Medialität, Materialität, Kodierung: Grundzüge einer allgemeinen Theorie der Medien 9783839436004

Here, for the first time, a general media theory is elaborated that examines media events for their communicative, mater

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German Pages 240 Year 2016

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Einleitung
1 Medialität und Semiose
1.1 Die Mehrdeutigkeit des Wortes Medium
1.2 Semiose als Ereignis
1.2.1 Alterität und Dialogizität
1.2.2 Das Primat der medialen Rezeption
1.2.3 Typologie der medialen Adressierung
1.3 Zeichen in actu und Zeichen in posse
1.3.1 Konvention und System (Saussure)
1.3.2 Ereignis, Zeichen, Interpretation (Peirce)
1.3.3 Synopse: Ereignis und Konvention
1.4 Prinzipien der medialen Repräsentation
1.4.1 Variationen des Repräsentanten und des Repräsentats
1.4.2 Repräsentation und mediale Transparenz
1.4.3 Störungen und Auffälligkeit der medialen Repräsentation
1.5 Die Konstitution der Zeichen
2 Materialität
2.1 Beschaffenheit
2.1.1 Medium, Zeichen, Zeichenträger
2.1.2 Immaterielle Zeichen
2.1.3 Kanal, Medium und technische Kommunikation
2.2 Art der Wahrnehmung
2.2.1 Linearität und Gleichzeitigkeit
2.2.2 Möglichkeiten zeitlicher Linearisierung von Bildern
2.2.3 Multimediale Kommunikation
2.3 Art der Vermittlung: Produktion und Reproduktion
2.3.1 Performanz, Performance, performative Akte
2.3.2 Performative Transmedialität
2.3.3 Technische Dispositive
3 Kodierung
3.1 Kodierungsart
3.1.1 Motivation und Konvention
3.1.2 Ostentation und Prädikation
3.1.3 Kommunikative Handlungsqualitäten und Ebenen der Bedeutung
3.1.4 Kommunikative Einbindung durch das Zeichen
3.2 Kodierungsgrade
3.2.1 Intermedialität, Transkodierung und Reproduktion
3.2.2 Mediale Kategorien und Kodierungsgrade
3.2.3 Soziale Dispositive – ökonomische Voraussetzungen
3.2.4 Soziale Dispositive – politische Aspekte
3.3 Konventionalität und Innovation
3.3.1 Zur Historizität von Konventionen
3.3.2 Zeichensysteme und „Grammatik“
3.3.3 Mediale Makrostrukturen und ihre kommunikativen Traditionen
3.3.4 Wertungsdiskurse: Aushandeln des gesellschaftlichen Nutzens von Medien
3.3.5 Bewertungen von Medien in ästhetischen Zusammenhängen: allgemeingültige Kriterien
3.3.6 Individuelle Faktoren der Bewertung
3.4 Kontextualität
3.4.1 Konventionelle und unkonventionelle Kontexte
3.4.2 Umkontextualisierung
3.4.3 Sekundäre Kontextintegration
3.4.4 Kontextprogression
3.4.5 Kontext- und Medialitätsverlust
Konklusion
Sachregister
Abbildungen
Bibliographie
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Medialität, Materialität, Kodierung: Grundzüge einer allgemeinen Theorie der Medien
 9783839436004

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Julia Genz, Paul Gévaudan Medialität, Materialität, Kodierung

Edition Medienwissenschaft

Für Albert

Julia Genz (Prof. Dr.) lehrt Komparatistik und Neuere deutsche Literaturwissenschaft an den Universitäten Tübingen und Witten/Herdecke. Paul Gévaudan (Prof. Dr.) lehrt Romanische Sprachwissenschaft an der Universität Paderborn.

Julia Genz, Paul Gévaudan

Medialität, Materialität, Kodierung Grundzüge einer allgemeinen Theorie der Medien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2016 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Curly Pat / Shutterstock.com Lektorat: Hiltrud Lautenbach Printed in Germany Print-ISBN 978-3-8376-3600-0 PDF-ISBN 978-3-8394-3600-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt Vorwort | 7 Einleitung | 9

1 Medialität und Semiose | 17 1.1

Die Mehrdeutigkeit des Wortes Medium | 18

1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3

Semiose als Ereignis | 20 Alterität und Dialogizität | 23 Das Primat der medialen Rezeption | 25 Typologie der medialen Adressierung | 27

1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3

Zeichen in actu und Zeichen in posse | 33 Konvention und System (Saussure) | 34 Ereignis, Zeichen, Interpretation (Peirce) | 38 Synopse: Ereignis und Konvention | 41

1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3

Prinzipien der medialen Repräsentation | 44 Variationen des Repräsentanten und des Repräsentats | 44 Repräsentation und mediale Transparenz | 50 Störungen und Auffälligkeit der medialen Repräsentation | 54

1.5

Die Konstitution der Zeichen | 59

2 Materialität | 61 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3

Beschaffenheit | 62 Medium, Zeichen, Zeichenträger | 64 Immaterielle Zeichen | 68 Kanal, Medium und technische Kommunikation | 70

2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3

Art der Wahrnehmung | 76 Linearität und Gleichzeitigkeit | 76 Möglichkeiten zeitlicher Linearisierung von Bildern | 79 Multimediale Kommunikation | 83

2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3

Art der Vermittlung: Produktion und Reproduktion | 88 Performanz, Performance, performative Akte | 91 Performative Transmedialität | 99 Technische Dispositive | 105

3 Kodierung | 111 Kodierungsart | 111 Motivation und Konvention | 112 Ostentation und Prädikation | 118 Kommunikative Handlungsqualitäten und Ebenen der Bedeutung | 122 3.1.4 Kommunikative Einbindung durch das Zeichen | 126 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3

3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4

Kodierungsgrade | 129 Intermedialität, Transkodierung und Reproduktion | 130 Mediale Kategorien und Kodierungsgrade | 135 Soziale Dispositive ௅ ökonomische Voraussetzungen | 143 Soziale Dispositive ௅ politische Aspekte | 154

Konventionalität und Innovation | 162 Zur Historizität von Konventionen | 162 Zeichensysteme und „Grammatik“ | 164 Mediale Makrostrukturen und ihre kommunikativen Traditionen | 168 3.3.4 Wertungsdiskurse: Aushandeln des gesellschaftlichen Nutzens von Medien | 171 3.3.5 Bewertungen von Medien in ästhetischen Zusammenhängen: allgemeingültige Kriterien | 174 3.3.6 Individuelle Faktoren der Bewertung | 177 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3

3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5

Kontextualität | 180 Konventionelle und unkonventionelle Kontexte | 181 Umkontextualisierung | 185 Sekundäre Kontextintegration | 188 Kontextprogression | 195 Kontext- und Medialitätsverlust | 197

Konklusion | 201 Sachregister | 211 Abbildungen | 217 Bibliographie | 221

Vorwort

Dieses Buch richtet sich an jeden, der sich für die Frage interessiert, was Medien sind und wie sie funktionieren. Es liefert Erklärungen für die unterschiedlichen Verwendungen des Wortes ‚Medium‘ und arbeitet einen Medienbegriff aus, mit dem man in den verschiedensten Anwendungsbereichen arbeiten kann. Dabei geht es letztlich auch darum, den Gegenstand, die Methodik und die begrifflichen Grundlagen der Medienwissenschaft zu umreißen. Wir haben uns gefragt, nach welchen rationalen Kriterien eine Medientheorie definiert sein müsste, die anwendbar, widerspruchsfrei und aus sich heraus entwickelt ist. Anwendbar soll eine Medientheorie auf allen Gebieten sein, in denen üblicherweise von ‚Medium‘ oder ‚Medien‘ die Rede ist. Eine aus sich selbst heraus entwickelte, also genuine Medientheorie muss nach eigenen, zusammenhängenden Prinzipien und nicht nach den Kriterien und Erwartungen anderer Disziplinen, wie zum Beispiel der Soziologie, der Philosophie, der Literatur-, der Kunst- und der Theaterwissenschaft, konzipiert sein. Aus Gründen der Kohärenz und Verständlichkeit haben wir uns darum bemüht, alle Begriffe, die eine Medientheorie ausmachen, zu erklären und durch Beispiele aus unterschiedlichsten Bereichen alter und neuer Medien zu veranschaulichen. Das macht unsere Medientheorie nicht nur für Fachwissenschaftler und Studierende der Medienwissenschaften und medienaffiner Disziplinen interessant, sondern auch für eine breitere Leserschaft. Für Anregungen und Diskussionen danken wir den Teilnehmern des schweizerischen Nationalen Forschungsstützpunktes Mediality an der Universität Zürich und insbesondere seinem Leiter Christian Kiening, den Teilnehmern der 5. Internationalen Tagung zur Kontrastiven Medienlinguistik an der Universität Mannheim und deren Organisatoren Eva Eckkrammer und Johannes Müller-Lancé sowie den Kollegen aus der Abteilung für Sprach- und Medienwissenschaften des Romanischen Seminars in Mannheim, den Mitarbeitern des Korpusprojekts Les plus anciens documents

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linguistiques de la France an der Universität Zürich und seinem Leiter Martin-Dietrich Glessgen, Jürgen Trabant für seine kritischen, aber gerechtfertigten Anmerkungen zum aristotelischen Zeichenbegriff sowie unseren medienwissenschaftlichen, romanistischen und germanistischen Kollegen der Philosophischen Fakultäten der Universitäten Tübingen und Köln, die uns immer wieder mit großen und kleinen Einwänden dazu gebracht haben, unsere Argumentation zu präzisieren. Unserem 2014 viel zu früh verstorbenen Freund und Lehrer Peter Koch, dessen medientheoretische Schriften unsere Arbeit in mehreren wichtigen Punkten beeinflusst hat, sind wir in besonderer Weise verpflichtet. Neben seinen zeichen- und medientheoretischen Überlegungen und seinen wegweisenden Arbeiten zur Schriftlichkeit hat auch seine allgemein anerkannte, mit Wulf Oesterreicher entwickelte Theorie der Nähe- und Distanzkommunikation in unsere Überlegungen Eingang gefunden. Für zahlreiche Anregungen zu unserem Manuskript danken wir Markus Heilmann und Hiltrud Lautenbach, die darüber hinaus das Lektorat übernommen und in professioneller Weise durchgeführt hat. Ferner verdanken wir Heike Jauch einige umsichtige und sehr hilfreiche redaktionelle Überarbeitungen kurz vor der Fertigstellung des Manuskripts. Schließlich möchten wir es nicht versäumen, auf die intensive, sorgfältige und zuvorkommende Betreuung unseres Bandes durch die Mitarbeiter des transcript Verlags hinzuweisen, die uns durch den Prozess der Publikation begleitet haben.

Einleitung

Die Frage, was Medialität bedeutet, kann auf sehr unterschiedliche Weise beantwortet werden. Zunächst steht der Terminus für ‚spezifische Eigenschaften von Medien‘ oder ‚Eigenschaft, ein Medium zu sein‘. Medialität und Medium sind, so gesehen, zwei Seiten derselben Medaille, oder besser zwei Bezeichnungen für dasselbe Konzept. Doch wofür steht dieses Konzept? Als Medium oder medial werden verschiedene Kommunikationsmittel und ihre Verwendung bezeichnet. Neben den einfachen Formen der Kommunikation, für die keine weiteren Hilfsmittel notwendig sind (Mimik, Gestik, Stimme), und fortgeschrittenen kommunikativen Kulturtechniken wie der Schrift steht in industriellen und postindustriellen Kulturen insbesondere die Telekommunikation im Fokus des Interesses. Als Medium bezeichnet man erstens technische Apparate zur Übertragung von Kommunikation, wie beispielsweise Radio, Fernsehen und Telefon, zweitens aber auch die von diesen Medien übertragenen Sendungen oder Gespräche, die als auditive und visuelle Erscheinungsformen die eigentlichen Träger von Inhalten und Informationen sind, und drittens schließlich die sozialen Gruppen und Institutionen, wie zum Beispiel Rundfunk- und Fernsehanstalten, die hinter den Inhalten stehen, diese produzieren und verteilen. Jenseits der elektronischen Apparaturen werden auch Bücher und Zeitungen sowie Kunstwerke und Aufführungen zu den ‚Medien‘ oder ‚medialen‘ Ereignissen gezählt. Auch in diesem Zusammenhang werden sowohl die Formen als auch die Inhalte der Übertragung, zum Beispiel literarische Texte, Musik- und Theaterstücke, als Medien bezeichnet. Bei genauerer Betrachtung fallen noch weitere Phänomene in diesen Bereich, die zweifellos medialen Charakter haben, wie Schrift- und Notationssysteme, Symbole und andere Kodes. Zahlreiche weitere alltägliche Informationstechniken, wie etwa Signale für die Verkehrsregelung, Werbeplakate, Haustürklingeln und ähnliches, werden ebenfalls als Medien betrachtet. Schließlich gehören selbst die menschlichen Sprachen, derer wir uns unablässig bedienen, in

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diese Kategorie, denn was könnte besser als Medium geeignet sein, um Inhalte zu vermitteln, als Sprache? Der Begriff der Medialität bezieht sich also sowohl auf sprachliche als auch auf nicht sprachliche Zeichensysteme, sowohl auf funktionale als auch auf künstlerisch-ästhetische Kommunikation, sowohl auf Kommunikationsmittel als auch auf Kommunikationstechniken. Die Vielfältigkeit der Vorstellung von ‚Medium‘ findet sich nicht nur in der Gemeinsprache, sondern auch in der Fachsprache wieder. Angesichts dieser heterogenen Verwendungsweise stellt sich die Frage nach der Konsistenz des Konzepts ‚Medialität‘.1 Unterstellt man, dass dieser Begriff in allen genannten Bereichen seine Berechtigung hat, so muss er so umfassend und zugleich differenziert sein, dass er alle systemspezifischen Eigenarten berücksichtigen kann. Dies ist umso dringlicher, als viele Kommunikationsphänomene auf komplexen medialen Verbindungen beruhen, wie etwa der (Ton-)Film, der nicht nur intermediale Bezüge schafft, sondern sich über Medienkombination als ein Verbundmedium konstituiert.2 Zwar ist in den vergangenen Jahrzehnten die Zahl der Publikationen im Bereich der Medienwissenschaften enorm angestiegen – es gibt wohl kein Medium, zu dem nicht schon eine Bandbreite von differenzierten Untersuchungen vorliegt. Ebenso gibt es im Bereich der Theoriebildung eine Fülle von Ansätzen. Desiderate bleiben jedoch nach wie vor zwei Dinge: Einerseits werden Definitionen der Grundbegriffe benötigt, die klar umrissen und 1

2

Die fortschreitende Entgrenzung des Medienbegriffs wird von verschiedener Seite problematisiert, zum Beispiel von Vogel (2001: 13), Tholen (2002: 50), Münker/Roesler (2008) und Winkler (2008: 20). Die genannten Bände kritisieren unter anderem technikorientierte (McLuhan 1994 [1964]), systemtheoretische (Luhmann 1995a und 1995b) und phänomenologische Ansätze (Groys 2000), denen sie u.a. Beliebigkeit aufgrund fehlender Differenzierung vorwerfen. Engell/Vogl (1999: 10) ziehen aus den divergenten Verwendungen des Medienbegriffs sogar die radikale Konsequenz, „dass es keine Medien gibt, keine Medien jedenfalls in einem substanziellen und historischen Sinn“. Zur Definition von Verbundmedium siehe Strittmatter/Niegemann (2000: 120): „‚Neue‘ Verbundmedien sind durch neue Informationstechnologien wie Computer beziehungsweise Telekommunikation kombinierte Medien, die unterschiedliche Codesysteme (Schrift, gesprochene Sprache, Bilder, Grafiken, Musik, Film usw.) verwenden und in der Regel die Sinnesmodalitäten Sehen und Hören ansprechen. Es handelt sich im Allgemeinen um Formen computer- und telematikgestützter Instruktion.“

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zugleich so allgemein gefasst sind, dass sie vielfältig einsetzbar und anwendbar sind. Andererseits fehlt es an einer Theorie, die die bisherigen Konzepte zueinander in Bezug setzt, systematisiert und gegebenenfalls integriert. Gegenstand der folgenden Untersuchung ist es, diese Theoriebildung zu leisten sowie eine Definition der Medialität zu konzipieren, die alle medialen Typen und Aspekte umfasst und damit auch in der Lage ist, plurimediale Konstellationen zu durchdringen. Zu diesem Zweck nehmen wir zunächst eine Analyse von Einzelfaktoren der medialen Übermittlung vor. Erst vor diesem Hintergrund sind wir in der Lage, das Zusammenspiel einzelner Komponenten der komplexen Wirkungsweise von Medien angemessen zu untersuchen. Dabei liegt der Schwerpunkt nicht von ungefähr auf der Semiotik der Medien. Denn eine umfassende Medientheorie muss zwangsläufig auf einer Kommunikationstheorie beruhen, sind doch alle medialen Geschehnisse in ihrer Übermittlungsfunktion kommunikativ. Eine Kommunikationstheorie kann wiederum nicht umhin, semiotische Prozesse zu analysieren und beinhaltet daher notwendigerweise eine Zeichentheorie. Man kommuniziert, indem man Zeichen verwendet und produziert. Und indem man kommuniziert, löst man mediale Ereignisse der Übermittlung aus. Daraus ergibt sich das in Fig. 1 dargestellte Implikationsverhältnis: Fig. 1

Prämissen einer umfassenden Medialitätstheorie Medialität Kommunikation Zeichen

Grundlage unserer Überlegungen ist ein Medialitätsbegriff, der Kommunikation in erster Linie als Ereignis versteht und der in der Tradition von Aristoteles und Humboldt das mediale Ereignis als Tätigkeit (enérgeia) und als Produkt (érgon) auffasst. Die Tätigkeit wird von Seiten der Produktion

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und von Seiten der Rezeption betrachtet. Das Produkt des medialen Ereignisses ist nichts anderes als ein Zeichen und kann, da es eine physische Existenz hat, in seiner Materialität und, insofern als es gedeutet wird, in seiner Kodierung untersucht werden. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass Materialität immer vorliegt, auch bei mündlicher oder digitaler Kommunikation, die als ‚flüchtig‘ wahrgenommen werden. Denn auch Schallereignisse oder elektronische Datenströme, die häufig als immateriell betrachtet werden, weil sie nicht unmittelbar sichtbar und greifbar sind, manifestieren sich materiell. Die Ableitung des Kommunikationsereignisses als mediales Ereignis und seine begriffliche Differenzierung in Tätigkeit (enérgeia) und Produkt (érgon) sowie deren Differenzierung in Produktion und Rezeption einerseits (enérgeia) und Materialität und Kodierung andererseits (érgon) veranschaulicht die folgende Graphik: Fig. 2 Struktur und Aufbau der vorgestellten Medialitätstheorie Medialität

Kommunikationsereignis

Tätigkeit (enérgeia)

Produktion

Rezeption

Produkt / Zeichen (érgon)

Materialität

Kodierung

Medialität ist insofern der weitere Begriff gegenüber Kommunikation, als sie, wie oben angesprochen, über den abstrakteren Kommunikationsbegriff hinaus auch individuelle Ausprägungen und Erscheinungsformen des Medialen, von der Haustürklingel bis hin zu medialen Verbünden (z.B. Sendeanstalten, Verlags- oder Zeitungsimperien) umfasst, während der Kommunikationsbegriff in erster Linie enérgeia und érgon zwischen einem Produzenten und einem Rezipienten meint. Produktion und Rezeption

E INLEITUNG

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beziehen sich dabei natürlich immer auch auf das érgon – dies ist in Figur 2 aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht extra dargestellt. Dabei nimmt das Modell für Produzent und Rezipient in der Kommunikation eigene, getrennte Kommunikationskontexte an, die sich im medialen Ereignis überlappen. Diese Konzeption stellt eine Revision der gängigen Ansätze dar, die den kommunikativen Kontext als einheitlich definieren, der je nach Kommunikationssituation eine Face-to-Face-Situation impliziert oder „zerdehnt“ (Konrad Ehlich) wird. Im Rahmen der Dialogizität von Produzent und Rezipient erweist sich die Rezeption als vorrangig gegenüber der Produktion. Medialität liegt dann vor, wenn sie als solche rezipiert wird. Diese Neukonzeption hat weitreichende Folgen, bis hin zur möglichen Beantwortung der Frage, was Medien von Nichtmedien unterscheidet. So kann auf dieser Grundlage diskutiert werden, ob bereits ein Werkzeug, ein Instrument, ein leeres Blatt Papier oder auch ein historischer Gegenstand wie der bis heute nicht entschlüsselbare antike Diskos von Phaistos ein Medium ist. Davon wird im Folgenden ausführlich die Rede sein. Ein kommunikations- und ereignisorientierter Ansatz ist in der Lage, das je individuelle Medienereignis erfassen zu können und somit die Bandbreite aller denkbaren medialen Konstellationen in den Blick zu bekommen. Denn damit werden nicht nur ‚herkömmliche‘ distinkte Medien erfassbar, sondern auch eine Kombination von simultanen oder konsekutiven Medienereignissen, die sich zu größeren Einheiten zusammenschließen lassen. Diese Phänomene diskutieren wir u.a. im Zusammenhang mit Transmedialität, Intermedialität und Transkodierung sowie mit sozialen Dispositiven. Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Kapitel spezifizieren wir unsere Auffassung von Medialität und Semiose, die das konkrete Ereignis der Kommunikation als definitorisches Moment begreift. Einer ersten Diskussion der Mehrdeutigkeit des Wortes Medium folgt eine Erörterung der Ereignishaftigkeit von Zeichenprozessen. Diese gründet auf Prinzipien der Alterität und Dialogizität, aus denen das Primat der Rezeption und eine detaillierte Typologie der medialen Adressierung abzuleiten sind. Semiotische Ereignisse werden anschließend ins Verhältnis der Zeichentheorien von Peirce und Saussure gesetzt. Davon ausgehend werden die Prinzipien der medialen Repräsentation erläutert (aliquid stat pro aliquo), was auch eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Transparenz bzw. der sogenannten „Unsichtbarkeit“ von Medien einschließt. Das Kapitel endet mit

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einigen Überlegungen zur Konstitution von Medien und zu ihrer Kompositionalität. Das zweite Kapitel zur Materialität behandelt zunächst das Verhältnis von Zeichen zu Medien: Wie unterscheiden sich Zeichen von Medien, inwiefern können Zeichen und Medien deckungsgleich sein, was sind die unterschiedlichen materiellen Bestandteile von Medien usw.? Daran schließen sich Erörterungen zur Immaterialität von Zeichen und zur Medialität technischer Apparate der Übertragung an. Aus der unterschiedlichen Beschaffenheit von Zeichen (als Schrift, Klang, Form etc.) resultieren ihre spezifischen Vermittlungs- und Rezeptionsformen (z.B. als linear, gleichzeitig, multimedial usw.) oder, wie es andernorts genannt wird, ihre Modalität. In diesem Zusammenhang werden Techniken der Linearisierung von Bildern erörtert und der Begriff der Multimedialität von Grund auf systematisiert. Im letzten Drittel dieses Kapitels geht es um materielle Aspekte der medialen Produktion und Vermittlung. Hier wird eine umfassende Theorie der medialen und kommunikativen Performanz entwickelt, die Mechanismen der performativen Transmedialität vorgestellt und das Konzept des technischen Dispositivs erläutert. Das dritte Kapitel befasst sich mit der Kodierung medialer Ereignisse. Dabei geht es generell um die Frage, wie man in der Repräsentation vom Darstellenden (Repräsentant) zum Dargestellten (Repräsentat) gelangt. Zunächst werden Kodierungsarten im Spannungsfeld von Motivation und Konvention sowie von Ostentation und Prädikation erörtert. Ferner stellen wir in diesem Zusammenhang ein handlungsbezogenes Bedeutungsmodell vor und kommen auf die Prinzipien der kommunikativen Einbindung des Rezipienten zu sprechen. Unter dem Begriff Kodierungsgrad werden danach verschiedene Formen der hintereinandergeschalteten Mehrfachkodierung erörtert. Dabei geht es um Transkodierung (u.a. von Sprache in Schrift), um ein übergreifendes Begriffssystem der Intermedialität sowie um soziale Dispositive von Massenmedien und digitale Kommunikation. Den Übergang von den elementaren medialen Ereignissen zu diesen übergeordneten und hochkomplexen kommunikativen Prozessen erfassen wir mit dem Konzept der rekursiven Medialität. Dieser Begriff stellt das notwendige Scharnier einer umfassenden Medientheorie dar. Berücksichtigt wird außerdem, dass Kodierung stets in einem bestimmten historischen Kontext steht und damit einerseits bis zu einem gewissen Grade konventionell und andererseits auch potenziell innovativ ist. Neben dem grammati-

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schen Prinzip konventioneller medialer Kommunikation wird in diesem Zusammenhang die Rolle von kulturellen Traditionen und Wertungsdiskursen untersucht. Im letzten Abschnitt des dritten Kapitels geht es um verschiedene Arten der Kontextualisierung medialer Inhalte und Kodes. Materialität und Kodierung des Medialen werden in ihrer sozialen, kognitiven, semiotischen und z.T. auch historischen Dimension betrachtet und in mikro- und makrostrukturelle Zusammenhänge gestellt. Es geht in dieser Arbeit also zunächst um die Zerlegung von ‚Medium‘ und ‚medialem Ereignis‘ in die jeweiligen Grundformen. Dieser Schritt bildet wiederum die Basis für Untersuchungen der vielfältigen systematischen und historischen Ausprägungen von Medien, etwa von Verbundmedien wie Fernsehen, Radio, Zeitungen etc. Dank der Basiselemente können beliebige plurimediale Konstellationen in ihrer Komplexität erfasst und beschrieben werden. Insgesamt liefert der hier entwickelte Ansatz Grundzüge einer allgemeinen Medientheorie, mit der einfache und komplexe, neue und alte Medien und diverse Medienkonstellationen kohärent untersucht werden können. Begriffe, die bisher in unterschiedlichen Disziplinen wie Medien-, Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften, aber auch in philosophischen Diskursen Verwendung finden (Zeichen versus Medium, Multimedialität, Transmedialität, Transkodierung, Materialität, Konventionalität, Performanz etc.), werden auf eine gemeinsame Basis gestellt. Auf diese Weise werden die Konzeptionen verschiedener Ansätze geklärt und ihre Kompatibilität aufgezeigt. Damit kann der vorliegende Band auch als interdisziplinäres Grundlagen- und Nachschlagewerk genutzt werden, denn es stellt nicht nur eine Theorie, sondern vielmehr eine Metatheorie der Medialität dar.

1

Medialität und Semiose

Betrachtet man die im Vorspann genannten Anwendungsbereiche des Begriffs ‚Medialität‘, so stellt man fest, dass diese in der einen oder anderen Weise kommunikativ sind. Man kann also annehmen, dass Kommunikation eine notwendige Bedingung von Medialität ist. Mediale Prozesse sind demnach zeichenhaft (semiotisch) und daher Prozesse der Semiose. In der Semiose wird etwas – das Vermittelte – durch etwas anderes – das Vermittelnde – bedeutet (aliquid stat pro aliquo). So ist zum Beispiel ein Liebesbrief vermittelnd, die darin ausgedrückte Liebeserklärung vermittelt.1 Medialität, unser eigentlicher Untersuchungsgegenstand, ist in der Semiose (im Zeichenprozess) die spezifische Eigenschaft des Vermittelnden. Fragen wir uns zunächst einmal, was die Medialität des Liebesbriefs ausmacht. Einerseits ist er in einer bestimmten Schrift und einer bestimmten Sprache verfasst, andererseits sind Tinte und Papier, seine materielle Erscheinungsform, die Voraussetzung für seine Existenz als semiotisches Produkt. Das Vermittelte wird also materiell in semiotischen Zeichen be-

1

Wenn Krämer (2004: 23) eine Paradoxie darin sieht, dass Medien „etwas […] vermitteln und […] das Vermittelte zugleich erzeugen“, so ist ihre Beobachtung richtig, dass Medien stets auf die Sinnkonstitution des von ihnen Vermittelten Einfluss nehmen. Eine Liebeserklärung per Brief ist zum Beispiel etwas völlig anderes als eine Liebeserklärung per SMS. Allerdings ist die Prägung des Vermittelten durch das Vermittelnde keineswegs paradox, sondern eine Grundeigenschaft der Semiose. Die begriffliche Trennung des Vermittelten und des Vermittelnden wird damit jedoch nicht obsolet. Schulte-Sasse (2002: 1) unterscheidet in diesem Zusammenhang eine „starke“ und eine „schwache“ Variante des Medienbegriffs: „Die schwache sieht das Medium als einen Informationsoder Kommunikationsträger, der auf das Übertragene nicht zwangsläufig einwirkt. Das Medium bleibt Instrument. […] Die starke Bedeutungsvariante betrachtet das Medium als einen Träger von Informationen, der diese nicht mehr oder weniger neutral vermittelt, sondern sie grundsätzlich prägt, sich ihnen medienspezifisch einschreibt […]“.

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ziehungsweise Zeichenkomplexen2 kodiert. Hier zeigen sich zwei grundlegende Aspekte der Medialität: die Materialität und die Kodierung. Diese beiden Aspekte bilden das Fundament unserer weiteren Überlegungen. Sie dienen auch dazu, die verschiedenen, teilweise sehr disparaten Verwendungen des Begriffs Medialität zu systematisieren und zu zeigen, wie diese Verwendungsweisen trotz der großen semiotischen Bandbreite, die sie eröffnen, zusammenhängen.

1.1 D IE M EHRDEUTIGKEIT

DES

W ORTES M EDIUM

Auf die Aspekte der Materialität und der Kodierung sind unterschiedliche Verwendungen des Wortes Medium zurückzuführen.3 Je nachdem, wie der Schwerpunkt gesetzt wird, versteht man darunter eher die äußere Erscheinung oder die Funktion des Zeichens. In der Alltagssprache wird Medium eher im Sinne eines Kommunikationsmittels wie beispielsweise Zeitung, Fernsehapparat, Radio, Buch, Internet etc. verstanden. Die etymologische Herleitung (lt. medium ‚das Mittlere‘ ĸ lt. medius ‚mittel‘) fokussiert dagegen auf den Kodierungsaspekt, das heißt auf ‚das Vermittelnde‘. In diesem umfassenderen Verständnis sind sowohl der Gehalt (Botschaft, Text, Bild, Ton etc.) als auch der Ausdruck des Zeichens enthalten. Wir haben es hier also mit zwei Termini zu tun: Medium1 steht für das materielle Zeichen, Medium2 für das kodierende Zeichen.4 Unabhängig von dieser Unterscheidung ist das Wort Medium mehrdeutig im Hinblick auf seinen historisch-empirischen Status, denn man kann darunter eine konventionelle Art der Vermittlung verstehen (zum Beispiel der Liebesbrief als Typ, das heißt als Textgattung oder Kommunikationsform) oder deren individuelle Erscheinungsform (zum Beispiel der konkrete Liebesbrief von A an B). In diesem Sinne liegen wiederum zwei Termini vor: Mediuma für den konventionellen und Mediumb für den individuellen

2

3 4

Von jetzt an verstehen wir unter dem Ausdruck ‚Zeichen‘ sowohl einfache Zeichen (zum Beispiel ein Wort) als auch komplexe Zeichen (zum Beispiel einen Text). Zur Vielfalt der verschiedenen Verwendungen und Konzeptionen der Termini Medium und Medien (vgl. Tholen 2005). Diese Unterscheidung soll als erste Orientierung dienen. Sie wird in Abschnitt 2.1.1 und dort vor allem in Fig. 19 ergänzt und weiter spezifiziert.

M EDIALITÄT

UND

S EMIOSE

| 19

Aspekt der Semiose. Unter dem Aspekt der Materialität kann man folglich Medium als Typus (Medium1a) oder als konkrete Realisierung (Medium1b) verstehen. Ebenso kann man Medium unter dem Aspekt der Kodierung entweder als ein System (Medium2a) oder als dessen individuelle Manifestation (Medium2b) verstehen.5 Die nachfolgende Tabelle veranschaulicht diese vier Spielarten des Verständnisses von Medium: Fig. 3

Vier Bedeutungen des Wortes Medium 1) Materialität

2) Kodierung

a) Konventionell

Medium1a

Medium2a

b) Individuell

Medium1b

Medium2b

Ein Medium als konventioneller Zeichenträger (Medium1a) könnte zum Beispiel das Buch sein, während eine Einzelsprache (beispielsweise Deutsch) oder eine bestimmte Textgattung (etwa der Roman) konventionell kodierte Medien (Medium2a) sind. Als persönlicher Besitz eines Exemplars von Die Buddenbrooks, das an einem bestimmten Platz in unserem Regal steht, stellt ein Buch ein Medium im Sinne eines individuellen Zeichenträgers (Medium1b) dar.6 Als Text ist Thomas Manns Roman ein individuell kodiertes Medium (Medium2b). Der Unterschied zwischen Individualität und Konventionalität veranschaulicht unseren Zugriff auf das Thema: Wenn Medialität grundsätzlich im Rahmen der Semiose zu denken ist, dann folgt daraus, dass man sich 5

6

Die Unterscheidung zwischen generischer und individueller Ausprägung findet sich auch in Niklas Luhmanns Begriffspaar von Medium und Form (Luhmann 2002 [1997]: 198ff.). Luhmanns Begriff Medium umfasst alle generischen Formen von Medialität und „besteht in lose gekoppelten Elementen“, Form ist dagegen eher als individuelle Ausprägung zu verstehen, indem sie „dieselben Elemente dagegen zu strikter Kopplung zusammen[fügt].“ So bezeichnet Luhmann beispielsweise Schrift als Medium und konkrete Texte als Form. Zu beachten ist hierbei, dass auch Texte generischen Charakter haben können und damit zum Medium werden (z.B. als Gattung Roman). Zu bedenken ist dabei, dass eine bestimmte Ausgabe eines Werkes in einem Verlag zwar aus einer Serie von individuellen Exemplaren besteht, dass aber diese Serie als Kollektivität von Einzelexemplaren durch die Wahl einer bestimmten Bindung, eines bestimmten Umschlags, eines bestimmten Papiers etc. in ihrer Materialität individuell ist.

20 |

M EDIALITÄT , M ATERIALITÄT , KODIERUNG

diesem Begriff über die Individualität der einzelnen Kommunikationsereignisse nähern muss. Zunächst ist ein Kommunikationsereignis konkret und individuell, es impliziert jedoch immer auch ein gewisses Maß an Konventionalität. Konventionen sind daher keine unabhängigen Phänomene, sondern Teil der individuellen Ereignisse.7 Im folgenden Abschnitt wollen wir wesentliche Differenzierungen im Hinblick auf die Ereignishaftigkeit der Semiose vornehmen.

1.2 S EMIOSE

ALS

E REIGNIS

Die Annäherung der Medialität über die Semiose bringt es mit sich, dass wir im weiteren Verlauf dieses Kapitels aus heuristischen Gründen zunächst Prinzipien der Semiotik und der als Semiose verstandenen Kommunikation erörtern. Auf dieser Grundlage erfolgt dann in Kapitel 2.1.1 eine detaillierte Abgrenzung der Begriffe Zeichen und Medium. Bis dahin soll die Frage nach der genauen Differenzierung dieser Konzepte offen bleiben. Bei seinen Überlegungen über das Wesen der Sprache greift Wilhelm von Humboldt die aristotelische Unterscheidung von Tätigkeit (enérgeia) und Werk (érgon) auf, die auch für eine allgemeine Kommunikationstheorie von entscheidender Bedeutung ist (Humboldt 1998 [1836]: 174).8 Diese Unterscheidung betrifft in erster Linie das individuelle Kommunikationsereignis.9 Das können wir am Beispiel des Liebesbriefs nachvollziehen: Der Brief selbst ist das Produkt der Tätigkeit des Schreibens und die Grundlage der Tätigkeit des Lesens. Schreiben und Lesen (Produzieren und Rezipieren) sind zwei unterschiedliche Aspekte der enérgeia, die über das érgon aufeinander bezogen sind.

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Wie in Abschnitt 3.3.1 erläutert wird, sind Konventionen in autoregulativen Systemen auf individuelle Ereignisse zurückzuführen, sodass man einen Kreislauf zwischen Individualität und Konventionalität annehmen muss. In der Sprachtheorie wird diese begriffliche Unterscheidung von Bühler (1934) und Coseriu (1952) übernommen und etabliert. Dass diese Unterscheidung darüber hinaus auch konventionelle Aspekte des individuellen Kommunikationsereignisses impliziert, diskutieren wir in Abschnitt 1.3 und 3.3.1.

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Die folgende Grafik veranschaulicht dieses Prinzip auf einer allgemeinen Ebene und gilt auch für mündliche und nicht-sprachliche Kommunikationsformen: Fig. 4

Ereignisorientiertes Kommunikationsmodell der Semiose (Adaptation aus Gévaudan 2013: 32, 2015: 130ff.)

Produzent

[enérgeia]

Zeichen [érgon]

[enérgeia]

Rezipient

Wie die Graphik zeigt, sind die Tätigkeiten (enérgeia) des Produzierens und des Rezipierens wesentlich für die Kommunikation beziehungsweise für die Semiose: Sie sind die Voraussetzung dafür, dass etwas vermittelt wird. Eine weitere unabdingbare Voraussetzung der Semiose ist das Zeichen selbst (érgon), da es kein Vermitteltes ohne Vermittelndes gibt.10 In Bezug auf Sprache kann man zwischen dem Diskurs als Tätigkeit und dem Text als Werk unterscheiden. Da wir jedoch auf einer abstrakteren Ebene argumentieren wollen, die auch funktionale und ästhetische Kommunikationsereignisse einschließt, brauchen wir entsprechende Termini, die nicht sprachspezifisch sind. Auf dieser Abstraktionsebene sprechen wir daher von Kommunikation oder von Semiose (enérgeia) sowie von Zeichen oder Werken (érgon). Neben der Unterscheidung von enérgeia und érgon hebt dieses Modell hervor, dass Produzent und Rezipient jeweils eigene Kontexte haben. Diese werden in der graphischen Darstellung durch gestrichelte Rechtecke symbolisiert. Damit wird der weit verbreiteten Vorstellung eines einzigen, gemeinsamen Kontextes, den Produzent und Rezipient teilen, explizit eine Absage erteilt. Diese Vorstellung liegt etwa dem von Ehlich (1994) vorgeschlagenen Modell der „zerdehnten Kommunikationssituation“ zugrunde.

10 Die hier dargelegte Auffassung stimmt im Wesentlichen mit dem SemioseBegriff von Peirce (u.a. 1960 [1931ff.]: 2.227ff.) überein, der das Vermittelnde in seinem Zeichenmodell als Repräsentamen, das Vermittelte als Objekt und den Rezipienten – auch bei ihm die conditio sine qua non der Semiose – als Interpretanten bezeichnet (eine genauere Darstellung des Zeichenmodells von Peirce findet sich in Abschnitt 1.3.2).

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Es suggeriert, dass es in der Regel einen gemeinsamen kommunikativen Kontext gibt, der ausnahmsweise „zerdehnt“ wird. Dabei impliziert die Metapher des Zerdehnens, dass der Kontext lediglich vergrößert wird. Auf diese Weise wird die Vorstellung eines einzigen Kontextes aufrechterhalten. Gegen diese Vorstellung wendet sich Oesterreicher mit der folgenden Argumentation: [W]enn man den Raum- und Situationsbegriff ernst nimmt, dann ist jede zeitliche Dissoziation des Kommunikationsereignisses definitorisch als Bruch und nicht als ‚Zerdehnung‘ einer Sprechsituation zu konzipieren, diese kann nicht ‚überbrückt‘ werden. Kurz, der Begriff der zerdehnten Sprechsituation stellt – so will mir scheinen – einen letztlich widersprüchlichen Konzeptualisierungsvorschlag für ein durchaus zentrales Kommunikationsmuster dar […]. (Oesterreicher 2008: 13)

Während Oesterreichers Kritik den „Bruch“ zwischen Produktion und Rezeption lediglich für die raumzeitlich versetzte Kommunikation annimmt, geht das in Fig. 4 skizzierte Modell generell von einem solchen Bruch aus. Demnach gibt es grundsätzlich keinen gemeinsamen Kontext, sondern lediglich einen Überlappungsbereich zwischen Produzenten- und Rezipientenkontexten, der vom Rezepienten in actu hergestellt wird. Das Ausmaß dieser Überlappung ist variabel und nicht auf zeitliche und räumliche Faktoren beschränkt, sondern hängt zudem von anderen individuellen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten ab, die in der Rezeption ebenfalls jeweils mitkonstruiert werden. Selbst in der Face-to-Face-Kommunikation von einander vertrauten Personen sind die Kontexte von Produzent und Rezipient nicht deckungsgleich, da jeder von ihnen einen eigenen Horizont, eine eigene Erfahrungsund Vorstellungswelt in die Kommunikation einbringt. Dies ergibt sich aus dem Prinzip der Alterität, das wir im folgenden Abschnitt 1.2.1 diskutieren. Ferner sind die Kontexte an die jeweilige Tätigkeit, an die enérgeia der kommunikativen und medialen Produktion und Rezeption gebunden. Das érgon wiederum ist per definitionem intersubjektiv und Teil des Überlappungsbereichs des Produktions- und Rezeptionskontextes. Die Unterscheidung von Produktions- und Rezeptionskontext führt zu drei Überlegungen, die miteinander in engem Zusammenhang stehen: Erstens resultiert aus der Annahme von mehreren Kontexten das Prinzip der

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Alterität. Zweitens folgt daraus eine Hierarchisierung des Verhältnisses von Produzent und Rezipient, deren wichtigste Ausprägung das Primat der medialen Rezeption ist, das in Abschnitt 1.2.2 behandelt wird. Drittens führt uns die Bedeutung der Rezipientenposition zu deren Ausdifferenzierung aus der Sicht des Produzenten, die wir in Abschnitt 1.2.3 als Typologie der Adressierung vorstellen. 1.2.1 Alterität und Dialogizität Zu den Prinzipien der Kommunikation, die den Begriff der Medialität konstituieren, gehört die Alterität, die sich im Modell der Semiose in Abschnitt 1.2 (Fig. 4) in der Unterscheidung von Produktions- und Rezeptionskontexten ausdrückt. Diese können nicht deckungsgleich sein, denn die Differenz zwischen Produktion und Rezeption ist eine notwendige Bedingung der Kommunikation.11 Zugleich liegt aber die hinreichende Bedingung der Kommunikation im Versuch der Überwindung dieser Differenz, das heißt im Versuch, sich in den Kommunikationspartner hineinzuversetzen. Kommunikative Alterität steht in diesem Sinne für die Differenz der Kommunikanten und gleichzeitig für die Überwindung dieser Differenz (vgl. Habermas 1981). Alterität als Differenz ist auf allen Ebenen des Kommunikationsprozesses zu finden. Sie besteht zunächst einmal zwischen Produzent und Rezipient, die nicht identisch sein können.12 Darüber hinaus bringen Produzent und Rezipient unterschiedliche Kontexte mit, die dazu führen, dass der Produktions- und der Rezeptionsprozess jeweils einmalig sind. Schließlich kann auch in der Asymmetrie zwischen der Produktion und der Rezeption eine Differenz gesehen werden: Erstens können einem Produzenten unter Umständen beliebig viele Rezipienten gegenüberstehen (vgl. Abschnitt 1.2.3), zweitens ist das Zeichen ein Werk des Produzenten und nicht des Rezipienten und drittens geschieht ein semiotisches Ereignis erst durch die Interpretation eines Zeichens durch einen Rezipienten (dies gilt auch für die Rezeption durch den Produzenten, vgl. Abschnitt 1.2.2).

11 Mersch (2006: 9) sieht Alterität sogar als Ursache von Medialität: „Es gibt Medien, weil es Alterität gibt.“ 12 Sie besteht sogar in einem Selbstgespräch, bei dem eine Person die jeweiligen unterschiedlichen Positionen des Sprechens und Rezipierens in sich vereint.

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Allerdings ist auch die Produktion eines Zeichens schon ein semiotisches Ereignis, da man bereits den Produzenten als den ersten Rezipienten des Zeichens ansehen muss. Dafür sind zwei Momente der Alterität verantwortlich. Einerseits versucht der Produzent, den Abstand zum Rezipienten zu überwinden, indem er die Rezeption seiner Kommunikationshandlung antizipiert. Andererseits beginnt Alterität bereits im kommunizierenden Subjekt, das sich beim Kommunizieren dem von ihm hergestellten Zeichenkomplex und seiner eigenen Tätigkeit entfremdet. Besonders deutlich wird dies beim Freudschen Versprecher (lapsus linguae) oder wenn man beim Abfassen eines schriftlichen Textes feststellt, dass man nicht das schreibt, was man eigentlich schreiben wollte. Die Asymmetrie der Kommunikation ist damit nicht nur ein Phänomen zwischen dem Produzenten und dem Rezipienten, sondern beginnt bereits im Bewusstsein des Produzenten. Sie setzt sich schließlich beim Rezipienten fort, der einerseits das Zeichen im Sinne des Produzenten zu interpretieren versucht, andererseits aber in seinem eigenen Kontext verhaftet bleibt (vergleichbar der Horizontverschmelzung bei Gadamer 1990 [1960]: 311f.). Doch obwohl Kommunikationsprozesse asymmetrisch und zuweilen sogar räumlich und/oder zeitlich versetzt sind, haben sie grundsätzlich dialogischen Charakter. Dabei umfasst das Prinzip der Dialogizität im Sinne von Vološinov (1975 [1929]) mehr als das Hin und Her unmittelbar aufeinander bezogener Kommunikationshandlungen. Nach seiner Auffassung steht das Zeichen (érgon) immer in der Tradition anderer Zeichen, auf die es bestätigend oder innovativ Bezug nimmt. Dies betrifft nicht nur einzelne konventionelle Zeichen, sondern in einem weiten Verständnis von Intertextualität auch Texte oder Textgattungen (vgl. Pfister 1985: 11 ff.).13 Unter Vološinovs Begriff der Dialogizität fallen auch diverse Phänomene der Intermedialität (Rajewsky 2002: 12). Darüber hinaus ist dieses Variante der Dialogizität im weiteren Sinne als Charakteristik der Semiose (enérgeia) auf je spezifische Auswirkungen des Prinzips der Alterität zurückzuführen. Die oben angeführte Antizipation der Rezeption durch den Produzenten ist ebenso ein Phänomen der Dialogizität i.w.S. wie der Versuch des Rezipienten, den Produktionsprozess in der

13 In diesem Sinne umfasst der Begriff der Dialogizität auch Diskurse im Sinne der neueren Diskurstheorien (vgl. vor allem Foucault 1966 und 1971, Habermas 1990 [1962]).

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Interpretation zu rekonstruieren. Beides dient der Überwindung der Differenz zwischen den Kommunikanten. Zu beachten ist, dass Vološinovs Dialogizität nicht mit dem Begriff des Dialogs gleichzusetzen ist, der in Opposition zum Begriff des Monologs steht, denn gemäß der abstrakten Konzeption von Dialogizität im weiteren Sinne. sind auch Monologe dialogisch. Im Hinblick auf die Alterität der Kommunikation steht Dialogizität im weiteren Sinne also nicht im Gegensatz zum Monolog, sondern nimmt auf drei Arten Bezug auf das Andere: 1) In seiner Konventionalität und Originalität bezieht sich ein Zeichen auf andere Zeichen. 2) In seiner Produktion bezieht sich der Urheber eines Zeichens auf die aktuelle oder zukünftige Rezeption. 3) In seiner Interpretation versucht der Rezipient entweder der Intention des Produzenten möglichst nahe zu kommen oder die Bedeutungsvielfalt des Zeichens adäquat auszuschöpfen. In dieser Hinsicht sind Alterität und Dialogizität im weiteren Sinne zwei Seiten ein und desselben Prinzips. Der Begriff der Dialogizität im engeren Sinne spielt in den folgenden Überlegungen jedoch auch eine maßgebliche Rolle, beispielsweise in Abschnitt 1.2.3. 1.2.2 Das Primat der medialen Rezeption Im vorigen Abschnitt haben wir erwähnt, dass ein semiotisches Ereignis erst durch die Interpretation eines Zeichens durch einen Rezipienten zustande kommt. Das bedeutet, dass der Rezeptionsakt, mit dem ein Rezipient ein Objekt einem Produzenten zurechnet und es als Zeichen interpretiert, das entscheidende Kriterium für die Semiose darstellt. Ob das Objekt tatsächlich von einem Produzenten als Zeichen konzipiert wurde, spielt dabei keine grundsätzliche Rolle. Wenn ein Wanderer einen Steinhaufen im Gebirge als Zeichen interpretiert und seinen Weg danach ausrichtet, dann deshalb, weil es eine Konvention gibt, Wegmarkierungen in den Bergen durch Steinhaufen darzustellen. Dies mag eine Fehleinschätzung sein, denn der Steinhaufen kann auch ohne die Einwirkung von Menschen entstanden sein. Dennoch liegt in diesem Fall ein semiotisches Ereignis vor.

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Etwas anders gelagert ist der Fall, bei dem Menschen Donner oder Blitz als Zeichen Gottes auffassen. 14 Hier wird etwas als kommunikativer Akt interpretiert, das nichts anderes sein kann als ein Naturphänomen. Erst in der Rezeption wird diese natürliche Erscheinung zu einem medialen Ereignis. Dabei ist unwesentlich, dass es aus naturwissenschaftlicher Sicht keinen Produzenten gibt. Entscheidend ist in beiden Fällen die Annahme des Rezipienten, dass das beobachtete Phänomen von einem Urheber mit einer bestimmten Kommunikationsabsicht geschaffen wurde.15 Diese Feststellung lässt sich dahingehend verallgemeinern, dass die Tätigkeit der Rezeption auch dann entscheidend ist, wenn es einen Produzenten gibt. Es gilt also das Prinzip: Semiose liegt vor, wenn etwas als Zeichen rezipiert wird. Folgerichtig ist ein mediales Ereignis letztlich ein Rezeptionsereignis. Allerdings untergräbt das Primat der Rezeption keineswegs die Bedeutung des medialen Produktionsprozesses, denn die Tätigkeit des Rezipierens ist auch Teil des semiotischen Produktionsprozesses. Der Produzent beobachtet sich bei seiner Tätigkeit nämlich selbst und antizipiert die Interpretation der Rezipienten. Er liest während des Schreibens seine Schrift, hört sich während des Sprechens reden, erblickt während des Malens sein Gemälde – kurz: Er ist der erste Rezipient des von ihm produzierten Zeichenkomplexes. Überdies konzipiert er sein kommunikatives und mediales Produkt als Interpretationsanweisung. Er zielt damit auf eine bestimmte Rezeption ab, die er vorwegnimmt und als Erster selbst vollzieht. Dies veranschaulicht die folgende Abbildung: Fig. 5

Produktions- und Rezeptionstätigkeit des Produzenten

Produzent

[enérgeia]

Zeichen [érgon]

[enérgeia]

14 Beispielsweise wird in der Bibel die Gesetzgebung am Berg Sinai vor den Augen des Volkes durch Moses’ Rede und Gottes Antwort im Donner vollzogen (vgl. Ex 19,19). 15 Von dieser Prämisse geht auch Morris (1969 [1938]: 82) aus: „something is a sign only because it is interpreted as a sign of something by some interpreter […].“

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Es liegt auf der Hand, dass der Produzent eines Zeichenkomplexes eine bestimmte Interpretation intendiert und diese auch antizipiert und überprüft, indem er die Interpretation seines oder seiner Adressaten simuliert und nachvollzieht. Dies wird in Fig. 5 durch den Rückkopplungspfeil symbolisiert, der vom Produktionskontext zum Produzenten zurückführt. In der Darstellung ragt der Produzent deswegen aus dem Produktionskontext heraus, weil er den gesamten Produktionsprozess gewissermaßen als ‚Außenstehender‘ rezipiert. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Bedeutung der semiotischen oder medialen Produktion durch das Primat der Rezeption nicht relativiert, sondern eher noch unterstrichen wird. Hinzu kommt, dass ein Rezipient, indem er ein Ereignis als zeichenhaft interpretiert, stets davon ausgeht, dass es sich dabei um ein willentlich herbeigeführtes Ereignis handelt, dem eine Kommunikationsabsicht zugrunde liegt. Die Realität eines medialen Ereignisses ist also eine Realität des Rezipienten, was zur Folge hat, dass es Semiose ohne Produzenten, sei er nun real oder lediglich vom Rezipienten angenommen, im Grunde nicht gibt, denn Rezeption ist per definitionem die Interpretation eines Gegenstandes oder Ereignis als Resultat eines semiotischen Produktionsprozesses. Wo Rezeption also eine hinreichende Bedingung für ein mediales Ereignis ist, muss man Produktion, zumindest aus Rezipientenperspektive, als dessen notwendige Bedingung betrachten. 1.2.3 Typologie der medialen Adressierung Betrachtet man die Rezeption kommunikativer Prozesse aus der Perspektive des Produzenten, ergibt sich eine der verschiedenen Möglichkeiten, mediale Ereignisse zu typisieren. Ein mediales oder kommunikatives Produktionsereignis ist stets an eine Person gerichtet, den Adressaten. Die Rolle des Adressaten und die des Rezipienten sind nicht deckungsgleich und müssen grundsätzlich voneinander unterschieden werden. Weder muss der Rezipient Adressat, noch der Adressat Rezipient sein. Der Rezipient nimmt ein mediales Ereignis als solches wahr und interpretiert es. Wenn jemand beispielsweise in einem Restaurant sitzt und zufällig ein Gespräch am Nebentisch mitbekommt, dann ist er zwar Rezipient, aber

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nicht Adressat des Gehörten.16 Entscheidend für die Rolle des Rezipienten ist der Akt des Interpretierens. Ohne diesen vermittelt die Wahrnehmung bloß Hintergrundgeräusche. In einer komplexen Konversation mit zahlreichen Gesprächsbeteiligten kann es passieren, dass ein Adressat das mediale Ereignis nicht rezipiert, weil seine Wahrnehmung behindert wird oder weil er durch ein anderes mediales Ereignis abgelenkt wird, dessen Adressat er ebenfalls ist. Widersprüche und Konflikte zwischen der Rolle des Adressaten und der des Rezipienten gibt es in allen möglichen medialen Konstellationen. So kann ein Brief seinen Adressaten nicht erreichen oder in falsche Hände geraten. In diesem Fall wird der Adressat nicht zum Rezipienten. Ein religiöses Gemälde kann einerseits der Zerstörung anheim fallen und damit seinen Adressaten vorenthalten bleiben (die dann auch nicht zu Rezipienten werden können). Andererseits kann es zu einem späteren Zeitpunkt restauriert werden, um in einem weltlichen Museum gezeigt zu werden (womit die Rezipienten nicht Adressaten im Sinne des Produzenten wären). Die Möglichkeit für solche Diskrepanzen zwischen Produktion und Rezeption wächst in dem Maße, wie diese Tätigkeiten sich zeitlich, räumlich und kontextuell voneinander entfernen. Das heißt, dass sie umgekehrt proportional zur Überlappung von Produktions- und Rezeptionskontexten zunehmen (vgl. Fig. 4). Dies hängt, wie wir in Kapitel 1 sehen werden, mit den materiellen Grundlagen und den damit verbundenen physikalischen Mechanismen medialer Prozesse zusammen. Die Definition des Adressaten und seine Unterscheidung vom Rezipienten bilden die Grundlage für eine Typologie der Medialität, die den kommunikativen Aspekt der Semiose stärker betont als den repräsentativen (Letzterer wird in Abschnitt 1.4 und in gewisser Hinsicht auch schon in Abschnitt 1.3 behandelt).17 Je nachdem, ob mediale Ereignisse sich individuell oder kollektiv, monologisch oder dialogisch, direkt oder indirekt sowie persönlich oder anonym an Rezipienten richten, lassen sich verschie-

16 Vgl. in diesem Zusammenhang die Rezeptionstypologie von Goffman (1981: 131ff.), der neben dem „addressed recipient“ weitere Rezeptionsaktivitäten wie das Belauschen („eavesdropping“) und Überhören („overhearing“) beschreibt (vgl. auch Abschnitt 3.1.4). 17 Generell kann man zwischen dem kommunikativen, dem historischen (konventionell versus individuell) und dem repräsentativen Aspekt der Semiose unterscheiden (vgl. Gévaudan 2013).

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dene Formen der Adressierung unterscheiden. Die ersten beiden Kriterien – individuell versus kollektiv und monologisch versus dialogisch – hängen mit der kommunikativen Konstellation zusammen, die Winkler (2008: 27) einer „Vernetzungslogik“ zuschreibt. Sie betreffen das Verhältnis von Produzent und Rezipient als eines, bei dem es einen oder mehrere Adressaten geben kann, bei dem es aber auch einen oder mehrere Produzenten geben kann. Bei einem Vortrag richtet sich der Redner beispielsweise an eine Vielzahl von Adressaten. Den Applaus am Ende des Vortrags richtet dagegen eine Menge von Produzenten an einen Adressaten, den Vortragenden. Bei einem Konzert richtet sich das Kollektiv der Musiker an ein Kollektiv der Zuhörer, deren Applaus am Ende der Darbietung sich wiederum kollektiv an alle Musiker wendet. Von wesentlicher Bedeutung ist bei der Adressierung auch der Umstand, ob diese einseitig oder reziprok, also monologisch oder dialogisch erfolgt. Dialogizität im engeren Sinne ist gewissermaßen der Prototyp der individuellen Kommunikation, bei der ein Produzent sich an einen Rezipienten richtet, um im nächsten Moment seinerseits zum Adressaten von dessen kommunikativer Tätigkeit zu werden. Dialogizität erfordert eine relativ hohe Integration der Produktions- und Rezeptionskontexte im Sinne von Fig. 4 sowie eine gewisse kommunikative Kongruenz. So findet dialogische Kommunikation selten statt, wenn auf der einen Seite eine einzige und auf der anderen Seite eine Vielzahl von Personen in Verbindung treten.18 Bei sprachlicher Kommunikation sehen Koch/Oesterreicher (1985, 2011 [1990]: 3–14) Dialogizität als Kriterium der „Nähesprache“ und Monologizität als Kriterium der „Distanzsprache“ an. Die von diesen Autoren entwickelten Konzepte der Nähe- und Distanzkommunikation korrelieren generell mit dem Grad der Integration der Produktions- und Rezeptionskontexte. Dabei entspricht der Nähekommunikation die „Situations- und Handlungseinbindung“ und der Distanzsprache die „Situations- und Handlungsentbindung“ des Rezipienten (Koch/Oesterreicher 2011 [1990]: 13, Hervorhebungen im Original).19

18 Eine interessante Ausnahme ist die Unterrichtssituation in der Schule. Hier wird der Dialog jedoch durch den Lehrer kontrolliert und geleitet. 19 Eine Besonderheit der dialogischen Kommunikation ist das Phänomen der Koproduktion durch den Adressaten, die im sprachlichen Bereich insbesondere darin besteht, Sätze oder Satzteile des eigentlichen Produzenten zu vollenden.

