte562 – eine von NGOs ganz offen verfolgte Strategie. Entgegen den ursprünglichen Zielsetzungen des Übereinkommens ist das IWÜ offenbar in einen reinen Artenschutzvertrag umgewandelt worden. Eine solche Umwandlung wäre, vertragsrechtlich betrachtet, nicht per se unzulässig, sondern kann das Resultat zulässiger und gebotener Vertragsauslegung sein: spätere Praxis als selbständiger Auslegungsfaktor. So verlangt Art. 31 Abs. 3 lit. b WVK, dass bei der Auslegung der Bestimmungen eines Vertrags „jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht“,
557
Nicht aber des Vorsorgeprinzips: Steht die Nutzung der Walbestände zur Diskussion, schlägt Artenschutz in Bestandsschutz um. 558 So Davies, ICLQ 43 (1994), S. 270 (277, Fn. 40). 559 Siehe o. Kapitel 1, I. 1. Die Staatenpraxis bietet keinen Anlass, diesbezüglich zwischen Vorsorgeprinzip und Vorsorgeansatz zu differenzieren. 560 Vgl. Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) Notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), ICJ Reports 1971, 15, 31: „Moreover, an international instrument has to be interpreted and applied within the framework of the entire legal system prevailing at the time of the interpretation“ (Hervorhebung vom Verf.). 561 Siehe die Nachweise in Fn. 160, 161. 562 Siehe die Nachweise bei Aron/Burke/Freeman (Fn. 554), S. 181 f.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
zu berücksichtigen ist. Die Übung der Vertragsparteien muss jedoch einheitlich sein, d. h. sie muss auch und gerade von den Staaten getragen werden, die nach wie vor Walfang betreiben und auch künftig betreiben wollen563. Andernfalls würde die zwischen Vertragsauslegung und Vertragsänderung bestehende Grenze überschritten und die prinzipiell gegebene Gleichheit der Vertragsparteien missachtet, zumal Art. 31 Abs. 3 lit. b WVK die subjektive, konsensuale Seite der späteren Praxis (wenn auch nicht im Sinne rechtsgeschäftlicher Absicht) betont. Da die Übung der Vertragsparteien Japan und Norwegen einer Schwerpunktverlagerung zugunsten artenschutzbezogener Aspekte nicht im Ansatz entspricht, fehlt es an einer Beteiligung der Staaten, deren Interessen besonders betroffen sind. Das Übereinkommen ist somit nach wie vor im Lichte eines Zweiklangs nutzungs- und schutzrechtlicher Aspekte auszulegen. Gleiches gilt im Hinblick auf eine Änderung des IWÜ („spätere Praxis als Vertragsgestaltungsgrund“564). Auf eine vertragliche Änderung des Rahmenübereinkommens konnten sich die Vertragsparteien nur ein einziges Mal verständigen565, und bezüglich der Entstehung einer neuen Norm des Völkergewohnheitsrechts aus einem Vertrag hat der IGH im Fall North Sea Continental Shelf festgestellt, dass „[. . .] even without the passage of any considerable period of time, a very widespread and representative participation in the convention might suffice of itself, provided it included that of States whose interests were specially affected“566.
Insofern kann auf das zur Auslegung Gesagte verwiesen werden; das Walfangmoratorium spiegelt kein geltendes Völkergewohnheitsrecht wider567. Die vom IWÜ betroffenen Walbestände verfügen deshalb nicht über 563 Maffei (Fn. 523), S. 303. Vgl. auch das in Fn. 566 genannte Judikat sowie Aust (Fn. 291), S. 195; Bernhardt, EPIL II (1995), S. 1416 (1421); ders. (Fn. 550), S. 132. Nach der überkommenen statischen Auslegungslehre war eine spätere Praxis der Vertragsparteien nur im Hinblick auf die Feststellung der ursprünglichen Vertragsabsicht, der Intention im Zeitpunkt des Vertragsschlusses also, relevant; siehe nur Schwarzenberger, International Law, Vol. 1, 3. Aufl. 1957, S. 532. Zur Kritik siehe Karl, Vertrag und spätere Praxis im Völkerrecht, 1983, S. 139–141. 564 Zur Abgrenzung dieser „offenen“ Wirkung späterer Praxis vom Auslegungsfaktor „spätere Praxis“ siehe Karl, ebd., S. 196–198; Gabcííkovo-Nagymaros Project (Hungary v. Slovakia), Sep. Op. Bedjaoui, ICJ Reports 1997, 6, 120, 123; Dahm/ Delbrück/Wolfrum (Fn. 58), S. 673–675 m. w. N. 565 Protokoll zu dem am 2. Dezember 1946 in Washington unterzeichneten Internationalen Übereinkommen zur Regelung des Walfangs vom 19. November 1956: BGBl. 1982 II, S. 564. – Mangels näherer Vorgaben im Übereinkommen selbst richten sich Änderungen des IWÜ nach Art. 40 WVK. 566 North Sea Continental Shelf (Germany v. Denmark; Germany v. Netherlands), ICJ Reports 1969, 3, 42 (Hervorhebung hinzugefügt). Dynamischer, etwa auch im Hinblick auf das (hier nicht betroffene) Institut der persistent objection, Cassese (Fn. 45), S. 123 f.
Kap. 2: Universelle Ausgestaltung des SRÜ
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absoluten Schutzstatus. Vielmehr ist rechtsdogmatisch und, wie sogleich zu zeigen ist, rechtspolitisch die Aufhebung des Moratoriums zu fordern. 3. Public Opinion versus nachhaltige Entwicklung Es bleibt auf die Folgen der vorliegend geforderten Aufhebung des Moratoriums einzugehen. In der öffentlichen Diskussion haben sich diesbezüglich die Fronten verhärtet, wohl auch deshalb, weil Wale seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts zum Symbol für den Natur- und Artenschutz schlechthin geworden sind. Für viele hat der Slogan „Save the Whales“ nichts von seiner Anziehungskraft eingebüßt. Auch von Juristen werden die Fakten je nach politischer Überzeugung für oder wider die Aufhebung des Walfangmoratoriums in Ansatz gebracht568; sachliche Auseinandersetzungen mit dem Thema sind Mangelware. Für die Agende „Meeresschutz“ bedeutet die Radikalisierung der Diskussion eine große Gefahr. Einerseits würde ein progressiver Ansatz die Walfangnationen dazu veranlassen, vom Schutzregime des IWÜ zurückzutreten bzw. diesem fernzubleiben, und verstärktem „Forum Shopping“ Vorschub leisten569. Entsprechende Tendenzen sind bereits feststellbar; zu denken ist etwa an den Rücktritt Islands und an die Gründung der NAMMCO, eine regionale Konkurrenzorganisation, die im Zweifel der Walnutzung größeres Gewicht beimisst als die IWK570. Eine universelle Kontrolle der Walfangaktivitäten wäre letztlich ausgeschlossen, bei allen bekannten Implementierungsschwächen des heutigen Regimes571 ein herber Verlust. Im Rahmen der Jahresversammlung der IWK 2002 bekamen die Gegner des Walfangs die zunehmende Frustration der Walfangnationen deutlich zu spüren. Andererseits führte freier Walfang 567 A. A. D’Amato/Chopra, AJIL 85 (1991), S. 21 (49 f.), die Walen sogar ein (angeblich völkergewohnheitsrechtlich anerkanntes) eigenes Recht auf Leben einräumen. Die Autoren lassen unbeantwortet, ob sie den Tieren damit konsequenterweise partielle Völkerrechtssubjektivität (!) zuweisen wollen. Zu dieser Frage siehe auch Birnie/Boyle (Fn. 27), S. 556–559. 568 Siehe nur die Positionen von D’Amato/Chopra, ebd., S. 48 einerseits („a total moratorium would be a triumph for preservationists“) und Aron/Burke/Freeman (Fn. 554), S. 188 ff. andererseits. Treffend stellt Wilder (Fn. 222), S. 572 mit Fn. 154, fest, dass „the desire to protect [the whales] is, in recent times, one based more on public perception than on the need for sustainable exploitation as in the case with fish stocks. It is what some have desrcibed as the cuteness factor.“ (Hervorhebung im Original). Vgl. auch F.A.S. v. 15. 6. 2003, S. 59. 569 Siehe nur die Befürchtungen des früheren US-amerikanischen IWK-Vertreters Knauss (Fn. 539), S. 83. 570 Wilder (Fn. 222), S. 572 mit Fn. 155. Zur NAMMCO siehe u. Kapitel 3, III. 1. 571 Letztlich ist die Einhaltung der Verpflichtungen aus dem IWÜ vor allem auf den Einfluss (die wirtschaftliche Macht) der USA, bekennender Gegner des kommerziellen Walfangs, zurückzuführen; vgl. Andresen (Fn. 220), S. 223 f.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
zu Bestandsrückgängen und könnte schlimmstenfalls ähnliche Entwicklungen wie auf dem Fischereisektor nach sich ziehen. Insofern ist ein nachhaltiger Ansatz gefragt, der die Interessen beider Staatengruppen in einen Ausgleich bringt. Dass letzteres keine Utopie ist (und im Übrigen etwa auch vom WWF befürwortet wird572), belegt die vom wissenschaftlichen Ausschuss der IWK angenommene, aber noch nicht umgesetzte „Revised Management Procedure“ (RMP). Dieses Verfahren ermöglicht eine Differenzierung je nach Walspezies; wissenschaftliche Unsicherheiten über Größe und Verbreitung bestimmter Walbestände führen, ganz in Übereinstimmung zum Vorsorgeansatz, zur Festlegung geringerer Quoten. Sollte das Verfahren dereinst umgesetzt werden, bestünde für die Walfangnationen kein Anlass mehr, sich auf den wissenschaftlichen Walfang zu berufen. Ohne Einbettung in ein umfassendes Kontrollsystem drohte die RMP freilich leerzulaufen. Zwar wurden die kontrollbezogenen Bestimmungen der IWÜ-Anlage im Jahre 2001 verschärft573. Eine Eingliederung der RMP in das geplante „Revised Management Scheme“ (RMS), das unter anderem die Anwesenheit internationaler Beobachter, die von jedem gefangenen Wal eine Probe des Erbgutes nehmen und analysieren müssten574, an Bord der Walfangschiffe verlangen würde, konnte bislang jedoch nicht erreicht werden575. Nur auf diese Weise wäre zu gewährleisten, dass die Anzahl der jährlich gefangenen Wale infolge der Anwendung der RMP nicht sprunghaft ansteigt. Ethisch-moralischen Bedenken müsste durch entsprechende Vorgaben an die Fangtechniken Rechnung getragen werden; die IWK hat diesbezüglich eine Arbeitsgruppe eingerichtet, bislang freilich keine rechtsverbindlichen Maßstäbe verabschiedet576. Im Übrigen 572
F.A.Z. v. 24. 7. 2001, S. 11; F.A.S. v. 15. 6. 2003, S. 59. Siehe Ziffer 21 ff. Anlage IWÜ. 574 Auf diese Weise ließe sich feststellen, ob gehandeltes Walfleisch von einem „erlaubten“ Fang stammt. In Norwegen, das den kommerziellen Walfang seit 1993 wieder praktiziert, wird jedes der 33 lizensierten Fangschiffe von staatlich ernannten Walfanginspektoren begleitet, die von jedem gefangenen Wal eine Gen-Probe nehmen; vgl. F.A.Z. v. 16. 6. 2003, S. 9. 575 Vgl. nur IWC Resolution 2000-3, Resolution on the Revised Management Scheme, para. 3: „WHEREAS the Commission identified [. . .] the three remaining elements of the RMS still to be completed, namely: (i) an effective observation and inspection scheme; (ii) arrangements to ensure that total catches over time are within the limits set under the Revised Management Scheme; (iii) incorporation into the Schedule the specification of the Revised Management Procedure and all other elements of the Revised Management Scheme.“ (Hervorhebung im Original). 576 Vgl. IWC/54/6, Report of the Working Group on Whale Killing Methods and Associated Welfare Issues, 16 May 2002. Die Norweger verwenden bei der Waljagd Harpunen mit Penthrit-Granaten, die in acht von zehn Fällen den augenblicklichen Tod des Tieres verursachen; vgl. F.A.Z. v. 16. 6. 2003, S. 9. 573
Kap. 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik
191
dürfte eine Einigung über das RMS unter den Vertragsparteien mittelfristig leichter zu erreichen sein als die jährliche Verlängerung des Moratoriums577. Dass langfristig alleine Abstriche vom absoluten Fangverbot ein Auseinanderbrechen des Walschutzregimes verhindern können, ist eine Folgerung, die, wie so oft im auf Realitätsnähe angewiesenen Völkerrecht, auch und gerade aus Gründen des Artenschutzes hinzunehmen ist. Kapitel 3
Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik Wurde im vorstehenden Kapitel das universelle Meeresschutzrecht und sein Verhältnis zum SRÜ untersucht, geht es nunmehr um die regionale Ausgestaltung des universellen Rechts im Nordostatlantik. Dass eine solche Ausgestaltung bereits auf universeller Ebene angelegt ist, ja zum Teil von ihr gefordert wird, wurde mehrfach betont. Es bedarf aber noch näherer Untersuchung, auf welche Weise die Ausgestaltung vorgenommen wurde, und inwieweit in ihrer Folge das nordostatlantische Meeresschutzregime effektiviert werden konnte. Dabei bilden ganzheitliche Ansätze auch im regionalen Rahmen nach wie vor die Ausnahme, weshalb im Folgenden zwischen Meeresumweltschutz, Bestandsschutz und Artenschutz unterschieden wird. Immerhin ist 1998 mit dem OSPAR-Ü ein unmittelbar auf den Schutz des Nordostatlantiks bezogener Vertrag in Kraft getreten, der allenthalben für seinen dynamisch-vorsorgeorientierten Ansatz und seine wirksamen Mechanismen bezüglich institutioneller Zusammenarbeit, Streitbeilegung, Anpassungsfähigkeit gepriesen wird. Die Vertragsparteien haben den Zusammenhang zwischen dem regionalen Übereinkommen und dem universellen Meeresschutzrecht wie folgt formuliert: „IN DER ERKENNTNIS, dass es wünschenswert sein kann, auf regionaler Ebene strengere Maßnahmen zur Verhütung und Beseitigung der Verschmutzung der Meeresumwelt oder zum Schutz der Meeresumwelt vor den schädlichen Auswirkungen menschlicher Aktivitäten zu ergreifen, als in den internationalen Übereinkommen oder Übereinkünften mit weltweitem Anwendungsbereich vorgesehen ist“578.
Auf Ebene des Artenschutzes ist die Lage genau spiegelverkehrt: Das universelle IWÜ steht in der Kritik579, und einige Anlieger des Nordost577 Skeptisch Caron, AJIL 89 (1995), S. 154 (168–170). – Neben den im Text angestellten Überlegungen spricht für die hier vertretene Auffassung, dass der Walfang für die Japaner vornehmlich eine Frage der Ideologie sein dürfte. Eine Aufhebung des Verbots führte insofern, so ist zu hoffen, zu einer Relativierung jener reflexartig auftretenden psychologischen Erwägungen, die die fehlende Wirtschaftlichkeit des Walfangs derzeit (noch) überlagern. 578 Präambel Abs. 11 OSPAR-Ü (Hervorhebung im Original).
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
atlantiks haben mit der Gründung der NAMMCO den Versuch unternommen, aus dem universellen Artenschutzregime auszubrechen. Mit Blick auf den Bestandsschutz gilt das Interesse vor allem der Frage, inwiefern die nordostatlantischen Fischereiorganisationen die ihnen vom SSA zugewiesene Rolle besetzen konnten. I. Meeresumweltschutz: Das OSPAR-Übereinkommen Im Nordostatlantik wird der regionale Meeresumweltschutz vor allem von den Bestimmungen des OSPAR-Ü geprägt. Dieses erweiterbare Rahmenübereinkommen verfügt über fünf Anlagen, die sich – mit Ausnahme der neuen Anlage V – jeweils auf eine bestimmte Verschmutzungsart beziehen und die allgemeinen Vorschriften des Übereinkommens konkretisieren. Strukturell ähnelt das OSPAR-Ü somit den auf universeller Ebene zur Ausgestaltung des SRÜ geschlossenen Meeresumweltschutzübereinkommen. Die mit dem Übereinkommen gegründete OSPAR-Kommission kann gemäß Art. 24 OSPAR-Ü beschließen, dass „ein von ihr angenommener Beschluß oder eine von ihr angenommene Empfehlung auf das gesamte oder einen bestimmten Teil des Meeresgebiets anzuwenden ist, und kann angesichts der unterschiedlichen ökologischen und wirtschaftlichen Bedingungen der verschiedenen von dem Übereinkommen erfaßten Regionen und Subregionen die Anwendung unterschiedlicher Zeitpläne vorsehen.“
Das OSPAR-Ü ermöglicht demnach eine Subregionalisierung des Meeresumweltschutzrechts580, freilich nur unter dem Dach der OSPAR-Kommission, die über ein Entscheidungsmonopol verfügen und dadurch einer Zersplitterung des nordostatlantischen Meeresschutzregimes vorbeugen soll. Auf diese Weise wurde der Skepsis derjenigen Vertragsparteien Rechnung getragen, die keine Nordseeanlieger sind; sie befürchteten, dass die auf den Internationalen Nordseeschutzkonferenzen initiierten, also auf die Nordsee im engeren Sinne bezogenen Entwicklungen automatisch auf den Nordostatlantik übergreifen könnten581. Im Folgenden wird zuerst der Rolle der OSPAR-Kommission, d. h. institutionellen Aspekten, Aufmerksamkeit geschenkt, bevor – zweitens – die allgemeinen Verpflichtungen der Vertragsparteien sowie die dem OSPAR-Ü zu Grunde liegenden umweltpolitischen Strukturprinzipien beleuchtet werden. Drittens geht es um die den einzelnen Verschmutzungsarten gewidmeten Normen. Bevor auf neue Entwicklungen eingegangen wird – zu denken ist etwa an die für bislang zwölf der sechzehn Vertragsparteien in Kraft ge579
Dazu siehe o. Kapitel 2, III. 3. Vgl. auch Art. 21 OSPAR-Ü. 581 Vgl. Juste, RGDIP 97 (1993), S. 365 (374); Hey/IJlstra/Nollkaemper, IJMCL 8 (1993), S. 1 (41). 580
Kap. 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik
193
tretene, dem Schutz und der Erhaltung der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt gewidmete Anlage V OSPAR-Ü –, werden – viertens – formelle Aspekte des Übereinkommens, unter anderem die Änderungs- und Streitbeilegungsverfahren, untersucht. Einleitend wird ein Überblick über das Übereinkommen gegeben und unter anderem seine Entstehungsgeschichte behandelt, die wertvolle Schlüsse über die Auslegung der Vertragsbestimmungen und die mit seinem In-Kraft-Treten erzielten Fortschritte ermöglicht. Bei alledem steht auch hier weniger eine abschließende Beschreibung des OSPAR-Regimes im Vordergrund als vielmehr sein Verhältnis zum universellen Meeresumweltschutzrecht sowie die Frage, welche Anstöße das Übereinkommen dem marinen Umweltvölkerrecht liefern kann. Die materiell-rechtlichen und institutionellen Überlagerungen mit dem europarechtlichen Meeresschutzregime werden im Dritten Teil vorliegender Untersuchung erörtert582. 1. Überblick a) Hintergrund Wie schon sein Name indiziert, ist das OSPAR-Ü aus den früheren Übereinkommen von OSlo583 und PARis584 hervorgegangen585, und es ist untrennbar mit der Geschichte der Internationalen Nordseeschutzkonferenzen verbunden, deren fünfte im Jahre 2002 stattfand. Diese Konferenzen586 haben zwar keine verbindlichen Rechtstexte hervorgebracht; sie waren und sind jedoch Motor der Entwicklung des Meeresschutzrechts in Europa und darüber hinaus. So betrat nicht nur das Vorsorgeprinzip die Bühne des Umweltvölkerrechts erstmals im Rahmen einer – der Zweiten – Nordseeschutzkonferenz587. Auch das Eutrophierungsproblem588 und das Erfordernis 582
Siehe insbesondere Kapitel 3 und 4. Siehe die in Fn. 366 angegebene Fundstelle. 584 Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung vom Lande aus vom 21. Februar 1974 (Paris-Ü): BGBl. 1981 II, S. 870 ff. 585 Vgl. auch Abs. 9 Präambel OSPAR-Ü: „Eingedenk der positiven Ergebnisse, die im Zusammenhang mit dem am 15. Februar 1972 in Oslo unterzeichneten Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen durch Schiffe und Luftfahrzeuge in seiner durch die Protokolle vom 2. März 1983 und vom 5. Dezember 1989 geänderten Fassung sowie dem am 4. Juni 1974 in Paris unterzeichneten Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung vom Lande aus in seiner durch das Protokoll vom 26. März 1986 geänderten Fassung erzielt wurden“. 586 Zur Geschichte P. Ehlers, IJECL 5 (1990), S. 3 ff. 587 Siehe Fn. 70. 588 Ministerial Declaration of the Third International Conference on the Protection of the North Sea, paras. 10–13: Siehe die in Fn. 70 angegebene Fundstelle. 583
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
ganzheitlicher Schutzansätze, die Berücksichtigung von Aspekten des Arten- und Bestandschutzes also589, fanden erst über die Nordseeschutzkonferenzen Eingang in die umweltvölkerrechtliche Diskussion. Der Zusammenhang zwischen den Konferenzen einerseits und dem OSPAR-Ü andererseits lässt sich daran erkennen, dass in den auf den Konferenzen angenommenen Abschlusserklärungen auf die Arbeit der Oslo- und Paris-Kommissionen bzw. der OSPAR-Kommission verwiesen wird590. Des weiteren findet bekanntlich alle fünf Jahre ein OSPAR-Ministertreffen statt, bei dem eine Vielzahl der Personen zusammen kommt, die sich auch im Rahmen der Nordseeschutzkonferenzen treffen. Diese partielle Personenidentität kann Interessenübereinstimmungen und Kompromissbereitschaft fördern. Jedenfalls messen die Umweltminister der OSPAR-Vertragsparteien dem Übereinkommen offenbar größere Bedeutung bei als noch den älteren Übereinkommen, in deren Rahmen Treffen auf Ministerebene grundsätzlich nicht vorgesehen waren. Obwohl die Übereinkommen von Oslo und Paris vom OSPAR-Ü mit dessen In-Kraft-Treten am 25. März 1998 ersetzt wurden, bleiben sie jedoch insoweit von Bedeutung, als „die aufgrund des Übereinkommens von Oslo oder des Übereinkommens von Paris angenommenen Beschlüsse, Empfehlungen und sonstigen Übereinkünfte ohne Änderung ihrer Rechtsnatur weiterhin anwendbar [bleiben]“591,
soweit die Vereinbarkeit mit dem OSPAR-Ü bzw. mit den von der OSPARKommission verabschiedeten Beschlüssen und Empfehlungen gewährleistet ist – Kontinuität statt Kollision. Die rechtliche Bedeutung der Nordseeschutzkonferenzen für das OSPAR-Regime erschöpft sich hingegen im Charakter eines Hilfsmittels für die Normauslegung sowie einer Erkenntnisquelle für denkbare Weiterentwicklungen des nordostatlantischen Meeresschutzregimes. Werden die Schubkräfte berücksichtigt, die in der Vergangenheit von den Konferenzen ausgingen, kann deren Rolle im Gesamtkontext freilich nicht unterschätzt werden. Die Ministererklärung der Fünften Internationalen Nordseeschutzkonferenz ist hierfür eindrucksvoller Beleg592. b) Räumlicher und sachlicher Geltungsbereich Im Hinblick auf den räumlichen Geltungsbereich des OSPAR-Ü ist, wie schon im Ersten Teil vorliegender Untersuchung dargelegt593, Art. 1 lit. a 589
Ebd., paras. 39, 40. Dazu de La Fayette, IJMCL 14 (1999), S. 247 (259 f.) m. w. N. Freilich konnten die Kommissionen nicht zur Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen verpflichtet werden. 591 Art. 31 Abs. 2 OSPAR-Ü. 592 Text der Erklärung auf der Homepage des norwegischen Umweltministeriums: http://odin.dep.no/archive/mdvedlegg/01/11/Tysk_067.pdf. 593 Siehe die Karte in Erster Teil, Kapitel 1. 590
Kap. 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik
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OSPAR-Ü einschlägig. Diese Bestimmung setzt dem an sich „offenen“ Nordostatlantik durch Nennung bestimmter Längen- und Breitengrade funktional begründete Grenzen. In vertikaler Hinsicht werden auch Meeresgrund und Meeresuntergrund erfasst, nicht aber die sich über dem Konventionsgebiet befindliche Luftsäule594. Horizontal bezieht das Übereinkommen die inneren Gewässer der Vertragsparteien ein, eine Weiterentwicklung etwa hinsichtlich der ebenfalls meeresumweltschutzbezogenen universellen Londoner Dumping-Konvention sowie des Dumping-Protokolls595, die den zwischen Küsten- und Meeresschutz bestehenden Zusammenhängen (Stichwort „Integriertes Küstenzonenmanagement“) Rechnung trägt. Gemäß Art. 1 lit. b versteht das OSPAR-Ü unter „inneren Gewässern“ „[. . .] die landwärts der Basislinien, von denen aus die Breite des Küstenmeers gemessen wird, gelegenen Gewässer, die sich bei Wasserläufen bis zur Süßwassergrenze erstrecken“,
die ihrerseits die Stelle im Wasserlauf bezeichnet, „an der bei Ebbe und zu einer Zeit schwachen Süßwasserflusses aufgrund des Vorhandenseins von Meerwasser eine erhebliche Zunahme des Salzgehalts festzustellen ist“596.
Während das OSPAR-Ü im Hinblick auf die Abgrenzung der inneren Gewässer und der Küstenmeere der Vertragsparteien schweigt – es gelten (ohne nähere Bedeutung für das Übereinkommen) die allgemeinen Regeln des SRÜ (Art. 7 ff.) bzw. des korrespondierenden Völkergewohnheitsrechts597 –, soll die landwärtige Grenze der inneren Gewässer bei Wasserläufen598 hiernach der Süßwassergrenze entsprechen. Letztere bildet dann zugleich die sachliche Grenze zwischen dem Meeresschutzrecht einerseits und dem Recht zum Schutz der Binnengewässer andererseits599. Eine entsprechende Abgrenzungsregel existiert auf universeller Ebene nicht; das 594 Luft ist bekanntlich ein eigenes Umweltmedium. Eine Berücksichtigung auch anderer Umweltmedien sprengte den Rahmen eines umweltvölkerrechtlichen Vertrages und drohte in Ineffektivität zu münden. Die hier erhobene Forderung nach ganzheitlicher Betrachtungsweise ist nicht im Sinne einer intermedialen Betrachtungsweise zu verstehen. 595 Nach Art. 7 Dumping-Protokoll werden die inneren Gewässer der Vertragsparteien nur auf freiwilliger Basis einbezogen. 596 Art. 1 lit. c OSPAR-Ü. 597 Fisheries Jurisdiction (United Kingdom v. Norway), ICJ Reports 1951, 116, 128 f.; Graf Vitzthum, Innere Gewässer, in: Seidl-Hohenveldern (Fn. 225), S. 177 (179). 598 Nur dann ist die Abgrenzungsfrage relevant und problematisch; andernfalls bildet das tatsächliche Ende der trockenen Landes die landwärtige Grenze der inneren Gewässer; siehe nur Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989, S. 40 f. 599 Zu terminologischer Verwirrung hat die unrichtige Übersetzung der „internal waters“ mit „Binnengewässer“ durch Hoog (Die Genfer Seerechtskonferenzen von 1958 und 1960, 1961, S. 58) geführt.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
diesbezügliche Schweigen des SRÜ wird vielmehr erst auf regionaler Ebene behoben: räumliche Konkretisierung der universellen Meeresverfassung. Dieses Konkretisieren wird freilich uneinheitlich vollzogen. So stellt etwa das Helsinki-Ü600 in Art. 1 nicht auf die Süßwassergrenze ab, sondern auf die jeweils von der betroffenen Vertragspartei festgelegte landwärtige Grenze601. Eine Frage des räumlichen Geltungsbereichs im weiteren Sinne ist auch diejenige nach der Möglichkeit, Vertragspartei des Übereinkommens zu werden. Gemäß Art. 27 Abs. 1 i.V. m. Art. 25 OSPAR-Ü können dem OSPAR-Ü nicht nur die früheren Parteien der Übereinkommen von Oslo und Paris beitreten, sondern auch alle anderen unmittelbar an das Konventionsgebiet angrenzenden Staaten sowie jeder Staat, „der flussaufwärts der in das Meeresgebiet mündenden Wasserläufe liegt“ (Art. 27 Abs. 1 i.V. m. Art. 25 lit. c OSPAR-Ü)602. Im Übrigen ist die Kommission ermächtigt, im Nachhinein den Beitritt weiterer Staaten bzw. bestimmter regionaler Wirtschaftsorganisationen durch Verschiebung der Grenzen des Konventionsgebiets zu ermöglichen603. In sachlicher Hinsicht ist das OSPAR-Ü schon seinem Namen nach nicht mehr nur ein Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung604, sondern ein Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt, dessen Ansatz über die Verschmutzungsbekämpfung hinausreicht: „Die Vertragsparteien treffen in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen alle nur möglichen Maßnahmen, um Verschmutzungen zu verhüten und zu beseitigen, und unternehmen alle notwendigen Schritte zum Schutz des Meeresgebiets vor den nachteiligen Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten“605.
Dass die Verhütung und Bekämpfung der Meeresverschmutzung gleichwohl im Vordergrund steht, ergibt sich bereits aus der Zurückhaltung der Vertragsparteien, „notwendige Schritte“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. a OSPAR-Ü zu treffen, d. h. die präventive Seite des Übereinkommens zu konkretisieren. Bei alledem bleibt das OSPAR-Ü ein auf Meeresumweltschutz im engeren Sinne konzentrierter Vertrag, der, anders als etwa das 600
Siehe die in Fn. 252 angegebene Fundstelle. Dass der vom OSPAR-Ü gewählte Ansatz angesichts seiner größeren Objektivität vorzugswürdig ist, haben Wolfgang Graf Vitzthum und Stefan Talmon ([Fn. 91], S. 93 f.) hinreichend begründet. Siehe auch Graf Vitzthum (Fn. 597), S. 181. 602 Deswegen konnten Luxemburg und die Schweiz dem OSPAR-Ü beitreten. 603 Vgl. Art. 27 Abs. 2 OSPAR-Ü. 604 So noch die Namen des Oslo-Ü und des Paris-Ü. 605 Art. 2 Abs. 1 lit. a OSPAR-Ü (Hervorhebung hinzugefügt). Siehe auch Abs. 2 der Präambel des Übereinkommens: „In Anbetracht des Eigenwertes der Meeresumwelt des Nordostatlantiks und der Notwendigkeit, sie in koordinierter Weise zu schützen“. 601
Kap. 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik
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Helsinki-Ü, bestands- und artenschutzbezogene Überlegungen grundsätzlich nicht einbezieht, vielmehr unter anderem davon ausgeht, „dass Fragen der Fischereiwirtschaft in angemessener Weise im Rahmen internationaler und regionaler Übereinkünfte geregelt sind, die sich eigens mit diesen Fragen befassen“ (Abs. 12 der Präambel).
Diese Zurückhaltung ist zu bedauern606, entspricht aber durchaus der traditionellen Herangehensweise. Immerhin ermöglicht Art. 16 OSPAR-Ü die Annahme neuer Anlagen, die sich nicht auf die Verschmutzung durch andere als die den Gegenstand der Art. 3–5 OSPAR-Ü bildenden Quellen, also Quellen im Sinne von Art. 7 OSPAR-Ü, beziehen müssen, sich vielmehr weiteren, den Rahmen des Meeresumweltschutzes im engeren Sinne sprengenden Aspekten widmen können; andernfalls wäre die in Art. 16 OSPAR-Ü vorgenommene, von der Qualität der anzunehmenden Anlage abhängige Unterscheidung verschiedener Annahmeverfahren überflüssig607. Eine Erweiterung des OSPAR-Ü – die (alten wie neuen) Anlagen sind gemäß Art. 14 Abs. 1 OSPAR-Ü Bestandteil des Übereinkommens – um Aspekte des Bestands- und Artenschutzes ist insofern nicht ausgeschlossen. Die im Jahre 1998 angenommene, dem Schutz und der Erhaltung der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt gewidmete Anlage V verkörpert denn auch einen ersten Schritt in Richtung eines ganzheitlichen Ansatzes. c) Die OSPAR-Kommission Mit Art. 10 Abs. 1 OSPAR-Ü wurde eine aus Vertretern aller Vertragsparteien bestehende608 Institution, die OSPAR-Kommission, eingerichtet. Diese Kommission, Nachfolgerin der Kommissionen von Oslo und Paris, ist eine internationale Organisation mit eigener Rechtspersönlichkeit, d. h. ein (partielles) Subjekt des Völkerrechts609. Sie verfügt über ein ständiges Sekretariat (Art. 12 OSPAR-Ü), welches das gemeinsame Sekretariat der Oslo und Paris Kommissionen ersetzt und auch dessen Sitz in London übernommen hat. Die Kommission 606 Siehe o. die Einleitung von Kapitel 2. Vgl. außerdem Hey/IJlstra/Nollkaemper (Fn. 581), S. 35 f. 607 Art. 16 OSPAR-Ü lautet: „Die Bestimmungen des Artikels 15 über die Änderung des Übereinkommens gelten auch für den Vorschlag, die Annahme und das InKraft-Treten einer Anlage des Übereinkommens; jedoch nimmt die Kommission eine in Artikel 7 bezeichnete Anlage mit Dreiviertelmehrheit der Stimmen der Vertragsparteien an“. 608 Die Anzahl der Vertreter, die ein Vertragsstaat in die Kommission entsendet, steht in seinem Ermessen. 609 Vgl. Wolfrum, Internationale Organisationen, in: Seidl-Hohenveldern (Fn. 225), S. 189 (190); E. Klein, Die Internationalen und Supranationalen Organisationen, in: Graf Vitzthum (Fn. 25), S. 305 f., Rn. 93.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
„tritt in regelmäßigen Abständen sowie immer dann zusammen, wenn dies aufgrund besonderer Umstände nach der Geschäftsordnung beschlossen wird“610,
wobei die Geschäftsordnung „regelmäßig“ dahingehend konkretisiert, dass die Kommission mindestens einmal pro Jahr zusammentreten muss611. Im Übrigen ist es Sache der Kommission, „die für notwendig erachteten Nebenorgane einzusetzen und deren Aufgabenstellung festzulegen“612. Derzeit verfügt sie über sechs verschiedene, auf bestimmte Verschmutzungsarten bzw. auf die Überwachung der Meeresverschmutzung spezialisierte Ausschüsse, die ihrerseits von sieben ständigen Arbeitsgruppen unterstützt werden613. Daneben wurden drei allgemeine Ausschüsse eingerichtet614. Basierend auf der Ermächtigungsgrundlage Art. 10 Abs. 4, 5 OSPAR-Ü hat sich die Kommission eine Geschäfts- und Finanzordnung gegeben, die, wie von Art. 11 Abs. 3 OSPAR-Ü gefordert, unter anderem Vorgaben hinsichtlich der Teilnahme von NGOs an der Kommissionsarbeit enthält615. Zwischenzeitlich wurden 15 Regierungsorganisationen und 27 NGOs als Beobachter zugelassen; das öffentliche Interesse an der Kommissionsarbeit ist offenbar ungewöhnlich groß. Die Aufgaben der Kommission sind in der Aufgabenzuweisungsnorm Art. 10 Abs. 2 OSPAR-Ü aufgelistet. Hiernach ist die Kommission sowohl Hüterin des Übereinkommens – sie hat unter anderem die Durchführung des Übereinkommens zu überwachen (lit. a) und den Zustand des Meeresgebiets und die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen zu überprüfen (lit. b) – als auch Motor seiner Weiterentwicklung. Gemäß Art. 10 Abs. 2 lit. f OSPAR-Ü ist die Kommission etwa dafür zuständig, Vorschläge zur Änderungen des Übereinkommens zu erwägen und ggf. anzunehmen616, also den Gleichklang von faktischer und normativer Lage zu gewährleisten. 610
Art. 10 Abs. 1 OSPAR-Ü. Rules of Procedure of the OSPAR Commission (Reference No. 2002-2), 2, para. 4: http://www.ospar.org/eng/html/rop/welcome.html. – Zur Zitierweise: Die OSPAR-Dokumente enthalten in der Regel keine Annahmedaten, sondern lediglich Hinweise auf die Tagungszeiträume der OSPAR-Kommission. Im Folgenden werden OSPAR-Dokumente deshalb ohne Datumsangabe zitiert. 612 Art. 10 Abs. 2 lit. e OSPAR-Ü. 613 Siehe das informative Organisation-Chart auf der OSPAR-Homepage: http:// www.ospar.org/eng/html/organisation/welcome.html. Die Arbeitsgruppen werden von der Kommission auf Vorschlag des jeweils sachlich zuständigen Ausschusses einberufen; siehe Rules of Procedure of the OSPAR Commission (Reference No. 2002-2), 4, para. 33. 614 Es handelt sich um die Ausschüsse Committee of Chairmen and Vice-Chairmen, Group of Jurists/Linguists und Heads of Delegation. 615 Rules of Procedure of the OSPAR Commission (Reference No. 2002-2), Annex 2. 616 Zum Annahmeverfahren siehe u. 4. 611
Kap. 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik
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Weiterhin soll sie laut Art. 10 Abs. 2 lit. c OSPAR-Ü zur Erreichung der Ziele des Übereinkommens „Programme und Maßnahmen zur Verhütung und Beseitigung der Verschmutzung und zur Überwachung von Tätigkeiten, die unmittelbar oder mittelbar nachteilige Auswirkungen auf das Meeresgebiet haben können“,
erarbeiten. In Verbindung mit der Befugnisnorm Art. 10 Abs. 3 OSPARÜ617 bildete diese Aufgabenzuweisung die Grundlage der verabschiedeten Strategien und Aktionspläne, die das Arbeitsprogramm der Kommission darstellen und aufgrund fehlender Rechtsverbindlichkeit weiterer Ausgestaltung bedürfen. Letzteres wird durch die in Art. 10 Abs. 3 OSPAR-Ü normierte Befugnis ermöglicht, nach einem flexiblen Schema Beschlüsse („Decisions“) und Empfehlungen („Recommendations“) zu erlassen. Wie sich aus einem Umkehrschluss zu Art. 13 Abs. 5 OSPAR-Ü ergibt618, sind die Beschlüsse, im Unterschied noch zur Lage nach den Übereinkommen von Oslo und Paris, für die Mitgliedstaaten verbindlich und müssen deshalb innerstaatlich umgesetzt werden. Bei den (unverbindlichen) Empfehlungen handelt es sich um die im marinen Umweltrecht so verbreiteten internationalen Standards619, die, wie noch zu zeigen ist, trotz ihrer Unverbindlichkeit im Einzelfall über erhebliches Gewicht verfügen können620. Welche Entscheidungen per Beschluss, welche per Empfehlung zu treffen sind, schreiben weder Rahmenübereinkommen noch Anlagen vor621. Das insofern bestehende Wahlrecht trägt aber zur Flexibilität der zumeist auf mehrere Jahre angelegten Strategien und Aktionspläne bei, zumal die Kommission ansatzweise über korrespondierende Durchsetzungsinstrumente verfügt622. Die Effektivität jenes „OSPAR-Sekundärrechts“623 wird weiterhin durch das von Art. 13 Abs. 1 OSPAR-Ü angeordnete vereinfachte Annahmever617 Art. 10 Abs. 3 OSPAR-Ü lautet: „Zu diesem Zweck kann die Kommission unter anderem Beschlüsse und Empfehlungen nach Artikel 13 annehmen“ (Hervorhebung vom Verf.). – Auch das Völkerrecht unterscheidet mithin gelegentlich zwischen Aufgabenzuweisungsnormen und Befugnisnormen. Zur europarechtlichen Lage siehe u. Dritter Teil, Kapitel 2, I. 1. b). 618 Art. 13 Abs. 5 OSPAR-Ü lautet: „Empfehlungen sind nicht bindend“. 619 Lagoni, Das OSPAR-Übereinkommen von 1992 und der Schutz der Nordsee: Einwirkungen auf das deutsche Umweltrecht, in: Koch/Lagoni (Hrsg.), Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee, 1996, S. 79 (86). 620 Zur Berücksichtigung der OSPAR-Empfehlungen im innerstaatlichen Verwaltungsrecht Krieger, DVBl. 117 (2002), S. 300 (306 ff.). 621 Hey/IJlstra/Nollkaemper (Fn. 581), S. 39, das. der Hinweis auf den Ausnahmefall Art. 3 Abs. 3 lit. c Anlage II OSPAR-Ü. 622 Siehe u. 4. b). 623 Zum Begriff siehe noch u. 3. c). Heintschel von Heinegg (The Development of Environmental Standards for the North-East Atlantic, including the North Sea, in: P. Ehlers/Mann Borgese/Wolfrum [Hrsg.], Marine Issues, 2002, S. 135 ff.) spricht vom „Secondary Level“ (Ebd., S. 143).
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
fahren erhöht. Beschlüsse und Empfehlungen sollen zwar grundsätzlich einstimmig angenommen werden, wobei nach Art. 20 Abs. 1 OSPAR-Ü jede Vertragspartei über eine Stimme verfügt624. Kommt indes keine Einstimmigkeit zustande, kann die Kommission Beschlüsse und Empfehlungen mit Dreiviertelmehrheit der Vertragsparteien annehmen, soweit im Übereinkommen nichts anderes vorgesehen ist. Aus der Systematik von Art. 13 Abs. 1 OSPAR-Ü folgt, dass sich die Vertragsparteien zuerst ernsthaft um Einstimmigkeit bemühen müssen, bevor eine Annahme mit Dreiviertelmehrheit in Betracht kommt. Der an sich begrüßenswerte Versuch, die von vielen internationalen Organisationen her bekannte Blockade der zuständigen Gremien – zu denken ist nur an den UN-Sicherheitsrat – zu durchbrechen, birgt im OSPAR-Rahmen gewisse, aus der Beteiligung der EG625 resultierende Gefahren. Zwar sieht das Übereinkommen die Beteiligung der EG ausdrücklich vor626. Indem aber Art. 20 Abs. 2 OSPAR-Ü der EG, freilich auf den Bereich der ihr von den EG-Mitgliedstaaten übertragenen Kompetenzen begrenzt627, eine Stimmanzahl zuspricht, die mit der Anzahl ihrer Mitgliedstaaten übereinstimmt, die zugleich Vertragsparteien des OSPAR-Ü sind, verfügt sie in der OSPAR-Kommission derzeit über 12 von 16 Stimmen, also eine Dreiviertelmehrheit. Die EG kann der Kommission daher Beschlüsse und Empfehlungen aufzwingen bzw. Initiativen anderer Vertragsparteien blockieren628. Ob dies aus Sicht des Meeresschutzes als Nachteil zu werten ist, kann nicht ohne nähere Untersuchung des europarechtlichen Meeresschutzregimes beurteilt werden. Der Zeitpunkt, ab dem ein Beschluss in Kraft tritt, richtet sich nach Art. 13 Abs. 2 OSPAR-Ü. Hiernach beginnt mit Annahme eines Beschlusses eine 200-Tages-Frist zu laufen, innerhalb derer die Vertragsparteien, die zuvor für den Beschluss gestimmt haben, gegenüber dem Exekutivsekretär schriftlich erklären können, dass sie sich zur Annahme des Beschlusses nicht imstande sehen. Die Vertragsparteien verfügen also über ein befristetes „opting out“-Recht. Nach Ablauf der Frist tritt der Beschluss automatisch für diejenigen Vertragsstaaten in Kraft, die von ihrem „opting out“-Recht keinen Gebrauch gemacht haben, vorausgesetzt, mindestens drei Viertel der Vertragsstaaten haben den Beschluss zu diesem Zeitpunkt angenommen. Zudem können die Vertragsparteien, die ursprünglich gegen die Annahme gestimmt 624 Es kommt also nicht auf die ja im Ermessen jeder Vertragspartei stehende Anzahl der in die Kommission entsandten Vertreter an. 625 Vgl. Beschluss des Rates 98/249/EG vom 7. Oktober 1997 über den Abschluss des Übereinkommens zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks im Namen der Gemeinschaft: ABl. EG 1998, Nr. L 104, S. 1. Zur Beteiligung der EG siehe auch noch u. Dritter Teil, Kapitel 4, I. 2. und II. 1. 626 Vgl. Art. 20 Abs. 2, Art. 25 lit. d OSPAR-Ü. 627 Im Bereich des Meeresumweltschutzes ist die Zuständigkeit der EG keine ausschließliche, sondern eine konkurrierende; siehe u. Dritter Teil, Kapitel 2, I. 1. d). 628 Der Eintritt dieser Konstellation wurde schon im Jahre 1993 von Hey/IJlstra/ Nollkaemper (Fn. 581), S. 38 mit Fn. 187, prognostiziert.
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haben, den Beschluss auch im Nachhinein durch schriftliche Notifizierung an den Exekutivsekretär annehmen. In der Kommissionspraxis hat sich das Verfahren, das dem von verschiedenen IMO-Konventionen bekannten „tacit acceptance“-Verfahren gleicht629, bewährt: Von den bislang angenommenen neun Beschlüssen sind derer acht in Kraft getreten630; lediglich in zwei Fällen haben einzelne Vertragsparteien Widerspruch erhoben631.
2. Allgemeine Verpflichtungen und umweltpolitische Schutzprinzipien Die allgemeinen Verpflichtungen der Vertragsparteien sind in Art. 2 Abs. 1 OSPAR-Ü niedergelegt: „a) Die Vertragsparteien treffen in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen alle nur möglichen Maßnahmen, um Verschmutzungen zu verhüten und zu beseitigen, und unternehmen alle notwendigen Schritte zum Schutz des Meeresgebiets vor den nachteiligen Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten, um die menschliche Gesundheit zu schützen, die Meeresökosysteme zu erhalten und, soweit durchführbar, beeinträchtigte Meereszonen wiederherzustellen. b) Zu diesem Zweck beschließen die Vertragsparteien einzeln und gemeinsam Programme und Maßnahmen und stimmen ihre diesbezügliche Politik und ihre diesbezüglichen Strategien aufeinander ab.“
Es wurde schon betont, dass der dem Übereinkommen zu Grunde liegende Schutzansatz nicht auf die Verhütung (Prävention) und die Beseitigung (Restitution) von Verschmutzung beschränkt ist, sondern – theoretisch – andere, von der Meeresverschmutzung im engeren Sinne unabhängige Aspekte des Meeresschutzes umfasst. Genau genommen enthält Art. 2 Abs. 1 lit. a OSPAR-Ü denn auch mehrere generalklauselartige Verpflichtungen, wobei die letztgenannte Verpflichtung („unternehmen alle notwendigen Schritte zum Schutz des Meeresgebiets vor den nachteiligen Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten [. . .]“) künftig, wie gesagt, näherer Ausgestaltung bedarf, etwa durch Annahme neuer Anlagen. Dass die Verschmutzungsdefinition des Art. 1 lit. d OSPAR-Ü an einem Zuführungserfordernis festhält, schadet angesichts jenes weiten Ansatzes nicht632. In629
Siehe dazu o. Kapitel 2, I. 1. a). Eine Liste der bislang angenommenen Beschlüsse und Empfehlungen, einschließlich der noch von den Oslo und Paris-Kommissionen angenommenen, kann über die OSPAR-Homepage abgerufen werden: http://www.ospar.org/eng/html/dra/ list_of_decrecs.htm. 631 In beiden Fällen (OSPAR Decision 2000/1; OSPAR Decision 2001/1) geht es um das heikle Thema „Emissionen von Radionukliden“. Es überrascht nicht, dass sich Frankreich und Großbritannien – beide Staaten betreiben an der Küste des Nordostatlantiks bekanntlich je eine Wiederaufbereitungsanlage – bei der Abstimmung ihrer Stimme enthielten. Luxemburg hat die Decision 2000/1 im Nachhinein angenommen, die Schweiz sich hinsichtlich der Decision 2001/1 der Stimme enthalten. 630
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
dem weiterhin „Beeinträchtigungen der Annehmlichkeiten der Umwelt“ sowie „Behinderungen der sonstigen rechtmäßigen Nutzungen des Meeres“ berücksichtigt werden, trägt die Verschmutzungsdefinition dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung Rechnung633, das offensichtlich als Leitbild des Übereinkommens fungiert. So wurde das OSPAR-Ü unter anderem in der Erkenntnis geschlossen, „dass ein untereinander abgestimmtes Vorgehen auf nationaler, regionaler und weltweiter Ebene unerläßlich ist zur Verhütung und Beseitigung der Meeresverschmutzung und zur Erreichung einer nachhaltigen Bewirtschaftung des Meeresgebiets, das heißt einer solchen Gestaltung der menschlichen Tätigkeiten, dass das Meeresökosystem weiterhin die rechtmäßigen Nutzungen des Meeres erlaubt und die Bedürfnisse der heutigen und der künftigen Generationen befriedigt“634.
Dabei ist ohne Bedeutung, dass die Präambel des Übereinkommens von nachhaltiger Bewirtschaftung („sustainable management“) spricht, nicht aber von nachhaltiger Entwicklung („sustainable development“). Die diesbezüglich von Ellen Hey, Ton IJlstra und André Nollkaemper635 unter Berufung auf Günther Handl erhobenen Einwände tragen nicht, weil nachhaltige Bewirtschaftung und nachhaltige Entwicklung gleichsam zwingend die Berücksichtigung umweltschutzbezogener Gesichtspunkte verlangen636. Das eine Konzept ist nicht weniger auf Umweltschutz gerichtet als das andere, der eine Begriff nicht weniger der Ökonomie entliehen als der andere, zumal Handls Verständnis von nachhaltiger Entwicklung ein gegenüber der heute herrschenden Meinung verschiedenes, nämlich engeres, da normatives, ist637. Die von den Vertragsparteien anzuwendenden umweltpolitischen Schutzbzw. Strukturprinzipien sind in Art. 2 Abs. 2 OSPAR-Ü enthalten: das Vor632
Dazu bereits Erster Teil, Kapitel 3, I. Allgemein zum Konzept der nachhaltigen Entwicklung siehe o. Kapitel 1, IV. Vgl. außerdem Imhoff, Sustainable Development in der Praxis der Regionalen Meeresschutzkooperationen: Leerformel oder konkretes Ziel für OSPAR und HELCOM?, in: Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (Hrsg.), Meeresumweltsymposium 2001, 2002, S. 199 ff. – Dass sich die Verschmutzungsdefinition des Übereinkommens durchaus am Konzept der nachhaltigen Entwicklung orientiert, wird mitunter übersehen, unter anderem von Hey/IJlstra/Nollkaemper (Fn. 581), S. 9 und Lagoni (Fn. 619), S. 92. 634 Abs. 3 der Präambel OSPAR-Ü. 635 (Fn. 581), S. 9. 636 Vgl. den Wortlaut von Abs. 3 der Präambel OSPAR-Ü: „[. . .] zur Erreichung einer nachhaltigen Bewirtschaftung des Meeresgebiets, das heißt einer solchen Gestaltung der menschlichen Tätigkeiten, dass das Meeresökosystem weiterhin die rechtmäßigen Nutzungen des Meeres erlaubt und die Bedürfnisse der heutigen und der künftigen Generationen befriedigt“. Zur Terminologie Beaucamp (Fn. 229), S. 11–13. 637 Vgl. Handl, YIEL 1 (1990), S. 3 (24 mit Fn. 146). 633
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sorgeprinzip einerseits und das Verursacherprinzip andererseits. Während jenes die Frage beantwortet, ab welchem Zeitpunkt die Vertragsparteien Verhütungsmaßnahmen treffen müssen638, verpflichtet dieses den Verursacher einer Meeresverschmutzung, die Kosten der Beseitigung zu tragen. Interessant ist, dass der gegenüber dem Vorsorgeprinzip traditionellere Grundsatz der Vorbeugung im OSPAR-Ü nicht genannt wird, obgleich, wie noch zu zeigen ist, er nicht im Vorsorgeprinzip aufgegangen ist639. Grund für das diesbezügliche Schweigen des Übereinkommens dürfte sein, dass der auf Gefahrenabwehr zielende Grundsatz der Vorbeugung zwischenzeitlich gewohnheitsrechtlich anerkannt ist640 und insofern keiner Normierung bedurfte641. Andererseits wurde das Vorsorgeprinzip kaum jemals so prägnant formuliert wie im OSPAR-Ü, nämlich als rechtsverbindliche Handlungsmaxime. So müssen sich die Vertragsparteien nicht nur aller Maßnahmen enthalten, die eine Gefährdung der Meeresumwelt nach sich ziehen können; vielmehr sind sie positiv dazu verpflichtet, die im Einzelfall erforderlichen Verhütungsmaßnahmen zu treffen, „wenn triftige Gründe zur Besorgnis vorliegen, daß unmittelbar oder mittelbar der Meeresumwelt zugeführte Stoffe oder Energie zu einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit, einer Schädigung der lebenden Ressourcen und der Meeresökosysteme, einer Beeinträchtigung der Annehmlichkeiten der Umwelt oder einer Behinderung der sonstigen rechtmäßigen Nutzungen des Meeres führen können, selbst wenn es keinen schlüssigen Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Einträgen und ihren Auswirkungen gibt“642.
Obwohl diese Definition im Hinblick auf die zu schützenden Rechtsgüter weitgehend mit der Verschmutzungsdefinition des Art. 1 lit. d OSPAR-Ü, die ihrerseits Aufnahme in die allgemeine Verpflichtung des Art. 2 Abs. 1 lit. a OSPAR-Ü findet, übereinstimmt, ginge es zu weit, sie für entbehrlich zu halten. Die Verbindung von positiven Handlungspflichten („nach dem Verhütungsmaßnahmen getroffen werden“)643 mit dem Verzicht auf einen 638
Siehe dazu schon o. Kapitel 1, I. 1. a). Dazu siehe u. Dritter Teil, Kapitel 2, I. 1. b) („Prinzip der Vorbeugung“). 640 Siehe nur Epiney/Scheyli (Fn. 60), S. 112; Dzidzornu (Fn. 38), S. 97, jeweils mit Nachweisen zur Staatenpraxis. 641 Vgl. auch Abs. 7 der Präambel OSPAR-Ü: „Eingedenk der maßgeblichen Bestimmungen des Völkergewohnheitsrechts, die sich in Teil XII des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen und insbesondere in Artikel 197 über die weltweite und regionale Zusammenarbeit zum Schutz und zur Bewahrung der Meeresumwelt niedergeschlagen haben“. 642 Art. 2 Abs. 2 lit. a OSPAR-Ü. 643 Vgl. demgegenüber etwa Art. 6 Abs. 2 SSA: „[. . .] Fehlen ausreichende wissenschaftliche Informationen, so darf das nicht als Grund dafür gelten, die Einleitung von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen aufzuschieben oder zu unterlassen“ (Hervorhebung vom Verf.). 639
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
schlüssigen Beweis für die Gefährdungskausalität (der in der Verschmutzungsdefinition nicht in gleicher Form enthalten ist) spricht vielmehr für eine Beweislastumkehr zuungunsten der Vertragspartei, die sich auf die Umweltverträglichkeit ihrer Aktivitäten beruft644. Sie ist nunmehr verpflichtet, Verhütungsmaßnahmen zu treffen, solange das Verschmutzungspotential der zugeführten Stoffe oder Energie nicht widerlegt ist. Dies wird freilich dadurch relativiert, dass hinsichtlich des Ausmaßes der Besorgnis, dass eine Gefährdung der geschützten Güter eintritt, ein Einschätzungsspielraum besteht („triftige Gründe“)645: eingeschränkte Beweislastumkehr. Im Übrigen ist zu bedauern, dass die Definition des Vorsorgeprinzips am Zuführungserfordernis festhält und nur auf der Rechtsfolgenseite den Schutz der Meeresumwelt im weiteren Sinne einbezieht. Diesem Manko müsste durch eine Änderung des Übereinkommens gemäß Art. 15 OSPAR-Ü Rechnung getragen werden, wenn sich die Vertragsparteien entschließen sollten, den potentiell weiteren sachlichen Geltungsbereich des Übereinkommens auszuschöpfen. Denkbar wäre auch die Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips in einer neuen, meeresschutzbezogenen Anlage646. Mehr noch als das Vorsorgeprinzip ist das Verursacherprinzip, nach welchem „die Kosten der Maßnahmen zur Verhütung, Bekämpfung und Verringerung der Verschmutzung vom Verursacher zu tragen sind“647,
auf Konkretisierung angewiesen. Da der größte Verschmutzungsanteil aus diffusen Quellen stammt, wird eine Meeresverschmutzung – Art. 2 Abs. 2 lit. b OSPAR-Ü ist ausschließlich verschmutzungsbezogen – nur in den seltensten Fällen einem eindeutig bestimmbaren Verursacher zurechenbar sein. Das OSPAR-Ü widmet sich diesem Problem nicht. Ausnahmeregelungen für bestimmte Verschmutzungsarten und -quellen kommen angesichts der Allgemeingültigkeit und Verbindlichkeit des Verursacherprinzips nicht in Betracht, zumal eine restriktive Interpretation von Art. 2 Abs. 2 lit. b OSPAR-Ü, nach der das Verursacherprinzip nur dann zur Anwendung gelangen würde, wenn ein Verursacher eindeutig festgestellt werden könnte, den tatsächlichen Zuständen nicht entspräche. Andererseits würde ein zu weites Verständnis des Begriffs „Verursacher“648 die normative Bedeutung 644 So auch Lagoni, Regional Protection of the Marine Environment in the Northeast Atlantic Under the OSPAR Convention of 1992, in: Nordquist/Moore/ Mahmoudi (Hrsg.), The Stockholm Declaration and Law of the Marine Environment, 2003, S. 183 (188). Siehe nunmehr Dispute Concerning Access to Information Under Article 9 of the OSPAR Convention (Ireland v. United Kingdom), Diss. Op. Griffith, para. 72 (abrufbar unter www.pca-cpa.org/PDF/OSPAR%20Award.pdf). 645 Hey/IJlstra/Nollkaemper (Fn. 581), S. 12. 646 In der neuen Anlage V OSPAR-Ü ist dies nicht geschehen. Siehe u. 5. 647 Art. 2 Abs. 2 lit. b OSPAR-Ü.
Kap. 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik
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des Prinzips erheblich reduzieren. Da denkbare Umsetzungsmechanismen wie Steuern und Gebühren649 im Übrigen den Rahmen des OSPAR-Ü verlassen, ist das Prinzip aus Sicht des Übereinkommens nicht ohne Grund als Fremdkörper bezeichnet worden650, ein wenig effektives Leitbild ohne eindeutig bestimmbaren Gehalt. In Europa hat sich denn auch die EG (und nicht die OSPAR-Kommission) um eine Ausgestaltung des Verursacherprinzips bemüht651. Nach Art. 2 Abs. 3 lit. b ii) OSPAR-Ü sind die Vertragsparteien verpflichtet, im Rahmen der zu treffenden Programme und Maßnahmen „für die Anwendung der besten verfügbaren Techniken und der besten Umweltpraxis im obigen Sinne, gegebenenfalls einschließlich sauberer Technologie“,
zu sorgen. Was unter den „besten verfügbaren Technologien“ (Best Available Technology: BAT) und der „besten Umweltpraxis“ (Best Environmental Practice: BEP) zu verstehen ist, wird in Anhang 1 OSPAR-Ü, wie von Art. 2 Abs. 3 lit. b i) OSPAR-Ü gefordert, näher ausgeführt652. Während sich hiernach der Ausdruck „BAT“ auf „den neuesten Stand der Entwicklung [. . .] bei Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsmethoden, welche die praktische Eignung einer bestimmten Maßnahme zur Begrenzung von Einleitungen, Emissionen und Abfällen anzeigen“653, 648 Vgl. etwa den Definitionsversuch der OECD, Recommendation of the Council on Guiding Principles Concerning International Economic Aspects of Environmental Policies, Annex, para. 4: „The [Polluter Pays] Principle means that the polluter should bear the expenses of carrying out [. . .] measures decided by the public authorities to ensure that the environment is in an acceptable state. In other words, the cost of these measures should be reflected in the cost of goods and services which cause pollution in production and/or consumption.“; OECD (Hrsg.), The Polluter Pays Principle, Paris 1975, S. 11–14. 649 Zu möglichen Verwirklichungsformen Frenz, Das Verursacherprinzip im Öffentlichen Recht, 1997, S. 258 ff. – Die Erhebung von Benutzungsgebühren, etwa für Hafenauffanganlagen, birgt freilich das Risiko, dass sich potentielle Benutzer abgeschreckt fühlen könnten. Aus Sicht des Meeresschutzes wirkt das Verursacherprinzip dann kontraproduktiv. 650 Lagoni (Fn. 619), S. 92. Allgemein siehe Birnie/Boyle (Fn. 27), S. 384: „[. . .] there is little evidence that it [the polluter pays principle] has influenced state practice or resulted in more comprehensive schemes of liability for damage to the marine environment at global or regional level.“ 651 Siehe näher u. Dritter Teil, Kapitel 2, I. 1. b) („Verursacherprinzip“). 652 Die Nichtberücksichtigung im den Begriffsbestimmungen gewidmeten Art. 1 OSPAR-Ü dürfte weniger am für die Anhänge gemäß Art. 19 OSPAR-Ü geltenden vereinfachten Änderungsverfahren liegen (so aber Lagoni [Fn. 619], S. 92) – die Anpassung der BAT und BEP an veränderte Zustände erfolgt, wie sogleich im Text gezeigt wird, nicht im Anhang selbst, sondern wird von der OSPAR-Kommission im Wege des Sekundärrechts gewährleistet –, denn an der andernfalls eintretenden Unübersichtlichkeit dieser Eingangsbestimmung des OSPAR-Ü. 653 Abs. 2 Anhang 1 OSPAR-Ü.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
bezieht, bezeichnet BEP „die Anwendung der geeignetsten Kombination von Kontrollmaßnahmen und Strategien zum Schutz der Umwelt“654.
Anwendungsfälle sind die Verschmutzung vom Lande aus und die Verschmutzung durch Offshore-Quellen: Bei der Annahme diesbezüglicher Programme und Maßnahmen müssen jeweils die BAT und die BEP zu Grunde gelegt werden655. Anders als noch das Paris-Ü setzt das OSPAR-Ü demnach nicht mehr auf Stofflisten656, sondern auf eine Verhütung und Bekämpfung der Meeresverschmutzung an der Quelle – eine Umsetzung des Vorsorgeprinzips, die sich, soweit die Meeresverschmutzung vom Lande aus betroffen ist, vor allem an den Industriesektor richtet657. Der Vorteil dieser Methode gegenüber der früheren liegt in der höheren Flexibilität: Während sich der Listenansatz gegenüber neuen faktischen Erkenntnissen als zu statisch erwiesen hat, können mit Hilfe der BAT und BEP stets die neuesten Erkenntnisse und technologischen Entwicklungen zum Schutz der Meeresumwelt berücksichtigt werden. Anhang 1 OSPAR-Ü geht von einer kontinuierlichen Anpassungspflicht aus658. Die dort genannten, bei der Anwendung der BAT und der BEP jeweils zu berücksichtigenden Kriterien bilden den Leitfaden, der im Einzelfall von der OSPAR-Kommission durch Annahme der erforderlichen Beschlüsse und Empfehlungen konkretisiert wird659. Deshalb trifft die von Hey, IJlstra und Nollkaemper geäußerte Kritik, jene Kriterien seien zu unbestimmt und deswegen unpraktikabel660, in ihrer Allgemeinheit nicht zu. Gewiss: Ohne weitere Konkretisierung durch die OSPAR-Kommission bliebe die Pflicht zur Anwendung der BAT und BEP ohne jede praktische Relevanz. Die bisherigen Aktivitäten der Kommission stimmen aber optimistisch, jedenfalls im Hinblick auf den besonders betroffenen Industriesektor661. 654
Abs. 6 Anhang 1 OSPAR-Ü. Vgl. Art. 1 Abs. 1 Anlage I OSPAR-Ü; Art. 2 Abs. 1 Anlage III OSPAR-Ü. 656 Siehe Fn. 666. 657 Deswegen die begrenzte Anwendbarkeit der BAT auf Punktquellen (vgl. Art. 1 Abs. 1 1. Spiegelstrich Anlage I OSPAR-Ü). 658 Vgl. Abs. 2 lit. b, 3, 4, 7 lit. e, 8, 9 Anhang 1 OSPAR-Ü. 659 Siehe auch de La Fayette (Fn. 590), S. 256. 660 (Fn. 581), S. 16. 661 Vgl. PARCOM Recommendation 90/1 on the Definition of the Best Available Technology for Secondary Iron and Steel Plants; PARCOM Recommendation 91/2 on the Definition of Best Available Technology in the Primary Iron and Steel Industry; PARCOM Recommendation 92/1 on Best Available Technology for Plants Producing Anodes and for New Electrolysis Installations in the Primary Aluminium Industry; PARCOM Recommendation 92/5 Concerning Best Available Technology in the Pharmaceutical Manufacturing Industry; PARCOM Recommendation 94/1 on Best Available Techniques for New Aluminium Electrolysis Plants; PARCOM Recommendation 94/2 on Best Available Techniques and Best Environ655
Kap. 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik
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Indem Abs. 2 lit. c Anhang 1 OSPAR-Ü hinsichtlich der BAT auf die „wirtschaftliche Durchführbarkeit solcher Techniken“ abstellt und Abs. 7 lit. g Anhang 1 OSPAR-Ü bezüglich der Auswahl der einschlägigen BEP die Berücksichtigung der „sozialen und wirtschaftlichen Folgen“ verlangt, wird auch dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung Genüge getan. Führt die Anwendung der BAT und BEP nicht zu Ergebnissen, die für die Umwelt annehmbar sind, müssen gemäß Abs. 4, 9 Anhang 1 OSPAR-Ü ferner zusätzliche Maßnahmen angewendet werden, etwa der Einsatz sauberer Technologie662. Anhand welchen Maßstabs die Annehmbarkeit der erzielten Ergebnisse beurteilt werden sollte, ist bekanntlich seit geraumer Zeit Gegenstand einer umweltpolitischen Kontroverse. Während im angelsächsischen Rechtskreis die Verwendung von Qualitätszielen bevorzugt wird, hält man etwa in Deutschland Emissionsbegrenzungen für erforderlich663. Anhang 1 OSPAR-Ü bezieht diesbezüglich keine Position; offenbar konnten sich die Vertragsparteien nicht auf einen der beiden Ansätze einigen664. Auch insoweit wäre eine Konkretisierung durch die OSPAR-Kommission wünschenswert.
mental Practice for the Integrated and Non-Integrated Sulphite Paper Pulp Industry; PARCOM Recommendation 94/3 on Best Available Techniques and Best Environmental Practice for the Integrated and Non-Integrated Kraft Pulp Industry; PARCOM Recommendation 94/4 on Best Available Techniques for the Organic Chemical Industry; PARCOM Recommendation 94/5 Concerning Best Available Techniques and Best Environmental Practice for Wet Processes in the Textile Processing Industry; PARCOM Recommendation 94/6 on Best Environmental Practice (BEP) for the Reduction of Inputs of Potentially Toxic Chemicals from Aquaculture Use; PARCOM Recommendation 96/1 on Best Available Techniques and Best Environmental Practice for Existing Aluminium Electrolysis Plants; PARCOM Recommendation 96/2 Concerning Best Available Techniques for the Manufacture of Vinyl Chloride Monomer; PARCOM Recommendation 96/3 Concerning Best Available Techniques for the Manufacture of Suspension-PVC from Vinyl Chloride Monomer; OSPAR Recommendation 98/1 concerning Best Available Techniques and Best Environmental Practice for the Primary Non-Ferrous Metal Industry (Zinc, Copper, Lead and Nickel Works); OSPAR Recommendation 99/1 on the Best Available Techniques for the Manufacture of Emulsion PVC (e-PVC); OSPAR Recommendation 2000/1 on Best Environmental Practice (BEP) for the Reduction of Inputs of Agricultural Pesticides to the Environment through the Use of Integrated Crop Management Techniques; OSPAR Recommendation 2000/2 on Best Environmental Practice (BEP) for the Use of Pesticides on Amenity Areas. 662 Siehe Art. 2 Abs. 3 lit. b i), ii) OSPAR-Ü: „gegebenenfalls einschließlich sauberer Technologie“ (Hervorhebung hinzugefügt). Insofern anerkennt Art. 2 Abs. 3 OSPAR-Ü, dass die „besten verfügbaren Technologien“ nicht zwingend saubere Technologien sein müssen; vgl. Hey/IJlstra/Nollkaemper (Fn. 581), S. 17. 663 Zu dieser Kontroverse etwa Rengeling/Gellermann, JbUTR 36 (1996), S. 1 (14 ff.). 664 Zum kumulativen Ansatz der EG-Wasserrahmenrichtlinie siehe u. Dritter Teil, Kapitel 3, I. 1. c).
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
3. Verschmutzungsarten: OSPAR-„Primärrecht“ und -„Sekundärrecht“ a) Verschmutzung vom Lande aus Angesichts des Umstands, dass die Verschmutzung vom Lande aus die mengenmäßig schwerwiegendste Verschmutzungsart ist, diesem Umstand auf universeller Ebene bislang indes nicht hinreichend Rechnung getragen wurde, sind die einschlägigen OSPAR-Bestimmungen als „the most important part of the Convention“ bezeichnet worden665. Das Besondere an diesen Bestimmungen ist, dass sie, anders als noch die des Paris-Ü666, nicht zwischen bestimmten Stoffgruppen unterscheiden. Vielmehr sollen die Vertragsparteien gemäß Art. 3 OSPAR-Ü alle nur möglichen Maßnahmen und Programme treffen, um die Verschmutzung vom Lande aus, d. h. den „Punktquellen und diffusen Quellen an Land, von denen aus Stoffe oder Energie auf dem Wasser- oder Luftweg oder unmittelbar von der Küste aus in das Meeresgebiet gelangen“667,
zu verhüten und zu beseitigen. Insbesondere im Hinblick auf radioaktive Stoffe ist der einheitliche Ansatz des OSPAR-Ü eine normative „Neuheit“. Das Paris-Ü hatte sie noch ausgeklammert. So waren die Vertragsparteien nach dem älteren Übereinkommen zwar verpflichtet, Maßnahmen zur Verhütung und Beseitigung der Verschmutzung durch radioaktive Stoffe zu treffen668; dabei mussten sie freilich „die Empfehlungen der zuständigen internationalen Organisationen und Einrichtungen voll berücksichtigen“669. Während das Paris-Ü „seine“ Kommission insofern offenbar nicht für kompetent hielt, hebt Art. 1 Abs. 4 lit. a OSPAR-Ü nunmehr selbstbewusst die Zuständigkeit der OSPAR-Kommission hervor670.
665
Hey/IJlstra/Nollkaemper (Fn. 581), S. 18; Hilf, ZaöRV 55 (1995), S. 580
(596). 666
Das Paris-Ü unterschied zwischen „black list“-Stoffen einerseits und „grey list“-Stoffen andererseits. Während die Verschmutzung mit jenen beseitigt („eliminate“) werden musste, sollte die Zuführung dieser lediglich begrenzt („limit“) werden; vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. a, b Paris-Ü. 667 Art. 1 lit. e OSPAR-Ü. 668 Vgl. Art. 5 Abs. 1 Paris-Ü. 669 Art. 5 Abs. 2 lit. a Paris-Ü. 670 Art. 1 Abs. 4 lit. a OSPAR-Ü lautet: „Bei der Annahme von Programmen und Maßnahmen zu radioaktiven Stoffen einschließlich Abfällen berücksichtigen die Vertragsparteien auch die Empfehlungen anderer zuständiger internationaler Organisationen und Einrichtungen“ (Hervorhebungen hinzugefügt). – Welche „anderen“ internationalen Organisationen gemeint sind, sagt weder das OSPAR-Ü noch das von der früheren Paris-Kommission geschaffene Sekundärrecht (vgl. PARCOM Recommendation 88/4 on Nuclear Reprocessing Plants; PARCOM Recommendation 91/4 on Radioactive Discharges). Der Verweis dürfte sich im Wesentlichen auf die Inter-
Kap. 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik
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Gleichwohl ist der Listenansatz des Paris-Ü nicht vollständig entfallen. Nach Anhang 2 OSPAR-Ü, der sich unter anderem auf Anlage I OSPAR-Ü bezieht (die ihrerseits die allgemeine Verpflichtung des Art. 3 OSPAR-Ü hinsichtlich der Verschmutzung vom Lande aus konkretisiert), werden die Kriterien, die ursprünglich die Entscheidungsgrundlage hinsichtlich der Zuordnung eines Stoffes zur black oder grey list bildeten, nunmehr als Maßstäbe „bei der Festlegung der Prioritäten und der Bewertung von Art und Umfang der Programme und Maßnahmen“ (Abs. 1) herangezogen. In Abs. 3 Anhang 2 OSPAR-Ü werden die Stoffe, die Gegenstand solcher Programme und Maßnahmen sein müssen671, dann aufgelistet, nur eben nicht abschließend („unter anderem“).
Zur Verschmutzung vom Lande aus rechnen des weiteren die Quellen, die „im Zusammenhang mit einer vorsätzlichen Beseitigung unter dem Meeresboden, der von Land aus durch einen Tunnel, eine Rohrleitung oder andere Mittel zugänglich gemacht worden ist, sowie Quellen im Zusammenhang mit Bauwerken, die zu anderen Zwecken als Offshore-Tätigkeiten in das den Hoheitsbefugnissen einer Vertragspartei unterliegende Meeresgebiet verbracht wurden“672.
Abgesehen von der bis Mitte der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts verbreiteten Praxis, radioaktive Abfälle in unter dem Meeresboden gelegenen Stollen zu (end-)lagern673, bedeutet nunmehr etwa auch die Zuführung bestimmter Stoffe von Offshore-Windenergieanlagen aus eine Verschmutzung vom Lande aus; denn unter „Offshore-Tätigkeiten“ versteht das OSPAR-Ü ausschließlich die „Aufsuchung, Bewertung oder Gewinnung flüssiger und gasförmiger Kohlenwasserstoffe“ (Art. 1 lit. j OSPAR-Ü). Offshore-Windparks sind auch keine Offshore-Anlagen im Sinne des OSPAR-Ü, weil letztere gemäß Art. 1 lit. l „zum Zweck von Offshore-Tätigkeiten in das Meeresgebiet verbracht worden“ sein müssen. Erst die in Anlage I enthaltenen Bestimmungen und das von der OSPARKommission geschaffene Sekundärrecht machen die allgemeine Verpflichtung des Art. 3 OSPAR-Ü griffig. So unterliegen gemäß Art. 2 der Anlage „Einleitungen in das Meeresgebiet aus Punktquellen sowie Freisetzungen in das Wasser oder die Luft, die das Meeresgebiet erreichen und es beeinträchtigen können, [. . .] unbedingt einer Genehmigung oder Regelung durch die zuständigen Behörden der Vertragsparteien.“
national Atomic Energy Agency (IAEA) sowie die Europäische Atomgemeinschaft (EAG) beziehen. 671 Es handelt sich um Schwermetalle, organische Halogenverbindungen, organische Phosphor- und Siliziumverbindungen, biozide Stoffe, Schlammbehandlungsmittel, bestimmte Chemikalien, Öle und Kohlenwasserstoffe, Stickstoff- und Phosphorverbindungen, radioaktive Stoffe sowie bestimmte synthetische Stoffe. 672 Art. 1 lit. e OSPAR-Ü. 673 Dazu vgl. schon die PARCOM Recommendation 91/5 on the Disposal of Radioactive Wastes into Sub-Seabed Repositories Accessed from Land.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
Die Bedingungen, unter denen die zuständigen Behörden eine Genehmigung oder Regelung erteilen, stehen nicht im Ermessen der Vertragsparteien. Diese müssen vielmehr die einschlägigen Beschlüsse (nicht aber Empfehlungen: kein Verbindlichmachen des OSPAR-soft law) der Kommission durchführen, Art. 2 Abs. 1 S. 2 Anlage I OSPAR-Ü. Die Vertragsparteien sind im Rahmen von Genehmigungsverfahren deshalb an die in den OSPAR Decisions 98/4 und 98/5 festgelegten Grenzwerte gebunden674. Daneben überträgt Art. 3 Anlage I OSPAR-Ü der Kommission die Aufgabe, Pläne für die Verringerung und schrittweise Einstellung der Verwendung bestimmter Stoffe sowie Programme und Maßnahmen zur Verringerung von Nährstoffeinträgen – sie sind bekanntlich Ursache der Meereseutrophierung675 – zu erarbeiten. Im Jahre 1998 hat die Kommission drei auf die Verschmutzung vom Lande aus bezogene Strategien verabschiedet676, unverbindliche Arbeitsprogramme, mit Hilfe derer Zielvorgaben und Umsetzungsmechanismen etabliert werden sollen. Es bleibt abzuwarten, ob die Vertragsparteien tatsächlich bereit sind, „[to] implement this strategy progressively by making every endeavour to move towards the target of the cessation of discharges, emissions and losses of hazardous substances by the year 2020“677.
Angesichts der im Umweltrecht mit unverbindlichen Zielvorgaben gesammelten Erfahrungen sind Zweifel hinsichtlich jener Bereitschaft angebracht; in rechtsverbindlicher Hinsicht hat sich denn auch noch nichts getan. Dass die Vertragsparteien die Ausgestaltung der in Anlage I enthaltenen Bestimmungen über die Verschmutzung vom Lande aus der Kommission übertragen haben, anstatt die technischen Einzelheiten in einem eigenen Anhang zu regeln, wurde im Jahre 1992 von Hey, IJlstra und Nollkaemper 674 OSPAR Decision 98/4 on Emission and Discharge Limit Values for the Manufacture of Vinyl Chloride Monomer (VCM) including the Manufacture of 1,2-dichloroethane (EDC), para. 3; OSPAR Decision 98/5 on Emission and Discharge Limit Values for the Vinyl Chloride Sector, Applying to the Manufacture of SuspensionPVC (s-PVC) from Vinyl Chloride Monomer (VCM), para. 3. Demgegenüber verlangt die umstrittene „OSPAR Decision 2000/1 on Substantial Reductions and Elimination of Discharges, Emissions and Losses of Radioactive Substances, with Special Emphasis on Nuclear Reprocessing“ in para. 1.1 lediglich, dass „the current authorisations for discharges or releases of radioactive substances from nuclear reprocessing facilities shall be reviewed as a matter of priority by their competent national authorities [. . .]“. 675 Siehe o. Erster Teil, Kapitel 3, II. 1. a). 676 OSPAR Strategy with regard to Hazardous Substances (Reference No. 199816); OSPAR Strategy to Combat Eutrophication (Reference No. 1998-18); OSPAR Strategy with regard to Radioactive Substances (Reference No. 1998-17). 677 OSPAR Strategy with regard to Hazardous Substances (Reference No. 199816), para. 4.1.
Kap. 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik
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kritisiert678. Für eine Regelung in einem Anhang habe zum einen die automatische Verbindlichkeit der Anhänge gesprochen, wohingegen die Kommission im Rahmen der betroffenen Verschmutzungsart zumeist lediglich (unverbindliche) Empfehlungen erlasse. Zum anderen wären die Vertragsparteien auf diese Weise dem Art. 9 OSPAR-Ü zu Grunde liegenden – dort freilich an die Behörden der Vertragsparteien gerichteten – Transparenzgebot besser gerecht geworden, zumal das für die Anhänge geltende Änderungsverfahren (vgl. Art. 19 OSPAR-Ü) dem Verfahren zum Erlass von Beschlüssen (vgl. Art. 13 Abs. 2 OSPAR-Ü) im Wesentlichen entspreche679. Mag die zurückhaltende Praxis der OSPAR-Kommission dieser Kritik auf den ersten Blick auch Recht geben – bei näherer Betrachtung überzeugt sie nicht. So ist zu bedenken, dass die Kommission nicht nur für einzelne Maßnahmen zuständig ist, sondern für die Ausgestaltung des Übereinkommens insgesamt. Sie musste deshalb in die Lage versetzt werden, auf einzelne Verschmutzungsarten bezogene Maßnahmen flexibel in die ebenfalls von ihr entwickelten (unverbindlichen) Arbeitsprogramme und Strategien einzubetten. Auch in Deutschland wurden flexible Regelungsinstrumente, zumal solche ohne Außenwirkung (Verwaltungsvorschriften), für die Umsetzung von inter- bzw. supranationalen Vorgaben von der herrschenden Lehre als vorzugswürdig, da am praktikabelsten und effektivsten, angesehen, bevor der Europäische Gerichtshof diese Praxis im Jahre 1991 verwarf680. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass feste Vorgaben in einem potentiellen Widerspruch zu der Erkenntnis stehen, dass sich umweltvölkerrechtliche Normen immer an den tatsächlichen Zuständen orientieren sollen681. Worin aber der Vorzug einer Fixierung im Übereinkommen selbst liegen soll, wenn die einschlägigen Bestimmungen angesichts ihres stoffbezogenen, tatsächlichen Gehalts ohnehin ständig angepasst werden müssten, ist nicht ersichtlich. Mit einer einheitlichen Zuständigkeit der Kommission für politische Zielvorgaben einerseits und konkretisierende Maßnahmen andererseits dürfte deshalb letztlich mehr gewonnen sein.
678
(Fn. 581), S. 22. – Gemäß Art. 14 Abs. 2 OSPAR-Ü haben die Anhänge „wissenschaftlichen, technischen oder verwaltungstechnischen Charakter“. 679 Ebd., S. 23. 680 Statt vieler siehe Breuer, Umweltschutzrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1999, S. 559, Rn. 148; Kloepfer, Umweltrecht, 2. Auf. 1998, S. 142, Rn. 72. 681 Siehe dazu schon o. die Einleitung zum Ersten Teil.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
b) Verschmutzung durch Einbringen oder Verbrennen Nach Art. 4 OSPAR-Ü sind die Vertragsparteien verpflichtet, „einzeln und gemeinsam alle nur möglichen Maßnahmen [zu ergreifen], um die Verschmutzung durch das Einbringen oder die Verbrennung von Abfällen oder sonstigen Stoffen in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen, insbesondere wie in Anlage II vorgesehen, zu verhüten und zu beseitigen.“
Auch im Rahmen der Verschmutzungsart „Einbringen und Verbrennen“ kommt es hiernach maßgeblich auf die Bestimmungen der einschlägigen Anlage an. Was „Einbringen“ und „Verbrennen“ bedeutet, wird freilich schon in Art. 1 OSPAR-Ü, unter lit. f-i, konkretisiert. Dort wird zumal geklärt, was gerade nicht darunter zu verstehen ist. Art. 1 lit. g, i OSPAR-Ü klammert etwa das betriebsbedingte Einbringen bzw. Verbrennen aus, das – soweit die Schifffahrt betroffen ist – bekanntlich in den Zuständigkeitsbereich der IMO fällt682; sachliche Überlagerungen mit dem universellen und spezialisierten IMO-Regime sollen vermieden werden. In Übereinstimmung zu Art. 1 Abs. 1 Nr. 5 lit. a SRÜ und Art. III Dumping-Konvention, im Unterschied aber zum Oslo-Ü, das keine entsprechende Begriffsdefinition enthielt, umfasst „Einbringen“ nach dem OSPAR-Ü auch die vorsätzliche Beseitigung von Schiffen, Luftfahrzeugen, Offshore-Anlagen und OffshoreRohrleitungen (lit. f ii)), also nicht mehr nur die vorsätzliche Beseitigung von Abfällen und anderen Stoffen von jenen Quellen aus. Dies einschränkend findet Anlage II OSPAR-Ü gemäß ihres Art. 1 allerdings weder auf die vorsätzliche Beseitigung von Abfällen und sonstigen Stoffen durch Offshore-Anlagen noch auf die vorsätzliche Beseitigung von Offshore-Anlagen und Offshore-Rohrleitungen Anwendung, so dass es diesbezüglich bei der allgemeinen Verpflichtung des Art. 4 OSPAR-Ü („insbesondere“) bleibt. Es irritiert, dass die Vertragsparteien die Beseitigung etwa von ausgedienten Ölbohrplattformen im definitionsgewidmeten Art. 1 OSPAR-Ü als „Einbringen“ qualifiziert haben, um sie anschließend wieder aus den materiell-rechtlichen Bestimmungen der einschlägigen Anlage auszuklammern. Angesichts des Umstands, dass das Einbringen von ausgedienten Offshore-Anlagen und Offshore-Rohrleitungen dann plötzlich der einer anderen Verschmutzungsart (Verschmutzung durch Offshore-Quellen) gewidmeten Anlage III OSPAR-Ü zugeordnet wird, ist nach den Gründen für dieses Vorgehen zu fragen. Darauf ist zurückzukommen.
Wie das Londoner Dumping-Protokoll verfolgt das OSPAR-Ü einen „reverse listing“-Ansatz, d. h. das Übereinkommen regelt nicht, welche Stoffe nicht eingebracht werden dürfen, sondern nur, für welche Stoffe das in Art. 3 Abs. 1 Anlage II OSPAR-Ü niedergelegte Verbot des Einbringens nicht gilt. Obwohl mengenmäßig der bei weitem größte Anteil der in die 682 Siehe o. Kapitel 2, I. 1. a). Art. 1 lit. g i) OSPAR-Ü verweist denn auch ausdrücklich auf MARPOL.
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Meeresumwelt eingebrachten Stoffmenge, und obgleich immerhin zu 10% mit toxischen Stoffen und Pestiziden kontaminiert683, zählt nach Art. 3 Abs. 2 lit. a Anlage II OSPAR-Ü unter anderem Baggergut zu den vom Dumpingverbot ausgenommenen Abfällen und Stoffen. Auch sie dürfen freilich nicht nach Gutdünken eingebracht werden. Vielmehr steht die Zulässigkeit des Einbringens gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. a Anlage II OSPAR-Ü unter der Bedingung, dass die zuständigen Behörden zuvor eine Genehmigung erteilt bzw. eine entsprechende Regelung getroffen haben. Diese Genehmigungen bzw. Regelungen müssen den von der OSPAR-Kommission nach Art. 6 Anlage II OSPAR-Ü angenommenen Maßstäben, Richtlinien und Verfahren entsprechen, Art. 4 Abs. 1 lit. b Anlage II OSPAR-Ü. Hinsichtlich des Baggergutes hat die Kommission bereits entsprechende, an sich unverbindliche „OSPAR Guidelines for the Management of Dredged Material“ angenommen, die nähere Voraussetzungen für die Erteilung einer Dumpinggenehmigung enthalten684. Weiterhin müssen die Vertragsparteien Unterlagen über alle eingebrachten Stoffe führen und diese der OSPARKommission vorlegen685. Eine allgemeine Ausnahme gilt gemäß Art. 7 Anlage II OSPAR-Ü in Fällen höherer Gewalt, „wenn die Sicherheit von Menschenleben oder eines Schiffes oder Luftfahrzeuges bedroht ist“; dann können unter engen Voraussetzungen Stoffe und andere Abfälle in die Meeresumwelt eingebracht werden. Das dem Topos „höhere Gewalt“ durchaus inhärente Missbrauchspotential wird dadurch begrenzt, dass ein solches Einbringen sofort der Kommission zu melden ist. Neben Baggergut, inerten Stoffen natürlichen Ursprungs, Fischabfällen sowie Schiffen und Luftfahrzeugen waren auf Betreiben Frankreichs und Großbritanniens ursprünglich die schwach- und mittelradioaktiven Stoffe vom Dumpingverbot ausgenommen. Zwar durften auch diese grundsätzlich nicht in die Meeresumwelt eingebracht werden. Der Umstand, dass neben dem allgemeinen Dumpingverbot des Art. 3 Abs. 1 Anlage II OSPAR-Ü mit Art. 3 Abs. 3 lit. a Anlage II OSPAR-Ü ein „eigenes“, auf jene radioaktiven Stoffe bezogenes Dumpingverbot formuliert wurde, ließ aber aufhorchen. Art. 3 Abs. 3 lit. b Anlage II OSPAR-Ü enthielt denn auch die Ausnahme zum Verbot: Nach Ablauf eines am 1. Januar 1993 in Kraft ge683
Siehe o. Erster Teil, Kapitel 3, II. 2. OSPAR Guidelines for the Management of Dredged Material (Reference No. 1998-20), paras. 11.1–11.3. Daneben sollen die Vertragsparteien unter anderem Forschungseinrichtungen schaffen, in denen Proben des eingebrachten Baggergutes untersucht werden können (paras. 7.1 ff.), und es sollen Möglichkeiten einer vorteilhaften Nutzung des Baggergutes eruiert werden (para. 8.2). – Da die von der Kommission erlassenen Richtlinien nicht über Außenwirkung verfügen, sind sie hinsichtlich ihrer Rechtsnatur den aus dem deutschen Verwaltungsrecht bekannten Verwaltungsvorschriften verwandt. 685 Vgl. Art. 4 Abs. 3 Anlage II OSPAR-Ü. 684
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
tretenen 15-jährigen Dumpingmoratoriums sollten Frankreich und Großbritannien ihre Dumpingaktivitäten wiederaufnehmen können, indem sie das Zustandekommen eines Beschlusses über die Verlängerung des Moratoriums hätten verhindern und im Hinblick auf den dann im Jahre 2008 zu treffenden Beschluss von ihrem „opting out“-Recht hätten Gebrauch machen können686. Freilich war im Zeitpunkt der Annahme des Übereinkommens bereits die Vereinbarung eines – immerhin 15-jährigen – Dumpingmoratoriums ein Teilerfolg, zumal England und Frankreich gemäß Art. 3 Abs. 3 lit. c Anlage II OSPAR-Ü der Kommission ab 1999 alle zwei Jahre über die Schaffung alternativer Entsorgungsmöglichkeiten an Land und über die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen hinsichtlich der Ungefährlichkeit der eingebrachten Stoffe berichten sollten. Im Jahre 1998 gelang während des Ministertreffens von Sintra/Portugal mit Verabschiedung der „OSPAR Decision 98/2 on Dumping of Radioactive Waste“ der große Durchbruch: „The exception, provided in subparagraph (b) of paragraph 3 of Article 3 of Annex II to the OSPAR Convention, to the prohibition, in subparagraph (a) of that paragraph, on the dumping of low and intermediate level radioactive substances, including wastes, shall not be continued“687.
Grundlage dieses einstimmig gefassten Beschlusses, mit dessen In-KraftTreten (am 9. Februar 1999) Art. 3 Abs. 3 lit. b Anlage II OSPAR-Ü gegenstandslos wurde, war Art. 3 Abs. 3 lit. c Anlage II OSPAR-Ü. Für die vom Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 lit. a Anlage II OSPAR-Ü nicht erfassten hochradioaktiven Stoffe galt jene Ausnahmeregelung ohnehin nicht; Art. 3 Abs. 1 Anlage II OSPAR-Ü war und ist zu entnehmen, dass mit Ausnahme der in den Absätzen 2 und 3 aufgeführten Abfälle und Stoffe das Einbringen „aller Abfälle oder sonstigen Stoffe [. . .]“688, mithin auch der hochradioaktiven, verboten ist. Im Hinblick auf die Stoff- und Abfallverbrennung auf See besteht gemäß Art. 2 Anlage II OSPAR-Ü ein absolutes Verbrennungsverbot, von dem auch die Notfallbestimmung Art. 7 Anlage II OSPAR-Ü („Bestimmungen dieser Anlage über das Einbringen“) keine Ausnahme zulässt. Faktisch ist dieses Verbot bereits seit 1991 überflüssig689. 686 Art. 3 Abs. 3 lit. c OSPAR-Ü lautet: „Sofern die Kommission nicht bei oder vor Ablauf dieser Frist von 15 Jahren einstimmig beschließt, die unter Buchstabe b vorgesehene Ausnahmeregelung nicht fortzuführen, fasst sie einen Beschluss nach Artikel 13 des Übereinkommens über die Verlängerung des Verbots um einen Zeitraum von 10 Jahren vom 1. Januar 2008 an; [. . .]“. Siehe dazu auch Hey/IJlstra/ Nollkaemper (Fn. 581), S. 28. 687 Wortlaut des im Text bezeichneten OSPAR-Beschlusses. 688 Hervorhebung hinzugefügt. 689 Siehe o. Erster Teil, Kapitel 3, II. 2.
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c) Verschmutzung durch Offshore-Quellen Die Bestimmungen des OSPAR-Ü über die Verschmutzung durch Offshore-Quellen, d. h. durch Offshore-Anlagen und Offshore-Rohrleitungen, von denen aus Stoffe oder Energie in das Meeresgebiet gelangen690, widmen sich im Wesentlichen zwei Problemkreisen: Zum einen geht es um die Verschmutzung der Meeresumwelt durch Offshore-Chemikalien und die im abgelassenen Wasser enthaltenen Ölrückstände, zum anderen um die Versenkung von ausgedienten Offshore-Anlagen691. Wie nicht anders zu erwarten, ist der dem Übereinkommen zu Grunde liegende Ansatz dem der Verschmutzung durch Einbringen oder Verbrennen verwandt. So verpflichtet Art. 5 OSPAR-Ü die Vertragsparteien in allgemeiner Form, „einzeln und gemeinsam alle nur möglichen Maßnahmen [zu ergreifen], um die Verschmutzung durch Offshore-Quellen in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen, insbesondere wie in Anlage III vorgesehen, zu verhüten und zu beseitigen“.
Konkretisiert wird diese Verpflichtung nicht nur durch die Bestimmungen der Anlage III OSPAR-Ü, die in Art und Aufbau ihrerseits Anlage II OSPAR-Ü ähnelt bzw. sie ergänzt692, sondern gerade auch durch das von der OSPAR-Kommission beschlossene Sekundärrecht. Mit Bezug auf die Verschmutzung der Meeresumwelt durch OffshoreChemikalien und die im abgelassenen Wasser enthaltenen Ölrückstände scheint Anlage III OSPAR-Ü auf den ersten Blick wenig Gehaltvolles zu enthalten. Dass die Vertragsparteien bei der Annahme von diesbezüglichen Programmen und Maßnahmen gemäß Art. 2 Anlage III OSPAR-Ü die Anwendung der BAT und BEP verlangen müssen, ist ohne nähere Bedeutung, da sich dies bereits aus Art. 2 Abs. 3 lit. b ii) OSPAR-Ü ergibt. Einleitungen oder Emissionen durch Offshore-Quellen sind auch nicht etwa verboten693, sondern unterliegen gemäß Art. 4 Abs. 1 Anlage III OSPAR-Ü lediglich einer Genehmigungs- bzw. Regelungspflicht der zuständigen Behörden. Immerhin müssen letztere – eine weitere Parallele zur Verschmutzungsart „Einbringen“ – Beschlüsse, Empfehlungen und sonstigen Übereinkünfte durchführen, die aufgrund des Übereinkommens angenommen wurden. Auch im Rahmen vorliegender Verschmutzungsart kommt es insofern maßgeblich auf die Rechtsetzungstätigkeit der OSPAR-Kommission an. Dies wird von Art. 10 Anlage III OSPAR-Ü unterstrichen, wonach die Kommission unter anderem die Aufgabe hat, Informationen über die bei 690
Vgl. Art. 1 lit. k OSPAR-Ü. Zur faktischen Lage siehe o. Erster Teil, Kapitel 3, II. 3. 692 Vgl. Art. 3 Abs. 1 Anlage III OSPAR-Ü: „Das Einbringen von Abfällen oder sonstigen Stoffen durch Offshore-Anlagen ist verboten.“ 693 Vgl. Art. 3 Abs. 2 Anlage III OSPAR-Ü. 691
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Offshore-Tätigkeiten verwendeten Stoffe zu sammeln und auf Grundlage dieser Informationen Stofflisten zu erstellen, die dann ihrerseits von den zuständigen Behörden der Vertragsparteien bei der Erteilung von Genehmigungen berücksichtigt werden müssen. Mag der Listenansatz694, den die Vertragsparteien bekanntlich in anderem Zusammenhang verworfen haben, angesichts von mehr als 1.000 denkbaren Stoffkombinationen für OffshoreChemikalien695 auch Effektivitätsbedenken ausgesetzt sein, ist Anlage III gleichwohl ein höheres Schutzpotential inhärent, als noch im Zeitpunkt des Abschlusses des Übereinkommens angenommen696. Dieses Potenzial wurde von der Kommission in den Jahren 2000/2001 durch zwei Beschlüsse und drei Empfehlungen – Maßnahmen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Anlage III OSPAR-Ü – teilweise abgerufen, nachdem 1999 ein entsprechender Arbeitsplan verabschiedet worden war697. So enthält die „OSPAR Decision 2000/2 on a Harmonised Mandatory Control System for the Use and Reduction of the Discharge of Offshore Chemicals“ Richtlinien für die Vergabe von Genehmigungen, die von den zuständigen Behörden berücksichtigt werden müssen, darunter unter anderem ein regelmäßig zu aktualisierendes Stoffranking. Das dazu erforderliche Überprüfungsverfahren richtet sich nach der „OSPAR Recommendation 2000/4 on a Harmonised Pre-screening Scheme for Offshore Chemicals“, die Vereinnahmung der Stoffdaten nach der „OSPAR Recommendation 2000/5 on a Harmonised Offshore Chemical Notification Format (HOCNF)“. Weiterhin ist mit InKraft-Treten der „OSPAR Decision 2000/3 on the Use of Organic-Phase Drilling Fluids (OPF) and the Discharge of OPF-Contaminated Cuttings“ am 16. Januar 2001698 die Verwendung besonders schädlicher Bohrflüssigkeiten verboten bzw. nur mehr eingeschränkt zulässig699. Mit Bezug auf Einleitungen des mit Öl- und Chemikalienrückständen belasteten Wassers ist schließlich die „OSPAR Recommendation 2001/1 for the Management of Produced Water from Offshore Installations“ einschlägig. Das Ziel dieser Empfehlung, „to prevent and eliminate pollution by oil and other substances caused by discharges of produced water into the sea“700, soll im Wege einer Reduktion des in die See rückgeführten Wassers sowie einer Verringerung der in diesem Wasser enthaltenen Stoffrückstände erreicht werden. Die Empfehlung ist an sich zwar unverbindlich, muss aber im Rahmen der 694
Siehe auch Art. 10 lit. b Anlage III OSPAR-Ü. Siehe o. Erster Teil, Kapitel 3, II. 3. 696 Siehe etwa die Kritik bei Hey/IJlstra/Nollkaemper (Fn. 581), S. 32. 697 OSPAR Strategy on Environmental Goals and Management Mechanisms for Offshore Activities (Reference No. 1999-12). 698 Siehe para. 4.1 des Beschlusses. 699 Paras. 3.1.1–3.1.6. Zur faktischen Lage siehe o. Erster Teil, Kapitel 3, II. 3. 700 Para. 2.1. 695
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auch insoweit bestehenden Genehmigungspflichtigkeit von Wassereinleitungen von den zuständigen Behörden der Vertragsparteien berücksichtigt werden, Art. 4 Abs. 1 Anlage III OSPAR-Ü. Trotz der primär aus der Verschmutzung durch Offshore-Chemikalien resultierenden Probleme ist vorliegender Verschmutzungsart die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erst seit den Plänen des Ölmultis Shell, die ausgediente Ölbohrplattform Brent Spar mit Einverständnis der Regierung Großbritanniens im Nordostatlantik701 zu versenken, gewiss. Ebenso wie die Vertragsparteien des universellen Londoner Dumping-Protokolls haben die OSPAR-Vertragsparteien auf der regionalen Ebene zwischenzeitlich auf die von Greenpeace initiierten Proteste reagiert702. Dabei hatte das OSPAR-Ü diesbezüglich ursprünglich kaum Anlass zu Hoffnung gegeben: Die Versenkung von Offshore-Anlagen wurde in Art. 1 OSPAR-Ü zwar als „Einbringen“ qualifiziert, durch Art. 1 lit. b Anlage II OSPAR-Ü den dieser Verschmutzungsart gewidmeten Bestimmungen freilich wieder entzogen. Anstelle dessen durften ausgediente Ölbohrplattformen nach Art. 5 Abs. 1 Anlage III OSPAR-Ü nicht „ohne eine im Einzelfall von der zuständigen Behörde der betroffenen Vertragspartei erteilten Erlaubnis“ eingebracht oder zurückgelassen werden, wobei „die einschlägigen anzuwendenden Beschlüsse, Empfehlungen und sonstigen Übereinkünfte [. . .], die aufgrund des Übereinkommens angenommen wurden“, durchzuführen waren. Was aber war der Grund für die nachträgliche Eingliederung in den Kontext der Verschmutzung durch Offshore-Quellen? Angesichts des Umstands, dass sich die Bestimmungen über die Verschmutzung durch Offshore-Quellen letztlich nur marginal vom Regime der Verschmutzung durch Einbringen unterscheiden, kommt ein Unterlaufen des Schutzes der Anlage II OSPAR-Ü infolge jener Umgliederung nicht in Betracht. Sie dürfte ihren Grund vielmehr darin finden, dass die Versenkung von Ölbohrplattfomen andernfalls ausdrücklich als Ausnahme zum grundsätzlich bestehenden Dumpingverbot hätte normiert werden müssen. Nach den Erfahrungen mit der Brent Spar wollten die Vertragsparteien offenbar 701
Der Ort der geplanten Versenkung lag 250 km westlich der Äußeren Hebri-
den. 702 Bekanntlich gerieten die öffentlichen Reaktionen in einigen EU-Mitgliedstaaten mit zunehmender Dauer der Kampagne außer Kontrolle. In Deutschland wurden etwa Brandanschläge auf Shell-Tankstellen verübt. Greenpeace verurteilte die Anwendung der Gewalt und wandte sich mit einem Appell zur Gewaltlosigkeit an die deutsche Öffentlichkeit (F.A.Z. v. 17. 6. 1995, S. 1). Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die von Greenpeace gemeldeten Angaben über die sich in der Brent Spar befindende Ölmenge nicht den Tatsachen entsprachen – anstelle der angegebenen 5.000 t Rohöl befanden sich in der Ölbohrplattform lediglich 100 t, freilich zum Teil mit Schwermetallen kontaminierter Ölschlamm –, entschuldigte sich der NGO öffentlich bei Shell; siehe F.A.Z. v. 6. 9. 1995, S. 1.
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vermeiden, entsprechend Farbe zu bekennen. Ferner ist daran zu erinnern, dass das ältere Oslo-Ü hinsichtlich des Einbringens bestimmter Abfälle verschärfte Anforderungen enthielt. Behälter, Schrott und sonstige sperrige Abfälle, die Fischerei und Schifffahrt wesentlich behindern konnten, durften gemäß Abs. 2 i.V. m. Abs. 1 lit. b Anlage II Oslo-Ü ausschließlich in tiefem Wasser eingebracht werden. Die Bedingungen für „tiefes Wasser“ enthielt Abs. 4 Anlage II Oslo-Ü: Zum einen musste die Wassertiefe mindestens 2.000 m, zum anderen die Entfernung vom nächstgelegenen Land mindestens 150 sm betragen. Da ausgediente Offshore-Anlagen problemlos als „Schrott“ bzw. „sperriger Abfall“ im weiteren Sinne qualifiziert werden konnten, war die Versenkung solcher Anlagen nur in tiefem Wasser zulässig – eine Beschränkung, mit der der „Entsorgerstaat“ Großbritannien nicht einverstanden war703. Die Aufnahme der Offshore-Anlagen in Anlage III OSPAR-Ü dürfte demnach im Wesentlichen auf der Skepsis Großbritanniens gegenüber der Qualifizierung als Einbringen beruhen. Jene vor allem aus Sicht der Umweltlobby unbefriedigende Rechtslage hat sich mit der „OSPAR Decision 98/3 on the Disposal of Disused Offshore Installations“ grundlegend gewandelt. Gemäß para. 2 dieses Beschlusses besteht nunmehr im gesamten räumlichen Geltungsbereich des OSPARÜ ein Verbot des Einbringens ausgedienter Plattformen: „The dumping, and the leaving wholly or partly in place, of disused offshore installations within the maritime area is prohibited“.
Wenn gelegentlich geltend gemacht wird, in formeller Hinsicht handele es sich dabei um eine Änderung des Übereinkommens704, weshalb Art. 5 Anlage III OSPAR-Ü mit In-Kraft-Treten des Beschlusses am 9. Februar 1999705 gegenstandslos geworden sei, muss dies freilich insofern überraschen, als das Verfahren zur Änderung des Übereinkommens bzw. seiner Anlagen nicht dem (vereinfachten) Beschlussannahmeverfahren entspricht706. Im Unterschied zu Art. 3 Abs. 3 lit. b Anlage II OSPAR-Ü sieht Art. 5 Anlage III OSPAR-Ü auch keine Änderung durch Kommissionsbeschluss vor, öffnet sich also gerade nicht seiner sekundärrechtlichen Ausgestaltung. Die strengeren Anforderungen des Änderungsverfahrens im Sinne von Art. 15, 17 OSPAR-Ü wurden demzufolge offenbar unterlaufen. Gleichwohl ist die Aussage, einzelne Bestimmungen des Übereinkommens könnten auch durch Beschluss der OSPAR-Kommission geändert werden, i. E. zutreffend. Dafür spricht die im Übereinkommen selbst ange703
Hey/IJlstra/Nollkaemper (Fn. 581), S. 29. Zum einschlägigen englischen Recht siehe Mankabady, JMLC 28 (1997), S. 603 (608 ff.). 704 So etwa de La Fayette (Fn. 590), S. 271, Fn 83. 705 Vgl. para. 8 des Beschlusses. 706 Zu den Verfahren siehe u. 4. a) und o. 1. c).
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legte Gleichrangigkeit707 des „OSPAR-Primärrechts“ und des „OSPAR-Sekundärrechts“. Obwohl Art. 14 OSPAR-Ü, wonach „die Anlagen und Anhänge [. . .] Bestandteil des Übereinkommens“ sind, die ja ebenfalls verbindlichen Beschlüsse nicht erwähnt, ist diese Gleichrangigkeit unter anderem dem Umstand zu entnehmen, dass Beschlüsse nach dem selben Verfahren angenommen werden (vgl. Art. 13 Abs. 1–3 OSPAR-Ü), das auch für Änderungen der Anhänge gilt (vgl. Art. 19 OSPAR-Ü). Weiterhin verlangt Art. 31 Abs. 2 OSPAR-Ü die Vereinbarkeit der nach den Übereinkommen von Oslo und Paris angenommenen Beschlüsse, Empfehlungen und sonstigen Übereinkünfte sowohl mit den Bestimmungen des OSPAR-Ü als auch mit den von der OSPAR-Kommission getroffenen Beschlüssen. Dass die Bestimmungen eines völkerrechtlichen Vertrags auch unabhängig vom in ihm vorgesehenen Änderungsverfahren modifiziert werden können, lässt sich allgemein Art. 41 Abs. 1 lit. b WVK – Ausprägung des lex posteriorGrundsatzes – entnehmen708. Dort heißt es: „Zwei oder mehr Vertragsparteien eines mehrseitigen Vertrags können eine Übereinkunft schließen, um den Vertrag ausschließlich im Verhältnis zueinander zu modifizieren, a) [. . .] b) wenn die betreffende Modifikation durch den Vertrag nicht verboten ist und (i) die anderen Vertragsparteien in dem Genuss ihrer Rechte auf Grund des Vertrags oder in der Erfüllung ihrer Pflichten nicht beeinträchtigt und (ii) sich nicht auf eine Bestimmung bezieht, von der abzuweichen mit der vollen Verwirklichung von Ziel und Zweck des gesamten Vertrags unvereinbar ist.“
Aus den verschiedenen Formen denkbarer völkerrechtlicher Zusammenarbeit folgt, dass auch ein im OSPAR-Rahmen angenommener Beschluss eine „Übereinkunft“ im Sinne von Art. 41 Abs. 1 WVK darstellen kann709. Diese Norm verwendet den Begriff „Übereinkunft“ („agreement“) anstelle von „Vertrag“ („treaty“) gewiss nicht ohne Grund710. Da ein von der Kom707 Zurückhaltend de La Fayette (Fn. 590), S. 257: „appears to indicate that they [decisions] enjoy a relatively high status within the economy of the OSPAR-regime“. 708 Art. 41 WVK und Art. 40 WVK, der in Abs. 1 auf das Änderungsverfahren des betroffenen Vertrags verweist, gelten nicht alternativ, sondern kumulativ. Allein aus dem Umstand, dass ein Übereinkommen ein eigenes Änderungsverfahren beinhaltet, kann deshalb nicht auf ein Modifikationsverbot im Sinne von Art. 41 Abs. 1 lit. b WVK geschlossen werden. 709 und relativiert die These, dass Beschlüsse einer internationalen Organisation in dem Fall, in welchem die Organisation nach ihrer Satzung zur Rechtsetzung gegenüber ihren Mitgliedstaaten befugt ist, eigene, von der Satzung zu unterscheidende Völkerrechtsquellen sind. Vgl. aber Mössner, Rechtsquellen, in: Seidl-Hohenveldern (Fn. 225), S. 329 (331).
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mission angenommener Beschluss gemäß Art. 13 Abs. 2 OSPAR-Ü ohnehin nur diejenigen Vertragsparteien bindet (und gleichsam zwischen ihnen gilt), die für ihn gestimmt und hernach nicht vom „opting out“-Recht Gebrauch gemacht haben, das OSPAR-Ü im Übrigen eine Modifikation seiner Bestimmungen durch Beschlüsse nicht verbietet, sie in Einzelfällen711 vielmehr gebietet, sind die Voraussetzungen von Art. 41 Abs. 1 lit. b WVK vorliegend erfüllt. Der von Art. 41 Abs. 2 WVK geforderten Notifikation der Anderen wird im Falle eines OSPAR-Beschlusses schon dadurch genügt, dass sich die Kommission „aus Vertretern aller Vertragsparteien“ (Art. 10 Abs. 1 OSPAR-Ü) zusammensetzt, diese also ohnehin gemeinsam beraten und entscheiden. Eine Änderung von Bestimmungen des Übereinkommens durch nachfolgenden Beschluss ist mithin völkerrechtlich unbedenklich. Auch im Hinblick auf den materiellen Gehalt des Beschlusses 98/3 gilt der Allgemeinposten „Kein Verbot ohne Ausnahme“712. Die Ausnahmen sind in para. 3 enthalten und beziehen sich auf Verankerungsstrukturen, auf die in Anlage I des Beschlusses genannten Strukturen (unter anderem Plattformen mit einem Gewicht von mehr als 10.000 t) sowie auf beschädigte oder andere Plattformen, die nicht oder nur schwer an Land transportiert werden können713. Voraussetzung für ein Einbringen solcher Strukturen ist eine Genehmigung der zuständigen Behörde des Entsorgerstaats, die auf einer anhand der in Anlage II des Beschlusses niedergelegten Maßstäbe getroffenen Beurteilung beruhen und den Anforderungen von Anlage IV des 710 Vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a WVK: „bedeutet ,Vertrag‘ eine in Schriftform geschlossene und vom Völkerrecht bestimmte internationale Übereinkunft zwischen Staaten [. . .]“. Siehe auch die Nachweise in Dritter Teil, Fn. 763. 711 Vgl. etwa Art. 3 Abs. 3 lit. b Anlage II OSPAR-Ü. 712 Vgl. auch para. 5 der Präambel des Beschlusses: „RECOGNISING that reuse, recycling or final disposal on land will generally be the preferred option for the decommissioning of offshore installations in the maritime area“ (zweite Hervorhebung vom Verf.). 713 Die IMO hatte schon 1989 gefordert, alle Plattformen seien derartig zu konstruieren, dass ein Rücktransport an Land möglich sei; siehe IMO Doc. MSC 57/27, Add. 2, Annex 31, Resolution A.672(16): Guidelines and Standards for the Removal of Offshore Installations and Structures on the Continental Shelf and the Exclusive Economic Zone, 19 October 1989. Die Resolution verweist auf Art. 60 Abs. 3 SRÜ, wonach bei der Beseitigung von aufgegebenen oder nicht mehr benutzten Anlagen oder Bauwerken „die allgemein anerkannten internationalen Normen zu berücksichtigen [sind], die in dieser Hinsicht von der zuständigen internationalen Organisation festgelegt sind.“ Aus der gleichen Bestimmung ergibt sich freilich, dass die Aufgabe bzw. Teilversenkung ausgedienter Bohrinseln nach dem SRÜ an sich nicht unzulässig ist (ebd., a. E.). Schon deshalb kann von einem universell geltenden, gewohnheitsrechtlichen Versenkungsverbot nicht ausgegangen werden (vgl. aber Hohmann, F.A.Z. v. 24. 6. 1995, S. 9). Zur früheren Staatenpraxis siehe Peters/Soons/ Zima, NYIL 15 (1984), S. 167 (174 ff.).
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Beschlusses genügen muss. Darüber hinaus verfügen die anderen Vertragsparteien über ein Anhörungsrecht. Sie müssen also nicht nur über das geplante Einbringen informiert werden, sondern können nach dem in Anlage III des Beschlusses niedergelegten Verfahren Bedenken geltend machen bzw. die Entscheidung, eine Struktur im Sinne von para. 3 zu versenken, kommentieren. Einsprüche haben keine aufschiebende Wirkung: kein Vetorecht. Der Entsorgerstaat muss aber mindestens 32 Wochen vor Genehmigungserteilung ein Konsultationsverfahren einleiten. Können die Bedenken anderer Vertragsparteien nicht ausgeräumt werden, beruft der OSPAR-Exekutivsekretär eine außerordentliche Versammlung aller Vertragsparteien ein, die mit einem Bericht des Versammlungsleiters endet. Es dürfte sich um ein hinreichend abschreckendes und zeitintensives Verfahren handeln, bei dem eine Vertragspartei, die das Einbringen ausgedienter Strukturen plant, ihre Beweggründe offenzulegen gezwungen ist. Bislang ist der Ernstfall noch nicht eingetreten, die Wirksamkeit jenes Verfahrens noch nicht unter Beweis gestellt. Es macht jedoch Mut, dass die Kommission auf eine weitere Verschärfung der Ausnahmebedingungen hinarbeiten muss714, das grundsätzliche Dumpingverbot für ausgediente Plattformen sich mittelfristig also in ein absolutes wandeln soll, mit potentiellen Folgen auch für das Gewohnheitsrecht715. Der dem Versenkungsverbot seitens der ansonsten eher skeptischeren NGOs gespendete Applaus kam nach alledem nicht überraschend716, zumal sich das Thema trotz bzw. wegen seiner im Rahmen des Meeresschutzes marginaleren Bedeutung seit Brent Spar medienwirksam verkaufen lässt. 4. Formelles: Änderungsverfahren, Durchsetzung, Streitbeilegung a) Änderungsverfahren Änderungen des Übereinkommens erfolgen nach dem von Art. 15 OSPAR-Ü vorgegebenen Verfahren. Hiernach werden Änderungen von der Kommission durch einstimmigen Beschluss der Vertragsparteien angenommen717 und treten am dreißigsten Tag in Kraft, nachdem mindestens sieben Vertragsparteien ihre Ratifikationen, Annahmen oder Genehmigungen notifiziert haben718. Für „Nachzügler“ treten die Änderungen am dreißigsten 714
Para. 7 des Beschlusses: „[. . .] the Commission shall endeavour to achieve unanimous support for amendments to that Annex [Anlage 1 des Beschlusses] in order to reduce the scope of possible derogations under paragraph 3“. 715 Von einem gewohnheitsrechtlichen Verbot des Einbringens ausgedienter Plattformen kann auch im europäischen Raum derzeit nicht ausgegangen werden. 716 Siehe F.A.Z. v. 24. 7. 1998, S. 1. 717 Vgl. Art. 15 Abs. 3 OSPAR-Ü.
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Tag nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde in Kraft. Gemäß Art. 16, 17 OSPAR-Ü gilt das gleiche Verfahren für die Annahme neuer und die Änderung bestehender Anlagen, mit einer Ausnahme: Soweit eine Anlage im Sinne der Art. 3–7 OSPAR-Ü betroffen ist, werden Änderungen von der Kommission nicht einstimmig, sondern (nur) mit Dreiviertelmehrheit der durch die Anlage gebundenen Vertragsparteien angenommen719. Dies belegt, dass es den Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in erster Linie um den Schutz der Meeresumwelt im engeren Sinne ging720. Befürchtungen, dass der von Art. 2 Abs. 1 lit. a OSPAR-Ü eigentlich vorgesehene ganzheitliche Ansatz vor dem Hintergrund des für Anlagen geltenden Änderungsverfahrens leerlaufen könnte, sind die Vertragsparteien zwischenzeitlich mit (einstimmiger) Annahme von Anlage V OSPAR-Ü über den Schutz und die Erhaltung der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt des Meeresgebiets entgegengetreten 721. Wie bereits festgestellt, folgen Änderungen der Anhänge dem gleichen Verfahren wie die Annahme von Beschlüssen722; es gilt ein „tacit acceptance“-Verfahren. Hinsichtlich der Annahme neuer Anhänge verweist Art. 18 OSPAR-Ü auf Art. 15, 17 OSPAR-Ü einerseits (Abs. 1), auf Art. 16 OSPAR-Ü andererseits (Abs. 2) – je nachdem, ob sich der neu anzunehmende Anhang von einer vorgeschlagenen Änderung des Übereinkommens bzw. einer seiner Anlagen oder aber von einer zur Annahme vorgeschlagenen Anlage herleitet. Hintergrund dieser sprachlich kompliziert gefassten Unterscheidung ist, dass der in Art. 17 Abs. 1 OSPAR-Ü enthaltene Verweis auf die Art. 3–7 fehlginge, wenn ein Anhang auf einer neu anzunehmenden (vgl. Art. 16 Abs. 2 OSPAR-Ü) Anlage beruhte. In der Regel wird ohnehin das Verfahren des Art. 15 OSPAR-Ü zur Anwendung gelangen. Entscheidender Vorteil des Übereinkommens bleibt die Möglichkeit der Kommission, im Wege des vereinfachten Annahmeverfahrens verbindliche Beschlüsse zu erlassen. b) Durchsetzung Die bereits von Art. 10 Abs. 2 lit. a OSPAR-Ü begründete „Hüterrolle“ der OSPAR-Kommission wird von Art. 23 OSPAR-Ü konkretisiert. Dort heißt es:
718 719 720 721 722
Vgl. Art. 15 Abs. 5 OSPAR-Ü. Vgl. Art. 17 Abs. 1 OSPAR-Ü. So Hey/IJlstra/Nollkaemper (Fn. 581), S. 42. Zur Anlage V OSPAR-Ü siehe u. 5. Dazu siehe o. 1. c).
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„Die Kommission a) bewertet auf der Grundlage der regelmäßigen Berichte nach Artikel 22 sowie aller sonstigen von den Vertragsparteien vorgelegten Berichte die Einhaltung des Übereinkommens und der aufgrund des Übereinkommens angenommenen Beschlüsse und Empfehlungen durch die Vertragsparteien; b) beschließt und verlangt, soweit angebracht, Maßnahmen, durch welche die volle Einhaltung des Übereinkommens und der aufgrund des Übereinkommens angenommenen Beschlüsse gewährleistet und die Durchführung der Empfehlungen gefördert wird, darunter Maßnahmen zur Unterstützung einer Vertragspartei bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen.“
Hiernach erfolgt die Durchsetzung der den Vertragsparteien obliegenden Pflichten zum einen im Wege des in Art. 22 OSPAR-Ü niedergelegten Berichtssystems. Die Vertragsparteien723 müssen der Kommission in regelmäßigen Abständen über die zur Durchführung des Übereinkommens und der von der Kommission angenommenen Beschlüsse und Empfehlungen getroffenen Maßnahmen, über die Wirksamkeit dieser Maßnahmen sowie über die bei der Durchführung des Übereinkommens auftretenden Probleme berichten. Soweit Art. 22 OSPAR-Ü nicht klärt, was unter „regelmäßigen Abständen“ zu verstehen ist, bietet es sich angesichts des Umstands, dass die Kommission mindestens einmal pro Jahr zusammentreten muss724, an, den gleichen Zeitraum für Art. 22 OSPAR-Ü für maßgeblich zu erachten; andernfalls könnte die Kommission die ihr gemäß Art. 23 lit. a OSPAR-Ü obliegenden Aufgaben nicht sinnvoll wahrnehmen, da Beschlüsse – auch solche im Sinne von Art. 23 lit. b OSPAR-Ü – grundsätzlich nur im Rahmen der Kommissionstreffen angenommen werden können725. Indem die Kommission nach Art. 23 lit. a OSPAR-Ü nicht nur die Einhaltung des Übereinkommens und der Beschlüsse bewertet, sondern auch die der an sich ja unverbindlichen Empfehlungen, kommt letzteren, jedenfalls soweit ihre Durchsetzung betroffen ist, de facto verbindliche Wirkung zu726. In welcher Form die Bewertung zu erfolgen hat, sagt weder Art. 23 lit. a OSPAR-Ü noch die Geschäftsordnung der Kommission. Theoretisch wäre die Annahme eines Beschlusses oder einer Empfehlung denkbar727. Im Hinblick auf den lediglich feststellenden Charakter der Bewertung wäre damit jedoch nichts gewonnen. Rainer Lagoni hält deshalb zu Recht die Zusammenstellung eines Berichts über die Einhaltung des Übereinkommens und der aufgrund seiner Bestimmungen getroffenen Maßnahmen für ausreichend und erforderlich728. Dass die Kommission einen solchen Bericht bislang nicht vorgelegt hat, ist rechtlich insofern unbedenk723
Nicht aber die Beobachter; Hilf (Fn. 665), S. 593. Rules of Procedure of the OSPAR Commission (Reference No. 2002-2), 2, para. 4. 725 Ebd., paras. 46 f. 726 Siehe auch Hilf (Fn. 665), S. 593; Hey/IJlstra/Nollkaemper (Fn. 581), S. 45. 727 Vgl. Art. 10 Abs. 2 lit. g, Abs. 3 OSPAR-Ü. 724
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lich, als Art. 23 OSPAR-Ü „regelmäßige“ Bewertungen nicht vorschreibt. Rechtspolitisch betrachtet hinkt aber die Durchsetzungsebene wie üblich der schutzbezogenen Ebene nach.
Das Berichtssystem wird durch den zweiten Durchsetzungsmechanismus des Art. 23 OSPAR-Ü ergänzt, nach welchem die Kommission Maßnahmen zur Einhaltung und Durchführung des Übereinkommens beschließen kann. Dieses gegenüber Art. 23 lit. a OSPAR-Ü schärfere Schwert bezieht zwar auch das OSPAR-Sekundärrecht ein, macht freilich die in lit. a vorgenommene partielle Gleichstellung von Beschlüssen und Empfehlungen wieder rückgängig: Die Kommission muss die Einhaltung der aufgrund des Übereinkommens angenommenen Beschlüsse „gewährleisten“, die Durchführung der Empfehlungen hingegen lediglich „fördern“. Diese Differenzierung ist konsequent, da andernfalls die Grenze, ab der ein Widerspruch zu Art. 13 Abs. 5 OSPAR-Ü aufträte, überschritten würde. Im Übrigen fragt sich, an welche Art von Maßnahmen Art. 23 lit. b OSPAR-Ü denkt. Zwar werden „Maßnahmen zur Unterstützung einer Vertragspartei bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen“ ausdrücklich erwähnt. Die Bestimmung macht aber hinreichend deutlich, dass es sich lediglich um ein Beispiel handelt („darunter“). Von daher scheint nicht ausgeschlossen, dass die Kommission per Beschluss Sanktionen, d. h. repressiv und auf Zufügung von Rechtsnachteilen ausgerichtete Durchsetzungsmaßnahmen729, gegen eine Vertragspartei ergreift. Indiz gegen die Zulässigkeit solcher Durchsetzungsmaßnahmen – von ihren rechtspolitischen Nachteilen einmal abgesehen730 – ist freilich, dass sich die betroffene Vertragspartei der Bindungswirkung eines nach Art. 23 lit. b OSPAR-Ü angenommenen Beschlusses entziehen könnte, indem sie von ihrem „opting out“-Recht Gebrauch macht731. Mag diese Möglichkeit auch zur Disposition der Vertragspartei stehen – sie ist keineswegs gezwungen, einem Sanktionsbeschluss zu widersprechen –, weist Lagoni weiterhin zu Recht auf die vergleichsweise geringe Bedeutung der Kommission im Rahmen der friedlichen Streitbei728 Lagoni, Monitoring Compliance and Enforcement of Compliance through the OSPAR Commission, in: P. Ehlers/Mann Borgese/Wolfrum (Fn. 623), S. 155 (160). 729 Zum Begriff Combacau, EPIL IV (2000), S. 311 (313); Schröder (Fn. 149), S. 595, Rn. 99 f. 730 Siehe Beyerlin (Fn. 28), S. 234 f., Rn. 466: „Sanktionen, die im Zusammenhang mit der Nichterfüllung umweltvölkerrechtlicher Verpflichtungen ergriffen werden, sind weitgehend ineffektiv und ihrem Wesen nach inadäquat, da sie nur mit zeitlicher Verzögerung wirken und längerfristig schwer durchzuhalten sind. [. . .] Überdies nehmen Sanktionen von den praktischen Ursachen der Nichterfüllung umweltvölkerrechtlicher Pflichten im Einzelfall meist kaum Notiz. Sie entfalten eine stigmatisierende Wirkung, was sie für die Durchsetzung der auf Kooperation angelegten umweltvölkerrechtlichen Normen als wenig geeignet erscheinen läßt.“ 731 Lagoni (Fn. 728), S. 161 f.