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Mit dem Kriterium der direkten und indirekten Adressierung wird zwischen unmittelbarer und mittelbarer Kontaktaufnahme unterschieden. Die direkte und die indirekte Form der Adressierung können gleichzeitig vorkommen. Wenn beispielsweise in einer Konversation mehrere Adressaten vorgesehen sind, kann sich der Sprecher durch Mimik, Gestik und sprachliche Deixis (Personalpronomen der zweiten Person) direkt an einen Teil dieser Adressaten oder an einen einzigen richten – die anderen Adressaten werden dann indirekt angesprochen, gehören aber dennoch zu den vom medialen Produzenten vorgesehenen Rezipienten.20 Mediale Ereignisse, die nicht sprachlich oder parasprachlich und auch sonst nicht durch irgendwelche Formen direkter, situationsbezogener Adressierung geprägt sind, wie etwa Gemälde oder Plastiken, richten sich grundsätzlich nur indirekt an Adressaten. Die Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Adressierung ist besonders dann relevant, wenn beide Adressierungsformen vorkommen. Dies beschränkt sich nicht auf Konversationen, hängt aber überwiegend mit sprachlicher Medialität zusammen. Ein Beispiel dafür ist etwa die politische Tradition des ‚offenen Briefs‘, bei der ein politischer Akteur (Regierung, Minister oder Vertreter einer anderen Institution) direkt adressiert und der Brief zugleich an die Presse weitergeleitet wird, damit diese die Öffentlichkeit über dessen Inhalt in Kenntnis setzt. Sowohl die Zeitungs- und Nachrichtenredaktionen als auch das breite Publikum sind indirekte Adressaten des offenen Briefs. Zwar können die direkten Adressaten zum Inhalt des offenen Briefs – wiederum öffentlich – Stellung nehmen, doch ist der offene Brief tendenziell eher monologisch als dialogisch angelegt. Dazu passt auch, dass sich mit dieser Kommunikationsform ein Produzent an viele Adressaten richtet und sie generell einen distanzsprachlichen Charakter im Sinne von Koch/Oesterreicher (2011 [1990]) aufweist. Eine weitere Kategorie medialer Ereignisse, bei der direkte und indirekte Adressierung kombiniert auftauchen, sind so genannte chat rooms, also virtuelle Räume im Internet, die man durch Einloggen betreten kann, wobei der Benutzer die Anwesenheit anderer Benutzer sehen und mit diesen über kurze Texte in Kontakt treten beziehungsweise von diesen kontaktiert

Vergleichbare dialogische Techniken finden sich bei Improvisationskünsten wie Jazzmusik und Stegreiftheater. 20 Sie sind im Sinne von Goffman (1981: 128) „ratifizierte“ Rezipienten.

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werden kann. 21 Aufgrund der Öffentlichkeit der Chaträume geht mit der direkten Adressierung einer Person gleichzeitig eine indirekte Adressierung der anderen Anwesenden einher. Diese können, ebenso wie der direkt Adressierte, jederzeit intervenieren – die kommunikative Konstellation ist also hochgradig dialogisch (i.e.S.). Dadurch ergibt sich ein für Nähekommunikation typischer Zeitdruck, der eine geringe Planbarkeit im Produktionsprozess zur Folge hat (vgl. dazu wiederum Koch/Oesterreicher 1985, 2011 [1990]). Ebenfalls typisch für Nähekommunikation ist die Vertrautheit der Besucher eines chat rooms. 22 Dies ist insofern überraschend, als sich die Teilnehmer in der Regel mit Pseudonym an der Öffentlichkeit des chat rooms beteiligen. Doch ist dieser Widerspruch nur scheinbar, denn hier haben wir es, „mit einem doppelten Kommunikationssystem zu tun, wie Pfister (1997) es für das Drama beschreibt“ (Kailuweit 2009: 7). Die spezifische Ausprägung dieses doppelten Kommunikationssystems analysiert Kailuweit für das Chatten wie folgt: [Es handelt] sich im Gegensatz zum Drama nicht um die Kommunikation zwischen einem Autor und dem Publikum im äußeren System und unter den Figuren im inneren System, sondern das Chatten funktioniert gewissermaßen als würden die Schauspieler ihre Texte improvisieren und nicht für ein Publikum, sondern für sich selbst spielen. (Kailuweit 2009: 7)

Diese für Chaträume charakteristische kommunikative Situation hängt indirekt mit dem letzten Kriterium zusammen, das bei der medialen Adressierung ausschlaggebend sein kann, dem der Alternative zwischen persönlicher und anonymer Adressierung. Die Ausrichtung auf anonyme Rezipienten korreliert zwar logischerweise mit kollektiver, indirekter und monologischer Adressierung, hat aber dennoch eine eigene Charakteristik. Wenn jemand einen Unbekannten nach

21 Vgl. zu dieser Kommunikationsform und ihrer Medialität u.a. Dürscheid (2003, 2005), Hess-Lüttich/Wilde (2003), Kailuweit (2009). 22 Die Vertrautheit wird auch durch den Duktus der Nähesprache erreicht, die geringe Planung der Kommunikation, das Duzen und Ansprechen mit Nicknames, durch Emoticons etc. Es besteht auch ein Vertrauensvorschuss, weil man sich überhaupt einloggt und damit die Identifizierung mit einer Gruppe (die Besucher des betreffenden Chatraums) signalisiert.

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dem Weg fragt, dann ist seine Adressierung notwendigerweise anonym, weshalb dieser sich auch nicht zwangsläufig als ortskundig erweisen muss. 23 Dennoch ist die Frage individuell, direkt und dialogisch. Die prototypische anonyme Adressierung erfolgt in Massenmedien (Presse, TV etc.) und in literarischen oder künstlerischen Produktionen. Anhand des Begriffs der Massenmedien lässt sich der medientheoretische Beitrag der Adressierungstypologie aufzeigen: Vor dem Hintergrund der erörterten Kriterien können wir nun ein Massenmedium als ein Medium definieren, dessen Adressierung in der Regel kollektiv, monologisch, indirekt und anonym ist. 24 Diese Eigenschaften implizieren die für Massenmedien typischen Reproduktions- und Diffusionstechniken (vgl. hierzu Abschnitt 3.2.3): Fig. 6

Dimensionen der Adressierung individuell

ļ

kollektiv

dialogisch

ļ

monologisch

direkt

ļ

indirekt

persönlich

ļ

anonym

23 Wie der Ausdruck schon sagt, ist Adressierung dann anonym, wenn man den Angesprochenen nicht namentlich kennt. Die Verwendung von Pseudonymen in Kontexten wie chat rooms vermittelt dagegen lediglich die Illusion von persönlicher Adressierung. 24 Dies deckt sich im Wesentlichen mit den Kriterien für Massenkommunikation von Maletzke (1978: 32), der darunter eine Kommunikationsform versteht, „bei der Aussagen öffentlich (also ohne begrenzte und personell definierte Empfängerschaft) durch technische Verbreitungsmittel (Medien) indirekt (also bei räumlicher oder zeitlicher oder raumzeitlicher Distanz zwischen den Kommunikationspartnern) und einseitig (also ohne Rollenwechsel zwischen Aussagendem und Aufnehmendem) an ein disperses Publikum […] vermittelt werden“.

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1.3 Z EICHEN

IN ACTU UND

Z EICHEN

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IN POSSE

Das Kommunikationsmodell in Fig. 4 bildet mit den Unterscheidungen zwischen enérgeia und érgon einerseits und zwischen Produktions- und Rezeptionskontexten andererseits die inhärente Dynamik der Kommunikation ab. Es erlaubt uns, Semiose und ihre Medialität im Sinne von Humboldts Sprachphilosophie (1836 [1998]: § 12) als Ereignisse oder Teile von Ereignissen zu betrachten.25 Im Gegensatz zum ereignisorientierten Modell der Semiose steht die viel weiter verbreitete Vorstellung, nach der Zeichen in erster Linie konventionalisierte Verbindungen zwischen Ausdrücken und Inhalten, Formen und Bedeutungen sind. Der semiotische Status dieser konventionellen Verbindungen ergibt sich aus dem Wissen der Mitglieder einer bestimmten Kultur (beispielsweise einer Sprach- oder Religionsgemeinschaft, eines Staates, eines sozialen Netzwerks etc.), dass und wie man sie zum Zweck der Kommunikation verwenden kann. Wenn Zeichenhaftigkeit von Konventionalität abhängt,26 muss man die Definition von Zeichen wie folgt präzisieren: (1) Ein Zeichen ist die in einer bestimmten Gemeinschaft festgelegte Möglichkeit, mit einem bestimmten Ausdruck einen bestimmten Inhalt beziehungsweise einen bestimmten Inhalt mit einem bestimmten Ausdruck zu repräsentieren. Im Zusammenhang mit dieser Konzeption kann man daher von Zeichen in posse sprechen, also von Zeichen als potenziellen oder möglichen Kommunikationsmitteln. Dagegen hängt die semiotische Funktion im ereignisorientierten Modell vom realen Vorkommen der Repräsentation eines Inhalts 25 In dieser anthropologischen Fundierung unterscheidet sich der hier vertretene Ansatz von Mediendefinitionen, die den technischen Charakter, den Aspekt der Vernetzung und die Konventionalität in den Vordergrund stellen, wie zum Beispiel Winkler (2008: 11). Zur Kritik an Winklers technischer Ausrichtung vgl. Mein (2011:18). 26 Als konventionell kann man sowohl präskriptive (was erlaubt ist) als auch deskriptive Normen (was vorkommt) betrachten. Darunter fallen alle möglichen gesellschaftlichen und kulturellen Traditionen. Im Zusammenhang mit formalen Zeichensystemen aus der Philosophie, Mathematik und Informatik kann man den Konventionsbegriff in einem weiteren Sinne auch auf Axiome anwenden.

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durch einen Ausdruck im Bewusstsein des Interpretierenden ab. Nach dieser Auffassung gründet der semiotische Status auf realen Ereignissen, und Zeichen werden als Zeichen in actu konzipiert, also als in konkreten kommunikativen oder semiotischen Situationen verwendete AusdrucksInhalts-Paare. Die beiden Konzeptionen von Zeichen in actu und Zeichen in posse sind nicht notwendigerweise inkompatibel, aber sie betrachten semiotische Prozesse aus fundamental unterschiedlichen Perspektiven.27 Ihr Verhältnis lässt sich anhand der Gegenüberstellung der bekannten semiotischen Modelle von Saussure (2005 [1916]) und von Peirce (1960 [1931ff.]) beleuchten, denn Saussure befasst sich in erster Linie mit Zeichen in posse, während es Peirce vorrangig um Zeichen in actu geht. In Abschnitt 1.3.1 zeigen wir, dass der systemorientierte Ansatz von Saussure auch Konventionalität impliziert. Die Unterscheidung und die Bezugsetzung der Ebenen des Systems und der Konvention kann man bereits in seinen Ausführungen erkennen. In Abschnitt 1.3.2 wird deutlich, dass die Vorschläge von Peirce in vielen Punkten mit dem ereignisorientierten Ansatz übereinstimmen, den man im Sinne Humboldts vertreten kann. In Abschnitt 1.3.3 skizzieren wir schließlich eine Synthese zwischen Saussure und Peirce und stellen eine Verbindung zwischen Ereignis, Konvention und System her. 1.3.1 Konvention und System (Saussure) Im Cours de linguistique générale diskutiert Saussure (2005 [1916]) zwei mögliche Auffassungen der Funktionsweisen von Zeichen in posse. Die erste dieser Auffassung geht – hauptsächlich implizit – aus der Abgrenzung von der Konzeption des Zeichens in actu hervor. Wenn Saussure zunächst von concept (Begriff, Konzept) und image acoustique (Lautbild) spricht, dann begreift er den Inhalt und den Ausdruck eines Zeichens als Vorstellungen, die im Bewusstsein der Sprecher situationsunabhängig miteinander assoziiert sind und auf diese Weise die Grundlage der Kommunikation in 27 Eine Fokussierung auf die Ereignisorientierung bedeutet daher nicht, den konventionellen Aspekt von Kommunikation völlig außer Acht zu lassen. Vielmehr gibt es, wie wir anhand der Diskussion von Fig. 3 bereits gesehen haben, durchaus einen Zusammenhang zwischen individuellen semiotischen Ereignissen und Konventionen der Kommunikation, der Medialität und der Kodierung.

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der Rede bilden (vgl. die Beschreibung in Saussure 2005 [1916]: 28, sowie 98f.). In diesem Sinne ist ein Zeichen die Assoziation einer sensorischen und einer begrifflichen Vorstellung („idée“). In seiner Formalisierung des Zeichens bezeichnet Saussure die sensorische Vorstellung als signifiant (Signifikant, also das ‚Bezeichnende‘) und die begriffliche Vorstellung als signifié (Signifikat, also das ‚Bezeichnete‘): Nous proposons de conserver le mot signe pour designer le total, et de remplacer concept et image acoustique respectivement par signifié et signifiant ; […]. (Saussure 2005 [1916]: 99)

Soweit definiert Saussure ein Zeichen als eine mental abgespeicherte Verbindung zwischen einem potenziellen Ausdruck (image acoustique) und einem potenziellen Inhalt (concept). Es handelt sich dabei um ein Zeichen in posse, das in erster Linie eine darstellende Funktion hat, bei der das Signifikat den dargestellten Inhalt (concept) und der Signifikant den darstellenden Ausdruck (image acoustique) bildet: Fig. 7

Repräsentative Definition des Zeichenmodells von Saussure (2005 [1916]: 99, 158)

concept

signifié

image acoustique

signifiant

Im weiteren Verlauf seiner Argumentation präsentiert Saussure seine zweite Auffassung von der Funktionsweise des Zeichens in posse. Bei dieser abstrahiert er vom vorangegangenen Modell und versieht den Zeichenbegriff mit einem neuen semiotischen Status. Über die Einführung der valeur (‚Wert‘) erhält die Zeichenbeziehung einen systemischen Charakter (Saussure 2005 [1916]: 158f.): Ein Zeichen wird nun nicht mehr primär über das Aufeinanderbezogensein von Ausdruck und Inhalt bestimmt (dieses Verhältnis bezeichnet Saussure als signification, als ‚Bedeutung‘), sondern

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über den Wert, den das Zeichen über sein paradigmatisches Verhältnis zu anderen Zeichen bekommt. [L]a langue est un système dont tous les termes sont solidaires et où la valeur de l’un résulte de la présence simultanée des autres selon le schéma :

signifié signifiant

signifié signifiant

signifié signifiant

(Saussure 2005 [1916]: 159) Ainsi la valeur de n’importe quel terme est déterminée par ce qui l’entoure. (Saussure 2005 [1916]: 160)

Der Signifikant ist nun nicht nur der Bezeichner des Signifikats, sondern erhält zudem einen Wert aus der distinktiven Opposition zu anderen Signifikanten. Er ist gewissermaßen negativ definiert, so wie etwa der Signifikant von Rind gegenüber Wind, Spind und Kind, Rand, rennt und rund etc. – all diese Oppositionen zusammengenommen bestimmen die gesamte valeur des Signifikanten. Dasselbe gilt für das Signifikat, das sich seinerseits von anderen Signifikaten abgrenzt und dadurch einen bestimmen Wert hat. Beispielsweise grenzt sich das Signifikat ‚Rind‘ unter anderem von ‚Ziege‘, ‚Schaf‘ und ‚Pferd‘ ab – die Gesamtheit dieser Oppositionen bildet die valeur des Signifikats. In der Nachfolge von Saussure wurde in der strukturalistischen Sprachwissenschaft ein so definiertes Signifikat auch als Semem bezeichnet; entsprechend versah man einen aus Oppositionen hervorgehenden Signifikanten mit dem Terminus Morphem. Nun können wir feststellen, worin sich die beiden Zeichenkonzeptionen, die Saussure als komplementär darstellt, unterscheiden. Dafür muss zunächst eine terminologische Festlegungen vorgenommen werden, die eindeutige Benennungen ermöglicht, da die Termini Signifikat und Signifikant in Saussures Definitionen, wie wir gerade gesehen haben, doppelt belegt sind. Für die als systemische Werte definierten Versionen von Signifikat und Signifikant können wir die strukturalistischen Termini Semem und Morphem verwenden. Für Signifikat und Signifikant als darstellende oder abbildende Funktionen (vgl. Fig. 7) wollen wir von Begriff (concept) und Form sprechen. Der Terminus Form steht für den potenziellen

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Ausdruck und eignet sich besser als image acoustique oder Lautbild, denn die Festlegung auf den Lautbereich ist sprachenzentriert und daher für ein allgemeines Zeichenmodell zu spezifisch.28 Die zwei Zeichenkonzeptionen von Saussure kann man unter diesen Voraussetzungen wie folgt veranschaulichen: Fig. 8

Die zwei Zeichenkonzeptionen von Saussure als konventionell und systemisch Morphem

System

Semem

Signifikant

Signifikat Form

Konvention

Begriff

In dieser Darstellung stehen Morphem und Form für die Ausdrucksseite, Semem und Begriff für die Inhaltsseite der Saussureeschen Zeichendefinitionen. Die Trapezform symbolisiert, dass Systeme stets konventionell sind, während Konventionen nicht unbedingt Systemcharakter haben. Dass ein Klingelzeichen an einer bestimmten Haustür die Vorstellung einer Bitte um Einlass hervorruft, resultiert aus einer Konvention, reiht sich aber nicht in ein System von Zeichen ein. Dagegen werden Klingelzeichen in Großraumbüros häufig für jeden Apparat individuell gestaltet, sodass man sofort hören kann, an welchem Arbeitsplatz ein Anruf eingeht. Unabhängig davon, auf welche Weise und wie sehr die Klingelzeichen sich ähneln oder unterscheiden, bilden sie in diesem Fall ein System. Ein solches System kann auch dahingehend variieren, dass in einer bestimmten Abteilung alle Apparate dasselbe Klingelzeichen haben, während sie in anderen Abteilungen individuell gestaltet sind. Wird ein neuer Arbeitsplatz eingerichtet, muss man gegebenenfalls ein neues Klingelzeichen finden, das sich signifikant von den anderen unterscheidet. Bei n Telefonen haben wir n Abbildungsregeln (Klingelton a ĺ Apparat a, Klingelton b ĺ Apparat b, …, Klingelton n ĺ Apparat n), die aufeinander abgestimmt sind. Die Mitarbeiter im Großraumbüro lernen und beherrschen die einzelnen

28 Ferner ist die Metapher vom ‚Laut-Bild‘ irreführend, denn gemeint ist eine ‚Lautvorstellung‘, also eine lautliche und keine bildliche Vorstellung.

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Regeln und das gesamte Regelsystem und haben darüber hinaus auch eine substantielle (sensorische) Vorstellung der Klingelzeichen. In diesem Sinne sind die Einzelregeln und das Regelsystem stets auch konventionell. Damit sind über ein System definierte Zeichen ebenso Zeichen in posse wie einfache konventionelle Zeichen. 1.3.2 Ereignis, Zeichen, Interpretation (Peirce) Im semiotischen Modell von Peirce (u.a. 1960 [1931ff.]: 2.227ff.) geht es, anders als bei Saussure, primär um Zeichen in actu, das heißt um zeichenhafte Ereignisse. 29 Die Gesichtspunkte der äußerst umfangreichen und vielschichtigen Arbeiten von Peirce zur Zeichentheorie, die hier von Interesse sind, fügen sich nach unserer Auffassung in ein kohärentes ereignisorientiertes Modell der Semiose ein. Semiose wird dabei in erster Linie als konkrete, faktische Repräsentation von Dingen verstanden: Ein bestimmter Inhalt, im Zeichenmodell von Peirce Objekt genannt, wird durch einen bestimmten Ausdruck dargestellt, den Peirce als Representamen (oft auch als sign) bezeichnet. Wir begegnen hier erneut der Korrelation von Inhalt und Ausdruck, nun jedoch auf der Ebene des kommunikativen Ereignisses. Diese nicht ganz überraschende Auffassung von Zeichenhaftigkeit steht Peirce zufolge notwendigerweise im Zusammenhang mit einer weiteren Instanz im semiotischen Prozess – dem Interpretanten: A sign, or representamen, is something which stands to somebody for something in some respect or capacity. It addresses somebody, that is, cre-

29 Im Gesamtmodell von Peirce werden Zeichen in actu mit dem Terminus Sinzeichen (token) belegt, Zeichen in posse, die ebenfalls vorgesehen sind, heißen Legizeichen (type) (vgl. Peirce 1960 [1931ff.]: 2.243–2.246). Für Peirce sind Sinzeichen ursprünglicher, da sie nicht notwendigerweise mit Legizeichen korrelieren müssen, während Letztere ihrerseits nur durch Sinzeichen instantiiert werden können („Each single instance of [a legisign] is a sinsign. Thus, every legisign requires sinsigns“, Peirce 1960 [1931ff.]: 2.246). Peirce versäumt es nicht, die Ereignishaftigkeit der Sinzeichen zu unterstreichen: „A Sinsign (where the syllable sin is taken as meaning ‚being only once‘, as in single, simple, Latin semel, etc.) is an actual thing or event which is a sign“ (Peirce 1960 [1931ff.]: 2.245), also ein aktuell existierendes Ding oder Ereignis, das ein Zeichen ist.

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ates in the mind of that person an equivalent sign, or perhaps a more developed sign. That sign which it creates I call the interpretant of the first sign. The sign stands for something, its object. (Peirce (1960 [1931ff.]: 2.228, Hervorhebungen im Original)

Man kann diesen Ausführungen entnehmen, dass Peirce den Interpretanten als einzelne Vorstellung eines Zeichens definiert, wobei damit allerdings auch eine Vorstellung des Objekts verbunden ist, denn der Interpretant ist Peirce zufolge auch der „proper significate effect“ (1960 [1931ff.]: 5.475) eines Zeichens. Der erste Satz des hier aufgeführten Zitats stellt eine Zusammenfassung der Definition eines Zeichens sowie eines semiotischen Prozesses dar: Im Bewusstsein einer Person, die ein Ding als Zeichen interpretiert, wird dieses Ding zu einem Zeichen und repräsentiert ein anderes Ding. Dies entspricht exakt dem in Abschnitt 1.2.2 vorgestellten Prinzip, nach dem die Interpretation eines Gegenstands als Zeichen das notwendige Kriterium der Semiose ist. Unter Interpretant versteht Peirce die einzelne – das heißt ereignishafte – Vorstellung einer Person oder ihres Bewusstseins. Diese Person bezeichnet er als interpreter. Für uns genügt es festzustellen, dass etwas (das Representamen) nach dieser Auffassung im Bewusstsein eines Rezipienten als Zeichen interpretiert wird, das in dieser Vorstellung für ein Objekt steht. Dies kann wie folgt schematisiert werden: Fig. 9

Zeichenmodell nach Peirce (1960 [1931ff.]: 2.228) Interpretant

Representamen

Objekt

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Die in der Konzeption von Peirce vorgenommene Ablösung des Interpretanten von der Person des Interpretierenden erscheint bei der Anwendung seines Modells oftmals als umständlich und übertrieben spitzfindig. Sie unterstreicht jedoch in beeindruckender Weise, was es bedeutet, Semiose konsequent als Ereignis zu definieren. Nur in der einzelnen Vorstellung (Interpretant), in der etwas als Zeichen aufgefasst wird und in der es als Ausdruck (Representamen) auf einen Inhalt (Objekt) verweist, ist die Semiose unmittelbar gegeben. Dagegen geht es Saussure bei der kognitiven Verankerung des konventionellen Zeichens um permanente und allgemeine Vorstellungen von Ausdruck (Form) und Inhalt (Begriff). Nun stimmt die Zeichentheorie von Peirce auch in dieser Hinsicht mit dem Primat der Interpretation überein, die sich als Rahmenbedingung aus dem in Abschnitt 1.2 vorgestellten ereignisorientierten Kommunikationsmodell ergibt. Aus der Perspektive dieses Kommunikationsmodells entspricht der Interpretant gemäß der Konzeption von Peirce dem Vorgang der Interpretation des érgon (also des Representamen), die eine diesem érgon entsprechende Vorstellung erzeugt. 30 Im Gegensatz zum érgon, das eine materielle Erscheinung der physischen Welt ist und unabhängig von seiner Rezeption existiert, ist das, wofür es steht und das Peirce als Objekt bezeichnet, in erster Linie ein Vorstellungsinhalt. Erblickt man an einer Tür die Aufschrift WC, die unabhängig vom Wahrnehmenden existiert (es handelt sich zweifellos um ein érgon oder auch um ein Repräsentamen), und vermutet man hinter der Tür eine Toilette, dann handelt es sich dabei um eine Vorstellung. Öffnet man die Tür, um das WC zu benutzen, ist das Kommunikationsereignis schon vorüber.31 Dieses Beispiel ist ein Beleg dafür, dass die tatsächliche Existenz des Zeichenkorrelats, des Referenten oder Objekts für das kommunikative 30 Eine Darstellung des Inhalts (Objekt) ist in Fig. 4 nicht vorgesehen, denn das Bedeutete (Objekt) wird nur durch die Rezeption erschlossen, ist jedoch selbst nicht kommunikativ. 31 In diesem Fall besteht das Kommunikationsereignis im Akt der Interpretation des Zeichens WC durch den Rezipienten. Kommunikation ist also nicht unbedingt als unmittelbare dialogische Tätigkeit zweier Personen zu verstehen, sondern mit Havelock als „social phenomenon“ (Havelock 1986: 68, Winkler 2008: 23); wenngleich Peirce daraus nicht, wie Winkler es tut, eine rein konventionelle Auffassung von Semiose ableitet. Vielmehr nimmt Peirce durch die Fokussierung auf das individuelle Kommunikationsereignis auch die konventionelle Seite in den Blick (siehe Fig. 6).

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Ereignis primär nicht von Belang ist. Man muss also ein Objekt, das als Zeichenkorrelat fungiert, als aktuellen und konkreten Vorstellungsinhalt begreifen. Die primär mentale Realität des Objekts als Zeichenkorrelat hängt im Übrigen mit der Tatsache zusammen, dass menschliche Kommunikation grundsätzlich fähig ist, zu planen, das heißt Sachverhalte zu beschreiben, die erst noch realisiert werden müssen, und zu fantasieren, das heißt fiktionale Geschehnisse und Dinge zu vermitteln. Auch wenn Peirce in dieser Hinsicht nicht explizit ist, muss man das Objekt in seinem Zeichenmodell als mentale Größe interpretieren. Entscheidend ist dabei auch, dass seine Zeichenkonzeption, ebenso wie das in Abschnitt 1.2 präsentierte ereignisorientierte Kommunikationsmodell, in erster Linie vom Zeichen in actu handelt. 1.3.3 Synopse: Ereignis und Konvention Zusammenfassend können wir folgende drei Zeichendefinitionen festhalten: Saussures Definitionen von Zeichen in posse in der einfachen konventionellen Variante (Form als Ausdruck und Begriff als Inhalt) und in der systemhaften Variante (Morphem als Ausdruck und Semem als Inhalt) sowie die Definition des Zeichen in actu nach Peirce (Representamen als Ausdruck und Objekt als Inhalt). Bei Letzterer scheint uns der Terminus Objekt nicht frei von Ambiguitäten zu sein, da das dargestellte Ding, das ganz und gar vom Kommunikationsereignis abhängt, durch diese Benennung als etwas ‚objektiv Gegebenes‘ missverstanden werden kann. Umgekehrt wird dem darstellenden Ding, das zunächst nicht von der Interpretation eines Rezipienten abhängt, mit dem Terminus Representamen von vornherein die Zeichenhaftigkeit zugeschrieben, die es allein aufgrund der Rezeption erhält. In der folgenden synoptischen Darstellung der hier diskutierten semiotischen Terminologie für Zeichen in posse und in actu behalten wir für Letztere noch die Terminologie von Peirce bei, fügen aber in Klammern alternative Bezeichnungen ein („darstellendes Ding“ oder „Repräsentant“ für den Ausdruck, „dargestelltes Ding“ oder „Repräsentat“ für den Inhalt), die uns geeigneter erscheinen:

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Fig. 10 Synopse der Zeichen in posse (Saussure) und in actu (Peirce) Morphem

System

Semem Signifikat

Signifikant Form

Representamen

Konvention

Ereignis

Begriff

Objekt

darstellendes Ding

dargestelltes Ding

Repräsentant

Repräsentat

In dieser synoptischen Darstellung wird die Trapezform fortgesetzt, die wir bereits aus Fig. 9 kennen. Ebenso wie alle systemimmanenten Zeichen auch konventionelle Zeichen sind, aber nicht umgekehrt, entsprechen allen konventionellen Zeichen auch Zeichen in actu, jedoch sind nicht alle Zeichen in actu (vollends) konventionell. Nun verfügen wir über die Voraussetzungen, um ein ereignisorientiertes Kommunikationsmodell zu beurteilen, sowie um zu diskutieren, welche Vorzüge und Nachteile damit verbunden sind und welche Alternativen es zu einem solchen Modell gibt. Das erste Argument für eine ereignisorientierte Definition der Semiose besteht für uns darin, dass wir Semiotik als Grundlage einer Medialitätstheorie betrachten, in der die materielle Erscheinungsform von Medien eine überragende Bedeutung besitzt. Diese kann in verschiedensten Zusammenhängen für die Interpretation ausschlaggebend sein. Beispielsweise wird bei Unterschriften im Hinblick auf die Echtheit eines Dokuments blaue statt schwarze Tinte bevorzugt. Auch macht es einen Unterschied, ob ein Musikstück durch ein Klavier oder ein Orchester wiedergegeben wird. Die Materialität eines Zeichens hängt von seinem tatsächlichen Vorkommen als Ereignis oder Teil eines Ereignisses ab. Davon bleibt jedoch unbenommen, dass es bei der materiellen Realisierung bestimmter Zeichen gewisse Traditionen und Konventionen gibt. So ist etwa das Schreiben eines Briefes mit Tinte üblich, mit Bleistift jedoch weniger.

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Im Hinblick auf die ereignisorientierte Betrachtung semiotischer Prozesse stellt sich allerdings die Frage, wie diese mit dem nicht zu leugnenden Fakt umgeht, dass Kommunikation zu einem Gutteil auf Konventionen gründet. In der Regel ist Konventionalität sogar die Voraussetzung für spontane und innovative Kommunikation. Betrachtet man Kommunikation als Ereignis, kann man daher nicht auf der Ebene des Ereignisses verharren, sondern muss im Ereignis dessen konventionelle Grundlagen erkennen, die wiederum systemhafte Züge haben können. Daher wird das Verhältnis von Repräsentamen und Objekt auch im Lichte der Beziehung von Form und Begriff betrachtet, die gegebenenfalls eine Relation von Morphem und Semem widerspiegelt. Die ereignisorientierte Betrachtungsweise beschränkt sich also keineswegs auf die primäre Realität der faktisch stattfindenden Kommunikation, sondern richtet ihren Blick auch auf die sekundäre Realität der Konvention und die tertiäre Realität des Systems. Im Gegenzug tragen auch konventionsorientierte Ansätze dem Umstand Rechnung, dass nur Kommunikationsereignisse den Erhalt eines Systems garantieren und dass Innovationen die notwendige Voraussetzung für dessen Weiterentwicklung sind. 32 Innovative und spontane Kommunikationsformen werden in diesen Ansätzen vielleicht nicht als per se zeichenhaft angesehen, aber sehr wohl als Ausgangspunkt konstruktiver Erneuerungen kommunikativer Normen wahrgenommen. Sobald ihr Gebrauch rekurrent wird, erhalten sie den Status von Zeichen. Man kann daraus ersehen, dass die ereignis- und die konventionsorientierten Betrachtungsweisen durchaus kompatibel sein können. Es handelt sich jedoch eindeutig um zwei grundverschiedene Perspektiven, die von entgegengesetzten Richtungen auf das Phänomen der Kommunikation blicken.

32 Beispielsweise verschränkt Eco (1987 [1976]: 24) in seiner primär konventionellen Zeichenauffassung Konventionalität mit Innovation, wenn er annimmt, dass Zeichen, die „in dem Augenblick, da sie zum erstenmal auftauchen, konventionell gesetzt werden“. Strenggenommen ist dieser Denkansatz jedoch widersprüchlich, da Konvention nicht ad hoc entstehen kann, wie es Eco suggeriert, sondern das Ergebnis von Wiederholungen und Routinisierungen ursprünglich innovativer Praktiken ist.

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1.4 P RINZIPIEN

DER MEDIALEN

R EPRÄSENTATION

Das in Abschnitt 1.2 erläuterte Kommunikationsmodell stellt Semiose in erster Linie als Interaktion der Kommunikationsteilnehmer dar (vgl. Fig. 4). In der vorangegangenen Diskussion der Zeichenmodelle von Saussure und Peirce zeigten sich darüber hinaus zwei weitere Aspekte der Semiose. Der erste betrifft die Unterscheidung zwischen konventionellen und individuellen medialen Ereignissen, der wir bereits in Abschnitt 1.1 begegnet sind. Der zweite Aspekt bezieht sich auf das Verhältnis von Ausdruck und Inhalt von Zeichen, das wir auf der Ebene des semiotischen Ereignisses als Verhältnis der Repräsentation (Darstellung) beschrieben haben, in dem der Repräsentant (Darstellendes) als Ausdruck und das Repräsentat (Dargestelltes) als Inhalt fungiert. Die Repräsentation ist derjenige Aspekt der Semiose, der für Produzenten und Rezipienten medialer Produkte im Vordergrund des Interesses steht. Das Grundschema der Repräsentation ist auf den ersten Blick sehr einfach und mutet geradezu banal an: Repräsentant steht für Repräsentat, Darstellendes für Dargestelltes, Ausdruck für Inhalt. Doch bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass der Mechanismus der Repräsentation in verschiedener Hinsicht deutlich variiert und sich in ganz unterschiedlichen Ausprägungen manifestieren kann. Da die Repräsentation ein Ereignis ist, das aus zwei Komponenten besteht, dem Repräsentanten und dem Repräsentat, variiert sie in den einzelnen Komponenten oder im Zusammenwirken ihrer Komponenten. Im Folgenden behandelt Abschnitt 1.4.1 die Variationen des Repräsentanten und des Repräsentats, während das Zusammenwirken dieser Komponenten in Abschnitt 1.4.2 im Zusammenhang mit dem Konzept der medialen Transparenz und in Abschnitt 1.4.3 im Rahmen von Störungen der medialen Repräsentation erörtert wird. 1.4.1 Variationen des Repräsentanten und des Repräsentats Wie wir im vorigen Abschnitt gesehen haben, ergibt sich die mediale Repräsentation aus der Tätigkeit des Interpretierens, die der Rezipient ausgehend vom medialen Produkt (érgon in Fig. 4) und gegebenenfalls vom medialen Produktionskontext (enérgeia) ausübt. Das demonstrieren

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die möglichen Auslegungen einer sprachlichen Äußerung wie der folgenden: (2) Es ist drei Uhr (a) Antwort auf die Frage Wieviel Uhr ist es? (b) Es ist verabredet, um diese Uhrzeit etwas Bestimmtes zu tun, wozu der Sprecher den Adressaten mit seinem Sprechakt auffordert. In der Lesart (a) ist mit der Äußerung genau das gemeint, was sie besagt, nämlich die Angabe der aktuellen Uhrzeit. Dagegen fordert sie in der Lesart (b) vom Adressaten eine verabredete Tätigkeit ein. Diese ergibt sich prinzipiell aus dem Produktionskontext. Wenn der Interpretant zugleich der Adressat der Äußerung ist, gehört das Wissen um die verabredete Tätigkeit auch zum Rezipientenkontext. Diese spezifische Interpretation wird jedoch im Wesentlichen durch die kommunikative Tätigkeit des Produzenten ausgelöst. Dies zeigt sich gerade auch, wenn der Interpretant nicht Adressat der Äußerung ist. In diesem Fall kann er als Zeuge der Interaktion auch ohne Vorkenntnisse auf die Lesart (b) schließen, indem er das Verhalten des Sprechers deutet. Für die Interpretation (a) genügt es also, die Äußerung (érgon) unabhängig von ihrem Kontext zu deuten, während die Interpretation (b) den gesamten Sprechakt (enérgeia), also den Produktionskontext der Äußerung für die Deutung (re)konstruiert. Der Grad der kontextuellen Einbindung des Repräsentanten bei der Interpretation betrifft nicht nur die sprachliche Interaktion, sondern grundsätzlich alle medialen Ereignisse. Als Beispiel könnte man die so genannte „Freiheitsstatue“ in New York anführen, deren offizieller Name Liberty Enlightening the World (auf Französisch La Liberté éclairant le monde) ist. Ohne Kenntnis des Produktionskontextes und der dieser Statue durch ihren Schöpfer Frédéric-Auguste Bartholdi verliehenen Bedeutung, die sich in ihrem Namen ausdrückt, stellt diese Statue lediglich eine Frau dar, die eine Fackel hochhält. Mit der Kenntnis des Namens, die uns aus dem Produktionskontext her bekannt ist, da er vom Künstler stammt, ist die Figur als Personifikation des Zusammenhangs von Freiheit und Aufklärung identifizierbar: Freiheit bedingt Aufklärung und Aufklärung bedingt Freiheit. Je weniger ein Rezipient Kenntnis des Produktionskontextes besitzt, desto stärker richtet sich seine Konzentration auf das érgon des Mediums. Dabei gewinnt auch sein eigener Rezeptionskontext bei der Interpretation

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an Bedeutung. Jemand, der nach Amerika einwandern will und die Statue als „Freiheitsstatue“ kennt, wird diesen Namen auf Amerika als das „Land der Freiheit“ beziehen und auf seine eigene Zukunft, die ihm unbegrenzte Möglichkeiten verspricht. Dabei unterstellt er unwillkürlich, dass seine Interpretation die beabsichtigte sei, das heißt, dass die Statue zu dem Zweck angefertigt und aufgestellt wurde, die Freiheit Amerikas zu symbolisieren. Diese aus dem Rezeptionskontext heraus zu erklärende Interpretation bezieht den Repräsentanten also auch auf den imaginierten Produktionskontext der Statue, das heißt auf denjenigen Produktionskontext, den der Interpretant mit seiner Interpretation unterstellt. Diese rezeptionsinduzierte Kontextualisierung stellt daher eine weitere interpretative Variation des Repräsentanten dar. Grundsätzlich gibt es also drei Möglichkeiten der Interpretation: Die erste deutet den Repräsentanten im Wesentlichen kontextunabhängig, das heißt als reines ergón, die zweite bezieht den Produktions- und die dritte den Rezeptionskontext als Faktor der Repräsentation mit ein. Für das Repräsentat gilt, dass es selbst nicht medial, jedoch durch das mediale Ereignis der Interpretation gegeben ist. Was der Interpretant als Repräsentat deutet, hängt einerseits von ihm selbst und andererseits vom Repräsentanten ab. Dabei muss klar sein, dass das Repräsentat das ist, was der Interpretant als das vom Repräsentanten Dargestellte interpretiert, und nicht das, was ontologisch darunter verstanden werden könnte. Das Repräsentat besteht in der Regel aus zwei Komponenten, der objektiven Sachverhaltsdarstellung und der subjektiven Stellungnahme zu diesem Sachverhalt. In dem oben angeführten Beispiel (2)(a) Es ist drei Uhr drückt der Sprecher einerseits den objektiven Sachverhalt ‚drei Uhr zur Sprechzeit‘ aus und andererseits die subjektive Stellungnahme beziehungsweise Behauptung, dass dieser Sachverhalt zutrifft. Diese Zweiteilung des Dargestellten entspricht der Zweiteilung des Denkens in Inhalt und Urteil, die nicht nur in der cartesianischen Tradition propagiert wird (Arnauld/Lancelot 1660, Arnauld/Nicole 1662), sondern auch der frühesten Form der Urteilsbildung in der Logik gleicht. Deren Grundschema ist „p wahr/falsch“, wobei p für die Proposition, das heißt die Sachverhaltsdarstellung, steht und wahr/falsch für das Urteil oder die Stellungnahme. Die Übertragung dieses Schemas auf die Kommunikation betrifft nicht nur die Sprache, sondern auch andere mediale Ereignisse. Wenn beispielsweise die Glocken einer Turmuhr erst vier-, dann dreimal ertönen, beschreibt dies nicht nur die

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aktuelle Uhrzeit (drei oder 15 Uhr), sondern vermittelt auch das Urteil, dass dieser Sachverhalt zutrifft. Das unten abgebildete historische Gemälde „Le Premier Consul franchissant les Alpes au col du Grand-Saint-Bernard“ von Jacques-Louis David zeigt Napoleon beim Überschreiten des Großen Sankt Bernhard und behauptet implizit, dass sich dieses Ereignis genau so zugetragen habe. Fig. 11 Jacques-Louis David, Le Premier Consul franchissant les Alpes au col du Grand-Saint-Bernard, 1800, Chateau de Malmaison, Île-deFrance

Die Stilisierung – flatternder Mantel, Rückenwind, sich aufbäumendes Pferd, die Einsamkeit des Reiters, seine majestätische wegweisende Geste – ist offensichtlich und legt nahe, dass die Passüberschreitung des ersten Konsuls im Detail keinesfalls so stattgefunden haben kann. Nun ist zwar Lügen auch eine Form des Behauptens, und man könnte einwenden, dass es allein darauf ankommt, wie die Rezipienten zu der impliziten Assertion des

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Gemäldes stehen. Doch lässt die Stilisierung auch eine andere Deutung des Repräsentats zu: Die subjektive Stellungnahme zum Sachverhalt ist nicht eine des Behauptens, sondern eine des Bestaunens und Überhöhens. Daher spielt die Faktualität des dargestellten Sachverhalts keine wesentliche Rolle. Die Stellungnahme ist also kein Wahrheits-, sondern ein Bewertungsurteil. Neben der objektiven Sachverhaltsdarstellung und der subjektiven Stellungnahme des Produzenten eines medialen Ereignisses kann man noch eine dritte Dimension des Repräsentats erkennen, die gewissermaßen durch die kommunikative Handlung und das Medium selbst gegeben ist. Diese dritte Dimension der Bedeutung lässt sich anhand des soeben besprochenen Gemäldes von Jacques-Louis David aufzeigen: Das Bild stellt seine Bildhaftigkeit heraus, präsentiert sich als Bild, als ein Produkt künstlerischen Schaffens. Anders als zu seiner Entstehungszeit ist es das, was Rezipienten heutzutage in erster Linie an diesem Gemälde wahrnehmen. Sobald ein Gemälde eine ästhetische Funktion hat, ist seine Beschaffenheit sogar von vorrangiger Bedeutung, denn es zeigt nicht nur den abgebildeten Sachverhalt, sondern auch sich als Zeichen. Aber auch wenn ein Gemälde eine andere Funktion hat, wenn es beispielsweise zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Werbeplakat konzipiert wurde, können sein Stil, seine Beschaffenheit und seine ästhetische Wirkung wichtig sein. Obgleich Semiose also in erster Linie als etwas aufgefasst wird, bei dem ein Zeichen auf einen externen Referenten verweist und eine objektive Referenz hat, sind Zeichen grundsätzlich auch selbstbezüglich und haben eine subjektive Referenz. Während sich die repräsentative Funktion bei vielen Medientypen in erster Linie auf die Vorstellung externer Gegenstände oder Sachverhalte bezieht (vgl. Nöth 2007, Luhmann 2002 [1997]: 202ff.), referieren manche Medien ausschließlich auf sich selbst, sie sind autoreferentiell. So stellt ein Instrumentalstück, das wir uns als nicht lautmalerisch vorstellen, zum Beispiel ein Präludium von Johann Sebastian Bach, nur sich selbst dar und nichts anderes. Es hat daher eine ausschließlich subjektive und keine objektive referenzielle Funktion. Dennoch ist das Musikstück semiotisch, es ist ein Medium, das produziert und rezipiert wird. Entscheidend hierfür ist seine subjektive Referenz. Das zeigt der Vergleich mit einem nicht kommunikativen Gegenstand, der zwar auch produziert und übergeben werden kann, aber keinerlei referenzielle Funktion hat.

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Mit der nach 1910 aufgekommenen abstrakten Malerei entstehen auch Bilder, die keinerlei objektive Referenz haben und nur noch auf sich selbst verweisen. Bestes Beispiel ist das berühmte Gemälde Das schwarzes Quadrat von Kasimir Malewitsch, das in Fig. 12 aufgeführt ist. Dieses Gemälde ist in seiner Referenz absolut subjektiv, denn, um es mit den Worten von Scott McCloud (2001: 58) zu sagen: „Es stellt dar, was es ist“ (Hervorhebung im Original). Repräsentat und Repräsentant fallen in diesem Beispiel zusammen. Wir haben es hier, um es wiederum mit McCloud (2001: 58f.) zu formulieren, mit der „nicht symbolischen Abstraktion [der] reinen Form“ zu tun, die zu unterscheiden ist von der reinen Stilisierung. Diese wiederum ist nach seiner Auffassung eine Art „bedeutungserhaltende“ Abstraktion (was anhand eines aus zwei Strichen und zwei Punkten stilisierten Gesichts wie in Fig. 13 dargestellt exemplifiziert). Man könnte bei diesen zwei Formen der Abstraktion in unserem Sinne auch von subjektiver und objektiver Abstraktion sprechen. Jedenfalls wird im Fall der subjektiven Abstraktion ein materieller Medientypus (Medium1a in Fig. 3) auf den Kodierungsgrad der reinen Selbstreferenz zurückgeführt. Fig. 12 Kasimir Malewitsch, ɑɺɪɧɵɣ ɫɭɩɪɟɦɚɬɢɱɟɫɤɢɣ ɤɜɚɞɪɚɬ (Das Schwarze Quadrat), 1915, Tretjakow-Galerie, Moskau

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Fig. 13 Objektive Abstraktion eines Gesichts

Bei der Musik können wir wiederum einen umgekehrten Prozess beobachten, wenn ein bestimmtes Stück lautmalerische Elemente aufweist, was in den Kompositionen der Romantik häufig der Fall ist. Ein sehr deutliches Beispiel dafür ist das Stück Peter und der Wolf von Sergei Prokofjew, in dem Stimmen, Bewegungen und Schritte diverser Tiere und Menschen imitiert werden. Durch diesen beschreibenden Charakter erhält der ursprünglich rein subjektive Medientyp Musik eine objektiv referierende Funktion. Nun kann man die Autoreferenz eines Mediums als subjektiver bezeichnen als die Stellungnahme des Produzenten, denn unter diesem Bedeutungsaspekt wird der Repräsentant selbst zum Repräsentat – das Medium wird zum Dargestellten, der Ausdruck zum Inhalt. Dies ist per se subjektiv. Die Stellungnahme des Produzenten ist dagegen mit einem an einen Adressaten gerichteten Appell vergleichbar. Ihre Subjektivität ist intersubjektiv, denn das Dargestellte ist nicht mit dem Darstellenden gleichzusetzen, sondern bezieht sich auf die Kommunikationsbeteiligten (Produzent und Adressat). Subjektive, intersubjektive und objektive Eigenschaften des Repräsentats schließen sich keineswegs aus, sondern treten in der Regel gemeinsam auf. Dabei variiert die Gewichtung der einzelnen Aspekte von Medium zu Medium. Jacques-Louis Davids Porträt von Napoleon weist, wie wir gesehen haben, alle drei Dimensionen der Bedeutung auf. 1.4.2 Repräsentation und mediale Transparenz Repräsentant und Repräsentat prägen die Repräsentation nicht nur durch ihre je spezifischen Eigenheiten, sondern auch durch die Art ihres Zusammenspiels. Das hat sich bereits bei der Diskussion der subjektiven Bedeutung und der medialen Autoreferenz angedeutet, bei der wir gesehen haben,

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dass die Gewichtung der subjektiven, intersubjektiven und objektiven Bestandteile des Repräsentats sehr unterschiedlich ausfallen kann. Je deutlicher die subjektive und intersubjektive Bedeutung dabei ist, desto stärker tritt der Repräsentant in den Vordergrund der Aufmerksamkeit des Rezipienten. Umgekehrt lässt eine sehr auf das Objektive fokussierte Interpretation den Repräsentanten in den Hintergrund treten. So liegt beispielsweise die Aufmerksamkeit des Rezipienten beim Lesen einer Tageszeitung vor allem auf den objektiven Bestandteilen des Repräsentats: Der Leser möchte über das aktuelle Tagesgeschehen informiert werden. Die Erscheinungsformen von Text und Bild sind dabei häufig sekundär. Wenn der Leser in der Zeitung die Photographie eines Politikers betrachtet, über den er gerade einen Artikel liest, dann interessiert ihn nur die objektive Referenz der Abbildung und er nimmt das Medium kaum noch als solches wahr (die Qualität des Fotos, etwa die Perspektive oder der ästhetische Anspruch, ist irrelevant). Dies gilt generell für Gebrauchsmedien, die nur geringen Wert an sich haben, sondern allein für den Zweck konzipiert sind, Inhalte zu übermitteln. Besonders auffällig ist die Transparenz von Medien vor allem in Bezug auf die Sprache, die zwar das wichtigste Kommunikationsmittel des Menschen ist (und diesen gewissermaßen determiniert, vgl. u.a. Jäger 2001), den meisten Sprechern jedoch selten als solches bewusst wird.33 Kunstwerke dagegen lenken die Aufmerksamkeit der Rezipienten in starkem Maße auf sich selbst, auf den Repräsentanten. Der Grad der medialen Autoreferenz kann dabei so weit gehen, dass das Repräsentat nur noch aus dem Repräsentanten besteht. Dies gilt wie gesehen für Musik, deren Tonfolgen im Wesentlichen nur sich selbst darstellen (eine Ausnahme bildet die Imitation von Vogelstimmen und anderen Klängen oder Geräuschen). Im Zusammenhang mit diesen Fokussierungen der Repräsentation lassen sich auch die Mechanismen der Phänomene erklären, auf die in der

33 Watzlawick et al. (1996 [1967]: 51) geben als Begründung für die Unsichtbarkeit von Kommunikation deren Allgegenwärtigkeit an: „Verhalten hat vor allem eine Eigenschaft, die so grundlegend ist, daß sie oft übersehen wird: Verhalten hat kein Gegenteil […]: Man kann sich nicht nicht verhalten. Wenn man also akzeptiert, daß alles Verhalten in einer zwischenpersönlichen Situation Mitteilungscharakter hat […], so folgt daraus, dass man, wie immer man es auch versuchen mag, nicht nicht kommunizieren kann.“ (Hervorhebung im Original)

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Diskussion um „Sichtbarkeit“ und „Unsichtbarkeit“ von Medien Bezug genommen wird. Mit diesen Mechanismen werden wir uns in diesem Abschnitt befassen. Vorab muss jedoch klargestellt werden, dass es sich dabei, sofern wir es mit einem medialen Phänomen im Allgemeinen zu tun haben, nicht um ‚Sichtbarkeit‘ in einem visuellen Sinne handelt, sondern generell um jede Art der Wahrnehmung, denn mediale Prozesse sind nicht ausschließlich visuell (um die Art der Wahrnehmung geht es weiter unten in Abschnitt 2.2). Man müsste also genau genommen nicht von „Unsichtbarkeit“, sondern von Transparenz sprechen. Doch selbst diese Bezeichnung ist nicht wörtlich, sondern nur in übertragener Bedeutung zu verstehen, wie die folgenden Überlegungen zeigen. Grundsätzlich ist die Wahrnehmung der Repräsentanten die notwendige Bedingung medialer Ereignisse, da sie der Auslöser für die Rezeption ist. Daher ist die einwandfreie Wahrnehmung des Repräsentanten auch die Voraussetzung medialer Transparenzphänomene. Diese hängen mit der routinisierten Dekodierung des Rezipienten zusammen, die es ihm ermöglicht, sich mental auf das Repräsentat zu fokussieren und den Repräsentanten in seinem Vorbewusstsein zu belassen. Dieser Vorgang lässt sich durch Metaphern wie „ausblenden“ und „unsichtbar“ veranschaulichen. So erklärt sich, warum in diesem Zusammenhang häufig von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit die Rede ist, obwohl das betreffende Phänomen im Grunde unabhängig von der Wahrnehmung ist. Kurz gesagt: Mediale Transparenz fußt auf routinisierter Dekodierung bei störungsfreier Wahrnehmung. Wissenschaftsgeschichtlich gesehen hat der Diskurs zur Transparenz von Medien entsprechend der Entwicklung des allgemeinen Medienbegriffs einen etwas anderen Weg genommen. Mit Mersch könnte man diese Entwicklung wie folgt einteilen: [Ü]berblickt man die verschiedenen Theorieansätze im Ganzen, lassen sich drei Hauptstränge unterscheiden, die in die Modellierung des Medienbegriffs entscheidend eingegangen sind: die Wahrnehmungstheorie seit der Antike, die Sprachtheorie des 18. Jahrhunderts und die Kommunikationstechnologien seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, wie sie für die Heraufkunft der Massenmedien verantwortlich waren. (Mersch 2006: 12)

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In den wahrnehmungstheoretischen Überlegungen von Aristoteles (Über die Seele 419a) und Heider (2005 [1927]: 66) geht es darum, dass Gegenstände nur wahrgenommen werden können, weil es vermittelnde Medien wie Licht oder Luft gibt, die selbst unsichtbar sind. Von Licht und Luft als Medien zu sprechen, bedeutet, den Begriff des Mediums im physikalischen Sinne zu verstehen. Aristoteles oder Heider geht es nämlich nicht um Repräsentation, bei der ein Repräsentant für ein Repräsentat steht, sondern allein um Wahrnehmung im physiologischen Sinne. Diese Auffassung hat offensichtlich nichts mit dem Phänomen der medialen Transparenz zu tun, die wir zuvor als routinisierte Dekodierung bei störungsfreier Wahrnehmung erkannt haben. Im Vorgang der Semiose können Luft und Licht allenfalls als potenzielle Zeichenträger betrachtet werden (eine detaillierte Diskussion der Zeichenträgerproblematik erfolgt in Abschnitt 2.1.1). Als physikalische Bedingungen der Wahrnehmung haben sie ansonsten jedoch keine spezifisch mediale Funktion. Die Folgen der Verwechslung des semiotischen mit dem physikalischen Medienbegriff werden weiter unten im Abschnitt 2.1.3 eingehend erörtert. Einige sprachtheoretisch und kommunikationstechnologisch orientierte Medientheorien greifen auf den aristotelischen Topos der Unsichtbarkeit des Mediums der Wahrnehmungstheorie zurück und setzen mehr oder weniger stillschweigend eine Übertragbarkeit auf Kommunikationsmedien wie Schrift voraus. So schlägt Krämer (2006: 75f.) beispielsweise vor, Schrift nicht nur als ein „Kommunikationsmedium“ zu betrachten, was einem semiotischen Medienbegriff entspricht, sondern auch als ein „Wahrnehmungsmedium“, das im Sinne von Aristoteles und Heider definiert ist und damit den physikalischen Medienbegriff impliziert. In Bezug auf „Wahrnehmungsmedien“ definiert sie Medien im Allgemeinen und Schrift im Besonderen wie folgt: Medien machen etwas wahrnehmbar, das nicht von der ‚Natur‘ eines Mediums ist, indem sie sich selbst dabei neutralisieren, also unterhalb der Schwelle der Wahrnehmbarkeit verharren. […] Wir können von einer ‚Schrift‘ nur sprechen, wenn sich dieses Wechselverhältnis zwischen dem Sichtbarmachen von etwas, das nicht selbst Schrift ist, und dem Unsichtbarwerden von dem, was die Schrift selbst ist, aufweisen lässt. (Krämer 2006: 76).

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Im ersten Teil dieser Stellungnahme werden Medien im Sinne des physikalischen Medienbegriffs definiert: Sie machen „etwas“ wahrnehmbar, indem sie selbst nicht wahrnehmbar sind. Wenn es jedoch im zweiten Teil um Schrift geht, lässt sich dieses „Wechselverhältnis“ nur im metaphorischen Sinn übertragen, denn Schrift – der Repräsentant – muss wahrnehmbar sein, um gelesen werden zu können, während das durch Schrift Dargestellte – das Repräsentat – eine Vorstellung ist, die zwar nachträglich einer sinnlichen Wahrnehmung entsprechen kann, aber nicht muss. Wenn Krämer ein „Sichtbarmachen von etwas“ durch die Schrift erkennt, kann sie daher nur mediale Repräsentation im Blick haben, bei der das Repräsentat fokussiert wird, und mit dem „Unsichtbarwerden“ der Schrift nur auf das mentale Ausblenden des Repräsentanten abzielen.34 Der Umweg über den physikalischen Medienbegriff von Aristoteles und Heider ist also insofern irreführend, als er einen richtigen Gedanken verdeckt, der der Transparenzdiskussion zugrunde liegt. Denn das Medium wird nicht deshalb „unsichtbar“, weil es materiell durchsichtig ist, sondern weil ideale Rezeptionsbedingungen den Rezipienten in die Lage versetzen, den Repräsentanten mental auszublenden. Dieser ideale Kommunikationsablauf ist nichts anderes als die oben beschriebene routinisierte Dekodierung bei störungsfreier Wahrnehmung des Repräsentanten. Damit läuft die hier geführte Diskussion wieder auf die übergeordneten Aspekte der Materialität und der Kodierung zu, die das grundlegende Strukturprinzip dieser Arbeit bilden. 1.4.3 Störungen und Auffälligkeit der medialen Repräsentation Mediale Transparenz betrifft vor allem Gebrauchsmedien, die sich durch die Fokussierung auf das Repräsentat auszeichnen und durch die Ausblen-

34 Weitere Ansätze, die nicht die Unsichtbarkeit, sondern die Sichtbarkeit einzelner Medien betonen, finden sich bei Strätling/Witte (Hg.) (2006) für die Schrift (in diesem Sammelband befindet sich auch der Beitrag von Krämer 2006) oder Beilenhoff (2010: 115) für den Film. Für Letzteren wird Sichtbarkeit durch ein ästhetisches Verfahren der Transkription hervorgerufen, die dem „jeweils transkribierenden Symbolsystem eine sekundäre Lesbarkeit verleiht“. Als Beispiel führt er vor, wie der Avantgardefilm durch das Medium Schrift Lesbarkeit und damit Sichtbarkeit gewinnen kann.