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legung hin732. Nach Art. 32 Abs. 1 OSPAR-Ü ist die Kommission ein denkbares Forum für diplomatische Streitbeilegungsverfahren, nicht mehr, nicht weniger. Vor dem Hintergrund, dass ein Sanktionsbeschluss von den Vertragsparteien durchgeführt werden müsste, Art. 23 lit. b OSPAR-Ü indes die Kommission adressiert, ferner unter dem Vorbehalt steht, dass die in Betracht kommenden Maßnahmen „angebracht“ sind, und schließlich einzig die gegenüber Sanktionen weit weniger einschneidende „Unterstützung einer Vertragspartei bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen“ nennt, sprechen Systematik und Telos der Norm für einen nur begrenzten Geltungsbereich. Die Zulässigkeit von Sanktionsbeschlüssen ist deshalb zu verneinen733. Im Übrigen dürfte es sich ohnehin um eine theoretische Frage handeln – die Kommission hat bislang noch keine Beschlüsse im Sinne von 23 lit. b OSPAR-Ü angenommen. c) Streitbeilegung Im Unterschied zu einigen universellen Meeresschutzübereinkommen jüngeren Datums734 verweist das OSPAR-Ü hinsichtlich der friedlichen Streitbeilegung nicht auf die diesbezüglich einschlägigen Bestimmungen des SRÜ, sondern stellt in Art. 32 OSPAR-Ü ein eigenes Streitbeilegungsverfahren zur Verfügung. Hiernach wird „jede Streitigkeit zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung oder Anwendung des Übereinkommens [. . .] auf Antrag einer dieser Vertragsparteien einem Schiedsverfahren [. . .] unterworfen“ (Art. 32 Abs. 1 OSPAR-Ü).
Im Hinblick auf die Ausgestaltung des Schiedsverfahrens sind die streitenden Parteien grundsätzlich frei; das in den Abs. 3–10 niedergelegte Verfahren gilt nur insoweit, als die Streitparteien „nichts anderes beschließen“735. Ist dies nicht geschehen, wird auf Antrag einer Vertragspartei ein Schiedsgericht gebildet, das sich aus drei Mitgliedern zusammensetzt. Jede Streitpartei ernennt einen Schiedsrichter, bevor anschließend einvernehmlich der dritte bestimmt wird736. Zulässiger Streitgegenstand ist „die Auslegung oder Anwendung des Übereinkommens“. Das Schiedsgericht entscheidet „mit der Mehrheit seiner Mitglieder“ (Abs. 7 lit. a) den vorgelegten Streit „nach den Regeln des Völkerrechts und insbesondere nach dem Übereinkommen“ (Abs. 6 lit. a); die von der Kommission beschlossenen Empfehlungen bleiben unberücksichtigt737. 732 733
(Fn. 728), S. 162; ders. (Fn. 644), S. 196 f. Offengelassen von Hilf (Fn. 665), S. 593; Hey/IJlstra/Nollkaemper (Fn. 581),
S. 45. 734 735 736
Siehe o. Kapitel 2, I. 2. b) sowie II. 4. Art. 32 Abs. 2 OSPAR-Ü. Vgl. Art. 32 Abs. 4 OSPAR-Ü.
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Angesichts des Umstands, dass Art. 14 OSPAR-Ü zwar die Anlagen und Anhänge zu Bestandteilen des Übereinkommens zählt, nicht hingegen die von der Kommission angenommenen Beschlüsse, fragt sich, ob auch letztere Gegenstand einer Streitigkeit sein bzw. ob sie im Rahmen der Entscheidungsfindung des Schiedsgerichts eine Rolle spielen können. Das ist zu bejahen. Zum einen wird das Übereinkommen in erster Linie mittels der Beschlüsse „angewendet“, zumal, wie gezeigt, einzelne Bestimmungen des Übereinkommens durch einstimmig angenommenen Beschluss geändert werden können738. Zum anderen sind Beschlüsse der OSPAR-Kommission kraft ihrer Verbindlichkeit – und unabhängig von ihrer Einordnung in die Rechtsquellenlehre – „Regeln des Völkerrechts“ im Sinne von Art. 32 Abs. 6 lit. a OSPAR-Ü, wenn auch nur zwischen den Vertragsparteien geltende. „Der Spruch des Schiedsgerichts ist endgültig und für die Streitparteien bindend“ (Abs. 10 lit. a). Vor kurzem ist erstmals ein OSPAR-Streitbeilegungsverfahren eingeleitet worden. Nachdem Großbritannien im Jahre 2001 die Inbetriebnahme neuer Anlagenteile („MOX Plant“) der Wiederaufbereitungsanlage Sellafield genehmigt hatte, rief Irland nicht nur das Schiedsgericht im Sinne von Art. 287 Abs. 1 lit. c SRÜ an und beantragte gemäß Art. 290 Abs. 5 SRÜ die Anordnung vorläufiger Maßnahmen durch den ISGH739, sondern richtete am 15. Juni 2001 daneben einen Antrag nach Art. 32 Abs. 3 lit. a OSPAR-Ü an Großbritannien. Im Anschluss wurde ein OSPAR-Schiedsgericht gebildet, als Schiedsrichter Michael Reisman, Gavan Griffith sowie Lord Mustill bestimmt. Irland warf Großbritannien eine Verletzung von Art. 9 OSPAR-Ü vor, weil sich Großbritannien geweigert habe, die in einem unabhängigen Bericht740 enthaltenen Informationen über die geplante Auslastung des neuen Anlagenteils, den internationalen Transport der zu Wiederaufbereitungszwecken gelagerten Stoffe sowie die Kosten zur Beseitigung der auftretenden Umweltgefährdungen an Irland weiterzugeben741. Der Widerstand Irlands gegen die Inbetriebnahme der MOX Plant ist vor allem auf die ohnehin schon erhebliche radioaktive Belastung der Irischen See zurückzuführen742. Mit Schiedsspruch vom 2. Juli 2003 wurde der Antrag Irlands abgewiesen. 737
Hey/IJlstra/Nollkaemper (Fn. 581), S. 46; Hilf (Fn. 665), S. 594. Dazu siehe o. 3. b). 739 The MOX Plant (Ireland v. United Kingdom), ILM 41 (2002), 405 (406, para. 2). 740 Sog. PA Report; siehe The MOX Plant (Ireland v. United Kingdom), Request for Provisional Measures and Statement of Case of Ireland (abrufbar unter der in Fn. 62 angegebenen Internet-Adresse), 12, para. 24. 741 Ebd., 13, para. 25. 742 Dazu siehe o. Erster Teil, Kapitel 3, II. 1. e). 738
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Interessanter als der Ausgang des OSPAR-Schiedsverfahrens, das die materiellen Aspekte des OSPAR-Regimes nur beiläufig tangierte, ist ohnehin eine andere Frage, namentlich die nach der Konkurrenz internationaler Gerichte. In dem Verfahren vor dem ISGH bestritt Großbritannien mit Schriftsatz vom 15. November 2001 die Zuständigkeit des SRÜ-Schiedsgerichts (und damit auch die des ISGH): Da die Pflicht, den Zugang zu Informationen zu ermöglichen, sowohl nach dem SRÜ wie nach dem OSPAR-Ü bestehe, sei das OSPAR-Schiedsgericht gemäß Art. 282 SRÜ ausschließlich zuständig743. Abgesehen davon, dass hinsichtlich des Katalogs der von Irland geltend gemachten Rechte und Pflichten keineswegs vollständige Deckungsgleichheit zwischen den einschlägigen Übereinkommen herrscht und im Übrigen keine Regel existiert, nach der ein staatliches Verhalten nicht zugleich gegen mehrere völkerrechtliche Verträge verstoßen kann744, hat der ISGH die Argumentation Großbritanniens zu Recht wie folgt abgelehnt: „49. Considering that the dispute settlement procedures under the OSPAR Convention, the EC Treaty and the Euratom Treaty deal with disputes concerning the interpretation or application of those agreements, and not with disputes arising under the Convention; 50. Considering that, even if the OSPAR Convention, the EC Treaty and the Euratom Treaty contain rights or obligations similar to or identical with the rights or obligations set out in the Convention, the rights and obligations under those agreements have a separate existence from those under the Convention; 51. Considering also that the application of international law rules on interpretation of treaties to identical or similar provisions of different treaties may not yield the same results, having regard to, inter alia, differences in the respective contexts, objects and purposes, subsequent practice of parties and travaux préparatoires;“.745
743 The MOX Plant (Ireland v. United Kingdom), Request for Provisional Measures, Written Response of the United Kingdom, 63 f., paras. 162–166: http:// www.itlos.org/case_documents/2001/document_en_192.pdf. Das OSPAR-Schiedsgericht hat sich im Rahmen des OSPAR-Verfahrens dieser Position nicht angeschlossen; vgl. Dispute Concerning Access to Information Under Article 9 of the OSPAR Convention (Ireland v. United Kingdom), paras. 85 f. (abrufbar unter der in Fn. 644 angegebenen Fundstelle). – Eine ähnliche Frage stellt sich im Zusammenhang mit dem Case concerning the Conservation and Sustainable Exploitation of Swordfish Stocks in the South-Eastern Pacific Ocean (Chile v. European Community). Dieser Fall wurde von Chile vor den ISGH gebracht, obwohl seit April 2000 ein Verfahren vor einem WTO-Dispute Settlement Panel anhängig ist. Zum Problem vgl. Stoll/Vöneky, ZaöRV 62 (2002), S. 21 (26 f.). Mit Anordnung 2001/1 vom 15. März 2001 setzte der ISGH das Verfahren angesichts einer vorläufigen Einigung der Parteien aus. Es soll zum 1. Januar 2004 wieder aufgenommen werden. 744 Vgl. Southern Bluefin Tuna (Australia and New Zealand v. Japan), ILM 39 (2000), 1359, 1386 ff.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
Für die vom ISGH vertretene Auffassung spricht insbesondere der Wortlaut von Art. 282 SRÜ: „Haben Vertragsstaaten, die Parteien einer Streitigkeit über die Auslegung und Anwendung dieses Übereinkommens sind, im Rahmen einer allgemeinen, regionalen oder zweiseitigen Übereinkunft oder auf andere Weise vereinbart, eine solche Streitigkeit auf Antrag einer der Streitparteien einem Verfahren zu unterwerfen, das zu einer bindenden Entscheidung führt, so findet dieses Verfahren anstelle der in diesem Teil vorgesehenen Verfahren Anwendung, sofern die Streitparteien nichts anderes vereinbaren.“
Die Bestimmung bezieht sich ausschließlich („solche“) auf Vereinbarungen der Vertragsparteien, nach denen eine „Streitigkeit über die Auslegung und Anwendung dieses Übereinkommens“, d. h. des SRÜ, einem anderen Verfahren unterworfen wird, das – wie bei Art. 32 OSPAR-Ü – zu einer bindenden Entscheidung führt746. Anders als im MOX Plant-Fall geht es bei Art. 282 SRÜ also nicht um Streitigkeiten (auch) über die Auslegung und Anwendung anderer Übereinkommen747. Dass letztere ggf. mit dem SRÜ übereinstimmende Rechte und Pflichten normieren, ändert nichts daran, dass sich jene autonomen Streitbeilegungsverfahren nur dann auf SRÜStreitigkeiten erstrecken, wenn dies entsprechend vereinbart wurde. Allein das ist im Falle des OSPAR-Ü, wie der Wortlaut von Art. 32 Abs. 1 OSPAR-Ü belegt („über die Auslegung und Anwendung des Übereinkommens“), nicht geschehen748. Rechtlich ist gegen das „Forum Shopping“ Irlands von daher nichts einzuwenden. Ob etwas anderes aus dem Umstand folgt, dass sowohl Irland wie Großbritannien Mitgliedstaaten der EG sind, ist noch zu untersuchen749. 745 The MOX Plant (Ireland v. United Kingdom), ILM 41 (2002), 405 (413, paras. 49–51), Hervorhebungen im Original. So auch Dispute Concerning Access to Information Under Article 9 of the OSPAR Convention (Ireland v. United Kingdom), paras. 142 f. (abrufbar unter der in Fn. 644 angegebenen Fundstelle). 746 Vgl. auch Orellana (Fn. 178), S. 65. – Art. 281 SRÜ, auf den das Schiedsgericht im Fall Southern Bluefin Tuna (Australia and New Zealand v. Japan) seine die eigene Zuständigkeit ablehnende Entscheidung gestützt hat (ILM 39 [2000], 1359, 1388 ff.), ist unanwendbar, wenn das von den Parteien einer Streitigkeit vereinbarte Streitbeilegungsverfahren zu einer bindenden Entscheidung führt. 747 A. A. zu Art. 281 Abs. 1 SRÜ offenbar Southern Bluefin Tuna (Australia and New Zealand v. Japan), ILM 39 (2000), 1359, 1388 f., paras. 54 f., freilich begrenzt auf den zur Entscheidung vorgelegten Fall: „in this case“ (para. 54). 748 Ebenso The MOX Plant (Ireland v. United Kingdom), Sep. Op. Wolfrum, ILM 41 (2002), 405, 426 (427). 749 Siehe u. Dritter Teil, Kapitel 4, II. 2. mit Fn. 813. – Am 24. Juni 2003 setzte das SRÜ-Schiedsgericht das MOX Plant-Verfahren aus, nachdem die EG-Kommission Überlegungen öffentlich gemacht hatte, gemäß Art. 226 EGV ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien einzuleiten. Vgl. The MOX Plant (Ireland v. United Kingdom), Order No. 3, www.pca-cpa.org/PDF/MOX%20Order%20No3. pdf.
Kap. 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik
229
5. Die Ergebnisse von Sintra: Anlage V und Anhang III OSPAR-Ü Neben den bereits behandelten Beschlüssen und Arbeitsplänen wurde im Rahmen des OSPAR-Ministertreffens 1998 in Sintra/Portugal mit Annahme von Anlage V und Anhang III OSPAR-Ü ein weiterer Schritt getan. Die neuen, unmittelbar aufeinander bezogenen Bestandteile des Übereinkommens, beide am 30. August 2000 in Kraft getreten750, konkretisieren die in Art. 2 Abs. 1 lit. a OSPAR-Ü angelegte Verpflichtung, „die Meeresökosysteme zu erhalten und, soweit durchführbar, beeinträchtigte Meereszonen wiederherzustellen“, widmen sich demnach den bislang vernachlässigten artenschutz- bzw. naturschutzrechtlichen Gesichtspunkten. Bereits vom Ansatz her ist die Erweiterung des OSPAR-Ü zu begrüßen, verkörpert sie doch den bereits mehrfach geforderten Richtungswechsel vom Meeresumweltschutz im engeren Sinne zu ganzheitlicher Betrachtungsweise. Der Anstoß für die Weiterentwicklung des Übereinkommens kam erneut von außen751. Anlage V OSPAR-Ü selbst liefert diesbezügliche Anhaltspunkte, indem sie in Art. 1 und 2 auf das Übereinkommen über die biologische Vielfalt vom 5. Juni 1992, auf das Rio-Ü also, verweist. Daneben hat die Ministererklärung der IV. Nordseeschutzkonferenz eine Rolle gespielt, in der auf die sachlich einschlägige FFH-Richtlinie der EG verwiesen und die OSPAR-Kommission aufgefordert wurde, Informationen über die Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten auf marine Arten zu sammeln und zu beurteilen752. Die OSPAR-Vertragsparteien sind mit Annahme von Anlage V freilich noch über diesen Auftrag hinausgegangen. So sind die Aufgaben der Kommission nicht auf das Sammeln und das Überprüfen jener Informationen753 beschränkt; vielmehr soll die Kommission Programme und Maßnahmen erarbeiten und annehmen754, die gewonnenen Erkenntnisse also auch umsetzen. In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass ein solches Umsetzen die Gefahr von Überlagerungen und Widersprüchen zu den existierenden Instrumenten des Naturschutzes755 birgt. Die Vertragsparteien haben diesem Gesichts750 Deutschland hat Anlage V und Anhang III OSPAR-Ü mit dem Gesetz zur Änderung des Übereinkommens zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks vom 18. Juni 2001 ratifiziert: BGBl. 2001 II, S. 646. Text der Anlage und des Anhangs: Ebd., S. 647 ff. 751 Siehe Abs. 5 des Annahmebeschlusses: „Eingedenk anderer weltweiter und regionaler Übereinkünfte über den Schutz und die Erhaltung der Meeresökosysteme und der biologischen Vielfalt“. Zum Folgenden siehe auch de La Fayette (Fn. 590), S. 265 f. 752 Ministerial Declaration of the Fourth International Conference on the Protection of the North Sea (Esbjerg Declaration), paras. 3 f.: http://www.dep.no/md/nsc/ declaration/022001-990243/index-dok000-b-n-a.html. 753 Vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. b i) Anlage V OSPAR-Ü. 754 Vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 Anlage V OSPAR-Ü.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
punkt größte Aufmerksamkeit geschenkt. So werden zum einen die Begriffsdefinitionen des Rio-Ü vereinnahmt756 bzw. die von den Vertragsparteien zu treffenden Maßnahmen als Erfüllung der gemäß Art. 6 lit. a Rio-Ü bestehenden Verpflichtung, „Strategien, Pläne oder Programme zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt [zu] entwickeln“, verstanden. Zum anderen müssen die von der Kommission mit Bezug auf ein „spezifisches“ Gebiet entwickelten Schutz-, Erhaltungs-, Wiederherstellungs- und Vorsorgemaßnahmen – zu denken ist vor allem an die Ausweisung von MPAs – mit dem Völkerrecht vereinbar sein757. Art. 4 Anlage V OSPAR-Ü bestimmt in Übereinstimmung zu Abs. 12 Präambel OSPAR-Ü, dass die Kommission keine fischereiwirtschaftlichen Maßnahmen annehmen darf758, und im Hinblick auf schifffahrtsrechtliche Fragen unterstreicht Art. 4 Abs. 2 Anlage V OSPAR-Ü ausdrücklich den Primat der IMO. Schließlich enthält der Beschluss zur Annahme der neuen Anlage die Vorgabe, dass ein Tätigwerden aufgrund der Anlage, „das bereits durch andere völkerrechtliche Übereinkünfte vorgeschrieben wird und das Gegenstand geeigneter Maßnahmen ist, die von anderen internationalen Organisationen vereinbart wurden“759, allgemein eignetheit heblichen insgesamt
zu vermeiden ist. Mögen die OSPAR-Vertragsstaaten bezüglich der Geder existierenden Instrumente im Einzelfall auch über einen nicht unerEinschätzungsspielraum verfügen, ist das Bemühen um Harmonisierung gleichwohl positiv zu beurteilen.
Ähnlich wie die anderen OSPAR-Anlagen ist Anlage V bei alledem auf Ausgestaltung durch die OSPAR-Kommission und die Vertragsparteien angewiesen. Letztere sind gemäß Art. 2 lit. a Anlage V OSPAR-Ü verpflichtet, „die notwendigen Schritte zum Schutz und zur Erhaltung der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt des Meeresgebiets und, soweit durchführbar, zur Wiederherstellung beeinträchtigter Meereszonen“ zu unternehmen. Wie Art. 2 lit. b Anlage V OSPAR-Ü unterstreicht, wird in der Regel eine Einschränkung der menschlichen Tätigkeiten anzustreben sein, wobei diesbezüglich die in Anhang 3 OSPAR-Ü festgelegten Maß755 Da sich Anlage V OSPAR-Ü weniger dem Schutz einzelner mariner Arten denn der Erhaltung der biologischen Vielfalt und der marinen Ökosysteme widmet (Art. 2 lit. a), ist der gegenüber „Artenschutz“ weitere Begriff „Naturschutz“ vorzugswürdig. 756 Vgl. Art. 1 Anlage V OSPAR-Ü. Zu diesem Aspekt siehe auch Wolff (Fn. 156), S. 139–141. 757 Vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. b ii) Anlage V OSPAR-Ü. Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Ausweisung von MPAs kann insofern auf die Ausführungen unter o. Kapitel 1, I. 3. verwiesen werden. 758 Gemäß der OSPAR-Übereinkunft über die Bedeutung bestimmter Begriffe in Anlage V (BR-Drucksache 310/00 v. 2. 6. 2000, S. 10) beziehen sich „Fragen der Fischereiwirtschaft“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Anlage V OSPAR-Ü unter anderem auf die Gemeinsame Fischereipolitik der EG und auf die Tätigkeiten der Kommission für die Fischerei im Nordostatlantik sowie der Nordatlantischen Lachs-Kommission. 759 Abs. 10 des Beschlusses.
Kap. 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik
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stäbe angewendet werden müssen. Diese Maßstäbe enthalten unter anderem Elemente eines Vorsorgeansatzes („tatsächliche und mögliche nachteilige Auswirkungen der menschlichen Tätigkeit“760), die freilich deutlich hinter der ausschließlich auf die Zuführung von Stoffen und Energie gerichteten Pflicht zur Anwendung des Vorsorgeprinzips zurückbleiben761. In diesem Sinne lassen sich den Bestimmungen der Anlage V für den Fall möglicher Beeinträchtigungen der Meeresökosysteme bzw. mariner Arten durch menschliche Tätigkeiten, die sich nicht in der Zuführung von Stoffen und Energie manifestieren762, keine Handlungspflichten entnehmen. Art. 3 Anlage V OSPAR-Ü ist der Aufgabe der Kommission gewidmet, „Programme und Maßnahmen zur Einschränkung der durch die Anwendung der Maßstäbe in Anhang 3 festgelegten menschlichen Tätigkeiten zu erarbeiten“, wobei vor allem an die Möglichkeit zu denken ist, bei Verfolgung eines integrierten Ökosystemansatzes763 naturschutzbezogene Beschlüsse und Empfehlungen anzunehmen, ggf. mit begrenztem räumlichen Geltungsbereich (Abs. 2). Bislang hat sich die Kommission diesbezüglich zurückgehalten. Es bleibt abzuwarten, ob das Schutzpotential der neuen Bestimmungen im Rahmen der nächsten Jahrestreffen ausgeschöpft wird. Die bisherigen Aktivitäten auf dem Gebiet des Meeresumweltschutzes stimmen vorsichtig optimistisch. Ein erster Arbeitsplan, primär bezogen auf die in Art. 3 Abs. 1 lit. b i) Anlage V OSPAR-Ü niedergelegte Aufgabe, einschlägige Informationen zu sammeln und zu überprüfen, ist im OSPAR Action Plan 1998–2003 enthalten, der im Jahre 2000 entsprechend aktualisiert und ergänzt wurde764.
II. Bestandsschutz Angesichts der empirisch veranschaulichten Überfischung des Nordostatlantiks ist eine Antwort auf die Frage nach den Schutzmechanismen des speziell in dieser Region geltenden Völkerrechts geboten. Dabei geht es zum einen um eine Beschreibung der auf den Nordostatlantik bezogenen Bestandsschutzverträge („horizontale“ Perspektive). Zu diesem Zweck werden im Folgenden die drei wichtigsten Verträge vorgestellt und in synoptischer Art und Weise vergleichend betrachtet, wobei den Unterschieden im Strukturellen, Institutionellen und Materiellen besondere Aufmerksamkeit 760
Abs. 1 lit. b, c Anhang 3 OSPAR-Ü (Hervorhebung hinzugefügt). A. A. offenbar Heintschel von Heinegg (Fn. 623), S. 141, Fn. 23. – Zum Vorsorgeprinzip siehe o. 2. 762 Denkbare Tätigkeiten sind in der OSPAR Strategy on the Protection and Conservation of the Ecosystems and Biological Diversity of the Maritime Area (Reference No. 1998-19) aufgelistet. 763 Vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. b iv) Anlage V OSPAR-Ü. 764 OSPAR Action Plan 1998–2003, Update 2000, paras. 6, 31 sowie Annex 1 („Human activities to be assessed with regard to their impact on the marine environment, its species, habitats and biological diversity“). Vgl. nunmehr OSPAR Recommendation 2003/3 on a Network of Marine Protected Areas. 761
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
geschenkt wird. Zum anderen geht es um die Konkretisierung des universellen, nunmehr maßgeblich vom SSA geprägten Bestandsschutzregimes („vertikale“ Perspektive). Diesbezüglich wird am Beispiel der NEAFC untersucht, ob die regionalen Fischereiorganisationen der ihnen vom SSA zugewiesenen Aufgaben gerecht werden, und ob die Praxis dieser Organisationen mit den Vorgaben des SSA vereinbar ist. 1. Die horizontale Perspektive: Bestandsschutz im Nordostatlantik Das nordostatlantische Bestandsschutzregime setzt sich im Wesentlichen aus drei multilateralen Verträgen zusammen: dem Übereinkommen über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordostatlantik (NEAFC-Ü), dem Übereinkommen zur Lachserhaltung im Nordatlantik (NASCO-Ü) sowie der Internationalen Konvention zur Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik (ICCAT-Konvention)765. Wie schon die Namen indizieren, sind die räumlichen Geltungsbereiche der Übereinkommen keineswegs identisch. Während sich das NEAFC-Ü auf den Nordostatlantik im engeren Sinne bezieht766, findet das NASCO-Ü gemäß Art. 1 Abs. 1 auf alle Lachsbestände Anwendung, die durch die atlantische Hohe See nördlich von 36º nördlicher Breite ziehen767; da die den Gegenstand des Übereinkommens bildenden Bestände aus den Flüssen der Vertragsparteien auf die Hohe See und zurück wandern, erfasst der räumliche Geltungsbereich des NASCO-Ü auch die küstenstaatlichen Aquitorien und aWZen. Die ICCAT-Konvention erstreckt sich schließlich auf die „gesamten Gewässer des Atlantischen Ozeans und der angrenzenden Meere“ (Art. I ICCAT-Konvention). In sachlicher Hinsicht bleibt die räumliche Überlagerung der drei Übereinkommen ohne Folgen. NASCO-Ü und ICCAT-Konvention beziehen sich jeweils nur auf ganz bestimmte Fischarten (Lachs bzw. Thunfisch und verwandte Fischarten), während das NEAFC-Ü gemäß Art. 1 Abs. 2 zwar grundsätzlich für alle Fischarten gilt, nicht aber für die weit wandernden und anadromen Bestände, soweit deren Erhaltung bereits Gegenstand anderer internationaler Übereinkünfte ist768. Da es sich beim Lachs um eine 765
Siehe die in den Fn. 11, 12, 13 angegebenen Fundstellen. Vgl. Art. 1 Abs. 1 NEAFC-Ü. Der räumliche Geltungsbereich des NEAFC-Ü entspricht dem des OSPAR-Ü. 767 Vgl. Art. 1 Abs. 1 NASCO-Ü. Der 36. Breitengrad durchquert die Straße von Gibraltar und trifft südlich von Norfolk, Virginia wieder auf Festland. Demnach orientiert sich das NASCO-Ü nicht an dem im Ersten Teil, Kapitel 1 rekurrierten geographischen Kriterium. 768 Vgl. Art. 1 Abs. 2 NEAFC-Ü: „This Convention applies to all fishery resources of the Convention area with the exception of sea mammals, sedentary species, 766
Kap. 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik
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anadrome Art handelt, beim Thunfisch um eine weit wandernde Art, ist diese Einschränkung vorliegend erfüllt. Die sachlichen Geltungsbereiche der drei Verträge sind somit randscharf voneinander abgegrenzt; die lex posterior-Regel ist (auch) zwischen den Staaten, die Vertragsparteien aller drei Übereinkommen sind, nicht anwendbar. Trotz sachlicher Eigenständigkeit scheinen sich die Übereinkommen auf den ersten Blick in struktureller wie in institutioneller Hinsicht zu ähneln. So wurde mit jedem Vertrag eine internationale Organisation ins Leben gerufen769, die jeweils rechtsverbindliche Maßnahmen treffen kann770, wobei in erster Linie an die Festlegung von TACs zu denken ist. Bezüglich dieser Maßnahmen verfügen die Vertragsparteien jeweils über ein „opting out“Recht771. Die Rechte, Ansprüche oder Auffassungen der Parteien hinsichtlich der Grenzen und des Umfangs der Fischereihoheit werden von keinem Übereinkommen berührt772. Für Fragen der wissenschaftlichen Forschung weisen die drei Übereinkommen dem International Council for the Exploration of the Sea (ICES), einem auf die Untersuchung der faktischen Zustände der Meeresumwelt spezialisierten Expertengremium, dem auch die OSPAR-Kommission vertraut, eine Sonderrolle zu773. Bei näherer Betrachtung sind freilich deutliche Unterschiede erkennbar. So ist mangels Zustimmungserfordernis nur die ICCAT-Konvention ein ofi. e. organisms which, at the harvestable stage, either are immobile on or under the seabed or are unable to move except in constant physical contact with the seabed or the subsoil and, in so far as they are dealt with by other international agreements, highly migratory species and anadromous stocks.“ 769 Vgl. Art. 3 Abs. 2 NEAFC-Ü („North East Atlantic Fisheries Commission“ [NEAFC]); Art. 3 Abs. 1, 5 NASCO-Ü („Organisation für die Lachserhaltung im Nordatlantik“ [NASCO]); Art. III Abs. 1 ICCAT-Konvention („Internationale Kommission zur Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik“ [ICCAT]). 770 Vgl. Art. 5–8, 12 NEAFC-Ü („recommendations“); Art. 8 lit. b, 13 NASCOÜ („Regulierungsmaßnahmen“); Art. VIII ICCAT-Konvention („Empfehlungen“). 771 Vgl. Art. 12 Abs. 2, 3; Art. 13 NEAFC-Ü; Art. 13 Abs. 3, 4 NASCO-Ü; Art. VIII Abs. 3 ICCAT-Konvention. 772 Vgl. Art. 2 NEAFC-Ü und Art. 1 Abs. 2 NASCO-Ü. Vgl. auch Art. II ICCAT-Konvention mit dem Verweis auf „die Grenzen der Territorialgewässer und den Bereich der Fischereihoheit“. Im Zeitpunkt der Vertragsannahme (1966) bestand über die Grenzen der küstenstaatlichen Aquitorien noch kein Konsens. 773 Art. 14 Abs. 1 NEAFC-Ü sagt dies deutlicher als Art. XI Abs. 2 ICCAT-Konvention und Art. 4 Abs. 1 lit. d NASCO-Ü. – ICES ist die älteste internationale Organisation, die sich mit der Erforschung der Meeresumwelt beschäftigt. Ihr Sekretariat hat ein Advisory Committee on Fishery Management eingerichtet, das sowohl den ICES-Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Island, Kanada, Lettland, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Russland, Schweden, Spanien, USA) als auch den regionalen Fischereiorganisationen sowie der EG Daten über den Zustand der etwa 135 nordostatlantischen Fischarten zur Verfügung stellt.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
fener Vertrag774. Die Organisation für die Lachserhaltung im Nordatlantik verfügt, anders als die beiden anderen Fischereiorganisationen775, nicht nur über die traditionellen Organe Rat und Sekretariat, sondern daneben über drei regionale Kommissionen776, denen jeweils nur einige der Vertragsparteien angehören, und deren Befugnisse unterschiedlich weit sind. Regulierungsmaßnahmen werden nicht im Rahmen der Organisation, d. h. von allen Vertragsparteien, sondern – einstimmig – von den Kommissionen beschlossen und beziehen sich nur auf das Meeresgebiet, für das die Kommissionen jeweils zuständig sind777. In Übereinstimmung zu Art. 66 Abs. 1 SRÜ trägt das NASCO-Ü insofern den Interessen der Staaten besonders Rechnung, aus deren Flüssen die Lachsbestände stammen778. Weitere Unterschiede bestehen hinsichtlich der Vertragsänderungsverfahren – anders als das NEAFC-Ü und die ICCAT-Konvention kennt das NASCO-Ü kein „tacit acceptance“-Verfahren779, sondern hält am überkommenen Ratifikations- bzw. Genehmigungserfordernis fest780 – sowie der Rechtswirkungen eines „opting outs“. Führt das Erheben eines Widerspruchs im Allgemeinen bekanntlich dazu, dass nur die widersprechende Vertragspartei nicht an die beschlossene Maßnahme gebunden wird781, zer774 Vgl. Art. XIV Abs. 1 ICCAT-Konvention: „Diese Konvention liegt für alle Regierungen der Mitgliedstaaten der Organisation der Vereinten Nationen oder einer ihrer Sonderorganisationen zum Beitritt auf.“ Angesichts der objektiven Völkerrechtspersönlichkeit der UN (siehe o. Fn. 413) ist die ICCAT-Konvention trotz Beschränkung der Beitrittsmöglichkeit auf die Mitglieder der UN ein offener Vertrag. I. E. wie hier Sydnes (Fn. 438), S. 357. 775 Nach Art. VI ICCAT-Konvention hat die ICCAT zwar das Recht (nicht aber die Pflicht!), Unterkommissionen einsetzen. Die Befugnisse dieser Unterkommissionen bleiben freilich weit hinter den Befugnissen der NASCO-Kommissionen zurück. Neben verschiedenen Arbeitsgruppen existieren derzeit vier Unterkommissionen, die sich jeweils mit einer bestimmten Bestandsgruppe beschäftigen. 776 Nordamerika-Kommission; Westgrönland-Kommission; Nordostatlantik-Kommission. 777 Vgl. Art. 3 Abs. 4 i.V. m. Art. 8 NASCO-Ü. – Die EG verfügt in der Nordamerika-Kommission gemäß Art. 11 Abs. 2 NASCO-Ü über Vorschlags- und Stimmrecht für Regulierungsmaßnahmen, die sich auf Lachsbestände beziehen, die aus dem räumlichen Geltungsbereich des EG-Vertrags stammen. 778 Vgl. auch Beschluss des Rates (82/886/EWG) vom 13. Dezember 1982 zum Abschluss des Übereinkommens zur Lachserhaltung im Nordatlantik (ABl. EG 1982, Nr. L 378, S. 24), 3. Erwägungsgrund: „Im Übereinkommen wird den Bestimmungen über anadrome Fischbestände Rechnung getragen, die in dem Entwurf eines Übereinkommens der Dritten Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen enthalten sind.“ 779 Vgl. Art. 19 NEAFC-Ü; Art. XIII ICCAT-Konvention. Nach Art. 19 Abs. 3 NEAFC-Ü kann eine Vertragspartei einer Änderung des Übereinkommens widersprechen; fristgemäßer Widerspruch hat zur Folge, dass eine bereits angenommene Änderung für keine Vertragspartei in Kraft tritt. 780 Vgl. Art. 19 Abs. 3 NASCO-Ü.
Kap. 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik
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stört die Erhebung eines Einwands gegen eine Regulierungsmaßnahme durch eine NASCO-Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet die Maßnahme zur Anwendung gelangen würde, gemäß Art. 13 Abs. 3 NASCO-Ü deren Verbindlichkeit für alle Mitglieder der betreffenden Kommission. In formeller Hinsicht verfolgt das NASCO-Ü demnach, trotz des höheren Alters der ICCAT-Konvention782, den souveränitätsfixiertesten Ansatz. a) Das NASCO-Ü: Absolutes Fangverbot und subregionales Bewirtschaften Auch im Hinblick auf den materiellen Schutzgehalt der Übereinkommen sind deutliche Unterschiede erkennbar. Interessanterweise scheint das NASCO-Ü diesbezüglich den strengsten Ansatz zu verfolgen, ist doch der Lachsfang außerhalb der Fischereihoheitsgebiete der Küstenstaaten, d. h. auf Hoher See, gemäß Art. 2 Abs. 1 NASCO-Ü absolut verboten783. Die vertragschließenden Parteien haben insofern den von Art. 66 Abs. 3 lit. a SRÜ angestrebten Schutzstandard, nach dem Ausnahmen vom Fangverbot in Fällen wirtschaftlicher Störungen bestimmter Staaten möglich sind, zulässigerweise784 weiter verschärft. In den küstenstaatlichen aWZen gilt freilich auch nach dem NASCO-Ü lediglich ein grundsätzliches Fangverbot; Ausnahmen bestehen für die in Art. 2 Abs. 2 NASCO-Ü genannten Subregionen, in denen die Zuständigkeit der Westgrönland-Kommission und der Nordostatlantik-Kommission gegeben ist. Angesichts des Umstands, dass hiernach in der kanadischen und in der US-amerikanischen aWZ offenbar absolute Fangverbote gelten, fragt sich, warum die Vertragsparteien gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. b, c NASCO-Ü auch der Nordamerika-Kom781 In die ICCAT-Konvention wurde eine weitere Schranke eingebaut: Wird von weniger als einem Viertel der Vertragsparteien gegen eine Empfehlung Einspruch erhoben, teilt die Kommission diesen Vertragsparteien unverzüglich mit, dass die Einsprüche als wirkungslos betrachtet werden (vgl. Art. VIII Abs. 3 lit. d); die betroffenen Vertragsparteien sind dann gezwungen, ihre Einsprüche zu bestätigen (vgl. Art. VIII Abs. 3 lit. e), soweit sie ihren Widerstand nicht aufgeben wollen. 782 Die ICCAT-Konvention trat am 21. März 1969 in Kraft. 783 Vgl. auch Orrego Vicuña (Fn. 161), S. 84: „Arrangements relating to the conservation and management of salmon fisheries have taken a leading role in the establishment of basic trends since this is the paramount example of interaction of coastal states’ interests with the high seas.“ 784 Vgl. Art. 116 lit. a SRÜ. Art. 66 Abs. 3 lit. a SRÜ steht dem nicht entgegen, weil Art. 116 lit. b SRÜ bezüglich der Fischerei auf Hoher See ausschließlich auf die Rechte, Pflichten und Interessen des Küstenstaates verweist, die von der Ausnahmeregel nicht betroffen sind („für einen anderen als den Ursprungsstaat“). Zudem soll gemäß Art. 66 Abs. 3 lit. a SRÜ für den Fall, dass die Lachsfischerei auf Hoher See ausnahmsweise zulässig ist, Einvernehmen über die Bedingungen dieser Fischerei angestrebt werden. Diesbezügliches Einvernehmen kann sich auch in einem Fangverbot manifestieren.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
mission ein Vorschlagsrecht für Regulierungsmaßnahmen verliehen haben. Diesbezüglich ist zu bedenken, dass sich die Zuständigkeit der Nordamerika-Kommission laut Art. 3 Abs. 4 lit. a NASCO-Ü auf „die Meeresgewässer innerhalb der Fischereihoheitsgebiete der Küstenstaaten ab der Ostküste Nordamerikas“, also auch auf Küstenmeer und innere Gewässer, erstreckt. Dies entspricht den Vorgaben des SRÜ. Die NASCO ist als regionale Organisation im Sinne von Art. 66 Abs. 5 SRÜ mit der Durchführung dieser Norm betraut, die ihrerseits nicht nur für die aWZ gilt, sondern für „alle Gewässer landwärts der äußeren Grenzen der ausschließlichen Wirtschaftszone“ (Abs. 2, 3)785. Die Kommissionen können demnach mit Bezug auf die küstenstaatlichen Aquitorien Regulierungsmaßnahmen vorschlagen, wobei sie stets die in Art. 9 NASCO-Ü genannten Faktoren zu berücksichtigen haben.
Der Rat – das Hauptorgan der NASCO – hat sich seit Beginn der 90er Jahre bemüht, die von den Kommissionen und den Vertragsparteien getroffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen an neue Herausforderungen von Recht und Wirklichkeit anzupassen. So wurde unter anderem eine Übereinkunft über die Anwendung des Vorsorgeansatzes786 angenommen, die in vergleichsweise erstaunlichem Detailreichtum denkbare Elemente des Vorsorgeansatzes aufzählt, bevor konkret auf die Lachsfischerei bezogene Anwendungskriterien vorgeschlagen werden. Daneben hat der Rat, gestützt auf die Befugnisnorm Art. 4 Abs. 2 NASCO-Ü, mehrere Resolutionen verabschiedet, die sich u. a. mit so modernen Fragestellungen wie den Auswirkungen der Aquakultur auf die Wildlachspopulationen beschäftigen787. Besondere Aufmerksamkeit wurde auch der Tatsache zuteil, dass die von den Kommissionen vorgeschlagenen Regulierungsmaßnahmen durch Fischereitätigkeiten von Nichtvertragsparteien unterlaufen werden788. Bei der Durchsetzung der den Vertragsparteien obliegenden Pflichten ist bislang alles beim Alten geblieben. So trifft gemäß Art. 14 Abs. 1 NASCOÜ jede Vertragspartei selbst die „erforderlichen Maßnahmen“ zur Durchset785
Art. 66 Abs. 5 SRÜ verweist auf die „Durchführung dieses Artikels“. NASCO Doc. CNL(98)46, Agreement on Adoption of a Precautionary Approach: http://www.nasco.org.uk/pdf/nasco_res_adoptprec.pdf. Die Übereinkunft wurde konkretisiert durch NASCO Doc. CNL(99)48, Action Plan for the Application of the Precautionary Approach: http://www.nasco.org.uk/pdf/nasco_res_ actionplan.pdf. 787 Vgl. NASCO Doc. CNL 94(53), Resolution by the Parties to the Convention for the Conservation of Salmon in the North Atlantic Ocean to Minimise Impacts from Salmon Aquaculture on the Wild Salmon Stocks: http://www.nasco.org.uk/ html/the_oslo_resolution.html. – „Empfehlungen“ des NASCO-Rates werden nur dann rechtsverbindlich, wenn eine Kommission beim Rat die Empfehlung einer Regulierungsmaßnahme beantragt hat; in diesem Fall ist die Kommission nach Art. 4 Abs. 3 NASCO-Ü verpflichtet, die vom Rat empfohlene Regulierungsmaßnahme ihren Mitgliedern vorzuschlagen. 788 Vgl. NASCO Doc. CNL 92(54), Resolution on Fishing for Salmon on the High Seas: http://www.nasco.org.uk/pdf/nasco_res_highseas.pdf. Siehe auch Art. 2 Abs. 3 NASCO-Ü. 786
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zung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen. Welche Maßnahmen das Übereinkommen im Einzelnen für erforderlich erachtet, wird nicht näher ausgeführt; Art. 14 Abs. 1 NASCO-Ü beschränkt sich auf einen Hinweis auf „angemessene Sanktionen bei Verstößen“. Dass die Vertragsparteien gemäß Art. 14 Abs. 2 NASCO-Ü zur Vorlage eines Jahresberichts über die getroffenen Durchsetzungsmaßnahmen verpflichtet sind, heilt diesen Mangel an Konkretheit nicht. Abhilfe könnte theoretisch durch Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des SSA geschaffen werden, die den regionalen Fischereiorganisationen – wie gesagt – zwar ihrerseits eine besondere Rolle bei der Durchsetzung der getroffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen zuweisen, im Falle des Fehlens näherer Vorgaben aber „in die Bresche springen“789. b) Die ICCAT-Konvention: „International Conspiracy to Catch All the Tunas“ oder geeigneter Rahmen zur Ausübung wirtschaftlichen Drucks? In der Vergangenheit konzentrierte sich die Kritik weniger auf das NASCO-Ü denn auf die ICCAT-Konvention. Obwohl die mit dieser Konvention ins Leben gerufene Kommission zur Abgabe rechtsverbindlicher Empfehlungen berechtigt ist790, um „die Thunfischbestände und verwandten Arten, die im Konventionsbereich gefischt werden können, auf einem Niveau zu halten, dass eine gleichbleibende optimale Nutzung ermöglicht“ (Art. VIII ICCAT-Konvention), konnte bis zu Beginn der 90er Jahre kaum jemals Einigkeit über die gebotenen Schutzmaßnahmen erzielt werden. Das Interesse der Vertragsparteien war vor allem auf die Ausbeutung der wirtschaftlich so wertvollen Thunfischarten gerichtet791. Der Umweltaktivist Carl Safina hat „ICCAT“ deshalb wenig schmeichelhaft als Kurzbezeichnung für „International Conspiracy to Catch All the Tunas“792 gedeutet. Ob dieser Titel mit Blick auf die heutigen Aktivitäten der Kommission angemessen ist, erscheint unterdessen zweifelhaft, jedenfalls im Vergleich mit anderen regionalen Fischereiorganisationen. Zwar entspricht das mit den Bestimmungen der ICCAT-Konvention fixierte Bestandsschutzpotential (natürlich) nur dem Stand des Umweltvölkerrechts zum Zeitpunkt der Vertragsannahme, d. h. des Jahres 1966; nach etwa einem Vorsorgeansatz sucht 789
Dazu siehe o. Kapitel 2, II. 3. Vgl. Art. VIII Abs. 1 lit. a S. 2 („Diese Empfehlungen sind von den Vertragschließenden Parteien gemäß den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels anzuwenden“) und Abs. 2 ICCAT-Konvention. Missverständlich Ziemer (Fn. 51), S. 72. 791 Der Großhändlerpreis für ein Kilogramm des seltenen Roten Thuns liegt derzeit bei 200 US Dollar – fast so viel wie Kaviar. 792 Song for the Blue Ocean, 1997. 790
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man insofern vergeblich793. Auch kann nicht geleugnet werden, dass bei der Durchsetzung der den Vertragsparteien obliegenden Pflichten erheblicher Verbesserungsbedarf besteht794. Von der stetig zunehmenden Anzahl von Bestandserhaltungsmaßnahmen abgesehen795 ist die ICCAT aber die erste Fischereiorganisation, die ihren Mitgliedstaaten empfohlen hat, Einfuhrverbote für Thunfisch und verwandte Arten zu erlassen, die von free ridern gefischt wurden. Die Kommission hat also die wirtschaftliche Karte gespielt. Bei den von diesen Maßnahmen betroffenen Staaten handelte es sich ausnahmslos um Billigflaggenstaaten, Staaten also, die an die Vergabe ihrer Schiffsflaggen in der Regel keine hohen Anforderungen stellen, etwa den Bestand einer „echten Verbindung“ (Art. 91 Abs. 1 S. 3 SRÜ)796. Sie locken Schiffseigner aus der ganzen Welt mit geringen Registrierungsgebühren, Steuern, Mannschaftskosten, was zeitweilig zu einem regelrechten Ausflaggungswettbewerb geführt hat. Derzeit sind etwa 30% der Welthandelsflottentonnage den Billigflaggen zugeordnet. Der Zusammenhang mit dem hier interessierenden Bestandserhaltungsproblem besteht darin, dass Billigflaggenstaaten mangels Zustimmung nicht an die Bestimmungen der regionalen Fischereiabkommen gebunden sind, gleichwohl in großem Stil Fanglizenzen vergeben797.
Die ICCAT ist den free ridern wie folgt entgegengetreten: Im Jahre 1994 hat sie in einer auf den Schutz des Blauflossen-Thunfischs gerichteten Re793 Kürzlich wurde freilich eine ad hoc Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit der Implementierung des Vorsorgeansatzes beschäftigen soll. 794 Ebenso wie das NASCO-Ü überlässt die ICCAT-Konvention die Durchsetzung der Vertragspflichten ihren Mitgliedstaaten: „Die Vertragschließenden Parteien sind übereingekommen, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Anwendung dieser Konvention zu gewährleisten. [. . .]“ (Art. IX Abs. 1). Immerhin: Kommt eine Vertragspartei mit der Zahlung des von ihr gemäß Art. X Abs. 2 ICCAT-Konvention für den Haushalt der Kommission zu leistenden Jahresbeitrags in Verzug, kann die Kommission unter den Voraussetzungen von Art. X Abs. 8 ICCAT-Konvention die Stimmrechte („voting rights“) dieser Partei aussetzen (die im ABl. EG veröffentlichte deutsche Übersetzung der Bestimmung spricht missverständlich von „Wahlrecht“). 795 Vgl. die unter http://www.iccat.org/Manage.html abrufbare Liste. – Zur Diskussion über die für die Quotenverteilung ausschlaggebenden Kriterien – Stichwort: real interest in fisheries (siehe o. Kapitel 2, II. 2. lit. b) – Molenaar (Fn. 448), S. 518–521. 796 Churchill/Lowe (Fn. 31), S. 258. Der IGH hob bei der Auslegung des Begriffs „largest ship-owning nations“ im Sinne von Art. 28 der IMCO-Satzung ausschließlich auf die Schiffsregistrierung ab, ohne der Ausübung der Kontrolle über die registrierten Schiffe Bedeutung beizumessen; Convention of the Maritime Safety Committee of the Inter-Governmental Maritime Consultative Organization, ICJ Reports 1960, 149, 170. Mittelbar stärkte der Gerichtshof damit die Position der Billigflaggenstaaten. 797 Zum Zusammenhang vgl. etwa Vukas/Vidas, Flags of Convenience and High Seas Fisheries: The Emergence of a Legal Framework, in: Stokke (Fn. 199), S. 53 (55 ff.); Yankov, Reflagging of Fishing Vessels, in: P. Ehlers/Mann Borgese/Wolfrum (Fn. 623), S. 195 (196); Graf Vitzthum (Fn. 195), S. 149 f.
Kap. 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik
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solution erstmals die Empfehlung von Einfuhrverboten für den Fall angedroht, dass die den Thunfischfang ausübenden Nichtvertragsparteien den Bestandserhaltungsmaßnahmen der ICCAT nicht entsprächen798. Dazu wurde den identifizierten Staaten vom ICCAT-Sekretariat der Status einer „Cooperating Party“ mit gewissen Sonderrechten angeboten799. Im Jahre 1995 dehnte die Kommission ihre Ankündigung, Einfuhrverbote zu empfehlen, auf die atlantischen Schwertfischbestände – eine „verwandte Art“ im Sinne der Konvention – aus800. Nachdem die adressierten free rider den Aufforderungen der ICCAT nicht nachgekommen waren801, hat die Kommission die angedrohten Empfehlungen abgegeben, zuerst mit Bezug auf Belize, Honduras und Panama802, später dann hinsichtlich Äquatorial-Guinea, Bolivien, Kambodscha, Sierra Leone und St. Vincent & Grenadinen803. Dabei war angesichts der tatbestandlichen Weite der einschlägigen Befugnisnorm Art. VIII Abs. 1 lit. a ICCAT-Konvention gegen diese Empfehlungen kompetenzrechtlich nichts einzuwenden. Eine andere Frage ist, ob und inwiefern die Einfuhrverbote, die auf Empfehlung der ICCAT von den Ver798
Vgl. ICCAT Resolution for an Action Plan to Ensure the Effectiveness of the Conservation Program for Atlantic Bluefin Tuna (Reference No. 94-3), paras. d–f. – Alle Resolutionen und in Kraft getretenen Empfehlungen können auf der Homepage der ICCAT abgerufen werden: http://www.iccat.org/Documents/Recs/Recs_eng.pdf. 799 Vgl. ICCAT Resolution on Coordination with Non-Contracting Parties (Reference No. 94-6), para. 1. 800 Vgl. ICCAT Resolution for an Action Plan to Ensure the Effectiveness of the Conservation Program for Atlantic Swordfish (Reference No. 95-13), paras. d–f. 801 Vgl. para. 2 der Erwägungsgründe der ICCAT Resolution on Further Actions against Illegal, Unregulated, and Unreported Fishing Activities by Large-Scale Longline Vessels in the Convention Area and other Areas (Reference No. 99-11): „BEING CONCERNED that illegal, unregulated, and unreported fishing activities by large-scale tuna longline vessels activities’ in the Convention Area have continued and increased [. . .]“ (Hervorhebung im Original). 802 Vgl. ICCAT Recommendation Regarding Belize and Honduras Pursuant to the 1994 Bluefin Tuna Action Plan Resolution (Reference No. 96-11), para. a; ICCAT Recommendation Regarding Panama Pursuant to the 1994 Bluefin Tuna Action Plan Resolution (Reference No. 96-12), para. a; ICCAT Recommendation Regarding Belize and Honduras Pursuant to the 1995 Swordfish Action Plan Resolution (Reference No. 99-8), para. a. 803 Vgl. ICCAT Recommendation Regarding Belize, Cambodia, Honduras, and St. Vincent & Grenadines Pursuant to the 1998 Resolution Concerning the Unreported and Unregulated Catches of Tunas by Large-Scale Longline Vessels in the Convention Area (Reference No. 00-15), para. 1; ICCAT Recommendation Regarding Equatorial Guinea Pursuant to the 1998 Resolution Concerning the Unreported and Unregulated Catches of Tunas by Large-Scale Longline Vessels in the Convention Area (Reference No. 00-16), para. 1; ICCAT Recommendation Regarding Bolivia Pursuant to the 1998 Resolution Concerning the Unreported and Unregulated Catches of Tunas by Large-Scale Longline Vessels in the Convention Area (Reference No. 02-17), para. 1; ICCAT Recommendation for Trade Restrictive Measures on Sierra Leone (Reference No. 02-19), para. 1.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
tragsparteien erlassen werden mussten, mit den Vorgaben des Rechts der Welthandelsgesellschaft (WTO) in Einklang zu bringen sind, wonach mengenmäßige Handelsbeschränkungen zwischen den Mitgliedern der WTO grundsätzlich verboten sind. Diese Frage kann ebenso wie die nach der Effektivität der Einfuhrverbote erst auf der Implementierungsebene beantwortet werden. Da die EG sowohl Partei der ICCAT-Konvention804 wie der Welthandelsorganisation805 ist, wird im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik der EG auf das Problem zurückzukommen sein806. Die ICCAT ist jedenfalls von der Völkerrechtmäßigkeit der empfohlenen Handelsbeschränkungen ausgegangen807. Im Übrigen sei angemerkt, dass die Kommission zwischenzeitlich die Aufhebung einiger der Einfuhrverbote vorgeschlagen hat808; die Maßnahmen haben ihre Wirkung offenbar nicht verfehlt. c) Das NEAFC-Ü: Räumliche Differenzierung und differenziertes „Opting Out“ Das NEAFC-Ü unterscheidet sich von den anderen beiden Übereinkommen insbesondere durch die je nach betroffener Meereszone verschieden weiten Befugnisse der NEAFC. So kann die Kommission für die Hohe SeeGebiete des Konventionsbereichs unter Berücksichtigung der besten ihr zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Angaben809 mit qualifizierter Mehrheit810 die in Art. 7 NEAFC-Ü beispielhaft („inter alia“) genannten Bestandserhaltungsmaßnahmen empfehlen, also unter anderem TACs und 804
Beschluss des Rates 86/238/EWG vom 9. Juni 1986 über den Beitritt der Gemeinschaft zu der Internationalen Konvention zur Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik in der Fassung des Protokolls zu der am 10. Juli 1984 in Paris unterzeichneten Schlussakte der Konferenz der Bevollmächtigten der Vertragsparteien der Konvention: ABl. EG 1986, Nr. L 162, S. 33. 805 Beschluss des Rates 94/800/EG vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der UruguayRunde (1986–1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche: ABl. EG 1994, Nr. L 336, S. 1 f. 806 Siehe u. Dritter Teil, Kapitel 3, II. 4. 807 Vgl. die in Fn. 802, 803 angegebenen Empfehlungen, jeweils para. f.: „[. . .] the Commission will recommend the Contracting Parties to take non-discriminatory trade restrictive measures, consistent with their international obligations [. . .]“. 808 Vgl. etwa ICCAT Recommendation Concerning the Importation of Bigeye Tuna and its Products from Honduras (Reference No. 02-18), para. 1; ICCAT Recommendation Concerning the Importation of Bigeye Tuna and Bigeye Tuna Products from St. Vincent and the Grenadines (Reference No. 01-14), para. 1; ICCAT Recommendation Concerning the Importation of Atlantic Bluefin Tuna, Atlantic Swordfish, and Atlantic Bigeye Tuna and their Products from Belize (Reference No. 02-16), paras. 1–3. 809 Vgl. Art. 4 Abs. 1 NEAFC-Ü. 810 Vgl. Art. 5 Abs. 1 i.V. m. Art. 3 Abs. 9 NEAFC-Ü.
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Fangverbote anordnen sowie den Vertragsparteien Fangquoten zuteilen. Soweit ein Straddling Stock betroffen ist, muss sie gemäß Art. 5 Abs. 2 NEAFC-Ü die Vereinbarkeit dieser Maßnahmen mit den vom Küstenstaat bezüglich seiner aWZ getroffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen anstreben; die nach Art. 63 Abs. 2 SRÜ bestehende Bemühenspflicht, die zur Bestandserhaltung erforderlichen Maßnahmen zu vereinbaren, wurde insofern verschärft. Hinsichtlich der küstenstaatlichen aWZen sind die Befugnisse der Kommission hingegen eingeschränkt: Gemäß Art. 6 Abs. 1 NEAFC-Ü dürfen entsprechende Bestandserhaltungsmaßnahmen nur empfohlen werden, wenn der betroffene Küstenstaat dies beantragt und hernach die zur Abstimmung stehende Empfehlung mitträgt. Die Differenzierung findet ihre Fortsetzung im Rahmen des Annahmeverfahrens. Steht eine Empfehlung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 NEAFC-Ü zur Diskussion, verfügt (natürlich) nur der beantragende Küstenstaat über ein „opting out“-Recht. Das ansonsten jeder Vertragspartei zustehende Widerspruchsrecht811 wurde etwa gegenüber den Bestimmungen der ICCAT-Konvention insofern verschärft, als eine Empfehlung für keine Partei in Kraft tritt, wenn ihr mindestens drei Vertragsparteien widersprechen812. Umgekehrt können zwei oder mehr Befürworter eine solche Empfehlung gemäß Art. 12 Abs. 2 lit. e NEAFC-Ü untereinander für anwendbar erklären. Die zustimmenden Vertragsparteien sind dann trotz des Widerspruchs der anderen Vertragsparteien an die empfohlene Maßnahme gebunden. Auch nach In-Kraft-Treten einer Empfehlung besteht die Möglichkeit eines „opting outs“. So kann jede Partei der Kommission die Beendigung ihrer Zustimmung nach Ablauf eines Jahres seit In-Kraft-Treten der Empfehlung notifizieren. In diesem Fall verliert die Empfehlung gemäß Art. 13 Abs. 1 lit. a NEAFC-Ü nach Ablauf eines weiteren Jahres seit Notifikation ihre Wirkung für die notifizierende Vertragspartei. In der Folge sind gemäß Art. 13 Abs. 2 NEAFC-Ü auch die anderen Vertragparteien wieder in die Lage versetzt, sich der Bindungswirkung der einschlägigen Empfehlung zu entziehen. Gemäß Art. 8 NEAFC-Ü können die von der Kommission empfohlenen Maßnahmen auch die Kontrolle der im Konventionsgebiet durchgeführten Fischereiaktivitäten betreffen, also Fragen der Durchsetzung adressieren. Wie nicht anders zu erwarten, werden dergleichen Empfehlungen nur auf Wunsch einer Vertragspartei getroffen, soweit Gegenstand der empfohlenen Maßnahme die Kontrolle von Fischereiaktivitäten innerhalb der aWZ dieses Küstenstaates ist. Zusammenfassend ist festzustellen, dass das nordostatlantische Bestandsschutzregime ein Instrumentarium zur Verfügung stellt, mit Hilfe dessen 811 812
Vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. a NEAFC-Ü. Vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. c NEAFC-Ü.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
sich sowohl den nutzungspolitischen Fischereiinteressen wie den umweltpolitischen Erhaltungsinteressen Rechnung tragen ließe. Schon aus den faktischen Gegebenheiten ergibt sich freilich, dass in der Realität bislang den Fischereiinteressen der Vorrang eingeräumt wurde. In keiner der hier behandelten Fischereiorganisationen konnten sich die jeweiligen Vertragsparteien bis Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts auf die Empfehlung effektiver Bestandserhaltungsmaßnahmen einigen. Auch hat die gegenüber dem Nordwestatlantik größere Anzahl von Küstenstaaten zu einem breiter gestreuten Interessenspektrum geführt, mit der Folge, dass sich die Beschlussfassung weitaus schwieriger gestaltete. Hinzu tritt, dass der Nordostatlantik durch Inanspruchnahme der aWZen zwischenzeitlich nahezu vollständig verzont wurde. So existieren im Nordostatlantik – abgesehen von einem großflächigen Hohe See-Gebiet im zentralen Nordatlantik – nur noch zwei kleine Hohe See-Enklaven: Das westlich von Norwegen gelegene „Banana Hole“ und das zur Barentssee zählende „Loophole“. Da ein Großteil der ökonomisch relevanten Fischbestände insofern der Fischereihoheit der Küstenstaaten unterfällt, haben letztere bislang wenig Bedarf für eine internationale Zusammenarbeit gesehen813. Mit dem InKraft-Treten des SSA könnte sich die Situation allerdings verändert haben. So fragt sich, ob und inwieweit das Vorgehen der im Nordostatlantik Fischfang betreibenden Staaten mit den Vorgaben des universellen Übereinkommens vereinbar ist, das ja den regionalen Fischereiorganisationen eine besondere Rolle bei der Erhaltung bestimmter Fischbestände zuweist. Dieser Frage wird im Folgenden am Beispiel der wirtschaftlich wertvollen und ökologisch bedrohten Straddling Stocks nachgegangen814. Angesichts des Umstands, dass diese Bestände unter dem Dach des NEAFC-Ü bewirtschaftet werden, ist die NEAFC die zuständige regionale Fischereiorganisation im Sinne der SSA-Normen. Dabei ist zwischen formellen und institutionellen Aspekten einerseits und materiellen Aspekten andererseits zu unterscheiden. Schon an dieser Stelle sei ferner darauf hingewiesen, dass für die nordostatlantischen Hohe See-Gebiete subregionale Fischereiverträge existieren, die sich jeweils ausschließlich auf einen ganz bestimmten Straddling Stock beziehen. Allein der völkerrechtliche Bestandsschutz vollzieht sich insofern auf drei räumlichen Ebenen. 813 Zu weiteren Gründen für den Dornröschenschlaf der Agende Bestandserhaltung im Nordostatlantik siehe Churchill, Managing Straddling Fish Stocks in the North-East Atlantic: A Multiplicity of Instruments and Regime Linkages – but How Effective a Management?, in: Stokke (Fn. 199), S. 235 (239). 814 Zu den nordostatlantischen Straddling Stocks zählen Goldbarsch, Hering, Makrele, Rotbarsch, Wittling. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Manche Fischarten ändern im Laufe der Zeit ihre Wanderrouten und werden so erst zu Straddling Stocks.
Kap. 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik
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Abbildung 2: Hohe See-Gebiete im Nordostatlantik815
2. Die vertikale Perspektive: Die NEAFC und das SSA a) Formelle und institutionelle Aspekte Soweit hier von formellen und institutionellen Aspekten die Rede ist, steht zur Diskussion, ob die NEAFC als regionale Fischereiorganisation den vom SSA an solche Organisationen gestellten Anforderungen genügt. In 815
Quelle: Churchill (Fn. 813), S. 236.
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diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die regionalen Fischereiorganisationen gemäß Art. 8 SSA die Foren sind, innerhalb derer sich die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Bestandserhaltung vollziehen soll. Deswegen sieht Art. 8 Abs. 3 SSA vor, dass alle Staaten, die über ein „real interest“ an der Fischerei in dem betroffenen Meeresgebiet verfügen, Mitglieder der zuständigen Fischereiorganisation werden können. Für die derzeitigen Vertragsparteien des NEAFC-Ü816 lässt sich ein solches Interesse gewiss nicht leugnen. Es fragt sich aber, wie es sich auswirkt, dass das NEAFC-Ü ein geschlossener Vertrag ist. Diesbezüglich wurde bereits dargelegt, dass Art. 8 Abs. 3 SSA eine Anpassung des einschlägigen Art. 20 Abs. 4 NEAFC-Ü nicht verlangt817. Die innerhalb der NEAFC insbesondere seitens der EG unternommenen Vorstöße zur Aufhebung der in jener Norm enthaltenen Zugangsbeschränkung blieben bislang denn auch ohne Ergebnis818. Vertragsparteien des NEAFC-Ü, die zugleich Parteien des SSA sind, können den Beitritt einer weiteren SSA-Vertragspartei zum NEAFC-Ü vor dem Hintergrund des lex posterior-Grundsatzes jedoch nicht von ihrer Zustimmung abhängig machen819. An die Stelle des Zustimmungserfordernisses als Beitrittsvoraussetzung tritt dann vielmehr das „real interest“-Kriterium des Art. 8 Abs. 3 SSA. Entscheidend ist, dass die NEAFC – ebenso wie NASCO und ICCAT – über die Möglichkeit verfügt, Bestandserhaltungsmaßnahmen zu empfehlen, an die die Vertragsparteien unter den Voraussetzungen von Art. 12 NEAFCÜ gebunden sind. Dass sich die Vertragsparteien dieser Bindung durch Wahrnehmung des Widerspruchsrechts entziehen können, ist jedenfalls in formeller Hinsicht mit den Vorgaben des SSA vereinbar, welchen ein „opting out“-Verbot nicht zu entnehmen ist820. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass die Wahrnehmung des Widerspruchsrechts im Einzelfall aber einen Verstoß gegen die materiellen Schutzbestimmungen des SSA bedeuten kann. Darauf ist sogleich zurückzukommen. Im Übrigen haben die Vertragsparteien des NEAFC-Ü im Rahmen des 20. Jahrestreffens der NEAFC deren Rules of Procedure um ein Kapitel 8 („Rules Granting Observer Status“) erweitert, wonach NGOs die Möglichkeit gegeben wird, an den Sitzungen der NEAFC teilzunehmen821. Dadurch wird nunmehr den Anforderungen von Art. 12 Abs. 2 SSA entsprochen. 816
Vertragsparteien des NEAFC-Ü sind Dänemark (hinsichtlich der Färöer Inseln und Grönland); EG; Island; Norwegen; Polen; Russland. 817 Siehe o. Kapitel 2, II. 2. b). 818 Siehe dazu Molenaar (Fn. 448), S. 522. 819 Siehe o. Kapitel 2, II. 2. b). Vgl. auch Art. 30 Abs. 4 lit. a WVK. 820 Ebd. 821 Rules of Procedure (http://www.neafc.org/RULES%20OF%20PROCEDURE. doc), para. 34: „All non-governmental organisations (NGOs) which support the ob-
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b) Materielle Aspekte Im Rahmen der materiellen Aspekte geht es um die Frage, ob und inwiefern die NEAFC den schutz- und durchsetzungsbezogenen Bestimmungen des SSA im regionalen Rahmen zur Geltung verhilft, ob also die im Nordostatlantik lebenden Straddling Stocks hinreichend effektiv geschützt werden. Bestandserhaltungsmaßnahmen der NEAFC Die Beantwortung dieser Frage hängt in erster Linie vom Schutzniveau der in Kraft befindlichen Bestandserhaltungsmaßnahmen der NEAFC ab. Dabei handelt es sich um TACs und Quotenzuteilungen für die Straddling Stocks Rotbarsch822 und Makrele823, wobei Island beiden Maßnahmen, Russland nur der erstgenannten Maßnahme widersprochen hat. Die auf den atlanto-skandinavischen Hering824 bezogene Quotenzuteilung aus dem Jahre 2002 ist zwischenzeitlich außer Kraft getreten. Daneben gelten ein Fangverbot für die in einer genau bezeichneten Subregion vorkommenden Schellfischbestände sowie Mindestmaschengrößen für Lodde und Blauen Wittling825. An dieser auf den ersten Blick wenig beeindruckenden Bilanz fällt auf, dass sich die Maßnahmen jeweils ausschließlich auf eine bestimmte Fischspezies beziehen und insofern dem von Art. 5 lit. d-f SSA geforderten speziesübergreifenden Ansatz nicht genügen826. Eingedenk der Tatsache, dass sich der Makrelenbestand, für den die NEAFC Höchstfangmengen festgelegt und den Vertragsparteien Quoten zugeteilt hat, nach wie vor außerhalb seiner Safe Biological Limits befindet827, kann offenbar auch nicht von einer am Vorsorgeansatz orientierten Fischereipolitik gesprochen werden. Immerhin: In den letzten Jahren hat die NEAFC mehrfach den ICES um Informationen über die Entwicklung der Rotbarschbestände ersucht, um ggf. erjectives of the Convention, have a demonstrated interest in the species under the purview of NEAFC and are in good standing should be eligible to participate as an observer in all plenary meetings of the Commission, except meetings held in executive sessions or meetings of Heads of Delegations.“ 822 Vgl. NEAFC Management Measures on Pelagic Fishery for Redfish for 2003: http://www.neafc.org/redfish%202003.doc. 823 Vgl. NEAFC Management Measures for Mackerel in 2003: http://www. neafc.org/mackerel%202003.doc 824 Vgl. NEAFC Management Measures for the Norwegian Spring Spawning Herring (Atlanto-Scandian Herring) Stock for 2002: http://www.neafc.org/ag%20her ring%202002.doc. 825 Alle Maßnahmen abrufbar unter http://www.neafc.org/managmeas.htm. 826 Dazu Stokke, OCM 43 (2000), S. 205 (216 f.). 827 Siehe Erster Teil, Fn. 58.
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forderliche Bestandserhaltungsmaßnahmen für bestimmte Subregionen treffen zu können828. Die Informationsverschaffung durch den ICES basiert mangels eigener Kapazitäten jedoch ihrerseits auf dem Informationsfluss zwischen dieser Organisation und den Fischereistaaten. Deshalb hat der ICES die Anfragen der NEAFC jeweils mit der Empfehlung beantwortet, die Fischereiorganisation möge alle in den Rotbarschfang involvierten Staaten um Informationsweiterleitung an den ICES bitten829. Dass die NEAFC vor dem Hintergrund der insofern bestehenden wissenschaftlichen Unsicherheit bislang keine weiteren Bestandserhaltungsmaßnahmen getroffen hat, dürfte mit Art. 6 Abs. 2 SSA schwerlich vereinbar sein. Es muss aber davon ausgegangen werden, dass strengere Maßnahmen ohnehin nicht die erforderliche Stimmenmehrheit erhalten hätten, zumal, wie gesagt, eine Empfehlung gemäß Art. 12 Abs. 2 lit. c NEAFC-Ü prinzipiell für keine Vertragspartei in Kraft tritt, wenn derer mindestens drei widersprechen. Weder Island noch Russland – beide Staaten sind zugleich Vertragsparteien des SSA und insofern an Art. 5, 6 SSA gebunden – haben sich im Übrigen dazu bewegen lassen, aus Gründen einer vorsorglichen Fischereipolitik ihre Widersprüche gegen die von der NEAFC beschlossenen Maßnahmen zurückzunehmen. Reform der institutionalisierten Zusammenarbeit auf regionaler Ebene: Das SEAFO-Ü Das Beispiel der NEAFC zeigt: Die Ursache dafür, dass das vielen regionalen Fischereiabkommen inhärente Schutzpotential nicht ausgeschöpft wurde, ist in hohem Maße auf das offenbar unverzichtbare „opting out“Recht zurückzuführen. In diesem Zusammenhang bildet das noch nicht in Kraft getretene Übereinkommen über die Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen im Südostatlantik vom 20. April 2001 (SEAFO-Ü)830 eine Ausnahme, die, angesichts einer möglichen Modellfunktion auch für den Nordostatlantik, in der gebotenen Kürze vorgestellt werden soll. Zwar werden die Vertragsparteien gemäß Art. 23 Abs. 1 lit. c dieses Übereinkommens auch in der mit seinem In-Kraft-Treten entstehenden Fischereikommission über das Recht verfügen, beschlossenen Bestandserhaltungsmaßnahmen zu widersprechen831. Indes müssen Vertragsparteien, die von ihrem „opting out“-Recht Gebrauch machen, ihren Widerspruch begründen:
828 Vgl. etwa ICES (Hrsg.), Cooperative Research Report 246 (2001), S. 150 f.; ders. (Hrsg.), Cooperative Research Report 247 (2002), S. 135 f. 829 Ebd. 830 ILM 41 (2002), 257 ff.; (unverbindliche) deutsche Übersetzung: ABl. EG 2002, Nr. L 234, S. 40 ff.
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„Any Contracting Party which makes a notification under subparagraph (c) shall at the same time provide a written explanation of its reasons for making the notification and, where appropriate, its proposals for alternative measures which the Contracting Party is going to implement. The explanation shall specify inter alia whether the basis for the notification is that: i) the Contracting Party considers that the measure is inconsistent with the provisions of this Convention; ii) the Contracting Party cannot practicably comply with the measure; iii) the measure unjustifiably discriminates in form or in fact against the Contracting Party; or iv) other special circumstances apply“832.
Die Voraussetzungen eines zulässigen Widerspruchs wurden hiernach insofern verschärft, als die ausscherenden Vertragsparteien künftig gezwungen sein werden, Farbe zu bekennen – angesichts der unangenehmen Folgen, die ein solches Farbe-Bekennen in der von NGOs gut unterrichteten Öffentlichkeit zeigen kann, durchaus ein denkbares Mittel, die Widerspruchsfreude der Fischereistaaten in Grenzen zu halten. Zudem kann im Falle eines Widerspruchs jede andere Vertragspartei die Kommission auffordern, die beschlossene Maßnahme zu überdenken (lit. f) und die Einsetzung eines ad hoc Expertengremiums fordern (lit. g). Dieses Gremium ist dann befugt, Interimsmaßnahmen zu empfehlen, die unter bestimmten Voraussetzungen rechtsverbindlich werden. An der Ratifikationsdisziplin der Unterzeichnerstaaten wird sich ablesen lassen, ob die im Südostatlantik Fischerei betreibenden Staaten gewillt sind, sich jenen Verschärfungen zu unterwerfen. Zweifel erscheinen angebracht: Das SEAFO-Ü wurde bislang erst von zwei Parteien (Namibia und EG) ratifiziert833, trotz der im Anhang getroffenen Übergangsregelung. Zu der Zurückhaltung der anderen Unterzeichnerstaaten mag beitragen, dass sich das Übereinkommen streng an die Vorgaben des SSA hält. So muss die SEAFO im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben nicht nur einen Vor831 Ähnlich wie im Falle des NASCO-Ü wird die Kommission nicht selbst eine internationale Organisation sein, sondern nur ein Organ der übergeordneten South East Atlantic Fisheries Organisation (SEAFO); vgl. Art. 5 Abs. 2, 3 SEAFO-Ü. 832 Art. 23 Abs. 1 lit. d SEAFO-Ü. 833 Am 26. 2. 2002 hinterlegte Namibia, also der Gastgeberstaat der vertragsgebenden Konferenz, seine Ratifikationsurkunde beim Generaldirektor der FAO. Die EG schloss das Übereinkommen mit Beschluss des Rates 2002/738/EG vom 22. Juli 2002 über den Abschluss des Übereinkommens über die Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen im Südostatlantik durch die Europäische Gemeinschaft (ABl. EG 2002, Nr. L 234, S. 39) ab. – Gemäß Art. 27 SEAFO-Ü tritt das Übereinkommen 60 Tage nach Hinterlegung der dritten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft, wobei eine dieser Urkunden von einem Küstenstaat hinterlegt werden muss.
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sorgeansatz verfolgen834; vielmehr sind die Vertragsparteien gemäß Art. 19 Abs. 1 SEAFO-Ü zur Zusammenarbeit verpflichtet, um die Kompabilität der von der Kommission beschlossenen Maßnahmen mit den Maßnahmen, die von den Küstenstaaten bezüglich ihrer aWZen getroffen wurden, zu gewährleisten. Auch dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung wird Rechnung getragen835. Schließlich übernimmt das SEAFO-Ü sogar die SSA-Vorgaben hinsichtlich der Durchsetzung der von der Kommission zu treffenden Bestandserhaltungsmaßnahmen836, einschließlich der (teilweise bedenklichen) Kontrollrechte der Hafenstaaten. Einzig nach einem real interest-Zugangskriterium sucht man vergeblich837. Gemäß Art. 25 Abs. 1 SEAFO-Ü kann das Übereinkommen von jedem Staat und jeder regionalen Wirtschaftsgemeinschaft, „whose vessels fish, or have fished in the Convention Area, for fishery resources covered by this Convention, in the four years preceding the adoption of the Convention“, gezeichnet werden. Für den Beitritt gilt Art. 26 Abs. 1 SEAFO-Ü, wonach „this Convention shall be open for accession by coastal States, and by all other States and regional economic integration organisations whose vessels fish in the Convention Area for fishery resources covered by this Convention“ (Hervorhebung vom Verf.). Hinsichtlich der Möglichkeit einer SEAFO-Mitgliedschaft stellt das Übereinkommen also nicht darauf ab, ob ein Beitrittskandidat über ein tatsächliches Interesse an der Ausübung der Fischerei verfügt, sondern ausschließlich auf die tatsächliche Ausübung der Fischerei. Dieses gegenüber den Vorgaben des SSA838 strengere Zugangskriterium ist darauf zurückzuführen, dass sich die Unterzeichnerstaaten bei der Aushandlung des Vertragstextes nicht auf ein einheitliches Verständnis von real interest einigen konnten839. Es fragt sich, ob diese striktere Zugangsregelung mit dem SSA, insbesondere mit Art. 8 Abs. 3 S. 3 SSA, vereinbar ist, oder ob es sich um einen zwischen dem universellen und dem regionalen Übereinkommen bestehenden Normkonflikt im engeren Sinne handelt. Diese Frage wird mit In-Kraft-Treten des SEAFO-Ü hinsichtlich der im Konventionsgebiet lebenden Straddling Stocks und weit wandernden 834
Vgl. Art. 7 SEAFO-Ü. Siehe Art. 2 SEAFO-Ü: „The objective of this Convention is to ensure the long-term conservation and sustainable use of the fishery resources in the Convention Area through the effective implementation of this Convention.“ 836 Vgl. Art. 14–16 SEAFO-Ü. 837 Siehe aber Präambel, para. 9: „DESIRING cooperation with the coastal States and with all other States and Organisations having a real interest in the fishery resources of the South East Atlantic Ocean to ensure compatible conservation and management measures“ (Hervorhebung im Original). 838 Siehe o. Kapitel 2, II. 2. b). 839 Vgl. Molenaar (Fn. 448), S. 508. 835
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Arten praktisch durchaus relevant sein; denn mit Ausnahme von Angola, Südkorea, Südafrika und der EG840 haben alle Staaten, die das SEAFO-Ü gezeichnet haben, das SSA bereits ratifiziert. Zwar sind Abweichungen von den Bestimmungen des SSA unter den Voraussetzungen von Art. 44 SSA möglich. Jedoch dürfen gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift, die ebenso wie Art. 311 Abs. 2 SRÜ841 auch für Übereinkommen gilt, die erst nach Annahme des SSA geschlossen wurden, andere SSAVertragsparteien durch das SEAFO-Ü nicht im Genuss ihrer Rechte aus dem SSA beeinträchtigt werden. Genau das wäre allerdings der Fall, wenn eine SSA-Vertragspartei, die zwar derzeit keine Fischerei im SEAFO-Konventionsgebiet betreibt, dies aber für die Zukunft plant842, dem SEAFO-Ü nicht beitreten könnte; der betroffene Staat würde dann in seinem gemäß Art. 8 Abs. 3 SSA bestehenden Teilnahmerecht beeinträchtigt. Gegenüber Vertragsparteien des SSA muss Art. 26 Abs. 1 SSA deshalb dahingehend reduziert werden, dass alle Staaten bzw. regionalen Wirtschaftsorganisationen, die über ein tatsächliches Interesse an der Fischerei auf Straddling Stocks und weit wandernde Arten im SEAFO-Konventionsgebiet verfügen, diesem Übereinkommen beitreten können.
Vereinbarkeit der Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen Wendet man sich wieder gen Norden, kehrt also zurück in den Nordostatlantik, ist hinsichtlich der Frage, ob das NEAFC-Ü den Vorgaben des SSA zur Geltung verhilft, die von Art. 7 Abs. 2 SSA geforderte Vereinbarkeit der für die küstenstaatlichen aWZen einerseits und die Hohe See andererseits bezüglich der Straddling Stocks und weit wandernden Arten getroffenen Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen zu thematisieren. Gemäß Art. 5 Abs. 2 NEAFC-Ü muss sich die Kommission zwar um die Vereinbarkeit zwischen den von ihr beschlossenen Empfehlungen und den von den Vertragsparteien getroffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen bemühen. Diese Bemühenspflicht bleibt aber hinter Art. 7 Abs. 2 SSA zurück. Möglicherweise ergibt sich in der Praxis jedoch ein anderes Bild. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Küstenstaaten des Nordostatlantiks843 bei der Bewirtschaftung einzelner Straddling Stocks nicht nur im NEAFCRahmen, sondern zum Teil auch im Rahmen subregionaler Fischereiverträge, die sich räumlich sowohl auf die küstenstaatlichen aWZen wie auf 840
Zur EG siehe o. Fn. 377. Siehe Fn. 408. 842 Das ist für ein tatsächliches Interesse an der Fischerei im Sinne von Art. 8 Abs. 3 SSA ausreichend; siehe o. Kapitel 2, II. 2. b). 843 Angesichts des Umstands, dass die EG auf dem Gebiet der Fischerei auch nach außen hin zuständig ist und insofern die Belange ihrer Mitgliedstaaten wahrnimmt (siehe u. Dritter Teil, Kapitel 2, II. 2.), existieren in rechtlicher Hinsicht lediglich fünf „Küstenstaaten“: Dänemark (hinsichtlich der Färöer Inseln und Grönland, die vom EG-Vertrag ausgenommen sind), EG, Island, Norwegen und Russland, das als Vertragspartei des NEAFC-Ü unter funktionalen Gesichtspunkten dem Nordostatlantik zurechnet. 841
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
die nordostatlantischen Hohe See-Enklaven844 beziehen, zusammenarbeiten845. Grund für diese subregionale Zusammenarbeit ist, dass die meisten Straddling Stocks zugleich Bestände im Sinne von Art. 63 Abs. 1 SRÜ sind, Bestände also, die innerhalb der aWZen mehrerer Küstenstaaten vorkommen. Die Frage nach der Qualität der Zusammenarbeit zielt insofern vor allem auf das Verhältnis der von der NEAFC – sie ist, wie gesagt, grundsätzlich für alle nordostatlantischen Fischarten zuständig – beschlossenen Bestandserhaltungsmaßnahmen einerseits und den im Rahmen jener subregionalen Fischereiverträge getroffenen Maßnahmen andererseits. Im Falle des auf die nordostatlantischen Heringbestände bezogenen, jährlich erneuerten Vertrags hat die NEAFC bis vor kurzem die Vereinbarkeit der Maßnahmen gewährleistet846, indem sie die von den Vertragsparteien des Fischereiabkommens jährlich festgelegte TAC übernahm847. Für die Hohe See-Enklave (Banana Hole) legte sie sodann ihrerseits eine (niedrigere) TAC fest und teilte diese unter den NEAFC-Vertragsparteien auf, wobei die Hohe See-Quoten in den Quoten der Parteien des Fischereivertrags beinhaltet waren848. Die Vertragsparteien des Hering-Übereinkommens, die allesamt zugleich Parteien des NEAFC-Ü sind, konnten die auf das Banana Hole bezogenen Quotenzuteilungen freilich umgehen, da die ungleich höheren Quoten, die zuvor im Rahmen des Hering-Übereinkommens zugeteilt wurden, trotz Zuständigkeit der NEAFC (auch) auf Hoher See ausgeschöpft 844
Siehe o. Abb. 2. Die existierenden Übereinkommen beziehen sich auf die Straddling Stocks Hering, Rotbarsch und Makrele; Vertragstexte liegen dem Verf. nicht vor. Vgl. etwa UN Doc. A/51/383, Law of the Sea: Agreement for the Implementation of the Provisions of the United Nations Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982 Relating to the Conservation and Management of Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks, Report of the Secretary-General, 4 October 1996, para. 11: „Norway also indicated that a four-party Agreement on the 1996 Norwegian spring spawning herring stocks concluded among the coastal States, i. e., Norway, the Russian Federation, Iceland and the Faroe Islands, had been signed and had entered into force on 6 May 1996. The Agreement, which limited the fishery both in the fishery zones of the four parties and in the high seas areas of the north-east Atlantic, represented a major step forward in a policy designed to extend sustainable management to the herring stock throughout its range of distribution.“ 846 Vgl. die zwischenzeitlich außer Kraft getretenen NEAFC Management Measures for the Norwegian Spring Spawning Herring (Atlanto-Scandian Herring) Stock for 2002, para 3 lit. a: „in order to ensure consistency and compatibility“. 847 Ebd., paras. 1, 2. 848 Ebd., para 3 lit. b: „Catches taken under these [NEAFC] Allocations shall be deducted from quotas allocated to Contracting Parties representing a Party to the said Agreed Record [Agreed Record of Fisheries Conclusions on the Management of the Norwegian Spring Spawning Herring (Atlanto-Scandian Herring) Stock in the Northeast Atlantic between the European Community, the Faroe Islands, Iceland, Norway and the Russian Federation, signed in London on 9 November 2001]“. 845
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werden durften849. Als einzige NEAFC-Vertragspartei, die nicht zugleich Vertragspartei des Hering-Übereinkommens ist, war Polen die Leidtragende. Insofern überrascht es nicht, dass dieser Staat gegenüber den von der NEAFC angenommenen Empfehlungen von seinem „opting out“-Recht Gebrauch machte850. Soweit sich noch im letzten Jahr die Frage nach der Vereinbarkeit dieser Art und Weise der Zusammenarbeit mit den Vorgaben von Art. 7 SSA stellte, bestanden diesbezügliche Zweifel insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass die Vertragsstaaten des Hering-Übereinkommens die ihnen zugeteilten Fangquoten trotz der von der NEAFC für die Hohe See-Enklave beschlossenen Quoten auch auf Hoher See ausschöpfen durften. Indes müssen die Staaten bei der Festlegung von Bestandserhaltungsmaßnahmen für die Hohe See gemäß Art. 7 Abs. 2 lit. c SSA „bereits vereinbarte Maßnahmen berücksichtig[en], die in Übereinstimmung mit dem Seerechtsübereinkommen für dieselben Bestände von einer subregionalen oder regionalen Organisation oder Vereinbarung betreffend Fischereibewirtschaftung festgelegt worden sind und angewendet werden.“
Nach dieser Norm, die nicht nur für die aWZen, sondern gerade auch für die Hohe See gilt (vgl. Art. 3 Abs. 1 SSA), war gegen den Vorrang der nach dem subregionalen Vertrag vorgenommenen Quotenverteilung nichts einzuwenden. Die NEAFC sollte sich künftig – falls bezüglich der Heringsbestände wieder erforderlich – auf die Empfehlung anderer Bestandsschutzmaßnahmen konzentrieren und etwa Mindestmaschengrößen und Sperrzeiten annehmen. Viel wäre auch mit der Umsetzung eines speziesübergreifenden Ansatzes gewonnen, also mit der Berücksichtigung von Auswirkungen der Fischerei auf Arten, die mit den Heringsbeständen vergesellschaftet sind oder zu demselben Ökosystem gehören, einschließlich der Annahme ggf. erforderlicher Maßnahmen851. Bedenken, die Art und Weise der Bewirtschaftung führe angesichts des Vorrangs der im subregionalen Rahmen vorgenommenen Quotenverteilung zu einer Minderung des Bestandsschutzniveaus, ist unter Hinweis auf die Einschätzung des ICES entgegenzutreten, wonach „the stock biomass [of the Norwegian spring-spawning herring] is within safe biological limits“; die Vorgaben des Hering-Übereinkommens „are consistent with the precautionary approach“852. Aus diesem Grunde musste die NEAFC für das Jahr 2003 keine Maßnahmen treffen. 849
Ebd., para. 4. Vgl. Churchill (Fn. 813), S. 248. 851 Vgl. Art. 5 lit. d, e, f. SSA. Zu Problemen im Nordostatlantik siehe Stokke (Fn. 826), S. 217. Vgl. auch NEAFC (Hrsg.), Report of the Extraordinary Meeting of the North-East Atlantic Fisheries Commission, 10–12 April 2002, para. 11: http://www.neafc.org/EM2002.doc. 852 ICES (Hrsg.), Cooperative Research Report 246 (2001), S. 52. 850
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Hinsichtlich der nordostatlantischen Rotbarschbestände hat die NEAFC interessanterweise den gegenteiligen Ansatz verfolgt. So erstrecken sich die jährlich angenommenen Empfehlungen sowohl auf das Hohe See-Gebiet, in dem die Rotbarschbestände vorkommen (Irminger See), als auch auf die küstenstaatlichen aWZen, mit Ausnahme der isländischen853. Die Erhaltung der Bestände wird insofern nicht, wie von Art. 7 Abs. 2 SSA eigentlich vorgesehen, zweigleisig gewährleistet, sondern einheitlich von der NEAFC. Mit Blick auf Art. 7 SSA ist dieses Vorgehen unbedenklich. Es steht den Vertragsparteien des SSA grundsätzlich frei, einheitliche Bestandserhaltungsmaßnahmen für aWZ und Hohe See zu treffen; auf diese Weise wird die Vereinbarkeit der getroffenen Maßnahmen letztlich am besten gewährleistet, und auch die von Art. 44 Abs. 1 SSA für die Parteien beider Übereinkommen verlangte Vereinbarkeit der NEAFC-Maßnahmen mit dem SSA ist gegeben854. Freilich liegt in der einheitlichen Bewirtschaftung der Rotbarschbestände zugleich der Grund für das Ausscheren Islands und Russlands, die von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht haben, zuletzt erneut im Jahre 2003855. Beide Staaten waren und sind der Auffassung, dass die NEAFC ihre Empfehlung in räumlicher Hinsicht auf das Hohe See-Gebiet hätte beschränken müssen856. Vor dem Hintergrund des NEAFC-Ü ist diese Position indes schon deshalb unzutreffend, weil die Erstreckung auf die aWZen ohnehin nur mit Zustimmung der Küstenstaaten erfolgen kann. Hinter dem Vorgehen beider Staaten dürften insofern Befürchtungen stehen, fischereipolitisch durch die Organisation bevormundet zu werden. Effektiver Bestandsschutz kann jedenfalls, wie der Vergleich mit dem Hering-Regime zeigt, offenbar einfacher im Wege des zweigleisigen Ansatzes des SSA (und der damit einhergehende Respektierung der funktionalen Hoheitsrechte der Küstenstaaten) erreicht werden. Dieser Befund wird von der Zusammenarbeit bei der Bewirtschaftung und Erhaltung der nordostatlantischen Makrelenbestände bestätigt. Ebenso wie im Falle des Hering-Regimes ist die NEAFC bislang ausschließlich hinsichtlich der Hohe See-Gebiete tätig geworden. Im Unterschied zu jenem Regime existiert allerdings kein auf die Makrelenbestände bezogener subregionaler Fischereivertrag, der auch die Gewässer der Hohen See umfasste857 853 Vgl. NEAFC Management Measures on Pelagic Fishery for Redfish for 2003. – Island hat nicht, wie von Art. 6 Abs. 1 NEAFC-Ü gefordert, in die Erstreckung der Maßnahmen auf seine aWZ eingewilligt. 854 I. E. wie hier Churchill (Fn. 813), S. 261. 855 Insofern haben sich die Befürchtungen Churchills (ebd., S. 262) bestätigt. 856 Ebd., S. 258. 857 Der nordostatlantische Makrelenbestand ist nicht nur ein Straddling Stock, sondern auch ein Shared Stock, ein Bestand also, der in den aWZen mehrerer benachbarter Küstenstaaten vorkommt. Bezüglich der von Art. 63 Abs. 1 SRÜ – die Bestimmungen des SSA sind auf Shared Stocks nicht anwendbar (s. o. Kapitel 2,
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und dessen Vorgaben von der NEAFC als Orientierungshilfe genutzt werden könnten; eine vorrangige Berücksichtigung subregionaler bzw. einzelstaatlicher Maßnahmen kam demnach nicht in Betracht858. Island und Russland hatten den seitens der NEAFC festgesetzten Quotenverteilungen in den ersten Jahren aus unterschiedlichen Gründen widersprochen. Russland, dessen aWZ nicht an das nordatlantische Hohe See-Gebiet angrenzt und insofern als Hochseefischereistaat auftrat, erklärte sich erst wieder zu einer Zusammenarbeit bereit, nachdem ihm eine jährlich prozentual zur TAC stabile Quote zugesichert wurde859. Die ursprüngliche Begründung Russlands, hinsichtlich des Makrelenbestands mangele es an hinreichenden wissenschaftlichen Angaben, war nicht mit Art. 6 SSA vereinbar und wurde, soweit ersichtlich, nach In-Kraft-Treten des SSA denn auch nicht mehr in Ansatz gebracht. Demgegenüber hat Island auch gegenüber der jüngsten Empfehlung von seinem „opting out“-Recht Gebrauch gemacht, weil es im Hinblick auf die von Art. 5 Abs. 2 NEAFC-Ü geforderte Vereinbarkeit mit den küstenstaatlicherseits getroffenen Erhaltungsmaßnahmen nicht als „relevant coastal State“860 anerkannt wurde. Aus isländischer Sicht war dies unakzeptabel, weil die Staaten, deren Bestandserhaltungsmaßnahmen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 NEAFC-Ü berücksichtigt werden müssen, bei der Quotenverteilung für die Hohe See über größeren Einfluss verfügen. Angesichts des Umstands, dass die Kommission bei Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß Art. 4 Abs. 1 NEAFC-Ü auf den „best scientific evidence“ zurückgreifen muss, ist der isländischen Position mit einer Untersuchung über das Vorkommen des nordostatlantischen Makrelenbestands in der isländischen aWZ Rechnung zu tragen861. Diese Forderung unterstreicht: Ohne hinreichende Respektierung der küstenstaatlichen Interessen kommt effektiver Bestandsschutz nicht zum Zuge. Als wirkungsvollstes Modell stellt sich, so das Ergebnis der vergleichenden Betrachtung der verschiedenen Bestandsschutzregimes, das Zusammenspiel von regionalen und subregionalen Fischereiverträgen dar.
II.) – geforderten Zusammenarbeit bei der Erhaltung und Bewirtschaftung von Shared Stocks verweist Churchill, ebd., S. 263, auf ein im Jahre 1999 zwischen der EG, Norwegen und, hinsichtlich der Färöer Inseln, Dänemark geschlossenes Fischereiabkommen, das bislang nicht im Amtsblatt der EG veröffentlicht wurde. 858 Vgl. NEAFC Management Measures for Mackerel in 2003, para. 4: „The allowable catch [. . .] shall for subsequent years, according to the general stock development, be established on the basis of the relationship between the TAC set by the relevant coastal States and the allowable catch set for areas beyond the fisheries jurisdiction of Contracting Parties for 2003“. 859 Ebd., para. 5. 860 Ebd., para. 2. Begründet wurde diese Position mit der Behauptung, in der isländischen aWZ kämen keine Makrelen vor. 861 Vgl. auch Churchill (Fn. 813), S. 263, 265.
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Durchsetzung der Bestandserhaltungsmaßnahmen und Behandlung der free rider Auch und gerade im Hinblick auf die Durchsetzung der im NEAFC-Rahmen getroffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen wirkte die Annahme des SSA als Katalysator für die regionale Ebene862. So hat die NEAFC im Jahre 1998 per Empfehlung ein „Scheme of Control and Enforcement in Respect of Fishing Vessels Fishing in Areas Beyond the Limits of National Fisheries Jurisdiction in the Convention Area“ angenommen863, mit Hilfe dessen die einschlägigen SSA-Bestimmungen (Art. 19–22) im Nordostatlantik umgesetzt werden sollen. Das Schema ist seither mehrfach angepasst worden. Im Vordergrund steht das Recht, verdächtige Fischereifahrzeuge durch Inspektoren betreten und kontrollieren zu lassen. Dieses Recht, das mit den Vorgaben des SRÜ vereinbar ist864, greift nur bezüglich von Schiffen, die unter den Flaggen der NEAFC-Vertragsparteien fahren; den Zugriff auf Schiffe von Drittstaaten sieht das NEAFC-Durchsetzungsschema nicht vor. Gleichwohl ist die Überprüfung eines solchen Schiffes rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sowohl der Herkunftstaat des kontrollierenden NEAFC-Inspektors als auch der Flaggenstaat des kontrollierten Schiffes Vertragsparteien des SSA sind865. Werden im Rahmen einer Kontrolle Verstöße gegen die in Kraft befindlichen NEAFC-Empfehlungen festgestellt, ist der Flaggenstaat verpflichtet, erforderliche Maßnahmen zu treffen, etwa innerstaatliche Verfahren einzuleiten866. Die Vertragsparteien müssen der NEAFC jährlich über die durchgeführten Kontrollen und die dabei festgestellten Verstöße berichten867. Es bleibt abzuwarten, ob die Vertragsparteien willens und in der Lage sind, das Durchsetzungsschema in der Praxis umzusetzen. Angesichts der besonderen Bedeutung der Schiffskontrollen hängt dies nicht zuletzt vom Ausmaß der zur Verfügung gestellten Mitteln ab. Immerhin: Die EG hat ihre Mitgliedstaaten bereits verpflichtet, den Inspektoren ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen und die Namen der Inspektoren, der Inspektionsschiffe sowie die Kennzeichen der zu Kontrollzwecken eingesetzten Flugzeuge mitzuteilen868. 862 Vgl. das Fazit des dem Wechselspiel von universeller und regionaler Ebene gewidmeten Beitrags von Stokke (Fn. 826), S. 231. 863 „The most important NEAFC recommendation [that] has been adopted in the recent past“ (Wolff [Fn. 156], S. 82). Der Text ist unter http://www.neafc.org/document/SchemeV3.pdf abrufbar. 864 Siehe o. Kapitel 2, II. 3. 865 Vgl. Art. 21 Abs. 1 SSA. 866 Para. 23 des Durchsetzungsschemas. 867 Para. 25. 868 Vgl. Art. 11 der VO (EG) Nr. 2791/1999 des Rates vom 16. Dezember 1999 mit Kontrollmaßnahmen für den Bereich des Übereinkommens über die künftige
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Hinsichtlich der free rider setzt die NEAFC weniger auf Zwang denn auf Kooperation. Im Jahre 1998 nahmen die Vertragsparteien, gestützt auf Art. 8 Abs. 1 NEAFC-Ü869, ein Schema an, dass für die Einhaltung der von der NEAFC getroffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen wirbt870. Nach ihm wird zwar jede im Konventionsgebiet ausgeübte Fischereitätigkeit als potentiell geeignet qualifiziert, die von der NEAFC getroffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen zu unterlaufen871. Die Möglichkeit, fremde Schiffe zu betreten und zu kontrollieren, besteht jedoch nur insoweit, als sich der Flaggenstaat zuvor damit einverstanden erklärt872. Nicht (mehr) erforderlich ist ein Einverständnis, wenn ein unter Flagge eines free riders fahrendes Schiff im Hafen einer Vertragspartei liegt873 – bedenklich gegenüber Staaten, die das SSA nicht ratifiziert haben874. Davon abgesehen ist die Geschwindigkeit des Informationssystems gegenüber Schiffen, die, unter Flagge einer Nichtvertragspartei fahrend, Fischereiaktivitäten im NEAFC-Konventionsgebiet ausüben, bemerkenswert. So muss der Kommissionssekretär entsprechende Informationen, die ihm von einer Vertragspartei übermittelt wurden, innerhalb eines Arbeitstages an alle Vertragsparteien weiterleiten875. Erst dieser Zeitdruck ermöglicht effektive Hafenstaatkontrollen. Das Durchsetzungsschema wird schließlich durch korrespondierende Beteiligungsrechte ergänzt: Hinsichtlich der nordostatlantischen Rotbarsch- und Makrelebestände hat die NEAFC eine „Co-operation Quota“ für Nichtvertragsparteien festgesetzt und diese in die TAC einbezogen, um ein stabiles Niveau der Bestände zu gewährleisten. Inwiefern die free rider von diesem Angebot Gebrauch machen, bedarf näherer, derzeit noch nicht leistbarer empirischer Untersuchung.
multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordostatlantik: ABl. EG 1999, Nr. L 337, S. 1 ff. 869 In Art. 8 Abs. 1 NEAFC-Ü ist in allgemeiner Form die Rede von „measures of control“. Dass diese Maßnahmen auf die Kontrolle der unter Flagge der NEAFCVertragsparteien fahrenden Schiffe beschränkt sind, sagt die Bestimmung nicht. 870 Scheme to Promote Compliance by Non-Contracting Party Vessels with Recommendations Established by NEAFC: http://www.neafc.org/document/NCPschemeV3.pdf. 871 Ebd., para. 4. 872 Ebd., para. 7. Staatenlose Schiffe, die beim Fischfang im NEAFC-Konventionsgebiet gesichtet werden, können jederzeit betreten und kontrolliert werden. 873 Ebd., para. 10. 874 Siehe o. Kapitel 2, II. 3. 875 Para. 5.
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III. Artenschutz Aspekte des regionalen Artenschutzes werden im Nordostatlantik von zwei Übereinkommen angesprochen: dem Agreement on Cooperation in Research, Conservation and Management of Marine Mammals in the North Atlantic (NAMMCO)876 einerseits und dem Agreement on the Conservation of Cetaceans of the Black Sea, Mediterranean Sea and Contiguous Atlantic Area (ACCOBAMS)877 andererseits. Die Übereinkommen sind vor allem deshalb von Interesse, weil sie sachlich auf entgegengesetzten Ansätzen beruhen. Während es sich bei diesem um einen reinen Artenschutzvertrag handelt, der sich ausschließlich mit dem Schutz der im Konventionsgebiet vorkommenden Wale befasst, ist jenes ein primär der Bewirtschaftung der Meeressäuger gewidmetes Übereinkommen. In beiden Fällen stellt sich die Frage nach den Wechselwirkungen mit dem universellen IWÜ. 1. Das NAMMCO-Ü: Vorrang der Nutzung Das seit 1992 in Kraft befindliche NAMMCO-Ü und die mit diesem Übereinkommen ins Leben gerufene internationale Organisation878 stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frustration einiger Staaten gegenüber der Politik der IWK. David D. Caron hat treffend ausgeführt, dass „[. . .] the organization was born out of dissatisfaction with the IWC’s zero-catch quota, lack of IWC competence to deal with small cetaceans, and the need for an organization to deal with other marine mammals such as seals“879.
Vertragsparteien sind die Färöer Inseln, Grönland, Island und Norwegen, Staaten bzw. Selbstverwaltungseinheiten also, die seit jeher in mehr oder weniger intensivem Ausmaß Walfang betrieben haben. Kanada und Russland verfügen über Beobachterstatus im Sinne von Art. 8 NAMMCO-Ü. Da beide Staaten offiziell nicht (mehr) zu den Befürworten des Walfangs zählen880, haben sie – trotz bestehender Bedenken881 – den offenen Konflikt mit der IWK gescheut. Gemäß Art. 10 Abs. 2 NAMMCO-Ü setzt die Auf876
Siehe die in Fn. 14 angegebene Fundstelle. Siehe die in Fn. 15 angegebene Fundstelle. Weder die EG noch Deutschland sind Vertragsparteien auch nur eines der beiden Übereinkommen. Die Vertragsbestimmungen werden deshalb im Folgenden, soweit erforderlich, in englischer Sprache wiedergegeben. 878 Vgl. Art. 1 NAMMCO-Ü: „There is hereby established an international organization that shall be known as the North Atlantic Marine Mammal Commission (NAMMCO).“ 879 Caron (Fn. 577), S. 164. 880 Freilich üben die in beiden Staaten lebenden Angehörigen der Inuit nach wie vor Walfang aus, ohne dass dies eine Gefahr für die Erhaltung der Arten bedeutete. Siehe dazu o. Fn. 553. 877
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nahme neuer Mitgliedstaaten die Zustimmung der existierenden Vertragsparteien voraus; im Unterschied zum IWÜ handelt es sich beim NAMMCO-Ü um einen geschlossenen Vertrag, Reaktion auf die Instrumentalisierung des universellen Vertrags zu Zwecken, die mit dessen Wortlaut und Telos nicht in Einklang stehen882. Der räumliche Geltungsbereich des Übereinkommens ist nicht eindeutig festgelegt. Abs. 1 der Präambel verweist lediglich auf „Countries bordering the North Atlantic Ocean“. Auch das dem Übereinkommen zu Grunde liegende Memorandum of Understanding („Cooperation between Countries Bordering the North Atlantic Ocean in Research, Conservation and Management of Marine Mammals“, 19 April 1990) enthält keine Eingrenzung des Raumes, sondern spricht in para. 3 seinerseits von der „North Atlantic Area“. Hinsichtlich der Abgrenzung von Nord- und Südatlantik ist deswegen das im Ersten Teil, Kapitel 1, genannte geographische Kriterium zu rekurrieren. Weder in institutioneller noch in materieller Hinsicht stellt das NAMMCO-Ü eine Gefahr für das universelle IWÜ dar. So wurden der NAMMCO keine Befugnisse übertragen, die in ihrer Reichweite denen der IWK entsprächen. Es mangelt vor allem an der Möglichkeit, rechtsverbindliche Maßnahmen anzuordnen. Zwar sollen die Management Committees – zuständige Unterorgane der NAMMCO – gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a NAMMCO-Ü „propose to their members measures for conservation and management“. Indes fehlt es an einer Bestimmung über die Rechtswirkungen solcher Empfehlungen, weshalb von einer Bindungswirkung nicht ausgegangen werden kann883. Von daher handelt es sich um eine institutionell schwach ausgebildete Organisation. Hätten die Vertragsparteien des NAMMCO-Ü wirklich „Ernst machen“ wollen, hätten sie der NAMMCO gewiss entsprechende Kompetenzen übertragen. 881 Vgl. das anlässlich des 6. Jahrestreffens des NAMMCO-Rates gesprochene Grußwort des Vorsitzenden des russischen Fischereiausschusses: „The establishment of NAMMCO was to some extent a forced response of the North Atlantic countries to decisions of the International Whaling Commission (IWC), which are based more on emotions than scientific data. [. . .] Most of the IWC member countries use the voting mechanism to prevent the organization from enacting rational regulations for whaling as laid down in the IWC Convention. Objectivity is replaced by politically motivated resolutions to prolong the full moratorium for commercial whaling for all whale species of the world’s oceans, despite the reality of the state of specific whale stocks.“ (NAMMCO [Hrsg.], Annual Report 1996, Report of the Sixth Meeting of the Council, S. 48 f.). 882 Siehe o. Kapitel 2, III. 2. 883 Missverständlich Birnie (Fn. 217), S. 383 („Even though it can propose conservation measures, NAMMCO has not done so yet and, therefore, is not a regulatory body“).
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In materieller Hinsicht anerkennt das NAMMCO-Ü gar den Vorrang der Pflichten der Vertragsparteien aus anderen völkerrechtlichen Verträgen, etwa dem IWÜ: „This Agreement is without prejudice to obligations of the Parties under other international agreements.“884
Wie des weiteren dem Umstand entnommen werden kann, dass die meisten Bestimmungen des NAMMCO-Ü (auch) der Sammlung wissenschaftlicher Informationen gewidmet sind, handelt es sich bei dieser Kommission derzeit um wenig mehr als ein Forum zur Sammlung wissenschaftlicher Daten885. Freilich ist nicht zu leugnen, dass solche Daten nicht um des bloßen Erkenntniswertes willen gesammelt werden, sondern vielmehr die Grundlage künftiger Bewirtschaftungsmaßnahmen bilden sollen. In diesem Sinne ist in einer 1995 angenommenen Empfehlung des NAMMCO-Rates die Rede davon, der wissenschaftliche Ausschuss möge „advise on stock identity [of ringed seals] for management purposes and to assess abundance in each stock area, long-term effects on stocks by present removals in each stock area, effects of recent environmental changes (i. e. disturbance, pollution) and changes in the food supply, and interactions with other marine living resources.“886
Wird unterdessen berücksichtigt, dass die NAMMCO eine „Working Group on Hunting Methods“ eingerichtet hat, die sich unter anderem mit der Entwicklung neuer, ethisch vertretbarer Fangtechniken beschäftigt887, und dass weiterhin mit dem „Joint NAMMCO Control Scheme for the Hunting of Marine Mammals“888 ehrgeizige (wenn auch unverbindliche) Vorgaben hinsichtlich der Kontrolle der Jagd auf Meeressäugetiere geschaffen wurden, wird das Bemühen der NAMMCO erkennbar, die wichtigsten Elemente des im Rahmen der IWK diskutierten, dort – wie gesagt – bislang aber nicht implementierten Revised Management Scheme (RMS) umzusetzen889. Dieses Schema, das den Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung gerecht wird, ermöglicht die begrenzte Nutzung der Meeresäugerbestände, ohne die Tiere in ihren Vorkommen zu gefährden. Vor diesem Hintergrund könnte das mit Bezug auf die NAMMCO zu ziehende Fazit ein 884 Art. 9 NAMMCO-Ü. Vgl. auch Maffei (Fn. 523), S. 304. – Im Übrigen ist ein Ausscheiden aus der IWK schon deshalb nicht erforderlich, weil sich die Vertragsparteien des IWÜ durch Gebrauch des „opting out“-Rechts beschlossenen Änderungen der IWÜ-Anlage entziehen können. 885 Ähnlich Birnie (Fn. 217), S. 383. 886 NAMMCO (Hrsg.), Annual Report 1996, Report of the Management Committee, S. 81 (Hervorhebung hinzugefügt). 887 Vgl. NAMMCO (Hrsg.), Annual Report 1996, Report of the Sixth Meeting of the Council, S. 59 ff. 888 Ebd., S. 70–75. 889 Vgl. auch Caron (Fn. 577), S. 165. Zum RMS siehe schon o. Kapitel 2, III. 3.
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durchweg positives sein – handelt es sich nicht um eine geeignete Institution zur regionalen Umsetzung von Maßnahmen, die im universellen Rahmen wegen Blockade des zuständigen Forums890 nicht umgesetzt werden können? Mit anderen Worten: Genügt das NAMMCO-Ü nicht gerade den Anforderungen, die das SSA auf dem Gebiet der Bestandserhaltung an die regionalen Fischereiorganisationen stellt? Eine Antwort auf diese Fragen muss zwiespältig ausfallen. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass die Vertragsparteien des NAMMCO-Ü, rechtlich betrachtet, nicht zur Umsetzung der angenommenen Empfehlungen verpflichtet sind, wenn auch die bisherigen Erfahrungen optimistisch stimmen891. Insofern ist eine den Rechtsfolgen der Empfehlungen der NAMMCO gewidmete Anpassung des Übereinkommens erstrebenswert. Zum anderen – und dies ist der zentrale Gesichtspunkt – wurde das NAMMCO-Ü autonom, d. h. ohne vorherige Abstimmung mit der IWK, geschlossen. Rechtspolitisch birgt dieser Alleingang Gefahren für den marinen Artenschutz. So könnten sich andere Staaten, die ein Interesse an der Wiederaufnahme des Walfangs haben892, dazu ermutigt fühlen, in anderen Regionen der Weltmeere, etwa im Pazifik, der NAMMCO verwandte Organisationen einzusetzen893. Ob sich eine solche Organisationen ebenfalls an den Vorgaben des RMS orientieren würde, ist zwar spekulativ, erscheint angesichts der vom IWÜ bekannten Ausnutzung des Rechts auf wissenschaftlichen Walfang indes zumindest zweifelhaft. NAMMCO und IWK sind demnach miteinander verknüpft: Solange im Rahmen der universellen Organisation keine Umsetzung des RMS gelingt, droht der Präzedenzfall NAMMCO missbraucht zu werden. 2. Das ACCOBAMS: Vorrang des Schutzes Das ACCOBAMS, am 1. Juni 2001 in Kraft getreten, erfasst die Gewässer des Nordostatlantiks zwar nur am Rande894 – das Übereinkommen bezieht sich primär auf das Schwarze Meer und das Mittelmeer –, wird aber 890 Die IWK verfügt nicht über ein Zuständigkeitsmonopol. Art. 65 S. 2 SRÜ spricht vielmehr im Plural von „geeigneten internationalen Organisationen“. Da der von der NAMMCO verfolgte Ansatz nicht hinter dem Schutzniveau der Art. 61 ff. SRÜ zurückbleibt, ist die NAMMCO eine internationale Organisation im Sinne von Art. 65 S. 2 SRÜ. Siehe dazu o. Kapitel 1, III. 891 Siehe die Nachweise über die von den Vertragsparteien zur Verbesserung der Fangtechniken getroffenen Maßnahmen in NAMMCO (Hrsg.), Annual Report 1996, Report of the Sixth Meeting of the Council, S. 60 f. 892 Zu denken ist vor allem an Japan. 893 Vgl. Caron (Fn. 577), S. 173 f. 894 Vgl. Art. I Abs. 1 lit. a 3. Spiegelstrich ACCOBAMS: „The contiguous Atlantic area west of the Strait of Gibraltar is bounded to the east by the meridian pas-
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
vorliegend aufgrund seines besonders weitreichenden Schutzansatzes berücksichtigt. Es steht in engem Zusammenhang mit dem Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten vom 23. Juni 1979 (CMS)895. Dieser Zusammenhang ist unter anderem daran erkennbar, dass sich das ACCOBAMS selbst als sog. Arealstaatenvertrag im Sinne von Art. IV Abs. 4 CMS einordnet896. Auch in institutioneller Hinsicht folgt das Übereinkommen dem Modell des universellen Vertrags. So werden Entscheidungen gemäß Art. III Abs. 1 ACCOBAMS im „Meeting of the Parties“ getroffen, einem regionalen Abbild der „Konferenz der Vertragsparteien“ im Sinne von Art. VII CMS. Im Rahmen seiner ersten Zusammenkunft hat das „Meeting of the Parties“ – wie von Art. III Abs. 7 ACCOBAMS gefordert – weitere (Sub-) Organe sowie Verfahrensregeln angenommen, die ihrerseits an die von der CMS bekannten Vorbilder anknüpfen. Dies lässt sich am Beispiel eines Redaktionsversehens veranschaulichen: Art. IV Abs. 1 ACCOBAMS fordert die Einrichtung eines Vertragssekretariats „subject to the approval of the Conference of the Parties to the Convention“. Die Bezeichnung „Conference of the Parties“ wird unterdessen nur in der CMS für das Beschlussorgan des Übereinkommens verwendet; im ACCOBAMS ist, wie gesagt, andernorts vom „Meeting of the Parties“ die Rede897.
In materieller Hinsicht handelt es sich, anders als das NAMMCO-Ü, um einen reinen Artenschutzvertrag. Ziel des Übereinkommens ist der vollständige Ausschluss des Walfangs898 im Konventionsgebiet: „[. . .] Parties shall prohibit and take all necessary measures to eliminate, where this is not already done, any deliberate taking of cetaceans and shall co-operate to create and maintain a network of specially protected areas to conserve cetaceans“899.
Angesichts des Umstands, dass die zur Trangewinnung ausgeübte Jagd auf Kleinwale im Konventionsgebiet in den letzten Jahrzehnten drastisch zurückgegangen ist und etwa die Anrainerstaaten des Schwarzen Meeres seit 1983 entsprechende Verbote erlassen haben, erscheint die Zweckmäßigkeit eines Fangverbotes auf den ersten Blick fragwürdig. Von wenigen Fälsing through Cape Spartel lighthouse and to the west by the line joining the lighthouses of Cape St. Vicente (Portugal) and Casablanca (Morocco).“ 895 Siehe die in Fn. 17 angegebene Fundstelle. 896 Vgl. Art. I Abs. 4 ACCOBAMS. 897 Vgl. Art. VII Abs. 1 CMS einerseits, Art. III Abs. 1 ACCOBAMS andererseits. 898 Das ACCOBAMS verwendet den Begriff „Cetaceans“, der sämtliche Delphinarten einschließt (vgl. Art. I Abs. 3 lit. a ACCOBAMS). Insofern geht es auch und gerade um den Schutz solcher Arten, die im Rahmen des IWÜ bislang vernachlässigt wurden (dazu siehe o. Fn. 537). 899 Art. II Abs. 1 ACCOBAMS.
Kap. 3: Regionaler Meeresschutz im Nordostatlantik
261
len illegalen Delphinfangs abgesehen steht jedoch nicht jener traditionelle Walfang, mit dem die Tötung der gefangenen Tiere einhergeht, im Vordergrund; vielmehr geht es vor allem um den wirtschaftlich heute so lukrativen900 Verkauf der gefangenen Tiere an Delphinarien. Ausnahmen vom Fangverbot sind zwar nicht ausgeschlossen, dürfen gemäß Art. II Abs. 2 ACCOBAMS allerdings nur in Notfällen sowie zu wissenschaftlichen Zwecken erteilt werden. Im zweitgenannten Fall ist die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zumal nur dann zulässig, wenn zuvor der wissenschaftliche Rat des „Scientific Committee“ eingeholt wurde. Wissenschaftliche Untersuchungen dürfen darüber hinaus nur in situ, d. h. im Lebensraum der Tiere, und nur unter der Bedingung vorgenommen werden, dass die untersuchten Tiere dabei nicht zu Tode kommen. Die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen unterliegt demnach engen Schranken, es besteht kein freies Ermessen der Vertragsparteien; anders als im Rahmen des IWÜ901 ist eine missbräuchliche Anwendung der Ausnahmeklausel nicht zu befürchten. Der artenschutzbezogene Charakter des Übereinkommens wird ferner von Abs. 3 Anlage 2 ACCOBAMS unterstrichen. Hiernach sind die Vertragsparteien verpflichtet, bei der Ausweisung und Unterhaltung von Schutzgebieten zusammenzuarbeiten, wobei sich diese Zusammenarbeit nach den Vorgaben des Übereinkommens zum Schutz des Mittelmeers vor Verschmutzung vom 16. Februar 1976 (Barcelona-Ü)902 und des einschlägigen Protokolls über die besonderen Schutzgebiete und die biologische Vielfalt des Mittelmeers vom 10. Juni 1995903 richten bzw. „within the framework of other appropriate instruments“ vollzogen werden soll. Als „other appropriate instrument“ im Sinne der Bestimmung scheint, soweit sich die räumlichen Geltungsbereiche von ACCOBAMS und OSPAR-Ü überlagern904, auch Anlage V OSPAR-Ü in Betracht zu kommen. Im Unterschied zum Protokoll über die besonderen Schutzgebiete und die biologische Vielfalt des Mittelmeers enthält Anlage V OSPAR-Ü indes keine Vorgaben hinsichtlich des „Wie“ der Schutzgebietsausweisung. Da eine Entscheidung über das „Ob“ der Schutzgebietsausweisung bereits mit Abs. 3 Anlage 2 ACCOBAMS getroffen wurde, ist ein Rekurrieren auf Anlage V OSPAR-Ü überflüssig. Etwas anderes könnte gelten, wenn die OSPAR-Kommission die Bestimmungen „ihrer“ Anlage bereits durch Annahme naturschutzbezogener Beschlüsse konkretisiert hätte. Allein dies ist bislang erst ansatzweise geschehen. Im Übrigen ist zu 900 Für Schwarzmeertümmler können pro Tier Preise von mehreren tausend Dollar erzielt werden. 901 Siehe o. Kapitel 2, III. 1. 902 ILM 15 (1976), 290 ff. 903 ABl. EG 1999, Nr. L 322, S. 3 ff. 904 Das betrifft freilich nur den kleinsten Teil des Konventionsbereichs des ACCOBAMS; vgl. Fn. 894.
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
bedenken, dass die OSPAR-Kommission im Rahmen ihrer Tätigkeit selbst an das Völkerrecht gebunden ist und etwa die von der IMO aufgestellten Normen und Regeln berücksichtigen muss905. Deshalb liegt es nahe, dass „appropriate instruments“ im Sinne von Abs. 3 Anlage 2 ACCOBAMS vor allem auf die Möglichkeit einer Ausweisung bestimmter Gebiete als Particular Sensitive Sea Areas (PSSAs) durch die IMO anspielt. Dafür spricht, dass die Schifffahrtsorganisation mit Resolution A.927(22) weltweit anwendbare Vorgaben für die Einrichtung und Ausgestaltung solcher Schutzgebiete verabschiedet hat906. Dass diese Vorgaben an sich unverbindlich sind, schadet nicht; denn Abs. 3 Anlage 2 ACCOBAMS spricht weder von „treaties“ noch von „conventions“ oder „agreements“, sondern ganz allgemein von „appropriate instruments“.
Die gegenüber den vorgestellten Bestandsschutzverträgen ausgeprägtere Schutzdimension des ACCOBAMS wird weiterhin von Art. II Abs. 4 ACCOBAMS betont, wonach „[. . .] the Parties shall apply the precautionary principle.“
Die Vertragsparteien sind also nicht nur zur Berücksichtigung eines Vorsorgeansatzes verpflichtet; vielmehr haben sie bei der Umsetzung des Übereinkommens das Vorsorgeprinzip anzuwenden. Dass sich an das Prinzip im Einzelfall strengere Rechtsfolgen knüpfen können, wurde bereits dargelegt907; angesichts des nach Art. II Abs. 1 ACCOBAMS ohnehin geltenden Fangverbots dürfte der Unterschied zwischen Vorsorgeansatz und Vorsorgeprinzip im Rahmen des ACCOBAMS kaum zum Tragen kommen. Obwohl Art. II Abs. 4 ACCOBAMS das Vorsorgeprinzip weder definiert noch anhand von Anwendungsbeispielen konkretisiert, handelt es sich jedenfalls um einen rechtsverbindlichen Grundsatz, der von den Vertragsparteien respektiert werden muss, etwa im Rahmen der Ausweisung von Schutzgebieten908. Eine Konkretisierung, etwa durch Wortlautergänzung, wäre aber vor allem im Hinblick auf die Frage nach einer Beweislastumkehr wünschenswert909. Das Übereinkommen enthält schließlich Ansätze einer ganzheitlichen Betrachtungsweise, indem es sich den zwischen Artenschutz und anderen Ausprägungen des Meeresschutzes bestehenden Wechselwirkungen widmet910. So wird zum einen das Beifangproblem – Schnittmenge von Artenschutz und Fischerei – berücksichtigt. Zwar ist in Art. I Abs. 1 ACCOBAMS nur 905
Siehe dazu o. I. 5. Vgl. IMO Doc. A 22/Res.927, Resolution A.927(22), Guidelines for the Designation of Special Areas under MARPOL 73/78 and Guidelines for the Identification and Designation of Particularly Sensitive Sea Areas, 15 January 2002. Dazu siehe schon o. Kapitel 1, I. 3. 907 Siehe o. Kapitel 1, II. 908 Vgl. Art. II Abs. 3 lit. c ACCOBAMS. 909 So zu Recht Burns, JIWLP 1 (1998), S. 113 (131). 910 Vgl. Abs. 2 Anlage 2 ACCOBAMS. 906
Kap. 4: Zusammenfassung
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von einem Verbot des zielgerichteten Walfangs die Rede („deliberate taking of cetaceans“). Abs. 3 der Bestimmung verweist jedoch auf die in Anlage 2 ACCOBAMS aufgelisteten Schutzmaßnahmen, die zusätzlich („in addition“) getroffen werden müssen, darunter etwa ein Verbot von Treibnetzen mit einer Länge von mehr als 2,5 km911 (was freilich allenfalls als erster Schritt in die richtige Richtung bezeichnet werden kann). Ferner sind Vorschriften zu erlassen, die die sofortige Befreiung versehentlich beigefangener Tiere vorschreiben912. Zum anderen sind die Vertragsparteien gemäß Abs. 1 lit. c Anlage 2 ACCOBAMS verpflichtet, Untersuchungen über mögliche Auswirkungen verschiedener Meeresnutzungen, darunter Offshore-Aktivitäten, Fischerei, Wassersport und Tourismus, auf die Walbestände und ihre Lebensräume durchzuführen. Diese Untersuchungen sollen die Grundlage für Entscheidungen darüber bilden, die betreffenden Meeresnutzungen zu verbieten oder weiterhin zu gestatten913. Im Rahmen des ACCOBAMS wird demzufolge die Frage der Rechtmäßigkeit der Meeresnutzungen unmittelbar mit den Erfordernissen effektiven Artenschutzes verknüpft. Kapitel 4
Zusammenfassung 1. Im Rahmen vorstehender Ausführungen konnten Stärken und Schwächen des völkerrechtlichen Meeresschutzregimes aufgezeigt und der sich angesichts der Vielzahl völkerrechtlicher Instrumente auf den ersten Blick aufdrängende verschwommene Eindruck geschärft werden. Hiernach ist das im Nordostatlantik geltende Meeresschutzregime – trotz aller Probleme – eines der weltweit effektivsten und progressivsten. Neuen umweltpolitischen Erkenntnissen wurde durch Implementierung entsprechender meeresschutzbezogener Rechtssätze Rechnung getragen, Althergebrachtes verworfen bzw. kritischer Prüfung unterzogen. In diesem Sinne musste etwa der überkommene Stofflistenansatz in modernen Meeresumweltschutzübereinkommen wie dem Londoner Dumping-Protokoll und dem OSPAR-Ü dem Modell eines reverse listing, vergleichbar mit der verwaltungsrechtlichen 911
Vgl. Abs. 1 lit. a Anlage 2 ACCOBAMS. Vgl. Abs. 1 lit. b Anlage 2 ACCOBAMS. 913 Vgl. den Wortlaut von Abs. 1 lit. c Anlage 2 ACCOBAMS: „[Parties shall] require impact assessments to be carried out in order to provide a basis for either allowing or prohibiting the continuation or the future development of activities that may affect cetaceans or their habitat in the Agreement area, including fisheries, offshore exploration and exploitation, nautical sports, tourism and cetacean-watching, as well as establishing the conditions under which such activities may be conducted“. 912
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
Figur der Ausnahmebewilligung, weichen. Die Stichworte „nachhaltige Entwicklung“, „Vorsorgeprinzip“, „Artenvielfalt“ haben ebenso wie in anderen Bereichen des Umweltvölkerrechts Einzug in die einschlägigen Verträge gehalten, wenn auch mit unterschiedlich weit reichenden Folgen. Einmal mehr hat sich dabei Realitätsnähe als entscheidendes Desiderat völkerrechtlicher Normen gezeigt. Wäre im Einzelfall gewiss ein höheres Engagement zugunsten der Meeresumwelt wünschenswert und erforderlich, scheitert das Völkerrecht zwangsläufig immer dann, wenn es seine Schöpfer – die Staaten – und ihre primären Interessen vergisst. Dass sich die Staaten nicht jeglicher umweltpolitischer Vernunft verschließen, kann unter anderem anhand des Umstands belegt werden, dass sich hinsichtlich der Probleme der Meeresumwelt nach und nach eine ganzheitliche Betrachtungsweise durchzusetzen scheint. Gerade auf dem Gebiet des Meeresschutzes gilt insofern die Regel, dass weniger oft mehr ist. 2. Mit Blick auf die einführend aufgeworfene (und bereits im Wege der Prognose negativ beantwortete) Frage nach Normkonflikten ist festzustellen, dass die im Nordostatlantik geltenden Verträge über Hebel verfügen, mit Hilfe derer widersprüchliche Verpflichtungen der Vertragsparteien mehrerer Übereinkommen vermieden werden. So nehmen die einschlägigen Übereinkommen zum Teil aufeinander Bezug bzw. inkorporieren wechselseitig einzelne Bestandteile und sorgen damit für Widerspruchsfreiheit. Soweit dies nicht der Fall ist, greifen die Mittel des allgemeinen Völkerrechts, insbesondere die des Vertragsrechts, etwa der Grundsatz lex posterior derogat priori. Können die verschiedenen Rechte und Pflichten ausnahmsweise nicht im Wege solcher Mechanismen harmonisiert werden, kommen teleologische Auslegung und geltungserhaltende Reduktion zum Zuge, ohne dass es eines Rekurrierens auf die in der Völkerrechtswissenschaft diskutierten, allenfalls in der Entwicklung befindlichen Konzepte zur Etablierung allgemeiner und automatischer Drittwirkung völkerrechtlicher Normen – zu denken ist etwa an die Lehre vom Staatengemeinschaftsinteresse – bedürfte. Vor allem auf dem besonders problematischen Gebiet der Bestandserhaltung finden diese Institute in der einschlägigen Staatenpraxis bislang keine tragfähige Grundlage. Unabhängig davon ist zu konstatieren: Die im Nordostatlantik feststellbare Überlagerung mehrerer Rechtsebenen und Rechtsregimes hat keine Normkonflikte im engeren Sinne entstehen lassen914. 3. Gleichwohl bestehen Lücken sowie Anwendungs- und Interpretationsprobleme. Auf dem Gebiet des Meeresumweltschutzes kann dies unter anderem daran abgelesen werden, dass sich hinsichtlich der Hauptverschmut914 Auch teleologische Auslegung und geltungserhaltende Reduktion sind – rechtstheoretisch betrachtet – vom Recht zur Verfügung gestellte Mittel. Insofern handelt es sich nur um Scheinkonflikte; siehe o. Einführung („Problemidentifikation“).
Kap. 4: Zusammenfassung
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zungsart, der Verschmutzung vom Lande aus, auf universeller Ebene bislang kein Völkerrecht ausbilden konnte; diesbezüglich hinkt die normative Seite der faktischen hinterher. Dabei ist, wie die Beispiele Verschmutzung durch Schiffe und Verschmutzung durch Einbringen gezeigt haben, eine wirksame Konkretisierung des vom SRÜ vorgegebenen Rahmens durchaus möglich, ja geboten. Im Einzelfall kann dieses Konkretisieren zu Problemen führen, wenn es in Konflikt mit den Vorgaben des SRÜ oder des allgemeinen Völkerrechts gerät. Die Lösung solcher Probleme ergibt sich aus den völkerrechtlichen Kollisionsregeln. Soweit sich in diesem Zusammenhang Bemühungen identifizieren lassen, die Bestimmungen der einschlägigen Meeresschutzübereinkommen außerhalb der Rechtsquelle „Völkergewohnheitsrecht“ auf Drittstaaten auszudehnen, findet die damit einhergehende Relativierung des Grundsatzes pacta tertiis nec nocent nec prosunt in der allgemeinen Staatenpraxis kein Echo. Im regionalen Rahmen des Nordostatlantiks beschäftigt sich das OSPARÜ mit allen Arten der Meeresverschmutzung einschließlich der Verschmutzung vom Lande aus. Der Erfolg des Übereinkommens hängt maßgeblich von der „Rechtsetzungstätigkeit“ der OSPAR-Kommission ab. Die Untersuchung dieses OSPAR-Sekundärrechts hat gezeigt, dass effektiver Meeresumweltschutz am besten durch internationale Organisationen gewährleistet werden kann, die über Möglichkeiten und Kompetenzen zur Ausgestaltung der jeweils zu Grunde liegenden Übereinkommen verfügen. Nur aufgrund der daraus resultierenden Flexibilität konnten im Nordostatlantik so heikle Themen wie die Versenkung radioaktiver Abfälle und ausgedienter Ölbohrplattformen sowie Einleitungen von Offshore-Chemikalien angegangen werden, jeweils unter Berücksichtigung der im OSPAR-Ü angelegten Strukturprinzipien. Zudem hat sich die OSPAR-Kommission zuletzt um eine ganzheitliche Betrachtung der Probleme der Meeresumwelt bemüht, ohne dabei den Primat anderer zuständiger internationaler Foren zu gefährden. In dieser Mischung aus flexiblen Regelungsinstrumenten und internationaler Kooperation dürfte ein Schlüssel zum Erfolg liegen. 4. Anders als im Falle des Meeresumweltschutzes kommen die Anstöße zu einer Effektivierung des Bestandsschutzes nicht aus der Region, sondern vom universellen SSA, das seinerseits den regionalen Fischereiorganisationen besonderes Gewicht verleiht. Früher hatte die Unbestimmtheit und Offenheit der bestandsschutzbezogenen SRÜ-Normen maßgeblich zu den insbesondere im Nordatlantik so dramatischen Bestandsrückgängen915 beigetragen. Ob sich die Lage mit dem ja erst vor kurzem in Kraft getretenen SSA ändern wird, bleibt abzuwarten; das Übereinkommen stellt jedenfalls 915 Siehe nur Symes, OCM 35 (1997), S. 51: „Nowhere is the crisis surrounding fisheries and their management more explicit.“
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2. Teil: Meeresschutz im Völkerrecht
Mechanismen zur Verfügung, die einem effektiven Bestandsschutz aufhelfen könnten. Diesbezüglich ist insbesondere die nunmehr konkretisierte Pflicht der Küstenstaaten und der Hochseefischereistaaten zur Zusammenarbeit zu erwähnen, die vorzugsweise im Rahmen existierender Fischereiorganisationen vollzogen werden soll. Wie das Beispiel NEAFC zeigt, ist die Zusammenarbeit am wirkungsvollsten, wenn die Küstenstaaten den Fischereiorganisationen nicht einzeln und isoliert gegenübertreten, sondern ihrerseits im Rahmen subregionaler Verträge kooperieren. Dass die Bestimmungen des SSA im Übrigen in bestimmten Situationen reduziert werden müssen, findet seinen Grund darin, dass Art. 4 SSA die Geltung des universellen Übereinkommens an die Vorgaben des SRÜ knüpft. Anders als das DÜ ist das SSA insofern kein echtes Durchführungsübereinkommen, sondern ein formell eigenständiger Vertrag. Souveränitätsbedenken haben offenbar einen dynamischeren (und schutzorientierteren) Ansatz verhindert. Die im Nordostatlantik zuständigen regionalen Fischereiorganisationen haben sich jeweils auf den Schutz und die Bewirtschaftung bestimmter Fischbestände spezialisiert. Zu ernsthaften und nachhaltigen Bestandserhaltungsmaßnahmen ist es erst in den letzten zehn Jahren gekommen. Als problematisch hat sich insbesondere das innerhalb jener Fischereiorganisationen bestehende Recht der Mitgliedstaaten erwiesen, sich den beschlossenen Maßnahmen durch Widerspruch zu entziehen („opting out“). Das SSA bemüht sich, diesem Problem durch Verpflichtung der Vertragsparteien auf den Vorsorgeansatz Herr zu werden. Freilich laufen solche Ansätze leer, wenn die Mitgliedstaaten der regionalen Fischereiorganisationen dem SSA fernbleiben. Im Hinblick auf die Seuche der Billigflaggenstaaten, die mangels Mitgliedschaft nicht an die von den Fischereiorganisationen beschlossenen Maßnahmen gebunden sind und deren Bemühungen unterlaufen, erscheint der von der ICCAT beschrittene Weg erfolgversprechend, ihre Mitgliedstaaten zum Erlass von Einfuhrverboten bezüglich der von Billigflaggen und anderen free ridern gefangenen Fische zu bewegen. 5. Das gegenteilige Problem, namentlich die negativen Folgen eines gleichsam zu strengen Schutzregimes, zeigt sich auf dem Gebiet des Artenschutzes. Dort mündete das von der IWK im Jahre 1982 für die Dauer von zehn Jahren beschlossene und seit 1992 jährlich verlängerte Walfangmoratorium in Frustration der am Walfang interessierten Staaten. Angesichts des Umstands, dass sich die Walbestände zwischenzeitlich so weit erholt haben, dass eine – freilich strikt begrenzte – Nutzung wieder in Betracht gezogen werden könnte, ignoriert die IWK aus teilweise zweifelhaften moralischen Gründen die faktische Lage und das Erfordernis eines Gleichklangs von Meeresschutz und Meeresnutzung. Dabei wäre eine nachhaltige Bewirtschaftung der Walbestände keineswegs ausgeschlossen. Die Implementierung des vom wissenschaftlichen Ausschuss der IWK entwickelten „Revis-
Kap. 4: Zusammenfassung
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ed Management Schemes“ führte vielmehr dazu, der Flucht mancher Staaten in die Illegalität, etwa durch extensive (und rechtswidrige) Auslegung des Ausnahmegrundes „wissenschaftlicher Walfang“, Einhalt zu gebieten, zumal das Bewirtschaftungssystem auf dem Vorsorgeansatz basiert und zugleich ein bislang einzigartiges Kontrollschema zur Verfügung stellt. Insofern dürfte der Schutz der Wale durch Anwendung des „Revised Management Schemes“ einfacher und effektiver gewährleistet werden können als noch nach dem derzeitigen System. Diese Vermutung findet ihre institutionelle Bestätigung in der aus Frustration mit dem IWK-Regime geborenen, ausschließlich auf den Nordatlantik bezogenen NAMMCO. Die Mitgliedstaaten der NAMMCO, allesamt traditionell am Walfang interessiert, befürworten eine begrenzte Walnutzung, ohne dabei Nachhaltigkeitserfordernisse außer Acht zu lassen. Die von der regionalen Konkurrenzorganisation für das IWK-Regime und den marinen Artenschutz als solchen ausgehende Gefahr besteht in ihrem möglichen Modellcharakter für andere Meeresregionen der Erde. Ob sich im Rahmen von Nachfolgeorganisationen mit Zuständigkeitsbereichen fernab internationaler Beobachtung ebenfalls ein vernünftiges, weil nachhaltiges Bewirtschaftungskonzept durchsetzen würde, darf bezweifelt werden. 6. Bei alledem konnte der im Nordostatlantik wie andernorts schwerwiegendste Nachteil des völkerrechtlichen Meeresschutzes, seine Durchsetzungsschwäche, bislang keiner effektiven Lösung zugeführt werden. Auf dem Gebiet der Bestandserhaltung enthält das SSA zwar vielversprechende Ansätze. Indes bleibt abzuwarten, ob die Vorgaben dieses Übereinkommens auf regionaler Ebene in der geforderten Art und Weise umgesetzt werden. Soweit die Kontrolle durch Hafenstaaten betroffen ist, überschreitet das mit ihm eingeführte Durchsetzungsschema den vom SRÜ vorgegebenen Rahmen; für die Vertragsparteien, die zugleich Parteien des SRÜ sind, ist es daher unanwendbar. Immerhin: Die für die Erhaltung der nordostatlantischen Fischbestände zuständigen Fischereiorganisationen haben bereits erste Schritte in die richtige Richtung unternommen, scheinen sich am SSA zu orientieren. Nach wie vor mangelt es jedoch an einer Instanz, die über die erforderlichen Druckmittel verfügt, die Mitglieder jener Organisationen bzw. die Parteien der einschlägigen Verträge zu dem vorgegebenen Verhalten anzuhalten und Verstöße zu sanktionieren, von den anderen Sachgebieten ganz zu schweigen. Kann hier die EG mit ihrer supranationalen Struktur Abhilfe schaffen?
Dritter Teil
Meeresschutz im Europarecht Soweit es im dritten Teil vorliegender Untersuchung um das meeresschutzbezogene Europarecht geht, ist eingangs zwischen dem Europarecht im weiteren Sinne und dem im engeren Sinne zu unterscheiden. Während es sich bei diesem um das Recht der Europäischen Gemeinschaften – der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) und der Europäischen Gemeinschaft (EG)1 – sowie der Europäischen Union (EU) handelt, ist mit jenem das unter dem Firmament des Europarates stehende Recht gemeint2. Zwischen beiden Bereichen bestehen Zusammenhänge, etwa auf dem Gebiet der Grund- und Menschenrechte3. Während sich die hier interessierende Frage nach dem europarechtlichen Meeresschutzregime indes primär vor dem Hintergrund der Supranationalität der EG und des ihr zur Verfügung stehenden Instrumentariums stellt, gelten für den Europarat, eine internationale Organisation im traditionellen Sinne, keine Besonderheiten: Seine Handlungsinstrumente sind intergouvernemental, seine Interessenschwerpunkte der Schutz der Menschenrechte und die Förderung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie4. Gleichwohl ist der Europarat auf dem Gebiet des Meeresschutzes tätig geworden, insbesondere die sein beratendes Organ darstellende5 Parlamentarische Versammlung6. Bereits vor Annahme des SRÜ erkannte dieses Gremium das Erfordernis größtmöglicher Verbreitung der künftigen Meeresverfassung und setzte einen Informationsprozess zur Akzeptanzförderung gegenüber den Europaratsmitgliedern in Gang7. Im Jahre 1984 wurde die Bedeutung des SRÜ erneut betont, die Mitglied-
1 Die Geltungsdauer des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (EGKSV: BGBl. 1952 II, S. 447 ff., letzte Änderungen: BGBl. 1999 II, S. 416 ff.) endete gemäß Art. 97 EGKSV am 23. Juli 2002. Die EGKS ist damit formell untergegangen. 2 Koenig/Haratsch, Europarecht, 3. Aufl. 2000, S. 1, Rn. 2 f.; Herdegen, Europarecht, 4. Aufl. 2002, S. 2 f., Rn. 2, 5. 3 Vgl. Art. 6 Abs. 2 EUV; EuGH, Rs. 4/73, J. Nold, Kohlen- und Baustoffgroßhandlung/Kommission, Slg. 1974, 491, Rn. 12 ff. 4 Dazu E. Klein, Die Internationalen und Supranationalen Organisationen, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2. Aufl. 2001, S. 370 ff., Rn. 241 ff. 5 Art. 22 der Satzung des Europarates vom 5. Mai 1949 (BGBl. 1950, S. 263 ff.; aktuelle Fassung in BGBl. 1997 II, S. 159 ff.). 6 Überblick bei Council of Europe (Hrsg.), Oceans, 1999, S. 147.
3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
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staaten zu Zeichnung und Ratifikation aufgefordert8. Mit Entschließung 972 (1991) wandte sich die Parlamentarische Versammlung erstmals dem schwierigen Thema „Bestandserhaltung“ zu. So wurde das Bedürfnis nach speziesübergreifenden und ökosystemaren Ansätzen betont. Die ebenfalls erhobene Forderung, eine europäische Konvention zur Beilegung von Fischereistreitigkeiten auszuhandeln9, ist mangels Bedarf hingegen nie umgesetzt worden. Besonders aktiv war die Parlamentarische Versammlung im Jahre 1998, das von den Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr des Ozeans erklärt worden war. Die Versammlung verabschiedete zwei meeresschutzbezogene Entschließungen und eine entsprechende Empfehlung10. Im Hinblick auf die mit dem Stichwort „integriertes Küstenzonenmanagement“ einhergehenden Probleme wurde unter anderem die Einrichtung einer „European Maritime Agency“ vorgeschlagen11, hinsichtlich der Ausbeutung der lebenden Meeresressourcen die Implementierung des Vorsorgeansatzes vor dem Leitbild einer nachhaltigen, gleichsam ökologischen und ökonomischen Interessen Rechnung tragenden Bestandsnutzung12. Mit Empfehlung 1388 (1998) forderte die Parlamentarische Versammlung gar ein besonderes Gewicht des Europarates auf dem Gebiet des Meeresschutzes ein13, ohne Erfolg: Das Ministerkomitee verwarf die Vorschläge mit der Begründung,
7 Parliamentary Assembly of the Council of Europe, Order No. 412 (1982) on the United Nations Convention on the Law of the Sea, 1 October 1982, paras. 6, 8, 10. 8 Parliamentary Assembly of the Council of Europe, Recommendation 983 (1984), on the United Nations Convention on the Law of the Sea, 11 May 1984, paras. 6, 11. 9 Parliamentary Assembly of the Council of Europe, Resolution 972 (1991) on the Future of Ocean Fisheries, 24 September 1991, para. 2 v). 10 Gemäß Art. 29 der Satzung des Europarates rechnen „Empfehlungen an das Ministerkomitee“ den „Entschließungen“ der Parlamentarischen Versammlung zu. Gemäß Art. 15 der Satzung des Europarates „prüft [das Ministerkomitee] auf Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung oder von Amts wegen die Maßnahmen, die zur Erfüllung der Aufgaben des Europarates geeignet sind [. . .].“ – Die Aufgaben des Europarates sind in Art. 1 der Satzung des Europarates niedergelegt. Der Umweltschutz ist dort zwar nicht ausdrücklich genannt. Indes kann der Norm entnommen werden, dass die Zuständigkeiten des Europarates in sachlicher Hinsicht umfassend sind und etwa auch den Umweltschutz einbeziehen. Vgl. Heinrich, Der Europarat zwischen Integration und Transformation Europas am Beispiel des Umweltschutzes, 1994, S. 21; Folz, Europarat, in: Seidl-Hohenveldern (Hrsg.), Lexikon des Rechts, Völkerrecht, 3. Aufl. 2001, S. 101. 11 Parliamentary Assembly of the Council of Europe, Resolution 1169 (1998), The Oceans: State of the Marine Environment and New Trends in International Law of the Sea, 24 September 1998, para. 19 xi). Dazu siehe auch Council of Europe (Fn. 6), S. 134–136. 12 Parliamentary Assembly of the Council of Europe, Resolution 1170 (1998), Sustainable Exploitation of Living Marine Resources, 24 September 1998, paras. 3, 8, 11. 13 Parliamentary Assembly of the Council of Europe, Recommendation 1388 (1998), The Oceans: State of the Marine Environment and New Trends in the International Law of the Sea, 24 September 1998, para. 3 iv) lit. a-g.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
„the Council of Europe is [not] the most appropriate Organisation to deal with such questions“.14 Im Jahre 2000 unterstrich die Parlamentarische Versammlung im Zusammenhang mit dem Untergang der Erika denn auch wieder den Primat der IMO und, auf regionaler Ebene, der EG15. Im Jahre 2002 wandte sie sich schließlich erneut an die EG und mahnte eine den Gesichtspunkten nachhaltiger Entwicklung genügende Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) an16.
Die meeresschutzbezogenen Aktivitäten der Organe des Europarats müssen einer gesonderten Untersuchung vorbehalten bleiben. Zum einen haben sie, wie gesagt, auf das hier interessierende Verhältnis zwischen völkerrechtlichem und europarechtlichem Meeresschutz keinen Einfluss. Zum anderen ist der Europarat im Vergleich mit anderen internationalen Organisationen bislang weder in der Lage noch willens gewesen, der Agende „Meeresschutz“ seinen Stempel aufzudrücken. In diesem Sinne mögen seine bisherigen Aktivitäten zwar politisch bedeutsam gewesen sein, rechtlich relevant waren sie nicht. Die nachfolgenden Ausführungen sind daher dem Europarecht im engeren Sinne gewidmet, zumal ausschließlich dem Recht der EG, und zwar unter primärrechtlichen wie unter sekundärrechtlichen Gesichtspunkten. Was aber bedeutet primärrechtlich, was sekundärrechtlich? Diese und andere terminologische Fragen beantworten die vorangestellten Vorbemerkungen.
14 Council of Europe Doc. 8515, Recommendation 1388 (1998), Reply from the Committee of Ministers Adopted at the 678th Meeting of the Ministers’ Deputies (8–9 September 1999), para. 4. 15 Parliamentary Assembly of the Council of Europe, Resolution 1229 (2000), Accidents Causing Damage to the Environment, 29 September 2000, para. 9 i): „[the Assembly] calls on governments of member states of the Council of Europe to express, within the frame of the International Maritime Organization (IMO), a concerted position on the European Union’s proposals for improving the safety of oil shipping [. . .]“. 16 Parliamentary Assembly of the Council of Europe, Resolution 1283 (2002), Preservation and Management of Fish Stocks, 25 April 2002, para. 11.
Kap. 1: Grundlagen – Räumliche und sachliche Dimension
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Kapitel 1
Grundlagen – Räumliche und sachliche Dimension I. Vorbemerkungen Im Folgenden wird bewusst nicht von der EU, sondern von der EG gesprochen. Art. 281 EGV17 bestimmt, dass diese über Rechtspersönlichkeit verfügt; sie ist eine internationale Organisation, mithin – aus Sicht ihrer Mitgliedstaaten18 – ein partielles19 Völkerrechtssubjekt. Durch den EG-Vertrag wurden der EG bestimmte Rechte und Pflichten übertragen, ihre Rechtsfähigkeit insofern ausgefüllt. Ob auch die EU über Rechtsfähigkeit verfügt20 bzw. ob die EG in der EU aufgegangen ist, war bekanntlich Gegenstand einer wissenschaftlichen Kontroverse. Insbesondere Armin von Bogdandy und Martin Nettesheim haben die Auffassung vertreten, dass „nur die Organisation EU [. . .] Träger von Rechten und Pflichten [ist]; nur ihr kommt Rechtspersönlichkeit zu.“21 Dieser Ansicht ist zuzugestehen, dass sie in hohem Maße der aus dem Effektivitätsgrundsatz folgenden Dy17 Anmerkung zur Zitierweise: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) fügt, wenn auf Artikel der Verträge in den nach dem 1. Mai 1999 geltenden Fassungen Bezug genommen wird, der Nummer des Artikels lediglich zwei Buchstaben an, die den jeweiligen Vertrag bezeichnen (Beispiel: Art. 175 Abs. 1 EG); vgl. Hinweis zur Zitierweise der Bestimmungen der Verträge in den Texten des Gerichtshofes und des Gerichts: http://curia.eu.int/de/jurisp/remnot.htm. Vorliegend wurden die zuvor gebräuchlichen Abkürzungen EGV, EAGV und EUV beibehalten, um Verwechslungen mit der EG und der EU, der institutionellen Ebene also, vorzubeugen. – Änderungen und Ergänzungen der Bestimmungen der Gründungsverträge durch den am 1. Februar 2003 in Kraft getretenen Vertrag von Nizza, jenes „bescheidene Reformminimum“ (Herdegen [Fn. 2], S. 48, Rn. 59), werden als solche gekennzeichnet. 18 Gegenüber Drittstaaten ist die Völkerrechtssubjektivität der EG von einer ausdrücklichen oder konkludenten Anerkennung abhängig; diesbezüglich ist die Anerkennung somit konstitutiv. Vgl. Daillier, RGDIP 83 (1979), S. 417 (462 f.); Epping in: K. Ipsen, Völkerrecht, 4. Aufl. 1999, S. 402, Rn. 38; Doehring, Völkerrecht, 1999, S. 92, Rn. 213. Zur Ausnahme Vereinte Nationen vgl. Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, ICJ Reports 1949, 174, 185. 19 Der Umfang der Rechte und Pflichten einer internationalen Organisation richtet sich nach ihrer sich aus dem Gründungsvertrag ergebenden Funktion; Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, S. 222, § 377. 20 Genau genommen muss zwischen interner und externer Völkerrechtsfähigkeit unterschieden werden; vgl. Stumpf in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2000, Art. 1 EUV, Rn. 11. Während jene das (unionsinterne) Verhältnis zwischen EU und Mitgliedstaaten betrifft, hat diese die Völkerrechtsfähigkeit der EU gegenüber Drittstaaten zum Gegenstand. 21 v. Bogdandy/Nettesheim, NJW 48 (1995), S. 2324 (2327), zudem dies., EuR 31 (1996), S. 3 (12 ff.). Der gleichen Ansicht sind unter anderem Wichard (EuR 34 [1999], S. 170 [174]) und Zuleeg (Der Staat 41 [2002], S. 359). (Nur) die unionsinterne Rechtsfähigkeit bejaht Stumpf (Fn. 20), der freilich verkennt, dass externe
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
namik des Völkerrechts Rechnung trägt. In der Tat bietet vor allem der EU-Vertrag Anhaltspunkte für ein einheitliches Verständnis von EU und EG. So lässt sich etwa Art. 6 Abs. 2 EUV, der die Grundrechtsachtung seitens der EU zum Gegenstand hat, mangels EU-Durchsetzungsbefugnissen und eingedenk der aus Art. 46 lit. d EUV folgenden EuGH-Zuständigkeit – bekanntlich ein Organ der EG – nur sinnvoll begreifen, wenn von einem einheitlichen Verband ausgegangen wird22. Auch wirkt der Europäische Rat, eigentlich ein „Organ“23 der EU, im Rahmen der EG-Wirtschafts- und Währungspolitik mit, Art. 99 Abs. 2 EGV. Der in Art. 49 EUV geregelte Beitritt zur Union bliebe letztlich ohne tiefere Bedeutung, würde ein Staat durch seinen EU-Beitritt nicht gleichzeitig (uno acto) Mitglied der EG. Trotz dieser wohlbegründeten und durchaus eng an die Gründungsverträge gekoppelten Argumentation hat sich die Einheitsthese nicht durchsetzen können24. Nach wie vor wird die EG als „Säule“ des „Daches“ EU bezeichnet, ohne dass die Frage beantwortet worden wäre, ob und wie sich diese Metapher in die Lehre von den internationalen Organisationen einordnen lässt. Dies kann jedenfalls nicht unter Hinweis auf die durch den EGVertrag begründete „eigene Rechtsordnung“25 geschehen, sind doch Entstehung und Außenbeziehungen der EG dem allgemeinen Völkerrecht unterworfen26. Insofern richtete sich auch die Schaffung einer inter- bzw. supranationalen Organisation „EU“ nach den Regeln des Völkerrechts; Art. 31 Abs. 3 lit. b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WVK) wäre anwendbar, würde also nicht von Art. 48 EUV verdrängt, zumal letztere Vorschrift die Einfügung einer Art. 281 EGV korrespondierenVölkerrechtsfähigkeit die interne voraussetzt und daneben lediglich die Anerkennung durch Drittstaaten oder -organisationen erfordert. 22 v. Bogdandy/Nettesheim, ebd., S. 2326. 23 Nach hM ist der Europäische Rat wegen fehlender Rechtspersönlichkeit der EU (natürlich) kein Organ; vgl. für viele Herdegen (Fn. 2), S. 65, Rn. 82: „[. . .] ein Leit-,Organ‘ nur in einem weiteren Sinne [. . .]“. Aus Sicht der eine Rechtspersönlichkeit der EU befürwortenden Meinung ist das Argument, der EU fehle bereits mangels Bestehens von Organen – eine völkerrechtliche Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit internationaler Organisationen (Epping in: Ipsen [Fn. 18], S. 75, Rn. 14) – die Fähigkeit, Rechte und Pflichten wahrzunehmen, freilich zirkulärer Natur. 24 Vgl. z. B. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, S. 75, Rn. 154; Huber, Recht der Europäischen Integration, 2. Aufl. 2002, S. 72, Rn. 47 f.; Pechstein/Koenig, Die Europäische Union, 3. Aufl. 2000, S. 45, Rn. 85. 25 EuGH, Rs. 6/64, Flaminio Costa/E.N.E.L., Slg. 1964, 1253 (1269). Dieser Hinweis findet sich implizit bei Pechstein/Koenig (Fn. 24), S. 38 f., Rn. 75. 26 EuGH, Verb. Rsen. 21-24/72, International Fruit Company NV u. a./Produktschap voor Groenten en Fruit, Slg. 1972, 1219, Rn. 7/9; Verb. Rsen. 3, 4, 6/76, Cornelis Kramer u. a., Slg. 1976, 1279, Rn. 17/18; Oppermann (Fn. 24), S. 224, Rn. 595; Graf Vitzthum, Begriff, Geschichte und Quellen des Völkerrechts, in: ders. (Fn. 4), S. 27, Rn. 44.
Kap. 1: Grundlagen – Räumliche und sachliche Dimension
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den Bestimmung in den EU-Vertrag nicht verlangt. Ebensowenig bietet die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geprägte Begrifflichkeit „Staatenverbund“27 einen Ausweg aus dem Dilemma. Das Rekurrieren auf einen neuen, in der Völkerrechtslehre freilich unbekannten Begriff beseitigt ohne weitere Konkretisierung nicht die Schwierigkeiten hinsichtlich der rechtlichen Einordnung des Verbundes „EU“. Der europapolitisch gewiss wünschenswerte und, wie durch von Bogdandy und Nettesheim nachgewiesen, juristisch begründbare Ansatz der Einheitsthese scheitert nach alledem allein am fehlenden politischen Willen der Mitgliedstaaten. Sie haben es bereits auf der zur Vorbereitung des Amsterdamer Gipfels ausgerichteten Maastricht II-Konferenz trotz entsprechender Vorschläge ausdrücklich abgelehnt, der EU Rechtspersönlichkeit zu verleihen28. Aufgrund dieses bindenden29 Willens der Mitgliedstaaten ist die EU de lege lata weder rechtsfähig, noch ist die EG in der EU aufgegangen. Gleichwohl ist Brüssel Empfänger einer im Recht der internationalen Organisationen beispiellosen Summe von Hoheitsrechten. Dem steht ein konstantes Wachstum der Integrationstiefe zur Seite, das sich bislang im Sinne einer „Entwicklung der kleinen Schritte“ (Jean Monnet) vollzogen hat. Zur Verdeutlichung dieser Besonderheiten wurde die Kategorie der supranationalen Organisationen eingeführt30. Der EuGH hat die Supranationalität der EG im Urteil Costa/E.N.E.L31 aus folgenden Kriterien hergeleitet: Ausbildung einer autonomen europäischen Rechtsordnung; Verbindlichkeit dieser Rechtsordnung für die Mitgliedstaaten bei Vorrang des Gemeinschaftsrechts; unmittelbare Durchgriffswirkung auch des sekundären Europarechts auf die innerstaatlichen Rechtsordnungen; Bestand von echten, d. h. selbständig ausübbaren Hoheitsrechten. Die Qualifizierung der EG als internationale Organi-
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BVerfGE 89, 155 (181). Vgl. auch Streinz, Jura 20 (1998), S. 57 (61). Nur in diesem Zusammenhang lässt sich Art. 48 EUV gegen die Rechtsfähigkeit der EU in Ansatz bringen. – In den Beratungen des Europäischen Reformkonvents ist zwischenzeitlich Übereinstimmung erzielt worden, der EU Rechtspersönlichkeit zu verleihen; dadurch soll unter anderem der Weg zur Vereinfachung und Zusammenlegung der bestehenden Vertragstexte erleichtert werden; vgl. F.A.Z. v. 5. 10. 2002, S. 4. Zu denkbaren Lösungswegen siehe CONV 250/02, Übermittlungsvermerk des Sekretariats an die Mitglieder des Konvents, Vereinfachung der Verträge und Ausarbeitung eines Verfassungsvertrags, 10. September 2002, S. 8 ff. 29 Die Aufgabenzuweisung an eine internationale Organisation basiert bekanntlich auf dem im Gründungsvertrag verkörperten Willen der Mitgliedstaaten. Zwar kann der Inhalt des Gründungsvertrags durch spätere Übung der Vertragsparteien modifiziert werden, Art. 31 Abs. 3 lit. b WVK; im Hinblick auf die EU fehlt es indes, wie gezeigt, an solcher Übung. 30 Siehe etwa Köck/Fischer, Das Recht der internationalen Organisationen, 1997, S. 522; E. Klein (Fn. 4), S. 373, Rn. 247 m. w. N. Näher zu den Merkmalen der Supranationalität Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, 1997, S. 179–184. 31 EuGH, Rs. 6/64, Flaminio Costa/E.N.E.L., Slg. 1964, 1253 (1269 f.). 28
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
sation wird insofern, obschon formaljuristisch nach wie vor durchaus zutreffend32, ihrem Integrationsstand nicht mehr hinreichend gerecht.
Im Europarecht wird bekanntlich zwischen dem primären und dem sekundären Gemeinschaftsrecht unterschieden33. Unter ersterem ist die „Verfassung“34 der Gemeinschaften zu verstehen, d. h. die Gründungsverträge einschließlich der Protokolle (vgl. Art. 311 EGV; Art. 207 EAGV) und Änderungsverträge sowie das ungeschriebene Gemeinschaftsgewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze35. Das sekundäre Gemeinschaftsrecht besteht aus dem kraft primärvertraglicher Ermächtigung gesetzten Recht, das sich gemäß Art. 249 EGV, Art. 161 EAGV in Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen untergliedert. Trotz fehlenden Typenerfindungsrechts der Gemeinschaften lassen die Gründungsverträge erkennen, dass auch weitere, in den genannten Bestimmungen nicht ausdrücklich erwähnte Akte sui generis zulässig sein können. So verfügt der Rat gemäß Art. 202 2. Spiegelstrich EGV über eine allgemeine, über die konkrete Handlungsform „Entscheidung“ im Sinne von Art. 249 Abs. 4 EGV hinausgehende Entscheidungsbefugnis, und Art. 230 EGV spricht in allgemeiner Form von „Handlungen“ der Gemeinschaftsorgane. Ein Beispiel für solche Rechtsakte sui generis sind die von den Gründungsverträgen nicht ausdrücklich vorgesehenen Entschließungen der Gemeinschaftsorgane36. Es fragt sich, ob sie rechtsverbindlich sind, und bejahendenfalls, welche Akteure von ihnen verpflichtet werden. Ausgangspunkt ist die Definition Ulrich Everlings, wonach Entschließungen „Verlautbarungen in oft beschlussähnlicher Formulierung, in denen gemeinsame Auffassungen oder Absichten ausgedrückt werden, wobei das Ausmaß des Bindungswillens meist unklar bleibt“37, sind. Dabei muss Bindungs32
So auch das Fazit von Bernhardt, Europäisches Gemeinschaftsrecht und das Recht internationaler Organisationen: Gemeinsamkeiten und Unterschiede, in: Hafner/Loibl/Rest/Sucharipa-Behrmann/Zemanek (Hrsg.), Liber Amicorum Professor Seidl-Hohenveldern, 1998, S. 25 (36). 33 Siehe bereits H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 5 f., Rn. 5. 34 Oppermann (Fn. 24), S. 182, Rn. 475. Ob inter- bzw. supranationale Organisationen verfasst werden können, war durchaus nicht unumstritten; vgl. Piris, EuR 35 (2000), S. 311 ff.; Hirsch, NJW 53 (2000), S. 46. Manche halten etwa die feierliche Verkündung der Grundrechte-Charta der Europäischen Union am 7. Dezember 2000 für eine wesentliche Etappe „auf dem Weg zu einer europäischen Verfassung“ (Titel des Aufsatzes von Weber, NJW 53 [2000], S. 537 ff.). Derzeit arbeitet der Europäische Reformkonvent unter Vorsitz des ehemaligen französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing an der Konstitutionalisierung EU-Europas. 35 Zum ungeschriebenen Primärrecht Oppermann (Fn. 24), S. 184 ff. m. w. N. 36 Zum Meeresschutz siehe etwa die Entschließung des Rates vom 26. Juni 1978 zur Erstellung eines Aktionsprogramms der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der Überwachung und Verringerung der Ölverschmutzung des Meeres: ABl. EG 1978, Nr. C 162, S. 1 ff.
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wille im Rechtssinne verstanden werden; ein Rekurrieren auf „politische Verbindlichkeit“38 bzw. „selbstaufgelegte politische Verpflichtungen“39 hilft nicht weiter, da sich politischen Verpflichtungen keine Aussage über die Rechtsfolgen entnehmen lässt. Demnach kommt es jeweils darauf an, ob die zur Diskussion stehende Entschließung einen Rechtsbindungswillen des verabschiedenden Organs verkörpert. Mit beispielhaftem Blick auf die Entschließung des Rates vom 26. Juni 1978 zur Erstellung eines Aktionsprogramms der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der Überwachung und Verringerung der Ölverschmutzung des Meeres ließe sich für eine Verbindlichkeit etwa der Wortlaut des anhängenden „Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der Überwachung und Verringerung der Ölverschmutzung des Meeres“ in Ansatz bringen. Dort heißt es mehrfach im Imperativ „die Kommission wird untersuchen“ bzw. „die Kommission wird Maßnahmen prüfen“. Gegen die Verbindlichkeit der Entschließung spricht jedoch ihr eigener Wortlaut. Hiernach „erklärt sich [der Rat] mit den Leitlinien einverstanden, die in dem Aktionsprogramm im Anhang festgelegt sind“. Ferner „nimmt [er] zur Kenntnis, dass die Kommission nach entsprechenden Voruntersuchungen baldmöglichst geeignete Vorschläge für die Durchführung dieses Programms unterbreiten wird“40. Daraus folgt, dass die Kommission zwar gegenüber dem Rat, d. h. interorganschaftlich, zur Vornahme entsprechender Maßnahmen verpflichtet wurde, eine innergemeinschaftliche Bindung demgegenüber nicht eintrat41. Die fehlende Verbindlichkeit der Ratsentschließung wird dadurch unterstrichen, dass sie in Teil C (Communicatio) des Amtsblattes der EG veröffentlicht wurde.
Beide Rechtsebenen, die primärrechtliche und die sekundärrechtliche, bilden gemeinsam die ihrem Wesen nach zwischen den nationalen Rechtsordnungen und dem Völkerrecht liegende europäische Rechtsordnung eigener Art im Sinne der EuGH-Rechtsprechung42. Vorliegend ist das primäre Gemeinschaftsrecht bei der Benennung und Abgrenzung der Kompetenzgrundlagen für meeresschutzbezogene Regelungen einschlägig; es wird in Kapitel 2 behandelt. Die Untersuchung des sekundären Gemeinschaftsrechts, die Ausfüllung der gemeinschaftlichen Kompetenzen also, erfolgt in Kapitel 3. 37 Everling, Zur rechtlichen Wirkung von Beschlüssen, Entschließungen, Erklärungen und Vereinbarungen des Rates oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, in: Lüke/Ress/Will (Hrsg.), Rechtsvergleichung, Europarecht und Staatenintegration, GS für Constantinesco, 1983, S. 133 (142). 38 Bothe, „Soft Law“ in den Europäischen Gemeinschaften?, in: v. Münch (Hrsg.), Staatsrecht-Völkerrecht-Europarecht, FS für Schlochauer, 1981, S. 761 (768). 39 Oppermann (Fn. 24), S. 220, Rn. 586. 40 Hervorhebungen jeweils im Original. 41 Anders EuGH, Rs. 141/78, Frankreich/Vereinigtes Königreich, Slg. 1979, 2923, Rn. 11, für den (unveröffentlichten) Anhang VI zur Entschließung des Rates vom 3. November 1976 über bestimmte externe Aspekte der Schaffung einer 200Meilenfischereizone in der Gemeinschaft ab 1. Januar 1977 (ABl. EG 1981, Nr. C 105, S. 1), der es den Mitgliedstaaten freilich unmittelbar untersagte, einseitige Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände zu treffen. 42 Vgl. nur EuGH, Rs. 26/62, Van Gend & Loos/Niederländische Finanzverwaltung, Slg. 1963, 3 (24 f.); Rs. 6/64, Flaminio Costa/E.N.E.L., Slg. 1964, 1253 (1269).
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
II. Raum: Das EG-Meer Unterdessen fragt sich, ob EG-Rechtsakte überhaupt seewärtige Sachverhalte erfassen, und bejahendenfalls, auf welche Meeresgebiete sich ihre Wirkung erstreckt. Im Unterschied zu den bereits skizzierten Regionalisierungstendenzen auf überstaatlicher Ebene betrifft diese dem Inhalt des Europarechts („Sache“) gleichsam vorgelagerte Frage nicht die an funktionellen Gesichtspunkten orientierte räumliche Zusammenfassung mehrerer Völkerrechtssubjekte im Gebilde der Region, sondern vielmehr die räumliche Reichweite der Rechtsetzungstätigkeit eines einzelnen, supranationalen Völkerrechtssubjekts. Diesbezüglich ist Art. 299 EGV einschlägig, dessen Abs. 1 lautet: „Dieser Vertrag gilt für das Königreich Belgien, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland [. . .].“43
Der genaue Gehalt der Bestimmung eröffnet sich im Zusammenhang mit Abs. 3 und weiteren Bestimmungen des EG-Vertrags, etwa Art. 43 Abs. 1 und Art. 71 Abs. 1 lit. a. Aus einer zu diesen Normen harmonischen Auslegung ergibt sich, dass sich Art. 299 Abs. 1 EGV auf die Hoheitsgebiete der EG-Mitgliedstaaten bezieht44. Auf den ersten Blick scheint dieses Ergebnis in Widerspruch zur Praxis des Rates zu stehen. Dieser hat mit Wirkung vom 1. Januar 1977 für die Gemeinschaft eine 200-Seemeilen-Fischereizone an allen Küsten des Nordostatlantiks in Anspruch genommen und die Schaffung eines EG-Meeres initiiert, indem er auf eine abgestimmte Maßnahme der Mitgliedstaaten verwies45. Der Rat ging offenbar davon aus, dass der EG-Vertrag innerhalb der Fischereizonen der Mitgliedstaaten – historischen Vorläufern der ausschließlichen Wirtschaftszonen (aWZen) – gelte – eine überraschende Annahme, die mit Blick auf Art. 299 Abs. 1 EGV voraussetzte, dass die Fischereizonen zu den Hoheitsgebieten der EGMitgliedstaaten zählen. Die Ausdehnung der mitgliedstaatlichen Hoheitsgebiete beurteilt sich allerdings weder nach primärvertraglichen Normen noch 43 Gemäß Art. 314 EGV ist der Wortlaut des EG-Vertrags in allen mitgliedstaatlichen Sprachen verbindlich. EG-vertragliche Normen werden hier in deutscher Sprache zitiert. 44 Vgl. auch Art. 29 WVK: „Sofern keine abweichende Absicht aus dem Vertrag hervorgeht oder anderweitig festgestellt ist, bindet ein Vertrag jede Vertragspartei hinsichtlich ihres gesamten Hoheitsgebiets.“ 45 Entschließung des Rates vom 3. November 1976 über bestimmte externe Aspekte der Schaffung einer 200-Meilen-Fischereizone in der Gemeinschaft ab 1. Januar 1977: ABl. EG 1981, Nr. C 105, S. 1. – Mangels Stellung als proklamationsfähiger Küstenstaat konnte die Gemeinschaft dieses EG-Meer nicht selbständig schaffen; es fehlte ihr an einer entsprechenden, von den Mitgliedstaaten abgeleiteten Kompetenz. Die Mitgliedstaaten sind der Entschließung jedoch unmittelbar nachgekommen.
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der Auffassung des Rates, sondern nach allgemeinem Völkerrecht. Obwohl der EG-Vertrag eine autonome Rechtsordnung geschaffen hat und in den innergemeinschaftlichen Rechtsbeziehungen die Regeln des Völkerrechts verdrängt, sind letztere bezüglich der Außenbeziehungen der Gemeinschaft sowie der Grundaspekte mitgliedstaatlicher Souveränität nach wie vor maßgebend46. Aus Sicht des Völkerrechts ist nun Hoheitsgebiet dasjenige Gebiet, bezüglich dessen ein Staat die Gebietshoheit innehat47. Vor diesem Hintergrund wäre die Deklaration der EG-Fischereizone durch den Rat völkerrechtswidrig gewesen, unterliegen doch Fischereizonen bzw. aWZen nicht der Gebietshoheit. Der Küstenstaat verfügt in diesen Zonen lediglich über souveräne Rechte (sovereign rights) einerseits und über Hoheitsbefugnisse (jurisdiction) andererseits48, sog. Nutzungshoheit49. Staatliche Rechtsakte können jedoch auch außerhalb des Hoheitsgebietes wirken, solange nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Völkerrechtssubjekts gegeben ist bzw. eine völkerrechtliche Verbotsnorm der Geltung des Hoheitsaktes entgegensteht50. Da das SRÜ den Küstenstaaten Rechte und Befugnisse zuspricht (vgl. Art. 55 ff., 76 ff.), die in räumlicher Hinsicht über das Hoheitsgebiet hinausreichen, ist ein Rekurrieren der allgemeinen Regel nicht mehr erforderlich. Können die EG-Küstenstaaten demnach außerhalb ihrer 46
Siehe die Nachweise in Fn. 26. Dieser Raum stimmt zwar normalerweise mit dem Staatsgebiet im Sinne der „Drei-Elemente-Theorie“ Georg Jellineks (vgl. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 1914 [Nachdruck 1966], S. 394 ff.) überein, ist aber nicht darauf beschränkt. Auch ergeben sich aus territorialer Souveränität einerseits und Gebietshoheit andererseits unterschiedliche Rechtsfolgen. So ist etwa Staatenverantwortlichkeit nicht von territorialer Souveränität, sondern von effektiver Gebietshoheit abhängig; vgl. Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), ICJ Reports 1971, 15, 54. 48 Vgl. Art. 56 Abs. 1 lit. a und b SRÜ. Zum Unterschied zwischen souveränen Rechten und Hoheitsbefugnissen etwa Janssen, Die rechtlichen Möglichkeiten der Einrichtung von Meeresschutzgebieten in der Ostsee, 2002, S. 165 f.; Gloria in: Ipsen (Fn. 18), S. 747 f., Rn. 20. 49 Graf Vitzthum, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: ders. (Fn. 4), S. 403, Rn. 38. Missverständlich Jenisch, Rechtsprobleme der Meeresnutzungen in der Nordsee und im EG-Meer, in: Krämer (Hrsg.), Die wirtschaftliche Nutzung der Nordsee und die Europäische Gemeinschaft, 1979, S. 103 (106): „im gesamten Hoheitsbereich der Mitgliedstaaten, also auch in den Festlandsockel- und Wirtschaftszonen“. 50 Graf Vitzthum, AöR 111 (1986), S. 33 (44); Verdross/Simma (Fn. 19), S. 638, § 1022; Bernhard, Der Festlandsockel im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 1982, S. 71; Wengler, Völkerrecht, Bd. II, 1964, S. 1073 („genügende Binnenbeziehung zu einem Staat“). Das hat nichts mit dem Prinzip der beweglichen Vertragsgrenzen zu tun; a. A. Oppermann (Fn. 24), S. 87, Rn. 189. 47
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
Hoheitsgebiete Rechte geltend machen, muss dies auch für die Gemeinschaft selbst gelten, soweit ihr die Kompetenz zur Ausübung der einschlägigen Rechte übertragen wurde: Verknüpfung von räumlicher und sachlicher Dimension. Der EuGH hat diese Verknüpfung im Kontext der Fischerei wie folgt betont: „Die sachliche Regelungsbefugnis der Gemeinschaft erstreckt sich – in dem Maße, in dem den Staaten eine entsprechende Befugnis kraft Völkerrechts zusteht – auch auf die Fischerei auf Hoher See.“51
Hiernach kann das Primärrecht u. U. sogar den Staatengemeinschaftsraum Hohe See erfassen. Dass der EG-Vertrag extraterritoriale Wirkung entfaltet, wird im Übrigen darin deutlich, dass einzelne Gemeinschaftsbefugnisse nicht auf die Summe der mitgliedstaatlichen Hoheitsgebiete beschränkt sein können, so etwa Art. 80 Abs. 2 EGV mit dem Verweis auf die Schiff- und Luftfahrt. Im Ergebnis findet der EG-Vertrag über den Wortlaut von Art. 299 Abs. 1 EGV hinaus52 immer dann Anwendung, wenn die Mitgliedstaaten bezüglich des betroffenen Raumes Hoheitsakte setzen können und die Regelungsmaterie infolge primärvertraglicher Ermächtigung auf die EG übergegangen ist53. Die Summe der hiervon erfassten Räume mag als EGMeer bezeichnet werden, zu dessen Schaffung der EG-Rat die Mitgliedstaaten zulässigerweise auffordern konnte54. 51
EuGH, Verb.Rsen. 3, 4, 6/76, Cornelis Kramer u. a., Slg. 1976, 1279, Rn. 30/
33. 52 A. A. offenbar Jenisch, GYIL 22 (1979), S. 239 (244): „Die Verwendung des Wortes ,Hoheitsgebiete‘ im Zusammenhang mit überseeischen Gebieten [in Art. 299 Abs. 3 EGV] ist rein technischer Art“. 53 I. E. auch Cron, Das Umweltregime der Nordsee – völker- und europarechtliche Aspekte, 1995, S. 164; H. P. Ipsen, EWG über See, in: Ipsen/Necker (Hrsg.), Recht über See, FS für Stödter, 1979, S. 167 (180–182); Graf Vitzthum (Fn. 50), S. 43 f. Missverständlich Ballschmidt-Boog, Rechtliche Vorgaben und Defizite beim Schutz der Küstenökosysteme der Ostsee, 2000, S. 106. 54 Ein Sonderfall ist Grönland. Obwohl ursprünglich als Teil Dänemarks in die EG einbezogen, votierte die grönländische Bevölkerung im Jahre 1982 für den Austritt, der 1985 vollzogen wurde. Vgl. Art. 188 EGV sowie den Vertrag zur Änderung der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften bezüglich Grönlands vom 13. März 1984 (ABl. EG 1985, Nr. L 29, S. 1 ff.); näher zur staatsrechtlichen Stellung Grönlands im dänischen Königreich Harders, NuR 12 (1990), S. 302 (303). Zugleich wurde ein Fischereiabkommen geschlossen, das der Gemeinschaft bestimmte Fischereirechte in grönländischen Gewässern zuspricht (Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einerseits und der Regierung Dänemarks und der örtlichen Regierung Grönlands andererseits vom 13. März 1984: ABl. EG 1985 Nr. L 29, S. 9 ff.). Aus dieser speziellen Ermächtigung – und nicht etwa aus einer umgekehrten Anwendung des Prinzips der beweglichen Vertragsgrenzen: keine Verkleinerung des dänischen Hoheitsgebiets! – folgt, dass die grönländischen Gewässer, obschon formell unter dänischer Gebietshoheit bzw. Zuordnungsobjekt dänischer Hoheitsrechte, nicht dem EG-Meer zurechnen.
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Es fragt sich, ob sich das von den Gemeinschaftsorganen geschaffene Sekundärrecht ebenfalls auf das EG-Meer erstreckt. Art. 299 Abs. 1 EGV liefert insoweit keine eindeutige Antwort („dieser Vertrag“). Wenn aber Anknüpfungspunkt der seewärtigen Anwendbarkeit des Primärrechts jeweils der Bestand mitgliedstaatlicher Hoheitsrechte ist, muss Gleiches für das Sekundärrecht gelten, weil die der EG übertragenen Befugnisse erst durch den Erlass sekundärrechtlicher Maßnahmen vollzogen werden55. Trotz dieser an sich zwingenden Konsequenz aus dem räumlichen Geltungsbereich des Primärrechts wurde die Reichweite des Sekundärrechts bis vor kurzem kontrovers diskutiert56. Ein in Großbritannien geführter Rechtsstreit, dessen Gegenstand der seewärtige Anwendungsbereich der artenschutzbezogenen Richtlinie 92/ 43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie)57 bildete, dürfte die Kontroverse nunmehr beendet haben. Der Rechtsstreit ist insofern erwähnenswert, als er mit einem Urteil des Londoner High Court of Justice endete, in dem zum Problem der räumlichen Reichweite des Sekundärrechts ausführlich Position bezogen wurde58. Richter Kay war der Auffassung, dass „if [das in Fn. 56 genannte Urteil des schottischen Employment Appeal Tribunal – A. P.] is intended to mean that, as a matter of competence, a Directive or Regulation can have no application beyond the territorial sea of Member States, I do not think it can be correct.“59 55
I. E. auch Ballschmidt-Boog (Fn. 53), a. a. O. Vgl. WWF (Hrsg.), Marine Protected Areas, 1998, S. 21: „In Europe, the EU Habitats Directive applies only to the 12-nautical-mile territorial sea.“; Davies, ICLQ 43 (1994), S. 270 (281, Fn. 61). In Addison v. Denholm Ship Management (UK) Limited führte das schottische Employment Appeal Tribunal bezüglich des räumlichen Geltungsbereich der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen aus: „We therefore conclude that the continental shelf is not within the territorial scope of the EC Treaty as being part of the United Kingdom in that context. Thus, Directive 77/187/EEC cannot be extended to cover the activities therein [. . .]“ ([1997] ICR 770, 779). Auch im Rahmen des sogleich im Text genannten Falls hatte Großbritannien die einschlägige Richtlinie zwar in nationales Recht umgesetzt (Conservations [Natural Habitats etc.] Regulations 1994), den räumlichen Geltungsbereich aber ausdrücklich und eigenmächtig auf die inneren Gewässer und das Küstenmeer beschränkt. 57 ABl. EG 1992, Nr. L 206, S. 7 ff. Näher dazu u. Kapitel 3, II. 3. a). 58 Reg. v. The Secretary of State for Trade and Industry ex parte Greenpeace Limited, High Court of Justice, 120 ILR 617 ff. Das Urteil ist nicht zuletzt mit Blick auf das vorliegend untersuchte Meeresgebiet interessant – der zu Grunde liegende Sachverhalt betraf mit der Atlantic Frontier, gelegen im Norden und Westen der Hybriden, Orkneys und Shetlands, eine Subregion des Nordostatlantiks. 59 120 ILR 617 (627), Hervorhebung im Original. – Richter Kay verglich in seiner Urteilsbegründung die FFH-Richtlinie mit anderen europäischen Rechtsakten, etwa der Vogelschutzrichtlinie, und berief sich auf die Bindung der EG an das SRÜ sowie auf teleologische Überlegungen („the very nature of things“); vgl. ebd., 625– 56
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Natürlich kann der räumliche Geltungsbereich einer sekundärrechtlichen Maßnahme im Einzelfall begrenzt werden60. Im Fall der FFH-Richtlinie ist dies jedoch nicht geschehen. Vielmehr ist gemäß Art. 2 Nr. 1 Ziel der Richtlinie, „[. . .] zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, für das der Vertrag Geltung hat, beizutragen.“61 Hiernach wurde die Frage des räumlichen Geltungsbereichs der Richtlinie ausdrücklich mit der Reichweite des Primärrechts verknüpft. Dass die Richtlinie seewärts nicht nur in den mitgliedstaatlichen Aquitorien gilt, sondern auch in den aWZen, folgt im Übrigen aus ihrem sachlichen Gehalt: Einige der in Anhang II genannten Tierarten sind eindeutig marine Arten, die auch und gerade in der aWZ vorkommen62.
In Übereinstimmung zum völkerrechtlichen Prinzip der beweglichen Vertragsgrenzen (vgl. Art. 29 WVK) ergibt sich schließlich unmittelbar aus Art. 299 Abs. 1 EGV, dass eine Erweiterung der mitgliedstaatlichen Hoheitsgebiete ohne weiteres eine entsprechende Ausdehnung des räumlichen Geltungsbereichs des Europarechts zur Folge hat63. III. Sache: Das Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten Kraft Verleihung von Rechtspersönlichkeit ist die supranationale EG, wie gesagt, ein Subjekt des Völkerrechts. Sie verfügt über die Fähigkeit, Trägerin völkerrechtlicher Rechte und Pflichten zu sein. Die Entstehung der Gemeinschaft basiert ebenso wie der Umfang der ihr übertragenen Rechte und 637. Czybulka (NuR 23 [2001], S. 19 [23]) kritisiert, die seewärtige Geltung des Sekundärrechts in den mitgliedstaatlichen aWZen hätte dogmatisch „in erster Linie auf den Funktionszusammenhang zwischen der Regelung im SRÜ und dem insoweit Ziel-bestimmten Tätigkeitsbereich der Gemeinschaft“, nicht „auf einen ,Geltungsbereich‘ im räumlich-geographischen Sinne“ gestützt werden müssen. Er übersieht freilich, dass die Begriffe „Funktionszusammenhang“ und „räumlicher Geltungsbereich“ nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander stehen, sondern sich gegenseitig bedingen, indem ersterer (völkerrechtlicher) Anknüpfungspunkt der räumlichen Geltung sowohl des Primär- wie des Sekundärrechts ist. 60 Siehe ebd., 629: „When, on the other hand, a narrower geographic area is intended in a Council instrument, it is quite capable of saying so as, for example, in Council Regulation 2913/92, establishing the Community Customs Code, which provides that the ,customs territory of the Community‘ includes ,the territorial waters, the inland maritime waters and the airspace of Member States‘ (Article 3.3).“ 61 Hervorhebung hinzugefügt. Im ersten Entwurf der Kommission war noch vom „europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, einschließlich mariner Gebiete unter der Souveränität oder Jurisdiktion der Mitgliedstaaten“ die Rede. 62 120 ILR 617 (636). Zu diesem Aspekt näher Jarass, Naturschutz in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, 2002, S. 44 f.; Janssen (Fn. 48), S. 97 f. 63 EuGH, Rs. 61/77, Kommission/Irland, Slg. 1978, 417, Rn. 45/5; Becker in: Schwarze (Fn. 20), Art. 299 EGV, Rn. 5.
Kap. 1: Grundlagen – Räumliche und sachliche Dimension
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Pflichten auf einem zwischen Staaten geschlossenen Vertrag. Im Unterschied zu diesen ist die Gemeinschaft bezüglich ihrer Entstehung kein originäres, sondern ein derivatives, bezüglich ihrer Kompetenzen kein umfassendes, sondern ein partielles Völkerrechtssubjekt. Die EG leitet also – erstens – ihre Existenz aus einem entsprechenden Willen ihrer Mitgliedstaaten ab. Zweitens fehlt ihr die Kompetenz-Kompetenz, ohne vertragliche Einwilligung der Mitgliedstaaten neue Rechte und Pflichten an sich zu ziehen. Die EG verfügt nur über die Kompetenzen, die ihr von den Mitgliedstaaten im Wege primärvertraglicher Ermächtigung übertragen werden64. Zum Begriff der Kompetenz Was aber ist unter dem Begriff „Kompetenz“ zu verstehen? Und wie kann er den Besonderheiten des Europarechts angepasst werden? Rupert Stettner hat „Kompetenz“ in seiner grundlegenden staatstheoretischen Untersuchung definiert als „die staatlichen Stellen und Organen der drei Staats,funktionen‘ eingeräumte und zugeteilte Handlungsmacht, die Verfolgung des staatlichen Gemeinwohlauftrags und in Erfüllung zugewiesener staatlicher Aufgabe(n), hoheitliche Akte festgelegter und genau bezeichneter Art zu setzen“65. Vereinfachend ausgedrückt: Kompetenz ist Handlungsmacht zur Erzeugung von Hoheitsakten66. Thomas Schröer hat es unternommen, diese Definition auch für die supranationale EG fruchtbar zu machen, nicht ohne dabei den strukturellen Besonderheiten der Gemeinschaft entsprechend (einschränkend) Rechnung zu tragen. Nach ihm bedeutet Kompetenz „die positive, den zuständigen Organen der Gemeinschaft [. . .] zugewiesene Handlungsmacht, in Erfüllung der dem zugrunde liegenden Verband gestellten Aufgaben, verbindliches Recht in den dafür vorgeschriebenen Handlungsformen zu setzen“67. 64 Insofern bleiben letztlich die Staatsvölker (mittelbarer) „Legitimationsquell für Hoheitsgewalt“ (Herdegen, [Fn. 2], S. 69, Rn. 87) auch auf der europäischen Ebene. 65 Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 35. 66 Vgl. auch Mayer, Kompetenzüberschreitung und Letztentscheidung, 2000, S. 21 f. Breiter Zimmer, Funktion-Kompetenz-Legitimation, 1979, S. 38 („Staatsfunktionen als Kompetenzen“); Schmitt, Verfassungslehre, 4. Aufl. 1965, S. 102 („geregelter und umgrenzter Aufgabenkreis“), mit der Klarstellung, dass Kompetenz per Definition immer etwas Begrenztes ist. 67 Schröer, Die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Umweltschutzes, 1992, S. 28. – Nicht abschließend geklärt ist, ob sich der Begriff „Kompetenz“ auf ein rechtliches Dürfen oder auf ein rechtliches Können bezieht; vgl. Pechstein, Die Mitgliedstaaten der EG als „Sachwalter des gemeinsamen Interesses“, 1987, S. 24 ff. m. w. N. – Nachfolgend werden die Begriffe „Kompetenz“ und „Zuständigkeit“ synonym verwendet.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
Dieser Ansatz bedarf mit Martin Nettesheim unterdessen der zweifachen Modifikation: Zum einen besteht kein Anlass, „Kompetenz“ europarechtlich auf die Erzeugung von verbindlichem Recht zu beschränken. Das Kompetenzerfordernis gilt vielmehr „auch für sonstiges rechtliches und faktisches hoheitliches Verhalten“ der Gemeinschaft68. Dafür spricht bereits der Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 EGV („tätig wird“). Zum anderen ist das Vorhandensein einer Kompetenz von der in der Kompetenznorm vorgeschriebenen Handlungsform streng zu unterscheiden: Während „Kompetenz“ das Ob eines Tätigwerdens betrifft, ist die Handlungsform dem Wie der Kompetenzausübung zuzuordnen69. Auch Art. 230 EGV verdeutlicht, dass die Frage der Kompetenzmäßigkeit von der Frage der Verfahrensmäßigkeit zu unterscheiden ist.
Entscheidendes Element der Begriffsbestimmung ist, dass die Handlungsmacht der EG von einer entsprechenden Kompetenzzuweisung seitens der Mitgliedstaaten abhängt – ohne Zuweisung keine Zuständigkeit. Dieses sog. Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten findet seinen Ausdruck im bereits erwähnten Art. 5 Abs. 1 EGV: „Die Gemeinschaft wird innerhalb der Grenzen der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele tätig.“70
Daneben enthält Art. 7 Abs. 1 UAbs. 2 EGV eine weitere, freilich primär auf die Organkompetenz abzielende Ausprägung des Prinzips: „Jedes Organ handelt nach Maßgabe der ihm in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse.“
Die EG benötigt hiernach für jedes hoheitliche Tätigwerden eine ausdrückliche bzw. eine im Wege der Auslegung nachweisbare Rechtsgrundlage. Wie dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 EGV („und“) und dem von Art. 3 Abs. 1 EGV („nach Maßgabe dieses Vertrags“) sowie der systematischen Stellung der Art. 2–4 EGV zu entnehmen ist, muss das Gemeinschaftshandeln daneben zumindest einem der EG-vertraglichen Gemeinschaftsziele – nicht aber: dem engen Bereich der Wirtschaft – zugeordnet werden können71. Ist dies nicht der Fall, verfolgt die Gemeinschaft mit einer Maßnahme also keines der dort vorgegebenen Ziele, ist die Maßnahme kompe68 Nettesheim, Kompetenzen, in: v. Bogdandy (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2003, S. 415 (428). A. A. Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrages, 1991, S. 89, 94, für den Rahmen des durch Art. 2–4 EGV festgelegten Aufgabenbereichs der Gemeinschaft. 69 Vgl. Nettesheim (Fn. 68), S. 417 f. 70 Hervorhebung hinzugefügt. 71 Diesen Aspekt übersieht Kraußer (Fn. 68), S. 24: „[. . .] wenn ein Gemeinschaftsorgan nicht auf Grund einer vertraglichen Ermächtigung handelt, [überschreitet] es auch den Aufgabenbereich der Gemeinschaft [. . .].“ Wie hier dagegen Jarass, AöR 121 (1996), S. 173 (174); v. Bogdandy/Nettesheim in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Altband I, Art. 3b EGV, Rn. 5 („notwendige Grundlage des Grundsatzes der begrenzten Einzelzuständigkeiten“); Zuleeg (Fn. 21), S. 365.
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tenzwidrig72. Im Übrigen ergibt sich aus dem Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten, dass die Kompetenz der Gemeinschaft formell die Ausnahme ist, die Kompetenz der Mitgliedstaaten hingegen (natürlich) keiner weiteren Begründung bedarf73. Wie angedeutet verlangt jenes Ermächtigungserfordernis nicht, dass die Gemeinschaftskompetenzen ausdrücklich im Vertrag formuliert wurden. Vielmehr können sie sich bekanntlich aus einer „dynamischen“74, d. h. auf die Verwirklichung der Integrationsziele ausgerichteten Auslegung des EGVertrags anhand des effet utile ergeben. Des weiteren sind sog. implied powers anerkannt, ungeschriebene EG-Zuständigkeiten also, die in den Bestimmungen des EG-Vertrags insofern enthalten sind, als letztere „[andernfalls] sinnlos wären oder nicht in vernünftiger oder zweckmäßiger Weise zur Anwendung gelangen könnten“75.
72 Die kumulativen Anforderungen des Prinzips der begrenzten Einzelzuständigkeiten führen demnach zu Problemen, wenn eine auf vertraglicher Ermächtigung basierende Maßnahme der EG keine Grundlage in den (nicht abschließenden) Tätigkeitskatalogen der Art. 3, 4 EGV findet. Freilich sind solche Konstellationen in der Praxis kaum relevant. Ein denkbares Beispiel sind individuelle Freistellungen oder Gruppenfreistellungen (vgl. Art. 81 Abs. 3 EGV) vom Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EGV, die entgegen Art. 3 Abs. 1 lit. g EGV nicht nur den innergemeinschaftlichen Wettbewerb vor Verfälschungen schützen, sondern auch die betroffenen Unternehmen fördern. Bezüglich solcher Freistellungen ist der enge Zusammenhang zwischen der Zielvorschrift Art. 3 Abs. 1 lit. g EGV einerseits und Art. 2 EGV („harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens“) andererseits zu berücksichtigen; vgl. Zuleeg in: Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vertrag, 4. Aufl. 1991, Art. 3, Rn. 9 zu Art. 3 lit. f E(W)GV a. F.; Hatje in: Schwarze (Fn. 20), Art. 3 EGV, Rn. 13. Dementsprechend muss Art. 81 EGV in Übereinstimmung zu Art. 2 EGV ausgelegt werden. Die in Rede stehenden Freistellungen dürften daher – unter Wahrung der Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EGV – kompetenzgemäß sein. 73 Jarass (Fn. 71), S. 175. 74 Kraußer (Fn. 68), S. 44; Nettesheim (Fn. 68), S. 423. 75 EuGH, Rs. 8/55, Federation Charbonniere de Belgique/Hohe Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Slg. 1955, 297 (311). Näher zur Lehre von den implied powers Kraußer (Fn. 68), S. 59 ff.; Oppermann (Fn. 24), S. 202, Rn. 527. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sind Rechtsakte der EG im deutschen Hoheitsbereich nicht verbindlich, wenn sie auf einer implied powers-Anwendung beruhen, die vom EG-Vertrag nicht mehr gedeckt wird (BVerfGE 89, 155 [188]). Es ist jedoch zu bedenken, dass der EuGH gemäß Art. 234 EGV über ein auf das Europarecht bezogenes Verwerfungsmonopol verfügt, mithin unter anderem das Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten überwacht, sog. Kontrollfunktion; dazu v. Borries, EuR 29 (1994), S. 263 (268); Kraußer (Fn. 68), S. 58. Vgl. auch Art. 230 Abs. 2 EGV: „Unzuständigkeit“. Dieses Monopol darf aus Gründen einer einheitlichen Rechtsanwendung innerhalb EGEuropas nicht verwässert werden; EuGH, Rs. 314/85, Foto-Frost/Hauptzollamt Lübeck-Ost, Slg. 1987, 4199, Rn. 15; zustimmend etwa Kämmerer, Föderale Kompe-
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Daneben ist an die kompetenzerschließende Funktion von Art. 308 EGV zu denken, wenn auch die Gefahr besteht, dass die Voraussetzungen des Vertragsänderungsverfahren gemäß Art. 48 EUV durch eine allzu großzügige Anwendung jener Norm unterlaufen werden. Der EuGH ist diesbezüglich seiner Kontrollfunktion zwar vereinzelt nachgekommen76, grundsätzlich jedoch ganz im Sinne der dominierenden Integrationsfunktion dem Problem durch eine weite, am effet utile ausgerichtete Auslegung der speziellen Ermächtigungsnormen ausgewichen77.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass jedes hoheitliche Handeln der EG vor dem Hintergrund des Prinzips der begrenzten Einzelzuständigkeiten auf Anwendung und Auslegung der jeweils einschlägigen Kompetenzgrundlage zu untersuchen ist. Es versteht sich von selbst, dass diese Verpflichtung auch hinsichtlich eines seebezogenen Tätigwerdens der EG besteht. Rechtsfolgen eines Kompetenzverstoßes durch die Gemeinschaft Was aber wäre die Folge einer Kompetenzüberschreitung durch die Gemeinschaft? Grundsätzlich gilt, dass Rechtsakte, die nicht auf einer primärvertraglichen Kompetenznorm beruhen, ultra vires ergangen, mithin nichtig sind78. Der EuGH scheint allerdings von einer Gültigkeitsvermutung zugunsten gemeinschaftlicher Rechtsakte auszugehen; letztere sollen „selbst dann, wenn sie fehlerhaft sind, Rechtswirkung entfalten“79. Ausnahmen zu diesem Grundsatz anerkennt der Gerichtshof nur in ganz außergewöhnlichen Fällen, in denen Rechtsakte „offenkundig mit [. . .] schweren Fehlern behaftet“ sind. Dann seien die Rechtsakte rechtlich inexistent, entfalteten also nicht einmal vorläufig Rechtswirkungen80. Hinter dieser Judikatur steht der Unterschied zwischen der Kompetenzmäßigkeit eines Hoheitsaktes einerseits und seiner Rechtmäßigkeit andererseits. Wie Nettesheim81 überzeugend dargelegt hat, verfügen Akte, die die tenzkonflikte und Grundrechtsjudikatur in Europa, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Europäischer Föderalismus, 2000, S. 37 (46 f.). 76 EuGH, Gutachten 2/94, Slg. 1996, I-1759, Rn. 28 ff., 35. 77 EuGH, Rs. 68/86, Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1988, 855, Rn. 7 ff.; Rs. 45/86, Kommission/Rat, Slg. 1987, 1493, Rn. 13 ff. Zur Dominanz der Integrationsfunktion in der Rechtsprechung des EuGH vgl. Kraußer (Fn. 68), S. 58, 63–67. 78 v. Borries, Kompetenzverteilung und Kompetenzausübung, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. I, 1998, § 25, Rn. 18; Nettesheim (Fn. 68), S. 416. 79 EuGH, Rs. C-137/92 P, Kommission/BASF AG u. a., Slg. 1994, I-2555, Rn. 48. Ausnahmen zu dieser Regel sind neben der sogleich im Text genannten Konstellation im vorläufigen Rechtsschutz möglich, vgl. EuGH, Verb. Rsen. C-143/88 und C-92/89, Zuckerfabrik Süderdithmarschen AG und Zuckerfabrik Soest GmbH/ Hauptzollamt Itzehoe und Hauptzollamt Paderborn, Slg. 1991, I-415, Rn. 33. 80 Ebd., Rn. 49 f., das. auch das in Anführungszeichen gesetzte Zitat. 81 (Fn. 68), S. 430 f.
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Gemeinschaft kompetenzwidrig erlassen hat, lediglich über einen Rechtsschein, der durch Feststellung ihrer Nichtexistenz zerstört werden muss. Demgegenüber sind kompetenzgemäß erlassene Hoheitsakte rechtlich selbst dann existent, wenn sie rechtswidrig, also etwa unter Durchbrechung des primärvertraglich vorgeschriebenen Verfahrens, zustande gekommen sind. Sie müssen durch Gerichtsurteil aufgehoben werden. Jene vom EuGH entwickelte Gültigkeitsvermutung bezieht sich nun ausschließlich auf rechtswidrige, aber kompetenzgemäße Maßnahmen. Sie ist deshalb mit dem – kompetenzbezogenen – Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten ohne weiteres vereinbar und dürfte auf den Umstand zurückzuführen sein, dass der Gerichtshof nicht nur Verfassungsgericht ist, sondern auch und gerade Verwaltungsgericht. Dem deutschen Verwaltungsrecht ist eine Gültigkeitsvermutung für Verwaltungsakte bekanntlich ebenfalls nicht fremd82. Im Falle offenkundiger Rechtswidrigkeit hebt der Gerichtshof die betreffende Maßnahme mit Wirkung ex tunc auf, andernfalls mit Wirkung ex nunc. Im Ergebnis spielt freilich keine Rolle, ob ein offenkundig rechtswidriger Hoheitsakt vom EuGH mit Wirkung ex tunc aufgehoben wird, oder ob die Kompetenzwidrigkeit etwa einer sekundärrechtlichen Maßnahme festgestellt, also ihr Rechtsschein zerstört wird, (natürlich) ebenfalls mit Wirkung ex tunc. Allerdings fragt sich, ob bei ultra vires, also kompetenzwidrig erlassenen Akten ohne weiteres von offenkundiger Fehlerhaftigkeit ausgegangen werden könnte. Dafür ließe sich in Ansatz bringen, dass Kompetenzverstöße weder interne Verwaltungsabläufe betreffen noch im Nachhinein korrigierbar sind. Vielmehr werden unmittelbar die Grundlagen des Verhältnisses EG/Mitgliedstaaten berührt. Auch nimmt die Gemeinschaft bekanntlich für sich in Anspruch, eine Rechtsgemeinschaft zu sein83. Andererseits sind die Grenzen der Gemeinschaftskompetenzen angesichts der am effet utile ausgerichteten Auslegung der Kompetenznormen nicht immer auf den ersten Blick bestimmbar. Wie noch zu zeigen ist, unterscheiden sich die Kompetenznormen des EG-Vertrags in Reichweite und Systematik vielmehr außerordentlich. Deshalb entfalteten auch kompetenzwidrig erlassene Rechtsakte vorläufige Rechtswirkung. Da sie insofern nur mit Wirkung ex nunc aufgehoben werden könnten – ein schlechterdings unhaltbares Ergebnis84 –, ist die o. vorgenommene Differenzierung zwischen kompetenzlosem Handeln und kompetenzgemäßem, aber rechtswidrigem Handeln von fundamentaler Bedeutung. 82
Vgl. § 44 VwVfG. EuGH, Rs. 294/83, Parti écologiste „Les Verts“/Europäisches Parlament, Slg. 1986, 1339, Rn. 23; Gutachten 1/91, Slg. 1991, I-6079, Rn. 21. Die Bezeichnung „Rechtsgemeinschaft“ stammt von Walter Hallstein (Die Europäische Gemeinschaft, 5. Aufl. 1979, S. 51–77). 84 Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung im Urteil des EuGH über die Tabakwerberichtlinie; siehe Rs. C-376/98, Deutschland/Parlament und Rat, Slg. 2000, I8419, Rn. 118. Unklar hingegen Huber (Fn. 24), S. 244, Rn. 6. Zur Kontrollfunktion des EuGH siehe schon o. Fn. 75. 83
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Institutionell käme der Unterschied zum Tragen, wenn die Mitgliedstaaten dereinst ein eigenständiges europäisches Kompetenzgericht einrichten würden85. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit der laufende europäische Konstitutionalisierungsprozess auch die Frage der gerichtlichen Kompetenzkontrolle erfassen wird. Innen- und Außenkompetenzen Hinsichtlich der Kompetenzen ist darüber hinaus stets zwischen Innen- und Außenkompetenzen zu unterscheiden. Während jene die Befugnisse der EG gegenüber ihren Mitgliedstaaten betreffen und sich demnach auf die innergemeinschaftliche Ebene beziehen, erfassen diese das Verhältnis der Gemeinschaft zu Drittstaaten und anderen Völkerrechtssubjekten. Sie manifestieren sich zum einen in der Gestaltung der laufenden internationalen Beziehungen, zum anderen in der Ausübung der völkerrechtlichen Vertragsschlusskompetenz86, wobei hier nur die Außenkompetenzen im letzteren Sinne relevant sind. Diesbezüglich ist erneut der Grundsatz zu betonen, dass die Gemeinschaft nur dann über eine Vertragsschlusskompetenz verfügt, wenn dies im EG-Vertrag bestimmt wurde; das Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten beansprucht nach außen wie nach innen Geltung87. Der EG-Vertrag enthält allerdings, anders etwa als der (zwischenzeitlich ausgelaufene) EGKSVertrag (vgl. Art. 6 Abs. 2), nur einzelne, sektoral beschränkte Außenkompetenzen88. Von diesen ausdrücklichen Zuweisungen abgesehen kann die EG 85 Vgl. dazu etwa Broß, VerwArch 92 (2001), S. 425 (426 f.); ders., EuGRZ 29 (2002), S. 574 (577, 579). Vor- und Nachteile der Schaffung eines Kompetenzgerichts können hier nicht abschließend diskutiert werden. Dem Vorschlag stehen bereits insofern Bedenken entgegen, als die Schaffung eines oder gar mehrerer weiterer europäischer Gerichtshöfe die Gefahr von Rechtsprechungswidersprüchen und letztlich der Zersplitterung des Primärrechts birgt, zumal mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ohnehin ein zusätzlicher Akteur des Europarechts (im weiteren Sinne) existiert. Eine randscharfe Zuständigkeitsabgrenzung auch nur im Europa der EU dürfte angesichts der Komplexität der Materie zu diesem Zeitpunkt kaum leistbar, ein höheres Maß an Rechtssicherheit kaum zu erreichen sein. Der im Zusammenhang mit den Beratungen des europäischen Reformkonvents gelegentlich zu hörende Vorwurf, der EuGH könne seine Kontrollfunktion im Hinblick auf Kompetenzstreitigkeiten schon deshalb nicht wirksam wahrnehmen, weil er als Gemeinschaftsorgan parteilich sei, geht fehl. So ist bislang niemand der Idee verfallen, dem Bundesverfassungsgericht – ein oberstes Bundesorgan – wegen Parteilichkeit die Kompetenz für Bund-Länder-Streitigkeiten entziehen zu wollen. Im Übrigen wäre ein aus Vertretern der mitgliedstaatlichen Verfassungsgerichte zusammengesetzter Kompetenzgerichtshof seinerseits dem Vorwurf der Parteilichkeit, dann freilich aus Sicht der Gemeinschaft, ausgesetzt. Eher wäre an eine innerorganschaftliche Umstrukturierung zu denken, etwa an die Schaffung einer Kammer für Kompetenzstreitigkeiten. 86 Oppermann, (Fn. 24), S. 728, Rn. 1691. 87 Vgl. nur Wolfrum, AVR 32 (1994), S. 317; Oppermann (Fn. 24), S. 734, Rn. 1704.
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nach ständiger Rechtsprechung des EuGH aber auch dann Verträge mit dritten Völkerrechtssubjekten schließen, wenn sie kraft EG-vertraglicher Ermächtigung über eine Innenkompetenz verfügt, und der Bestand einer korrespondierenden Außenkompetenz erforderlich ist, um die vertraglichen Zielsetzungen zu verwirklichen („AETR-Doktrin“)89. Diese Rechtsprechung fußt auf der implied powers-Lehre: Der Gedanke der einheitlichen Effektivität der europäischen Rechtsordnung verlangt, dass zwischen Innen- und Außenkompetenzen kein Widerspruch bestehen darf; andernfalls könnten die Mitgliedstaaten eine Innenkompetenz der Gemeinschaft im Verhältnis zu Drittstaaten unterlaufen90. Vor diesem Hintergrund ist die AETR-Doktrin mit dem Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten vereinbar. Teilweise wird einschränkend argumentiert, die Gemeinschaft verfüge nur dann über eine implizite Vertragsschlusskompetenz, wenn sie die einschlägige deckungsgleiche Innenkompetenz zuvor durch den Erlass sekundärrechtlicher Maßnahmen wahrgenommen habe91. Diese Auffassung ist abzulehnen. Zwar scheint die neuere Rechtsprechung des EuGH die Konturen der AETR-Doktrin auf den ersten Blick in der Tat schärfer zu ziehen; eine genauere Betrachtung ergibt allerdings, dass der Gerichtshof das Erfordernis des legislativen Tätigwerdens nach innen lediglich mit Bezug auf die Reichweite der EG-Zuständigkeit fordert92, also das „Wie“ der Zuständigkeit diskutiert, nicht hingegen das vorgelagerte „Ob“. Aus der Judikatur des EuGH kann daher nur gefolgert werden, dass eine im Wege der implied powersLehre begründete Vertragsschlusskompetenz ab dem Zeitpunkt ihres erstmaligen Gebrauchs eine ausschließliche ist.
88 Beispielhaft seien Art. 133 Abs. 1 EGV für die Handelspolitik und Art. 310 EGV für die Assoziierung mit dritten Staaten genannt. 89 EuGH, Rs. 22/70, Kommission/Rat, Slg. 1971, 263, Rn. 15/19; Verb. Rsen. 3, 4, 6/76, Cornelis Kramer u. a., Slg. 1976, 1279, Rn. 17/18; Gutachten 1/94, Slg. 1994, I-5267, Rn. 76 ff. Dass der EuGH das Erforderlichkeitskriterium ernst nimmt, zeigen die Urteile in den Rs. C-475/98 (Rn. 68 ff.) und Rs. C-476/98 (Rn. 83 ff.) zu den „Open Skies“-Abkommen. Vgl. Slg. 2002, I-9797 bzw. Slg. 2002, I-9855. 90 Zur Begründung näher Bleckmann, EuR 12 (1977), S. 109 (113 f.). 91 So etwa Oppermann (Fn. 24), S. 725, Rn. 1686 und S. 733, Rn. 1704; zweifelnd Geiger, JZ 50 (1995), S. 973 (979). A. A. bezüglich des AETR-Urteils Tomuschat, EuR 12 (1977), S. 157 (159, 161); H. P. Ipsen, Die Europäische Gemeinschaft und das Meer, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Die Plünderung der Meere, 1981, S. 300 (308). Klarstellend im Sinne der hier vertretenen Auffassung nunmehr EuGH, Rs. C-475/98, Kommission/Österreich, Slg. 2002, I-9797, Rn. 67; Rs. C476/98, Kommission/Deutschland, Slg. 2002, I-9855, Rn. 82; Art. III-220 Abs. 1 des vom Europäischen Konvent vorgelegten Verfassungsentwurfs: CONV 727/03, Übermittlungsvermerk des Präsidiums an die Mitglieder des Konvents, 27. Mai 2003, 73. 92 EuGH, Gutachten 1/94, Slg. 1994, I-5267, Rn. 77; Gutachten 2/92, Slg. 1995, I-521, Rn. 31. Im erstgenannten Gutachten heißt es: „Nur in dem Maße, wie gemeinsame Vorschriften auf interner Ebene erlassen werden, wird die externe Zuständigkeit der Gemeinschaft zu einer ausschließlichen.“ (ebd.), Hervorhebung hinzugefügt. I. E. a. A. Geiger (Fn. 91), S. 980.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
Kapitel 2
Meeresschutzbezogene Kompetenzgrundlagen Im Hinblick auf die aus dem Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten folgende Notwendigkeit, dass jedes hoheitliche Handeln der EG auf einer primärvertraglichen Grundlage beruhen muss, ist eingangs die Feststellung zu treffen, dass das Gemeinschaftsrecht für eine seerechtliche Orientierung keinen zentralen Anknüpfungspunkt liefert93. Dabei haben das enorme Potential EU-Europas auf dem Gebiet der Schifffahrt94 und die Bedeutung der EG als Fischereimacht95 das Meer zu einem „matter of fundamental importance for the Community“96 gemacht. Wurde es bis vor kurzem noch überwiegend nutzungsorientiert betrachtet, trat zuletzt, vor allem unter dem Eindruck verschiedener Schiffskatastrophen, gerade auch in Europa sein ökologischer Schutz in den Vordergrund. Ist die Gemeinschaft also auf dem Weg zu einer „blauen EG“97? Das Europarecht ist den Anforderungen der Faktizität zumindest partiell gefolgt, wobei sich der EG-Vertrag – trotz Fehlens eines zentralen Anknüpfungspunktes – als geeignet erwiesen hat, der zunehmenden Bedeutung meeresbezogener Sachverhalte Rechnung zu tragen. So knüpfen zum einen primärvertragliche Normen unmittelbar an bestimmte Meeresnutzungen an, zum anderen können seebezogene Aktivitäten im Rahmen einer am effet utile orientierten Auslegung des EG-Vertrags unter weite, originär landbezogene Kompetenznormen gefasst werden.
93
Ipsen (Fn. 91), S. 302; ders. (Fn. 53), S. 174. Europäische Reedereien kontrollieren mehr als ein Drittel der auf den Weltmeeren eingesetzten Welthandelsflotte. Näher zur Tonnageverteilung ISL Shipping Statistics and Market Review (SSMR) 2002, Analysis No. 11/12, Major Shipping Countries and Seaborne Market Developments: http://www.isl.org/products_ services/publications/market.shtml.en. 95 Nach China und Peru war die EG im Jahre 1995 mit einer Erzeugung von über 8 Mio. t Fisch (einschließlich Aquakultur) die drittgrößte Fischereimacht der Erde; siehe http://europa.eu.int/comm/fisheries/doc_et_publ/factsheets/facts/de/ pcp2_1.htm. Zum Vergleich: Im Jahre 1980 betrug die Gesamtfangmenge der EG 5 Mio. t; vgl. Nonnenmacher, Die Gemeinsame Fischereipolitik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1990, S. 69; Graf Vitzthum (Fn. 50), S. 48. 96 Vignes, The EEC and the Law of the Sea, in: Churchill/Simmonds/Welch (Hrsg.), New Directions in the Law of the Sea, Vol. III, 1973, S. 335. Zur Entwicklung ders., La Communauté européenne dans le domain du droit général de la mer, in: Treves (Hrsg.), The Law of the Sea, 1997, S. 7 (11 ff.). 97 Bejahend Lagoni, AVR 32 (1994), S. 382 (404), für den Bereich der Sicherheit im Seeverkehr. A. A. z. B. Krämer, Meeresumweltschutz im Recht der Europäischen Gemeinschaften, in: Koch/Lagoni (Hrsg.), Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee, 1996, S. 129 (179): „Der Schutz der Meeresumwelt spielt nach alledem im Recht der Europäischen Gemeinschaft eine recht untergeordnete Rolle“. 94
Kap. 2: Meeresschutzbezogene Kompetenzgrundlagen
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Beide Möglichkeiten – eng umrissene Spezialnormen einerseits, ausfüllungs- und auslegungsbedürftige Generalklauseln andererseits – sind nicht nur mit Blick auf ein europäisches Seerecht insgesamt, sondern auch hinsichtlich des Teilgebiets „Meeresschutz“ einschlägig. Während der EG-Vertrag in Titel XIX einen weiten, final orientierten Rahmen für das europäische Umweltrecht zeichnet (unten I.), erfassen die sachlich begrenzten Tätigkeitsfelder Fischerei (unten II.) und Seeschifffahrt (unten III.) einzelne Aspekte des Meeresschutzes. Kompetenzrechtlich ist daher zum einen die Zuständigkeitsverteilung EG/Mitgliedstaaten zu untersuchen („vertikale“ Kompetenzverteilung). Zum anderen müssen die in Betracht kommenden primärvertraglichen Kompetenznormen u. U. voneinander abgegrenzt werden („horizontale“ Kompetenzverteilung98).
I. Umweltschutz Der Umweltschutz ist, wie Art. 3 Abs. 1 lit. l EGV verdeutlicht, ein eigenständiges Tätigkeitsfeld der EG. So ist es nicht nur „Aufgabe der Gemeinschaft [. . .], ein hohes Maß an Umweltschutz und eine Verbesserung der Umweltqualität [. . .] zu fördern“ (Art. 2 EGV); vielmehr sind die Erfordernisse des Umweltschutzes gemäß der Querschnittsklausel Art. 6 EGV auch bei der Durchführung der anderen, in Art. 3 EGV genannten Politikfelder einzubeziehen. Dies verleiht dem Umweltschutz in der Theorie ein nicht unwesentliches Gewicht99. De lege lata gehört er zu den am weitesten integrierten Gemeinschaftspolitiken100. Der einschlägige Titel XIX EGV setzt sich aus drei umweltschutzbezogenen Vorschriften zusammen, die die weiten Aufgabenbestimmungen Art. 2, 3 EGV konkretisieren. Während Art. 174 EGV die umweltpolitischen Ziele der Gemeinschaft formuliert, wird die EG von Art. 175 EGV ermächtigt, umweltbezogene Rechtsakte zu erlassen. Art. 176 EGV bestimmt, dass die Mitgliedstaaten „verstärkte Schutzmaßnahmen“ beibehalten oder ergreifen können – Ausdruck des hohen Integrationsstandes der EG-Umweltpolitik 98
Begriffe von Nettesheim, EuR 28 (1993), S. 243 (244). In der Praxis ist dieses Gewicht freilich kaum ausgeschöpft worden. So hat die Kommission zwar sog. Umweltkorrespondenten in anderen Generaldirektionen eingerichtet, diesen jedoch keinerlei Kompetenz verliehen; siehe Kraack/Pehle/Zimmermann-Steinhart, Aus Politik und Zeitgeschichte 48 (1998), S. 26 ff. Näher zu Art. 6 EGV (früher: Art. 130 r Abs. 2 S. 2 bzw. 3 E[W]GV) Breier, NuR 14 (1992), S. 174 ff.; Everling, Zu den Querschnittsklauseln im EG-Vertrag, in: Rodriguez Iglesias/Due/Schintgen/Elsen (Hrsg.), Mélanges en hommage à Fernand Schochweiler, 1999, S. 131 (134). 100 „Integriert“ ist hier im gemeinschaftsrechtlichen Sinne gemeint, also auf die Durchdringung der nationalen Rechtsordnungen durch das Europarecht bezogen. Zum umweltrechtlichen Begriff siehe Röckinghausen, Integrierter Umweltschutz im EG-Recht, 1998, S. 37 f. Um Missverständnissen vorzubeugen, wird im Folgenden nicht von integriertem, sondern von ganzheitlichem bzw. integrativem Umweltschutz gesprochen. 99
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
und gleichsam Voraussetzung für das gemäß Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 EGV anzustrebende „hohe Schutzniveau“. Es fragt sich indes, was überhaupt unter „Umwelt“, was unter „Umweltschutz“ zu verstehen ist. Diese Fragen bedürfen einer Antwort, weil der sachliche Umfang der Umweltkompetenzen von der Reichweite des Umweltbegriffs abhängt. Auch das Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten verlangt eine Bestimmung und Konkretisierung des primärvertraglichen101 Schutzobjekts. Der Begriff „Umwelt“ wird nun im EG-Vertrag zwar an verschiedenen Stellen verwendet (vgl. etwa Art. 2, 3, 6, 95, 174 ff. EGV), aber nicht definiert; „Umwelt“ ist in erster Linie eben kein rechtliches Phänomen, sondern vor allem ein naturwissenschaftliches. Der Bedeutungsgehalt ist daher durch Auslegung der einschlägigen primärvertraglichen Normen zu ermitteln. Aus den in Art. 174 Abs. 1 EGV genannten Zielen gemeinschaftlicher Umweltpolitik ergibt sich, dass unter „Umwelt“ im Sinne des Titels XIX EGV die natürliche Umwelt zu verstehen ist, unter „Umweltschutz“ mithin der Schutz der natürlichen Umwelt vor Beeinträchtigungen102. „Natürliche Umwelt“ umfasst die Umweltmedien Luft, Boden, Wasser, die natürlichen Organismen einschließlich des Menschen sowie die Interdependenzen zwischen diesen und jenen. Aus Gründen der Abgrenzbarkeit der gemeinschaftlichen Tätigkeitsfelder einerseits und der Bestimmtheit der umweltpolitischen Ziele andererseits müssen die „soziale“ wie die „kulturelle“, die „wirtschaftliche“ wie die „politische“ Umwelt oder gar die „Arbeitsumwelt“ unberücksichtigt bleiben103; andernfalls drohte die gemeinschaftliche Umweltpolitik bereits wegen der tatbestandlichen Weite des Umweltbegriffs leerzulaufen, was schwerlich mit Art. 6 EGV in Einklang zu bringen wäre. 1. Innenkompetenzen a) Kompetenzgrundlagen, Verfahren, Ziele Art. 175 EGV ermächtigt die EG auf zweierlei Art zum Regelungserlass: Art. 175 Abs. 1 EGV begründet als zentrale Kompetenznorm von Titel XIX EGV eine umfassende Gemeinschaftszuständigkeit und betrifft sowohl die 101 Sekundärrechtliche Definitionsansätze müssen grundsätzlich außer Betracht bleiben – Normenhierarchie des Europarechts. 102 Vgl. Grabitz/Nettesheim in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Altband II, Art. 130r EGV, Rn. 2–4; Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, 1997, S. 6 f.; Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl. 1998, S. 17 ff., Rn. 14 ff. A. A. Krämer, EC Environmental Law, 4. Aufl. 2000, S. 1, Abschnitt 1-02. 103 Nettesheim, Jura 16 (1994), S. 337 (338), mit dem Hinweis auf Art. 95 Abs. 4 EGV.
Kap. 2: Meeresschutzbezogene Kompetenzgrundlagen
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Verbands- wie die Organkompetenz104; Art. 175 Abs. 2 EGV ist eine auf die aufgelisteten Ausnahmefälle bezogene lex specialis, die ein von Abs. 1 abweichendes Beschlussverfahren anordnet. Mangels Zusammenhang mit dem Meeresschutz – die unter dem 2. Spiegelstrich genannte „Bewirtschaftung der Wasserressourcen“ bezieht sich ausschließlich auf die (quantitative) Wassernutzung105 – wird die Bestimmung vorliegend nicht näher berücksichtigt. Art. 175 Abs. 3 EGV ist den allgemeinen Aktionsprogrammen gewidmet. Im Unterschied zu Abs. 1 und Abs. 2 handelt es sich nicht um eine Kompetenznorm, sondern um eine Verfahrensvorschrift106. Andernfalls könnte die Gemeinschaft bestimmte Aktivitäten in ein Aktionsprogramm aufnehmen, die eigentlich unter den Kompetenztitel eines anderen Tätigkeitsbereichs fielen, indes wegen der Verweisung von Abs. 3 UAbs. 2 entweder nach dem Verfahren der Mitentscheidung (vgl. Art. 175 Abs. 1 i.V. m. Art. 251 EGV) oder – ausnahmsweise – nach dem von Art. 175 Abs. 2 EGV angeordneten Verfahren zu erlassen wären. Auf diese Weise würde das System der horizontalen Kompetenzverteilung des EG-Vertrags unterlaufen. In den Aktionsprogrammen werden Maßnahmen, Ziele und Prioritäten der EGUmweltpolitik für einen Zeitraum von 4–10 Jahren in allgemeiner Form festgelegt. Sie sorgen bewusst für Wechselwirkungen mit aktuellen umweltvölkerrechtlichen Entwicklungen107. Der Inhalt der allgemeinen Aktionsprogramme ist an sich zwar unverbindlich108, kann und muss aber durch Maßnahmenerlass seitens der Gemein104 Ganz hM, vgl. Nettesheim, ebd., S. 338; Grabitz/Nettesheim (Fn. 102), Art. 130s EGV, Rn. 1 f.; Epiney/Furer, EuR 27 (1992), S. 369 (393 f.). Die Einschätzung wird durch die gemeinschaftliche Rechtsetzungspraxis bestätigt; vgl. die Nachweise bei Schröer (Fn. 67), S. 38 ff. 105 EuGH, Rs. C-36/98, Spanien/Rat, Slg. 2001, I-779, Rn. 43–55; Krämer (Fn. 102), S. 183, Abschnitt 7-02; ders. (Fn. 97), S. 156. – Die einschlägige Bestimmung ist durch den Vertrag von Nizza wie folgt geändert worden: „b) Maßnahmen, die [. . .] die mengenmäßige Bewirtschaftung der Wasserressourcen berühren oder die Verfügbarkeit dieser Ressource mittelbar oder unmittelbar betreffen; [. . .].“ Am fehlenden Zusammenhang mit dem Thema der vorliegenden Untersuchung hat sich dadurch nichts geändert. 106 Epiney/Furer (Fn. 104), S. 398; a. A. („echte Rechtsgrundlage“) Breier, ZUR 6 (1995), S. 302 (303). 107 So heißt es etwa unter Pkt. 5 der Zusammenfassung des Fünften Umweltaktionsprogramms („Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung“) ganz im Sinne des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung: „Der Begriff ,dauerhaft und umweltgerecht‘ beschreibt in diesem Zusammenhang eine Politik oder Strategie, die auf stetige wirtschaftliche und soziale Entwicklung ausgerichtet ist, ohne dass die Umwelt und die natürlichen Ressourcen, von denen jede menschliche Aktivität abhängt, geschädigt werden“ (ABl. EG 1993, Nr. C 138, S. 1 ff.). Kürzlich wurde das sechste Umweltaktionsprogramm („Umwelt 2010: Unsere Zukunft liegt in unserer Hand“) beschlossen; vgl. Beschluss Nr. 1600/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juli 2002 über das sechste Umweltaktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft: ABl. EG 2002, Nr. L 242, S. 1 ff.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
schaft durchgeführt und insofern verbindlich gemacht werden, Art. 175 Abs. 3 UAbs. 2 EGV.
Im Hinblick auf das Rechtsetzungsverfahren werden Spezialmaßnahmen im Sinne von Art. 175 Abs. 2 EGV einstimmig verabschiedet, sehen freilich lediglich eine Anhörung des Europäischen Parlaments vor, während ansonsten das Verfahren der Mitentscheidung im Sinne von Art. 251 EGV gilt. Davon abgesehen ist festzustellen, dass die Art. 174 ff. EGV über einen weiten sachlichen Anwendungsbereich verfügen. Art. 175 Abs. 1 EGV richtet die Rechtsetzungstätigkeit der EG auf Maßnahmen „zur Erreichung der in Art. 174 genannten Ziele“ aus und vereinnahmt auf diese Weise den ergebnisoffenen und final-orientierten Charakter des Art. 174 EGV. Demnach wird die Gemeinschaft nicht nur zum Erlass von Maßnahmen ermächtigt, die unmittelbar auf den „Schutz der Umwelt“ (Art. 174 Abs. 1 1. Spiegelstrich EGV) gerichtet sind; vielmehr ermöglichen die umweltpolitischen Zielsetzungen des Art. 174 Abs. 1 EGV, die ihrerseits Ausdruck der „Erfordernisse des Umweltschutzes“ im Sinne der Querschnittsklausel Art. 6 EGV sind109, die Ausdehnung der Rechtsetzungstätigkeit auf andere, eng mit dem Umweltschutz verknüpfte Bereiche. Art. 174 Abs. 1 2. Spiegelstrich EGV macht etwa die „menschliche Gesundheit“ zum Gegenstand gemeinschaftlicher Umweltpolitik, eine Konkretisierung des in Art. 2, 6 EGV erwähnten, freilich europarechtlich nicht definierten Konzepts der nachhaltigen Entwicklung110. Zwar ist auch der Mensch Teil der Umwelt und inso108 EuGH, Rs. C-142/95 P, Rovigo/Kommission, Slg. 1996, I-6669, Rn. 32. Vgl. auch Mastellone, ICLQ 30 (1981), S. 104 (111). – Der Umstand, dass das sechste Umweltaktionsprogramm im Unterschied zu seinen Vorgängern in Teil L (Legislatio) des Amtsblattes veröffentlicht und zuvor in Form eines Beschlusses angenommen wurde, ändert nichts daran, dass auch sein Inhalt für die Mitgliedstaaten unverbindlich ist: „Das Programm zielt auf ein hohes Schutzniveau für die Umwelt [. . .] und sollte berücksichtigt werden, wenn im Rahmen der Strategie Maßnahmen vorgeschlagen werden.“ (7. Erwägungsgrund, Hervorhebung hinzugefügt). Der Beschluss wurde auf die Verfahrensvorschrift Art. 175 Abs. 3 EGV gestützt. Das fünfte Aktionsprogramm konnte angesichts des Ratifikationsprozesses des Maastrichter Vertrags noch unter Außerachtlassung des damals neuen Art. 175 Abs. 3 EGV vorgelegt werden. – Zum Inhalt der bislang ergangenen Aktionsprogramme siehe u. die Einleitung zu Kapitel 3. 109 Frenz, Europäisches Umweltrecht, 1997, S. 65, Rn. 188. Zu den „Erfordernissen des Umweltschutzes“ rechnen auch die in Art. 174 Abs. 2 EGV niedergelegten Ziele und Grundsätze; siehe Grabitz/Zacker, NVwZ 8 (1989), S. 297 (300); Pernice, NVwZ 9 (1990), S. 201 (203); Wolff, Fisheries and the Environment, 2002, S. 162 f.; Epiney (Fn. 102), S. 107. 110 Dazu siehe o. Zweiter Teil, Kapitel 1, IV. Zur Verankerung des Konzepts im Europarecht Frenz/Unnerstall, Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, 1999, S. 153 ff.; Calliess, DVBl. 113 (1998), S. 559 (565); Kahl, Der Nachhaltigkeitsgrundsatz im System der Prinzipien des Umweltrechts, in: Bauer/Czybulka/Kahl/ Vosskuhle (Hrsg.), Umwelt, Wirtschaft und Recht, 2002, S. 111 (118). Dass Art. 2
Kap. 2: Meeresschutzbezogene Kompetenzgrundlagen
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fern bereits von dem unter dem 1. Spiegelstrich genannten Ziel „Erhaltung und Schutz der Umwelt“ erfasst; gleichwohl ist die Normierung des Zieles „Schutz der menschlichen Gesundheit“ keineswegs überflüssig111. Die in Art. 174 Abs. 1 EGV genannten Ziele sind nämlich gleichrangig112, weshalb sie im Falle gegenseitiger Überlagerung – und nur dann – jeweils restriktiv auszulegen sind. Von daher widmet sich „Umweltschutz“ (1. Spiegelstrich) primär dem Schutz der Umwelt vor dem Menschen113: Ohne menschliches Verhalten keine Beeinträchtigung der Umwelt, die nicht auf natürliche Weise, d. h. ohne menschlichen Eingriff, kompensiert würde. „Schutz der menschlichen Gesundheit“ (2. Spiegelstrich) ist demgegenüber nicht nur deklaratorischer Beitrag zu dem von Art. 152 Abs. 1 EGV – eine Querschnittsklausel – ohnehin geforderten „hohen Gesundheitsschutzniveau“, sondern gerade auch unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit für den Umweltschutz bedeutsam114. Ähnliche auf die Zielbestimmungen bezogene Abgrenzungsfragen stellen sich im Hinblick auf die Erhaltung der marinen Flora und Fauna. Bei der grundsätzlich gebotenen weiten Auslegung von Art. 174 Abs. 1 EGV lassen sich die Bereiche „Bestandsschutz“ und „Artenschutz“115 zwar ohne weiteres unter das Ziel „Erhaltung und Schutz der Umwelt“ (1. Spiegelstrich) subsumieren. Daneben fordert aber Art. 174 Abs. 1 3. Spiegelstrich EGV eine „umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen“. Da Art. 174 Abs. 1 EGV dem Wortlaut nach die „Verwendung“, d. h. die Bestandsnutzung, betont, ist die Verortung des Bestandsschutzes unklar. Gewiss: Entscheidend ist, dass die EG den Schutz der nutzbaren Bestände beEGV nur die „nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens“ erwähnt, bedeutet keine Trennung von ökonomischer und ökologischer Dimension des Konzepts; siehe Beaucamp, Das Konzept der zukunftsfähigen Entwicklung im Recht, 2002, S. 152 f. Der Umweltschutz wird seinerseits (isoliert) in Art. 2 EGV genannt. Vgl. nunmehr auch Art. 37 der EU-Grundrechtecharta: „Ein hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität müssen in die Politiken der Union einbezogen und nach dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung sichergestellt werden.“ 111 So aber Grabitz/Nettesheim (Fn. 102), Rn. 22. 112 Vgl. nur Jahns-Böhm in: Schwarze (Fn. 20), Art. 174 EGV, Rn. 4. Für die Gleichrangigkeit der Ziele sprechen etwa die durch den Maastrichter Vertrag vorgenommenen Wortlautänderungen von Art. 174 Abs. 1 EGV; näher dazu Epiney (Fn. 102), S. 94 f. 113 So auch Grabitz/Nettesheim (Fn. 102), Rn. 18; Jahns-Böhm (Fn. 112), Rn. 8. 114 Das wird mitunter übersehen. So setzen etwa Frenz/Unnerstall (Fn. 110), S. 183 ff., zwar die „Erhaltung und den Schutz der Umwelt“ (1. Spiegelstrich), die „umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen“ (3. Spiegelstrich) und die „Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene“ (4. Spiegelstrich) in einen Zusammenhang mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung, nicht aber den „Schutz der menschlichen Gesundheit“ (2. Spiegelstrich). 115 Zum Unterschied siehe o. Einleitung („Gang der Untersuchung“).
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
rücksichtigen muss, unabhängig von der im konkreten Fall einschlägigen Zielbestimmung. Die genaue Verortung ist unterdessen nicht bedeutungslos, weil sich die Zielbestimmungen im Einzelfall widersprechen können. Bei der dann erforderlichen Abwägung muss dem einen oder dem anderen Ziel – trotz grundsätzlicher Gleichrangigkeit – der Vorrang eingeräumt werden. Da „Verwendung der natürlichen Ressourcen“ (Art. 174 Abs. 1 3. Spiegelstrich EGV) wegen Art. 2, 6 EGV im Lichte nachhaltiger Entwicklung interpretiert werden muss („umsichtig und rational“)116, spricht vieles dafür, den Bestandsschutz in dieser Zielbestimmung verankert zu sehen, zumal dadurch den faktischen Zusammenhängen am besten Rechnung getragen wird117. Demgegenüber ist der allgemeine Arten- und Tierschutz dem unter dem 1. Spiegelstrich genannten Ziel „Erhaltung [. . .] der Umwelt“ zuzuordnen. b) Umweltpolitische Schutzprinzipien Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 EGV verlangt „ein hohes Schutzniveau“ und verweist auf die Grundsätze bzw. Prinzipien – beide Begriffe werden hier synonym verwendet – der Vorsorge, der Vorbeugung, des Ursprungs sowie der Verursachung. Mit Ausnahme des erst 1992 in den EG-Vertrag aufgenommenen Vorsorgeprinzips wurden diese umweltpolitischen Schutzprinzipien im Jahre 1986 durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA) im E(W)G-Vertrag verankert. Sie lassen sich auf umweltvölkerrechtliche Entwicklungen zurückführen. So findet etwa das Vorsorgeprinzip seinen Ursprung im Element der Vorhersehbarkeit, das ein Schiedsgericht im Trail Smelter-Fall118 zur Voraussetzung für die internationale Verantwortlichkeit eines Staates für grenzüberschreitende Verschmutzungen erkor. Auch nach Verankerung der Schutzprinzipien im EG-Vertrag nahm das Umweltvölker116
Zu diesem Aspekt auch Beaucamp (Fn. 110), S. 153 f. Mangels europarechtlicher Definition von „nachhaltiger Entwicklung“ ist auf die völkerrechtlich anerkannten Elemente des Konzepts abzustellen. Angesichts des Umstands, dass das Konzept erst auf Druck von außen hin, letztlich infolge internationaler umweltpolitischer Entwicklungen, in den EG-Vertrag (wie auch in den EU-Vertrag, vgl. Art. 2 1. Spiegelstrich) aufgenommen wurde, wäre es sinnwidrig, eine völkerrechtskonforme Auslegung der einschlägigen Bestimmungen abzulehnen. Der gelegentlich postulierte Satz, das Europarecht verdränge im Innenverhältnis die Regeln des Völkerrechts vollständig (so etwa Schwarze, EuR 18 [1983], S. 1 [34]), muss insoweit eine Relativierung erfahren. 117 Vgl. Frenz/Unnerstall (Fn. 110), S. 184: „Das [die enge Beziehung zwischen dem unter dem 3. Spiegelstrich genannten Ziel und dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung – A. P.] schließt ein, sich der Begrenztheit der natürlichen Ressourcen bewusst zu sein“. Vgl. außerdem Krämer (Fn. 102), S. 9, Abschnitt 1–15; JahnsBöhm (Fn. 112), Rn. 10. 118 RIAA III, 1903 ff.
Kap. 2: Meeresschutzbezogene Kompetenzgrundlagen
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recht Einfluss auf ihre nähere Ausgestaltung und tut dieses noch119. Von daher sind die umweltrechtlichen Bestimmungen des EG-Vertrags in hohem Maße Ausdruck wechselseitiger Beeinflussung von europäischen und internationalen Entwicklungen; sie sind besonders entwicklungsoffen. Gemäß Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 EGV „beruht [die Umweltpolitik der Gemeinschaft] auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, auf dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, sowie auf dem Verursacherprinzip“.
Diese Grundsätze sind trotz des insoweit nicht eindeutigen Wortlautes („beruht“) rechtsverbindlich120, ihre Regelungsgehalte durch Auslegung, insbesondere anhand des gemeinschaftlichen effet utile, und unter Berücksichtigung der entsprechenden völkerrechtlichen Strukturprinzipien offenzulegen. Angesichts dieser Auslegungsbedürftigkeit ist eine sekundärrechtliche Maßnahme, die mit den Schutzprinzipien unvereinbar ist, nicht mit Wirkung ex tunc nichtig; insoweit dürfte es an der Offenkundigkeit des Verstoßes gegen das Primärrecht fehlen121. Das Verwerfungsmonopol des EuGH greift vielmehr dergestalt, dass der Hof den betreffenden Rechtsakt mit Wirkung ex nunc für nichtig erklärt122. Vorsorgeprinzip Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 EGV fasst Vorsorge- und Präventionsprinzip in einem Schutzgrundsatz zusammen: „Sie [die Umweltpolitik der Gemeinschaft – A. P.] beruht auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung [. . .]“. Diese formelle Zusammenfassung bedeutet nicht, dass beide Prinzipien auch materiell deckungsgleich wären. Vielmehr gebietet bereits 119
Vgl. Fn. 116. Ganz hM; vgl. nur Epiney (Fn. 102), S. 108 f.; Grabitz/Nettesheim (Fn. 102), Rn. 31. A. A. Krämer in: Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vertrag [GTE-EWGV], Band 3, 4. Aufl. 1991, Art. 130r, Rn. 25. Zur Frage, inwieweit sich das einschlägige Sekundärrecht an den Schutzprinzipien des Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 EGV orientiert, vgl. Verschuuren, Principles of Environmental Law, 2003, S. 87–98. 121 Dazu siehe o. Kapitel 1, III. 122 Zu denkbaren Anwendungsfällen siehe Hancher, EC Environmental Policy – a Pre-cautionary Tale?, in: Freestone/Hey (Hrsg.), The Precautionary Principle and International Law, 1996, S. 187 (202 ff.). Vgl. auch EuGH, Rs. C-405/92, Etablissements Armand Mondiet SA/Armement Islais SARL., Slg. 1993, I-6133, Rn. 29 ff.; Rs. C-341/95, Gianni Bettati/Safety Hi-Tech Srl., Slg. 1998, I-4355, Rn. 35 ff., mit der Klarstellung, dass „sich die gerichtliche Nachprüfung zwangsläufig auf die Frage beschränken [muss], ob der Rat beim Erlass der Verordnung die Anwendungsvoraussetzungen des Artikels 130r EG-Vertrag [heute Art. 174 EGV] offensichtlich falsch beurteilt hat“ (Hervorhebung vom Verf.). 120
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
der Umstand, dass das Vorsorgeprinzip erst sechs Jahre nach den anderen Prinzipien in den EG-Vertrag eingefügt wurde, eine differenzierende Betrachtung123. In der englischen Fassung – gemäß Art. 314 EGV ist der Wortlaut des EG-Vertrags in allen mitgliedstaatlichen Sprachen verbindlich – von Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 EGV heißt es: „It shall be based on the precautionary principle and on the principles that preventive action should be taken, that environmental damage should as a priority be rectified at source and that the polluter should pay.“
In der englischen Fassung wurde das Vorsorgeprinzip demnach nicht an das der Vorbeugung gekoppelt, sondern vor die Klammer gezogen. Dies spricht dafür, dass dem Vorsorgeprinzip eigene, über das Prinzip der Vorbeugung hinausreichende Bedeutung zukommt. Worin aber liegt diese Bedeutung? Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse des Umweltvölkerrechts124 – zu denken ist etwa an den Definitionsansatz des Art. 2 Abs. 2 lit. a OSPAR-Ü125 – ergibt die Auslegung von Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 EGV, dass Gegenstand des Vorsorgeprinzips nicht nur Gefahrenabwehr ist, sondern auch und gerade Risikovorsorge und -managment126. Für ein solchermaßen weites Verständnis des Vorsorgeprinzips lässt sich anführen, dass die Umweltpolitik der Gemeinschaft ein „hohes Schutzniveau“ anstreben muss. Ferner ist die Komplexität der Ökosysteme zu berücksichtigen: Oftmals sind Ursachen und Wirkungen von Umweltbeeinträchtigungen kaum zu erfassen, Beweise für eine Gefährdungseignung menschlicher Handlungen schwer zu erbringen127. Schließlich erfordert das in Art. 2, 6 EGV niedergelegte Konzept der nachhaltigen Entwicklung eine extensive, vom Präventionsgedanken im engeren Sinne gelöste Interpretation des Vorsorgegrundsatzes128, lässt sich dieses Konzept angesichts der Betonung der 123
So auch Douma, RECIEL 9 (2000), S. 132 (133). Auch die Kommission stellt in ihrer Mitteilung „Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips“ unter anderem auf völkerrechtliche Entwicklungen ab: KOM(2000) 1 endg., Mitteilung der Kommission, Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, 2. Februar 2000, S. 12–14. 125 Siehe o. Zweiter Teil, Kapitel 3, I. 2. 126 KOM(2000) 1 endg., Mitteilung der Kommission, Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, 2. Februar 2000, S. 11, 15–18; Epiney/Scheyli, Strukturprinzipien des Umweltvölkerrechts, 1998, S. 91 f.; Frenz/Unnerstall (Fn. 110), S. 11 ff.; Epiney (Fn. 102), a. a. O.; Kahl (Fn. 110), S. 133. A. A. (materielle Deckungsgleichheit beider Prinzipien) Frenz (Fn. 109), S. 47, Rn. 141. 127 Epiney/Scheyli (Fn. 126), S. 89 f., 111 m. w. N. 128 Burgi, NuR 17 (1995), S. 11 (12), kritisiert, „daß das Vorbeugungs- bzw. Vorsorgeprinzip und das Ursprungsprinzip in einem unkoordinierten Nebeneinander [für das Konzept der nachhaltigen Entwicklung] instrumentalisiert werden“. Dem ist insoweit zuzustimmen, als die genannten Schutzprinzipien in der Tat randscharf voneinander abzugrenzen sind, damit ihr normativer Gehalt nicht verwässert wird. Gleichwohl muss das Konzept der nachhaltigen Entwicklung angesichts seiner 124
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Interessen künftiger Generationen umweltpolitisch doch überhaupt nur sinnvoll begreifen, wenn im Rahmen des Umweltschutzes Aspekte der Vorsorge verstärkt berücksichtigt werden. Im Übrigen gilt das Vorsorgeprinzip im Europarecht, anders als im Völkerrecht, eben nicht nur sektoriell; es erstreckt sich vielmehr auf alle in Art. 174 Abs. 1 EGV genannten umweltpolitischen Ziele, grundsätzlich also etwa auch auf die Erhaltung der marinen Bestände und den Artenschutz129. Auf Ebene des Gemeinschaftsrechts ist es mithin gleichsam Maßstab und Schranke für den Erlass umweltrechtlicher Maßnahmen. Bestand gemeinschaftlicher Handlungspflichten? Ein weiterer Unterschied zum Völkerrecht könnte mit Blick auf die Frage bestehen, ob aus dem EG-vertraglichen Vorsorgeprinzip Handlungspflichten abzuleiten sind. Bejahendenfalls wäre die Gemeinschaft verpflichtet, Verhütungsmaßnahmen etwa zum Schutz der Meeresumwelt zu treffen, sobald eine Gefährdung der Meeresumwelt möglich ist. Indes wird eine solche Tragweite der in Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 EGV genannten Schutzprinzipien überwiegend abgelehnt130, zu Recht: Wortlaut, Systematik und Telos der Bestimmung stützen die Annahme solcher Pflichten nicht. Nicht Art. 174 EGV, sondern Art. 175 EGV ist Kompetenzgrundlage für „das Tätigwerden der Gemeinschaft zur Erreichung der in Artikel 174 genannten Ziele“, demgegenüber Art. 174 EGV, wie gesagt, den sachlichen Anwendungsbereich der umweltrechtlichen Gemeinschaftszuständigkeit bestimmt. Das Vorsorgeprinzip bindet die EG insofern zwar bezüglich des Inhalts der erlassenen Regelungen, nicht aber bezüglich des vorgelagerten „Ob“ eines legislativen Tätigwerdens. Die Annahme von Handlungspflichten führte letztlich zu dem rechtsmethodisch zweifelhaften Ergebnis, dass bereits die Zielvorschrift – unabhängig von den Voraussetzungen der Kompetenznorm – über die Zuständigkeit der EG befände.
„fundamentalen [umweltpolitischen] Bedeutung“ (ebd.) bei der Auslegung jener Prinzipien berücksichtigt werden. 129 Siehe auch Verschuuren (Fn. 120), S. 86. 130 Bleckmann/Koch, JbUTR 36 (1996), S. 33 (39); Epiney (Fn. 102), S. 109; Burgi (Fn. 128), S. 14; Krämer (Fn. 102), S. 10, Abschnitt 1-16; Frenz (Fn. 109), S. 16, Rn. 51. Siehe auch EuGH, Rs. C-157/96, The Queen/Ministry of Agriculture, Fisheries and Food, Commissioners of Customs & Excise, ex parte National Farmers’ Union u. a., Slg. 1998, I-2211, Rn. 63: „Wenn das Vorliegen und der Umfang von Gefahren für die menschliche Gesundheit ungewiß ist, können die Organe Schutzmaßnahmen treffen, ohne abwarten zu müssen, dass das Vorliegen und die Größe dieser Gefahren klar dargelegt sind“ (Hervorhebung hinzugefügt). A. A. offenbar Jahns-Böhm (Fn. 112), Rn. 19.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
Zudem würde den Schutzprinzipien des Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 EGV andernfalls Schutzpflichtcharakter zugunsten der Umwelt verliehen. Schutzpflichten sind in Deutschland zwar von Verfassung wegen anerkannt131 und werden als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im Sinne von Art. 6 Abs. 2 EUV bzw. über die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)132 in das Primärrecht inkorporiert133. Auch der EuGH hat kürzlich aus den Grundfreiheiten des EG-Vertrags i.V. m. dem in Art. 10 EGV normierten Prinzip der Gemeinschaftstreue mitgliedstaatliche Schutzpflichten abgeleitet134, wobei die EG selbst Adressat solcher Pflichten ist, soweit sie für den Erlass der entsprechenden Maßnahmen zuständig ist135, die Mitgliedstaaten die ihnen obliegenden Schutzpflichten – kompetenzrechtlich betrachtet – also nicht (mehr) wahrzunehmen imstande sind. Angesichts des objektiven Charakters der umweltpolitischen Schutzgrundsätze fragt sich allerdings, ob diese mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags verglichen werden können. Dies ist zu verneinen. Zwar sind auch die Grundfreiheiten primär objektiv-rechtlicher Natur136. Im Unterschied dazu können sich Private indes nicht unmittelbar auf Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 EGV berufen, weil die Voraussetzungen der diesbezüglich einschlägigen Van Gend-Judikatur137 – hinreichende Bestimmtheit; unbedingter Charakter der Norm; kein Umsetzungsermessen der Mitgliedstaaten – nicht erfüllt sind. So mangelt es vor allem an einer eindeutigen Bestimmtheit der Schutzprinzipien. Selbst nach Vornahme der gebotenen Auslegung ergeben sich aus ihnen keine hinreichend genauen Handlungsanweisungen, zumal sie, wie gesagt, in besonderem Maße zukunftsbezogen sowie Gegenstand wechselseitiger Beeinflussung von Völker- und Europarecht sind. Grundfreiheiten und Schutzprinzipien sind mithin nicht vergleichbar. Schutzpflichten können aus letzteren nur insoweit fließen, als grundrechtliche Aspekte der gemeinschaftlichen Umweltpolitik, etwa der Schutz der menschlichen Gesundheit (2. Spiegelstrich), betrof131
Nach deutscher Grundrechtsdogmatik ergeben sich die Schutzpflichten aus der objektiv-rechtlichen Dimension der Grundrechte; vgl. etwa BVerfGE 39, 1 (41 f.); E 53, 30 (57); E 77, 170 (214); E 92, 26 (46 f.). Umstritten ist, ob Schutzpflichten eingeklagt werden können, also subjektivierbar sind. Zu dieser Frage etwa Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2001, S. 58–61; Böckenförde, Der Staat 29 (1990), S. 1 (20 f.). Siehe auch die Fallbearbeitung von Graf Vitzthum/Proelß, VBlBW 23 (2002), S. 167 (169 ff.). 132 BGBl. 1952 II, S. 685 ff. 133 Siehe Frenz/Unnerstall (Fn. 110), S. 162; Frenz (Fn. 109), S. 17 f., Rn. 56. 134 EuGH, Rs. C-265/95, Kommission/Frankreich, Slg. 1997, I-6959, Rn. 30 ff. Siehe dazu auch Koenig/Haratsch (Fn. 2), S. 182 f., Rn. 504–506. 135 Kainer, JuS 40 (2000), S. 431 (433); Szczekalla, DVBl. 113 (1998), S. 219 (223); Badura, Die föderative Verfassung der Europäischen Union, in: Kästner/ Nörr/Schlaich (Hrsg.), FS für Heckel, 1999, S. 695 (701). Vgl. auch EuGH, Rs. 37/ 83, Firma Rewe-Zentrale AG/Direktor der Landwirtschaftskammer Rheinland, Slg. 1987, 1229, Rn. 18. 136 Siehe nur Koenig/Haratsch (Fn. 2), S. 177, Rn. 486. 137 EuGH, Rs. 26/62, Van Gend & Loss/Niederländische Finanzverwaltung, Slg. 1963, 3 (24 f.). Auf S. 25 heißt es: „Solche Rechte [Einzelner] entstehen nicht nur, wenn der Vertrag dies ausdrücklich bestimmt, sondern auch auf Grund von eindeutigen Verpflichtungen, die der Vertrag den Einzelnen wie auch den Mitgliedstaaten und den Organen der Gemeinschaft auferlegt.“
Kap. 2: Meeresschutzbezogene Kompetenzgrundlagen
299
fen sind138. Soweit dies nicht der Fall ist, wird die EG weder vom Vorsorgeprinzip noch von den anderen in Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 GG genannten Grundsätzen zu hoheitlichem Tätigwerden verpflichtet.
Anderes wird vielfach für Art. 174 Abs. 1 EGV vertreten139: Dieser Norm sei eine Pflicht der Gemeinschaftsorgane zur Ergreifung derjenigen Maßnahmen zu entnehmen, die zur Erreichung der genannten Ziele unerlässlich seien; das „Ob“ der Rechtsetzung sei insofern determiniert, wobei die Organe diesbezüglich über einen weiten Beurteilungsspielraum verfügten. Freilich vermag auch diese Argumentation nicht zu überzeugen. Zwar scheint für die Annahme solcher Handlungspflichten auf den ersten Blick die aus dem Recht der Gefahrenabwehr bekannte Unterscheidung zwischen Aufgabenzuweisungsnormen einerseits und Befugnisnormen andererseits zu sprechen. In diesem Sinne wäre Art. 174 Abs. 1 EGV eine Aufgabenzuweisungsnorm, aus der sich Handlungspflichten der Gemeinschaftsorgane ergäben140, während es sich bei Art. 175 Abs. 1 EGV um eine Befugnisnorm handelte. Gemeinschaftsrechtlich ist der Grund für die eigenständige Normierung von Befugnis- bzw. Kompetenznormen141 indes ein anderer als im innerstaatlichen Recht: Auf europarechtlicher Ebene geht es nicht um den für die Eingriffsverwaltung geltenden Primat des Vorbehalts des Gesetzes („Wie“), sondern um das Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten, d. h. um die Befugnis der Gemeinschaft, gegenüber ihren Mitgliedstaaten hoheitlich tätig zu werden („Ob“). Im Gemeinschaftsrecht ist der Schluss von der Aufgabe auf die Befugnis, anders als etwa im deutschen Recht142, demnach nicht aufgrund der (verfassungsrechtlichen) Anforderungen von Bestimmtheitsgebot und Vorbehalt des Gesetzes unzulässig, sondern weil eine Aufgabenwahrnehmung durch die Gemeinschaft die Einräumung entsprechender Handlungskompetenzen durch die Mitgliedstaaten voraussetzt143. Diesen Aspekt unterstreicht auch Art. 3 EGV: Nach dem Wortlaut dieser Aufgabenzuweisungsnorm erfasst „die Tätigkeit der Gemeinschaft [die aufgelisteten Sachgebiete] nach Maßgabe dieses Vertrags“, d. h. ein Tätigwerden der Gemeinschaft steht unter dem Vorbehalt, dass ihr eine entspre138
Dazu Frenz/Unnerstall (Fn. 110), S. 198 ff.; Frenz (Fn. 109), S. 18 f., Rn. 59. Lietzmann, Einheitliche Europäische Akte und Umweltschutz: Die neuen Umweltbestimmungen im EWG-Vertrag, in: Rengeling (Hrsg.), Europäisches Umweltrecht und europäische Umweltpolitik, 1987, S. 163 (174 f.); Heinz/Körte, JA 23 (1991), S. 41 (43); Grabitz/Nettesheim (Fn. 102), Rn. 10; Epiney (Fn. 102), S. 95. 140 Vgl. etwa Knemeyer, DÖV 31 (1978), S. 11 (12 f.); Gusy, Polizeirecht, 4. Aufl. 2000, S. 6, Rn. 11. 141 Auch „Befugnis“ und „Kompetenz“ werden vorliegend synonym verwendet. 142 Vgl. etwa Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 2002, S. 38 f., Rn. 45–47; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 2002, S. 15, Rn. 36; Gusy (Fn. 140), S. 6, Rn. 12. 143 Nettesheim (Fn. 68), S. 422 f. 139
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
chende Kompetenz übertragen wurde. Handlungspflichten der Gemeinschaftsorgane können sich mithin allenfalls aus den primärvertraglichen Kompetenznormen selbst ergeben. Erst sie ermächtigen die Gemeinschaftsorgane zur Ausübung von Hoheitsmacht, sprechen ihnen jeweils ein Recht zu („du darfst“), das gegenüber einer Pflicht („du musst“) ein Weniger und gleichsam rechtslogische Voraussetzung ist. Zuzugeben ist, dass eine randscharfe Trennung zwischen Aufgabenzuweisungsnormen und Befugnisnormen im Europarecht nur bedingt möglich ist: „Die Kompetenznorm [gewinnt erst] durch ,Hineinlesen‘ der Aufgabe an sachlichem Gehalt, wird in hohem Maße inhaltsbestimmt und sachlich aussagekräftig“144. Dieses „Hineinlesen“ darf aber nicht die vom Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten geforderte Eigenständigkeit der Kompetenznorm gefährden. Insofern könnte Art. 174 Abs. 1 EGV nur dann als Grundlage gemeinschaftlicher Handlungspflichten in Betracht kommen, wenn es sich (auch) um eine Kompetenznorm handelte145. Allein das ist nicht der Fall. Vielmehr ist die Bestimmung als Zielvorschrift zu qualifizieren, verweist doch Art. 175 Abs. 1 EGV auf Art. 174 EGV, und nicht anders herum diese Norm auf jene. Entgegen Astrid Epiney146 ist also zwischen der – unbestritten vorhandenen – Verbindlichkeit der Zielsetzungen einerseits und dem Bestand gemeinschaftlicher Handlungspflichten andererseits zu unterscheiden.