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dung des Repräsentanten in hohem Maße funktional werden. Daher wird Transparenz in vielen medialen Situationen erwartet und als selbstverständlich aufgefasst. Wenn die erwartete Transparenz jedoch ausbleibt, hat dies ganz bestimmte Gründe, die in der einen oder anderen Weise als Störung empfunden werden. Um zu ergründen, worin solche Störungen genau bestehen, müssen wir uns vergegenwärtigen, dass sie eine mediale Transparenzerwartung konterkarieren, die sich wiederum nur im Rahmen des Repräsentationsvorgangs definieren lässt. Rufen wir uns zu diesem Zweck einfache Schema in Erinnerung, das in der folgenden Graphik symbolisiert wird: Fig. 14 Elemente der Repräsentation

Repräsentant

Repräsentat

Aus der Perspektive des Rezipienten verläuft der symbolisierte Vorgang wie folgt: Er nimmt den Repräsentanten wahr und interpretiert ihn, woraus die Vorstellung des Repräsentats resultiert. Bei medialer Transparenz, die, wie im vorigen Abschnitt gesehen, nichts anderes ist als die Ausblendung des Repräsentanten im Bewusstsein des Interpretanten, könnte man dessen mentale Fokussierung auf das Repräsentat etwa wie folgt veranschaulichen: Fig. 15 Repräsentation bei routinisierter Interpretation

Repräsentant

Repräsentat

Wenn eine Fokussierung auf das Repräsentat erwartet oder erwünscht wird, es aber zu einer Störung kommt, gibt es für den Interpretanten gewissermaßen „kein Durchkommen“ zum Repräsentat. Aus verschiedenen Gründen wird der Repräsentant intransparent und verhindert die intendierte semiotische Vermittlung. Man kann das Phänomen der medialen Störung

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aus der Sicht des Interpretanten daher mit dem folgenden Schaubild angemessen wiedergeben: Fig. 16 Repräsentation bei gestörter Interpretation

Repräsentant

Repräsentat

Im vorigen Abschnitt haben wir gesehen, dass die mentale Ausblendung des Repräsentanten die sinnliche Wahrnehmung auf der Ebene der medialen Materialität und die routinisierte Interpretation auf der Ebene der medialen Kodierung voraussetzt. Auf diesen beiden Ebenen lassen sich, wie wir gleich sehen werden, auch Faktoren der Störung verorten. Eine weitere fundamentale Unterscheidung, auf die wir in Abschnitt 1.3.3 zu sprechen gekommen sind, betrifft die Konventionalität und der Individualität medialer Ereignisse. Man kann feststellen, dass die Routinisierung medialer Dekodierung, aus der die mediale „Transparenz“ oder „Unsichtbarkeit“ hervorgeht, eng mit der Konventionalität medialer Ereignisse zusammenhängt, ja diese sogar impliziert. Dagegen sind Störungen der „Transparenz“ stets Abweichungen von medialen Konventionen und als solche auf individuelle Gegebenheiten medialer Ereignisse zurückzuführen. Vor dem Hintergrund des in Fig. 3 (Abschnitt 1.1) dargestellten Begriffsrahmens lassen sich diese Zusammenhänge von Transparenz und Konventionalität auf der einen und von Störung und Individualität auf der anderen Seite wie folgt zeigen:

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Fig. 17 Störungen der Wahrnehmung und der Interpretation bei der individuellen Semiose35 1) Materialität

2) Kodierung

a) Konventionell Gesicherte Wahrnehmung

Routinisierte Interpretation

Störung der Wahrnehmung

Störung der Interpretation

b) Individuell

Medientheoretische Arbeiten, die sich mit der „Unsichtbarkeit“ von Medien befassen, gehen oftmals von einem idealen, störungsfreien Kommunikationsablauf aus, bei dem das Medium unsichtbar wird (vgl. u.a. Krämer 2008: 34, Winkler 2008: 11, Mersch 2002b: 132 ff., Heider 2005 [1927]: 66). Sie setzen demzufolge einen generischen Medien- und Zeichenbegriff voraus, der auf Konventionalität fixiert ist, da nur hochgradig routinisierte Mediennutzung dazu führen kann, dass das Medium gegenüber den jeweils vermittelten Inhalten in den Hintergrund gerät. Wie wir gesehen haben, bezieht sich die Unsichtbarkeit des Mediums auf dessen Rezeption. Beispielsweise treten für einen geübten Leser die Buchstaben, die er gerade liest, meistens nicht ins Bewusstsein. Manchmal betrifft die Unsichtbarkeit aber auch die Produktion. Beim Sprechen sind sich Menschen ihrer Sprechtätigkeit oft nicht bewusst, denn Sprechen ist alltäglich und daher extrem routinisiert. Die Auffälligkeit von Gebrauchsmedien, die konventionell und damit üblicherweise transparent sind, kommt durch Störungen zustande (vgl. auch Latour 2002: 222–226). Zu jedem konventionellen Medium in seiner Materialität (das heißt Medium1a im Sinne von Fig. 3 in Abschnitt 1.1) gehören je spezifische Möglichkeiten der Störung, die sich im individuellen Medium (also Medium1b) manifestieren können und die wiederum Auswirkungen auf die individuelle Kodierung (Medium2b) haben können. Störungen sind dabei nicht als zu vernachlässigendes Randphänomen zu denken. Den Begriff der „Störung“ kann man vielmehr in einem erweiterten Sinn verstehen, der nicht nur einfache Behinderungen der Kommunika-

35 Die Tabelle kann man nicht dahingehend verallgemeinern, dass individuelle Ereignisse immer durch Störung gekennzeichnet sind. Vielmehr sind individuelle Rezeptionsereignisse, die den Konventionen entsprechen, ebenfalls routinisiert, sodass der Repräsentant transparent wird. Umgekehrt gilt jedoch: Wenn es zu Störungen kommt, dann betrifft dies immer das individuelle Rezeptionsereignis.

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tion einschließt, sondern auch Lernsituationen, die Störungen der Kommunikation beheben. Auch expressive, ästhetische, avantgardistische Kommunikationshandlungen, die auf Brüche mit der Erwartungshaltung des Rezipienten abzielen, gehören dazu. Oftmals werden beispielsweise Sprechern die materiellen Aspekte der sprachlichen Medialität durch okkasionelle Behinderung bewusst, etwa wenn sie heiser oder erkältet sind, wenn ihnen vor Aufregung die Stimme versagt, wenn die Umgebung so laut ist, dass sie sich nicht verständigen können, etc. Besonders auffällig sind materielle Störungen der Kommunikation bei elektronischen Medien, deren Hardware defekt ist oder deren Software nicht richtig funktioniert, weil sie schlecht programmiert oder mit Viren verseucht ist. Diese Beispiele betreffen die individuelle Wahrnehmung (Medium1b). Doch auch die Kodierung kann zu einem Hindernis werden, beispielsweise wenn einem Rezipienten die notwendige Sprachkompetenz fehlt, um eine Äußerung zu verstehen. Die Kodierung wird darüber hinaus häufig in Lernsituationen bewusst, etwa wenn man bei ungewöhnlichen kommunikativen Anforderungen um Worte ringt. Ebenso gilt für laufend auf den Markt kommende neue Computersoftware, dass man sich erstmal einarbeiten muss, bevor man sie benutzen kann. Auch die korrekte Bedienung neuer Handys und Smartphones hat man erst zu lernen. (Medium2b in Fig. 17) Daneben gibt es auch Auffälligkeiten der menschlichen Kommunikation, die aus der Expressivität des Sprechens resultieren. Expressivität ist die wichtigste Triebfeder für sprachliche und ästhetische Innovationen, die unter anderem auf Figuren und anderen rhetorischen Strategien beruhen. In der Kunst wird Expressivität durch Verfremdungsstrategien, Norm- und Tabubrüche erzielt, die eine Störung der Rezeptionsgewohnheiten beabsichtigen. Diese sprachlichen und ästhetischen Innovationsstrategien und Auffälligkeiten betreffen ebenfalls die Ebene der Kodierung. Die expressive Dimension der Sprache ist verwandt mit einem weiteren Phänomen: den Irritationen, die durch den Bruch mit konventionellen Erwartungen hervorgerufen werden und die gegen die Angemessenheit, also das innere und äußere aptum verstoßen (auf diese Formen der Störungen als Bruch mit konventionellen Erwartungen in einem bestimmten Kontext gehen wir in Abschnitt 3.4.1 ein). Wie wir bereits gesehen haben, ziehen Störungen nicht zwangsläufig den Abbruch von Kommunikation nach sich, sondern können sich auch

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positiv und innovativ auswirken. Schriftsteller wie E.T.A. Hoffmann und Jean Paul haben diese Störungen als poietisches und poetologisches Potenzial erkannt und für ihre Textproduktion genutzt. So thematisiert Hoffmanns Lebens-Ansichten des Katers Murr die Beschleunigung im Druckwesen als mögliche Störquelle, die zu einer neuartigen Verschmelzung verschiedener Textsorten führt. Im Roman wird die Künstlerbiographie des wahnsinnigen Kapellmeisters Johannes Kreisler mit den satirischen Lebenserinnerungen und Plagiatsversuchen eines schreibenden Katers scheinbar willkürlich ineinander verflochten, die Nahtstellen der Texte werden durch fiktive Herausgeberkommentare markiert (vgl. Genz 2009). Die Störanfälligkeit des Computers nutzt der Gewinner des New Media Writing Prize 2011, Serge Bouchardon, in seiner digitalen Literatur Loss of Grasp/Déprise (Bouchardon 2010, vgl. hierzu auch Bouchardon/LópezVarela 2011, Küchler 2015). Die interaktive Erzählung über die Trennung des Protagonisten von seiner Frau und den dadurch hervorgerufenen Identitätsverlust vollzieht der User medial nach. Nachdem er zunächst mit Maus und Tastatur die Erzählung vorantreiben und durch die Bewegung des Cursors im begrenzten Maße individuelle Töne und Illustrationen zur Erzählung hervorbringen kann, erleidet er auf dem Höhepunkt der Krise des Protagonisten ebenfalls einen Kontrollverlust: Ihm wird die Herrschaft über Maus und Tastatur genommen. Die Bewegungen von Cursor und Tastatur lassen sich nun nicht mehr vom Rezipienten kontrollieren, sondern entwickeln ein Eigenleben. In einer ereignisorientierten Medientheorie müssen individuelle Materialität und Kodierung nicht nur gleichberechtigt neben konventioneller Semiose in Betracht gezogen, sondern sogar als primäre Erscheinungsformen der Medialität angesehen werden. Gerade eine Fokussierung auf die individuelle Mediennutzung kann das Medium als solches ins Bewusstsein rücken. Dabei ist die Frage der Wahrnehmbarkeit von Medien auch eine Frage ihres Gebrauchs.

1.5 D IE K ONSTITUTION

DER

Z EICHEN

Wir haben weiter oben bereits darauf hingewiesen, dass wir unter Zeichen sowohl einfache als auch komplexe Zeichen verstehen. Die Konstitution von komplexen Zeichen betrifft neben ihrer Materialität vor allem auch ihre

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Kompositionalität, das heißt, dass komplexe Zeichen aus einer Konfiguration einfacherer Zeichen bestehen. Beispielsweise besteht ein Text aus Sätzen, die wiederum aus Wörtern gebildet werden, die selbst aus Lauten (oder Buchstaben) zusammengesetzt sind. Dasselbe gilt für ein Musikstück, das aus mehreren Teilen besteht (Melodien, Takte, Töne), die wiederum in mehreren Stimmen realisiert werden, etc. Wir können annehmen, dass Kompositionalität ein allgemeines Prinzip der Semiose ist. Auf welche Weise sich dieses Strukturprinzip hinsichtlich seiner Makro- und Mikroebene bei unterschiedlichen Typen der Semiose manifestiert, wird in diesem Band noch verschiedentlich zu erörtern sein. Zum Prinzip der Kompositionalität müssen wir an dieser Stelle drei Dinge anmerken. Erstens ist Kompositionalität ein Emergenzphänomen. Im Verbund der Einzelzeichen entsteht ein Ganzes, das in seinem semiotischen Potenzial die Möglichkeiten übersteigt, die in den einzelnen Komponenten angelegt sind. Zweitens darf Kompositionalität nicht mit der Kombination unterschiedlicher Medien verwechselt werden, auch wenn es bei beiden Phänomenen um Zusammensetzungen geht (vgl. dazu Abschnitt 2.2.3). In einer Oper sind beispielsweise Musik, Text und Bühnendarstellung kombiniert. Diese Kombination ist jedoch andersartig als die Komposition der Musik aus Tönen, des Textes aus Wörtern und des Schauspiels aus Ereignissen der Handlung. Während die Kompositionalität von Medien auf eine einzige Rezeptionsform, das heißt auf einen einheitlichen Kode abzielt, beruht die Kombination von Medien auf unterschiedlichen Kodes, die unterschiedliche Rezeptionsformen aufrufen. Die verschiedenen Instrumentalstimmen in einem polyphonen Musikstück werden nach einem einheitlichen Kode entschlüsselt. Text und Musik eines Gesangsstücks werden dagegen auf der Grundlage unterschiedlicher Kodes interpretiert. Drittens erstreckt sich die Konstitution der Zeichen nicht nur auf die konventionelle, sondern auch auf die individuelle Ebene (vgl. Abschnitt 1.1). Zeichen mit der gleichen materiellen Basis können aufgrund von Abweichungen in ihrer individuellen Kodierung zu unterschiedlichen kommunikativen Resultaten führen. Umgekehrt führen Zeichen mit gleicher Kodierung, aber individuellen Abweichungen in der Materialität zu unterschiedlichen Interpretationen. Wie wir in Abschnitt 1.4.3 gesehen haben, können solche Abweichungen unter anderem aus Innovationen, Fehlern oder Mutationen resultieren.

2

Materialität

Als einer der beiden grundlegenden Aspekte der Medialität spielt die Materialität eine wesentliche Rolle in der Semiose. Als Zeichen und Zeichenträger sind Medien notwendigerweise immer schon materiell, auch wenn ihre Materialität sehr unterschiedlich sein kann (man vergleiche etwa eine Radioübertragung mit einem Buch). Materialität ist eine Eigenschaft aller Zeichen. Sie ist jedoch nicht zeichenspezifisch. Eine Statue aus Holz beispielsweise steht, vereinfacht gesagt, in einem Kommunikationszusammenhang zwischen Bildhauer (Produzent) und Betrachter (Rezipient). Das Holz partizipiert hier an der vermittelnden Funktion der Statue. Das Holz eines Baumstamms im Wald dagegen ist nicht Teil eines semiotischen Ereignisses, es vermittelt nichts.1 Daraus ersieht man, dass es Materialität ohne Medialität, umgekehrt jedoch keine Medialität ohne Materialität gibt. Uns interessiert hier nur die mediale Materialität, nicht Materialität im Allgemeinen. Wenn wir also im Folgenden von Materialität sprechen, ist sie im medialen Kontext verankert. Die Materialität von Zeichen manifestiert sich in unterschiedlichen Phasen der Semiose: bei der Produktion, der Struktur und Beschaffenheit sowie der Rezeption von Zeichen oder Zeichenträgern. Diese semiotisch relevanten Eigenschaften der Materialität von Zeichen behandeln wir im Folgenden unter drei Gesichtspunkten: Neben ihrer Beschaffenheit (2.1) betrifft die Materialität von Zeichen die Art ihrer Wahrnehmung (Abschnitt 2.2) und die Art ihrer Vermittlung (Abschnitt 2.3).

1

Es sei denn, ein Waldspaziergänger entscheidet sich irrtümlicherweise oder bewusst dafür, das Holz als Zeichen, zum Beispiel als Wegweiser, zu interpretieren (vgl. Abschnitt 1.2.2).

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2.1 B ESCHAFFENHEIT Bei der Analyse von semiotischen Prozessen ist es häufig nicht einfach, zwischen Zeichen und Zeichenträger zu unterscheiden. Manchmal ist die Notwendigkeit einer solchen Unterscheidung sogar zweifelhaft. In bestimmten Fällen ist sie jedoch durchaus sinnvoll. Bei einem handgeschriebenen Text kann man zum Beispiel das Papier eindeutig als Zeichenträger identifizieren, während die Tinte, mit der ein Buchstabe geschrieben wurde, in materieller Hinsicht das Zeichen selbst ist. Die Tinte stellt die Substanz eines Buchstabens dar, dessen Form durch den Kode festgelegt ist. 2 In anderen Medien erweist sich die Unterscheidung zwischen Zeichenträger und Substanz des Zeichens als problematisch. Beispielsweise besteht Musik aus Tönen, die nichts anderes sind als in unterschiedlichen Frequenzen schwingende Luft. Doch Luft ist nicht nur die Substanz musikalischer Zeichen, sondern gleichzeitig auch der Träger, der die Schwingungen von der Tonquelle (Instrument, Sänger, Radio etc.) zum Ohr des Rezipienten übermittelt.3 Die Beschaffenheit von Zeichen ist auch im Hinblick auf die Semiose selbst komplex. So hängt die substanzielle Eigenheit von Zeichen unter anderem davon ab, ob sie im Rahmen des Produktions- oder Rezeptionsprozesses (enérgeia) oder als solche (érgon) untersucht wird. Die Tinte des zuvor erwähnten handschriftlichen Briefs ist für den Brief, der ungelesen im Umschlag steckt, zweifellos die Substanz der Schriftzeichen, während sie für Produzent und Rezipient genau genommen aus Lichtfrequenzen besteht, denn diese nehmen keine Tinte wahr, sondern von der Tinte verursachte Reflexionen des Lichts. Wie sich aus den diversen Schwierigkeiten, allein die Substanz von Zeichen zu fassen, ersehen lässt, kann die Rolle der Materialität von Zeichen nicht einfach auf ihre Beschaffenheit reduziert werden, denn diese ist vielfältig und zuweilen nicht exakt von der Materialität der Zeichenträger und der physischen Umgebung abzugrenzen.

2

3

Zweifellos hat das Schreibgerät ebenfalls einen Einfluss auf die Form. Dies gehört jedoch in Abschnitt 2.3, in dem es unter anderem auch um die Produktionsbedingungen von Zeichen geht. Diese Funktion der Luft haben wir in Abschnitt 1.4.2 unter dem Aspekt der Repräsentation betrachtet. Hier geht es dagegen um den Aspekt der Materialität von Medien.

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Mit der Beschaffenheit von Zeichen hängen zwei wesentliche Aspekte der Semiose zusammen: die Art der Wahrnehmung und die Art der Vermittlung. Bei der Art der Wahrnehmung handelt es sich um den (im Wesentlichen visuellen oder auditiven) Modus der Rezeption von Zeichen. Die Art der Vermittlung betrifft sowohl Produktionsverfahren als auch Verarbeitungsmechanismen von Zeichen. Schließlich bestimmt die Beschaffenheit von Zeichen die Möglichkeiten und Grenzen der Verarbeitungstechniken im Produktionskontext. Die materiellen Eigenschaften eines Bleistifts und die damit verbundenen Schreibtechniken haben beispielsweise andere Auswirkungen auf Struktur, Form und möglicherweise auch auf den Inhalt des Textes als die eines Textverarbeitungsprogramms auf dem Computer. Außerdem kann die Beschaffenheit von Zeichen und Zeichenträgern die Rezeption über Wertungsdiskurse steuern (vgl. Abschnitt 3.3.4, 3.4.1). Sie lässt nicht nur Rückschlüsse auf historische, kulturelle und soziale Kontexte zu, sondern sie verleiht oder entzieht aufgrund der Verwendung eines kostbaren oder alltäglichen Materials dem Vermittelten Bedeutsamkeit und Autorität. Das Schreiben mit dem Bleistift wird eher Alltagssituationen wie dem Erstellen eines Einkaufszettels vorbehalten sein, der computergeschriebene Brief signalisiert vorwiegend Geschäftssituationen, die Wahl von Tinte auf Pergament markiert nicht nur einen bestimmten historischen Kontext, sondern steht auch für eine besondere Form der Exklusivität. Auch andere mediale Erscheinungen lösen durch ihre Beschaffenheit bestimmte evaluative Einstellungen aus. Die Auswahl von Räumlichkeiten und Instrumenten hat beispielsweise einen besonderen Einfluss auf die Festlichkeit oder die Ausgelassenheit einer musikalischen Darbietung. Die Art und Qualität der Farbe, der Leinwand und des Rahmens spielen für die ästhetische oder religiöse Rezeption von Malerei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Unterscheidung von Zeichen und Zeichenträgern bildet, wie der folgende Abschnitt 2.1.1 zeigt, die Voraussetzung dafür, die Begriffe Medium und Zeichen im Rahmen der Materialität der Kommunikation aufeinander zu beziehen. Den Sonderfall einer immateriellen Kommunikation behandeln wir anschließend in Kapitel 2.1.2. Dabei zeigt sich, dass Zeichen, die einer materiellen Basis entbehren, nicht als Medien angesehen werden können. Abschließend befassen wir uns in 2.1.3 mit der Kanalmetapher.

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2.1.1 Medium, Zeichen, Zeichenträger Die Frage nach der begrifflichen Beziehung zwischen den Wörtern Medium und Zeichen haben wir bisher zurückgestellt und uns lediglich in Abschnitt 1.1 mit zwei augenfälligen Ambiguitäten des Wortes Medium befasst, um danach eine ereignisorientierte Konzeption der Kommunikation zu umreißen, die auf den Begriff des Zeichens zugeschnitten ist. Dabei sind wir bereits mehrmals auf die Problematik der Unterscheidung zwischen Zeichen und Zeichenträger gestoßen, die auch im vorigen Abschnitt 2.1 angeklungen ist und die nun im Zusammenhang mit der Materialität von Zeichen ihre wesentliche definitorische Bedeutung erkennen lässt. Den Ausdruck Medium zu verstehen, erfordert nämlich nicht nur seine Bezugsetzung zum Terminus Zeichen, sondern auch zum Terminus Zeichenträger. Wie wir in 2.1 am Beispiel der Schrift gesehen haben, können Kodierung (Sprache und Text) und Materialität (Substanz und visuelle Form der Buchstaben, als Tinte im érgon und als Lichtreflexe in der enérgeia) beide als zum Zeichen gehörig aufgefasst werden, während der Zeichenträger, in diesem Fall das Papier, auf dem die Buchstaben geschrieben sind, im Grunde nur in seiner materiellen Eigenschaft in Erscheinung tritt. Vor diesem Hintergrund erklären sich die Abgrenzungsprobleme zwischen Zeichen und Zeichenträger: Es ist in vielen Fällen schwer zu beantworten, wo der Beitrag des Materiellen zum Kode aufhört, das heißt wo das Materielle aufhört, Zeichen zu sein. Materialität kann zum Zeichen gehören und dennoch nicht zeichenhaft sein, wie das beschriebene Papier, das zwar für die Rezeption des darauf geschriebenen Textes unerlässlich ist, als Trägermaterial zunächst aber nicht zum Kode beiträgt.4 In dieser Hinsicht kann man die Abgrenzungsprobleme zwischen Zeichen und Zeichenträger einerseits und zwischen Kodierung und Materialität andererseits nicht nur im Zusammenhang mit der Schrift, sondern auch mit anderen Zeichensystemen beobachten. Dies soll die synoptische Darstellung in Fig. 18 für die Bereiche Schrift, Malerei, Musik und Radio verdeutlichen:

4

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Materialität des Zeichenträgers (etwa bei der Verwendung von Papier oder Pergament) sekundär wiederum bedeutsam sein kann. Diese Frage wird in 3.4 erörtert und soll an dieser Stelle erst einmal ausgeklammert bleiben.

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Fig. 18 Beispiele der Materialität und Kodierung von Zeichen/Zeichenträgern ZEICHEN Schrift

Malerei

Musik

Radio

Kodierung Alphabet, Silbenschrift, Idegramme Ikonische Darstellung visueller Impressionen Harmonisches System, Tonleitern etc. Sprache, Musik

ZEICHENTRÄGER

Materialität Form u. Substanz Papier, Papyrus, Pergament etc. der Buchstaben (Tinte/Licht) Ölfarbe, Tusche, Leinwand, Holz, Wasserfarbe etc. Papier etc. Luftschwingungen/Schallwellen

Stimmapparat, Instrument etc.

Luftschwingungen/Schallwellen

Empfangsgerät, das elektromagnetische Wellen in Schallwellen verwandelt, Lautsprecher etc.

Man erkennt in der Tabelle eine axiale Verschiebung von Zeichenträger und Zeichen einerseits und Kodierung und Materialität andererseits. Materialität ist in diesem Sinne sowohl Bestandteil des Zeichenträgers als auch des Zeichens, während die Kodierung allein dem Zeichen vorbehalten bleibt. Zwischen den hier verglichenen medialen Typen oder Zeichensystemen gibt es große Unterschiede, die eine Vergleichbarkeit in Bezug auf die Kodierung einschränken. Um diese Unterschiede geht es in Abschnitt 3.3.2. An dieser Stelle ist es jedoch legitim, die angeführten semiotischen Systeme zu vergleichen, da es hier auf die Verschiedenheit von Zeichen und Zeichenträger auf der einen Seite und von Kodierung und Materialität auf der anderen Seite ankommt. Wie Fig. 18 zeigt, ist diese Verschiedenheit nämlich in ganz unterschiedlichen semiotischen Konstellationen zu beobachten. Die Gegenüberstellung von Zeichen und Zeichenträger auf der einen Seite und von Materialität und Kodierung auf der anderen Seite gibt uns ein begriffliches Raster an die Hand, mit dem wir die Analyse der Verwen-

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dungsvielfalt des Wortes Medium, die wir in Abschnitt 1.1 vorgenommen haben, nun ausdifferenzieren können. Erst mit der Einbeziehung dessen, was wir als Zeichenträger identifiziert haben, lassen sich kohärente Bezüge zwischen den Termini Medium und Zeichen ausarbeiten. Wenn beispielsweise das Buch als ein Medium bezeichnet wird, dann gibt es drei Möglichkeiten, dies zu verstehen: Entweder wird das Buch als eine gebundene Ansammlung von Blättern zum Medium erklärt – dann ist das Medium ein reiner Zeichenträger (MediumIII in Fig. 19) –, oder man begreift es als Medium, weil es darüber hinaus einen Text enthält – dann steht Medium für die Einheit aus Zeichenträger und Zeichen (MediumII in Fig. 19) –; schließlich kann man den bloßen Text als Buch betrachten – dann wird unter diesem Medium ein reines Zeichen verstanden (MediumI in Fig. 19). Vor diesem Hintergrund gibt es für das Wort Medium also die im Folgenden dargestellten definitorischen Optionen: Fig. 19 Mögliche Zuordnungen: Medium, Zeichen, Zeichenträger

Zeichen

MediumI ?

Zeichenträger

MediumIII ?

MediumII ?

Sowohl in der alltäglichen als auch in der wissenschaftlichen Verwendung des Wortes Medium finden sich die drei hier dargestellten Optionen wieder. Nun müssen wir uns fragen, wie diese Verwendungsweisen in einen kohärenten Medienbegriff zu integrieren sind und ob die Unterscheidung zwischen Medium1 (Kriterium der Materialität) und Medium2 (Kriterium der Kodierung), die wir in Abschnitt 1.1 vorgenommen haben, durch die Systematik in Fig. 19 zu ersetzen ist.5 Betrachten wir zunächst die mediale Konzeption des reinen Zeichens. Im Fall des Buches wäre dies allein der Text. Doch was heißt das? Wie wir

5

Die ebenfalls in Abschnitt 1.1 vorgenommene Unterscheidung zwischen konventioneller (Mediuma) und individueller (Mediumb) Medialität bleibt davon unberührt.

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gesehen haben, treffen sich im Text, wie in allen Zeichenkomplexen, Kodierung und Materialität – die Kenntnis von Orthographie und Sprache ist für die Rezeption des Textes ebenso wichtig wie die sinnliche Wahrnehmung der Schriftzeichen. Wenn man also einen Text als Medium begreift, dann versteht man unter Medium ein semiotisches Phänomen, das zugleich materiell und kodiert ist (= MediumI). In diesem Fall ist die Schrift die materielle Erscheinungsform des Textes. Allerdings zeigt sich im Zusammenhang mit der Unterscheidungsproblematik zwischen Zeichen und Zeichenträgern, dass Zeichen ohne Zeichenträger gar nicht wahrnehmbar, das heißt auch nicht rezipierbar sind. Muss also nicht eher die Verbindung von Zeichen und Zeichenträger als Medium verstanden werden (= MediumII)? Dann würde, neben dem Text als sprachliche und schriftliche Erscheinung, auch die Unterlage der Schrift, das Papier (mitsamt der Bindung) zum Medium gehören. Gleichwohl sprechen zwei Argumente dafür, auch die Definition von MediumI gelten zu lassen. Erstens rückt dieser Medienbegriff dann in den Fokus der Aufmerksamkeit, wenn der Zeichenträger austauschbar oder irrelevant ist. So können ein Gedicht von Goethe oder ein Foto von Einstein auf verschiedenen Webseiten, in unterschiedlichen Büchern oder Zeitungen verwendet werden, ohne dass sich ihre Erscheinungsform wesentlich verändert.6 Irrelevant für das Bewusstsein des Rezipienten ist der Zeichenträger beispielsweise, wenn es sich um Luft handelt, die ein Musikstück oder eine mündliche Äußerung überträgt. Zweitens ist in beiden Fällen – MediumI und MediumII – die eingangs formulierte Prämisse erfüllt, dass bei medialen Ereignissen Materialität und Kodierung zusammenkommen. Letzteres ist jedoch nicht der Fall, wenn man nur den Zeichenträger als Medium betrachtet (= MediumIII).7 Dies trifft insbesondere bei technischen Geräten wie Fernseh- oder Radioapparaten, Computern, Handys etc. zu. Bei diesen Apparaten, die für die technische Reproduktion medialer Inhalte (Sprache, Schrift, Musik etc.) konstruiert sind (zur Reproduktion vgl. die

6

7

Dass damit dennoch ganz unterschiedliche Effekte erzielt werden, hängt mit konventionellen (vgl. Abschnitt 3.3, insbesondere 3.3.3 und 3.3.4) und kontextuellen Faktoren (vgl. Abschnitt 3.4, insbesondere 3.4.1 und 3.4.2) zusammen, die hier noch außer Acht bleiben. Das ist beispielsweise bei Heider (2005 [1927]: 33) der Fall, der, wie wir in Abschnitt 1.4.2 gesehen haben, in der Tradition von Aristoteles vom „lufterfüllten Raum“ als Medium spricht.

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Abschnitte 2.1.3, 2.2.1 und 2.3), rückt die Materialität der Zeichenträger in dreifacher Hinsicht in den Vordergrund. Erstens durch das Reproduzieren wechselnder Inhalte mit demselben Gerät. Zweitens durch die Möglichkeit des Abschaltens, die den Apparat auch ohne Inhalte ins Bewusstsein rückt. Drittens schließlich betrachten viele Besitzer ihr Gerät aufgrund des edlen Designs, des kostbaren Materials oder des fortgeschrittenen technologischen Standards als Statussymbol. Die Besonderheit des Zeichenträgers beschränkt sich jedoch nicht auf elektronische Geräte, sondern kann auch bei kostbaren Büchern und Einbänden gegeben sein. Auch potenzielle Zeichenträger, wie leere Notizbücher und Zeichenblöcke, werden zuweilen im Sinne von MediumIII als Medien bezeichnet. Man könnte dies damit rechtfertigen, dass sie, ähnlich wie elektronische Geräte, für den Zweck produziert werden, Zeichen aufzunehmen. Wenn jedoch Dinge als Medien bezeichnet werden, die nichts mit Kommunikation zu tun haben, was in einigen überwiegend natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Fachsprachen zu beobachten ist (etwa ein „Dispersionsmedium“ in der Chemie), dann liegt dies definitiv außerhalb des hier zu diskutierenden Konzepts der Medialität. Abschließend können wir feststellen, dass die Unterscheidung zwischen Materialität und Kodierung (Medium1 versus Medium2), die wir in Abschnitt 1.1 für den Medienbegriff als konstitutiv erklärt haben, durch die auf der Unterscheidung zwischen Zeichen und Zeichenträger beruhende Klassifizierung der Begriffe MediumI–III nicht etwa aufgehoben, sondern vielmehr ergänzt wird. Die zwei ersten Spalten auf der linken Seite der Tabelle in Fig. 18 stehen mit ihren verschobenen kategorialen Grenzen nicht nur für eine andere Verteilung, sondern auch für die Andersartigkeit der dargestellten Begrifflichkeiten. Während Materialität und Kodierung (Medium1–2) Eigenschaften oder Kriterien der Medialität im Allgemeinen darstellen, sind Zeichen und Zeichenträger (MediumI–III) Komponenten oder Funktionen konkreter medialer Erscheinungen. 2.1.2 Immaterielle Zeichen Im vorigen Abschnitt wurde unter anderem die Problematik erörtert, etwas als Medium zu bezeichnen, das keine Kodierung aufweist. Umgekehrt ist es nicht möglich, etwas als Medium zu bezeichnen, das keinerlei Materialität aufweist. Gleichwohl kann man in bestimmten Fällen von immateriellen

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Zeichen sprechen, die zwar kommunikativ sind, aber nicht den Status eines Mediums haben. Diese Art der Semiose hängt mit dem von Watzlawick et al. formulierten Grundsatz „Man kann nicht nicht kommunizieren“ zusammen (Watzlawick et al. 1996 [1967]: 53, Hervorhebung im Original). Wenn eine Person einen Gruß nicht erwidert, indem sie nicht zurückwinkt, jemandem die Hand nicht gibt oder auf ein „Guten Tag“ nicht antwortet, so hat sie zwar keine Zeichen im materiellen Sinn produziert. Ihr Gegenüber wird aus der Verweigerung des Grußes jedoch mit aller Wahrscheinlichkeit interpretative Schlüsse ziehen, zum Beispiel, dass die nicht grüßende Person Antipathien für den Grüßenden hegt. Der semiotische Prozess findet nur auf der Ebene der enérgeia statt, er hat keine positive Entsprechung auf der Ebene des érgons. Er kann vom Rezipienten entschlüsselt werden, weil an der Stelle, an der jemand nicht reagiert, eine bestimmte (konventionalisierte) Reaktion erwartet wird. Deren Ausbleiben wird als Zeichen gedeutet. Es handelt sich aber um ein immateriales Zeichen, mit dem keine Medialität verbunden ist. Anders als bei diesen nicht getätigten und immateriellen sprachlichen oder schriftlichen Akten (Schweigen, Nichtbeantworten eines Briefs etc.), wird bei Wegschauen, Wegdrehen oder Weggehen nicht einfach eine Reaktion unterlassen, sondern eine als distinkt wahrnehmbare Handlung getätigt. Diese findet ihren Ausdruck in der körperlichen Bewegung des Kommunikanden, der mit seinem Tun ein materielles und damit mediales Zeichen produziert. Auch bei immateriellen Zeichen ist der Rezeptionsakt entscheidend (vgl. Abschnitt 1.2.2). Wenn jemand beispielsweise an einem Bekannten mit dem Auto vorüberfährt, diesen grüßt, jedoch keinen Gruß zurückerhält, dann kann er dieses Nichtgrüßen als Kommunikation interpretieren, als Signal der Antipathie etc. Er kann sich jedoch auch sagen, dass der andere ihn im Auto nicht gesehen hat,8 oder er kann den Nichtgruß des Fußgängers, der ihn nicht gesehen hat, ebenfalls nicht bemerken, weil er bereits an der Person vorbeigefahren ist. Nur im ersten Fall interpretiert der Fahrer die Nichtreaktion als Kommunikation.

8

Vgl. Motley (1990), der das Postulat von Watzlawick et al. (1996 [1967]) modifiziert.

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2.1.3 Kanal, Medium und technische Kommunikation Metaphorisierung und Metonymisierung sind in Fachsprachen zwar oft nicht zu vermeiden. Die Diskussionen über die Immaterialität von Zeichen (im vorigen Abschnitt) und noch mehr über die sogenannte Unsichtbarkeit von Medien (in Abschnitt 1.4.2) haben jedoch gezeigt, dass bestimmte Denkfiguren zu Fehlschlüssen verleiten können. Eine in den Kommunikationswissenschaften besonders verbreitete Metapher findet sich in der sogenannten Lasswell-Formel (Lasswell 1948: 38): (3) Who says what in which channel to whom with what effect ‚Wer sagt was in welchem Kanal zu wem mit welchem Effekt‘ Die Metapher vom „Kanal“ der Kommunikation ist unter anderem deswegen verbreitet, weil sie intuitiv verständlich erscheint, insbesondere wenn es um technische Übertragung geht, etwa beim Telefon. Es verwundert daher nicht, dass diese Metapher aus dem Bereich der Fernmeldetechnik stammt. Für nicht technische Kommunikationsmodelle ist diese Metapher allerdings nur bedingt anschaulich: In einer Face-to-Face-Kommunikation beispielsweise ist der Zeichenträger die Luft. Die Vorstellung eines Kanals ist mit diesem Zeichenträger im Grunde schwer vereinbar. Sie passt allenfalls insofern, als die Kommunikationsteilnehmer sich aufeinander ausrichten und durch ihre Blick- und Sprechrichtung sowie ihre gegenseitige Aufmerksamkeit eine Art psychischen „Kanal“ schaffen. In diesem Zusammenhang von einem Kanal zu sprechen, heißt, auf der Grundlage der technischen Metapher eines Kanals als materiellem Zeichenträger eine zweite Metapher im Sinne einer imaginären Röhre zu konstruieren. Mit dieser doppelten Metaphorik ist die Gefahr verbunden, einzelne Faktoren und die Gesamtkonstellation medialer und kommunikativer Prozesse aus dem Blick zu verlieren, weil ganz unterschiedliche Dinge unter dem Begriff „Medium“ subsumiert werden: Die primäre Kanalmetapher erklärt den Zeichenträger zum Medium, die sekundäre Kanalmetapher geht darüber noch hinaus, indem sie auch den Kontext der Produktion und der Rezeption zum Medium macht. Dabei geraten die Komponenten des Kontextes, insbesondere der Handlungsaspekt der menschlichen Kommunikationspartner in den Hintergrund.

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In bestimmten Fällen ist die Vorstellung eines Kanals zudem kontraintuitiv. So wird man beim beschriebenen Papier eines Briefes kaum an einen Kanal denken. Dies hängt damit zusammen, dass das Bild vom Kanal die sukzessive Übermittlung einer Abfolge von Zeichen suggeriert, die bei bestimmten Zeichenträgern wie dem Briefpapier, einer Photographie oder einem Handzeichen nicht gegeben ist. Dagegen ergibt sich eine weitere sekundäre Metapher, wenn man an die verschiedenen Wahrnehmungsformen multimedialer Konstellationen wie dem Tonfilm denkt. Hier kann es einleuchten, aufgrund der Unterscheidung zwischen der visuellen (Bild) und der auditiven (Ton) Wahrnehmung, den unterschiedlichen Sinnbereichen je einen „Kanal“ zuzuordnen. Darin kann man unschwer eine Abwandlung der sekundären Metapher vom „psychischen Kanal“ und der „imaginären Röhre“ erkennen, nur dass wir es in diesem Fall eher mit einer Art „Wahrnehmungskanal“ zu tun haben (vgl. dazu die Diskussionen der Arten der Wahrnehmung in Abschnitt 2.2). Da die Kanalmetaphorik zwar sehr verbreitet, aber offenbar nur auf einen Teil aller denkbaren medialen Konstellationen sinnvoll anzuwenden ist, muss man sich fragen, welchen Beitrag sie für eine allgemeine Theoriebildung der Medialität leistet. Diese Frage stellen wir uns im Folgenden bezüglich der primären, technischen Kanal-Metapher, weil nach diesem Verständnis der Kanal als physikalischer Übertragungsweg konzipiert wird und damit die Materialität den ausschlaggebenden Faktor darstellt. In der mathematischen Kommunikationstheorie von Shannon/Weaver wird der Kanal mit dem Medium gleichgesetzt: The channel is merely the medium used to transmit the signal from transmitter to receiver. It may be a pair of wires, a coaxial cable, a band of radio frequencies, a beam of light, etc. (Shannon/Weaver 1967 [1949]: 34)

Die hier vorgenommene Gleichsetzung von Medium und Kanal bedarf einiger Präzisierungen. Betrachten wir zunächst den Fall der elektronischen Kommunikation, bei der Informationen via Kabel übertragen werden. Ein solches Telefon-, Fernseh- oder Internetkabel ist so konstruiert, dass darin elektrische Impulse kanalisiert und von einem elektronischen Apparat zu einem anderen transportiert werden. Dies kann man wie folgt schematisieren:

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Fig. 20 Informationsübertragung via Kabel

Apparat 1

Apparat 2

K a n a l Kabel

Die Kupfer- oder Glasfaserstränge des Kabels haben in gewisser Hinsicht die gleiche Funktion wie die Luft bei der Übertragung von Schallwellen oder Lichtreflexen (vgl. Shannon/Weaver 1967 [1949]: 7). Sie fungieren daher ebenfalls als Zeichenträger. Als solche sind sie nur insofern medial, als sie der materiellen Übermittlung von Zeichen dienen. Wenn Shannon/Weaver (1967 [1949]: 34) den Kanal als Medium bezeichnen, vertreten sie damit eine Auffassung dieses Begriffs, die wir in Abschnitt 2.1.1 als Variante MediumIII diskutiert haben. 9 Anfang und Ende des Kanals sind Apparate (Apparat 1 und Apparat 2 in Fig. 20), die laut Shannon und Weaver nicht zum Medium gehören, da dieses auf den Kanal beschränkt bleibt.10 Ihr Kommunikationsmodell sieht folgende Funktionen vor: Fig. 21 Kommunikationsmodell von Shannon/Weaver (1967 [1949]: 7, 34) Message

Information source

Signal

Signal

Message

Receiver

Transmitter

Destination

Noise source

In diesem Modell wandelt der Transmitter (Apparat 1) die Message (Nachricht) in ein Signal um, das vom Kanal an den Receiver (Apparat 2) übertragen wird. Da Shannon und Weaver den Kanal als Medium im Sinne 9

In diesem Zusammenhang stimmt der Gebrauch des Wortes Medium mit der naturwissenschaftlichen Lesart überein, bei der es für eine Kontaktmaterie, für das Verbindungsglied zwischen materiellen Einheiten steht, unabhängig von der kommunikativen Funktion (vgl. Abschnitt 2.1.1). 10 „The transmitter changes this message into the signal which is actually sent over the communication channel from the transmitter to the receiver.“ (Shannon/Weaver 1949: 7, Hervorhebungen im Original).

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eines Zeichenträgers (MediumIII) auffassen, wäre das Zeichen folglich das Signal (als Form der Kodierung entspräche dies der Konzeption von MediumI). In diesem Fall muss man annehmen, dass der Transmitter der Produzent und der Receiver der Rezipient des Zeichens sind. Dann stellt sich jedoch die Frage, wie die anderen Funktionen aus dem Kommunikationsmodell von Shannon und Weaver, die Informationsquelle, das Ziel und die Nachricht, zu interpretieren sind. Zur Beantwortung dieser Frage kann man exemplarisch die Kommunikation per Telefon betrachten. Zunächst ist festzustellen, dass das Telefonkabel (Kanal, Zeichenträger) das Signal (Zeichen) vom Transmitter zum Receiver überträgt. Nun besteht die Funktion des Transmitters als dem Telefonapparat des Anrufenden darin, die Nachricht in Form eines Schallereignisses (menschliche Stimme) in elektrische Signale umzuwandeln. Dazu komplementär verwandelt der Receiver die Signale wieder in ein Klangbild, das eine Reproduktion der ursprünglichen Äußerung darstellt.11 Informationsquelle und Ziel sind in diesem Fall der Anrufer als Produzent der ursprünglichen Nachricht und der Angerufene als Rezipient der reproduzierten Nachricht. Nun werden die Informationsquelle und das Informationsziel von Shannon/Weaver (1967 [1949]: 33f.) nur am Rande erwähnt, und die Nachricht wird von Anfang an mathematisch parametrisiert. Dagegen würde man auf der Grundlage unserer bisherigen Erwägungen annehmen, dass die Quelle der Produzent und das Ziel der Rezipient eines medialen Zeichenkomplexes sind. Weiterhin würde man vermuten, dass die Nachricht kodiert und ihre Materialität auditiv/akustisch ist. Die nach diesem Modell entscheidenden Größen Rezipient, Produzent sowie die von ihnen produzierten und rezipierten Zeichen spielen bei Shannon und Weaver kaum eine Rolle. Sie entwerfen im Grunde ein Kommunikationsmodell, das der Darstellung in Fig. 20 entspricht. Die Quelle, das Ziel und vor allem die Nachricht stehen lediglich für ein systemexternes Input und Output. Das ist aufgrund der technischen Ausrichtung ihres Ansatzes nachvollziehbar und legitim. Problematisch ist jedoch die Verwendung des Wortes Kommunikation für rein physikalische Mechanismen. Begreift man Kommunikation im Sinne von Abschnitt 1.2.2 als einen Prozess, der die (mehr 11 „In the case of telephony, the channel is a wire, the signal a varying electrical current on this wire; the transmitter is the set of devices (telephone transmitter, etc.) […].“ (Shannon/Weaver 1949: 7)

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oder weniger) bewusste Interpretation von Zeichen voraussetzt, dann kann man das Modell von Shannon und Weaver nicht als Kommunikationsmodell bezeichnen, sondern muss es als Modell der technischen Übertragung von Zeichen, das heißt als Modell des Funktionierens von technischen Kommunikationshilfsmitteln oder -apparaten betrachten. Deshalb ist die folgende Übertragung dieses Modells auf mündliche Face-to-Face-Kommunikation irreführend: In oral speech, the information source is the brain, the transmitter is the voice mechanism producing the varying sound pressure (the signal) which is transmitted through the air (the channel). […] When I talk to you, my brain is the information source, yours the destination; my vocal system is the transmitter, and your ear and the associated eighth nerve is the receiver. (Shannon/Weaver 1967 [1949]: 7)

Die Anwendung des technischen Übertragungsmodells auf die mündliche Konversation macht das, was im Fall des Telefons (nach Shannons und Weavers eigener Interpretation) die Nachricht ist, zum Signal. Dagegen werden die Signale, die über das Nervensystem zwischen Gehirn und Sinnes- beziehungsweise Artikulationsorganen übertragen werden, nun als Nachricht eingestuft. Plausibel, kohärent oder logisch ist diese Anwendung nur dann, wenn unter Nachricht ein systemexterner und unter Signal ein systeminterner Impuls verstanden wird, ohne dass irgendein anderer Unterschied zwischen diesen Begriffen gemacht würde. Nur unter dieser Voraussetzung wäre es nicht paradox, dass eine mündliche Äußerung einmal (Telefonie) als Nachricht und das andere Mal (Face-to-FaceKonversation) als Signal aufgefasst wird. In diesem Fall spielt es keine Rolle, ob ein Impuls von einem bewusstseinsfähigen Wesen interpretiert wird oder nicht. Es handelt sich um ein rein physikalisches Phänomen. Im Rahmen einer allgemeinen Medialitätstheorie, die zu den Geistesund den soziologischen Wissenschaften zu zählen ist und keine Naturwissenschaft darstellt, ist der Unterschied zwischen bewusster Interpretation und physikalischer Reaktion jedoch von entscheidender Bedeutung: Erst die mentale Rezeption macht nämlich aus einem physikalischen Objekt

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auch ein mediales Objekt.12 Aus dieser Perspektive muss man Telefonanlagen und andere Vorrichtungen der technischen Reproduktion von medialen Objekten daher in erster Linie als Instrumente der Kommunikation und der medialen Interaktion ansehen. 13 Vor diesem Hintergrund ist zu klären, inwiefern man im Zusammenhang mit Instrumenten der Kommunikation von Medien sprechen kann. Dass die Begriffe Instrument und Medium nicht übereinstimmen, erkennt man allein schon daran, dass man einen Füllfederhalter, mit dem man mit Tinte auf dem Zeichenträger Papier schreibt, ohne weiteres als Instrument, nicht aber als Medium bezeichnen würde. Ein Computer, der die gleiche Funktion erfüllt wie ein Stift, ist dagegen einerseits Instrument (als Tastatur, über die man den Text eingibt), andererseits ist er aber ebenso Zeichenträger, indem er Zeichen auf dem Bildschirm anzeigt und auf der Festplatte speichert. Im Vergleich dazu sind die Telefonapparate und die sie verbindenden Kabel im übergeordneten Rahmen der telefonischen Kommunikation zwischen den Gesprächspartnern („Quelle“ und „Ziel“) als Zeichenträger zu verstehen, da sie Zeichen in gleicher Weise übermitteln wie der Computerbildschirm. Sobald also ein Objekt mindestens eine Zeichenträgerfunktion aufweist, kann man es insoweit als Medium bezeichnen, als es dem oben genannten Typus MediumIII entspricht. Davon unabhängig kann es zusätzlich noch Instrumentcharakter besitzen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es legitim ist, in einem medientheoretischen Kontext den Terminus Kanal zu verwenden. Allerdings sollte man sich dessen bewusst werden, welche Voraussetzungen dies impliziert. Im Zusammenhang mit technischen Übertragungsmitteln, die selbst als Medien bezeichnet werden können, stellt die von Shannon/Weaver (1967 [1949]) vorgenommene Gleichsetzung des Mediums mit dem Kanal im Sinne der primären, technischen Metapher, eine Reduktion dar. 14 Die 12 Die maschinelle Rezeption (etwa, wenn eine Maschine einen Parkschein liest und daraufhin die Schranke eines Parkhauses öffnet), ist daher nicht Gegenstand unserer Untersuchungen. 13 Der Begriff ‚Instrument‫ ދ‬wird in Abschnitt 2.3 im Zusammenhang mit der Medientheorie von McLuhan (1994 [1964]) und der Kultursemiotik von Eco (u.a. 1987 [1976]) behandelt. 14 Das Modell von Shannon/Weaver wurde auch von Geistes- und Kulturwissenschaftlern wie Roman Jakobson aufgegriffen, allerdings bald modifiziert beziehungsweise durch andere Modelle ersetzt, siehe dazu u.a. Marcelli (2010: 39 ff.). Zu den Popularisierungen des Shannonschen Modells durch Weaver und

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Bezeichnung Medium (im Sinne von MediumIII) für technische Hilfsmittel der Kommunikation bezieht sich auf alle Einheiten, aus denen sie bestehen, und nicht nur auf den Kanal.

2.2 A RT

DER

W AHRNEHMUNG

Die Materialität von Zeichen (érgon) bedingt die Art ihrer Wahrnehmung (enérgeia). Diese ist im Wesentlichen visuell oder auditiv.15 Beide Arten der Wahrnehmung unterscheiden sich vor allem durch ihre Zeitgebundenheit, die bei der auditiven Wahrnehmung absolut und bei der visuellen relativ ist.16 Grundsätzlich ist Hören ein zeitlich linearer Prozess, während Sehen von keiner bestimmten temporalen Progression abhängt. Während die Rezeption einer sprachlichen Äußerung oder eines Musikstücks einem festen zeitlichen Ablauf unterliegt, können bei der Betrachtung eines Bildes die Details in unterschiedlicher Reihenfolge ins Auge fallen. Dabei hängt die Linearität oder Nicht-Linearität der Rezeption von der materiellen Beschaffenheit des Zeichens ab. Folglich manifestiert sich zeitliche Linearität auf der Ebene des érgons. Ist dieses linear strukturiert, muss es sequenziell rezipiert werden. Auf der Ebene der enérgeia dagegen wirkt sich Temporalität als Gleichzeitigkeit oder Ungleichzeitigkeit von Produktion und Rezeption aus. 2.2.1 Linearität und Gleichzeitigkeit Fallen Produktion und Rezeption zeitlich zusammen, weist die Medialität des Zeichens in den meisten Fällen auch lineare Strukturen auf. So wird ein Musikstück zu der Zeit rezipiert, in der es gespielt wird (auf technische Reproduktionsmöglichkeiten gehen wir weiter unten ein). Die Rezeption verläuft hier notwendigerweise linear – man kann das Musikstück nur in der Reihenfolge hören, in der es aufgeführt wird. Ein anderes Beispiel für die dadurch erreichte universale Anwendbarkeit des Diagramms vgl. Schüttpelz (2002: 233–280). 15 In selteneren Fällen kann die Semiose auch olfaktorisch (zum Beispiel Weihrauch) oder haptisch sein (zum Beispiel Blindenschrift, wobei diese das auditive Medium der Sprache wiedergibt). 16 Auf räumliche Faktoren gehen wir am Ende dieses Abschnitts kurz ein.

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Gleichzeitigkeit ist die mündliche Konversation, bei der die Rezeption der Zeichen quasi simultan zu ihrer Produktion erfolgt. Ein schriftlicher Text in einem Buch wird wiederum nicht gleichzeitig geschrieben und gelesen, obwohl Lesen im Prinzip ein linearer Prozess ist. Damit ist ein schriftlicher Text zwar zeitgebunden, aber in schwächerem Maße als die mündliche Rede oder das Musikstück. Dagegen ist ein Gemälde in diesem Sinne zeitunabhängig. 17 Die temporalen Eigenschaften der vier besprochenen Beispiele werden in der folgenden Tabelle zusammengefasst. Fig. 22 Beispiele für Gleichzeitigkeit und Linearität Gleichzeitigkeit

Linearität

Musikstück

ja

ja

Mündliche Rede

ja

ja

Schriftlicher Text

nein

ja

Gemälde

nein

nein

Nun kann man einwenden, dass ein Musikstück nicht unbedingt improvisiert wird und dass es dann zu einem früheren Zeitpunkt komponiert worden sein muss. In diesem Fall verdoppelt sich der Produktionsprozess und verteilt sich auf zwei Zeitpunkte, dem der Komposition und dem der Aufführung. 18 Dabei gibt es eine Gleichzeitigkeit von Aufführung und Rezeption, nicht aber von Komposition und Rezeption. In diesem Fall geht die Gleichzeitigkeit der Aufführung mit der Linearität der Rezeption einher. Wie die folgende Tabelle zeigt, ist die Konstellation im Falle einer Theateraufführung oder eines Balletts analog.

17 Man kann ein Bild zwar so betrachten, dass man seine Aufmerksamkeit zunächst auf ein abgebildetes Element richtet und den Blick dann zu anderen Elementen wandern lässt. Der Unterschied zum Musikstück ist jedoch, dass man bei der Bildbetrachtung je nach Aufgabenstellung andere Blickbewegungen vornimmt (vgl. Yarbus 1967 und Gbadamosi/Zangemeister 2001). Zur Aufmerksamkeitsfokussierung einzelner bildlicher Details aus kulturwissenschaftlicher Perspektive vgl. Wirth (2007: 102ff.). 18 Vgl. Stockhausen (1960), der von einer Trennung der Musik in schriftliche (visuelle) Komposition und interpretierende Aufführungspraxis spricht.

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Fig. 23 Linearität und zeitliche Versetzung bei Aufführungen Gleichzeitigkeit Komposition

Linearität

Aufführung

Musikstück

nein

ja

ja

Theateraufführung

nein

ja

ja

Ballett

nein

ja

ja

Eine andere temporale Konstellation ergibt sich, wenn zum Beispiel eine Symphonie in einem Tonstudio eingespielt und auf Schallplatte oder CD gespeichert wird. Die Rezeption des so gespeicherten Stücks weist keine Gleichzeitigkeit mehr mit der Produktion auf, ist jedoch noch linear. Für das vollständige Erfassen dieser Art der Semiose müssen weitere Aspekte berücksichtigt werden, die die Art der Vermittlung, die im Abschnitt 2.3 diskutiert wird, und den Kodierungsgrad (vgl. Abschnitt 3.2) der Zeichen betreffen. Fig. 24 Zeitliche Versetzung reproduzierbarer medialer Ereignisse Gleichzeitigkeit

Linearität

Komposition

Aufnahme

Musikstück auf CD

nein

nein

ja

Kinofilm

nein

nein

ja



nein

ja

Anrufbeantworter

Für die Art der Wahrnehmung spielt neben der zeitlichen auch die räumliche Dimension eine gewisse Rolle, die hier nicht unerwähnt bleiben soll. Im Rezeptionsakt kann man die verschiedenen Arten der Wahrnehmung auf einem Kontinuum von räumlicher Nähe und Distanz verorten, wobei haptische Erfahrungen sich vom Nähepol nur in sehr geringem Maß entfernen können, während die Reichweiten olfaktorischer, auditiver und visueller

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Wahrnehmung ein zunehmendes Variationspotenzial aufweisen. 19 Analog zur temporalen Entkopplung bei der technischen Reproduktion von Musikstücken führt auch die Reproduktion visueller Zeichen (wie etwa Reprints von Gemälden) zu einer Entkopplung von der Raumgebundenheit. Mit der zeitlichen und räumlichen Entkopplung der Rezeption von der Produktion sind bestimmte Formen der Übermittlung verbunden, die man aufgrund dieser Entkopplung als mittelbar bezeichnen kann. Wenn man unter Übermittlung die Art versteht, wie das mediale Produkt zum Rezipienten gelangt, dann kann man zwei Typen der Übermittlung unterscheiden: die Überbringung und die Übertragung. Bei der Überbringung wird das mediale Produkt über ein logistisches System zum Rezipienten gebracht, wobei Postboten, Zeitungsausträger, Lieferanten, Verkäufer etc. als Überbringer fungieren. Bei der Übertragung wird das mediale Produkt auf technischem Weg übermittelt, etwa über ein Telefonnetz, Internet, Radiound TV-Wellen, Mobilfunk- und Sendemasten, Rohrpostsysteme etc. 2.2.2 Möglichkeiten zeitlicher Linearisierung von Bildern Bilder oder Skulpturen sind im Gegensatz zu Musik, mündlicher Sprache oder auch Texten nicht an eine lineare Rezeption gebunden. Das liegt nicht nur daran, dass es sich dabei um dauerhafte und statische mediale Produkte handelt, sondern auch an der visuellen Wahrnehmung, die ihre Rezeption prägt. Während auditive Wahrnehmung sich auf den stets flüchtigen Schall 19 Das Nähe- und Distanzkriterium bezieht sich hier auf reine Räumlichkeit, während Koch/Oesterreicher (1985, 2011: 3–14) ein multifaktorielles (räumliches, zeitliches und soziales) Konzept von Nähe und Distanz entwerfen, das zudem spezifisch auf die sprachliche Kommunikation ausgerichtet ist (siehe auch Abschnitt 1.2.3). Es handelt sich dabei jedoch nur um einen geringfügigen terminologischen Unterschied, da dieser Ansatz mit den hier formulierten Grundsätzen kompatibel ist. Koch/Oesterreichers „Kommunikationsbedingungen“ der Nähe und Distanz (enérgeia) korrelieren mit „Versprachlichungsstrategien“, die „nähesprachliche“ und „distanzsprachliche“, das heißt in ihrer Kodierung mehr oder weniger elaborierte und komplexe Äußerungen und Texte (érgon) hervorbringen. Über die verschiedenen Aspekte der Elaboriertheit und Komplexität in der Kodierung medialer Produkte gibt das folgende Kapitel 3, das sich mit medialer Kodierung befasst, eine Vorstellung. Wiederum entspricht Koch/Oesterreichers Dichotomie der „medialen Mündlichkeit“ und „medialen Schriftlichkeit“ einem materiellen Unterschied in der Art der Wahrnehmung gepaart mit verschiedenen Kodierungsgraden (s.u. Abschnitt 3.2.2).

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und damit auf Bewegung bezieht, kann man Dinge sehen, die sich nicht bewegen. Daher ist es auch verständlich, dass die Produktion und die Rezeption künstlicher Körper und Bilder in der Regel zeitlich auseinanderklaffen. Diese bei primär auditiven Medien mühsam durch besondere Kulturtechniken wie Schriften, Notationen und maschinelle Speicherungsverfahren erarbeitete zeitliche Entkopplung ist also für primär visuelle Medien ganz selbstverständlich. Doch während bei den auditiven Medien die zeitliche Autonomie der Produktion beziehungsweise Rezeption als erstrebenswertes Ziel erscheint, hat man bei der Erweiterung der Darstellungsgrenzen von visuellen Medien ganz andere Motive: Hier geht es um das Überwinden der Statik, um Dynamik durch Linearisierung. Dieses Problem gehört allerdings auf die Ebene des érgons, und nicht wie bei den auditiven Medien auf die Ebene der Produktion und Rezeption, also der enérgeia. Das visuell darstellende mediale Produkt soll den Eindruck von Bewegung erwecken. Einige visuelle Repräsentationsformen können dabei auf der inhaltlichen Ebene des érgons bestimmte zeitliche Verhältnisse wie Gegenwärtigkeit, Präsenz (dazu siehe Kiening 2007; Mersch 2002a), Gleichzeitigkeit, Dynamik, Beschleunigung, simulieren oder darstellen.20 Im Folgenden geht es um Möglichkeiten der Dynamisierung von Bildern, die durch bestimmte Kodes im érgon angelegt sind und vom Rezipienten dekodiert werden können.21 Den Unterschied zwischen Malerei und Skulptur einerseits und der Literatur andererseits in ihrem Verhältnis zur Zeitlichkeit hat bereits unter anderem Gotthold Ephraim Lessing hervorgehoben (Lessing 1990 [1766]:

20 Hier gilt es, zwischen Simulieren und Darstellen zu unterscheiden, denn einige abstrakte Bilder, die mit optischen Täuschungen arbeiten, „überlisten“ das Auge des Betrachters, indem sie auf seiner Netzhaut über farbliche Kontraste und/oder bestimmte geometrische Anordnungen (Spiralen, schräge Linien etc.) den Eindruck von Bewegung als Flimmern, Fließen, Drehen etc. erzeugen. Das heißt, der Betrachter nimmt die Bewegung reflexartig wahr. Andere Bilder, und um die geht es in diesem Abschnitt, zielen dagegen nicht auf die Reflexe des Betrachters, sondern kodieren Bewegung im Rahmen einer konventionellen Norm, durch die der Betrachter die Bewegung eher interpretiert als wirklich sieht. 21 Analog dazu gibt es in der Sprache narrative Techniken, die darin bestehen, Anachronien (Vor- und Nachzeitigkeit) und Anisochronien (Rhythmuseffekte) hervorzurufen (Genette 1972). Darauf kommen wir im Zusammenhang mit Ostentation und Prädikation in Abschnitt 3.1.2 zu sprechen.