Mit Blick auf die Frage, ob sich aus der Kompetenznorm Art. 175 Abs. 1 EGV Handlungspflichten der Gemeinschaftsorgane ergeben, ist eingangs festzustellen, dass auf Verfassungsebene – mitgliedstaatlich wie gemeinschaftsrechtlich – „äußerste Zurückhaltung bei der Annahme von bindenden Auswirkungen kompetenzieller Zuweisungen zu wahren [ist], soweit diese nicht ausdrücklich als Pflichtaufgaben deklariert sind“147. Für die Annahme kompetenzrechtlicher Handlungspflichten bzw. „Verfassungsdirektiven“ spricht allgemein etwa das Vorliegen von ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen148. Auf dem Gebiet der Umweltpolitik ist die Gemeinschaft, wie noch zu zeigen ist, zwar nicht ausschließlich zuständig. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass aus Art. 175 Abs. 1 EGV Handlungspflichten der Gemeinschaftsorgane erwachsen. Dafür spricht unter anderem der Wortlaut der Bestimmung. So wurde die Formulierung „der Rat beschließt [. . .] zur Erreichung der in Art. 174 genannten Ziele“ gewählt, nicht hingegen, wie 144 Stettner (Fn. 65), S. 166, der einer „Emanzipation der Aufgabennorm“ das Wort redet, dabei zugleich die Eigenständigkeit der Kompetenznorm betont. 145 In diesem Sinne Scheuing, EuR 24 (1989), S. 152 (161, Fn. 53): Art. 174 EGV betreffe die Verbandskompetenz, Art. 175 EGV die Organkompetenz. 146 (Fn. 102), S. 96. 147 Stettner (Fn. 65), S. 330. A. A. noch Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 111. 148 Ebd., S. 338.
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etwa in der Kompetenznorm Art. 137 Abs. 2 EGV, „der Rat kann [. . .] beschließen“. Ferner umfasst die Tätigkeit der Gemeinschaft gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. l EGV „eine Politik auf dem Gebiet der Umwelt“. Zwar handelt es sich dabei nicht um eine Kompetenznorm, sondern um einen Ziel- bzw. Aufgabenkatalog; nichtsdestotrotz wird deutlich, dass ein Handeln der EG hinsichtlich der dort genannten Tätigkeitsfelder für erforderlich gehalten wird, die Gemeinschaftsorgane im Rahmen des bestehenden Beurteilungsspielraums also tätig werden müssen, soweit ihnen mitgliedstaatlicherseits eine entsprechende Kompetenz übertragen wurde149. Gleiches gilt für Art. 2 EGV, wonach es unter anderem Aufgabe der Gemeinschaft ist, „ein hohes Maß an Umweltschutz [. . .] zu fördern“. Art. 175 Abs. 1 EGV ist im Sinne dieser Zielbestimmungen auszulegen150. Handlungspflichten der Gemeinschaft ergeben sich ferner aus ihrer Beteiligung an völkerrechtlichen Verträgen. Darauf ist zurückzukommen. Ein Verstoß gegen die aus Art. 175 Abs. 1 EGV folgenden Handlungspflichten kann bei alledem ohnehin nur dann gerichtlich festgestellt werden, wenn sich die geforderte Maßnahme in materieller Hinsicht hinreichend genau bestimmen lässt151.
Prinzip der Vorbeugung Im Vergleich zum Vorsorgeprinzip verlangt das Prinzip der Vorbeugung bzw. Präventionsprinzip einen höheren Grad an wissenschaftlicher Klarheit über die drohende Umweltgefährdung: Der Gefahreneintritt muss wenigstens wahrscheinlich sein152. Da „Möglichkeit“ gegenüber „Wahrscheinlichkeit“ begrifflich und zeitlich weiter ist, könnte das Präventionsprinzip im Vorsorgeprinzip aufgegangen sein; nach einem eigenständigen Präventionsprinzip besteht anscheinend kein Bedarf153. Indes sprechen auch hier die 149
EuGH, Verb. Rsen. 41-44/70, NV International Fruit Company u. a./Kommission, Slg. 1971, 411, Rn. 68/72. 150 EuGH, Rs. 32/65, Italien/Kommission, Slg. 1966, 458 (483); Rs. 15/81, Gaston Schul Douane Expediteur B. V./Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen Roosendaal, Slg. 1982, 1409, Rn. 33; Hatje in: Schwarze (Fn. 20), Art. 2 EGV, Rn. 9; v. Bogdany in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Band 1, Art. 3 EGV, Rn. 3. 151 EuGH, Rs. 13/83, Parlament/Rat, Slg. 1985, 1513, Rn. 47 ff. 152 Das ist völkergewohnheitsrechtlich anerkannt (vgl. nur Epiney/Scheyli [Fn. 126], S. 112 m. w. N.) und wurde mit Bezug auf Art. 174 EGV vom EuGH betont: „[. . .] the institutions [of the EC] may take protective measures without having to wait until the reality and seriousness of those risks become fully apparent“; englische Fassung (die deutsche ist freilich weniger eindeutig) von EuGH, Rs. C-157/ 96, The Queen/Ministry of Agriculture, Slg. 1998, I-2211, Rn. 63 (Hervorhebungen hinzugefügt). 153 So mit Bezug auf Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 EGV Krämer (Fn. 102), S. 17, Abschnitt 1-29; Jahns-Böhm (Fn. 112), Rn. 18. A. A. EuGH, Rs. C-180/96, Ver-
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besseren Gründe für eine Differenzierung. So ist der Grundsatz der Vorbeugung – für das Vorsorgeprinzip ist dies noch immer nicht gesichert154 – völkergewohnheitsrechtlich anerkannt155 – angesichts der Anlehnung von Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 EGV an das Umweltvölkerrecht ein Indiz für die Eigenständigkeit des Präventionsprinzips. Der (deutsche) Wortlaut von Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 EGV fasst zwar beide Prinzipien formell zusammen, indem sie durch die Konjunktion „und“ miteinander verbunden werden. Nach wie vor sind sie jedoch ausdrücklich nebeneinander erwähnt, obwohl das Präventionsprinzip bei Einführung des Vorsorgeprinzip in den EG-Vertrag hätte gestrichen werden können. Zudem wurde die Aufzählung der beiden Prinzipien im Plural angelegt („Grundsätzen“). Der deutsche Wortlaut des EG-Vertrags unterstreicht insofern eine materielle Verwandtschaft, ohne inhaltliche Unterschiede zu leugnen. Wie aber können Vorsorgeprinzip einerseits und Präventionsprinzip andererseits voneinander abgegrenzt werden? Die Antwort: Die Abgrenzung richtet sich nach der Risikointensität der zu besorgenden Umweltgefährdung156. Schlägt ein Risiko in Gefahr um, ist also eine Umweltgefährdung nicht mehr nur möglich, sondern wahrscheinlich, d. h. nach allgemeiner Lebenswahrscheinlichkeit zu erwarten, tritt das zeitlich früher einsetzende Vorsorgeprinzip gegenüber dem Prinzip der Vorbeugung zurück157. Im Unterschied zu diesem betrifft jenes nicht die Abwehr von Umweltgefährdungen, sondern zielt auf Risikovermeidung. Zuzugestehen ist, dass die Frage der Abgrenzung primär theoretischer Natur ist: Ebensowenig wie im Umweltvölkerrecht kann dem Vorsorgeprinzip auf europarechtlicher Ebene eine automatisch einsetzende Beweislastumkehr entnommen werden158.
einigtes Königreich/Kommission, Slg. 1998, I-2265, Rn. 96: In der englischen Fassung dieses Judikats rekurriert der EuGH ausschließlich auf das Prinzip der Vorbeugung. 154 Siehe dazu o. Zweiter Teil, Kapitel 1, I. 1. 155 Siehe nur Dzidzornu, ODIL 29 (1998), S. 91 (97); Epiney/Scheyli (Fn. 126), S. 112, jeweils m. N. zur Staatenpraxis. 156 Epiney (Fn. 102), S. 99 f. 157 Siehe auch Douma (Fn. 123), S. 132. 158 KOM(2000) 1 endg., Mitteilung der Kommission, Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, 2. Februar 2000, S. 25: „Eine [. . .] Beweislastumkehr kann aber nicht grundsätzlich in Frage kommen.“ Für die Zukunft hat die Kommission die Einführung einer solchen Umkehr gefordert; vgl. KOM(2001) 31 endg., Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zum sechsten Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft für die Umwelt „Umwelt 2010: Unsere Zukunft liegt in unserer Hand“, 24. Januar 2001, S. 71. Bezeichnenderweise wurde diesem Verlangen im Aktionsprogramm selbst nicht entsprochen.
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Bei alledem wird die Gemeinschaft vom Präventionsprinzip und vom Vorsorgeprinzip nur innerhalb der Grenzen der Verhältnismäßigkeit verpflichtet. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts besagt, dass „die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten [dürfen], was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen“159.
Demnach muss die Gemeinschaft vor einem Tätigwerden stets die jeweils mögliche bzw. wahrscheinliche Umweltgefährdung einerseits und die Vorsorge- bzw. Vorbeugungseignung der geplanten Maßnahme andererseits mit potentiellen Beeinträchtigungen anderer Tätigkeitsfelder in einen angemessenen Ausgleich bringen. Im Rahmen der insofern gebotenen Abwägung wird die besondere Bedeutung des Umweltschutzes durch die Querschnittsklausel Art. 6 EGV gewährleistet160, wobei die Klausel durch ein weit verstandenes Vorsorgeprinzip ihrerseits mit besonderer normativer Reichweite („Erfordernisse des Umweltschutzes“) ausgestattet wird. Ursprungsprinzip Das an dritter Stelle genannte Ursprungsprinzip besagt, dass „Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen“ (Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 EGV) sind. Hiernach verfügt das Ursprungsprinzip jedenfalls über eine „geographische Komponente“161: Umweltbeeinträchtigungen müssen so nah wie möglich an dem Ort bekämpft werden, an dem sie eintreten. Daneben wird die Geltung des Ursprungsprinzips überwiegend auf zeitliche Aspekte ausgeweitet162, d. h. Umweltbeeinträchtigungen müssen zum frühest möglichen Zeitpunkt nach ihrer Entstehung bekämpft werden. Diese Ausweitung führte freilich zu Überlagerungen mit dem Präventionsgrundsatz, soweit man diesen auch mit Blick auf die Schadensbekämpfung für einschlägig hielte163. Gegen ein solches Verständnis sind – neben den im Rahmen der Abgrenzung von Vorsorge- und Vorbeugungsprinzip 159 EuGH, Rs. C-180/96, Vereinigtes Königreich/Kommission, Slg. 1998, I-2265, Rn. 96. 160 Dazu siehe noch u. Kapitel 3, II. 3. – Das Vorsorgeprinzip ändert nichts an der grundsätzlichen Gleichrangigkeit der EG-vertraglichen Zielbestimmungen; a. A. Epiney (102), S. 100. 161 v. Wilmowsky, EuR 25 (1992), S. 414 (417) m. w. N. 162 Vgl. nur Epiney (Fn. 102), S. 102. 163 So etwa Grabitz/Nettesheim (Fn. 102), Rn. 37; Epiney (Fn. 102), S. 100, Fn. 43.
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genannten Gründen – zwei grundsätzliche Einwände geltend zu machen: Erstens geht die deutsche Fassung von Art. 174 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 EGV ersichtlicherweise von einer Gleichrangigkeit der Schutzprinzipien aus. Daraus folgt, wie schon von den umweltpolitischen Zielen des Abs. 1 bekannt, das Gebot restriktiver Auslegung im Falle der Überlagerung. Zweitens spricht der Wortlaut von Art. 174 Abs. 2 UAbs. 2 S. 2 EGV ausschließlich im Zusammenhang mit dem Ursprungsprinzip von „Umweltbeeinträchtigungen“, die es „zu bekämpfen“ gelte. Dem ist zu entnehmen, dass das Ursprungsprinzip ab dem Zeitpunkt eingreift – und damit gleichzeitig den Grundsatz der Vorbeugung verdrängt –, in welchem eine Umweltbeeinträchtigung tatsächlich entstanden, also feststellbar ist164. Das Ursprungsprinzip regelt also die Verschmutzungsbekämpfung, die erforderlich wird, weil Maßnahmen der Vorsorge und Vorbeugung versagt haben. Die Grundsätze der Vorsorge, der Vorbeugung und des Ursprungs sind somit zeitlich gestaffelt und voneinander abgrenzbar; sie bilden eine Prinzipientrias. Trotz sachlicher Verwandtschaft überlagern sie sich nicht, noch wird gar das eine Prinzip vom anderen verdrängt, zumal das Ursprungsprinzip, wie gesagt, neben seiner zeitlichen Bedeutung auch und gerade räumliche Wirkung entfaltet165. Verursacherprinzip Das Verursacherprinzip besagt, deutlicher erkennbar in der englischen Fassung von Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 EGV („the polluter should pay“), dass die Kosten der Vermeidung und Beseitigung von legalen wie illegalen Umweltbeeinträchtigungen vom Verursacher zu tragen sind166. Es handelt sich um einen Kostentragungsgrundsatz, der einen allgemeinen wirtschaftswissenschaftlichen und polizeirechtlichen Gedanken in das europäische Umweltschutzrecht einführt, dabei aber konkretisierungsbedürftig ist. So fragt sich etwa, wer Verursacher der Meeresverschmutzung vom Lande aus ist. Angesichts der Verschmutzungsherkunft aus diffusen Quel164
Siehe Burgi (Fn. 128), S. 12 f. m. w. N. Zustimmend Jahns-Böhm (Fn. 112), Rn. 20; offenbar auch Frenz (Fn. 109), S. 52, Rn. 152. 165 Das übersehen z. B. Grabitz/Nettesheim (Fn. 102), Rn. 37. 166 Siehe nur Grabitz/Nettesheim, ebd., Rn. 46. Im deutschen Umweltrecht wird das Verursacherprinzip in einem weiten Sinne verstanden: Es ist nicht nur Kostenzurechnungsprinzip, sondern sanktioniert zugleich, dass der Verursacher von Umweltbeeinträchtigungen für den Umweltschutz sachlich und finanziell verantwortlich ist. Auch allgemeine Verbote und Auflagen sind Maßnahmen im Sinne des Verursacherprinzips, wohingegen solche Maßnahmen auf europäischer Ebene von den anderen Schutzprinzipien erfasst werden. Zu Unrecht leugnet Purps, Umweltpolitik und Verursacherprinzip im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1991, S. 21 f., die Abgrenzbarkeit von Verursacherprinzip und Vorsorgeprinzip.
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len167 ist eine eindeutige Verursachungszuordnung insoweit kaum möglich. Verursacher ist eben „die Industrie“, „die Landwirtschaft“, „der Tourismus“ usw. Indes: Das Verursacherprinzip verlangt keine unmittelbare Identifikation des Verursachers, sondern gewährt der EG hinsichtlich seiner Umsetzung einen weiten Ermessensspielraum, solange tatsächliche Anhaltspunkte für einen Ursachenzusammenhang bestehen168. Die Gemeinschaft ist lediglich verpflichtet, innerhalb der Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips Maßnahmen zu treffen, die dem Verursacherprinzip so weit wie möglich entsprechen. In diesem Sinne heißt es in der Mitteilung der Kommission an den Rat über die Kostenzurechnung und die Intervention der öffentlichen Hand bei Umweltschutzmaßnahmen169 unter Abs. 3 UAbs. 2: „Erweist sich die Ermittlung des Verursachers als unmöglich oder als zu schwierig und demgemäß als willkürlich, insbesondere wenn die Umweltbelastung durch mehrere gleichzeitig gesetzte Bedingungen (,kumulative Umweltbelastung‘) oder durch mehrere hintereinander gesetzte Bedingungen (,Verursacherketten‘) entsteht, so müssten die Kosten für die Bekämpfung der Umweltverschmutzung jeweils an den Stellen in der Verursacherkette oder der kumulativen Umweltbelastung und mit den rechtlichen und administrativen Mitteln internalisiert werden, die verwaltungstechnisch und wirtschaftlich die beste Lösung bieten und am wirkungsvollsten zur Umweltverbesserung beitragen.“
Hiernach verkörpern Umweltabgaben ebenso eine Umsetzung des Verursacherprinzips wie Individualregelungen, Produkt- und Produktionsstandards ebenso wie Individualverbote. Da Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 EGV mithin nicht nur die Entscheidung über die konkrete Umsetzung des Verursacherprinzips unbeantwortet lässt, sondern auch die Frage nach dem Kostenumfang, müssen die Kosten für die Bekämpfung von Umweltbeeinträchtigungen teilweise von der öffentlichen Hand beglichen werden170. Die grundsätzliche Rechtsverbindlichkeit des Verursacherprinzips bleibt davon unberührt.
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Siehe o. Erster Teil, Kapitel 2, Einleitung zu Kapitel 3. Frenz, Das Verursacherprinzip im Öffentlichen Recht, 1997, S. 297 f.; ders. (Fn. 109), S. 57, Rn. 167. Vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Rs. C-293/97, The Queen/Secretary of State for the Environment und Ministry of Agriculture, Fisheries and Food, ex parte H. A. Standley u. a., Slg. 1999, I-2603, Rn. 94. 169 ABl. EG 1975, Nr. L 194, S. 2 ff., das. eine Auflistung möglicher Instrumentarien. 170 Nicht aber getragen: letztlich werden sogar diejenigen Kosten umgewälzt, bezüglich derer ein Verursacher nicht zu ermitteln ist. 168
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c) Horizontale Kompetenzabgrenzung Angesichts des weiten sachlichen Anwendungsbereichs von Titel XIX EGV stellt sich die Frage, ob dem die Reichweite der Kompetenzgrundlage vollständig entspricht. Es scheint, als müsse diese Frage bejaht werden, verweist doch Art. 175 Abs. 1 EGV ausdrücklich auf die in Art. 174 EGV genannten Ziele. Allerdings überlagern sich letztere, wie gezeigt, zum Teil mit anderen gemeinschaftlichen Tätigkeitsbereichen, etwa dem Gesundheitsschutz171 und der Landwirtschaft172, weshalb in Betracht zu ziehen ist, dass Art. 175 Abs. 1 EGV im Falle solcher Überlagerungen als lex generalis gegenüber den spezielleren Kompetenzgrundlagen zurücktritt. Damit ist das Problem der Abgrenzung verschiedener einschlägiger Kompetenzgrundlagen angesprochen (horizontale Kompetenzabgrenzung). Dergleichen Abgrenzungen sind im Hinblick auf die verschiedenen Rechtsetzungsverfahren des EG-Vertrags, insbesondere das Verfahren der Mitentscheidung (vgl. Art. 251) und das Verfahren der Zusammenarbeit (vgl. Art. 252), regelmäßig erforderlich, da sie dem Europäischen Parlament jeweils unterschiedliche Beteiligungsrechte zuweisen. Schreiben die einschlägigen Kompetenznormen verschiedene Rechtsetzungsverfahren vor, ist eine Kompetenzabgrenzung zwingend geboten. Sie könnte allenfalls dahinstehen, wenn die Rechtsetzungsverfahren im konkreten Fall übereinstimmen173. Dagegen spricht indes das Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten. Eine randscharfe vertikale Kompetenzabgrenzung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten lässt sich nur gewährleisten, das Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten sich nur einhalten, wenn horizontal Klarheit über den Inhalt der einzelnen Kompetenznormen besteht. Es gilt das Verbot einer „Doppelabstützung“174. Für den Gegenstand vorliegender Untersuchung hat dieses Verbot erhebliche Folgen, da einzelne Aspekte des Meeresschutzes nicht nur von den Bestimmungen des Titels XIX EGV erfasst werden, sondern auch von den Bestimmungen über die Fischerei (unten II.) und die Seeschifffahrt (unten III.). Daneben sind weitere kompetenzrechtliche Überschneidungen denkbar. Praktisch wichtig ist etwa das Zusammentreffen von Art. 175 Abs. 1 EGV mit Art. 95 Abs. 1 EGV, eine Kompetenznorm, nach der die Gemeinschaft zum Erlass von Maßnah171
Vgl. Art. 174 Abs. 1 2. Spiegelstrich EGV. Vgl. Art. 174 Abs. 1 3. Spiegelstrich EGV: „umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen“. 173 So etwa EuGH, Verb. Rsen. C-164, 165/97, Parlament/Rat, Slg. 1999, I-1139, Rn. 14. 174 Vgl. aber EuGH, Rs. 165/87, Kommission/Rat, Slg. 1988, 5545, Rn. 11–13, mit Bezug auf den Zolltarifbereich; Everling, EuR 26 (1991), S. 179 (181). Wie hier dagegen Epiney (Fn. 102), S. 63 f.; Scheuing, EuR 37 (2002), S. 619 (632 f.); ders. (Fn. 145), S. 185. 172
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men „zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben“, ermächtigt ist. Da sich solche Maßnahmen ausweislich von Art. 95 Abs. 3 EGV unter anderem auf den Umweltschutz beziehen175, ist eine horizontale Kompetenzabgrenzung grundsätzlich erforderlich. Sie bedarf an dieser Stelle freilich keiner näheren Erörterung. Obwohl die Abgrenzung bis vor kurzem überaus umstritten war – beide Normen sind integrationsoffen und final ausgerichtet176 –, steht außer Frage, dass Art. 95 Abs. 1 EGV trotz Erwähnung des Umweltschutzes in Abs. 3 nicht als Rechtsgrundlage für meeresschutzbezogene Maßnahmen in Betracht kommt, solange nicht wenigstens auch wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Letzteres ist zwar sowohl bei fischereirechtlichen wie seeschifffahrtsrechtlichen Maßnahmen der Fall. Da diese indes Gegenstand zweier spezieller, sachlich begrenzter Tätigkeitsfelder sind177, darf eine horizontale Abgrenzung nicht außerhalb der Wertungen der einschlägigen Kompetenznormen erfolgen. Im Übrigen sei angemerkt, dass das Rechtsetzungsverfahren des Art. 175 Abs. 1 EGV hinsichtlich der Mitwirkungsrechte des Europäischen Parlaments – Streitgegenstand etwa im EuGH-Judikat „Verbringung von Abfällen“178 – zwischenzeitlich an das des Art. 95 Abs. 1 EGV angeglichen wurde.
d) Vertikale Kompetenzabgrenzung Der Bestand der umweltpolitischen EG-Zuständigkeit sagt für sich noch nichts darüber aus, ob die Mitgliedstaaten infolge der Zuständigkeitsübertragung ihrer entsprechenden Kompetenzen verlustig gegangen sind. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass das Europarecht zwischen ausschließlichen, konkurrierenden und parallelen Gemeinschaftszuständigkeiten unterscheidet179. Im EG-Vertrag ist dies zwar nicht ausdrücklich geregelt; das Gebot einer Differenzierung ergibt sich jedoch zwingend aus seiner ratio. So ist das Rücksichtnahmegebot des Art. 10 Abs. 2 EGV – es besagt, 175
Obwohl Maßnahmen im Sinne von Art. 95 Abs. 1 EGV „das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben“, kann die Einbeziehung des Umweltschutzes dem in Art. 14 Abs. 2 EGV definierten Binnenmarktbegriff nicht entnommen werden. Von daher sprechen gute Gründe dafür, dass der Begriff des Gemeinsamen Marktes, der „ein hohes Maß an Umweltschutz“ und eine „nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens“ voraussetzt (vgl. Art. 2 EGV), gegenüber dem des Binnenmarktes der sachlich weitere ist. Gleichwohl geht der EuGH in gefestigter Rechtsprechung von einem weiten Binnenmarktsbegriff aus; vgl. EuGH, Rs. C-300/ 89, Kommission/Rat, Slg. 1991, I-2867, Rn. 14; Rs. C-187/93, Europäisches Parlament/Rat, Slg. 1994, I-2857, Rn. 22 ff. 176 Vgl. dazu Zuleeg, NJW 46 (1993), S. 31 (32 f.); Nettesheim (Fn. 103), S. 339; Schröer (Fn. 67), S. 105 ff. Aus der Rechtsprechung des EuGH vgl. – neben den in Fn. 175 genannten Judikaten – Rs. C-155/91, Slg. 1993, I–939, Rn. 19 ff. 177 Vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. e, f EGV. 178 EuGH, Rs. C-187/93, Europäisches Parlament/Rat, Slg. 1994, I-2857, Rn. 10. 179 Siehe etwa Schröer (Fn. 67), S. 33; Pechstein (Fn. 67), S. 23 ff., 43 ff.; Lienbacher in: Schwarze (Fn. 20), Art. 5 EGV, Rn. 11.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
dass die Mitgliedstaaten „alle Maßnahmen [unterlassen], welche die Verwirklichung der Ziele dieses Vertrags gefährden könnten“ – sinnvoll nur verständlich, wenn die Mitgliedstaaten trotz Bestehens von Gemeinschaftskompetenzen nach wie vor selbständig Recht setzen können. Wären die Kompetenzen der Gemeinschaft immer und automatisch ausschließlicher Natur, könnten die Mitgliedstaaten auf den betroffenen Sachgebieten keine hoheitlichen Maßnahmen treffen; sie hätten sich ihrer Hoheitsbefugnisse zugunsten der Gemeinschaft begeben und wären nicht mehr in der Lage, die Verwirklichung der Ziele des EG-Vertrags zu gefährden. Deshalb gilt der Grundsatz, dass gemeinschaftliche und mitgliedstaatliche Kompetenzen jeweils nebeneinander bestehen. In Einzelfällen kann die EG freilich ausschließlich zuständig sein. Dazu muss sich aus der einschlägigen Kompetenznorm erkennbar ergeben, dass die Anwendung des mitgliedstaatlichen Rechts ausgeschlossen sein soll (anfängliche Ausschließlichkeit)180. Mit Bezug auf den Vertragstitel „Umwelt“ stellt sich insofern die Frage, ob Art. 175 Abs. 1 EGV die mitgliedstaatlichen Gesetzgebungsbefugnisse in dem beschriebenen Sinne ausschließt. Sie ist zu verneinen. Art. 175 Abs. 1 EGV selbst nimmt zwar keine Stellung zu einer möglichen Zuständigkeitskonkurrenz zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten. Anderes gilt freilich für Art. 176 EGV, wonach „die Schutzmaßnahmen, die aufgrund des Artikels 175 getroffen werden, [. . .] die einzelnen Mitgliedstaaten nicht daran [hindern], verstärkte Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen. Die betreffenden Maßnahmen müssen mit diesem Vertrag vereinbar sein. Sie werden der Kommission notifiziert.“181
Hiernach sind die Mitgliedstaaten nach wie vor befugt, Gesetze zum Schutz der Umwelt zu erlassen, vorausgesetzt, der Schutzgehalt dieser Maßnahmen geht über das von der EG europaweit etablierte Niveau hinaus („verstärkte Schutzmaßnahmen“). Indem Art. 176 EGV verlangt, dass die betreffenden Maßnahmen mit dem EG-Vertrag vereinbar sein müssen, konkretisiert die Bestimmung das allgemeine Rücksichtnahmegebot des Art. 10 Abs. 2 EGV. Der eindeutige Wortlaut von Art. 176 EGV („notifiziert“) verdeutlicht ferner, dass die Kommission verstärkte Schutzmaßnahmen der Mitgliedstaaten nicht unterbinden kann; die Mitgliedstaaten trifft lediglich eine Anzeigepflicht182. Davon abgesehen ist Art. 176 EGV nicht mehr als ein Beleg dafür, dass Art. 175 Abs. 1 EGV keine ausschließliche Gemeinschaftszuständigkeit begründet. Die Bestimmung regelt die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten auf dem Sachgebiet „Umweltschutz“ 180 181 182
Schröer (Fn. 67), S. 35. Hervorhebung hinzugefügt. Jahns-Böhm (Fn. 112), Art. 176 EGV, Rn. 6.
Kap. 2: Meeresschutzbezogene Kompetenzgrundlagen
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nicht abschließend. Vielmehr gilt außerhalb der Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 176 EGV der allgemeine Grundsatz der konkurrierenden Zuständigkeit183. Art. 174 Abs. 4 S. 1 EGV bestätigt – freilich auf die Außenkompetenzen bezogen –, dass „die Mitgliedstaaten [. . .] im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse mit dritten Ländern und den zuständigen internationalen Organisationen zusammen [arbeiten]“ können. Nach außen wie nach innen – auch das eine Parallele zu Art. 72 Abs. 1 GG – können die Mitgliedstaaten allerdings nur solange und insoweit legislativ tätig werden, als die Gemeinschaft auf dem betreffenden Tätigkeitsfeld untätig geblieben ist184. Gemeinschaftliche Rechtsetzungsaktivitäten sperren mithin die entsprechende mitgliedstaatliche Kompetenz und lassen die Gemeinschaftszuständigkeit in eine begrenzt-ausschließliche umschlagen (nachträgliche Ausschließlichkeit). 2. Außenkompetenzen Gemäß Art. 174 Abs. 4 UAbs. 1 S. 1 EGV arbeiten „die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten [. . .] im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse mit dritten Ländern und den zuständigen internationalen Organisationen zusammen“. Dadurch wird zwar der Bestand einer umweltpolitischen Außenkompetenz unterstrichen, begründet wird sie freilich nicht („im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse“). Art. 174 Abs. 4 UAbs. 1 S. 1 EGV ist keine Kompetenznorm, sondern eine Bestimmung, die die Aufgabenverteilung zwischen EG und Mitgliedstaaten für außergemeinschaftliche Sachverhalte regelt185. Auch Art. 174 Abs. 4 UAbs. 1 S. 2 EGV begründet keine Außenkompetenz – das würde im Übrigen dem Charakter von Art. 174 EGV als umweltpolitischer Zielvorschrift, die den sachlichen Anwendungsbereich der gemeinschaftlichen Umweltpolitik konkretisiert, nicht gerecht –, sondern gestattet es der Gemeinschaft, sich zur Regelung ihrer umweltpolitischen Außenbeziehungen der Handlungsform des völkerrechtlichen Vertrags zu bedienen. Soweit Art. 174 Abs. 4 UAbs. 1 S. 2 EGV auf den diesbezüg183
So verlangt die hM für die Anwendbarkeit von Art. 176 EGV, dass die betreffenden mitgliedstaatlichen Schutzvorschriften in einem unmittelbaren Sachbezug zum geltenden Gemeinschaftsrecht stehen; siehe nur Grabitz/Nettesheim (Fn. 102), Art. 130t EGV, Rn. 13; Jahns-Böhm (Fn. 182), Rn. 4 m. w. N. 184 EuGH, Rs. 22/70, Kommission/Rat, Slg. 1971, 263, Rn. 15/19; Gutachten 2/ 91, Slg. 1993, I-1061, Rn. 22 ff.; Gutachen 1/94, I-5267, Rn. 77; Vedder in: Grabitz/Hilf (Fn. 102), Art. 228, Rn. 10; Oppermann (Fn. 24), S. 754, Rn. 1742; Geiger (Fn. 91), S. 977. Zu den beiden Kategorien ausschließlicher Gemeinschaftskompetenzen siehe auch Frid, The Relations Between the EC and International Organizations, 1995, S. 94. 185 Vgl. Frenz, Außenkompetenzen der Europäischen Gemeinschaften und der Mitgliedstaaten im Umweltbereich, 2001, S. 36 f. m. w. N.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
lich einschlägigen Art. 300 EGV verweist, setzt dieser seinerseits eine bestehende Außenkompetenz voraus („soweit dieser Vertrag den Abschluss von Abkommen [. . .] vorsieht“). Deswegen ist auch im Hinblick auf den Bestand einer umweltpolitischen Außenkompetenz Art. 175 Abs. 1 EGV zu rekurrieren. Diese Norm nimmt Bezug auf Art. 174 EGV und inkorporiert dadurch nicht nur die umweltpolitischen Ziele und Schutzgrundsätze, sondern gerade auch die Aufgabenverteilung bzw. „Handlungsformkompetenz“186 des Abs. 4 UAbs. 1 EGV. Zwar ist in Art. 175 Abs. 1 EGV nur von der „Erreichung der in Artikel 174 genannten Ziele“ die Rede. Zu jenen Zielen rechnet freilich auch die „Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme“ (Art. 174 Abs. 1 4. Spiegelstrich EGV), die ihrerseits von der Handlungsformkompetenz Art. 174 Abs. 4 UAbs. 1 EGV – ebenso wie von den in Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 EGV genannten Schutzgrundsätzen – konkretisiert wird. Mithin ist Art. 175 Abs. 1 i.V. m. Art. 174 Abs. 4 UAbs. 1 EGV Kompetenzgrundlage für den Abschluss umweltvölkerrechtlicher Verträge187. In Übereinstimmung zur AETR-Doktrin ist die umweltpolitische Innenkompetenz Anknüpfungspunkt der Außenkompetenz; erstere wird über Art. 174 Abs. 4 UAbs. 1 EGV – eine Öffnungsklausel im räumlichen Sinne – nach außen hin abgeleitet. Jeder von Art. 174 EGV umfasste Gegenstand gemeinschaftlicher Umweltpolitik ist zugleich zulässiger Gegenstand eines entsprechenden völkerrechtlichen Vertrags. Es besteht Deckungsgleichheit von Innen- und Außenkompetenz, weshalb (auch) die Außenkompetenz konkurrierender Natur ist188. Angesichts der ausdrücklichen Zuständigkeitsnormierung bedarf es im Übri186
Grabitz/Nettesheim (Fn. 102), Rn. 109. A. A. etwa Krämer (Fn. 102), S. 66, Abschnitt 2-90, der Art. 174 Abs. 4 i.V. m. Art. 300 EGV für einschlägig erachtet. Krämer beruft sich dabei unter anderem auf ein Judikat des EuGH (Rs. C-268/94, Portugal/Rat, Slg. 1996, I-6177, Rn. 55), in welchem die mit Art. 174 Abs. 4 EGV vergleichbare Bestimmung Art. 181 EGV als Kompetenznorm für den Abschluss eines völkerrechtlichen Abkommens qualifiziert wurde. Allerdings verweist die innergemeinschaftliche Kompetenznorm des Titels „Entwicklungszusammenarbeit“ (Art. 179 Abs. 1 EGV), anders als Art. 175 Abs. 1 EGV, nicht auf Art. 181 EGV, sondern lediglich auf den Zielkatalog Art. 177 EGV. Insofern dürfte es an der Vergleichbarkeit der einschlägigen Bestimmungen fehlen. Wie hier Heintschel von Heinegg, EG im Verhältnis zu internationalen Organisationen und Einrichtungen, in: Rengeling (Fn. 78), § 22, Rn. 39; Jahns-Böhm (Fn. 112), Rn. 30; Frenz (Fn. 185), S. 37. 188 Vgl. auch Abs. 2 (2. Spiegelstrich) der Erklärung zur Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft für die durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1992 und das Übereinkommen vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens geregelten Angelegenheiten (Erklärung nach Artikel 5 Absatz 1 der Anlage IX des Übereinkommens und Artikel 4 Absatz 4 des Durchführungsübereinkommens): ABl. EG 1998, Nr. L 179, S. 129 f. Die Erklärung ist im Anhang abgedruckt. 187
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gen keines weiteren Rückgriffs auf die AETR-Doktrin. Die Gemeinschaft muss die Erfordernisse dieser Doktrin – etwa den Nachweis, dass eine Außenzuständigkeit der Gemeinschaft zur Erreichung der EG-vertraglichen Ziele erforderlich ist – nicht erbringen189. II. Fischerei Angesichts des für den nordostatlantischen Teil des EG-Meeres zu konstatierenden Überfischungsausmaßes190 ist nicht nur das schon begrifflich unmittelbar einschlägige Tätigkeitsfeld „Umweltschutz“, sondern auch das Tätigkeitsfeld „Fischerei“ kompetenzrechtlich relevant. Die infolge der Industriefischerei erreichten Fangmengen drohen die Stabilität der europäischen Meeresökosysteme dauerhaft zu gefährden; es steht das Aussterben vieler Spezies und eine Verkümmerung der Meeresflora zu befürchten. Wie tritt das Europarecht dieser Herausforderung entgegen? Bei der Beantwortung dieser Frage ist erneut zwischen den Arten, die vom Menschen wirtschaftlich genutzt werden, und Spezies, bei denen dies nicht gegeben ist, zu differenzieren191. Obwohl die Lebewesen beider Kategorien ethisch-biologisch gewiss gleich schutzwürdig sind, ist die Unterscheidung kompetenzrechtlich geboten, weil dem Tätigkeitsfeld „Fischerei“ allenfalls Spezies der erstgenannten Kategorie zugeordnet werden können: Fischerei bedeutet „Seewirtschaft“, ebenso wie Landwirtschaft eine Form der „Urproduktion“ (Walter Frenz); in Art. 3 Abs. 1 lit. e EGV werden Landwirtschaft und Fischerei denn auch nebeneinander genannt. Die gemeinsame Fischereipolitik (GFP) umfasst insofern jedenfalls die Nutzung der marinen lebenden Ressourcen bzw. – dieser Begriff mag ethisch vorzugswürdig sein – Bestände. Da diese aber bis an die Grenzen der biologischen Verfügbarkeit und darüber hinaus ausgebeutet werden, muss ihre Erhaltung, ihr Schutz eine primäre Aufgabe gemeinschaftlicher Politik über See bilden192, zumal die Gesichtspunkte des Umweltschutzes gemäß Art. 6 189 A. A. Jacqué, RTDE 22 (1986), S. 574 (607); Koppen, The European Community’s Environment Policy, 1988, S. 56 f.; Klein/Kimms, JbUTR 36 (1996), S. 53 (70 f.); Birnie, ODIL 23 (1992), S. 193 (201); Schröer (Fn. 67), S. 279; Grabitz/ Zacker (Fn. 109), S. 303; Epiney (Fn. 102), S. 80. Wie hier Grabitz/Nettesheim (Fn. 102), Rn. 112; Frenz (Fn. 185), S. 98, 100. 190 Siehe o. Erster Teil, Kapitel 2, II. 2. 191 Zur Unterscheidung von Bestandsschutz und Artenschutz siehe schon o. Einführung („Gang der Untersuchung“). 192 Johnson/Corcelle, The Environmental Policy of the European Communities, 1989, S. 237: „an important element of a true environmental protection policy“. Europarechtlich ist nicht zuletzt der Tierschutz Gegenstand des Umweltrechts; vgl. Protokoll zum Vertrag von Amsterdam über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere (http://europa.eu.int/eur-lex/de/treaties/dat/amsterdam.html#0110010013).
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
EGV unter anderem bei der Durchführung der Landwirtschaftspolitik zu berücksichtigen sind. Fischerei ist demnach mehr als bloße Meeresnutzung; sie ist auch und gerade Meeresschutz. Bestandserhaltungsmaßnahmen liegen nach alledem in der Schnittmenge gemeinschaftlicher Umweltpolitik und gemeinsamer Fischereipolitik. 1. Innenkompetenzen Kompetenzrechtlich ist das Tätigkeitsfeld „Bestandsschutz“ weniger unter Gesichtspunkten des „Ob“ einer EG-Zuständigkeit problematisch; der Schutz der marinen Beständen wird – ebenso wie der marine Artenschutz – jedenfalls von Art. 175 Abs. 1 EGV erfasst193. Primär problematisch ist vielmehr das „Wie“ der EG-Zuständigkeit, weil der EG-Vertrag in Art. 3 Abs. 1 mit dem Tätigkeitsfeld Fischerei (lit. e) und dem der Umweltpolitik (lit. l) offenbar zwischen zwei verschiedenen, thematisch jeweils eng mit der Bestandserhaltung verknüpften Tätigkeitsfeldern unterscheidet, die ihrerseits durch spezielle Kompetenznormen konkretisiert werden. Die erste Frage geht insofern dahin, ob die Kompetenznorm des Sachgebiets „Landwirtschaft“ auch für Bestandserhaltungsmaßnahmen anwendbar ist. Die zweite, schwieriger zu beantwortende Frage betrifft die (horizontale) Kompetenzabgrenzung für den Fall, dass mehrere Kompetenznormen sachlich einschlägig sind. a) Vertikale Kompetenzabgrenzung Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV ist die allgemeine Befugnisnorm des Titels „Landwirtschaft“194. Die Fischerei wird, von Art. 3 Abs. 1 lit. e EGV abgesehen, in Art. 32 Abs. 1 S. 2 EGV genannt; diese Bestimmung regelt den sachlichen Anwendungsbereich der agrarbezogenen Vorschriften des EGVertrags. Landwirtschaft und Fischerei werden dort freilich nicht gleichgesetzt. Vielmehr unterscheidet S. 1 zwischen „Landwirtschaft“ einerseits und A. A. offenbar EuGH, Rs. C-189/01, H. Jippes, Afdeling Groningen van de Nederlandse Vereniging tot Bescherming van Dieren und Afdeling Assen en omstreken van de Nederlandse Vereniging tot Bescherming van Dieren/Minister van Landbouw, Natuurbeheer en Visserij, Slg. 2001, I-5689, Rn. 71. Anderes galt für die (deutsche) mitgliedstaatliche Ebene: Dort bildete die Unterscheidung zwischen Artenschutz einerseits und Tierschutz andererseits bis vor kurzem die „Gebietsgrenze“ des Umweltrechts (Kloepfer [Fn. 102], S. 63, Rn. 77), da Art. 20 a GG den ethisch geprägten Tierschutz ursprünglich nicht beinhaltete. Mit der Ergänzung dieser Bestimmung um die Worte „und die Tiere“ ist er nunmehr auch verfassungsrechtlich verankert. 193 Siehe o. I. 1. 194 Siehe Hix in: Schwarze (Fn. 20), Art. 37 EGV, Rn. 3.
Kap. 2: Meeresschutzbezogene Kompetenzgrundlagen
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dem „Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen“ andererseits. Nach S. 2 beinhalten „landwirtschaftliche Erzeugnisse“ unter anderem die „Erzeugnisse der Fischerei“, auf die wegen Art. 32 Abs. 2 EGV die Vorschriften für die Errichtung des Gemeinsamen Marktes Anwendung finden. Demnach wird jedenfalls der Handel mit Fischereiprodukten von den Art. 32 ff. EGV erfasst; solchermaßen zweckgerichtete Hoheitsakte sind auf Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV zu stützen. Legte man Art. 32 EGV primär nach seinem Wortlaut, also restriktiv, aus, könnten Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Schätze des Meeres als auch eine umfassende GFP der EG, die neben Handel und Bestandsschutz etwa auch den Zugang zu Fischgründen, die Stilllegung bestimmter Fischereifahrzeuge und andere einschlägige Fragen beinhalten würde, hingegen nicht dem Titel „Landwirtschaft“ zugeordnet werden195. Auch scheinen typische fischereipolitische Problemfelder dem in Art. 33 Abs. 1 lit. a EGV genannten Ziel der Produktivitätssteigerung diametral entgegenzulaufen. Indes ist zu bedenken, dass mit dem Vertrag von Maastricht der Tätigkeitsbereich „Fischerei“ im Katalog des Art. 3 Abs. 1 EGV aufgewertet wurde196. Da die Art. 2, 3 EGV letztlich eine Ausgestaltung und Konkretisierung des gemeinschaftlichen effet utile darstellen und folglich bei der Auslegung spezieller Ermächtigungsgrundlagen zu berücksichtigen sind197, müssen die Art. 32 ff. EGV ihrerseits im Lichte jener Aufwertung interpretiert werden, zumal die Querschnittsklausel Art. 6 EGV auch im Rahmen der Landwirtschaft die Berücksichtigung der Belange des Umweltschutzes fordert198. Daraus folgt, dass die Bestimmungen des Titels „Landwirtschaft“, trotz des insoweit nicht eindeutigen Wortlauts von Art. 32 Abs. 1 EGV, über einen weiten Anwendungsbereich verfügen199. Das aus der Ziel195 So denn auch Krämer, Zuständigkeiten der EG auf dem Gebiet der Nordseenutzung, in: ders. (Hrsg.), Die wirtschaftliche Nutzung der Nordsee und die Europäische Gemeinschaft, 1979, S. 9 (10); Cron (Fn. 53), S. 163, Fn. 602. 196 Der früher einschlägige Art. 3 lit. d EWGV lautete: „die Einführung einer gemeinsamen Politik auf dem Gebiet der Landwirtschaft“. – Auch auf universeller Ebene ist der enge Zusammenhang zwischen Landwirtschaft und Fischerei anerkannt. Organisationsrechtlich werden beide Sachgebiete innerhalb der gleichen internationalen Organisation, der Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), behandelt. 197 Siehe die Nachweise in Fn. 150. 198 Konkret zur GFP KOM(2001) 143 endg., Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Elemente einer Strategie zur Einbeziehung der Erfordernisse des Umweltschutzes in die Gemeinsame Fischereipolitik, 16. März 2001, S. 4 f. 199 Für eine enge, „fischereifeindliche“ Auslegung der Art. 32 ff. EGV hingegen Schneider, Die gemeinsame Fischereipolitik der Europäischen Gemeinschaften, 1988, S. 28, 48, freilich vor allem in der alten Rechtslage (Art. 3 Abs. 1 lit. d EWGV) begründet. Wie hier etwa Nonnenmacher (Fn. 95), S. 92.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
vorschrift Art. 33 EGV folgende Argument, die Produktivität der Landwirtschaft vertrage sich nicht mit nachhaltiger Fischereipolitik, lässt sich unter Hinweis darauf entkräften, dass das Ziel der Produktivitätssteigerung gegenüber Bestandserhaltungsmaßnahmen im Rahmen der von Art. 2 EGV („harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung“) und Art. 3 Abs. 1 lit. l EGV geforderten Abwägung200 zurücktreten kann. Der Kompetenztitel „Landwirtschaft“ enthält keine Querschnittsklausel, die ihm eine besonders starke Abwägungsposition zusichern würde. Nachhaltige Fischereipolitik führt also keineswegs zu einem Vorrang des Bestandsschutzes schlechthin. Im Ergebnis müssen Maßnahmen im Bereich der Fischereipolitik in einem gesamtheitlichen Sinne, d. h. einschließlich der Bestandserhaltung, auf Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV als Kompetenznorm gestützt werden. b) Horizontale Kompetenzabgrenzung Angesichts des Umstands, dass die Gemeinschaft über eine breite umweltpolitische Zuständigkeit verfügt (oben I.), könnte sie sich beim Erlass von Bestandserhaltungsmaßnahmen ohne weiteres auch auf Art. 175 Abs. 1 EGV, möglicherweise gar auf Art. 95 Abs. 1 EGV berufen – Umweltschutz ist, wie Art. 6 EGV unterstreicht, eine Querschnittsaufgabe, die vielfach zugleich ökonomische Aspekte berührt. Insofern fragt sich, ob eine horizontale Kompetenzabgrenzung zwischen den einschlägigen Kompetenznormen erforderlich ist201. Diesbezüglich ist festzustellen, dass Art. 175 Abs. 1 EGV, Kompetenznorm des Titels „Umwelt“, ebenso wie Art. 95 Abs. 1 EGV auf das Verfahren der Mitentscheidung verweist (Ausnahme: Art. 175 Abs. 2 EGV), wonach das Europäischen Parlament über das Recht verfügt, gemeinsame Standpunkte von vorgeschlagenen Rechtsakten endgültig abzulehnen202. Nach Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV ist der Rat hingegen ermächtigt, Rechtsakte nach bloßer Anhörung des Parlaments zu erlassen. Rechtsmethodisch kommen für die deshalb erforderliche Kompetenzabgrenzung verschiedene Vorgehensweisen in Betracht. Erstens könnte eine Ausnahme vom Grundsatz der Gleichrangigkeit primärrechtlicher Zielbestimmungen203 erwogen werden. Da die umweltrechtliche Querschnittklausel die gegenüber anderen Tätigkeitsbereichen herausragende Bedeutung der Umweltpolitik betont, ließe sich etwa ein genereller 200 Grundsätzlich sind die Gemeinschaftsziele des EG-Vertrags gleichrangig und bedürfen der Konkretisierung im Einzelfall, siehe nur Oppermann (Fn. 24), S. 871, Rn. 2007. 201 Siehe dazu schon o. I. 1. c). 202 Vgl. Art. 251 Abs. 2 lit. b EGV. 203 Vgl. Fn. 200.
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„Anwendungsvorrang“204 des Art. 175 Abs. 1 EGV gegenüber Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV (und Art. 95 Abs. 1 EGV) vertreten. Angesichts der umweltrechtlichen und -politischen Relevanz einer Vielzahl von Tätigkeiten im Sinne von Art. 3 EGV205 hätte die Annahme eines solchen Vorrangs allerdings zur Folge, dass andere Kompetenznormen und das ihnen zugeordnete Rechtsetzungsverfahren unterlaufen würden – nicht nur mit Blick auf das vielfach konstatierte Demokratiedefizit der EG206 ein wenig plausibles Ergebnis. Daneben ist an den Wortlaut der Querschnittsklausel zu denken, wonach „die Erfordernisse des Umweltschutzes [. . .] bei der Festlegung und Durchführung der in Artikel 3 genannten Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen [. . .] einbezogen werden“
müssen. Die hiernach bestehende Verpflichtung, die Erfordernisse des Umweltschutzes zu berücksichtigen, wäre im Falle eines generellen Vorrangs der Umweltpolitik letztlich überflüssig, zumal „Einbeziehen“ Integration, nicht Geltungsvorrang bedeutet207. Überdies wäre die Annahme eines Vorrangs der umweltpolitischen Kompetenznorm nicht mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung vereinbar. Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 EGV, auf den Art. 175 Abs. 1 EGV verweist, verlangt zwar ein „hohes“, nicht aber „das höchste“ Schutzniveau. Zweitens könnte die horizontale Kompetenzabgrenzung in Anlehnung an eine Judikatur des EuGH208 anhand der Kriterien Ziel, Inhalt, Schwerpunkt der zu treffenden Maßnahme, d. h. einzelfallbezogen, vorgenommen werden. Nach Auffassung des Gerichtshofs ermöglicht allein der Rückgriff auf 204 Die Begrifflichkeit wurde in Anführungszeichen gesetzt, da sie üblicherweise zur Beschreibung des Verhältnisses Gemeinschaftsrecht/nationale Rechtsordnungen verwendet wird; vgl. nur Herdegen (Fn. 2), S. 185, Rn. 230. 205 Vgl. Nettesheim (Fn. 103), S. 338 m. w. N. 206 Naßmacher, Demokratisierung der Europäischen Gemeinschaften, 1972, S. 8 ff.; Hrbek, Der Vertrag von Maastricht und das Demokratie-Defizit der Europäischen Union – auf dem Weg zu stärkerer demokratischer Legitimation?, in: Randelzhofer/Scholz/Wilke (Hrsg.), GS für Grabitz, 1995, S. 171 (172 ff.); LübbeWolff, Europäisches und nationales Verfassungsrecht, VVDStRL 60, S. 246 (248– 264); differenzierend Pelinka, Demokratiedefizit – mehr als nur ein intuitives Unbehagen?, in: Hierzinger/Pollak (Hrsg.), Europäische Leitbilder, FS für Schneider, 2001, S. 75 (82 f.). Kritisch gegenüber der These vom Demokratiedefizit Zuleeg (Fn. 21), S. 367 f. 207 Siehe Rengeling, DVBl. 115 (2000), S. 1473 (1478); Nowak, VerwArch 93 (2002), S. 368 (388); Beaucamp (Fn. 110), S. 156; Frenz (Fn. 109), S. 64, Rn. 185. Für eine generelle in dubio pro Art. 174 ff. EGV-Wirkung der Querschnittsklausel hingegen Schröer (Fn. 67), S. 128 ff. 208 Vgl. zu Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV die Nachweise bei Hix (Fn. 194), Rn. 7 ff. Allgemein EuGH, Rs. C-42/97, Parlament/Rat, Slg. 1999, I-869, Rn. 36; Rs. C-300/89, Kommission/Rat, Slg. 1991, I-2867, Rn. 10.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
dergleichen objektive Umstände eine gerichtliche Überprüfung der einschlägigen Rechtsgrundlage209. Die Kriterien sind freilich ihrerseits unbestimmt; ihre Auslegung hängt mithin von der Wertung des jeweils entscheidenden Organs, also gerade von einem subjektiven Element, ab210. Entgegen der Rechtsauffassung des EuGH wird dadurch eine zu Rechtssicherheit führende Kontrolle der einschlägigen Ermächtigungsnormen eher erschwert als erleichtert. Letzteres spricht – drittens – für eine von Einzelfall wie Querschnittsklausel unabhängige Kompetenzabgrenzung. Diesbezüglich ist – auch das Rechtsprechung des EuGH – eine Unterscheidung zwischen sachlich-gegenständlichen und final umschriebenen211 Kompetenznormen hilfreich. Betrifft eine Regelung Kompetenznormen beider Kategorien (und nur dann), ist die Maßnahme auf erstere, sachlich-begrenzte Vorschrift zu stützen212. Der Vorteil dieser Abgrenzungsmethode gegenüber der einzelfallbezogenen liegt in ihrer höheren Praktikabilität anhand von Wortlaut und Systematik der einschlägigen primärvertraglichen Bestimmungen. Die vom EuGH zu Recht eingeforderte Rechtssicherheit lässt sich weitestgehend erreichen, zumal die Erfordernisse der final ausgerichteten Kompetenznormen durch die Querschnittsklauseln213 hinreichend gewahrt werden. Der (ohnehin nur im Kollisionsfall greifende) „Anwendungsvorrang“ der sachlich-gegenständlichen Rechtsgrundlagen tritt der Gefahr entgegen, dass die sachlich engeren Bestimmungen des EG-Vertrags infolge des weiten Anwendungsbereichs der zielgerichteten Kompetenznormen von diesen verdrängt werden. 209
Siehe nur EuGH, Rs. C-269/97, Kommission/Rat, Slg. 2000, I-2257, Rn. 43. Vgl. z. B. die unterschiedliche Bestimmung des Hauptzwecks der Verordnung (EG) 820/97 des Rates vom 21. April 1997 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen (ABl. EG 1997, Nr. L 117, S. 1 ff.) durch die Kommission einerseits und den Rat andererseits: EuGH, Rs. C-269/97, Kommission/Rat, Slg. 2000, I-2257, Rn. 8 f. (Kommission) und 27 f. (Rat); missverständlich zur Schwerpunktbildung auch EuGH, Rs. C-405/92, Etablissements Armand Mondiet SA/Armement Islais SARL, Slg. 1993, I-6133, Rn. 19, 24. 211 Terminologie von Nettesheim (Fn. 103); ders. (Fn. 98), S. 248. 212 Unmittelbar zum Bestandsschutz (Thunfischfang mit Treibnetzen im Nordostatlantik) EuGH, Rs. C-405/92, Etablissements Armand Mondiet SA/Armement Islais SARL, Slg. 1993, I-6133, Rn. 26 f. In diesem Urteil greift der EuGH zumal auf den Hauptzweck der entscheidungserheblichen Verordnung (EWG) 345/92 des Rates vom 27. Januar 1992 zur elften Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3094/ 86 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände zurück. Allgemein des weiteren EuGH, Rs. 68/86, Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1988, 855, Rn. 7 ff.; Rs. 131/86, Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1988, 905, Rn. 13 ff. 213 Neben Art. 6 EGV ist an Art. 127 Abs. 2 EGV (Beschäftigung), Art. 152 Abs. 1 EGV (Gesundheitswesen), Art. 153 Abs. 2 EGV (Verbraucherschutz) und Art. 178 EGV (Entwicklungszusammenarbeit) zu denken. 210
Kap. 2: Meeresschutzbezogene Kompetenzgrundlagen
317
Was folgt nun daraus für den vorliegend interessierenden Bestandsschutz? Festzustellen ist, dass Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV – im Unterschied zu Art. 175 Abs. 1 EGV und zu Art. 95 Abs. 1 EGV – eine sachlich-gegenständliche Kompetenznorm darstellt. Obwohl Art. 33 Abs. 1 EGV dem Titel „Landwirtschaft“ in gewissem Umfang zielgerichteten Charakter verleiht, sind die Art. 32 ff. EGV ausschließlich auf die Landwirtschaft im europarechtlichen Sinne, also einschließlich der Fischerei, begrenzt. Der sachliche Anwendungsbereich des Tätigkeitsfeldes wird von Art. 32 Abs. 1, 3 EGV genau umrissen. Im Unterschied zu den Erfordernissen des Umweltschutzes müssen die Belange der Landwirtschaft bei der Durchführung anderer Tätigkeitsfelder nicht berücksichtigt werden. Mithin ist Anknüpfungspunkt aller zum Zwecke der Bestandserhaltung erlassenen Maßnahmen ausschließlich die Fischerei. In kompetenzrechtlicher Hinsicht ist Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV gegenüber Art. 175 Abs. 1 EGV und gegenüber Art. 95 Abs. 1 EGV eine bezüglich jener Maßnahmen einschlägige lex specialis, dies selbst dann, wenn die Maßnahmen schwerpunktmäßig nicht auf Bestandserhaltung, sondern auf das allgemeinere Ziel „Meeresschutz“ gerichtet sind214. Die bisherige Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinschaft bestätigt das gefundene Ergebnis215. c) Rechtsgrundlagen in den Beitrittsakten Im Hinblick auf die vertikale Zuständigkeitsverteilung können neben den primärvertraglichen Kompetenznormen auch die Bestimmungen der Beitrittsakten bedeutsam sein. Beitrittsakten sind Abkommen im Sinne von Art. 49 Abs. 2 EUV, die anlässlich des Unionsbeitritts zwischen den Mitgliedstaaten einerseits und dem antragstellenden Staat andererseits geschlossen werden. Zwar folgt aus Art. 49 Abs. 1 EUV für beitretende Staaten grundsätzlich die Verpflichtung, das gesamte Gemeinschaftsrecht (sog. Acquis communautaire) als für sich sofort verbindlich zu übernehmen216. Indes können zeitlich befristete Übergangsregelungen in den Beitrittsakten 214 A. A. Hix (Fn. 194), Rn. 7; Frenz (Fn. 185), S. 85. Für die Landwirtschaft wie hier Nettesheim (Fn. 103), S. 339; Grabitz/Nettesheim (Fn. 102), Art. 130s EGV, Rn. 32. 215 Vgl. z. B. Verordnung (EG) Nr. 850/98 vom 30. März 1998 zur Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische Maßnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren (ABl. EG 1998, Nr. L 125, S. 1 ff.; letzte Änd. in ABl. EG 2001, Nr. L 102, S. 16 ff.) mit Verweis auf Art. 43 EGV a. F. (= Art. 37 EGV); ebenso Verordnung (EG) Nr. 858/94 vom 12. April 1998 über eine Regelung zur statistischen Erfassung von Rotem Thun (Thunnus thynnus) in der Gemeinschaft (ABl. EG 1994, Nr. L 99, S. 1 ff.; letzte Änd. in ABl. EG 1999, Nr. L 167, S. 1 ff.); Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 des Rates vom 20. Dezember 2002 über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik (ABl. EG 2002, Nr. L 358, S. 59 ff.).
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
normiert werden, die als Primärrecht über den gleichen Rang wie die Gründungsverträge verfügen und deshalb dem EG-Vertrag als lex posterior, dem Sekundärrecht als lex superior vorgehen217. Demnach ist denkbar, dass die Beitrittsakten Kompetenznormen enthalten. Für das Sachgebiet „Bestandserhaltung“ war dieser Gesichtspunkt überaus relevant: Spanien und Portugal – beide Staaten traten 1986 der EG bei – verfügten im Beitrittszeitpunkt über die weitaus größten Fischereiflotten. Dieses Gewicht führte zu Problemen bei der Eingliederung in die GFP, denen mit Hilfe der Beitrittsakte Rechnung getragen wurde. Bereits Art. 102 der Beitrittsakte (BA) von 1972218 – dem Wortlaut nach eine bloße Fristbestimmung219 – wurde zum Teil als eine bis zum Ablauf der Übergangsfristen anwendbare Ermächtigungsgrundlage für den Erlass gemeinschaftlicher Bestandserhaltungsmaßnahmen verstanden220. Die diesbezüglich einschlägige Judikatur des EuGH war missverständlich221. Dogmatisch verbot sich ein Rekurrieren auf Art. 102 BA, da andernfalls das Gebot der engen Auslegung von Übergangsvorschriften222, das seine Grundlage seinerseits im Ausnahmecharakter der Bestimmungen der Beitrittsakten findet, missachtet worden wäre; entgegen Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV hätte die EG ganz ohne jede Beteiligung des Europäischen Parlaments Maßnahmen erlassen können223. In der Praxis hat die EG denn auch kein Sekundärrecht unter ausschließlicher Berufung auf Art. 102 BA geschaffen. Ganz ohne jede kompetenzrechtliche Bedeutung blieb die Bestimmung gleichwohl nicht. Adressiert wurde indes nicht die Gemeinschaft, sondern die Mitgliedstaaten: Art. 102 BA ermächtigte letztere – ungeschrieben zwar, aber doch mit dem gemeinschaftlichen effet utile vereinbar – übergangsweise zum Erlass von Bestandserhaltungsmaßnahmen, solange die Maßnahmen mit dem geltenden Gemeinschafts-
216
Dazu EuGH, Rs. 258/81, Metallurgiki Halyps S. A./Kommission, Slg. 1982, 4261, Rn. 8. 217 EuGH, Rs. 58/83, Kommission/Griechenland, Slg. 1984, 2027, Rn. 9; Oppermann (Fn. 24), S. 804, Rn. 1854; Vedder in: Grabitz/Hilf (Fn. 150), Art. 49 EUV, Rn. 46. 218 Im Jahre 1973 traten Großbritannien, Dänemark und Irland den EGen bei. 219 Art. 102 BA lautete: „Spätestens ab dem sechsten Jahr nach dem Beitritt legt der Rat auf Vorschlag der Kommission die Voraussetzungen für die Ausübung des Fischfangs im Hinblick auf den Schutz der Fischbestände und die Erhaltung der biologischen Schätze des Meeres fest.“ Dazu EuGH, Verb. Rsen. 185-204/78, J. Van Dam en Zonen u. a., Slg. 1979, 2345, Rn. 4. 220 Nitsch, RMC 23 (1980), S. 452 (458); Steiling, Das Seefischereirecht der Europäischen Gemeinschaften, 1989, S. 93. 221 Vgl. EuGH, Verb.Rsen. 3, 4, 6/76, Cornelis Kramer u. a., Slg. 1976, 1279, Rn. 30/33; Rs. 32/79, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1980, 2403, Rn. 9. 222 Vgl. dazu Vedder (Fn. 217), Rn. 46. 223 Nonnenmacher (Fn. 95), S. 105.
Kap. 2: Meeresschutzbezogene Kompetenzgrundlagen
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recht vereinbar waren und der Rat nicht selbst die nach dem Wortlaut der Norm geforderten Maßnahmen getroffen hatte224. Art. 102 BA betraf insofern – vom Charakter als Fristbestimmung abgesehen – die Konkurrenz mitgliedstaatlicher und gemeinschaftlicher Kompetenz, die vertikale Perspektive also. Der EuGH hat diese Zuständigkeitskonkurrenz später dahingehend präzisiert, dass die Mitgliedstaaten nur über eine Übergangszuständigkeit verfügten, und die Gemeinschaft seit dem 1. Januar 1979, d. h. mit Ablauf der Übergangszeit, ausschließlich für alle Aspekte der marinen Bestandserhaltung zuständig sei225. Da Art. 176 EGV ausweislich des eindeutigen Wortlautes („[. . .] die aufgrund des Artikels 175 getroffen werden [. . .]“) nicht anwendbar ist, können die Mitgliedstaaten auf dem Bestandserhaltungssektor somit nicht mehr kraft eigener Zuständigkeit tätig werden, sondern allenfalls „als Sachwalter des gemeinsamen Interesses“226.
Gemäß Art. 254 Abs. 1, 346 Abs. 1 BA 1985 blieb das gesamte fischereibezogene EG-Sekundärrecht gegenüber Spanien und Portugal bis 1996 unanwendbar. Im Unterschied zu jener von 1976 enthielt diese Akte zahlreiche flexibel handhabbare Ermächtigungsgrundlagen für den Erlass fischereibezogener Maßnahmen227. Dadurch wurde ein spezielles subregionales Fischereirecht geschaffen, mit Hilfe dessen der schwierigen Integration der spanischen-portugiesischen Fischwirtschaft in die GFP Rechnung getragen wurde228. Sie ist freilich zwischenzeitlich ebenso wie diejenige der britischen, dänischen und irischen Fischwirtschaft gelungen; ein Rückgriff auf die Bestimmungen der BA ist daher ausgeschlossen. Der Beitritt von Schweden und Finnland im Jahre 1995 bereitete keine vergleichbaren Probleme auf dem Fischereisektor. 2. Außenkompetenzen Die Gemeinschaft wird durch die Art. 32 ff. EGV nicht ausdrücklich ermächtigt, völkerrechtliche Übereinkommen zum Schutze der Fischbestände mit Drittstaaten bzw. -organisationen abzuschließen. Da sie nach außen wie 224
EuGH, Rs. 61/77, Kommission/Irland, Slg. 1978, 417, Rn. 63/68; Verb. Rsen. 185-204/78, J. Van Dam en Zonen u. a., Slg. 1979, 2345, Rn. 7. Missverständlich Nonnenmacher (Fn. 95), S. 105. 225 EuGH, Rs. 32/79, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1980, 2403, Rn. 10, 14 f.; Rs. 804/79, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1981, 1045, Rn. 17 f. Im Ergebnis a. A. Schröer (Fn. 67), S. 37. Auch im Fischereisektor fungierte der EuGH mithin als bedeutender Integrationsfaktor; vgl. auch Hofmann, ZaöRV 41 (1981), S. 808 (821, 824). 226 EuGH, Rs. 804/79, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1981, 1045, Rn. 30. Dazu siehe noch unten III. 2. 227 Aus ihnen ergab sich – anders als im Falle von Art. 102 BA 1972 – ausdrücklich eine Gemeinschaftskompetenz; insofern konnte nicht von einer Umgehung des in Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV vorgesehenen Rechtssetzungsverfahrens gesprochen werden. 228 Vgl. dazu Nonnenmacher (Fn. 95), S. 110.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
nach innen nur aufgrund einer primärvertraglichen Grundlage tätig werden kann, ist die AETR-Doktrin des EuGH zu rekurrieren. Hiernach wäre der Abschluss bestandsschutzbezogener Abkommen zulässig, wenn eine entsprechende Vertragsabschlusskompetenz zur Erfüllung der gemeinschaftlichen Zielsetzungen erforderlich ist229. Leitbild der gemeinschaftlichen Umweltpolitik ist ein „hohes Maß an Umweltschutz“ (Art. 2 EGV). Vor dem Hintergrund des grenzüberschreitenden Charakters der Meeresverschmutzung kann dieses Leitbild nur durch ein Zusammenwirken auf zwischenstaatlicher, übergemeinschaftlicher Ebene verfolgt werden. Auch wenn es vorliegend nicht um den Schutz der Meeresumwelt im engeren Sinne geht, sondern um die Erhaltung der lebenden Meeresressourcen, ist zu bedenken, dass viele Meereslebewesen nicht sesshaft sind; der Überfischungstatbestand endet nicht an den Grenzen des EG-Meeres230: „Weder Fische noch Umweltverschmutzung halten sich an Grenzen und Gesetze“ (Elisabeth Mann Borgese). Die Erforderlichkeit einer gemeinschaftlichen Außenkompetenz folgt ferner aus den zu konstatierenden Wechselwirkungen zwischen außergemeinschaftlichen Fischereiaktivitäten der EG-Mitgliedstaaten einerseits und bestimmten EG-Tätigkeitsbereichen andererseits; zu denken ist an Entwicklungszusammenarbeit, Wettbewerb, Beschäftigungspolitik. In diesem Zusammenhang mag der Hinweis auf die Fischereitätigkeit der europäischen Flotte in afrikanischen Gewässern genügen231. Zwar existiert mit der FAO ein internationales Forum, innerhalb dessen Bestandsentwicklungsprobleme auf universeller Ebene diskutiert werden232, und in dessen Rahmen mit dem Übereinkommen zur Förderung der Einhaltung internationaler Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen durch Fischereifahrzeuge auf Hoher See vom 23. November 1993233 ein wichtiges Bestandsschutzabkommen geschlossen wurde. Dieses Abkommen ist jedoch noch nicht in Kraft getreten, Beleg für nach wie vor bestehenden Handlungsspielraum und -bedarf hinsichtlich der von Art. 197 SRÜ in allgemeiner Form angeregten regionalen Zusammenarbeit. Die Erforderlichkeit einer EG-Vertragsschlusskompetenz wird durch die Existenz der FAO insofern nicht obsolet, im Gegenteil, zumal die FAO – anders als die EG234 – nicht über wirksame Mittel zur Durchsetzung ihrer Beschlüsse 229
Zu den Voraussetzungen siehe o. Kapitel 1, III. Vgl. EuGH, Gutachten 1/94, Slg. 1994, I-5267, Rn. 85; Daillier (Fn. 18), S. 464. 231 Siehe o. Einführung, Fn. 19. 232 Vgl. Marchisio/Di Blase, The Food and Agriculture Organization (FAO), 1991, S. 128 ff. 233 ILM 33 (1994), 969 ff. Zum Übereinkommen Moore, The FAO Compliance Agreement, in: Nordquist/Moore (Hrsg.), Current Fisheries Issues and the Food and Agriculture Organization of the United Nations, 2000, S. 77 ff. 234 Dazu noch näher u. Kapitel 3. 230
Kap. 2: Meeresschutzbezogene Kompetenzgrundlagen
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verfügt. Da somit eine Vertragsschlusskompetenz der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Bestandserhaltung erforderlich ist235, ist Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV i.V. m. den Grundsätzen der AETR-Doktrin die insoweit einschlägige Kompetenznorm236. III. Seeschifffahrt Als Nutzungs- und Verschmutzungsart knüpft schließlich die Seeschifffahrt237 an das Meeresschutzthema an, freilich nur sektoriell: Es geht um die derzeit viel diskutierte Schiffssicherheit. Mit Art. 80 Abs. 2 scheint der EG-Vertrag eine eigenständige und ausfüllungsbedürftige Kompetenznorm für die Seeschifffahrt zu enthalten, weshalb sich Fragen der vertikalen und der horizontalen Kompetenzabgrenzung stellen. Für eine eigenständige Berücksichtigung der Seeschifffahrt sprechen auch rein faktische Gründe. So waren zu Beginn des Jahres 2000 15% der Welthandelsflottentonnage den Flaggen der EG-Mitgliedstaaten zugeordnet. Dieser Anteil steigt auf über 30%, soweit die Schiffstonnage der Schiffe einbezogen wird, die aus EUEuropa ausgeflaggt wurden, jedoch nach wie vor von europäischen Reedereien betrieben werden238. Vor dem Hintergrund, dass wichtige Schifffahrtsrouten durch den Nordostatlantik verlaufen, ist zudem an die Folgen von Schiffsunfällen sowie an den Tatbestand des seewärtigen Einbringens von Abfällen und anderen Stoffen zu denken239. Normativ wie faktisch ist Schiffssicherheit mithin gerade auch ein europäisches Problem.
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Vgl. auch EuGH, Verb.Rsen. 3, 4, 6/76, Cornelis Kramer u. a., Slg. 1976, 1279, Rn. 30/33. 236 Dies wird durch bisherige Vertragsschlüsse der EG bestätigt. Siehe z. B. Beschluss 86/238/EWG des Rates vom 9. Juni 1986 über einen Beitritt der Gemeinschaft zu der Internationalen Konvention zur Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik (ABl. EG 1986, Nr. L 162, S. 33) mit Verweis auf Art. 43 EGV a. F. (= Art. 37 EGV); ebenso Beschluss 82/886/EWG des Rates vom 13. Dezember 1982 zum Abschluß des Übereinkommens zur Lachserhaltung im Nordatlantik: ABl. EG 1982, Nr. L 378, S. 24. 237 Von der Seeschifffahrt ist die hier nicht untersuchte Binnenschifffahrt zu unterscheiden; vgl. Art. 80 Abs. 1 EGV sowie Müller, Das Binnenschiffahrtsrecht als eigenständiges Recht im Spannungsverhältnis zwischen Seerecht und Landrecht, in: Hanau (Hrsg.), FS für Wiese, 1998, S. 313 ff. 238 Dazu siehe o. Erster Teil, Kapitel 2, II. 1. 239 Dazu siehe o. Erster Teil, Kapitel 3, II. 2. und 4. Völkerrechtlich wird im Allgemeinen zwischen beiden Verschmutzungsarten unterschieden; vgl. etwa Art. 4 OSPAR-Ü einerseits und Art. 7 OSPAR-Ü andererseits. Art. 80 Abs. 2 EGV erfordert eine Unterscheidung weder dem Wortlaut nach noch unter teleologischen Gesichtspunkten.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
1. Innenkompetenzen a) Art. 80 Abs. 2 EGV in vertikaler und horizontaler Betrachtung Gemeinhin wird Art. 80 Abs. 2 EGV als Rechtsgrundlage für ein gemeinschaftliches Tätigwerden auf dem Gebiet der Seeschifffahrt bezeichnet240. Nach dieser Norm kann „der Rat [. . .] mit qualifizierter Mehrheit darüber entscheiden, ob, inwieweit und nach welchem Verfahren geeignete Vorschriften für die Seeschiffahrt und Luftfahrt zu erlassen sind.“
Hiernach werden zwar durchaus seeschifffahrtsrechtliche Aspekte berührt. Der Wortlaut der Bestimmung könnte jedoch auch dahingehend ausgelegt werden, dass eine Entscheidung über das Vorliegen einer Gemeinschaftskompetenz nicht getroffen wird, vielmehr erst der Rat darüber zu befinden und den Rahmen einer solchen Kompetenz abzustecken habe. So verstanden ermächtigte Art. 80 Abs. 2 EGV den Rat zwar zu autonomer Vertragsergänzung und normierte dessen Organkompetenz, nicht aber eine Verbandskompetenz der EG. Indes verweist die Bestimmung in S. 2 auf Art. 71 EGV („Die Verfahrensvorschriften des Artikels 71 finden Anwendung“), der die Gemeinschaft zum Erlass der zur Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik erforderlichen Maßnahmen ermächtigt. Erst im Zusammenhang mit Art. 71 EGV ist Art. 80 Abs. 2 EGV eindeutig als Rechtsgrundlage für den Erlass seeschifffahrtsbezogener Rechtsakte bestimmbar241. Art. 80 Abs. 2 EGV lässt offen, was unter einem Seeschiff zu verstehen ist. Weder das primäre Gemeinschaftsrecht noch das ggf. zu berücksichtigende Sekundärrecht242 stellen eine Definition zur Verfügung, obgleich dies unter Gesichtspunkten 240 Vgl. etwa Bandtel, Dumping in der Seeschifffahrt – Gegenmaßnahmen im Recht der EU und der USA, 1998, S. 27; Lagoni (Fn. 97), S. 383; Graf Vitzthum (Fn. 50), S. 39. 241 Insofern „berührt sie [die Anwendung der Verfahrensvorschriften des Art. 71 EGV – A. P.] auch den materiellen Gehalt des Art. 80 Abs. 2 EGV“ (Frohnmeyer in: Grabitz/Hilf [Fn. 150], Art. 80 EGV, Rn. 13). Vor Ergänzung des Art. 80 Abs. 2 EGV um den Verweis auf Art. 71 (früher: Art. 75 EWGV) durch Art. 16 der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) von 1986 war die Rechtsnatur der Bestimmung unklar. Sie konnte einerseits als Ermächtigung zu autonomer Vertragsergänzung verstanden werden (so Frohnmeyer, ebd., Rn. 10; Erdmenger in: Ehlermann/Bieber [Hrsg.], Handbuch des Europäischen Rechts, I A 30, S. 103 f., Rn. 14 f.), durch deren Anwendung erst Kompetenznormen geschaffen würden. Andererseits konnte die Vorschrift in Übereinstimmung zur geltenden Rechtslage als selbständige Kompetenznorm interpretiert werden. Für diese Interpretation sprach, dass der EWGVertrag mit Art. 235 (heute: Art. 308 EGV) nur eine einzige kompetenzerschließende Vorschrift kannte, die, wie heute, zumal sachgebietsübergreifend anwendbar war.
Kap. 2: Meeresschutzbezogene Kompetenzgrundlagen
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des Ermächtigungsumfangs – etwa mit Blick auf die Frage, inwiefern Ölbohrplattformen den Seeschiffen zuzuordnen sind – erforderlich wäre. Die Regelungslücke ist im Wege einer an der Verkehrsanschauung orientierten Begriffsbestimmung zu füllen. Hiernach ist unter einem Schiff ein schwimmfähiger Hohlkörper von nicht ganz unbedeutender Größe zu verstehen, fähig und bestimmt, auf oder unter dem Wasser fortbewegt zu werden und Personen und Sachen zu tragen243.
Mit der Charakterisierung von Art. 80 Abs. 2 EGV als einschlägige Kompetenznorm ist noch nichts über die horizontale Reichweite der EG-Zuständigkeit gesagt. Ob Art. 80 Abs. 2 EGV auch die Schnittmenge von Seeschifffahrt und Meeresschutz erfasst, ob also die Gemeinschaft auf Grundlage dieser Bestimmung Maßnahmen zur Vermeidung der Meeresverschmutzung durch Schiffe treffen kann, lässt sich anhand von Wortlaut und Systematik nicht eindeutig beantworten. So könnte aus der systematischen Einordnung der Seeschifffahrt in Abs. 2 gefolgert werden, dass sich die Ermächtigung – ebenso wie Abs. 1 – ausschließlich auf das Tätigkeitsfeld „Verkehr“ (Art. 70 ff. EGV) bezieht244, mit der Folge, dass schutzbezogene Maßnahmen nicht auf Art. 80 Abs. 2 EGV gestützt werden könnten. Andererseits spricht der Wortlaut von Abs. 1 („dieser Titel“) dafür, die in Abs. 2 behandelte Seeschifffahrt den verkehrsbezogenen Bestimmungen zu entziehen. Art. 80 Abs. 2 EGV wäre als Kompetenzgrundlage für alle seeschifffahrtsrechtlichen Maßnahmen der EG zu qualifizieren245. Der EuGH hat Art. 80 Abs. 2 EGV dahingehend ausgelegt, dass die speziellen Art. 70 ff. EGV nur dann auf die Seeschifffahrt anwendbar seien, wenn der Rat dies nach dem von Art. 80 Abs. 2 EGV vorgesehenen Verfahren246 bestimme. Zuvor unterliege die Seeschifffahrt den allgemeinen Vertragsbestimmungen247. Diese Judikatur ist auf die vorliegend zu beant242 Ein primärrechtlich eingeführter Begriff kann (natürlich) nicht durch sekundärrechtliche Normen definiert bzw. modifiziert werden; Konkretisierungen sind freilich zulässig. Das Sekundärrecht liefert insofern Anhaltspunkte für die Begriffsbestimmung. 243 Herber, Seehandelsrecht, 1999, S. 83. Insofern liegt es nahe, jedenfalls solche Ölbohrplattformen als Seeschiffe im Sinne des Europarechts zu begreifen, die durch Eigenantrieb fortbewegt werden. 244 Vgl. die frühere Rechtsauffassung der Kommission bei Necker, Die Seeschifffahrt im Europäischen Recht, in: Glossner/Reimers (Hrsg.), FS für Luther, 1976, S. 113 (114). 245 Ebd. 246 Im Zeitpunkt des Urteilsspruchs war Art. 80 Abs. 2 EGV noch nicht um S. 2 ergänzt worden. Der Verweis auf das Verfahren des Art. 71 EGV hat nunmehr die Entscheidungskompetenz des Rates über das anzuwendende Verfahren verdrängt. Insofern hätten die Worte „nach welchem Verfahren“ mit Einführung von Art. 80 Abs. 2 S. 2 EGV gestrichen werden müssen; vgl. Frohnmeyer (Fn. 241), Rn. 13: „Redaktionsversehen“. 247 EuGH, Rs. 167/73, Kommission/Frankreich, Slg. 1974, 359, Rn. 29/33.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
wortende Frage nach dem (horizontalen) Kompetenzumfang zwar nicht unmittelbar anwendbar. Sie lässt sich freilich in ihrer Umkehrung in Ansatz bringen. Ist Art. 80 Abs. 2 EGV in diesem Sinne – erstens – eine Kompetenznorm, auf die – zweitens – die allgemeinen Vertragsvorschriften anzuwenden sind, weil der Rat bislang keine Beschränkung auf die Art. 70 ff. EGV beschlossen hat248, spricht die Eingliederung in den gesamtvertraglichen Kontext dafür, den Ermächtigungsumfang spiegelbildlich auf alle Maßnahmen mit schifffahrtsrechtlichem Bezug auszudehnen249. Im Hinblick auf den Umweltschutz verkörpert etwa Art. 6 EGV eine „allgemeine Vertragsvorschrift“ im Sinne des EuGH-Judikats. Wie im Falle des Bestandsschutzes steht die sachlich-gegenständliche Vorschrift Art. 80 Abs. 2 EGV demnach in einem „Anwendungsvorrang“ gegenüber dem final-orientierten Art. 175 Abs. 1 EGV. Bis vor kurzem war im Übrigen unzweifelhaft, dass die Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Seeschifffahrt konkurrierender Natur ist. Die Mitgliedstaaten waren insofern berechtigt, unter Beachtung des Rücksichtnahmegebotes (vgl. Art. 10 Abs. 2 EGV) Regelungen zu erlassen250. Analog zur konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis des Bundes251 bestand die mitgliedstaatliche Rechtsetzungsbefugnis allerdings nur insoweit, als die Gemeinschaft ihre sich aus Art. 80 Abs. 2 EGV ergebende Kompetenz noch nicht abschließend wahrgenommen hatte252. Die EG hatte zwar bereits schifffahrtsrechtliche Maßnahmen erlassen253, auf Ebene des Sekundärrechts freilich zum 248
Vgl. Erdmenger (Fn. 241), S. 104, Rn. 16. I. E. ebenso Nollkaemper/Hey, IJMCL 10 (1995), S. 281 (287). Nicht zuzustimmen ist Lagoni (Fn. 97), S. 383, wonach schifffahrtsbezogene Maßnahmen „in Einzelfällen [. . .] auch auf die Zuständigkeiten für [. . .] die marine Umwelt nach Art. 130r EGV [a. F.; der heutige Art. 174 EGV] gestützt werden“ können. Welche „Einzelfälle“ sind hier gemeint? Gründe der Rechtssicherheit und des Rechtsetzungsverfahrens erfordern eine randscharfe horizontale Kompetenzabgrenzung. 250 Frohnmeyer (Fn. 241), Rn. 21; Bandtel (Fn. 240), S. 27. Seitens der Gemeinschaft gilt ferner das Subsidiaritätsprinzip (vgl. Art. 5 Abs. 2 EGV). 251 Vgl. Art. 72 Abs. 1 GG. 252 Schröer (Fn. 67), S. 34; Oppermann (Fn. 24), S. 735, Rn. 1707, der sich zur Begründung auf „Grundsätze der Sachlogik“ beruft. 253 Vgl. z. B. Verordnung (EWG) Nr. 613/91 des Rates vom 4. März 1991 zur Umregistrierung von Schiffen innerhalb der Gemeinschaft: ABl. EG 1991, Nr. L 68, S. 1 ff.; Richtlinie 94/57/EG des Rates vom 22. November 1994 über gemeinsame Vorschriften und Normen für Schiffsüberprüfungs- und -besichtigungsorganisationen und die einschlägigen Maßnahmen der Seebehörden: ABl. EG 1994, Nr. L 319, S. 20 ff. (letzte Änd. in ABl. EG 2002, Nr. L 19, S. 9 ff.); Richtlinie 94/58/EG des Rates vom 22. November 1994 über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten: ABl. EG 1994, Nr. L 319, S. 28 ff. (ersetzt durch Richtlinie 2001/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten: ABl. EG 2001, Nr. L 136, S. 17 ff.). 249
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Teil ausdrücklich auf die verbliebene mitgliedstaatliche Kompetenz verwiesen254. Seeschifffahrt war mithin Gegenstand innergemeinschaftlicher Arbeitsteilung. Angesichts des Umstands, dass die wesentlichen Bestandteile der sog. Erika-Pakete255, mit denen die Gemeinschaft auf den Untergang des Öltankers Erika vor der bretonischen Küste reagierte, mittlerweile in Kraft getreten sind, fragt sich indes, ob die konkurrierende Gemeinschaftszuständigkeit nicht zwischenzeitlich in eine ausschließliche umgeschlagen ist. Die EG hat mit jenen Maßnahmepaketen ein europäisches Schiffssicherheitsregime ins Leben gerufen, dessen Entstehung zum Teil von zurückhaltender Skepsis, zum Teil von unverhohlen offener Ablehnung der betroffenen Wirtschaftskreise begleitet wurde. Allenthalben wurden Befürchtungen laut, die Gemeinschaft könnte auf dem Gebiet der Schiffssicherheit einen „europäischen Sonderweg“ einschlagen und damit den globalen Charakter der Seeschifffahrt schwächen256. Ob dieser Vorwurf begründet ist, ist noch zu untersuchen; auf die hier zu beantwortende Frage nach der Reichweite der Alle Rechtsakte beruhten ausweislich ihrer Erwägungsgründe auf Art. 84 Abs. 2 EWGV a. F. = Art. 80 Abs. 2 EGV. 254 So etwa in der (zwischenzeitlich aufgehobenen) Richtlinie 93/75/EWG des Rates vom 13. September 1993 über Mindestanforderungen an Schiffe, die Seehäfen der Gemeinschaft anlaufen oder aus ihnen auslaufen und gefährliche oder umweltschädliche Güter befördern (ABl. EG 1993, Nr. L 247, S. 19 ff.): „Diese Richtlinie lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, weitere Anforderungen in Bezug auf Schiffe zu stellen“ (Ende der Erwägungen). 255 Vgl. KOM(2000) 142 endg., Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Sicherheit des Erdöltransports zur See, 21. März 2000; KOM(2000) 802 endg., Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über ein zweites Paket von Maßnahmen der Gemeinschaft für die Sicherheit der Seeschifffahrt im Anschluss an den Untergang des Öltankschiffs Erika, 6. Dezember 2000. In den Paketen waren Vorschläge für eine Verschärfung der Hafenstaatkontrollen (Anlaufverbot für Substandardschiffe, intensivierte Überprüfungen), eine effektivere, europaweit einheitliche Kontrolle der Klassifikationsgesellschaften, ein Verbot von Einhüllen-Öltankschiffen, ein gemeinschaftliches Verkehrsüberwachungssystem, einen Fonds für Ölverschmutzungsschäden (COPE) und eine EG-Agentur für Seeverkehrssicherheit enthalten. Nur der europäische Fonds ist gescheitert. Hier hat man sich auf ein internationales Vorgehen geeinigt. Näher zum ganzen siehe u. Kapitel 3, III. 1. 256 Dass sich die Gemeinschaft nicht immer an den einschlägigen völkerrechtlichen Vorgaben orientiert hat, gibt die Kommission ganz offen zu. Siehe KOM(2001) 370 endg., Weißbuch, Die Europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft, 12. September 2001, S. 114: „Der gemeinschaftliche Besitzstand ist in den letzten zehn Jahren erheblich angewachsen, vor allem in den Bereichen Luft- und Seeverkehr. Im Gegensatz zu früher handelt es sich bei diesem Gemeinschaftsrecht nicht mehr nur um die einfache Übernahme internationaler Übereinkünfte. Die Gemeinschaft hat spezielle Regelungen erlassen, die sich nicht immer mit den Empfehlungen oder Übereinkünften der internationalen Organisationen decken.“
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
Gemeinschaftskompetenz hat er keinen Einfluss. Da die Maßnahmen der Erika-Pakete ausnahmslos schiffssicherheitsspezifischen Fragen gewidmet sind, bleibt es insgesamt bei der konkurrierenden Zuständigkeit der EG257. Art. 80 Abs. 2 EGV erfasst, wie gesagt, eben nicht nur jene sicherheitsrelevanten Aspekte, sondern alle schifffahrtsbezogenen Fragestellungen. b) EG und IMO Im Rahmen des Tätigkeitsfeldes „Schifffahrt“ ist stets zu berücksichtigen, dass auf universeller Ebene mit der International Maritime Organization (IMO) eine internationale Organisation existiert, die unter anderem für die Sicherheit des Seeverkehrs zuständig ist258. Schifffahrtsrechtliche Aktivitäten der EG werden deshalb vielfach skeptisch beurteilt259. Rechtspolitisch wird diesbezüglich vor allem der globale Charakter der Seeschifffahrt angeführt, nicht ohne Grund, fiele doch im Falle einer Regionalisierung des Schifffahrtsrechts das Verhältnis von einschlägiger Nutzungsebene (globale Schifffahrt) einerseits und korrespondierender Rechtsschicht (universelles Völkerrecht) andererseits auseinander. Eine Zersplitterung des geltenden Schifffahrtregimes stünde ebenso wie eine Beeinträchtigung des weltweiten Wettbewerbs der Schifffahrtsunternehmen zu befürchten. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint eine einheitliche und exklusive Regelung der Sicherheit im Seeverkehr durch die IMO vorzugswürdig. Vereinzelt wird aus der universellen Zuständigkeit der IMO sogar gefolgert, die entsprechende Kompetenz der Gemeinschaft sei nicht nur politisch, sondern auch im Rechtssinne umfangmäßig begrenzt. In diesem Sinne behauptet Gerhard Stadler: „Die Gewährleistung der Einheitlichkeit der Sicherheitsbestimmungen für Seeschiffe obliegt weltweit der im Rahmen der UN tätigen Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO. Damit ist die Möglichkeit der EU begrenzt, eigenständige 257
Vgl. dazu auch die Rechtsprechung des EuGH in den „Open Skies“-Urteilen: Rs. C-475/98, Kommission/Österreich, Slg. 2002, I-9797, Rn. 108; Rs. C-476/98, Kommission/Deutschland, Slg. 2002, I-9855, Rn. 119; Frenz (Fn. 185), S. 100. 258 Dazu siehe o. Zweiter Teil, Kapitel 2, I. 1. (Einleitung). 259 Siehe nur die Polemik von Werbke, Schiffskontrollen auf See, in: Koch/Lagoni (Hrsg.), Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee, 1996, S. 181 (201); ders., AVR 32 (1994), S. 405 (414 ff.); Lagoni (Fn. 97), S. 395 f.; Nöll, Europäisches Recht in der Seeschiffahrt, in: Lagoni/Paschke (Hrsg.), Seehandelsrecht und Seerecht, FS für Herber, 1999, S. 463 (474); Herma/Jenisch, Maritime Sicherheit im Ostseeraum, Gutachten im Auftrag des Landtages Mecklenburg-Vorpommern, Umweltausschuss, Ausschussdrucksache 3/70, 2001, S. 13 f. m. w. N. Das Tätigwerden der EG positiver beurteilend etwa de Dieu, EU Policies Concerning Ship Safety and Pollution Prevention Versus International Rule-Making, in: Ringbom (Hrsg.), Competing Norms in the Law of Marine Environmental Protection, 1997, S. 141 (151).
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Sicherheitsvorschriften zu erlassen; sie kann aber die Maßnahmen der IMO ergänzen und Vorschriften für deren effiziente Kontrolle schaffen.“260
Diese Stellungnahme überrascht: Umfang und Reichweite der Rechte und Pflichten einer internationalen Organisation bestimmen sich bekanntlich grundsätzlich allein nach dem Gründungsstatut. Die Rechtskreise zweier internationaler Organisationen sind selbst im Falle der Überschneidung ihrer Tätigkeitsbereiche voneinander unabhängig, soweit nicht in den Gründungsverträgen etwas anderes – etwa durch ausdrückliche Abgrenzung der Kompetenzbereiche – vorgesehen ist. Allerdings ist in Betracht zu ziehen, dass sich die völkerrechtliche Bindung der EG bzw. die ihrer Mitgliedstaaten auf die Reichweite der Gemeinschaftskompetenz auswirkt261. Voraussetzung dafür wäre eine Bindung der Gemeinschaft an die Vorgaben des Völkerrechts. Dies ist unter zwei Gesichtspunkten denkbar: Zum einen im Sinne einer unmittelbaren, originären Bindung, zum anderen im Wege einer mittelbaren, gleichsam von den Mitgliedstaaten abgeleiteten, letztlich also innergemeinschaftlichen Verpflichtung. Der erstgenannte Gesichtspunkt kann dabei durch eine Unterscheidung zwischen der interorganisationsrechtlichen Beziehung IMO/EG einerseits und einer möglichen Bindung der Gemeinschaft an die „Rechtsetzungstätigkeit“ der IMO andererseits konkretisiert werden. Völkerrechtliche Bindung Im Hinblick auf jene interorganisationsrechtliche Beziehung ist festzustellen, dass eine IMO-Mitgliedschaft der Gemeinschaft wegen Art. 5 des Übereinkommens über die Internationale Seeschifffahrts-Organisation vom 15. November 1979 (IMO-Ü)262 ausgeschlossen ist: „Alle Staaten können nach Maßgabe dieses Teiles Mitglieder der Organisation werden.“263 260 In: Schwarze (Fn. 20), Art. 80 EGV, Rn. 6 (Hervorhebung hinzugefügt). Ähnlich Erdmenger in: Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), EU-/EG-Vertrag, Bd. 1, 5. Aufl. 1997, Art. 84, Rn. 61. 261 Siehe dazu auch die schriftliche Anfrage E-2922/01 an die Kommission (ABl. 2001, Nr. C 115 E, S. 193): „Darf die EU im Bereich der Seesicherheit Regeln erlassen, die im Widerspruch zu denen der IMO stehen?“ In ihrer Antwort vom 17. Oktober 2001 hat Kommissarin de Palacio geantwortet, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die EG Bestimmungen erlasse, „die gegenüber denen der IMO einen Mehrwert darstellen, soweit es die Rechtsgrundlagen, mit denen sie durch den Vertrag ausgestattet ist, erlauben.“ (ebd., S. 194). 262 BGBl. 1982 II, S. 873 ff. 263 Hervorhebung hinzugefügt. – Eine Substituierung der Gemeinschaft scheitert am Fehlen eines entsprechenden Willens der Mitgliedstaaten. Siehe Stein, Der gemischte Vertrag im Recht der Außenbeziehungen der Europäischen Wirtschaftsge-
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
Auf dem Schifffahrtssektor konnte die Gemeinschaft ihr wirtschaftliches Gewicht infolgedessen bislang nur bedingt zur Geltung bringen. Teilweise ist es den EG-Mitgliedstaaten nicht einmal gelungen, innerhalb der IMO mit einer Stimme zu sprechen, obwohl sie dies zuvor vereinbart hatten264. Zuletzt hat sich die Gemeinschaft verstärkt um eine IMO-Mitgliedschaft bemüht265, was freilich eine Änderung des IMO-Ü voraussetzt. Unabhängig vom Umfang der sich aus einer IMO-Mitgliedschaft ergebenden Rechte und Pflichten kommt jedenfalls zur Zeit eine Bindung der Gemeinschaft im Sinne der ersten Alternative nicht in Betracht. Zwar haben IMO und EG ein Kooperationsabkommen geschlossen, das am 28. Juni 1974 in Kraft trat266, und im Wege dessen sich die Gemeinschaft ihrer Regelungskompetenz gegenüber der IMO, d. h. mit Außenwirkung, hätte begeben können. Das ist jedoch nicht geschehen. Das Kooperationsabkommen betrifft lediglich technische Fragen der Zusammenarbeit und bleibt daher kompetenzrechtlich ohne Bedeutung. Mit Blick auf die an zweiter Stelle genannte Möglichkeit einer Kompetenzbeschränkung ist theoretisch denkbar, dass sich die EG im Wege völkerrechtlicher Zustimmung an die von der IMO beschlossenen Übereinkommen bindet267, wegen Art. 300 Abs. 7 EGV mit innergemeinschaftlicher Wirkung. Allerdings sahen die bisherigen Übereinkommen eine Beteiligung von inter- bzw. supranationalen Organisationen grundsätzlich nicht vor. Der Rat konnte den EG-Mitgliedstaaten den Abschluss jener Übereinkommen lediglich empfehlen268. Gleiches gilt für die sich aus Codes, Richtlinien meinschaft, 1986, S. 100 f. Zum Sonderfall GATT vgl. EuGH, Verb. Rsen. 21-24/ 72, International Fruit Company NV u. a./Produktschap voor Groenten en Fruit, Slg. 1972, 1219, Rn. 14/18; Rs. 38/75, Zollagent der NV Nederlandse Spoorwegen/Inspektor der Einfuhrzölle und Verbrauchssteuern, Slg. 1975, 1439, Rn. 15/16. 264 Vgl. etwa Bull. EU 6/2001, Nr. 1.4.57. 265 KOM(2001) 370 endg., Weissbuch, Die Europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft, 12. September 2001, S. 113: „Dieser Situation muss rasch abgeholfen werden durch den Beitritt der Gemeinschaft zu den zwischenstaatlichen Organisationen, die Vorschriften für den Verkehr erlassen [. . .].“ Siehe auch die Pressemitteilung IP/02/525 v. 9. April 2002 „Strength through unity: the Commission asks for the European Community’s accession to the ICAO and the IMO“; KOM(2002) 681 endg., Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat zur Erhöhung der Sicherheit im Seeverkehr nach dem Untergang des Öltankschiffs „Prestige“, 3. Dezember 2002, S. 14. 266 Bull. EG 6/1974, Nr. 2327. 267 Diesbezüglich ist wegen Art. 5 WVK die Wiener Vertragsrechtskonvention nicht anwendbar. Arten der Zustimmung, durch die eine inter- bzw. supranationale Organisation an einen völkerrechtlichen Vertrag gebunden wird, sind in Art. 11 Abs. 2 des (noch nicht in Kraft getretenen) Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen vom 21. März 1986 (WVKIO: BGBl. 1990 II, S. 1414 ff.) aufgelistet.
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(Guidelines) und Empfehlungen (Recommendations) zusammensetzende zweite Art der „IMO-Rechtsetzungstätigkeit“269: Die Maßnahmen sind unverbindlich, soweit nicht ihr Regelungsgehalt auf nationaler Ebene entsprechend umgesetzt wird oder bereits zuvor auf der völkerrechtlichen in die (rechtsverbindlichen) IMO-Konventionen inkorporiert – verbindlich gemacht – wurde. Die Bestimmungen der IMO-Konventionen verkörpern auch kein ius cogens; diesbezüglich fehlt es, wie unschwer an der jeweiligen Anzahl der Vertragsparteien abzulesen ist270, an der Annahme und Anerkennung durch die „internationale Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit“ (Art. 53 WVK). Anderes gilt im Hinblick auf die gewohnheitsrechtliche Geltung des Inhalts einiger IMO-Konventionen271. Sie binden grundsätzlich alle Völkerrechtssubjekte, d. h. auch inter- und supranationale Organisationen272. Albert Bleckmann hat nachgewiesen, dass diese Bindung unabhängig von der Frage besteht, ob internationale Organisationen an der Ausbildung von Gewohnheitsrecht (Staatenpraxis) mitwirken können, sind doch „die staatlichen Funktionen in weitem Umfang auf internationale Organisationen übergegangen“273, zumal letztere ihre Rechtspersönlichkeit bekanntlich von einem entsprechenden Willen der Mitgliedstaaten ableiten. Die EG, die das SRÜ ratifiziert hat, ist im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches darüber hinaus an die Bestimmungen der Meeresverfassung gebunden, die ihrerseits punktuell als Einfallstore für das IMO-Recht dienen274. Insofern wäre der Erlass sekundärrechtlicher Maßnahmen, die den diesbezüglich einschlägigen Regeln des Völkerrechts widersprechen, völkerrechtswidrig.
Innergemeinschaftliche Bindung Aus der (ohnehin nur partiellen) völkerrechtlichen Bindung der Gemeinschaft an das IMO-Recht folgt indes noch keine innergemeinschaftliche Bindung, d. h. eine Zuständigkeitsbegrenzung gegenüber den Mitgliedstaa268 Vgl. die Empfehlung des Rates vom 26. Juni 1978 über die Ratifikation von Übereinkommen über die Sicherheit im Seeverkehr: ABl. EG 1978, Nr. L 194, S. 17 ff. – Gemäß Art. 249 Abs. 5 EGV sind „Empfehlungen [. . .] nicht bindend“. 269 Dazu siehe o. Zweiter Teil, Kapitel 2, I. 1. (Einleitung). 270 Nachweise unter Zweiter Teil, Fn. 267. 271 Siehe o. Zweiter Teil, Kapitel 1, I. 1. a) („Das Problem der Nichtbegünstigungsklausel“). 272 Interpretation of the Agreement of 25 March 1951 between the WHO and Egypt, ICJ Reports 1980, 73, 89; EuGH, Rs. 162/96, A. Racke GmbH & Co./ Hauptzollamt Mainz, Slg. 1998, I-3655, Rn. 45; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der internationalen Organisationen einschließlich der supranationalen Gemeinschaften, 7. Aufl. 2000, S. 223, Rn. 1512; Hach, Völkerrechtliche Pflichten zur Vermeidung grenzüberschreitender Luftverschmutzung in Europa, 1993, S. 162 ff.; Vedder (Fn. 184), Rn. 43. Vgl. auch Brubaker, Marine Pollution and International Law, 1993, S. 59. 273 Bleckmann, ZaöRV 37 (1977), S. 107 (117). Zum ganzen siehe auch u. den Ausblick. 274 Dazu siehe o. Zweiter Teil, Kapitel 1, I. 2.
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ten. Bestand und Reichweite der Gemeinschaftskompetenzen hängen gemäß dem Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten allein vom Umfang der Kompetenzzuweisungen durch die Mitgliedstaaten ab. Diese Zuweisungen erfolgen innerhalb der autonomen Gemeinschaftsrechtsordnung; das Völkerrecht ist diesbezüglich grundsätzlich unanwendbar, es sei denn, die Gemeinschaftsrechtsordnung enthält eine im konkreten Fall einschlägige Öffnungsklausel275. Sekundärrechtliche Maßnahmen, die den Vorgaben des Völkerrechts widersprechen, sind insofern u. U. zwar völkerrechtswidrig, nicht aber kompetenzwidrig. Es ist streng zwischen dem Außenverhältnis und dem Innenverhältnis zu unterscheiden, die Frage nach möglichen Begrenzungen der Gemeinschaftskompetenzen anhand der Vorgaben des Gemeinschaftsrechts zu beantworten276. Der EG-Vertrag stellt mit Art. 307 EGV eine dem Verhältnis des Primärrechts zu früheren Verträgen der Mitgliedstaaten gewidmete Kollisionsnorm zur Verfügung. Im Unterschied zu Art. 106 Abs. 1 EAGV ordnet sie keine Vertragsübernahme an; eine unmittelbare Bindung der Gemeinschaft an die völkerrechtlichen Verpflichtungen ihrer Mitgliedstaaten scheidet deshalb aus277. Eine innergemeinschaftliche Kompetenzbegrenzung könnte sich aber daraus ergeben, dass die völkerrechtliche Bindung der EG-Mitgliedstaaten kraft Art. 307 EGV auf die innergemeinschaftliche Ebene durchschlägt, die Autonomie der Gemeinschaftsrechtsordnung im Sinne einer Selbstbeschränkung also durchbrochen wird. Art. 307 EGV verdient daher besondere Aufmerksamkeit. Sein Abs. 1 lautet: „Die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor dem 1. Januar 1958 oder, im Falle später beigetretener Staaten, vor dem Zeitpunkt ihres Beitritts zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten einerseits und einem oder mehreren dritten Ländern andererseits geschlossen wurden, werden durch diesen Vertrag nicht berührt.“
Soweit hiernach der EG-Vertrag die anderweitige völkerrechtliche Bindung der Mitgliedstaaten „nicht berührt“, spricht der Wortlaut von Art. 307 275
Ein Beispiel ist Art. 300 Abs. 7 EGV. Die Bestimmung gilt indes nur für Abkommen der EG, nicht für Verträge ihrer Mitgliedstaaten. Sie ist auch nicht auf das Völkergewohnheitsrecht anwendbar. Der EG-Vertrag enthält insofern keine Art. 24 Abs. 1 GG entsprechende Regelung. – Zum Sonderproblem der gemischten Übereinkommen siehe u. Kapitel 4, I. 2. 276 Völkerrechtliche Lösungsmodelle untersucht Meißner, Das Recht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Verhältnis zur Rheinschiffahrtsakte von Mannheim, 1973, S. 81–103. Die Gemeinschaftsrechtsordnung war im Jahre 1973 noch nicht im selben Umfang autonom wie dies heute der Fall ist. 277 Ebd, S. 106 f. A. A. offenbar Krück, Völkerrechtliche Verträge im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 1977, S. 139: „Die Gemeinschaftskompetenzen [reichen] originär nur soweit [. . .], wie dies angesichts der völkerrechtlichen Bindung ihrer Mitgliedstaaten möglich [ist]“ (Hervorhebung hinzugefügt). Es bleibt unklar, woraus sich jene originäre Bindung ergeben soll.
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Abs. 1 EGV, eine „Vorschrift von allgemeiner Tragweite“278, für einen (nur) im Kollisionsfall geltenden Anwendungsvorrang des Völkervertragsrechts. Zwar scheint vorliegendes Problem auf den ersten Blick keines der Pflichtenkollision zu sein, da diese erst mögliche Folge eines Kompetenzkonfliktes zweier internationaler Organisationen ist, während hier eine Antwort auf die logisch vorgelagerte Frage nach einer Zuständigkeitsbegrenzung gesucht wird. Verpflichtete Art. 307 EGV die Gemeinschaft indes gegenüber ihren Mitgliedstaaten, hätte dies eine Zuständigkeitsbegrenzung zur Folge; die Vorschrift verfügte über mittelbar-rechtsgestaltende Wirkung279. Obwohl nun der Wortlaut von Art. 307 Abs. 1 EGV – im Unterschied übrigens zu dem des (nicht mehr geltenden) Art. 71 Abs. 3 S. 1 EGKSV280 – eine Sperrwirkung zugunsten früherer Verträge der Mitgliedstaaten nicht ausdrücklich anordnet, ist für eine solche Wirkung das Telos der Bestimmung in Ansatz zu bringen. So ist die Norm Ausdruck der „Völkerrechtsfreundlichkeit der Gemeinschaft“281 – es geht um den völkerrechtlichen Grundsatz pacta sunt servanda; sie will insofern gerade nicht ausschließen, dass „Übereinkünfte“ im Sinne von Abs. 1 innergemeinschaftliche Auswirkungen haben. Bliebe die völkerrechtliche Bindung der Mitgliedstaaten ohne Einfluss auf die Kompetenzen der EG, könnte diese Maßnahmen erlassen, die von jenen Verpflichtungen inhaltlich abweichen, und sie im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens (vgl. Art. 226, 228 Abs. 2 EGV) durchsetzen. Im Kollisionsfall gerieten die Mitgliedstaaten in eine „unlösbare Pflichtenschere“282. Der Grundsatz pacta sunt servanda würde missachtet, obwohl doch Art. 307 EGV diesem Grundsatz zu innergemeinschaftlicher Geltung aufhelfen soll. Die Norm würde schlechterdings zweckentfremdet, 278
EuGH, Rs. 812/79, Strafverfahren gegen Juan C. Burgoa, Slg. 1980, 2787, Rn. 6. 279 In diesem Sinne neben dem im Text erwähnten Zitat etwa Ganshof van der Meersch, RdC 148 (1975-V), S. 1 (177–179); Krück (Fn. 277), S. 139 f. A. A. Vedder in: Grabitz/Hilf (Fn. 102), Art. 234 EWGV, Rn. 5. 280 Art. 71 Abs. 3 S. 1 EGKSV lautete: „Die Regierungen der Mitgliedstaaten leisten sich gegenseitig den erforderlichen Beistand für die Anwendung der Maßnahmen, die nach Feststellung der Hohen Behörde mit diesem Vertrag und den geltenden internationalen Abkommen im Einklang stehen“ (Hervorhebung hinzugefügt). – Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass der EGKS-Vertrag weit weniger supranational ausgerichtet war als der EG-Vertrag. Entgegen Meißner (Fn. 276), S. 108, folgte aus Art. 71 Abs. 2 EGKSV keine innergemeinschaftliche Zuständigkeitssperre. Diese Bestimmung betraf ausweislich ihres Wortlautes ausschließlich die Außenkompetenzen („gegenüber dritten Ländern“) der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. 281 Krück in: Schwarze (Fn. 20), Art. 307 EGV, Rn. 2. 282 Meißner (Fn. 276), S. 111.
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„wenn mit ihr nicht stillschweigend eine Verpflichtung der Gemeinschaftsorgane begründet würde, die Erfüllung der Pflichten, die sich für die Mitgliedstaaten aus früheren Übereinkünften ergeben, nicht zu behindern.“283
Somit ist eine innergemeinschaftliche Verpflichtung der Gemeinschaft jedenfalls anzunehmen, soweit die betreffende, dem Primärrecht widersprechende völkerrechtliche Verpflichtung – begründet etwa durch eine IMOKonvention – die Gesamtheit aller Mitgliedstaaten betrifft. Innergemeinschaftliche Verpflichtung bedeutet Kompetenzbegrenzung bzw. Selbstbeschränkung, weil jedes hoheitliche Tätigwerden der EG in dem Fall, dass sein Inhalt in Widerspruch zur völkerrechtlichen Bindung der Mitgliedstaaten tritt, letztere bei Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten behindert284. Zum Teil sind unter Hinweis auf Art. 307 Abs. 2 EGV Bedenken hinsichtlich der Annahme innergemeinschaftlicher Kompetenzbegrenzungen artikuliert worden285: Diese Bestimmung gehe unzweifelhaft von der Möglichkeit einer Kollision aus. Dem ist zuzugestehen, dass bei Annahme einer Zuständigkeitsbegrenzung der Erlass kollidierenden Sekundärrechts in der Tat von vorne herein rechtlich unmöglich ist. Freilich wird die Kollision bei näherer Betrachtung bereits durch den Bestand der Gemeinschaftskompetenz ausgelöst; Art. 307 Abs. 2 EGV spricht denn auch von Übereinkünften, die „mit diesem Vertrag nicht vereinbar sind“286. Hiernach sind Zuständigkeitsbegrenzungen Mittel zur Auflösung von Vertragskollisionen, zumal ein Beitritt der EG zu den einschlägigen IMO-Konventionen – wie verdeutlicht – nicht möglich ist. Die gemäß Art. 307 Abs. 2 EGV bestehende Pflicht der Mitgliedstaaten, festgestellte Unvereinbarkeiten zu beheben, ist bei konsequenter Auslegung von Art. 307 EGV somit eng mit dem Umstand verknüpft, dass die Gemeinschaft wegen Art. 307 Abs. 1 EGV ihrerseits zur Achtung der völkerrechtlichen Bindung der Mitgliedstaaten verpflichtet ist287, Ausdruck auch des wechselseitig geltenden, aus Art. 10 EGV folgenden allgemeinen Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit288.
283 EuGH, Rs. 812/79, Strafverfahren gegen Juan C. Burgoa, Slg. 1980, 2787, Rn. 9 (Hervorhebung hinzugefügt). 284 Siehe auch EuGH, Verb. Rsen. C-364, 365/95, Post/Hauptzollamt Hamburg, Slg. 1998, I-1023, Rn. 61: „Um festzustellen, ob eine Gemeinschaftsbestimmung gegenüber einer früher geschlossenen völkerrechtlichen Übereinkunft zurückzutreten hat, ist demnach zu prüfen, ob diese Übereinkunft dem betreffenden Mitgliedstaat Verpflichtungen auferlegt, deren Erfüllung die Drittländer, die Parteien der Übereinkunft sind, noch verlangen können.“ I. E. wie hier auch Nollkaemper/Hey (Fn. 249), S. 298. 285 Etwa von Meißner (Fn. 276), S. 109 ff. und Vedder (Fn. 279), a. a. O. 286 Hervorhebung hinzugefügt. Das bedeutet nicht, dass das sekundäre Gemeinschaftsrecht von der Regelung des Art. 307 EGV ausgeschlossen wäre; andernfalls könnte es als das im Verhältnis zum Primärrecht schwächere Recht die völkerrechtlichen Bindungen der Mitgliedstaaten verdrängen. Vgl. Meißner (Fn. 276), S. 81. 287 Insofern besteht zwischen Abs. 1 und Abs. 2 des Art. 307 EGV keine Diskrepanz. A. A. Meißner (Fn. 276), S. 111. 288 Dazu EuGH, Rs. 230/82, Luxemburg/Europäisches Parlament, Slg. 1983, 255, Rn. 37; Rs. C-2/88IMM, Strafverfahren gegen J. J. Zwartveld u. a., Slg. 1990, I-
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Gleiches muss im Übrigen gelten, wenn nur einer oder mehrere Mitgliedstaaten aus Altverträgen verpflichtet sind. Dafür spricht zum einen, dass diese Konstellation vom Wortlaut des Art. 307 Abs. 1 EGV ausdrücklich erfasst wird („einem oder mehreren Mitgliedstaaten“). Zum anderen erfordert das vom EuGH vielfach betonte289 Gebot der einheitlichen Anwendung und Durchführung des Gemeinschaftsrechts auch in solchen Fällen eine Begrenzung der Gemeinschaftszuständigkeiten. Andernfalls könnte die EG gegenüber einigen Mitgliedstaaten hoheitliche Maßnahmen treffen, gegenüber den völkerrechtlich verpflichteten hingegen nicht. Eine Kompetenzbegrenzung tritt erst dann nicht ein, wenn dies für die Wirksamkeit der hoheitlichen Maßnahmen nicht erforderlich ist290. Ist dies nicht der Fall, besteht also kein Bedarf etwa nach einheitlicher Geltung des Sekundärrechts, kann die Gemeinschaft selektiv Recht setzen: partielle Zuständigkeitsbegrenzung. Gleiches muss (natürlich) gelten, wenn die völkerrechtlichen Pflichten lediglich Mindeststandards darstellen, über die innergemeinschaftlich ohne weiteres hinausgegangen werden kann. Demnach ist die Sperrwirkung des Völkerrechts für jede einzelne IMOKonvention selbständig festzustellen. Obwohl auch das IMO-Ü ein völkerrechtlicher Vertrag im Sinne von Art. 307 Abs. 1 EGV ist291, erwächst, wie 4405, Rn. 10. Siehe auch Herdegen (Fn. 2), S. 76, Rn. 94; Koenig/Haratsch (Fn. 2), S. 48, Rn. 119. 289 EuGH, Rs. 94/71, Schlüter & Maak/Hauptzollamt Hamburg-Jonas, Slg. 1972, 307, Rn. 11; Rs. 39/72, Kommission/Italien, Slg. 1973, 101, Rn. 17; Rs. 205-215/ 82, Deutsche Milchkontor GmbH u. a./Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1983, 2633, Rn. 32. Dazu vgl. auch Bourgeois, MLR 82 (1983/84), S. 1250 (1259): „its most fundamental characteristic“. 290 So zu Recht Krück (Fn. 277), S. 139. 291 Art. 307 Abs. 1 EGV gilt auch für Gründungsverträge internationaler Organisationen. Zwar trat das IMO-Ü erst am 17. März 1958, d. h. kurz nach dem in Art. 307 Abs. 1 EGV genannten Zeitpunkt (1. Januar 1958, siehe dazu sogleich im Haupttext) in Kraft. Art. 307 EGV setzt jedoch nicht voraus, dass die betroffene Übereinkunft schon in Kraft getreten ist. Vielmehr ist von Verträgen die Rede, die „vor dem 1. Januar 1958 [. . .] geschlossen wurden“ (Hervorhebung hinzugefügt). Der Unterschied kann durch einen Blick auf die WVK verdeutlicht werden: Während sich der Vertragsabschluss auf einen konkreten Vertragsstaat bezieht und mit dessen Zustimmung endet, setzt das In-Kraft-Treten des Vertrags die Zustimmung einer genau bestimmten Anzahl von Staaten voraus. In diesem Sinne unterscheidet Teil II WVK zwischen dem „Abschluß von Verträgen“ (Abschnitt 1) und dem „InKraft-Treten [. . .] von Verträgen“ in Abschnitt 3. Da Art. 307 EGV unter anderem Ausdruck einer „völkerrechtskonformen Integration“ (Krück [Fn. 281], Rn. 2) ist, erscheint eine Auslegung seines Anwendungsbereichs vor dem Hintergrund der Vorgaben der WVK sachgerecht und geboten. Die Rechtsgedanken der WVK sind gemäß Art. 5 auf Gründungsverträge internationaler Organisationen anwendbar. Mithin unterliegt das IMO-Ü dem Anwendungsbereich von Art. 307 EGV. Bereits vor dem 1. Januar 1958 hatten verschiedene Staaten, darunter sowohl Mitgliedstaaten der E(W)G wie etwa Frankreich, Belgien und die Niederlande, als auch Drittstaaten
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gezeigt, weder aus ihm noch aus der bloßen IMO-Mitgliedschaft die Rechtsverbindlichkeit der IMO-Konventionen. Eine direkte Anwendung von Art. 307 EGV ist allerdings ausgeschlossen292. Die wichtigsten Übereinkommen wurden zwar jeweils von wenigstens einem, in der Regel sogar dem Großteil der EG-Mitgliedstaaten ratifiziert. Indes geschah dies in keinem einzigen Fall vor dem maßgeblichen, in Art. 307 Abs. 1 EGV genannten Datum (1. Januar 1958). Da aber Art. 307 Abs. 1 EGV Konkretisierung des völkerrechtlichen Grundsatzes pacta sunt servanda ist, muss er gleichsam analog auf völkerrechtliche Verträge angewendet werden, die nach dem 1. Januar 1958 zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten einerseits und einem oder mehreren dritten Staaten andererseits geschlossen wurden293. Zum einen stellt das europäische Primärrecht keine andere einschlägige, das Verhältnis Völkerrecht/Europarecht betreffende Vorschrift zur Verfügung, weshalb die für eine Analogiebildung nach gängiger Rechtsmethodik erforderliche Regelungslücke vorhanden ist294. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass die Interessenlage von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten je nachdem unterschiedlich wäre, ob eine Pflichtenkollision vor oder nach dem 1. Januar 1958 eintrat. Folglich findet Art. 307 Abs. 1 EGV auf die aus den IMO-Konventionen folgenden Verpflichtungen der EG-Mitgliedstaaten Anwendung. Letzteres gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Mitgliedstaaten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für das Tätigkeitsfeld „Seeschifffahrt“ zuständig sind. Derzeit verfügen sie über eine konkurrierende Zuständigkeit295. Ob dies im Hinblick auf Art. 307 EGV genügt, ließe sich – nicht zuletzt eingedenk der im Anschluss an die Erika-Katastrophe festzustellenden Verdichtung des gemeinschaftlichen Schiffssicherheitsregimes – mit dem Argument anzweifeln, das gemeinschaftsrechtliche Rücksichtnahmegebot (vgl. Art. 10 Abs. 2 EGV) verbiete es den Mitgliedstaaten, die Verwirklichung der Vertragsziele – darunter „eine gemeinsame Politik auf dem Gebiet des Verkehrs“ (Art. 3 Abs. 1 lit. f EGV) – durch völkerrechtliche Bindungen zu gefährden296. In der Konsequenz wäre dann freilich jede konkurrierende Gemeinschaftszuständigkeit in eine ausschließliche umzu(unter anderem Australien und Argentinien) durch Unterzeichnung bzw. Annahme (vgl. Art. 74 i.V. m. Art. 71 IMO-Ü) dem IMO-Ü zugestimmt. 292 Vgl. EuGH, Verb. Rsen. C-364, 365/95, Post/Hauptzollamt Hamburg, Slg. 1998, I-1023, Rn. 61. 293 Allg. Meinung, siehe etwa Bernhardt, EuR 18 (1983), S. 199 (205); Vedder (Fn. 279), Rn. 21; Krück (Fn. 281), Rn. 15; Bourgeois (Fn. 289), S. 1259. 294 Der Rückgriff auf das allgemeine Völkerrecht – etwa den lex posteriorGrundsatz – zu Zwecken der Lückenausfüllung würde der integrationsfördernden Ausprägung von Art. 307 EGV in Absatz 2 nicht gerecht. 295 Siehe o. a). 296 So Vedder (Fn. 279), Rn. 21.
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deuten, sobald sich ein gemeinschaftliches Tätigkeitsfeld zu verdichten droht. Ein solcher Automatismus wäre schwerlich mit dem Ausnahmecharakter der ausschließlichen Gemeinschaftskompetenzen vereinbar297. Auch der Grundsatz vom Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts fordert kein anderes Ergebnis; wie der Name schon sagt, widmet er sich lediglich der Frage, ob das nationale Recht weiterhin angewendet werden darf, nicht hingegen, ob die Mitgliedstaaten überhaupt rechtsetzungsbefugt sind. Folge des Anwendungsvorrangs ist demnach allenfalls eine nur „faktische Einbuße an Kompetenzen bei den Mitgliedstaaten“298. Das Rekurrieren auf Art. 10 Abs. 2 EGV vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Nach dieser Bestimmung unterlassen die Mitgliedstaaten „alle Maßnahmen, welche die Verwirklichung der Ziele dieses Vertrags gefährden könnten.“
Art. 10 Abs. 2 EGV bezieht sich demnach nicht auf den Umfang der den Mitgliedstaaten verbleibenden Kompetenzen, sondern normiert eine Rechtspflicht, die vorhandenen EG-Zuständigkeiten nicht zu unterlaufen. Entgegen Christoph Vedder299 kann das Rücksichtnahmegebot deshalb auch nicht als Argument für die These herangezogen werden, die analoge Anwendung von Art. 307 EGV setze eine ausschließliche Vertragsschlusskompetenz der Mitgliedstaaten voraus. Sinn und Zweck von Art. 307 EGV bestehen darin, den völkerrechtlichen Grundsatz pacta sunt servanda (Abs. 1) auf integrationsfreundliche Weise (Abs. 2) in das Gemeinschaftsrecht zu lesen – im Unterschied zu Art. 300 Abs. 7 EGV freilich weniger im Sinne einer Vergemeinschaftung des Völkerrechts denn einer Öffnung der Gemeinschaftsrechtsordnung zwecks Harmonisierung beider Rechtsgebiete300. Würde die analoge Anwendung der Norm im Falle konkurrierender Vertragsschlusskompetenzen abgelehnt, bliebe die Rechtspflicht, auftretende Konflikte zugunsten des Gemeinschaftsrechts zu lösen (vgl. Abs. 2), unberücksichtigt – ein integrationsfeindlicher Ansatz, mit Hilfe dessen doch eigentlich der Gefahr begegnet werden soll, „die Ausübung der Gemeinschaftskompetenzen nicht durch [. . .] völkerrechtliche Bindungen zu präjudizieren“301. Realitätsfern ist es, die Aufnahme von Kündi297
Siehe dazu o. I. 1. d). Schröer (Fn. 67), S. 34. 299 Vedder (Fn. 279), Rn. 21. 300 Vgl. dazu Peters, GYIL 40 (1997), S. 9 (23 ff., 28 ff.), die von einer „communitarization of international law“ (ebd., S. 35) spricht. 301 Vedder (Fn. 279), Rn. 21. Im Übrigen ist es nicht überzeugend, wenn sich Vedder (ebd., a. E.) zur Stützung seiner These auf die Kramer-Rechtsprechung des EuGH beruft. Die Aussagen des Gerichtshof sprechen, im Gegenteil, für die hier vertretene Auffassung. So heißt es in Rn. 39 des Urteils: „Da die Gemeinschaft ihre Aufgaben auf diesem Gebiet [Bestandserhaltung] noch nicht in vollem Umfang wahrgenommen hatte, [. . .] [waren] die Mitgliedstaaten zur Zeit des von den vorlegenden Gerichten zu beurteilenden tatsächlichen Geschehens befugt [. . .], im Rahmen des Übereinkommens über die Fischerei im Nordostatlantik Verpflichtungen 298
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
gungs- oder EG-Klauseln in die von den Mitgliedstaaten geschlossenen Verträge zu fordern302; der Hinweis auf die überaus problematische Aushandlung der EG-Klausel Art. 305 Abs. 1 lit. f SRÜ mag hier genügen. Somit schließt der Bestand konkurrierender Vertragsschlusskompetenzen die analoge Anwendung von Art. 307 EGV auf Übereinkünfte, die vor oder nach dem 1. Januar 1958 unter den genannten Voraussetzungen geschlossen wurden, nicht aus. Art. 307 EGV ist auf das Tätigkeitsfeld „Seeschifffahrt“ in vollem Umfang anwendbar.