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116). Er ordnet die bildende Kunst dem Körper und dem Raum zu, während die Poesie vorwiegend das Reich der Zeit, der Handlung und der Bewegung sei. Die Trennung von Raum- und Zeitkünsten wurde von kunstgeschichtlicher Seite kritisiert (Gombrich 1984: 46 ff., McClain (1985/86: 41, Theissing 1987). Diese Kritik übersieht jedoch, dass schon Lessing der bildenden Kunst und der Malerei die Möglichkeit einräumt, dynamische (das heißt lineare) Prozesse zu simulieren, wie er auch umgekehrt der Literatur zugesteht, den Eindruck von Raum zu erzeugen (vgl. dazu Mülder-Bach 1998: 37). Die Illusion der Dynamik resultiert bei Lessing aus dem fruchtbaren Augenblick: Kann der Künstler von der immer veränderlichen Natur nie mehr als einen einzigen Augenblick, und der Maler insbesondere diesen einzigen Augenblick auch nur aus einem einzigen Gesichtspunkte, brauchen; […] so ist es gewiß, daß jener einzige Augenblick und einzige Gesichtspunkt dieses einzigen Augenblickes, nicht fruchtbar genug gewählet werden kann. Dasjenige aber nur allein ist fruchtbar, was der Einbildungskraft freies Spiel läßt. Je mehr wir sehen, desto mehr müssen wir hinzu denken können. Je mehr wir darzu denken, desto mehr müssen wir zu sehen glauben. In dem ganzen Verfolge eines Affects ist aber kein Augenblick der diesen Vorteil weniger hat, als die höchste Staffel desselben. Über ihr ist weiter nichts, und dem Auge das Äußerste zeigen, heißt der Phantasie die Flügel binden, […]. (Lessing 1990 [1766]: 32)

Lessings Rezeptionsästhetik überlässt es also der Einbildung des Betrachters, den Moment des Höhepunkts zu ergänzen. Er macht ihn zum Mitproduzenten des Kunstwerks und hebt so die zeitliche Trennung von Produktion und Rezeption auf. Die lineare Ergänzung einer Handlung in den Rezipienten hinein zu verlegen, stellt eine wesentliche Möglichkeit der Verzeitlichung dar, die der bildenden Kunst zur Verfügung steht. Auch im Comic wird der eigentliche Höhepunkt einer Bewegung oder Handlung häufig in den Zwischenraum (gutter) zwischen den Panels verlegt. Das Nichtgezeigte ergänzt der Rezipient dann in seiner Phantasie (vgl. McCloud 2001: 76). Lineare Rezeptionssteuerung kann darüber hinaus im Bild direkt angelegt sein, zum Beispiel durch Unschärfe in der Photographie und Malerei oder durch Bewegungslinien (Action Lines) sowie wiederholte Anordnun-

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gen desselben Objekts in einer Reihe im Comic. Mit diesen Verfahren haben bereits futuristische Maler Dynamik erzeugt.22 Im folgenden Gemälde Bambina che corre sul balcone von Giacomo Balla soll durch die wiederholte Aneinanderreihung eines Fußes der Eindruck eines laufenden Mädchens erzeugt werden: Fig. 25 Giacomo Balla, Bambina che corre sul balcone, 1912, Museo del Novecento-Raccolta Grassi, Milano

Nicht auf Bewegung, sondern vielmehr auf Handlungsabfolgen zielt ein im Mittelalter verbreitetes Verfahren, bei dem dieselbe (Heiligen)Figur in einem Bild an verschiedenen Stellen bei unterschiedlichen Tätigkeiten dargestellt wird. Die zeitliche Abfolge wird hier über die Identität der Figur erreicht. Im Comic geben selbst die Anordnung der Panels auf einer Seite, ihre Länge, Größe und Begrenzung dem Leser sowohl eine Rezeptionsrich22 Einige dieser Möglichkeiten sind in Die Futuristische Malerei. Technisches Manifest erwähnt, das von Umberto Boccioni, Carlo D. Carrà, Luigi Russolo u.a. unterzeichnet wurde, siehe Asholt/Fähnders (1995: 13–16).

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tung als auch eine Vorstellung von zeitlicher Dauer vor (McCloud 2001: 102ff.; weitere Strategien der Verzeitlichung in Hein/Hüners/Michaelsen [Hg.] 2002). Eine ganz andere, weil multimediale Art der Linearisierung von Bildern besteht in ihrer Kombination mit Bildunterschriften und Sprechblasen beziehungsweise mit Inschriften, Spruchbändern und Schriftrollen, Techniken, die bereits im Mittelalter praktiziert wurden.23 Auch diese Techniken ermöglichen einerseits eine kinetische Linearisierung der Bewegung und andererseits eine narrative Linearisierung der Handlung. Ein Foto, das einen Politiker zeigt, der zu einer Menge von Journalisten spricht, könnte mit den folgenden Untertiteln versehen sein: (4) Der Ministerpräsident tritt in einer Sitzungspause vor das Regierungsgebäude und stellt sich der Presse. (5) Der Ministerpräsident verkündet vor der Presse, dass die dritte Sitzung des Ministerrats zum neuen Steuerabkommen kurz vor dem Durchbruch steht. In Beispiel (4) suggeriert die Unterschrift eine Linearisierung der Bewegung – der Minister ist soeben aus dem Regierungsgebäude herausgekommen und auf die anwesenden Journalisten zugeschritten. Dagegen übernimmt sie in Beispiel (5) die Funktion, die Anwesenheit des Ministerpräsidenten vor der Presse in den Zusammenhang einer Reihe von politischen Verhandlungen zu einem bestimmten Thema (Steuerabkommen) zu stellen. Hier wird die Linearisierung durch das multimediale Zusammenspiel von Einzelmedien (Foto und Schrift) erreicht. 2.2.3 Multimediale Kommunikation Die Rezeption einzelner medialer Prozesse kann, wie wir im vorigen Abschnitt gesehen haben, durch die Kombination von Medien beeinflusst werden. Beispielsweise kann eine Bildunterschrift die Interpretation des dazugehörigen Bildes verändern, indem es dieses in temporaler Hinsicht dynamisiert. Umgekehrt stellt die Rezeption für Multimedialität einen 23 Für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit vgl. Holznagel (1995: 71–74), Ott (2000: 124 ff.), Blaschnitz (2000: 153 ff.), Schmid (2011: 65–98), für den praktischen Journalismus Reiter (2009: 141–165).

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wichtigen Aspekt dar, denn diese lässt sich am besten über die Arten der Rezeption, also über die Möglichkeiten ihrer Wahrnehmung klassifizieren. Daher setzt ein kohärenter Begriff der Multimedialität eine Unterscheidung zwischen sinnüberschreitender (interperzeptueller) und sinninterner (intraperzeptueller) Multimedialität voraus. Gute Beispiele für sinnüberschreitende Multimedialität sind audiovisuelle Medien, wie der Tonfilm, das Theater oder die Oper. 24 Bei diesen Darbietungsformen nimmt der Rezipient das Medium visuell und auditiv wahr, wobei man im auditiven Bereich zwischen sprachlichen Lauten, Klängen und Geräuschen unterscheiden kann. Die Oper kombiniert, neben der szenischen Darstellung, Musik mit Sprache im Gesang. Für sich genommen stellt der Gesang einen Fall von sinninterner Multimedialität dar, da hier die Wahrnehmung lediglich über einen Sinn erfolgt: Sprache und Musik des Gesangs sind im Auditiven miteinander verwoben. Von sinninterner Multimedialität, diesmal im visuellen Bereich, kann man auch bei Fotos mit Bildunterschriften sprechen, wie man sie in Zeitungen und Zeitschriften vorfindet (vgl. vorigen Abschnitt). In diese Kategorie gehören auch Comics, in denen Bilder mit Schriftsprache und verschrifteten Geräuschen (zum Beispiel ZONK!!!) kombiniert sind. Diese Beispiele für inter- und intraperzeptuelle Multimedialität haben gemeinsam, dass sie als Einzelmedium wahrgenommen werden, das heißt als Medium, dessen Komponenten koordiniert sind.25 Die Komponenten der Multimedialität können jedoch auch unkoordiniert sein, also in einer bestimmten Situation simultan wahrgenommen werden, ohne aufeinander bezogen zu werden. In einer typischen Barsituation nimmt der Besucher gleichzeitig Gespräche und Musik wahr, ohne dass er diese aufeinander bezieht. Da sowohl die Gespräche als auch die 24 Damit fokussieren wir, im Gegensatz zu Hess-Lüttich/Schmauks (2004) nicht in erster Linie auf den Aspekt der elektronischen Technik für Multimedialität, sondern beziehen uns auf Medialität im Allgemeinen (vgl. dazu auch die frühe, vorsichtige Prognose von Posner 1985: 259f.). 25 Den quantitativen Aspekt der Medialität betont Wolf (1998: 238). Er unterscheidet Medienkombinationen mit „Dominanz eines Mediums gegenüber einem oder mehreren anderen“ von solchen ohne klare Dominanz. Für die erste Kategorie führt er als Beispiel einen Roman mit „punktuellen Illustrationen“ an, für die zweite das Zusammenspiel von Musik und Lyrik im Kunstlied. Innerhalb eines Werks differenziert er zwischen „partieller“ (Teile des Werks betreffende) und „totaler“ (das ganze Werk betreffende) Medienkombination.

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Musik auditiv rezipiert werden, kann man in diesem Fall von sinninterner unkoordinierter Multimedialität sprechen. Vorstellbar ist auch eine Frühstückssituation, bei der eine Person Zeitung liest und dabei Radio hört. Da die Zeitungslektüre visuell und das Radiohören auditiv ist, liegt hier sinnüberschreitende unkoordinierte Multimedialität vor. Noch komplizierter ist die Situation im Supermarkt, in dem der Kunde durch Werbetafeln, Preisschilder, Musik und Lautsprecherdurchsagen zum Kauf animiert wird. Diese sinnüberschreitenden medialen Ereignisse sind vonseiten der Produktion in gewisser Hinsicht „koordiniert“, da sie alle dazu dienen, den Supermarktbesucher zum Konsumieren zu verleiten. Allerdings sind sie auf der Ebene des Kodes nicht aufeinander abgestimmt, sodass der Kunde sie nicht als koordiniert wahrnimmt. Daher muss er häufig die Durchsagen von bestimmten Angeboten ausblenden, wenn er beispielsweise mit der Fachverkäuferin an einer Theke kommunizieren oder gerade am Regal Preisschilder studieren will. In Bezug auf die Bar-, die Frühstücks- oder die Supermarktsituation haben wir es nicht mit „Medien“ im Sinne von Einzelmedien zu tun, weil die Medialität hier unkoordiniert ist. Insofern die Zeichenhaftigkeit der Medialität an die Rezeptionssituation gebunden ist, kann man diesen Situationen das Attribut ‚multimedial‘ jedoch nicht absprechen. Aus diesem Grund spricht Wolf (1998, 2002) auch von „Kontiguität“ (Assoziation der Berührung, des Zusammenhangs) als Gegenpol der Koordination, wobei er interessanterweise keine Dichotomie zwischen diesen Gegensätzen sieht, sondern ein Kontinuum annimmt. Wenn wir an dieser Stelle eine Dichotomie suggerieren, dann nur aus Gründen der klaren begrifflichen Abgrenzung. Im Detail der Einzelfallanalyse muss man Wolf jedoch absolut Recht geben. Zusammenfassend lässt sich Multimedialität nach zwei Kriterien klassifizieren: Einerseits ist sie entweder koordiniert oder unkoordiniert, andererseits sinnintern (intraperzeptuell) oder sinnüberschreitend (interperzeptuell). Dieses Begriffssystem symbolisiert die nachfolgende Tabelle:

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Fig. 26 Faktoren der Multimedialität

koordiniert unkoordiniert

sinnintern (intraperzeptuell)

sinnüberschreitend (interperzeptuell)

Lied, Zeitung, Comic etc.

Kino, Theater, Oper etc.

Barsituation

Frühstück mit Zeitung und Radio

Innerhalb dieses konzeptuellen Rasters verbirgt sich hinter der Differenz von sinninterner und sinnüberschreitender Multimedialität die fundamentale Unterscheidung zwischen der Materialität und der Kodierung medialer Ereignisse. Sinninterne Multimedialität vereint zwei oder mehrere Kodierungsarten, die auf die gleiche Wahrnehmungsart rezipiert werden. Sinnüberschreitende Multimedialität setzt darüber hinaus unterschiedliche Wahrnehmungsarten voraus. In beiden Fällen – genauer gesagt in allen vier Feldern des Begriffssystems in Fig. 26 – werden verschiedene Kodierungsarten kombiniert. Aber nur die sinnüberschreitende multimediale Kommunikation manifestiert sich in verschiedenen Materialitäten. Nun kann man anhand des Begriffssystems aus Fig. 26 terminologische Praktiken analysieren, die man in der einschlägigen Literatur vorfindet. Nach der Definition von Wolf (2002: 165) ist beispielsweise ein Medium ein „konventionell im Sinn eines kognitiven frame of reference als distinkt angesehenes Kommunikationsdispositiv“. 26 Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es auch als einheitlich aufgefasst wird. Rajewsky (2002: 7) spricht aufgrund dieser Definition von Medien, die wie der Film „mehrere semiotische Systeme verwenden“, folgerichtig von „Einzelmedien“. Die Auffassungen von Wolf und Rajewsky beruhen auf einer terminologischen Vorentscheidung, denn Einzelmedium bezieht sich in diesem Sinne nicht nur auf Kommunikationsereignisse, die jeweils an eine einzige Wahrnehmungs- und Kodierungsart gebunden sind (diese Konstellation kann man als unimedial bezeichnen). Die Bezeichnung Einzelmedium bezieht sich demnach nicht allein auf unimediale, sondern auch auf multimediale

26 Entscheidend ist dabei, gemäß dem Primat der Rezeption, das wir in Abschnitt 1.2.2 erläutert haben, die Wahrnehmung des Rezipienten.

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Kommunikation, sofern diese koordiniert ist. Folglich umfasst der Ausdruck Einzelmedium x x x

unimediale Kommunikation27 multimediale sinninterne Kommunikation (koordiniert) multimediale sinnüberschreitende Kommunikation (koordiniert).

Eine andere gebräuchliche Bezeichnung ist die des Hybridmediums, unter dem Rajewsky (2002: 19, 203) eine „Medienkombination“ versteht. Vor dem Hintergrund unseres Begriffssystems der Multimedialität ist eine genauere Betrachtung ihrer Definition aufschlussreich:28 Einzelmedien, die sich ihrerseits verschiedener Zeichensysteme bedienen, also (historisch betrachtet) mehrere konventionell als distinkt wahrgenommene mediale Systeme miteinander kombinieren (Medienkombinationen), vom Rezipienten aber (inzwischen) als eigenständiges Medium aufgefaßt werden (z.B. Film, Oper und neuerdings auch die Klangkunst). (Rajewsky 2002: 203)

Ihre Definition umfasst zwei Implikationen: Zum einen geht es um die Kombination von Zeichensystemen, das heißt von Kodierungsarten. Dies ist, wie wir gesehen haben, das allgemeine Kriterium der Multimedialität und trifft auf Einzelmedien des Typs b) und c) zu. Zum anderen präzisiert Rajewsky diese Definition durch Beispiele, die sämtlich der sinnüberschreitenden Multimedialität zuzurechnen sind, also auf der Kombination von unterschiedlichen Materialitäten basieren. Es handelt sich dabei also nur um Einzelmedien des Typs c). Auf der Grundlage der begrifflichen Ausdifferenzierung, die in Fig. 26 dargestellt wird und zur triadischen Typologie des Begriffs Einzelmedium führt, muss man vor diesem Hintergrund die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, den Terminus Hybridmedium nur für Typ c) zu reservieren oder ob man beispielsweise Comic und Radio, die unter Typ b) fallen, auch als Hybrid27 In Abschnitt 3.2.2 erweitern wir diese Typologie um den Begriff des Basismediums, der einen Sonderfall der unimedialen Kommunikation darstellt. 28 Rajewsky (2002: 197, 203) setzt den Ausdruck Hybridmedium mit den Termini plurimediale Medien/Plurimedialität und polymediale Medien/Polymedialität gleich.

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medien bezeichnen sollte. Im Allgemeinen wird dieser Begriff in der Forschung allerdings bisher pragmatisch, das heißt je nach Bedarf für Typ c) oder für beide Typen, verwendet (McLuhan (1994 [1964]: 48௅55, Schneider 1997, Liebrand 2002: 179–275).

2.3 A RT DER V ERMITTLUNG : P RODUKTION UND R EPRODUKTION Der Verlauf unserer Diskussion über die Materialität von Zeichen und Medien folgt einer Logik, die im ereignisorientierten Kommunikationsmodell angelegt ist, das in Abschnitt 1.2 vorgestellt und in Fig. 4 graphisch zusammengefasst wird: Die drei wesentlichen Elemente der Semiose in diesem Modell sind das Zeichen oder Medium (érgon), seine Produktion und seine Rezeption (enérgeia). Während wir uns in Abschnitt 2.1 mit der Beschaffenheit von Medien als Zeichen und Zeichenträger und mit ihrer physikalischen Übertragung als Gegenstände der Kommunikation beschäftigt haben, ging es in Abschnitt 2.2 um die Art der Wahrnehmung medialer Prozesse, also um die Materialität von Zeichen im Hinblick auf die unterschiedlichen Sinnbereiche der Rezeption. In diesem Abschnitt soll nun die Materialität der Semiose vorrangig in ihrer Abhängigkeit vom Produktionsprozess betrachtet werden.29 Sehen wir uns zunächst die Produktionsbedingungen in einer Welt ohne elektronische Geräte an. Hier werden Zeichen durch den menschlichen Körper erzeugt, wobei dieser durch technische Hilfsmittel unterstützt werden kann. So gibt es Vermittlungsobjekte, die ohne äußere Hilfsmittel nur durch den Einsatz des Körpers erschaffen werden (zum Beispiel eine Arie, die von einer Sängerin gesungen wird). Andere Vermittlungsobjekte entstehen unter Zuhilfenahme von Instrumenten (zum Beispiel Malerei, Schrift, Instrumentalmusik). 30 Diese bestimmen auch die Eigenart der

29 Dies schließt diejenigen Fälle aus, in denen Rezeptionsprozesse ohne vorangehende Zeichenproduktion stattfinden (s.o. Abschnitt 1.2.2). 30 Vgl. dazu die Einteilung von Pross (1970: 131 und 1972) von an den Körper gebundenen Primärmedien, Sekundärmedien, die auf der Produktionsseite Technik erfordern und Tertiärmedien, bei deren Dekodierung auch die Rezipienten Geräte benötigen. Faßler (1997) erweitert diese Einteilung um den Begriff „Quartärmedien“ im Sinne eines Technikeinsatzes bei digitaler Distribution.

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Zeichen. Ob man dieselbe Melodie mit einer Flöte oder einer Violine spielt, ob man dasselbe Motiv mit Pinsel oder Kreide malt, macht einen wesentlichen Unterschied. Dabei legt das Instrument auch qualitative und quantitative Möglichkeiten der Produktion fest. So erlaubt ein Klavier die Produktion eines polyphonen, eine Flöte dagegen lediglich die eines homophonen Musikstücks; ein mit schwarzer Tinte geschriebener Text muss sorgfältiger geplant werden als ein mit Bleistift geschriebener, den man wieder ausradieren kann. Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, dass für McLuhan (1994 [1964]: 7) „jede Erweiterung von uns selbst“ („any extension of ourselves“) ein Medium ist.31 Damit bezeichnet er auch Dinge als Medium, die man normalerweise als Instrument betrachtet. Wenn ein Affe beispielsweise eine Nuss mit einem Stein knackt, dann wäre der Stein für McLuhan ein Medium, während er im Allgemeinen lediglich als ein Instrument, nicht aber als ein Kommunikationsmittel gelten würde. Tatsächlich gibt es keinen Grund, Instrumente a priori als Medien anzusehen, denn Medialität impliziert kommunikative Ereignisse, Instrumentalität jedoch nicht. Ein Instrument oder Werkzeug ist lediglich ein Hilfsmittel, mit dem ein Produzent etwas herstellt oder bewirkt. Selbst wenn dieses Produkt medial ist, was nicht zwangsläufig der Fall ist, kann man das Instrument vom eigentlichen Medium unterscheiden.32 Eine ähnliche, vielleicht besser fundierte Auffassung als die von McLuhan vertritt Eco (u.a. 1987 [1976]: 46f.), der Instrumente zu den kulturellen Objekten zählt und diesen generell den Status von Zeichen zuschreibt. Für Eco sind im Grunde alle Dinge, von denen sich Menschen einen Begriff machen, zeichenhaft, denn nach seinem Verständnis hat ihre individuelle Präsenz (als token) die Funktion eines „Signifikanten“, der auf ihre konventionelle Begrifflichkeit (als type) verweist. Diese Auffassung, die Kommunikation mit Kognition gleichsetzt und die Zeichenhaftigkeit nicht an der 31 Zur Kritik an der Metaphorik anthropologischer und instrumenteller Diskurse bei McLuhan und anderen Medientheoretikern vgl. Tholen (2002: 26–34). 32 Das Verhältnis von Werkzeug und Medien wird in der Literatur, die sich mit McLuhans Idee vom Werkzeug als Medium beschäftigt, widersprüchlich definiert: Für Wiesing (2008: 240) sind Medien eine Unterkategorie von Werkzeugen, da sie „die Trennung von Genesis und Geltung ermöglichen“. Für Krämer (1998: 83f.) sind Medien und Werkzeuge dagegen kategorial verschieden, sie hebt hervor, dass man sich eines Instruments bedient, dessen Produkt eine vom Werkzeug ablösbare Existenz habe, während man an ein Medium gebunden sei.

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repräsentativen Funktion von Objekten festmacht, steht ebenso im Gegensatz zu einer kommunikationsorientierten Definition von Semiotizität und von Medialität wie die von McLuhan. Wenn alles zeichenhaft oder medial ist, dann werden der Zeichen- und der Medienbegriff beliebig. Richtig ist allerdings, dass ein Instrument beziehungsweise ein Werkzeug durch besondere kontextuelle Umstände nachträglich zu einem Medium werden kann, beispielsweise ein weißer Flügel, ein goldener Füllfederhalter oder eine in besonderer Weise designte Schreibmaschine (in Abschnitt 3.4.3 werden solche Verfahren als Phänomene der sekundären Kontextintegration beschrieben). Die Art der Vermittlung wird nicht nur durch Produktions-, sondern auch durch Reproduktionsbedingungen geprägt. Hier können wir zwischen einer identischen und einer interpretativen Reproduktion unterscheiden. Erinnern wir uns an das Beispiel der Symphonie aus Abschnitt 2.2.1: Wir haben festgestellt, dass Komposition und Aufführung die Produktion der Symphonie zeitlich zergliedern. Nun kann eine Aufführung derselben Symphonie mehrmals erfolgen, zum Beispiel an aufeinander folgenden Abenden durch dasselbe Orchester. Diese Art der Reproduktion ist interpretativ, da sie Variationen impliziert: Dasselbe Orchester kann dasselbe Stück nicht mehrmals auf genau dieselbe Weise spielen. Eine identische Reproduktion ist dagegen dann möglich, wenn die Symphonie in einem Tonstudio aufgenommen wurde und diese Aufnahme auf Datenträgern (zum Beispiel CDs) kopiert wird. Voraussetzung der identischen Reproduktion ist eine fortgeschrittene Speichertechnologie, die mit einem höheren Kodierungsgrad verbunden ist (Töne werden durch elektronische Muster repräsentiert, vgl. dazu Abschnitt 3.2). Das impliziert, dass man für eine identische Reproduktion technische Rezeptionsinstrumente braucht. Zu diesen „Receivern“ im Sinne von Shannon und Weaver, deren Status wir in Abschnitt 2.1.3 erörtert haben, gehören CD-, DVD- und Plattenspieler, Radios, Fernseh- und Tonbandgeräte sowie Computer, MP3Player etc.

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2.3.1 Performanz, Performance, performative Akte Im Hinblick auf die Frage nach der Materialität spielt der Begriff der Performanz in der Medialitätsdiskussion eine nicht unwesentliche Rolle.33 Dies gilt insbesondere seit dem performative turn, der in den 1990er Jahren Erika Fischer-Lichte zufolge den semiotic turn abgelöst hat: In den neunziger Jahren […] verlagerte sich [das Interesse] stärker auf die Tätigkeiten des Herstellens, Produzierens, Machens und auf die Handlungen, Austauschprozesse, Veränderungen und Dynamiken, durch die sich bestehende Strukturen auflösen und neue herausbilden. Zugleich rückten Materialität, Medialität und interaktive Prozesshaftigkeit kultureller Prozesse [sic] in das Blickfeld. Damit verlor die Metapher „Kultur als Text“ beträchtlich an Erklärungswert und die Metapher „Kultur als Performance“ begann ihren Aufstieg. Mit ihr trat eine Begrifflichkeit in den Vordergrund, die dem Theater entliehen ist – Inszenierung, Spiel, Maskerade, Spektakel, Verkörperung. (Fischer-Lichte 2001: 9)

Der Performanz-Begriff wird häufig auf die von Austin (1962) entwickelte Konzeption der performativen Sprechakte zurückgeführt.34 Austin entwirft ein spezielles und ein allgemeines Konzept des performativen Sprechakts. Zunächst beschreibt er, wie Sprechakte, die in einen bestimmten, oft juristischen oder religiösen Ritus eingebettet sind, außersprachliche Realitäten schaffen. 35 Als Beispiele führt Austin (1962: 5) eine Trauzeremonie, eine Schiffstaufe, eine testamentarische Erklärung und eine Wette an. Im Zusammenhang mit diesen rituell- oder juristisch-performativen Sprechakten bemerkt er:

33 Vgl. Krämer (2004), Krämer (2002), Hempfer/Volbers (Hg.) (2011), Ellmeier et al. (Hg.) (2011), für die multimediale Aufführung Heibach (2010), Fahlenbrach et al. (Hg.) (2008). 34 So auch bei Fischer-Lichte (2001: 10) „Erst seit den fünfziger Jahren wurden Konzepte erarbeitet, die ein methodisch gesichertes Vorgehen versprachen. John Austin entwickelte in seinen Harward-Vorlesungen How To Do Things With Words eine aufs Performative der Sprache ausgerichtete Sprachphilosophie […].“ 35 Zusätzlich werden diese Realitäten in der Regel durch begleitende symbolische Handlungen materiell sichtbar gemacht und unterstrichen.

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The issuing of an utterance is the performing of an action. (Austin 1962: 6)

Nun trifft diese Feststellung nicht nur auf rituelle, sondern grundsätzlich auf alle Sprechakte zu. Aus diesem Grund differenziert Austin im weiteren Verlauf seiner Vorlesungen (1962: 91, 94ff.) den Begriff des performativen Sprechakts aus, indem er den Typ des explizit performativen Sprechakts vorschlägt, bei dem der Sprecher die persönliche, soziale Stellungnahme (Illokution), die mit dem Sprechakt verbunden ist, explizit äußert (I promise that I shall be there, Austin 1962: 69).36 Beide Konzepte der sprachlichen Performanz, die Austin hier entwickelt, sind vielfach in der Philosophie, der Soziologie, der Anthropologie, der Literatur- und Theaterwissenschaft, den Gender Studies und den Kulturwissenschaften aufgegriffen worden (vgl. Wirth 2002). Einen extrem weiten Performanzbegriff verwendet Chomsky (u.a. 1965) in seiner linguistischen Theorie. Er setzt Performanz einfach mit Saussures Konzept der parole gleich. Damit vertritt er die unspezifischste Auffassung von Performanz: We thus make a fundamental distinction between competence (the speakerhearer’s knowledge of his language) and performance (the actual use of language in concrete situations). Only under the idealization set forth in the preceding paragraph is performance a direct reflection of competence. In actual fact it obviously could not directly reflect competence. (Chomsky 1965: 4)

Vor diesem Hintergrund muss man sich fragen, wie sich der von FischerLichte eingangs konstatierte performative turn zu diesen sprachtheoretischen und linguistischen Traditionen verhält. Fischer-Lichte löst nämlich den Performanzbegriff von Sprechhandlungen ab und schlägt eine „Theorie der Performance“ (Fischer-Lichte 2010: 41) vor, die in erster Linie „auf körperliche Handlungen anzuwenden“ (Fischer-Lichte 2010: 34) und deren „Ästhetik des Performativen im Begriff der Aufführung zu fundieren“ ist (Fischer-Lichte 2010: 41).37

36 Vgl. dazu auch Searle (1969), Bach/Harnisch (1979), Habermas (1981). 37 Zur Tradition der Performance im Theater vgl. auch Phelan (1993) und Féral (1982).

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Um uns der Frage nach den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten des Terminus’ Performanz anzunähern, wollen wir versuchen, diese Möglichkeiten auf den Begriff der Tätigkeit (enérgeia), der sich aus dem ereignisorientierten Kommunikationsmodell in Abschnitt 1.2 (Fig. 4) ergibt, zurückzuführen. Die unspezifischste Bedeutung des englischen Wortes performance ist die eines Vollzugs, in unserem Zusammenhang also des Vollzugs eines kommunikativen Aktes. Dieser Akt wird vom Produzenten initiiert, dessen Tätigkeit in verschiedener Weise über den Ausdruck oder den Inhalt eines medialen Objekts rezipiert werden kann. Betrachten wir zunächst die ausdrucksseitige Rezeption der Kommunikationshandlung. Bei einer mündlichen Äußerung oder einem vorgesungenen Lied nimmt der Rezipient nicht nur die sprachliche Äußerung oder den Gesang (érgon) wahr, sondern auch den Produzenten, also den Sprecher oder Sänger, und seine Tätigkeit (enérgeia) des Sprechens beziehungsweise des Singens (Gestik, Mimik, Atmung etc.).38 Dagegen sieht der Rezipient im Falle eines Gemäldes oder einer Skulptur in der Regel nur das mediale Objekt (érgon), nicht aber dessen Herstellung, also die Tätigkeit des Malers oder Bildhauers (enérgeia). Die Produktion einer sprachlichen Äußerung oder eines Liedes ist in dieser Hinsicht in höherem Maße performativ als die eines Gemäldes oder einer Skulptur, denn bei deren Rezeption kann man allenfalls aus dem érgon auf die nicht gezeigte Produktionstätigkeit Rückschlüsse ziehen. Mehr Performanz als in gewöhnlichen mündlichen Äußerungen kann man dagegen bei der phatischen Kommunikation beobachten (vgl. Jakobson (2007 [1969]), bei der die Tätigkeit des Produzenten die Wahrnehmung so stark dominiert, dass das eigentliche Kommunikationsobjekt, das érgon, in den Hintergrund gerät. Wenn beispielsweise Menschen, die sich flüchtig kennen, im Aufzug über das Wetter sprechen, dann steht bei diesem Gespräch die phatische Funktion des Sprechens im Vordergrund: Es geht nicht darum, worüber, sondern dass gesprochen wird. Mit der Tätigkeit des Sprechens (enérgeia) wird über den Kontakt ein soziales Wohlwollen

38 In Roland Barthes’ besonderem Verständnis von Performanz löst sich die écriture von der Person des Produzenten ab. Er widerspricht damit dem zentralen Gedanken von Austin, der Performanz an die Person des Sprechers koppelt. Barthes’ Konzept funktioniert nur als Metapher, indem er die Schrift anthropomorphisiert und sie selbst handeln lässt, ihr also einen metaphorischen Körper zuspricht (vgl. Barthes 2000 [1968]).

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signalisiert, wobei es im Grunde keine Rolle spielt, welche Äußerungen (érgon) dabei produziert werden. Die Betonung der Tätigkeit gegenüber den mit dieser Tätigkeit hergestellten Kommunikationsobjekten kann man auch in therapeutischen Zusammenhängen beobachten, wenn etwa Malerei, Musik oder Schreiben als Therapie eingesetzt werden. Hier geht es in erster Linie darum, ein Ventil oder einen Ausgleich für psychischen Druck zu finden, Ästhetik oder künstlerische Inhalte stehen dabei nicht im Vordergrund. Mit der Entwicklung von Schreibtechniken wie der écriture automatique, die besonders von Gertrude Stein und den Surrealisten kultiviert wurde, wird der Schreibgestus gezielt von der Bewusstseinskontrolle des Schreibenden getrennt, sodass die Hand des Probanden die Schreibbewegungen quasi mechanisch vollzieht (vgl. Genz 2011b). Der Schreibende kann hinterher zwar angeben, dass er, nicht aber was er geschrieben hat. Im Vergleich zu Sprechakten, bei denen die Bedeutung des Gesagten (érgon) als maßgeblich und die Produktionstätigkeit (enérgeia) als ergänzende Information aufgefasst werden, geht es bei der phatischen Kommunikation, wie gesehen, vor allem um die Produktionstätigkeit des Sprechens und nur beiläufig um das Gesagte. Im Sinne der Gestalttheorie kann man hier einen Figur-Grund-Effekt (vgl. Rubin 1921: 3ff.) beobachten. Im einen Fall steht das mediale oder kommunikative Produkt im Vordergrund (Figur) und die Produktionstätigkeit im Hintergrund (Grund), im anderen ist es genau umgekehrt: Hier fungiert die Tätigkeit des Produzenten als Figur und das mediale Produkt als Grund. In besonderer Weise performativ ist nach dieser Systematik Kommunikation, die durch reine Handlungen wie Wegdrehen, Weggehen etc. vollzogen wird und die, wie wir in Abschnitt 2.1.2 gesehen haben, an der Schwelle zur immateriellen Kommunikation anzusiedeln ist. In diesem Fall ist das érgon als Hintergrund nicht mehr wahrnehmbar, es verschmilzt mit der kommunikativen Handlung, sodass Zeichen und Tätigkeit, Medium und Produktionsprozess, érgon und enérgeia ein und dasselbe sind. Dies trifft beispielsweise auch für Tanzdarbietungen zu, bei denen die Tätigkeit der Tänzer (Produzenten) mit dem Zeichen als medialem Produkt gleichzusetzen ist. Die Bewegungen ihrer Körper erzeugen den Tanz nicht nur, sondern sind der Tanz. Zusammenfassend lassen sich bisher vier Stufen der Rezeption der Produktionstätigkeit über den medialen Ausdruck festhalten:

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Fig. 27 Stufen der Rezeption der Produktionstätigkeit über den Ausdruck 1. Stufe

Die Produktionstätigkeit wird nicht unmittelbar rezipiert

2. Stufe

Die Produktionstätigkeit wird als Hintergrund rezipiert

3. Stufe

Die Produktionstätigkeit wird als Vordergrund rezipiert

4. Stufe

Die Produktionstätigkeit wird als Zeichen rezipiert

Diese Stufen lassen sich auch als Prototypen auf einem Kontinuum interpretieren, das zwischen den Polen der Nichtwahrnehmung und der ausschließlichen Wahrnehmung der Produktionstätigkeit verläuft. Auf diesem Kontinuum kann der Rezipient seine Wahrnehmung in unterschiedlicher Weise fokussieren. Dabei kommt es zu Kippeffekten im Übergang von einem Prototypen zum anderen (dies betrifft insbesondere die Stufen 2 und 3). Neben diesen vier Stufen der Rezeption der Produktionstätigkeit über den Ausdruck kann der Vollzug des Kommunikationsakts auch über den Inhalt, das heißt über die Bedeutung des zeichenhaften medialen Gegenstands (érgon) hervorgehoben werden. In diesem Fall wird der Kommunikationsakt medial repräsentiert (vgl. Abschnitt 1.4). Um dies zu verdeutlichen, eignen sich die folgenden Beispiele: (6) (a) Regnet es? (b) Ich frage dich, ob es regnet. Das, was Äußerung (a) darstellt oder repräsentiert, ihre Bedeutung, ist eine Aufforderung, das Zutreffen des Sachverhalts REGNEN zu bestätigen oder zu verneinen. In Äußerung (b) wird dagegen in erster Linie der Sprechakt selbst repräsentiert: Indem er sagt, dass er seinen Adressaten befragt, referiert der Sprecher explizit auf seine Sprechtätigkeit. Während Äußerung (a) also die Aufforderung des Sprechers an den Adressaten, ihm bezüglich des Regnens zu antworten, eher implizit darstellt (mittels Syntax und Prosodie des Fragesatzes), wird der Sprechakt in (b) explizit kommuniziert. Auf der Ebene der Repräsentation einer Bedeutung durch das mediale

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Objekt des érgons kann man also zwischen expliziter und impliziter Darstellung der Produktionstätigkeit unterscheiden.39 Eine weitere Form des in der Bedeutung dargestellten Produktionsakts besteht in der Schaffung eines juristischen oder quasi-juristischen Sachverhalts (dazu gehören im weiteren Sinne rituelle Akte, wie sie oben im Zusammenhang mit Austin angesprochen wurden). Während etwa in Beispiel (6) die implizite (a) und explizite (b) Darstellung des Vollzugs einer Äußerung durch diese Äußerung exemplifiziert wird, sind in Beispiel (7) Äußerungen aufgeführt, die eine neue außersprachliche Realität schaffen (und damit auch vollziehen). (7) (a) Die Sitzung ist eröffnet (b) Ich erkläre die Sitzung für eröffnet Wenn der Sitzungsleiter kraft seiner Autorität die Sitzung mit diesen Worten eröffnet, schafft er durch seine Äußerung eine neue Realität, die von allen Anwesenden akzeptiert wird. Dabei kann er seine Sprechtätigkeit wiederum implizit (a) oder explizit (b) darstellen. Während also die Performanz in Beispiel (6) nur den Vollzug der Äußerungen selbst betrifft, bezieht sie sich in Beispiel (7) zusätzlich auf einen mit der Äußerung geschaffenen außersprachlichen Sachverhalt. Dieser Sachverhalt ist wie in allen vergleichbaren Fällen immateriell und bezieht sich auf eine soziale Übereinkunft. Alle Rezipienten der Äußerung akzeptieren die durch den Sprechakt vorgenommene Festlegung. Wir haben es in diesen Fällen mit einer rituellen sozialen Konstellation zu tun, wie sie typisch für juristische und religiöse Zeremonien ist. 40 Daher kann man in solchen Fällen von juristisch-performativen Akten sprechen. Generell kann man die Typen der inhaltlich dargestellten Performanz wie folgt zusammenfassen:

39 Die implizite Darstellung der Produktion durch das érgon ergibt sich schon allein daraus, dass, sobald etwas als Zeichen interpretiert wird, auch vorausgesetzt wird, dass es von einem Produzenten hergestellt wurde. Aus diesem Grund kann man bei der Rezeption eines Gemäldes oder einer Skulptur nicht von einer völligen Absenz der Produktionstätigkeit ausgehen, auch wenn diese nicht unmittelbar wahrgenommen wird. 40 Die Äußerung juristischer und zeremonieller Akte wird häufig durch die Übergabe von Urkunden, Orden, Pokalen etc. symbolisiert und darüber hinaus durch Gestik und Mimik, zum Beispiel durch Händeschütteln, bekräftigt.

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Fig. 28 Typen der inhaltlichen Darstellung des Produktionsakts Produktion des Mediums

Produktion eines weiteren Sachverhalts

implizit

(6)(a) Regnet es?

(7)(a) Die Sitzung ist eröffnet.

explizit

(6)(b) Ich frage dich, ob es regnet.

(7)(b) Ich erkläre die Sitzung für eröffnet.

Der inhaltsorientierte, semantische Grad des Performativen nimmt entsprechend den zwei hier dargestellten Faktoren zu. Demnach sind explizite und juristische Akte in höchstem Maße performativ. In Abgrenzung zu den juristisch-performativen Sprechakten kann man bei der Repräsentation der Performanz, die sich auf die Produktion des Mediums (erste Spalte in Fig. 28) bezieht, von dialogisch-performativen Akten sprechen. Die Zusammenfassung unserer Überlegungen führt uns zu dem Ergebnis, dass man für die ausdrucks- und inhaltsseitig rezipierte Performanz zwei deutlich unterschiedene Typologien bilden kann, die unabhängig voneinander ihre Berechtigung haben. Obwohl diese aus demselben Kommunikationsmodell (vgl. Fig. 4) hergeleitet sind, stellen sie jeweils eigenständige Formen der Performanz dar. In der Frage nach dem Verhältnis zwischen dem von Fischer-Lichte beschriebenen performative turn sowie ihrer Konzeption der Performance und den sprachtheoretischen Ansätzen von Austin und Chomsky lassen sich nun die folgenden Befunde formulieren. Erstens gehören die Überlegungen von Austin zum Handlungscharakter der Sprache in den Rahmen der Typologie der inhaltsseitigen Performanz, die in Fig. 28 zusammengefasst ist. Die von ihm angeführten rituellen Sprechakte zeichnen sich dadurch aus, dass mit ihrem Vollzug nicht nur eine Äußerung produziert wird, sondern auch ein außersprachlicher Sachverhalt. Da solch ein Sachverhalt eine Verpflichtung oder ein Recht darstellt, sprechen wir hier von juristisch-performativen Akten. Anders als die juristisch-performativen Sprechakte schaffen „normale“ dialogisch-performative Sprechakte, mit denen sich Austin darüber hinaus befasst, keine besonderen sozialen Fakten, die über die beim Sprechen übliche Stellungnahme des Sprechers (Illokution) hinausgehen. In ihrer performativen Eigenschaft verweisen die aus ihnen hervorgehenden Äußerungen implizit oder explizit auf ihre eigene Produktion.

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Daran anknüpfend entspricht zweitens Chomskys Auffassung von Performanz als Rede im Allgemeinen (parole im Sinne Saussures) der schwächsten Ausprägung der inhaltsseitigen Performanz (implizit dialogisch-performative Akte). Diese manifestiert sich im Grunde nur durch die Existenz, das heißt durch die Materialität der Äußerung. Dadurch wird sie jedoch gleichzeitig zum Bindeglied zwischen den beiden Typologien der Performanz im Inhalt und im Ausdruck. Drittens lässt sich Fischer-Lichtes ‚Performance‘ ganz klar als ausdrucksseitige Performanz identifizieren und in die entsprechende, in Fig. 27 symbolisierte Typologie einordnen. In diesem Sinne ist auch FischerLichtes Definition des Performativen als „[l]eibliche Kopräsenz von Akteuren und Zuschauern“ (2010: 58; vgl. auch 2012: 54) zu verstehen, die man im Rahmen des ereignisorientierten Kommunikationsmodells in Abschnitt 1.2 als starke Überlappung von Produktions- und Rezeptionskontext interpretieren kann. Besonders deutlich wird das im Fall der von Fischer-Lichte (2012: 89 f.; 95 f.) beschriebenen Performances von Marina Abramoviü, bei denen Zuschauer in die Produktion eingriffen, weil sie es nicht ertrugen, der Künstlerin bei ihren Selbstverletzungen zuzuschauen oder weil ein anderer ‚Zuschauer‘ ihr eine geladene Pistole an die Schläfe hielt. Fischer-Lichtes Konzept kommt also einer Ausweitung des Performanzbegriffs von sprachlichen Äußerungen auf semiotische Kommunikation gleich. Neuere Veröffentlichungen zur Performanz greifen diese Ausweitung auf und untersuchen zum Beispiel die Performativität von Bildern und literarischen Texten. Viele dieser Veröffentlichungen verzichten auf eine Analyse nach dem Muster der sprachlichen Performativität, wie sie Austin konzipiert, und bevorzugen den theaterwissenschaftlichen Ansatz, der den Aufführungscharakter und die Ausdruckskraft für die Konzeption von Performanz in den Mittelpunkt stellt (vgl. Fischer-Lichte 2012: 135–159, Schwarte 2011: 12–15).41 Das Äquivalent zur Performanz der Theaterwissenschaften sieht Krämer (2011: 63–88, bes. 67 und 83) für die bildende Kunst darin, dass es nicht wie bei sprachlicher Performanz um die „Emphase des Hervorbringens“ geht, sondern um dessen Kehrseite, der „Wider-

41 Eine Verbindung des Performanzbegriffs von Austin und der Theaterperformanz unternimmt aus queer-Perspektive dagegen der Sammelband von Parker/Kosofsky Sedgwick (1995).

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fahrnis“ durch das „Angeblicktwerden und Berührtwerden“ durch die Bilder (analog zu den Ohnmachtsgefühlen der Zuschauer bei Performances). Da der Rezipient, sobald er etwas als medial interpretiert, einen Produktionsakt annimmt, ist Performanz eine notwendige Bedingung von Kommunikation. Diese Erkenntnis unterstreicht nicht nur die Bedeutung eines ereignisorientierten Ansatzes, sondern auch die Relevanz einer systematischen Ausdifferenzierung des Konzepts der Performanz und der Performativität. Erst eine so gewonnene Typologie ermöglicht ein heuristisches Arbeiten auf der Grundlage des Performanzbegriffs. 2.3.2 Performative Transmedialität Im Zusammenhang mit Fragen der Mündlichkeit und Schriftlichkeit in Briefen, Urkunden und öffentlichen Reden vertritt Koch (1998) einen Transmedialitätsbegriff, der auf einer Hintereinanderschaltung medialer Ereignisse beruht. Anhand der von ihm untersuchten mittelalterlichen Urkunde nimmt er eine doppelte Transmedialität an, da diese bei der Herstellung diktiert und bei der Rezeption verlesen wird.42 Bei der Produktion beruht der Akt des Schreibens also auf einem Akt des Sprechens, bei der Rezeption dagegen stützt sich der Akt des auditiven Interpretierens auf einen Akt des Lesens. Da die entsprechenden transmedialen Ereignisse im Aufschreiben und Verlesen vollzogen werden, haben wir es hier mit performativer Transmedialität zu tun.43 Das einfache Schreiben und Lesen eines Briefes (jeweils ohne Sprechen) ist dagegen nicht transmedial, da der Brief in diesem Fall das einzige mediale Produkt ist, während im Fall der Urkunde neben dem Schriftstück sowohl bei dessen Produktion (a) als auch bei dessen Rezeption (b) sprach-

42 In der Diplomatik, der Urkundenlehre, heißt der Diktierende Diktator und der Schreiber Notar. Zur grafischen Ausgestaltung und äußeren Merkmalen der Urkunde, die in diesem Zusammenhang weniger von Interesse sind, vgl. Gniffke (2011: 115–131). 43 Dass die Urkunde im Zusammenhang mit einem Rechtsakt steht, der juristischperformativ ist, hängt dabei nicht unmittelbar mit ihrer Transmedialität zusammen und ist an dieser Stelle nicht relevant. Der Medienwechsel selbst ist ausdrucksseitig performativ. Eine andere Form der Transmedialität ist die rekursive Transmedialität, die in Abschnitt 3.2.2 behandelt wird.

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liche Äußerungen (Laute) als zusätzliche mediale Produkte entstehen. 44 Dies verdeutlicht das folgende Schema: Fig. 29 Modell der Transmedialität der Urkunde im Rechtsakt (a) Diktator ĺ Äußerung1 (mündl.) ĺ Notar ĺ Äußerung2 (schriftl.) (b) Äußerung2 ĺ Vorleser ĺ Äußerung3 (mündlich) ĺ Mandant Die Urkunde (Äußerung2) ist also ein mediales Objekt, dessen Produktion und Rezeption jeweils ein weiteres mediales Ereignis beinhaltet: das Diktat (a) bei der Herstellung der Urkunde und ihre Verlesung (b) beim Rechtsakt. Der Fall der Urkunde ist besonders komplex, da sowohl ihre Produktion als auch ihre Rezeption transmedial sind. Meistens betrifft performative Transmedialität jedoch nur die Produktion oder die Rezeption eines Mediums. Dies kann man anhand von zwei weiteren Fällen veranschaulichen. Im 20. Jahrhundert war es noch üblich, dass ein Vorgesetzter seiner Büroschreibkraft einen Geschäftsbrief diktierte. Das Schema der Produktion und Rezeption eines solchen Geschäftsbriefs sieht aus wie folgt: Fig. 30 Modell der Transmedialität des diktierten Geschäftsbriefs (a) Chef(in) ĺ Äußerung1 (mündlich) ĺ Sekretär(in) ĺ Äußerung2 (schriftl.) (b) Äußerung2 (schriftlich) ĺ Adressat

Hier ist nur die Produktion transmedial, während die Rezeption durch den Adressaten unmittelbar ist. Umgekehrt sieht es bei einem Festvortrag aus, bei dem der Redner seine Rede schriftlich konzipiert und vom Manuskript vorliest. Hier ergibt sich der folgende mediale Verlauf: Fig. 31 Modell der Transmedialität des verlesenen Festvortrags (a) Autor ĺ Äußerung1 (schriftlich) (b) Äußerung1 (schriftl.) ĺ Redner ĺ Äußerung2 (mündlich) ĺ Auditorium

44 Die Urkunde als Rechtsdokument entfaltet ihre volle Wirkung nur transmedial, da sie einerseits Teil der Zeremonie des Rechtsakts ist, diesen andererseits aber auch bezeugt und damit besiegelt und dokumentiert.

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Man kann also feststellen, dass performative Transmedialität ein Medienwechsel ist, der im Rahmen der Produktion und Rezeption von Zeichen stattfindet. Wenn Produktion und Rezeption unmittelbar vollzogen werden, kann keine Transmedialität vorliegen, wie man anhand des zuvor angeführten einfachen Briefes feststellen kann, dessen kommunikative Einbettung wie folgt schematisiert werden kann: Fig. 32 Unmittelbare Produktion und Rezeption eines Briefes (a) Autor ĺ Äußerung1 (schriftlich) (b) Äußerung1 (schriftlich) ĺ Adressat

Innerhalb eines übergeordneten Kommunikationsrahmens beruht performative Transmedialität als Verfahren der Produktion und/oder Rezeption auf einem Medienwechsel und wird damit selbst zu einem kommunikativen Ereignis. Auf diese Weise manifestiert sich das gesamte mediale Ereignis über verschiedene mediale Erscheinungsformen hinweg. Wir haben es gewissermaßen mit einer doppelten Performanz zu tun. Beim Diktat kommuniziert der Diktierende (Produzent) mit dem Schreibenden (Rezipient), und damit produzieren beide den Geschäftsbrief. Beim Festvortrag kommuniziert der Redner (Produzent) mit dem Auditorium (Rezipient) dergestalt, dass beide das Manuskript rezipieren. Man kann in diesem Sinne beim Diktat von transmedialer Produktion und beim Festvortrag von transmedialer Rezeption sprechen.45 Die folgende Tabelle fasst die möglichen Faktoren der performativen Transmedialität in einer kreuzklassifikatorischen Darstellung zusammen: Fig. 33 Typen der performativen Transmedialität Produktion

Rezeption

– transmedial

+ transmedial

– transmedial

Brief

Diktat

+ transmedial

Festvortrag

Urkunde

45 Demzufolge kann man bei der Urkunde von transmedialer Produktion und Rezeption sprechen.

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Performative Transmedialität beschränkt sich im Übrigen nicht auf sprachliche Kommunikation, sondern betrifft auch die Produktion und Rezeption anderer Medien. Transmedial in diesem Sinne ist beispielsweise auch die Aufführung eines Musikstücks durch einen oder mehrere Musiker, die vom Blatt spielen, dabei die musikalische Notation rezipieren und gleichzeitig das musikalische Schallereignis produzieren. Vor dem Hintergrund der Transmedialitätsdefinition von Koch (1998) müssen zwei weitere Lesarten des Ausdrucks Transmedialität überdacht werden. Dabei handelt es sich einerseits um eine mögliche technische Konzeption und andererseits um einen in der Literaturwissenschaft entwickelten Begriff von Transmedialität. Eine denkbare technisch-informationstheoretische Auffassung lässt sich am Beispiel eines Anrufbeantworters veranschaulichen. Analog zur Transmedialität der Urkunde könnte man beim Anrufbeantworter das folgende Kommunikationsmuster extrapolieren: Jemand spricht auf einen Anrufbeantworter, das Gerät wandelt die Schallwellen der Stimme in elektrische Impulse um, die beim Abhören des Geräts wieder in die Stimme des Anrufers zurückverwandelt werden. Beim Prozess der Produktion wäre der Anrufer Produzent, das Empfangsgerät Rezipient – zusammen würden sie ein Tonband oder eine Datei herstellen, auf dem oder auf der elektronische Impulse gespeichert sind. Dementsprechend wäre bei der Rezeption der abgespeicherten Nachricht der Anrufbeantworter, der sie akustisch reproduziert, der Produzent und der Abhörende der Rezipient. Gegen eine solche Konzeption von Transmedialität gibt es zwei gewichtige Einwände. Erstens behandelt dieses Modell den Anrufbeantworter in zweifacher Hinsicht wie einen Rezipienten. Der Apparat rezipiert demnach die menschliche Stimme wie der Schreiber im Urkundenmodell aus Fig. 29 (a) und die in der Datei elektronisch kodierte Nachricht wie der Vorleser in Fig. 29 (b). Dies ist auf der Grundlage unseres Kommunikationsmodells unzulässig, da nach dieser Definition der Rezipient als Instanz, die etwas als Zeichen interpretiert, über ein Bewusstsein verfügen muss.46

46 Das heißt nicht, dass wir die Bedeutung der maschinengestützten Kommunikation unterschätzen oder aus unserem Modell ausschließen. Unsere Ausführungen in den Abschnitten 2.1.3, 2.2.1, 2.2.3 und 2.3 belegen das Gegenteil. Allerdings ergibt sich aus der Definition des Rezipienten in Abschnitt 1.2.2 und seiner fundamentalen Rolle in der hier dargelegten Theorie, dass die Tätigkeit der Rezeption (enérgeia) nur von einer bewusstseinsfähigen Entität vollzogen werden

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Zweitens sind im Gegensatz zum Urkundenbeispiel die eingegebene und die wiedergegebene Äußerung in diesem Fall miteinander identisch. Genauer gesagt handelt es sich nicht um die selbe (ipse), wohl aber um die gleiche (idem) Äußerung.47 Diese Identität ist auch eine mediale Identität, denn die sprachliche Äußerung, also der mediale Gegenstand (Schall), der vom Anrufer produziert und später vom Anrufbeantworter reproduziert wird, ist materiell nahezu identisch – das kann man unter anderem daran erkennen, dass der Abhörende die Stimme des Anrufers identifizieren kann. Die materielle Identität impliziert logischerweise auch eine Identität der Kodierung. Die Aufnahme und Wiedergabe einer Nachricht durch einen Anrufbeantworter sind insofern nicht „transmedial“, als Transmedialität eine relevante materielle Differenz voraussetzt.48 Der gängige literaturwissenschaftliche Begriff der Transmedialität stammt von Rajewsky (2002), die darunter die Realisierung von (vormedialen) Inhalten in unterschiedlichen Medien versteht. Transmedialität bezieht sich nach ihrer Auffassung auf

kann. Dies kann auch ein Tier sein, beispielsweise ein Hund, der ein Kommando seines Besitzers versteht, aber auf keinen Fall ein Gerät, das lediglich in vorkonzipierten Abläufen mechanisch auf physikalische Ereignisse reagiert. In diesem Zusammenhang muss mit aller Deutlichkeit auf die Bedeutung von Kommunikationsmodellen der Informationstheorie, wie etwa das von Shannon/Weaver (1949), das wir in Abschnitt 2.1.3 behandelt haben, verwiesen werden. 47 Bei dieser Gleichheit ist von technischen Störfaktoren abzusehen (vgl. Shannon/Weaver 1949 und Abschnitt 2.1.3). 48 Ein auf den ersten Blick mit der technischen Transmission scheinbar identischer Fall liegt bei gegossenen Figuren aus Bronze vor. Beim Bronzeguss wird zunächst ein Prototyp aus einem leicht zu verarbeitenden Material (einem Wachsmodell) gefertigt, um das eine Form aus Formerde gebaut wird, die anschließend gebrannt wird. Die so gewonnene Form wird daraufhin mit Bronze ausgegossen. Wie beim Anrufbeantworter hat man hier zwei Phasen der Produktion. Auch hier ist das Ergebnis der Reproduktion mit dem des ursprünglichen Produktionsaktes (zumindest formal) identisch. Auch in diesem doppelten Produktionsprozess gibt es keine zwischengeschalteten Rezipienten, was im Fall des Gusses noch viel evidenter ist als bei der technischen Transmission. Gleichwohl kann man hier eine Besonderheit gegenüber der elektronischen Reproduktion feststellen. Bei diesem Verfahren erhält man zwei in der Form identische Skulpturen, die jedoch aus verschiedenem Material gefertigt sind. Man könnte insofern also eher von Transmaterialität sprechen.

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[m]edienunspezifische Phänomene, die in verschiedensten Medien mit den dem jeweiligen Medium eigenen Mitteln ausgetragen werden können, ohne daß hierbei die Annahme eines kontaktgebenden Ursprungsmediums wichtig oder möglich ist. (Rajewsky 2002: 13)

„Medienunspezifische Phänomene“ sind demnach (vgl. Rajewsky 2002: 12f.) Stoffe, Ästhetiken und Diskurstypen (Genres). Ein Stoff ist in diesem Sinne etwa ein Mythos oder eine Legende (beispielsweise aus der Bibel) oder auch eine bestimmte Geschichte (beispielsweise von Don Quijote, die jenseits des literarischen Originals als Film, als Zeichnung beziehungsweise Bild und Zeichentrickfilm realisiert wurde). Als weitere transmediale Inhalte nennt Rajewsky die „Ästhetik der Moderne und Postmoderne“ und den „Wissenschaftsdiskurs einer bestimmten Zeit“. Nun muss klar sein, dass Inhalte immer medial realisiert werden, denn andernfalls wären es keine Inhalte.49 Medialität stellt also gewissermaßen die conditio sine qua non von „Stoffen, Ästhetiken und Diskurstypen“ dar. Auch ist die Anwendung von Begriffen der ‚Medialität‘ (wie Medialität, Inter-, Multi- oder Transmedialität) auf medial dargestellte Inhalte eine metonymische Verschiebung vom Darstellenden (mediale Ereignisse) auf das Dargestellte (Inhalte). Diese Verschiebung kann man anhand des Organon-Modells von Bühler (1965 [1934]) erläutern. Rajewskys Definition der Transmedialität verlagert den Anwendungsbereich des Medialitätsbegriffs weg von den Medien (Zeichen) und ihrer Produktion (Sender) und Rezeption (Empfänger) hin zu den bezeichneten Dingen (Stoffe und Motive etc.), den Bühlerschen Sachverhalten und Gegenständen. Diese Verlagerung ist radikal, weil mediale Gegenstände (Medien) und Tätigkeiten (Kommunikation) nun vom Attribut der Transmedialität ausgeschlossen sind. Die Kochsche Auffassung von Transmedialität begreift Medialität dagegen nicht als inhaltliches Phänomen, sondern als Eigenschaft von Zeichen und darüber hinaus auch als Eigenschaft der Tätigkeit von Sendern und Empfängern. Dies lässt sich am Beispiel des Stoffes von Don Juan verdeutlichen. In der Auffassung von Rajewsky läge demnach die Transmedialität des Stoffes in dessen unterschiedlichen Bearbeitungen als Drama (Tirso de 49 Wir sprechen hier nicht vom Inhalt eines Gefäßes, sondern vom Inhalt als etwas Dargestelltem (vgl. die in Abschnitt 1.4 erörterten Prinzipien der Repräsentation).