Nach alledem ist die Kompetenz der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Seeschifffahrt infolge der universellen IMO-Zuständigkeit gemäß Art. 307 EGV insoweit begrenzt, als die EG-Mitgliedstaaten völkerrechtlich an die IMO-Rechtsetzungstätigkeit gebunden sind. Trifft die Gemeinschaft Maßnahmen, die dem IMO-Recht widersprechen, sind sie wegen Kompetenzüberschreitung nichtig, wobei sich aus der innergemeinschaftlichen Zuständigkeitsbegrenzung keine Rückwirkungen auf die völkerrechtliche Ebene ergeben303. Die Gemeinschaft kann das IMO-Recht zulässigerweise ausfüllen, ergänzen, durchsetzen. Das ist nicht wenig, zumal es im Rahmen des Meeresschutzes in der Regel nicht an hinreichend strengen umweltrechtlichen Bestimmungen mangelt, sondern an deren effektiver Kontrolle und Durchsetzung. Diesbezüglich ist die EG kompetenzrechtlich nicht gehindert, künftig als regionales Vollstreckungsorgan der universellen IMO aufzutreten304. Dadurch gewänne das zwischen IMO und EG bestehende, derzeit freilich wenig konkrete Kooperationsverhältnis neue Impulse. Ob die Gemeinschaft ihr Potential mit den Erika-Paketen ausgeschöpft und die ihr vom IMO-Recht mittelbar gesetzten Kompetenzgrenzen respektiert hat, wird noch näher untersucht. Das nächste Tankerunglück im Nordostatlantik, das der Prestige, haben die Erika-Pakete jedenfalls nicht verhindern können. Frankreich und Spanien haben sich deshalb auf Sofortmaßnahmen zum Schutz ihrer Küsten vor weiteren Umweltkatastrophen geeinigt und unter anderem beschlossen, in ihren aWZen fahrende Einhüllen-Tankschiffe, die älter als 15 Jahre sind, strengeren Kontrollen zu unterziehen305 – schon mit zur Erhaltung der biologischen Schätze des Meeres zu übernehmen [. . .]“; Verb. Rsen. 3, 4, 6/76, Cornelis Kramer u. a., Slg. 1976, 1279 (Hervorhebung hinzugefügt). 302 So aber Pescatore, RdC 103 (1961-II), S. 1 (166 ff.). 303 Siehe EuGH, Rs. 812/79, Strafverfahren gegen Juan C. Burgoa, Slg. 1980, 2787, Rn. 9 a. E.; Bourgeois (Fn. 289), a. a. O. 304 Graf Vitzthum, ZaöRV 62 (2002), S. 163 (172), spricht in diesem Zusammenhang vom Potential der EG, zum regionalen Durchsetzungsdegen für globale Schiffssicherheitsstandards zu werden. Siehe auch Salvarani, IJMCL 11 (1996), S. 225 (226); Rabe, Seehäfen in der Gemeinschaft, in: Due/Lutter/Schwarze (Hrsg.), FS für Everling, Bd. 2, 1995, S. 1157 (1166); Nollkaemper/Hey (Fn. 249), S. 293; de Dieu (Fn. 259), S. 149 f.; Birnie (Fn. 189), S. 198. Allgemein zu den Gründen der Rezeption des Umweltschutzes durch internationale Organisationen Kilian, Umweltschutz durch Internationale Organisationen, 1987, S. 69–71.
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Blick auf die in der aWZ grundsätzlich bestehende Schifffahrtsfreiheit ein zweifelhaftes Vorgehen, dass den Primat der IMO für die Schaffung technischer Sicherheitsstandards mittelbar zu unterlaufen droht. 2. Außenkompetenzen Ebensowenig wie für den Bestandsschutz enthält der EG-Vertrag für den Abschluss seeschifffahrtsrechtlicher Übereinkommen eine einschlägige Kompetenznorm. Art. 71 Abs. 1 lit. a EGV, auf den Art. 80 Abs. 2 EGV verweist, normiert keine Außenkompetenz306; aus ihm ergibt sich lediglich, dass die gemeinsame Verkehrspolitik auch den grenzüberschreitenden Verkehr, also den Verkehr mit Drittstaaten, erfassen soll307, zumal lediglich von „gemeinsamen Regeln“ die Rede ist. Bestand und Reichweite der seeschifffahrtsbezogenen Außenkompetenz richten sich demnach nach Art. 80 Abs. 2 EGV i.V. m. den Grundsätzen der AETR-Rechtsprechung308. Hiernach müsste eine Vertragsschlusskompetenz der Gemeinschaft zur Erfüllung der gemeinschaftlichen Zielsetzungen erforderlich sein. Das ließe sich etwa mit dem Argument in Zweifel ziehen, dass nicht die EG, sondern die IMO auf internationaler Ebene zuständiger Ansprechpartner von Drittstaaten ist. Ein „hohes Maß an Umweltschutz“ (Art. 2 EGV) hängt freilich nicht zuletzt davon ab, dass die zur Bekämpfung der Meeresverschmutzung durch Schiffe erlassenen Normen kontrolliert und durchgesetzt werden. Diesbezüglich ist, wie gezeigt, innerhalb EU-Europas die EG der geeignete Akteur. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Verschmutzungsart „Seeschifffahrt“ nicht nur ein innergemeinschaftliches Problem ist, kann ein höheres Maß an Meeresschutz unter anderem durch den Abschluss völkerrechtlicher Verträge erzielt werden, die jene innergemeinschaftliche Kontrolle und Durchsetzbarkeit des IMO-Rechts mit Außenwirkung versehen. Mithin ist eine EG-Außenkompetenz erforderlich, zumal im Hinblick auf Verträge, die den Zuständigkeitsbereich der IMO nicht berühren, etwa Abkommen mit wettbewerbsrechtlichem oder verkehrsrechtlichem Schwerpunkt. Angesichts der Spiegelbildlichkeit von Innen- und Außenkompetenzen ist auch die EG-Außenkompetenz infolge der universellen Zuständigkeit der IMO umfangmäßig begrenzt. Zulässig wäre der Abschluss solcher Verträge, mit Hilfe derer die IMO-Regeln konkretisiert werden. Weiterhin ist die Vertragsabschlusskompetenz 305
Vgl. F.A.Z. v. 28. 11. 2002, S. 9. A. A. offenbar Hobe/Müller-Sartori, JuS 42 (2002), S. 8 (11). 307 Jung in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 2. Aufl. 2002, Art. 71, Rn. 37; Erdmenger (Fn. 260), Art. 75, Rn. 25 f. 308 Vgl. auch EuGH, Rs. C-475/98, Kommission/Österreich, Slg. 2002, I-9797; Rn. 95; Rs. C-476/98, Kommission/Deutschland, Slg. 2002, I-9855, Rn. 106. 306
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konkurrierender Natur, d. h. die Mitgliedstaaten sind grundsätzlich nach wie vor berechtigt, seeschifffahrtsrechtliche Verträge abzuschließen, soweit die EG in dem vertraglich geregelten Bereich noch nicht tätig geworden ist. Verträge, deren Gegenstände sowohl dem (alleinigen) Zuständigkeitsbereich der EG wie dem der Mitgliedstaaten unterfallen, müssen als gemischte Abkommen geschlossen werden309 – Kooperation also nicht nur zwischen EG und IMO, sondern gerade auch zwischen EG und Mitgliedstaaten.
Problematisch ist, dass sich der Raum für schiffssicherheitsbezogene Aktivitäten der Mitgliedstaaten seit In-Kraft-Treten der Erika-Maßnahmen deutlich verringert hat; die an sich handlungsfähigen Mitgliedstaaten haben ihre Kompetenzen zum Teil an die EG abgegeben. Trotz IMO-Mitgliedschaft sind sie – innergemeinschaftlich – rechtlich daran gehindert, sich an neuen schiffssicherheitsbezogenen IMO-Konventionen zu beteiligen. Die universelle Zuständigkeit der IMO ist offenbar gefährdet, Europa nach außen hin partiell handlungsunfähig, weil sich die EG mangels Staatsfähigkeit nicht an jenen Konventionen beteiligen kann310. Dieses Problem lässt sich nur durch Annahme einer (innergemeinschaftlichen) Pflicht der Mitgliedstaaten, künftige schiffssicherheitsbezogene Verträge als Sachwalter bzw. Treuhänder der EG abzuschließen, lösen311. Das Gebot solcher actiones pro 309 Dazu siehe u. Kapitel 4, I. 2. Der Vorteil solcher Abkommen ist, dass sie keinen Einfluss auf die Kompetenzverteilung zwischen EG und Mitgliedstaaten haben, d. h. sie führen keine (nachträgliche) Ausschließlichkeit der Gemeinschaftskompetenz herbei; siehe Oppermann (Fn. 24), S. 738, Rn. 1712. In dem Fall, dass die Gemeinschaft für sämtliche Gegenstände eines völkerrechtlichen Vertrags konkurrierend zuständig ist, bedarf es keiner Mitwirkung der Mitgliedstaaten am Vertragsschluss. – Zur Verteilung der innergemeinschaftlichen Organkompetenzen vgl. Frenz (Fn. 185), S. 147 ff. 310 Mit KOM(96) 707 endg., Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Einführung eines Konsultationsverfahrens betreffend die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern auf dem Gebiet des Seeverkehrs sowie die diesbezüglichen Aktionen in den internationalen Organisationen und eines Genehmigungsverfahrens für Seeverkehrsabkommen, 14. März 1997, hat die Kommission den Versuch unternommen, dieses Problem zu lösen. Freilich sollte die Zuständigkeitskonkurrenz zwischen EG und Mitgliedstaaten zugunsten ersterer verschoben werden, so dass die konkurrierende Zuständigkeit der EG nach außen hin in eine ausschließliche überführt worden wäre; vgl. Hering in: Frohnmeyer/Mückenhausen (Hrsg.), EG-Verkehrsrecht, 2001, Nr. 41, Rn. 88. Der Vorschlag wurde denn auch nicht weiter verfolgt. 311 Dazu vgl. Dauses, EuR 14 (1979), S. 138 (164 ff.); Sack, Die Europäische Gemeinschaft als Mitglied internationaler Organisationen, in: Randelzhofer/Scholz/ Wilke (Hrsg.), GS für Grabitz, 1995, S. 631 (633 mit Fn. 11); Pechstein (Fn. 67), S. 145 ff.; Nettesheim (Fn. 68), S. 458; Vedder (Fn. 184), Rn. 24, 26; Frid (Fn. 184), S. 216–218. Vgl. auch EuGH, Gutachten 2/91, Slg. 1993, I-1061, Rn. 5: „Soweit die Verfassung der IAO im Übrigen dem Abschluß des Übereinkommens Nr. 170 durch die Gemeinschaft selbst entgegenstehen sollte, könnte deren auswärtige Zuständigkeit gegebenenfalls über die Mitgliedstaaten ausgeübt werden, die im Interesse der Gemeinschaft gemeinsam handelten.“ Siehe nunmehr Art. I-11 Abs. 1
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communitate folgt zwar nicht schon aus Art. 10 Abs. 2 EGV, wonach die Mitgliedstaaten „alle Maßnahmen zu unterlassen [haben], welche die Verwirklichung der Ziele des EG-Vertrags gefährden könnten“, wohl aber aus dem in Art. 10 Abs. 1 EGV niedergelegten Grundsatz der Gemeinschaftstreue. Diesen hat der EuGH kürzlich herangezogen, um mitgliedstaatliche Schutzpflichten, d. h. Handlungspflichten herzuleiten312. „Sachwalterschaft“ im Sinne des Europarechts betrifft zwar grundsätzlich den hier nicht einschlägigen Fall vertragswidriger Untätigkeit des Rates313, eine Funktionsstörung nach innen also; andernfalls würde der ultima ratio-Charakter der Sachwalterschaft ignoriert. Die Fallgruppen sind jedoch insofern vergleichbar, als die Erfüllung eines Vertragsziels, namentlich „ein hohes Maß an Umweltschutz“ (Art. 2 EGV), nicht möglich ist, die Sachwalterschaft mithin nur ausnahmsweise, zumal im gemeinsamen Interesse, erfolgt. Scheint die Funktionsstörung zudem auf den ersten Blick im außergemeinschaftlichen Bereich zu liegen, weil die IMO-Konventionen eine EG-Beteiligung nicht erlauben, ist sie vor dem Hintergrund der Abhängigkeit der ungeschriebenen Außenkompetenz von der Innenkompetenz letztlich doch auch und gerade ein innergemeinschaftliches Problem. Die EG-Mitgliedstaaten sind bei Aushandlung, Annahme und Änderung schiffssicherheitsbezogener IMO-Konventionen demnach an die Weisungen der zuständigen Gemeinschaftsorgane314 gebunden. Völkerrechtlich ist die Sachwalterschaft unproblematisch, weil die Mitgliedstaaten im Verhältnis zur IMO ohnehin zum Vertragsschluss befugt bleiben: Autonomie des Gemeinschaftsrechts. Im Falle eines kompetenzwidrigen Handelns eines Mitgliedstaats kann die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH anstrengen; das Instrument der mitgliedstaatlichen Sachwalterschaft ist vor Missbrauch geschützt. Gleichermaßen kann die EG die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Befugnisse zum Handeln nach außen hin anhalten. Dass dies aus Sicht der Mitgliedstaades vom Europäischen Konvent vorgelegten Verfassungsentwurfs: CONV 797/03, Übermittlungsvermerk des Präsidiums an die Mitglieder des Konvents, 10. Juni 2003, 10. – Die Rechtsfigur der Organleihe passt nicht, weil das Handeln der Mitgliedstaaten in diesem Fall unmittelbar der EG zuzurechnen wäre (Pechstein, ebd., S. 182), die IMO-Vorgaben über die Parteifähigkeit insofern mittelbar unterlaufen würden. 312 EuGH, Rs. C-265/95, Kommission/Frankreich, Slg. 1997, I-6959, Rn. 32. A. A. zu den aus Art. 10 EGV abgeleiteten Handlungspflichten noch Dauses (Fn. 311), S. 167 f. 313 Vgl. EuGH, Rs. 804/79, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1981, 1045, Rn. 19; Pechstein (Fn. 67), S. 150, 152, der denn auch einer Anwendung der Rechtsfigur der Sachwalterschaft als Universalkonzept für mitgliedstaatliche Interventionen in Bereichen von Gemeinschaftszuständigkeiten eine Absage erteilt, ohne die vorliegend einschlägige Problemkonstellation zu diskutieren, bei der ein Missbrauch der Rechtsfigur kaum in Betracht kommen dürfte. 314 Nicht nur der Kommission: der Rat „will“ ja, „kann“ aber nicht: keine vertragswidrige Untätigkeit des Rates.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
ten u. U. unerwünscht ist, versteht sich von selbst. Andererseits relativiert die ausschließliche Vertragsschlusskompetenz der Gemeinschaft die im Falle gemischter Befugnisse so häufig entstehenden Abgrenzungsschwierigkeiten315.
Kapitel 3
Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht Das sekundärrechtliche Umweltrecht der EG – der Anschaulichkeit halber kann es als gemeinschaftliches Umweltverwaltungsrecht bezeichnet werden316 – ist durch große Unübersichtlichkeit geprägt. So ist zum einen die Anzahl der erlassenen Rechtsakte kaum mehr überschaubar. Zum anderen fußen diese Akte auf Kompetenznormen, die sich in Struktur und Reichweite ihrerseits außerordentlich unterscheiden: Manche sind sachlich-funktional bzw. -medial begrenzt, andere wirken medienübergreifend und final. Da letzteres, wie gezeigt, gerade auch für den gemeinschaftlichen Meeresschutz gilt, überrascht es nicht, dass bereits die Erfassung des einschlägigen Sekundärrechts Schwierigkeiten bereitet. Vor diesem Hintergrund erscheint der Versuch einer Systematisierung des Meeresschutzrechts, unter Berücksichtigung der wesentlichen Problemkreise, hilfreich und praktikabel. So ist etwa zu fragen, ob sich die EG beim Maßnahmenerlass auf die jeweils einschlägige Kompetenznorm gestützt hat. Daneben werden, ganz im Sinne vorliegender Untersuchung zu Grunde liegenden Fragestellung, ggf. bestehende Wechselwirkungen zwischen europäischem Umweltverwaltungsrecht und völkerrechtlichen Schutzansätzen herausgestellt und untersucht. Zuvor sei einleitend daran erinnert, dass die Gemeinschaft gemäß Art. 175 Abs. 3 EGV allgemeine Aktionsprogramme beschließen muss, in denen die vorrangigen Ziele der gemeinschaftlichen Umweltpolitik festgelegt werden. Obwohl der Inhalt dieser Programme nicht verbindlich ist, bilden sie gleichwohl einen Rahmen, zu dessen Durchführung die Gemeinschaftsorgane nach Art. 175 Abs. 3 UAbs. 2 EGV verpflichtet sind. Das Besondere an diesem Rahmen ist, dass er die EG-Umweltpolitik an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen ausrichtet; das gemeinschaftliche Vorgehen kann angepasst, korrigiert, verbessert werden. Vor allem stellen die Aktionsprogramme Einfallstore für umweltvölkerrechtliche Entwicklungen dar. Gegenstand des 1. Aktionsprogramm für die Umwelt317, das den Zeitraum 1973– 1976 erfasste, war die Festlegung wichtiger Schutzprinzipien, auf die die gemeinschaftliche Umweltpolitik gestützt werden sollte. Zehn Jahre vor der EG-vertragli315
Sack (Fn. 311), S. 639 f. Siehe zum ganzen noch u. Kapitel 4, II. 2. Vgl. etwa Nettesheim (Fn. 103), S. 342; Scheuing (Fn. 174), S. 619. 317 Erklärung des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 22. November 1973 über 316
Kap. 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht
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chen Verankerung wurde unter anderem die Berücksichtigung des Ursprungs- und des Verursacherprinzips gefordert. Daneben wurde, nicht zuletzt unter dem Eindruck des Tankerunglücks der Torrey Canyon, die Verschmutzung der Meere als „Gebiet von gemeinsamen Interesse“ (Kapitel 6) identifiziert. Die Agende „Schutz der Meeresumwelt“ (Kapitel 2) bildete einen zentralen Gegenstand auch des 2. Aktionsprogramms (1977–1981)318, das die mit dem 1. Aktionsprogramm begonnenen Entwicklungen fortführen und vertiefen sollte. Im 3. Aktionsprogramm (1982–1986)319 wurde das Bedürfnis nach Entwicklung einer umfassenden Umweltschutzstrategie unterstrichen, die den Querschnittscharakter der gemeinschaftlichen Umweltpolitik ebenso wie das Erfordernis eines vorsorgeorientierten Umweltschutzes einschließen sollte. Mit dem 4. Aktionsprogramm (1987–1992)320 reagierte die Gemeinschaft auf die 1986 vorgenommenen Änderungen der primärrechtlichen Grundlagen des Umweltrechts. Daneben schuf sie die Grundlage für eine verbesserte Integration der Umweltpolitik in andere Tätigkeitsfelder, wie der ungleich größere Umfang des Aktionsprogramms bereits optisch verdeutlichte. Mit dem 5. Aktionsprogramms (1993–2000)321 strebte die EG, wie der Name des Programms indiziert, eine neue inhaltliche Ausrichtung ihrer Politik an: Anstatt den Rahmen der gemeinschaftlichen Umweltpolitik wie gewohnt lediglich zu aktualisieren, wurde das Konzept der nachhaltigen Entwicklung betont und im Sinne eines langfristig angestrebten Gleichgewichts zwischen Umweltnutzung und Umweltschutz verstanden. Dieses Gleichgewicht sollte unter anderem auf einer verstärkten Einbindung der gemeinschaftlichen Umweltpolitik in weltweite Entwicklungen, auf einer Schulung des Verantwortungsbewusstseins der Unionsbürger sowie auf einer Konzentration auf die Schwerpunktbereiche Industrie, Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Tourismus beruhen. Daneben wurde die Anwendung neuer Schutzinstrumente erwogen. Die 1999 vorgenommene Überprüfung des Aktionsprogramms ein Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz: ABl. EG 1973, Nr. C 112, S. 1 ff. 318 Entschließung des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 17. Mai 1977 zur Fortschreibung und Durchführung der Umweltpolitik und des Aktionsprogramms der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz: ABl. EG 1977, Nr. C 139, S. 1 ff. 319 Entschließung des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 7. Februar 1983 zur Fortschreibung und Durchführung einer Umweltpolitik und eines Aktionsprogramms der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz: ABl. EG 1983, Nr. C 46, S. 1 ff. 320 Entschließung des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 19. Oktober 1987 zur Fortschreibung und Durchführung der Umweltpolitik und des Aktionsprogramms der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz: ABl. EG 1987, Nr. C 328, S. 1 ff. – Zu den ersten vier Aktionsprogrammen Johnson/Corcelle (Fn. 192), S. 11 ff. 321 Entschließung des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 1. Februar 1993 über ein Gemeinschaftsprogramm für Umweltpolitik und Maßnahmen in Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung: ABl. EG 1993, Nr. C 138, S. 1 ff.
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durch die Kommission322 ergab, dass in der Praxis nur wenige Fortschritte erzielt werden konnten. So wurde prognostiziert, dass in einigen Umweltbereichen die Belastungen sogar zunehmen würden, da die Belange des Umweltschutzes, trotz ihrer gemäß Art. 6 EGV vorgeschriebenen Berücksichtigung, auf anderen Tätigkeitsfeldern nur halbherzig beachtet worden seien. Immerhin: Für den Schutz der Meeresumwelt konnte ein partiell positiveres Fazit gezogen werden323.
Insgesamt ist festzustellen, dass das Europarecht den Aktionsprogrammen eine nicht zu übersehende Betonung umweltpolitischer Sachverhalte verdankt. Mehrfach wurden Grundsätze, Prinzipien und Maßstäbe angelegt, die erst im Nachhinein ihre positivrechtliche Normierung erfuhren324. Die umweltschutzbezogene Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinschaftsorgane hat sich in der Regel am von den Aktionsprogrammen vorgezeichneten Rahmen orientiert, wenngleich berücksichtigt werden muss, dass diese lediglich die groben Umrisse der gemeinschaftlichen Umweltpolitik skizzieren sollten. Daraus ergab sich ein breiter Ermessenspielraum der Gemeinschaftsorgane bei der Umsetzung der Aktionsprogramme, der sich, zusammenfassend betrachtet, hemmend ausgewirkt hat. Freilich ist zu bedenken, dass Art. 175 Abs. 3 EGV erst 1992 in den EG-Vertrag eingefügt wurde, bezüglich der ersten vier Aktionsprogramme also ohnehin keine Durchführungspflicht der Gemeinschaft bestand325. Das kürzlich beschlossene 6. Aktionsprogramm326 mit einer Laufzeit von zehn Jahren gibt konkrete Umweltziele zu den vier Schwerpunktbereichen „Klimaänderungen“, „Natur und biologische Vielfalt“, „Umwelt und Gesundheit“ und „Lebensqualität, natürliche Ressourcen und Abfälle“ vor und zeigt eine Reihe von Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Ziele auf. Dem Programm liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass weiterhin ernsthafte Umweltprobleme bestehen und ständig neue auftreten, die zusätzliche Maßnahmen erfordern327. Aus diesem Grunde „ist umfassend dafür zu sorgen, dass die Umweltpolitik der Gemeinschaft in integrativer Weise betrieben wird und alle Optionen und Instrumente berücksichtigt werden“ (Art. 2 Abs. 3 S. 2 des Umweltprogramms).
322 KOM(1999) 543 endg., Mitteilung der Kommission, Die Umwelt Europas: Orientierungen für die Zukunft, Gesamtbewertung des Programms der Europäischen Gemeinschaft für Umweltpolitik und Maßnahmen im Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung – „Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung“, 24. November 1999. 323 Ebd. S. 10 f. 324 Skeptisch Krämer, Umweltpolitische Aktionsprogramme mit Leitlinien und Regelungsansätzen, in: Rengeling (Fn. 78), § 14, Rn. 22 ff. 325 Epiney (Fn. 102), S. 22 m. w. N. 326 Beschluss Nr. 1600/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juli 2002 über das sechste Umweltaktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft: ABl. EG 2002, Nr. L 242, S. 1 ff. Siehe schon o. Fn. 108. 327 4. Erwägungsgrund des Programms.
Kap. 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht
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Zu Recht wurde vor allem die bislang mangelhafte Umsetzung der Querschnittsklausel Art. 6 EGV als Defizit der gemeinschaftlichen Umweltpolitik ausgemacht: Nach Art. 3 Abs. 3 des Programms bedarf es „weiterer Bemühungen um die Einbeziehung von Erfordernissen des Umweltschutzes in die Ausarbeitung, Festlegung und Durchführung der politischen und sonstigen Maßnahmen der Gemeinschaft in den verschiedenen Politikbereichen“, gerade auch auf dem Fischereisektor328. Soweit sich das Programm explizit dem Meeresschutz widmet, wurden die entsprechenden Vorgaben primär dem Schwerpunktbereich „Schutz von Natur und biologischer Vielfalt“ zugeordnet329. Hiernach strebt die Gemeinschaft zum einen die „Erhaltung, geeignete Wiederherstellung und nachhaltige Nutzung der Meeresumwelt, der Küsten und der Feuchtgebiete“ (Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich) an. Zum anderen soll die nachhaltige Nutzung des Meeres und die Erhaltung der Meeresökosysteme gefördert werden, „wobei Standorten mit großer biologischer Vielfalt besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist“ (Art. 6 Abs. 2 lit. g). Als diesbezüglich geeignete Mittel werden unter anderem die Berücksichtigung der Verpflichtungen aus den einschlägigen Meeresschutzübereinkommen sowie die Ausweisung von Meeresschutzgebieten angesehen. Die Gemeinschaft orientiert sich demnach mehr denn je an den auf umweltvölkerrechtlicher Ebene entwickelten Leitbildern.
I. Umweltschutz Die einführend hervorgehobene Unübersichtlichkeit des sekundären Umweltrechts erfasst gerade auch die Agende „Meeresschutz“. Der Grund hierfür ist bereits auf primärrechtlicher Ebene zu finden. So ist die Kompetenznorm Art. 175 Abs. 1 EGV sowohl für Meeresumweltschutz wie Artenschutz einschlägig, betrifft zumal nicht nur den Schutz des Meeres, sondern auch den der Umweltmedien Luft und Boden, ist also intermedial ausgerichtet. Aus dieser Ausrichtung folgt, dass Meeresschutz im engeren Sinne, der Schutz der Meeresumwelt vor Verschmutzung also, sekundärrechtlich auf zwei unterschiedliche Arten erreicht werden kann: auf unmittelbare und mittelbare Art. Während sich jene aus Maßnahmen zusammensetzt, deren Gegenstand jedenfalls auch der Schutz der Meeresumwelt vor Verschmutzung ist, ist diese dadurch gekennzeichnet, dass sie sich auf den Schutz von anderen Umweltmedien richtet bzw. nicht medienspezifisch, sondern stoffspezifisch wirkt. Der Unterschied lässt sich am Beispiel des innerstaatlichen Abfallsrechts verdeutlichen. Abfallrecht ist grundsätzlich terrestrisch orientiert; es behandelt, wie etwa § 10 Abs. 3 S. 1 des deutschen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes330 unterstreicht („Abfälle sind im Inland zu beseitigen“), nur 328
Vgl. Art. 6 Abs. 2 lit. g 1. Spiegelstrich des Programms. Der Schwerpunktbereich „Umwelt, Gesundheit und Leben“ betrifft ebenfalls, freilich in mittelbarer Art und Weise, Aspekte des Meeresschutzes. 329
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
die Abfallbeseitigung an Land. Sind Abfälle einmal in das Meer331 eingebracht, ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 KrW-/AbfG der Geltungsbereich des Gesetzes verschlossen. Sein Wirkbereich geht freilich über den Geltungsbereich hinaus. Indem das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz in erster Linie eine landwärtige Entsorgung verlangt, führt es mittelbar zu einer Reduktion der in das Meer eingebrachten bzw. eingeleiteten Abfallmenge332. Daneben wird der Zustand der Meeresumwelt insofern durch die Qualität der landwärtigen Abfallbeseitigung beeinflusst, als die bei der Abfallbeseitigung freigesetzten Stoffe ihrerseits über diffuse Pfade in die Meeresumwelt gelangen333. Obwohl das Abfallrecht marine Sachverhalte demnach nicht unmittelbar erfasst, betrifft es sie gleichwohl mittelbar. Im Unterschied dazu sind das deutsche Wasser-334 und Immissionsschutzrecht335 unmittelbar (auch) dem Schutz der Meeresumwelt gewidmet. Da das nationale Umweltrecht mittlerweile zu erheblichen Teilen Ausfluss gemeinschaftlicher Regelungen ist, bietet es sich an, bezüglich des europäischen Umweltverwaltungsrechts ebenfalls zwischen Maßnahmen des unmittelbaren und solchen des mittelbaren Meeresumweltschutzes zu unterscheiden. Soweit im Folgenden beide Kategorien getrennt untersucht werden, wird damit (natürlich) keine Deckungsgleichheit zwischen mitgliedstaatlicher und gemeinschaftlicher Normebene behauptet. So ist etwa das europäische Recht zur Luftreinhaltung im Unterschied zum deutschen Immissionsschutzrecht ausschließlich luftbezogen; den Schutz der Meeresumwelt erfasst es lediglich mittelbar. Das Fehlen von De330 KrW-/AbfG: BGBl. 1994 I, S. 2705 ff., letzte Änd. in BGBl. 2002 I, S. 3322 ff. Das Gesetz basiert unter anderem auf der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. EG 1975, Nr. L 194, S. 39 ff.; letzte Änd. in ABl. EG 1996, Nr. L 135, S. 32 ff.). 331 „Gewässer“ im Sinne von § 2 KrW-/AbfG sind – in Übereinstimmung mit § 1 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz (Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts vom 19. August 2002: BGBl. 2002 I, S. 3245 ff.) – oberirdische Gewässer, Küstengewässer und das Grundwasser; siehe Fluck in: ders. (Hrsg.), Kreislaufwirtschafts-, Abfallund Bodenschutzrecht, Band 1, Stand Juni 2001, § 2 KrW-/AbfG, Rn. 145. Der Gewässerbegriff des innerstaatlichen Umweltrechts ist somit weiter als der des Umweltvölkerrechts, der nach traditionellem Verständnis nur Binnengewässer einbezieht; vgl. Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 2000, S. 83 f., Rn. 173. 332 Der Begriff „Einbringen“ bezieht sich auf feste Abfälle, „Einleiten“ auf flüssige, schlammige oder gasförmige Abfälle; vgl. Kloepfer (Fn. 102), S. 1218, Rn. 57. 333 Dazu Kunig, Der Schutz der Meere durch das innerstaatliche Abfallrecht, in: Koch/Lagoni (Fn. 97), S. 259 (260 f.). 334 Siehe Fn. 331. Vgl. außerdem Breuer, Der Schutz der Meere im innerstaatlichen Recht – Wasserrecht –, in: Koch/Lagoni (Fn. 97), S. 205 (218 ff.). 335 Vgl. § 1 BImSchG: „Zweck dieses Gesetzes ist es, [. . .] das Wasser [. . .] vor schädlichen Umwelteinwirkungen [. . .] zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen“. „Wasser“ im Sinne der Bestimmung umfasst auch das Meer; vgl. Jarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, 5. Aufl. 2002, § 1 Rn. 4; Koch, Der Schutz der Nord- und Ostsee vor Schadstoffeinträgen aus der Luft, in: ders./Lagoni (Fn. 97), S. 241 (243 f.).
Kap. 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht
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ckungsgleichheit ist Ausdruck des grundsätzlich zu beklagenden Umstands, dass das europäische Umweltrecht – insgesamt gesehen – deutlich sektorieller orientiert und infolgedessen weit weniger strukturiert ist als das deutsche, obwohl die kompetenzrechtliche Grundlage der gemeinschaftlichen Umweltpolitik (Art. 175 Abs. 1 EGV) bezüglich eines umfassend-systematischen Schutzansatzes durchaus tragfähig ist. Von daher ist der von Rüdiger Breuer mit Blick auf das europäische Gewässerschutzrecht erhobene Vorwurf, dieses bilde einen „Flickenteppich“336, durchaus verallgemeinerungsfähig.
Räumlich ist die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Meeresumweltschutz nur bedingt aussagekräftig, gelten doch, wie bereits in Kapitel 1 verdeutlicht, grundsätzlich alle sekundärrechtlichen Maßnahmen für das EG-Meer, ohne dass dies ausdrücklich bestimmt werden müßte. Die Konzentration auf bestimmte Umweltmedien bzw. schadensgeeignete Stoffe und Energien hat freilich ihrerseits eine Reduktion des räumlichen Geltungsbereichs zur Folge. Für die erstgenannte Kategorie, den unmittelbaren Meeresumweltschutz, lässt sich vorab feststellen, dass das geltende Sekundärrecht keine räumlichen Beschränkungen anordnet und deshalb automatisch für den Nordostatlantik diesseits der Grenzen des EGMeeres gilt. 1. Unmittelbarer Meeresumweltschutz Beim Erlass von Maßnahmen, die sich unmittelbar auf den Schutz der Meeresumwelt richten, hat die EG bislang Zurückhaltung geübt337. So wurde kein einziger Rechtsakt verabschiedet, der sich ausschließlich und 336
Gewässerschutzrecht – Grundlagen und allgemeine Regelungen, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 1998, § 66, Rn. 28; ders., NuR 22 (2000), S. 541. 337 Siehe nur Birnie (Fn. 189), S. 202. Derzeit sind folgende Rechtsakte in Kraft, die sich (auch) auf den Schutz der Meeresumwelt beziehen (berücksichtigt werden nur Basisrechtsakte; ausgeklammert bleibt schifffahrtsbezogenes und stoffbezogenes Sekundärrecht): Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der Badegewässer (ABl. EG 1976, Nr. L 31, S. 1 ff.; letzte Änd. in ABl. EG 1994, Nr. L 241, S. 170); Richtlinie 76/464/EWG des Rates vom 4. Mai 1976 betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft (ABl. EG Nr. L 129 S. 23 ff.; letzte Änd. in ABl. EG 2000, Nr. L 327, S. 1 ff.); Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser (ABl. EG 1991, Nr. L 135, S. 40 ff.; Änd. in ABl. EG 1998, Nr. L 67, S. 29 f.); Richtlinie 91/676 des Rates vom 12. Dezember 1991 über den Schutz der Gewässer durch die Nitratverschmutzung aus landwirtschaftlichen Quellen (ABl. EG 1991, Nr. L 375, S. 1 ff.); Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. EG 2000, Nr. L 327, S. 1 ff.; Änd. in ABl. EG 2001, Nr. L 331, S. 1 ff.); Entscheidung Nr. 2850/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2000 über einen gemeinschaftlichen Rah-
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
umfassend mit dem Schutz der Meeresumwelt befasst. Grund für diese – kompetenzrechtlich unbedenkliche, da ermessensdeterminierte – Zurückhaltung ist zum einen, dass „Schutz der Meeresumwelt“ im Unterschied zu den Tätigkeitsfeldern „Bestandsschutz“ und „Seeschifffahrt“ primär ökologisch ausgerichtet ist. Wirtschaftliche Interessen berührt der Meeresumweltschutz nur insoweit, als er die Möglichkeiten einer Meeresnutzung beschränkt. Dies hat zu Skepsis auf Seiten der Mitgliedstaaten geführt, die im Rat entsprechende Vorschläge der Kommission und Aufforderungen des Europäischen Parlaments ignorierten338. Konnte auf Gemeinschaftsebene Konsens bezüglich der Verabschiedung bestimmter Rechtsakte erzielt werden, wurde die Umsetzung der betreffenden Richtlinien zumeist von mehreren Mitgliedstaaten verschleppt339. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der größte Anteil der Meeresverschmutzung, wie gezeigt, vom Lande aus in das Meer gelangt. Daher ist es nur folgerichtig, dass Rechtsakte, die der Bekämpfung dieser Verschmutzungsart dienen, terrestrisch ansetzen. Es handelt sich dann um Maßnahmen des mittelbaren Meeresumweltschutzes. Bezüglich des unmittelbaren Meeresumweltschutzes hat die Gemeinschaft vornehmlich einen anderen Weg beschritten. a) Vergemeinschaftung einschlägiger Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt Die EG hat sich, soweit möglich, an einschlägigen internationalen Meeresschutzübereinkommen beteiligt. Dieser Weg ist gegenüber einem innergemeinschaftlich ansetzenden Vorgehen nicht zwingend nachteilig. Zwar leiden völkerrechtliche Verträge in der Regel am Fehlen wirksamer Durchsetzungsmechanismen340. Vorliegend ist die Situation aber eine andere, weil die Gemeinschaft kraft ihrer Supranationalität „zwischen“ Völkerrecht und Mitgliedstaaten, die ggf. selbst Parteien des einschlägigen Vertrags sind, tritt. Ist die Gemeinschaft Partei eines völkerrechtlichen Vertrags geworden, kann sie die sich daraus ergebenden Pflichten, die gemäß Art. 300 Abs. 7 EGV auch innergemeinschaftlich verbindlich sind, gegenüber den Mitgliedstaaten im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens (vgl. Art. 226, 228 men für die Zusammenarbeit im Bereich der unfallbedingten oder vorsätzlichen Meeresverschmutzung (ABl. EG 2000, Nr. L 332, S. 1 ff.). 338 Nachweise bei Krämer (Fn. 97), S. 133 ff. Vgl. neuestens KOM(2000) 545 endg., Vorschlag der Kommission für eine [rechtlich nicht verbindliche, Art. 249 Abs. 5 EGV – A.P.] Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Umsetzung des integrierten Küstenzonenmanagements in Europa, 8. September 2000. 339 Vgl. etwa die Nachweise bei KOM(2001) 309 endg., Achtzehnter Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (2000), 16. Juli 2001, S. 64 ff. 340 Siehe dazu o. Zweiter Teil, Kapitel 1, I. 4.
Kap. 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht
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EGV) durchsetzen. Es scheint also, als könne die Effektivität eines umweltvölkerrechtlichen Vertrags durch einen EG-Beitritt erhöht werden. Voraussetzung dafür wäre freilich, dass die Gemeinschaft das ggf. im Rahmen des betreffenden Vertrags entstandene Sekundärrecht – zu denken ist etwa an die Beschlüsse und Empfehlungen der OSPAR-Kommission – vergemeinschaftet341, ihre Mittlerrolle zwischen Völkerrecht und Mitgliedstaaten also ernst nimmt. Auf dem Gebiet des Meeresumweltschutzes ist dies indes zumeist nicht oder nur marginal geschehen342. Die Gemeinschaft hat sich vielmehr vorsichtig zurückgehalten, Beleg für Ludwig Krämers These, „dass die Mitgliedstaaten die aus der Wirkung des Gemeinschaftsrechts fließenden Bindungen nicht wollten, sondern die weniger verbindlichen Abreden der Nordseekonferenzen und der [einschlägigen] Übereinkommen vorzogen“343. Daneben würden sich die vergemeinschafteten Regeln – im Unterschied zum originär innergemeinschaftlichen Recht – auf einzelne Meeresgebiete wie Mittelmeer, Nordsee, Ostsee und Nordostatlantik beziehen, auf Gebiete also, die sich nur teilweise mit dem EG-Meer überlagern. Angesichts der nicht zu leugnenden Vorteile regionaler Umweltregimes344 wäre dies für den Schutz der Meeresumwelt an sich kein Nachteil, vorausgesetzt, die einschlägigen Verträge und Maßnahmen verfügten über ein Schutzniveau, das dem innergemeinschaftlichen Schutzanspruch („hohes Schutzniveau“) genügt. Etwas anderes könnte jedoch unter integrationspolitischen Gesichtspunkten gelten. In diesem Sinne meint Krämer, ein subregionales Gefälle wirksamer Schutzmaßnahmen könne „nicht im Interesse der Gemeinschaft liegen, die ein hohes Umweltschutzniveau in der gesamten Gemeinschaft anzustreben hat, und zu deren Aufgaben es gehört, die Mitgliedstaaten und ihre Aktivitäten in eine Europäische Union zu integrieren“345. Dergleichen Überlegungen müssen indes zugunsten effektiveren Meeresumweltschutzes zurücktreten. Zum einen verdeutlicht 341 Dazu siehe noch u. Kapitel 4, I. 2. b) („Beschlüsse internationaler Organisationen“). 342 Skeptisch auch Krämer (Fn. 97), S. 178. Vgl. aber KOM(1999) 190 endg., Vorschlag der Kommission für einen Beschluss des Rates zur Annahme – im Namen der Gemeinschaft – des OSPAR-Beschlusses 98/4 über Höchstwerte für Emissionen und Einleitungen, die bei der Herstellung von Vinylchloridmonomer entstehen und des OSPAR-Beschlusses 98/5 über Höchstwerte für Emissionen und Einleitungen in der Vinylchloridindustrie; Vorschlag der Kommission für einen Beschluss des Rates zur Genehmigung des OSPAR-Beschlusses 98/2 über das Einbringen von radioaktiven Abfällen im Namen der Gemeinschaft; Vorschlag der Kommission für einen Beschluss des Rates zur Genehmigung des OSPAR-Beschlusses 98/3 über die Entfernung stillgelegter Offshore-Anlagen im Namen der Gemeinschaft, 26. April 1999. 343 (Fn. 97), S. 174. Klarstellend sei angemerkt, dass die Normen des Umweltvölkerrechts an sich (natürlich) nicht weniger verbindlich sind als die des Gemeinschaftsrechts. Es fehlt aber, wie gesagt, an einer effektiven Durchsetzung. – Zur innergemeinschaftlichen Wirkung der von der EG geschlossenen völkerrechtlichen Verträge siehe noch u. Kapitel 4, I. 344 Siehe dazu schon o. Einführung („Regionalisierung des Meeresschutzes“).
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
Art. 176 EGV, dass das Gemeinschaftsrecht eine Subregionalisierung des Umweltrechts grundsätzlich für erstrebenswert hält. Zum anderen ist der Zustand der Meeresumwelt z. B. des umschlossenen Meeres (vgl. Art. 122 SRÜ) Ostsee346 faktisch nicht mit demjenigen des Mittelmeers oder gar dem offenen Nordostatlantik vergleichbar.
b) Bekämpfung der Meereseutrophierung Ein besonders gravierendes Problem für die Meeresumwelt ist, wie empirisch verdeutlicht, die Eutrophierung der Meeres. Die Gemeinschaft ist mit Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser sowie Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 über den Schutz der Gewässer durch die Nitratverschmutzung aus landwirtschaftlichen Quellen347 an das Problem herangetreten, bislang ohne durchschlagenden Erfolg. Abgesehen von der überaus mangelhaften Umsetzungsdisziplin der Mitgliedstaaten – allein hinsichtlich der Richtlinie 91/676/EWG hat die Kommission bis einschließlich 2001 elf Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet348 – wird der sachliche Gehalt der Richtlinien dem Eutrophierungsproblem kaum gerecht. So werden die Mitgliedstaaten durch die zweitgenannte Richtlinie zwar verpflichtet, „Regeln der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft“ (Art. 4 Abs. 1 lit. a) aufzustellen; die Anwendung dieser Regeln erfolgt freilich auf freiwilliger Basis der betroffenen Landwirte. Daneben ist die Erstellung von Aktionsprogrammen für als gefährdet ausgewiesene Gebiete ein wesentliches Element der Bekämpfung der Gewässerverunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen349. Die Mitgliedstaaten sind zur Durchführung dieser Programme verpflichtet, einschließlich eines verbindlich vorgeschriebenen und durchsetzbaren350 Mindeststandards. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Mitgliedstaaten bis zu vier Jahre für die Durchführung der Aktionsprogramme verwenden können, die Programme im Übrigen auch nur alle vier Jahre überprüft werden müssen. Darüber hinausgehende Maßnahmen stehen im Ermessen der 345 (Fn. 97), S. 175. Daran anschließend (S. 176) bedauert Krämer freilich, dass die bisher beschlossenen umweltpolitischen Aktionsprogramme der EG nicht „auf Besonderheiten der verschiedenen Meere“ eingehen. 346 Dazu vgl. Dieter, Das Umweltregime der Ostsee, 1993, S. 57. 347 Fundstellen: Siehe Fn. 337. 348 Nachweise bei KOM(2001) 309 endg., Achtzehnter Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (2000), 16. Juli 2001, S. 69 f.; KOM(2002) 324 endg., Neunzehnter Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (2001), 28. Juni 2002, S. 56. 349 Vgl. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie. 350 Vgl. EuGH, Rs. C-161/00, Kommission/Deutschland, Slg. 2002, I-2753.
Kap. 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht
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Mitgliedstaaten351. Die der Richtlinie zu Grunde liegende Schutzstrategie ist insofern eine unflexible, starre, die Veränderungen in der Meeresumwelt nicht hinreichend Rechnung tragen kann. Faktisch wird dies durch die weitgehend unveränderten Nährstoffwerte in den europäischen Meeresgebieten belegt352. Das Europäische Parlament hat den mangelnden Erfolg bei der Eutrophierungsbekämpfung in den Gemeinschaftsgewässern denn auch per Entschließung kritisiert, hält aber die konsequente Durchführung der existierenden Bestimmungen gegenüber einer Richtlinienreform für vorzugswürdig353. Für die Lösung des Eutrophierungsproblems dürfte letztlich entscheidend sein, inwieweit die im Jahre 1998 verabschiedete, gegenüber dem einschlägigen Sekundärrecht strengere OSPAR-Strategie bezüglich der Bekämpfung der Eutrophierung354 innergemeinschaftlich umgesetzt wird. c) Integrativer Gewässerschutz Mit Erlass der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik355 hat die Gemeinschaft zum Teil auf die Kritik an ihrer Meeresumweltschutzpolitik reagiert. Sie verfolgt nunmehr einen umfassenden, multisektoralen Ansatz. Ziel der Richtlinie ist „die Erhaltung und die Verbesserung der aquatischen Umwelt in der Gemeinschaft“ (Erwägungsgrund 19 WRRL). Sie erfasst Grundwasser, Binnengewässer, Übergangsgewässer und Küstengewässer, wobei letztere nach Definition der WRRL356 nicht mit dem Küstenmeer im Sinne von Art. 2 ff. SRÜ übereinstimmen. Die mitgliedstaatlichen Aquitorien – innere Gewässer und Küstenmeer – sind zwar nur im Hinblick auf ihren chemischen Zustand eingeschlossen357; der Schutz der von der Richtlinie erfassten Gewässer soll aber unter anderem zum Schutz der Hoheitsgewässer und Meeresgewässer beitragen, Art. 1 Abs. 1 3. Spiegelstrich WRRL. Eingedenk der Tatsache, dass ein Großteil der Meeresverschmutzung vom Lande aus, insbesondere über Flüsse und Kanäle, in das Meer gelangt, wäre 351
Vgl. Art. 5 Abs. 5, 7 der Richtlinie. Siehe o. Erster Teil, Kapitel 3, II., 1. a). 353 BR-Drucksache 104/01, Entschließung des Europäischen Parlaments zur Durchführung der Richtlinie 91/676/EWG zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (2000/2110(INI)), 17. Januar 2001, Erwägung 1. Zur Rechtsnatur von Entschließungen der Gemeinschaftsorgane siehe o. Kapitel 1, I. 354 Reference No. 1998-18. Siehe dazu schon o. Zweiter Teil, Kapitel 3, I. 3. a). 355 Sog. Wasserrahmenrichtlinie (WRRL): ABl. EG 2000, Nr. L 327, S. 1 ff.; Änd. in ABl. EG 2001, Nr. L 331, S. 1 ff. 356 Vgl. Art. 2 Nr. 7 WRRL. 357 Vgl. Art. 2 Nr. 1 WRRL. 352
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
mit einem solchen Beitrag einiges gewonnen358, zumal Art. 10 WRRL einen kombinierten Ansatz für Punktquellen und diffuse Quellen vorsieht. Nach diesem Ansatz können wahlweise Emissionsbegrenzungen auf Grundlage der besten verfügbaren Technologien einerseits und/oder Qualitätsstandards andererseits angewendet werden; die qualitätsnorm- und kostenorientierte englische Methode wurde um die flexible359, grenzwertorientierte deutsche ergänzt360. Daneben muss die Kommission eine Liste sog. prioritärer Stoffe vorlegen361, einschließlich besonders gefährlicher Stoffe („prioritär gefährliche Stoffe“), deren Einleitung, Emission, Freisetzung binnen 20 Jahren vollständig einzustellen ist362. Bei der Listenerstellung berücksichtigt die Kommission gemäß Art. 16 Abs. 3 WRRL „die Auswahl bedenklicher Stoffe, die [. . .] in einschlägigen internationalen Übereinkommen getroffen wird“. Ein solches „einschlägiges internationales Übereinkommen“ ist insbesondere das OSPAR-Ü363. Zwischen diesem Übereinkommen und der Wasserrahmenrichtlinie besteht somit ein Zusammenhang, wie auch Art. 4 Abs. 1 lit. a. i) IV) WRRL unterstreicht, wonach „die Mitgliedstaaten [. . .] gemäß Artikel 16 Absätze 1 und 8 die notwendigen Maßnahmen [. . .] mit dem Ziel [durchführen], die Verschmutzung durch prioritäre Stoffe schrittweise zu reduzieren und die Einleitungen, Emissionen und Verluste prioritärer gefährlicher Stoffe zu beenden oder schrittweise einzustellen“.
Aufgrund des ähnlichen Wortlauts364, der vom Europäischen Parlament im Rahmen der zweiten Lesung der Wasserrahmenrichtlinie am 16. Februar 358 359
Siehe auch Kollmann, ZWR 38 (1999), S. 276 (286 f.). Qualitätsstandards werden in der Regel durch Verwaltungsvorschriften festge-
legt. 360 Siehe dazu schon o. Zweiter Teil, Kapitel 3, I. 2. sowie Sellner/Schnutenhaus, NVwZ 12 (1993), S. 828 (831); Rengeling/Gellermann, JbUTR 36 (1996), S. 1 (14 ff.). 361 Vgl. KOM(2001) 317 endg., Geänderter Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Liste prioritärer Stoffe im Bereich der Wasserpolitik, 6. Juni 2001: ABl. EG 2001, Nr. C 240, S. 305 ff. 362 Vgl. Art. 16 Abs. 6 WRRL. 363 In Erwägung 21 findet sich ein ausdrücklicher Verweis auf das OSPAR-Ü. 364 Art. 1.1 der Strategie lautet: „In accordance with the general objective, the objective of the Commission with regard to hazardous substances is to prevent pollution of the maritime area by continuously reducing discharges, emissions and losses of hazardous substances [. . .] with the ultimate aim of achieving concentrations in the marine environment near background values for naturally occurring substances and close to zero for man-made synthetic substances.“ – Zum Folgenden siehe auch KOM(2001) 17 endg./2, Geänderter Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Liste prioritärer Stoffe im Bereich der Wasserpolitik, 2. Februar 2001, S. 7 (16. Grund), 8 (19. Grund), 9 (23. Grund).
Kap. 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht
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2000 ausdrücklich geforderten Integration sowie der mit der OSPAR-Erklärung von Sintra übereinstimmenden Zeitvorgabe von 20 Jahren nimmt diese Bestimmung, wie übrigens auch Art. 16 WRRL, Bezug auf die OSPARStrategie bezüglich gefährlicher Stoffe365, ein Arbeitsauftrag an die OSPAR-Kommission ohne Außenwirkung, dem Listen gefährlicher Stoffe anhängen (Anhänge 2 und 3). Die EG hat insofern die OSPAR-Stofflisten, die seit 1998 von einer konventionsinternen Arbeitsgruppe (DYNAMEC) beurteilt und erweitert werden, vergemeinschaftet und kann sie gegenüber ihren Mitgliedstaaten durch Entscheidung des Parlaments und des Rates verbindlich machen, vgl. Art. 16 Abs. 1 WRRL. Freilich darf nicht übersehen werden, dass die Wasserrahmenrichtlinie – jedenfalls die Bestimmungen mit materiellem und/oder schutzgutbezogenem Gehalt bzw. die Vorschriften, die für den Einzelnen Rechte und Pflichten begründen366 – der mitgliedstaatlichen Umsetzung bedarf. Laut Art. 24 WRRL hat dies grundsätzlich bis zum 22. Dezember 2003 zu geschehen. Angesichts bekannter Umsetzungsprobleme insbesondere auf dem Gebiet des Umweltrechts herrscht diesbezüglich Skepsis vor367. Es bleibt abzuwarten, wie es im Falle der umfangreichen und komplizierten Wasserrahmenrichtlinie um die Umsetzungsdisziplin der Mitgliedstaaten bestellt ist. In Deutschland arbeiten Bund und Länder bereits seit längerem an ihrer rechtlichen und verwaltungsorganisatorischen Umsetzung368. Dass sich die Gemeinschaft der Handlungsform „Richtlinie“ bediente, ist freilich grundsätzlich zu begrüßen. Eine verordnungshalber vollzogene Vergemeinschaftung würde den Gefügen der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen auf dem Sektor „Umweltrecht“ keine Rechnung tragen. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Mitgliedstaaten für die Rechtsetzung auf diesem Sektor nach wie vor konkurrierend zuständig sind369. Der Erlass umweltbezogener Verordnungen führte insofern zu Rechtsunsicherheit auf mitgliedstaatlicher Ebene und hinderte gleichsam den Vollzug des europäischen Umweltrechts, demgegenüber der von der Gemeinschaft eingeschlagene Weg des Richtlinienerlasses akzeptanzfördernd und legitimierend wirkt370.
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Reference No. 1998-16. Siehe dazu o. Zweiter Teil, Kapitel 3, I. 3. a). EuGH, Rs. C-131/88, Kommission/Deutschland, Slg. 1991, I-825, Rn. 18 ff., 61. Zu den Bestimmungen der Wasserrahmenrichtlinie Faßbender, NVwZ 20 (2001), S. 241 (244 ff.). 367 Vgl. etwa Caspar, DÖV 54 (2001), S. 529 (538); Sendler, NJW 53 (2000), S. 2871 (2872); Breuer (Fn. 336), S. 548; optimistischer Faßbender (Fn. 366). Allgemein Schröder, Öffentliches Recht (Deutschland): Richtlinienumsetzung und Anwendungsprobleme, in: Hohloch (Hrsg.), Richtlinien der EU und ihre Umsetzung in Deutschland und Frankreich, 2001, S. 113 (122 f.); Rengeling/Gellermann (Fn. 360), S. 6 ff. 368 Zum Stand des Umsetzungsverfahrens Knopp, NVwZ 22 (2003), S. 275 ff. 369 Siehe o. Kapitel 2, I. 1. d). 370 Vgl. dazu Rengeling/Gellermann (Fn. 360), S. 31. 366
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2. Mittelbarer Meeresumweltschutz Maßnahmen der EG, die auf mittelbare Weise zum Schutz der Meeresumwelt beitragen, sind entweder unmittelbar auf den Schutz der Umweltmedien Boden und Luft gerichtet, oder sie behandeln schadensgeeignete Stoffe und Energie unabhängig von einem bestimmten Umweltmedium, sind also kausal orientiert371. a) Medienspezifischer Umweltschutz Erstgenannter Kategorie rechnen unter anderem Maßnahmen der Luftreinhaltung und des Klimaschutzes zu. Für den Schutz der Meeresumwelt haben solche Maßnahmen erhebliche Bedeutung. Hans-Joachim Koch prognostiziert, dass sich die Hälfte der stofflichen Gesamtbelastung von Nordund Ostsee letztlich auf Verunreinigungen der Luft zurückführen lässt372. Von daher erscheint bedauerlich, dass das Gemeinschaftsrecht – im Unterschied etwa zum deutschen Immissionsschutzrecht373 – dieser Tatsache bislang wenig Beachtung geschenkt hat. Scheint sich auf dem Gebiet des Gewässerschutzes mit der Wasserrahmenrichtlinie ein ganzheitlicher Ansatz durchzusetzen, ist die EG auf dem Gebiet der Luftreinhaltung davon weit entfernt. Anstelle eines einheitlichen Rahmens hat die Gemeinschaft ein zersplittertes Maßnahmenpaket geschaffen, dessen Einzelakte überwiegend quellenbezogene Emissionsbeschränkungen oder produkt- bzw. stoffbezogene Regelungen enthalten374. Daneben hat sie das Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung vom 13. November 1979 abgeschlossen375, das freilich keine eindeutige rechtliche Verpflichtung zur Reduzierung der Luftverschmutzung begründet, vielmehr die Art und Weise der Bekämpfung der Luftverunreinigung in weiten Teilen offenlässt. Von der Beteiligung am Übereinkommen gingen denn auch keine neuen Impulse für das einschlägige Sekundärrecht aus, mögen die Inhalte der von der Gemeinschaft ebenfalls abgeschlossenen376 Protokolle zum Übereinkommen effektiver Durchführung auch durchaus offenstehen. Ana371 Vgl. Breuer, Umweltschutzrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1999, S. 488, Rn. 41. 372 (Fn. 335), S. 242. 373 Ebd. 374 Nachweise bei Becker, Umweltschutzrecht der Europäischen Union (EU), 21. Aufl. 2001, Nr. 2000 ff. Zum ganzen auch Koch, Luftreinhalterecht und Klimaschutz – Grundlagen, Schutz der Wälder, in: Rengeling (Fn. 336), § 49, Rn. 59 ff. 375 Beschluss (81/462/EWG) des Rates vom 11. Juni 1981 über den Abschluss des Übereinkommens über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung: ABl. EG 1981, Nr. L 171, S. 11 f. Zum Übereinkommen Beyerlin (Fn. 331), S. 155 f., Rn. 316–318.
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log der Wasserrahmenrichtlinie ist für das Umweltmedium „Luft“ deshalb die Schaffung eines ganzheitlichen Ordnungsrahmens, also „eines umfassenden, integrierten und kohärenten Rahmens für sämtliche Rechtsvorschriften über die Luftqualität und damit verbundene politische Initiativen“377,
zu fordern, der an den Schutz der Meeresumwelt anknüpft. Immerhin: In der Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung378 finden sich Anhaltspunkte für einen intermedial ausgerichteten Umweltschutz. Der Richtlinie liegt freilich wiederum ein quellen-, nämlich anlagenbezogener Ansatz zu Grunde. Damit ist entgegen teilweise vertretener Auffassung379 gegenüber dem Ansatz der früheren Rechtsakte kaum etwas gewonnen. Mag ein intermediales Vorgehen auch faktisch den zwischen den Umweltmedien bestehenden Wechselwirkungen entsprechen und normativ den Anforderungen des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung genügen – letztlich ist es nicht weniger sektoriell (da quellenbezogen) als ein medienbezogenes Vorgehen. Vorzugswürdig sind Schutzkonzepte, die sich ausschließlich einem bestimmten Umweltmedium widmen, für dieses einen umfassenden Rahmen zeichnen, der dann, ganz im Sinne integrativen Vorgehens, das einschlägige Umweltmedium in Bezug zu anderen Umweltmedien setzt. Im Anschluss müssen die Schutzkonzepte mit verfahrensbezogenen Maßnahmen kombiniert werden; die Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten380 ist ein insoweit einschlägiges Beispiel. Solange die Gemeinschaft hingegen an ihrem bisherigen 376 Beschluss (93/361/EWG) des Rates vom 17. Mai 1993 über den Beitritt der Gemeinschaft zu dem Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die Bekämpfung von Emissionen von Stickstoffoxiden oder ihres grenzüberschreitender Flusses: ABl. EG 1993, Nr. L 149, S. 14; Beschluss (98/686/EG) des Rates vom 23. März 1998 über den Abschluss durch die Europäische Gemeinschaft des Protokolls zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend eine weitere Verringerung von Schwefelemissionen: ABl. EG 1998, Nr. L 326, S. 34; Beschluss (2001/379/EG) des Rates vom 4. April 2001 über die Genehmigung – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – des Protokolls zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend Schwermetalle: ABl. EG 2001, Nr. L 134, S. 40. 377 KOM(2001) 31 endg., Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zum sechsten Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft für die Umwelt, 24. Januar 2001, S. 52. 378 ABl. EG 1996, Nr. L 257, S. 26 ff. 379 Siehe etwa Kloepfer (Fn. 102), S. 926 f., Rn. 17. 380 ABl. EG 1985 Nr. L 175, S. 40 ff.; letzte Änd. in ABl. EG 1997, Nr. L 73, S. 5 ff.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
Vorgehen festhält, ist ein effektiver Schutz der Meeresumwelt auf mittelbarem Wege nicht zu erreichen. b) Stoffbezogener Umweltschutz Maßnahmen der zweitgenannten, stoffbezogenen Kategorie stellen Bedingungen für das Inverkehrbringen bzw. Verwenden bestimmter gefährlicher Stoffe und Stoffgruppen auf, darunter etwa PCB und PCT381. Dergleichen Maßnahmen sind zwar in der Regel auf das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes gerichtet382; gleichwohl können sie der Kategorie „Mittelbarer Meeresumweltschutz“ zugeordnet werden, da der Zustand der Meeresumwelt von der Art und Intensität der eingebrachten Stoffe erheblich beeinflusst wird383. Davon ist die kompetenzrechtliche Ebene zu unterscheiden. Obwohl (auch) umweltpolitische Gesichtspunkte berücksichtigt werden384, sind stoffbezogene Maßnahmen in kompetenzrechtlicher Hinsicht nicht dem Tätigkeitsfeld „Umwelt“ zuzuordnen. Vielmehr gebietet die Bezugnahme auf den Gemeinsamen Markt bzw. Binnenmarkt385, dass sie auf Grundlage von Art. 95 Abs. 1 EGV erlassen werden. Die Berücksichtigung umweltpolitischer Gesichtspunkte entspricht den Vorgaben von Art. 95 Abs. 3 EGV und betont insofern den Querschnittscharakter der gemeinschaftlichen Umweltpolitik. Mangels fehlender kompetenzrechtlicher Anknüpfung an die gemeinschaftliche Umweltpolitik wird das auf Grundlage von Art. 95 Abs. 1 EGV geschaffene Sekundärrecht hier nicht weiter behandelt. Eine Ausnahme gilt für die praktisch überaus bedeutsame Richtlinie 96/ 59/EG des Rates vom 16. September 1996 über die Beseitigung polychlorierter Biphenyle und polychlorierter Terphenyle (PCB/PCT)386. Sie ist be381 Vgl. z. B. die Richtlinie 76/769/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen (ABl. EG 1976, Nr. L 262, S. 201 ff.; letzte Änd. in ABl. EG 2003, Nr. L 42, S. 45 f.). Eine Zusammenstellung des geltenden Sekundärrechts bezüglich gefährlicher und giftiger Stoffe findet sich bei Becker (Fn. 374), Nr. 1050 ff. 382 In Erwägung 4 der Richtlinie 76/769/EWG heißt es: „Diese Unterschiede [bei den mitgliedstaatlichen Regelungen für gefährliche Stoffe – A.P.] stellen ein Handelshemmnis dar und wirken sich unmittelbar auf die Errichtung und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes aus“ (Hervorhebung hinzugefügt). 383 Siehe Erster Teil, Kapitel 3, II. 1. 384 Siehe Erwägung 2 der in Fn. 382 genannten Richtlinie: „Sie [die Vorschriften über das Inverkehrbringen von gefährlichen Stoffen und Zubereitungen – A.P.] müssen dazu beitragen, daß die Umwelt vor allen Stoffen und Zubereitungen geschützt wird, die ökotoxische Eigenschaften besitzen oder die Umwelt verschmutzen können“. 385 Zum Verhältnis Gemeinsamer Markt-Binnenmarkt siehe o. Fn. 175.
Kap. 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht
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sonders interessant, weil sie die Beseitigung von PCB bis spätestens 2010 anordnet und damit den rechtlich eigentlich unverbindlichen PARCOM-Beschluss 92/3387 vergemeinschaftet388. Trotz Bezugnahme auf das Paris-Ü389 ist die Einordnung der Richtlinie in die Kategorie „Mittelbarer Meeresumweltschutz“ dabei aus zwei Gründen gerechtfertigt: Zum einen ist die Richtlinie unmittelbar stoffbezogen, während Einleitungen von Stoffen und Energie in das Meer Gegenstand spezieller, unmittelbar auf den Schutz der Meeresumwelt bezogener Regelungen sind390. Zum anderen ist sie Bestandteil des gemeinschaftlichen Abfallrechts, das sich in die Kategorien „Abfallbeseitigung“ und „Abfallverwertung“ untergliedert391. „Abfallverwertung“ beeinflusst den Zustand der Meeresumwelt allenfalls mittelbar, und auch die „Abfallbeseitigung“ ist in erster Linie terrestrisch orientiert, wie Art. 1 lit. b der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle392, auf die die hier relevante Richtlinie 96/59/EG mehrfach verweist, unterstreicht. Die Verweisungen werfen schwierige kompetenzrechtliche Fragen auf. Im Unterschied zur Richtlinie 75/442/EWG (sie basiert auf Art. 95 Abs. 1 EGV) wurde die Richtlinie 96/59/EG nämlich auf Art. 175 Abs. 1 EGV gestützt. Angesichts des Umstands, dass sie laut Art. 1 „der Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten“ über die Behandlung von PCB und PCT dient, fragt sich, ob Art. 175 Abs. 1 EGV die richtige Kompetenzgrundlage war, oder ob die Richtlinie nicht auf Art. 95 Abs. 1 EGV hätte gestützt werden müssen. Soweit demnach die Abgrenzung zweier final umschriebener Kompetenznormen – Art. 175 Abs. 1 EGV einerseits, Art. 95 Abs. 1 EGV andererseits – zur Diskussion steht, kann das im Zusammenhang mit Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV vorgeschlagene Kriterium (Vorrang der sachlich-gegenständlichen Norm) nicht zur Anwendung gelangen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die streitgegenständliche Richtlinie 75/442/EWG ihrerseits durch eine Richtlinie393 geändert wurde, hinsichtlich derer der EuGH festgestellt hat: „Der Umstand, daß die Errichtung oder das Funktionieren des Binnenmarktes betroffen ist, [macht] allein die Anwendung von Artikel 100a EWG-Vertrag [= Art. 95 EGV] noch nicht erforderlich“394. 386
ABl. EG 1996, Nr. L 243, S. 31 ff. PARCOM Decision 92/3 on the Phasing out of PCBs and Hazardous PCB Substitutes. 388 Erwägung 6 der Richtlinie nimmt auf diesen Beschluss ausdrücklich Bezug. 389 (Pariser) Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung vom Lande aus vom 21. Februar 1974: BGBl. 1981 II, S. 870 ff. 390 Nachweise in Fn. 337. 391 Vgl. Weidemann, Abfallrecht: Grundlagen, in: Rengeling (Fn. 336), § 71, Rn. 53 ff. 392 ABl. EG 1975, L 194, S. 39 ff. (letzte Änd. in ABl. EG 1996, Nr. L 135, S. 32 ff.). Art. 1 lit. b lautet: „Beseitigung: Das Einsammeln, Sortieren, Befördern und Behandeln von Abfällen und deren Lagerung und Ablagerung auf dem Boden oder im Boden“. 393 Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 zur Änderung der Richtlinie 75/442/EWG über Abfälle: ABl. EG 1991, Nr. L 78, S. 32 ff. 387
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
Demnach sind zwei final orientierte Kompetenznormen anhand des Hauptzwecks des Rechtsaktes abzugrenzen, über den unter anderem die den Normen des Aktes vorangestellten Erwägungen Aufschluss geben. Mit Blick auf die Richtlinie 96/59/ EG ist festzustellen, dass Erwägung 5 auf die von PCB ausgehenden Umweltrisiken verweist; Maßnahmen zur Beseitigung von PCB „sind so bald wie möglich zu ergreifen“. In Erwägung 7 findet sich eine (unter Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit wohl noch zulässige) Relativierung des primärrechtlichen Ursprungsprinzips, und laut Art. 1 zielt die Richtlinie auf die „vollständige Beseitigung“ von PCB-haltigen Geräten und/oder PCB-Abfall“. Mithin geht es schwerpunktmäßig weniger um das Funktionieren des Marktes denn um den Schutz der Umwelt vor gefährlichen Stoffen, mag die EG bezüglich einzelner Aspekte, etwa der Verbrennung von PCB und/oder PCB-Abfällen auf Schiffen (vgl. Art. 7), auch der Realität hinterhergelaufen sein395. Die Richtlinie 96/59/EG wurde deswegen zu Recht auf Art. 175 Abs. 1 EGV gestützt.
3. Artenschutz Im Unterschied zum Bestandsschutz (unten II.) ist der marine Artenschutz kompetenzrechtlich Bestandteil der gemeinschaftlichen Umweltpolitik im Sinne der Art. 174 ff. EGV. In sachlicher Hinsicht wird der Schutz von Lebewesen erfasst, die ausschließlich bzw. vorwiegend im Meer leben, und die wirtschaftlich nicht bzw. nicht in relevantem Maße genutzt werden. Das Spektrum der betroffenen Tierarten reicht von Meeressäugetieren und Seevögeln über wenige nicht mehr nutzbare Fischarten bis zur gesamten marinen Flora. Zentrale sekundärrechtliche Instrumente des marinen Artenschutzes sind die Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie)396, die Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutzrichtlinie)397 und die Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (Artenschutzverordnung)398.
394
EuGH, Rs. C-155/91, Kommission/Rat, Slg. 1993, I-939, Rn. 19. Siehe dazu Erster Teil, Kapitel 3, II. 2. 396 ABl. EG 1992, Nr. L 206, S. 7 ff.; letzte Änd. in ABl. EG 1997, Nr. L 305, S. 42 ff. 397 ABl. EG 1979, Nr. L 103, S. 1 ff.; letzte Änd. in ABl. EG 1997, Nr. L 223, S. 9 ff. 398 ABl. EG 1997, Nr. L 61, S. 1 ff.; letzte Änd. in ABl. EG 2001, Nr. L 334, S. 3 f. 395
Kap. 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht
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a) FFH-Richtlinie Die EG-Mitgliedstaaten werden von der FFH-Richtlinie – zum Teil eine vorweggenommene Vergemeinschaftung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt vom 22. Mai 1992399 – verpflichtet, gemeinschaftsweit ein Netz ökologisch wertvoller Schutzgebiete zu errichten („Natura 2000“). Nach Art. 3 Abs. 1 FFH-Richtlinie erfassen diese Gebiete unter anderem bestimmte, in Anhang I näher konkretisierte „Lebensräume in Küstenbereichen und halophytische Vegetationen“. Weiterhin können gemäß Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie Schutzgebiete für „im Wasser lebende Tierarten, die große Lebensräume beanspruchen“ ausgewiesen werden, freilich nur dann, wenn sich ein entsprechender Raum „klar abgrenzen läßt“. Obwohl die Einrichtung und Erhaltung solcher Gebiete den Schwerpunkt der FFH-Regelungen bilden, ist Ziel der Richtlinie letztlich ein anderes. Gemäß Art. 2 Abs. 1 hat sie „zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen [. . .] beizutragen.“400
Hiernach steht nicht der Naturschutz im Vordergrund der Richtlinie, sondern der Artenschutz, was durch weitere, speziell artenschutzbezogene Bestimmungen (vgl. Art. 12 ff. FFH-Richtlinie) bestätigt wird. Die Erhaltung der natürlichen Lebensräume ist das Mittel zur Erreichung dieses Ziels und Ausfluss der Erkenntnis, dass die Erhaltung gefährdeter Arten nur gewährleistet werden kann, wenn zugleich der Lebensraum der Arten geschützt wird401. Die Vorrangstellung des Artenschutzes geht dabei nicht auf Kosten des Naturschutzes: Zum einen soll der Artenschutz, wie gesagt, vor allem über das Mittel des Naturschutzes vollzogen werden; dessen Anforderungen werden also automatisch (mit-)verfolgt. Zum anderen sind die EG-Mitgliedstaaten nicht gehindert, aus naturschutzbezogenen Gründen ein Gebiet unter Schutz zu stellen, das die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 FFH-Richtlinie nicht erfüllt402. Im Übrigen fließen die Gesichtspunkte des Naturschutzes nach den nationalen Rechtsordnungen ohnehin in höherem Maße in raumplanerische Überlegungen ein. Schutz mariner Arten Art. 12 FFH-Richtlinie verpflichtet die EG-Mitgliedstaaten, „ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV lit. a genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen“. Gegenstand dieses Systems ist 399 400 401 402
BGBl. 1993 II, S. 1742 ff. Hervorhebung vom Verf. Siehe nur F.A.S. v. 5. 5. 2002, S. 71. Vgl. Freytag/Iven, NuR 17 (1995), S. 109 (110).
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
unter anderem das Verbot, die von Anhang IV erfassten Arten absichtlich zu fangen, zu töten oder zu stören bzw. deren Eier, Fortpflanzungs- und Ruhestätten absichtlich zu zerstören. Das Verbot gilt unabhängig vom jeweiligen Lebensstadium. Die Mitgliedstaaten müssen ferner den Besitz, Transport, Handel und Austausch von Tieren der betroffenen Arten verbieten (Abs. 2). Art. 13 FFH-Richtlinie schreibt korrespondierende Maßnahmen für den Schutz der in Anhang IV lit. b angegebenen Pflanzenarten vor. Art. 14, 15 FFH-Richtlinie gewährleisten sodann einen abgeschwächten Schutz für weniger schutzbedürftige Tier- und Pflanzenarten, die in Anhang V aufgelistet sind. Ausnahmen sind nur aus den in Art. 16 FFH-Richtlinie genannten Gründen zulässig, wobei an die ggf. vorzunehmende Abwägung mit anderen schützenswerten Gütern (Abs. 1 lit. c) ein strenger Maßstab anzulegen ist. Mit Bezug auf den Schutz mariner Arten ist festzustellen, dass Anhang IV lit. a sämtliche heimischen Wal- und Delphinarten (Cetacea) ebenso wie Meeresschildkröten (Cheloniidae) und einzelne Fischarten berücksichtigt403. Nicht erfasst werden Korallen (Anthozoa) und Schwämme (Porifera), obwohl diese Tiere für das biologische Gleichgewicht des Meeres von größter Bedeutung sind. Vor kurzem wurden im Nordostatlantik in 2.000 m Tiefe riesige, bis zu 70 km lange Korallenriffe entdeckt. Auch unter Gesichtspunkten des Artenschutzes fehlt es mithin nach wie vor an einer umfassenden Betrachtungsweise. Am 30. Januar 2002 wurde der Mitgliedstaat Griechenland auf Klage der Kommission verurteilt, weil Griechenland nach Auffassung des EuGH keine Art. 12 Abs. 1 lit. b, d FFH-Richtlinie genügenden Maßnahmen zum Schutz der Meeresschildkröte Caretta caretta – diese Spezies wird in Anhang IV lit. a FFH-Richtlinie ausdrücklich genannt – auf der Insel Zakynthos eingerichtet hatte. Der EuGH ging von einem strengen Schutzniveau der einschlägigen Bestimmungen aus404; offenbar soll das gemeinschaftliche Interesse am Schutz der betroffenen Arten nicht nur postuliert, sondern effektiv durchgesetzt werden.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist wesentliches Artenschutzinstrument die den Mitgliedstaaten gemäß Art. 11, 12 Abs. 4 FFH-Richtlinie obliegende Pflicht, „Monitoring“ durchzuführen. Es handelt sich um ein Verfahren, mit dem eine fortlaufende Überprüfung genehmigter Anlagen, Tätigkeiten oder Schutzmaßnahmen auf die Entwicklung der von ihnen ausgehenden Umweltbelastungen bzw. des durch sie erreichten Schutzniveaus erreicht werden soll405. Verstöße können im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens sanktioniert werden. 403 Vor diesem Hintergrund bildete die Richtlinie ein Hindernis für die Walfangaktivitäten eines möglichen künftigen EG-Mitglieds Norwegen, jedenfalls soweit sie im EG-Meer ausgeübt werden; siehe Davies (Fn. 56), S. 282 f. 404 EuGH, Rs. C-103/00, Kommission/Griechenland, Slg. 2002, I-1147, Rn. 31.
Kap. 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht
359
Ausweisung besonderer Schutzgebiete Die Bedeutung „besonderer Schutzgebiete“ im Sinne von Art. 3 ff. FFHRichtlinie (nachfolgend abgekürzt mit SACs [Special Areas of Conservation]) und die Auswirkungen der einschlägigen europarechtlichen Bestimmungen auf die nationalen Rechtsordnungen wurden verschiedentlich beschrieben406 und sollen hier nur überblickartig dargestellt werden. Mit Blick auf die verwirrende Abkürzungsvielfalt sei einleitend klargestellt, dass SACs sowohl von SPAs (Special Protection Areas) als auch von MPAs (Marine Protected Areas) zu unterscheiden sind, wenn sie auch letztlich dem gleichen Zweck dienen. Während sich die Abkürzung „SPAs“ ausschließlich auf die nach den Regeln der Vogelschutzrichtlinie ausgewiesenen Schutzgebiete bezieht407, handelt es sich bei MPAs um nach europarechtlichen bzw. völkerrechtlichen Vorgaben ausgewiesene Meeresschutzgebiete408; MPAs sind insofern räumlich spezieller als SACs, während diese im Unterschied zu jenen sachlich auf das Europarecht beschränkt sind. Gemäß Art. 3 Abs. 1 FFH-Richtlinie müssen die SACs die Habitate der Arten des Anhangs II umfassen. Unter der Kategorie „Meeressäuger“ werden dort die Arten Großer Tümmler (Tursiops truncatus) und Schweinswal (Phocoena phocoena) genannt, weiterhin etwa die Kegelrobbe (Halichoerus grypus). Die Ausweisung der Schutzgebiete durchläuft folgende Verfahrensschritte: Gemäß Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie waren die Mitgliedstaaten bis zum 10. Juni 1995409 zur Vorlage einer Liste mit möglichen Schutzgebieten verpflichtet, wobei bereits dieser erste Schritt Gegenstand mehrerer Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH war410. So hatte etwa Deutsch405 Vgl. Schmidt-Aßmann/Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Rengeling (Fn. 78), § 18, Rn. 57; Stüber, NuR 22 (2000), S. 245. 406 Czybulka, JbUTR 36 (1996), S. 235 (255 ff.); Epiney, UPR 17 (1997), S. 303 ff.; Schütte, Der Schutz des Wattenmeeres, 2001, S. 159 ff.; Wirths, Naturschutz durch europäisches Gemeinschaftsrecht, 2001, S. 122 ff., 298 ff.; Berner, Der Habitatschutz im europäischen und deutschen Recht, 2000, S. 66 ff., 153 ff. 407 Vgl. Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 FFH-Richtlinie. 408 Dazu siehe schon o. Zweiter Teil, Kapitel 1, I. 3. 409 Die Bekanntgabe der Richtlinie erfolgte am 10. Juni 1992, die Veröffentlichung im Amtsblatt erst am 21. Juli 1992. Für die Wirksamkeit der Richtlinie war die Bekanntgabe irrelevant: Es handelt sich nicht um eine „andere Richtlinie“ im Sinne von Art. 254 Abs. 3 EGV, sondern um eine Richtlinie, „die an alle Mitgliedstaaten gerichtet“ (Art. 254 Abs. 2 EGV) ist. Art. 254 Abs. 1 EGV war nicht anwendbar, da Art. 130s Abs. 1 a. F. EWGV (= Art. 175 Abs. 1 EGV) im Zeitpunkt des Rechtsetzungsverfahrens noch nicht die von Art. 254 Abs. 1 EGV geforderte Mitwirkung des Europäischen Parlaments vorsah. 410 Vgl. EuGH, Rs. C-67/99, Kommission/Irland, Slg. 2001, I-5757, Rn. 37 f.; Rs. C-71/99 Kommission/Deutschland, Slg. 2001, I-5811, Rn. 38; Rs. C-220/99, Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I-5831, Rn. 42.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
land seine Liste nicht fristgerecht bei der Kommission eingereicht und war bereits zuvor für die nicht fristgerecht erfolgte Umsetzung der FFH-Richtlinie in nationales Recht verurteilt worden411. Im Anschluss hätte die Kommission die von den Mitgliedstaaten zugeleiteten Listen nach dem in Art. 21 FFH-Richtlinie angeordneten Verfahren innerhalb von drei Jahren – spätestens also am 10. Juni 1998 – zu einer Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung zusammenstellen müssen412. Mangels Vorliegen aller mitgliedstaatlichen Gebietslisten war dies freilich nicht möglich. Innerhalb weiterer sechs Jahre, theoretisch also bis zum 10. Juni 2004, müssen die betroffenen Staaten die in der Liste bezeichneten Gebiete als SACs ausweisen und entsprechende Schutzmaßnahmen festlegen. Da die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung noch immer nicht zusammengestellt wurde, scheint dem Wortlaut der FFH-Richtlinie zufolge derzeit keine Verpflichtung zur Schutzgebietsausweisung zu bestehen. Unmittelbare Bindungswirkung der FFH-Richtlinie Gleichwohl wurden bereits in den letzten Jahren Schutzgebiete im Nordostatlantik ausgewiesen, vor allem in Küstennähe. Im Jahre 1999 betrug die Zahl der im räumlichen Geltungsbereich des OSPAR-Ü eingerichteten MPAs immerhin bereits um die 100413. Mangels Ausweisung als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung handelt es sich zwar nicht um SACs im Sinne von Art. 4 FFH-Richtlinie. Es fragt sich indes, ob die in den Art. 5– 11 FFH-Richtlinie enthaltenen Schutzbestimmungen unabhängig davon anwendbar sind, ob also die nach nationalem Recht ausgewiesenen MPAs den Anforderungen der (gemeinschaftsrechtlichen) SACs genügen müssen. Bejahendenfalls wären die Mitgliedstaaten etwa gemäß Art. 6 Abs. 2 FFHRichtlinie verpflichtet, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um in ihren MPAs „die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden“.
411
EuGH, Rs. C-83/97, Kommission/Deutschland, Slg. 1997, I-7191, Rn. 8 ff. Anzumerken ist, dass die Kommission ihrerseits erst am 18. Dezember 1996 über das von den Mitgliedstaaten zu verwendende Formular entschieden hatte; vgl. Entscheidung (97/266/EG) der Kommission vom 18. Dezember 1996 über das Formular für die Übermittlung von Informationen zu den im Rahmen von Natura 2000 vorgeschlagenen Gebieten: ABl. EG 1996, Nr. L 107, S. 1 ff. 412 Vgl. Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 FFH-Richtlinie. 413 Vgl. WWF (Hrsg.), Developing a Framework for Marine Protected Areas in the North-East Atlantic, 2000, S. 4: www.ngo.grida.no/wwfneap/Projects/Reports/ wwf_mpa.pdf.
Kap. 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht
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Voraussetzung für eine solche Bindung an die Vorgaben der FFH-Richtlinie wäre, dass die Art. 5 ff. FFH-Richtlinie bereits vor Erstellung der in Art. 4 Abs. 2 FFH-Richtlinie erwähnten Liste anwendbar sind. Diesbezüglich kommt in Betracht, die Judikatur des EuGH zur Direktwirkung von Richtlinien zu rekurrieren414. Sie erfasst bekanntlich nicht nur den Fall der nicht fristgemäßen Richtlinienumsetzung, sondern gerade auch den vorliegend einschlägigen Fall der fehlerhaften bzw. unvollständigen Umsetzung415. Damit korrespondierend hat der EuGH den Sekundärrechtsschutz, d. h. die mitgliedstaatliche Haftung wegen der Nichtumsetzung von Richtlinien, auf die fehlerhafte Umsetzung von Richtlinien erstreckt416; Nichtumsetzung und fehlerhafte Umsetzung sind auch insofern gleichgestellt. Martin Nettesheim zufolge handelt es sich bei der Frage nach potentiellen Schutzgebieten nicht um ein Umsetzungsproblem, sondern um ein Durchführungsproblem, auf das die EuGH-Judikatur zur unmittelbaren Wirksamkeit nicht rechtzeitig bzw. nicht richtig umgesetzten Richtlinienrechts nicht anwendbar sei417. Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Art. 6 Abs. 2–4 FFH-Richtlinie sei als Problem der Interpretation dieser Bestimmung oder als erweiternde Auslegung des Art. 4 Abs. 5 FFH-Richtlinie anzusehen. Deshalb müsse teleologisch erörtert werden, „welche Gründe für die Erstreckung des Schutzes auf potentielle Gebiete sprechen und welche dagegen“418. – Ob tatsächlich randscharf zwischen „Umsetzung“ und „Durchführung“ von Richtlinienbestimmungen differenziert werden kann, erscheint freilich zweifelhaft. Es fehlt schon, wie Nettesheim selbst an anderer Stelle einräumt419, an einer einheitlichen Begriffszuordnung. So spricht der EuGH im Becker-Urteil im Zusammenhang mit der unmittelbaren Wirkung von Richtlinienbestimmungen davon, dass „ein Mitgliedstaat, der die in der Richtlinie vorgeschriebenen Durchführungsmaßnahmen nicht fristgemäß erlassen hat, den Einzelnen nicht entgegenhalten [kann], dass er die aus dieser Richtlinie erwachsenen Verpflichtungen nicht erfüllt hat“420. Nettesheim zufolge bezeichnet „unmittelbare Wirksamkeit“ die „Wirkansprüche einer Richtlinie [. . .], die nur dann zum Tragen kommen, wenn ein Mitgliedstaat seine Durchführungspflichten verletzt hat.“421 Begrifflich besteht zwischen „Durchführung“ und „Umsetzung“ demnach kein Ausschließlichkeitsverhältnis422. Auch in sachlicher Hinsicht ist letztlich kein qualitativer Unterschied erkennbar, ob 414 Für viele Kirchhof, NuR 23 (2001), S. 666 (668 f.); Schütte (Fn. 406), S. 173 f. 415 EuGH, Rs. 8/81, Ursula Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt, Slg. 1982, 53, Rn. 20. 416 EuGH, Rs. C-392/93, The Queen/H. M. Treasury, ex parte British Telecommunications plc, Slg. 1996, I-1631, Rn. 40. 417 Nettesheim, NATURA 2000 – Grundprobleme des europäischen Habitatschutzrechts, Gutachten 2001, S. 136 f. 418 Ebd., S. 137. 419 Nettesheim, Die mitgliedstaatliche Durchführung von EG-Richtlinien, 1999, S. 17, Fn. 13. 420 EuGH, Rs. 8/81, Ursula Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt, Slg. 1982, 53, Rn. 24 (Hervorhebung vom Verf.). 421 (Fn. 419), S. 79 (Hervorhebung hinzugefügt).
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
die Mitgliedstaaten das von den Bestimmungen einer Richtlinie vorgesehene Programm nicht rechtzeitig erfüllt („durchgeführt“) haben, oder ob sie die Bestimmungen nicht rechtzeitig in nationales Recht umgesetzt haben. Im einen wie dem anderen Fall stellt sich die Frage, welches Schutzregime angesichts der Säumnis der Mitgliedstaaten zur Anwendung gelangen soll. Vor diesem Hintergrund spricht nichts dagegen, die vom EuGH etablierten Kriterien zur Direktwirkung von Richtlinienbestimmungen auf vorliegenden Fall anzuwenden.
Voraussetzungen der unmittelbaren Wirkung von Richtlinienbestimmungen sind ihre hinreichende Bestimmtheit, inhaltliche Unbedingtheit sowie das Fehlen unmittelbarer Drittbelastung. Die Bestimmungen der FFH-Richtlinie scheinen diese Vorgaben nicht zu erfüllen. So heißt es in Art. 4 Abs. 5 FFH-Richtlinie: „Sobald ein Gebiet in die Liste des Absatzes 2 Unterabsatz 3 aufgenommen ist, unterliegt es den Bestimmungen des Artikels 6 Absätze 2, 3, und 4.“
Die Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 2–4 FFH-Richtlinie ist hiernach keineswegs inhaltlich unbedingt, sondern setzt die vorherige Aufnahme des betroffenen Gebiets in die gemeinschaftliche Gebietsliste voraus. Daneben verfügen die Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang III (Phase 1) enthaltenen Kriterien, die über die Aufnahme in die gemäß Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1 FFH-Richtlinie vorzulegende mitgliedstaatliche Gebietsliste entscheiden, über einen engen, gerichtlich nicht nachprüfbaren, ausschließlich naturschutzfachlichen423 Entscheidungsspielraum424. Mithin ist eine unmittelbare Wirkung von Art. 6 Abs. 2–4 FFH-Richtlinie ausgeschlossen, zumal andernfalls das nach Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 FFH-Richtlinie bestehende Einvernehmenserfordernis der Mitgliedstaaten unterlaufen würde425. Dieses Ergebnis beansprucht auch für Gebiete Gültigkeit, die prioritäre, d. h. als besonders schützenswert eingestufte426, Lebensraumtypen oder Arten aufweisen. Zwar heißt es in Anhang III (Phase 2) FFH-Richtlinie, auf den Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 FFH-Richtlinie ausdrücklich verweist:
422 Vgl. auch Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 9–12, der beide Termini synonym verwendet. 423 EuGH, Rs. C-371/98, The Queen/Secretary of State for the Environment, Transport and the Regions, ex parte First Corporate Shipping Ltd., Slg. 2000, I9235, Rn. 24 f. 424 BVerwG, DVBl. 117 (2002), S. 990 (993); Stüer, DVBl. 117 (2002), S. 940 (942); Nettesheim (Fn. 417), S. 142. 425 Zutreffend Schütte (Fn. 406), S. 175. I. E. wie hier außerdem Ewer, NuR 22 (2000), S. 361 (365); Erbguth/Stollmann, DVBl. 112 (1997), S. 453 (454); Berg, Europäisches Naturschutzrecht und Raumordnung, 2002, S. 260–263. A. A. etwa Gellermann, NuR 18 (1996), S. 548 (556); Jarass, NuR 21 (1999), S. 481 (482); Ballschmidt-Boog (Fn. 53), S. 196 f. 426 Vgl. Art. 1 lit. d bzw. lit. h FFH-Richtlinie.
Kap. 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht
363
„Alle von den Mitgliedstaaten in Phase I ermittelten Gebiete, die prioritäre natürliche Lebensraumtypen bzw. Arten beherbergen, werden als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung betrachtet.“
Daraus folgt indes nicht, dass die Aufnahme dieser Gebiete in die Gemeinschaftsliste lediglich deklaratorischer Natur wäre. Die Verfahrensreihenfolge des Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 FFH-Richtlinie verdeutlicht vielmehr, dass die Aufnahme der „als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung betrachteten“ Gebiete in die Gemeinschaftsliste grundsätzlich unter dem Vorbehalt mitgliedstaatlichen Einvernehmens steht. Daneben stellt Art. 4 Abs. 5 FFHRichtlinie auch bezüglich prioritärer Lebensraumtypen und Arten ausdrücklich und ausschließlich darauf ab, dass das betroffene Gebiet „in die Liste des Absatzes 2 Unterabsatz 3 aufgenommen ist“. Diesen Verweis zu ignorieren bedeutete sowohl eine unzulässige Auslegung der Bestimmung über den Wortlaut hinaus427 als auch eine europarechtswidrige Ausdehnung der EuGH-Judikatur zur unmittelbaren Anwendung von Richtlinien. Wenn Martin Gellermann hiergegen einwendet, ein solch enges Verständnis von Art. 4 Abs. 5 FFH-Richtlinie sei „bloßer Formalismus“428, ist dem entgegenzuhalten, dass dies vor dem Hintergrund des ja materiell-rechtlich wirkenden Erfordernisses mitgliedstaatlichen Einvernehmens gerade nicht der Fall ist429. Im Übrigen würde andernfalls die gemäß Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 FFH-Richtlinie gegebene Zuständigkeit der Kommission missachtet430, obwohl „Natura 2000“ dem Wesen nach ein europäisches Schutzgebietsnetz verkörpern soll, für dessen Verwirklichung primär die Gemeinschaftsorgane verantwortlich zeichnen431. Etwas anderes ist lediglich insoweit anzunehmen, als die Mitgliedstaaten der Kommission, wie von Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1 FFH-Richtlinie gefordert, bereits Listen mit „ihren“ Gebieten vorgelegt haben. Es widerspräche jedenfalls dem primärrechtlichen Rücksichtnahmegebot432, wenn die betroffenen 427 Entgegen Nettesheim (Fn. 417), S. 137, ist der Wortlaut insofern keineswegs „unergiebig“. 428 Gellermann, Natura 2000, 2. Aufl. 2001, S. 94. 429 A. A. BVerwGE 107, 1, 23 f. („höchst zweifelhaft“); E 112, 140, 156; Kirchhof (Fn. 414), S. 668 f., mit dem Argument, der mitgliedstaatliche Ermessensspielraum sei insbesondere mit Blick auf prioritäre Lebensräume „extrem reduziert und rein fachlich“. Dass sich im Einzelfall das Ermessen eines Mitgliedstaates bei der Auswahl eines bestimmten Gebietes auf Null reduzieren mag, ändert freilich nichts am grundsätzlichen Ermessensbestand. Siehe auch Stüer (Fn. 424), S. 942. 430 Das übersieht Wirths (Fn. 406), S. 167. 431 Das von Art. 4 FFH-Richtlinie vorgesehene Verfahren und die in seinem Rahmen bestehende Zuständigkeit der Kommission betont auch der EuGH; siehe Rs. C371/98, The Queen/Secretary of State for the Environment, Transport and the Regions, ex parte First Corporate Shipping Ltd., Slg. 2000, I-9235, Rn. 20–22. 432 Vgl. Art. 10 Abs. 2 EGV.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
Mitgliedstaaten nicht dafür zu sorgen hätten, dass sich der Zustand der Umwelt in den von ihnen vorgeschlagenen, als schützenswert erachteten Gebieten nicht verschlechtert433. Wie sich aus dem Telos von Art. 4 Abs. 5 FFH-Richtlinie ergibt, kommt eine direkte Wirkung von Art. 6 Abs. 1 FFH-Richtlinie ebenfalls nicht in Betracht. Während die Absätze 2–4 immerhin ab dem Zeitpunkt der Aufnahme eines Gebiets in die Gemeinschaftsliste gelten, ist dies bezüglich Abs. 1 nicht der Fall; eine Anwendbarkeit schon vor Listenerstellung muss insofern erst recht ausscheiden. Für Art. 7– 10 FFH-Richtlinie gilt nichts anderes. Art. 7 verweist auf die Vogelschutzrichtlinie434, Art. 8 auf den nicht direkt anwendbaren Art. 6 Abs. 1, demgegenüber sich Art. 9 nicht an die Mitgliedstaaten, sondern an die Kommission richtet. Art. 10, eine Ermessensvorschrift, ist nicht inhaltlich unbedingt.
Einzig im Falle des Art. 11 FFH-Richtlinie erscheint eine unmittelbare Wirkung denkbar. Die in dieser Norm enthaltene Verpflichtung, Monitoring durchzuführen, ist so bestimmt wie unbedingt; aus ihr ergibt sich auch keine unmittelbare Drittbelastung, d. h. eine Belastung zwischen Bürgern. Die Beantwortung der Frage, ob die EG-Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer nach nationalem Recht ausgewiesenen MPAs Überwachungsmaßnahmen im Sinne von Art. 11 FFH-Richtlinie durchzuführen haben, hängt demnach davon ab, ob das Erfordernis eines individualschützenden Charakters – eine begünstigende Wirkung zugunsten Einzelner – zu den Voraussetzungen der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien zu zählen ist, ist doch Art. 11 FFHRichtlinie alleine dem Schutz von Allgemeininteressen gewidmet435. Der EuGH hat jenes Erfordernis – entgegen der früher vorherrschenden Meinung436 – in neuerer Zeit aufgegeben; nach Auffassung des Gerichtshofs können Richtlinien über objektiv-unmittelbare Wirkung verfügen. Mit Blick auf den verbindlichen Charakter dieser Handlungsform (vgl. Art. 249 Abs. 3 EGV) ist der Rechtsprechung des EuGH zuzustimmen; andernfalls könnten die Mitgliedstaaten den effet utile der Richtlinien durch deren Nichtumsetzung unterlaufen. Für die Möglichkeit einer auch objektiven unmittelbaren Wirkung spricht daneben das allgemein anerkannte Gebot richtlinienkonformer Auslegung437, nach dem das natio433 I. E. ebenso BVerwGE 107, 1, 22; E 110, 302, 308; Schütte (Fn. 406), S. 175; Berg (Fn. 425), S. 262. Vgl. auch EuGH, Rs. C-129/96, Inter-Environnement Wallonie ASBL/Région wallonne, Slg. 1997, I-7411, Rn. 45. Gegen die Anwendbarkeit von Art. 10 Abs. 1 EGV mit beachtlichen Argumenten Nettesheim (Fn. 417), S. 123–131. Ihm zufolge bleibt für Art. 10 EGV nur dann Raum, „wenn für die FFH-Richtlinie wirklich kein Anwendungsfeld mehr bliebe. Die Beeinträchtigung oder Zerstörung einzelner Schutzgebiete reicht hierfür keinesfalls aus, wenn und solange weitere Anwendungsfälle im Hoheitsgebiet bestehen“ (ebd., S. 131). 434 Zu dieser Bestimmung EuGH, Rs. C-44/95, Regina/Secretary of State for the Environment, Slg. 1996, I-3805, Rn. 8 ff.; Schütte (Fn. 406), S. 168 ff. 435 So auch Gellermann (Fn. 425), S. 556; Jarass (Fn. 425), S. 482. 436 Vgl. etwa Papier, DVBl. 108 (1993), S. 809, und die Nachweise bei Gellermann (Fn. 425), S. 557 f. 437 Epiney, DVBl. 111 (1996), S. 409 (412).
Kap. 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht
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nale Recht in Konformität zu den Bestimmungen von erlassenen, aber noch nicht umgesetzten Richtlinien auszulegen ist438. Richtlinien entfalten mithin bereits vor ihrer Umsetzung in nationales Recht bestimmte Rechtswirkungen. Dadurch wird zwar der im Umsetzungserfordernis liegende Unterschied zwischen Richtlinien einerseits und Verordnungen andererseits partiell eingeebnet. Rechtlich ist diese Einebnung, wie auch Wortlaut und Systematik von Art. 249 Abs. 3 EGV unterstreichen, indes unbedenklich: In Art. 249 Abs. 3 EGV wird die Verbindlichkeit des Ziels einer Richtlinie dem Umsetzungserfordernis vorangestellt. Letzteres dient insofern primär dem Zweck, den Mitgliedstaaten eine möglichst homogene Einbettung des Sekundärrechts in ihre Rechtsordnungen zu ermöglichen. Eine Rangordnung des Sekundärrechts im Sinne einer Verbindlichkeitsabstufung besteht hingegen nicht.
Im Ergebnis ist Art. 11 FFH-Richtlinie unmittelbar auf die von den Mitgliedstaaten ausgewiesenen MPAs anzuwenden; gleiches gilt für noch nicht ausgewiesene, aber potentiell den Anforderungen von SACs entsprechende Schutzgebiete. Nur in diesem Zusammenhang kann der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugestimmt werden439, die bekanntlich von der unmittelbaren Anwendbarkeit der Bestimmungen der FFH-Richtlinie ausgeht, ohne die Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung hinreichend zu berücksichtigen. In der Praxis dürfte die Bedeutung der mitgliedstaatlichen Verpflichtung aus Art. 11 FFH-Richtlinie freilich nicht allzu groß sein; auch nach nationalem Recht ist die Ausweisung von MPAs in der Regel mit bestimmten Verfahrenpflichten verbunden440. SACs und Völkerrecht Unterdessen fragt sich, inwiefern das innergemeinschaftliche Procedere zur Schutzgebietsausweisung mit den Vorgaben des Völkerrechts vereinbar ist. Obwohl das EG-Meer von den Bestimmungen der FFH-Richtlinie vollständig erfasst wird, entspricht das von der Richtlinie für die Ausweisung von SACs vorgeschriebene Verfahren nicht dem in Art. 211 Abs. 6 SRÜ genannten Verfahren. Vor allem Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie erscheint problematisch, weil die Mitgliedstaaten nach dieser Bestimmung geeignete Maßnahmen treffen müssen, um „Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele [der] Richtlinie erheblich auswirken können“. Ob die Durchfahrt von Schiffen durch SACs solche Störungen bewirken kann – praktisch relevant könnte dies hinsichtlich der Arten Großer Tümmler und Schweinswal werden –, ist wissenschaftlich nach wie vor ungeklärt441. Mit438 Vgl. dazu jüngst Klamert, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2001. 439 BVerwGE 107, 1, 22 ff.; E 110, 302, 308 f.; zurückhaltender nun E 112, 140, 156 f. Der älteren Judikatur zustimmend Schink, DÖV 55 (2002), S. 45 (52). 440 Vgl. etwa § 20b a. F. BNatSchG.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
unter wird behauptet, Meeressäugetiere würden durch die von Schiffsmotoren verursachten Geräusche in ihrer Orientierungsfähigkeit beeinträchtigt442. Auch ist immer wieder von Zusammenstößen zwischen Schiffen und Walen zu lesen. Da Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie in Übereinstimmung zum Vorsorgeprinzip (vgl. Art. 174 Abs. 2 EGV) auszulegen ist, müssen die Mitgliedstaaten gemäß der sekundärrechtlichen Norm grundsätzlich schon im Falle der Möglichkeit eines Eintritts erheblicher Störungen der Meeressäuger tätig werden. Diese Möglichkeit lässt sich nach dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht ohne weiteres leugnen. Insofern kann die Schifffahrt in marinen Schutzgebieten europarechtlich – im Widerspruch zu den Vorgaben des SRÜ – offenbar ausgeschlossen werden. Aus völkerrechtlicher Sicht hilft Art. 311 Abs. 3 SRÜ in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht weiter, weil der EG-Mitgliedstaat Dänemark nicht Vertragspartei des SRÜ ist. Mit Bezug auf den Meeresschutz wäre freilich ohnehin nicht Art. 311 SRÜ einschlägig, sondern Art. 237 SRÜ443. In dieser Norm wird „Übereinkunft“ grundsätzlich weit ausgelegt444; nach ihrem Telos erstreckt sie sich auf internationale Organisationen im Sinne von Art. 305 Abs. 1 lit. f SRÜ, also etwa auf die EG. Trotz des insoweit nicht eindeutigen Wortlauts von Art. 237 Abs. 2 SRÜ445 ist die Gemeinschaft als Vertragspartei des SRÜ jedoch an die „allgemeinen Grundsätze und Ziele“ gebunden446, zu denen gerade auch die Freiheit der Schifffahrt rechnet. Von daher bleibt es bei der Feststellung, dass die Ausweisung umfassender, die Schifffahrt ausschließender SACs völkerrechtswidrig wäre.
Infolgedessen ist eine Harmonisierung auf Ebene des Gemeinschaftsrechts anzustreben. Da die EG Vertragspartei des SRÜ ist, ist insoweit nicht Art. 307 EGV447, sondern Art. 300 Abs. 7 EGV einschlägig. Hiernach sind 441
Den Zusammenhang zwischen Schutzgebietsausweisungen gemäß den Bestimmungen der FFH-Richtlinie und der internationalen Schifffahrt verkennt Lagoni (NuR 24 [2002], S. 121 [132]). 442 So etwa in der Fernsehsendung „Planetopia“, ausgestrahlt am 20. Oktober 2002 um 22.45 Uhr auf dem Fernsehsender SAT.1. 443 Vgl. Nordquist/Rosenne/Sohn (Hrsg.), United Nations Convention on the Law of the Sea 1982, A Commentary, Vol. V, 1989, S. 243, para. 311.11. 444 Vgl. Nordquist/Rosenne/Yankov (Hrsg.), United Nations Convention on the Law of the Sea 1982, A Commentary, Vol. IV, 1991, S. 425, para. 237 (c). 445 Art. 237 Abs. 2 SRÜ lautet: „Die von den Staaten aufgrund besonderer Übereinkünfte übernommenen bestimmten Verpflichtungen hinsichtlich des Schutzes und der Bewahrung der Meeresumwelt sollen in einer Weise erfüllt werden, die mit den allgemeinen Grundsätzen und Zielen dieses Übereinkommens vereinbar ist.“ 446 Vgl. UN Doc. A/52/491, Oceans and the Law of the Sea: Law of the Sea, Impact of the Entry into Force of the 1982 United Nations Convention on the Law of the Sea on Related Existing and Proposed Instruments and Programmes, Report of the Secretary-General, 20 October 1997, 20, para. 22. Ebenso Lagoni (Fn. 441), S. 130. 447 Die Beteiligung der Gemeinschaft an dem betreffenden Übereinkommen ist ein „geeignetes Mittel“ im Sinne von Art. 307 Abs. 2 EGV; siehe Krück (Fn. 281),
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„die nach Maßgabe dieses Artikels geschlossenen Abkommen [. . .] für die Organe der Gemeinschaft und für die Mitgliedstaaten verbindlich“,
d. h. die Gemeinschaftsabkommen haben innergemeinschaftlich Vorrang vor dem von den Gemeinschaftsorganen geschaffenen Sekundärrecht448. Die FFH-Richtlinie ist deshalb grundsätzlich in Konformität zum SRÜ auszulegen449. Die Richtlinie enthält denn auch durchaus Ansatzpunkte für eine völkerrechtskonforme Auslegung450. So verlangt Art. 2 Abs. 3, dass die „getroffenen Maßnahmen [. . .] den Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur [. . .] Rechnung [tragen]“. Dieses allgemeine Abwägungsgebot451 führt dazu, dass die zu den Anforderungen der Wirtschaft rechnenden Belange der Schifffahrt bei der Ausweisung maritimer SACs zu berücksichtigen sind – eine Konkretisierung des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung, die freilich nur innerhalb des von den speziellen Richtlinienbestimmungen vorgegebenen Abwägungsrahmens greift452. Eine diesbezüglich einschlägige Bestimmung ist Art. 6 Abs. 4 FFH-Richtlinie, wonach zwingende Gründe „des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher [. . .] wirtschaftlicher Art“ die Zulässigkeit eines Plans oder Projekts innerhalb des Schutzgebiets begründen können. Die Schifffahrt müsste demnach ein „Plan“ bzw. „Projekt“ im Sinne von Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie sein und insofern eine Verträglichkeitsprüfung mit den für das Schutzgebiet festgelegten Erhaltungszielen erforderlich machen. In der FFH-Richtlinie werden jene Begriffe zwar nicht definiert. Indes kann „Plan“ anhand der Kriterien des Raumordnungsrechts konkretisiert werden453, und „Projekt“ wird in Art. 1 Abs. 2 UVP-Richtlinie454 – vor dem Hintergrund der zwischen beiden Richtlinien bestehenden Zusammenhänge455 aussagekräftig – als „Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen [sowie] Eingriffe in Rn. 11; Schmalenbach in: Calliess/Ruffert (Fn. 307), Art. 307 EGV, Rn. 12; Dauses (Fn. 311), S. 149. 448 EuGH, Rs. C-61/94, Kommission/Deutschland, Slg. 1996, I-3989, Rn. 52; Oppermann (Fn. 24), S. 741, Rn. 1719; Krück (Fn. 277), S. 170; ders. in: Schwarze (Fn. 20), Art. 282 EGV, Rn. 30; Vedder (Fn. 184), Rn. 53; Jarass (Fn. 62), S. 43; Hobe/Müller-Sartori (Fn. 306), S. 12. Zum bislang einzigen Fall, in dem eine sekundärrechtliche Bestimmung für unvereinbar mit einem Abkommen im Sinne von Art. 300 EGV erklärt wurde, siehe EuG, Rs. T-115/94, Opel Austria GmbH/Rat, Slg. 1997, II-39, Rn. 122. Zum ganzen siehe noch u. Kapitel 4, I. 2. 449 Vgl. auch Peters (Fn. 300), S. 71–73. – Zur Reichweite des Art. 300 Abs. 7 EGV im Falle gemischter Abkommen siehe noch u. Kapitel 4, I. 2. b) („Zur Reichweite des Art. 300 Abs. 7 EGV“). 450 Ebenso Jarass (Fn. 62), S. 46. 451 Wirths (Fn. 406), S. 120 f. 452 Ebd., S. 122; Fischer-Hüftle, ZUR 10 (1999), S. 66. 453 Dazu Ramsauer, NuR 22 (2000), S. 601 (602); Freytag/Iven (Fn. 402), S. 112. 454 Siehe die in Fn. 380 angegebene Fundstelle. 455 Wirths (Fn. 406), S. 181.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen“ definiert. Beiden Fällen liegt somit ein unmittelbarer und dauerhafter Raumbezug zu Grunde, der der schifffahrtsbezogenen Meeresnutzung fehlt. Allerdings ist zu bedenken, dass Schiffe in der Regel auf den in Seekarten eingezeichneten Schifffahrtswegen fahren, bezüglich derer unter Gesichtspunkten des Artenschutzes ein Unterschied zu Parkplätzen und Straßen – unzweifelhaft „Projekte“ im Sinne der FFH-Richtlinie – nicht zu erkennen ist. Auch stellt Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie maßgeblich darauf ab, ob die Pläne oder Projekte zu erheblichen Beeinträchtigungen führen können, was sich im Hinblick auf die Schifffahrt, wie festgestellt, gerade nicht ausschließen lässt. Deshalb macht die schifffahrtsbezogene Nutzung einer MPA eine Verträglichkeitsprüfung erforderlich. In ihrem Zusammenhang ist die Bindung der EG-Mitgliedstaaten an das SRÜ ein „zwingender Grund des überwiegenden öffentlichen Interesses“ im Sinne von Art. 6 Abs. 4 FFH-Richtlinie456 – auch deshalb, weil die Mitgliedstaaten die Bestimmungen des SRÜ innerstaatlich umsetzen müssen457. Für Dänemark, das nicht Vertragspartei des SRÜ ist, folgt gleiches zumindest aus der völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Schifffahrtsfreiheit458. Ohne Zustimmung der IMO kann die Schifffahrt innerhalb einer MPA demnach auch von innergemeinschaftlicher Warte aus nicht vollständig ausgeschlossen werden. Die EG-Mitgliedstaaten können zwar alternative, die SACs umgehende Schifffahrtswege ausweisen, die Benutzer aber nicht an diese binden. 456 Vgl. auch Ramsauer (Fn. 453), S. 604: „Richtigerweise wird man den Begriff der zwingenden Gründe deshalb mit ,verpflichtende Gründe‘ [. . .] zu übersetzen haben.“ Soweit Ramsauer anmerkt, es handele sich dabei um „Interessen, die – von den Zielsetzungen der Richtlinie aus – zwingenden Charakter haben“ (ebd.), widerspricht dies der hier vertretenen völkerrechtskonformen Auslegung der FFH-Richtlinie nicht, weil die Vorgaben des SRÜ nach Art. 300 Abs. 7 EGV Eingang in die Gemeinschaftsrechtsordnung finden. Da sie rangmäßig über dem Sekundärrecht stehen, ist die dementsprechende Interpretation von Art. 6 FFH-Richtlinie letztlich aus innergemeinschaftlichen Gründen zwingend geboten. – Die (primär theoretische) Frage, ob Art. 300 Abs. 7 EGV eine monistische oder eine dualistische Sichtweise zu Grunde liegt, ob also die Norm eine Vollzugsanordnung trifft oder der Tranformation dient, bedarf hier keiner Beantwortung. Dazu etwa Lenaerts/de Smijter, YBEL 19 (1999–2000), S. 95 (104–106); Hobe/Müller-Sartori (Fn. 306), S. 12; Vedder (Fn. 184), Rn. 45. 457 Vgl. Uerpmann, Das öffentliche Interesse, 1999, S. 179: „Der Bundestag, so wie er durch Art. 38 Abs. 1 GG konstituiert wird, hat [. . .] eine eigenständige Kompetenz zur Definition öffentlicher Interessen.“ Ebd., S. 183: Öffentliche Interessen seien „das Ergebnis einer Entscheidung, die von dem zuständigen Organ, in der parlamentarischen Demokratie also vorrangig vom Gesetzgeber, zu treffen ist.“ Vgl. auch EuGH, Rs. C-126/97, Eco Swiss China Time Ltd./Benetton International NV., Slg. 1999, I-3055, Rn. 38 f. 458 Gewohnheitsrechtlich sind die Grenzen zulässiger Einschränkungen der Schifffahrtsfreiheit noch enger als nach dem SRÜ.
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b) Vogelschutzrichtlinie Bei der im Vergleich zur FFH-Richtlinie älteren Vogelschutzrichtlinie459 handelt es sich um eine Artenschutzmaßnahme, die sich ausschließlich dem Schutz und der Erhaltung der wildlebenden Vogelarten widmet, die im räumlichen Anwendungsbereich des EG-Vertrags heimisch sind460. Unter Hinweis auf die Vogeltaxonomie hat der EuGH den Schutzbereich der Richtlinie – über den Wortlaut von Art. 1 hinaus, vor dem Hintergrund der räumlichen Flexibilität des Primär- und des Sekundärrechts461 gleichwohl unbedenklich – auf solche Arten erstreckt, die zwar nicht in Europa heimisch, aber Unterarten heimischer Vogelarten sind462. Art. 3 Vogelschutzrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, die unter Gesichtspunkten des Vogelschutzes erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Während diese Verpflichtung für den Schutz aller wildlebenden Vogelarten gilt, verlangt die lex specialis Art. 4 Abs. 1 Vogelschutzrichtlinie bezüglich der in Anhang I463 genannten Vogelarten, darunter Seeschwalben (Sternidae), Möwen (Laridae) und Sturmvögel (Procellariidae), dass besondere Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Diese müssen sich unmittelbar auf die Lebensräume der betroffenen Arten beziehen. Auch im Rahmen der Vogelschutzrichtlinie ist der Schutz der Lebensräume mithin zentrales Artenschutzmittel464. So sollen insbesondere flächen- und zahlenmäßig geeignete Schutzgebiete (Special Protection Areas [SPAs]) eingerichtet werden; Art. 4 Abs. 1 Vogelschutzrichtlinie weist – freilich nur deklaratorisch – darauf hin, dass solche Gebiete auch seewärts der Meeresküsten liegen können. In diesem Fall handelt es sich um funktional-begrenzte MPAs. Die mitgliedstaatliche Verpflichtung zur Ausweisung von Schutzgebieten nach der Vogelschutzrichtlinie ist, im Unterschied zur FFH-Richtlinie, unbedingter Natur465. Zwar verfügen die Mitgliedstaaten bei der Auswahl und 459
Siehe die in Fn. 397 angegebene Fundstelle. Vgl. Art. 1 Vogelschutzrichtlinie. 461 Siehe o. Kapitel 1, II. 462 EuGH, Rs. C-202/94, Strafverfahren gegen van der Feesten, Slg. 1996, I-355, Rn. 12. 463 Anhang I wurde zwischenzeitlich ersetzt durch den Anhang zur Richtlinie 97/ 49/EG vom 29. Juli 1997 zur Änderung der Richtlinie 79/409/EWG des Rates über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten: ABl. EG 1997, Nr. L 223, S. 9 ff. 464 Missverständlich Czybulka (Fn. 406), S. 251. 465 EuGH, Rs. C-355/90, Kommission/Spanien, Slg. 1993, I-4221, Rn. 35–37; BVerwGE 107, 1, 18; Kirchhof (Fn. 414), S. 666; Epiney (Fn. 406), S. 304; Schütte (Fn. 406), S. 168. Vgl. auch EuGH, Rs. C-374/98, Kommission/Frankreich, Schlussanträge des Generalanwalts Alber, Slg. 2000, I-10801, Rn. 120: „Zunächst soll im Hinblick auf die in Artikel 6 Absatz 2 formulierten Bedingungen zum Eingreifen der Vorschrift darauf hingewiesen werden, dass trotz weitgehender Übereinstimmung in den Formulierungen des Artikels 4 Absatz 4 der Vogelschutzrichtlinie 460
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Abgrenzung der SPAs – ebenso wie im Rahmen der gemäß Art. 3 Vogelschutzrichtlinie zu treffenden Schutzmaßnahmen („erforderliche Maßnahmen“) – über einen „gewissen Ermessensspielraum“466; dieser wird indes durch die in der Richtlinie genannten ökologischen, konkret: ornithologischen Belange derartig determiniert, dass eine unmittelbare Wirkung der schutzgebietsbezogenen Pflichten anzuerkennen ist467. Die Mitgliedstaaten sind deshalb bereits ab dem Zeitpunkt, in dem ein Gebiet potentiell als SPA ausgewiesen werden könnte, dazu verpflichtet, Maßnahmen im Sinne von Art. 4 Abs. 4 S. 1 Vogelschutzrichtlinie zu treffen468. Die in Art. 4 Vogelschutzrichtlinie aufgestellten Schutzanforderungen dürfen nur in seltenen Ausnahmefällen mit anderen öffentlichen Interessen abgewogen werden, und mit Blick auf die in Art. 2 Vogelschutzrichtlinie genannten „wirtschaftlichen Erfordernisse“ ist das mitgliedstaatliche Ermessen durch die Vorgaben der Vogelschutzrichtlinie gar auf Null reduziert469. Obwohl die fünfte Erwägung zur Vogelschutzrichtlinie ausdrücklich auf die harmonische Entwicklung der Wirtschaftstätigkeit in der Gemeinschaft verweist, wird das primärrechtlich verankerte Konzept der nachhaltigen Entwicklung im Anwendungsbereich von Art. 4 Vogelschutzrichtlinie – rechtlich unbedenklich, da die Belange der Wirtschaft ansonsten durch die lex generalis Art. 2 hinreichend gewahrt werden – zugunsten des Artenschutzes konkretisiert. Die Betonung des Schutzaspekts wird durch die mangelhafte Umsetzungspraxis der Mitgliedstaaten freilich wieder relativiert470. Die aus Art. 4 Vogelschutzrichtlinie folgende unbedingte Verpflichtung der Mitgliedstaaten birgt auf den ersten Blick die Gefahr von Wertungswidersprüchen mit der FFH-Richtlinie. Zwar sind die nach der Vogelschutzrichtlinie ausgewiesenen SPAs laut Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 FFH-Richtlinie automatisch Bestandteil des ökologischen Netzes „Natura 2000“. Mangels Unbedingtheit wirkt der Pflichtenkatalog der FFH-Richtlinie – mit Ausnahme von Art. 11 – allerdings, wie gesagt, nicht unmittelbar. Die FFHund Artikel 6 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie sich die Inhalte nicht decken.“ Ähnlich EuGH, Rs. C-371/98, The Queen/Secretary of State for the Environment, Transport and the Regions, ex parte First Corporate Shipping Ltd, Schlussanträge des Generalanwalts Léger, Slg. 2000, I-9237, Rn. 30. Für eine Übertragung der Grundsätze der Rechtsprechung zur Vogelschutzrichtlinie auf die FFH-Richtlinie hingegen Nettesheim (Fn. 417), S. 138. 466 EuGH, Rs. C-355/90, Kommission/Spanien, Slg. 1993, I-4221, Rn. 26. 467 Ebd.; ebenso Rs. C-3/96, Kommission/Niederlande, Slg. 1998, I-3031, Rn. 60– 62. 468 EuGH, Rs. C-355/90, Kommission/Spanien, Slg. 1993, I-4221, Rn. 57. 469 Ebd., Rn. 18; EuGH, Rs. C-44/95, Regina/Secretary of State for the Environment, Slg. 1996, I-3805, Rn. 25, 27; Rs. C-3/96, Kommission/Niederlande, Slg. 1998, I-3031, Rn. 59. 470 Nachweise über die bislang angestrengten Vertragsverletzungsverfahren bei Becker (Fn. 374), Nr. 841.
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Richtlinie tritt jener Gefahr dadurch entgegen, dass gemäß Art. 7 FFHRichtlinie für bereits ausgewiesene Vogelschutzgebiete die Schutzvorgaben des Art. 6 Abs. 2–4 FFH-Richtlinie an die Stelle der Anforderungen der Vogelschutzrichtlinie treten: „Was die nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/409/EWG zu besonderen Schutzgebieten erklärten oder nach Artikel 4 Absatz 2 derselben Richtlinie als solche anerkannten Gebiete anbelangt, so treten die Verpflichtungen nach Artikel 6 Absätze 2, 3 und 4 der vorliegenden Richtlinie ab dem Datum für die Anwendung der vorliegenden Richtlinie bzw. danach ab dem Datum, zu dem das betreffende Gebiet von einem Mitgliedstaat entsprechend der Richtlinie 79/409/EWG zum besonderen Schutzgebiet erklärt oder als solches anerkannt wird, an die Stelle der Pflichten, die sich aus Artikel 4 Absatz 4 Satz 1 der Richtlinie 79/409/ EWG ergeben.“
Hiernach wird die unmittelbare Wirkung des Art. 4 Abs. 4 S. 1 Vogelschutzrichtlinie ab dem in Art. 7 FFH-Richtlinie genannten Zeitpunkt von Art. 6 Abs. 2–4 FFH-Richtlinie abgelöst. Dadurch wird gewährleistet, dass die gemeinschaftliche Artenschutzpolitik in ihrer Schutzdimension letztlich einheitlich ausgerichtet ist. Demgegenüber beurteilt sich die Ausweisung von Vogelschutzgebieten nach wie vor anhand der ornithologischen Kriterien der Vogelschutzrichtlinie 471; Art. 7 FFH-Richtlinie verweist ausdrücklich nur auf die „Verpflichtungen“ des Art. 6 Abs. 2–4 FFH-Richtlinie: Differenzierung zwischen Ausweisungsebene einerseits und Schutzebene andererseits. Im Übrigen gilt das Schutzregime des Art. 4 Abs. 4 S. 1 Vogelschutzrichtlinie dem Wortlaut von Art. 7 FFH-Richtlinie zufolge auch nach In-Kraft-Treten der FFH-Richtlinie für pflichtwidrig nicht ausgewiesene SPAs; diesbezüglich geltend gemachte Bedenken schlagen, wie Peter Schütte überzeugend nachgewiesen hat472, nicht durch. Das ist praktisch durchaus bedeutsam, weil Art. 4 Abs. 4 S. 1 Vogelschutzrichtlinie, im Unterschied zu Art. 6 Abs. 2–4 FFH-Richtlinie, unmittelbar anwendbar ist, und das Schutzregime der Vogelschutzrichtlinie strengeren Abwägungskriterien unterliegt. Ferner sei auf Art. 4 Abs. 2 S. 2 Vogelschutzrichtlinie hingewiesen, wonach „die Mitgliedstaaten dem Schutz der Feuchtgebiete und ganz besonders der international bedeutsamen Feuchtgebiete besondere Bedeutung bei[messen].“ Der Verweis auf „international bedeutsame Feuchtgebiete“ bedeutet eine partielle Vergemeinschaftung der aus dem Übereinkommen über Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Wattenvögel von internationaler Bedeutung, vom 2. Februar 1971 (Ramsar-Übereinkommen)473 fließenden völkerrechtlichen Pflichten hinsichtlich der regelmäßig auftretenden Zugvogelarten, soweit diese nicht ohnehin bereits Gegenstand besonderer Schutzmaßnahmen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Vogelschutz471 EuGH, Rs. C-44/95, Regina/Secretary of State for the Environment, Slg. 1996, I-3805, Rn. 39 f.; Jarass (Fn. 425), S. 487; Schütte (Fn. 406), S. 169. 472 (Fn. 406), S. 170 ff. m. w. N. 473 BGBl. 1976 II, S. 1265 ff.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
richtlinie sind. Angesichts des offeneren Charakters474 der Pflichten aus dem Übereinkommen – sie beschränken sich im Wesentlichen auf die Einrichtung von Schutzgebieten und deren Aufsicht „in angemessenem Umfang“ (Art. 4 Abs. 1 RamsarÜbereinkommen) – und des in seinem Rahmen ungleich weiteren Ermessensspielraums der Vertragsparteien hilft die Vergemeinschaftung dem Vogelschutz auf, gerade auch mit Blick auf die Durchsetzbarkeit475. Daneben unterstreicht Art. 2 Ramsar-Übereinkommen, wonach die Erstellung einer Liste international bedeutender Feuchtgebiete Voraussetzung für die Schaffung eines Verbunds von Schutzgebieten ist, dass das Übereinkommen historischer Vorläufer der Bestimmungen von Vogelschutz- und FFH-Richtlinie war476.
c) Artenschutzverordnung Mit der Artenschutzverordnung477 soll der Schutz bedrohter Arten schließlich auf mittelbarem Wege, nämlich durch Überwachung des Handels, erreicht werden478. Die Verordnung vergemeinschaftet in nahezu wörtlicher Übereinstimmung das Washingtoner Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES)479 einschließlich seiner Anhänge480. Letzteren sind, je nach Schutzbedürftigkeit, die zu schützenden Tierarten zugewiesen, darunter viele marine Arten. Arten des Anhangs A der Verordnung sind Gegenstand eines strikten Vermarktungsverbotes. Sie dürfen weder ein- und ausgeführt noch innergemeinschaftlich gehandelt werden481. Für Arten der Anhänge B bis D wurde ein abgestuftes Dokumentationssystem eingeführt. Daneben können gemäß Art. 19 Nr. 3 Artenschutzverordnung durch Entscheidung der Kommission zusätzliche Arten in die Anhänge aufgenommen, bereits aufgenommene Arten aber auch in weniger strenge Schutzkategorien versetzt werden. Dies ermöglicht eine gegenüber CITES482 flexiblere Be474 Missverständlich Czybulka (Fn. 406), S. 252, der das Ramsar-Übereinkommen unter Hinweis auf Bugiel der Kategorie „weiches Recht“ zuordnet. „Weiches“ Recht, soft law also, ist aber im Unterschied zum Ramsar-Übereinkommen gar kein Recht. 475 Vgl. dazu bereits o. I. a). 476 Czybulka (Fn. 406), S. 252. 477 Siehe die in Fn. 398 angegebene Fundstelle. 478 Siehe auch die Verordnung (EWG) Nr. 348/81 des Rates vom 20. Januar 1981 über eine gemeinsame Regelung für die Einfuhr von Walerzeugnissen: ABl. EG 1981, Nr. L 39, S. 1 ff. Diese Verordnung verbietet den Import sämtlicher Walprodukte aus nicht EU-Staaten in die EG. 479 BGBl. 1975 II, S. 777 ff. 480 Siehe EuGH, Rs. C-510/99, Strafverfahren gegen Xavier Tridon, Slg. 2001, I7777, Rn. 23 f. 481 Vgl. Art. 8 Abs. 1 Artenschutzverordnung. 482 Dazu siehe Zweiter Teil, Kapitel 2, III.