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Molina), Oper (Mozart/da Ponte) und als Erzählung (E.T.A. Hoffmann). Der Mozartsche Don Giovanni als Einzelereignis wäre ihrem Verständnis zufolge jedoch nicht als transmedial anzusehen. Gerade hier, also in der Mozart-Oper als medialem Ereignis, liegt jedoch nach Kochs Auffassung die Transmedialität begründet, insofern es sich um ein schriftlich komponiertes Stück (Opernpartitur und -libretto) handelt, das von einem Orchester und Sängern vorgetragen wird.50 Zusammenfassend könnte man also sagen, dass Rajewskys Begriff der Transmedialität literaturwissenschaftlich motiviert und in dieser Hinsicht auch legitim ist, während Kochs Konzeption genuin medientheoretisch ist. Insofern fügt sich Kochs Auffassung nahtlos in die hier vertretene ereignisorientierte Medialitätstheorie ein. Sein Konzept der Transmedialität ermöglicht darüber hinaus eine klare Abgrenzung zu der in Abschnitt 2.2.3 besprochenen Multimedialität: Demnach manifestiert sich Transmedialität konsekutiv, Multimedialität dagegen simultan. 2.3.3 Technische Dispositive Zur Vermittlung von Zeichen gehören auch exemplarische Anordnungen, die auf die mediale Rezeption abzielen.51 Sie betreffen sowohl die (vorrangig visuelle) Wahrnehmung als auch die wahrgenommenen Gegenstände und werden in der Medien- und insbesondere in der Filmwissenschaft im Anschluss an Michel Foucault als Dispositive bezeichnet. Foucault (1978: 119) rechnet zu der Menge von Elementen, die ein Dispositiv ausmachen, eine entschieden heterogene Gesamtheit, bestehend aus Diskursen, Institutionen, architektonischen Einrichtungen, reglementierenden Entscheidungen, Gesetzen, administrativen Maßnahmen, wissenschaftlichen Aussagen […], 50 Die Inszenierung dramatischer Texte schlägt Rajewsky dagegen dem Teilbereich der Intermedialität „Medienwechsel“ zu (Rajewsky 2002:16), was insofern nicht überzeugend ist, als diese Kategorisierung suggeriert, dass es sich bei Dramen- oder Operntexten um eigenständige mediale Produkte handelt (dies entspräche höchstens dem Sonderfall des Lesedramas), während wir hier zu der Auffassung neigen, dass diese Textformen erst durch die Aufführung ihre eigentliche Bestimmung erhalten. 51 Zur Bedeutung der Rezeption im Dispositiv-Konzept siehe auch Stöber (2008: 54).

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Gesagtes ebenso wie Ungesagtes, das sind die Elemente des Dispositivs. Das Dispositiv selbst ist das Netz, das man zwischen diesen Elementen herstellen kann. (Foucault 1978: 119)

Diese Aufzählung lässt zum einen technische, zum anderen soziale Implikationen erkennen, die inzwischen von einigen Disziplinen übernommen und weiterentwickelt wurden.52 Allerdings verführt die Offenheit des Konzepts teilweise zu einer inflationären Anwendung des Dispositiv-Begriffs, den beispielsweise Agamben bei seinem Versuch einer theologischen Genealogie von Foucaults Überlegungen bis zur Beliebigkeit verallgemeinert. So bezieht er die Klasse der Dispositive auf alles, was irgendwie imstande ist, die Gesten, das Betragen, die Meinungen und die Rede der Lebewesen zu ergreifen, zu lenken, zu bestimmen, zu hemmen, zu formen, zu kontrollieren und zu sichern. Also nicht nur die Gefängnisse, Irrenanstalten […], deren Zusammenhang mit der Macht in gewissem Sinne offensichtlich ist, sondern auch der Federhalter, die Schrift, die Literatur, die Philosophie, die Landwirtschaft, die Zigarette, […] die Computer, die Mobiltelefone und – warum nicht – die Sprache selbst, die das vielleicht älteste Dispositiv ist […]. (Agamben 2008 [2006]: 26)

Indem er die Allgegenwärtigkeit von Dispositiven hervorhebt, die bereits bei Foucault angelegt ist, weitet Agamben den Begriff des Dispositivs sehr stark aus. Unter diesen Voraussetzungen erscheint der Begriff für heuristische Zwecke jedoch kaum noch geeignet, da letztlich alle Gegebenheiten des Lebens Menschen beeinflussen können. Zugleich verweist er mit seinen Beispielen intuitiv auf den besonderen Einfluss, den Medien – als Dispositive – auf das menschliche Verhalten ausüben. Vor allem das Mobiltelefon 52 Einen Überblick über diese Ansätze geben Bührmann/Schneider (2008) und KumiĊga (2012). Das Konzept des Dispositivs wird in unterschiedlichsten Wissenschaftsbereichen je nach Bedarf spezifiziert. Beispielsweise schlägt Chartier (1990: 12ff.; 50) in der Buchwissenschaft das Konzept des „typographische[n] Dispositiv[s]“ vor. Wehde (2000: 119) bezeichnet mit diesem Terminus „besonders komplexe und stark institutionalisierte typographische Formen mit sinnbildender Funktion“. Damit widerspricht die wissenschaftliche Praxis einer Vermutung Stöbers (2008: 54), dass „[d]er Dispositiv-Ansatz nur auf die tertiären Medien [Radio, Fernsehen, Internet, Anm. JG & PG] Anwendung [findet], besonders in der Filmwissenschaft, doch auch für Fernsehen und Radio.“

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habe als Dispositiv die „Gesten und Verhaltensweisen der Individuen […] von Grund auf umgeformt“ (Agamben 2008 [2006]: 29). Die Affinität zur Medialität liegt in Foucaults Konzeption des Dispositivs als Netz von sozialen und technischen Gegebenheiten der menschlichen Interaktion begründet. Daher ist die Weiterentwicklung dieser Konzeption in medientheoretischen Arbeiten nachvollziehbar. Medienwissenschaftler differenzieren den Begriff in Bezug auf bestimmte Einzelmedien und mediale Konstellationen weiter aus. So unterscheidet Stauff (2005: 112) zwischen Medien wie Fernsehen, Kino etc. als Einzeldispositiven und als Teilelementen von umfassenden Dispositiven, die er „Überwachungsdispositive“ nennt. Nach seiner Auffassung kann man zwei Typen der Anwendung des Dispositiv-Begriffs erkennen: Einerseits gibt es eine technische Lesart, die diesen auf materielle Gegebenheiten und Anordnungen bestimmter medialer Prozesse bezieht, andererseits eine soziale Lesart, die sich auf arbeitsteilige Prozesse bei der Produktion komplexer medialer Ereignisse bezieht. Im letzteren Fall interferieren Medien mit anderen kulturell-gesellschaftlichen Mechanismen der massenmedialen Diskursindustrie. An dieser Stelle sollen zunächst die technischen Aspekte des Dispositivs im Rahmen eines Einzelmediums betrachtet werden.53 Konkret geht es darum, wie in einem Dispositiv wie dem Kino die technischen Apparaturen und die räumliche Anordnung auf die Wahrnehmung des Menschen wirken, sodass sich ganz bestimmte Wahrnehmungspraktiken und -überzeugungen herausbilden. 54 Ein Kinozuschauer wird durch den auf die Leinwand hin orientierten Sessel in einem abgedunkelten Raum in seiner Wahrnehmung so ausgerichtet, dass er die Kameraperspektive für seine eigene halten muss (vgl. Baudry 1970). In der Gleichsetzung der Kameraoptik mit der des Rezipienten wird der Produzent scheinbar ausgeklammert. Der fertige Film 53 In Abschnitt 3.2.3 werden auch soziale Dispositive in den Blick genommen. Im Rahmen der dort vorgenommenen Erörterungen wird deutlich, dass technische Dispositive häufig Hand in Hand mit sozialen Dispositiven gehen und dass sie für Letztere häufig auch die Voraussetzung bilden. 54 Eine Aufzählung von generellen Effekten der Dispositive auf Zuschauer, wie Konstruktion und Normierung des Zeitgefühls, Etablierung der Zeichenhaftigkeit aller Welterfahrung, Aufmerksamkeitssteuerung, Formierung von Emotionalität, Hierarchisierung von Wichtigem und Unwichtigem, Angebot von Modellen und Mustern von Verhaltensweisen und die Steuerung der Sozialisationsfunktion und gesellschaftlichen Anpassung findet sich bei Hickethier (2003: 230 ff.).

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zeigt nicht die Sicht des Regisseurs oder Kameramanns. Vielmehr ist der Kamerablick als Kontinuum nur im érgon konserviert. Diese Perspektive rechnet der Rezipient nun sich selbst zu.55 Gleichzeitig wird der Kontext des Rezipienten ausgeblendet, im Falle des Kinos durch Verdunklung. Dadurch lässt sich nicht mehr eindeutig entscheiden, ob der Kontext dem Rezipienten oder dem érgon zuzurechnen ist. Die in Abschnitt 2.1 und insbesondere 2.1.1 erläuterte Schwierigkeit, das Zeichen von seinem Zeichenträger zu unterscheiden, tritt hier als Problem der Abgrenzung von Zeichenträger und Kontext wieder auf. Lässt sich die Kinoleinwand noch zweifelsohne als Zeichenträger ausmachen, dann wird es bei dem abgedunkelten Kinosaal, der die deutliche Wahrnehmung der erleuchteten Leinwand erst ermöglicht, schon schwierig: Gehört die Abdunklung zusammen mit der Leinwand zum Zeichenträger oder ist sie schon Kontext? Bei dieser Frage rücken die technischen, apparativen und materiellen Eigenschaften des Dispositivs in den Vordergrund: Es setzt sich nicht nur aus technischen Geräten, sondern aus einem Arsenal von unterschiedlichsten Gegenständen und Praktiken zusammen, die dazu dienen, Zeichen zu reproduzieren (vgl. dazu die Abschnitte 2.1.3 und 2.3).56 Das Ensemble von Geräten und Räumlichkeiten, das für die Rezeption eines Kinofilms nötig ist, ermöglicht eine identische Reproduktion des érgons und damit seine Herauslösung aus bestimmten raum-zeitlichen Kontexten (vgl. dazu die Abschnitte 2.3 und 2.3.1). Auf diese Weise konstituiert das Dispositiv Kino seinen eigenen Raum, der unabhängig von bestimmten lokalen Gegebenheiten überall entstehen kann und der immer die gleichen Elemente Leinwand, Verdunkelung, Sessel und Vorführgerät aufweist. Kinosäle auf der ganzen Welt ähneln sich in der Art, wie sie Filme präsentieren. Im Sinne der in Abschnitt 1.1 vorgenommenen Unterscheidung zwischen individuellen und konventionellen Medien tritt hier der konventionelle Aspekt des Mediums Kino zutage. 55 Auch Agamben (2008 [2006]: 35) betont den Subjektivierungscharakter von Dispositiven: „Jedes Dispositiv schließt nämlich einen Subjektivierungsprozess ein, ohne den es nicht als Regierungsdispositiv funktionieren, sondern sich darauf beschränken würde, bloße Gewaltanwendung zu sein.“ 56 Lenk (1996: 13) verweist mit Hickethier darauf, dass nicht nur Apparaturen und der „kommunikative Rahmen, sondern auch die Binnenstruktur der Programme [und anderer medialer Produkte, Anm. JG & PG] in das Dispositiv-Modell“ miteinbezogen werden müssen. Darauf geht der Abschnitt 3.3.3 ein.

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Aufgrund der Herauslösung aus raumzeitlichen Kontexten zeichnet sich das Dispositiv Kino durch einen hohen Planungsaufwand und eine genaue Ausarbeitung seiner Produkte, das heißt durch kommunikative Distanz aus (vgl. Koch/Oesterreicher 1985, 2011 [1990]). Andererseits wird die Distanz, die das Dispositiv erzeugt, scheinbar aufgehoben, indem die Zeichenträger derart mit ihrer Umgebung verschmelzen, dass das Zeichen schon nicht mehr als Zeichen sichtbar ist. Der Betrachter eines Kinofilms, der den Blick der Kamera als seinen eigenen akzeptiert, wird so in das Geschehen hineingezogen, als wäre er unmittelbar an der Handlung beteiligt. Ihm wird beispielsweise in Dialogen quasi eine Face-to-Face-Situation suggeriert, die den Eindruck von Nähe erzeugt.57 Im Dispositiv wird einerseits die Umgebung zeichenhaft, andererseits ist eine Umgebung, die nur noch aus Zeichen beziehungsweise Zeichenträgern besteht, in gewisser Weise die „Realität“, sodass für Rezipienten von Kino- oder Fernsehfilmen Wirklichkeit und Medienprodukt nicht immer eindeutig auseinander zu halten sind. 58 Auf andere Weise als im Kino gelingt dies in täglich im Fernsehen ausgestrahlten Soaps. Aufgrund der zeitlichen und thematischen Kontinuität dieses Sendeformats (jeden Tag wird die Sendung mit den gleichen Schauspielern und dem gleichen Ambiente zu einer bestimmten Uhrzeit ausgestrahlt) kann das érgon in den Alltag des Rezipienten integriert werden. Dadurch verwischen die Grenzen von Anfang und Ende des medialen Ereignisses.

57 Die Vermischung von Nähe und Ferne ist auch das Kennzeichen anderer Dispositive wie zum Beispiel der Eisenbahnfahrt, vgl. Paech (1993 [1990]): 59). 58 Baudry (1999 [1975]: 400) sieht den besonderen Status der Wahrnehmung im Kino in der „relative[n] Aufhebung der Realitätsprüfung“ begründet, die das Dispositiv Kino dem Traum und der Halluzination annähert und es gleichzeitig von ihnen unterscheidet.

3

Kodierung

Die Funktion der Zeichen in der Semiose ist die Repräsentation oder Darstellung, deren allgemeine Prinzipien in Abschnitt 1.4 erörtert wurden. Dabei steht die Kodierung für Ver- und Entschlüsselungsprozesse seitens der Produzenten und Rezipienten. Gemäß der ereignisorientierten Definition der Semiose (vgl. Abschnitt 1.2) ist Kodierung ein kreatives Verfahren, das sich bestimmter Konventionen (Normen) und Systeme bedient, jedoch nicht notwendigerweise an diese gebunden ist. Kodierung ist damit mehr als die bloße Realisierung eines konventionellen semiotischen Systems (vgl. auch die Diskussion der semiotischen Systeme von Saussure und Peirce in Abschnitt 1.3). Die Mechanismen und Funktionen der semiotischen Repräsentation im Spannungsfeld von Konvention und Kreativität lassen sich unter vier systematischen Aspekten analysieren: Kodierungsart, Kodierungsgrad, Konventionalität/Innovation und Kontextualität. Die Kodierungsart (3.1) betrifft die intensionalen Eigenschaften der Repräsentation (Motivation versus Konvention; Zeigen versus Sagen; semiotisches, soziales und kognitives Handeln, Diskurs versus Narration), der Kodierungsgrad (3.2) die Verkettung medialer Prozesse. Konventionalität/Innovation (3.3) und Kontextualität (3.4) beziehen sich dagegen auf die gesellschaftlich-kulturelle Einbettung der Zeichen und Zeichensysteme.

3.1 K ODIERUNGSART Die verschiedenen Relationen zwischen Repräsentant und Repräsentat beruhen auf Mechanismen und Funktionen der Kodierung beziehungsweise Dekodierung, die in diesem Abschnitt erörtert werden. Zunächst diskutiert Abschnitt 3.1.1 die semiotischen Mechanismen von Peirce (Ikon, Index, Symbol) im Hinblick auf ihre Motivation und auf ihre Arbitrarität beziehungsweise Konventionalität. Abschnitt 3.1.2 behandelt anschließend die

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auf Wittgensteins Konzept des Sagens und Zeigens zurückgehende Gegenüberstellung der semiotischen Prinzipien Ostentation und Prädikation. Schließlich werden die semantischen Funktionen der Kodierung unter zwei unterschiedlichen Aspekten betrachtet: Einerseits geht es um die semiotische, soziale und gegenständliche Dimension der Bedeutung (3.1.3), andererseits um die von Benveniste (1959) und Weinrich (1964) vorgenommene Unterscheidung von Diskurs und Narration beziehungsweise um Besprechen und Erzählen (3.1.4). 3.1.1 Motivation und Konvention Bekanntlich unterscheidet Peirce drei Mechanismen der Darstellung: Ikon, Index und Symbol. Ein Ikon definiert er als Zeichen, das durch Analogie beziehungsweise Ähnlichkeit auf das von ihm bezeichnete Objekt verweist: I call a sign which stands for something merely because it resembles it, an icon. (Peirce 1960 [1931ff.]: 3.362, Hervorhebung im Original)

Beispielsweise ist die bildliche Darstellung eines Rinds auf einem Verkehrsschild ein Ikon, das auf solche Tiere beziehungsweise ihr Vorhandensein hinweist (die Semiotik des gesamten Verkehrszeichens ist natürlich komplexer). Die repräsentative Funktion des Ikons beruht auf dem Assoziationsmechanismus der Similarität, also der Ähnlichkeit oder Analogie des darstellenden Zeichens mit dem dargestellten Objekt (Repräsentant und Repräsentat im Sinne von Abschnitt 1.4). Ein Index ist dagegen ein Zeichen, das auf sein „Objekt durch raumzeitliche Kontiguitäts- oder Kausalitätsbeziehungen“ (Nöth 2000: 66) referiert: Supposing […] a direct dual relation of the sign to its object […], the sign signifies its object solely by virtue of being really connected with it. Of this nature are all natural signs and physical symptoms. I call such a sign an index, a pointing finger being the type of the class. (Peirce 1960 [1931ff.]: 3.361)

Wenn in einem Kaufhaus die Auslagen beleuchtet sind und die Türen offen stehen, sind dies Indices dafür, dass man dort gerade etwas kaufen kann.

K ODIERUNG

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Dabei sind Beleuchtung und offene Türen nicht einfach nur Begleitumstände der Anwesenheit des Verkaufspersonals, sondern auch willkürlich an die potenzielle Kundschaft gerichtete Zeichen der Bereitschaft zum Verkauf. Die repräsentative Funktion des Indexes beruht auf dem Assoziationsmechanismus der Kontiguität, also der mentalen Bezugsetzung von Repräsentant und Repräsentat, die zeitlich, räumlich oder kausal zusammen in Erscheinung treten. Als Symbol verweist ein Zeichen (in der Peirceschen Terminologie ein Representamen1) auf ein Objekt durch Konvention. Die entsprechende Definition von Peirce lautet: A symbol is a representamen which fulfills its function regardless of any similarity or an energy with its object and equally regardless of any factual connection therewith, but solely and simply because it will be interpreted to be a representamen. (Peirce 1960 [1931ff.]: 5.73, Hervorhebungen im Original)

Nationalflaggen haben keinen indexikalischen und zumeist auch keinerlei ikonischen Bezug zu dem Land, welches sie repräsentieren (zum Beispiel Blau-weiß-rot für Frankreich, Rot-weiß-grün für Italien). Klingelzeichen, die einem Telefon oder einer Wohnungstür zugeordnet werden, haben in der Regel keinen ikonischen oder indexikalischen Bezug zu dem, was sie darstellen (Anrufer sucht Gespräch, Besucher bittet um Einlass). Die repräsentative Funktion des Symbols beruht in erster Linie auf Konvention, das heißt auf einer gesellschaftlich erzielten Übereinkunft, auf Normen und Gewohnheiten. Im Extremfall sind konventionelle Zeichen vollständig arbiträr – so wie die sprachlichen Zeichen in Saussures (2005 [1916]) Cours de linguistique générale. In diesem Fall bestehen keinerlei Assoziationen zwischen dem Repräsentanten und dem Repräsentat. Wir haben es mit Ikon und Index auf der einen Seite und mit Symbol auf der anderen Seite mit zwei grundsätzlich unterschiedlichen Verweisfunktionen von Zeichen zu tun. Zum einen beruhen Ikon und Index auf Verfahren der Motivation: Ein Ikon verweist auf ein Objekt oder Sachverhalt beziehungsweise auf eine Klasse von Objekten oder Sachverhalten, mit 1

Genau genommen ist das Representamen im Zeichenmodell von Peirce der Zeichenausdruck, das heißt die materielle Erscheinungsform des Zeichens (siehe Abschnitt 1.3.2).

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dem oder der es Ähnlichkeiten aufweist – es referiert über Assoziationen der Similarität; ein Index verweist auf das Bezeichnete dadurch, dass es in irgendeiner Weise mit ihm zusammenhängt – es bezeichnet seinen Referenten (im weitesten Sinne) über Assoziationen der Kontiguität. Zum anderen funktioniert das Symbol allein aufgrund von Konvention, das heißt dadurch, dass es innerhalb einer Kommunikationsgemeinschaft als Repräsentant eines Objekts oder Sachverhalts beziehungsweise einer Klasse von Objekten oder Sachverhalten festgelegt ist. Nun unterscheiden sich zwar Mechanismen der Repräsentation, die auf Konvention oder auf Motivation beruhen, fundamental voneinander. Dennoch, oder gerade deswegen, schließen sich diese Verfahrensweisen der Repräsentation nicht aus (vgl. Koch 2007, Fesenmeier 2005). Daher interpretiert Koch (2007: 24–28) die Typologie von Peirce als ein Inventar kombinierbarer Eigenschaften und spricht in Bezug auf Zeichenprozesse, die sowohl konventionell als auch motiviert sind, unter anderem von „symbolischem Index“ und „symbolischem Ikon“. Das weiter oben genannte Beispiel der Beleuchtung der Auslagen und der offenen Türen eines Kaufhauses, die indexikalisch auf dessen Öffnung verweisen, steht im Sinne von Koch (2007: 27f.) nicht einfach für eine indexikalische Semiose, sondern aufgrund der Konventionalität dieser Situation für einen symbolischen Index.2 Umgekehrt ruft ein zunächst konventionelles Symbol wie das zuvor erwähnte Klingelzeichen Kontiguitätsassoziationen hervor und wird durch die Rekurrenz seiner Verwendung ebenfalls zum symbolischen Index. Als Beispiel für ein symbolisches Ikon führt Koch (2007: 27) die bildliche Darstellung aus dem Verkehrszeichen ‚verengte Fahrbahn‘ an:3 Fig. 34 Symbolisches Ikon im Verkehrszeichen ‚verengte Fahrbahn‘(§ 40 StVO)

2 3

Koch (2007: 28) wählt mit der offenen Bürotür als Aufforderung zum Eintreten ein ganz ähnliches Beispiel. Auch hier gilt, wie Koch (2007: 27) anmerkt, dass „das semiotische Konzept für ‚verengte Fahrbahn‘ insgesamt […] erheblich komplexer“ ist.

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Einerseits ist die Ähnlichkeit des Zeichens mit einer Straßenverengung durchaus nachvollziehbar. Andererseits ist das Zeichen derart stilisiert, dass es für eine eindeutige Interpretation einer konventionellen Festlegung bedarf (ausschließlich symbolisch ist überdies die dreieckige rote Umrandung als Warnhinweis). In einer anderen aus dem Verkehrsbereich entnommenen ikonischen Darstellung weist die bildliche Darstellung eines gekreuzten Essbestecks auf ein Gasthaus hin. Gemäß der Systematik von Koch (2007: 27) haben wir es hier mit einem „indexikalischen Ikon“ zu tun, da das Zeichen nicht direkt ein Gasthaus abbildet, sondern ein Teil desselben (das beim Essen benötigte Besteck), das wiederum in einem indexikalischen Verhältnis zum Gasthaus steht (pars pro toto als besondere Kontiguitätsrelation). Diese Form der Repräsentation ist zudem symbolisch, da sie konventionell ist. Darauf deuten auch die Stilisierung und die gekreuzte Anordnung von Messer und Gabel hin, die für das entsprechende Verkehrszeichen in § 42 der Straßenverkehrsordnung (StVO) festgelegt sind. Fig. 35 Indexikalisches Ikon im Verkehrszeichen ‚Autobahngaststätte‘(§ 42 StVO)

Koch (2007: 26) spricht überdies noch von „deiktischen Indices“ als Zeichen, die im Sinne von Bühler (1965 [1934]) zwar in „Abhängigkeit des ‚Zeigfeldes‘ von der Origo des Sprechers“ funktionieren, aber als solche konventionell sind. Dazu zählen hinweisende Gesten, Pfeile etc. Diese unterscheiden sich von dem, was Koch als „natürliche Indices“ im gleichen Sinne wie etwa Rauch als Zeichen für Feuer auffasst (siehe Koch 2007: 25). Im Vergleich zu allen zuvor genannten Kategorien, die sich aus seinen Überlegungen ergeben, stellen die natürlichen Indices eine Stufe der Zeichenkonstitution dar, die gemäß Koch (2007: 20) „unterhalb der Ebene

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der Intervention sprachlicher Zeichen lieg[t]“. 4 Die Semiose natürlicher Indices ist in diesem Sinne als vorsprachlich zu betrachten. Die von Koch vorgenommene Ausarbeitung der Grundkategorien von Peirce im Hinblick auf die Zeichenkonstitution lässt sich wie folgt zusammenfassen: Fig. 36 Stufen der Peirceschen Zeichenkonstitution (vgl. Koch 2007: 28) Kodierungsart

Beispiele (nichtsprachlich)

natürlicher Index

Rauch für Feuer

Symbol

Nationalflaggen, Türklingelsignal, Telefonläuten

symbolischer Index

offene Kaufhaustür/Bürotür als Aufforderung zum Eintreten

symbolisches Ikon für verengte Fahrbahn indexikalisches Ikon für Gasthaus Man kann sich angesichts dieser Tabelle fragen, ob im System von Koch ein reines Ikon oder ein reiner Index überhaupt denkbar ist, zumal selbst der natürliche Index erfahrungsbasiert, also in bestimmter Hinsicht konventionell gedacht wird.5 Demnach ruft die Wahrnehmung von Rauch aufgrund früherer sinnlicher Erfahrungen die allgemeine Vorstellung von Feuer auf, unabhängig vom dazugehörigen, konkreten Feuer. In der Auffassung von Koch zeigt sich eine Verschiebung gegenüber der hier vertretenen ereignisorientierten Zeichenauffassung hin zu einer überwiegend konventionellen, zumindest aber immer erfahrungsbasierten Konzeption der Semiose.

4 5

Für alle anderen Typen liefert Koch (2007: 26ff.) sprachliche und nicht sprachliche Beispiele. Konventionalität kann einerseits als das Ergebnis einer gemeinschaftlichen Übereinkunft, Praxis etc. verstanden werden oder im Sinne von Eco (1987 [1976]: 46f.) als Erfahrung eines Individuums, das ein einzelnes Ereignis oder Exemplar (token) einem allgemeinen Modell (type) zuordnet.

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Nun stellt sich die Frage, ob diese Konzeption, die auf kognitiven Faktoren beruht, überhaupt mit dem hier vertretenen ereignisorientierten Ansatz kompatibel ist. Man kann diese Frage dann bejahen, wenn in einer solchen kognitiven Semiotik die Möglichkeit von Spontaneität und Kreativität bei der Schaffung von Zeichen vorgesehen ist. Das Postulat einer ereignisorientierten Zeichen- und Medialitätstheorie impliziert nämlich, dass Zeichen und Medien spontan entstehen können, wenn Interpretanten sie als solche betrachten. Dies schließt Interpretationen ein, die irrtümlich geschehen (ein zufälliger Steinhaufen wird als Wegmarkierung missverstanden, siehe Abschnitt 1.2.2) oder metaphysisch motiviert sind (Donner als Gotteszeichen). Dazu gehören aber ebenso kreative mediale Schöpfungen seitens des Produzenten, die die Konventionalität überschreiten oder durchbrechen und dennoch als zeichenhafte Medien gedeutet werden, beispielsweise Schwitters’ dadaistische „ursonate“ (in mehreren Versionen in den 1920ern und Anfang der 1932er verfasst): „Fümms bö wö tää zää Uu […]“ (Schwitters 1973: 214ff.). Neben der Motivation der Repräsentationsbeziehung zwischen Zeichen und Referenten, die auf Similaritäts- oder Kontiguitätsassoziationen beruhen, gibt es einen weiteren Mechanismus der Repräsentation von Objekten, der auf bestimmten Identitätsrelationen fußt. Bei dieser weder von Peirce noch von Koch behandelten Form der Kodierung durch Identitätsmotivation lassen sich zwei Typen unterscheiden: Der eine beruht auf generischer Identität (entsprechend der Bedeutungen von lateinisch idem und deutsch gleich), der andere auf spezifischer Identität (entsprechend lateinisch ipse und deutsch selbst). Die Repräsentation durch generische Identität lässt sich anhand eines Ausstellungsstücks in einem Geschäft, beispielsweise ein Handy, exemplifizieren: Es signalisiert, dass ein solches Objekt gegen Geld erhältlich ist. Damit ist das Handy ein Zeichen für weitere Handys dieses Typs, mit denen es identisch ist. Es handelt sich dabei um Identität des Typs (idem) und nicht des Objekts, denn ein Käufer erhält in der Regel ein anderes Exemplar als das Ausstellungsstück.6 Sollte der Käufer dennoch das Ausstellungsstück bekommen, verliert es bis zur Aushändigung nicht seine generische Verweisfunktion. Generell 6

Das Ausstellungsstück ist nur durch den Kontext „Kaufhausvitrine“ als solches erkennbar. Die Bedeutung des Kontextes für die Kodierung, die in diesem Beispiel unübersehbar ist, behandeln wir ausführlich in Abschnitt 3.4.

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lässt sich für alle Waren in einem Kaufhaus oder Supermarkt, unabhängig davon, ob es ein Ausstellungsstück gibt oder nicht, Paechs Beschreibung des von ihm so genannten „exemplarischen Dispositivs“ Warenhaus anführen. Dessen zentrale Funktion kann man unschwer als Relation der generischen Identität ausmachen: Im Warenhaus ist der reale Gegenstand, solange er zum Verkauf angeboten wird, also Ware ist, real nur als Tauschwert, als Gebrauchswert dagegen irreal, d.h. als Gegenstand nur imaginär. Da die Ware nicht gegenständlich genommen, sondern nur vorgestellt werden darf (und soll), bleiben Betrachter und Objekt getrennt, solange, bis der Tauschwert realisiert, der Gebrauchswert eingelöst, die Ware zum Gegenstand des Gebrauchs geworden ist. (Paech 1993 [1990]: 59)

Das zweite Beispiel steht für spezifische Identität: Ein Musikstück verweist in der Regel nur auf sich selbst, und zwar als singuläres Ereignis. Form und Inhalt des Zeichenkomplexes sind in diesem Fall identisch (ipse). Die auf spezifischer Identität beruhende Kodierungsart geht mit Prozessen der subjektiven Referenz einher, die in Abschnitt 3.1.3 ausführlich diskutiert werden. Während es in diesem Abschnitt überwiegend um das Verhältnis von Zeichen und Referenz (im weitesten Sinne) ging, wird in den folgenden Abschnitten das Verhältnis des Zeichens zum Produzenten und zum Rezipienten stärker beleuchtet. Es geht bei der Kodierungsart nämlich nicht nur darum, wie Zeichen und Medien das Bezeichnete repräsentieren, sondern auch darum, wie die Vermittlung zwischen Produzent und Rezipient gestaltet wird. 3.1.2 Ostentation und Prädikation In seinem Tractatus logico-philosophicus unterscheidet Wittgenstein (1922: §4.022) zwischen den sprachlichen Funktionen des Zeigens und des Sagens, wobei er als gesagt betrachtet, was durch eine Prädikation ausgedrückt wird. Alles Gezeigte wird dagegen durch Ostentation dargestellt. Wir wollen dies anhand der folgenden Äußerung erläutern: (8) Der Präsident ist zurückgetreten

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Hier wird einerseits der Sachverhalt prädiziert, dass der Präsident zurückgetreten ist, und andererseits durch den Satztyp (Aussagesatz) und den Modus (Indikativ) eine Assertion, das heißt eine Behauptung dieses Sachverhalts ausgedrückt. Im Sinne von Wittgenstein wird der Sachverhalt in diesem Beispiel gesagt und die Assertion gezeigt. Mit einer Prädikation wird beim Rezipienten eine Vorstellung aktiviert, die erst durch die Behauptung vom Produzenten als real gekennzeichnet wird. In diesem Sinne definiert Ducrot (1984: 151) das Gesagte als den Teil der Äußerung, der verhandelbar ist (vgl. auch Nølke 1994: 113f., Nølke et al. 2004: 61f., 70–73, Kronning 1996). Demnach ist das Gezeigte einer Äußerung nicht verhandelbar. In Beispiel (8) kann der Sachverhalt des Rücktritts verhandelt werden, die Behauptung selbst aber nicht. Dies zeigt die Akzeptabilität der darauf folgenden Repliken, die in den Beispielen (9) und (10) aufgeführt werden: (9) Nein, der Präsident ist nicht zurückgetreten [akzeptabel] (10) *Nein, du hast nicht behauptet, dass der Präsident zurückgetreten ist [nicht akzeptabel] Beispiel (9) zeigt, dass der prädizierte Sachverhalt verhandelbar ist, während es die Behauptung dieses Sachverhalts nicht ist, wie man aus Beispiel (10) ersehen kann: Man kann zwar das in der Äußerung (8) Behauptete in Zweifel ziehen, nicht aber dessen Behauptung. Diese Unterscheidung findet man in der cartesianisch inspirierten Modalitätstheorie von Bally (1965) wieder, derzufolge das Behauptete mit dem Dictum und die Behauptung mit dem Modus gleichgesetzt werden kann. Demnach gehört die Prädikation zum Dictum (lateinisch ‚das Gesagte‘), während die Ostentation mit bestimmten Formen der Modalität korreliert, wie das folgende Beispiel zeigt: (11) Der Präsident muss zurückgetreten sein Die Verwendung des Modalverbs müssen in Beispiel (11) signalisiert, dass der Sprecher Grund zur Annahme hat, dass der Präsident zurückgetreten ist. Damit unterstreicht er den Behauptungscharakter seiner Äußerung. Dass auch dies zum Gezeigten gehört, kann man daran ersehen, dass die Modalisierung nicht verhandelbar, das heißt in unserem Fall nicht erfragbar ist, wie Beispiel (12) zeigt:

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(12) *Muss der Präsident zurückgetreten sein? [nicht akzeptabel] Die Funktion des Sagens, die Prädikation, erweist sich als Besonderheit, ja als Privileg der sprachlichen Kommunikation.7 Betrachtet man andere Formen der Kommunikation, wird deutlich, dass diesen überwiegend die Funktion des Zeigens, die Ostentation, zugrunde liegt. Beispielsweise ist der in einem Gemälde dargestellte Sachverhalt gezeigt, denn das Darstellende ist kein Prädikat, das arbiträr im Sinne Saussures sein müsste, sondern eine Zusammenstellung von mehr oder weniger realistischen ikonischen Zeichen, die nicht arbiträr sind (siehe Abschnitt 3.1.1). Die Repräsentation des Gemäldes ist daher nicht prädikativ. Ostentation geht wiederum vor allem mit Präsenz einher (vgl. zum Beispiel Kiening 2007) und ist weniger stark an Linearität gebunden als Prädikation (vgl. dazu Abschnitt 2.2.1). Diese Prinzipien kann man anhand von zwei medialen Darbietungsformen aufzeigen, der Theateraufführung und der Erzählung. 8 Aufgrund der Art der Wahrnehmung (vgl. Abschnitt 2.2 und insbesondere 2.2.1) können Figuren auf der Bühne gleichzeitig spre7

8

In der Sprache der logischen Semantik können Prädikationen zwar formal dargestellt werden, sprachtheoretisch gesehen kann Logik jedoch nicht als eigenständiges Sprachsystem betrachtet werden, sondern stellt lediglich ein Substrat des sprachlich gebundenen Denkens dar. Eigenständige Prädikationen in einem mehr als rudimentären Ausmaß drücken lediglich Gebärdensprachen aus. Rudimentäre Formen der Prädikation repräsentieren beispielsweise einige Verkehrsschilder (so besagt die Zahl 30 in einem roten Kreis, dass man auf der Straße, an der das betreffende Schild aufgestellt ist, nicht schneller fahren darf als 30 km/h). Die Unterscheidung von Theateraufführung und Erzählung entspricht im Großen und Ganzen Platons Unterscheidung von ȝȓȝİıȚȢ (Mimesis, Nachahmung) und įȚȒȖȘıȚȢ (Diegesis, Bericht) in Der Staat (3.394c). Allerdings ist zu bemerken, dass die Erzählung durch mimetische Figurenrede unterbrochen sein und die Figurenrede auf der Bühne in seltenen Fällen (zum Beispiel der Botenbericht) auch erzählerische Formen annehmen kann. Auf diese Möglichkeiten der Kombination weist bereits Platon hin: „Die dritte, die beide Arten [Mimesis und Diegesis, JG & PG] vereint, findest du in der Dichtung der Epen und auch sonst vielfach, wenn du mich verstanden hast.“ (Der Staat 3.394c) Gleichwohl sind die Begriffe Mimesis und Ostentation sowie Diegesis und Prädikation nicht deckungsgleich, denn Mimesis und Diegesis sind rein sprachliche Phänomene. Mimesis bezieht sich bei Platon und Aristoteles auf „die nachahmende Rede“, das sprachliche Nachahmen menschlichen Handelns im Drama, während Diegesis die Erzählung meint (Platon: Der Staat 3.393c f., Aristoteles Poetik 1. Buch). Zur Bandbreite der Bedeutung von Mimesis siehe Petersen (1992) und (2000).

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chen oder singen, während unterschiedliche Äußerungen des Erzählers, auch bei Redewiedergabe, hintereinander aufgeführt werden müssen. Damit hängt zusammen, dass die überwiegend ostentative Bühnendarstellung nur in sehr eingeschränktem Maße mit Anachronien (Vor- und Rückgriffen) und Anisochronien (Rhythmuseffekten) kombiniert werden kann, was wiederum in der prädikativ geprägten Erzählung problemlos möglich ist. Während beispielsweise in der Epik zeitliche Vor- und Rückgriffe sowie Dehnungen und Raffungen üblich sind, lässt sich eine Umstellung der Chronologie im Drama nur eingeschränkt realisieren, da hier das vermittelnde Kommunikationssystem in Form eines Erzählers im Normalfall fehlt und die Figuren sich unmittelbar durch ihre Präsenz darstellen. Sie und ihre Äußerungen werden gezeigt, und es entsteht der Eindruck „unmittelbarer Gegenwärtigkeit des dargestellten Geschehens, der Gleichzeitigkeit des Dargestellten mit der Darstellung“ (vgl. Pfister 1994: 22f.). Ostentation ist in diesem Sinne ein universelles Prinzip der Kodierung, auf dem auch jede sprachliche Äußerung beruht. So gibt es sprachliche Verlautbarungen, die rein ostentativ sind, wie etwa die zustimmende Äußerung ja. Dagegen sind Prädikationen, wie gesehen, nur in sprachlichen Äußerungen möglich und stets in einem ostentativen Rahmen eingebettet.9 Die herausragende Stellung der Sprache in der menschlichen Kommunikation beruht im Wesentlichen darauf, dass die Prädikation dem Menschen ermöglicht, „sich Dinge [...] vorzustellen, die er nicht vor Augen hat, die nicht aktuell, ja nicht einmal real sind“ (Gévaudan 2013: 74). 10 Die Prädikation löst die Sprache als Zeichensystem aus ihrer sinnlichen Verankerung, denn nur sie ist in der Lage, in hohem Maße abstrakte Gegenstände und Sachverhalte sowie Negationen darzustellen. Aufgrund des Abstraktionspotenzials der Prädikation kann Sprache zudem über alle anderen Medien sprechen, einschließlich über sich selbst. Ist Realität schon immer medial vermittelt, so befähigt erst die prädikative Darstellung von Sachverhalten die Sprecher, sie diskursiv auszuhandeln (vgl. Habermas 1981, Foucault 1969 und 1971b).

9

Auf diese Basis der Ostentation referiert die Monographie Was sich zeigt (Mersch 2002a). 10 Darauf deutet auch die Korrelation von Sagen und Konvention hin, die einer Korrelation von Motiviertheit und Zeigen gegenüber steht.

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3.1.3 Kommunikative Handlungsqualitäten und Ebenen der Bedeutung In den zwei vorangegangenen Abschnitten haben wir uns mit den Mechanismen der Kodierung, also mit dem Wie der Repräsentation von Zeichen befasst. Anders ausgedrückt, ging es dabei um das Verhältnis von Repräsentant und Repräsentat. An dieser Stelle wollen wir uns nun mit der Substanz des Repräsentats befassen, also mit dem Was der Repräsentation von Zeichen. Damit stellen wir die Frage nach den Dimensionen der Bedeutung. Gemäß dem ereignisorientierten Begriff der Semiose ist Bedeutung das Resultat von kommunikativen Handlungen. Daher leiten sich die Dimensionen der Bedeutung aus den der Semiose innewohnenden Handlungsqualitäten her. 11 Grundsätzlich kann man drei Handlungstypen der semiotischen Kommunikation unterscheiden: Ausdruck, Appell, Bezeichnung. Diese Begrifflichkeit erinnert zwangsläufig an das Organon-Modell von Bühler (1965 [1934]: 28ff.) mit seinen Zeichenfunktionen „Ausdruck“, „Appell“ und „Darstellung“. Dies ist kein Zufall, denn wenn Bühler „Funktionen“ oder „Leistungen“ der Sprache beschreibt, meint er letztlich Handlungsqualitäten der Sprechtätigkeit. Wenn ein Medium nämlich als Organon, also als kommunikatives Werkzeug definiert wird, sind die Funktionen dieses Werkzeugs zwangsläufig handlungsbezogen. Daher sind die Zeichenfunktionen von Bühler eigentlich kommunikative Handlungsfunktionen. 12 Dies lässt sich auch aus Bühlers eigener Beschreibung der Zeichenfunktionen herauslesen, die er alternativ auch als Symbol (Darstellung),13 Symptom (Ausdruck) und Signal (Appell) bezeichnet: 11 Der zentrale Begriff der medialen und sprachorientierten Handlungstheorien ist Performanz. Zu den medien- und sprechakttheoretischen Implikationen des Performanzbegriffs vgl. Abschnitt 2.3.1. 12 Es verwundert also nicht, dass sich auch eine starke Parallele zur Sprechakttheorie von Austin (1962) und Searle (1969) ziehen lässt, die ihrerseits dezidiert handlungsbezogen argumentiert. Vergleichbar sind hier die Termini des lokutionären Akts (Ausdruck) und des illokutionären Akts (Appell) bei Austin (1962) sowie des propositionalen Akts (Bezeichnung) bei Searle (1969). 13 Der Begriff „Symbol“ ist bei Bühler anders definiert als bei Peirce: Ging es bei diesem um das Wie, um die konventionell begründete Verbindung zwischen Repräsentat und Repräsentant, geht es Bühler um das Was, das heißt um die Bedeutung des Repräsentats.

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[Das (komplexe) Sprachzeichen] ist Symbol kraft seiner Zuordnung zu Gegenständen und Sachverhalten, Symptom (Anzeichen, Indicium) kraft seiner Abhängigkeit vom Sender, dessen Innerlichkeit es ausdrückt, und Signal kraft seines Appells an den Hörer, dessen äußeres und inneres Verhalten es steuert wie andere Verkehrszeichen. (Bühler 1965 [1934]: 28)

Als Symbol denotiert das Zeichen in Bühlers Verständnis objektive Dinge, das heißt Gegenstände und Sachverhalte, auf die die Kommunikanten verweisen können. Als Symptom drückt das Zeichen Bühler zufolge die subjektive Innerlichkeit des Produzenten (des „Senders“) aus. Als Signal übt es einen Einfluss auf den Rezipienten aus und fungiert damit als intersubjektives Medium der Kommunikation von Produzent und Rezipient. Diese dreidimensionale Konzeption der kommunikativen Handlungsqualitäten lässt sich auch auf die wichtigsten Kategorien der Sprechakttheorie übertragen (vgl. Anmerkung 12). Sie kann daher in sprachtheoretischer Hinsicht als frühes ereignisorientiertes Bedeutungsmodell betrachtet werden. Für die Integration dieses Modells in den Rahmen der bisher diskutierten Prinzipien einer ereignisorientierten Medientheorie müssen im Folgenden allerdings noch einige Präzisierungen vorgenommen werden. Zunächst lassen sich die drei Handlungstypen Ausdruck, Appell und Bezeichnung auf die Tätigkeit des Produzenten in der Interpretation des Rezipienten beziehen. Entsprechend dem in Abschnitt 1.2.2 postulierten Primat der Rezeption, demzufolge nur diejenigen Ereignisse semiotisch sind, die als solche rezipiert werden, sind kommunikative Handlungen im Wesentlichen auf den Produzenten bezogen. Als interpretierender Beobachter blendet sich der Rezipient normalerweise aus. Hinzu kommt, dass die Rezeption selbst zwar eine Tätigkeit ist, sich aber nicht physisch oder materiell manifestieren muss. Das Rezipieren und Interpretieren erzeugt in diesem Sinne Bedeutung, ist selbst aber nicht bedeutsam. Dies zeigt sich bereits in der Diskussion des Performanzbegriffs in Abschnitt 2.3.1. Die Handlungsqualität des Ausdrucks besteht aus der Perspektive des Rezipienten im Produzieren des Zeichens durch den Produzenten. Dabei geht es also um die Performanz des Produzenten. In der medialen Produktionstätigkeit kommt einerseits die Materialität des Zeichens zum Tragen, da die Produktionstätigkeit direkt und indirekt auf sie zurückzuführen ist. Direkt, wenn sie gleichzeitig wahrnehmbar ist, indirekt, wenn sie lediglich aus dem vorhandenen Medium deduzierbar ist. Andererseits ist die Produk-

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tionstätigkeit der Auslöser für die dialogische Reziprozität der Kommunikation (vgl. Benveniste 1970). Aus diesen Gründen ist bereits die Produktion von Zeichen kommunikativ relevant und damit bedeutsam. Dagegen ist der von Bühler ins Feld geführte Ausdruck der „Innerlichkeit“ in diesem Zusammenhang missverständlich, denn genau genommen gehört er in die Dimension des Appells. Es handelt sich dabei nämlich nicht um die Ausdruckstätigkeit als solche, sondern vielmehr um eine soziale Stellungnahme, die dem Adressaten zur Kenntnis gegeben wird und die ihn implizit auffordert, auf diese „Innerlichkeit“ zu reagieren. Im Allgemeinen besteht die Handlungsqualität des Appells im Aufforderungs-, Verpflichtungs- oder Verantwortungsaspekt des kommunikativen Handelns. Der appellative Handlungscharakter des Produzierens von Zeichen ist ebenso wie dessen Ausdruckscharakter auf Reziprozität angelegt. Beispielsweise verpflichtet sich der Autor eines Zeitungsberichts auf die Richtigkeit der von ihm gemachten Angaben – damit fordert er zugleich den Leser auf, seiner Berichterstattung Glauben zu schenken. Diese Konzeption des Appells als kommunikativer Handlung stimmt mit der von Bühler überein. Im Bezeichnen schließlich bezieht der Produzent das Zeichen auf Gegenstände und Sachverhalte beziehungsweise auf deren mentale Repräsentation. Problematisch am Begriff „Darstellung“ bei Bühler ist, dass dieser auf die Repräsentation als allgemeines Prinzip anzuwenden ist, wie es in Abschnitt 1.4 vorgestellt wurde. Hier geht es jedoch ausschließlich um objektive Repräsentation.14 Nun kann man unterscheiden zwischen der Handlungsqualität der Semiose, die der im Kommunikationsmodell in Abschnitt 1.2 (vgl. auch Fig. 4) vorgestellten Dimension der enérgeia entspricht, und der Bedeutung des Zeichens als solchem, die in diesem Modell in der Dimension des érgons anzusiedeln ist. Als érgon hat das Zeichen, entsprechend den drei genannten Handlungsqualitäten der Semiose, drei Bedeutungsaspekte: Die expressive, die appellative und die designative Bedeutung. Die Dimensionen der Bedeutung in der enérgeia und im érgon fasst die folgende Tabelle zusammen:

14 In Ermangelung eines treffenderen Terminus’ soll die objektiv verweisende Kommunikationshandlung hier Bezeichnung genannt werden.

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Fig. 37 Handlungsqualitäten (enérgeia) und Ebenen der Bedeutung (érgon) enérgeia

érgon

subjektiv

Ausdruck (Produktion v. Zeichen)

expressive Bedeutung

intersubjekiv

Appell (jdn./sich verpflichten)

appellative Bedeutung

Bezeichnung (beschreiben, verweisen)

designative Bedeutung

objektiv

Die expressive Bedeutung resultiert unmittelbar aus der Existenz des Zeichens. Durch seine Präsenz zeigt es sich in seiner Materialität, seinem Sinnbereich (im Hinblick auf seine Art der Wahrnehmung, vgl. 2.1.3) und in seiner Struktur. Beispielsweise sind das Erscheinungsbild, die Sprache und der Stil eines Textes Teil seiner expressiven Bedeutung – ebenso verhält es sich mit der materiellen Beschaffenheit eines Bildes, Untergrund, Rahmen, Format, Farbtyp (Kreide, Wasser-, Ölfarbe, Lack etc.), Struktur des Farbauftrags (zum Beispiel Pinselführung) und Komposition. Die aufgezählten Aspekte werden nicht nur aufgrund ihrer materiellen Erfordernisse, sondern auch im Rahmen von Konventionen kombiniert und realisiert. Diese Konventionen haben sich innerhalb bestimmter Traditionen herausgebildet. Sie können jedoch stets innovativ aufgebrochen werden.15 Auf Konventionalität und Innovation, deren Verhältnis je nach medialer Konstellation außerordentlich vielschichtig sein kann, gehen wir in Abschnitt 3.3.1 ein. Ein weiterer fundamentaler Aspekt der expressiven Bedeutung ist durch die Zeichenhaftigkeit des Vermittlungsobjekts gegeben: Dieses impliziert als Zeichen notwendigerweise einen medialen Kommunikationsrahmen, der Produktions- und Rezeptionskontexte partiell einbezieht. Die appellative Bedeutung des Zeichens repräsentiert eine Anweisung oder ein Rezeptionsangebot an den Adressaten. Sie kann handlungs- (Angebot, Versprechen, Aufforderung, Erlaubnis, Verbot), einstellungs- (Emotion, Evaluation, Wunsch) und informationsorientiert (Behauptung, Zusicherung, 15 Innovationen können im Laufe der Zeit durch Wiederholung und Tradierung wiederum selbst zu Konventionen werden.

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Erklärung, Vermutung, Frage) sein. Das Formular, das ein Gast beim Einchecken in einem Hotel ausfüllen muss, stellt beispielsweise einen Fragekatalog dar, der informationsorientiert ist. Das Pausenzeichen in der Schule signalisiert Lehrern und Schülern das Ende der Unterrichtsstunde (informationsorientiert) und erlaubt das Verlassen des Klassenzimmers (handlungsorientiert). Der Beifall am Ende eines Konzerts ist als Bekundung der Wertschätzung einstellungsorientiert (evaluativ und emotiv). Schließlich ist die designative Bedeutung im weitesten Sinne referierend, wobei hier nicht nur die Bezugnahme auf konkrete Gegenstände und Sachverhalte gemeint ist, sondern auch die auf generische Abstrakta. Wie wir im vorigen Abschnitt gesehen haben, sind sprachliche Repräsentationen auf der Ebene der gegenständlichen Bedeutung prädikativ (gesagt) und nicht sprachliche Repräsentationen ostentativ (gezeigt). Die designative (und ostentative) Bedeutung eines Portraits zum Beispiel ist die Repräsentation der abgebildeten Person. Ein rotes Kreuz auf einem weißen Kasten referiert ostentativ auf eine Erste Hilfe-Ausrüstung. Die sprachliche Äußerung In diesem Kasten befindet sich eine Erste Hilfe-Ausrüstung verweist auf dasselbe, allerdings prädikativ. Die Ebenen der Bedeutung stehen in einem Inklusionsverhältnis. Zunächst hat jedes Zeichen eine expressive Bedeutung. Die appellative und designative Bedeutung sind dagegen fakultativ, das heißt: Ein Zeichen muss nicht notwendigerweise eine designative oder eine appellative Bedeutung haben. Ein abstraktes Gemälde, eine Fuge von Johann Sebastian Bach, eine Äußerung ohne Proposition (zum Beispiel ein zustimmendes ja) haben keine designative Bedeutung. Andere Zeichen haben eine designative, aber unter Umständen keine appellative Bedeutung, was zum Beispiel bei einem Portrait der Fall sein kann. Wenn es jedoch eine Bedeutung auf allen drei Ebenen gibt, wie beispielsweise bei einem Verkehrschild, das einem Verkehrsteilnehmer eine bestimmte Fahrerlaubnis (Vorfahrt) erteilt, indem es ihm signalisiert, dass er sich auf einer Vorfahrtsstraße befindet, dann ist die designative Bedeutung in der appellativen Bedeutung und diese wiederum in der expressiven Bedeutung eingebettet (vgl. Gévaudan 2013: 71ff.). 3.1.4 Kommunikative Einbindung durch das Zeichen Wir haben im vorigen Abschnitt gesehen, dass Zeichen primär auf Kommunikationshandlungen gerichtet sind und ihre Bedeutung demzufolge deren

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Handlungsqualitäten ausdrückt. Den Zusammenhang zwischen Zeichenbedeutung (érgon) und Kommunikationshandlung (enérgeia) haben wir aus dem in Abschnitt 1.2 vorgestellten Kommunikationsmodell hergeleitet. In diesem Kommunikationsmodell zeigt sich, neben der grundsätzlichen Unterscheidung von enérgeia und érgon, dass die Produktions- und Rezeptionskontexte eines semiotischen Prozesses mehr oder weniger stark übereinstimmen können. Dieser Grad der Übereinstimmung von Produktionsund Rezeptionskontext – sofern bei der Produktion des Zeichens vorgesehen – ist als Grad der Einbindung des Rezipienten im Zeichen kodiert und korrespondiert mit den unterschiedlichen Typen der Adressierung, die in Abschnitt 1.2.3 klassifiziert wurden. Vergleicht man beispielsweise ein Alltagsgespräch, eine Gebrauchsanweisung und eine Erzählung, erkennt man sofort, dass der Grad der Rezipienteneinbindung je unterschiedlich ist. Beim Alltagsgespräch ist die Rezipienteneinbindung am höchsten, da sich das Gesagte hier an einen spezifischen Adressaten richtet, der Produktions- und der Rezeptionskontext zeitlich und räumlich übereinstimmen, die Gesprächsbeteiligten sich kennen und auf eine gemeinsame Lebenswelt zurückgreifen. Eine Gebrauchsanweisung richtet sich dagegen an die Rezipientengruppe der Benutzer des in der Anleitung beschriebenen Geräts. Diese werden durch die Lektüre zu konkreten Handlungen (zum Beispiel den Zusammenbau oder die sachgemäße Inbetriebnahme des betreffenden Geräts) aufgefordert. Mit einer Erzählung wird dagegen eine relativ unspezifische Lesergruppe angesprochen, die durch die Lektüre zumeist nicht zu einer bestimmten Handlung aufgefordert wird und deren Kontext lediglich über den Text mit dem Produktionsprozess verbunden ist. Selbstverständlich ist die Einbindung des Rezipienten nicht nur dem sprachlichen Zeichen vorbehalten. Auch bildende Kunst/Malerei oder Musik können den Rezipienten zu bestimmten Handlungen auffordern. So kann ein Altarbild oder eine Ikone beim Rezipienten ein Gebet auslösen, ein Trauermarsch kann das Schritttempo der Trauernden regulieren etc. Die in diesen Beispielen gezeigten Unterschiede lassen sich gemäß den drei Bedeutungsebenen, die im vorigen Abschnitt erläutert wurden, als semiotische, soziale und kognitive Einbindung des Rezipienten ausdifferenzieren. Der Grad der semiotischen Einbindung des Rezipienten verläuft kontinuierlich von der Hinwendung zu einem konkreten Adressaten („Peter, weißt du schon, dass…“), zu einer spezifischen Adressatengruppe, einer

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unspezifischen Adressatengruppe bis hin zur Rezeption durch unbeteiligte oder sogar unautorisierte Dritte. 16 Ein unautorisierter Rezipient ist beispielsweise ein Gast eines Restaurants, der zufällig ein Gespräch am Nebentisch mit anhört. Aber auch ein Philologe des 21. Jahrhunderts, der mittelalterliche Verträge untersucht, um etwas über die Sprachstrukturen dieser Textgattung in dieser Epoche zu erfahren, ist aus der Perspektive der ursprünglichen Vertragsparteien unautorisiert. Ein Ethnologe, Kunsthistoriker oder Musikwissenschaftler etwa ist idealiter bezüglich der mit Kunstwerken verbundenen (religiösen) Rituale ein unbeteiligter Außenstehender. Soziale Einbindung besteht, wenn der Rezipient durch das Zeichen zu einer bestimmten Handlung oder einer bestimmten Einstellung aufgefordert wird. Die soziale Einbindung des Rezipienten korreliert bis zu einem gewissen Grad auch mit der semiotischen Einbindung. Die Narration kann als Sonderfall der Einbindung von Rezipienten angesehen werden, da sie in der Regel ein doppeltes Kommunikationssystem mit einem äußeren und einem inneren Rahmen aufweist.17 Auf der Ebene des äußeren Rahmens kommunizieren Autor (beziehungsweise, wenn man kein Anhänger der „Autorintention“ ist, der Text) und empirischer Leser, auf der Ebene des inneren Rahmens kommunizieren Figuren. Anhand von Weinrichs Begriffspaar „besprochene und erzählte Welt“ (Weinrich 196418) lässt sich dieser doppelte Rahmen verständlich machen. Das Konzept der besprochenen Welt kann man anhand eines Briefes exemplifizieren, in dem der Absender und der Adressat namentlich oder pronominal (ich/Du/Sie) genannt werden. Die im Text explizit repräsentierten Kommunikationsbeteiligten, also der Absender und der Adressat, entsprechen den empirischen Personen, durch die der Brief produziert und rezipiert wird. In der erzählten Welt der Narration stehen Personen und Personalpronomen dagegen nicht für die empirischen Kommunikationsbeteiligten, das heißt nicht für Autor und Leser, denn bekanntermaßen sind Autor und Erzähler sowie empirischer und impliziter Leser nicht zu verwechseln. Beim Besprechen gibt es

16 Vgl. dazu die in Goffman (1981: 131ff.) beschriebenen Formen der Rezeption, die bereits in Abschnitt 1.2.3 (Anmerkung 18) erwähnt wurden. 17 Das gilt auch für das Drama, allerdings entfällt hier das vermittelnde Kommunikationssystem, sodass sich äußeres und inneres Kommunikationssystem unvermittelt überlagern (siehe Pfister 1994: 20–22). 18 Bereits Benveniste (1959) spricht von „plan d’énonciation du discours“ und „de l’histoire“.

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folglich eine unmittelbare Rezipienteneinbindung, beim Erzählen dagegen nur eine mittelbare. Da die erzählte Wirklichkeit nicht Teil der Realität des Rezipienten ist, muss der Erzähltext besondere Strategien der Rezipienteneinbindung entwickeln. Der Autor kann die Rezipienten für seinen Text interessieren, indem er ihnen zeigt, inwiefern die Rezeption des fiktiven Textes für sie interessant ist. Das erreicht er auf den drei oben genannten Ebenen (semiotisch – sozial – kognitiv). Die semiotische Einbindung entspricht in literarischen Texten im Wesentlichen der poetischen Funktion der Sprache von Roman Jakobson (2007 [1969]), die man auch als Ästhetik oder Stil bezeichnen könnte. Für die Medialität der Literatur spielt diese Form der Rezipienteneinbindung eine bedeutende Rolle. Darüber hinaus binden einige literarische Texte ihre Leser aber auch auf der sozialen oder der kognitiven Ebene ein. Literatur, die den Leser sozial einbindet, erreicht dies, indem sie vorbildliche Handlungsmodelle vorstellt, an denen sich der Leser orientieren kann. Dies ist ein Ziel der Literatur des 18. Jahrhunderts oder der littérature engagée. Kognitive Einbindung strebt beispielsweise die Literatur des Naturalismus an. Die naturwissenschaftlichen Versuchsanordnungen, wie sie etwa von der Poetik Émile Zolas oder Arno Holz’ favorisiert werden, suggerieren, dass der Leser durch die Literatur etwas über die Welt erfahren kann.

3.2 K ODIERUNGSGRADE Kodierung regelt nicht nur das Verhältnis von Repräsentant zu Repräsentat, sondern auch dasjenige unterschiedlicher Medien zueinander. Einige mediale Systeme bauen ihre Kodierung auf der Basis eines oder mehrerer anderer Systeme auf. Beispielsweise kodiert Alphabetschrift das System der gesprochenen Sprache.19 Stenographie wiederum basiert im Wesentlichen auf der Kodierung der Alphabetschrift.20 Ein mediales Ereignis kann 19 Allerdings waren die Anfänge des Schriftsystems losgelöst von Sprache, da Schrift zunächst typischerweise für Mengenangaben, Listen, Inventare etc. verwendet wurde (vgl. Koch 1997, 2007). 20 Damit ist nicht gemeint, dass die Stenographiezeichen sich aus den einzelnen Buchstaben entwickelt hätten, sondern dass Stenographie die Alphabetschrift in Bezug auf die Schreibgeschwindigkeit optimiert.