Kap. 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht
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rücksichtigung von Gesichtspunkten der Nutzung unter dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung. Festzustellen ist, dass innerhalb EU-Europas Dynamik und Durchsetzbarkeit483 der völkerrechtlichen Pflichten – trotz bedeutender Erfolge bei der Kontrolle des legalen Artenhandels leidet das CITES-Regime nach wie vor an Vollzugsproblemen – infolge ihrer Vergemeinschaftung erhöht werden konnten, zumal es den Mitgliedstaaten nach Art. 176 EGV nicht genommen ist, strengere Schutzmaßnahmen zu ergreifen, soweit diese mit dem EG-Vertrag, etwa den Grundfreiheiten, vereinbar sind484. II. Bestandsschutz Der Zuordnung des Bestandsschutzes zum Kompetenztitel „Fischerei“ hat die Gemeinschaft durch Entwicklung einer Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) Rechnung getragen, die alle fischereipolitisch bedeutsamen Aspekte erfasst485. Sie wurde ins Leben gerufen, nachdem der Rat am 25. Januar 1983 dreizehn Verordnungen und eine Entschließung über die Grundlagen eines neuen gemeinschaftlichen Fischereiregimes verabschiedet hatte. Gegenstand der GFP sind im Wesentlichen vier verschiedene, nicht randscharf voneinander abgrenzbare Felder: Es geht insbesondere um Fragen der Bestandserhaltung, der Strukturpolitik, der Marktorganisation sowie um Abschlüsse von Fischereiabkommen mit Drittstaaten. Vorliegend bleiben Strukturpolitik und Marktorganisation, soweit möglich, unberücksichtigt; sie betreffen ausschließlich die ökonomische Seite der GFP, nicht hingegen (auch) die hier interessierende ökologische. Die Fischereiabkommen werden teilweise im Rahmen des nach außen gerichteten Tätigwerdens der Gemeinschaft behandelt (Kapitel 4). Mit Blick auf den Bestandsschutz ist entscheidend, dass die Erhaltung der marinen Bestände nicht nur auf abstrakt-normativer Ebene, sondern auch im konkreten gemeinschaftlichen Handlungs483
Der EuGH hat Frankreich wegen Verstoßes gegen die (mit der Artenschutzverordnung aufgehobene) Verordnung 3626/82/EWG des Rates vom 3. Dezember 1982 zur Anwendung des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen in der Gemeinschaft (ABl. EG 1982, Nr. L 384, S. 1 ff.) verurteilt, weil die französischen Behörden Einfuhrgenehmigungen für Felle freilebender Katzen der Arten Felis geoffroyi und Felis wiedii aus Bolivien erteilt hatten; Rs. C-182/89, Kommission/Frankreich, Slg. 1990, I-4337, Rn. 11 ff. 484 Vgl. auch EuGH, Rs. C-510/99, Strafverfahren gegen Xavier Tridon, Slg. 2001, I-7777, Rn. 45, 48 ff. 485 Grundlegend nunmehr Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 des Rates vom 20. Dezember 2002 über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik: ABl. EG 2002, Nr. L 358, S. 59 ff.
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rahmen – wie vom Leitbild der nachhaltigen Entwicklung gefordert – mit fischereipolitischen und fischereirechtlichen Fragen verknüpft wurde. Da Besonderheit des Wirtschaftsgutes der GFP – die Fischbestände – seine Knappheit ist, musste die Gemeinschaft eine Marktregelung schaffen, die sowohl den Interessen der Fischindustrie als auch dem ökologischen Zustand der Bestände gerecht wird. Die Anzahl der von der Gemeinschaft getroffenen Maßnahmen ist freilich kaum mehr überschaubar486, zumal oft technischer Natur, weshalb eine abschließende Untersuchung weder leistbar noch erkenntnisbringend ist. 1. Technische Erhaltungsmaßnahmen Mittel des Bestandsschutzes sind unter anderem Maßnahmen, die auf Erholung und Erhaltung der Bestände gerichtet sind und mit dem Oberbegriff „technische Erhaltungsmaßnahmen“ zusammengefasst werden487. Sie können etwa Regelungen über die Netzmaschengröße zur Minimierung der Beifänge nicht befischter Arten sowie zum Ausschluss der Befischung von Jungtieren beinhalten, damit diese heranwachsen und zur Bestandserholung beitragen können. Zu den technischen Erhaltungsmaßnahmen rechnen ferner Verbote bestimmter Fanggeräte, Anforderungen an Fischereifahrzeuge, die Einrichtung von Sperrgebieten zugunsten einzelner Bestände sowie bislang nicht angewandte Maßnahmen wie Rückwurfverbote488 und Bestandsauffüllungen489. Schließlich ist an Regelungen zu denken, die sich den Voraussetzungen des Fischfangs – etwa hinsichtlich der Vergabe von Fanglizenzen – und der Durchsetzbarkeit der technischen Regelungen widmen. Regelungstechnisch ist mit Blick auf diese Maßnahmen hervorzuheben, dass sie zum Teil Handlungsermächtigungen der Kommission bezüglich 486 Das geltende EG-Fischereirecht ist abrufbar über den Fundstellennachweis des geltenden Gemeinschaftsrechts, Stichwort Fischerei: http://europa.eu.int/eur-lex/de/ lif/ind/de_analytical_index_04.html. 487 Vgl. Churchill, EEC Fisheries Law, 1987, S. 120. 488 Sie sollen zu einem maßvolleren mengenmäßigen Umgang mit den Fischbeständen führen. Ob diesbezüglich der von der Kommission vorgeschlagene freiwillige Verhaltenskodex zur Reduzierung von Rückwürfen (siehe Mitteilung der Kommission über die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik, Fahrplan, 28. Mai 2002, S. 8) ein geeignetes Mittel ist, erscheint zweifelhaft. 489 Zum ganzen siehe KOM(2001) 135, Grünbuch, Band I, Über die Zukunft der Gemeinsamen Fischereipolitik, 20. März 2001, S. 24; Wolff (Fn. 109), S. 154–159; Churchill (Fn. 487), S. 120 f.; Nonnenmacher (Fn. 95), S. 208 ff. Siehe auch die verschärfte Aufzählung in Art. 4 Abs. 2 lit. g der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 des Rates vom 20. Dezember 2002 über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik (Fundstelle: Fn. 485).
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einzelner Anpassungs- und Ausführungsregeln enthalten, mitunter sogar die Grundlage für Sofortmaßnahmen der Kommission bilden. Die auf dem Sektor „Bestandsschutz“ häufig anzutreffenden „Verordnungen der Kommission“ sind insofern (natürlich) nicht Ausdruck originärer Rechtsetzungsgewalt der Kommission490, sondern von der Organkompetenz des Rates abgeleitete Rechtsakte. Vor dem Hintergrund des Prinzips der begrenzten Einzelzuständigkeiten fragt sich, inwiefern eine solchermaßen abgeleitete Rechtsetzungstätigkeit der Kommission zulässig ist. Diesbezüglich ist zum einen Art. 249 Abs. 1 EGV zu rekurrieren, wonach „[unter anderem] die Kommission Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen“ erlässt; Verordnungen der Kommission sind demnach jedenfalls nicht grundsätzlich unzulässig. Zum anderen ist es gemäß Art. 211 4. Spiegelstrich EGV Aufgabe der Kommission, „die Befugnisse auszuüben, die ihr der Rat zur Durchführung der von ihm erlassenen Vorschriften überträgt“. Letzteres wird von Art. 202 3. Spiegelstrich EGV konkretisiert, wonach „der Rat der Kommission in den von ihm angenommenen Rechtsakten die Befugnisse zur Durchführung der Vorschriften, die er erläßt“, überträgt. Diese Bestimmungen, Art. 80 GG nicht unähnlich, gewährleisten, dass das Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten infolge der abgeleiteten Rechtsetzungstätigkeit der Kommission nicht verletzt wird, wenngleich sich die Konkretisierung der zulässigen Grenzen einer „Durchführung“ im Einzelfall schwierig gestalten kann. Der EuGH interpretiert jene Durchführungsbefugnisse grundsätzlich weit, nämlich anhand des gemeinschaftlichen effet utile491. Das ist nicht unproblematisch, weil bei der Durchführung von Rechtsakten durch die Kommission das Europäische Parlament nicht berücksichtigt wird. Deshalb müssen Durchführungsverordnungen zumindest die wesentlichen Regelungen des Basisrechtsakt respektieren492. Ist dies nicht der Fall, ist die Durchführungsverordnung rechtswidrig und kann vom EuGH aufgehoben werden. Mit Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (sog. Komitologie-Beschluss)493 wurden die Einzelheiten der Durchführungsermächtigung zwischenzeitlich interorganschaftlich geregelt. Nach ihm wird die Kommission während des Rechtsetzungsprozesses von einem Beratungsausschuss, einem Verwaltungsausschuss und einem Regelungsausschuss unterstützt, die sich je490 Gemäß Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV ist der Rat das zuständige Rechtsetzungsorgan. 491 Siehe nur EuGH, Rs. 121/83, Zuckerfabrik Franken GmbH/Hauptzollamt Würzburg, Slg. 1984, 2039, Rn. 14 f. 492 EuGH, Rs. 25/70, Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel/ Köster, Berodt und Co., Slg. 1970, 1161, Rn. 7; Rs. 46/86, Albert Romkes/Officier van Justitie, Slg. 1987, 2671, Rn. 16. 493 ABl. EG 1999, Nr. L 184, S. 23 ff.
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weils aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzen. Wurde der Basisrechtsakt nach dem Verfahren der Mitentscheidung (vgl. Art. 251 EGV) erlassen, wird den Befugnissen des Europäischen Parlaments beim Erlass von Durchführungsakten nunmehr dadurch Rechnung getragen, dass die Kommission das Parlament regelmäßig über die Arbeit der Ausschüsse unterrichtet, Unterlagen zur Tätigkeit der Ausschüsse übermittelt und ihm Gelegenheit zu der Erklärung gibt, der einschlägige Rechtsakt gehe über die im Basisrechtsakt vorgesehenen Durchführungsbefugnisse hinaus. Die Kommission ist zur Prüfung dieser Erklärung verpflichtet; sie kann einen neuen Entwurf vorlegen, muss dies aber nicht. Von daher erscheint fraglich, ob mit dem Komitologie-Beschluss tatsächlich ein „Mehr“ an rechtsstaatlichen Strukturen gewonnen wurde. Die Befugnisse des Europäischen Parlaments bleiben beim Erlass von Durchführungsakten weit hinter Art. 251 EGV zurück, weshalb der EuGH einmal mehr zur Wahrnehmung der ihm obliegenden Kontrollfunktion aufgerufen ist. Nach geltender Rechtslage kann der Rat die Kommission – und ggf. sogar sich selbst494 – jedenfalls zum Erlass von Durchführungsvorschriften ermächtigen, was im Falle der technischen Erhaltungsmaßnahmen wiederholt geschah. Organschaftlich betrachtet wird die Kommission durch dieses Vorgehen zu einem Durchführungsorgan des Rates auf dem Gebiet der Fischerei.
2. Zugang zu Fischgründen und historische Fischereirechte Der Zugang zu den Fischgründen des EG-Meeres ist zwar eine Grundfrage der GFP, betrifft zunächst allerdings ihre ökonomische Dimension. Diesbezüglich ist auf die (kürzlich außer Kraft getretene) Verordnung (EWG) Nr. 101/76 des Rates vom 19. Januar 1976 über die Einführung einer gemeinsamen Strukturpolitik für die Fischwirtschaft495 hinzuweisen, die in Art. 2 Abs. 1 UAbs. 2 den gleichberechtigten Zugang aller Mitgliedstaaten und ihrer Fischereifahrzeuge zu den Fischereigründen festlegte. Dieser Grundsatz wurde durch Art. 6 der mehr bestandsschutzorientierten Verordnung (EWG) Nr. 170/83 des Rates vom 25. Januar 1983 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Regelung für die Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen496 – die Bestimmung nahm ihrerseits Bezug auf Art. 100 der Beitrittsakte von 1972497 – eingeschränkt. Die Mitgliedstaaten konnten nunmehr eine 12 sm breite, von den Basislinien aus berechnete 494 EuGH, Rs. 46/86, Albert Romkes/Officier van Justitie, Slg. 1987, 2671, Rn. 16. 495 ABl. EG 1976, Nr. L 20, S. 19 ff. 496 ABl. EG 1983, Nr. L 24, S. 1 ff. Dazu Schneider, RIW 35 (1989), S. 873 (874 ff.). 497 Art. 100 Abs. 1 BA 1972 lautete: „Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft werden ermächtigt, [. . .] bis zum 31. Dezember 1982 in den ihrer Hoheitsgewalt oder ihrer Gerichtsbarkeit unterliegenden Gewässern innerhalb einer Zone von sechs Seemeilen [. . .] die Ausübung des Fischfangs nur solchen Schiffen zu gestatten, die herkömmlicherweise von den Häfen der betreffenden Küste aus in diesen Gewässern Fischfang betreiben [. . .]“.
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Küstenzone einrichten, bezüglich derer sie Fischern aus anderen Mitgliedstaaten den Zugang grundsätzlich verwehren durften. Die Zugangsbeschränkung wurde von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3760/92 des Rates vom 20. Dezember 1992 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Regelung für die Fischerei und die Aquakultur498 bestätigt und in zeitlicher Hinsicht bis 2002 verlängert499. Art. 17 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002500, mit welcher die Verordnung (EWG) Nr. 3760/92 aufgehoben wurde, erhält die Regelung nunmehr bis zum Jahre 2012 aufrecht. Angesichts des Umstands, dass die letztgenannte Verordnung gerade auch der Erhaltung der lebenden aquatischen Ressourcen zu dienen bestimmt ist (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. a, Art. 2 Abs. 1), besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Zugangsrechten und Bestandserhaltung501. Es fragt sich allerdings, ob jene Beschränkung mit dem Primärrecht vereinbar ist. So liegt eine Besonderheit darin, dass die Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 – ebenso wie ihre Vorgänger – eine Ausnahme, ein Zugangsrecht also, für Fischer anderer Mitgliedstaaten vorsieht, die „traditionell“ in den betreffenden Küstenmeeren tätig sind. Die früheren Art. 100 Abs. 1 BA 1972 und Art. 100 Abs. 2 BA 1972502 bestätigen, dass es sich bei diesem Zugangsrecht um einen Anwendungsfall historischer Fischereirechte handelt. Historische Rechte sind ein überkommenes Institut des Völkerrechts. Sie finden ihre Grundlage im Interesse der Staatengemeinschaft nach größtmöglicher Stabilität und Endgültigkeit aller Grenzen503. Tatbestandlich sind historische Rechte einschlä498 ABl. EG 1992, Nr. L 389, S. 1 ff.; letzte Änd. in ABl. EG 1998, Nr. L 164, S. 1 ff. Zwar hatte auch diese Verordnung auf Art. 100 BA 1972 verwiesen; kompetenzrechtlich basierte sie aber auf Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV. Bei den einschlägigen Bestimmungen der BA 1972 handelte es sich nicht um Kompetenznormen; siehe o. Kapitel 2, II. 1. c). 499 Die Zugangsbeschränkungen stehen im Rahmen der GFP-Reform nicht auf dem Prüfstand, sondern sollen beibehalten werden, freilich nur insoweit, als sie „aus Gründen der Bestandserhaltung gerechtfertigt sind“ (Mitteilung der Kommission über die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik, Fahrplan, 28. Mai 2002, S. 12). 500 Siehe die in Fn. 485 angegebene Fundstelle. 501 Siehe auch Mitteilung der Kommission über die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik, Fahrplan, 28. Mai 2002, S. 12. 502 Art. 100 Abs. 2 BA 1972 lautet: „Absatz 1 und Artikel 101 berühren nicht die besonderen Fischereirechte, die jeder der ursprünglichen Mitgliedstaaten und der neuen Mitgliedstaaten am 31. Januar 1971 gegenüber einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten geltend machen konnte; die Mitgliedstaaten können diese Rechte so lange ausüben, wie in den betreffenden Gebieten eine Ausnahmeregelung gilt.“ Entgegen Steiling (Fn. 220), S. 91, können sich solche „besonderen Fischereirechte“ nicht nur aus völkerrechtlichen Vereinbarungen, sondern auch aus Völkergewohnheitsrecht – etwa aus historischen Rechten – ergeben. Vgl. auch Graf Vitzthum/Talmon, Alles fließt, 1998, S. 110: „spezielle gemeinschaftsrechtliche oder vertragliche Fischereirechte“.
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gig, wenn ein Staat Herrschaftsansprüche hinsichtlich bestimmter Land- oder Seegebiete geltend macht, die völkerrechtlich eigentlich gegenstandslos wären, infolge eines langandauernden Konsolidierungsprozesses aber gleichwohl Anerkennung finden. Dazu ist „a continuous and established usage“504 des betroffenen Gebiets erforderlich. Historische Rechte sind demnach spezielles Gewohnheitsrecht505 und müssen für jeden konkreten Einzelfall selbständig ermittelt werden506. Schon bei Entstehung der Lehre von den historischen Rechten stand das Meer im Vordergrund, vor allem im Zusammenhang mit der Ausbildung ausschließlicher Hoheitsrechte der Küstenstaaten507. Daneben ist anerkannt, dass historische Rechte auch zur Begründung küstenstaatlicher Fischereirechte, d. h. funktional begrenzter Hoheitsrechte, führen können, dies unabhängig davon, auf welche Meereszonen sich die Rechte beziehen508. Im Fisheries Jurisdiction-Fall509 spielten historische Fischereirechte eine nicht unwesentliche Rolle bei der Entscheidungsfindung des IGH. Freilich hat die Entstehung des neuen Seerechts die Lehre von den historischen Rechten – die Fischereizone des Fisheries Jurisdiction-Falles musste bekanntlich der aWZ des SRÜ weichen – mittlerweile überholt.
Innerhalb EG-Europas sind historische Fischereirechte angesichts ihrer sekundärrechtlichen510 Fixierung noch immer von Bedeutung. Aus ihnen können, wie gesagt, Zugangsrechte zu den Küstengewässern anderer Mitgliedstaaten hergeleitet werden. Letzteres erscheint unter primärrechtlichen 503 Dieses Interesse ist etwa auch im gewohnheitsrechtlich anerkannten uti possidetis-Prinzip verkörpert, nach dem einem ehemals kolonisierten Volk zwar das Recht auf Bildung eines eigenen Staates – Ausfluss des äußeren Selbstbestimmungsrechts der Völker (vgl. Art. 1 Nr. 2 UN-Charta) – zugestanden wird, gleichzeitig aber die Grenzen des Vorgängerstaates respektiert werden müssen. Dazu Shaw, International Law, 4. Aufl. 1997, S. 356; Heintze in: Ipsen (Fn. 18), S. 366, Rn. 6. 504 So das Institut of International Law im Jahre 1894, zitiert nach North Atlantic Coast Fisheries (USA v. Great Britain), Diss. Op. Drago, AJIL 4 (1910), S. 948, 988 (992). Vgl. auch Fisheries (United Kingdom v. Norway), Diss. Op. McNair, ICJ Reports 1951, 116, 158, 164. 505 So auch Blum, Historic Rights, EPIL II (1995), S. 710. 506 Continental Shelf (Tunisia v. Libyan Arab Jamahiriya), ICJ Reports 1982, 17, 74; Land, Island and Maritime Frontier Dispute (El Salvador v. Honduras; Nicaragua intervening), ICJ Reports 1992, 351, 589. 507 Insbesondere bezüglich der Existenz historischer Buchten. Diese unterliegen zwar nicht dem Anwendungsbereich des SRÜ (vgl. Art. 10 Abs. 6 SRÜ), zählen aber gleichwohl zu den inneren Gewässern; siehe Land, Island and Maritime Frontier Dispute (El Salvador v. Honduras; Nicaragua intervening), ICJ Reports 1992, 351, 588 ff. 508 Eritrea-Yemen Arbitration (Eritrea v. Yemen), ILM 40 (2001), 983 (1002, paras. 109 f.). Allgemein zurückhaltend der IGH in Gulf of Maine (Canada v. USA), ICJ Reports 1984, 245, 341 f. 509 Fisheries Jurisdiction (United Kingdom v. Iceland), ICJ Reports 1974, 3, 24. 510 Eine Anwendung von Art. 100 BA 1972 selbst kommt nicht mehr in Betracht. Sein Gehalt wird aber durch die Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 sekundärrechtlich aufrechterhalten. Zu historischen Fischereirechten in der EG etwa Wise, The Common Fisheries Policy of the European Union, 1984, S. 165 ff.
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Gesichtspunkten insofern fragwürdig, als nach dem in Art. 12 EGV niedergelegten Diskriminierungsverbot grundsätzlich „jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit“ verboten ist. Art. 12 EGV, ebenso wie alle anderen Bestimmungen des EG-Vertrags hinsichtlich eines gemeinschaftlichen Handelns über See anwendbar, verbietet Diskriminierungen nicht nur nach der Staatsangehörigkeit natürlicher Personen, sondern auch nach der Staatszugehörigkeit von Schiffen – ihrer Flagge also –511, und wird im Rahmen der GFP nicht von Spezialregelungen, etwa den Grundfreiheiten, verdrängt512. Art. 12 EGV scheint mithin mitgliedstaatliche Diskriminierungen beim Zugang zu den Fanggründen zu verbieten513. Gleichwohl sind historische Fischereirechte, durch die nur die Angehörigen einzelner Mitgliedstaaten privilegiert werden, primärvertraglich zulässig. Die Ausnahmen vom Prinzip des gleichen Zugangs dienen primär nämlich nicht der Bildung von ausschließlichen Fischereizonen – solche Zonen wären in der Tat nicht mit Art. 12 EGV vereinbar –, sondern ihrem Sinn und Zweck zufolge der Erhaltung der marinen Bestände und Existenzsicherung der Küstenbevölkerung514. Dergleichen objektive Differenzierungskriterien können nach der Judikatur des EuGH eine Beeinträchtigung von Art. 12 EGV rechtfertigen515; die Bestimmung verkörpert demnach kein absolutes Diskriminierungsverbot. Für die Zulässigkeit historischer Fischereirechte im Gemeinschaftsrecht spricht ferner der Zielkatalog Art. 33 Abs. 1 EGV, der unter anderem auf die „angemessene Lebenshaltung“ (lit. b) der betroffenen Bevölkerung verweist. Da die sekundärrechtlichen Zugangsregelungen in Konformität (auch) zu dieser Bestimmung auszulegen sind, passen sich die bestehenden historischen Fischereirechte in den primärvertraglichen Kontext der GFP ein.
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Churchill (Fn. 487), S. 129. Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sind unanwendbar; vgl. Nonnenmacher (Fn. 95), S. 226 f. 513 Vgl. EuGH, Rs. 88/77, Fischereiminister/CA Schonenberg u. a., Slg. 1978, 473, Rn. 15. 514 Vignes, The Problem of Access to the EEC’s Fishing Zone, in: Rozakis/Stephanou (Hrsg.), The New Law of the Sea, 1983, S. 83 (89); Churchill (Fn. 487), S. 131; Schneider (Fn. 199), S. 149. Den Zusammenhang zwischen historischen Fischereirechten und Bestandsschutz betonte auch der IGH in Fisheries Jurisdiction (United Kingdom v. Iceland), ICJ Reports 1974, 3, 31. 515 Vgl. nur EuGH, Rs. C-398/92, Mund & Fester/Hatrex Internationaal Transport, Slg. 1994, I-467, Rn. 17; Rs. C-180/96, Vereinigtes Königreich/Kommission, Slg. 1998, I-2265, Rn. 114. Anders Boos, RMC 26 (1983), S. 404 (410), der die Ausnahmeregelungen mit Verweis auf den damals noch geltenden Art. 100 ff. BA 1973 rechtfertigt. 512
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3. TAC und Zuteilung von Fangquoten Dritte Dimension der gemeinschaftlichen Bestandserhaltungspolitik ist die Zuteilung von Fangquoten an die Mitgliedstaaten, die auf einer von der Gemeinschaft für jede Fischspezies jährlich festgelegten Gesamtfangmenge (Total Allowable Catch, kurz TAC) beruhen516. Sie basiert ihrerseits auf den wissenschaftlichen Empfehlungen des International Council for the Exploration of the Sea (ICES)517, ist also Resultat eines innergemeinschaftlichen Verbindlich-Machens der unverbindlichen Ratschläge einer internationalen Organisation518. Bezüglich des auf diesem Wege zustande gekommenen Sekundärrechts ist festzustellen, dass der für den Verordnungserlass zuständige Rat die Vorschläge der Kommission im Allgemeinen ohne nennenswerte Veränderungen übernommen, mithin nicht dem Drängen einzelner Mitgliedstaaten nach Erhöhung der Gesamtfangmenge nachgegeben hat. Dafür wurden die sozio-ökonomischen Aspekte der GFP in der Regel bereits zuvor von der Kommission im Rahmen ihrer an den Rat gerichteten Vorschläge berücksichtigt519. Ergeben die vom ICES übermittelten Daten, dass eine Fischart derartig überfischt wurde, dass ihre kommerzielle Nutzung nicht mehr in Betracht kommt, wird eine „Zero-TAC“, ein Fangverbot also, angeordnet. Fehlt es an hinreichenden statistischen Daten, legt die Ge516
Zur Entstehung des TAC- und Quotensystems Leigh, European Integration and the Common Fisheries Policy, 1983, S. 88 ff. Siehe auch Art. 61 Abs. 1 SRÜ: „Der Küstenstaat legt die zulässige Fangmenge für die lebenden Ressourcen in seiner ausschließlichen Wirtschaftszone fest.“ Zum Folgenden auch Wolff (Fn. 109), S. 148–153. 517 Zum ICES siehe o. Zweiter Teil, Fn. 773. 518 Mit Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 (siehe Fn. 485) hat die Gemeinschaft einen wissenschaftlich-technischen und wirtschaftlichen Ausschuss für Fischerei (STECF) eingerichtet (vgl. Art. 33 Abs. 1 der Verordnung), dessen Gutachten und Berichte der Rat bei der Ausarbeitung neuer Bestandserhaltungsmaßnahmen gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung „berücksichtigt“. Es bleibt abzuwarten, ob dies einen innergemeinschaftlichen Bedeutungsverlust des ICES zur Folge haben wird. – Die Festlegungen der TACs für das Jahr 2003 erfolgte mit der Verordnung (EG) 2341/ 2002 des Rates vom 20. Dezember 2002 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten und entsprechender Fangbedingungen für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den Gemeinschaftsgewässern sowie für Gemeinschaftsschiffe in Gewässern mit Fangbeschränkungen (2003): ABl. EG 2002, Nr. L 356, S. 12 ff.; Änd. in ABl. EG 2003, Nr. L 97, S. 11 ff. 519 Dazu Wilder, Quota Systems in International Wildlife and Fisheries Régimes, in: Bothe/Sand (Hrsg.), Environmental Policy, 2002, S. 529 (569); Churchill (Fn. 487), S. 113 ff. Demgegenüber weist die Kommission die Verantwortlichkeit für die Überschreitung der wissenschaftlichen Empfehlungen dem Rat zu; siehe KOM(2001) 135, Grünbuch, Band I, Über die Zukunft der Gemeinsamen Fischereipolitik, S. 9: „Schwierigkeiten mit TAC beruhen darauf, dass der Rat sie in einigen Fällen systematisch höher festgesetzt hat als in den wissenschaftlichen Gutachten empfohlen [. . .]“.
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meinschaft bezüglich der betroffenen Spezies eine vorsorgliche TAC fest, die auf der zuvor in den Mitgliedstaaten durchschnittlich erzielten Fangmenge beruht520. Folge dieses vor dem Hintergrund des Vorsorgeprinzips zweifelhaften Vorgehens ist, dass sich die einschlägige TAC von Jahr zu Jahr proportional zu den steigenden Fangmengen erhöht. Nachdem die Gemeinschaft eine TAC festgelegt hat, ordnet sie den Mitgliedstaaten – in der Regel geschieht dies mit dem gleichen Rechtsakt – einzelne Fangquoten zu. Diese Quoten sind mit Art. 12 EGV vereinbar, da es hinsichtlich der mitgliedstaatlichen Fischereikapazitäten jeweils schon an vergleichbaren Sachverhalten fehlt521. Ihre Grundlage findet die Zuteilung in der bereits erwähnten Verordnung (EG) Nr. 2371/2002, deren Art. 20 Abs. 1 S. 2 lautet: „Die Fangmöglichkeiten werden in einer Weise auf die Mitgliedstaaten aufgeteilt, die jedem Mitgliedstaat eine relative Stabilität für jeden Bestand bzw. jede Fischerei garantiert.“
Wann eine „relative Stabilität“ gewährleistet ist, wird in der Verordnung freilich nicht geklärt. Nach Auffassung des EuGH ist dies der Fall, wenn „bei dieser Aufteilung für jeden Mitgliedstaat ein fester Prozentsatz“ beibehalten wurde522. Daraus folgt: Solange die Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 anwendbar ist, erfolgt die Fangquotenzuteilung nach einem starren Schlüssel. Wie der Rat im 8. Erwägungsgrund der erstmals eine Fangquotenzuteilung regelnden Verordnung (EWG) Nr. 172/83 vom 25. Januar 1983 zur Festlegung der zulässigen Gesamtfangmenge und des für die Gemeinschaft verfügbaren Anteils, der Aufteilung dieses Anteils auf die Mitgliedstaaten sowie der Fangbedingungen bei der Ausübung der Fischerei hinsichtlich der zulässigen Gesamtfangmengen für bestimmte Fischbestände oder Bestandsgruppen in der Fischereizone der Gemeinschaft für 1982523 verdeutlicht hat, sind Grundlage dieses Schlüssels „[. . .] die herkömmlichen Fischereitätigkeiten, die spezifischen Erfordernisse der Regionen, in denen die örtliche Bevölkerung speziell von der Fischereiindustrie und den damit verbundenen Gewerbezweigen abhängt, und [. . .] [der] Verlust von Fangmöglichkeiten in Drittlandsgewässern“,
sozio-ökonomische Faktoren also, die allesamt veränderlich sind. Von daher führt der auch vom EuGH betonte Grundsatz der relativen Stabilität kurio520
Vgl. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 847/96 des Rates vom 6. Mai 1996 zur Festlegung zusätzlicher Bestimmungen für die jahresübergreifende Verwaltung der TACs und Quoten: ABl. EG 1996, Nr. L 115, S. 3 ff. 521 Churchill (Fn. 487), S. 117. 522 EuGH, Rs. 46/86, Albert Romkes/Officier van Justitie, Slg. 1987, 2671, Rn. 17. 523 ABl. EG 1983, Nr. L 24, S. 30 ff.
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serweise zu dem Ergebnis, dass jene an sich veränderlichen Zustände über viele Jahre hinweg in ein festes Quotenschema gepresst werden524. Flexibel ist das Fangquotensystem nur insoweit, als die Mitgliedstaaten gemäß Art. 20 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 die ihnen jeweils zugeteilten Fangquoten nach Mitteilung an die Kommission ganz oder teilweise untereinander tauschen können, sog. Quota-Hopping525. Diesbezüglich ist aus der Verwendung des Wortes „tauschen“ zu folgern, dass ein „Quotenhandel“ in dem Sinne, dass ein Mitgliedstaat dem anderen ggf. vorhandene überschüssige Quoten abkauft, unzulässig ist526.
Für bestimmte Fischarten – betroffen sind Spezies, die zu Zwecken der industriellen Verwertung befischt werden – wurden zwar TACs festgelegt, demgegenüber eine Fangquotenzuteilung nicht erfolgte, da die Bestände relativ groß waren und/oder nur von einzelnen Mitgliedstaaten befischt wurden. Die Gemeinschaft setzte das Überfischungsrisiko offenbar als gering an, eine verfehlte Prognose, wie sich heute herausstellt: manche Arten, darunter Sprotte und Blauer Wittling, sind gar insgesamt in ihren Beständen gefährdet527. Trotz mancher Verbesserung ist die Wirksamkeit des TAC-Systems insgesamt zweifelhaft. Untersuchungen haben ergeben, dass einzelne Mitgliedstaaten die ihnen zugeteilten Fangquoten um bis zu 50% überschritten haben528. Im Jahre 2001 hat die Kommission deshalb einen Systemwechsel gefordert, zu Recht: Die jährliche Festsetzung der TACs macht mittel- und langfristige Perspektiven auf dem Gebiet der Bestandserhaltung unmöglich, zumal sich TACs und Fangquoten bezüglich der Mehrartenfischerei, von der primär die Grundfischarten betroffen sind, nicht effizient steuern lassen529. Vorzugswürdig erscheinen mehrjährige Entscheidungsmechanismen für TAC-Festsetzungen, verbunden mit einer Flexibilisierung des Quotenzu524
So auch Morin, MP 24 (2000), S. 265 (266, 271). Eine Anfrage des Verf. bei der zuständigen Generaldirektion Fischerei hinsichtlich der Häufigkeit solcher Quotentausche blieb unter Hinweis auf die Vertraulichkeit der Information unbeantwortet. 526 Vgl. auch Churchill (Fn. 487), S. 117; Nonnenmacher (Fn. 95), S. 203. 527 KOM(2001) 135, Grünbuch, Band II, Die Gemeinsame Fischereipolitik nach 2001, Anwendung der gemeinschaftlichen Regelung für die Fischerei und die Aquakultur im Zeitraum 1993–2000, S. 8. Churchill (Fn. 487), S. 116, konnte im Jahre 1987 insoweit noch optimistischer sein. 528 Vgl. Churchill (Fn. 487), S. 119 m. w. N. Frankreich hatte im Jahre 1998 die zugeteilten Fangquoten für Seezunge um 57% und für Seeteufel um 330% überschritten; siehe EuGH, Rs. C-333/99, Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I-1025, Rn. 34. 529 KOM(2001) 135, Grünbuch, Band II, Die Gemeinsame Fischereipolitik nach 2001, Anwendung der gemeinschaftlichen Regelung für die Fischerei und die Aquakultur im Zeitraum 1993–2000, S. 9. Kritisch zum derzeitigen TAC-System auch Guernalec, Critique du système communautaire des TAC et quotas et son evolution 525
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teilungssystems530. Die Durchführung eines mehrjährigen Konzepts würde sowohl abrupte jährliche TAC-Schwankungen als auch das Aufschieben wichtiger Entscheidungen vermeiden helfen. Von daher ist zu begrüßen, dass die Gemeinschaft für die Bestände, die sich innerhalb oder an den sicheren biologischen Grenzen (safe biological limits) befinden, nunmehr Bewirtschaftungspläne erlassen kann531. Diese Pläne, die auf einem Vorsorgeansatz beruhen müssen, enthalten Referenzwerte für die Bestandserhaltung wie etwa Zielvorgaben, passen also die Fangquotenzuteilung in einen größeren Rahmen ein, der sich zumal auf mehrere Jahre erstreckt532. Für Bestände außerhalb der sicheren biologischen Grenzen soll der Rat gemäß Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 Wiederauffüllungspläne erlassen, die die Bestandserhaltung bis zum Erreichen eines Zustands innerhalb sicherer biologischer Grenzen gewährleisten sollen. Ein solcher Plan soll etwa den innerhalb des EG-Meeres am Boden liegenden Kabeljaubeständen aufhelfen533. Auch rechtlich spricht manches für einen mehrjährigen Ansatz, namentlich das in Art. 174 Abs. 2 EGV niedergelegte Prinzip der Vorsorge. Zwar ist Art. 174 EGV auf Bestandserhaltungsmaßnahmen wegen ihrer kompetenzrechtlichen Verortung in Art. 37 EGV nicht unmittelbar anwendbar. Inpossible, in: Lebullenger/Le Morvan (Hrsg.), La communauté européenne et la mer, 1990, S. 163 (167–170); Schneider (Fn. 496), S. 876; Wilder (Fn. 519), S. 569 ff. 530 Siehe auch KOM(2000) 803 endg., Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Anwendung des Vorsorgeprinzips und der mehrjährigen Mechanismen zur Festsetzung der TAC, 1. Dezember 2000, S. 8–12; Mitteilung der Kommission über die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik, Fahrplan, 28. Mai 2002, S. 4, 7. 531 Vgl. Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 des Rates vom 20. Dezember 2002 über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik. 532 Vgl. Art. 6 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002. Siehe auch Erwägung 6 der Verordnung: „Das Ziel der nachhaltigen Nutzung lässt sich effektiver erreichen, wenn bei der Bewirtschaftung von Beständen an der Schwelle oder innerhalb sicherer biologischer Grenzen ein mehrjähriger Ansatz mit mehrjährigen Bewirtschaftungsplänen gewählt wird. Für Bestände, die sich außerhalb sicherer biologischer Grenzen befinden, ist die Verabschiedung mehrjähriger Wiederauffüllungspläne absolut vorrangig. [. . .]“. 533 Während sich der ICES wie auch der neue wissenschaftlich-technische und wirtschaftliche Ausschuss der Gemeinschaft dafür ausgesprochen haben, die Kabeljaufischerei in den betroffenen Gebieten im Jahre 2003 vollständig einzustellen, also eine Zero-TAC zu erlassen, hat Kommissar Fischler unter Berufung auf das Konzept der nachhaltigen Entwicklung für einen verbesserten Wiederauffüllungsplan votiert. Vgl. SPEECH/02/624, Prestige, Kabeljaukrise und Fischereireform, 9. Dezember 2002, S. 2 f. Ob die Berufung auf das Leitbild der Nachhaltigkeit auch dann noch greift, wenn sich ein Bestand, wie hier, bereits außerhalb seiner sicheren biologischen Grenzen befindet, ist freilich überaus zweifelhaft.
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des fordert die umweltpolitische Querschnittsklausel Art. 6 EGV, dass „die Erfordernisse des Umweltschutzes“ auch bei Durchführung der GFP einzubeziehen sind. Zu diesen Erfordernissen zählen insbesondere – das ergibt sich unter anderem aus der früheren systematischen Positionierung der Querschnittsklausel in Art. 130r Abs. 2 S. 3 EGV – die Schutzprinzipien des Art. 174 Abs. 2 EGV534, also etwa das Vorsorgeprinzip (nicht: ein Vorsorgeansatz!535). Im Rahmen der von Art. 6 EGV geforderten Abwägung müssen die von der Gemeinschaft erlassenen Bestandserhaltungsmaßnahmen deshalb mit dem Vorsorgeprinzip in Einklang stehen, d. h. sie müssen gerade auch Ausdruck von Risikovorsorge sein, trotz des diesbezüglich bestehenden Beurteilungsspielraums der Gemeinschaftsorgane536. Zwar kommt die Annahme eines sekundärrechtlichen Verstoßes gegen das Vorsorgeprinzip nur in engen Ausnahmefällen in Betracht. Der Vorsorgegrundsatz ließe sich aber vor allem auch mit Blick auf solche Bestände fruchtbar machen, für die keine wissenschaftlichen Daten vorliegen. Daneben ist zu bedenken, dass ein auf jährlichen TAC-Festsetzung beruhendes Fangquotensystem nur dann zur Erhaltung der Bestände beitragen kann, wenn es auch wirksam kontrolliert und durchgesetzt wird. Dafür sind in der Regel die Mitgliedstaaten zuständig; ihnen obliegt die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts, zumeist unter Berücksichtigung detaillierter sekundärrechtlicher Vorgaben („indirekter Vollzug“537). Die Verletzung dieser Vorgaben kann die Kommission im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens (vgl. Art. 226, 228 EGV) gerichtlich feststellen lassen538. Daneben folgt 534 KOM(2001) 143 endg., Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Elemente einer Strategie zur Einbeziehung der Erfordernisse des Umweltschutzes in die Gemeinsame Fischereipolitik, 16. März 2001, S. 7; Zils, Die Wertigkeit des Umweltschutzes in Beziehung zu anderen Aufgaben der Europäischen Gemeinschaft, 1994, S. 28 f.; Epiney (Fn. 102), S. 97; Frenz (Fn. 109), S. 65 f., Rn. 188; Calliess (Fn. 110), S. 565. 535 Auf sekundärrechtlicher Ebene spricht die Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 hingegen von einem Vorsorgeansatz. Diesbezüglich heißt es im dritten Erwägungsgrund zur Verordnung: „Angesichts der weiter zurückgehenden Bestände sollte die Gemeinsame Fischereipolitik verbessert werden, damit die Lebensfähigkeit des Fischereisektors über eine nachhaltige Nutzung der lebenden aquatischen Ressourcen auf der Grundlage solider wissenschaftlicher Gutachten und unter Anwendung des Vorsorgeansatzes, der auf den gleichen Erwägungen beruht wie das Vorsorgeprinzip nach Artikel 174 des Vertrags, langfristig gewährleistet ist.“ Deckungsgleich sind Vorsorgeansatz und Vorsorgeprinzip nach hier vertretener Auffassung gleichwohl nicht. 536 Siehe zum ganzen KOM(2000) 803 endg., Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Anwendung des Vorsorgeprinzips und der mehrjährigen Mechanismen zur Festsetzung der TAC, 1. Dezember 2000, S. 4–8. 537 Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Band I, 1988, S. 48 ff. 538 Siehe z. B. EuGH, Rs. C-333/99, Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I-1025, Rn. 32 ff.
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aus Art. 37 Abs. 2 EGV („Gestaltung und Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik“539), dass die Gemeinschaft auf dem Fischereisektor ausnahmsweise selbst Vollzugsmaßnahmen erlassen kann („direkter Vollzug“540). Im Rahmen der anstehenden GFP-Reform soll zudem bis Mitte 2004 eine den Gemeinschaftsaufgaben des GG ähnelnde gemeinsame Fischereiaufsicht von EG und Mitgliedstaaten einschließlich des Einsatzes multinationaler Kontrollteams in Gemeinschafts- und internationalen Gewässern eingeführt werden541. Die gemeinschaftsrechtlichen Kontrollvorgaben542 betreffen so detaillierte Gesichtspunkte wie die Pflicht der Kapitäne von Fischereischiffen, ein Logbuch zu führen, in das die Mengen aller gefangenen und an Bord behaltenen Fische, Art, Zeitpunkt und Ort dieser Fänge sowie die Art des verwendeten Fanggeräts einzutragen sind; die Verpflichtung der Kapitäne, Anladeort und Anlademenge im Vorhinein anzugeben; die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, zur Sanktionierung von Pflichtverstößen Strafvorschriften zu schaffen; Anforderungen an Einrichtungen, die Fischauktionen veranstalten etc. Daneben hat die Gemeinschaft die Grundlagen für ein satellitengesteuertes System zur Überwachung ihrer Fischereifahrzeuge geschaffen543, über dessen Einführung der Rat gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 im Jahre 2004 befindet. Jüngere Änderungen der Kontrollregelungen waren ferner der Verbesserung der Kontrollen nach Anlandung der Fänge, d. h. ihrer Rückverfolgbarkeit von der Anlandung bis zum Verkauf, der Überwachung von Fischereifahrzeugen aus Drittländern, die im EG-Meer fischen, sowie der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Kommission und Mitgliedstaaten gewidmet544. Die Gemeinschaft gewährt den Mitgliedstaaten bei der Durchsetzung des TAC- und Fangquotensystems erhebliche finanzielle Unterstützung545.
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Hervorhebung hinzugefügt. Schwarze (Fn. 537), S. 46 ff. Zu einschlägigen Maßnahmen siehe Berg, Implementing and Enforcing European Fisheries Law, 1999, S. 95–105. 541 Mitteilung der Kommission über die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik, Fahrplan, 28. Mai 2002, S. 13 f. 542 Einzelheiten bei Berg (Fn. 540), S. 81–95. Vgl. nunmehr auch die Art. 21–28 der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002. 543 Vgl. Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 686/97 des Rates vom 14. April 1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 zur Einführung einer Kontrollregelung für die gemeinsame Fischereipolitik: ABl. EG 1997, Nr. L 102, S. 1 ff. Zu den Umsetzungsproblemen siehe KOM(2001) 135, Grünbuch, Band II, Die Gemeinsame Fischereipolitik nach 2001, Anwendung der gemeinschaftlichen Regelung für die Fischerei und die Aquakultur im Zeitraum 1993–2000, S. 15 f. 544 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 2846/98 des Rates vom 17. Dezember 1998 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 zur Einführung einer Kontrollregelung für die gemeinsame Fischereipolitik: ABl. EG 1998, Nr. L 358, S. 5 ff. 545 Vgl. Entscheidung 96/286/EG der Kommission vom 11. April 1996 mit Durchführungsbestimmungen zur Entscheidung 95/527/EG des Rates über eine finanzielle Beteiligung der Gemeinschaft an bestimmten Ausgaben der Mitgliedstaaten im Rahmen der Durchführung der Kontrollregelung für die gemeinsame Fischereipolitik: ABl. EG 1996, Nr. L 106, S. 37 ff. 540
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Die Mitgliedstaaten verwalten also die nationalen Quotenanteile, entscheiden über den Zeitpunkt der Quotenerschöpfung und untersagen ab diesem Zeitpunkt den unter ihrer Jurisdiktion stehenden Fischern, Fischfang zu betreiben546. Nachdem der Kommission der Zeitpunkt des mitgliedstaatlichen Fangverbots mitgeteilt wurde, legt die Kommission ihrerseits einen Zeitpunkt für den Erlass eines gemeinschaftsrechtlichen Fangverbots fest und teilt diesen den Mitgliedstaaten mit. Gemäß Art. 21 Abs. 3 UAbs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 gilt die mitgliedstaatliche Fangquote erst ab Zugang der Kommissionsmitteilung als ausgeschöpft. Dieses komplizierte System ist dahingehend zu verstehen, dass der Fischfang trotz Erschöpfung der nationalen Quote mangels gemeinschaftsrechtlichen Fangverbots bis zur Mitteilung der Kommission fortgesetzt werden kann, ohne dass sich der Mitgliedstaat gemeinschaftsrechtswidrig verhält. Die bestehende Regelung fördert demnach die Überschreitung der nationalen Quoten. Andererseits werden die Mitgliedstaaten bereits durch die Quotenzuteilung verpflichtet. Dulden sie eine Quotenüberschreitung seitens der ihrer Jurisdiktion unterliegenden Fischer, könnte dies insofern einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 EGV bedeuten. Nach dieser Norm ist ein Mitgliedstaat verpflichtet, alle Maßnahmen zu treffen, um die Einhaltung der ihm zugeteilten Fangquote – die verordnungshalber erfolgende Zuteilung ist eine „Handlung der Organe der Gemeinschaft“ im Sinne von Art. 10 EGV – zu gewährleisten. Indes konkretisiert erst die Fiktion des Art. 21 Abs. 3 UAbs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 den Zeitpunkt, ab dem die Fangquoten gemeinschaftsrechtlich „als ausgeschöpft gelten“. Deshalb verhalten sich die Mitgliedstaaten erst dann gemeinschaftsrechtswidrig, wenn sie nach entsprechender Mitteilung der Kommission untätig bleiben547. 546 Vgl. Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 des Rates vom 12. Oktober 1993 zur Einführung einer Kontrollregelung für die gemeinsame Fischereipolitik: ABl. EG 1993, Nr. L 261, S. 1 ff.; letzte Änd. in ABl. EG 1998, Nr. L 358, S. 5 ff. – Daneben können die Mitgliedstaaten für ihre eigenen Schiffe Bedingungen aufstellen, durch die sichergestellt wird, dass das Schiff eine wirkliche wirtschaftliche Beziehung zum betroffenen Mitgliedstaat aufweist, soweit diese Beziehung nur das Verhältnis zwischen den Fischereitätigkeiten des Schiffes und der von der Fischerei abhängigen Bevölkerung betrifft; siehe EuGH, Rs. 216/87, The Queen/Ministry of Agriculture, Fisheries and Food, ex parte Jaderow Ltd. u. a., Slg. 1989, 4509, Rn. 27. Darüber hinausgehende Maßnahmen bedeuteten einen Verstoß gegen die primärvertraglichen Diskriminierungsverbote. 547 So zur früheren Rechtslage Nonnenmacher (Fn. 95), S. 204; Churchill (Fn. 487), S. 142. Vgl. auch Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2847/ 93: „Fischereifahrzeuge der Gemeinschaft dürfen einen Bestand oder eine Bestandsgruppe, die einer Quote oder einer TAC unterliegen, von dem Zeitpunkt an nicht mehr befischen, zu dem die Quote dieses Mitgliedstaats für den betreffenden Bestand oder die betreffende Bestandsgruppe oder die TAC für die Art des betreffenden Bestands oder der betreffenden Bestandsgruppe als ausgeschöpft gilt; [. . .]“ (Hervorhebung vom Verf.). Der EuGH hat einen Verstoß Frankreichs gegen den mit
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Die Mitteilung der Kommission ist daneben für den Fall von Bedeutung, dass ein Mitgliedstaat im Zeitpunkt der Mitteilung seinen Quotenanteil (noch) nicht vollständig ausgeschöpft hat. Dann kommt primär ein Quotentausch in Betracht. Ist dieser nicht möglich, trifft die Gemeinschaft Ausgleichsmaßnahmen, die zu Abzügen bei den Mitgliedstaaten führen, die ihre Quote bereits überschritten haben: „Die in Abzug gebrachten Mengen werden den Mitgliedstaaten, für die vor Ausschöpfung ihrer Quoten die Einstellung der Fangtätigkeit veranlasst wurde, entsprechend zugeschlagen“ (Art. 21 Abs. 4 der Verordnung [EWG] Nr. 2847/93).
Trotz Fangverbotes muss demnach kein Mitgliedstaat mit einer geringeren Quote als der ihm zugewiesenen Vorlieb nehmen. Die TAC wird also nicht etwa zugunsten bestandsschutzbezogener Gesichtspunkte abgesenkt, sondern vielmehr vollständig ausgeschöpft. Auch dies zeigt: Die ökonomischen Interessen der Mitgliedstaaten überwiegen die ökologischen. 4. Fangverbote und Einfuhrverbote Letztes Mittel des Bestandsschutzes ist die Anordnung von Fangverboten. Fangverbote kommen in zwei Situationen in Betracht: Zum einen, wenn ein Bestand derart überfischt wurde, dass seine Erholung nicht mehr durch Fangquotenzuteilungen gewährleistet werden kann, zum anderen, wenn eine zugeteilte Fangquote vor Jahresende erschöpft wurde; letzteres ist überprüfbar, weil die Mitgliedstaaten gegenüber der Gemeinschaft zur Vorlage von Fangstatistiken verpflichtet sind548. Es scheint, als müsse zwischen beiden Kategorien auch kompetenzrechtlich differenziert werden. Während es sich bei diesen Verboten unzweifelhaft um Bestandserhaltungsmaßnahmen handelt, geht es bei jenen um den Schutz von Fischarten, die infolge Überfischung nicht mehr kommerziell nutzbar sind, genau genommen also um Artenschutz. Artenschutzbezogene Maßnahmen sind aber nicht Bestandteil der GFP und müssen grundsätzlich auf Art. 175 Abs. 1 EGV gestützt werden549. Art. 21 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 inhaltsgleichen Art. 11 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2241/87 des Rates vom 23. Juli 1987 zur Festlegung bestimmter Maßnahmen zur Kontrolle der Fischereitätigkeit (ABl. EG 1987, Nr. L 207, S. 1 ff.) – diese Verordnung wurde durch die erstgenannte ersetzt – angenommen, nicht aber einen Verstoß gegen Art. 21 Abs. 3 UAbs. 1; siehe Rs. C-333/99, Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I-1025, Rn. 45, 48. Der EuGH hält also offenbar den Zeitpunkt der tatsächlichen Quotenerschöpfung für maßgeblich, misst dem Bestandsschutz ein größeres Gewicht bei. Das mag rechtspolitisch zu begrüßen sein; die vom EuGH gewählte Auslegung ist freilich kaum mit der Systematik der Bestimmung in Einklang zu bringen. 548 Siehe die in Fn. 546 genannte Verordnung. Diese Verordnung ist Grundverordnung für die von der Kommission erlassenen Durchführungsverordnungen (vgl. Art. 21 Abs. 3).
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Freilich ist die Grenze zwischen beiden Kategorien fließend. So ist nicht Art. 175 Abs. 1 EGV, sondern Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV einschlägige Kompetenznorm für Maßnahmen wie Sommerfangverbote, mit denen zeitlich befristete Fangverbote innerhalb einer TAC-Periode angeordnet werden. Insofern käme mit Blick auf die einschlägige Kompetenznorm in Betracht, auf die TAC-Periode abzustellen: Wollte die Gemeinschaft für einen bestimmten Fischbestand ein allgemeines Fangverbot für den gesamten TACZeitraum (also nicht nur für einzelne Jahreszeiten) anordnen, wäre der entsprechende Sekundärrechtsakt auf Art. 175 Abs. 1 EGV zu stützen. Indes ist an das Ergebnis der horizontalen Kompetenzabgrenzung zu erinnern, wonach fischereibezogene Maßnahmen angesichts ihres sachlich-gegenständlichen Charakters immer auf Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV beruhen müssen, sogar dann, wenn sie sich schwerpunktmäßig dem Artenschutz widmen550. Eine Aufspaltung in Aspekte des Bestandsschutzes und des Artenschutzes würde auch dem im Rahmen der TAC-Festlegung bestehenden Beurteilungsspielraum der Gemeinschaftsorgane nicht gerecht, zumal es sich bei den Fangverboten genau genommen um Zero-TACs handelt. Die Kommission fasst TACs und Zero-TACs jedes Jahr in einem einheitlichen Rechtsakt zusammen551, wobei Zero-TACs derzeit nur für wenige Fischbestände gelten552. Praktisch bedeutsamer sind Fangverbote der zweitgenannten Kategorie. Die Gemeinschaft sieht sich jährlich genötigt, Fangverbote wegen Quotenerschöpfungen anzuordnen, was in der Regel durch abgeleitetes Sekundärrecht geschieht. Diese Regelungen beziehen sich im Allgemeinen auf einzelne Spezies, sind auch nur ausnahmsweise an alle Mitgliedstaaten gerichtet553. Adressaten der meisten Fangverbote sind vielmehr einzelne Mitgliedstaaten554, eine Folge des Umstands, dass die europäische Fisch549
Siehe dazu o. Kapitel 2, I. 1. a) sowie II. 1. Siehe o. Kapitel 2, II. 1. b). 551 Siehe die Verordnung (EG) 2341/2002 des Rates vom 20. Dezember 2002 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten und entsprechender Fangbedingungen für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den Gemeinschaftsgewässern sowie für Gemeinschaftsschiffe in Gewässern mit Fangbeschränkungen (2003): ABl. EG 2002, Nr. L 356, S. 12 ff. 552 Etwa für die Loddebestände bestimmter Subregionen des Nordostatlantiks. Nachweise in Anhang I der Verordnung (EG) 2341/2002, ebd. 553 Für das Jahr 2003 bislang Fehlanzeige. Für 2002 vgl. die Verordnung (EG) Nr. 1378/2002 der Kommission vom 29. Juli 2002 zur Einstellung der Fischerei auf Gelbschwanzflunder durch Schiffe unter der Flagge eines Mitgliedstaats: ABl. EG 2002, Nr. L 200, S. 7, für 2001 die Verordnung (EG) Nr. 671/2001 der Kommission vom 30. März 2001 zur Einstellung der Heringsfischerei durch Schiffe unter der Flagge eines Mitgliedstaats: ABl. EG 2001, Nr. L 93, S. 27. 554 Für das Jahr 2003 vgl. bislang nur die Verordnung (EG) Nr. 520/2003 der Kommission vom 20. März 2003 zur Einstellung der Kabeljaufischerei durch 550
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wirtschaft von einigen EG-Mitgliedstaaten – zu denken ist an Portugal, Schweden, Spanien – dominiert wird, deren Flotten traditionell bestimmte Meeresgebiete befischen. Die pro Zuteilungsperiode konstant ansteigende Zahl von Fangverboten ist dabei Ausdruck verschärfter Fangquoten, mittelbar also der Überfischung der betroffenen Meeresgebiete. Vergleichbare Feststellungen können letztlich für alle Fischereigebiete der Erde getroffen werden – weltweit sind auf Überfischung beruhende Bestandsrückgänge zu verzeichnen. Verantwortlich sind nicht zuletzt die Billigflaggenstaaten, die sich bekanntlich von den einschlägigen Bestandsschutzregimes fernzuhalten suchen, aber dennoch in großem Umfang Fanglizenzen vergeben555. Auch im Hinblick auf diese Seuche verfügt die Gemeinschaft über Möglichkeiten. Zwar kann sie mangels entsprechender räumlicher Zuständigkeit keine Fangverbote erlassen. Sie ist aber in der Lage, mittelbar Einfluss auf die Bestandserhaltungspolitik der Billigflaggenstaaten zu nehmen, indem sie die Einfuhr besonders gefährdeter Fischarten in den europäischen Wirtschaftsraum verbietet. Da die Gemeinschaft Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) ist, stellt sich allerdings die Frage, inwieweit solche Verbote mit dem Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation vom 15. April 1994556 vereinbar sind. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass sich die derzeit geltenden Verbote557 auf die Einfuhr von atlantischem Schwertfisch, atlantischem GroßSchiffe unter der Flagge Belgiens: ABl. EG 2003, Nr. L 76, S. 3. Für 2002 vgl. etwa Verordnung (EG) Nr. 794/2002 der Kommission vom 14. Mai 2002 zur Einstellung der Fischerei auf Schellfisch durch Schiffe unter der Flagge Belgiens: ABl. EG 2002, Nr. L 224, S. 54 ff.; Verordnung (EG) Nr. 848/2002 der Kommission vom 17. Mai 2002 zur Einstellung der Heringsfischerei durch Schiffe unter der Flagge Deutschlands: ABl. EG 2002, Nr. L 135, S. 9; Verordnung (EG) Nr. 1364/2002 der Kommission vom 26. Juli 2002 zur Einstellung der Heringsfischerei durch Schiffe unter der Flagge Dänemarks: ABl. EG 2002, Nr. L 198, S. 26. Die Jahreslisten lassen sich – je näher das Ende der TAC-Periode jeweils rückt – nahezu beliebig fortsetzen. Deutlich wird, dass manche Mitgliedstaaten die ihnen zugeteilten Quoten bereits vor Ablauf der Hälfte des TAC-Zeitraums ausgeschöpft haben. 555 Dazu siehe o. Zweiter Teil, Kapitel 2, II. 2. b) sowie Kapitel 3, II. 1. b). 556 BGBl. 1994 II, S. 1625 ff. Das Übereinkommen – es gilt der Grundsatz des Einheitsabkommens (Oppermann, RIW 41 [1995], S. 919 [920]) – wurde von der Gemeinschaft mit Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986–1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. EG 1994, Nr. L 336, S. 1) abgeschlossen. Es ist am 1. Januar 1995 in Kraft getreten. 557 Verordnung (EG) Nr. 2092/2000 des Rates vom 28. September 2000 über das Verbot der Einfuhr Roten Thuns (Thunnus thynnus) mit Ursprung in Belize, Honduras und Äquatorialguinea: ABl. EG 2000, Nr. L 249, S. 1 f.; Verordnung (EG) Nr. 2093/2000 des Rates vom 28. September 2000 über das Verbot der Einfuhr atlantischen Schwertfischs (Xiphias gladius) mit Ursprung in Belize und Honduras:
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augenthun sowie Rotem Thun richten, d. h. auf Arten, die allesamt in den Schutzbereich der Internationalen Konvention zur Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik vom 14. Mai 1966 (ICCAT-Konvention)558 fallen. Die mit diesem Übereinkommen gegründete Kommission (ICCAT) hatte den Vertragsparteien empfohlen, für die betroffenen Bestände Einfuhrverbote zu erlassen559. Da die EG für den Bestandsschutz ausschließlich zuständig und zugleich Mitglied der Konvention ist, musste sie den (rechtsverbindlichen560) Empfehlungen der ICCAT Folge leisten. Gleichwohl besteht mit Blick auf das General Agreement on Tarifs and Trades (GATT) – es ist nunmehr Bestandteil des einheitlichen „Vertragskorpus“561 WTO – ein „potentieller Widerspruch zwischen Handel und Umwelt(schutz)“562: Art. XI GATT verbietet es den WTO-Mitgliedern, „[. . .] prohibitions or restrictions other than duties, taxes or other charges, whether made effective through quotas, import or export measures [. . .] instituted or maintained by any contracting party on the importation of any product of the territory of any other contracting party [. . .]“,
zu ergreifen563. Vorliegend handelt es sich jedoch um einen Sonderfall. Zweck des in Art. XI GATT niedergelegten Verbots mengenmäßiger Beschränkungen ist es, protektionistische Maßnahmen der WTO-Mitglieder zur Stärkung der eigenen Wirtschaftskraft auszuschließen. Ein Vorwurf (unmittelbar) protektionistischen Handelns kann der EG im Hinblick auf jene Einfuhrverbote freilich nicht gemacht werden, da die betroffenen Fischarten im EG-Meer gar nicht und auf Hoher See seitens der EG-Mitgliedstaaten eben nur im Rahmen der ICCAT-Konvention befischt werden564. Im Vordergrund steht vielmehr der Schutz der Fischbestände: Es geht um ABl. EG 2000, Nr. L 249, S. 3; Verordnung (EG) Nr. 1036/2001 des Rates vom 22. Mai 2001 über das Verbot der Einfuhr von atlantischem Großaugenthun (Thunnus obesus) mit Ursprung in Belize, Kambodscha, Äquatorialguinea, St. Vincent und den Grenadinen sowie Honduras: ABl. EG 2001, Nr. L 145, S. 10 f. 558 673 UNTS 63 ff. Die Konvention wurde von der Gemeinschaft mit Beschluss 82/238/EWG des Rates vom 9. Juni 1986 über den Beitritt der Gemeinschaft zu der Internationalen Konvention zur Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik in der Fassung des Protokolls zu der am 10. Juli 1984 in Paris unterzeichneten Schlußakte der Konferenz der Bevollmächtigten der Vertragsparteien der Konvention (ABl. EG 1986, Nr. L 162, S. 33) abgeschlossen. 559 Siehe o. Zweiter Teil, Kapitel 3, II. 1. b). 560 Vgl. Art. VIII ICCAT-Konvention. 561 Dolzer, Wirtschaft und Kultur im Völkerrecht, in: Graf Vitzthum (Fn. 4), S. 503, Rn. 64. 562 Gramlich, AVR 33 (1995), S. 131 (141). 563 Importverbote sind keine verbotenen (innerstaatlichen) Handelshemmnisse im Sinne von Art. III Abs. 1 GATT, sondern unterliegen dem Verbot der mengenmäßigen Handelsbeschränkung; siehe Report on United States Restrictions on Imports of Tuna (Mexico v. USA), ILM 30 (1991), 1594 (1617 ff.; 1621).
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den Schutz von „common goods“, von Umweltgütern also, deren Schutz jedenfalls auf dem Papier im Interesse der Staatengemeinschaft liegt565. Soweit die Importverbote zu einer faktischen Besserstellung der heimischen Fischer führen könnten (was insofern zweifelhaft erscheint, als die infolge der Fangquotenzuteilung durch die ICCAT begrenzten Anlandungen die Nachfrage innerhalb der Gemeinschaft kaum befriedigen dürften), ist daran zu erinnern, dass dergleichen Verbote nicht absolut verboten sind, sondern nach Art. XX lit. g GATT gerechtfertigt sein können. Diese Bestimmung lautet: „Subject to the requirement that such measures are not applied in a manner which would constitute a means of arbitrary or unjustifiable discrimination between countries where the same conditions prevail, or a disguised restriction on international trade, nothing in this Agreement shall be construed to prevent the adoption or enforcement by any contracting party of measures: [. . .] (g) relating to the conservation of exhaustible natural resources if such measures are made effective in conjunction with restrictions on domestic production or consumption“.
Da eine versteckte Handelsbeschränkung nicht vorliegt566, dürften die gemeinschaftlichen Einfuhrverbote hiernach – erstens – keine willkürliche bzw. ungerechtfertigte Diskriminierung zwischen Staaten, in denen gleiche Verhältnisse bestehen, verkörpern, müssten – zweitens – auf die Erhaltung von erschöpflichen Naturschätzen gerichtet sein und – drittens – in Verbin564 Daher greift der Ausnahmetatbestand Art. XI Abs. 2 lit. c GATT nicht. Diese Bestimmung erlaubt es den WTO-Mitgliedstaaten, Importbeschränkungen zur Erhaltung ihrer heimischen Landwirtschaft und Fischerei zu erlassen, um „(i) to restrict the quantities of the like domestic product permitted to be marketed or produced [. . .]; or (ii) to remove a temporary surplus of the like domestic product [. . .] by making the surplus available to certain groups of domestic consumers free of charge or at prices below the current market level; or (iii) to restrict the quantities permitted to be produced of any animal product the production of which is directly dependent, wholly or mainly, on the imported commodity, if the domestic production of that commodity is relatively negligible.“ 565 Zum Problem siehe o. Zweiter Teil, Kapitel 2, II. 1. d). 566 Eine versteckte Handelsbeschränkung im Sinne von Art. XX GATT läge vor, wenn die Gemeinschaft mit den Einfuhrverboten protektionistische Absichten verfolgte. Diesbezüglich sind die objektiven Umstände des Einzelfalles maßgeblich; vgl. nur Weiher, Nationaler Umweltschutz und Internationaler Warenverkehr, 1997, S. 147 f. m. w. N. Dabei führte eine eventuelle faktische Begünstigung der EGFischer durch Substitutionswirkung der Einfuhrverbote schon deshalb nicht zur Annahme einer versteckten Handelsbeschränkung, weil die Gemeinschaft völkerrechtlich dazu verpflichtet ist, den Empfehlungen der ICCAT Folge zu leisten. Ein Primat des WTO-Rechts gegenüber umweltvölkerrechtlichen Verträgen findet im geltenden Recht insoweit keine Grundlage.
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dung mit innerstaatlichen bzw. innergemeinschaftlichen Produktionsbeschränkungen stehen567. Mit Bezug auf die erste Voraussetzung hat ein GATT-Panel – bei diesen wechselnd besetzten Expertengremien handelt es sich um die Streitschlichtungsorgane des WTO-Vertragskomplexes – im Krabben/SchildkrötenStreit568 festgestellt, dass eine staatliche Artenschutzpolitik nicht von vorne herein ungleiche Verhältnisse begründet, artenschutzbezogene Importverbote insofern in der Tat zu einer willkürlichen bzw. ungerechtfertigten Diskriminierung führen können. Zu bedenken ist indes, dass die Gemeinschaft im Hinblick auf die vorliegend zur Diskussion stehenden Einfuhrverbote Empfehlungen der ICCAT durchgeführt hat. Von daher wurden die von den Einfuhrverboten erfassten Spezies nicht nur innergemeinschaftlich, sondern gerade auch auf internationaler Ebene als schutzwürdig eingestuft. Wird diese Einstufung von einzelnen Staaten nicht anerkannt, fehlt es an gleichen Verhältnissen im Sinne der ersten Voraussetzung von Art. XX lit. g GATT569. Die von den Einfuhrverboten betroffenen Fischarten sind – zweitens – ohne weiteres erschöpfliche Naturschätze570; wie auf europäischer Normebene (vgl. Art. 174 Abs. 1 EGV) ist Art. XX lit. g GATT vom offenbar ebenfalls einschlägigen Art. XX lit. b GATT571 danach abzugrenzen, ob die Erhaltung der nutzbaren Bestände oder der Artenschutz im Vordergrund steht. Geht es um Bestandserhaltung, ist Art. XX lit. g GATT selbst dann einschlägig, wenn die betroffenen Fischbestände auf Hoher See, also außerhalb des EG-Meeres und der Hoheitsbereiche der anderen Vertragsparteien, gefangen werden572. Wie die bestandsschutzbezogenen Aspekte der GFP beispielhaft verdeutlichen, stehen die Einfuhrverbote – drittens – in Verbindung mit inner567 Nach Hilf, NVwZ 19 (2000), S. 481 (485), existieren wenigstens acht Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen. 568 Report on United States Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products (India, Pakistan, Malaysia and Thailand v. USA), ILM 37 (1998), 832 (845). 569 Ähnlich Diem, Freihandel und Umweltschutz in GATT und WTO, 1996, S. 72 f. Vgl. auch Beyerlin (Fn. 331), S. 316, Rn. 616. 570 A. A. Gramlich (Fn. 562), S. 152: Erschöpfliche Naturschätze im Sinne von Art. XX lit. g GATT seien nur nicht-lebende Ressourcen. Offengelassen von Hilf (Fn. 567), a. a. O.; wie hier dagegen Stoll/Vöneky, ZaöRV 62 (2002), S. 21 (30). 571 Lit. b des Art. XX lautet: „necessary to protect human, animal or plant life or health“. 572 Report on United States Restrictions on Imports of Tuna (EC v. USA), ILM 33 (1994), 839 (891). Anders noch, freilich bezüglich Art. XX lit. b GATT, Report on United States Restrictions on Imports of Tuna (Mexico v. USA), ILM 30 (1991), 1594 (1619 f.).
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gemeinschaftlichen Produktionsbeschränkungen. So ist nur an die jährlich erfolgende Zuteilung mehr oder weniger strenger Fangquoten und deren Überwachung zu denken. Soweit zusätzlich die Erforderlichkeit der Einfuhrverbote gefordert wird573, ist daran angesichts der denkbar knappen Bestandszahlen vorliegend nicht zu zweifeln. Mithin ist der Ausnahmetatbestand Art. XX lit. g GATT verwirklicht. Die Gemeinschaft konnte die Einfuhrverbote zulässigerweise erlassen. In Anbetracht der Tatsache, dass EU-Europa einer der weltgrößten Fischmärkte ist, sind die von der EG erlassenen Einfuhrverbote gewiss eine effektive Sanktion. Dies wird auch vom jüngst erfolgten Beitritt des von den Einfuhrverboten unmittelbar betroffenen Billigflaggenstaats Honduras zur ICCAT-Konvention belegt574. Dieser Staat ist nunmehr völkerrechtlich zur Einhaltung der von der ICCAT getroffenen Maßnahmen verpflichtet. Von daher fragt sich, ob aus den Einfuhrverboten allgemeine rechtspolitische Schlüsse gezogen werden können. Ist die Gemeinschaft kraft ihrer Supranationalität etwa ein Büttel des Völkerrechts, der die Durchsetzung dieser Rechtsmaterie innergemeinschaftlich gewährleistet575? Ist sie auf dem Gebiet der Bestandserhaltung gar ein global player, der infolge seiner wirtschaftlichen Kapazität auch außergemeinschaftlich für die Einhaltung meeresschutzbezogener Regelungen sorgen kann576?
573 Zurückhaltend Report on United States Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products (India, Pakistan, Malaysia and Thailand v. USA), ILM 37 (1998), 832 (848 f.). Siehe dazu auch Winter, Welthandelsrecht und Umweltschutz, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel: Bilanz und Perspektiven aus Anlass des 25-jährigen Bestehens der Gesellschaft für Umweltrecht (GfU), 2001, S. 71 (85–87). 574 Urspünglich war auch Panama von einem gemeinschaftlichen Einfuhrverbot betroffen; vgl. Verordnung (EG) Nr. 1435/98 des Rates vom 29. Juni 1998 zum Verbot der Einfuhr Roten Thuns und von Erzeugnissen daraus mit Ursprung in Belize, Honduras und Panama: ABl. EG 1998, Nr. L 191, S. 13 f. Panama hatte sich daraufhin um eine verstärkte Zusammenarbeit mit der ICCAT bemüht, weshalb diese im Jahre 1999 empfahl, das von den Vertragsparteien gegenüber Panama verhängte Einfuhrverbot aufzuheben; siehe ICCAT Recommendation Concerning the Importation of Bluefin Tuna and its Products from Panama (Reference No. 99-9). Seitens der Gemeinschaft ist dies mit Verordnung (EG) Nr. 2092/2000 des Rates vom 28. September 2000 über das Verbot der Einfuhr Roten Thuns (Thunnus thynnus) mit Ursprung in Belize, Honduras und Äquatorialguinea (ABl. EG 2000, Nr. L 249, S. 1 f.) geschehen. Ende 1998 ist Panama schließlich der ICCAT-Konvention beigetreten. Auch Honduras wurde zwischenzeitlich von der ICCAT belohnt; vgl. ICCAT Recommendation Concerning the Importation of Bigeye Tuna and its Products from Honduras (Reference No. 02-18), para. 1. 575 In diesem Zusammenhang sei an das Kooperationsverhältnis zwischen IMO und EG erinnert; siehe o. Kapitel 2, III. 1. b). 576 In diesem Sinne etwa KOM(2001) 143 endg., Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Elemente einer Strategie zur Einbeziehung
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Hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Ebene ist festzustellen, dass die EG über Instrumente verfügt, mit Hilfe derer sie den Primat des Europarechts wirksam durchzusetzen imstande ist. Zu denken ist vor allem an das Recht der Kommission, gegenüber den Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH anzustrengen (vgl. Art. 226 EGV); die Urteile des Gerichtshofs können im Wege der Zwangsgeldverhängung durchgesetzt werden577. Die Häufigkeit dieser Verfahren ist gleichsam Beleg für die Wirksamkeit des Mittels. Beteiligt sich die Gemeinschaft an völkerrechtlichen Übereinkommen, kommt sie den sich daraus ergebenden Verpflichtungen in der Regel durch Erlass sekundärrechtlicher Maßnahmen nach, setzt also die zuvor vergemeinschafteten578 Rechte und Pflichten um, zu deren Befolgung bzw. Umsetzung sich die EG-Mitgliedstaaten dann veranlasst sehen. Von daher erhöht die Zwischenschaltung der supranationalen Gemeinschaft trotz der so oft betonten Autonomie des Gemeinschaftsrechts mittelbar die Effektivität des Völkerrechts. Das zeigt erneut das Beispiel der ICCAT-Konvention: Die ICCAT war mehrfach gezwungen, Empfehlungen abzugeben, mit denen sie untätig gebliebene Vertragsparteien zur Befolgung der zuvor beschlossenen Maßnahmen anwies579, ohne dass diese Empfehlungen wirksam durchgesetzt werden konnten580. Trotz ihrer Rechtverbindlichkeit verfügten letztere vielfach über kaum mehr als Appellwirkung. Anders im Europa der EG: Dort hat sich die Gemeinschaft als verlässlicher Partner der ICCAT gezeigt, wie etwa die Verordnung (EG) Nr. 1936/2001 des Rates vom 27. September mit Kontrollmaßnahmen für die Befischung bestimmter Bestände weit wandernder Arten581 belegt. Gleiches lässt sich im Hinblick auf das Übereinkommen über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordostatlantik vom 18. November 1980 (NEAFC-Ü)582 und die von der mit diesem Übereinkommen gegründeten Fischereiorganisation (NEAFC) getroffenen Maßnahmen konstatieren583. Andererseits hat die der Erfordernisse des Umweltschutzes in die Gemeinsame Fischereipolitik, 16. März 2001, S. 20. 577 Vgl. Art. 228 EGV. 578 Vgl. Art. 300 Abs. 7 EGV. 579 Ein „Compendium of ICCAT Management Recommendation and Resolutions“ mit einer Auflistung der sich in Kraft befindlichen Compliance-Maßnahmen ist auf der Homepage der ICCAT (http://www.iccat.es/) abrufbar. 580 Siehe o. Zweiter Teil, Fn. 794. 581 ABl. EG 2001, Nr. L 263, S. 1 ff. Die Verordnung löste die Verordnung (EG) Nr. 1351/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 mit Kontrollmaßnahmen zur Durchsetzung der von ICCAT angenommenen Maßnahmen (ABl. EG 1999, Nr. L 162, S. 6 ff.) ab. Siehe auch die Verordnung (EG) Nr. 973/2001 des Rates vom 14. Mai 2001 mit technischen Erhaltungsmaßnahmen für bestimmte Bestände weit wandernder Arten: ABl. EG 2001, Nr. L 137, S. 1 ff. 582 1285 UNTS 129 ff.
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Kommission jüngst zugegeben, dass die bisherigen innergemeinschaftlichen Kontroll- und Überwachungsbestimmungen nicht ausreichen bzw. nicht wirksam genug durchgesetzt werden584. Nicht alle Schlupflöcher lassen sich mit Hilfe des Vertragverletzungsverfahrens auffüllen, geschweige denn aufdecken. Von daher sind die Anstrengungen um eine neue Kontroll- und Sanktionsregelung zu begrüßen. Die EG nach außen hin auf dem Weg zu einem „blauen“, die Agende „Bestandsschutz“ prägenden Akteur? Diesbezüglich sind Zweifel angebracht. So darf nicht übersehen werden, dass einige EG-Mitgliedstaaten – darunter Griechenland, Großbritannien und Spanien – bis heute tatkräftig an der Ausflaggung ihrer Fangschiffe an Billigflaggen mitwirken. Auch ist daran zu erinnern, dass sich die Gemeinschaft durch den Abschluss von Fischereiabkommen den Zugang zu Fischgründen von Drittstaaten erkauft hat und für die Überfischung dieser Meeresgebiete (mit)verantwortlich ist585. Erinnert sei zudem an den kanadisch-spanischen Fischereistreit, in den die Gemeinschaft angesichts ihrer ausschließlichen Zuständigkeit für Fischereifragen zugunsten des Mitgliedstaats Spanien (und der dahinter stehenden ökonomischen Interessen) eintrat586. Eine vergleichbare Rolle spielte die EG dann wiederum im Rahmen des 2. Thunfisch/DelphinStreits587. Die Gemeinschaft stand mithin zumeist auf Seiten der wirtschaftlichen Interessen. Zwischen dem innergemeinschaftlichen Schutzpotential und der außergemeinschaftlichen Schutzpolitik klafft eine Lücke, die von den einzelfallbezogenen Einfuhrverboten keineswegs geschlossen wurde. Dass es noch immer an einem harmonischen Ausgleich der ökologischen und ökonomischen Aspekte nachhaltiger Fischereipolitik mangelt, ist nicht 583
Verordnung (EG) Nr. 1085/2000 der Kommission vom 15. Mai 2000 mit Durchführungsbestimmungen zu den Kontrollmaßnahmen für den Bereich des Übereinkommens über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordostatlantik: ABl. EG 2000, Nr. L 128, S. 1 ff.; Verordnung (EG) Nr. 2791/1999 des Rates vom 16. Dezember 1999 mit Kontrollmaßnahmen für den Bereich des Übereinkommens über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordostatlantik: ABl. EG 1999, Nr. L 337, S. 1 ff., letzte Änd. in ABl. EG 2001, Nr. L 31, S. 1. 584 Mitteilung der Kommission über die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik, Fahrplan, 28. Mai 2002, S. 3, 13 f. 585 Siehe F.A.Z. v. 3. 8. 2001, S. 14; F.A.Z. v. 14. 3. 2001, S. 20. Siehe auch o. Einführung, Fn. 19. – Die Gemeinschaft will künftig auch im internationalen Handel mit Fischereierzeugnissen verstärkt auf eine nachhaltige Nutzung der lebenden Ressourcen hinwirken; siehe Mitteilung der Kommission über die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik, Fahrplan, 28. Mai 2002, S. 15. 586 Dazu siehe o. Zweiter Teil, Kapitel 1, II. 2. Gleiches ist für den zwischen Chile und der EG aufgekommenen Schwertfischstreit zu konstatieren; vgl. Orellana, NJIL 71 (2002), S. 55 (60 f.). 587 Siehe o. Fn. 572.
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zuletzt auf institutionelle, aus der Beteiligung der Gemeinschaft in anderen internationalen Organisationen resultierende Schwierigkeiten zurückzuführen588. Das innergemeinschaftliche Schutzpotential ist freilich mehr als nichts, zumal angesichts der geplanten GFP-Reform. In diesem Sinne gilt es, die bestandsschutzorientierte Dimension der GFP wirksam und konsequent nach außen zu transferieren. Ein erstes Zeichen ist das Eintreten für ein real interest-Kriterium im Rahmen der ICCAT als Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Staates bei der Verteilung von Fischereiquoten589. III. Seeschifffahrt Den Kompetenzgrundlagen für meeresschutzbezogenes Handeln über See korrespondierend ist das Augenmerk schließlich auf das Tätigkeitsfeld „Seeschifffahrt“ zu lenken. Auch insoweit steht weniger eine umfassende Untersuchung des bestehenden Sekundärrechts denn vielmehr die Frage im Vordergrund, ob die Gemeinschaft die Vorgaben des Völkerrechts und ihre von der Bindung der Mitgliedstaaten an das IMO-Recht abzuleitenden Kompetenzbegrenzung respektiert hat. Im Hinblick auf die materiellen Schutzbestimmungen ist weiterhin von Interesse, auf welchen Akteur die Anstöße zu einer Verschärfung der Schutzstandards zurückzuführen sind; die Ursprünge schiffssicherheitsrelevanter Regelungen ermöglichen, die künftige Rolle der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Seeschifffahrt zu beleuchten. Mit Blick auf die Durchsetzung jener Standards ist, soweit möglich, zu klären, ob die Gemeinschaft das ihr inhärente Potential, regionales Vollzugsorgan der IMO zu werden590, besser als im Rahmen des Bestandsschutzes – dort war der diesbezügliche Befund ja ein gespaltener, kein eindeutiges Bild zeichnender – ausgeschöpft hat. 1. Die Erika-Maßnahmen – Antworten eines „grünen“ Akteurs auf Defizite bei der Schiffssicherheit Der Untergang des Öltankschiffs Erika vor der bretonischen Küste im Dezember 1999 markierte eine Trendwende in der gemeinschaftlichen Schiffssicherheitspolitik. Bis in die zweite Hälfte der siebziger Jahre hinein 588
Dazu noch u. Kapitel 4. Dazu Molenaar, IJMCL 15 (2000), S. 475 (519 f.) m. w. N. 590 Dazu siehe o. Kapitel 2, III. 1. b) („Innergemeinschaftliche Bindung“). Die Gemeinschaft scheint ihr Durchsetzungspotential künftig auch in strafrechtlicher Hinsicht wahrnehmen zu wollen. Vgl. KOM(2003) 92 endg., Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen, einschließlich strafrechtlicher Sanktionen, für Verschmutzungsdelikte, 5. März 2003, S. 5 ff. 589
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blieb die Gemeinschaft auf dem Gebiet der Seeschifffahrt vollkommen untätig. In den darauf folgenden Jahren widmete sie sich primär den marktund wettbewerbsbezogenen Aspekten der Seeschifffahrt591. Erst 1993 wurden die Weichen in Richtung eines gemeinschaftlichen Schiffssicherheitskodex gestellt592. Die im Anschluss getroffenen593 und im Einklang mit den Vorgaben der IMO stehenden594 Maßnahmen konnten freilich weitere Öltankerunglücke mit schweren Folgen für die Meeresumwelt, darunter das der Erika, nicht verhindern. Insofern überrascht nicht, dass der Druck der Öffentlichkeit vor allem im besonders von der Erika-Katastrophe betroffenen Frankreich weiter anschwoll. Gleiches ließ sich Ende 2002 nach dem Untergang der Prestige in Spanien beobachten. Die Ursachen für die Unglücke wurden nicht zuletzt in den zu laxen Sicherheitsbestimmungen und Kontrollen innerhalb EU-Europas gesehen595. Mit dieser öffentlichen Meinung konfrontiert entfaltete die Kommission im Frühjahr 2000 eine bemerkenswerte Rechtsetzungsaktivität. Die in den beiden sog. Erika-Paketen enthaltenen Maßnahmen596 sind mittlerweile – mit Ausnahme des sog. COPEFonds, der Forderungen bei sämtlichen Ölkatastrophenszenarien decken, das bestehende zweistufige internationale Haftungssystem597 also ergänzen sollte – allesamt in Kraft getreten und im Amtsblatt der EG veröffentlicht worden598. Der Rechtsetzungsprozess gestaltete sich insgesamt außerordent591 Siehe etwa Prieß, EuR 24 (1989), S. 369 ff.; Bandtel (Fn. 240), S. 30–36; 38–58. 592 Vgl. KOM(1993) 66 endg., Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über eine gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr, 24. Februar 1993. Dazu Lagoni (Fn. 97), S. 395–402. 593 Siehe die Nachweise im Fundstellennachweis des geltenden Gemeinschaftsrechts: http://www.europa.eu.int/eur-lex/de/lif/reg/de_register_073030.html. 594 de Dieu (Fn. 259), S. 151–160. 595 Siehe F.A.Z. v. 7. 2. 2000, S. 13. 596 Siehe o. Fn. 255. 597 Bestehend aus dem Internationalem Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden vom 29. November 1969 (BGBl. 1975 II, S. 305 ff.; Neufassung in BGBl. 1996 II, S. 670 ff.) sowie dem Internationalen Übereinkommen über die Errichtung eines Internationalen Fonds zur Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden vom 18. Dezember 1971 (BGBl. 1975 II, S. 320 ff.; Neufassung in BGBl. 1996 II, S. 685 ff.). Mit dem erstgenannten Übereinkommen wurde eine Gefährdungshaftung des Schiffseigners begründet; die Haftungsgrenze liegt derzeit bei rd. 115 Millionen US $. Wird diese Haftungsgrenze überschritten, springt der Ölhaftungsfonds ein, der sich aus den Beiträgen der Ladungseigner finanziert. 598 Verordnung (EG) Nr. 417/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Februar 2002 zur beschleunigten Einführung von Doppelhüllen oder gleichwertigen Konstruktionsanforderungen für Einhüllen-Öltankschiffe und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2978/94 des Rates: ABl. EG 2002, Nr. L 64, S. 1 ff.; Richtlinie 2001/106/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 2001 zur Änderung der Richtlinie 95/21/EG zur Durchsetzung internationa-
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lich schwierig; anscheinend waren auch auf Gemeinschaftsebene Vorbehalte gegen ein vom IMO-Recht abweichendes bzw. diesem zuvorkommenden EG-Schiffssicherheitsregime verbreitet599. Die ursprünglichen Vorschläge der Kommission wurden denn auch mehrfach verändert. Ein Beispiel bildet die auf die Hafenstaatkontrollrichtlinie aus dem Jahre 1995 bezogene Richtlinie 2001/106/EG: Ihr In-Kraft-Treten wurde durch Meinungsunterschiede des Europäischen Parlaments und des Rates verzögert; andernfalls hätte kein Vermittlungsverfahren gemäß Art. 253 Abs. 3 S. 2 EGV eingeleitet werden müssen. Gleiches gilt für die Richtlinie 2001/105/ EG über Klassifikationsgesellschaften. Von daher bleibt abzuwarten, wie lange die Mitgliedstaaten für die innerstaatliche Umsetzung der Richtlinien benötigen werden. Andererseits hat der Vorstoß der Gemeinschaft hinsichtlich der Einführung der Doppelhülle dazu geführt, dass sich die IMO überhaupt (wieder) mit dem Thema beschäftigt und einen verschärften Zeitplan für die Außerdienststellung von Einhüllen-Öltankschiffen beschlossen hat600. Dieser Zeitplan wurde als Regel 13G in Anhang I MARPOL aufgenommen und damit für alle IMO-Mitgliedstaaten verbindlich gemacht; die Änderungen traten am 1. September 2002 in Kraft601. Die Gemeinschaft hat den ursprüngliler Normen für die Schiffssicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen, die Gemeinschaftshäfen anlaufen und in Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten fahren (Hafenstaatkontrolle): ABl. EG 2002, Nr. L 19, S. 17 ff.; Richtlinie 2001/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 2001 zur Änderung der Richtlinie 94/57/EG des Rates über gemeinsame Vorschriften und Normen für Schiffsüberprüfungs- und -besichtigungsorganisationen und die einschlägigen Maßnahmen der Seebehörden: ABl. EG 2002, Nr. L 19, S. 9 ff.; Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juli 2002 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs: ABl. EG 2002, Nr. L 208, S. 1 ff.; Richtlinie 2002/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juli 2002 über die Errichtung eines gemeinschaftlichen Überwachungs- und Informationssystems für den Schiffsverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 93/75/EWG des Rates: ABl. EG 2002, Nr. L 208, S. 10 ff. – Nach dem Untergang des Öltankschiffs Prestige hat die Kommission erneut die Einrichtung des COPE-Fonds in die Diskussion gebracht; vgl. KOM(2002) 681 endg., Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat zur Erhöhung der Sicherheit im Seeverkehr nach dem Untergang des Öltankschiffs „Prestige“, 3. Dezember 2002, S. 9 f. 599 Siehe nur die Anfrage E-2922/01 vom 17. Oktober 2001: ABl. EG 2002, Nr. C 115 E, S. 193 600 Siehe die Antwort auf die schriftliche Anfrage E-2922/01: ABl. EG 2002, Nr. C 115 E, S. 193; KOM(2001) 370 endg., Weißbuch, Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft, 12. September 2001, S. 114. 601 Siehe o. Zweiter Teil, Kapitel 2, I. 1. a) („Die MARPOL-Anlagen: Überblick“). – Gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2099/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 zur Einsetzung eines Ausschusses für die Sicherheit im Seeverkehr und die Vermeidung von Umweltverschmutzung
Kap. 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht
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chen Vorschlag der Kommission dann ihrerseits mit den MARPOL-Vorgaben abgestimmt, um die Vereinbarkeit von gemeinschaftsrechtlicher und völkerrechtlicher Verpflichtung der EG-Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Zwischen den Aktivitäten der IMO einerseits und der EG andererseits bestehen insofern auch politische Wechselwirkungen, die über juristische Fragestellungen hinausreichen. Nimmt man die Erika-Maßnahmen genauer in den Blick, fällt auf, dass sie sich primär mit der Durchsetzung bestehender Schutzstandards bzw. der Überwachung des Schiffsverkehrs beschäftigen. Es geht also weniger um ein europäisches (also regionales) Schiffssicherheitsregime denn um die Kontrolle und Umsetzung der im IMO-Rahmen beschlossenen Maßnahmen. Von den in der Richtlinie 2002/59/EG zur Einrichtung eines gemeinschaftlichen Überwachungs- und Informationssystems enthaltenen Vorgaben bezüglich schiffssicherheitsbezogener Ausrüstungsgegenstände abgesehen602 hat einzig die Verordnung (EG) Nr. 417/2002 zur beschleunigten Einführung der Doppelhülle konkrete technische (Schutz-)Standards eingeführt, die freilich, wie gezeigt, im Einzelnen den zwischenzeitlich zu hard law erstarkten Vorgaben der IMO korrespondieren603. Da sich die IMO ihrerseits nur mittelbar mit Fradurch Schiffe (COSS) sowie zur Änderung der Verordnungen über die Sicherheit im Seeverkehr und die Vermeidung von Umweltverschmutzung durch Schiffe (ABl. EG 2002, Nr. L 324, S. 1 ff.) können Änderungen bestimmter völkerrechtlicher Übereinkommen nunmehr automatisch die sie ganz oder teilweise vergemeinschaftenden Rechtsakte erfassen. In diesem Sinne würde etwa eine weitere Straffung des MARPOL-Zeitplans zur Außerdienststellung der Einhüllen-Öltankschiffe automatisch auf die Verordnung (EG) Nr. 417/2002 zur beschleunigten Einführung von Doppelhüllen durchschlagen. Bedenklich hingegen, dass die Kommission nach dem Untergang der Prestige vorgeschlagen hat, die Doppelhülle für Schiffe, die Häfen der Gemeinschaft anlaufen, früher als im MARPOL-Rahmen vorgesehen vorzuschreiben; der Transport von Schweröl mit Einhüllen-Tankschiffen, die einen Hafen der Gemeinschaft anlaufen oder daraus auslaufen, soll gar vollständig verboten werden. Vgl. KOM(2002) 780 endg., Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 417/2002 zur beschleunigten Einführung von Doppelhüllen oder gleichwertigen Konstruktionsanforderungen für Einhüllen-Öltankschiffe und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2978/94 des Rates, 20. Dezember 2002, S. 2 ff. 602 Dazu sogleich im Text unter a). 603 Zu den technischen Hintergründen siehe F.A.Z. v. 18. 1. 2000, S. T1. – Nach dem Untergang der Prestige im November 2002 haben Vertreter von Greenpeace gefordert, alle Einhüllentanker mit einem Alter von mehr als 20 Jahren sofort zu verschrotten (F.A.Z. v. 3. 12. 2002, S. 9). Sollte die Gemeinschaft gegenüber dem Drängen der Öffentlichkeit nachgeben und einen schiffssicherheitsbezogenen Alleingang wagen – worauf manches hindeutet (siehe Fn. 601 a. E.) –, käme es angesichts der völkerrechtlichen Bindung der Mitgliedstaaten an die einschlägigen MARPOLVorgaben – die Einführung der Doppelhülle ist in der obligatorischen Anlage I MARPOL geregelt – zur o. (Kapitel 2, III. 2.) diskutierten Pflichtenschere, mit der Folge, dass es der Gemeinschaft an einer entsprechenden Kompetenz mangelte. Aus diesem Grunde erscheint die von der Kommission angekündigte Verordnung problematisch, nach der der Transport von Schweröl mit Einhüllen-Öltankschiffen, die EU-Häfen anlaufen, untersagt werden soll; vgl. KOM(2002) 681 endg., Mitteilung
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
gen der Durchsetzung beschäftigt604, erübrigt sich eine nähere Begutachtung der Frage, ob sich die Gemeinschaft in kompetenzrechtlicher Hinsicht an den vom IMO-Recht gezogenen Rahmen gehalten hat.
Eine andere Frage ist, ob die Erika-Maßnahmen in Einklang mit dem SRÜ stehen, das bekanntlich auch hinsichtlich der Durchsetzung und Kontrolle des Schiffsverkehrs Vorgaben trifft. Diese Vorgaben wurden infolge des Beitritts der Gemeinschaft zum Übereinkommen gemäß Art. 300 Abs. 7 EGV in die Gemeinschaftsrechtsordnung inkorporiert605. Obwohl die EG nicht hinsichtlich aller im SRÜ geregelten Fragen ausschließlich zuständig ist und das Übereinkommen insofern gemeinsam mit ihren Mitgliedstaaten als gemischtes Abkommen abschließen mußte606, folgt aus der Gemeinschaftskompetenz für Fragen der Schiffssicherheit, dass jedenfalls die der Verschmutzung durch Schiffe gewidmeten SRÜ-Bestimmungen in den Geltungsbereich von Art. 300 Abs. 7 EGV fallen und auf diesem Wege auch Dänemark binden, das dem SRÜ bislang nicht beigetreten ist607. Die Richt-
der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat zur Erhöhung der Sicherheit im Seeverkehr nach dem Untergang des Öltankschiffs „Prestige“, 3. Dezember 2002, S. 10. Angesichts des Umstands, dass der Großteil der Öltanker, die europäische Häfen anlaufen, Einhüllenschiffe sind, drohte im Übrigen die Ölversorgung Europas massiv beeinträchtigt zu werden. Siehe auch F.A.Z. v. 7. 12. 2002, S. 1. (Nachtrag: Mit Verordnung (EG) Nr. 1726/2003 des Europ. Parlaments und des Rates vom 22. Juli 2003 [ABl. EG 2003, Nr. L 249, S. 1 ff.] hat die EG ein sofortiges Ein- und Auslaufverbot für alle Schweröl befördernden Einhüllen-Öltankschiffe mit einer Tragfähigkeit von mindestens 5.000 t erlassen.) 604 Siehe schon o. Zweiter Teil, Kapitel 1, I. 1. – Zwar sehen etliche IMO-Konventionen Hafenstaatkontrollen vor; dabei geht es freilich vor allem um das „Ob“ der Kontrollen, weniger hingegen um das „Wie“. Von daher ist die von Ringbom, RECIEL 8 (1999), S. 21 (25), getroffene Bemerkung, „there are no global conventions at all on port state control“, zutreffend. Die in der IMO-Res. A.787(19), Procedures for Port State Control, 23 November 1995, ergänzt durch Res. A.882(21), Amendments to the Procedures for Port State Control, 25 November 1999, enthaltenen Vorgaben zielen zwar darauf ab, einheitliche Standards für die Durchführung von Inspektionen aufzustellen, allein rechtsverbindlich sind sie nicht. Siehe zum ganzen auch Graf Vitzthum, Sicherheit im Seeverkehr, in: Erbguth/Jenisch (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen im Seerecht II, 2003, S. 61 (68 f., Fn. 28). – Die völkerrechtlichen Grenzen zulässiger Hafenstaatkontrolle werden somit grundsätzlich nicht vom IMO-Recht gezogen, sondern vom SRÜ. Soweit Art. 218 SRÜ seinerseits auf „die anwendbaren internationalen Regeln und Normen“ verweist, wird damit zwar das IMO-Recht inkorporiert, freilich nur insoweit, als es gleichsam völkergewohnheitsrechtlich anerkannt ist (siehe o. Zweiter Teil, Kapitel 1, I. 2.). 605 „Integrierender Bestandteil des Gemeinschaftsrechts“ (EuGH, Rs. 181/73, R. u. V. Haegeman/Belgischer Staat, Slg. 1974, 449, Rn. 2/6). Siehe auch Krück (Fn. 448), Rn. 25, mit der Einschränkung, die Abkommen behielten gleichwohl ihren völkerrechtlichen Charakter bei und seien insofern nach den völkerrechtlichen Regeln auszulegen. 606 Dazu siehe u. Kapitel 4, I.
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linien müssen deshalb mit den (nunmehr auch gemeinschaftsrechtlich geltenden) Vorgaben des SRÜ vereinbar sein. a) Überwachung des Seeverkehrs Während des Rechtsetzungsprozesses wurden diesbezügliche Bedenken insbesondere im Hinblick auf die Richtlinie 2002/59/EG zur Einrichtung eines gemeinschaftlichen Überwachungs- und Informationssystems (sog. Überwachungsrichtlinie608) geltend gemacht609. Primär ging es um die Frage, inwiefern die von der Richtlinie ursprünglich vorgesehene Meldepflicht jedes (einschließlich Drittlandschiffe!) einen Hafen der Gemeinschaft ansteuernden Schiffes mindestens 48 Stunden vor Ankunft in diesem Hafen zulässig war. Zwar ist gegen eine Meldepflicht völkerrechtlich an sich nichts einzuwenden610. Im Hinblick auf Drittlandschiffe war allerdings der Zeitpunkt der Meldung problematisch. Diesbezüglich hat Rainer Lagoni ausgeführt, dass weder die Gemeinschaft noch ihre Mitgliedstaaten ein Drittlandschiff zur Abgabe einer Anlaufmeldung verpflichten können, solange sich das betroffene Schiff nicht innerhalb der mitgliedstaatlichen Aquitorien befindet611. Die Organe der Gemeinschaft haben auf diese Kritik reagiert, indem sie die einschlägigen Bestimmungen (Art. 4 und Art. 13 Überwachungsrichtlinie) im Laufe des Rechtsetzungsprozesses angepasst haben. Art. 4 Abs. 1 Überwachungsrichtlinie lautet nunmehr: 607 Vgl. Abs. 2 (2. Spiegelstrich) der Erklärung zur Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft für die durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1992 und das Übereinkommen vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens geregelten Angelegenheiten (Erklärung nach Artikel 5 Absatz 1 der Anlage IX des Übereinkommens und Artikel 4 Absatz 4 des Durchführungsübereinkommens): ABl. EG 1998, Nr. L 179, S. 129 f. (Abdruck im Anhang). 608 Die zumeist verwendete Kurzbezeichnung „Schiffsmelderichtlinie“ ist missverständlich, weil mittlerweile eine Richtlinie 2002/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Februar 2002 über Meldeformalitäten für Schiffe beim Einlaufen in und/oder Auslaufen aus Häfen der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (ABl. EG 2002, Nr. L 67, S. 31 ff.) erlassen wurde, deren Vereinbarkeit mit völkerrechtlichen Vorgaben zu keinem Zeitpunkt in Frage stand. Mit ihr wurde lediglich die Anerkennung der IMO-Abfertigungsformulare eingeführt. Um Missverständnissen vorzubeugen, wird hinsichtlich der hier in Rede stehenden Richtlinie im Folgenden die (ohnehin treffendere) Kurzbezeichnung „Überwachungsrichtlinie“ verwendet. 609 Etwa von Lagoni, TranspR 24 (2001), S. 284 (286, 288); Herma/Jenisch (Fn. 259), S. 53 f.; Graf Vitzthum (Fn. 304), S. 176; BR-Drs. 26/1/01, Empfehlungen der Ausschüsse zu den Erika-Paketen, 23. Februar 2001, Nr. 6. 610 Vgl. Art. 25 Abs. 2, 211 Abs. 3 SRÜ. 611 (Fn. 609), S. 286. Siehe auch Handl, Regional Arrangements and Third State Vessels: Is the Pacta Tertiis Principle Being Modified?, in: Ringbom (Fn. 259), S. 217 (226).
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
„(1) Der Betreiber, Agent oder Kapitän eines Schiffes, dessen Bestimmungshafen ein Hafen eines Mitgliedstaats ist, übermittelt der Hafenbehörde die Informationen gemäß Anhang I Nummer 1 a) mindestens vierundzwanzig Stunden im Voraus, b) spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem das Schiff aus dem vorigen Hafen ausläuft, sofern die Reisezeit weniger als vierundzwanzig Stunden beträgt, oder c) wenn der Anlaufhafen nicht bekannt ist oder sich während der Reise ändert, sobald diese Information vorliegt. (2) Von einem Hafen außerhalb der Gemeinschaft kommende Schiffe, deren Bestimmungshafen ein Hafen eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft ist und die gefährliche und umweltschädliche Güter befördern, müssen den Meldepflichten nach Artikel 13 nachkommen.“
Gegenüber dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag612 wurde die Bestimmung um die Worte „der Betreiber, Agent oder Kapitän“ ergänzt, die allgemeine Meldefrist von 48 auf 24 Stunden verkürzt. Es fragt sich, ob damit die auf der Erstreckung auf Drittlandschiffe beruhenden Bedenken gegen die Überwachungsrichtlinie ausgeräumt sind. Dies lässt sich jedenfalls nicht schon mit dem Argument bejahen, die Meldung müsse nunmehr erst 24 Stunden vor Erreichen des Hafens vorgenommen werden, ist doch keineswegs gesagt, dass sich das Schiff zu diesem Zeitpunkt bereits im Aquitorium des angelaufenen Mitgliedstaats befindet. Etwas anderes gilt jedoch im Hinblick auf die für das Schiff zuständigen Personen an Land, d. h. Betreiber und Agent613. Gemäß Art. 3 lit. b Überwachungsrichtlinie bezeichnet „Betreiber“ den Reeder oder Verwalter des Schiffes, „Agent“ jede Person, „die dazu befugt oder beauftragt ist, im Namen des Schiffsbetreibers Informationen zu übermitteln“ (lit. c). Trotz der insoweit nicht eindeutigen Definitionen ist davon auszugehen, dass sich zumindest der Agent in der Regel ständig im Anlaufhafenstaat aufhält und insofern dessen Jurisdiktion unterliegt; andernfalls wäre die in Art. 4 Überwachungsrichtlinie vorgenommene Differenzierung zwischen Betreiber und Agent ohne erkennbaren Sinn. Die Bestimmung ist daher völkerrechtskonform614 dahingehend auszulegen, dass die Schiffsmeldung von derjenigen Person vorzunehmen ist, die von der Jurisdiktion des Anlaufstaates erfasst wird. Ist dies ausnahmsweise bei keiner der in Art. 4 Überwachungsrichtlinie genannten Personen der Fall, besteht entgegen dem Wortlaut von Art. 4 Überwachungsrichtlinie keine Schiffsmeldepflicht615. 612
Siehe das in Fn. 255 genannte Dokument. Siehe Graf Vitzthum (Fn. 604), S. 79 (Fn. 68). 614 Gemeint ist ausschließlich das in die Gemeinschaftsrechtsordnung inkorporierte SRÜ. 615 Dieses Ergebnis missachtet nicht die Autonomie des Gemeinschaftsrechts, weil das SRÜ, wie gesagt, gemäß Art. 300 Abs. 7 EGV Eingang in die Gemeinschaftsrechtsordnung gefunden hat und im Rang über dem Sekundärrecht steht. Siehe die Nachweise in Fn. 456. 613
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Im Hinblick auf Schiffe, die von einem Hafen außerhalb der Gemeinschaft kommen und die gefährliche und umweltschädliche Güter befördern, verweist Art. 4 Abs. 2 Überwachungsrichtlinie auf Art. 13; für diese Drittlandschiffe (und nur für diese: „und“) ist diese Bestimmung gegenüber jener demnach eine lex specialis. Auch Art. 13 Überwachungsrichtlinie statuiert eine Meldepflicht des Betreibers, des Agents oder des Kapitäns und ist insofern völkerrechtskonform616.
Gleiches gilt für die von der Richtlinie vorgesehenen Ausrüstungspflichten aller Schiffe, die einen Gemeinschaftshafen anlaufen, mit automatischen Identifizierungssystemen (AIS-Systemen) und Schiffsdatenschreibern („black boxes“)617. Zwar sind dergleichen Pflichten bereits in SOLAS, einer IMO-Konvention also, enthalten618; die zeitliche Staffelung der Überwachungsrichtlinie entspricht freilich im Einzelnen den SOLAS-Vorgaben, die bereits am 1. Juli 2002 in Kraft getreten sind619. Von daher hat die Gemeinschaft den Primat der IMO auch diesbezüglich respektiert620. Letzteres trifft ferner für die Überwachung der Schiffsmeldesysteme (vgl. Art. 5 Überwachungsrichtlinie), Schiffswegeführungssysteme621 (vgl. Art. 7 Überwachungsrichtlinie) sowie Schiffsverkehrsdienstesysteme (vgl. Art. 8 Überwachungsrichtlinie) zu. So bezieht sich Art. 5 Überwachungsrichtlinie von vorne herein nur auf die von der IMO angenommenen und gemäß den einschlägigen Richtlinien und Kriterien der IMO622 betriebenen Schiffsmeldesysteme, erfasst also lediglich die Durchsetzung der bestehenden, nicht aber die Ausweisung autonomer („europäischer“) Schiffsmeldegebiete 623. Soweit Art. 7 Abs. 2 Überwachungsrichtlinie (auch) den Einsatz von Schiffswegeführungssystemen gestattet, die nicht zuvor von der IMO ange616 Die Meldepflicht nach Art. 13 Abs. 1 Überwachungsrichtlinie ist bereits deshalb unproblematisch, weil sich das Schiff im Zeitpunkt des Auslaufens im Hafen eines Mitgliedstaats befindet. 617 Vgl. Art. 6, 10 Überwachungsrichtlinie. 618 Siehe o. Zweiter Teil, Kapitel 2, I. 1. b). 619 Die Überwachungsrichtlinie ist erst am 5. 8. 2002 in Kraft getreten; vgl. Art. 31 Überwachungsrichtlinie. 620 A. A. Herma/Jenisch (Fn. 259), S. 53 f. Wie hier dagegen Lagoni (Fn. 609), S. 286. 621 Etwa Verkehrstrennungsgebiete; vgl. Art. 3 lit. p Überwachungsrichtlinie. 622 Vgl. IMO Doc. A 20/Res.851, Resolution A.851(20), General Principles for Ship Reporting Systems and Ship Reporting Requirements, including Guidelines for Reporting Incidents involving Dangerous Goods, Harmful Substances and/or Marine Pollutants, 27 November 1997. 623 Insofern sind die Bedenken von Herma/Jenisch (Fn. 259), S. 53 f., unbegründet. Siehe auch den 5. Erwägungsgrund der Überwachungsrichtlinie: „An den europäischen Küsten wurden in Übereinstimmung mit den einschlägigen von der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) verabschiedeten Regeln mehrere verbindliche Schiffsmeldesysteme eingerichtet. Es gilt sicherzustellen, dass die Schiffe den Meldepflichten im Rahmen dieser Systeme nachkommen“ (Hervorhebung hinzugefügt).
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nommen wurden, „berücksichtigen die Mitgliedstaaten so weit wie möglich die Richtlinien und Kriterien der IMO und veröffentlichen alle erforderlichen Informationen für die sichere und wirksame Nutzung der Schiffswegeführung“. Dass für Drittlandschiffe keine Pflicht zur Befolgung dieser „europäischen“ Systeme besteht, ergibt sich aus dem 6. Erwägungsgrund der Überwachungsrichtlinie, wonach unabdingbar ist, „dass die Schiffe die Schiffsverkehrsdienste in Anspruch nehmen und sich an die Regeln für die von der IMO genehmigten Systeme der Schiffswegeführung halten.“624
Art. 7 Abs. 2 Überwachungsrichtlinie ist insofern restriktiv auszulegen. Ähnlich ist die Rechtslage im Hinblick auf die Lenkung des Schiffsverkehrs mit Hilfe von Schiffsverkehrdiensten (Vessel Traffic Management Systems [VTS]). Diesbezüglich unterstreicht Art. 8 Überwachungsrichtlinie, dass VTS-Dienste auf den einschlägigen „Richtlinien der IMO“ basieren müssen. Soweit die Mitgliedstaaten gemäß Art. 8 lit. b Überwachungsrichtlinie sicherstellen sollen, dass (auch) Drittlandschiffe („oder deren Bestimmungshafen ein Hafen eines Mitgliedstaates ist“) die Regeln eines VTSDienstes einhalten, und zwar auch und gerade dann, wenn der betreffende Dienst für ein Gebiet außerhalb der mitgliedstaatenlichen Küstenmeere eingerichtet wurde, könnten dem insofern Bedenken entgegenstehen, als das SRÜ verkehrsregelnde Maßnahmen vor dem Hintergrund der Schifffahrtsfreiheit offenbar nur für die küstenstaatlichen Aquitorien zulässt625. Indes ist zu berücksichtigen, dass nach dem SRÜ die Schifffahrtsfreiheit in der aWZ nur „vorbehaltlich der diesbezüglichen Bestimmungen dieses Übereinkommens“ (Art. 58 Abs. 1), auf Hoher See lediglich „gemäß den Bedingungen dieses Übereinkommens“ (Art. 87 Abs. 1) gilt. So stellen die Staaten gemäß Art. 211 Abs. 1 SRÜ „[. . .] im Rahmen der zuständigen internationalen Organisation oder einer allgemeinen diplomatischen Konferenz internationale Regeln und Normen zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung der Meeresumwelt durch Schiffe auf und fördern, wo es angebracht ist, in derselben Weise die Annahme von Systemen der Schiffswegeführung, um die Gefahr von Unfällen, die eine Verschmutzung der Meeresumwelt, einschließlich der Küste, und eine Schädigung damit zusammenhängender Interessen der Küstenstaaten durch Verschmutzung verursachen könnten, auf ein Mindestmaß zu beschränken.“
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Hervorhebung vom Verf. So Erbguth/Jenisch/Herma/Keller, Maritime Sicherheit im Ostseeraum 2002, Endbericht des Ostseeinstituts für Seerecht und Umweltrecht der Juristischen Fakultät Rostock im Auftrage des Landtages Mecklenburg-Vorpommern, Umweltausschuss, Ausschussdrucksache 3/142, 2002, S. 48, unter Hinweis auf Art. 21, 58, 87 SRÜ. Das Gutachten ist auch abgedruckt in: Landtag Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.), Maritime Sicherheit im Ostseeraum, Band II, 2002, S. 204–339. 625
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Nach dieser Bestimmung, die sich nicht auf ein bestimmtes Meeresgebiet bezieht und deshalb auch die aWZen der Vertragsparteien einbezieht626, kann die Schifffahrtsfreiheit insofern durch Schiffswegeführungssysteme eingeschränkt werden, freilich ausschließlich unter der Ägide der IMO. Zwar werden die vorliegend problematischen VTS-Dienste in Art. 211 Abs. 1 SRÜ nicht ausdrücklich erwähnt; der Hinweis auf „Systeme der Schiffswegeführung“ ist jedoch in einem umfassenden Sinne zu verstehen: Gemeint sind alle schifffahrtsbezogenen Navigationssysteme627. Im Übrigen wird die Vorgabe eines Schiffswegs in der Regel ungleich höher in die Schifffahrtsfreiheit eingreifen als ein Schiffsverkehrsdienst, ein Dienst also, „durch den die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs erhöht und die Umwelt geschützt werden soll, der zur Interaktion mit dem Verkehr imstande ist und auf die Verkehrssituation im VTS-Gebiet reagieren kann“ (Art. 3 lit. o Überwachungsrichtlinie).
Weiterhin verfügen die Küstenstaaten gemäß Art. 211 Abs. 6 lit. c SRÜ über das Recht, in einem als MPA ausgewiesenen Gebiet ihrer aWZen628 „zusätzliche Gesetze und sonstige Vorschriften zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Schiffe“ zu erlassen. Diese Gesetze können sich dem Wortlaut der Bestimmung nach unter anderem auf Schifffahrtsbräuche beziehen. Aus dem Umstand, dass Art. 211 Abs. 6 lit. c SRÜ – ebenso wie der verwandte Art. 21 Abs. 2 SRÜ – den Entwurf, den Bau, die Bemannung und die Ausrüstung von fremden Schiffern ausdrücklich positiv ausklammert, in der zweitgenannten Bestimmung die Regelung des Seeverkehrs aber ausdrücklich genannt ist629, folgt, dass sich der Küstenstaat auch mit der Regelung des Seeverkehrs befassen und etwa VTS-Dienste einrichten kann. Da das SRÜ demnach (unter engen Voraussetzungen) verkehrsregelnde Maßnahmen seewärts der küstenstaatlichen Aquitorien zulässt, ist Art. 8 lit. b Überwachungsrichtlinie entgegen dem ersten Eindruck durchaus mit den Vorgaben des Völkerrechts vereinbar. Soweit in Art. 8 lit. b Überwachungsrichtlinie die Rede davon ist, der VTSDienst müsse „auf den Richtlinien der IMO“ basieren, bedeutet dies eine Öffnung gegenüber den Anforderungen von Art. 211 Abs. 1, 6 lit. c SRÜ, die eine völkerrechtskonforme Auslegung der Richtlinie ermöglicht. Art. 8 lit. b Überwachungsrichtlinie gilt mithin nur hinsichtlich solcher VTS-Dienste, die in Übereinstimmung mit den einschlägigen Vorgaben der IMO eingerichtet wurden. Dass die EG-Mitgliedstaaten gegenüber der Gemeinschaft 626
Brown, The International Law of the Sea, Vol. I, 1994, S. 237; Nordquist/Rosenne/Yankov (Fn. 444), S. 201, para. 211.15(c). 627 Nordquist/Rosenne/Yankov (Fn. 444), S. 202, para. 211.15(d). 628 Dazu siehe Zweiter Teil, Kapitel 1, I. 3. 629 Vgl. Art. 21 Abs. 1 lit. a SRÜ.
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dazu verpflichtet werden, die Einhaltung jener Dienste zu „überwachen“ und „sicherzustellen“, fügt sich bei alledem in das Bild von der Gemeinschaft als regionalem Implementierungsdegen der IMO. Unproblematisch ist schließlich auch Art. 8 lit. c Überwachungsrichtlinie, wonach Schiffe unter Drittlandflagge, die keinen EG-Hafen anlaufen, verkehrslenkende Vorschriften auch außerhalb des EG-Meeres „so weit wie möglich einhalten“ sollen (nicht aber müssen!)630. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass auch der von SOLAS bekannte631 ISM-Code in die Überwachungsrichtlinie inkorporiert wurde632.
b) Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) Im Zusammenhang mit der Überwachung des Seeverkehrs wird künftig auch die mit der Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA-Verordnung) ins Leben gerufene EMSA eine Rolle spielen. Diese Agentur, eine Einrichtung der Gemeinschaft mit Rechtspersönlichkeit633, soll gemäß Art. 2 lit. d EMSA-Verordnung die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission erleichtern, indem sie die für die Erreichung der Ziele der Überwachungsrichtlinie erforderlichen Informationssysteme entwickelt und betreibt634. Daneben ist die Einrichtung regionaler Zentren geplant, soweit dies für die Überwachung des Seeverkehrs nach der Überwachungsrichtlinie erforderlich ist635. Über die endgültigen Standorte der Agentur selbst und jener Zentren ist noch nicht entschieden worden, die Frage nach dem „Wann“ der Einrichtung der Agentur hingegen geklärt: Gemäß Art. 23 EMSA-Verordnung muss die Agentur innerhalb von 12 Monaten nach InKraft-Treten der Verordnung636, spätestens also am 26. August 2003, ihre Arbeit aufnehmen. Anlässlich des Untergangs der Prestige hat sich die
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Vgl. auch Brown (Fn. 626), S. 237; Erbguth/Jenisch/Herma/Keller (Fn. 625),
S. 48. 631
Siehe o. Zweiter Teil, Kapitel 2, I. 1. b). Vgl. Art. 19 Abs. 3 Überwachungsrichtlinie. In bestimmten Situationen ist der ausstellende Mitgliedstaat gemäß Art. 25 Abs. 4 Überwachungsrichtlinie zum Entzug der ISM-Bescheinigung verpflichtet. Der ISM-Code ist also sanktionsbewehrt, Indiz dafür, dass die Gemeinschaft hinsichtlich ihrer möglichen Rolle als Durchsetzungsorgan der IMO handlungswillig ist. 633 Vgl. Art. 5 Abs. 1 EMSA-Verordnung. 634 Das dürfte vor allem für die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission gemäß Art. 23 Überwachungsrichtlinie von Bedeutung sein. Siehe auch sogleich im Text. 635 Vgl. Art. 5 Abs. 3 EMSA-Verordnung. 636 Die Verordnung ist am 25. August 2002 in Kraft getreten. Vgl. Art. 24 EMSA-Verordnung. 632
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Kommission dafür ausgesprochen, diesen Zeitpunkt nach Möglichkeit um ein halbes Jahr vorzuverlegen. Angesichts des Umstands, dass das Ziel der EMSA „die Gewährleistung eines hohen, einheitlichen und effektiven Sicherheitsniveaus im Seeverkehr und bei der Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe in der Gemeinschaft ist“ (Art. 2 Abs. 1 EMSA-Verordnung),
fragt sich allerdings, ob die Gemeinschaft mit der Schaffung dieser neuen Institution auf dem Gebiet der Schiffssicherheit einen „europäischer Weg“ eingeschlagen hat. Dies ist zu verneinen. Aus der Aufgabennorm Art. 2 EMSA-Verordnung ergibt sich, dass die Agentur grundsätzlich nicht über Entscheidungsbefugnisse verfügen, vielmehr die Mitgliedstaaten und die Kommission lediglich „unterstützen“ soll. Soweit ihr in Einzelfällen Kompetenzen übertragen wurden – etwa hinsichtlich der bereits erwähnten Aufgabe, Informationssysteme für die Schiffsüberwachung zu entwickeln und zu betreiben, sowie der Möglichkeit, (im Vorhinein angekündigte637) Kontrollbesuche bei den Mitgliedstaaten durchzuführen638 –, ist die Ausübung dieser Kompetenzen insoweit eingeschränkt, als die Kommission über gewichtige Mitsprachemöglichkeiten verfügt. So ist der zuständige EMSAExekutivdirektor im Hinblick auf die Durchführung der Kontrollbesuche zur Entscheidung erst nach Stellungnahme der Kommission befugt639, der Verwaltungsrat der Agentur bei der Festlegung des jährlichen Arbeitsprogramms gar an die Stellungnahme der Kommission gebunden („unter Berücksichtigung“)640. Die Bedeutung der EMSA liegt mithin im Wesentlichen in der Zurverfügungstellung von Daten zur Seeverkehrssicherheit und zur Verschmutzung durch Schiffe641. Die Gefahr institutioneller Überschneidungen wurde insofern auf Kosten der Effektivität der Agentur (freilich in Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip) vermieden. c) Hafenstaatkontrolle Im Hinblick auf das kompetenzrechtliche Potential der Gemeinschaft, zum regionalen Vollzugsorgan der IMO zu werden, ist die Richtlinie 2001/ 106/EG über die Verschärfung der Hafenstaatkontrolle ein besonders wir637
Vgl. Art. 3 Abs. 2 EMSA-Verordnung. Vgl. Art. 3 EMSA-Verordnung. 639 Vgl. Art. 15 Abs. 2 lit. b EMSA-Verordnung. Siehe auch Abs. 1 der Bestimmung: „Die Agentur wird von ihrem Exekutivdirektor geleitet, der in der Wahrnehmung seiner Aufgaben völlig unabhängig ist, unbeschadet der jeweiligen Zuständigkeiten der Kommission und des Verwaltungsrates“ (Hervorhebung vom Verf.). 640 Vgl. Art. 10 Abs. 2 lit. d EMSA-Verordnung. 641 Siehe auch Erbguth/Jenisch/Herma/Keller (Fn. 625), S. 51: ausgelagerte Denkfabrik der Kommission. 638
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
kungsvolles Instrument. Gemeinsam mit der im Zuge der Erika-Initiativen ebenfalls verschärften Richtlinie 94/57/EG des Rates über gemeinsame Vorschriften und Normen für Schiffsüberprüfungs- und -besichtigungsorganisationen und die einschlägigen Maßnahmen der Seebehörden642 (Klassifikationsgesellschaftenrichtlinie) bildet sie „the central pillar of the Community policy“643. Wichtigste Neuerung gegenüber der zu Grunde liegenden Richtlinie 95/21/EG des Rates vom 19. Juni 1995 zur Durchsetzung internationaler Normen für die Schiffssicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen, die Gemeinschafthäfen anlaufen und in Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten fahren (Hafenstaatkontrolle)644 ist die Einführung einer verschärften Prüfpflicht für Schiffe mit schlechtem Erhaltungszustand645, wenn auch die Mindestzahl der zu prüfenden Schiffe (25%) insgesamt unverändert bleibt646. Daneben besteht gemäß Art. 7 Hafenstaatkontrollrichtlinie für bestimmte Schiffe, etwa solche höheren Alters, eine obligatorische erweiterte Prüfpflicht. Über das Ergebnis der Überprüfungen müssen die Besichtiger, deren Gesamtzahl erhöht werden soll647, damit den verschärften Kontrollvorgaben in personaler Hinsicht Rechnung getragen werden kann, einen Bericht verfassen, Art. 8 Hafenstaatkontrollrichtlinie. Alle Kontrollvorgänge werden zudem in den Datenbanken SIRENAC und EQUASIS registriert, Art. 15 Abs. 2 Hafenstaatkontrollrichtlinie. Schiffen, die auf der im Jahresbericht der Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle vom 26. Januar 1982648 veröffentlichten sog. Schwarzen Liste aufgeführt sind, müssen die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen den Zugang zu den Häfen der Gemeinschaft verweigern; ähnlich wie im Falle der Wasserrahmenrichtlinie649 wurden an sich unverbindliche internationale Standards, hier die eines Memorandum of Understanding, inkorporiert und innergemeinschaftlich verbindlich gemacht650. Dadurch wird zugleich eine einheitliche Anwendung der 642
ABl. EG 1994, Nr. L 319, S. 20 ff. Salvarani (Fn. 304), S. 226; de Dieu (Fn. 259), S. 156. 644 ABl. EG 1995, Nr. L 157, S. 1 ff. 645 Vgl. Art. 5 Abs. 2 lit. a Hafenstaatkontrollrichtlinie. 646 Im Rahmen des Tokyo Memorandum of Understanding on Port State Control wurden im Jahre 2001 mehr als 70% (!) aller die Häfen der Vereinbarung ansteuernden Schiffe geprüft; vgl. Tokyo MOU Secretariat (Hrsg.), Annual Report on Port State Control in the Asia-Pacific Region, 2001, S. 11: http://www.tokyo-mou.org/ ANN01.pdf. – Große Mineralölunternehmen wie Exxon und Shell führen inzwischen selbständig in großem Umfang Kontrollen ihrer eigenen und der von ihnen gecharterten Schiffe durch; vgl. F.A.Z. v. 7. 12. 2002, S. 1. 647 Vgl. Art. 4 und Art 7 Abs. 4 UAbs. 2 Hafenstaatkontrollrichtlinie. 648 BGBl. 1998 II, S. 2780 ff. 649 Siehe o. I. 1. c). 650 Siehe auch de Dieu (Fn. 259), S. 157; Rabe (Fn. 304), S. 1166; Salvarani (Fn. 304), S. 228: „The first objective of the EC Directive is to make the commit643
Kap. 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht
409
Kontrollstandards innerhalb EU-Europas gewährleistet. Zu den Gründen für ein Festhalten zählt ferner das Fehlen eines Schiffsdatenschreibers an Bord von Schiffen mit mehr als 3.000 BRZ, Art. 9 Abs. 3 i.V. m. Anhang XII Hafenstaatkontrollrichtlinie, wobei sich die Einführung dieser Ausrüstungsgegenstände, die, wie gezeigt, auch von der Überwachungsrichtlinie verlangt wird, im Einzelnen an den Vorgaben von SOLAS orientiert. Dass die Durchführung von Hafenstaatkontrollen im Übrigen in Einklang mit dem geltenden Völkerrecht steht, wurde bereits festgestellt651. Angesichts des Umstands, dass das Betreiben eines höchsten IMO-Standards genügenden Schiffes bis zu 300% Mehrkosten gegenüber dem Betreiben eines sog. Substandard-Schiffes bedingt652, scheint das Fernhalten vom wirtschaftlich lukrativen Gemeinschaftsumfeld eine wirksame Möglichkeit, berüchtigten Seelenverkäufern653 den Garaus zu machen. Die Erfolgsaussichten hängen freilich nicht zuletzt davon ab, ob und inwiefern die EG-Mitgliedstaaten die Vorgaben der verschärften Hafenstaatkontrollrichtlinie umsetzen654; die Gemeinschaft selbst verfügt bekanntlich weder rechtlich (Subsidiaritätsprinzip!) noch tatsächlich über die Mittel, Hafenstaatkontrollen durchzuführen655. Dafür kommt erneut ihrer Kontrollfunktion besondere Bedeutung zu656.
ments of the Memorandum [of Understanding on Port State Control] binding and uniform“. – In Anhang II zu KOM(2002) 681 endg., Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat zur Erhöhung der Sicherheit im Seeverkehr nach dem Untergang des Öltankschiffs „Prestige“, 3. Dezember 2002, hat die Kommission eine vorläufige Liste von Schiffen aufgestellt, die europäische Häfen nicht mehr anlaufen dürfen. Dass ein Küstenstaat kraft seiner Souveränität den Zugang zu seinen Häfen regeln darf, hat bereits der IGH unterstrichen; siehe Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. USA), ICJ Reports 1986, 13, 111. 651 Siehe o. Zweiter Teil, Kapitel 2, I. 1. a) („Das Problem der Nichtbegünstigungsklausel“) mit Fn. 286. 652 OECD (Hrsg.), The Cost to Users of Substandard Shipping, Prepared for the OECD Maritime Transport Committee, 2001, S. 17. 653 Legendär der Fall der im November 1999 in Finnland festgehaltenen, zwischenzeitlich abgewrackten Red Stone – im Februar 2000 auf der Homepage der Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle (www.parismou.org) zum „Rustbucket of the month“ gewählt; F.A.Z. v. 14. 3. 2000, S. T1. 654 Das zeigt einmal mehr der Fall des am 19. November 2002 vor der galicischen Küste entzwei gebrochenen Öltankers Prestige. Zu dem Unglück und seinen Ursachen siehe F.A.Z. v. 18. 11. 2002, S. 9; S.Z. v. 20. 11. 2002, S. 2. 655 Salvarani (Fn. 304), S. 231; Graf Vitzthum (Fn. 304), S. 177 f. Siehe auch o. II. 3. zum Bestandsschutz. 656 Erbguth/Jenisch/Herma/Keller (Fn. 625), S. 44, verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass die Kommission plant, (das von der Erika-Katastrophe betroffene!) Frankreich und Irland vor dem EuGH zu verklagen, weil sie angeblich die vorgeschriebenen Kontrollen von 25% aller einlaufenden Schiffe nicht erfüllt haben. Siehe zum ganzen auch F.A.Z. v. 7. 12. 2002, S. 1.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
Allerdings verfügen auch die Mitgliedstaaten selbst nicht über die Mittel und das technische Know-How, die Vorgaben der Hafenstaatkontrollrichtlinie umzusetzen. Aus diesem Grunde werden private Klassifikationsgesellschaften mit der technischen Kontrolle der Schiffe beauftragt. Indem diese dem TÜV verwandten Gesellschaften die unter ihrer Aufsicht stehenden Schiffe durch regelmäßige Untersuchungen und entsprechende Zeugnisse klassifizieren, stellen sie Versicherern (P&I Clubs) und Kunden die erforderlichen Informationen über die Sicherheit der Schiffe zur Verfügung657. Dieses Outsourcing birgt allerdings die Gefahr, dass die Klassifikationsgesellschaften, die untereinander in Wettbewerb stehen und insofern wie die Schiffsbetreiber letztlich dem Wirtschaftssektor zurechnen, aus ökonomischen Gründen ihrerseits niedrige Qualitätsstandards an Schiffsüberprüfungen anlegen. Die Gemeinschaft trägt dem mit der nunmehr verschärften Klassifikationsgesellschaftenrichtlinie Rechnung; dabei geht es, vereinfachend gesprochen, um die Kontrolle der Kontrolleure. Hiernach bedürfen neue Klassifikationsgesellschaften der Anerkennung durch die Kommission658; (auch) bereits anerkannten Gesellschaften muss die Anerkennung entzogen werden, soweit sie die im Anhang der Richtlinie enthaltenen Kriterien nicht mehr erfüllen oder unzureichende Leistungsnachweise erbringen, Art. 9 Abs. 1 i.V. m. Art. 4 Abs. 5 Klassifikationsgesellschaftenrichtlinie659. Verliert eine Klassifikationsgesellschaft ihre Anerkennung, wird dies in aller Regel ihr faktisches Aus bedeuten. Daneben haften die Klassifikationsgesellschaften für den Verlust oder die Beschädigung von Sachen bzw. den Tod oder die Verletzung von Menschen nunmehr unbegrenzt, soweit der Schaden von ihnen bzw. der in ihrem Auftrag handelnden Personen vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde660. Dass sich auch die verschärfte Richtlinie bei alledem an den Vorgaben der IMO orientiert, verdeutlicht zum einen Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie, wonach „die Mitgliedstaaten [. . .] im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen des Anhangs und der Anlage der IMO-Entschließung A.847(20) über Leitlinien zur
657
Dazu Vorbach, ODIL 32 (2001), S. 27 (31 f.). Vgl. Art. 4 Abs. 1 Klassifikationsgesellschaftenrichtlinie. 659 Die in Art. 9 Klassifikationsgesellschaftenrichtlinie genannten Leistungsnachweise stützen sich auf die Daten der Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle bzw. ähnliche Regelungen (etwa die eng mit der Pariser Vereinbarung verbundene Hafenstaatkontrollrichtlinie) sowie die von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 12 Klassifikationsgesellschaftenrichtlinie zu meldenden Fälle, in denen eine Klassifikationsgesellschaft „gültige Zeugnisse für ein Schiff ausgestellt hat, das die einschlägigen Vorschriften der internationalen Übereinkommen nicht erfüllt“. 660 Vgl. Art. 6 Abs. 2 lit. b i) Klassifikationsgesellschaftenrichtlinie. 658
Kap. 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht
411
Unterstützung der Flaggenstaaten bei der Anwendung der IMO-Instrumente [handeln]“.661
Zum anderen benennt Art. 6 Abs. 2 lit. a Klassifikationsgesellschaftenrichtlinie die Bestimmungen des Anhangs II der IMO Resolution A.739(18)662 als Mindeststandard für die Aufgaben und Funktionen der Klassifikationsgesellschaften. Auch in der Praxis hat sich im Zuge der Erika-Katastrophe in Sachen Schiffsklassifizierung einiges getan. So haben die zehn größten Klassifikationsgesellschaften der Welt mit einem Marktanteil von 95% den Betreibern von Substandard-Schiffen den Kampf angesagt, nachdem das American Bureau of Shipping, der mächtige Schiffs-TÜV der USA, mit dem Austritt aus dem Dachverband jener Gesellschaften663 und dem Zusammenschluss mit anderen, in Sicherheitsfragen kompromissloseren Klassen gedroht hat664.
2. Entsorgung von Schiffsabfällen in Häfen Dem Problem der wilden Verklappung von Schiffsabfällen665 ist die Gemeinschaft in mittelbarer Weise666 mit der Richtlinie 2000/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2000 über Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsabfälle und Ladungsrückstände (Richtlinie über Hafenauffanganlagen)667 begegnet. Nach dieser Richtlinie, die in kompetenzrechtlicher Hinsicht zu Recht auf Art. 80 Abs. 2 EGV gestützt wurde668, 661 Siehe auch Art. 15 Abs. 1 Klassifikationsgesellschaftenrichtlinie: „Die anerkannten Organisationen konsultieren einander regelmäßig, um die Gleichwertigkeit ihrer technischen Normen und deren Durchführung im Sinne der Bestimmungen der IMO-Entschließung A.847(20) über Leitlinien zur Unterstützung der Flaggenstaaten bei der Anwendung der IMO-Instrumente zu gewährleisten. [. . .]“. 662 IMO Doc. A 18/Res.739, Resolution A.739(18), Guidelines for the Authorization of Recognized Organizations Acting on Behalf of the Administration, 4 November 1993. 663 International Association of Classification Societies (IACS). Die in diesem Dachverband zusammengeschlossenen Klassifikationsgesellschaften führen für mehr als 100 IMO-Mitgliedstaaten Schiffskontrollen durch. 664 F.A.Z. v. 14. 3. 2000. S. T1. Ironischerweise hatte das American Bureau of Shipping die am 19. November 2002 untergegangene Prestige klassifiziert; F.A.Z. v. 21. 11. 2002, S. 9; S.Z. v. 20. 11. 2002, S. 2. 665 Zur faktischen Lage siehe o. Erster Teil, Kapitel 3, II. 2. 666 Die Gemeinschaft plant, das Problem der wilden Verklappung nunmehr auch unmittelbar, d. h. in strafrechtlicher Hinsicht, anzugehen. Vgl. KOM(2003)92 endg., Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen, einschließlich strafrechtlicher Sanktionen, für Verschmutzungsdelikte, 5. März 2003, S. 4 ff. 667 ABl. EG 2000, Nr. L 332, S. 81 ff. 668 Vgl. Lechner, Die Seehäfen im Recht der EU, 1997, S. 21 f.; Ipsen (Fn. 53), S. 204.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
besteht in den meisten mitgliedstaatlichen Häfen669 ein Anschluss- und Benutzungszwang für Hafenauffangeinrichtungen670. Die Mitgliedstaaten sind zur Bereitstellung von Hafenauffangeinrichtungen verpflichtet, die den Bedürfnissen der Schiffe genügen müssen, die den Hafen „normalerweise“ anlaufen671. Mit Ausnahme von Staatsschiffen müssen alle Schiffe ihre Ladungsrückstände672 in Übereinstimmung mit den diesbezüglich einschlägigen MARPOL-Bestimmungen in einer Hafenauffangeinrichtung entladen, Art. 10 der Richtlinie über Hafenauffanganlagen. Vor dem erneuten Auslaufen sind an gleicher Stelle sodann grundsätzlich alle Schiffsabfälle673 zu entladen, Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie über Hafenauffanganlagen; eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn das Schiff über „genügend spezifische Lagerkapazität für alle angefallenen und während der beabsichtigten Fahrt des Schiffes bis zum Entladehafen anfallenden Schiffsabfälle“ (Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie über Hafenauffanganlagen) verfügt. Die Durchsetzung des Benutzungszwanges richtet sich nach den Bestimmungen der Hafenstaatkontrollrichtlinie, weshalb mindestens 25% der sich im Hafen befindlichen Schiffe zu kontrollieren sind674. Kommt die zuständige mitgliedstaatliche Behörde zu dem Ergebnis, dass ein Schiff dem Benutzungszwang nicht oder nicht vollständig genügt, muss sie das Schiff am Auslaufen hindern, bis es seine Schiffsabfälle und Ladungsrückstände ordnungsgemäß in einer Hafenauffangeinrichtung entladen hat675. Ist ein Schiff ausgelaufen, ohne den Anforderungen der Art. 7 und 10 der Richtlinie über Hafenauffanganlagen entsprochen zu haben, ist umgehend die für den nächsten Anlaufhafen zuständige Behörde zu informieren, Art. 11 Abs. 2 lit. d der Richtlinie über Hafenauffanganlagen.
669 Vgl. Art. 3 lit. b der Richtlinie über Hafenauffanganlagen: „[Diese Richtlinie gilt für] alle Häfen der Mitgliedstaaten, die normalerweise von in den Anwendungsbereich von Buchstabe a) fallenden Schiffen angelaufen werden“ (Hervorhebung vom Verf.). 670 Zur Entwicklung auf universeller Ebene siehe Abecassis, Oil Pollution from Ships, 1978, S. 20–22. 671 Vgl. Art. 4 Abs. 1, 2 der Richtlinie über Hafenauffanganlagen. 672 Ladungsrückstände sind „die nach Abschluss der Lösch- und Reinigungsverfahren an Bord in Laderäumen oder Tanks befindlichen Reste von Ladungen sowie die beim Laden oder Löschen verursachten Überreste und Überläufe“ (Art. 2 lit. d der Richtlinie über Hafenauffanganlagen). 673 Gemäß Art. 2 lit. c der Richtlinie über Hafenauffanganlagen sind Schiffsabfälle „alle Abfälle, einschließlich Abwasser, sowie Rückstände außer Ladungsrückständen, die während des Schiffsbetriebs anfallen und in den Geltungsbereich der Anlagen I, IV und V MARPOL 73/78 fallen, sowie ladungsbedingte Abfälle gemäß den Durchführungsleitlinien der Anlage V von MARPOL 73/78“. Obwohl die Gemeinschaft nicht Vertragspartei von MARPOL ist (und nicht sein kann), hat sie insofern die hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie einschlägigen Vorgaben des Übereinkommens vergemeinschaftet. 674 Vgl. Art. 11 Abs. 2 lit. b der Richtlinie über Hafenauffanganlagen. 675 Vgl. Art. 11 Abs. 2 lit. c der Richtlinie über Hafenauffanganlagen.
Kap. 3: Meeresschutzbezogenes Sekundärrecht
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Bei alledem trägt die Richtlinie dem Umstand, dass die Kapitäne angesichts der mitunter hohen Entsorgungskosten oftmals wilde Verklappung auf See ordnungsgemäßer Abfallentsorgung in den Häfen vorziehen, dadurch Rechnung, dass die Schiffe, die einen Hafen der Gemeinschaft anlaufen, gemäß Art. 8 Abs. 2 lit. a der Richtlinie über Hafenauffanganlagen unabhängig von der tatsächlichen Nutzung der Hafenauffanganlagen einen wesentlichen Beitrag zu den Kosten für die Auffangeinrichtungen leisten müssen. Eingedenk der wirtschaftlichen Bedeutung der Gemeinschaftshäfen für die internationale Seeschifffahrt dürfte diese das Verursacherprinzip umsetzende676 Kostenverteilung eine effektive Bekämpfung der wilden Verklappung ermöglichen. So wird kein Reeder seine Kapitäne auffordern, die Häfen der Gemeinschaft zu meiden, um Hafengebühren zu sparen, schnitte er sich andernfalls doch vom wirtschaftlich so lukrativen Zugang zum Binnenmarkt EG ab. Gleichwohl begegnet die Richtlinie über Hafenauffanganlagen rechtlichen Bedenken, namentlich mit Blick auf die gemäß Art. 6 bestehenden Meldepflichten. Die Richtlinie, die unmittelbar nach dem Untergang der Erika am 28. Dezember 2000 in Kraft getreten ist677, statuiert in Abs. 1 der Norm die Pflicht des Kapitäns eines Schiffes, „das kein Fischereifahrzeug oder Sportboot mit einer Zulassung für bis zu zwölf Passagiere ist und einen Gemeinschaftshafen anlaufen möchte, [. . .] das in An-
676
Ein Beispiel für die von Art. 6 EGV geforderte Berücksichtigung der Belange des Umweltschutzes bei der Festlegung einer anderen Gemeinschaftspolitik (Verkehr). Vgl. auch den 14. Erwägungsgrund der Richtlinie über Hafenauffanganlagen: „Nach dem Verursacherprinzip sollten die Kosten von Hafenauffangeinrichtungen, einschließlich der Behandlung und Entsorgung der Schiffsabfälle, von den Schiffen getragen werden. Im Interesse des Umweltschutzes sollte das Gebührensystem einen Anreiz dafür bieten, die Schiffsabfälle in den Häfen zu entladen und nicht auf See einzubringen. Dies lässt sich erleichtern, indem vorgesehen wird, dass alle Schiffe einen Beitrag zu den Kosten der Bewirtschaftung von Schiffsabfällen leisten, um so den wirtschaftlichen Anreiz eines Einbringens auf See zu verringern. [. . .].“ – Zum Verursacherprinzip siehe o. Kapitel 2, I. 1. b). Der nach diesem Prinzip einzuhaltenden Verhältnismäßigkeit der Kostenverteilung wird unter anderem dadurch entsprochen, dass die Gebühren differenziert gestaltet (vgl. Art. 8 Abs. 2 lit. a) bzw. (für besonders umweltgerecht konstruierte Schiffe) gesenkt werden können (lit. c). Zudem wird der Kostenanteil, der nicht von der erhobenen Hafengebühr gedeckt wird, auf Grundlage der tatsächlichen Menge der entladenen Schiffsabfälle berechnet (lit. b). Schließlich müssen die Gebühren „frei, transparent und nichtdiskriminierend“ (Abs. 3) sein. 677 Vgl. Art. 18 der Richtlinie über Hafenauffanganlagen. Soweit Erbguth/Jenisch/Herma/Keller (Fn. 625), S. 52, geltend machen, die Richtlinie trete zum Jahresende 2002 in Kraft, dürfte es sich um ein Versehen handeln: Gemäß Art. 16 Abs. 1 ist die Richtlinie vor dem 28. Dezember 2002 von den Mitgliedstaaten umzusetzen.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
hang II enthaltene Formular wahrheitsgetreu und genau aus[zufüllen] und [. . .] diese Angaben der von dem Hafenmitgliedstaat benannten Behörde oder Stelle a) mindestens 24 Stunden vor der Ankunft, sofern der Anlaufhafen bekannt ist, oder b) sobald der Anlaufhafen bekannt ist, falls diese Information weniger als 24 Stunden vor der Ankunft vorliegt, oder c) spätestens beim Auslaufen aus dem zuletzt angelaufenen Hafen, falls die Fahrtdauer weniger als 24 Stunden beträgt, [zu übermitteln]. [. . .]“.
Im Unterschied zur Überwachungsrichtlinie wurde die sich auch auf Drittlandschiffe beziehende Meldepflicht nach Art. 6 der Richtlinie über Hafenauffanganlagen nicht auf den Betreiber und den Agenten des Schiffes ausgeweitet, weshalb ein Abstellen auf die der Jurisdiktion des Hafenstaates unterliegende Person nicht in Betracht kommt. Eine völkerrechtskonforme Auslegung von Art. 6 der Richtlinie über Hafenauffanganlagen scheitert am insoweit eindeutigen Wortlaut der Bestimmung. Unterdessen ist zu berücksichtigen, dass den Normen des Gemeinschaftsrechts nach Möglichkeit zu voller Sinnentfaltung, also zu größtmöglicher Wirkung und Effektivität, zu verhelfen ist (effet utile)678. So sei nur an die Judikatur des EuGH zur Geltungsvermutung sekundärrechtlicher Maßnahmen erinnert679. Gemäß Art. 1 ist Ziel der Richtlinie über Hafenauffanganlagen, den Meeresumweltschutz zu stärken. Dieses Ziel kann zwar nicht im selben Maße, immerhin aber doch auch ohne die streitgegenständliche Meldepflicht erreicht werden. Bezogen auf den vorliegenden Fall spricht jenes Gebot daher für eine geltungserhaltende Reduktion der Richtlinie über Hafenauffanganlagen, mit der Folge, dass Art. 6 gegenüber Drittlandschiffen – je nachdem, ob diese sich bereits in den mitgliedstaatlichen Aquitorien befinden oder nicht – nicht anwendbar ist. Die übrigen Bestimmungen der Richtlinie werden davon nicht berührt. Eine solche Reduktion erschiene nur dann unzulässig, wenn die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen der Gemeinschaftsrechtsordnung – Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten; Subsidiarität; Diskriminierungsverbot usw. – betroffen wären. Allein das ist nicht der Fall. Vielmehr gebietet auch das Primärrecht, namentlich Art. 174 Abs. 2 EGV, wonach die Umweltpolitik der Gemeinschaft auf ein hohes Schutzniveau abzielt680, i.V.m. Art. 6 EGV, der die Berücksichtigung der Belange des Umweltschutzes auch im Rahmen der gemeinschaftlichen Schifffahrtspolitik verlangt, eine geltungserhaltende Reduktion. Dass sich die Richtlinie allgemein um die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht bemüht, unterstreicht im Übrigen der 8. Erwägungsgrund681. Mithin ist die Meldepflicht des Art. 6 der Richtlinie 678 Siehe nur Oppermann (Fn. 24), S. 256, Rn. 686; Ipsen (Fn. 33), S. 199 f., Rn. 30; Huber (Fn. 24), S. 158, Rn. 5, jeweils m. w. N. zur Judikatur des EuGH. 679 Siehe o. Fn. 79. 680 Vgl. auch den 1. Erwägungsgrund der Richtlinie über Hafenauffanganlagen.
Kap. 4: Nach außen gerichtetes Gemeinschaftshandeln über See
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über Hafenauffanganlagen nur gegenüber Schiffen der EG-Mitgliedstaaten sowie gegenüber Drittlandschiffen anwendbar, hinsichtlich derer die Vorgaben von Art. 6 Abs. 1 erst zu einem Zeitpunkt verwirklicht sind, in dem sich die Schiffe bereits innerhalb des Aquitoriums eines Mitgliedstaats befinden. Kapitel 4
Formelle und institutionelle Probleme des nach außen gerichteten Gemeinschaftshandels über See In den vorstehenden Kapiteln wurde gezeigt, dass die Gemeinschaft kompetenzrechtlich über ein beachtliches meeresschutzbezogenes Potential verfügt, dieses Potential freilich nur bedingt ausgeschöpft hat. Auf dem Gebiet des Artenschutzes liegen die Probleme vor allem auf Seiten der umsetzungsfaulen Mitgliedstaaten, auf dem der Bestandserhaltung ist es nicht zuletzt die Gemeinschaft selbst, die sich außerordentlich janusköpfig verhält. Immerhin konnte anhand einzelner Aspekte verdeutlicht werden, dass die EG kraft ihrer Supranationalität und ihres wirtschaftlichen Gewichts der Durchsetzungsschwäche des Umweltvölkerrechts im regionalen Rahmen wirksam entgegentreten kann. Voraussetzung dafür ist, dass die einschlägigen völkerrechtlichen Bestimmungen innergemeinschaftlich tatsächlich angewendet und durchgesetzt werden. Diesbezüglich bestehen, wie gezeigt, vor allem im Bereich des Meeresumweltschutzes Defizite. Dort hat sich die EG vielfach ihrer Verantwortung entzogen, indem sie den Weg völkerrechtlicher Verpflichtung gegangen, anschließend dann aber untätig geblieben ist. Insofern ist trotz des Dazwischentretens der Gemeinschaft manches beim Alten geblieben. Dennoch gilt: Kompetenzrechtliches Können ist die Voraussetzung für vergemeinschaftendes Handeln, zumal sich mit dem Erlass der Wasserrahmenrichtlinie und der FFH-Richtlinie ein grundsätzlicher Wandel anzubahnen scheint – diese Maßnahmen regeln das ihnen zu Grunde liegende Sachgebiet nicht nur sektoriell, sondern umfassend, und sie nehmen zum Teil ausdrücklich auf die einschlägigen völkerrechtlichen Schutzabkommen Bezug. Mit Blick auf die primärrechtliche Ebene wurde des weiteren deutlich, dass sich der EG-Vertrag sowohl im konkret umweltbezogenen Titel XIX wie auch an anderer Stelle dem einschlägigen Völkerrecht öffnet und es partiell in die Gemeinschaftsrechtsordnung aufnimmt. Es bestehen Wechselwirkungen zwischen dem an sich autonomen Europarecht und dem Völker681 „Die Vereinbarkeit mit bestehenden regionalen Übereinkünften, wie dem Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets von 1974/ 1992, sollte sichergestellt werden.“
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
recht. Diese Wechselwirkungen sind vor allem auf die Beteiligung der Gemeinschaft an umweltvölkerrechtlichen Schutzübereinkommen und internationalen Organisationen zurückzuführen. Der insofern nicht nur materielle, sondern auch formelle und institutionelle Zusammenhang zwischen dem Zweiten und dem Dritten Teil vorliegender Untersuchung wird im abschließenden Kapitel untersucht, das sich, ganz im Sinne eines Bindeglieds zwischen dem europarechtlichen und dem völkerrechtlichen Meeresschutz, der Beteiligung der Gemeinschaft an meeresschutzbezogenen Übereinkommen und internationalen Organisationen widmet. I. Die Gemeinschaft als Partei meeresschutzbezogener Übereinkommen 1. Überblick Die Gemeinschaft ist Vertragspartei der folgenden (auch) meeresschutzbezogenen multilateralen Übereinkommen682: • Übereinkommen zur Errichtung der Allgemeinen Kommission für die Fischerei im Mittelmeer vom 24. September 1949683 • Internationale Konvention zur Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik vom 14. Mai 1966 (ICCAT-Konvention)684 • Konvention vom 13. September 1973 über die Fischerei und den Schutz der lebenden Ressourcen in der Ostsee und den Belten685 • Übereinkommen zum Schutz des Mittelmeers vor Verschmutzung vom 16. Februar 1976686 • Übereinkommen über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordwestatlantik vom 24. Oktober 1978687 • Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume vom 19. September 1979688 682
Protokolle und Anlagen werden nicht separat aufgeführt. ABl. EG 1998, Nr. L 190, S. 36 ff.; von der EG abgeschlossen mit Beschluss 98/416/EG vom 16. Juni 1998: ABl. EG 1998, Nr. L 190, S. 34 f. 684 673 UNTS 63 ff., von der EG abgeschlossen mit Beschluss 86/238/EWG vom 9. Juni 1986: ABl. EG 1986, Nr. L 162, S. 33. 685 BGBl. 1976 II, S. 1542 ff.; seitens der EG abgeschlossen mit Beschluss 83/ 414/EWG vom 25. Juli 1983: ABl. EG 1983, Nr. L 237, S. 4. 686 ILM 15 (1976), 290 ff.; von der EG abgeschlossen mit Beschluss 77/585/ EWG vom 25. Juli 1977: ABl. EG 1977, Nr. L 240, S. 1 f. 687 1135 UNTS 369 ff., von der EG abgeschlossen mit Verordnung (EWG) Nr. 3179/78 des Rates vom 28. Dezember 1978: ABl. EG 1978, Nr. 378, S. 1. 688 BGBl. 1984 II, S. 618 ff.; von der EG abgeschlossen mit Beschluss 82/72/ EWG vom 3. Dezember 1981: ABl. EG 1992, Nr. L 38, S. 1 f. 683
Kap. 4: Nach außen gerichtetes Gemeinschaftshandeln über See
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• Übereinkommen über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis vom 20. Mai 1980689 • Übereinkommen über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordostatlantik vom 18. November 1980 (NEAFC-Ü)690 • Übereinkommen zur Lachserhaltung im Nordatlantik vom 2. März 1982 (NASCO-Ü)691 • Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (SRÜ)692 • Übereinkommen über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Verschmutzung der Nordsee durch Öl und andere Schadstoffe vom 13. September 1983693 • Übereinkommen über die Zusammenarbeit beim Schutz der Küsten und Gewässer des Nordostatlantiks vor Verschmutzung vom 17. Oktober 1990694 • Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes vom 9. April 1992 (Helsinki-Ü)695 • Übereinkommen über die biologische Vielfalt vom 5. Juni 1992 (Rio-Ü)696 • Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks vom 22. September 1992 (OSPAR-Ü)697 • Übereinkommen zur Förderung der Einhaltung internationaler Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen auf Hoher See vom 23. November 1993698 • Übereinkommen zur Durchführung des Teiles XI des Seerechts-Übereinkommens der Vereinten Nationen 10. Dezember 1982 vom 28. Juli 1994 (DÜ)699
689 BGBl. 1982 II, S. 420 ff.; von der EG abgeschlossen mit Beschluss 81/691/ EWG vom 4. September 1981: ABl. EG 1981, Nr. L 252, S. 26. 690 ABl. EG 1981, Nr. L 227, S. 22 ff.; von der EG abgeschlossen mit Beschluss 81/608/EWG vom 13. Juli 1981: ABl. EG 1981, Nr. L 227, S. 21. 691 ABl. EG 1982, Nr. L 378, S. 25 ff.; von der EG abgeschlossen mit Beschluss 82/886/EWG vom 13. Dezember 1982: ABl. EG 1982, Nr. L 378, S. 24. 692 BGBl. 1994 II, S. 1799 ff.; von der EG abgeschlossen mit Beschluss 98/392/ EG vom 23. März 1998: ABl. EG 1998, Nr. L 179, S. 1 f. 693 BGBl. 1990 II, S. 71 ff.; von der EG abgeschlossen mit Beschluss 84/358/ EWG vom 28. Juni 1984: ABl. EG 1984, Nr. L 188, S. 7 f. 694 ILM 30 (1991), 1231 ff.; seitens der EG abgeschlossen mit Beschluss 93/550/ EWG vom 20. Oktober 1993: ABl. EG 1993, Nr. L 267, S. 20 f. 695 BGBl. 1994 II, S. 1397 ff.; seitens der EG abgeschlossen mit Beschluss 94/ 157/EG vom 21. Februar 1994: ABl. EG 1994, Nr. L 73, S. 19. 696 BGBl. 1993 II, S. 1742 ff.; seitens der EG abgeschlossen mit Beschluss 93/ 626/EWG vom 25. Oktober 1993: ABl. EG 1993, Nr. L 309, S. 1 f. 697 BGBl. 1994 II, S. 1360 ff., seitens der EG abgeschlossen mit Beschluss 98/ 249/EG vom 7. Oktober 1997: ABl. EG 1998, Nr. L 104, S. 1. 698 ILM 33 (1994), 969 ff.; seitens der EG abgeschlossen mit Beschluss 96/428/ EG vom 25. Juni 1996: ABl. EG 1996, Nr. L 177, S. 24. 699 BGBl. 1994 II, S. 2566 ff.; von der EG abgeschlossen mit Beschluss 98/392/ EG vom 23. März 1998: ABl. EG 1998, Nr. L 179, S. 1 f.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
• Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von Fischbeständen, die sowohl innerhalb als auch außerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszonen vorkommen (gebietsübergreifende Bestände), und von weit wandernden Fischbeständen vom 4. Dezember 1995 (SSA)700 • Übereinkommen zur Einsetzung der Thunfischkommission für den Indischen Ozean701 • Übereinkommen zum internationalen Delphinschutzprogramm vom 15. Mai 1998702 • Übereinkommen über die Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen im Südostatlantik vom 20. April 2001703.
In der Aufzählung wurden die bilateralen, d. h. zwischen der Gemeinschaft und einem Drittstaat geschlossenen Fischereiabkommen nicht berücksichtigt. Diese Abkommen, die in der Regel den unter den Flaggen der Mitgliedstaaten fahrenden Fangschiffen den Zugang zur aWZ des Drittstaates gewähren704, sind mehr nutzungs- denn schutzorientiert und entziehen sich schon angesichts der kaum überschaubaren Anzahl einer systematischen Aufbereitung. Die ökologischen Folgen dieser Abkommen sind freilich kaum zu unterschätzen. So sind einige Fanggründe vor der westafrikanischen Küste von den Fangschiffen der EU-Flotte in einem Ausmaß befischt worden, dass sich die dort lebenden Bestände zwischenzeitlich am Rande ihrer Ausrottung befinden. Während der europäische Fischbedarf insofern künstlich gedeckt wird, bleibt für die heimischen Fischer nicht genug übrig – den ohnehin schon wirtschaftlich schwachen Küstenregionen in Afrika droht weitere Verarmung. Der WWF hat deshalb einen Leitfaden für den Abschluss nachhaltiger Fischereiabkommen vorgelegt705. Soweit sich weitere multilaterale Verträge dem Schutz des Nordostatlantiks widmen, darunter etwa sämtliche IMO-Konventionen, die Londoner Dumping-Konvention, das IWÜ und das ACCOBAMS, fehlt es an einer vollumfänglichen EG-Beteiligung706. Mit Blick auf die IMO-Konventionen, 700 BGBl. 2000 II, S. 1023 ff.; von der EG abgeschlossen mit Beschluss 98/414/ EG vom 8. Juni 1998: ABl. EG 1998, Nr. L 189, S. 14 f. 701 Ohne Datum, ABl. EG 1995, Nr. L 236, S. 25 ff.; von der EG abgeschlossen mit Beschluss 95/399/EG vom 18. September 1995: ABl. EG 1995, Nr. L 236, S. 24. 702 ABl. EG 1999, Nr. L 132, S. 3 ff.; von der EG abgeschlossen mit Beschluss 99/337/EG vom 26. April 1999: ABl. EG 1999, Nr. L 132, S. 1 f. 703 ABl. EG 2002, Nr. L 234, S. 40 ff., von der EG abgeschlossen mit Beschluss 2002/738/EG vom 22. Juli 2002: ABl. EG 2002, Nr. L 234, S. 39. 704 Siehe schon oben Einführung, Fn. 19. 705 Vgl. Martin/Lodge/Caddy/Mfodwo, A Handbook for Negotiating Fishing Access Agreements, 2001. 706 Zum Sonderfall SSA siehe oben Zweiter Teil, Fn. 377.
Kap. 4: Nach außen gerichtetes Gemeinschaftshandeln über See
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das IWÜ und die Londoner Dumping-Konvention (vgl. Art. XVIII) einschließlich des Protokolls (vgl. Art. 24) ist festzustellen, dass diese Verträge einer Beteiligung der Gemeinschaft nicht offenstehen, weil nur Staaten parteifähig sind. Anderes gilt für das ACCOBAMS (vgl. Art. XIII), das auch von internationalen Organisationen abgeschlossen werden kann. Die Gemeinschaft hat es bislang jedoch für vorzugswürdig gehalten, den Schutz von Arten, die sich im freien Meer bewegen und nicht schon vom sekundärrechtlichen Artenschutz erfasst werden, lediglich als Abwägungsposition im Rahmen des Bestandsschutzes (vgl. Art. 6 EGV) zu berücksichtigen707. Konnte und ist die Gemeinschaft einem völkerrechtlichen Übereinkommen beigetreten, hängt die Rechtsstellung der Mitgliedstaaten maßgeblich von der innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung ab. Ist die EG hinsichtlich der gesamten in einem Übereinkommen geregelten Materie ausschließlich zuständig (wie etwa auf dem Gebiet des Bestandsschutzes), ziehen sich die Mitgliedstaaten in der Regel zugunsten der Gemeinschaft zurück708. Gleiches gilt mit Bezug auf die mit solchen Übereinkommen geschaffenen internationalen Organisationen709. Verfügt die Gemeinschaft hingegen nur partiell über ausschließliche Zuständigkeit, wird das jeweilige Übereinkommen als sog. gemischtes Abkommen gemeinsam von den Mitgliedstaaten und der EG abgeschlossen710. So sind sämtliche meeres707
Vgl. KOM(2001), 143 endg., Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Elemente einer Strategie zur Einbeziehung der Erfordernisse des Umweltschutzes in die Gemeinsame Fischereipolitik, 16. März 2001, S. 9. 708 Dass das SSA, obschon ein Bestandserhaltungs- und -bewirtschaftungsübereinkommen, als gemischtes Abkommen ratifiziert werden soll (siehe den 7. Erwägungsgrund des Beschlusses des Rates 98/414/EG vom 8. Juni 1998 [ABl. EG 1998, Nr. L 189, S. 14 f.]), findet seinen Grund allein in den ausschließlichen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten hinsichtlich der die Durchsetzung und Kontrolle behandelnden Bestimmungen des Übereinkommens (vgl. Art. 19–23 SSA); vgl. die im Anhang abgedruckte Erklärung über die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft in Fragen des Übereinkommens zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und weit wandernden Fischbeständen (ABl. EG 1998, Nr. L 189, S. 39 f.), Nr. 7; Rosas, Mixed Union – Mixed Agreements, in: Koskenniemi (Hrsg.), International Law Aspects of the European Union, 1998, S. 125 (130), hält die Beteiligung der Mitgliedstaaten am SSA für überflüssig. 709 So geschehen im Falle der ICCAT. 710 Vgl. Art. 102 EAG. Die allgemeine Zulässigkeit gemischter Abkommen wird heute nicht mehr bestritten. Zu den Typen gemischter Abkommen Schermers, A Typology of Mixed Agreements, in: O’Keeffe/Schermers (Hrsg.), Mixed Agreements, 1983, S. 23 ff.; Rosas (Fn. 708), S. 128–133. Besteht hinsichtlich sämtlicher Bestimmungen eines völkerrechtlichen Vertrags eine konkurrierende Vertragsschlusskompetenz der Gemeinschaft, ist der Abschluss als gemischtes Abkommen nicht erforderlich, siehe o. Fn. 309 sowie die Rechtsauffassung Deutschlands in EuGH, Rs. C-476/98, Kommission/Deutschland, Slg. 2002, I-9855, Rn. 98. Soweit
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
umweltschutz- und artenschutzbezogenen Verträge als gemischte Abkommen geschlossen worden711. Nach Auffassung des EuGH soll allerdings nicht jede noch so geringe Restzuständigkeit der Mitgliedstaaten den Abschluss eines gemischten Abkommens erfordern712. 2. Gemischte Abkommen im Spannungsfeld zwischen Völker- und Europarecht a) Völkerrechtliche Bindung Die mit gemischten Abkommen einhergehenden Probleme lassen sich am Beispiel des SRÜ veranschaulichen. Eine Beteiligung der Gemeinschaft an der Meeresverfassung war und ist erforderlich, weil sie hinsichtlich bestimmter im Übereinkommen normierter Rechte und Pflichten innergemeinschaftlich zuständig ist, die Gemeinschaftskompetenzen sich also mit dem inhaltlichen Geltungsbereich des SRÜ teilweise überlagern713. Völkerrechtlich wurde die Beteiligung durch Art. 305 Abs. 1 lit. f SRÜ i.V. m. Anlage IX SRÜ ermöglicht: Obwohl diese Bestimmung allgemein auf „internationale Organisationen“ verweist, ist sie unmittelbar auf die supranationale EG zugeschnitten714. Europarechtlich ergab sich die Vertragsabschlusskompetenz der Gemeinschaft mangels zentralen primärvertraglichen Anknüpfungspunktes aus der Summe ausdrücklicher und ungeschriebener Außenkompetenzen. Diese Kompetenzsumme erfasst den inhaltlichen Geltungsbereich des SRÜ indes nach wie vor nicht vollständig. Das SRÜ wurde deshalb als gemischtes Übereinkommen abgeschlossen. Nach allgemeinem Völkerrecht dies in der Praxis gleichwohl geschieht, handelt es sich um ein politisches Zugeständnis an die Mitgliedstaaten. Irreführend Granvik, Incomplete Mixed Environmental Agreements of the Community and the Principle of Bindingness, in: Koskenniemi (Fn. 708), S. 255 (259); Hobe/Müller-Sartori (Fn. 306), S. 11, die zudem parallele Zuständigkeiten mit konkurrierenden verwechseln. 711 Siehe etwa den 4. Erwägungsgrund des Beschlusses 98/249/EG des Rates vom 7. Oktober 1997 über den Abschluss des Übereinkommens zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks im Namen der Gemeinschaft (siehe die in Fn. 697 angegebene Fundstelle). 712 EuGH, Gutachten 2/91, Slg. 1993, I-1061, Rn. 34. Allerdings fragt sich, wie dann die Grenze bestimmt werden soll, ab welcher der Abschluss eines gemischten Abkommens erforderlich ist. Zum ganzen siehe auch Rosas (Fn. 708), S. 130. 713 Eine Untersuchung der EG-Kompetenzen ratione materiae liefert Ederer, Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen von 1982, 1988, S. 20–72. 714 Ursprünglich sollte Art. 305 Abs. 1 lit. f SRÜ konkret auf die E(W)G verweisen. Sack, EuZWR 5 (1994), S. 673, nennt die Unterzeichnung des SRÜ durch die Gemeinschaft einen „Durchbruch auf diplomatischer Ebene“. Zum ganzen vgl. auch Ederer (Fn. 713), S. 112 ff.
Kap. 4: Nach außen gerichtetes Gemeinschaftshandeln über See
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darf sich eine internationale Organisation an solchen Übereinkommen allerdings nur unter der Voraussetzung beteiligen, dass durch Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in den Vertragstext eine Beschränkung des Verpflichtungsumfanges auf die entsprechenden Kompetenzbereiche herbeigeführt werden kann715. Im Falle des SRÜ ist dies mit Art. 4 Abs. 2 Anlage IX SRÜ geschehen: „Eine internationale Organisation ist in dem Umfang Vertragspartei dieses Übereinkommens, in dem sie in Übereinstimmung mit den in Artikel 5 dieser Anlage genannten Erklärungen, Mitteilungen oder Notifikationen zuständig ist.“
Die Gemeinschaft war deshalb zur Vorlage einer Erklärung verpflichtet, „in der die durch dieses Übereinkommen geregelten Angelegenheiten im Einzelnen aufgeführt sind, für die der Organisation von ihren Mitgliedstaaten, die Vertragsstaaten sind, Zuständigkeit übertragen worden ist“ (Art. 5 Anlage IX SRÜ).
Die EG ist dieser Verpflichtung nachgekommen und hat eine entsprechende Erklärung abgegeben716, deren Aktualität vor dem Hintergrund der Dynamik der europäischen Integration über eine Vorbehaltsklausel (8. Erwägungsgrund) gewährleistet wird: „Umfang und Ausübung der Gemeinschaftszuständigkeiten unterliegen naturgemäß einer ständigen Entwicklung, und die Gemeinschaft wird diese Erklärung daher bei Bedarf nach Artikel 5 Absatz 4 der Anlage IX des Übereinkommens ergänzen oder ändern.“
Völkerrechtlich ist die Gemeinschaft mithin nur insoweit an die Bestimmungen des SRÜ gebunden, als sie die einschlägigen Bereiche in ihrer Erklärung ausdrücklich717 benannt hat718. Fehlt es im Rahmen eines multilate715 Dauses (Fn. 311), S. 149; Vedder (Fn. 184), Rn. 19. Gemäß Art. 46 Abs. 2 WVKIO entfällt die Bindung einer internationalen Organisation an einen völkerrechtlichen Vertrag grundsätzlich nicht schon deshalb, weil die Organisation mit dem Vertragsabschluss ihre Außenkompetenzen überschritten hat. Insoweit kritisch (und für den Primat der ultra vires-Regel) Arnold, AVR 19 (1980/81), S. 419 (433– 436). 716 Erklärung zur Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft für die durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1992 und das Übereinkommen vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens geregelten Angelegenheiten (Erklärung nach Artikel 5 Absatz 1 der Anlage IX des Übereinkommens und Artikel 4 Absatz 4 des Durchführungsübereinkommens): ABl. EG 1998, Nr. L 179, S. 129 f. Die Erklärung ist im Anhang abgedruckt. – Dass die Abgabe einer solchen Erklärung für die Wirksamkeit der Beteiligung nicht erforderlich ist, soweit das betreffende Übereinkommen dies nicht ausdrücklich verlangt, betont zu Recht der EuGH: Beschluss 1/78, Slg. 1978, 2151, Rn. 35. 717 Wegen Art. 46 Abs. 2 WVKIO (Offenkundigkeit!) dürfte die Annahme einer stillschweigenden Differenzierung zwischen den Vertragspartnern nur ausnahmsweise in Betracht kommen. 718 A. A. Stein (Fn. 263), 98–102; offenbar auch Wolfrum (Fn. 87), S. 319.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
ralen gemischten Abkommens hingegen an einer entsprechenden Erklärung, werden Gemeinschaft und Mitgliedstaaten jeweils an den gesamten Inhalt des Abkommens gebunden719. b) Gemeinschaftsrechtliche Bindung Von der völkerrechtlichen Bindung ist die Frage nach der innergemeinschaftlichen Bindung streng zu unterscheiden720. Diesbezüglich ist Art. 300 Abs. 7 EGV einschlägig, wonach „die nach Maßgabe dieses Artikels geschlossenen Abkommen [. . .] für die Organe der Gemeinschaft und für die Mitgliedstaaten verbindlich [sind].“
Es wurde bereits betont, dass dieser Norm721 entnommen werden kann, dass die von der Gemeinschaft geschlossenen Übereinkommen im Rang über dem Sekundärrecht stehen, dem primären Gemeinschaftsrecht allerdings nachgehen722. Dass Art. 300 Abs. 7 EGV grundsätzlich auch auf gemischte Abkommen anwendbar ist, lässt sich angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts der Bestimmung nicht bestreiten. Damit ist indes noch nichts über die Reichweite der innergemeinschaftlichen Bindung im Falle gemischter Abkommen (und damit über ihren Rang) gesagt. So fragt sich zum einen, ob gemischte Abkommen, die nicht von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurden, gleichwohl innergemeinschaftlich allgemeine Bindungswirkung entfalten, der pacta tertiis-Grundsatz im Rahmen der autonomen Gemeinschaftsrechtsordnung insofern relativiert wird. Zum anderen bedarf der Klärung, ob Art. 300 Abs. 7 EGV hinsichtlich aller Bestimmungen eines gemischten Abkommens einschlägig ist, oder ob die Vorschrift ausschließlich diejenigen Normen gemischter Abkommen erfasst, die von den Gemeinschaftskompetenzen getragen werden. Letzteres hätte zur Folge, 719 Bleckmann, EuR 11 (1976), S. 301 (303); Neframi, International Responsibility of the European Community and of the Member States Under Mixed Agreements, in: Cannizzaro (Hrsg.), The European Union as an Actor in International Relations, 2002, S. 193 (198 f.); Gaja, The European Community’s Rights and Obligations under Mixed Agreements, in: O’Keeffe/Schermers (Fn. 710), S. 133 (137); Vedder (Fn. 184), Rn. 22; Oppermann (Fn. 24), S. 738, Rn. 1713. Soweit der EuGH im Beschluss 1/78 (Slg. 1978, 2151, Rn. 32) darauf hinweist, dass sich die Gemeinschaft in dem Umfang, in dem sie zur Beachtung des Übereinkommens verpflichtet sein soll, selbst binden muss, kann dem nichts über den Umfang der völkerrechtlichen Bindung entnommen werden. Der EuGH hat vielmehr lediglich völlig zu Recht festgestellt, dass die Beteiligung der Gemeinschaft an einem Abkommen zwingend erforderlich ist, soweit das Abkommen die Kompetenzen der Gemeinschaft tangiert. 720 Prägnant Arnold (Fn. 715), S. 433. 721 Zu ihrem Charakter schon o. Fn. 456. 722 Siehe die Nachweise in Fn. 448.
Kap. 4: Nach außen gerichtetes Gemeinschaftshandeln über See
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dass sich der innergemeinschaftliche Rang der Normen eines gemischten Abkommens nach der innergemeinschaftlichen Zuständigkeitsverteilung beurteilt, das Abkommen in der Regel also nicht über einheitlichen Rang verfügen wird. Zur Reichweite des Art. 300 Abs. 7 EGV Bei dem Versuch einer Antwort auf diese Fragen ist erneut zu differenzieren: Wo es auf völkerrechtlicher Ebene gelungen ist, die einzelnen Vorschriften des gemischten Abkommens eindeutig den jeweiligen Zuständigkeitssphären von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten zuzuweisen, soll auch auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene jeder nur für seinen Bereich – die Gemeinschaft nach Maßgabe des Art. 300 Abs. 7 EGV, ihre Mitgliedstaaten gemäß den nationalen Vorschriften – an das Abkommen gebunden sein723. In der Regel lassen sich die Kompetenzsphären im Zusammenhang mit den Normen eines bestimmten völkerrechtlichen Vertrags jedoch kaum voneinander abgrenzen724, schon angesichts der Dynamik des Gemeinschaftsrechts nicht. Gemischte Abkommen, hinsichtlich derer eine Trennung der Zuständigkeitsbereiche weder dem Wortlaut nach noch infolge ausdrücklicher Erklärung der Gemeinschaft in Betracht kommt, sind mit Blick auf die Reichweite ihrer innergemeinschaftlichen Bindungswirkung besonders problematisch. Diesbezüglich spricht der Wortlaut von Art. 300 Abs. 7 EGV eher gegen eine Unterscheidung nach Zuständigkeitsbereichen und betroffenen Mitgliedstaaten; dort ist allgemein von „Abkommen“ die Rede, nicht von den „Vorschriften dieser Abkommen“. Gemeinschaft und Mitgliedstaaten werden hinsichtlich der Bindungswirkung außerdem durch die Konjunktion „und“ miteinander verbunden725. Gleichwohl geht die wohl überwiegende Auffassung davon aus, dass Art. 300 Abs. 7 EGV bei gemischten Abkommen nur bezüglich der in die Gemeinschaftskompetenz fallenden Bestimmungen einschlägig ist726. Der Abschluss eines solchen Abkommens dürfe 723
So Vedder (Fn. 184), Rn. 21. Vedder (Fn. 184); Dauses (Fn. 311), S. 151; Gaja (Fn. 719), 135. 725 Wünschmann, Geltung und gerichtliche Geltendmachung völkerrechtlicher Verträge im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2003, S. 81. 726 Oehmichen, Die unmittelbare Anwendbarkeit der völkerrechtlichen Verträge der EG, 1992, S. 100 f.; Hobe/Müller-Sartori (Fn. 306), S. 12; Arnold (Fn. 715), S. 454; Vedder (Fn. 184), Rn. 23; Wünschmann (Fn. 725), S. 76–81; wohl auch Gaja (Fn. 719), S. 137. Anders hingegen Meessen, EuR 15 (1980), S. 36 (43); Krück (Fn. 277), S. 142; Granvik (Fn. 710), S. 264–267. Vgl. auch Lowe, Can the European Community Bind the Member States on Questions of Customary International Law, in: Koskenniemi (Fn. 708), S. 149 (166, Fn. 50), bezüglich der Frage, inwiefern die Mitgliedstaaten an völkerrechtliche Positionen der Gemeinschaft gebunden sind. 724
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
für keine der Seiten zu einem Kompetenzgewinn oder -verlust führen. Der EuGH musste die Frage bislang nicht entscheiden, weil er sich lediglich mit den in die Sphäre der Gemeinschaftszuständigkeiten fallenden Bestimmungen gemischter Abkommen zu beschäftigen hatte727. Zugunsten einer innergemeinschaftlichen Differenzierung nach Kompetenzbereichen wird unter anderem angeführt, dass andernfalls sowohl die mitgliedstaatlichen als auch die gemeinschaftlichen Kompetenzen beeinträchtigt würden. Die Annahme einer rangmäßig unterschiedlichen Wirkung der Bestimmungen gemischter Abkommen ermögliche es, die jeweiligen Kompetenzen randscharf voneinander abzugrenzen728. Dabei wird freilich übersehen, dass Gegenstand von Art. 300 Abs. 7 EGV keine kompetenzrechtlichen Fragestellungen sind. Vielmehr setzt die Bestimmung voraus, dass die betreffenden Abkommen bereits „nach Maßgabe dieses Artikels“ geschlossen, die Zuständigkeiten also bereits wahrgenommen wurden. Soweit andererseits die Vertreter einer Einheitslösung argumentieren, in der Zustimmung der Mitgliedstaaten zum Vertragsschluss durch die Gemeinschaft liege gleichsam eine punktuelle Ermächtigung der Gemeinschaft zum innergemeinschaftlichen Vollzug des gemischten Abkommens, mithin eine auf den Inhalt des Abkommens begrenzte Durchbrechung des EG-Vertrags729, erscheint dies ebensowenig überzeugend: Im Ergebnis führte dies zu einer Kompetenzerweiterung zugunsten der Gemeinschaft, die mit dem Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten nicht vereinbar wäre730.
Den ausschlaggebenden Hinweis hat Pierre Pescatore bereits im Jahre 1962 gegeben731: Dass Art. 300 Abs. 7 EGV hinsichtlich aller Bestimmungen gemischter Abkommen sowie gegenüber allen Mitgliedstaaten (unabhängig davon, ob diese dem gemischten Abkommen beigetreten sind oder nicht) anwendbar ist, folgt aus dem seine Grundlage in Art. 10 EGV findenden Prinzip der Gemeinschaftstreue732. Im Kupferberg-Fall hat der EuGH diesbezüglich ausgeführt, dass „indem die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die Verpflichtungen aus einem von den Gemeinschaftsorganen geschlossenen Abkommen eingehalten werden, erfüllen sie eine Pflicht, die nicht nur dem betroffenen Drittland, sondern auch und vor allem der Gemeinschaft gegenüber besteht, die die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Abkommens übernommen hat. Insoweit bilden die Bestimmungen eines solchen Abkommens [. . .] einen integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung.“733 727
EuGH, Rs. 12/86, Meryem Demirel/Stadt Schwäbisch Gmünd, Slg. 1987, 3719, Rn. 9–12; Rs. C-192/89, S. Z. Sevince/Staatssecretaris Van Justitie, Slg. 1990, I-3461, Rn. 10. 728 So Vedder (Fn. 184), Rn. 23. 729 Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, S. 513, Rn. 1402; ders. (Fn. 719), S. 305; Krück (Fn. 277), S. 142. 730 So zu Recht Wünschmann (Fn. 725), S. 68. 731 (Fn. 302), S. 133. 732 Siehe auch Granvik (Fn. 710), S. 266–268. Zweifelnd Wünschmann (Fn. 725), S. 80 mit Fn. 163.
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Diese Rechtsprechung hat der EuGH implizit auf gemischte Abkommen angewendet, indem er eine Pflicht zu enger Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten auch bei der Durchführung der gemäß Art. 300 Abs. 7 EGV geschlossenen Abkommen annahm734. Würden die Mitgliedstaaten über Art. 300 Abs. 7 EGV innergemeinschaftlich nicht (auch) an diejenigen Bestimmungen gemischter Abkommen gebunden, die der Zuständigkeitssphäre der Gemeinschaft zurechnen, könnten sie die Implementierung der Abkommen unterlaufen735. Dies wäre mit Art. 10 EGV nicht vereinbar. Die Bindung der Mitgliedstaaten an jene Bestimmungen ist insofern mittelbarer Natur, die vorliegende Situation spiegelverkehrt zum Fall gemeinschaftlicher Kompetenzbegrenzungen, die nach hier vertretener Auffassung aus Art. 307 EGV abzuleiten sind736. Die herrschende Auffassung übersieht, dass eine randscharfe (vertikale) Kompetenzabgrenzung schon angesichts des dynamischen Charakters des Europarechts mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. Insofern stünde zu befürchten, dass es im Rahmen gemischter Abkommen, deren Form zum Teil ja gerade aus politischen Gründen, nämlich zur Vermeidung von Kompetenzstreitigkeiten, gewählt wird737, regelmäßig zu Unsicherheiten über die innergemeinschaftliche Kompetenzverteilung käme. Das einheitliche Auftreten der Gemeinschaft nach außen drohte auf diese Weise untergraben zu werden. Handelt es sich dabei zugegebenermaßen um ein rein praktisches Argument738, ist in rechtlicher Hinsicht an das aus Art. 234 EGV fließende Gebot der einheitlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu denken739. Dieses Gebot beansprucht auch im Falle gemischter Abkommen als integrierenden Bestandteilen der Gemeinschaftsrechtsordnung740 Gültigkeit. Es soll verhindern, dass die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts „je nach der Auslegung, die ihnen in den verschiedenen Mitgliedstaaten gegeben wird, unterschiedliche Rechtswirkungen entfalten“741. Letzteres wäre jedoch hinsichtlich der Bestimmungen eines gemischten Abkommens zu befürchten, deren Gegenstände in die konkurrierende Zuständigkeit von 733
Rs. 104/81, Hauptzollamt Mainz/C. A. Kupferberg und Cie KG AA., Slg. 1982, 3641, Rn. 13. 734 EuGH, Beschluss 1/78, Slg. 1978, 2151, Rn. 36; Gutachten 2/91, Slg. 1993, I-1061, Rn. 36; Gutachten 1/94, Slg. 1994, I-5267, Rn. 106–110. 735 Vgl. das Beispiel bei Granvik (Fn. 710), S. 267. 736 Siehe o. Kapitel 3, III. 1. b) („Innergemeinschaftliche Bindung“). 737 Etwa dann, wenn die Gemeinschaft hinsichtlich sämtlicher Vertragsgegenstände konkurrierend zuständig ist. Siehe o. Fn. 710 und Rosas (Fn. 708), S. 131 f. m. w. N. 738 Siehe auch EuGH, Gutachten 1/94, Slg. 1994, I-5267, Rn. 106 f. 739 Vgl. auch Rosas (Fn. 708), S. 140. 740 Siehe EuGH, Rs. 181/73, R. u. V. Haegeman/Belgischer Staat, Slg. 1974, 449, Rn. 2/6. Dem Fall lag ein gemischtes Abkommen zu Grunde.
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Gemeinschaft und Mitgliedstaaten fallen742. Denn diesbezüglich wären theoretisch die Gerichte beider Ebenen zur Auslegung berufen, weil der Abschluss gemischter Abkommen ohne Einfluss auf die innergemeinschaftliche Kompetenzverteilung bleibt, die Gemeinschaft sich mithin nicht auf eine abgeleitete ausschließliche Kompetenz berufen kann743. Wenn aber in den Bereichen konkurrierender Zuständigkeiten – in Bereichen also, bezüglich derer die Mitgliedstaaten aufgrund ihrer originären Regelungsbefugnis tätig werden744 – somit das Auslegungsmonopol des EuGH gelten muss, ist kein Grund ersichtlich, dieses Monopol nicht auf alle Bestimmungen gemischter Abkommen zu erstrecken745. Die herrschende Meinung gefährdet schließlich auch die vom EuGH in ständiger Rechtsprechung746 betonte einheitliche Anwendung des Europarechts. Die Bestimmungen eines völkerrechtlichen Vertrags stehen zueinander in einem engen sachlichen Zusammenhang. Käme es für die hier zu klärenden Fragen darauf an, in wessen Zuständigkeitsbereich die Bestimmungen fielen, hätte dies zur Folge, dass das Abkommen, soweit sein Rang betroffen ist, auseinander bräche747: Während die Normen, die den Gemeinschaftskompetenzen zuzuordnen wären, gemäß Art. 300 Abs. 7 EGV am Vorrang vor dem europäischen Sekundärrecht und den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten (einschließlich der Verfassungen!) teilhätten, wären bezüglich des Ranges der übrigen Normen die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen ausschlaggebend. Auf diese Weise käme es nicht nur in vertikaler Hinsicht zu einer Rangdivergenz, sondern u. U. auch auf der horizontalen, mitgliedstaatlichen Ebene – je nachdem, welchen Rang die mitgliedstaatlichen 741 EuGH, Rs. C-192/89, S. Z. Sevince/Staatssecretaris van Justitie, Slg. 1990, I3461, Rn. 11. Vgl. auch EuGH, Rs. C-89/99, Schieving-Nijstad vof u. a./Robert Groeneveld, Slg. 2001, I-5851, Rn. 54. 742 In diesem Fall für den Primat einheitlicher Auslegung nunmehr auch EuGH, Verb. Rsen. C-300/98 und 392/98, Parfums Christian Dior SA/TUK Consultancy BV und Assco Gerüste GmbH und Rob van Dijk/Wilhelm Layher GmbH & Co. KG und Layher BV, Slg. 2000, I-11307, Rn. 35, 37 f.; Rs. C-53/96, Hermès International/FHT Marketing Choice BV, Slg. 1998, I-3603, Rn. 32. 743 Siehe bereits o. Fn. 309. 744 Schweitzer/Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1999, S. 102, Rn. 344; Huber (Fn. 24), S. 255, Rn. 41. 745 A. A. offenbar EuGH, Verb. Rsen. C-300/98 und 392/98, Parfums Christian Dior SA/TUK Consultancy BV und Assco Gerüste GmbH und Rob van Dijk/Wilhelm Layher GmbH & Co. KG und Layher BV, Slg. 2000, I-11307, Rn. 33. 746 EuGH, Rs. C-192/89, S. Z. Sevince/Staatssecretaris van Justitie, Slg. 1990, I3461, Rn. 11; Rs. 104/81, Hauptzollamt Mainz/C. A. Kupferberg und Cie KG AA., Slg. 1982, 3641, Rn. 14; Verb. Rsen. 267–269/81, Amministrazione del Tesoro dello Stato/Societa Petrolifera Italiana SPA (SPI) und SPA Michelin Italiana (SAMI), Slg. 1983, 801, Rn. 14. 747 Siehe Wünschmann (Fn. 725), S. 79 f., die freilich der hM grundsätzlich zustimmen will (ebd., S. 78). Siehe aber ebd., S. 81.
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Verfassungen völkerrechtlichen Verträgen jeweils einräumen. Deshalb sind die beiden aufgeworfenen Fragen dahingehend zu beantworten, dass das von Art. 300 Abs. 7 EGV statuierte Rangverhältnis gemeinschaftsrechtlich für sämtliche Bestimmungen gemischter Abkommen sowie gegenüber allen EG-Mitgliedstaaten gilt. Ist die innergemeinschaftliche Kompetenzverteilung hingegen nach außen hin offengelegt, besteht auch intern kein Anlass, das betreffende Abkommen als Einheit zu behandeln. Gleiches gilt für den Fall, das Gemeinschaft und Mitgliedstaaten die Implementierung eines gemischten Abkommens per innergemeinschaftlicher Abrede anhand ihrer Zuständigkeitsbereiche aufteilen748. Zur unmittelbaren Anwendbarkeit gemischter Abkommen Bei alledem ist daran zu erinnern, dass der EuGH bei der Überprüfung der Vereinbarkeit einer sekundärrechtlichen Maßnahme mit den Bestimmungen eines Abkommens im Sinne von Art. 300 EGV ohnehin Zurückhaltung gewahrt, die Art. 300 Abs. 7 EGV zu Grunde liegende Aussage über den Rang der Gemeinschaftsabkommen also offenbar einschränkend interpretiert hat749. Soweit in diesem Zusammenhang in der Literatur die Rede davon ist, der EuGH verlange die unmittelbare Wirkung der Normen des in Rede stehenden Abkommens und habe demnach die Auswirkungen von Art. 300 Abs. 7 EGV trotz seiner objektiv-rechtlichen Wirkung mit der Frage verbunden, ob und inwiefern sich Einzelne unmittelbar auf die Bestimmungen eines Abkommens berufen können750, ist dies freilich zumindest missverständlich. Zwar scheint vor allem die ältere Rechtsprechung für die Überprüfung einer sekundärrechtlichen Maßnahme am Maßstab einer vergemeinschafteten völkerrechtlichen Norm in der Tat Individualwirksamkeit im originär gemeinschaftsrechtlichen Sinne vorauszusetzen751. Indes ist darauf hinzuweisen, dass jenen Fällen Vorabentscheidungsverfahren zu Grunde lagen, in denen sich Einzelne auf die Normen der betreffenden Ab748 Siehe Tomuschat, Liability for Mixed Agreements, in: O’Keeffe/Schermers (Fn. 710), S. 125 (130 f.); Granvik (Fn. 710), S. 268. 749 Dazu etwa Bebr, EuR 18 (1983), S. 128 ff.; Pescatore, Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur innergemeinschaftlichen Wirkung völkerrechtlicher Abkommen, in: Bernhardt/Geck/Jaenicke/Steinberger (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung-Internationale Gerichtsbarkeit-Menschenrechte, FS für Mosler, 1983, S. 661 ff. 750 So Bourgeois (Fn. 289), S. 1272; Lenaerts/de Smijter (Fn. 456), S. 108; Vedder (Fn. 184), Rn. 47–52. Siehe auch Herrnfeld in: Schwarze (Fn. 20), Art. 310 EGV, Rn. 18. 751 Siehe etwa EuGH, Verb. Rsen. 21-24/72, International Fruit Company NV u. a./Produktschap voor Groenten en Fruit, Slg. 1972, 1219, Rn. 19/20; Rs. 9/73, Carl Schlüter/Hauptzollamt Lörrach, Slg. 1973, 1135, Rn. 27.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
kommen berufen hatten. Daher mußte der EuGH auf die Individualwirksamkeit der Normen eingehen. In diesem Sinne führte der Gerichtshof im Fall International Fruit Company aus: „Zunächst kann die Unvereinbarkeit einer Gemeinschaftshandlung mit einer Bestimmung des Völkerrechts die Gültigkeit dieser Handlung nur dann beeinträchtigen, wenn die Gemeinschaft an diese Bestimmung gebunden ist. Falls die Ungültigkeit vor einem staatlichen Gericht geltend gemacht wird, ist weiterhin erforderlich, dass diese Bestimmung ein Recht der Gemeinschaftsangehörigen begründen kann, sich vor Gericht auf sie zu berufen. [. . .].“752
Im Fall Nakajima753 hat der EuGH dann klar zwischen der unmittelbaren Anwendbarkeit einerseits und der Überprüfung sekundärrechtlicher Maßnahmen am Maßstab der Normen eines Abkommens im Sinne von Art. 300 EGV andererseits unterschieden754. Vor diesem Hintergrund erscheint eine begriffliche Klarstellung hilfreich. Soweit der EuGH von der unmittelbaren Anwendbarkeit völkerrechtlicher Normen spricht, ist damit in der Regel nicht „unmittelbare Wirkung“ bzw. „Individualwirksamkeit“ im originär gemeinschaftsrechtlichen Sinne (also im Sinne der van Gend-Judikatur755) gemeint, sondern vielmehr der allgemeine Gedanke, dass eine völkerrechtliche Norm zu ihrer tatsächlichen Anwendung durch die Organe eines Hoheitsraumes self-executing, d. h. vollzugsfähig ausgestaltet sein muss756. Zwar betrifft nun auch der self executing-Charakter einer völkerrechtlichen Norm ihre unmittelbare Anwendbarkeit757. Gleichwohl hängt die innerstaatliche Wirkung eines Vertrags von einem nationalen Implementierungsakt ab, demgegenüber das Gemein752 Verb. Rsen. 21-24/72, International Fruit Company NV u. a./Produktschap voor Groenten en Fruit, Slg. 1972, 1219, Rn. 7/9 (Hervorhebung hinzugefügt). 753 EuGH, Rs. C-69/89, Nakajima All Precision Co Ltd./Rat, Slg. 1991, I-2069, Rn. 28 f. 754 Dem Urteil lag freilich insofern eine Sonderkonstellation zu Grunde, als die überprüfte Verordnung unmittelbar zur Erfüllung der aus dem betroffenen Abkommen folgenden Verpflichtungen der Gemeinschaft erlassen wurde. Dass in einem solchen Fall nicht auf die unmittelbare Anwendbarkeit des Abkommens einzugehen ist, bestätigt auch die jüngere Judikatur des EuGH, die ansonsten an jenem Erfordernis festzuhalten scheint; siehe EuGH, Rs. C-280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I4973, Rn. 109, 111; Rs. C-149/96, Portugal/Rat, Slg. 1999, I-8395, Rn. 48 f. 755 Zu den Kriterien der van Gend-Rechtsprechung siehe o. Kapitel 2, I. 1. b) („Bestand gemeinschaftlicher Handlungspflichten“) mit Fn. 137. 756 So zu Recht Neugärtner/Puth, JuS 40 (2000), S. 640 (642). Siehe auch die Einlassung Portugals in der Rs. C-149/96, Rn. 32 („Außerdem werfe der vorliegende Fall nicht das Problem der unmittelbaren Wirkung auf, sondern betreffe die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich ein Mitgliedstaat vor dem Gerichtshof zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Handlung des Rates auf die WTO-Übereinkünfte berufen könne.“) sowie die Schlussanträge des Generalanwalts Saggio in selbiger Rechtssache, Slg. 1999, I-8397, Rn. 18. 757 Siehe etwa Bleckmann, Begriff und Kriterien der innerstaatlichen Anwendbarkeit völkerrechtlicher Verträge, 1970, S. 49–115; Schweitzer, Staatsrecht III, 7. Aufl. 2000, S. 147, Rn. 438 und S. 149, Rn. 439b; Wünschmann (Fn. 725), S. 46.
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schaftsrecht automatisch und unmittelbar in den Mitgliedstaaten gilt. Mithin geht es dogmatisch fehl, die Individualwirksamkeit einer gemeinschaftsrechtlichen Norm mit der (objektiven) Vollzugsfähigkeit (self executing) einer völkerrechtlichen Bestimmung gleichzusetzen758, zumal sich der self executing-Charakter der Normen eines völkerrechtlichen Vertrages allein nach völkerrechtlichen Kriterien bestimmt759, namentlich nach seiner Rechtsnatur und Systematik sowie seinem Sinn und Zweck760. Die gemeinschaftsrechtlichen Kriterien der van Gend-Rechtsprechung prüft der EuGH zusätzlich nur dann, wenn sich Einzelne unmittelbar auf die Normen eines Gemeinschaftsabkommens berufen761. Art. 300 Abs. 7 EGV setzt also grundsätzlich lediglich voraus, dass die Normen des in Rede stehenden Abkommens self executing sind.
Zu den Beschlüssen internationaler Organisationen Zu erörtern bleibt, ob sich Art. 300 Abs. 7 EGV auf rechtsverbindliche Beschlüsse internationaler Organisationen erstreckt, die zur Durchführung der von der Gemeinschaft nach Art. 300 EGV geschlossenen Abkommen ergehen762. So ist in Betracht zu ziehen, dass etwa die Beschlüsse der OSPAR-Kommission gemäß Art. 300 Abs. 7 EGV für die Organe der Gemeinschaft und für die Mitgliedstaaten unmittelbar verbindlich sind, also 758 Der Unterschied wird unter anderem von Schweitzer/Hummer (Fn. 744), S. 104, Rn. 354, verkannt. Wie hier dagegen E. Klein, Unmittelbare Geltung, Anwendbarkeit und Wirkung von Europäischem Gemeinschaftsrecht, 1988, S. 11; Wünschmann (Fn. 725), S. 46–48 (unmittelbare Wirksamkeit [Individualwirksamkeit] als stärkste Form unmittelbarer Anwendung). Siehe auch Vedder (Fn. 184), Rn. 48, der zu Recht den Unterschied zwischen beiden Kategorien unmittelbarer Anwendbarkeit betont, um freilich anschließend festzustellen, bei der unmittelbaren Wirksamkeit im gemeinschaftsrechtlichen Sinne gehe es „allein um die Vollzugsfähigkeit einer Norm“ (Rn. 52). 759 Tomuschat, Zur Rechtswirkung der von der Europäischen Gemeinschaft abgeschlossenen Verträge in der Gemeinschaftsrechtsordnung, in: Lüke/Ress/Will (Hrsg.), Rechtsvergleichung, Europarecht und Staatenintegration, GS für Constantinesco, 1983, S. 801 (804, 808 f.). 760 Siehe EuGH, Rs. 87/75, Conceria Daniele Bresciani/Italienische Finanzverwaltung, Slg. 1976, 129, Rn. 16; Rs. C-280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973, Rn. 105–110; Rs. C-149/96, Portugal/Rat, Slg. 1999, I-8395, Rn. 41–47; Rs. C-377/ 98, Niederlande/Parlament und Rat, Slg. 2001, I-7079, Rn. 52. Siehe aber ebd., Rn. 54: „Auch wenn die Bestimmungen dieses Übereinkommens [über die biologische Vielfalt – A. P.], wie der Rat vorträgt, keine unmittelbare Wirkung haben, also keine Rechte schaffen sollten, auf die sich der Einzelne vor den Gerichten berufen kann, so hindert das den Richter doch nicht daran, die Einhaltung der Verpflichtungen zu prüfen, die der Gemeinschaft als Vertragspartei obliegen.“ 761 Insofern missverständlich Rs. 9/73, Carl Schlüter/Hauptzollamt Lörrach, Slg. 1973, 1135, Rn. 27. Siehe aber EuGH, Rs. 104/81, Hauptzollamt Mainz/C. A. Kupferberg und Cie KG AA., Slg. 1982, 3641, Rn. 22 f.; Rs. 12/86, Meryem Demirel/ Stadt Schwäbisch Gmünd, Slg. 1987, 3719, Rn. 14. 762 Dazu nunmehr auch Wünschmann (Fn. 725), S. 116–130 m. w. N.
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keiner innergemeinschaftlichen Umsetzung im Wege des Sekundärrechts bedürfen. Angesichts des Wortlauts der Bestimmung („Abkommen“) scheint ein solches Verständnis von Art. 300 Abs. 7 EGV auf den ersten Blick nicht in Betracht zu kommen. Indes können rechtsverbindliche Beschlüsse internationaler Organisationen bei näherer Begutachtung als in vereinfachter Form geschlossene völkerrechtliche Abkommen qualifiziert werden763. Soweit der EuGH im Fall Sevince die Beschlüsse des auf einem Assoziationsabkommen im Sinne von Art. 310 EGV beruhenden Assoziationsrates „aufgrund ihres unmittelbaren Zusammenhangs mit dem Abkommen, zu dessen Durchführung sie ergehen“, gemeinsam mit dem Abkommen selbst als integrierende Bestandteile der Gemeinschaftsrechtsordnung qualifiziert und die Anwendung von Art. 300 Abs. 7 EGV insofern implizit bejaht hat764, darf der Charakter der Assoziationsabkommen nicht verkannt werden. Diese bilateralen Verträge sind vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie (aus Sicht der Gemeinschaft) besondere und privilegierte Beziehungen zu einem Drittland schaffen, das „zumindest teilweise am Gemeinschaftssystem teilhaben muss“765. Die besondere Stellung der Assoziationsabkommen wird bereits dadurch deutlich, dass der EG-Vertrag mit Art. 310 eine eigenständige Kompetenznorm für den Abschluss solcher Abkommen zur Verfügung stellt, demgegenüber Art. 300 lediglich den Abschluss völkerrechtlicher Übereinkommen durch die Gemeinschaft regelt und insofern keine Kompetenznorm, sondern eine bloße Verfahrensnorm verkörpert766. Deshalb ist hinsichtlich einer Übernahme der EuGH-Judikatur auf meeresschutzbezogene und andere umweltvölkerrechtliche Verträge Zurückhaltung geboten767, zumal auch die Assoziationsratsbeschlüsse in der früheren Gemeinschaftspraxis in der Regel durch Verordnungen vergemeinschaftet wurden768.
Gegen die Anwendung von Art. 300 Abs. 7 EGV auf rechtsverbindliche Beschlüsse internationaler Organisationen spricht, dass andernfalls das Ver763 Siehe schon o. Zweiter Teil, Kapitel 3, I. 3. c) sowie Gilsdorf, EuZW 2 (1991), S. 459 (461); Vedder in: Grabitz/Hilf (Fn. 102), Art. 238 EWGV, Rn. 35. 764 EuGH, Rs. C-192/89, S. Z. Sevince/Staatssecretaris van Justitie, Slg. 1990, I3461, Rn. 9 f. Siehe auch Rs. 30/88, Griechenland/Kommission, Slg. 1989, 3711, Rn. 13; Rs- C-277/94, Z. Taflan-Met, S. Altun-Baser, E. Andal-Bugdayci/Bestuur van de Sociale Verzekeringsbank und O. Akol/Bestuur van de Nieuwe Algemene Bedrijfsvereniging, Slg. 1996, I-4085, Rn. 18–21. 765 EuGH, Rs. 12/86, Meryem Demirel/Stadt Schwäbisch Gmünd, Slg. 1987, 3719, Rn. 9. 766 Vgl. Krück in: Schwarze (Fn. 20), Art. 300 EGV, Rn. 3. 767 Für die analoge Anwendung von Art. 300 Abs. 7 EGV auf das gesamte sekundäre Völkervertragsrecht hingegen Lenaerts/de Smijter (Fn. 456), S. 111; Wünschmann (Fn. 725), S. 122. 768 Nachweise bei Gilsdorf (Fn. 763), S. 460; Vedder (Fn. 763), Rn. 36, der sich denn auch gegen eine unmittelbare gemeinschaftsrechtliche Wirksamkeit der Beschlüsse ausspricht. Vgl. auch Richter, Die Assoziierung osteuropäischer Staaten durch die Europäischen Gemeinschaften, 1993, S. 160–163, mit der Bemerkung, die Rechtsetzungsbefugnisse der Assoziierungsräte erfassten nicht „das auch unter den Mitgliedstaaten zur Anwendung gelangende Gemeinschaftsrecht“ (163).
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fahren des Art. 300 Abs. 1–4 EGV unterlaufen würde. Wenn Peter Gilsdorf hiergegen einwendet, die Gemeinschaft habe sich mit dem Abschluss des Abkommens dessen verfahrensrechtlichen Regeln unterworfen769, mag dies unter Gesichtspunkten der völkerrechtlichen Bindung zwar zutreffend sein, sagt aber nichts über die innergemeinschaftliche Wirkung jener Beschlüsse aus. Gleiches gilt für das Argument, die Gemeinschaft habe die Bindungswirkung der Beschlüsse durch den Beitritt zum Abkommen vorab gebilligt und könne sich ihr nur durch eine Verletzung des Abkommens entziehen, was seinerseits mit dem Grundsatz, dass die Abkommen Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung seien, in einem unauflöslichen Widerspruch stehe770. Der von Gilsdorf ausgemachte Widerspruch löst sich auf, wenn zwischen der Wirkung der Gemeinschaftsabkommen einerseits und der Wirkung der von internationalen Organisationen getroffenen Beschlüsse andererseits randscharf differenziert wird. Die Bindungswirkung der Beschlüsse folgt ja nicht schon aus diesen selbst, sondern erst aus den Bestimmungen der von der EG abgeschlossenen Verträge, die die Verbindlichkeit anordnen. Deshalb sagt der Umstand, dass sich die Gemeinschaft bei Nichtumsetzung der Beschlüsse nicht nur völkerrechtswidrig, sondern wegen Art. 300 Abs. 7 EGV auch gemeinschaftsrechtswidrig verhält, nichts über die innergemeinschaftliche Bindungswirkung der Beschlüsse aus. Für die hier vertretene Auffassung spricht ferner die Gemeinschaftspraxis auf dem Gebiet der Fischerei, nach der die rechtsverbindlichen Empfehlungen der ICCAT und der NEAFC, wie gezeigt, durch Verordnung innergemeinschaftlich umgesetzt wurden771. Soweit sich dies im Hinblick auf das OSPAR-Ü auf den ersten Blick nicht feststellen lässt, ist daran zu erinnern, dass das Übereinkommen einen primär verschmutzungsbezogenen Ansatz verfolgt, der innergemeinschaftlich auf verschiedenerlei Art und Weise umgesetzt werden kann. Die OSPAR-Maßnahmen wurden zum Teil denn auch im Rahmen sekundärrechtlicher Maßnahmen berücksichtigt, die sich nicht (nur) auf den Schutz der Meeresumwelt beziehen772. Im Übrigen hat die Kommission dem Rat im Jahre 1999 die Annahme mehrerer OSPAR-Beschlüsse vorgeschlagen773, Beleg für die hier vertretene These, dass jene Beschlüsse nicht ohne weiteres gemäß Art. 300 Abs. 7 EGV innergemeinschaftliche Wirkung entfalten.
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(Fn. 763), S. 462. Ebd. 771 Siehe die Nachweise in den Fn. 557, 581, 583. Den Blick auf die NAFO richtet Frid (Fn. 184), S. 339: „NAFO decisions have to be implemented by a Council decision“. 772 Beispiel Wasserrahmenrichtlinie. Siehe o. Kapitel 3, I. 1. c). 773 Vgl. das in Fn. 342 genannte Dokument. 770
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II. Probleme einer EG-Mitgliedschaft in internationalen Organisationen Die im vorstehenden Abschnitt erarbeiteten Ergebnisse treffen auch für die Beteiligung der Gemeinschaft an anderen internationalen Organisationen, für die institutionelle Ebene also, Wesentliches, orientiert sich doch die Mitwirkung der Gemeinschaft innerhalb jener Foren grundsätzlich anhand der Maßstäbe, die auch für den Abschluss gemischter Abkommen gelten774. Den daraus resultierenden Problemen logisch vorgeordnet ist die Frage, ob die Gemeinschaft in kompetenzrechtlicher Hinsicht überhaupt in der Lage ist, Mitglied einer anderen Organisation zu werden. So ist zu berücksichtigen, dass es sich bei Gründungsverträgen internationaler Organisationen um besondere völkerrechtliche Verträge handelt. In diesem Sinne hat der IGH in seinem Gutachten zur Legality of the Use by a State of Nuclear Weapons in Armed Conflict festgestellt, dass „from a formal standpoint, the constituent instruments of international organizations are multilateral treaties, to which the well-established rules of treaty interpretation apply. [. . .]. But the constituent instruments of international organizations are also treaties of a particular type; their object is to create new subjects of law endowed with a certain autonomy, to which the parties entrust the task of realizing common goals.“775
Mit dem bloßen Bestand einer gemeinschaftlichen Außenkompetenz scheint es insofern nicht getan zu sein. Wie nicht anders zu erwarten, liefert der EG-Vertrag auf die Frage nach der EG-Parteifähigkeit bezüglich der Gründungsverträge internationaler Organisationen keine eindeutige Antwort776. In Art. 302 Abs. 2 EGV ist lediglich die Rede davon, dass die Kommission, „soweit zweckdienlich, Beziehungen zu allen internationalen Organisationen“ unterhält. Verfügt die Gemeinschaft indes um der Erreichung der EG-vertraglichen Zielsetzungen willen über ungeschriebene Außenkompetenzen, muss Gleiches – zumal angesichts der zunehmenden Institutionalisierung des Völkerrechts – für die Möglichkeit einer EG-Mitgliedschaft in anderen internationalen Organisation gelten; andernfalls drohte die innergemeinschaftliche Kompetenzordnung nach außen hin leerzulaufen777. Im Gutachten 1/76 hat der EuGH bestätigt, dass
774 Marchisio, EU’s Membership in International Organizations, in: Cannizzaro (Fn. 719), S. 231 (250). 775 ICJ Reports 1996, 65, 74 f. (Hervorhebung vom Verf.). 776 A. A. offenbar Epping, Das Recht der internationalen Organisationen, in: Hobe (Hrsg.), Kooperation oder Konkurrenz internationaler Organisationen, 2001, S. 12 (21): die EG sei „unmittelbar aus Art. 281 EG legitimiert“. 777 Näher dazu Frid, EJIL 4 (1993), S. 239 (242–245); dies. (Fn. 184), S. 119– 165; Marchisio (Fn. 774), S. 234; Hobe/Müller-Sartori (Fn. 306), S. 11.
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„die Gemeinschaft [. . .] nicht nur die Fähigkeit [besitzt], insoweit zu einem Drittstaat in vertragliche Beziehungen zu treten, sondern auch die Befugnis, unter Beachtung des Vertrags gemeinsam mit diesem Staat eine geeignete Einrichtung zu schaffen wie die internationale öffentlich-rechtliche Anstalt, deren Gründung unter der Bezeichnung ,Europäischer Stillegungsfonds für die Binnenschiffahrt‘ geplant ist. Die Gemeinschaft kann unter diesem Gesichtspunkt auch mit einem Drittstaat zusammenwirken, um die Organe einer solchen Anstalt mit angemessenen Entscheidungsbefugnissen auszustatten und in einer den verfolgten Zielen gemäßen Weise Art, Ausarbeitung, Inkraftsetzung und Wirkungen der Vorschriften zu regeln, die in diesem Rahmen zu erlassen sind.“778
In kompetenzrechtlicher Hinsicht stehen einer EG-Mitgliedschaft in anderen internationalen Organisationen mithin keine Bedenken entgegen. Unter Gesichtspunkten des Völkerrechts ist (natürlich) Voraussetzung für eine Beteiligung der Gemeinschaft, dass die Statuten der betreffenden Organisationen überhaupt eine Mitgliedschaft internationaler Organisationen vorsehen779. Ist dies nicht der Fall, kommt von vorne herein allenfalls ein Beobachterstatus der Gemeinschaft in Betracht780, der ihrem supranationalen Charakter in der Regel kaum gerecht werden wird. 1. Institutionelle Probleme Die mit der EG-Mitgliedschaft in anderen internationalen Organisationen einhergehenden institutionellen Probleme wurden in jüngerer Zeit mehrfach untersucht, vorwiegend im Zusammenhang mit der WTO und der FAO781. Jörn Sack hat als Ursachen für die bei Drittstaaten hinsichtlich der Aufnahme der Gemeinschaft in eine internationale Organisation des öfteren feststellbare Skepsis die Gefahr einer Präzedenzwirkung für Beitrittswünsche anderer internationaler Organisationen, die Gefahr der Blockbildung innerhalb der Organisation sowie die aus der gleichzeitigen Mitgliedschaft 778
EuGH, Gutachten 1/76, Slg. 1977, 741, Rn. 5. In diesem Zusammenhang sei nur an die außerordentlich problematischen Verhandlungen über die damals sog. „EWG-Klausel“ Art. 305 Abs. 1 lit. f i.V. m. Art. 1 Anlage IX SRÜ erinnert; vgl. Ederer (Fn. 713), S. 89–111. 780 Über einen solchen Status verfügt die EG unter anderem in der IWK und in der NAMMCO. Der im Jahre 1979 von der Kommission unternommene Vorstoß, den Rat zu einer Ermächtigung hinsichtlich von Verhandlungen über den Abschluss eines neuen Walfangübereinkommens zu bewegen (vgl. KOM[1979], 364 endg., Empfehlung für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Kommission, im Namen der Gemeinschaft Verhandlungen über den Abschluss eines neuen internationalen Walfangübereinkommens zu führen, 4. September 1979), scheiterte; vgl. Bull. EG 10/1979, Nr. 2.1.109. 781 Allgemein etwa Meng, Das Verhältnis der Vereinten Nationen und ihrer Sonderorganisationen zur EU im Bereich der Wirtschaft, in: Hobe (Fn. 776), S. 39 (48– 64); Frid (Fn. 184), S. 213–228; Dauses (Fn. 311), S. 157–161; Marchisio (Fn. 774), S. 235–255. 779
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der EG-Mitgliedstaaten resultierenden Probleme identifiziert782. Insbesondere letztere erforderten „äußerst aufwendige interne Regeln der EG, aber auch solche seitens der betroffenen Organisationen“783. Die innerhalb der Organisationen bestehenden Regeln variieren je nach interner Struktur und betroffenem Sachgebiet. Bezüglich der mit der Mitgliedschaft einhergehenden Rechte lässt sich etwa zwischen alternativer und – äußerst selten, da nur im Falle paralleler Zuständigkeiten (Beispiel: Madrider Markenabkommen) – kumulativer Ausübung unterscheiden. Alternativ werden die Mitgliedschaftsrechte im Rahmen der FAO ausgeübt. Anlässlich des EG-Beitritts zu dieser internationalen Organisation, der erst durch eine Änderung des Statuts der FAO möglich wurde784, legten die FAO-Mitgliedstaaten der Gemeinschaft auf Betreiben der USA und Japans ein enges Zwangskorsett für die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte an785. Gemäß Art. XLI Abs. 2 der Verfahrensordnung der FAO786 ist seitens der Gemeinschaft oder ihrer Mitgliedstaaten vor jeder Sitzung und für jeden Tagesordnungspunkt eine Erklärung abzugeben, in der bestimmt wird, in wessen Zuständigkeitssphäre – die der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten – die betreffende Angelegenheit fällt, und wer das Stimmrecht in dieser Angelegenheit ausübt. Ohne eine solche Erklärung wird die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten vermutet, Art. II Abs. 6 des Statuts der FAO787; die Probleme bei der innergemeinschaftlichen Abgrenzung der Kompetenzbereiche werden insofern auf die Ebene völkerrechtlicher Zusammenarbeit übertragen. In organisatorischen Fragen und Haushaltsangelegenheiten sind von vorne herein nur die Mitgliedstaaten stimmberechtigt; die EG ist zudem nicht in Ämter wählbar788. Dafür muss die Gemeinschaft keinen Beitrag zum Haushalt leisten, sondern lediglich eine Pauschalsumme zur Deckung der Verwaltungskosten zahlen, die aus ihrer FAO-Mitgliedschaft resultieren789. Angesichts dieser Beschränkungen, die die Mitwirkung der Gemeinschaft in der FAO bislang gehemmt haben, überrascht es nicht, wenn Sack resignierend feststellt, „dass ein Beitritt der EG zu einer internationalen Organisation, außer in den Fällen, in denen sie über eine ausschließliche Zuständigkeit verfügt (Handels- und
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Sack (Fn. 311), S. 636–640. Ebd., S. 640. 784 Dazu siehe Frid (Fn. 777), S. 246 f.; dies. (Fn. 184), S. 239–251; Marchisio (Fn. 774), S. 238 f. 785 Vgl. Sack (Fn. 311), S. 648–652; Frid (Fn. 777), S. 247–254. 786 Die Verfahrensordnung ist auf der Homepage der FAO abrufbar: http:// www.fao.org/Legal/default.htm. 787 Das Statut kann unter der in Fn. 786 angegebenen Adresse abgerufen werden. 788 Vgl. Art. II Abs. 9 des Statuts der FAO. 789 Vgl. Art. XVIII Abs. 6 des Statuts der FAO. 783
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Fischerei-Politik), sich nicht lohnt, wenn er nicht zu besseren als den Bedingungen des ,FAO-Modells‘ erfolgt.“790
In gleicher Weise werden die Mitgliedschaftsrechte im Rahmen der OSPAR-Kommission ausgeübt. Gemäß Art. 20 Abs. 2 OSPAR-Ü steht der EG in Angelegenheiten, die ihren Zuständigkeitsbereichen zuzuordnen sind, „eine Anzahl von Stimmen zu, die der Zahl ihrer Mitgliedstaaten entspricht, die Vertragsparteien des Übereinkommens sind. [Die EG übt] ihr Stimmrecht in Fällen, in denen ihre Mitgliedstaaten ihr Stimmrecht ausüben, nicht aus, und umgekehrt.“
Im Unterschied zur Situation in der FAO wurde der Gemeinschaft im Rahmen der OSPAR-Kommission aber eine gleichberechtigte Position eingeräumt, mit Ausnahme bestimmter, hier nicht weiter interessierender Haushaltsangelegenheiten791. So können die Vertreter der Gemeinschaft in allen Unterorganen mitwirken. Die EG ist nicht vor jeder Abstimmung zur Abgabe einer Zuständigkeitserklärung verpflichtet, weshalb die mit der innergemeinschaftlichen Zuständigkeitsverteilung einhergehenden Abgrenzungsprobleme nicht unmittelbar auf die völkerrechtliche Ebene einwirken. Auch bei Abschluss des Übereinkommens hat die Gemeinschaft keine Erklärung über die Zuständigkeitsverteilung abgegeben (und abgeben müssen). In Angelegenheiten, die in ihre Zuständigkeitssphäre fallen, verfügt die EG angesichts der ihr zukommenden Stimmanzahl über besonderes Gewicht792. In der politischen Praxis der OSPAR-Kommission ist es denn auch nicht zu vergleichbaren Problemen wie im Rahmen der FAO gekommen. Offensichtlich hängt mit Blick auf den Erfolg einer EG-Beteiligung in anderen internationalen Organisationen viel davon ab, ob der Gemeinschaft eine vollwertige Mitgliedschaft zugesprochen wurde. Das war im regionalen, europäischen OSPAR-Rahmen schon deshalb leichter zu erreichen als in der global ausgerichteten FAO, weil zwölf der sechzehn OSPAR-Vertragsparteien zugleich Mitgliedstaaten der EG sind. Im Übrigen ist festzustellen, dass die Skepsis gegenüber einer EG-Mitgliedschaft in anderen internationalen Organisationen auch und gerade auf seiten der Mitgliedstaaten ausgeprägt ist. Sie fürchten – zu Recht oder zu Unrecht –, von der Gemeinschaft aus den Organisationen verdrängt zu werden und infolgedessen Kompetenzverluste hinnehmen zu müssen. Unter rechtlichen Gesichtspunkten ist dies an sich zwar unbegründet, weil gemischte Abkommen, wie gesagt, unter anderem zu dem Zweck geschlossen 790 (Fn. 311), S. 651; zurückhaltend auch Frid (Fn. 777), S. 255. Dauses (Fn. 311), S. 160, hatte im Jahre 1979 die Zuerkennung eines eigenen Stimmrechts der Gemeinschaft noch optimistisch als „integrationspolitische Ziellösung“ bezeichnet. 791 Vgl. Rules of Procedure of the OSPAR Commission (Reference No. 2002-2), Annex 1, para. 12. 792 Dazu siehe o. Zweiter Teil, Kapitel 3, I. 1. c).
436
3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
werden, die innergemeinschaftliche (horizontale) Kompetenzverteilung unberührt zu lassen793. Gleichwohl bestehen die Mitgliedstaaten häufig auf der Ausübung rein marginaler Zuständigkeiten, selbst wenn die Gemeinschaft hinsichtlich des weitaus größten Teils der mit der Mitgliedschaft einhergehenden Rechte und Pflichten ausschließlich zuständig ist794. Dies lässt sich erneut am Beispiel der FAO demonstrieren. Trotz Abschlusses eines gentlemen’s agreement am 19. Dezember 1991 betreffend die Vorbereitung von FAO-Sitzungen, die Abgabe von Stellungnahmen sowie die Stimmabgabe795 kam es anlässlich der bevorstehenden Abstimmung über die Annahme des Übereinkommens zur Förderung der Einhaltung internationaler Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen auf Hoher See vom 23. November 1993796 im Rahmen der FAO zu einem Zuständigkeitsstreit zwischen der Kommission und dem (die Interessen der Mitgliedstaaten vertretenden) Rat. Beide Organe stimmten darin überein, dass das Übereinkommen Elemente enthält, die in die Zuständigkeit sowohl der Mitgliedstaaten wie der Gemeinschaft fallen. Der Rat war indes der Auffassung, im Schwerpunkt müsse das Übereinkommen dem mitgliedstaatlichen Kompetenzbereich zugeordnet werden; gemäß der innergemeinschaftlichen Vereinbarung seien die Mitgliedstaaten daher für die Stimmabgabe in der FAO zuständig. Das Argument des Rates, eine mitgliedstaatlicherseits erteilte Fischereigenehmigung sei mit dem Recht eines Schiffes, die Flagge des betreffenden Mitgliedstaates zu führen (!), vergleichbar, wurde vom EuGH völlig zu Recht verworfen797. Der Schwerpunkt des zur Abstimmung stehenden Vertragsentwurfes lag nach Ansicht des Gerichtshofs vielmehr in der Einhaltung internationaler Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen durch Fischereifahrzeuge auf Hoher See; das Übereinkommen müsse daher der Zuständigkeitssphäre der insoweit ausschließlich zuständigen Gemeinschaft zugeordnet werden798. Indem der Rat anderweitig beschlossen habe, habe er gegen die sich aus der Gebot einheitlicher völkerrechtlicher Vertretung der Gemeinschaft ergebende Pflicht zur Zusammenarbeit von Mitgliedstaaten und Gemeinschaft verstoßen799.
793
Siehe bereits o. Fn. 309. Frid (Fn. 777), S. 241; Sack (Fn. 311), S. 639. Insofern gilt hinsichtlich einer EG-Mitgliedschaft in anderen internationalen Organisationen nichts anderes als beim Abschluss „herkömmlicher“ völkerrechtlicher Verträge. Aus den meisten Fischereiorganisationen haben sich die Mitgliedstaaten freilich angesichts der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit für alle mit der Fischerei zusammenhängenden Fragen zurückgezogen. Die Gemeinschaft kommt ihren Mitgliedstaaten dafür insoweit entgegen, als sie ihre Positionen zuvor innergemeinschaftlich abstimmt; siehe Frid (Fn. 184), S. 338 f., zum Beispiel der NAFO. Innerhalb der Fischereiorganisationen verfügt die Gemeinschaft dann (natürlich) jeweils nur über eine Stimme. 795 Siehe EuGH, Rs. C-25/94, Kommission/Rat, Slg. 1996, I-1469, Rn. 5. Die Vereinbarung ist nicht im ABl. EG (Teil C) veröffentlicht worden. 796 Siehe die in Fn. 698 angegebene Fundstelle. 797 Siehe EuGH, Rs. C-25/94, Kommission/Rat, Slg. 1996, I-1469, Rn. 46. 798 Ebd., Rn. 45. 799 Ebd., Rn. 48–50. 794
Kap. 4: Nach außen gerichtetes Gemeinschaftshandeln über See
437
Die Streitigkeit zeigt: Institutionelle Probleme der Beteiligung der Gemeinschaft an internationalen Organisationen finden ihre Ursache nicht selten auf innergemeinschaftlicher Ebene. Solange die Mitgliedstaaten an ihren überkommenen Souveränitätsvorstellungen festhalten, kann sich die EG weder auf dem Gebiet des Meeresschutzes noch auf anderen Gebieten zu einem global player entwickeln. Die bestehenden gemeinschaftlichen Außenkompetenzen drohen angesichts der immer weiter zunehmenden Institutionalisierung der internationalen Beziehungen – zu denken ist nur an OSZE800 und WTO801 mit ihren denkbar weiten Mandaten – leerzulaufen; Drittstaaten könnten sich dazu verleitet fühlen, die innerhalb der Gemeinschaft aufkommenden sachlichen Differenzen künftig gegen diese auszuspielen. Die institutionellen Folgen des Gemeinschaftshandelns nach außen sind insofern weniger ein rechtliches denn ein politisches Problem. Innerhalb der FAO dürfte die Streitigkeit das Gewicht der EG jedenfalls nicht erhöht haben, und auch hinsichtlich der Umsetzung der unter bestimmten Voraussetzungen anzunehmenden Sachwalterschaft der Mitgliedstaaten in einer internationalen Organisation802 erscheint Skepsis angebracht. 2. Konkurrenzen im Rahmen der friedlichen Streitbeilegung Die Beteiligung der Gemeinschaft an völkerrechtlichen Übereinkommen und den mit ihnen geschaffenen internationalen Organisationen wirkt sich schließlich auf die Agende „friedliche Streitbeilegung“ aus, da die gemeinschaftlichen Außenkompetenzen eine verfahrensrechtliche Komponente beinhalten. So hat der EuGH in seinem Gutachten 1/91 betont, dass „die Zuständigkeit der Gemeinschaft im Bereich der internationalen Beziehungen und ihre Fähigkeit zum Abschluß internationaler Abkommen [. . .] notwendig die Fähigkeit [umfaßt], sich den Entscheidungen eines durch solche Abkommen geschaffenen oder bestimmten Gerichts zu unterwerfen, was die Auslegung und Anwendung ihrer Bestimmungen angeht.“803
Hiernach ist ohne weiteres denkbar, dass die Gemeinschaft als Partei eines Rechtsstreits vor einem internationalen Gericht bzw. Schiedsgericht in 800 Nach überwiegender Auffassung handelt es sich bei der OSZE freilich nicht um eine internationale Organisation; vgl. dazu Epping in: Ipsen (Fn. 18), S. 457– 459, Rn. 15 m. w. N. 801 Dazu Meng (Fn. 781), S. 49–55. 802 Dazu siehe o. Kapitel 2, III. 2. Aktuell ist das Problem der (partiellen) mitgliedstaatlichen Sachwalterschaft momentan im Rahmen des Internationalen Währungsfonds (IMF) und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Vgl. Cavicchioli, The Relations Between the European Community and the International Labour Organization, in: Cannizzaro (Fn. 719), S. 261–269; Meng (Fn. 781), S. 64– 69; Frid (Fn. 184), 305–309. 803 EuGH, Gutachten 1/91, Slg. 1991, I-6079, Rn. 40.
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3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
Erscheinung tritt804. Im Rahmen des vorliegend untersuchten Meeresschutzes ist die Parteifähigkeit der EG allerdings nicht grenzenlos gewährleistet. Diesbezüglich ist erneut zwischen der völkerrechtlichen und der europarechtlichen Ebene zu differenzieren. Auf Ebene des universellen Völkerrechts beschäftigt sich unter anderem Art. 7 Anlage IX SRÜ mit der Parteifähigkeit internationaler Organisationen. Nach dieser Bestimmung kann die Gemeinschaft jederzeit eine schriftliche Erklärung im Sinne von Art. 287 SRÜ abgeben, ist also in der Wahl eines der dort angegebenen Streitbeilegungsverfahren grundsätzlich frei805. Im Jahre 1999 hat die Kommission vorgeschlagen, als Mittel der Streitbeilegung das in Übereinstimmung mit Anlage VII SRÜ gebildete Schiedsgericht zu wählen, Art. 287 Abs. 1 lit. c SRÜ806, der Rat den Vorschlag bislang jedoch nicht umgesetzt. Offenbar haben sich die unterschiedlichen Präferenzen der EG-Mitgliedstaaten hinsichtlich der Streitbeilegungsverfahren im Sinne von Art. 287 SRÜ hemmend ausgewirkt. Wie Tullio Treves hervorgehoben hat807, dürfte aus Sicht der Gemeinschaft gegen den ISGH sprechen, dass das unter gewissen Voraussetzungen bestehende Recht, einen ad hoc Richter zu bestimmen808, für internationale Organisationen nur sehr eingeschränkt gilt809. Daneben kann der Präsident des Gerichtshofs in dem Fall, dass zwei oder mehr Richter Staatsangehörige der EG-Mitgliedstaaten sind, einen oder mehrere dieser Richter auffordern, auf ihr Mitwirkungsrecht zu verzichten810, wohingegen „Mitglieder des Gerichtshofs, die Staatsangehörige einer der Streitparteien sind, [. . .] das Recht auf Mitwirkung als Mitglieder des Gerichtshofs [behalten]“ (Art. 17 Abs. 1 ISGH-Statut). Auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene hat der EuGH der Gemeinschaft bezüglich der Unterwerfung unter einen anderen gerichtlichen Mechanismus als Grenze gesetzt, dass dieser die Grundlagen der Gemeinschaftsrechtsordnung nicht beeinträchtigen darf811. Dies sei etwa dann der Fall, wenn das in Rede stehende Abkommen einen wesentlichen Teil der Regeln (ein804 Vgl. aber Art. 34 Abs. 1 IGH-Statut: „Nur Staaten sind berechtigt, als Parteien vor dem Gerichtshof aufzutreten.“ 805 Ausnahme IGH: Wegen Art. 34 Abs. 1 IGH-Statut verweist Art. 7 Abs. 1 Anlage IX SRÜ nur auf Art. 287 Abs. 1 lit. a, c, d, nicht aber auf lit. b. 806 Vgl. KOM(1999), 233 endg., Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Wahl des Streitbeilegungsverfahrens durch die Gemeinschaft im Rahmen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982, 18. Mai 1999, S. 4. 807 The European Community and the Law of the Sea Convention: New Developments, in: Cannizzaro (Fn. 719), S. 279 (292 f.). 808 Vgl. Art. 17 Abs. 2, 3 ISGH-Statut (= Anlage VI SRÜ). 809 Vgl. Art. 22 Abs. 2–3 der Rules of the Tribunal (Fundstelle: Zweiter Teil, Fn. 193). 810 Vgl. Art. 22 Abs. 4 der Rules of the Tribunal. 811 EuGH, Gutachten 1/91, Slg. 1991, I-6079, Rn. 46.
Kap. 4: Nach außen gerichtetes Gemeinschaftshandeln über See
439
schließlich solcher des Sekundärrechts), „die für die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen innerhalb der Gemeinschaft gelten und bei denen es sich in ihrer Mehrzahl um grundlegende Bestimmungen der Rechtsordnung der Gemeinschaft handelt“, übernehme. Damit bewirke das Abkommen, „dass in die Rechtsordnung der Gemeinschaft ein umfangreicher Komplex von Rechtsnormen eingefügt wird, der neben eine Gruppe von gleichlautenden Gemeinschaftsnormen tritt.“812 Grenze der Unterwerfung unter einen völkerrechtlichen Mechanismus der friedlichen Streitbeilegung ist somit die im EG-Vertrag festgelegte Zuständigkeitsordnung, letztlich also die Autonomie der gemeinschaftlichen Rechtsordnung, deren gleichsam zu konstatierende Völkerrechtsfreundlichkeit nicht zu einer Gefährdung der Grundlagen jener Autonomie führen darf. Soweit dies nicht geschieht, ist aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht nichts gegen die Unterwerfung unter ein völkerrechtliches System der Streitbeilegung zu sagen. Die Zuständigkeit des EuGH ist grundsätzlich auf gemeinschaftsrechtliche Streitigkeiten begrenzt813. Der vielfach erhobenen Forderung nach Einrichtung eines allgemeinen, unabhängig von einem konkreten völkerrechtlichen Vertrag bestehenden Umweltgerichtshofs814 stünden innergemeinschaftlich freilich insoweit Bedenken entgegen, als dessen Judikatur den Auslegungsprimat des EuGH zu unterlaufen drohte.
812
Ebd., Rn. 42; vorstehendes Zitat in Rn. 41. Zur Konkurrenz internationaler Gerichtshöfe am Beispiel des MOX Plant-Falles siehe bereits o. Zweiter Teil, Kapitel 3, I. 4. c). – Besonderheiten gelten, wenn die Bestimmungen eines völkerrechtlichen Vertrags über Art. 300 Abs. 7 EGV Eingang in die Gemeinschaftsrechtsordnung finden und infolgedessen nach der hier vertretenen Auffassung (siehe o. I. 2. lit. b) im Zweifel vollständig vom Auslegungsmonopol des EuGH erfasst werden. Kommt es etwa – wie im MOX Plant-Fall – zu einer Streitigkeit (nur) zwischen EG-Mitgliedstaaten über die Auslegung oder Anwendung des ja vergemeinschafteten SRÜ, ist der EuGH vor dem Hintergrund von Art. 282 SRÜ i.V. m. Art. 220, 292, 300 Abs. 7 EGV ausschließlich zuständig. Vgl. das SRÜ-Schiedsgericht in The MOX Plant (Ireland v. United Kingdom), Order No. 3, 7, para. 22: www.pca-cpa.org/PDF/MOX%20Order%20 No3.pdf. Die von Rüdiger Wolfrum insoweit unter Hinweis auf das Kupferberg-Judikat des EuGH erhobenen Einwände (The MOX Plant [Ireland v. United Kingdom], Sep. Op. Wolfrum, ILM 41 [2002], 405, 426) werden der integrativen Funktion des Art. 300 Abs. 7 EGV nicht gerecht und schlagen schon deshalb nicht durch, weil sich der Gerichtshof an der bezeichneten Stelle (Slg. 1982, 3641, Rn. 29) nicht mit Konkurrenzfragen im Rahmen der friedlichen Streitbeilegung, sondern mit der Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags beschäftigt. 814 Dazu etwa Rest, Zur Notwendigkeit eines Internationalen Umweltgerichtshofes, in: Hafner/Loibl/Rest/Sucharipa-Behrmann/Zemanek (Fn. 32), S. 575 (577 ff.). 813
440
3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
Kapitel 5
Zusammenfassung Im Dritten Teil vorliegender Untersuchung wurde das europarechtliche Meeresschutzregime behandelt. Der Schwerpunkt lag auf den diesbezüglich einschlägigen Kompetenznormen der Gemeinschaft einerseits und auf der Ausgestaltung jener Normen durch das meeresschutzbezogene Sekundärrecht andererseits. Daneben wurde den Wechselwirkungen mit der den Gegenstand des Zweiten Teils bildenden völkerrechtlichen Ebene besondere Aufmerksamkeit geschenkt. 1. Räumlich wie sachlich verfügt die Gemeinschaft über das Potential, zu einem Vorreiter auf dem Gebiet des Meeresschutzes zu werden. In räumlicher Hinsicht gilt der EG-Vertrag in allen Meereszonen, bezüglich derer die Mitgliedstaaten Hoheitsakte setzen können, soweit die betreffenden Materien infolge primärvertraglicher Ermächtigung auf die Gemeinschaft übergegangen sind. Mit Blick auf die sachliche Dimension fehlt es zwar nach wie vor an einem zentralen Anknüpfungspunkt für eine seerechtliche Orientierung des Gemeinschaftsrechts. Das seinen Ausdruck vor allem in Art. 5 Abs. 2 EGV findende Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten, das nach innen wie nach außen Gültigkeit beansprucht, ermöglicht theoretisch aber eine umfassende und effektive Meeresschutzpolitik. 2. Soweit die Gemeinschaft meeresschutzbezogene Maßnahmen treffen will, kommen jeweils unterschiedliche Kompetenznormen zur Anwendung. Allgemeine Kompetenznorm für einschlägige Aktivitäten über See ist Art. 175 Abs. 1 EGV. Da diese Bestimmung nicht ausdrücklich an das Meer anknüpft, angesichts des Verweises auf die in Art. 174 EGV genannten Ziele vielmehr die gemeinschaftliche Umweltpolitik als solche erfasst, wirken die erlassenen Rechtsakte in der Regel intermediär und raumübergreifend. In diesem Sinne regelt dann ein und dieselbe Verordnung, ein und dieselbe Richtlinie usw. sowohl terrestrische wie marine Sachverhalte. Die Kompetenz der Gemeinschaft ist im Verhältnis zu ihren Mitgliedstaaten konkurrierend. Letztere sind zum Erlass umweltbezogener Gesetze solange und insoweit befugt, als die EG noch keine entsprechenden Schutzmaßnahmen getroffen hat. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten unter den Voraussetzungen des Art. 176 EGV verstärkte Schutzmaßnahmen selbst dann ergreifen, wenn die Gemeinschaft ihre Regelungszuständigkeit bereits ausgeübt hat. Gemäß Art. 175 Abs. 1 i.V. m. Art. 174 Abs. 4 UAbs. 1 EGV verfügt die Gemeinschaft über eine geschriebene Außenkompetenz; ein Rückgriff auf die AETR-Doktrin des EuGH ist überflüssig und ausgeschlossen. Obwohl Art. 174 Abs. 1 3. Spiegelstrich EGV eine „umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen“ verlangt, müssen sekundär-
Kap. 5: Zusammenfassung
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rechtliche Maßnahmen, die dem Schutz der marinen Bestände gewidmet sind, ausnahmslos auf der Kompetenznorm Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV beruhen. Auch im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten ist die Zuständigkeit der Gemeinschaft für den Erlass von Bestandserhaltungsmaßnahmen besonderen, weil ausschließlichen Charakters. Gemäß Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV i.V. m. den Grundsätzen der AETR-Doktrin ist die Gemeinschaft berechtigt, Bestandserhaltungsabkommen mit Drittstaaten und -organisationen zu schließen. Wegen der Querschnittsklausel Art. 6 EGV sind dabei nach innen wie nach außen stets die Belange des Umweltschutzes zu berücksichtigen, zu denen insbesondere die in Art. 174 Abs. 2 EGV genanten umweltpolitischen Schutzprinzipien zählen. Für Maßnahmen des marinen Artenschutzes ist Art. 175 Abs. 1 EGV einschlägig. Maßnahmen zur Erhöhung der Schiffssicherheit, die jedenfalls auch dem Meeresumweltschutz zu dienen bestimmt sind, müssen auf Art. 80 Abs. 2 EGV gestützt werden. Infolge der universellen Zuständigkeit der IMO auf dem Gebiet der internationalen Seeschifffahrt ist die Kompetenz der EG nach Art. 307 EGV innergemeinschaftlich insoweit begrenzt, als die geplanten Maßnahmen in Widerspruch zu den völkerrechtlichen Pflichten der Mitgliedstaaten stehen. In diesem Fall kann die Gemeinschaft nur solche Maßnahmen treffen, welche die im Rahmen der IMO vereinbarten Pflichten auf regionaler Ebene um- und durchsetzen. Im Verhältnis zu ihren Mitgliedstaaten ist die EG-Zuständigkeit nach wie vor konkurrierender Natur. Eine – ebenfalls konkurrierende – Außenkompetenz der Gemeinschaft folgt aus Art. 80 Abs. 2 EGV i.V. m. den Grundsätzen der AETR-Doktrin. 3. Das von der Gemeinschaft geschaffene, in den Rahmen der umweltpolitischen Aktionsprogramme eingepasste meeresschutzbezogene Sekundärrecht ist auf den ersten Blick von Unübersichtlichkeit und fehlender Systematik geprägt. Es wurde gezeigt, dass sich dieser Eindruck bei näherer Betrachtung vor allem auf dem Gebiet des Meeresumweltschutzes verfestigt. Kaum ein Rechtsakt ist dem Schutz der Meeresumwelt als solcher gewidmet. Soweit sich die Gemeinschaft an umweltvölkerrechtlichen Verträgen beteiligt hat, hat sie sich anschließend zumeist durch Untätigkeit ausgezeichnet. Dass auch im Europa der EG ein (freilich weit weniger frappierendes, zumal die Mitgliedstaaten teuer zu stehen kommendes) Implementierungsdefizit besteht, unterstreicht die Anzahl der seitens der Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren. Zuletzt scheint mit dem Erlass der Wasserrahmenrichtlinie ein Perspektivenwechsel in Richtung ganzheitlicher Betrachtungsweise eingeleitet worden zu sein. Diese Richtlinie, deren fristgemäße Umsetzung durch die Mitgliedstaaten noch aussteht, hat die Erhaltung und Verbesserung der aquatischen Umwelt zum Ziel und trägt insofern den zwischen Grund-, Binnen- und Meeresgewässern bestehenden Wechselwirkungen Rechnung.
442
3. Teil: Meeresschutz im Europarecht
Ähnliches kann für den Artenschutz konstatiert werden. Die primär einschlägige FFH-Richtlinie soll zur Sicherung der Vielfalt gerade auch der marinen Arten durch Erhaltung ihrer natürlichen Lebensräume beitragen. Dazu müssen die Mitgliedstaaten besondere Schutzgebiete ausweisen. Da die diesbezüglich einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie trotz Autonomie des Gemeinschaftsrechts einer völkerrechtskonformen Auslegung offenstehen, sind die Mitgliedstaaten im Rahmen der Schutzgebietsausweisung an die Vorgaben des SRÜ gebunden. Von einer unmittelbaren Bindungswirkung jener Bestimmungen mit der Folge, dass sie von den Mitgliedstaaten unabhängig davon befolgt werden müssten, ob bereits Schutzgebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewiesen wurden, kann bei alledem grundsätzlich nicht ausgegangen werden. Wie sich an den Bestandszahlen der in den europäischen Gewässern lebenden Fische ablesen lässt, lag auf dem Gebiet des Bestandsschutzes in der Vergangenheit vieles im Argen. Trotz Verabschiedung einer Vielzahl technischer Erhaltungsmaßnahmen ist es der Gemeinschaft bis heute nicht gelungen, den Überfischungsprozess im Nordostatlantik aufzuhalten bzw. umzukehren. Der Grund dafür ist primär im unflexiblen und durchsetzungsschwachen System der Fangquotenzuteilung zu sehen. Erst ein am Vorsorgeprinzip orientiertes, auf mehrere Jahre hinweg angelegtes Quotensystem wird eine effektive Bekämpfung der Überfischung ermöglichen. Interessanterweise ist die Gemeinschaft zuletzt dazu übergegangen, ihr wirtschaftliches Gewicht nach außen hin einzusetzen. So hat sie auf entsprechende Empfehlung der ICCAT Einfuhrverbote für Fische erlassen, die von unter Billigflaggen fahrenden Schiffen gefangen wurden. Diese Verbote, die mit dem Recht der WTO vereinbar, also völkerrechtskonform sind, haben sich als derart wirksam erwiesen, dass einige der betroffenen Staaten bereits Besserung gelobt haben und in den Kreis der zuständigen Fischereiorganisation zurückgekehrt sind. In ähnlicher Weise hat die Gemeinschaft das im Rahmen der NEAFC entwickelte Durchsetzungsschema vergemeinschaftet. Angesichts des Umstands, dass das jüngst von Kommissar Fischler geschnürte Paket zur Reform der GFP gerade auch der Agende „Bestandserhaltung“ Rechnung trägt und etwa die Aufhebung der Fischereisubventionen sowie die drastische Verkleinerung der europäischen Fischfangflotte vorsieht, scheint sich die EG bezüglich dieses Tätigkeitsfeldes in der Tat auf dem Weg der Besserung zu befinden. Manches wird freilich noch auf dem Altar der politischen Interessen geopfert werden. Aufgeschreckt durch den Untergang des Öltankers Erika hat die Gemeinschaft auf dem Gebiet der Schiffssicherheit ein Maßnahmenbündel erlassen, dessen wichtigste Elemente in der Überwachung des Seeverkehrs und der Verschärfung der Hafenstaatkontrolle liegen. Dabei hat sie bislang nicht nur den Primat der IMO berücksichtigt, also die Begrenztheit ihrer schiffssicher-
Kap. 5: Zusammenfassung
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heitspolitischen Kompetenzen akzeptiert, sondern sich auch an den Vorgaben des sonstigen einschlägigen Völkerrechts (etwa hinsichtlich der Einführung der Doppelhülle) orientiert und dieses vergemeinschaftet. Der Erfolg jener Maßnahmen bleibt – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der geplanten Verschärfungen infolge des Prestige-Unfalls – abzuwarten. Immerhin scheint die Gemeinschaft ihr Potential, zum regionalen Vollstreckungsorgan der IMO zu werden, ausschöpfen zu wollen. 4. Das letzte Kapitel hat sich schließlich mit der Frage beschäftigt, über welche Wirkung die von der Gemeinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Verträge innerhalb der Gemeinschaftsrechtsordnung verfügen, und wie sich die Mitgliedschaft der EG in anderen internationalen Organisationen gestaltet. In diesem Zusammenhang hat sich herausgestellt, dass die These von der Völkerrechtsfreundlichkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung keine leere Formel ist. Vielmehr sind die von der Gemeinschaft geschlossenen Verträge gemäß Art. 300 Abs. 7 EGV integrierende Bestandteile der Gemeinschaftsrechtsordnung, binden sowohl die Gemeinschaftsorgane als auch die Mitgliedstaaten und haben damit Vorrang vor dem Sekundärrecht. Diese Wirkungen bestehen unabhängig davon, ob die Abkommen als gemischte Abkommen geschlossen wurden oder nicht; eine innergemeinschaftliche Differenzierung der Bindungswirkung je nach betroffener Kompetenzsphäre (Gemeinschaft oder Mitgliedstaaten) ist abzulehnen. Auf Beschlüsse internationaler Organisationen ist Art. 300 Abs. 7 EGV nicht anwendbar. Die aus der Mitgliedschaft der Gemeinschaft in internationalen Organisationen resultierenden institutionellen Probleme finden ihre Ursache nicht nur auf der völkerrechtlichen Ebene – etwa im Zusammenhang mit der Gewährung von Stimmrechten oder der Möglichkeit, als Nicht-Staat überhaupt Mitgliedschaftsstatus zu erhalten –, sondern gerade auch auf der innergemeinschaftlichen. Im Falle konkurrierender Zuständigkeiten scheuen sich die Mitgliedstaaten oftmals aus Furcht vor politischen Gewichts- und rechtlichen Souveränitätsverlusten, die Gemeinschaft als gleichberechtigten Partner auf der internationalen Bühne zu akzeptieren. Weniger problematisch ist das nach außen gerichtete Gemeinschaftshandeln, wenn die auf innergemeinschaftlicher Ebene vorhandenen Probleme bei der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche nicht unmittelbar auf die völkerrechtliche Ebene durchschlagen. Im Rahmen des Meeresschutzes ist dies angesichts des Vorliegens einer ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit primär auf dem Sektor „Bestandsschutz“ der Fall.
Ausblick Nachdem der Dritte Teil vorliegender Untersuchung unter anderem der Stellung und den Wirkungen des meeresschutzbezogenen Völkerrechts in der Gemeinschaftsrechtsordnung gewidmet war, soll ausblickend die gleichsam spiegelverkehrte Frage aufgeworfen werden, ob und ggf. inwieweit das Gemeinschaftsrecht auf die Ausbildung und Konkretisierung des meeresschutzbezogenen Gewohnheitsrechts einwirkt. Dabei steht nicht zur Diskussion, ob die Mitgliedstaaten in völkerrechtlicher Hinsicht an die völkerrechtlichen Positionen der Gemeinschaft gebunden sind1, sondern vielmehr, ob das meeresschutzbezogene Handeln der in der Gemeinschaft zusammengefassten Mitgliedstaaten Ausdruck einer „constant and uniform state practice“ ist, die nach der Rechtsprechung des IGH bekanntlich eine wesentliche Voraussetzung für den Nachweis von Völkergewohnheitsrecht bildet2. So ist zu bedenken, dass im Rahmen EG-Europas fünfzehn Staaten eine mehr oder weniger einheitliche, an den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts orientierte Politik auf dem Gebiet des Meeresschutzes verfolgen. Dies könnte zur Folge haben, dass sich die Staaten der marinen Region Europa, soweit sie nicht ohnehin Mitglieder der EG sind, stets der Aktivitäten der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Meeresschutzes zu vergewissern hätten, um ggf. eine völkergewohnheitsrechtliche Bindung durch steten Widerspruch verhindern zu können. Wirkt sich also, vereinfachend gefragt, die Dichte der Gemeinschaftsrechtsordnung auf den Umfang des Völkergewohnheitsrechts aus, jedenfalls im regionalen Rahmen, mit praktischen Folgen etwa für Island, Norwegen und die Schweiz?3 Vor Beantwortung dieser Frage ist in Erinnerung zu rufen, dass auf dem Gebiet des Meeresschutzrechts wie auf dem des allgemeineren Umweltvölkerrechts4 die 1 Dazu Lowe, Can the European Community Bind the Member States on Questions of Customary International Law, in: Koskenniemi (Hrsg.), International Law Aspects of the European Union, 1998, S. 149–168. 2 Vgl. Asylum (Colombia v. Peru), ICJ Reports 1950, 266, 276 f.; Right of Passage over Indian Territory (Portugal v. India), ICJ Reports 1960, 6, 40; North Sea Continental Shelf (Germany v. Denmark; Germany v. Netherlands), ICJ Reports 1969, 3, 42. 3 Die Möglichkeit der Existenz regionalen Völkergewohnheitsrechts ist unbestritten. Im Fall Right of Passage over Indian Territory (Portugal v. India), ICJ Reports 1960, 6, 39, hat der IGH sogar bilaterales Gewohnheitsrecht anerkannt. 4 Anders im meereszonenbezogenen Seerecht; vgl. etwa Bernhardt, Verfall und Neubildung von Gewohnheitsrecht im Meeresvölkerrecht, in: Ipsen/Necker (Hrsg.),
Ausblick
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Rechtsquelle „Völkergewohnheitsrecht“ über deutlich geringere Bedeutung als im Rahmen anderer Teilgebiete des Völkerrechts verfügt5. Das Gewohnheitsrecht wird den speziellen Erfordernissen adäquater Umweltbewahrung nur selten gerecht; es ist nicht hinreichend ausdifferenziert, zumal gewohnheitsrechtliche Pflichten in der Regel umso undeutlicher werden, je größer die zu schützende Materie ist6. Allenfalls lässt sich sagen, dass „it is possible to speak of a body of customary international environmental law composed of fundamental principles underlying the entire system and applicable to all environmental subjects.“7
Soweit in diesem Sinne von der gewohnheitsrechtlichen Geltung etwa einer allgemeinen Pflicht zum Schutz des Meeres auszugehen ist, ist damit, wie gezeigt, schon angesichts der fehlenden Konkretheit jener Pflicht kaum etwas gewonnen. Für die vorliegend aufgeworfene Frage nach den Rückwirkungen des Gemeinschaftsrechts auf die völkerrechtliche Ebene könnte eine positive Antwort insofern einen Zuwachs des Gewohnheitsrechts sowohl an Umfang wie Bedeutung zur Folge haben. Freilich erscheint auf den ersten Blick zweifelhaft, ob die Gemeinschaft – nach wie vor kein Staat, sondern eine internationale (wenn auch supranationale) Organisation – überhaupt an der Ausbildung von Staatenpraxis mitwirken kann. Verneinendenfalls müsste auf die Mitgliedstaaten abgestellt werden, so dass es auf die Frage ankäme, ob und inwiefern innerstaatliches Tätigwerden (etwa bei der Umsetzung von EG-Richtlinien) als Indikator für den Nachweis von Staatenpraxis herangezogen werden kann8. Indes soll gemäß Art. 7 ILC Draft Articles on State Responsibility for Internationally Wrongful Acts „the conduct of an organ of a State or of a person or entity empowered to exercise elements of the governmental authority [. . .] be considered an act of the State under international law if the organ, person or entity acts in that capacity, even if it exceeds its authority or contravenes instructions.“9 Recht über See, FS für Stödter, 1979, S. 155 ff.; Wolfrum, NYIL 18 (1987), S. 121 ff. 5 Vgl. nur Cassese, International Law, 2001, S. 382 f. 6 Graf Vitzthum, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 2. Aufl. 2001, S. 466, Rn. 162. 7 Kiss/Shelton, International Environmental Law, 2. Aufl. 2000, S. 43. 8 Dazu etwa Shaw, International Law, 4. Aufl. 1997, S. 66; Brownlie, Principles of Public International Law, 5. Aufl. 1998, S. 5. Angesichts des Umstands, dass nationale Gerichtsentscheide als Indikatoren für das Vorliegen einer Staatenpraxis anerkannt sind (Brownlie, ebd., S. 5), dürfte Gleiches für die nationale Gesetzgebung zu gelten haben. Vgl. Nottebohm Case (Liechtenstein v. Guatemala), ICJ Reports 1955, 4, 22. Dass Art. 38 Abs. 1 lit. d IGH- Statut allgemein von richterlichen Entscheidungen spricht, bleibt für die Rechtsquelle „Völkergewohnheitsrecht“ (vgl. lit. b) außer Betracht.