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also mehrfach kodiert sein, ohne dass es sich dabei um multimediale Kommunikation im Sinne von Abschnitt 2.2.3 handelt, das heißt um Medienkombination als ein Zusammenwirken verschiedener Medien auf der gleichen Ebene. Ein mediales System, dessen Kodierung unabhängig von anderen medialen Systemen ist, kann man als basiskodiert bezeichnen. Baut die Kodierung eines medialen Systems dagegen auf einem anderen medialen System auf, wie es bei der schriftlichen Kodierung mündlicher Sprache der Fall ist, liegt Transkodierung vor. 21 Diese Art der medialen Hintereinanderschaltung weist einen höheren Kodierungsgrad auf als mediale Systeme, die basiskodiert sind. Inwiefern Basismedien22 durch den Verweis auf andere Basismedien ebenfalls einen höheren Kodierungsrad erlangen können und wie sich diese Hintereinanderschaltung unter anderem von derjenigen der Transkodierung unterscheidet, soll Gegenstand des nächsten Kapitels sein. 3.2.1 Intermedialität, Transkodierung und Reproduktion Eine besondere Art der Referenz liegt vor, wenn der Referent eines medialen Ereignisses selbst medial ist.23 Bei dieser Art von Referenz sind drei Konstellationen denkbar: Im ersten Fall verweist das repräsentierende Medium intermedial auf das repräsentierte Medium. Im zweiten Fall transkodiert es das repräsentierte Medium. Im dritten Fall schließlich ist das repräsentierende Medium ein reines Übermittlungs- und Produktionssystem, das selbst nicht in Erscheinung tritt, sondern das repräsentierte

21 Der Begriff der Transkodierung ist an den in 2.3.2 ausführlich erörterten Begriff der Transmedialität angelehnt: Der Rezipient nimmt bei beiden Phänomenen nur ein Medium als distinkt war, während in der enérgeia jeweils ein Medienwechsel eingeschrieben ist. 22 Vgl. dagegen die davon abweichende Definition von Schanze (2002: 200), der darunter Sprache und Schrift bzw. Bild, Text und Ton versteht (vgl. auch Tholen 2002: 150). 23 Mit dem Begriff der Transkriptivität scheint Jäger (2002: 29ff.) insofern von ähnlichen Überlegungen auszugehen, als er darunter intra- oder intermediale Verweise von Zeichen auf andere Zeichen versteht. Allerdings beschränkt er seine weiteren Überlegungen auf Aspekte der Versprachlichung, Verschriftlichung und der Lesbarmachung. Somit ist seine Argumentation rein sprachenzentriert. Für ihn ist Sprache „als Archimedium die letzte Transkriptionsinstanz“ (Jäger 2000: 34).

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Medium im Wesentlichen unverändert reproduziert. In allen drei Fällen kann man aus je spezifischen Gründen von mehrfacher, hintereinander geschalteter Kodierung, also von einem höheren Kodierungsgrad sprechen. Dabei soll im Folgenden anhand von Beispielen verdeutlicht werden, wie Intermedialität, Transkodierung und Reproduktion begrifflich und medientheoretisch einzuordnen sind.24 Höhere Kodierungsgrade aufgrund intermedialer Bezüge lassen sich anhand eines Gemäldes exemplifizieren, das eine Skulptur darstellt.25 Ein Gemälde ist als Medientyp (im Sinne von Mediuma in Fig. 3, Abschnitt 1.1) völlig eigenständig und somit basiskodiert. Es kann alle möglichen medialen und nicht medialen Gegenstände und Szenerien unmittelbar darstellen.26 Der höhere Kodierungsgrad des Gemäldes, das eine Skulptur darstellt, ist daher auf ein einzelnes, okkasionelles Ereignis im Sinne von Mediumb in Fig. 3 zurückzuführen, denn nur in diesem speziellen Fall stellt das Medium ‚Gemälde‘ ein anderes Medium dar. Eine weitere Besonderheit des intermedialen Kodierungsgrads besteht darin, dass der Rezipient sowohl die Kodierung als auch die Materialität des dargestellten Mediums – in diesem Fall der Skulptur – nur über die Kodierung des darstellenden Mediums – in diesem Fall des Gemäldes – wahrnehmen kann.27 Der höhere Kodierungsgrad durch Intermedialität ist also ein Phänomen der Kategorie Medium2b in Fig. 3. Im Gegensatz zur intermedialen Kodierung ist Transkodierung auf der systemischen Ebene angesiedelt und daher ein Phänomen der konventionellen Kodierung, also der Dimension Mediuma in Fig. 3. Ein transkodierender

24 Die Unterscheidung von Pross (1970: 131 und 1972) zwischen primären, sekundären und tertiären Medien lässt sich bedingt mit der hier getroffenen Unterscheidung verbinden. Demnach würden basiskodierte Medien den primären, transkodierte Medien den sekundären und Reproduktionsmedien den tertiären Medien entsprechen. Allerdings geht die Zuordnung nicht ganz auf, da basiskodierte Medien auch in die Kategorie der sekundären Medien fallen können (beispielsweise Instrumentalmusik). 25 Dies fällt in einen Bereich der Intermedialität, den Rajewsky (2002: 157) zu den „intermedialen Bezügen“ rechnet. 26 Mit unmittelbar ist hier der niedrigste Kodierungsgrad gemeint, das heißt die Basiskodierung. 27 Natürlich beeinflusst die Materialität des Gemäldes ebenfalls seine Kodierung und damit die Wahrnehmung der Skulptur. Dieser Aspekt, den wir in Kapitel 2 ausführlich behandelt haben, spielt an dieser Stelle keine Rolle.

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Medientyp dient dazu, einen anderen Medientyp zu kodieren. Zu den transkodierenden Medientypen zählen in erster Linie Schriftsysteme (Alphabetschriften, Silbenschriften, Morsezeichen, Noten etc.). Die in Abschnitt 2.3.2 diskutierte Transmedialität hat also auch immer etwas mit dem Wechsel des Kodierungsgrades zu tun. Der Prototyp eines Schriftsystems ist die Alphabetschrift, die sich ausschließlich auf Sprache bezieht und in der die Zeichen für Laute stehen. Dabei ist das Verhältnis von Zeichen und Laut arbiträr, denn die Buchstaben verschlüsseln die Laute im Wesentlichen symbolisch (s.o. Abschnitt 3.1.1). Wie bei der intermedialen Kodierung wird zwar die Materialität des repräsentierten Mediums abgebildet, diese Abbildung erfolgt jedoch in der Kodierung des repräsentierenden Mediums, in diesem Fall die Schrift. Der höhere Kodierungsgrad durch Transkodierung ist daher ein Phänomen der Kategorie Medium2a in Fig. 3. Mit der Schrift wechselt die Rezeptionsform vom Auditiven zum Visuellen und die in der mündlichen Kommunikation notwendige Gleichzeitigkeit von Produktion und Rezeption entfällt (s.o. Abschnitt 2.1.3). Auch verändert sich der Produktionsprozess durch eine stärkere Planbarkeit, was zu einer höheren Elaboriertheit des érgons führt (vgl. Koch/Oesterreicher 2011 [1990]) und die wiederholte Rezeption von Texten ermöglicht (s.o. Abschnitt 2.3). Man erkennt hier, dass die schriftliche Kommunikation fundamentale Veränderungen der Semiose sowohl in der Dimension der enérgeia als auch in der des érgons mit sich bringt. Dies hat auch erhebliche Rückwirkungen auf die Sprache selbst, die ihrerseits auf die Bedingungen der Schrift hin erweitert wird. Aus diesem Grund ist ein Transkodierungsmedium wie Schrift nicht nur abhängig von dem zugrunde liegenden Medium (in diesem Fall die Sprache), sondern übt zugleich einen gewissen Einfluss auf dessen Kodierung aus. Eine ähnliche Rückwirkung auf das repräsentierte Medium kann man bei der musikalischen Notenschrift beobachten. Diese entkoppelt einen Teil des Produktionsprozesses, die Komposition, von der ursprünglichen Gleichzeitigkeit mit der Rezeption (s.o. Abschnitt 2.1.3) und ermöglicht so eine komplexere und elaboriertere Konzeption von Musik. Generell bewirkt der höhere Kodierungsgrad der Transkodierung eine Modifikation des zugrunde liegenden medialen Systems. Wie im Fall von Schrift und Musik handelt es sich bei dieser Modifikation in der Regel um eine Ausdifferenzierung.

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Reproduktionsmedien sind technisch geprägte Verschlüsselungssysteme, die das reproduzierte mediale Ereignis materiell identisch wiedergeben. Die Identität der Reproduktion ist im Sinne der in Abschnitt 3.1.1 vorgenommenen Ausdifferenzierung der Identitätsrelation generisch, da das Ergebnis der Reproduktion nur in seiner Struktur, aber nicht materiell mit dem reproduzierten Medium übereinstimmt (nur spezifische Identität impliziert materielle Identität). Die technische Reproduktion zielt auf eine idemIdentität (generisch) ab, eine reproduzierte ipse-Identität (spezifisch) wäre ein Paradoxon, weil dabei eine neue Materialität erschaffen wird. Wie wir in den Abschnitten 2.2.1 und 2.3 gesehen haben, wird beispielsweise mit Schallplatten oder Audio-CDs, die Musik oder gesprochene Sprache wiedergeben, die Gleichzeitigkeit von Aufführung und Rezeption aufgehoben. Sie haben jedoch keinerlei Auswirkungen auf die Kodierung des érgons. Während transkodierende Zeichensysteme wie die Schrift direkt in ihrem eigenen Kode rezipiert werden, dienen Schallplatten und CDs lediglich als Speicher für die gleichartige Reproduktion der repräsentierten medialen Produkte. Die Kodierung des reproduzierten Mediums wird in der Materialität des reproduzierenden Mediums wiedergegeben. Es handelt sich bei Reproduktionsmedien also um Phänomene des Typs der Kategorie Medium1 in Fig. 3. Wenn die mediale Reproduktion das reproduzierte mediale Ereignis nur materiell kopiert, stellt sich die Frage, ob man in diesem Fall überhaupt von einem höheren Kodierungsgrad sprechen kann. Für diese Annahme spricht, dass das reproduzierte Medium (beispielsweise Musik) auf dem Datenträger elektronisch oder mechanisch kodiert ist. Diese technische Verschlüsselung dient allerdings nicht der Rezeption, sondern nur der maschinellen Reproduktion. Technische Kodes werden nicht von Menschen, sondern von Maschinen dekodiert.28 Wie in den Abschnitten 2.1.3 und 2.3.2 dargelegt, ist diese Dekodierung nicht medial oder semiotisch relevant, da mediale Ereignisse die Rezeption durch bewusste Interpretanten voraussetzen.29

28 In Ausnahmefällen können diese Kodesysteme bestenfalls noch von Spezialisten interpretiert werden (vgl. Kittler 1994: 247). 29 Dabei ist es für die Rezeption unerheblich, dass die Verschlüsselung von Schallplatten analog, von CDs dagegen digital erfolgt. Dass die verschiedenen Verschlüsselungsarten Unterschiede bei den Reproduktionsapparaten und der physikalischen Qualität der Wiedergabe mit ihren eigenen Störfaktoren aufweisen, bleibt davon unberührt.

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Allerdings führt die Reproduzierbarkeit zu einer Veränderung der Rezeptionsgewohnheiten. Technisch reproduzierte Medien sind oft auch Massenmedien, deren Adressierung kollektiv, monologisch, indirekt und anonym ist (vgl. Abschnitt 1.2.3). Sie haben nicht nur viele Rezipienten, sondern können immer wieder rezipiert werden, weil sie unabhängig von zeitlichen und räumlichen Produktionskontexten sind (vgl. Abschnitt 2.2.1 und insbesondere die Diskussion um Fig. 24). Aufgrund der dadurch erleichterten Rezeption und der Multiplikation der möglichen Rezeptionskontexte verändern sich die Wahrnehmung und die Interpretation der reproduzierten Medien. Musik hört man nicht nur im Konzertsaal, sondern auch zuhause, auf Reisen und sogar beim Joggen.30 Der höhere, maschinell bedingte Kodierungsgrad wirkt also nicht direkt auf das Medium ein wie bei der Transkodierung, sondern indirekt über die Veränderung des Kontextes. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass man auch von einem höheren, reproduktionsspezifischen Kodierungsgrad sprechen kann. Eine besondere Konstellation im Hinblick auf den Kodierungsgrad liegt bei Textverarbeitung auf dem Computer vor, der in dieser Funktion ein reines Reproduktionsmedium für die Schrift ist, die selbst wiederum Sprache transkodiert. Die Verschlüsselung von Schriftzeichen entspricht dabei einer bestimmen Code-Tabelle (7 Bit ASCII mit 128 Zeichen, 8 Bit ISO 8859-x mit 256, UTF-8/-16, Unicode). Das Besondere an dieser Konstellation ist vor allem, dass hier eine dreifache Kodierung vorliegt: Sprache kodiert Gedanken, Schrift kodiert Sprache, Unicode etc. kodiert Schrift. Dies lässt sich noch auf die Spitze treiben, wenn beispielsweise ein spezielles Textverarbeitungsprogramm benutzt wird, das die entsprechenden Daten kompiliert abspeichert, oder Textdateien nach einem bestimmten Algorithmus komprimiert gespeichert sind. Eine weitere Besonderheit des Mediums Computer besteht darin, dass er sämtliche Medien nachahmen beziehungsweise „jede Form von Medialität emulieren“ kann, wie Münker (2008: 332) bemerkt. Er folgert daraus, 30 Ette (2001: 11) reflektiert dieses Phänomen der mobilen Rezeption für die Literatur: „Nicht nur die Orte, von denen berichtet wird, sondern auch die Orte des Schreibens und die Orte des Lesens befinden sich in wechselseitiger wie je eigenständiger Bewegung. Viel zu selten führen wir uns vor Augen […], daß wir auch als Leserinnen und Leser in ständiger Bewegung sind […], daß wir eher selten noch ein längeres Buch an ein und demselben Ort lesen. […] Wir nehmen das Buch mit auf dem Weg zur Arbeit, lesen es auf Reisen oder beenden es nach unserer Rückkehr zu Hause.“

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dass digitale Medien solche sind, „deren spezifische Differenz sich allein in ihrer konkreten Verwendung einstellt“ (Münker 2008: 334, vgl. dazu auch Tholen 2002: 52 ff.). Demnach ist ein Computer zunächst kein spezifisch text-, bild- oder tonerzeugendes Medium, sondern wird erst durch die Festlegung auf einen bestimmten Gebrauch zu einer „Schreibmaschine“, einem „Zeichengerät“ oder einem musikalischen „Instrument“. Ein Computer ist damit nicht nur ein universell einsetzbares Reproduktionsmedium, sondern auch ein Instrument der unmittelbaren Produktion medialer Erzeugnisse. Reproduktionsmedien dienen also nicht der direkten Rezeption, sondern ermöglichen eine Beschleunigung, Ökonomisierung und Erweiterung der Rezeption und gegebenenfalls der Produktion des Mediums, auf das sie sich beziehen. Damit haben sie keinen direkten Einfluss auf die Veränderungen der Nutzung dieses Mediums. So kommt eine durch den Computer beeinflusste Veränderung des Schreibverhaltens nicht unmittelbar durch ASCII zustande, sondern höchstens mittelbar, indem der Computer gegenüber der analogen Schrift einen anderen Umgang mit großen Schriftmengen ermöglicht. Die der Schrift eigene Planbarkeit wird durch den Computer flexibilisiert; man kann in jeder Phase der Textproduktion Abschnitte verbessern, neu schreiben oder umstellen. 3.2.2 Mediale Kategorien und Kodierungsgrade Nachdem wir im vorigen Abschnitt die Begriffe der Intermedialität und der Transkodierung eingeführt haben, ist es nun an der Zeit, die bisher von uns diskutierten medialen Konstellationen und Begriffe zu rekapitulieren und systematisch zueinander in Bezug zu setzen. In Abschnitt 2.2.3 wurde der Begriff der Multimedialität eingeführt, erläutert und von der Unimedialität abgegrenzt, in Abschnitt 2.3.2 der Begriff der Transmedialität definiert. Unimedial ist ein kommunikatives Ereignis dann, wenn es ein einzelnes mediales Ereignis ist, dessen Rezeption nur einen unmittelbaren Dekodierungsvorgang einschließt. Das in dieser Hinsicht einfache Medium kann aber einen höheren Kodierungsgrad aufweisen, der auf Transkodierung gründet. Beispielsweise ist der schriftliche Text in einem Brief oder einem Buch für sich genommen unimedial, denn unmittelbar wird nur die Schrift dekodiert, auch wenn dabei mittelbar ein sprachlicher Repräsentant dekodiert wird, der zugleich Repräsentat des schriftlichen Textes ist.

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Auch die rein bildliche Darstellung eines Gemäldes oder einer Zeichnung ist unimedial. Anders als bei der Schrift erfolgt ihre Rezeption jedoch nur durch unmittelbare Dekodierung, ihr Repräsentat ergibt sich unmittelbar aus der Betrachtung. In diesem Fall kann man von einem Basismedium sprechen. Basismedien zeichnen sich dadurch aus, dass sie unimedial sind und einen einfachen Kodierungsgrad aufweisen. Unimedial sind also Basismedien und einfache transkodierende Medien. Bei multimedialen Ereignissen werden mehrere Kodes zugleich entschlüsselt. Die Lektüre eines Comics beispielsweise ist ein multimediales Ereignis, weil dabei gleichzeitig Bild und Text rezipiert werden. In Abschnitt 2.2.3 wird dabei unterschieden, ob Multimedialität koordiniert ist, wie beim Comic, oder unkoordiniert, wie in der dort angeführten Frühstückssituation, bei der eine Person Zeitung liest und dabei Radio hört. Ist die Multimedialität koordiniert, sind die Medien (das, was ihr Kode repräsentiert) aufeinander bezogen. Ist sie unkoordiniert, sind sie nur kopräsent in einer Situation. Wie im Fall des Comics kann Multimedialität Basiskodierung (Bilder) und Transkodierung (Schrift) implizieren. Das in Abschnitt 2.3.2 erörterte Phänomen der performativen Transmedialität impliziert grundsätzlich Transkodierung. So wird bei einem Diktat mündlicher in schriftlichen Kode umgewandelt und bei einem Festvortrag, bei dem der Vortragende ein Manuskript vorliest, schriftlicher in mündlichen Kode transferiert. Im ersten Fall handelt es sich um transmediale Produktion, weil der schriftliche Text die Folge des medialen Ereignisses ‚Diktat‘ ist. Im zweiten Fall muss man von transmedialer Rezeption sprechen, weil der schriftliche Text der Ausgangspunkt des medialen Ereignisses ‚Festvortrag‘ ist. Die mündliche Äußerung beim Diktat und das schriftliche Manuskript beim Festvortrag fungieren gewissermaßen als Vorprodukte eines weiteren medialen Produkts, wobei das Vorprodukt im Zentrum des transmedialen Produktionsereignisses und das Endprodukt im Zentrum des transmedialen Rezeptionsereignisses stehen. Anhand des Beispiels einer mittelalterlichen Urkunde haben wir in Abschnitt 2.3.2 auch gesehen, dass transmediale Produktion und Rezeption hintereinandergeschaltet werden können. Mit Koch (1998), dessen Begriff der Transmedialität wir im Wesentlichen übernommen haben, kann man performative Transmedialität als eine Form des Medienwechsels betrachten.

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Im vorigen Abschnitt 3.2.1 haben wir schließlich einen speziellen Begriff der Intermedialität erörtert, der darauf gründet, dass ein Medium von einem anderen Medium dargestellt wird. Als Beispiel wurde die Darstellung einer Skulptur in einem Gemälde angeführt. Man kann in diesem Zusammenhang von repräsentativer Intermedialität sprechen. In Bezug auf die mediale Konstellation haben wir also bisher das in der folgenden Fig. 38 dargestellte Begriffssystem skizziert: Fig. 38 Bisher diskutierte mediale Konstellationen Medialität

Unimedialität

Multimedialität

Transmedialität (repräsentative) (Medienwechsel) Intermedialität

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob und inwiefern der Begriff der Intermedialität weiter zu fassen ist und beispielsweise auch auf multimediale und transmediale Prozesse Anwendung findet. Schließlich wird auch in der einschlägigen Literatur ein wesentlich weiterer Intermedialitätsbegriff vertreten als der einer bloßen intermedialen Repräsentation (vgl. Wolf 1999, Rajewsky 2002, Helbig 1998, Wirth 2005, Elleström 2010, Paech 2008). Im Folgenden wollen wir die Bedingungen für eine Erweiterung des Intermedialitätsbegriff anhand der Vorschläge von Rajewsky (2002) überprüfen, die auf literaturwissenschaftliche Fragestellungen abzielen. Rajewsky unterscheidet drei Formen der Intermedialität: Intermediale Bezüge, Medienwechsel und Medienkombination. In der folgenden Tabelle werden Rajewskys Definitionen und Beispiele für diese Kategorien der Intermedialität zusammengefasst:

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Fig. 39 Kategorien und Definitionen der Intermedialität in Rajewsky (2002: 157) (A) Intermediale Bezüge „Bezugnahme auf ein Produkt (= Einzelreferenz) oder das semiotische System (= Systemreferenz) eines konventionell als distinkt wahrgenommenen Mediums mit den dem kontaktnehmenden Medium eigenen Mitteln; nur letzteres ist materiell präsent. z.B.: Bezüge eines literarischen Textes auf einen bestimmten Film, ein filmisches Genre oder auf den Film qua System; entsprechend Bezüge eines Filmes auf die Malerei, eines Gemäldes auf die Literatur usw.“ (B) Medienkombination „Punktuelle oder durchgehende Kombination mindestens zweier, konventionell als distinkt wahrgenommener Medien, die sämtlich im entstehenden Produkt materiell präsent sind. z.B.: Photoroman, Klangkunst, Oper, Film.“ (C) Medienwechsel „Transformation eines medienspezifisch fixierten Produkts bzw. Produkt-Substrats in ein anderes, konventionell als distinkt wahrgenommenes Medium; nur letzteres ist materiell präsent. z.B.: Literaturverfilmung bzw. -adaption.“

Die Kategorie der intermedialen Bezüge (A) stimmt weitgehend mit dem Konzept der intermedialen Repräsentation überein, das in Abschnitt 3.2.1 als Phänomen eines höheren Kodierungsgrads beschrieben worden ist. Rajewskys Kategorie (A) ist allerdings insofern weiter ausdifferenziert, als sie zwischen Einzelreferenz und Systemreferenz unterscheidet, also zwischen dem Repräsentat als Mediumb oder Mediuma im Sinne von Fig. 3. Bei der im vorigen Abschnitt 3.2.1 skizzierten intermedialen Repräsentation ging es dagegen nur um Einzelreferenz. Im Sinne von Rajewskys Kategorie der intermedialen Bezüge ist dies jedoch zu spezifisch und wohl auch zu starr, um bestimmte Formen der stilistischen Imitationen zu erfassen, wie sie beispielsweise beim Nachahmen der Medialität des Films in der Literatur zu beobachten sind: Autoren wie Döblin, Kafka, Joyce oder Dos Passos versuchten, dem Nacheinander und Nebeneinander der disparaten Eindrücke großstädtischen Le-

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bens in der Literatur adäquaten Ausdruck zu verleihen, indem sie auf Strukturen und Techniken des Films zurückgriffen. (Rajewsky 2002: 30)

Allerdings lässt sich die Kategorie der intermedialen Repräsentation erweitern, sodass sie mit derjenigen der intermedialen Bezüge gleichzusetzen ist. Betrachtet man Rajewskys Definition der Kategorie Medienkombination (B), wird sofort klar, dass sie der in Abschnitt 2.2.3 erörterten koordinierten Multimedialität entspricht. Tatsächlich ist die Umschreibung multimedialer Ereignisse als Phänomene der Medienkombination absolut zutreffend. Sie ist allerdings auch auf unkoordinierte Multimedialität anzuwenden, denn auch bei unkoordinierter Multimedialität gibt es eine Kombination in dem Sinne, dass die betreffenden medialen Ereignisse zumindest einen gemeinsamen medialen Rahmen bilden. Im Sinne der Frame-Theorie (Fillmore 1975, Koch 1999) kann man einen solchen Rahmen, sofern er konventionell ist, als ein Bündel von Kontiguitätsassoziationen beschreiben. Bezogen auf das hier bereits erwähnte Frühstücksbeispiel aus Abschnitt 2.2.3, kann man feststellen, dass Radiohören und Zeitungslesen für einen Menschen mit entsprechenden Frühstücksgewohnheiten zusammengehören, obwohl diese medialen Ereignisse nicht koordiniert sind. Diese Zusammengehörigkeit gründet bei der betreffenden Person auf einer kognitiven Kontiguitätsassoziation. Multimediale Koordination und Kontiguität lassen sich jedoch nicht als eine Dichotomie konzipieren (dies wurde in Abschnitt 2.2.3 nur angedeutet), sondern vielmehr als ein Kontinuum zwischen den Polen [+ koordiniert, + kontig] und [– koordiniert, + kontig]. Rajewsky (2002: 15) spricht in diesem Zusammenhang von der „Spannbreite dieser Kategorie [Medienkombination, JG & PG] […] von einer bloßen Kontiguität, einem Nebeneinander, bis hin zu einem weitestgehend ‚genuinen‘ Zusammenspiel der Medien“ (das „Zusammenspiel“ kann man hier als Koordination verstehen). Dabei folgt sie der Konzeption von Wolf (1999), für den die Kontiguität den Pol der schwächeren Intensität intermedialer Beziehungen bildet, dem die „Synthese“ (Wolf 2002) als Pol der stärkeren Intensität gegenübersteht: [A] differentiation which is especially relevant to [intermediality is] the intensity of the intermedial relation (i.e. the degree of one-sided or mutual integration or adaptation of the media involved). Here a continuum is possi-

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ble that comprises various degrees of relations. These range from the pole of mere contiguity between two (or more) media in one work (in this case only a minimum of mutual or one-sided influence/adaptation can be observed between the medial components), to the pole where a maximum of mutual adaptation or integration of the respective media is located. (Wolf 1999: 39, Hervorhebungen im Original)

Wolfs Überlegungen eignen sich deshalb gut, um das Phänomen der unkoordinierten Multimedialität zu erfassen, weil sich mit dem Begriff der Kontiguität deren Substanz veranschaulichen lässt. Vergleicht man nun diese Kategorie der repräsentativen Intermedialität beziehungsweise der intermedialen Bezüge mit derjenigen der Multimedialität oder Medienkombination, fällt ein Unterschied zwischen beiden auf, der für die Definition einer übergeordneten Kategorie der Intermedialität eine wichtige Rolle spielt: Während bei der repräsentativen Intermedialität das eine Medium Repräsentant und das andere Repräsentat ist, sind die kombinierten Medien in multimedialen Ereignissen jeweils nur Repräsentanten. Im einen Fall ist die Intermedialität also ein Verhältnis der Repräsentation, während sie im anderen auf eine Kombination gründet. Das bedeutet aber, dass Intermedialität zu einem relativ weitgefassten Begriff wird, der sich auf ganz unterschiedliche Relationen zwischen Medien bezieht. Zur übergeordneten Kategorie der Intermedialität zählt Rajewsky auch den Medienwechsel (C), den sie als „Transformation eines medienspezifisch fixierten Produkts bzw. Produkt-Substrats in ein anderes […] Medium“ definiert. Hier kann man insofern eine Übereinstimmung mit dem in Abschnitt 2.3.2 diskutierten Phänomen der performativen Transmedialität erkennen, als mit „Produkt oder Produktsubstrat“ ein mediales érgon gemeint ist, dessen Repräsentat und gegebenenfalls dessen Kodierung ganz oder teilweise in einem neuen Medium neu determiniert wird. Beim zuvor erwähnten Beispiel des Diktats (transmediale Produktion) werden Repräsentat und Kodierung des mündlichen érgons verschriftlicht, während beim Beispiel des Festvortrags (transmediale Rezeption) das Repräsentat und die sekundäre sprachliche Kodierung des Manuskripts vermündlicht werden. Ein spezifisches Merkmal der in Abschnitt 2.3.2 behandelten Transmedialität besteht darin, dass sie (ausdrucksseitig) performativ ist. Es gibt einen Akteur, der zugleich Rezipient und Produzent (oder umgekehrt) ist

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und einen quasi-simultanen Medienwechsel gewährleistet. Wie in Abschnitt 2.3.2 bereits angedeutet, gibt es noch eine weitere Form der Transmedialität, bei der die mediale Transformation nicht simultan, das heißt als ein Ereignis erfolgt, sondern als zeitlich disparate Serie von Ereignissen. Es gibt in diesem Fall keine Personalunion von Rezipient und Produzent in einem Ereignis. Deswegen kann man hier nicht von performativer Transmedialität, sondern muss aufgrund der Ereignisabfolge von rekursiver Transmedialität sprechen.31 Rekursive Transmedialität liegt dann vor, wenn der Inhalt eines individuellen Mediums nachträglich auf ein anderes Medium übertragen wird oder als Vorprodukt für die Herstellung eines weiteren medialen Produkts dient. Bei dem von Rajewsky angeführten Beispiel einer Literaturverfilmung wird ein literarischer Text nachträglich als Filmvorlage verwendet. Die Verfilmung kann sich genauer oder freier an die literarische Vorlage halten. Im ersteren Fall übernimmt sie ein Teil der ursprünglichen Formulierungen (Repräsentant), im letzteren Fall übernimmt sie nur den Plot ihrer Vorlage (Repräsentat). Ein Drehbuch wird dagegen von vornherein als Vorprodukt für die Filmherstellung angefertigt, der Film setzt den Repräsentanten des Drehbuchs um. Bei den Proben für ein Theaterstück ist die rekursive Transmedialität etwas anders gelagert: Erstens wird der Dramentext als Vorprodukt für die Aufführung genutzt. Zweitens erstellt der Dramaturg eine Adaptation dieses Textes für die Bühne. Drittens wird er von den Schauspielern bei den Proben wiederholt, bis sie ihn auswendig können und die Rolle für die eigentliche Aufführung perfektioniert haben. Die Konfrontation von Rajewskys Kategorien (A)–(C) mit den bisher in diesem Buch ausgearbeiteten Konzepten zeigt, dass sie im Wesentlichen mit den Ergebnissen unserer bisherigen Überlegungen übereinstimmen. Als Oberbegriff für die Kategorien Multimedialität, Transmedialität und inter31 Rekursiv sind sich wiederholende oder aufeinander aufbauende Ereignisse. Schon im klassischen Latein haben sich aus der Ursprungsbedeutung des Verbs recurrere ‚zurücklaufen, zurückkehren‘ die weiteren Bedeutungen ‚wiederkehren‘ und ‚auf etwas zurückkommen‘ entwickelt (vgl. Georges, s.v. recurro). Diese Bedeutungen sind den heutigen Verwendungsweisen des lexikalischen Paradigmas der Formen Rekurs, Rekursion, Rekurrenz und rekursiv (vgl. Duden, s.vv.) schon sehr nahe, die hauptsächlich im Sinne von ‚Wiederholung‘ (vor allem in der Linguistik) oder ‚Rückgriff, Bezugnahme‘ (vor allem in der Mathematik und in der Informatik) gebraucht werden.

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mediale Repräsentation fungiert die allgemeine Kategorie der Intermedialität. Die folgende Fig. 40 fasst das bis hierher erörterte Begriffssystem zusammen: Fig. 40 Systematik der medialen Erscheinungsformen Medialität

Unimedialität

BasisTranskodierung kodierung

Intermedialität

Transmedialität (repräsentative) Multimedialität (Medienwechsel) Intermedialität

Abgesehen davon, dass sich die Kategorien der Basiskodierung und der Transkodierung gegenseitig ausschließen, kommen die Kategorien dieses Systems auch kombiniert vor. Ein Film ist beispielsweise grundsätzlich multimedial (Bild und Ton) und transmedial (Drehbuch, Regieanweisung, Probe). Auch können andere Medien darin repräsentiert werden. Zudem sind die Dialoge basiskodiert, während das Drehbuch transkodiert ist. 32 Dass alle Erscheinungsformen der Medialität in einem komplexen medialen Ereignis zusammenkommen, wie in diesem Fall, ist insbesondere bei Massen- und digitalen Medien die Regel. Das Begriffssystem in Fig. 40 erlaubt uns eine differenziertere Definition dessen, was ein höherer Kodierungsgrad ist. Zunächst können wir die Basiskodierung ausschließen, die per definitionem einen einfachen Kodierungsgrad aufweist. Auch Multimedialität impliziert als solche keinen höheren Kodierungsgrad, da sie verschiedene Kodes und mediale Wahrnehmungsformen kombiniert, aber nicht hintereinanderschaltet. Ob einzelne mediale Komponenten basis- oder transkodiert sind, hängt daher nicht von der Multimedialität ab, deren Prinzip die Kontiguität ist.

32 Aufgrund des rekursiven Charakters der transmedialen Übertragung des Drehbuchs auf die Dialoge gehören die Dekodierung der basiskodierten mündlichen Dialoge und die Dekodierung des transkodierten Drehbuchs unterschiedlichen medialen Elementarereignissen an. Daher liegt hier kein Widerspruch zur Inkompatibilität von Basis- und Transkodierung vor.

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Die anderen Kategorien aus Fig. 40 – Transkodierung, Transmedialität und repräsentative Intermedialität – implizieren auf je spezifische Weise höhere Kodierungsgrade. Transkodierung und repräsentative Intermedialität wurden in dieser Hinsicht bereits im vorangegangenen Abschnitt 3.2.1 ausführlich erörtert. Der Kodierungsgrad von Transmedialität unterscheidet sich jeweils in seiner performativen und seiner rekursiven Variante. Zunächst kann man feststellen, dass performative Transmedialität Transkodierung impliziert und von daher wenigstens teilweise einen höheren Kodierungsgrad aufweist, wie man am Beispiel des Diktierens oder Vorlesens eines Schriftstücks leicht nachvollziehen kann. Das Besondere der performativen Transmedialität besteht darin, dass höhere und niedere Kodierungsgrade beim Übergang von einem Medium zum anderen ineinandergreifen. Die höheren Kodierungsgrade der rekursiven Transmedialität resultieren daraus, dass mediale Produkte auf der Grundlage anderer medialer Produkte entstehen, ganz gleich, ob diese von Anfang an als Vorprodukte konzipiert sind oder nicht. Bei der Produktion eines Theaterstücks kann man verschiedene Produktionsschritte unterscheiden, die jeweils eigene mediale Ereignisse sind. Ein Autor schreibt ein Drama, ein Dramaturg macht eine Bühnenfassung daraus, die Schauspieler lesen die Bühnenfassung, proben die Texte und die Rollen, der Regisseur macht Vorgaben und nimmt Veränderungen vor, schließlich führt das Ensemble das Stück vor Publikum auf. Diese aufeinander aufbauende mediale Ereigniskette führt, neben den bereits bekannten und auch hier vorkommenden Phänomenen von Transkodierung und performativer Transmedialität, beim Endprodukt (in unserem Beispiel die Theateraufführung) zu einem höheren Kodierungsgrad ganz eigener Art. In seiner ganzen Komplexität und semiotischen Fülle ist ein mediales Ereignis wie eine Theateraufführung nur als Resultat aufeinander folgender medialer Prozesse möglich. Der arbeitsteilige Produktionsprozess weist in dieser Hinsicht einen höheren Grad der Enkodierung auf. 3.2.3 Soziale Dispositive ௅ ökonomische Voraussetzungen Wie in Abschnitt 2.3.3 erläutert, wird der Begriff des Dispositivs, der aus der Diskurstheorie Foucaults stammt, in den Medienwissenschaften sowohl in technischer als auch in sozialer Hinsicht verwendet. Die mediale Bedeu-

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tung sozialer Dispositive lässt sich in zwei Dimensionen beschreiben: der ökonomischen und der politischen. In ökonomischer Hinsicht sind soziale Dispositive auf komplexe und arbeitsteilige Produktionsprozesse ausgerichtet. In politischer Hinsicht geht es um den Diskurs als Machtstrategie, um Deutungshoheiten und um die Bestimmung der Realität. Die Unterscheidung zwischen den ökonomischen und politischen Aspekten sozialer Dispositive darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Strukturen einander bedingen, dass es sich also lediglich um zwei Aspekte desselben Phänomens handelt.33 Der Begriff ökonomisch ist hier in einem weiten Sinn zu verstehen und betrifft nicht nur kommerzielle Vorgänge. Er umfasst vielmehr alle Arbeitsschritte, die erforderlich sind, um ein komplexes mediales Endprodukt wie einen Film, eine Zeitung, eine Nachrichtensendung im Fernsehen etc. herzustellen. Zudem ist er auf verschiedene Dispositive der Rezeption anwendbar. Dies betrifft unter anderem die Bildung sozialer Gruppen, die Bereitstellung materieller Infrastrukturen (Konzertsaal etc.) und den Erwerb technischer Hilfsmittel für die Reproduktion. Ökonomische Dispositive können also alle Phasen von Produktion und Rezeption der Kommunikation beeinflussen (vgl. Fig. 4).34 Hinzu kommen Infrastrukturen der Übermittlung sekundärer und tertiärer medialer Produkte, die einen wesentlichen Bestandteil im Kommunikationsprozess ausmachen: Sie garantieren die Überlappung des Produktionsund Rezeptionskontextes. Gemäß der Erörterungen in Abschnitt 2.2.1 muss man zwischen Übermittlung durch Überbringung (mittels Boten 35 ) und durch Übertragung (mittels Technik) unterscheiden. Diese Unterscheidung betrifft nicht nur Massenmedien wie Zeitungen, Radio oder Fernsehen, sondern auch Individualmedien wie Telefon und Brief. Aus dieser doppelten Unterscheidung ergibt sich die nachfolgend aufgeführte Typologie der medialen Übermittlung:

33 Das Ineinandergreifen politischer, ökonomischer und technischer Dispositive hebt auch Stauff (2005: 204ff.) hervor, für den diese Prinzipien in übergeordneten Dispositiven der „Regierung“ („Gouvernementalität“) wirksam sind. 34 Der Begriff des sozialen Dispositivs könnte – auch im Sinne Foucaults – auf alle Formen der Kommunikation ausgeweitet werden, wäre dann jedoch von keinem heuristischen Nutzen. 35 Der Begriff ‚Bote‘ ist in einem weiteren Sinn zu verstehen, dazu gehören zum Beispiel auch Zeitschriftenhändler.

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Fig. 41 Varianten ökonomischer Dispositive der Übermittlung Individualmedium

Massenmedium

Überbringung

Brief

Zeitung

Übertragung

Telefon

Radio

Die in Fig. 41 aufgeführten Kategorien der indirekten Übermittlung setzen jeweils bestimmte soziale Organisationsformen voraus, die arbeitsteilige Netzstrukturen aufweisen. Die Überbringung eines Briefs beruht auf der logistischen Infrastruktur eines Postunternehmens (Briefkasten, Verteilungszentrum, Briefzusteller, Briefmarkenverkauf etc.). Bei einer Zeitung ist das Distributions- oder Vertriebssystem teilweise ähnlich strukturiert, zumindest was den Weg von der Druckerei zu den Zeitungsverkäufern und Abonnenten angeht. Diese Formen der Überbringung, die typisch sind für sekundäre Medien im Sinne von Pross (1970: 131 und 1972), sind dadurch gekennzeichnet, dass mediale Produkte physisch transportiert und überbracht werden. Bei der Übertragung werden die medialen Produkte dagegen in ihrer finalen Form durch ein technisches Gerät erzeugt, das vom Rezipienten bedient wird. Dieses Verfahren der technischen Reproduktion wurde in Abschnitt 2.1.3 ausführlich für Telefongespräche erörtert. Bei Rundfunkbeiträgen erfolgt die Übermittlung in Form von Radiowellen, die vom Empfangsgerät Radio in ein für Menschen rezipierbares akustisches Produkt umgewandelt werden. Die Übertragung ist typisch für tertiäre Medien gemäß Pross (1970: 131 und 1972). Beide Formen der Übermittlung – Überbringung und Übertragung – setzen ein sozioökonomisches Dispositiv voraus, das durch Verlässlichkeit der Geschäftspartner, Erwartbarkeit des Ablaufs und Standardisierung des materiellen medialen Produkts gekennzeichnet ist. Dies sind die entscheidenden Aspekte des Netzwerks der Distribution. Die sozioökonomischen Dispositive der Übermittlung verändern aufgrund der Erwartbarkeit und Standardisierung ihrer Abläufe die menschliche Wahrnehmung dergestalt, dass beispielsweise raumzeitliche Distanzen aufgrund des permanenten Informationsflusses und der jederzeit möglichen Kontaktaufnahme und Kommunikation abzunehmen scheinen und dass die Verfügbarkeit von Menschen rund um die Uhr und an jedem Ort zu-

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nimmt:36 Allerdings erhöhen die Dienstleistungen der Übermittlung prinzipiell nicht den Kodierungsgrad des medialen Produkts, das sie übermitteln. Allenfalls wirken Aspekte der Reproduktion indirekt auf den Kodierungsgrad zurück, beispielsweise bei Übertragungen, die technisch verschlüsselt werden.37 Diese technischen Verschlüsselungen werden nur, wie bereits in Abschnitt 3.2.1 erwähnt, maschinell dekodiert und sind daher in unserem Sinne nicht medial oder semiotisch relevant. Der maschinell bedingte Kodierungsgrad nimmt allerdings auf die Kontexte der Rezeption Einfluss, insofern die Rezeption unabhängiger von einem bestimmten Umfeld wird und das mediale Produkt mit den entsprechenden Geräten fast überall rezipiert werden kann. Die Infrastruktur jedoch, die die sozioökonomischen Dispositive ermöglicht, ist ihrerseits diskursiv koordiniert und impliziert ein komplexes Geflecht medialer und nicht medialer Ereignisse. Beispielsweise besteht die Organisation eines Postunternehmens in einer Vielzahl von Anweisungen, Absprachen und Handlungen. Erhöht sich der Kodierungsgrad des einzelnen érgons aus den genannten Gründen nicht, so erfordert ein derartiger Betrieb indirekt einen höheren Kodierungsgrad, der diese Kommunikationsform für eine Vielzahl von Nutzern zugänglich macht (z.B. in Form schriftlicher Anweisungen). Dieser Aspekt fällt unter die systematische Veränderung des Rezeptionskontextes, von der im Abschnitt 3.2.1 die Rede war. Für die Produktion von Massenmedien spielen sozioökonomische Dispositive insofern eine wesentliche Rolle, als diese in der Regel über vielfach rekursive mediale Prozesse vonstatten geht. Beispielsweise werden bei der Herstellung einer Zeitung unterschiedliche mediale Vorprodukte generiert (dpa-Meldungen, Interviews, Fotos etc.), die dann in verschiedenen Arbeitsprozessen weiterbearbeitet werden (Verschriftlichung mündlicher Interviews, Ergänzungen der dpa-Meldungen durch einzelne Redakteure,

36 Beispielsweise gehören Telefone und Briefe aufgrund ihrer systematisierten Übermittlung für eine Vielzahl von Menschen zum Alltag. Schnurlose Telefone und Handys, die aufgrund der flächendeckenden Verbreitung von Handysendemasten nahezu überall in Betrieb genommen werden können, erlauben den Gesprächspartnern, während ihrer Telefonate mobil zu sein und die Zeitfenster, in denen sie aus der Distanz kommunizieren können, auszuweiten. 37 In anderer Hinsicht (Wegfall der Face-to-Face-Kommunikation etc.) ändern sich allerdings die Kommunikationsbedingungen.

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Koordination und Abstimmung in Redaktionssitzungen, Text-Bildabgleiche, die Anordnung der Artikel auf den Seiten, die Drucklegung etc.). Das Durchlaufen verschiedener Bearbeitungsstufen ist Ausdruck einer Professionalisierung der Produktion. Das einzelne mediale Vorprodukt profitiert von dem Wissen und der Erfahrung von Fachleuten, die jeweils auf einen Bereich spezialisiert sind. Nach ökonomischen Begriffen stellen diese Produktionsabläufe „Veredlungsprozesse“ dar, bei denen aus Vorprodukten Endprodukte gefertigt werden, was zu einer ökonomischen Wertsteigerung führt. Auch in medialer Hinsicht kann man von einer Steigerung sprechen, da das Produkt durch mehrfache Arbeitsprozesse im Hinblick auf seine repräsentative Funktion (Kodierung) und seine Rezeption (Dekodierung) optimiert wird, indem z.B. das Design beziehungsweise Layout oder auch Empfangs- und andere Rezeptionsgeräte benutzerfreundlich gestaltet werden. Die Arbeitsteilung bei der Herstellung komplexer (massen-)medialer Produkte kann man als temporale und funktionale Zergliederung betrachten, wobei begriffliche Unterscheidungen zum Tragen kommen, die an verschiedenen Stellen des vorangegangenen zweiten Kapitels erörtert wurden. In temporaler Hinsicht haben wir es mit einer Ungleichzeitigkeit innerhalb des Produktionsprozesses zu tun, da die Erzeugung medialer Vorprodukte dem Endprodukt zeitlich vorausgeht (vgl. Abschnitt 2.2.1). So wird ein Zeitungsartikel zu einem früheren Zeitpunkt verfasst als die Gesamtausgabe der Zeitung gedruckt wird. Ferner können verschiedene Vorprodukte zeitlich unabhängig voneinander entstehen, obwohl sie im Endprodukt multimedial koordiniert sind (vgl. Abschnitt 2.2.3). Bei einem Interview kann die Photographie des Interviewten vor, während oder nach seiner Befragung aufgenommen werden. Schließlich beruht das Endprodukt in vielen Fällen auf einer mehrstufigen Entwicklung von Vorprodukten. Beispielsweise setzt die Drucklegung eines Interviews eine mündliche Befragung voraus, die in der Regel aufgenommen und anschließend transkribiert, zur Freigabe vorgelegt und gegebenenfalls überarbeitet wird. In funktionaler Hinsicht betrifft die Zergliederung der Produktion einzelne Aspekte der Medialität, die wir in Abschnitt 2.1.1 als MediumI (nur Zeichen), MediumII (Zeichen und Zeichenträger) und MediumIII (nur Zeichenträger) differenziert haben. Bestimmte Arbeitsschritte befassen sich ausschließlich mit Zeichen, das heißt mit der Kodierung des Mediums, andere mit dem Abgleich von Zeichenträgern und Kodierung, wiederum

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andere mit der Bereitstellung von Zeichenträgern. So sind Redakteure einer Zeitung vor allem für die Kodierung (MediumI) zuständig, Layouter dagegen für die Anordnung und optische Erscheinung der Schrift auf der Unterlage, also für MediumII. Die Bereitstellung von Zeichenträgern (MediumIII) wird sogar zu einem eigenen Produktionsbereich (z.B. Herstellung von Druckerfarbe und Papier).38 Mit der Zergliederung des Produktionsprozesses geht zudem eine gewisse Fragmentierung der Urheberschaft medialer Produkte einher, die man im Sinne von Goffman (1981) in dreierlei Hinsicht betrachten kann. Bei seiner Analyse der Urheberschaft der Rede unterscheidet Goffman die Funktionen Autor (Konzeption), Animator (Performanz) und Prinzipal (Verantwortung). Dabei handelt es sich um Instanzen des Urhebers, die in einfachen kommunikativen Akten einer Person zuzuordnen sind, die sich aber bei komplexen medialen Ereignissen auf unterschiedliche Produzenten verteilen. Wenn ein Politiker eine Stellungnahme auf einer Pressekonferenz durch seinen Sprecher verbreiten lässt, dann fungiert der Sprecher insofern als Animator, als er den entsprechenden Text in seiner materiellen Erscheinungsform hervorbringt. Der Politiker ist in diesem Fall der Prinzipal, der die Stellungnahme verantwortet. Der Autor schließlich ist der Urheber der Formulierung des Textes – je nach Konstellation ist dies der Politiker oder sein Sprecher beziehungsweise sein Redenschreiber. Gerade für die Analyse der sozialen Dispositive von Massenmedien ist das Goffmansche Konzept von Bedeutung, denn es erlaubt eine Betrachtung des Produzenten als eine Instanz, die sich aus verschiedenen Personengruppen innerhalb des produzierenden Unternehmens (Zeitungsverlag, Sendeanstalt etc.) zusammensetzt. Diese übernehmen die Urheberfunktionen des Animators, Autors und Prinzipals. Bei einer Tageszeitung liegt die Animatorfunktion bei den Layoutern und Druckern, die Autorfunktion bei der Redaktion und die Prinzipalfunktion bei der Geschäftsführung und der

38 In Bezug auf tertiäre Medien haben beispielsweise Hersteller von Fernseh- und Radiogeräten etc. eine vergleichbare Funktion. In diesem Zusammenhang könnte man auch Internetprovider als soziale Dispositive ansehen, deren Dienstleistungen reine Zeichenträgerfunktion haben. Auf der Basis unserer Diskussion zur Problematik des Zeichenträgers als Medium in Abschnitt 2.1.1 und zur Abgrenzung zwischen Instrument und MediumIII bei technischen Kommunikationsmitteln in Abschnitt 2.1.3. kommen wir damit zu anderen Schlüssen als Faulstich (2003: 9), für den das Internet kein Medium ist.

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Redaktionsleitung.39 Dass das massenmediale Produkt nicht einer einzelnen Person zugerechnet werden kann, beeinflusst wiederum die Wahrnehmung der Rezipienten: Die medial präsentierten Inhalte werden mit Autorität aufgeladen, sie erscheinen objektiv und unantastbar. Dies spiegelt sich auch in der juristischen Formulierung „verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes“ (V.i.S.d.P.) wider. Generell bilden die Rezipienten als Abnehmer, Konsumenten und Käufer einen Teil der sozioökonomischen Dispositive von massenmedialen und digitalen Kommunikationsereignissen. Auf sie beziehen sich die sozialen Dispositive der Produktion: Einerseits nimmt ihr Angebot Einfluss auf das Konsum- und Rezeptionsverhalten; andererseits beeinflusst die Nachfrage der Rezipienten wiederum die Herstellung medialer Produkte. Die Rezipienten sind ebenfalls als notwendige Partner in das Netzwerk der Distribution eingebunden, insofern diese darauf zielt, mediale Ereignisse fest in ihre Alltagswelt zu integrieren und zu verstetigen. Dabei muss man zwischen zwei Aspekten unterscheiden: einerseits der regelmäßigen Rezeption von sekundären und tertiären Medien als érgon (etwa dem Abonnement einer Tageszeitung oder dem regelmäßigen Sehen einer Fernsehserie im Sinne von MediumII) und andererseits dem wiederholten Kauf von Reproduktionsapparaten (Computer, Smartphones etc., also Medien im Sinne von MediumIII), der durch Werbediskurse angeregt wird und durch eine ständige Weiterentwicklung technischer Standards bedingt ist. Die regelmäßige Rezeption bestimmter Massenmedien führt oft zu einer Strukturierung des Alltags: So kommt jeden Tag die Zeitung, die man z.B. beim Frühstück liest und die einen nebenbei auch über Wochentag und Datum auf dem Laufenden hält. Das Fernsehen fungierte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gleichfalls als Zeiteinteiler, da die Ausstrahlung von Nachrichtensendungen zum Beispiel häufig mit der Einnahme von Mahlzeiten gekoppelt ist (beispielsweise ist es durchaus üblich, nach dem Abendessen die Tagesschau zu sehen). Diese zeitstrukturierende Funktion verschwindet mit dem Aufkommen von digitalen Medien, da beispielsweise ein Film oder Videoclip im Internet über längere Zeiträume verfügbar ist. Ein weiterer Effekt des regelmäßigen Konsums von Massenmedien ist die

39 Wie das Endprodukt inhaltlich und materiell aussieht, obliegt letztlich der Zustimmung der Geschäftsleitung, ohne dass man in dieser Instanz den eigentlichen Produzenten erkennen kann.

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Herstellung eines Gruppengefühls, etwa wenn man dieselbe Serie ansieht und darüber spricht. Im Hinblick auf tertiäre Medien, die der Rezipient per definitionem mit einem eigenständigen Gerät (MediumIII) reproduziert, 40 lassen sich zwei Aspekte der Distribution beziehungsweise des Konsums als soziale Dispositive beschreiben. Zum einen animieren Individualisierungs- und Exklusivierungsstrategien der Werbung den Rezipienten dazu, immer wieder neue Geräte zu kaufen: Dem potenziellen Kunden wird suggeriert, dass er durch den Kauf eines in Millionenauflage vorhandenen medialen Produkts (z.B. eines Smartphones) seine Individualität und seinen exklusiven Geschmack demonstriert. Gerade bei tertiären Medien des Typs MediumIII erhöht das laufend verbesserte und modische Design den „Selbstwert“ des Mediums und steigert als Prestigeobjekt den sozialen Status des Rezipienten.41 Zum anderen muss der Rezipient seine Geräte auf dem aktuellsten Stand der Technik halten, wenn er die Bandbreite des Angebots nutzen will, denn oft erlaubt nur das neueste Gerät eine optimale und erweiterte Nutzung der übertragenen Inhalte (MediumII). Dabei dient die Entwicklung immer neuer technischer Standards nicht nur der qualitativen Verbesserung der Übertragung, sondern auch dem Vertrieb immer neuer Apparate, die diese Standards dekodieren. Ältere Geräte der medialen Reproduktion sind dann nicht mehr oder nur noch eingeschränkt nutzungsfähig. Manchmal können sie auch durch erworbene Zusatzgeräte (Adapter, Dekodierer, Analogumwandler etc.) ergänzt werden. Im Allgemeinen kann die mediale Reproduktion von Tertiärmedien beim Rezipienten auf mehrere Geräte aufgeteilt sein. Der Fernsehapparat funktioniert beispielsweise nur in Kombination mit einem Empfangsgerät wie einem TV-Kabel, einer Satellitenschüssel (gegebenenfalls mit Dekodierer), der traditionellen Hausantenne oder einem DVD-Player (früher Videorekorder). Für eine qualitativ hochwertige Wiedergabe audiovisueller Produkte werden TV-Geräte oft mit Audioanlagen kombiniert. An der Peripherie des Fernsehapparats befinden sich zudem akzessorische Geräte wie die Fernbedienung, bei der man nicht definitiv entscheiden kann, ob es 40 In diesem Fall entsteht das fertige Produkt erst im medialen Ereignis der Rezeption. 41 Zur Differenzierung zwischen Medium und Instrument vgl. die Abschnitte 2.1.3 sowie 2.3, in denen die von McLuhan (1994 [1964]) und Eco (1987 [1976]) vorgeschlagenen Konzeptionen des Instruments kritisch diskutiert werden.

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sich um einen Teil des Fernsehers handelt oder um ein eigenes Gerät (man denke etwa an die käuflich zu erwerbenden, universell einsetzbaren Fernbedienungen). Aufgrund dieser „apparativen Heterogenität“, die sich beim Rezipienten ansammelt, werden Medien weniger als „eindeutiger Gegenstand, sondern [als] Geflecht von Praktiken“ (Stauff 2005: 66) definiert.42 Die insbesondere den Massenmedien innewohnende Tendenz zur ökonomischen Monopolisierung bzw. Oligopolisierung (ein Produzent versorgt viele Rezipienten) führt zu einer immer größeren Einflussnahme auf das Konsumverhalten der Rezipienten. Aufgrund direkter und indirekter Suggestion halten diese den Erwerb von bestimmten (nichtmedialen) Waren und Gütern für erstrebenswert. Die direkte Suggestion erfolgt in diesem Fall durch Werbespots und -anzeigen sowie explizite Werbesendungen, -broschüren etc. Die indirekte Suggestion besteht darin, dass mediale Inhalte (Filme, Serien, Hörspiele, Romane, Dokumentationen, Prominentenberichte etc.) Lebensmodelle entwerfen, die mit einem gewissen ökonomischen Status und bestimmten Gütern verbunden sind. Im Internet, das alle Typen der Adressierung erlaubt, verläuft die Ökonomisierung der Rezeption auf andere Weise: Hier entstehen Informationsmonopole, die sich auf das Surf- und Kaufverhalten der Rezipienten beziehen. Durch die flächendeckende, mehr oder weniger anonyme Aufzeichnung der Browserbewegungen der Rezipienten entstehen Userprofile, die es kommerziellen Internetfirmen erlauben, auf den User individuell zugeschnittene Werbung zu platzieren oder zu verschicken beziehungsweise Suchergebnisse entsprechend zu manipulieren. Dies trifft gleichermaßen für Suchmaschinen und sogenannte „soziale Netzwerke“ (Social Media) zu wie für online-Händler und Handels- und andere Plattformen etc. Die Auswertung der Internetbewegungen der Rezipienten (user) erlaubt es Firmen, in ihrer Werbung von einer unspezifischen zu einer spezifischen Rezipienteneinbindung zu gelangen und sogar sehr konkret zu werden, indem der Rezipient in der Werbung namentlich oder anderweitig persönlich angesprochen wird. Die semiotische Einbindung des Rezipienten (im Sinne von Abschnitt 3.1.4) nimmt zu. Es wird ein Narrativ für ihn entworfen, etwa in Form eines Mythos’ (beispielsweise erhält der potenzielle Kunde 42 Dies gilt erst recht für den Computer, der neben dem eigentlichen Rechner (Prozessoren und Speicher) mindestens einen Bildschirm und eine Tastatur umfasst und meistens auch mit Maus, Drucker, Lautsprecher, Kamera und Router versehen ist.

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eine persönliche Mail, die auf seinen Lebensstil abzielt), an dem er durch den Erwerb eines bestimmten Produkts partizipieren kann. Diese Art der Werbung ist deshalb effektiver als eine ungerichtete Rezipienteneinbindung, weil die Kaufvorschläge auch seinem bisherigen Kaufverhalten entsprechen.43 Wir können also feststellen, dass die sozialen Dispositive der Distribution, Produktion und Rezeption aufgrund ihrer arbeitsteiligen Struktur die Entstehung von hochgradig elaborierten medialen Produkten ermöglichen, dass sie aber auch von kommerziellen Interessen des Konsums und der Gewinnmaximierung geprägt sind. Dies ist jedoch nur ein Aspekt unter anderen, denn soziale Dispositive sind im Sinne der Diskurstheorie in erster Linie politische Instanzen der Meinungsbildung und Machtausübung. Soziale Dispositive produzieren den öffentlichen Diskurs. Das heißt im Umkehrschluss, dass sowohl politische als auch ökonomische Diskurse Öffentlichkeit voraussetzen. Während jedoch ökonomische Diskurse die Interessen Einzelner verfolgen (Anbieter und Konsumenten, Angebot und Nachfrage), beziehen sich politische Diskurse auf gesellschaftlich relevante Sachverhalte und Entscheidungen. Die Öffentlichkeit ökonomischer Diskurse beruht auf der Zugänglichkeit von Angebot und Nachfrage, das heißt der ökonomischen Akteure untereinander. Die Öffentlichkeit politischer Diskurse hingegen ist insofern umfassender, als sie nicht nur den Raum des Diskurses bildet, sondern auch dessen Zielsetzung, unabhängig davon, ob es sich dabei um politisches Handeln, um gesellschaftliche Meinungsbildung, um moralische Prinzipien oder um Ideologien handelt. Bei den politischen Diskursen geht es also nicht nur um Vorgänge rund um staatliche Institutionen und ihre Funktionsträger, sondern auch um das Selbst- und Realitätsverständnis einer Gesellschaft. Dieses umfasst Wertund Moralvorstellungen ebenso wie allgemein angenommene Wissensbestände. Dass sie diskursiv hergestellt werden, ist nicht erst seit den explizit auf den Diskurs bezogenen Theorien von Foucault und Habermas be-

43 Diese Form der Adressateneinbindung existiert auch außerhalb des Internets und findet sich beispielsweise im Bereich von Radio- und Fernsehübertragungen: Stauff (2005: 207) sieht den entscheidenden Aspekt der medialen Optimierung darin, „dass die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht mehr einfach Fernsehen schauen, sondern auf ein vielfältiges Programmangebot zugreifen, um bewusst ein bestimmtes Element auszuwählen.“

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kannt.44 Die von Foucault so genannten Dispositive sind extrem vielfältig und heterogen (vgl. seine in Abschnitt 2.3.3 zitierte Definition). Gemeinsam ist ihnen lediglich das Charakteristikum der Öffentlichkeit, wobei es ebenso viele unterschiedliche Formen der Öffentlichkeit gibt wie Dispositive. Um die verschiedenen Ausprägungen systematisch zu erfassen, können wir auf die Kriterien der Adressierungstypologie aus Abschnitt 1.2.3 zurückgreifen. Dort hatten wir die folgenden vier Dimensionen der Adressierung vorgestellt: Fig. 42 Dimensionen der Adressierung (= Fig. 6) individuell

ļ

kollektiv

dialogisch

ļ

monologisch

direkt

ļ

indirekt

persönlich

ļ

anonym

Die vier Dimensionen sind dabei als Kontinua und nicht als Dichotomien zu verstehen. An einem Ende der Kontinua ist die private Adressierung angesiedelt, die individuell, dialogisch, direkt und persönlich ist. Ihr gegenüber steht die öffentliche Adressierung, die kollektiv, monologisch, indirekt und anonym ist. Bezogen auf die politische Öffentlichkeit sind auf der Grundlage dieser Kriterien verschiedene Konstellationen denkbar. So ist ein Gesetzeserlass kollektiv, monologisch, indirekt und anonym adressiert. Eine Wahlkampfrede richtet sich dagegen an ein Kollektiv und ist in weiten Teilen monologisch, bezieht aber dialogische Passagen mit ein (etwa, indem die Bürger Gelegenheit zu einer Fragerunde erhalten). Sie richtet sich direkt an die in einem Saal versammelte Zuhörerschaft und versucht, so persönlich wie möglich die dem Redner meist unbekannten Zuhörer anzusprechen. Eine Bürgersprechstunde ist wiederum persönlich, direkt, dialogisch und individuell gestaltet. Dispositive greifen, wie wir bereits unter dem sozioökonomischen Aspekts gesehen haben, umfassend und gestaltend in die Lebenswelt der Menschen ein. Das können sie auf eher repressive oder argumentative Weise tun. Die repressiven Mechanismen des Diskurses werden von der 44 Vgl. beispielsweise Vološinov (1975 [1929]).

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Theorie von Foucault hervorgehoben, während der aufklärerische Ansatz von Habermas auf die Verständigung durch rationales Argumentieren abzielt. Beide Ansätze fokussieren auf Aspekte des Diskurses, die je nach politischer Lage und historischer Konstellation in spezifischer Weise gewichtet sind. So untersucht Foucault (1975) den Polizeistaat des 18. und 19. Jahrhunderts, während Habermas (1990 [1962]) die bürgerliche Öffentlichkeit seit der frühen Neuzeit ausleuchtet. Da soziopolitische und sozioökonomische Dispositive auf die Produktion, Distribution und Rezeption von Diskursen abzielen, finden diese drei Dimensionen hier in besonderer Weise Beachtung (dabei geht es nicht um politische Theoriebildung, sondern nur um das Thema ‚Medialität und Politik‘). 3.2.4 Soziale Dispositive ௅ politische Aspekte Die Produktion politischer Diskurse stützt sich in erster Linie auf das Primärmedium der mündlichen Sprache. Dieses Primärmedium ist der Ausgangspunkt für die menschliche Entwicklung schlechthin und damit auch die Voraussetzung für die Entstehung aller komplexen und rekursiven Formen der Medialität. An dieser Stelle beschränken wir uns jedoch darauf, die Rolle von Sekundär- und Tertiärmedien wie Zeitungen, Radio, Fernsehen und Internet als politische Dispositive zu beleuchten, da diese einen höheren Grad an sozialer Organisation voraussetzen. Die Beteiligung der genannten Medien an der gesellschaftlichen Meinungsbildung hängt von den politischen Gegebenheiten der betreffenden Gesellschaft ab. Im Allgemeinen vermitteln politische Diskurse gemeinsame Regeln, Gesetze, Werte und Abläufe und steuern beziehungsweise kontrollieren den Einzelnen als Kollektiv. Die verschiedenen Strukturen der Beteiligung medialer Dispositive in verschiedenen politischen Systemen lassen sich anhand der Goffmanschen Diskursinstanzen Prinzipal, Autor und Animator (Goffman 1981) veranschaulichen. Je nach politischer Form ergeben sich unterschiedliche Konstellationen aus diesen drei Instanzen. In einer Diktatur etwa sprechen wenige (die machthabende Partei, der Diktator) zu vielen. Der politische Machthaber übernimmt dabei die Rolle des Prinzipals, während die Autorschaft sich auf verschiedene Funktionäre oder sonstige Parteimitglieder sowie auf mehr oder weniger gleichgeschaltete Massenmedien wie Zeitungen, TV etc. verteilt. Die Animatorrolle kann

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je nach politischer Bedeutsamkeit vom Diktator selbst, von den Ministern oder sonstigen Mitarbeitern ausgeübt werden. Zwar erfolgt dies in steter Abstimmung mit der höchsten machthabenden Instanz, die Vielfalt der Autoren und Animatoren sorgt dabei jedoch für eine gewisse Modifikation und Variation des Gesagten. Die Verbreitung der Botschaften läuft vielfach über Massenmedien, deren Adressierung in der Regel kollektiv, monologisch, indirekt und anonym ist. Eine politische Autorität kontrolliert die Massenmedien und übernimmt die Prinzipalfunktion. Diese mediale Verbreitungsform korreliert mit einer ideologischen Botschaft, die möglichst alle Bereiche des menschlichen Lebens durchdringen und prägen soll. Beispielsweise wurden in Deutschland im Jahr 1933 die unabhängigen Meinungsbildungsinstanzen (Presse, Rundfunk) gleichgeschaltet. In einer Demokratie sprechen viele zu vielen ௅ so will es zumindest das Ideal. Gremien und Arbeitsgruppen formulieren in ihrer Autorfunktion Erlasse, Gesetze, Rundschreiben, Vorgehensweisen etc., über die dann andere Instanzen (beispielsweise Abgeordnete) abstimmen. Ein Abgeordneter fungiert bei einer solchen Abstimmung als Animator, den seine Wähler als Prinzipal beauftragen, in ihrem Namen über Gesetze etc. abzustimmen. Es gehört zum Selbstverständnis demokratischer Gesellschaften, dass Medien nicht zentral gesteuert werden sollten. Demnach sollen Medien die ganze Bandbreite der Meinungen der Bevölkerung widerspiegeln, sodass mit ihrer Hilfe tatsächlich viele zu vielen sprechen. Gemäß dieser Idealvorstellung sind Medien lediglich Mittel der kollektiven Kommunikation. Durch ihre Übermittlerfunktion werden sie jedoch zwangsläufig auch zu Autoren und Animatoren des politischen Diskurses. Daher nehmen sie unweigerlich Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung und damit auf den Prinzipal (die Wähler). Empirische Studien haben gezeigt, dass Berichterstattung oftmals nicht so vielfältig ist, wie idealerweise angenommen, sondern dass sich aufgrund sozioökonomischer Mechanismen ein Konsens über die Art des Berichtens und Informierens bildet (vgl. dazu Schulz 1976, Meyer 2001, 47). So konvergiert die Themenwahl einerseits durch den Konkurrenzdruck der Zeitungen untereinander, andererseits durch Vermutungen über die Interessen der Leserschaft (nicht nur deren Informations-, sondern auch deren Unterhaltungs- und Sensationsbedürfnis muss befriedigt werden). Dabei prädestinieren verschiedene, an sich apolitische Faktoren die Ereignisse

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dazu, zu Nachrichten zu werden, beispielsweise ihr Sensationspotenzial, die kurze Dauer des Geschehens, ihre Abgeschlossenheit etc. Dies führt dann zu einer gewissen Uniformität der Themenwahl (Meyer 2001, 47). Zudem spielen bei der Festlegung der Inhalte und bei der Berichterstattung mehr oder weniger bewusste Vorurteile und Vorstellungen über die Ordnung der Welt eine Rolle: Beispielsweise wird in der internationalen Berichterstattung einem Ereignis in einer so genannten Supermacht zumeist eine höhere Aufmerksamkeit gewidmet als einem Ereignis in einem Schwellenland. Bestimmte Erklärungen und Erklärungsmuster werden (leicht modifiziert je nach politischer Ausrichtung des Blattes oder Senders) gegenüber anderen möglichen Erklärungen favorisiert. Durch die Sensibilisierung auf ein bestimmtes Thema ergibt sich häufig eine Bündelung ähnlicher Ereignisse (etwa wenn in einem bestimmten Zeitraum wiederholt von Flugzeugabstürzen berichtet wird und der Eindruck einer Serie entsteht, ohne dass dabei das statistische Vorkommen dieses Ereignisses höher ist als zu anderen Zeiten). Letztlich ergibt sich die relative Ähnlichkeit der Berichterstattung nicht nur aus Machtinteressen, sondern ist auch der rekursiven Medialität geschuldet, etwa wenn Journalisten Artikel von Nachrichtenagenturen weiterverarbeiten. Bestimmte Formate der Medien wie Bilder, sprachliche Wendungen, Meinungsumfragen, Statistiken und Medienberichte erzeugen im Kollektiv ein spezifisches Lebensgefühl (z.B. den kollektiven Eindruck, im Frieden, im Wohlstand, in Sicherheit oder in Unsicherheit, Bedrohung, Armut, Krieg zu leben) und rechtfertigen Handlungen (z.B. ein Unternehmen zu retten, in einen Konflikt einzugreifen etc.). Im Gegensatz zur Diktatur, in der die Politik die Medien kontrolliert, wird für Demokratien seit den 1990er Jahren von Politik- und Medienwissenschaftlern die Frage gestellt, inwieweit Medien die Politik, das Agieren der Politiker und die Teilnahme der Bürger beeinflussen und damit ein Stück weit die Rolle des Prinzipals übernehmen (vgl. etwa Meyer 2001, Schatz/Rössler/Nieland (Hg.) 2002, Rhomberg 2008, Marcinkowski/ Pfetsch 2009). Diese Problematik ergibt sich aus der für Massenmedien typischen Adressierungskonstellation, in der wenige zu vielen sprechen: Presse, Rundfunk, Fernsehen autorisieren ௅ bewusst oder/und unbewusst ௅ bestimmte Vertreter (Politiker, Wissenschaftler, Personen mit Vorbildfunktion, Lobbyisten etc.) zu politischen Diskursen. Die Selektion erfolgt unter Gesichtspunkten wie Bekanntheit, Beliebtheit, fernsehtaugli-

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ches Auftreten, Provokationspotenzial, mitunter auch aufgrund gezielter politischer Bevorzugung. Unabhängig davon, ob ihre Motive eher kommerziell (z.B. fernsehtaugliches Auftreten) oder eher politisch (Bevorzugung) sind, widerspricht diese Selektion in jedem Fall dem demokratischen Prinzip der Kommunikation von vielen zu vielen, da die Adressaten selbst keinen Einfluss auf die Themen- und Personenwahl haben. Die Bandbreite der Forschungsmeinungen über das Ausmaß der Beeinflussung reicht von der Annahme, dass die Einflussnahme der Medien auf die Politik hoch sei und diese zu einer „Mediendemokratie“ verwandle, dergestalt, dass sich die Politiker „in den Fesseln der Mediengesellschaft“ befänden (Hoffmann-Riem 2000: 109). Sogar von „Mediokratie“ und einer „Kolonisierung der Politik durch die Medien“ (Meyer 2001) ist die Rede. Das maßgeblich dafür verantwortliche Medium Fernsehen sieht Meyer einerseits durch die Theatertradition geprägt, aus deren „Fundus“ (Meyer 2001: 54) Begriffe wie Inszenierung, Performance, Wahrnehmung, Verkörperung etc. stammen (Meyer 2001: 112), und andererseits durch den Stummfilm mit seiner „Dominanz des Visuellen“ (Meyer 2001: 105). Dem Bürger als Zuschauer dieser „Medienbühnen“ ist es demzufolge nahezu unmöglich, politisches Handeln jenseits der Inszenierungen zu beurteilen (Meyer 2001: 101). Gemäßigtere Auffassungen halten die These von der Mediendemokratie oder gar von der Mediokratie dagegen als wissenschaftliche Überzeichnung, auch wenn sie eine „zunehmende Bedeutung der Medien in der Demokratie“ feststellen (Massing 2003b, 6, Rhomberg 2008, 189f.). Auf der anderen Seite der Skala steht die Auffassung, dass die Verquickung der Politik mit dem Internet, insbesondere der Social Media, zu einer „participatory culture“ führt (Jenkins 1992, Jenkins 2006, Jenkins et al. 2013), die die Utopie einer Kommunikation von vielen zu vielen möglich werden lässt. In digitalen Medien wie dem Internet, das alle möglichen Kommunikationsformen erlaubt, kann sich demnach prinzipiell jeder in der politischen Öffentlichkeit äußern. Insofern ergibt sich eine neue Variante der in Fig. 6 vorgestellten Adressierungstypologie in Bezug auf das Internet: Seine Kommunikation ist in Formaten wie Artikelkommentaren oder Twitter kollektiv, anonym, indirekt und dialogisch. Aus diesem Grund kann das Internet nur bedingt als Massenmedium angesehen werden. Dialogizität und Zugänglichkeit erhöhen die Partizipationsmöglichkeiten der Rezipienten und können eine Chance bezüglich der Meinungs-,

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Themen- und Interessensvielfalt bedeuten. Allerdings führt die räumliche Begrenzung der Social Media (die Anzahl der Zeichen ist auf Twitter und Facebook begrenzt) in diesen medialen Konstellationen (wie bereits in der zeitlichen Begrenzung der Fernsehformate Talkshows, Interviews oder TVWahlkampfduelle) zu einer Zurückdrängung von Inhalten zugunsten von Emotionalisierung und zu einer Entkomplexivierung der Sachverhalte (vgl. etwa das „Like“ von Facebook), sodass diese Chance kritisch gesehen werden muss. Gerade im Umgang mit Social Media sind Erfahrung und etablierte Verhaltensweisen vonnöten, die den Diskurs regeln. Momentan ist ein Wandel der politischen Diskussionskultur feststellbar, der aufgrund der technischen Dispositive dieses neuen Formats stark von konzeptioneller Mündlichkeit im Sinne von Koch/Oesterreicher (2011 [1990]) geprägt ist. Wenn sich beispielsweise Politiker über Twitter äußern, dann werden Planungsaufwand und Reflexion durch Spontaneität und Emotionalität ersetzt, Sprache und Stil simulieren Vertrautheit und Privatheit. Dennoch wird die medial schriftliche Äußerung von einer breiten Öffentlichkeit rezipiert und ist in gewisser Hinsicht weniger flüchtig als eine mündliche Äußerung. Zudem fehlt den Produzenten bei dieser Form der Äußerung in der Regel das Bewusstsein, Urheber eines Textes zu sein, für den sie auch die Verantwortung übernehmen müssen. Insgesamt wird von der Forschung eine „Tendenz zur Auflösung von wirklichen Massenmedien“ konstatiert (Rhomberg 2008: 191, Hervorhebung im Original), da die Nutzer das (auch massenmediale) Angebot immer stärker individuell auf ihre Bedürfnisse hin auswählen können. Mit diesem Argument wird auch die These der Mobilisierungs- und Demokratisierungspotenziale von Medien relativiert, weil entweder der Gebrauch (wie im Falle des Internets) (noch) nicht flächendeckend ist (Bieber 2003: 18; Gloe 2003: 61) oder „die Menschen aufhören, bestimmte Medien kollektiv und regelmäßig zu benutzen“ (Ruß-Mohl 1993: 361) und somit eine Gruppenverständigung erschwert wird. Bieber kommt daher zu dem Ergebnis: Eine ௅ nicht selten prognostizierte ௅ ‚Beteiligungsrevolution‘ durch das Internet ist bislang ausgeblieben, der Anbruch eines ‚neuen authentischen Zeitalters‘ (Al Gore) mit einer Wiederbelebung des demokratischen Diskurses auf der digitalen Agora ist bis auf weiteres nicht in Sicht. (Bieber 2003: 18)

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Diese ernüchternden Erkenntnisse kann man mit Gloe (2003: 66) auch wie folgt zusammenfassen: „Die Existenz und die Entwicklung Neuer Medien führt nicht automatisch zu einer Stärkung der Demokratie.“ Der Anspruch an das Internet, flächendeckende Demokratisierung zu leisten, wird von neueren Studien kaum noch gestellt. Send /Schildhauer (2014) sowie die vielfältigen Beiträge des Sammelbandes von Voss (Hg. 2014) kommen eher zu dem Ergebnis, dass nicht die Menge der politisch Engagierten ab oder zunehme, sondern die Formen der Beteiligung sich ändern würden. Sekundäre und tertiäre Medien sind auf Infrastrukturen der Distribution wie Vertriebswege, Sendemasten und Leitungen angewiesen. Diese befinden sich oft im Besitz einiger weniger. Das macht sie anfällig für politische Einflussnahmen. Politik kann den Ausbau der Infrastrukturen fördern, sie kann sie aber auch behindern oder verbieten. Die Strategien von Zensur und Verbot sind von der Art der medialen Distribution abhängig. Bei sekundären Medien (Bücher, Zeitungen etc.) wird der Vertrieb der medialen Produkte einfach untersagt, bei tertiären Medien (Radio, TV, Internet) werden Sender oder Leitungen abgeschaltet. In liberaleren Gesellschaften unterliegt die Distribution medialer Produkte zudem oft einem Profitvorbehalt. Bestimmte Informationen und Stellungnahmen werden beispielsweise wegen geschäftlicher Erfolglosigkeit aus dem Programm genommen (vgl. Meyer 2001: 45). Verbreitet wird nur, was die Rezipienten interessiert oder was die Geschäftsführungen und Vorstände von Medienunternehmen für etwas halten, das das Publikum interessant findet. Verboten ist zwar nichts, aber realisieren kann man mediale Produkte nur, wenn eine Finanzierung der benötigten Infrastruktur gegeben ist. Dies gilt zumindest für herkömmliche massenmediale Produkte. Mit dem Internet eröffnen sich völlig neue Diffusionsmöglichkeiten für politische Inhalte, da die Hostingkosten für Webseiten und E-MailAccounts vergleichsweise gering und die Provider lokal ungebunden sind. Da bei tertiären Medien wie dem Internet private und öffentliche Informationen die gleichen Distributionswege haben und oftmals auch von gleichen Geräten verschickt oder empfangen werden, ist es schwierig, einerseits Privates und Öffentliches zu trennen und andererseits Adressaten von anderen Rezipienten zu unterscheiden. Dies hat mehrere Konsequenzen, auch für die Produktion und Rezeption. So kann es leicht aufgrund technischer Pannen beim Verschicken von Mails zur Verwechslung der eigentlichen Adressatengruppe mit anderen Rezipienten kommen ௅ Informationen,

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die vertraulich sind, werden beispielsweise versehentlich über einen öffentlichen Verteiler geschickt. Im Hinblick auf die Produktion kann es (oft auch gezielt in provozierender Absicht) zu einer Vermischung von öffentlicher und privater Tätigkeit, zur Verwechslung von Amt und Privatperson kommen, wie im oben geschilderten Fall von Politikern, die sich über Twitter äußern, um öffentlich ihre Privatmeinung zu verbreiten. Umgekehrt können private Äußerungen Gegenstand eines politischen oder militärischen Interesses werden. Gerade bei digitalen Distributionswegen kann der Sender einer Nachricht nicht kontrollieren, ob die Nachricht nur die gewünschten Adressaten erreicht oder auch andere Rezipienten. Regierungen und Geheimdienste (die Rezipienten, aber keine Adressaten sind) unterscheiden bei der Datenspeicherung nicht zwischen ‚privat‘ und ‚politisch relevant‘, zumal es hier häufig nicht um die unmittelbare Auswertung von Information geht, sondern zunächst nur um die Sammlung von Daten, die erst bei akutem Verdacht ausgewertet werden sollen. Aus politischer Perspektive ist der Blick auf den einzelnen Rezipienten insofern von Interesse, als es darum geht, wie Dispositive beschaffen sein müssen, um die Regierbarkeit und Verwaltbarkeit des Bürgers zu optimieren und Informationen zirkulieren zu lassen. Das reicht von der Frage, mit welchen Medien man den Einzelnen wofür am besten erreicht, bis hin zum Problem der politischen Überwachung und Spionage. Letztere geschieht zwar auf den Wegen der medialen Distribution, es handelt sich jedoch im Endeffekt auch um eine Form der Rezeption, genauer um die unautorisierte Rezeption, das Goffmansche eavesdropping (Goffman 1981, vgl. auch Anmerkung 16 in Abschnitt 1.2.3). Die Überwachung tertiärer medialer Ereignisse ist neuerdings in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, weil durch die Digitalisierung erstmals eine flächendeckende, sozusagen „industrialisierte“ Form des Abhörens möglich wird. Dabei lässt sich eine umgekehrte Entwicklung zu der oben diskutierten unautorisierten Rezeption zu Werbezwecken feststellen, die auf eine immer größere Abstimmung von Interessen zielt. Die Entwicklung des Abhörens und Ausspionierens zu politischen Zwecken verläuft mediengeschichtlich gesehen von der gezielten Auswertung der Kommunikation verdächtiger Personen über die Erkennung durch Schlüsselwörter hin zu einer allgemeinen massenhaften Speicherung von Daten, die bei Bedarf ausgewertet werden kann.

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Während das Belauschen/Ausspionieren bei primären und sekundären Medien aufwendig ist, da es um eine Überwachung ad personam geht (etwa das Überwachen von Individuen durch Spitzel, das Abhören von Telefongesprächen, das Öffnen von Briefen etc.), ist er bei tertiären Medien wie dem Internet vergleichsweise gering. Die Rezipienten hinterlassen mediale Spuren, die im Netz, da es in erster Linie auf Speicherung und nicht auf Vergessen der Daten angelegt ist, lange Zeit abrufbar bleiben. Der geringe Aufwand und die Anonymität der Kontrolle verleitet Regierungsapparate, unabhängig davon, ob sie eher demokratisch oder autoritär auftreten, dazu, ihre Bürger und andere Personen bzw. Regierungen sowie Organisationen auszuspähen. Gleichzeitig ist gerade bei massenmedialer Kommunikation sowie Kommunikation über das Internet ab einer bestimmten Größe der Teilnehmerzahl zu beobachten, dass das Bedürfnis nach Unterhaltung steigt (Habermas 1990 [1962], vgl. für das Internet Nickel 2015). Konsum ersetzt hierbei langfristig politische Debatten: Wenn die Gesetze des Marktes, die die Sphäre des Warenverkehrs und der gesellschaftlichen Arbeit beherrschen, auch in die den Privatleuten als Publikum vorbehaltene Sphäre eindringen, wandelt sich Räsonnement tendenziell in Konsum, und der Zusammenhang öffentlicher Kommunikation zerfällt in die wie immer gleichförmig geprägten Akte vereinzelter Rezeption. (Habermas 1990 [1962]: 249)

Nickel (2015: 28) wendet die von Habermas beschriebenen Entwicklungstendenzen des politischen Diskurses in kapitalistischen Gesellschaften auf das Internet („cybersphere“) an, wobei sie feststellt, dass auch die Individualität der Habermasschen „Privatleute“ in den Hintergrund rückt, da sie über ihre Rezeptionsakte zu einer Sammlung von einzelnen „Daten“ werden und in ihrer Selbstwahrnehmung als Konstellation ihrer Verbindungen mit anderen Nutzern erscheinen, die sie Freunde nennen und „liken“ (Nickel 2015: 37f.). Entscheidend bei dieser Entwicklung ist die Speicherung und Weitergabe der Userdaten an dritte zur kommerziellen Nutzung. Genaugenommen hat man es hier mit einer Rezeption der Rezeption und damit mit einer rekursiven Rezeption zu tun. Dies ist bekanntlich das Geschäftsmodell von Social Media wie Facebook, Suchmaschinen wie Google, Plattformen, Tauschbörsen etc.

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Die von Habermas und Nickel beschriebenen Tendenzen zur konsumorientierten medialen Rezeption legen nahe, im Zusammenhang mit diesem Adressierungstyp eher von ökonomischen denn von politischen Dispositiven zu sprechen. Allerdings kann man die Reduktion des Politischen zugunsten des Ökonomischen auch als eine Form, ja als ein Dispositiv des politischen Diskurses betrachten, da sie die politische Partizipation der Mitglieder einer Gesellschaft untergräbt und sogar verhindert. In Kombination mit der systematischen Sammlung und Auswertung von Rezipientendaten durch staatliche Stellen wirkt der Eintritt in das digitale Zeitalter zuweilen wie eine Übergabe der Souveränität des Bürgers an Regierungen und Konzerne. Es ist jedoch nicht das Medium Internet an sich, das politische Beteilung oder Konsum fördert beziehungsweise verhindert, sondern entscheidend ist der Gebrauch durch die Nutzer. Von daher ist für die Zukunft ebenso ein anderes, politisch bewussteres Nutzerverhalten des Bürgers vorstellbar.

3.3 K ONVENTIONALITÄT

UND I NNOVATION

Wir haben in Abschnitt 3.1.1 bereits gesehen, dass die Konventionalität von Zeichen eine wichtige Rolle für die Art der Kodierung spielt, da symbolische Repräsentation notwendigerweise konventionell ist. Fast alle Zeichen stehen auf die eine oder andere Weise im Verhältnis zu Konventionen. Entweder bestätigen sie Konventionen oder sie setzen sich von ihnen ab und schöpfen daraus ihr innovatives Potenzial. Im Folgenden geht es um drei relevante Aspekte der Konventionalität, die erstens die interne Organisation von Zeichenkomplexen betrifft („Grammatik“, Zeichensysteme, 3.3.2), zweitens ihre kontextuelle Prägung („Verhaltensnormen“ in der Kommunikation und „Diskurstraditionen“, 3.3.3) und drittens ihre moralische und ästhetische Bewertung im Diskurs (Wertungsdiskurs, 3.3.4). Zuvor soll es jedoch um die historische Dynamik von Konventionen gehen (3.3.1). 3.3.1 Zur Historizität von Konventionen Als soziale Regelwerke entstehen Konventionen durch Setzung (Axiom), Gewohnheit (Autoregulation) oder Aushandlung (Diskurs). Da sie durch

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soziale Koordination zustande kommen, sind sie grundsätzlich an ihre Zeit gebunden und damit historisch. Dabei variiert die Historizität medialer Konventionen je nach der semiotischen Konstellation. Axiomatische Zeichensysteme wie Verkehrsschilder oder Programmiersprachen werden institutionell festgelegt. 45 Ihre Konventionalität beruht auf präskriptiven Normen. Bei axiomatischen Systemen sind die einzelnen Zeichenkomplexe (individuelle Zeichen) streng an die Konvention gebunden, die ihrerseits nur durch Setzungen (Axiome) verändert werden können. Axiomatische Veränderungen der Konvention können zu einem kompletten Systemwechsel führen. Die Konventionalität autoregulativer Zeichensysteme, wie beispielsweise Sprachen oder Musik, geht dagegen aus emergenten Prozessen hervor: Indem wir sprechen oder musizieren, erhalten wir die Konventionen der Sprache und der Musik am Leben und verändern sie zugleich. Die Norm solcher natürlicher Systeme kann nicht gesetzt, sondern allenfalls beschrieben werden und ist daher deskriptiver Natur.46 In autoregulativen Systemen ergibt sich die historische Dynamik der Normen aus dem Spannungsfeld zwischen Konvention und individuellen medialen Ereignissen. Einzelne kommunikative Ereignisse sind in einem gewissen Maß konventionell, können aber auch von der Konvention abweichen und innovativ sein. Innovationen bauen auf Konventionen auf, die wiederum aus der Verstetigung von innovativen Ereignissen resultieren. Bei der autoregulativen Entwicklung einer Konvention ist im Prinzip jeder einzelne Zeichenkom-

45 Es kann sich auch um Einzelpersonen handeln, die eine institutionelle Position einzunehmen versuchen, indem sie etwas als eine zukünftige Norm vorschlagen (oder bei der nötigen Macht setzen), wie zum Beispiel ein Informatiker, der eine neue Programmiersprache entwickelt und veröffentlicht. 46 In der Linguistik versteht man unter einer präskriptiven Norm eine institutionell vorgegebene Grammatik und unter einer deskriptiven Norm die Beschreibung des tatsächlichen Sprachgebrauchs. In der Literaturwissenschaft bezeichnen präskriptive Normen, beispielsweise in einer Poetik, verbindliche Regeln oder Vorschriften, während deskriptive Poetiken die tatsächlich vorkommenden Merkmale einer Gattung beschreiben. Da sowohl Sprachen als auch literarische Gattungen aufgrund ihres Gebrauchs geregelt werden, können sie im Grunde nur deskriptive Normen haben. Präskriptive Normen stellen in diesen Bereichen, nur den Versuch dar, die Struktur dieser kommunikativen Ereignisse verbindlich vorzuschreiben.

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plex an der Fortführung und/oder an der Erneuerung der Konvention beteiligt. Das diskursive Aushandeln funktionaler und ästhetischer medialer Normen folgt historischen Konventionszyklen, die aus konkurrierenden Wertungsdiskursen resultieren (vgl. Foucault 1969 und 1971b). Grundsätzlich handelt es sich dabei um autoregulative Prozesse, die aber immer wieder durch diskursive Steuerungsversuche überlagert werden. Dies setzt einen Kreislauf aus innovativer Durchbrechung von Konventionen und Konventionalisierung von Innovationen in Gang. Auf Wertungsdiskurse gehen wir in Abschnitt 3.3.4 ein. Ausschlaggebend ist an dieser Stelle die auffällige historische Dynamik dieser diskursiven Systeme, die sich unter anderem in der Programmatik avantgardistischer Strömungen zeigt: Die Überwindung hergebrachter Konventionen, die mit der Deklaration eines Programms in einem Manifest angestrebt wird, ist nichts anderes als der Versuch, neue Konventionen zu etablieren beziehungsweise zu setzen. Zwischen den Extremen der institutionellen Setzung und der autoregulativen Entstehung von Normen scheinen diskursiv ausgehandelte Konventionen, beispielsweise ästhetischer oder ritueller Natur, eine Zwischenstellung einzunehmen. 3.3.2 Zeichensysteme und „Grammatik“ In 1.3.3 haben wir gesehen, dass Ereignishaftigkeit der Konvention vorausgeht und die Konventionalität von Zeichen wiederum die entscheidende Voraussetzung für ihre Organisation in einem semiotischen System ist, dessen Funktionsweise im Sinne Saussures (2005 [1916]) auf Arbitrarität beruht. 47 Auf die Art der Kodierung bezogen, die wir in Abschnitt 3.1 diskutiert haben, kann die Saussuresche Arbitrarität als eine Funktionsweise von Zeichen verstanden werden, die symbolisch angelegt ist. Arbitrarität heißt nämlich bei Saussure, dass ein Zeichen nicht über Motivation, also nicht als Index oder als Ikon funktioniert, sondern aufgrund seiner Konventionalität. 48 Gemäß den Ausführungen des Genfer Sprachwissenschaftlers erhalten symbolische Zeichen ihr Repräsentationspotenzial darüber hinaus 47 Weitere Einzelheiten des Saussureschen Systembegriffs werden in Abschnitt 1.3.1 diskutiert. 48 In Abschnitt 3.1.1 ist allerdings deutlich geworden, dass indexikalische und ikonische Zeichen auch symbolisch sein können.

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im Rahmen eines Systems. Für Saussure war der Prototyp aller Zeichensysteme die menschliche Sprache, im Zuge von deren Erforschung er seinen Systembegriff ausarbeitete. Nun ist das System einer Sprache im Wesentlichen das, was man gemeinhin als ihre Grammatik bezeichnet. Da menschliche Sprachen zweifellos die komplexesten und umfangreichsten uns bekannten semiotischen und medialen Systeme sind, wollen wir an dieser Stelle kurz die Prinzipien ihrer Systemhaftigkeit umreißen, um anschließend der Frage nachzugehen, ob und inwieweit auch andere Medien Systemcharakter haben können. In den Begriffen einer allgemeinen Zeichen- und Medialitätstheorie kann man sagen, dass Grammatik ein systemgesteuertes Prinzip beziehungsweise ein Bündel systemgesteuerter Prinzipien der Komposition von Zeichenkomplexen ist. Gemäß Saussure betreffen diese Prinzipien die syntagmatische, das heißt lineare Anordnung der sprachlichen Zeichen, und die paradigmatischen Alternativen bei der Auswahl dieser Zeichen. Die Syntagmatik der Sprache geht mit der in Abschnitt 2.2.1 diskutierten materiellen Linearität dieses Mediums einher, spielt aber gleichzeitig eine wesentliche Rolle bei der sprachlichen Kodierung. Im Deutschen beispielsweise muss ein Attribut, das ein Substantiv determiniert, stets vor diesem stehen í es macht daher einen großen Unterschied, ob man Arbeitszeit oder Zeitarbeit sagt. Die Paradigmatik der Sprache besteht darin, dass es für verschiedene Begriffs- und Funktionsbereiche eine Reihe substituierbarer Wörter oder Formen gibt, die den jeweiligen Bereich konzeptuell organisieren. Ein einfaches Beispiel sind die Wörter für Fortbewegungsmittel wie Fahrrad, Motorrad, Auto, Flugzeug etc., die einen Begriffsbereich bilden, der nach Bedarf spezifiziert werden kann. Beispielsweise kann das Auto mit den Wörtern Sportwagen, Cabrio, Geländewagen, Mittelklassewagen, Limousine, Kombi etc. weiter differenziert werden. Für die Repräsentationsfunktion der Sprache ist eine weitere Systemeigenschaft von entscheidender Bedeutung: die von Martinet (1970) als double articulation (doppelte Gliederung) beschriebene zweifache Kombinatorik des sprachlichen Ausdrucks, die aus der ersten Ebene der signifikativen (bedeutungstragenden) Einheiten und der zweite Ebene der distinktiven (bedeutungsunterscheidenden) Einheiten resultiert. Tatsächlich wird mit einem sehr kleinen Inventar von Sprachlauten ௅ beispielsweise hat die aktuelle deutsche Standardsprache 21 Konsonanten und 19 Vokale (einschließlich Diphthonge) ௅ ein weit größeres Inventar von hunderttau-

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senden von Wörtern. Doch auch ein solches lexikalisches Inventar ist letztlich sehr begrenzt, wenn man es vor dem Hintergrund der nahezu unendlichen Anzahl von Sätzen sieht, die man mit diesen Wörtern bilden kann. Der Geltungsbereich der Grammatik überschreitet sogar die Satzgrenzen, denn eine ganze Reihe von Wörtern und Ausdrücken hat die Aufgabe, einzelne Sätze semantisch zu verbinden (zum Beispiel mit anaphorischen Ausdrücken wie daher) und den eigenen Diskurs oder den Text zu organisieren (zum Beispiel mit Diskursmarkern wie also). Allerdings gehen die Regularitäten der Makrostrukturen von Texten und Diskursen über die Grammatik hinaus. Um ihre konventionellen Ausprägungen geht es im folgenden Abschnitt. Was die Grammatik der Sprachen als System anbelangt, muss vor allem auf eine Besonderheit hingewiesen werden, die ihre Mikrostruktur betrifft: Die Syntagmatik und Paradigmatik der Sprache und ihre doppelte Gliederung sind die Voraussetzung für ihre in Abschnitt 3.1.2 erläuterte Besonderheit, die darin besteht, dass sie Prädikationen bilden kann. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es Grammatik im Sinne eines semiotischen Systems nur bei Sprachen gibt, so wie Prädikationen nur in der Sprache vorkommen (vgl. dazu auch Anmerkung 7). Ein Blick auf einige Formen der außersprachlichen Kommunikation zeigt, dass man diese Frage in einem bestimmten Ausmaß verneinen muss.49 Beispielsweise kann man auch bei Musik von semiotischen Systemen sprechen, etwa dem des wohltemperierten Klaviers. Dieses verfügt über ein Inventar von zwölf Tönen, deren lineare und/oder polyphone Kombination 24 Tonarten (12 Dur- und 12 Molltonarten) realisieren können. Mit den zwölf Tönen und den 24 Tonarten dieses harmonischen Systems kann man unendlich viele verschiedene Melodien und polyphone Musikstücke komponieren und spielen. Den Melodien in einer gewissermaßen syntagmatischen Dimension stehen Akkorde oder Harmonien in einer paradigmatischen Dimension 49 Zugegebenermaßen folgen wir mit der Hervorhebung der Sonderstellung der Sprache dem linguistic turn (vgl. Rorty 1967), bei dem Modelle der „Textualität“ als Beschreibungsmodell für andere Zeichensysteme herhalten. Dies ist dadurch gerechtfertigt, dass Sprache als einziges Medium über andere Medien sprechen kann. Wenn Mitchell (2008: 106) dagegen das umgekehrte Modell eines pictorial turn zeichnet, bei dem die anderen Humanwissenschaften von der Kunstgeschichte eine „Erklärung ihres grundlegenden theoretischen Gegenstands erwarten“, müsste diese Erklärung ebenfalls sprachlich ausfallen.

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gegenüber. Insofern kann man von einem musikalischen System, von einer Grammatik der Töne und Harmonien sprechen, deren Regeln zum Beispiel in der Satzlehre festgelegt sind. Andererseits sind musikalische Systeme bei weitem nicht so komplex wie sprachliche, was schon allein an ihrer Autoreferenzialität liegt. Die theoretische Ausarbeitung einer Grammatik der Musik liefern aus kognitionswissenschaftlicher Perspektive Lerdahl und Jackendoff (1996), die unter anderem rhythmische und metrische Strukturen untersuchen. Als Beispiel eines nicht sprachlichen Systems, das im Gegensatz zu Musiksystemen sogar rudimentäre Prädikationen darstellen kann, lässt sich die Verkehrsbeschilderung anführen. Hier gibt es ganze Paradigmen der Geschwindigkeitsbegrenzung, der Einschränkungen beim Fahren, der Ausnahmezulassung bestimmter Fahrzeuge, der Vorfahrtsregelung. Ferner sind viele Verkehrssymbole auf die lineare Rezeption durch die fahrenden Verkehrsteilnehmer ausgerichtet. Es handelt sich um Vorbereitungsschilder, die darauf hinweisen, dass in Kürze eine Ampel, ein Bahnübergang oder eine Baustelle kommt, oder um Nachbereitungsschilder, die eine zuvor festgelegte Vorfahrt oder Geschwindigkeitsbegrenzung wieder aufheben. Gleichwohl ist die Linearität in der Grammatik der Verkehrsbeschilderung bei weitem nicht so ausgeprägt wie in sprachlichen oder selbst musikalischen Systemen.50 Eine weitere Übertragung des Begriffs „Grammatik“ auf nicht sprachliche Kommunikation nimmt die Psychotherapie in Bezug auf Körpersprache vor (Trautmann-Voigt/Voigt 2012). Einerseits hebt sie den engen Zusammenhang mit dem Sprechen hervor, andererseits arbeitet sie aber auch spezifische Strukturformen, Regeln und Systematiken der Körpersprache heraus. In Bezug auf die Linearität der Wahrnehmung von Medien, die wir in Abschnitt 2.2.1 ausführlich diskutiert haben, stellt sich schließlich die Frage, ob sie eine notwendige Voraussetzung für ein grammatisches System darstellt oder nicht. Zwar kann diese Frage hier nicht abschließend behandelt werden, doch lassen sich anhand der Malerei bereits an dieser Stelle mögliche Argumentationswege dafür aufzeigen. Beispielsweise kann man die Zentralperspektive eventuell als systematisches Verfahren der zweidimensionalen Darstellung der Wahrnehmung dreidimensionaler Räume be50 Außerdem ist die Verkehrsbeschilderung, ebenso wie die Formelsprache der Logik, sprachabhängig und jederzeit eins zu eins in Sprache rückübersetzbar.

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trachten. Möglicherweise können auch bestimmte Gesetze, Stile und Techniken der Malerei als Elemente eines Systems betrachtet werden. In dieser Frage kann man den kunsthistorischen und bildwissenschaftlichen Diskussionen hier nicht vorgreifen. Eines ist jedoch gewiss: Von den Ergebnissen dieser Diskussionen hängt ab, ob auch einzelne, nicht lineare Medientypen grundsätzlich als grammatische Systeme angesehen werden können. 3.3.3 Mediale Makrostrukturen und ihre kommunikativen Traditionen Im Gegensatz zu der im vorigen Abschnitt besprochenen Grammatikalität von Zeichensystemen, die sich auf mediale Mikrostrukturen bezieht, sind die Makrostrukturen von medialen Prozessen größtenteils von Konventionen geprägt, die die Zusammensetzung und die Abläufe unimedialer und multimedialer Ereignisse koordinieren (vgl. Abschnitt 2.2.3). Diese beziehen sich einerseits auf die Gliederung des medialen Produkts, also des érgons. Dass die meisten Bücher in Kapitel unterteilt sind oder Sinfonien in Sätze, ist bestimmten konventionell bedingten Makrostrukturen zu verdanken. Aber auch die rhetorische dispositio, die die Anordnung der aufgefundenen Gedanken und Argumente regelt, ist Teil des makrostrukturellen Aufbaus. Gleiche Makrostrukturen lassen sich daher zu bestimmten Gattungen, Genres oder Textsorten zusammenfassen.51 Die Kenntnis der Zeichenordnungen sowie „ihre Organisation und Klassifikation in Sparten, Genres, Programmtypen“ (Lenk 1996: 13) beeinflussen die Rezeption und sind daher ebenfalls Teil des Dispositiv-Modells, das bereits in 2.3.3 in Bezug auf seine technischen Anordnungen und in Abschnitt 3.2.3 auf seine sozialen Makrostrukturen beschrieben wurde. Auf der Ebene der enérgeia wirken sich Konventionen als Normen aus, die soziales Verhalten transportieren. Hierunter fallen bestimmte Stilebenen und Gesten, die Hierarchien markieren, zum Beispiel indem sie Höflichkeit ausdrücken. Beginn und Ende eines medialen Prozesses oder die Organisa51 Auch können mikrostrukturelle Elemente zu Makrostrukturen zusammengefasst werden. So können sprachliche ostentative Elemente in der platonischen Auffassung von Mimesis zu szenischen Darstellungen im Drama kombiniert werden, oder prädikative Konstruktionen, die prägend sind für die Diegesis bei Platon, zum Erzählerbericht in der Prosa.

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tion von Sprecherwechsel im Dialog werden ebenfalls auf dieser Ebene kodiert. Die Bandbreite der konventionalisierten Kommunikationsformen ist sehr weit gespannt und reicht von alltäglichen Bräuchen (zum Beispiel Grüßen) über feierliche rituelle Handlungen (Initiationsriten etc.) bis hin zu Modeerscheinungen. Sie betreffen alle Bereiche des Lebens wie Kunst, Wissenschaft, Religion, Beruf und Alltag. Mediale Prozesse werden einerseits von den sozialen Kontexten geprägt, in denen sie stattfinden, andererseits beeinflussen sie diese, indem durch sie Verhaltensnormen kodiert und tradiert werden. Als Beispiel für die Beeinflussung von Verhaltensnormen kann man eine Textsorte wie die Fabel anführen, die bereits in der Antike verbreitet war. Sie hat sich bis in die Gegenwart als relativ homogene Gattung erhalten, die auf eine spezifische Weise kodiert ist. Auf der Ebene der enérgeia will die Fabel den Leser sozial und kognitiv einbinden, sie übt Gesellschaftskritik und will auf eine ganz bestimmte Weise verstanden werden. Der propositionale Gehalt, den sie vermitteln will, erfordert eine sprachliche Ausgestaltung. Sie muss zusätzlich erreichen, dass der Kritisierte die Botschaft zwar versteht, sich jedoch nicht direkt angegriffen fühlt und noch einen bestimmten Handlungsspielraum erhält. Daher wählt sie den Weg über die Fiktionalisierung. Ihr Fabelpersonal besteht aus Tieren, Pflanzen und Dingen, deren spezifische Eigenschaften leicht auf menschliche Verhaltensweisen, Interessen und Abhängigkeiten zu übertragen sind. Die Schilderung des Konflikts und die Abwägung verschiedener Standpunkte werden auf der Ebene des érgons durch die Kürze und die Vielzahl an Dialogen (die sich besonders für dialektische Strukturen eignen) unterstützt (vgl. Ott 1981: 99–106). Bestimmte Fabelpartner tauchen immer wieder auf (zum Beispiel Wolf und Lamm) und bieten dem Leser eine zusätzliche Orientierungshilfe, sie ist also überwiegend konventionell kodiert, kann aber auch individuelle Abweichungen zulassen (etwa wenn in der Fabel von Wolf und Lamm vermeintliche Schwächen zu Stärken werden und sich das Machtgefälle umdreht). Teilweise explizieren Fabeln ihre Moral auch am Anfang oder Ende, die Geschichte erscheint dann als Fallbeispiel für einen Lehrsatz. Das Madrigal weist gegenüber der konventionell kodierten Fabel eine größere Variationsbreite in seiner äußeren Form und inhaltlichen Aus-

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gestaltung auf.52 Auf der Ebene des érgons erfordert es eine Chor- oder Sologesangsstückkomposition, es existieren jedoch auch rein instrumentale oder vokal-instrumentale Kompositionen. Zumeist erscheint es als drei- bis sechsstimmiges Chorstück der Kammermusik. In seiner Verbindung von Gedicht und Musik eignet es sich gut für den Ausdruck von Emotionen; bezeichnenderweise sind im 16. Jahrhundert die „meisten Madrigale – und die überwältigende Vielzahl der vertonten – Liebesgedichte“ (Baumann/ Haar 1996: Sp. 1544). Durch seine überwiegend weltliche Thematik bietet das Madrigal, dessen Blütezeit im 16. und 17. Jahrhundert lag und das im 20. Jahrhundert wiederentdeckt wurde, dem Komponisten immerhin eine freiere Gestaltung als die stark formalisierte sakrale Musik der Zeit und konnte so den Anstoß zur Entwicklung anderer weltlicher Musikformen liefern. Konventionen regeln auch die Koordination von sinnüberschreitender Multimedialität (zu Multimedialität siehe 2.2.3). Je nachdem, welchem Zweck sie dienen, kommen unterschiedliche mediale Kommunikationsformen zum Einsatz, und je nach Funktion ist festgelegt, wer welche Zeichen produzieren darf. In der sinnüberschreitenden koordinierten Multimedialität einer katholischen Messe ist beispielsweise genau geregelt, wann der Priester, der Kantor, die Gemeinde, der Organist und der Chor zum Einsatz kommen. Beginn und Ende haben eine gemeinschaftsbildende und -stärkende Funktion. Folglich wird der Beginn des Gottesdienstes durch ein gemeinsam gesungenes Lied markiert, das Ende durch ein gemeinsam gesprochenes Schlussgebet und den Segen des Priesters. Auch Rituale, auf denen der Glaube aufbaut, werden gemeinschaftlich zelebriert (zum Beispiel das gemeinsam rezitierte Schuld- und Glaubensbekenntnis oder das symbolisch vollzogene Abendmahl). Der Wortgottesdienst prägt die erste Hälfte der Messe, wenn die Aufnahmefähigkeit der Rezipienten noch groß ist. Die Botschaft des Gottesdienstes wird durch Lesungen und Predigten vermittelt, während die Eucharistiefeier in der zweiten Hälfte die 52 Zunächst ist es eine Dichtungsgattung in italienischer Sprache, die von Petrarca gepflegt wird und die erstmals bei Francesco da Barberino in seinem lateinischen Kommentar zu den Documenti d’amore (zwischen 1296 und 1312) erwähnt wird. Wenig später beschreibt der anonyme Verfasser des Capitulum de vocibus applicatis verbis die musikalische Struktur des Madrigals (Baumann/ Haar 1996: Sp. 1541f.). Gemäß dieser Beschreibung kann man feststellen, dass sich das Madrigal von einer unimedialen zu einer multimedialen sinninternen Form entwickelte (vgl. Abschnitt 2.2.3).

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Gottesdienstbesucher stärker performativ einbindet und das Handeln der ganzen Kirche veranschaulichen soll. Rituale, die der Verherrlichung der Religion dienen, werden durch optische und olfaktorische Mittel unterstrichen (so kann das Evangeliar im Rahmen einer Evangelienprozession, begleitet von Lichtern und Weihrauch, vom Altar zum Ambo ௅ zur Kanzel ௅ getragen werden). Natürlich kann die komplexe Problematik der medialen Makrostrukturen und ihrer konventionellen Prägung hier nur punktuell behandelt und auf wenige Aspekte zugespitzt werden. Es sollte jedoch zumindest eins deutlich werden: Bestimmte kommunikative Traditionen sorgen dafür, dass soziale sowie kognitive, nicht grammatikalische Aspekte wie Verhalten, Orientierung, Koordination von Medieneinsatz etc. in medialen Produkten wirkungsvoll verankert werden. 3.3.4 Wertungsdiskurse: Aushandeln des gesellschaftlichen Nutzens von Medien Die Verbreitung und Wertschätzung von Medien und medialen Produkten kann durch ihren Nutzen für das jeweilige soziale System erklärt werden – es setzt sich das durch, was in einer bestimmten Gesellschaft als funktional oder ästhetisch relevant angesehen wird. Bei neuen Medien wird der Nutzen für eine Gesellschaft in einer Einführungs- und Testphase diskursiv von verschiedenen Vertretern dieser Gesellschaft ausgehandelt. Die Mechanismen der Bewertung von Medien lassen sich auf der Grundlage des soziologischen Diskursbegriffs (Habermas 1981, Foucault 1969 und 1971b) erklären. In diesem Sinne geht ‚Diskurs‘ über die bloße kommunikative Tätigkeit hinaus und muss als Zusammenspiel aus Performanz und Wertung aufgefasst werden. Zunächst wird etwas performativ als Medium erkannt und genutzt, wobei ein neues Medium häufig nicht immer gleich in seinem ganzen Potenzial erfasst wird. Dies gilt beispielsweise für das Telefon, zumindest wenn die folgende Feststellung von Joachim R. Höflich zutrifft: „Anfänglich drang das Telefon vor allem als ein Medium zur Übertragung von Musik in das Bewusstsein der Öffentlichkeit“ (Höflich 1998: 187; vgl. auch Ruchartz 2005: 207). Je nach erkannten Nutzungsmöglichkeiten und tatsächlichem Gebrauch wird einem Medium dann durch bestimmte Gruppen einer Gesellschaft (Kritiker, Wissenschaftler, Pädagogen, Psychologen,

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Politiker, Konsumenten etc.) ein positiver oder negativer Wert zugeschrieben.53 Die Bewertung erscheint dabei oft als Abwägung von Nutzen und Schaden für eine Gesellschaft und bezieht sich auf bestimmte Medientypen (im Sinne der Kategorie Medium1 in Fig. 3). Dabei ist zu betonen, dass ein Medium an sich wertneutral ist: Das Ausmaß seines Gebrauchs hängt im Wesentlichen von seiner diskursiven Bewertung ab, die wiederum von dem Gebrauch beeinflusst wird. Wir haben es also mit Konventionalisierungszyklen zu tun, wie sie für autoregulative und diskursive Systeme typisch sind (vgl. Abschnitt 3.3.1). Wird ein neues Medium erfunden, so orientiert sich sein Gebrauch zunächst an bereits bestehenden, scheinbar verwandten Medien. So wird der frühe Film als Nachahmung des Dramas auf der Bühne aufgefasst (vgl. Münsterberg 1996 [1916]: 40ff., der diese Fehleinschätzung erstmals korrigiert), frühe Internetausgaben von Zeitungen orientieren sich an der Druckversion dieser Zeitungen, usw. Entwickeln die neuen Medien dann eigenständige Formen des Ausdrucks, so können sie die herkömmlichen Medien zunächst verdrängen. Die Entdeckung neuer Verwendungsweisen kann die Bewertung eines Mediums verändern. Das gilt auch, wenn ein neu entwickeltes Medium in Konkurrenz zu bestehenden Medien tritt. Der Mediennutzen-Diskurs weist bestimmten konventionellen medialen Erscheinungsformen und Kodierungen von Medien (Medium1a und Medium2a, vgl. Fig. 3) den Charakter von Leitmedien zu: Diesen Medien wird eine höhere gesellschaftliche Relevanz für eine bestimmte Kultur und Epoche zugeschrieben, für die sie als prägende Kommunikations- und Wahrnehmungsmedien angesehen werden (zum Beispiel das Flugblatt im 16. und 17. Jahrhundert, die Zeitung im 19. Jahrhundert, das Radio in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Fernsehen von 1960 an und Internet von 2000 an). Diese diskursiv gesetzte gesellschaftliche Relevanz wird wieder53 Diese Wertungskriterien sind inzwischen von verschiedener Seite systematisiert und beschrieben worden, vor allem aus literaturwissenschaftlicher Perspektive (Heydebrand/Winko 1996; Worthmann 2004; van Peer 2008; Genz 2011a), aber auch aus medientheoretischer Sicht, vor allem in Bezug auf Fernsehen und Film (vgl. Ludes/Schanze 1999 und Bolik/Schanze 2001). Eine weitere Wertungstradition ergibt sich durch das Forschungsfeld der Intermedialität, der sich die Einzelphilologien seit den 1990er Jahren allmählich widmeten (vgl. Rajewsky 2002: 2). Hier dominierte lange Zeit der Wertungsaspekt als Problem des Ge- oder Misslingens filmischer Adaptionen (vgl. Rajewsky 2002: 24).

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um in einer Nutzen-Schadensabwägung auf ihren tatsächlichen gesellschaftlichen Stellenwert hin geprüft. Dabei ist das Verhältnis gegenüber Medien häufig emotional geprägt. Positive Emotionen, die zu einer regelrechten Medieneuphorie führen können, schreiben neuen Medien die Fähigkeit zu, bestimmte gesellschaftliche Probleme zu lösen oder zu verbessern. So wird heutzutage oft das Internet als Medium der Demokratisierung bezeichnet. Beispielsweise wurde die Rolle sozialer Netzwerke im World Wide Web für den Arabischen Frühling vielfach hervorgehoben, was nur bedingt richtig ist und je nach Land gesondert betrachtet werden muss (vgl. El Difraoui 2011). Das Internet löst im Übrigen auch, wie zuvor schon die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, die Vorstellung aus, das gesamte Wissen der Menschheit sammeln, archivieren und zugänglich machen zu können. Der Stummfilm weckte in frühen Filmtheoretikern wie Béla Balázs die Hoffnung, dass die Zuschauer durch ihn eine universelle Grammatik der Gestik und Mimik erlernen würden, die eine sprachübergreifende Völkerverständigung zur Folge hätte (Balázs 2001 [1924]: 21). Eine gewisse Medienbegeisterung ist in vielen Fällen durchaus begründet, kann aber auch sehr leicht einseitig werden und ins Irrationale kippen. Auch negative Emotionen gegenüber neuen Medien sind häufig undifferenziert. Bei der Schadensabwägung kommt es zu einer regelrechten Angst gegenüber dem neuen Medium. Dies geschieht vorwiegend in Debatten, die dem betreffenden Medium vorwerfen, suchtfördernd und gesundheitsgefährdend zu sein (Lesesuchtdebatte im 18. Jahrhundert, Debatte über Computerspiele). Auch die Verwechslung von Medium und außermedialer Realität (Fernsehen, Kino), der Einfluss von Medien auf das Sozialverhalten, insbesondere die Steigerung des Aggressionspotenzials (zum Beispiel durch das 1999 erschienene Computerspiel Counter-Strike), das Sexualverhalten und der Verrohung der Sitten (Schmutz- und Schunddebatte um 1900; vgl. dazu Maase/Kaschuba 2001) sind Gegenstand dieser Diskussionen. In ihrer extremen Form führen Medienangst und -verachtung zu Medienzerstörung (beispielsweise Ikonoklasmus, vgl. dazu Mitchell 2008: 371 ff.), Zensur und Verboten. Dass man gesellschaftliches Verhalten mit einzelnen Medien wiederum auf unterschiedliche Weise bewerten kann, kann und soll hier nur am Rande erwähnt werden. So können Literatur und Film, vor allem bestimmte Gattungen wie die Komödie, das Märchen, die Fabel etc. durch Lob und

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Tadel bestimmtes gesellschaftliches Verhalten als nachahmenswert darstellen oder kritisieren (zur Bewertungsmöglichkeit gesellschaftlichen Verhaltens durch Literatur siehe Greenblatt 2001). Talkshows bieten Debattierforen, in denen Bewertungen ausgehandelt werden, die von einer großen Zuschauermenge verfolgt werden können, Zeitungen haben bestimmte Sparten wie den Kommentar, den Leitartikel etc., in denen wertend Stellung genommen wird. Sie bieten auch dem Leser über Leserbriefe die Möglichkeit, seine Meinung zu äußern. Auch nicht sprachliche Medien können Aussehen und Handlungen bewerten, beispielsweise Porträts, Heiligenbilder oder Karikaturen. Wertung kann koordiniert und sinnüberschreitend multimedial vermittelt werden, etwa über die musikalische Untermalung im Film oder über Gestik und Mimik, die das Sprechen begleiten. Neue Dimensionen des Bewertens von individuellem Verhalten realer Personen liefern die sozialen Netzwerke des Internets, zum Beispiel Facebook und Twitter. In ihnen kann Bewertung kollektiv, anonym, öffentlich und global von allen Personen, die über einen Internetanschluss verfügen, vollzogen werden. Gerade die Anonymität des Bewertenden und die leichte soziale Zugänglichkeit sind dabei als Medienspezifika herauszuheben, die in Ländern mit eingeschränkter Meinungsfreiheit einen großen Vorteil bieten kann, die aber auch, wie die zahllosen „Shitstorm-“ und Mobbingkampagnen zeigen, zu problematisieren ist. Die beleidigenden Äußerungen überschreiten dabei häufig konventionalisierte und akzeptierte Muster des Wertens und Verhaltens sowie des guten Geschmacks. Für den Kodierungsaspekt ist interessant, dass sprachliche Bewertung hier auch nicht sprachlich durch indexikalische Ikons wie Emoticons oder den LikeButton ergänzt oder ersetzt werden kann (zum indexikalischen Ikon siehe Abschnitt 3.1.1). 3.3.5 Bewertungen von Medien in ästhetischen Zusammenhängen: allgemeingültige Kriterien In überwiegend ästhetischen Zeichensystemen wie etwa Kunst und Literatur, bei denen schwer von einem funktionalen „Nutzen“ für eine Gesellschaft gesprochen werden kann, handeln Diskurse ästhetische Konventionen aus. Nur vor dem Hintergrund dieser Diskurse kann man den Stellenwert eines Kunstwerks beurteilen. Man muss also die Tradition kennen, aus der heraus es entstanden ist. Erst dann ersieht man, inwieweit es Traditio-

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nen bestätigt oder von ihnen abweicht. Diskurse entscheiden in einer Gesellschaft darüber, ob Traditionsbestätigungen oder -abweichungen tendenziell als positiv oder negativ bewertet werden.54 Wertungsdiskurse beeinflussen die Konventionen und sind ihrerseits konventionell. Sie bewerten bestimmte Formen der Kodierung und materiellen Ausprägung positiv oder negativ und weisen ihnen bestimmte Inhalte zu (zum Beispiel den hohen Stil zur klassizistischen Tragödie, das Heftchenformat zu Liebes-, Berg- und Arztromanen etc.). Ihre Bewertungen korrespondieren in der Regel mit drei Typen der Zugänglichkeit,55 die sich in eine soziale, eine kognitive und eine emotionale ausdifferenzieren. Die drei Typen kann man wiederum in je zwei Varianten unterteilen: einen Diskurs, der auf Segregation abzielt und mit Ausschlusskriterien operiert, und einen, der mit Integration und Teilhabe argumentiert. Dabei geht es in der Bewertung von sozialer Zugänglichkeit um mediale Produkte, die durch Reproduktion und Verbreitung für viele Menschen erreichbar sind. Bestimmte technisch determinierte Medientypen befördern aufgrund ihrer Reichweite und Verbreitung sowie ihrer relativ moderaten Kosten die leichte soziale Zugänglichkeit. Die Bewertung kann dabei unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob der Diskurs auf Integration oder auf Exklusivität (Segregation) setzt. Der Integrationsdiskurs argumentiert für eine leichte Zugänglichkeit von Objekten, während der Exklusivitätsdiskurs eine starke mediale Verbreitung abwertet und den umgekehrten Fall einer medialen Exklusivierung wertschätzt. Soziale Wertungsdiskurse beziehen sich im Wesentlichen auf die konventionelle Materialität von Medien. Besonders prägnante Formen des Integrationsdiskurses sind Bestsellerlisten und Hitparaden, die die meistverkauften Bücher beziehungsweise die meistgehörten Songs am höchsten platzieren. Auch die massenhafte Reproduktion hochgeschätzter Kunstwerke wie die Mona Lisa, die auf neuartigen Zeichenträgern wie Poster und T-Shirts abgedruckt wird, ist dem Integrati-

54 In der westlichen Kultur der Moderne ist Konvention beispielsweise oft das Ergebnis von Regelabweichungen. Diese anfänglich negativ bewerteten Verstöße werden zunächst von einer kleinen Schar von „Avantgardisten“ gutgeheißen und finden nach und nach auch den Weg in den Kanon der bürgerlichen Konventionen. Für andere Kulturen, etwa die des Mittelalters, ist „Originalität durch Abweichung von der Norm“ kein (positiver) Wert (Jauss 1972: 108). 55 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Genz (2011a).