446
Ausblick
Vaughan Lowe hat dargelegt10, dass diese Zurechnungsbestimmung für den Fall der EG, unzweifelhaft eine „entity empowered to exercise elements of the governmental authority“, fruchtbar gemacht werden kann11. Die völkerrechtliche Geltung von Art. 7 ILC Draft Articles unterstellt12, ist das Verhalten der Gemeinschaft demnach offenbar für die Ausbildung von Staatenpraxis relevant, zumal eingedenk der auf dem Gebiet des Meeresschutzes bestehenden Gemeinschaftskompetenzen. Gleichwohl sprechen gewichtige Gründe gegen eine konzentrierte Rückwirkung des Gemeinschaftsrechts auf das Völkerrecht, namentlich die stets zu berücksichtigende Autonomie der Gemeinschaftsrechtsordnung. Mit der Gründung der EG, „die mit eigenen Organen, mit der Rechts- und Geschäftsfähigkeit, mit internationaler Handlungsfähigkeit und insbesondere mit echten, aus der Beschränkung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten oder der Übertragung von Hoheitsrechten der Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaft herrührenden Hoheitsrechten ausgestattet ist, haben die Mitgliedstaaten, wenn auch auf einem begrenzten Gebiet, ihre Souveränitätsrechte beschränkt und so einen Rechtskörper geschaffen, der für ihre Angehörigen und sie selbst verbindlich ist.“13
Kann letzterer Beschränkung auf die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten („für ihre Angehörigen und sie selbst“) auch keine Aussage über die mittelbare Reichweite des Gemeinschaftsrechts entnommen werden, weil der EuGH nur innerhalb des Rahmens jener Rechtsordnung judiziert, ist doch der Hinweis auf die internationale Handlungsfähigkeit und Supranationalität des Rechtskörpers „EG“ entscheidend. Dieser Körper hat im Rahmen seiner Zuständigkeitssphäre die Mitgliedstaaten bei der Ausübung von Hoheitsrechten auch nach außen hin abgelöst. Im Hinblick auf die Frage nach der Staatenpraxis verfügt die Gemeinschaft daher nicht über das der 9
UN Doc. A/56/10, Report of the International Law Commission of its Fiftythird session, ILC Draft Articles on State Responsibility for Internationally Wrongful Acts, 2001, 43 ff (Hervorhebung hinzugefügt). 10 (Fn. 1), S. 163. 11 Diesbezügliche Zweifel ließen sich etwa mit der Begründung geltend machen, Art. 7 ILC Draft Articles stelle zwar eine Zurechnungsnorm dar, rechne aber dem Kontext der Staatenverantwortlichkeit zu (um den es vorliegend nicht geht). In der Tat scheint Lowe die Bestimmung aus ihrem Zusammenhang gerissen zu haben. Der Umstand, dass während der Beratungen der ILC zwar die Frage der Zurechnung im Fall der Kompetenzüberschreitung („even if it exceeds its authority or contravenes instructions“) diskutiert wurde, nicht aber die Erstreckung der Zurechnung auf „entities empowered to exercise elements of the governmental authority“, spricht jedoch für die von Lowe vertretene Auffassung. 12 Dazu UN Doc. A/56/10, Report of the International Law Commission of its Fifty-third session, Commentaries on the Draft Articles on State Responsibility for Internationally Wrongful Acts, 2001, 59 (99–103). 13 EuGH, Rs. 6/64, Flaminio Costa/E.N.E.L., Slg. 1964, 1252, 1269.
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Summe ihrer Mitgliedstaaten entsprechende Gewicht, sondern muss – auch und gerade vor dem Hintergrund ihrer Supranationalität – als einzelnes und einheitliches Völkerrechtssubjekt verstanden werden. Im allgemeineren Zusammenhang mit dem Thema „Verantwortlichkeit internationaler Organisationen“ hat Christian Tomuschat diese Folgerung wie folgt gezogen: „Clearly, IOs lack flesh and blood, they have no nationals and lack territory of their own. However, in some sectors their status is exactly the same as that of States.“14
Für die gegenüber traditionellen internationalen Organisationen tiefer integrierte, letztlich also staatsnähere Gemeinschaft15 muss dieses Postulat erst recht gelten. So wie die Gemeinschaft als Völkerrechtssubjekt Verträge mit Drittstaaten oder -organisationen abschließen kann, ja sogar im Rahmen gemischter Abkommen grundsätzlich unabhängig von der innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung vollumfänglich gebunden wird16, ist sie auch im Hinblick auf die Frage nach der Staatenpraxis wie ein einzelner Staat zu behandeln17. Deshalb ist ausgeschlossen, dass das gemeinschaftliche Tätigwerden auf dem Gebiet des Meeresschutzes für sich genommen den an den Nachweis entsprechender Staatenpraxis zu stellenden Anforderungen genügt. Ferner ist zu bedenken, dass das gemeinschaftliche Sekundärrecht ausschließlich innerhalb der autonomen Rechtsordnung zur Geltung gelangt, sich also grundsätzlich nicht gegenüber den und im Verhältnis zu den übrigen Staaten der marinen Region manifestiert. Zwar wird innergemeinschaftliches Handeln ebenso wie innerstaatliche Gesetzgebung18 theoretisch zur Ausprägung gewohnheitsrechtlicher Normen beitragen können19. Dazu wäre freilich erforderlich, dass dritte Völkerrechtssubjekte, in übereinstimmender Art und Weise handelnd, hinzutreten. Würde das Handeln der Gemeinschaft hingegen völkerrechtlich als Summe des Handelns 14 The International Responsibility of the European Union, in: Cannizzaro (Hrsg.), The European Union as an Actor in International Relations, 2002, S. 177 (178); Hervorhebung hinzugefügt. 15 Vgl. H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 196, Rn. 24. 16 Siehe o. Dritter Teil, Kapitel 4, I. 2. a). 17 Gleiches folgt aus Art. 7 ILC Draft Articles: Nach dieser Bestimmung, die nicht ohne Grund im Singular formuliert ist, soll das Handeln des zuständigen Verbands als „an act of the State“ qualifiziert werden, nicht aber als „an act of the States“. 18 Siehe Fn. 8. 19 Eine andere Frage ist, ob die Normen des Gemeinschaftsrechts angesichts ihrer Spezialität und Technizität überhaupt geeignet sind, zu Völkergewohnheitsrecht zu erstarken. Dies kann nicht allgemein beantwortet werden; in der Regel wird es am hinreichend grundsätzlichen Normcharakter fehlen, der die Ausbildung einer allgemeinen und einheitlichen Staatenpraxis sowie entsprechenden opinio iuris erst ermöglicht. Ausgeschlossen ist die Erstarkung einer gemeinschaftsrechtlichen Norm zu einer Norm des Völkergewohnheitsrechts gleichwohl nicht.
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mehrerer Völkerrechtssubjekte – der Mitgliedstaaten – gewichtet, müssten sich Drittstaaten stets des Standes der innergemeinschaftlichen Rechtsentwicklung versichern, um ggf. einer gewohnheitsrechtlichen Bindung zu widersprechen – schon angesichts der hohen Dichte und Technizität der supranationalen Gemeinschaftsrechtsordnung eine realitätsferne Forderung. Mithin ist zwar eine Völkerrechtsfreundlichkeit des Gemeinschaftsrechts zu konstatieren, nicht aber umgekehrt eine besondere Gemeinschaftsrechtsfreundlichkeit des Völkerrechts. Völkerrechtlich ist die EG grundsätzlich wie jedes andere Völkerrechtssubjekt zu behandeln. Die Besonderheiten der Supranationalität kommen nach außen hin primär indirekt, d. h. über den Umweg der innergemeinschaftlichen Verpflichtung, zum Tragen.
Anhang Erklärung zur Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft für die durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 und das Übereinkommen vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens geregelten Angelegenheiten (Erklärung nach Artikel 5 Absatz 1 der Anlage IX des Übereinkommens und Artikel 4 Absatz 4 des Durchführungsübereinkommens) Nach Artikel 5 Absatz 1 der Anlage IX des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen muß die Urkunde der förmlichen Bestätigung einer internationalen Organisation eine Erklärung enthalten, in der die durch das Übereinkommen geregelten Angelegenheiten im Einzelnen aufgeführt sind, für die der Organisation von ihren Mitgliedstaaten, die Vertragsstaaten sind, Zuständigkeit übertragen worden ist1. Nach Artikel 4 Absatz 4 des Übereinkommens zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 19822 erfolgt die förmliche Bestätigung durch eine internationale Organisation nach Anlage IX des Übereinkommens. Die Europäischen Gemeinschaften wurden mit den Verträgen von Paris (EGKS) und Rom (EWG und Euratom), die am 18. April 1951 bzw. am 25. März 1957 unterzeichnet wurden, gegründet. Nach der Ratifikation durch die Unterzeichnerstaaten traten diese Verträge am 25. Juli 1952 und am 1. Januar 1958 in Kraft. Sie wurden geändert durch den am 7. Februar 1992 in Maastricht unterzeichneten und nach der Ratifikation durch die Unterzeichnerstaaten am 1. November 1993 in Kraft getretenen Vertrag über die Europäische Union und zuletzt durch den am 24. Juni 1994 in Korfu unterzeichneten und am 1. Januar 1995 in Kraft getretenen Beitrittsvertrag3. 1
Nach Artikel 2 der Anlage IX wurde eine solche Erklärung bereits bei der Unterzeichnung des Übereinkommens durch die Gemeinschaft abgegeben. In dieser Erklärung werden die durch das Übereinkommen geregelten Angelegenheiten aufgeführt, in denen der Gemeinschaft von ihren Mitgliedstaaten Zuständigkeit übertragen worden ist. 2 Von der Gemeinschaft am 29. Juli 1994 unterzeichnet und von ihr ab dem 16. November 1994 vorläufig angewendet. 3 Der Pariser Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) wurde beim Sekretariat der Vereinten Nationen am 15. März 1957 unter der Nr. 3729 registriert; die Römischen Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) wurden am 21. April bzw. am 24. April 1958 unter den Nrn. 4300 und
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Mitglieder der Gemeinschaften sind zur Zeit: das Königreich Belgien, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Griechische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, Irland, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Portugiesische Republik, die Republik Finnland, das Königreich Schweden und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und das Übereinkommen zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens gelten in den der Europäischen Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeitsbereichen für die Gebiete, in denen der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft angewendet wird, und nach Maßgabe jenes Vertrags, insbesondere Artikel 227. Diese Erklärung gilt nicht für die Gebiete der Mitgliedstaaten, in denen der Vertrag nicht angewendet wird, und sie gilt unbeschadet der Maßnahmen oder Positionen, die die betreffenden Mitgliedstaaten für diese Gebiete in deren Interesse im Rahmen des Übereinkommens und des Durchführungsübereinkommens treffen bzw. vertreten können. In dieser Erklärung werden gemäß den obengenannten Bestimmungen die Zuständigkeiten aufgeführt, die die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft nach Maßgabe dieser Verträge in den durch das Übereinkommen und das Durchführungsübereinkommen geregelten Angelegenheiten übertragen haben. Umfang und Ausübung der Gemeinschaftszuständigkeiten unterliegen naturgemäß einer ständigen Entwicklung, und die Gemeinschaft wird diese Erklärung daher bei Bedarf nach Artikel 5 Absatz 4 der Anlage IX des Übereinkommens ergänzen oder ändern. Die Gemeinschaft besitzt bei einigen Angelegenheiten ausschließliche Zuständigkeit, während sie sich bei anderen Angelegenheiten die Zuständigkeit mit ihren Mitgliedstaaten teilt. 1. Angelegenheiten der ausschließlichen Zuständigkeit der Gemeinschaft – Die Gemeinschaft erklärt, daß ihre Mitgliedstaaten ihr die Zuständigkeit für die Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen der Seefischerei übertragen haben. Aufgrund dessen ist sie befugt, in diesem Bereich einschlägige Vorschriften zu erlassen (die die Mitgliedstaaten anwenden) und im Rahmen ihrer Zuständigkeit gegenüber Drittländern oder den zuständigen internationalen Organisationen vertragliche Verpflichtungen einzugehen. Diese Zuständigkeit erstreckt sich auf die nationalen Hoheitsgewässer und auf die Hohe See. Die Ausübung der Hoheitsgewalt über die Schiffe, die Zuweisung der Flagge, die Registrierung der Schiffe und die Verhängung straf- und verwaltungsrechtlicher Sanktionen bleibt jedoch in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten unter Einhaltung des Gemeinschaftsrechts. Dieses sieht ebenfalls verwaltungsrechtliche Sanktionen vor. 4301 registriert. Der Vertrag über die Europäische Union wurde am 28. Dezember 1993 unter der Nr. 30615 registriert. Der Beitrittsvertrag vom 24. Juni 1994 wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 241 vom 29. August 1994 veröffentlicht.
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– Aufgrund ihrer Befugnisse im Bereich der Handels- und Zollpolitik besitzt die Gemeinschaft die Zuständigkeit für die den internationalen Handel betreffenden Bestimmungen der Teile X und XI des Übereinkommens sowie des Durchführungsübereinkommens vom 28. Juli 1994.
2. Angelegenheiten, in denen sich die Gemeinschaft die Zuständigkeit mit ihren Mitgliedstaaten teilt – Bezüglich der Fischerei ist die Zuständigkeit für eine Reihe von Bereichen, die nicht unmittelbar mit der Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen der Seefischerei zusammenhängen, geteilt, beispielsweise für die Forschung, die technologische Entwicklung und die Entwicklungszusammenarbeit. – Bezüglich der Bestimmungen über den Seeverkehr und die Sicherheit des Seeverkehrs sowie über die Verhütung der Meeresverschmutzung, die unter anderem in den Teilen II, III, V, VII und XII des Übereinkommens enthalten sind, besitzt die Gemeinschaft nur insofern ausschließliche Zuständigkeit, als die entsprechenden Bestimmungen des Übereinkommens oder die aufgrund des Übereinkommens erlassenen Rechtsvorschriften bestehende Gemeinschaftsvorschriften berühren. Bestehen Gemeinschaftsvorschriften und bleiben diese unberührt, insbesondere bei Gemeinschaftsvorschriften, die lediglich Mindeststandards festlegen, besitzen die Mitgliedstaaten Zuständigkeit, und zwar unbeschadet der Zuständigkeit der Gemeinschaft, in diesem Bereich tätig zu werden. In den übrigen Fällen bleiben die Mitgliedstaaten zuständig. Eine Liste der einschlägigen Rechtsakte der Gemeinschaft ist in der Anlage enthalten. Die sich aus diesen Rechtsakten ergebende Zuständigkeit der Gemeinschaft ist aufgrund des genauen Inhalts der einzelnen Maßnahme und insbesondere danach zu beurteilen, inwieweit darin gemeinsame Regeln festgelegt werden. – In den unter die Teile XIII und XIV des Übereinkommens fallenden Bereichen bezieht sich die Zuständigkeit der Gemeinschaft hauptsächlich auf die Förderung der Zusammenarbeit mit Drittländern und internationalen Organisationen auf dem Gebiet der Forschung und technologischen Entwicklung. Die Maßnahmen der Gemeinschaft in diesem Bereich ergänzen die Maßnahmen der Mitgliedstaaten. Diese Zuständigkeit wird durch die Annahme der in der Anlage aufgeführten Programme ausgeübt. 3. Mögliche Auswirkungen anderer Gemeinschaftspolitiken – Darüber hinaus ist auf die Politiken und Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Kontrolle unlauterer Wirtschaftspraktiken, des öffentlichen Auftragswesens, der Industriepolitik sowie der Entwicklungszusammenarbeit hinzuweisen. Diese Gemeinschaftspolitiken können für das Übereinkommen und das Durchführungsübereinkommen von Bedeutung sein, insbesondere in bezug auf Bestimmungen der Teile VI und XI des Übereinkommens.
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Erklärung über die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft in Fragen des Übereinkommens zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und weit wandernden Fischbeständen (Erklärung gemäß Artikel 47 des Übereinkommens) 1. Gemäß Artikel 47 Absatz 1 des Übereinkommens zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und weit wandernden Fischbeständen gilt in Fällen, in denen eine in Anhang IX Artikel 1 des Seerechtsübereinkommens genannte internationale Organisation nicht für alle unter das Durchführungsübereinkommen fallenden Fragen zuständig ist, für die Teilnahme einer solchen internationalen Organisation am Durchführungsübereinkommen der Anhang IX des Seerechtsübereinkommens (mit Ausnahme von Artikel 2 Satz 1 und Artikel 3 Absatz 1) entsprechend. 2. Mitglieder der Gemeinschaft sind derzeit das Königreich Belgien, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Griechische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, Irland, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Portugiesische Republik, die Republik Finnland, das Königreich Schweden und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland. 3. Das Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und weit wandernden Fischbeständen gilt, was die der Europäischen Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten anbelangt, für die Gebiete, in denen der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft angewendet wird, und nach Maßgabe der in diesem Vertrag, insbesondere in Artikel 227, niedergelegten Bedingungen. 4. Diese Erklärung gilt nicht für die Gebiete der Mitgliedstaaten, in denen der genannte Vertrag keine Anwendung findet, und unbeschadet der Maßnahmen oder Standpunkte, die im Rahmen des Übereinkommens von den betreffenden Mitgliedstaaten im Namen dieser Gebiete oder in deren Interesse ergriffen bzw. eingenommen werden können.
I. Fragen, für die die Gemeinschaft ausschließlich zuständig ist 5. Die Gemeinschaft weist darauf hin, daß ihre Mitgliedstaaten ihr die Zuständigkeit für die Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden Meeresressourcen übertragen haben. Damit hat in diesem Bereich die Gemeinschaft die sachdienlichen Regeln und Vorschriften festzulegen (die dann von den Mitgliedstaaten zur Anwendung gebracht werden) sowie Verpflichtungen gegenüber dritten Staaten oder den einschlägigen Organisationen einzugehen. Diese Zuständigkeit erstreckt sich
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auf die der einzelstaatlichen Fischereigerichtsbarkeit unterliegenden Gewässer und auf die Hochsee. 6. Die Gemeinschaft hat die nach internationalem Recht dem Flaggenstaat eines Fischereifahrzeugs zustehende Zuständigkeit dafür, die Maßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Meeresressourcen festzulegen, denen die Fischereifahrzeuge unter der Flagge der Mitgliedstaaten unterliegen, und sicherzustellen, daß die Mitgliedstaaten Vorkehrungen zur Durchsetzung dieser Maßnahmen treffen. 7. Allerdings fallen Maßnahmen, die sich auf die Kapitäne und Offiziere auf Fischereifahrzeugen beziehen, z. B. Verweigerung, Entzug oder Aussetzung der Arbeitserlaubnis, in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, wobei jeweils die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften gelten. Maßnahmen im Zusammenhang mit der Ausübung der Hoheitsgewalt des Flaggenmitgliedstaats über seine Schiffe auf hoher See, insbesondere die Bestimmungen betreffend die Übernahme der Kontrolle über Fischereifahrzeuge durch andere Staaten als den Flaggenstaat bzw. die erneute Übergabe der Kontrolle an diesen sowie die internationale Zusammenarbeit bei der Durchsetzung und die Wiederausübung der Kontrolle über die eigenen Fischereifahrzeuge, fallen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, wobei diese die Gemeinschaftsvorschriften einzuhalten haben. II. Fragen, für die sowohl die Gemeinschaft als auch ihre Mitgliedstaaten zuständig sind 8. Die Gemeinschaft teilt mit ihren Mitgliedstaaten die Zuständigkeit in folgenden Fragen dieses Übereinkommens: Bedürfnisse der Entwicklungsländer, wissenschaftliche Forschung, Hafenstaatmaßnahmen und Maßnahmen in bezug auf Staaten, die nicht Mitglied regionaler Fischereiorganisationen und nicht Vertragspartei dieses Übereinkommens sind. Die folgenden Bestimmungen des Übereinkommens wenden sich sowohl an die Gemeinschaft als auch an ihre Mitgliedstaaten: – allgemeine Bestimmungen: (Artikel 1, 4 und 34 bis 50), – Streitbeilegung: (Teil VIII).
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Rechtsprechung
Rs. 181/73, Urteil vom 30. April 1974, R. und V. Haegeman/Belgischer Staat, Slg. 1974, 449 Rs. 38/75, Urteil vom 19. November 1975, Zollagent der NV Nederlandse Spoorwegen/Inspektor der Einfuhrzölle und Verbrauchssteuern, Slg. 1975, 1439 Rs. 87/75, Urteil vom 5. Februar 1976, Conceria Daniele Bresciani/Italienische Finanzverwaltung, Slg. 1976, 129 Gutachten 1/76 vom 26. April 1977, Slg. 1977, 741 Verb. Rsen. 3, 4, 6/76, Urteil vom 14. Juli 1976, Cornelis Kramer u. a., Slg. 1976, 1279 Rs. 61/77, Urteil vom 16. Februar 1978, Kommission/Irland, Slg. 1978, 417 Rs. 88/77, Urteil vom 16. Februar 1978, Fischereiminister/CA Schonenberg u. a., Slg. 1978, 473 Beschluss 1/78 vom 14. November 1978, Slg. 1978, 2151 Rs. 141/78, Urteil vom 4. Oktober 1979, Frankreich/Vereinigtes Königreich, Slg. 1979, 2923 Verb. Rsen. 185-204/78, Urteil vom 3. Juli 1979, J. Van Dam en Zonen u. a., Slg. 1979, 2345 Rs. 32/79, Urteil vom 10. Juni 1980, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1980, 2403 Rs. 804/79, Urteil vom 5. Mai 1981, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1981, 1045 Rs. 812/79, Urteil vom 14. Oktober 1980, Strafverfahren gegen Juan C. Burgoa, Slg. 1980, 2787 Rs. 8/81, Urteil vom 19. Januar 1982, Ursula Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt, Slg. 1982, 53 Rs. 15/81, Urteil vom 5. Mai 1982, Gaston Schul douane Expediteur B.V./Inspecteur der invoerrechten en accijnzen Roosendaal, Slg. 1982, 1409 Rs. 104/81, Urteil vom 26. Oktober 1982, Hauptzollamt Mainz/C. A. Kupferberg und Cie KG AA., Slg. 1982, 3641 Rs. 258/81, Urteil vom 9. Dezember 1982, Metallurgiki Halyps S.A./Kommission, Slg. 1982, 4261 Verb. Rsen. 267-269/81, Urteil vom 16. März 1983, Amministrazione del Tesoro dello Stato/Societa Petrolifera Italiana SPA (SPI) und SPA Michelin Italiana (SAMI), Slg. 1983, 801 Verb. Rsen. 205-215/82, Urteil vom 21. September 1983, Deutsche Milchkontor GmbH u. a./Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1983, 2633 Rs. 13/83, Urteil vom 22. Mai 1985, Parlament/Rat, Slg. 1985, 1513 Rs. 37/83, Urteil vom 29. Februar 1984, Firma Rewe-Zentrale AG/Direktor der Landwirtschaftskammer Rheinland, Slg. 1987, 1229 Rs. 58/83, Urteil vom 10. Mai 1984, Kommission/Griechenland, Slg. 1984, 2027
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Rs. 121/83, Urteil vom 15. Mai 1984, Zuckerfabrik Franken GmbH/Hauptzollamt Würzburg, Slg. 1984, 2039 Rs. 294/83, Urteil vom 23. April 1986, Parti écologiste „Les Verts“/Parlament, Slg. 1986, 1339 Rs. 314/85, Urteil vom 22. Oktober 1987, Foto-Frost/Hauptzollamt Lübeck-Ost, Slg. 1987, 4199 Rs. 12/86, Urteil vom 30. September 1987, Meryem Demirel/Stadt Schwäbisch Gmünd, Slg. 1987, 3719 Rs. 45/86, Urteil vom 26. März 1987, Kommission/Rat, Slg. 1987, 1493 Rs. 46/86, Urteil vom 16. Juni 1987, Albert Romkes/Officier van Justitie, Slg. 1987, 2671 Rs. 68/86, Urteil vom 23. Februar 1988, Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1988, 855 Rs. 131/86, Urteil vom 23. Februar 1988, Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1988, 905 Rs. 165/87, Urteil vom 27. September 1988, Kommission/Rat, Slg. 1988, 5545 Rs. 216/87, Urteil vom 14. Dezember 1989, The Queen/Ministry of Agriculture, Fisheries and Food, ex parte Jaderow Ltd. u. a., Slg. 1989, 4509 Rs. 2/88-IMM, Urteil vom 6. Dezember 1990, Strafverfahren gegen J. J. Zwartveld u. a., Slg. 1990, I-4405 Rs. 30/88, Urteil vom 14. November 1989, Griechenland/Kommission, Slg. 1989, 3711 Rs. C-131/88, Urteil vom 28. Februar 1991, Kommission/Deutschland, Slg. 1991, I-825 Verb. Rsen. C-143/88 und C-92/89, Urteil vom 21. Februar 1991, Zuckerfabrik Süderdithmarschen AG und Zuckerfabrik Soest GmbH/Hauptzollamt Itzehoe und Hauptzollamt Paderborn, Slg. 1991, I-415 Rs. C-69/89, Urteil vom 7. Mai 1991, Nakajima All Precision Co Ltd./Rat, Slg. 1991, I-2069 Rs. C-182/89, Urteil vom 29. November 1990, Kommission/Frankreich, Slg. 1990, I-4337 Rs. C-192/89, Urteil vom 20. September 1990, S. Z. Sevince/Staatssecretaris Van Justitie, Slg. 1990, I-3461 Rs. C-300/89, Urteil vom 11. Juni 1991, Kommission/Rat, Slg. 1991, I-2867 Rs. C-355/90, Urteil vom 2. August 1993, Kommission/Spanien, Slg. 1993, I-4221 Gutachten 1/91 vom 14. Dezember 1991, Slg. 1991, I-6079 Gutachten 2/91 vom 19. März 1993, Slg. 1993, I-1061 Rs. C-155/91, Urteil vom 17. März 1993, Kommission/Rat, Slg. 1993, I-939 Gutachten 2/92 vom 24. März 1995, Slg. 1995, I-521
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Rs. C-137/92 P, Urteil vom 15. Juni 1994, Kommission/BASF AG u. a., Slg. 1994, I-2555 Rs. C-398/92, Urteil vom 10. Februar 1994, Mund & Fester/Hatrex Internationaal Transport, Slg. 1994, I-467 Rs. C-405/92, Urteil vom 24. November 1993, Etablissements Armand Mondiet SA/Armement Islais SARL., Slg. 1993, I-6133 Rs. C-431/92, Urteil vom 11. August 1995, Kommission/Deutschland, Slg. 1995, I-2189 Rs. C-187/93, Urteil vom 28. Juni 1994, Parlament/Rat, Slg. 1994, I-2857 Rs. C-280/93, Urteil vom 5. Oktober 1994, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973 Rs. C-392/93, Urteil vom 26. März 1996, The Queen/H.M. Treasury, ex parte British Telecommunications plc, Slg. 1996, I-1631 Gutachten 1/94 vom 15. November 1994, Slg. 1994, I-5267 Gutachten 2/94 vom 28. März 1996, Slg. 1996, I-1759 Rs. C-25/94, Urteil vom 19. März 1996, Kommission/Rat, Slg. 1996, I-1469 Rs. C-61/94, Urteil vom 10. September 1996, Kommission/Deutschland, Slg. 1996, I-3989 Rs. C-202/94, Urteil vom 8. Februar 1996, Strafverfahren gegen Godefridus van der Feesten, Slg. 1996, I-355 Rs. C-268/94, Urteil vom 3. Dezember 1996, Portugal/Rat, Slg. 1996, I-6177 Rs. C-277/94, Urteil vom 10. September 1996, Z. Taflan-Met, S. Altun-Baser, E. Andal-Bugdayci/Bestuur van de Sociale Verzekeringsbank und O. Akol/Bestuur van de Nieuwe Algemene Bedrijfsvereniging, Slg. 1996, I-4085 Rs. C-44/95, Urteil vom 11. Juli 1996, Regina/Secretary of State for the Environment, ex parte: Royal Society for the Protection of Birds, Slg. 1996, I-3805 Rs. C-142/95 P, Urteil vom 12. Dezember 1996, Associazione agricoltori della provincia di Rovigo, Associazione polesana coltivatori diretti di Rovigo, Consorzio cooperative pescatori del Polesine und Cirillo Brena/Kommission, Mauro Girello und Greguoldo Daniele, Slg. 1996, I-6669 Rs. C-265/95, Urteil vom 9. Dezember 1997, Kommission/Frankreich, Slg. 1997, I6959 Rs. C-341/95, Urteil vom 14. Juli 1998, Gianni Bettati/Safety Hi-Tech Srl., Slg. 1998, I-4355 Rs. C-3/96, Urteil vom 19. Mai 1998, Kommission/Niederlande, Slg. 1998, I-3031 Rs. C-53/96, Urteil vom 16. Juni 1998, Hermès International/FHT Marketing Choice BV, Slg. 1998, I-3603 Rs. C-129/96, Urteil vom 18. Dezember 1997, Inter-Environnement Wallonie ASBL/Région wallonne, Slg. 1997, I-7411 Rs. C-149/96, Urteil vom 23. November 1999, Portugal/Rat, Slg. 1999, I-8395
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Rs. C-157/96, Urteil vom 5. Mai 1998, The Queen/Ministry of Agriculture, Fisheries and Food, Commissioners of Customs & Excise, ex parte National Farmers’ Union u. a., Slg. 1998, I-2211 Rs. 162/96, Urteil vom 16. Juni 1998, A. Racke GmbH & Co./Hauptzollamt Mainz, Slg. 1998, I-3655 Rs. C-180/96, Urteil vom 5. Mai 1998, Vereinigtes Königreich/Kommission, Slg. 1998, I-2265 Rs. C-42/97, Urteil vom 23. Februar 1999, Parlament/Rat, Slg. 1999, I-869 Rs. C-83/97, Urteil vom 11. Dezember 1997, Kommission/Deutschland, Slg. 1997, I-7191 Rs. C-126/97, Urteil vom 1. Juni 1999, Eco Swiss China Time Ltd./Benetton International NV., Slg. 1999, I-3055 Verb. Rsen. C-164, 165/97, Urteil vom 25. Februar 1999, Parlament/Rat, Slg. 1999, I-1139 Rs. C-269/97, Urteil vom 4. April 2000, Kommission/Rat, Slg. 2000, I-2257 Rs. C-293/97, Urteil vom 29. April 1999, The Queen/Secretary of State for the Environment und Ministry of Agriculture, Fisheries and Food, ex parte H. A. Standley u. a., Slg. 1999, I-2603 Rs. C-36/98, Urteil vom 30. Januar 2001, Spanien/Rat, Slg. 2001, I-779 Verb. Rsen. C-300/98 und 392/98, Urteil vom 14. Dezember 2000, Parfums Christian Dior SA/TUK Consultancy BV und Assco Gerüste GmbH und Rob van Dijk/Wilhelm Layher GmbH & Co. KG und Layher BV, Slg. 2000, I-11307 Rs. C-371/98, Urteil vom 7. November 2000, The Queen/Secretary of State for the Environment, Transport and the Regions, ex parte First Corporate Shipping Ltd., Slg. 2000, I-9235 Rs. C-376/98, Urteil vom 5. Oktober 2000, Deutschland/Parlament und Rat, Slg. 2000, I-8419 Rs. C-475/98, Urteil vom 5. November 2002, Kommission/Österreich, Slg. 2002, I-9797 Rs. C-476/98, Urteil vom 5. November 2002, Kommission/Deutschland, Slg. 2002, I-9855 Rs. C-67/99, Urteil vom 11. September 2001, Kommission/Irland, Slg. 2001, I-5757 Rs. C-71/99, Urteil vom 11. September 2001, Kommission/Deutschland, Slg. 2001, I-5811 Rs. C-89/99, Urteil vom 13. September 2001, Schieving-Nijstad vof u. a./Robert Groeneveld, Slg. 2001, I-5851 Rs. C-220/99, Urteil vom 11. September 2001, Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I-5831 Rs. C-333/99, Urteil vom 1. Februar 2001, Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I-1025 Rs. C-510/99, Urteil vom 23. Oktober 2001, Strafverfahren gegen Xavier Tridon, Slg. 2001, I-7777
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Rs. C-103/00, Urteil vom 30. Januar 2002, Kommission/Griechenland, Slg. 2002, I1147 Rs. C-161/00, Urteil vom 14. März 2002, Kommission/Deutschland, Slg. 2002, I2753 Rs. C-189/01, Urteil vom 12. Juli 2001, H. Jippes, Afdeling Groningen van de Nederlandse Vereniging tot Bescherming van Dieren und Afdeling Assen en omstreken van de Nederlandse Vereniging tot Bescherming van Dieren/Minister van Landbouw, Natuurbeheer en Visserij, Slg. 2001, I-5689 Europäisches Gericht erster Instanz (EuG) Rs. T-115/94, Urteil vom 22. Januar 1997, Opel Austria GmbH/Rat, Slg. 1997, II-39 Nationale Gerichte Bundesrepublik Deutschland BVerfG, Beschluss vom 7. April 1965 – 2 BvR 227/64 – E 18, 441 BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 – 1 BvR 424/71 und 325/72 – E 35, 79 BVerfG, Urteil vom 25. Februar 1975 – 1 BvF 1, 2, 3, 4, 5, 6/74 – E 39, 1 BVerfG, Beschluss vom 1. März 1978 – 1 BvR 333/75 und 174, 178, 191/71 – E 47, 327 BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 1979 – 1 BvR 385/77 – E 53, 30 BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1987 – 2 BvR 624, 1080, 2029/83 – E 77, 170 BVerfG, Urteil vom 12. Oktober 1993 – 2 BvR 2134, 2159/92 – E 89, 155 BVerfG, Urteil vom 10. Januar 1995 – 1 BvF 1/90, 1 BvR 342, 348/90 – E 92, 26 BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1998 – 4 A 9.97 – E 107, 1 BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2000 – 4 C 2.99 – E 110, 302 BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2000 – 4 A 18.99 – E 112, 140 BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002 – 4 A 15.01 – DVBl. 117 (2002), S. 990 OVG Hamburg, Beschluss vom 17. April 1991 – 2b Ss 40/91 OWi – NuR 13 (1991), S. 388 Vereinigtes Königreich Addison v. Denholm Ship Management (UK) Limited, Scotland Employment Appeal Tribunal, 10 February 1997: [1997] ICR 770 The Queen v. The Secretary of State for Trade and Industry ex parte Greenpeace Limited, High Court, Queen’s Bench Division (CO/1336/1999), 5 November 1999: 120 ILR 617; http://www.uct.ac.za/depts/pbl/jgibson/iczm/cases/greenp. htm
Verzeichnis der verwendeten Verträge Vertrag zur Abschaffung der Sund- und Beltzölle vom 14. März 1857: Max Fleischmann (Hrsg.), Völkerrechtsquellen, 1905, S. 58 Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945: BGBl. 1973 II, S. 431 Statut des Internationalen Gerichtshofs vom 26. Juni 1945: BGBl. 1973 II, S. 505 Internationales Übereinkommen zur Regelung des Walfangs vom 2. Dezember 1946: BGBl. 1982 II, S. 559; Protokoll vom 19. Dezember 1956: BGBl. 1982 II, S. 564 Übereinkommen über die Zwischenstaatliche Beratende Seeschiffahrts-Organisation vom 6. März 1948: BGBl. 1965 II, S. 313; ersetzt durch Übereinkommen über die Internationale Seeschiffahrts-Organisation vom 15. November 1979: BGBl. 1982 II, S. 873 Satzung des Europarates vom 5. Mai 1949: BGBl. 1950 II, S. 263; aktuelle Fassung in BGBl. 1997 II, S. 159 Übereinkommen zur Errichtung der Allgemeinen Kommission für die Fischerei im Mittelmeer vom 24. September 1949: ABl. EG 1998, Nr. L 190, S. 36 Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951: BGBl. 1952 II, S. 447; letzte Änd. vom 2. Oktober 1997: BGBl. 1998 II, S. 387 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. März 1957: BGBl. 1957 II, S. 766; letzte Änd. vom 26. Februar 2001: BGBl. 2001 II, S. 1671 Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) vom 25. März 1957: BGBl. 1957 II, S. 1014; letzte Änd. vom 26. Februar 2001: BGBl. 2001 II, S. 1678 Genfer Übereinkommen über die Fischerei und die Erhaltung der biologischen Reichtümer der Hohen See vom 29. April 1958: 499 UNTS 311 Internationales Freibord-Übereinkommen vom 5. April 1966: BGBl. 1969 II, S. 249 Internationale Konvention zur Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik vom 14. Mai 1966: 673 UNTS 63 (Wiener) Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969: BGBl. 1985 II, S. 927 Internationales Übereinkommen vom 29. November 1969 über Maßnahmen auf Hoher See bei Ölverschmutzungsunfällen: BGBl. 1975 II, S. 137; Protokoll vom 2. November 1973: BGBl. 1985 II, S. 593 Internationales Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden vom 29. November 1969: BGBl. 1975 II, S. 305; Protokoll vom
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Verträge
25. Mai 1984: BGBl. 1988 II, S. 705, 824; Protokoll vom 27. November 1992: BGBl. 1994 II, S. 1152; Neufassung in BGBl. 1996 II, S. 670 Übereinkommen über Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Wattenvögel von internationaler Bedeutung, vom 2. Februar 1971: BGBl. 1976 II, S. 1265 Internationales Übereinkommen über die Errichtung eines Internationalen Fonds zur Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden vom 18. Dezember 1971: BGBl. 1975 II, S. 320; Neufassung in BGBl. 1996 II, S. 685 (Osloer) Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen durch Schiffe und Luftfahrzeuge vom 15. Februar 1972: BGBl. 1977 II, S. 165; Protokoll vom 2. März 1983: BGBl. 1986 II, S. 998; Protokoll vom 5. Dezember 1989: BGBl. 1994 II, S. 1355; außer Kraft mit In-Kraft-Treten des Übereinkommens zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks vom 22. September 1992 am 25. März 1998 (Londoner) Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen vom 29. Dezember 1972: BGBl. 1977 II, S. 180; Änd. vom 12. Oktober 1978: BGBl. 1987 II, S. 118; Protokoll vom 7. November 1996: ILM 36 (1997), 7 (Washingtoner) Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen vom 3. März 1973: BGBl. 1975 II, S. 777 Konvention vom 13. September 1973 über die Fischerei und den Schutz der lebenden Ressourcen in der Ostsee und den Belten: BGBl. 1976 II, S. 1542 Internationales Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe vom 2. November 1973: BGBl. 1982 II, S. 4; Protokoll vom 17. Februar 1978: BGBl. 1984 II, S. 230 (Pariser) Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung vom Lande aus vom 21. Februar 1974: BGBl. 1981 II, S. 870; außer Kraft mit In-Kraft-Treten des Übereinkommens zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks vom 22. September 1992 am 25. März 1998 Internationales Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See vom 1. November 1974: BGBl. 1979 II, S. 141; Protokoll vom 17. Februar 1978: BGBl. 1980 II, S. 526; Protokoll vom 11. November 1988: BGBl. 1994 II, S. 2458 Übereinkommen zum Schutz des Mittelmeers vor Verschmutzung vom 16. Februar 1976: ILM 15 (1976), 290; Protokoll über die besonderen Schutzgebiete und die biologische Vielfalt des Mittelmeers vom 10. Juni 1995: ABl. EG 1999, Nr. L 322, S. 3 Übereinkommen über Mindestnormen auf Handelsschiffen vom 29. Oktober 1976: BGBl. 1980 II, S. 608 Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen vom 19. November 1976: BGBl. 1986 II, S. 786 Übereinkommen über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordwestatlantik vom 24. Oktober 1978: 1135 UNTS 369
Verträge
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Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten vom 23. Juni 1979: BGBl. 1984 II, S. 571 Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume vom 19. September 1979: BGBl. 1984 II, S. 618 Übereinkommen über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis vom 20. Mai 1980: BGBl. 1982 II, 420 Übereinkommen über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordostatlantik vom 18. November 1980: 1285 UNTS 129 Übereinkommen zur Lachserhaltung im Nordatlantik vom 2. März 1982: ABl. EG 1982, Nr. L 378, S. 25 Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982: BGBl. 1994 II, S. 1799 Übereinkommen über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Verschmutzung der Nordsee durch Öl und andere Schadstoffe vom 13. September 1983: BGBl. 1990 II, S. 71 Vertrag zur Änderung der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften bezüglich Grönlands vom 13. März 1984: ABl. EG 1985, Nr. L 29, S. 1 Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einerseits und der Regierung Dänemarks und der örtlichen Regierung Grönlands andererseits vom 13. März 1984: ABl. EG 1985 Nr. L 29, S. 9 (Wiener) Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen vom 21. März 1986: BGBl. 1990 II, S. 1414 Übereinkommen über die Zusammenarbeit beim Schutz der Küsten und Gewässer des Nordostatlantiks vor Verschmutzung vom 17. Oktober 1990: ILM 30 (1991), 1231 Internationales Übereinkommen über Vorsorge, Bekämpfung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Ölverschmutzung vom 30. November 1990: BGBl. 1994 II, S. 3799 Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992: BGBl. 1992 II, S. 1253; letzte Änd. vom 26. Februar 2001: BGBl. 2001 II, S. 1668 Übereinkommen über die Kooperation bezüglich Forschung, Erhaltung und Bewirtschaftung der Meeressäugetiere im Nordatlantik vom 9. April 1992: http:// www.nammco.no/Agreement.htm Übereinkommen von 1992 über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets vom 9. April 1992: BGBl. 1994 II, S. 1397 Übereinkommen über die biologische Vielfalt vom 5. Juni 1992: BGBl. 1993 II, S. 1742 Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks vom 22. September 1992: BGBl. 1994 II, S. 1360
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Verträge
Übereinkommen zur Förderung der Einhaltung internationaler Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen auf Hoher See vom 23. November 1993: ILM 33 (1994), 969 Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation vom 15. April 1994: BGBl. 1994 II, S. 1625 Übereinkommen zur Durchführung des Teiles XI des Seerechts-Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 vom 28. Juli 1994: BGBl. 1994 II, S. 2566 Kanadisch-europäisches Fischereiabkommen vom 20. April 1995: ILM 34 (1995), 1260 Übereinkommen zur Einsetzung der Thunfischkommission für den Indischen Ozean (ohne Datum): ABl. EG 1995, Nr. L 236, S. 25 Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und weit wandernden Fischbeständen vom 4. Dezember 1995: BGBl. 2000 II, S. 1023 International Convention on Liability and Compensation for Damage in Connection with the Carriage of Hazardous and Noxious Substances vom 3. Mai 1996: ILM 35 (1996), 1415 Übereinkommen über die Erhaltung der Wale des Schwarzen Meeres, des Mittelmeeres und der anschließenden Atlantikgebiete vom 24. November 1996: ILM 36 (1997), 777 Übereinkommen zum internationalen Delphinschutzprogramm vom 15. Mai 1998: ABl. EG 1999, Nr. L 132, 3 Übereinkommen über die Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen im Südostatlantik vom 20. April 2001: ILM 41 (2002), 257; ABl. EG 2002, Nr. L 234, S. 40
Verzeichnis der verwendeten supranationalen Rechtsakte Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle: ABl. EG 1975, Nr. L 194, S. 39; letzte Änd. in ABl. EG 1996, Nr. L 135, S. 32 Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der Badegewässer: ABl. EG 1976, Nr. L 31, S. 1; letzte Änd. in ABl. EG 1994, Nr. L 241, S. 170 Verordnung (EWG) Nr. 101/76 des Rates vom 19. Januar 1976 über die Einführung einer gemeinsamen Strukturpolitik für die Fischwirtschaft: ABl. EG 1976, Nr. L 20, S. 19 (nicht mehr in Kraft) Richtlinie 76/464/EWG des Rates vom 4. Mai 1976 betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft: ABl. EG Nr. L 129 S. 23; letzte Änd. in ABl. EG 2000, Nr. L 327, S. 1 Richtlinie 76/769/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen: ABl. EG 1976, Nr. L 262, S. 201; letzte Änd. in ABl. EG 2003, Nr. L 42, S. 45 Entschließung des Rates vom 3. November 1976 über bestimmte externe Aspekte der Schaffung einer 200-Meilen-Fischereizone in der Gemeinschaft ab 1. Januar 1977: ABl. EG 1981, Nr. C 105, S. 1 Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen: ABl. EG 1977, Nr. L 61, S. 26 (nicht mehr in Kraft) Beschluss 77/585/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 über den Abschluss des Übereinkommens zum Schutz des Mittelmeers vor Verschmutzung sowie des Protokolls zur Verhütung der Verschmutzung des Mittelmeers durch das Einbringen durch Schiffe und Luftfahrzeuge: ABl. EG 1977, Nr. L 240, S. 1 Entschließung des Rates vom 26. Juni 1978 zur Erstellung eines Aktionsprogramms der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der Überwachung und Verringerung der Ölverschmutzung des Meeres: ABl. EG 1978, Nr. C 162, S. 1 Verordnung (EWG) Nr. 3179/78 des Rates vom 28. Dezember 1978 über den Abschluss des Übereinkommens über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordwestatlantik durch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft: ABl. EG 1978, Nr. L 378, S. 1
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Rechtsakte
Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten: ABl. EG 1979, Nr. L 103, S. 1; letzte Änd. in ABl. EG 1997, Nr. L 223, S. 9 Verordnung (EWG) Nr. 348/81 des Rates vom 20. Januar 1981 über eine gemeinsame Regelung für die Einfuhr von Walerzeugnissen: ABl. EG 1981, Nr. L 39, S. 1 Beschluss 81/462/EWG des Rates vom 11. Juni 1981 über den Abschluss des Übereinkommens über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung: ABl. EG 1981, Nr. L 171, S. 11 Beschluss 81/608/EWG des Rates vom 13. Juli 1981 über den Abschluss des Übereinkommens über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordostatlantik: ABl. EG 1981, Nr. L 227, S. 21 Beschluss 81/691/EWG des Rates vom 4. September 1981 über den Abschluss des Übereinkommens über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis: ABl. EG 1981, Nr. L 252, S. 26 Beschluss 82/72/EWG des Rates vom 3. Dezember 1981 über den Abschluss des Übereinkommens zur Erhaltung der europäischen freilebenden Tiere und wildwachsenden Pflanzen und ihrer natürlichen Lebensräume: ABl. EG 1992, Nr. L 38, S. 1 Verordnung 3626/82/EWG des Rates vom 3. Dezember 1982 zur Anwendung des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen in der Gemeinschaft: ABl. EG 1982, Nr. L 384, S. 1 Beschluss 82/886/EWG vom 13. Dezember 1982 zum Abschluss des Übereinkommens zur Lachserhaltung im Nordatlantik: ABl. EG 1982, Nr. L 378, S. 24 Verordnung (EWG) Nr. 170/83 des Rates vom 25. Januar 1983 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Regelung für die Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen: ABl. EG 1983, Nr. L 24, S. 1 (nicht mehr in Kraft) Verordnung (EWG) Nr. 172/83 vom 25. Januar 1983 zur Festlegung der zulässigen Gesamtfangmenge und des für die Gemeinschaft verfügbaren Anteils, der Aufteilung dieses Anteils auf die Mitgliedstaaten sowie der Fangbedingungen bei der Ausübung der Fischerei hinsichtlich der zulässigen Gesamtfangmengen für bestimmte Fischbestände oder Bestandsgruppen in der Fischereizone der Gemeinschaft für 1982: ABl. EG 1983, Nr. L 24, S. 30 (nicht mehr in Kraft) Beschluss 83/414/EWG des Rates vom 25. Juli 1983 über den Beitritt der Gemeinschaft zur Konvention über die Fischerei und den Schutz der lebenden Ressourcen in der Ostsee und den Belten, in der Fassung des am 11. November 1982 in Warschau unterzeichneten Protokolls der Konferenz der Vertreter der Vertragschließenden Staaten der Konvention: ABl. EG 1983, Nr. L 237, S. 4 Beschluss 84/358/EWG des Rates vom 28. Juni 1984 über den Abschluss des Übereinkommens über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Verschmutzung der Nordsee durch Öl und andere Schadstoffe: ABl. EG 1984, Nr. L 188, S. 7 Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten: ABl. EG 1985 Nr. L 175, S. 40; letzte Änd. in ABl. EG 1997, Nr. L 73, S. 5
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Beschluss 86/238/EWG des Rates vom 9. Juni 1986 über den Beitritt der Gemeinschaft zu der Internationalen Konvention zur Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik in der Fassung des Protokolls zu der am 10. Juli 1984 in Paris unterzeichneten Schlußakte der Konferenz der Bevollmächtigten der Vertragsparteien der Konvention: ABl. EG 1986, Nr. L 162, S. 33 Verordnung (EWG) Nr. 2241/87 des Rates vom 23. Juli 1987 zur Festlegung bestimmter Maßnahmen zur Kontrolle der Fischereitätigkeit: ABl. EG 1987, Nr. L 207, S. 1 (nicht mehr in Kraft) Verordnung (EWG) Nr. 613/91 des Rates vom 4. März 1991 zur Umregistrierung von Schiffen innerhalb der Gemeinschaft: ABl. EG 1991, Nr. L 68, S. 1 Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 zur Änderung der Richtlinie 75/442/EWG über Abfälle: ABl. EG 1991, Nr. L 78, S. 32 Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser: ABl. EG 1991, Nr. L 135, S. 40; Änd. in ABl. EG 1998, Nr. L 67, S. 29 Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 über den Schutz der Gewässer durch die Nitratverschmutzung aus landwirtschaftlichen Quellen: ABl. EG 1991, Nr. L 375, S. 1 Verordnung (EWG) 345/92 des Rates vom 27. Januar 1992 zur elften Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände: ABl. EG 1992, Nr. L 42, S. 15 (nicht mehr in Kraft) Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen: ABl. EG 1992, Nr. L 206, S. 7; letzte Änd. in ABl. EG 1997, Nr. L 305, S. 42 Verordnung (EWG) Nr. 3760/92 des Rates vom 20. Dezember 1992 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Regelung für die Fischerei und die Aquakultur: ABl. EG 1992, Nr. L 389, S. 1; letzte Änd. in ABl. EG 1998, Nr. L 164, S. 1 (nicht mehr in Kraft) Beschluss 93/361/EWG des Rates vom 17. Mai 1993 über den Beitritt der Gemeinschaft zu dem Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die Bekämpfung von Emissionen von Stickstoffoxiden oder ihres grenzüberschreitenden Flusses: ABl. EG 1993, Nr. L 149, S. 14 Richtlinie 93/75/EWG des Rates vom 13. September 1993 über Mindestanforderungen an Schiffe, die Seehäfen der Gemeinschaft anlaufen oder aus ihnen auslaufen und gefährliche oder umweltschädliche Güter befördern: ABl. EG 1993, Nr. L 247, S. 19 (nicht mehr in Kraft) Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 des Rates vom 12. Oktober 1993 zur Einführung einer Kontrollregelung für die gemeinsame Fischereipolitik: ABl. EG 1993, Nr. L 261, S. 1; letzte Änd. in ABl. EG 1998, Nr. L 358, S. 5 Beschluss 93/550/EWG des Rates vom 20. Oktober 1993 über den Abschluss des Übereinkommens über die Zusammenarbeit beim Schutz der Küsten und Gewässer des Nordostatlantiks gegen Verschmutzung: ABl. EG 1993, Nr. L 267, S. 20
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Beschluss 93/626/EWG des Rates vom 25. Oktober 1993 über den Abschluss des Übereinkommens über die biologische Vielfalt: ABl. EG 1993, Nr. L 309, S. 1 Beschluss 94/157/EG des Rates vom 21. Februar 1994 über den Abschluss des Übereinkommens über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets im Namen der Gemeinschaft (Helsinki-Übereinkommen in seiner Fassung von 1992): ABl. EG 1994, Nr. L 73, S. 19 Richtlinie 94/57/EG des Rates vom 22. November 1994 über gemeinsame Vorschriften und Normen für Schiffsüberprüfungs- und -besichtigungsorganisationen und die einschlägigen Maßnahmen der Seebehörden: ABl. EG 1994, Nr. L 319, S. 20; letzte Änd. in ABl. EG 2002, Nr. L 19, S. 9 Richtlinie 94/58/EG des Rates vom 22. November 1994 über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten: ABl. EG 1994, Nr. L 319, S. 28 (nicht mehr in Kraft); ersetzt durch Richtlinie 2001/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten: ABl. EG 2001, Nr. L 136, S. 17 Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluß der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986–1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche: ABl. EG 1994, Nr. L 336, S. 1 Richtlinie 95/21/EG des Rates vom 19. Juni 1995 zur Durchsetzung internationaler Normen für die Schiffssicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen, die Gemeinschafthäfen anlaufen und in Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten fahren (Hafenstaatkontrolle): ABl. EG 1995, Nr. L 157, S. 1; letzte Änd. in ABl. EG 2002, Nr. L 19, S. 17 Beschluss 95/399/EG des Rates vom 18. September 1995 über den Beitritt der Gemeinschaft zu dem Übereinkommen zur Einsetzung der Thunfischkommission für den Indischen Ozean: ABl. EG 1995, Nr. L 236, S. 24 Entscheidung 96/286/EG der Kommission vom 11. April 1996 mit Durchführungsbestimmungen zur Entscheidung 95/527/EG des Rates über eine finanzielle Beteiligung der Gemeinschaft an bestimmten Ausgaben der Mitgliedstaaten im Rahmen der Durchführung der Kontrollregelung für die gemeinsame Fischereipolitik: ABl. EG 1996, Nr. L 106, S. 37 Verordnung (EG) Nr. 847/96 des Rates vom 6. Mai 1996 zur Festlegung zusätzlicher Bestimmungen für die jahresübergreifende Verwaltung der TACs und Quoten: ABl. EG 1996, Nr. L 115, S. 3 Beschluss 96/428/EG des Rates vom 25. Juni 1996 über die Annahme – durch die Gemeinschaft – des Übereinkommens zur Förderung der Einhaltung internationaler Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen durch Fischereifahrzeuge auf Hoher See: ABl. EG 1996, Nr. L 177, S. 24 Richtlinie 96/59/EG des Rates vom 16. September 1996 über die Beseitigung polychlorierter Biphenyle und polychlorierter Terphenyle (PCB/PCT): ABl. EG 1996, Nr. L 243, S. 31
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Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung: ABl. EG 1996, Nr. L 257, S. 26 Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels: ABl. EG 1997, Nr. L 61, S. 1; letzte Änd. in ABl. EG 2001, Nr. L 334, S. 3 Entscheidung 97/266/EG der Kommission vom 18. Dezember 1996 über das Formular für die Übermittlung von Informationen zu den im Rahmen von Natura 2000 vorgeschlagenen Gebieten: ABl. EG 1996, Nr. L 107, S. 1 Verordnung (EG) Nr. 686/97 des Rates vom 14. April 1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 zur Einführung einer Kontrollregelung für die gemeinsame Fischereipolitik: ABl. EG 1997, Nr. L 102, S. 1 Verordnung (EG) 820/97 des Rates vom 21. April 1997 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen: ABl. EG 1997, Nr. L 117, S. 1 Beschluss 98/249/EG des Rates vom 7. Oktober 1997 über den Abschluss des Übereinkommens zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks im Namen der Gemeinschaft: ABl. EG 1998, Nr. L 104, S. 1 Beschluss 98/392/EG des rechtsübereinkommens Übereinkommens vom rechtsübereinkommens Nr. L 179, S. 1
Rates vom 23. März 1998 über den Abschluss des Seeder Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 und des 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seedurch die Europäische Gemeinschaft: ABl. EG 1998,
Beschluss 98/686/EG des Rates vom 23. März 1998 über den Abschluss durch die Europäische Gemeinschaft des Protokolls zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend eine weitere Verringerung von Schwefelemissionen: ABl. EG 1998, Nr. L 326, S. 34 Verordnung (EG) Nr. 850/98 vom 30. März 1998 zur Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische Maßnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren: ABl. EG 1998, Nr. L 125, S. 1; letzte Änd. in ABl. EG 2001, Nr. L 102, S. 16 Verordnung (EG) Nr. 858/94 vom 12. April 1998 über eine Regelung zur statistischen Erfassung von Rotem Thun (Thunnus thynnus) in der Gemeinschaft: ABl. EG 1994, Nr. L 99, S. 1; letzte Änd. in ABl. EG 1999, Nr. L 167, S. 1 Beschluss 98/414/EG des Rates vom 8. Juni 1998 betreffend die Ratifikation des Übereinkommens zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und weit wandernden Fischbeständen durch die Europäische Gemeinschaft: ABl. EG 1998, Nr. L 189, S. 14 Beschluss 98/416/EG über den Beitritt der Europäischen Gemeinschaft zur Allgemeinen Kommission für die Fischerei im Mittelmeer vom 16. Juni 1998: ABl. EG 1998, Nr. L 190, S. 34
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Verordnung (EG) Nr. 1435/98 des Rates vom 29. Juni 1998 zum Verbot der Einfuhr Roten Thuns und von Erzeugnissen daraus mit Ursprung in Belize, Honduras und Panama: ABl. EG 1998, Nr. L 191, S. 13 (nicht mehr in Kraft) Verordnung (EG) Nr. 2846/98 des Rates vom 17. Dezember 1998 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 zur Einführung einer Kontrollregelung für die gemeinsame Fischereipolitik: ABl. EG 1998, Nr. L 358, S. 5 Beschluss 99/337/EG des Rates vom 26. April 1999 über die Unterzeichnung des Übereinkommens zum internationalen Delphinschutzprogramm durch die Europäische Gemeinschaft: ABl. EG 1999, Nr. L 132, S. 1 Verordnung (EG) Nr. 1351/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 mit Kontrollmaßnahmen zur Durchsetzung der von ICCAT angenommenen Maßnahmen: ABl. EG 1999, Nr. L 162, S. 6 (nicht mehr in Kraft) Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse: ABl. EG 1999, Nr. L 184, S. 23 Verordnung (EG) Nr. 2791/1999 des Rates vom 16. Dezember 1999 mit Kontrollmaßnahmen für den Bereich des Übereinkommens über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordostatlantik: ABl. EG 1999, Nr. L 337, S. 1; letzte Änd. in ABl. EG 2001, Nr. L 31, S. 1 Verordnung (EG) Nr. 1085/2000 der Kommission vom 15. Mai 2000 mit Durchführungsbestimmungen zu den Kontrollmaßnahmen für den Bereich des Übereinkommens über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordostatlantik: ABl. EG 2000, Nr. L 128, S. 1 Verordnung (EG) Nr. 2092/2000 des Rates vom 28. September 2000 über das Verbot der Einfuhr Roten Thuns (Thunnus thynnus) mit Ursprung in Belize, Honduras und Äquatorialguinea: ABl. EG 2000, Nr. L 249, S. 1 Verordnung (EG) Nr. 2093/2000 des Rates vom 28. September 2000 über das Verbot der Einfuhr atlantischen Schwertfischs (Xiphias gladius) mit Ursprung in Belize und Honduras: ABl. EG 2000, Nr. L 249, S. 3 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik: ABl. EG 2000, Nr. L 327, S. 1; Änd. in ABl. EG 2001, Nr. L 331, S. 1 Richtlinie 2000/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2000 über Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsabfälle und Ladungsrückstände: ABl. EG 2000, Nr. L 332, S. 81 Entscheidung Nr. 2850/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2000 über einen gemeinschaftlichen Rahmen für die Zusammenarbeit im Bereich der unfallbedingten oder vorsätzlichen Meeresverschmutzung. ABl. EG 2000, Nr. L 332, S. 1 Verordnung (EG) Nr. 671/2001 der Kommission vom 30. März 2001 zur Einstellung der Heringsfischerei durch Schiffe unter der Flagge eines Mitgliedstaats: ABl. EG 2001, Nr. L 93, S. 27
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Beschluss 2001/379/EG des Rates vom 4. April 2001 über die Genehmigung – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – des Protokolls zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend Schwermetalle: ABl. EG 2001, Nr. L 134, S. 40 Verordnung (EG) Nr. 973/2001 des Rates vom 14. Mai 2001 mit technischen Erhaltungsmaßnahmen für bestimmte Bestände weit wandernder Arten: ABl. EG 2001, Nr. L 137, S. 1 Verordnung (EG) Nr. 1036/2001 des Rates vom 22. Mai 2001 über das Verbot der Einfuhr von atlantischem Großaugenthun (Thunnus obesus) mit Ursprung in Belize, Kambodscha, Äquatorialguinea, St. Vincent und den Grenadinen sowie Honduras: ABl. EG 2001, Nr. L 145, S. 10 Verordnung (EG) Nr. 1936/2001 des Rates vom 27. September 2001 mit Kontrollmaßnahmen für die Befischung bestimmter Bestände weit wandernder Arten: ABl. EG 2001, Nr. L 263, S. 1 Richtlinie 2001/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 2001 zur Änderung der Richtlinie 94/57/EG des Rates über gemeinsame Vorschriften und Normen für Schiffsüberprüfungs- und -besichtigungsorganisationen und die einschlägigen Maßnahmen der Seebehörden: ABl. EG 2002, Nr. L 19, S. 9 Richtlinie 2001/106/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 2001 zur Änderung der Richtlinie 95/21/EG zur Durchsetzung internationaler Normen für die Schiffssicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen, die Gemeinschaftshäfen anlaufen und in Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten fahren (Hafenstaatkontrolle): ABl. EG 2002, Nr. L 19, S. 17 Verordnung (EG) Nr. 417/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Februar 2002 zur beschleunigten Einführung von Doppelhüllen oder gleichwertigen Konstruktionsanforderungen für Einhüllen-Öltankschiffe und zur Aufhebung der Verordung (EG) Nr. 2978/94 des Rates: ABl. EG 2002, Nr. L 64, S. 1 Verordnung (EG) Nr. 794/2002 der Kommission vom 14. Mai 2002 zur Einstellung der Fischerei auf Schellfisch durch Schiffe unter der Flagge Belgiens: ABl. EG 2002, Nr. L 224, S. 54 Verordnung (EG) Nr. 848/2002 der Kommission vom 17. Mai 2002 zur Einstellung der Heringsfischerei durch Schiffe unter der Flagge Deutschlands: ABl. EG 2002, Nr. L 135, S. 9 Beschluss Nr. 1600/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juli 2002 über das sechste Umweltaktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft: ABl. EG 2002, Nr. L 242, S. 1 Beschluss 2002/738/EG vom 22. Juli 2002 über den Abschluss des Übereinkommens über die Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen im Südostatlantik durch die Europäische Gemeinschaft: ABl. EG 2002, Nr. L 234, S. 39
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Rechtsakte
Verordnung (EG) Nr. 1364/2002 der Kommission vom 26. Juli 2002 zur Einstellung der Heringsfischerei durch Schiffe unter der Flagge Dänemarks: ABl. EG 2002, Nr. L 198, S. 26 Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juli 2002 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs: ABl. EG 2002, Nr. L 208, S. 1 Richtlinie 2002/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juli 2002 über die Errichtung eines gemeinschaftlichen Überwachungs- und Informationssystems für den Schiffsverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 93/75/ EWG des Rates: ABl. EG 2002, Nr. L 208, S. 10 Verordnung (EG) Nr. 1378/2002 der Kommission vom 29. Juli 2002 zur Einstellung der Fischerei auf Gelbschwanzflunder durch Schiffe unter der Flagge eines Mitgliedstaats: ABl. EG 2002, Nr. L 200, S. 7 Verordnung (EG) Nr. 2099/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 zur Einsetzung eines Ausschusses für die Sicherheit im Seeverkehr und die Vermeidung von Umweltverschmutzung durch Schiffe (COSS) sowie zur Änderung der Verordnungen über die Sicherheit im Seeverkehr und die Vermeidung von Umweltverschmutzung durch Schiffe: ABl. EG 2002, Nr. L 324, S. 1 Verordnung (EG) 2341/2002 des Rates vom 20. Dezember 2002 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten und entsprechender Fangbedingungen für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den Gemeinschaftsgewässern sowie für Gemeinschaftsschiffe in Gewässern mit Fangbeschränkungen (2003): ABl. EG 2002, Nr. L 356, S. 12 ff.; Änd. in ABl. EG 2003, Nr. L 97, S. 11 ff. Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 des Rates vom 20. Dezember 2002 über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik: ABl. EG 2002, Nr. L 358, S. 59 Verordnung (EG) Nr. 520/2003 der Kommission vom 20. März 2003 zur Einstellung der Kabeljaufischerei durch Schiffe unter der Flagge Belgiens: ABl. EG 2003, Nr. L 76, S. 3
Verzeichnis der verwendeten Beschlüsse und Erklärungen internationaler Organisationen und Konferenzen1 Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora (CITES) Ninth Meeting of the Conference of the Parties, 7–18 November 1994, Resolution 9.24, Criteria for Amendment of Appendices I and II Eleventh meeting of the Conference of the Parties, 10–20 April 2000, Resolution 11.4, Conservation of Cetaceans, Trade in Cetacean Specimens and the Relationship with the International Whaling Commission Europarat Parliamentary Assembly of the Council of Europe, Order No. 412 (1982) on the United Nations Convention on the Law of the Sea, 1 October 1982 Parliamentary Assembly of the Council of Europe, Recommendation 983 (1984) on the United Nations Convention on the Law of the Sea, 11 May 1984 Parliamentary Assembly of the Council of Europe, Resolution 972 (1991) on the Future of Ocean Fisheries, 24 September 1991 Parliamentary Assembly of the Council of Europe, Resolution 1169 (1998), The Oceans: State of the Marine Environment and New Trends in International Law of the Sea, 24 September 1998 Parliamentary Assembly of the Council of Europe, Resolution 1170 (1998), Sustainable Exploitation of Living Marine Resources, 24 September 1998 Parliamentary Assembly of the Council of Europe, Recommendation 1388 (1998), The Oceans: State of the Marine Environment and New Trends in the International Law of the Sea, 24 September 1998 Council of Europe Doc. 8515, Recommendation 1388 (1998), Reply from the Committee of Ministers adopted at the 678th Meeting of the Ministers’ Deputies (8– 9 September 1999) Parliamentary Assembly of the Council of Europe, Resolution 1229 (2000), Accidents Causing Damage to the Environment, 29 September 2000 Parliamentary Assembly of the Council of Europe, Resolution 1283 (2002), Preservation and Management of Fish Stocks, 25 April 2002 1 Die Dokumente sind in diesem Verzeichnis nur dann mit Datum versehen, wenn ein solches auf den Dokumenten vermerkt ist.
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Dokumente Europäische Gemeinschaft (EG)
Erklärung des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 22. November 1973 über ein Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz Entschließung des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 17. Mai 1977 zur Fortschreibung und Durchführung der Umweltpolitik und des Aktionsprogramms der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz KOM(1979), 364 endg., Empfehlung für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Kommission, im Namen der Gemeinschaft Verhandlungen über den Abschluss eines neuen internationalen Walfangübereinkommens zu führen, 4. September 1979 Mitteilung der Kommission an den Rat über die Kostenzurechnung und die Intervention der öffentlichen Hand bei Umweltschutzmaßnahmen Erklärung über die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft in Fragen des Übereinkommens zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und weit wandernden Fischbeständen Entschließung des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 7. Februar 1983 zur Fortschreibung und Durchführung einer Umweltpolitik und eines Aktionsprogramms der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz Entschließung des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 19. Oktober 1987 zur Fortschreibung und Durchführung der Umweltpolitik und des Aktionsprogramms der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz Erklärung zur Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft für die durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1992 und das Übereinkommen vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens geregelten Angelegenheiten Entschließung des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 1. Februar 1993 über ein Gemeinschaftsprogramm für Umweltpolitik und Maßnahmen in Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung KOM(1993) 66 endg., Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über eine gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr, 24. Februar 1993 KOM(1996) 707 endg., Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Einführung eines Konsultationsverfahrens betreffend die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern auf dem Gebiet des Seeverkehrs sowie die diesbezüglichen Aktionen in den internationalen Organisationen und eines Genehmigungsverfahrens für Seeverkehrsabkommen, 14. März 1997
Dokumente
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KOM(1999) 190 endg., Vorschlag der Kommission für einen Beschluss des Rates zur Annahme – im Namen der Gemeinschaft – des OSPAR-Beschlusses 98/4 über Höchstwerte für Emissionen und Einleitungen, die bei der Herstellung von Vinylchloridmonomer entstehen und des OSPAR-Beschlusses 98/5 über Höchstwerte für Emissionen und Einleitungen in der Vinylchloridindustrie; Vorschlag der Kommission für einen Beschluss des Rates zur Genehmigung des OSPARBeschlusses 98/2 über das Einbringen von radioaktiven Abfällen im Namen der Gemeinschaft; Vorschlag der Kommission für einen Beschluss des Rates zur Genehmigung des OSPAR-Beschlusses 98/3 über die Entfernung stillgelegter Offshore-Anlagen im Namen der Gemeinschaft, 26. April 1999 KOM(1999), 233 endg., Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Wahl des Streitbeilegungsverfahrens durch die Gemeinschaft im Rahmen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982, 18. Mai 1999 KOM(1999) 543 endg., Mitteilung der Kommission, Die Umwelt Europas: Orientierungen für die Zukunft, Gesamtbewertung des Programms der Europäischen Gemeinschaft für Umweltpolitik und Maßnahmen im Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung – „Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung“, 24. November 1999 KOM(2000) 1 endg., Mitteilung der Kommission, Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, 2. Februar 2000 KOM(2000) 142 endg., Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Sicherheit des Erdöltransports zur See, 21. März 2000 KOM(2000) 545 endg., Vorschlag der Kommission für eine Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Umsetzung des integrierten Küstenzonenmanagements in Europa, 8. September 2000 KOM(2000) 802 endg., Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über ein zweites Paket von Maßnahmen der Gemeinschaft für die Sicherheit der Seeschifffahrt im Anschluß an den Untergang des Öltankschiffs Erika, 6. Dezember 2000 KOM(2000) 803 endg., Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Anwendung des Vorsorgeprinzips und der mehrjährigen Mechanismen zur Festsetzung der TAC, 1. Dezember 2000 Europäische Charta der Grundrechte vom 7. Dezember 2000 BR-Drucksache 104/01, Entschließung des Europäischen Parlaments zur Durchführung der Richtlinie 91/676/EWG zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (2000/2110(INI)), 17. Januar 2001 KOM(2001) 17 endg./2, Geänderter Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Liste prioritärer Stoffe im Bereich der Wasserpolitik, 2. Februar 2001 KOM(2001) 31 endg., Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zum sechsten Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft für die Umwelt, 24. Januar 2001
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Dokumente
KOM(2001) 53 endg., Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament, 10 Jahre nach Rio: Vorbereitung auf den Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung im Jahr 2002, 6. Februar 2001 KOM(2001) 135 endg., Grünbuch, Band I: Über die Zukunft der Gemeinsamen Fischereipolitik, Band II: Die Gemeinsame Fischereipolitik nach 2001, 20. März 2001 KOM(2001) 143 endg., Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Elemente einer Strategie zur Einbeziehung der Erfordernisse des Umweltschutzes in die Gemeinsame Fischereipolitik, 16. März 2001 KOM(2001) 309 endg., Achtzehnter Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (2000), 16. Juli 2001 KOM(2001) 317 endg., Geänderter Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Liste prioritärer Stoffe im Bereich der Wasserpolitik, 6. Juni 2001 KOM(2001) 370 endg., Weissbuch, Die Europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft, 12. September 2001 Mitteilung der Kommission über die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik, Fahrplan, 28. Mai 2002 KOM(2002) 324 endg., Neunzehnter Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (2001), 28. Juni 2002 KOM(2002) 681 endg., Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat zur Erhöhung der Sicherheit im Seeverkehr nach dem Untergang des Öltankschiffs „Prestige“, 3. Dezember 2002 KOM(2002) 780 endg., Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 417/2002 zur beschleunigten Einführung von Doppelhüllen oder gleichwertigen Konstruktionsanforderungen für Einhüllen-Öltankschiffe und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2978/94 des Rates, 20. Dezember 2002 KOM(2003) 92 endg., Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen, einschließlich strafrechtlicher Sanktionen, für Verschmutzungsdelikte, 5. März 2003
Europäischer Reformkonvent CONV 250/02, Übermittlungsvermerk des Sekretariats an die Mitglieder des Konvents, Vereinfachung der Verträge und Ausarbeitung eines Verfassungsvertrags, 10. September 2002 CONV 727/03, Übermittlungsvermerk des Präsidiums an die Mitglieder des Konvents, 27. Mai 2003 CONV 797/03, Übermittlungsvermerk des Präsidiums an die Mitglieder des Konvents, 10. Juni 2003
Dokumente
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Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) General Rules of the Organization Code of Conduct for Responsible Fisheries, 31 Oktober 1995
International Commission for the Conservation of Atlantic Tunas (ICCAT) Resolution for an Action Plan to Ensure the Effectiveness of the Conservation Program for Atlantic Bluefin Tuna (Reference No. 94-3) Resolution on Coordination with Non-Contracting Parties (Reference No. 94-6) Resolution for an Action Plan to Ensure the Effectiveness of the Conservation Program for Atlantic Swordfish (Reference No. 95-13) Recommendation Regarding Belize and Honduras Pursuant to the 1994 Bluefin Tuna Action Plan Resolution (Reference No. 96-11) Recommendation Regarding Panama Pursuant to the 1994 Bluefin Tuna Action Plan Resolution (Reference No. 96-12) Recommendation Regarding Belize and Honduras Pursuant to the 1995 Swordfish Action Plan Resolution (Reference No. 99-8) Resolution on Further Actions against Illegal, Unregulated, and Unreported Fishing Activities by Large-Scale Longline Vessels in the Convention Area and other Areas (Reference No. 99-11) Recommendation Regarding Belize, Cambodia, Honduras, and St. Vincent & Grenadines Pursuant to the 1998 Resolution Concerning the Unreported and Unregulated Catches of Tunas by Large-Scale Longline Vessels in the Convention Area (Reference No. 00-15) Recommendation Regarding Equatorial Guinea Pursuant to the 1998 Resolution Concerning the Unreported and Unregulated Catches of Tunas by Large-Scale Longline Vessels in the Convention Area (Reference No. 00-16) Recommendation Concerning the Importation of Bigeye Tuna and Bigeye Tuna Products from St. Vincent and the Grenadines (Reference No. 01-14) Recommendation Concerning the Importation of Atlantic Bluefin Tuna, Atlantic Swordfish, and Atlantic Bigeye Tuna and their Products from Belize (Reference No. 02-16) Recommendation Regarding Bolivia Pursuant to the 1998 Resolution Concerning the Unreported and Unregulated Catches of Tunas by Large-Scale Longline Vessels in the Convention Area (Reference No. 02-17) Recommendation Concerning the Importation of Bigeye Tuna and its Products from Honduras (Reference No. 02-18) Recommendation for Trade Restrictive Measures on Sierra Leone (Reference No. 02-19)
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Dokumente Internationaler Seegerichtshof (ISGH)
ITLOS/8, Rules of the Tribunal, 21 September 2001 International Law Association (ILA) Constitution of the International Law Association, adopted at the 68th Conference, 1998 London Conference (2000), Committee on Coastal State Jurisdiction Relating to Marine Pollution, Final Report International Maritime Organization (IMO) LEG/MISC/1, Implications of the United Nations Convention on the Law of the Sea, 1982 for the International Maritime Organization (IMO), 10 February 1986 MSC 57/27, Add. 2, Annex 31, Resolution A.672(16), Guidelines and Standards for the Removal of Offshore Installations and Structures on the Continental Shelf and the Eclusive Economic Zone, 19 October 1989 A 18/Res.739, Resolution A.739(18), Guidelines for the Authorization of Recognized Organizations Acting on Behalf of the Administration, 4 November 1993 A 18/Res.741, Resolution A.741(18), The International Safety Management Code, 4 November 1993 LC 17/14, Report of the Seventeenth Consultative Meeting, 28 October 1994 A 19/Res.787, Resolution A.787(19), Procedures for Port State Control, 23 November 1995 LC/SG 20/12, Report of the Twentieth Meeting of the Scientific Group, 11 June 1997 LC 19/2/2, Status of the London Convention 1972 and of the 1996 Protocol, 4 September 1997 LEG/MISC/2, Implications of the Entry into Force of the United Nations Convention on the Law of the Sea for the International Maritime Organization, 6 October 1997 LC 19/10, Report of the Nineteenth Consultative Meeting, 14 November 1997 A 20/Res.851, Resolution A.851(20), General Principles for Ship Reporting Systems and Ship Reporting Requirements, including Guidelines for Reporting Incidents involving Dangerous Goods, Harmful Substances and/or Marine Pollutants, 27 November 1997 A 20/Res.868, Resolution A.868(20), Guidelines for the Control and Management of Ships’ Ballast Water to Minimize the Transfer of Harmful Aquatic Organisms and Pathogens, 27 November 1997 MEPC 43/6/2, Identification and Protection of Special Areas and Particularly Sensitive Sea Areas, 31 March 1999
Dokumente
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A 21/Res.882, Resolution A.882(21), Amendments to the Procedures for Port State Control, 25 November 1999 LC/SG 23/11, Report of the Twenty-Third Meeting of the Scientific Group, 12 June 2000 LC 22/14, Report of the Twenty-Second Consultative Meeting, 25 October 2000 MEPC 46/3, Harmful Aquatic Organisms in Ballast Water, 21 December 2000 MEPC 46/WP.4, Resolution MEPC 4(46), Amendments to the Annex of the Protocol of 1978 relating to the International Convention for the Prevention of Pollution from Ships, 1973, 27 April 2001 A 22/Res.927, Resolution A.927(22), Guidelines for the Designation of Special Areas under MARPOL 73/78 and Guidelines for the Identification and Designation of Particularly Sensitive Sea Areas, 15 January 2002 A 22/Res.929, Resolution A.929(22), Entry into Force of Annex VI of MARPOL 73/78, 15 January 2002 Internationale Nordseeschutzkonferenzen Declaration of the International Conference on the Protection of the North Sea („Bremen Declaration“), 1 November 1984 Ministerial Declaration of the Second International Conference on the Protection of the North Sea („London Declaration“), 25 November 1987 Ministerial Declaration of the Third International Conference on the Protection of the North Sea („Hague Declaration“), 8 March 1990 Ministerial Declaration of the Fourth International Conference on the Protection of the North Sea („Esbjerg Declaration“), 9 June 1995 Ministerial Declaration of the Fifth International Conference on the Protection of the North Sea („Bergen Declaration“), 21 March 2002
Internationale Walfangkommission (IWK) IWC Resolution 2000-3, Resolution on the Revised Management Scheme IWC/54/6, Report of the Working Group on Whale Killing Methodes and Associated Welfare Issues, 16 May 2002 North Atlantic Salmon Conservation Organisation (NASCO) CNL 92(54), Resolution on Fishing for Salmon on the High Seas CNL 94(53), Resolution by the Parties to the Convention for the Conservation of Salmon in the North Atlantic Ocean to Minimise Impacts from Salmon Aquaculture on the Wild Salmon Stocks CNL 98(46), Agreement on Adoption of a Precautionary Approach CNL 99(48), Action Plan for the Application of the Precautionary Approach
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Dokumente North East Atlantic Fisheries Commission (NEAFC)
Rules of Procedure NEAFC Management Measures on Pelagic Fishery for Redfish for 2003 NEAFC Management Measures for the Norwegian Spring Spawning Herring (Atlanto-Scandian Herring) Stock for 2002 NEAFC Management Measures for Mackerel in 2003 Scheme to Promote Compliance by non-Contracting Party Vessels with Recommendations Established by NEAFC Scheme of Control and Enforcement in Respect of Fishing Vessels Fishing in Areas Beyond the Limits of National Fisheries Jurisdiction in the Convention Area
OSPAR-Kommission PARCOM Recommendation 88/4 on Nuclear Reprocessing Plants PARCOM Recommendation 90/1 on the Definition of the Best Available Technology for Secondary Iron and Steel Plants PARCOM Recommendation 91/2 on the Definition of Best Available Technology in the Primary Iron and Steel Industry PARCOM Recommendation 91/4 on Radioactive Discharges PARCOM Recommendation 91/5 on the Disposal of Radioactive Wastes into SubSeabed Repositories Accessed from Land PARCOM Recommendation 92/1 on Best Available Technology for Plants Producing Anodes and for New Electrolysis Installations in the Primary Aluminium Industry PARCOM Recommendation 92/5 Concerning Best Available Technology in the Pharmaceutical Manufacturing Industry PARCOM Recommendation 94/1 on Best Available Techniques for New Aluminium Electrolysis Plants PARCOM Recommendation 94/2 on Best Available Techniques and Best Environmental Practice for the Integrated and Non-Integrated Sulphite Paper Pulp Industry PARCOM Recommendation 94/3 on Best Available Techniques and Best Environmental Practice for the Integrated and Non-Integrated Kraft Pulp Industry PARCOM Recommendation 94/4 on Best Available Techniques for the Organic Chemical Industry PARCOM Recommendation 94/5 Concerning Best Available Techniques and Best Environmental Practice for Wet Processes in the Textile Processing Industry PARCOM Recommendation 94/6 on Best Environmental Practice (BEP) for the Reduction of Inputs of Potentially Toxic Chemicals from Aquaculture Use
Dokumente
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PARCOM Recommendation 96/1 on Best Available Techniques and Best Environmental Practice for Existing Aluminium Electrolysis Plants PARCOM Recommendation 96/2 Concerning Best Available Techniques for the Manufacture of Vinyl Chloride Monomer PARCOM Recommendation 96/3 Concerning Best Available Techniques for the Manufacture of Suspension-PVC from Vinyl Chloride Monomer OSPAR Decision 98/2 on Dumping of Radioactive Waste OSPAR Decision 98/3 on the Disposal of Disused Offshore Installations OSPAR Decision 98/4 on Emission and Discharge Limit Values for the Manufacture of Vinyl Chloride Monomer (VCM) including the Manufacture of 1,2-dichloroethane (EDC) OSPAR Decision 98/5 on Emission and Discharge Limit Values for the Vinyl Chloride Sector, Applying to the Manufacture of SuspensionPVC (s-PVC) from Vinyl Chloride Monomer (VCM) OSPAR Recommendation 98/1 Concerning Best Available Techniques and Best Environmental Practice for the Primary Non-Ferrous Metal Industry (Zinc, Copper, Lead and Nickel Works) OSPAR Strategy with regard to Hazardous Substances (Reference No. 1998-16) OSPAR Strategy with regard to Radioactive Substances (Reference No. 1998-17) OSPAR Strategy to Combat Eutrophication (Reference No. 1998-18) OSPAR Strategy on the Protection and Conservation of the Ecosystems and Biological Diversity of the Maritime Area (Reference No. 1998-19) OSPAR Guidelines for the Management of Dredged Material (Reference No. 199820) OSPAR Recommendation 99/1 on the Best Available Techniques for the Manufacture of Emulsion PVC (e-PVC) OSPAR Decision 2000/1 on Substantial Reductions and Elimination of Discharges, Emissions and Losses of Radioactive Substances, with Special Emphasis on Nuclear Reprocessing OSPAR Decision 2000/2 on a Harmonised Mandatory Control System for the Use and Reduction of the Discharge of Offshore Chemicals OSPAR Decision 2000/3 on the Use of Organic-Phase Drilling Fluids (OPF) and the Discharge of OPF-Contaminated Cuttings OSPAR Recommendation 2000/1 on Best Environmental Practice (BEP) for the Reduction of Inputs of Agricultural Pesticides to the Environment through the Use of Integrated Crop Management Techniques OSPAR Recommendation 2000/2 on Best Environmental Practice (BEP) for the Use of Pesticides on Amenity Areas OSPAR Recommendation 2000/4 on a Harmonised Pre-screening Scheme for Offshore Chemicals
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Dokumente
OSPAR Recommendation 2000/5 on a Harmonised Offshore Chemical Notification Format (HOCNF) OSPAR-Übereinkunft über die Bedeutung bestimmter Begriffe in Anlage V OSPAR Action Plan 1998–2003, Update 2000 OSPAR Decision 2001/1 on the Review of Authorisations for Discharges or Releases of Radioactive Substances from Nuclear Reprocessing Activities OSPAR Recommendation 2001/1 for the Management of Produced Water from Offshore Installations Rules of Procedure of the OSPAR Commission (Reference No. 2002-2) OSPAR Recommendation 2003/3 on a Network of Marine Protected Areas
Vereinte Nationen (UN) A/CN.4/167, Third Report on the Law of Treaties, by Sir Humphrey Waldock, Special Rapporteur, 3 March, 9 June, 12 June and 7 July 1964 A/RES/2625 (XXV), Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Cooperation among States in Accordance with the Charter of the United Nations, 24 October 1970 A/RES/2997 (XXVII), Institutional and Financial Arrangements for International Environmental Co-operation, 15 December 1972 Decisions of the Governing Council of the United Nations Environment Programme at its First Session, 12–22 June 1973 A/RES/2749 (XXV), Declaration of Principles Governing the Sea Bed and the Ocean Floor, and the Subsoil Thereof, beyond the Limits of Jurisdiction, 17 December 1979 A/RES/34/183, Marine Pollution, 18 December 1979 A/35/10, Report of the International Law Commission on the Work of its Thirtysecond Session, 5 May–25 July 1980 A/44/461, Law of the Sea, Protection and Preservation of the Marine Environment, Report of the Secretary-General, 18 September 1989 A/CONF. 151/26, Agenda 21, 13 June 1992 A/CONF. 151/5/Rev. 1, The Rio Declaration on Environment and Development, 13 June 1992 A/CONF. 151/6/Rev. 1, Statement of Principles for a Global Consensus on the Management, Conservation amd Sustainable Development of All Types of Forests, 13 June 1992 A/RES/47/192, United Nations Conference on Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks, 22 December 1992 A/CONF. 164/12, Statement made by the Chairman of the Conference at the Conclusion of the General Debate on 15 July 1993, 21 July 1993
Dokumente
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A/CONF. 164/35, Statement of the Chairman, Ambassador Satya N. Nandan, on August 4 1995, upon the Adoption of the Agreement for the Implementation of the Provisions of the United Nations Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982 Relating to the Conservation and Management of Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks, 20 September 1995 A/51/116, Annex II, The Global Programme of Action for the Protection of the Marine Environment from Land-based Activities, 3 November 1995 A/51/383, Law of the Sea: Agreement for the Implementation of the Provisions of the United Nations Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982 Relating to the Conservation and Management of Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks, Report of the Secretary-General, 4 October 1996 A/RES/51/122, Declaration on International Cooperation in the Exploration and Use of Outer Space for the Benefit and in the Interest of All States, Taking into Particular Account the Needs of Developing Countries, 13 December 1996 A/51/950, Renewing the United Nations: A Programme for Reform, Report of the Secretary-General, 14 July 1997 A/52/491, Oceans and the Law of the Sea: Law of the Sea, Impact of the Entry into Force of the 1982 United Nations Convention on the Law of the Sea on Related Existing and Proposed Instruments and Programmes, Report of the SecretaryGeneral, 20 October 1997 E/CN.17/1999/4, Oceans and Seas, Report of the Secretary-General, 8 February 1999 A/56/58, Oceans and the Law of the Sea, Report of the Secretary-General, 9 March 2001 A/56/10, Report of the International Law Commission of its Fifty-third Session, 23 April–1 June, 2 July–10 August 2001 A/RES/55/7, Oceans and the Law of the Sea, 2 May 2001 A/RES/55/8, Large-scale Pelagic Drift-net Fishing, Unauthorized Fishing in Zones of National Jurisdiction and on the High Seas, Fisheries By-catch and Discards, and other Developments, 2 May 2001 A/CONF. 199/20, Report of the World Summit on Sustainable Development, Resolution 1, Johannesburg Declaration on Sustainable Development, 4 September 2002 A/CONF. 199/20, Report of the World Summit on Sustainable Development, Resolution 2, Plan of Implementation of the World Summit on Sustainable Development, 4 September 2002
Welthandelsorganisation (WTO) WT/CTE/W/67, Committee on Trade and Environment, Environmental Benefits of Removing Trade Restrictions and Distortions, Note by the Secretariat, 7 November 1997
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Dokumente Andere
Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle, 26. Januar 1982 Joint Statement of the Union of Soviet Socialist Republics and the United States, Uniform Interpretation of Rules of International Law governing Innocent Passage, 23 September 1989
Literaturverzeichnis1 Abecassis, David W., Oil Pollution from Ships, London 1978 Akiwumi, P./Melvasalo, T., UNEP’s Regional Seas Programme: Approach, Experience and Future Plans, MP 22 (1998), S. 229–234 Alexander, Lewis M., Regional Arrangements in the Oceans, AJIL 71 (1977), S. 84– 109 Alexidze, Levan, Legal Nature of Jus Cogens in Contemporary International Law, RdC 172 (1981-III), S. 219–270 Alexy, Robert, Theorie der Grundrechte, 3. Aufl., Frankfurt/M. 1996 Alloway, Brian J./Ayres, David C./Förstner, Ulrich, Schadstoffe in der Umwelt, Heidelberg 1996 Anand, Ram Prakash, Origin and Development of the Law of the Sea, The Hague u. a. 1983 Anderson, David H., The Straddling Stocks Agreement of 1995 – An Initial Assessment, ICLQ 45 (1996), S. 463–475 Anderson, Winston, Overlapping Treaty Regimes and the Memorandum of Cooperation Between SPAW and CBD, EPL 28 (1998), S. 237–242 Andresen, Steinar, The International Whaling Regime: Order at the Turn of the Century?, in: Davor Vidas/Willy Østreng (Hrsg.), Order for the Oceans at the Turn of the Century, The Hague u. a. 1999, S. 215–228 Antunes, Nuno Sérgio Marques, The 1999 Eritrea-Yemen Maritime Delimitation Award and the Development of International Law, ICLQ 50 (2001), S. 299–344 Arnold, Rainer, Der Abschluß gemischter Verträge durch die Europäischen Gemeinschaften, AVR 19 (1980/81), S. 419–456 Aron, William/Burke, William/Freeman, Milton M. R., The Whaling Issue, MP 24 (2000), S. 179–191 Ashburner, Walter, The Rhodian Sea-Law, Oxford 1909 (Nachdruck Aalen 1976) Asmus, Harald, Eutrophierung und Sauerstoffzehrung, in: Nikolaus K. Gelpke (Hrsg.), Un-endliches Meer, Giessen 1992, S. 38–54 Aussant, Jill, Conventions régionales contre la pollution marine: contenu et problèmes, participation de la communauté, RMC 30 (1987), S. 14–24 Aust, Anthony, Modern Treaty Law and Practice, Cambridge 2000 1 Internet-Seiten werden grundsätzlich nicht gesondert aufgeführt, sondern sind im Text nachgewiesen. Alle dort zitierten Internet-Seiten waren am 1. Mai 2003 verfügbar.
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Verzeichnis der verwendeten Zeitschriftenund Zeitungsberichte BWN 3 (2000), S. 5: MEPC Update BWN 8 (2002), S. 3: Convention Update The Economist 368 (2003), No. 8336 (August 9th), S. 19–21: The promise of a blue revolution F.A.S. v. 21. 10. 2001, S. 64: „Hier ist Warnemuende Traffic mit der Lagemeldung“ F.A.S. v. 5. 5. 2002, S. 71: Hundert Euro für ein Blaukehlchen F.A.S. v. 15. 6. 2003, S. 59: Schützen oder schießen? Oder beides? F.A.Z. v. 17. 6. 1995, S. 1: Greenpeace fordert Gewaltverzicht F.A.Z. v. 6. 9. 1995, S. 1: Greenpeace entschuldigt sich bei Shell F.A.Z. v. 19. 6. 1997, S. 11: Artenschutzkonferenz: Handel mit Elfenbein bleibt verboten F.A.Z. v. 24. 7. 1998, S. 1: Weitgehendes Versenkungsverbot für Ölplattformen F.A.Z. v. 29. 6. 1999, S. 10: Ein wenig getrieben, aber nicht resigniert F.A.Z. v. 18. 1. 2000, S. T1: Öltanker mit Knautschzone F.A.Z. v. 7. 2. 2000, S. 13: Tausende demonstrieren für sicherere Öltransporte F.A.Z. v. 14. 3. 2000, S. T1: „Wenigstens ein Rostkübel ist stillgelegt“ F.A.Z. v. 1. 4. 2000, S. 9: Vorstoß zum Verbot des Elfenbeinhandels F.A.Z. v. 10. 4. 2000, S. 15: „Nur ein totales Handelsverbot hilft“ F.A.Z. v. 14. 7. 2000, S. 11: Ende des Moratoriums? F.A.Z. v. 1. 11. 2000, S. 13: Styrol nicht hochgiftig F.A.Z. v. 6. 11. 2000, S. 17: Öl-Verklappung nach Tankerunglück F.A.Z. v. 18. 1. 2001, S. 12: Norwegen plant Handel mit Walfleisch F.A.Z. v. 14. 3. 2001, S. 20: EU-Fangflotten plündern Gewässer vor Westafrika F.A.Z. v. 21. 3. 2001, S. 13: Größte Ölplattform der Welt gesunken F.A.Z. v. 19. 7. 2001, S. 7: Japan besticht Walfangkommission F.A.Z. v. 24. 7. 2001, S. 11: Der Zwergwal schwimmt oben F.A.Z. v. 3. 8. 2001, S. 14: 430 Millionen Euro für Mauretanien F.A.Z. v. 24. 8. 2001, S. 10: Ein Riff aus der Stadt F.A.Z. v. 21. 1. 2002, S. 10: Im Keim ersticken
Zeitschriften- und Zeitungsberichte
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F.A.Z. v. 25. 1. 2002, S. 9: Fischen vor Afrika F.A.Z. v. 21. 5. 2002, S. 11: Das Innere des Wals F.A.Z. v. 22. 5. 2002, S. 11: Keine Änderung bei Walschutzgebieten F.A.Z. v. 25. 5. 2002, S. 10: Inuit verlieren Sonderrecht auf Walfang F.A.Z. v. 29. 5. 2002. S. 16: 8600 Schiffe sollen stillgelegt werden F.A.Z. v. 10. 6. 2002, S. 14: EU-Kommissar Fischler bleibt für Spaniens Fischer ein rotes Tuch F.A.Z. v. 5. 10. 2002, S. 4: Konvent für einheitlichen EU-Vertrag F.A.Z. v. 4. 11. 2002, S. 9: Die Jagd soll wiedereröffnet werden F.A.Z. v. 16. 11. 2002, S. 9: Feilschen bis zur letzten Stunde F.A.Z. v. 18. 11. 2002, S. 9: Sicherheitsmängel waren bekannt F.A.Z. v. 20. 11. 2002, S. 9: Folgen für die Umwelt unklar F.A.Z. v. 21. 11. 2002, S. 9: Verklumpung durch Kälte F.A.Z. v. 21. 11. 2002, S. 9: Reichen die Gesetze aus? F.A.Z. v. 28. 11. 2002, S. 9: Schutz vor alten Tankern F.A.Z. v. 3. 12. 2002, S. 9: Proteste gegen Tanker auf der Ostsee F.A.Z. v. 7. 12. 2002, S. 1: Risiko auf hoher See F.A.Z. v. 1. 4. 2003, S. 2: Letzter Reaktorblock in Sellafield abgeschaltet F.A.Z. v. 16. 6. 2003, S. 9: Steaks aus dem Meer F.R. v. 3. 11. 2000, S. 9: EU plant Sicherheitskontrollen für Tanker GEO 4/2001, S. 211–217: Aquakultur – Segen oder Fluch? Geo Wissen 24 (1999), Ozean und Tiefsee, S. 100–101: War unser Ahn ein Wassertier? Geo Wissen 24 (1999), Ozean und Tiefsee, S. 120–124: Endstation Ozean IMO News 1/2001, S. 9–10: Ships to carry „black boxes“ under new regulations IMO News 2/2002, S. 16–19: IMO Environmental Meeting Approves New Measures on Ballast Water Management for Ships Nature 423 (2003), 15 May 2003, S. 280–283: Rapid worldwide depletion of predatory fish communities Das Parlament v. 17. 5. 2002, S. 10: Hilfe dringend notwendig Der Spiegel 45/2000, S. 266: Traumhaftes Material Der Spiegel 51/2002, S. 156–158: Tschernobyl zur See S.Z. v. 12. 11. 2002, S. V2/11: Mayday am Meeresgrund S.Z. v. 20. 11. 2002, S. 2: Kein Entkommen für die Natur S.Z. v. 20. 11. 2002, S. 2: Siegel vom Tanker-TÜV S.Z. v. 20. 11. 2002, S. 2: Schwarze Pest an der Todesküste
Stichwortverzeichnis Abfallrecht 343 f., 355 Abfallverbrennung siehe Schifffahrt ACCOBAMS 259 ff. – Fangverbot 260 – Zusammenhang mit dem Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten 260 – siehe auch ganzheitlicher Ansatz; Vorsorgeprinzip AETR-Doktrin siehe Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten Agenda 21 120 ff., 143 – und UNEP 27 Aktionsprogramme – Gehalt 340 ff. – Geltung und Zweck 291 f. (mit Fn. 107 f.) – Grundlage 291 Allgemeininteresse siehe Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen; Straddling Stocks Agreement anadrome Bestände siehe Bestandsschutz Anerkennung siehe internationale Organisationen Aquakultur 51 ff. Artenschutz (Begriff) 32, 177 f. Artenschutzverordnung 372 f. – Vergemeinschaftung von CITES 372 Assoziationsabkommen 430 Auslegung – einheitliche – des Gemeinschaftsrechts 425 f. – richtlinienkonforme – 364 f. – völkerrechtlicher Verträge 187 f.
– völkerrechtskonforme – des Gemeinschaftsrechts 366 ff., 402, 405, 413 ff. ausschließliche Wirtschaftszone 93 f., 276 f. – siehe auch Meeresschutzgebiete Außenkompetenzen siehe Kompetenzgrundlagen der Gemeinschaft; Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten Baggergut siehe OSPAR-Übereinkommen Ballastwasser siehe Schifffahrt Beifänge siehe Fischerei Beitrittsakten siehe Kompetenzgrundlagen der Gemeinschaft Bestandsschutz – Begriff 32 – Code of Conduct for Responsible Fisheries 108 (Fn. 167), 126 – Kabeljaukrieg 116 f., 395 – nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen 105 ff. – anadrome Bestände 111 ff. – Durchsetzung 113 f., 116 f. – katadrome Bestände 111 ff. – optimale Nutzung 108, 114 – Schwertfischstreit 117 (Fn. 213), 395 (Fn. 586) – Straddling Stocks 109 ff., 243 ff. – siehe auch Straddling Stocks Agreement – total allowable catch 107 f., 112, 115, 168 (mit Fn. 463), 183, 233, 240, 245, 250, 253 – siehe auch Gemeinsame Fischereipolitik
Stichwortverzeichnis – weit wandernde Arten 109 f. – siehe auch Kompetenzgrundlagen der Gemeinschaft bewegliche Vertragsgrenzen 277 (Fn. 50), 280 Billigflaggen 114 (Fn. 195), 167, 238, 389, 395 Binnenmarkt 307 (mit Fn. 175), 354 Binnenstaaten 108 Brent Spar 217 f. CITES 118 (Fn. 219), 178 f., 180 ff. – siehe auch Artenschutzverordnung; Internationales Übereinkommen zur Regelung des Walfangs Code of Conduct for Responsible Fisheries siehe Bestandsschutz Commission on Sustainable Development siehe nachhaltige Entwicklung Common Concern of Mankind 160 Compliance Agreement 169 f., 174, 320, 436 COPE-Fonds siehe Erika-Pakete diplomatischer Schutz 105 Dumping siehe Londoner DumpingKonvention; Schifffahrt EG-Meer 276, 278 – Grönland 278 (Fn. 54) – Zugang zum – 376 ff. Einbringen siehe Londoner DumpingKonvention Einfuhrverbote siehe Gemeinsame Fischereipolitik; ICCAT-Konvention Einhüllen-Öltankschiffe, Ausmusterung – nach MARPOL 138 – siehe auch Erika-Pakete Entsorgung von Schiffsabfällen siehe Schifffahrt Entwicklungsstaaten 101, 108 f. erga omnes-Pflichten 77 ff., 159 – siehe auch Verpflichtung zum Schutz der Meeresumwelt
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Erika 66 f., 325, 396 Erika-Pakete 325 (mit Fn. 255), 396 ff. – Ausmusterung von Einhüllen-Öltankschiffen 398 f. (mit Fn. 601) – COPE-Fonds 397 f. (mit Fn. 598) – Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs 406 f. – Hafenstaatkontrollen 407 ff. – Klassifikationsgesellschaften 410 f. – Überwachung des Seeverkehrs 400 ff. – Drittlandsschiffe 401 f., 404 ff. – Kooperation zwischen IMO und EG 403 ff. – Regelung des Seeverkehrs 403 ff. Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs siehe Erika-Pakete Europäische Gemeinschaft – als Vollstreckungsorgan der IMO 336 f. – Beteiligung an völkerrechtlichen Verträgen 415 ff. – Mitgliedschaft in internationalen Organisationen 432 ff. – Ausübung von Mitgliedschaftsrechten 433 ff. – obligatorische Gerichtsbarkeit 103 – Vertragsverletzungsverfahren 331, 339, 346 f., 348, 358, 384, 393 – Supranationalität 273 f., 393 f., 446 – Völkerrechtsubjektivität 71, 271, 280 f., 447 – siehe auch Erika-Pakete europäische Identität 31 f. europäische Integration 23, 31 f. Europäische Union – als Staatenverbund 273 – Rechtsfähigkeit 271 ff. Europarat und Meeresschutz 268 ff. Europarecht – Autonomie der Gemeinschaftsrechtsordnung 34, 71, 275, 330, 446
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Stichwortverzeichnis
– Dynamik 421, 425 – einheitliche Anwendung und Durchführung 333, 426 – Finalität 23 – frühere Verträge der Mitgliedstaaten 330 ff. – im weiten und engen Sinne 268 – Primärrecht und Sekundärrecht 34, 274 – Rechtsakte sui generis 274 f. – seewärtige Geltung 276 ff., 345 – siehe auch EG-Meer; Hoheitsgebiet – Völkerrechtsfreundlichkeit 326 ff., 398 f., 422 ff., 448 – siehe auch Auslegung; Völkerrecht Eutrophierung siehe Verschmutzung
– siehe auch Freiheit der Meere; Gemeinsame Fischereipolitik; Kompetenzgrundlagen der Gemeinschaft Fischereiabkommen siehe Fischerei Flaggenhoheit 134 f., 172 – primäre Zuständigkeit des Flaggenstaates 98 (mit Fn. 129) – Staatszugehörigkeit von Schiffen 98 (Fn. 129) Freiheit der Meere – Fischereifreiheit 110 f., 114 ff. – Freiheit der Hohen See 96, 154 – Freiheit der Schifffahrt 93, 337, 366, 404 – siehe auch Seerecht friedliche Durchfahrt 92 f. – siehe auch Meeresschutzgebiete
FAO 108 (mit Fn. 167), 433 f., 436 FFH-Richtlinie 356 ff. – Anwendungsbereich 279 f. – Monitoring 358, 364 – Schutzregime 357 f. – unmittelbare Bindungswirkung 360 ff. – siehe auch Meeresschutzgebiete; Vogelschutzrichtlinie Fischerei – Beifänge 49 f., 262 – Fischereiabkommen 24 (mit Fn. 19), 395, 418 – im Nordostatlantik 46 ff. – Rentabilität des Fischereisektors 47 f. – safe biological limits 48 f. – tatsächliches Interesse an der – – nach dem SEAFO-Übereinkommen 248 f. – nach dem Straddling Stocks Agreement 166 ff. – nach der ICCAT-Konvention 396 – Treibnetze 50 – Überfischung 48 f.
ganzheitlicher Ansatz 32 f., 124 f. (mit Fn. 252), 193 f. – im ACCOBAMS 262 f. – im Gemeinschaftsrecht 349, 352 f. – im Helsinki-Übereinkommen 32, 125 (Fn. 252) – im OSPAR-Übereinkommen 56, 197, 229 – im Straddling Stocks Agreement 153 f. – in der Judikatur des Internationalen Seegerichtshofs 32 f. GATT siehe Gemeinsame Fischereipolitik Gemeinsame Fischereipolitik 46 f., 311, 313, 373 ff. – Einfuhrverbote 389 ff. – Vereinbarkeit mit dem GATT 389 ff. – Fangverbote 387 ff. – Quota Hopping 382 – Reform 49 – TAC- und Fangquotenzuteilung 380 ff. – Durchsetzung 384 ff. – siehe auch Vorsorgeprinzip
Stichwortverzeichnis – technische Erhaltungsmaßnahmen 374 ff. – siehe auch historische Rechte Gemeinsames Erbe der Menschheit 159 f. Gemeinschaftstreue 298, 332, 339, 424 f. gemischte Abkommen 338 (mit Fn. 309), 419 (mit Fn. 710), 420 ff. – Bindungsumfang – gemeinschaftsrechtlich 422 ff. – völkerrechtlich 420 ff. – unmittelbare Anwendbarkeit 427 ff. GESAMP 55 (mit Fn. 87) Gewaltverbot 100 (Fn. 138) Gleichheit der Staaten 134 Global Commons 160, 163 Grönland siehe EG-Meer Grundrechte der Staaten 134 f. Hafenstaatkontrolle 400 (Fn. 604) – nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen – nach MARPOL 129 f. – nach SOLAS 139 – Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle 130 (Fn. 286), 408 – siehe auch Erika-Pakete Handlungspflichten der Gemeinschaft siehe Kompetenzgrundlagen der Gemeinschaft Helsinki-Übereinkommen 32, 196 – siehe auch ganzheitlicher Ansatz Historische Rechte 377 f. – im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik 378 f. HNS-Konvention 104 f. (mit Fn. 151) Hoheitsgebiet 277 Hohe See – Enklaven im Nordostatlantik 242 f. – siehe auch Freiheit der Meere; Meeresschutzgebiete
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ICCAT-Konvention 110 (Fn. 175), 115 (Fn. 200 f.), 232 ff., 237 ff. – Änderungsverfahren 234 – als offener Vertrag 233 f. – Durchsetzung 238 (Fn. 794), 394 – Einfuhrverbote 238 ff. – siehe auch Gemeinsame Fischereipolitik – ICCAT 237 ff. – siehe auch Fischerei Ievoli Sun 23 (Fn. 12), 64, 67 implied powers siehe Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten International Council for the Exploration of the Sea 233 (mit Fn. 773), 245 f., 380 International Law Association 99 International Maritime Organization – als zuständige internationale Organisation nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen 86, 127 – Konventionen 87 ff., 127 – soft law 88 f., 127 f. – siehe auch Erika-Pakete; Europäische Gemeinschaft; Kompetenzgrundlagen der Gemeinschaft; Meeresschutzgebiete internationale Gemeinschaft 159 ff. Internationale Nordseeschutzkonferenzen 193 f., 229 internationale Organisationen – Anerkennung 271 (Fn. 18) – siehe auch Europäische Gemeinschaft Internationale Walfangkommission 51, 180 ff. – als zuständige Organisation nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen 118 f. – und die NAMMCO 189, 256, 259 Internationaler Seegerichtshof – Zuständigkeiten 148 (mit Fn. 370), 155, 226 ff.
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Stichwortverzeichnis
– siehe auch Schiffsfreigabeverfahren – siehe auch ganzheitlicher Ansatz Internationales Übereinkommen zur Regelung des Walfangs 177 ff. – Anlage 182 ff. – Revised Management Procedure 186, 190 – Umsetzung durch die NAMMCO 258 – und CITES 180 ff. – Walfangmoratorium 178, 183 f., 186 ff. – siehe auch Meeresschutzgebiete Interventionsrecht siehe Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen ISM-Code siehe SOLAS ius cogens 80 f., 162 Kabeljaukrieg siehe Bestandsschutz katadrome Bestände siehe Bestandsschutz Klassifikationsgesellschaften siehe Erika-Pakete Kohlenwasserstoffgewinnung 54 Kompetenzgrundlagen der Gemeinschaft – Fischerei 311 ff. – Außenkompetenz 319 ff. – Beitrittsakten 317 ff. – Innenkompetenz 312 ff. – Kompetenzabgrenzung zu Art. 175 Abs. 1 EGV 314 ff. – Umfang 319 – Seeschifffahrt 321 ff. – Außenkompetenz 337 ff. – EG und IMO 326 ff., 334 – Innenkompetenz 322 ff. – innergemeinschaftliche Kompetenzbegrenzung 327, 329 ff. – Umfang 324 f., 334 f. – Umweltschutz 289 ff. – Abgrenzung 306 f. – Anwendungsbereich 292 ff.
– Außenkompetenz 309 ff. – Begriff 290 – gemeinschaftliche Handlungspflichten 297 ff. – Innenkompetenz 290 ff. – Umfang 308 f. – siehe auch Prinzip der Vorbeugung; Ursprungsprinzip; Verursacherprinzip; Vorsorgeprinzip – siehe auch Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten Kursk 67 f. lex posterior derogat priori 143, 157, 334 (Fn. 294) lex rhodia siehe Seerecht Londoner Dumping-Konvention 125, 141 ff. – Dumping-Protokoll 143 f., 146 ff. – Ausnahmebewilligung 147 – Einbringen 146 – räumlicher Geltungsbereich 146 – Streitbeilegung 147 f. – siehe auch Versenkung von Ölbohrplattformen – Einbringen 144 – und das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen 141 ff. – Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 144 f. – siehe auch Schifffahrt Luftreinhaltung 352 f. MARPOL 128 ff. – Anlagen 136 ff. – siehe auch Einhüllen-Öltankschiffe, Ausmusterung; Meeresschutzgebiete; tacit acceptanceVerfahren – Nichtbegünstigungsklausel 129 ff. – indirekte Drittwirkung 131 ff. – siehe auch Hafenstaatkontrolle Meeresbodenbergbau 53
Stichwortverzeichnis Meeresschutz – Begriff 33 (mit Fn. 60) – Zusammenhang zwischen faktischer und normativer Dimension 33, 35 f. – siehe auch Europarat; Regionalisierung Meeresschutzgebiete – auf Hoher See 96 – Ausweisung 91 – in eisbedeckten Gebieten 95 – in der ausschließlichen Wirtschaftszone 93 ff. – in inneren Gewässern und Küstenmeer 92 f. – Kategorien 90 f. – nach Anlage V OSPAR-Ü 229, 261 – nach dem Internationalen Übereinkommen zur Regelung des Walfangs 183 (mit Fn. 538) – nach der FFH-Richtlinie 359 ff., 365 ff. – Ausweisungsverfahren 359 f. – Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Völkerrechts 365 ff. – Vogelschutzrichtlinie 369 ff. – Particulary Sensitive Sea Areas (MARPOL) 94, 137, 262 – Rolle der IMO 94 f. – Special Areas (MARPOL) 94, 137 – und Recht auf friedliche Durchfahrt 92 f. – und Schifffahrt 90 Meeresumweltschutz – Begriff 32 – Überlagerung völkerrechtlicher Verträge im Nordostatlantik 25 f., 38 – unmittelbarer und mittelbarer – 343 f. Monitoring siehe FFH-Richtlinie MOX Plant – Sellafield 62 f., 226 – Streitbeilegung 225 ff., 439 (Fn. 813)
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nachhaltige Entwicklung 75, 119 ff., 179 – Commission on Sustainable Development 122 f. – Definition 120 – im Gemeinschaftsrecht 292 (mit Fn. 110), 296 f. – im OSPAR-Übereinkommen 201 f., 207 – Status 120 – Treuhandrat 123 NAFO-Übereinkommen 116 f. (mit Fn. 208) – NAFO 431 (Fn. 771) NAMMCO-Übereinkommen 256 ff. – Geltungsbereich 257 – NAMMCO 257 f. – Befugnisse 257 – siehe auch Internationales Übereinkommen zur Regelung des Walfangs; Internationale Walfangkommission NASCO-Übereinkommen 113, 232 ff., 235 ff. – Änderungsverfahren 234 – Durchsetzung 236 f. – Fangverbot 235 f. – NASCO 234 (mit Fn. 776), 236 – siehe auch Vorsorgeprinzip NEAFC-Übereinkommen 117, 232 ff., 240 f. – Änderungsverfahren 234 – NEAFC 117 – als regionale Fischereiorganisation 243 ff. – Befugnisse 240 f. – Bestandserhaltungsmaßnahmen 245 f. – Durchsetzung 254 ff., 395 (mit Fn. 583) – Teilnahme von NGOs 244 – opting out 241 – sachlicher Geltungsbereich 232 f. – siehe auch Regionalisierung
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Stichwortverzeichnis
Nichtbegünstigungsklausel siehe MARPOL; SOLAS Nordostatlantik – Ausdehnung 37 ff. – Nutzung 41 ff. – siehe auch Fischerei; Hohe See; Meeresumweltschutz; Schifffahrt; Verschmutzung Normkonflikt – Definition 25 f. – zwischen dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und dem Straddling Stocks Agreement 158 ff. Notstand, völkerrechtlicher 100 (Fn. 138) Öl siehe Verschmutzung Öltanker siehe Einhüllen-Öltankschiffe, Ausmusterung Offshore-Chemikalien siehe OSPARÜbereinkommen Offshore-Windenergieanlagen siehe OSPAR-Übereinkommen optimale Nutzung siehe Bestandsschutz opting out siehe NEAFC-Übereinkommen; OSPAR-Kommission; Straddling Stocks Agreement Oslo-Übereinkommen 36 (mit Fn. 4), 64 (Fn. 129), 147, 193, 218 OSPAR-Kommission – Aufgaben 198 f., 210, 215, 229 – Sekundärrecht 199 ff. – Annahmeverfahren 199 f. – opting out 200 – Stimmverteilung 200, 435 OSPAR-Übereinkommen – Änderungsverfahren 218 ff., 221 f. – allgemeine Verpflichtungen 201 f. – siehe auch nachhaltige Entwicklung – Anlage V 229 ff. – Übereinkommen über die biologische Vielfalt 229 f. – siehe auch Meeresschutzgebiete
– – – – – – –
Baggergut 63, 212 f. Durchsetzung 222 ff. Entstehungsgeschichte 193 f. Offshore-Chemikalien 65 f., 215 f. Offshore-Windenergieanlagen 209 radioaktive Stoffe 208 f., 213 f. räumlicher Geltungsbereich 37, 194 ff. – reverse listing-Ansatz 212 f. – sachlicher Geltungsbereich 57 f., 196 f. – Schutzprinzipien 202 ff. – siehe auch Verursacherprinzip; Vorsorgeprinzip – Streitbeilegung 225 ff. – siehe auch MOX Plant – Verschmutzungsarten 208 ff. – Verschmutzungsdefinition 55 ff., 201 f. – siehe auch ganzheitlicher Ansatz; Region; Versenkung von Ölbohrplattformen; Wasserrahmenrichtlinie OSZE 437 (mit Fn. 800) pacta sunt servanda 331, 334 pacta tertiis nec nocent nec prosunt 77 f., 87 (Fn. 91), 129, 142, 158 (mit Fn. 413), 165, 172 pactum de negotiando 109 Paris-Übereinkommen 36 (Fn. 4), 193, 208 (mit Fn. 666) Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle siehe Hafenstaatkontrolle persistente organische Schadstoffe siehe Verschmutzung Prestige 67, 336, 409 (Fn. 654) Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten 280 ff. – implied powers 283, 287 – Kompetenz 281 ff. – AETR-Doktrin 287, 320, 432 – Innen- und Außenkompetenz 286 f.
Stichwortverzeichnis – siehe auch Kompetenzgrundlagen der Gemeinschaft – Verstöße 284 ff. Prinzip der persönlichen Verantwortlichkeit 64 Prinzip der Vorbeugung 301 ff. – Abgrenzung zum Ursprungsprinzip 303 f. – siehe auch Vorsorgeprinzip Querschnittsklausel 292, 303, 313, 315 f. (mit Fn. 213), 384 Quota Hopping siehe Gemeinsame Fischereipolitik Radionuklide siehe OSPAR-Übereinkommen; Verschmutzung Ramsar-Übereinkommen siehe Vogelschutzrichtlinie Regime (Begriff) 25 (mit Fn. 22) Region 28, 39 ff. – OSPAR-Regionen 47 – politische – 40 Regionalisierung – des Meeresschutzes 26 ff. – Subregionalisierung 347 – und NEAFC-Übereinkommen 249 ff. – und Universalismus 27 ff., 40 – siehe auch Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen; Straddling Stocks Agreement; UNEP Revised Management Procedure siehe Internationales Übereinkommen zur Regelung des Walfangs Rio-Deklaration über Umwelt und Entwicklung 120 f. Rücksichtnahmegebot 307 f., 324, 334 f., 363 Sachwalterschaft 319, 338 f., 437 (mit Fn. 802) – siehe auch Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen safe biological limits siehe Fischerei
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Sanktionen 224 f. Schifffahrt – im Nordostatlantik 45 f. – Verschmutzung durch – – Abfallverbrennung 64 f. (mit Fn. 129), 146 f. – Ballastwasser 68, 127 – betriebliche Verschmutzungen 46, 68 f. – Entsorgung von Schiffsabfällen 64, 411 ff. – Schiffsunfälle 22 f., 66 f. – Tributylzinn 68 f. – wilde Verklappung (Dumping) 46, 63 f., 411 – Weltflottentonnage 45 f., 321 – siehe auch Freiheit der Meere; Kompetenzgrundlagen der Gemeinschaft; Meeresschutzgebiete Schiffsfreigabeverfahren 101, 113 f., 176 Schiffsidentifizierungssystem, automatisches siehe SOLAS Schiffssicherheit siehe Erika-Pakete Schwermetalle siehe Verschmutzung Schwertfischstreit siehe Bestandsschutz SEAFO-Übereinkommen 174, 246 ff. – siehe auch Fischerei Seerecht – Europa-Zentrik 29 f. – historische Entwicklung 29 ff. – lex rhodia 29 (Fn. 44) – mare clausum 30 – mare liberum 30 Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen – als „Verfassung“ des Meeres 26 f., 74 ff., 117 – Durchsetzung 96 ff. – Einsatz des Interessiertesten 96, 102 – Interventionsrecht 100 f. (mit Fn. 137 f.)
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Stichwortverzeichnis
– Sachwalter des Allgemeininteresses 102 f. – Staatenverantwortlichkeit 103 ff. – siehe auch Hafenstaatkontrolle – Kriegs- und Staatsschiffe 76 – regionale Zusammenarbeit 23, 26 – umweltpolitische Strukturprinzipien 77 ff. – siehe auch Vorsorgeprinzip – siehe auch Bestandsschutz; Internationale Walfangkommission; International Maritime Organization; Londoner Dumping-Konvention; Normkonflikt; Straddling Stocks Agreement Selbstverteidigung 100 (Fn. 138) self executing-Regeln 428 f. Sellafield siehe MOX Plant SOLAS 64, 128, 139 ff. – automatisches Schiffsidentifizierungssystem 141, 403, 409 – ISM-Code 64, 140 f., 406 – Nichtbegünstigungsklausel 129 (Fn. 284) – Protokolle 139 – siehe auch Hafenstaatkontrolle Staatenverantwortlichkeit siehe Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen Staatszugehörigkeit siehe Flaggenhoheit Statusverträge siehe Straddling Stocks Agreement Straddling Stocks siehe Bestandsschutz; Straddling Stocks Agreement Straddling Stocks Agreement – Drittwirkung 158 ff. – Allgemeininteresse 160 ff. – Statusverträge 158 f. – Durchsetzung 169 ff. – durch Hafenstaaten 173 ff. – Kontrollrechte 170 ff. – Vereinbarkeit mit dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen 171 ff.
– regionale Fischereiorganisationen 154, 163 ff., 170 f. – Drittwirkung 164 ff. – opting out 168 f. – siehe auch NEAFC-Übereinkommen – sachlicher Geltungsbereich 150 f. – Streitbeilegung 155, 175 ff. – Vereinbarkeit von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen 154 ff. – Verhältnis zum Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen 149 f., 155 ff. – siehe auch Fischerei; ganzheitlicher Ansatz; Normkonflikt; Vorsorgeprinzip Streitbeilegung – Konkurrenzen 437 ff. – siehe auch Londoner Dumping-Konvention; MOX Plant; OSPAR-Übereinkommen; Straddling Stocks Agreement Subsidiarität 121, 409 Supranationalität siehe Europäische Gemeinschaft tacit acceptance-Verfahren 138 ff. tatsächliches Interesse an der Fischerei siehe Fischerei technische Erhaltungsmaßnahmen siehe Gemeinsame Fischereipolitik Torrey Canyon 100 (Fn. 138) total allowable catch siehe Bestandsschutz Treuhandrat siehe nachhaltige Entwicklung Tributylzinn siehe Schifffahrt Übereinkommen über die biologische Vielfalt siehe OSPAR-Übereinkommen Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten siehe ACCOBAMS
Stichwortverzeichnis Überwachung des Seeverkehrs siehe Erika-Pakete UNEP 27 f. – Aktionspläne 27 – Regional Seas Programme 27 f. – siehe auch Agenda 21 unmittelbare Anwendbarkeit siehe gemischte Abkommen Ursprungsprinzip 84, 147 – im Gemeinschaftsrecht 303 f. – siehe auch Prinzip der Vorbeugung uti possidetis 378 (Fn. 503) Verbot der Doppelabstützung 306 Vergemeinschaftung völkerrechtlicher Verträge siehe Völkerrecht Verhältnismäßigkeit 303 Verpflichtung zum Schutz der Meeresumwelt, erga omnes-Charakter 77 ff., 102 (Fn. 144), 104 (Fn. 149) Verschmutzung – Begriff 55 ff. – Eutrophierung 24, 58 f., 193, 348 f. – Öl 61 – persistente organische Schadstoffe 60 f. – Radionuklide 62 f. – Schwermetalle 59 f. – siehe auch OSPAR-Übereinkommen; Schifffahrt Versenkung von Ölbohrplattformen – nach dem Dumping-Protokoll 146 – nach dem OSPAR-Übereinkommen 212, 218 ff. – siehe auch Brent Spar Verträge, völkerrechtliche – Änderung – durch spätere Praxis 130, 187 ff., 273 (Fn. 29) – durch spätere Übereinkünfte 219 – siehe auch ICCAT-Konvention; Meeresumweltschutz; NASCOÜbereinkommen; NEAFC-Über-
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einkommen; OSPAR-Übereinkommen; tacit acceptance-Verfahren – offene und geschlossene 167 f., 180 – siehe auch ICCAT-Konvention – Reflexwirkungen 131 ff. – zu Lasten Dritter 132 ff. – siehe auch Auslegung; Europäische Gemeinschaft; Europarecht Vertragsverletzungsverfahren siehe Europäische Gemeinschaft Verursacherprinzip 84, 147 – im Gemeinschaftsrecht 304 f., 413 f. (mit Fn. 676) – im OSPAR-Übereinkommen 204 f. Völkerrecht – Durchsetzungsschwäche 97 – Dynamik 271 f. – Gemeinschaftsrechtsfreundlichkeit 444 ff. – Gewohnheitsrecht 78 f., 81 f., 100 (mit Fn. 138), 87 ff., 104, 120, 130 (mit Fn. 285 f.), 174, 444 ff. – Elemente 78 (Fn. 44), 81, 136 (mit Fn. 320), 161 (mit Fn. 430), 162 (mit Fn. 436) – siehe auch Verträge, völkerrechtliche – siehe auch Vorsorgeprinzip – Überlagerung mit dem Europarecht im Nordostatlantik 25, 28 f., 34 – Vergemeinschaftung völkerrechtlicher Verträge 346 f., 366, 393 f., 422 ff. – Beschlüsse internationaler Organisationen 429 ff. – siehe auch gemischte Abkommen Vogelschutzrichtlinie 369 ff. – Ramsar-Übereinkommen 371 f. – Schutzregime 369 – siehe auch Meeresschutzgebiete – Zusammenhang mit der FFH-Richtlinie 370 f. Vorsorgeansatz siehe Vorsorgeprinzip Vorsorgeprinzip – Beweislastumkehr 84, 107, 147, 152 f., 203 f., 302
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– Gehalt 81 ff. – im ACCOBAMS 262 – im Gemeinschaftsrecht 294 ff. – Abgrenzung zum Prinzip der Vorbeugung 295 f., 301 f. – im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik 381, 383 f. – im NASCO-Übereinkommen 236 – im OSPAR-Übereinkommen 202 ff. – im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen 81 ff. – im Straddling Stocks Agreement 152 f. – und Völkergewohnheitsrecht 81 f. – Vorsorgeansatz 106, 147
Walfang – indigener Gemeinschaften 51, 185 f. (mit Fn. 553) – kommerzieller 50 f., 181 – zu wissenschaftlichen Zwecken 184 f. – siehe auch Internationales Übereinkommen zur Regelung des Walfangs; Internationale Walfangkommission Wasserrahmenrichtlinie 126, 349 ff. – Vergemeinschaftung der OSPARStofflisten 350 f. weit wandernde Arten siehe Bestandsschutz wilde Verklappung siehe Schifffahrt
SUMMARY Despite an array of measures, the risks for the oceans have not yet vanished. Pollution from land-based sources and ships, the over-exploitation of the marine living resources and the extinction of marine species still pose a considerable threat to the marine environment. Against this factual background, the author examines the legal regime for the protection of the marine environment in the North-East Atlantic. In this area of the sea European law meets a multiplicity of international law treaties of both an universal and a regional character. Besides a detailed analysis of these instruments, the author turns his attention to the problems of overlapping treaty regimes. After an overview of the factual background, i.e., the degree of utilisation and pollution of the North-East Atlantic, the author, in the second part of the treatise, explores the international legal regime for the protection of the marine environment. He does not only examine the relevant universal and regional treaties, but broadens the analysis by making frequent reference to the pertinent aspects of general international law. In the third part of the book, the author assesses the legal bases for the European Community’s actions concerning marine environmental protection. He analyses, in detail, Community legislation in this field and addresses the general question of the European Community’s role in corresponding international law. In all this, the author follows an integrated approach, i.e., he does not only deal with the protection of the marine environment, but also discusses the law of fisheries, the law of protection of marine species and the relationship between them.
RÉSUMÉ En dépit de multiples mesures, les dangers qu’encourt le milieu marin ne sont toujours pas surmontés. La pollution matérielle (causée, p. ex., par la navigation), la surpêche et l’extinction des espèces marines ont pris des dimensions menaçantes dans le monde entier. Au vu de cela, l’auteur traite la protection internationale de la mer à l’exemple régional de l’Atlantique du Nord-Est. Dans cette région maritime, les mesures du droit européen s’y rapportant rencontrent une multitude de conventions du droit international public ayant pour but la protection de la mer, d’un domaine d’application universel et régional. En plus de la présentation des différents niveaux juridiques superposés, l’auteur examine avant tout les rapports réglementaires résultant de ces superpositions. A cette fin, l’auteur démontre, dans une première partie de son travail, les dimensions de l’utilisation et de la pollution de l’Atlantique du Nord-Est, avant d’examiner, dans une seconde partie, le régime de la protection des mers du droit international public (droit international public universel et régional). L’auteur ne tient non seulement compte des traités s’y rapportant, mais les met toujours en rapport avec le droit international public. La troisième partie est consacrée aux actions maritimes de la Communauté Européenne relatives à la protection de la mer (bases de compétences; droit secondaire; participation à des conventions du droit international public s’y rapportant). L’auteur montre que la Communauté peut contribuer à une plus grande efficacité de la protection internationale des mers. De plus, les développements reposent toujours sur une description intégrale, c’est-à-dire, l’auteur ne traite non seulement la protection du milieu marin au sens strict du terme, mais également celle du peuplement et des espèces.