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onsdiskurs zuzurechnen. Im Exklusivitätsdiskurs dagegen wird eine leicht zu erwerbende Reproduktion der Mona Lisa im Gegensatz zum Original nicht wertgeschätzt. Um als Kunstkenner beziehungsweise Kunstexperte zu gelten, sollte man sich eher unbekanntere Reproduktionen oder am besten Originale in seine Wohnung hängen. Einige Künstler setzen sogar auf eine Exklusivierungsstrategie, indem sie ihre Werke nur in kleiner Auflage veröffentlichen oder an ausgewählte Rezipienten verteilen (zum Beispiel der Dichter Stefan George). Im Diskurs der kognitiven Zugänglichkeit wird die Aufbereitung von Wissensinhalten, also die Kodierung, bewertet. Es geht dem Integrationsdiskurs der leichten kognitiven Zugänglichkeit um Wissensvermittlung (zum Beispiel durch Philosophie, Wissenschaft und Kunst), die, statt in die Tiefe der Problematiken vorzudringen, an ihrer Oberfläche verbleibt und von jedermann ohne große intellektuelle Anstrengung nachvollzogen werden kann. Dagegen wird im Exklusivitätsdiskurs eine komplexe Darstellung von Wissensinhalten, die nur Rezipienten ab einem gewissen Bildungsniveau erreicht, zumeist höher bewertet als eine komplexitätsreduzierte, zumal wenn mit der Vereinfachung auch Lücken und Verzerrungen einhergehen. Auch hier befördern bestimmte konventionelle Medien durch ihre strukturellen Besonderheiten der Kodierung eine leichte intellektuelle Teilhabe. Medien wie Fernsehen, Präsentiersoftware wie zum Beispiel Powerpoint usw. stehen in diesem Sinne bei Kulturpessimisten im Verdacht, vorwiegend Wissensentkomplexivierung zu betreiben, während in der Gegenwart Bücher oder Radio eher im Ruf stehen, tendenziell komplexere Kodierungen zu ermöglichen. Leichte emotionale Zugänglichkeit zielt schließlich auf die Aktivierung von Basisemotionen wie Trauer, Wut, Begierde etc. und wird durch die reflexartige Einbindung des Rezipienten von Vertretern des Exklusivitätsdiskurses negativ bewertet, während Kunst, die dem Betrachter in emotionaler Hinsicht einen distanzierten Genuss ermöglicht und zu Reflexionen statt zu reflexartiger Identifikation verleitet, positiv bewertet wird. Massenmedien wie dem Kinofilm wird dabei eine Aktivierung von emotionalen Reflexen eher zugetraut als Medien wie dem Buch, das in der Gegenwart einen exklusiveren Status zugeschrieben bekommt. Affekte und Emotionen, die Menschen mit der Tierwelt teilen, wie den Sexualtrieb oder Aggressionen, werden in der „Schmutz- und Schunddebatte“ bewertet. Diese Debatte bezieht sich auf massenhaft verbreitete Medien

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wie Schund- oder Heftchenromane, Fernsehen, bestimmte Computerspiele etc. Dabei sind Kritiker der Auffassung, dass diese Medien erheblich dazu beitragen, diese Basisemotionen reflexartig zu aktivieren und ihre Rezipienten zu „verrohen“ und zu schädigen. Historische Debatten wie die Lesesuchtdebatte im 18. Jahrhundert, die sich gegen die Verbreitung der Gattung Roman wandte, oder die Fernsehkritik in den 1970er Jahren zeigen, dass solche Abwertungsdiskurse zu Zeitpunkten auftauchen, an denen ein relativ junges Medium erstmals eine massenmediale Verbreitung erfährt. 3.3.6 Individuelle Faktoren der Bewertung Die in den vorangegangenen Abschnitten besprochenen Faktoren der Zugänglichkeitssteuerung auf der sozialen, kognitiven und emotionalen Ebene, das heißt die materielle Verknappung oder die Verfügbarkeit und flächendeckende Verbreitung der medialen Produkte, die Komplexivierung und Entkomplexivierung sowie das Spiel mit emotionalen Reflexen funktionieren für alle Rezipienten (annähernd) gleich (vgl. dazu Genz 2014). Wie diese Zugänglichkeitsregler jeweils bewertet werden, wird größtenteils diskursiv ausgehandelt. Neben diesen Wertungsdiskursen, die aufgrund von universellen Prinzipien zustande kommen, gibt es auch Wertentscheidungen, die nur einzelne Medien betreffen (gemeint sind hier nicht einzelne Medientypen, sondern individuelle Medien im Sinne von Medium2a in Fig. 3, Abschnitt 1.1) oder die für jeden Mediennutzer individuell verschieden sind. Um diese beiden Arten der Wertung soll es im Folgenden gehen. Zu Wertentscheidungen, die individuelle Medien betreffen, gehört die Medienverehrung, die religiös, ästhetisch oder kulturgeschichtlich motiviert sein kann. Man verehrt beispielsweise eine Heiligenstatue, Schuberts Unvollendete oder älteste erhaltene Schriftzeugnisse. Die Verehrung rührt im Wesentlichen daher, dass diesen medialen Gegenständen diskursiv eine besondere Aura, also eine Kraft, Wirkung oder Ausstrahlung zugeschrieben wird. Medienverehrung resultiert also hauptsächlich aus diskursiv hergestellter Auratisierung. Den Begriff der Aura hat Walter Benjamin in die Mediendebatte eingeführt. Auch ihm ging es um die Wirkungskraft individueller Kunstwerke, die nur in einem einzigartigen Kontext zustande kommt. Nach seiner Auffassung können massenmedial reproduzierte Gegenstände daher keine Aura besitzen.

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Benjamins Begriff der Aura entspringt allerdings einer animistischen Vorstellung, nach der die Aura den Gegenständen inhärent ist. Diese Annahme befördert die Auratisierung selbst, denn es handelt sich dabei um nichts anderes als um einen Diskurs, der individuellen, materiell realisierten Zeichen performative Kraft zuschreibt, sodass es den Anschein hat, dass sie den Zeichen selbst und nicht deren Rezeption innewohnt. Wenn beispielsweise einer Marienstatue wundertätige Kräfte zugeschrieben werden, was zweifellos ein Diskursphänomen ist, dann werden die Rezipienten dieser Statue dahingehend beeinflusst, dass sie glauben, die Statue stelle nicht nur Maria dar, sondern sei darüber hinaus auch von ihr beseelt. Ihre Rezeption ist insofern animistisch, als sie magische Kräfte auf den verehrten Gegenstand projiziert. Dabei ist die performative Kraft keine inhärente Eigenschaft dieser Medien, denn sie sind für sich genommen nur Objekte der physikalischen Welt, die ihre kommunikative Relevanz und ihre Zeichenhaftigkeit allein aufgrund der Interpretation der Rezipienten erhalten.56 Dieser Zusammenhang wird in Abschnitt 1.2.2 ausführlich erläutert. Hinzu kommt, dass auratisierten Medien in der Rezeption kommunikative Kräfte zugeschrieben werden. Die so beseelten Medien treten scheinbar selbst in Verbindung mit dem Rezipienten und wirken somit performativ im Sinne von Abschnitt 2.3.1.57 Damit ist die Aura, anders als es Benjamin (1985 [1930]: 588) beschreibt, mehr als ein bloßes Ornament. Auf der Grundlage dieser Einsichten in die Mechanismen der Auratisierung und in die substanziellen Grundlagen des Aurabegriffs erweist sich die animistische Position Benjamins als einfacher Exklusivierungsdiskurs, der seine eigene diskursive Zuschreibung für eine objektive Beschreibung hält. Die performative Kraft der Aura kann medial auf verschiedene Weise sichtbar gemacht werden: Erstens kann das Medium selbst durch kontextuelle Faktoren auratisiert werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Heiligenstatue in einer Kirche so aufgestellt wird, dass der Lichteinfall ihr einen Strahlenkranz verleiht, oder wenn ein Gemälde einen herausgehobenen Platz in einem Museum erhält und auf besondere Weise beleuchtet wird. Zweitens kann die mediale Repräsentation die Aura eines dargestell56 Auratisierung wird naturgemäß auch von Produzenten intendiert und diskursiv initiiert, jedoch muss dies von den Rezipienten auch akzeptiert werden. 57 Zur Verbindung von Performanz und Aura vgl. auch Mersch (2002c), der Benjamins Aura-Auffassung auf andere Weise korrigiert.

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ten Objekts zeigen, etwa wenn eine Heiligenfigur in einem Gemälde durch eine Aureole oder ihre besondere Größe hervorgehoben wird. Drittens wird Auratisierung oft intra- oder intermedial verstärkt.58 Ein bestimmtes Medium, zum Beispiel ein Roman, ein Film oder eine Legende, bezieht sich auf ein anderes Medium, beispielsweise ein Bild, eine Ikone oder eine Statue, weist diesem eine Aura zu und beschreibt oder zeigt dessen Wirkungsmächtigkeit. In diesem Prozess wird einerseits das Medium, dem die Aura zugeschrieben wird, vom Rezipienten entfernt, indem es nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar repräsentiert wird. Andererseits fokussiert das zweite Medium auf die Aura des ersten und „zoomt“ es gleichsam an den Rezipienten heran. Das Wechselspiel aus Nähe und Distanz, das auch im Sinne von Benjamin (1977: 142) für die Aura konstitutiv ist, ist nicht nur für intraund intermediale, sondern auch für kontextuelle Strategien der Auratisierung typisch.59 Wie bereits erwähnt, gibt es neben den Wertentscheidungen, die individuelle Medien betreffen, noch diejenigen Wertentscheidungen, die für individuelle Mediennutzer oder spezifische Rezipientengruppen je verschieden sind. Auf der sozialen Ebene können Wertungsentscheidungen bezüglich konventioneller oder individueller Medien durch Autoritäten (zum Beispiel Popbands, Schauspielern, Moderatoren etc.) beeinflusst werden, die vom Individuum oder bestimmten Gruppen wertgeschätzt werden. Beispielsweise bezieht sich die Band Tocotronic in ihren Texten auf das Werk von Thomas Bernhard, was dazu führen kann, dass sich Tocotronic-Anhänger ebenfalls für Thomas Bernhard interessieren (vgl. Baßler 2005: 9f.). Ein Medium wie Facebook trägt dazu bei, dass sich die Nutzer bestimmten sozialen Gruppen zugehörig fühlen. Auf der kognitiven Ebene können bestimmte konventionelle oder individuelle Medien für die eigene Lebenswelt Bedeutung erlangen (etwa das Navigationsgerät, ohne das sich 58 Unter den Begriff ‚Intramedialität‘ fasst Rajewsky alle Phänomene, die „nur ein Medium involvieren“, etwa Bezugnahmen eines Films auf einen anderen Film. Intermedialität umfasst dagegen „Mediengrenzen überschreitende Phänomene, die mindestens zwei konventionell als distinkt wahrgenommene Medien involvieren“ (Rajewsky 2002: 13). 59 Dieses Wechselspiel kann unter anderem über die Platzierung und Beleuchtung eines Gegenstands im Raum (etwa als Heiligenstatue, die nah erscheint und doch für den Betrachter nicht haptisch erreichbar ist) bewirkt werden.

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ein orientierungsloser Autofahrer nicht mehr auf die Straße traut). Einen emotionalen Mehrwert bietet eine Musik-CD, die mit der ersten Verliebtheit assoziiert wird. Ähnliches gilt für das Smartphone, das für Partner in einer Fernbeziehung zum Teil ihrer Beziehung geworden ist und die Nähe des geliebten Menschen suggeriert.

3.4 K ONTEXTUALITÄT Mediale Kommunikation funktioniert nicht im kontextfreien Raum. Ein einfaches Beispiel mag dies verdeutlichen: Der Satz „Peter ist ein Löwe“ kann nicht ohne Einbettung in einen Kontext verstanden werden. Nur wenn man weiß, ob mit Peter ein Mensch oder ein Tier, ein Erwachsener mit bestimmten Charaktereigenschaften oder ein spielendes, als Löwe verkleidetes Kind gemeint ist, kann man den Satz richtig interpretieren. Erst im Kontext wird kommunikatives Handeln gedeutet und damit bedeutsam. Der Kontext gibt den Interpretationsrahmen vor, er kann ihn einschränken, ausweiten oder in eine andere Richtung lenken. Insofern werden mediale Ereignisse von ihrem Kontext konstituiert. Gemäß dem hier zugrunde gelegten Kommunikationsmodell (vgl. Abschnitt 1.2, Fig. 4) muss jedoch zwischen verschiedenen Kontexten differenziert werden. Die Ausdifferenzierung der Kontexte der Produktion und der Rezeption ergibt sich notwendigerweise aus dem Prinzip der Alterität, das wir in Abschnitt 1.2.1 vorgestellt haben. In jeder kommunikativen Interaktion treffen Produzent und Rezipient mit ihren je eigenen Kontexten aufeinander. Dabei ist es ein Hauptanliegen der Kommunikationspartner, die kontextuellen Differenzen zu überwinden. Sie bemühen sich also im Prinzip, den Überlappungsbereich ihrer Kontexte so groß wie möglich zu gestalten.60 Der Grad der Verschränkung der Kontexte ist dabei in zweifacher Hinsicht keine konstante Größe. Einerseits variiert das Ausmaß der Übereinstimmung der Kontexte entsprechend der kommunikativen Ausgangssituation. Beispielsweise weist ein mündliches Gespräch unter Vertrauten von vornherein einen größeren Überlappungsbereich der Produktions- und Rezeptionskontexte auf als das Schreiben und Lesen eines wissenschaft60 Diese Übereinstimmung der Kontexte wird dabei häufig eher erhofft als tatsächlich erreicht. Darauf aufmerksam gemacht zu haben, ist ein Verdienst der Hermeneutik des 20. Jahrhunderts, vor allem von Gadamer (1990 [1960]).

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lichen Aufsatzes. Andererseits wird der Grad der Verschränkung der Kontexte im Laufe des Kommunikationsprozesses in unterschiedlichem Maße intensiviert. Aus diesem Grund stellt die kontextuelle Überlappung mit ihrer Dynamik und Variationsbreite in dem in Fig. 4 repräsentierten Modell eine wichtige Größe dar. Nur diesen Überlappungsbereich als Kontext zu begreifen, wie es vielfach vereinfachend geschieht, ist jedoch gemäß unserem Modell unzulässig und führt zu einer verfälschten Darstellung der Kommunikationsprozesse (vgl. dazu Abschnitt 1.2).61 Der Bereich, in dem sich Produktion und Rezeption in jedem Fall überlappen, ist das érgon. Als intersubjektiver Gegenstand der Kommunikation stellt es den kleinsten gemeinsamen Nenner oder den Mindestüberlappungsbereich zwischen Produzenten- und Rezipientenkontexten dar. Der engere und der weitere Überlappungsbereich erweisen sich als Dreh- und Angelpunkt der Semiose, in der die Subjektivität des kommunikativen Handelns und die Intersubjektivität der Zeichen zusammentreffen. Denn während die Produktions- und Rezeptionskontexte Eigenschaften der subjektiven Kommunikationshandlungen sind, vereinigen das intersubjektive Zeichen als Kommunikationsprodukt und -gegenstand sowie der ebenfalls intersubjektive Überlappungsbereich dieser Kontexte die Dimensionen von érgon und enérgeia. In den folgenden Unterabschnitten befassen wir uns mit unterschiedlichen Kontextphänomenen, die, ausgehend von den Kommunikationshandlungen (enérgeia), zunehmend auf den Bereich der Kommunikationsobjekte (érgon) fokussieren. 3.4.1 Konventionelle und unkonventionelle Kontexte Mediale Konventionen betreffen nicht nur die medialen Objekte, sondern auch die Kontexte, in denen diese Objekte entstehen und rezipiert werden. Entspricht eine Kommunikationshandlung den Erwartungen sowohl des Produzenten als auch der Rezipienten, dann ‚passt‘ die Ausdrucksform zum gegebenen sozialen Rahmen. In Abschnitt 3.3.3 haben wir gesehen, dass solche Affinitäten von Medien und Kontexten nicht nur aufgrund ihrer Eignung für einen bestimmten Gebrauch, sondern auch durch Ritualisierungen und Tradierungen entstehen. 61 Deswegen spricht Ehlich (1994) von „zerdehnter Kommunikationssituation“, wenn die prinzipielle Unvereinbarkeit von Produktion und Rezeption durch raumzeitliche Divergenz nicht mehr zu übersehen ist (vgl. Oesterreicher 2008).

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Nehmen wir beispielsweise einen festlichen Anlass. In diesen Rahmen passt ein Festvortrag, dessen Redner ein gepflegtes Äußeres hat und eine gehobene, dem Anlass entsprechende Sprache verwendet, während von den Zuhörern erwartet wird, dass sie sich während der Rede ruhig verhalten und aufmerksam zuhören. Diese konventionellen Regeln werden schon in der antiken Rhetorik unter dem Begriff aptum zusammengefasst (vgl. Lausberg 1990: §§ 1055–1057). Dabei entspricht die passende Ausgestaltung der Rede dem inneren aptum, während das angemessene Auftreten und Verhalten des Produzenten und der Rezipienten zum äußeren aptum gehören.62 Verstöße gegen die Konvention können dementsprechend auf verschiedenen Ebenen vorkommen: Ein ungepflegtes Äußeres des Redners stellt einen Verstoß gegen das äußere aptum des Produzenten dar. Die Rezipienten können gegen das äußere aptum verstoßen, indem sie während des Vortrags essen, umhergehen, sich laut unterhalten oder den Redner durch Zwischenrufe stören. Eine vulgäre Sprache verstößt in diesem Fall wiederum gegen das innere aptum der angemessenen Kodierung des érgons in einer Festrede. Das größte Befremden wird allerdings erzielt, wenn das érgon den Erwartungen in seiner Materialität zuwiderläuft, das heißt durch seine materielle Beschaffenheit eine andere Art der Wahrnehmung (vgl. Abschnitt 2.1.3) aufruft. Würde der Redner beispielsweise während der Veranstaltung seine Rede per E-Mail an die Festbesucher verschicken, so würden die Rezipienten diese kommunikative Handlung nicht mehr als Textsorte „Festrede“ identifizieren. Diese Art des Verstoßes gegen das aptum wird in der antiken Rhetorik noch nicht berücksichtigt, weshalb es eigens zu diskutieren wäre, ob wir es hier mit dem inneren oder dem äußeren aptum zu tun haben. Nichtsdestotrotz macht die Möglichkeit derartiger Verstöße deutlich, dass das érgon nicht nur als das eigentliche mediale Produkt, sondern zugleich auch, neben dem Rezipienten und dem Produzenten, als eine eigenständige kontextuelle Größe anzusehen ist. Dieser Aspekt tritt in den Abschnitten 3.4.4 und 3.4.5 noch deutlicher zutage.

62 Das äußere aptum betrifft Lausberg (1990: § 1057) zufolge „das Verhältnis der Gesamtrede und ihrer Bestandteile zu den sozialen Umständen der Rede. […] Das äußere ʌȡȑʌȠȞ [= aptum] ist also die Einpassung in folgende soziale Umstände der Rede: 1) der Sprecher selbst: Cic.Or.21,71 […] qui dicunt. 2) das Publikum: Cic.Or.21,71 […] qui audiunt. 3) der Zeitpunkt der Rede: Cic.Or.21,71 tempus. 4) der Ort der Rede: Cic.Or.21,71 locus.“

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Fremd erscheinen Medien in bestimmten Kontexten, wenn sie die Erwartungen des Produzenten und/oder der Rezipienten über- oder unterschreiten. Die Verletzung der Erwartungshaltungen durch die Ausgestaltung oder Wahl eines Mediums kann ungewollt oder beabsichtigt sein, sie birgt nicht nur die Gefahr, dass Kommunikation gründlich misslingt, sondern auch ein kreatives Potenzial. Der den medialen Konventionen inhärente historische Wandel, den wir bereits in Abschnitt 3.3 im Allgemeinen und in Abschnitt 3.3.1 im Besonderen erörtert haben, ist dabei stets auf Abweichungen von den bestehenden Konventionen zurückzuführen. Inwieweit begrenzte Veränderungen Auswirkungen auf die gesamte mediale Konstellation haben können, lässt sich nicht unbedingt voraussagen. Beispielsweise war es in den 1960er Jahren für Männer üblich, einen wissenschaftlichen Vortrag in Anzug und Krawatte zu halten und diesem ebenso gekleidet zu lauschen; auch war es völlig normal, dass im Auditorium geraucht wurde und dass selbst die Vortragenden ihrem Tabakgenuss frönten. Heutzutage gibt es für den wissenschaftlichen Vortrag in der Regel keine Krawattenpflicht, und Rauchen ist allen absolut verboten. Diese deutlichen Veränderungen der kontextuellen Konventionen haben jedoch keinerlei Auswirkungen auf die Eigenschaften und Strukturen des medialen Ereignisses.63 Die auf den ersten Blick eher unscheinbare Ersetzung des Zeichenträgers Pergament durch Papier hatte dagegen weitreichende Konsequenzen bezüglich der Produktion, Rezeption und Konzeption von Texten. Zunächst war Papier lediglich billiger in der Herstellung und leichter zu beschreiben, was allerdings die Schreibaktivität erhöhte (zum Vordringen der Schriftlichkeit in neue funktionale Bereiche und den Sprachausbau vgl. Kloss 1978). Später erwies es sich aber auch als leichter bedruckbar, da es die Farbe besser annahm. Mit der Revolutionierung des Buchdrucks durch Gutenberg stieg die Schriftkommunikation an und erreichte neue Rezipientengruppen. Damit ging eine exponentielle Zunahme der Vielfalt der Textformen einher. Ein Bereich, der bewusst mit Veränderungen der kontextuellen Konventionen experimentiert, ist die avantgardistische Kunst. Sie spielt vor 63 Zwar haben sich die Kommunikationsformen in wissenschaftlichen vortrögen in den letzten 50 Jahren in einiger Hinsicht verändert; diese Veränderungen sind aber nicht auf den Wandel der Kleiderordnung und das Rauchverbot zurückzuführen.

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allem in provokativer Absicht mit der Erwartungshaltung der Rezipienten. Luden zum Beispiel italienische Futuristen in den 1910er Jahren zu einem Konzert, so wurden die Zuhörer statt der herkömmlichen Musikinstrumente mit Maschinen konfrontiert, die Geräusche erzeugten. Der äußere Rahmen blieb dabei gewahrt, die Aufführungen fanden auf der Bühne eines Theaters statt. Die Materialität der „Instrumente“ und die dadurch bedingten „Töne“ beziehungsweise Geräusche wichen dagegen stark von den Hörgewohnheiten der Zuschauer ab. Diese Art der Provokation wird allerdings schnell zur Konvention, die Rezipienten gewöhnen sich an die neue Art der Darbietung (bezeichnenderweise gehören die verschiedenen avantgardistischen Strömungen um 1900, die zu ihrer Zeit bei vielen Kritikern und Laien Stürme der Empörung ausgelöst haben, mittlerweile zur „klassischen Moderne“ und sind anerkannte, musealisierte beziehungsweise kanonisierte Kunstwerke). Die Wahl eines zunächst unkonventionellen Mediums kann auch Vorbote eines gesellschaftlichen Wandels sein. War es im 20. Jahrhundert bis in die Mitte der 1990er Jahre üblich, Briefe auf der Schreibmaschine zu tippen, und waren computergeschriebene Briefe lange Zeit die Ausnahme, so hat mittlerweile der elektronische Schriftverkehr den maschinell geschriebenen vollständig ersetzt. Der elektronische Schriftverkehr hat sich in den letzten Jahren durch die Bandbreite an elektronischen Medien (Computer, Handy, Tablets etc.) stark ausdifferenziert, sodass Materialität und Kodierung elektronisch erzeugter Texte ebenfalls stark voneinander abweichen. Wie wir in den Abschnitten 2.1 und 3.3.4 gesehen haben, beeinflussen Materialität und Kodierung die Bewertung medialer Ereignisse: Für eine berufliche Kündigung ist ein mit dem Computer geschriebener Brief angemessen, während eine digitale SMS mit demselben Inhalt als Respektlosigkeit erscheint. Dieser Verstoß gegen die Erwartungshaltung betrifft ebenfalls die Materialität des érgons, denn der digitale Text auf dem Handy wirkt flüchtiger und ist zumeist weniger ausführlich als ein ausgedruckter computergeschriebener Brief. Ein Wandel des gesellschaftlichen Stellenwerts der SMS kündigt sich an, wenn das Beenden einer Beziehung bei heutigen Jugendlichen per SMS mitgeteilt wird, während dies für ältere Generationen undenkbar erscheint. Ein Medium, das in seinem gewohnten Kontext und in seinem hauptsächlichen Gebrauch für mediale Prozesse genutzt wird, stellt den Normalfall des semiotischen Prozesses dar. Abweichungen von den medialen

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Konventionen sind jedoch unerlässliche Impulsgeber für gesellschaftlichen Wandel. Nachdem wir in diesem Abschnitt von der allgemeinen Auswirkung Kontexten auf mediale Prozesse ausgegangen sind, betrachten wir im folgenden Abschnitt die Möglichkeiten der Umkontextualisierung des érgons. 3.4.2 Umkontextualisierung Medien können aus ihrem originären Kontext heraus auch in einen anderen Kontext transferiert werden. Sie haben dann zumeist eine neue kommunikative Funktion. Bei Liedern etwa ist eine Umkontextualisierung durch die Änderung des Textes nicht selten. Beispielsweise hat sich Joseph Haydn durch ein kroatisches Volkslied zu seiner österreichischen Kaiserhymne inspirieren lassen. Zudem verwendete Haydn die Melodie unter anderem im C-Dur-Streichquartett op. 76 Nr. 3 (Hob III:77). Bei jedem Wechsel des österreichischen Thronfolgers wurde dann die Kaiserhymne mit einem neuen Text versehen. Erst August Heinrich Hoffmann von Fallersleben schrieb 1841 den Text zum „Lied der Deutschen“ um, das nicht mehr den Monarchen, sondern die Nation besang. 1922 wurde das Lied der Deutschen schließlich zur Nationalhymne. Ob das Stück ein Volkslied, Teil eines Streichquartetts, Kaiser- oder Nationalhymne ist, ändert jeweils etwas an seiner kommunikativen Funktion. Als Nationalhymne hat das Stück zum Beispiel weniger die Funktion eines Kunstwerks als vielmehr Symbolcharakter. Es muss bei bestimmten offiziellen Gelegenheiten erklingen (zum Beispiel bei Staatsbesuchen oder vor dem Spiel der deutschen Fußballmannschaft), kann aber auch vom Band abgespielt werden und muss weder besonders originell noch künstlerisch interpretiert werden. Teilweise verändern sich durch Umkontextualisierungen aber die Kodierung und/oder die Materialität von medialen Produkten. Nehmen wir beispielsweise ein bekanntes Musikstück wie Beethovens Für Elise, das nun als Klingelton auf einem Handy zu hören ist. Für Elise verliert in diesem Fall seinen Status als autoreferentielles Kunstwerk und erhält eine neue kommunikative Funktion, es wird zum Signal. Der Rezipient wird nun zu einer bestimmten Handlung aufgefordert (an sein Handy zu gehen), sobald er das Stück hört. Es erklingt nicht mehr ein Klavier, sondern eine elektronisch erzeugte Tonfolge. Die Kodierung des Stücks verliert in der

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Handyversion ihre ursprüngliche Komplexität, weil Komplexität in der neuen Funktion als Signal eher hinderlich ist. Eine besondere Rolle spielt Umkontextualisierung in der avantgardistischen Kunst des 20. Jahrhunderts, wenn Alltagsgegenstände zu Kunstwerken umfunktioniert werden, wie vielfach von Dadaisten oder Surrealisten praktiziert. Wenn ein solcher Gegenstand als Kunst deklariert wird, so wird er aus seinem gewohnten Kontext herausgelöst und in einen neuen Kontext gestellt, etwa in eine Galerie oder ein Museum für moderne Kunst. Das Rad eines Fahrrads erhält durch die Rezeption im musealen Kontext (zum Beispiel als Marcel Duchamps Readymade Roue de Bicyclette, 1913) nun den Status eines Mediums. In seinem ursprünglichen Kontext ist das Fahrrad kein mediales Produkt, es dient nicht der Kommunikation. Als Kunstwerk wird es nun zu einem Zeichen, das ein Rezipient dekodieren und interpretieren muss. Gegenüber seiner ursprünglichen Funktion erscheint das Rad nun verfremdet. Wird ein Objekt, das im Alltagsgebrauch bereits ein Medium (im Sinne von Medium1a, vgl. Abschnitt 1.1, Fig. 3) ist, zum Kunstwerk erklärt, ändert sich ebenfalls seine kommunikative Funktion. Es wird ästhetisch rekontextualisiert. Aus einem Gegenstand wie einem Telefon, das im Alltagsgebrauch zwei Sprecher miteinander verbindet, wird nun beispielsweise ein Gegenstand, der auf einen Sockel oder in in einer Vitrine ausgestellt ist. In diesem Fall wird er nur noch visuell statt auditiv wahrgenommen. Das, was in der ursprünglichen Funktion die reine Materialität war, rückt nun ins Zentrum der Aufmerksamkeit, während der Kodierungsaspekt des Telefons hier keine Rolle mehr spielt. Besonders deutlich wird das Spiel mit der Materialität und die Vernachlässigung des Kodierungsaspekts bei den überdimensionierten Stoffskulpturen Claes Oldenburgs, zum Beispiel das Soft Pay-Telephone von 1963: Die Assoziation mit einem Telefon wird nur über die äußere Form erreicht, die nun durch die weiche Hülle verfremdet erscheint, aber genau deshalb auf das konventionelle Material eines Telefonapparats aufmerksam macht, während die ursprüngliche Funktion des Telefons entfällt.

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Fig. 43 Claes Oldenburg, Soft Pay-Telephone, 1963, Solomon R. Guggenheim Museum, New York

Auch in diesem Fall ist die Rezeption entscheidend dafür, dass etwas als Zeichen wahrgenommen wird. Daher muss das Telefon in seiner neuen Funktion als Kunstwerk vom Rezipienten als solches interpretiert werden. Die Rezeption eines Alltagsgegenstands als Kunstwerk stellt im Sinne der Wertungsdiskurse (vgl. 3.3.4) einerseits eine Exklusivierung dieses Gegenstands dar, andererseits erfolgt damit gleichzeitig eine Banalisierung der Kunst, die nun nicht mehr erhaben erscheint und nicht mehr besonderen Themen vorbehalten ist.

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3.4.3 Sekundäre Kontextintegration Der Kontext eines Mediums kann nicht nur zu dessen Interpretation beitragen, sondern selbst wiederum zum Teil des durch ein anderes Medium Repräsentierten werden. Diese Konstellation ergibt sich, wenn ein Medium ein anderes darstellt. Bei dieser Art von höherem Kodierungsgrad wandelt sich das thematisierte Medium vom darstellenden zum dargestellten Gegenstand. Im einfachsten Fall thematisiert ein Medium ein gleich kodiertes Medium in seiner Kontextualität, wie zum Beispiel in dem Gemälde Erzherzog Leopold Wilhelm in seiner Galerie in Brüssel von David Teniers dem Jüngeren. Fig. 44 David Teniers der Jüngere, Erzherzog Leopold Wilhelm in seiner Galerie in Brüssel, 1650–52, Kunsthistorisches Museum, Wien

Das Gemälde besteht aus lauter Einzelgemälden italienischer Meister mit überwiegend christlicher Thematik, die in ihrem Kontext, den fiktiven Galerieräumlichkeiten des Erzherzogs, neben- und übereinander aufgehängt und -gestellt sind. In den Räumlichkeiten befinden sich einige Personen, darunter der Erzherzog als Begründer der Sammlung und der Hofmaler

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Teniers als deren Betreuer. Obwohl die Einzelgemälde zum Teil relativ detailliert ausgeführt sind, relativieren sie sich gegenseitig durch die dichte Hängung, um gleichzeitig die Pracht der Sammlung herauszustellen. Das Prinzip der Sammlung, also der Kontext der Einzelbilder, ist der eigentliche Gegenstand des Gemäldes. Medientheoretisch gesprochen ergibt sich daraus der folgende Befund: Jedes Bild erhält seinen Kontext durch seine Anordnung in der Galerie inmitten der anderen Bilder und wird seinerseits zum Kontext. Die Galerie, also der Raum und die Sammlung in ihrem ganzen Umfang, bildet den Kontext für alle Gemälde. Dieser Kontext wird als Hauptgegenstand des Gemäldes gezeigt. Kontextintegration wird besonders wichtig für eine Art von Intermedialität, die Rajewsky (2002) „intermediale Bezüge“ nennt. Hierbei ahmt ein Medium mit seinen spezifischen Darstellungsmitteln ein anderes Medium nach. Nehmen wir als Beispiel einen literarischen Text, der ein Bild beschreibt, etwa eine Passage von Franz Kafkas Die Verwandlung: Über dem Tisch, auf dem eine auseinander gepackte Musterkollektion von Tuchwaren ausgebreitet war – Samsa war Reisender –, hing das Bild, das er vor kurzem aus einer illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten und in einem hübschen, vergoldeten Rahmen untergebracht hatte. Es stellte eine Dame dar, die, mit einem Pelzhut und einer Pelzboa versehen, aufrecht dasaß und einen schweren Pelzmuff, in dem ihr ganzer Unterarm verschwunden war, dem Beschauer entgegenschob. (Kafka 2001 [1915]: 5)

Dieser Abschnitt thematisiert nicht nur das Bild einer in Pelz gehüllten Frau, die durch diese „tierische Einkleidung“ schon den größtmöglichen Kontrast zu dem Käferpanzer, in dem sich Samsa wiederfindet, darstellt. Das Bild wird überdies in seinem dreifachen Kontext thematisiert: dem ursprünglichen in einer Zeitschrift, seinem neuen Kontext in einem vergoldeten Rahmen an der Wand über einem Tisch mit Musterkollektionen und in seiner Rezeption durch den Betrachter. Durch die Thematisierung erhält der dreifache Kontext eine besondere Bedeutung. Das Bildnis der Dame, ihre Transferierung in einen neuen Kontext und das Schicksal des Protagonisten beginnen, in Beziehung zueinander zu treten. Aufgrund seines ursprünglichen Kontextes, einer Illustrierten, wird die Abbildung als Mode- beziehungsweise Werbeillustration charakterisiert, die nun durch den unmittel-

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baren neuen Kontext, den vergoldeten Rahmen, eine Aufwertung zum Kunstwerk erfährt. Diese Aufwertung wird allerdings durch den weiteren Kontext, den Schreibtisch mit Musterkollektion, wiederum relativiert, während das Bild durch die Illusion des vorgeschobenen Unterarms eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Betrachter (der Figur Gregor Samsas als demjenigen, der das Bild wahrnimmt, und dem Leser, der die Passage liest) zu suchen scheint. Die unpassende Rekontextualisierung und der Versuch, mit der Außenwelt Kontakt aufzunehmen, spiegeln die verzweifelten Versuche Samsas, trotz seiner mehrfachen De- und Rekontextualisierungen zu seiner Umwelt menschliche Beziehungen aufrechtzuerhalten: Denn auch Samsa wird als Mensch in einer Käferhülle, die sich wiederum in einer menschlichen Wohnung befindet, gewissermaßen falsch kontextualisiert. Anhand dieses Beispiels ist ersichtlich, dass der Kontext der Illustration als beschriebenes Medium in den Inhalt der Erzählung als beschreibendes Medium integriert wird. 64 Dabei ist die Frage, was Zeichen und was Zeichenträger ist beziehungsweise was zum Kontext eines Zeichens gehört, nicht immer eindeutig zu beantworten. Hier begegnet uns erneut die Problematik der Unterscheidung zwischen Zeichen und Zeichenträger, die wir in Abschnitt 2.1 diskutiert haben. So ist bei einer Skulptur zumindest diskussionsbedürftig, ob der Sockel, auf dem sie angebracht ist, Teil des Kunstwerks ist oder nicht.

64 Das Verhältnis von beschreibendem und beschriebenem Medium entspricht dem von Text und Prätext in der Terminologie der Intertextualitätsforschung (vgl. Pfister 1985).

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Fig. 45 Michelangelo Buonarroti, David, 1501–1504, Galleria dell’Accademia, Florenz

Michelangelos David steht beispielsweise auf einem Felsen aus Marmor, der wiederum auf einem marmornen Sockel angebracht ist. Ist der Sockel nun Teil des Kunstwerks oder sein Kontext? Der Sockel ist einerseits (bis auf die Marmorplatte an der Frontseite) aus dem gleichen Material wie der Felsen und die menschliche Figur. Andererseits stellt er in seiner Geometrie einen Kontrast zu dem „natürlich“ erscheinenden Felsen dar und dient offensichtlich der Erhöhung der Figur, deren Proportionen für eine starke Untersicht konzipiert wurden. Gerade bei moderner Kunst verschärft sich das Problem. Beispielsweise wirft Arthur C. Danto (1984: 159 ff.) die gleiche Frage in Bezug auf eine angekettete Katzenskulptur auf, bei der unentschieden bleiben muss, ob die Kette zum Kunstwerk gehört oder nur der Diebstahlsicherung dient.

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Auch Gemälde von Skulpturen thematisieren intermediale Bezüge, die das dargestellte Medium, die Statue, in seinem Kontext zeigen. Der Betrachter einer gemalten Skulptur erhält die Dreidimensionalität der Statue nur durch optische Illusionstechniken im zweidimensionalen Raum. Die Wahrnehmung der Skulptur wird auf ihre Visualität und den spezifischen Blickwinkel des Malers eingeschränkt. In Carl Larssons Gemälde Garten mit Skulpturen werden zwei Statuen auf ihrem Sockel in einem Garten dargestellt, die dem Betrachter in Rückenansicht präsentiert werden und auf die Häuser im Hintergrund ausgerichtet sind. Die Statuen beginnen nicht nur zu den Häusern, dem Garten und dem Betrachter eine Beziehung zu unterhalten, sondern auch untereinander. Fig. 46 Carl Larsson, Garten mit Skulpturen, Paris 1881, Privatbesitz

Wenn dem dargestellten und dem darstellenden Medium dieselbe Art der Vermittlung (vgl. Abschnitt 2.3) eigen ist, kann das darstellende Medium das dargestellte überdecken, wobei das ursprüngliche Medium im neuen Medium unsichtbar wird, während sein Kontext weiterhin präsent bleibt

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und auf das verschwundene Medium verweist. Wenn beispielsweise CDs hergestellt werden, die ursprünglich auf Vinylplatten gepresste Aufnahmen beinhalten, dann ist der Hinweis auf die Vinylplatte nur durch ein Knistern, Knacken oder Rauschen präsent, die für die Schallplatte ursprünglich zum Kontext gehört und einen materiellen Störfaktor darstellt. In diesem Fall ist die CD selbst schon ein Reproduktionsmedium im Sinne unseres Abschnitts 2.3. Für die CD ist das Knistern dagegen kein materiell bedingter Störfaktor, sondern wird selbst bedeutsam. Einerseits kann es sich hierbei um die Archivierung einer historischen Aufnahme handeln, die ansonsten unwiederbringlich verloren wäre. Die Zugänglichmachung spielt auch bei Digitalisierungen von empfindlichen Urkunden und anderen Artefakten eine Rolle, wobei die Reproduktion des Kontextes auch für wissenschaftliche Fragestellungen, zum Beispiel die exakte Datierung, wichtig ist. Die materiellen Störgeräusche der Schallplatte können aber auch aus ästhetischen Gründen in die Reproduktion aufgenommen werden, um eine bestimmte Atmosphäre und Authentizität zu erzeugen und damit dem Medium Schallplatte eine bestimmte Aura zuzuschreiben. Die Aura entsteht hierbei durch das Spiel von Abwesenheit und Präsenz der Platte und durch die Knister- und Knackgeräusche, die etwas Vergangenes gegenwärtig machen (zur medialen Auratisierung vgl. Abschnitt 3.3.4). Die Integration des Kontextes in ein Medium kann dabei maßgeblich zur Steigerung der Komplexität seiner Aussage beitragen und zum Ausdruck seiner medialen Selbstreflexion werden.

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Fig. 47 Diego Velázquez, Las Meninas, 1656, Museo del Prado, Madrid

Das berühmte Bild Las Meninas von Diego Velázquez, das bereits zu unendlich vielen Interpretationen angeregt hat, soll hier nicht ein weiteres Mal interpretiert, sondern nur hinsichtlich seiner komplexen Kontextintegration betrachtet werden. Es zeigt die Entstehung eines Bildes, möglicherweise des Portraits des königlichen Paars aus dessen Perspektive. 65 Man sieht den Maler, einen Teil der Rückseite der Leinwand als Zeichenträger des Bildes und weitere unbeteiligte Personen, die unter anderem den Entstehungsprozess verfolgen. Geht man wie Foucault (1971 [1966]: 37f.) davon aus, dass das Bild, das 65 Andere Deutungen sehen in dem Bild ein Porträt des jeweiligen Betrachters vor dem Bild oder die gespiegelte Version von Las Meninas (vgl. Greub 2001: 12). Zur These, das Bild stelle ein verschollenes Doppelporträt des Königspaares dar, vgl. Moffitt (2001 [1983]: 55) und StoichiĠӽ (2001 [1986]: 218).

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die Malerfigur Velázquez im Bild selbst malt, das Königspaar ist, dann erscheinen Kontext und Bild vertauscht. Genauer gesagt thematisiert das Bild zwei Arten des Kontextes: den Kontext des érgons (die rückseitige Leinwand) und den Kontext der enérgeia (der Entstehungsprozess). Vereinfacht ausgedrückt sieht man den Kontext im Bild und nicht das Bild im Bild. Die Materialität der Leinwand wird in der Kodierung des Bildes wiedergegeben. Die Umgebung des Entstehungsprozesses und die enérgeia selbst erscheinen als Bild beziehungsweise als érgon, während das eigentliche érgon, das Porträt des Königspaars, abwesend und nur als Reflexion in einem Spiegel im Bildhintergrund zu sehen ist (vgl. dazu StoichiĠă 2001 [1986]: 226 f.). Vertritt man die These, dass die abgebildete Figurengruppe ebenfalls auf dem für den Betrachter verdeckten Bild erscheint, dann würde das komplette Bild gedoppelt in eine Mise en abyme gesetzt. Kennzeichen der Mise en abyme ist die Selbstthematisierung eines Zeichensystems in seinem Kontext, der wiederum in das Zeichensystem hineingenommen wird. Ermöglicht wird unter anderem die Darstellung der Unendlichkeit mittels materiell begrenzter Medien. Das Bild suggeriert den Zusammenfall von Produktions- und Rezeptionsprozess, scheinbar wird das Bild gerade in dem Augenblick betrachtet, indem es entsteht. Da die Rezipienten im Bild sich jedoch auf einer anderen Ebene befinden als der empirische Betrachter, dem das verborgene Bild sein Geheimnis wiederum nicht preisgibt, erhält es seine Spannung gerade aus dem Spiel von suggeriertem Zusammenfall und der faktischen Trennung der Produktions- und Rezeptionskontexte. 3.4.4 Kontextprogression Mediale Produkte befinden sich nicht nur in einem außermedialen Kontext oder thematisieren andere Medien in deren Kontext, sondern bauen oft ihren eigenen Kontext auf, vor allem, wenn sie sich in zeitlicher Hinsicht entwickeln (dies betrifft sowohl visuelle als auch auditive Medien, siehe Abschnitt 2.1.3). Beispielsweise bauen Musikstücke durch die Wahl bestimmter Harmonien eine spezifische Stimmung auf. Wechselt ein Stück etwa von Dur nach Moll, merkt der Hörer nachträglich, dass er sich im Hören auf eine bestimmte Färbung eingestellt hat. Zudem ist das Erfassen von Schwingungsverhältnissen als harmonisch oder disharmonisch eine kognitive Leistung. Bestimmte Akkorde verlangen je nach Tradierung von

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Hörgewohnheiten eine bestimmte Auflösung, die in der Vorstellung der Rezipienten latent vorhanden ist. Noch stärker sind dabei allerdings Texte betroffen. Schon eine einfache Bedienungsanleitung baut einen Kontext auf, indem sie Zeichnungen beilegt, die den potenziellen Benutzer im Zusammenbau oder in der Inbetriebnahme des Geräts zeigen. Die Kontextbildung erfolgt hier vor allem ostentativ (vgl. dazu Abschnitt 3.1.2). Diegetischen Medien gelingt es auch ohne Medienwechsel vom Text zum Bild, einen eigenen Kontext aufzubauen. Im Voranschreiten der Erzählung oder des Berichts wird ein Kontext entfaltet. Gerade literarische Texte haben diese Fähigkeit, denn sie sind kulturbezogen vermöge der sozialen Werte und Kontexte, die sie selbst erfolgreich in sich aufgenommen haben. Die Welt ist voller Texte [= Medien, Anm. JG & PG], von denen die meisten praktisch unverständlich sind, sobald man sie aus ihrer unmittelbaren Umgebung entfernt. […] Im Gegensatz dazu enthalten Kunstwerke einen Gutteil dieser Situation ausdrücklich oder implizit in sich selbst, und diese gespeicherte Aufnahme ist es, was viele literarische Werke den Zusammenbruch der Bedingungen überleben lässt, die zu ihrer Herstellung führten. (Greenblatt 2001: 50f.)

Das Greenblatt-Zitat zeigt auch, dass mediale Produkte einen eigenen Kontext in Wechselwirkung mit den äußeren Kontexten und aufgrund von Traditionen aufbauen. Gehen diese Traditionen verloren und sind die äußeren Rahmenbedingungen schlecht, dann ist auch die innere Struktur der medialen Produkte heterogen. Die Theatersituation in Deutschland um 1800 mag dies verdeutlichen: Zu dem Zeitpunkt befand sich die Tradition des Barocktheaters in Auflösung, und es existierten keine staatlich geförderten Theaterhäuser. Wandertruppen, deren Mitglieder über ein geringes soziales Ansehen und eine zumeist mangelhafte Ausbildung verfügten, führten die so genannten Hauptund Staatsaktionen auf, das heißt Stücke, die aus einer Vielzahl heterogener Tragödien- und Komödienteile zusammengesetzt waren und die nur formal durch Späße eines Hanswursts verbunden wurden. Da die Truppen abhängig vom Publikumsgeschmack waren, gedachten sie dem Unterhaltungsbedürfnis der Zuschauer durch die lustige Auflockerung ernster Stoffe entgegenzukommen. Der bedeutendste Theaterreformer der Frühaufklärung, Johann Christoph Gottsched, beschreibt die Aufführungspraxis wie folgt:

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Ich habe dergleichen im 1717. Jahre am Reformationsfeste in einer Schulcomödie vorstellen gesehen: wo der ganze Inhalt der Aeneis Virgilii, und die Reformation Lutheri zugleich vorgestellt wurden. In einem Auftritte war ein Trojaner, in der andern der Ablaßkrämer Tetzel zu sehen. Bald handelte Aeneas von der Stiftung des römischen Reichs; bald kam Lutherus und reinigte die Kirche. […] Und diese beyde so verschiedene Handlungen hiengen nicht anders zusammen, als durch eine lustige Person, Momus genannt, die zwischen solchen Vorstellungen auftrat, und z.E. den auf der See bestürmten Aeneas mit dem in Gefahr schwebenden Kirchenschifflein verglich. (Gottsched 1973 [1742]: 319)

Derartig heterogene Stücke können keinen eigenen Kontext aufbauen. Dadaistische oder surrealistische Stücke wie etwa André Bretons und Philippe Soupaults Les Champs Magnétiques wiederum sind Beispiele für lineare Stücke, die sich der Kontextprogression systematisch verweigern. 3.4.5 Kontext- und Medialitätsverlust Haben Medien große raumzeitliche oder kulturelle Distanzen zu überwinden, so zieht dies unweigerlich eine Reduktion des kontextuellen Überlappungsbereichs von Produzent und Rezipient nach sich, da die semiotische Einbettung des Rezipienten im Hinblick auf die Kommunikationsabsicht des Produzenten zwangsläufig abnimmt (vgl. Abschnitt 3.1.4). Wenn beispielsweise Archäologen des 20. oder 21. Jahrhunderts bei einer Ausgrabung eine Tafel mit Schriftzeichen finden, so sind sie gegenüber dem ursprünglichen Kontext der Kommunikation nur noch unbeteiligte Dritte. Der kulturelle, historische, aber auch sprachliche Kontext der ursprünglichen Produzenten und Rezipienten wird in diesem Fall hauptsächlich mithilfe von anderen Funden aus dieser Zeit rekonstruiert. Erst dadurch können Archäologen zu verstehenden Rezipienten einer solchen Tafel werden. Existieren keine solchen Vergleichsfunde, wird also eine Tafel mit Zeichen gefunden, die sich keiner bislang bekannten Schrift zuordnen lässt, dann stellt dies den extremsten Fall eines Beispiels für den Mindestüberlappungsbereich dar: Der ursprüngliche Produzent der Frühzeit und die Archäologen der Gegenwart teilen das érgon nur noch in seiner Materialität, während die Kodierung nicht entschlüsselt werden kann und (vorerst) nicht zum Rezipientenkontext der Archäologen zu zählen ist.

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Allein die Materialität reicht jedoch nicht aus, um ein Objekt mit Gewissheit als etwas zu interpretieren, das in seiner ursprünglichen Funktion ein medialer Gegenstand war. In Abschnitt 1.2.2 haben wir gesehen, dass ein Objekt erst durch Rezeption zu einem Zeichen wird. Die Archäologen können nun nicht von sich aus bestimmen, dass sie es mit Schriftzeichen zu tun haben, und halten sich mit der semiotischen Deutung ihrer Funde in der Regel stark zurück. In ihrem Fall haben wir es mit der in Abschnitt 3.1.4 beschriebenen Rezipientengruppe der unbeteiligten/unautorisierten Dritten zu tun, das heißt nicht mit Kommunikanten, sondern mit Beobachtern von Kommunikation: Beim Versuch, einen ursprünglichen Kommunikationszusammenhang zu rekonstruieren, geht es also zunächst nur darum, herauszufinden, ob die Einritzungen oder andere Bearbeitungsspuren von früheren Menschen überhaupt als Zeichen konzipiert beziehungsweise rezipiert wurden. Erst wenn diese Frage positiv beantwortet werden kann, werden die Archäologen selbst zu Rezipienten, die versuchen, den Text zu dekodieren. Beim Diskos von Phaistos beispielsweise, bei dem es sich um eine Scheibe aus gebranntem Ton handelt, die mit spiralförmig angeordneten Menschen-, Tier- und Pflanzenmotiven versehen ist, besteht bislang keine endgültige Gewissheit darüber, ob es sich bei den Zeichen um Schrift im engeren Sinne handelt. Aufgrund seiner Einzigartigkeit und der begrenzten Anzahl der Symbole auf der Scheibe ist diese Frage nicht eindeutig zu beantworten (vgl. Hiller 2000: 135f.). Die Vertreter der Schrifthypothese sind sich wiederum uneins, ob es sich um eine Silben- oder ideographische Schrift handelt, und welches die Lese- und Schreibrichtung der von ihnen vermuteten Schrift ist. Entgegengesetzt ist der Fall des Steins von Rosette: Dadurch, dass eine seiner Seiten einen Text in einer bekannten Schrift ௅ dem Altgriechischen ௅ aufwies, lag die Deutung nahe, dass die anderen Seiten ebenfalls mit Schriftzeichen bedeckt waren. Hier stellte sich lediglich das Problem der Dekodierung, das Jean-François Champollion für die beiden anderen Schriftarten des Steins (ägyptische Hieroglyphen und Demotisch) löste. Während es also bei derartigen Funden zunächst einmal darum geht, Zeichen- beziehungsweise Schriftsysteme (also die generische Kodierung eines Mediums im Sinne von Medium2a, vgl. Fig. 3) zu entschlüsseln, gibt es andere Objekte, bei denen zwar über die Zeichen und ihre Dekodierung keine Zweifel bestehen, deren Rezeption jedoch aus anderen Gründen

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eingeschränkt ist. Aufgrund von Materialverlust durch Papier- und Tintenfraß, fehlende Seiten oder Bruchstücke, Verwitterung etc. (im Sinne des Verlusts der individuellen Materialität, Medium1b, vgl. Fig. 3) können solche Texte oder Objekte nicht vollständig erfasst werden. Ist das Medium in seiner individuellen Materialität unvollständig, so ist es auch in seiner individuellen Kodierung (im Sinne von Medium2b, vgl. Fig. 3) nicht komplett entschlüsselbar. Antike Götterstatuen, denen der Kopf und kennzeichnende Attribute fehlen, lassen sich oft nicht eindeutig als eine bestimmte Gottheit identifizieren. Texte, die lückenhaft überliefert sind, können in ihrer Gesamtintention oftmals schwer eingeordnet werden etc. Hier teilen Rezipienten mit den Produzenten zwar den Schlüssel zur Dekodierung, aufgrund des unvollständig überlieferten Materials ist eine vollständige Entschlüsselung jedoch nicht möglich.

Konklusion

Nach der Präsentation der medialen Grundprinzipien, ihrer Kombinationsmöglichkeiten und der Analyse verschiedener medialer Ereignisse gilt es abschließend, die Leitlinien dieses Buches zu resümieren und die Besonderheiten der hier entworfenen Medientheorie hervorzuheben. In den vorangegangenen Kapiteln haben wir die wesentlichen Elemente für eine Theorie entwickelt, bei der das mediale Ereignis im Vordergrund steht, welches durch die Trias Zeichen – Kommunikation – Empirie geprägt wird. Den Ausgangspunkt unserer Überlegungen bildete das kommunikative und semiotische Ereignis. Dieses lässt sich grundsätzlich auf zwei Ebenen untersuchen: auf der Ebene der Tätigkeit und auf der Ebene der Gegenstände, die aus dieser Tätigkeit hervorgehen. Damit berücksichtigt die hier entwickelte Theorie die Produktion und Rezeption von Zeichen einerseits und den Blick auf die Zeichen selbst andererseits. Im Sinne der Sprachtheorie Wilhelm von Humboldts lassen sich die Tätigkeit als enérgeia und ihr Gegenstand beziehungsweise ihr Produkt als érgon bezeichnen. Insbesondere die Überlegungen Humboldts laufen auf eine dynamische, ereignisorientierte Konzeption von semiotischen Prozessen hinaus. In den drei Kapiteln dieses Bandes wurden die wesentlichen Kriterien herausgearbeitet, die diesen dynamischen, ereignisorientierten Begriff der Medialität ausmachen. Es ging dabei um Konzepte, die jeglichen Formen der Medialität in allen denkbaren Bereichen (Sprache, bildende Kunst, Nachrichtentechnik etc.) zugrunde liegen. In den zwei Dimensionen der Tätigkeit (enérgeia) und des Gegenstands (érgon) untersuchten wir jeweils die allen medialen Ereignissen innewohnenden Eigenschaften der Semiose (Kapitel 1), der Materialität (Kapitel 2) und der Kodierung (Kapitel 3). Zu Beginn von Kapitel 1 haben wir erste begriffliche Unterscheidungen diskutiert, auf deren Grundlage sich die Mehrdeutigkeit des Ausdrucks ‚Medium‘ systematisch disambiguieren lässt (Abschnitt 1.1). Dabei geht es um zwei grundsätzliche Unterscheidungen der Semiotik: Einerseits stellt sich die Frage, ob ein Medium als materielle Erscheinung oder als Kode

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aufgefasst wird, andererseits geht es darum, ob ein Medium als individuelles oder als konventionelles Phänomen betrachtet wird. Sieht man Medien als mediale Ereignisse oder als Teil medialer Ereignisse an, werden sie in erster Linie individuell untersucht, was aber die Bedeutung konventioneller Aspekte der Medialität nicht ausschließt, sondern vielmehr mitversteht. Zugespitzt lässt sich folgende Paradoxie beobachten: Zwar liefert Konvention die Grundlage für Kommunikation, allerdings kann sich Konvention erst im individuellen Ereignis zeigen und verfestigen. Dies ist eine Neuerung gegenüber bisherigen Ansätzen von Ferdinand de Saussure bis hin zu Umberto Eco, die vom Primat der Konvention ausgehen. Auf dieser Grundlage ging es nun darum, ein ereignisorientiertes, dynamisches Modell von Semiose zu konzipieren (Abschnitt 1.2). Das hierzu entworfene Kommunikationsmodell beruht einerseits auf der Unterscheidung zwischen enérgeia und érgon, erweitert diese aber andererseits gegenüber früheren Ansätzen (Humboldt 1998 [1836], Bühler 1965 [1934], Coseriu 1952), indem es explizit den Rezeptionsakt der Dimension der enérgeia zuordnet. Das Modell zeichnet sich überdies dadurch aus, dass es systematisch verschiedene Überlappungs- oder Integrationsgrade der Kontexte von medialer Produktion und Rezeption vorsieht. Der Grad der Übereinstimmung der Produktions- und Rezeptionskontexte, die nie deckungsgleich sein können, ist zumeist als Grad der Einbindung des Rezipienten im Zeichen kodiert. Damit einhergehen die Prinzipien der Alterität und Dialogizität, deren Erläuterung für das Ereignis der Kommunikation unerlässlich ist (Abschnitt 1.2.1). Doch obwohl diese Prinzipien semiotischer Prozesse den Eindruck von Kongruenz zwischen den Kommunikationspartnern zu suggerieren scheinen, ist nur der Rezeptionsakt ausschlaggebend dafür, dass etwas als Medium angesehen wird (Abschnitt 1.2.2). Dies ergibt sich schon allein aus der Tatsache, dass es Rezeptionsakte ohne vorangegangene Produktion gibt, wie etwa die Deutung von Naturereignissen als göttliche Zeichen. Ein Produktionsakt ohne Rezeption ist dagegen schlechterdings nicht denkbar, da der Produzent immer schon der erste Rezipient seines érgons ist. Der letzte wichtige kommunikative Aspekt der Semiose betraf die mediale Adressierung, die je nach Einbindung des Adressaten variiert (Abschnitt 1.2.3): Verschiedene Formen der Adressierung richten sich individuell oder kollektiv, monologisch oder dialogisch, direkt oder indirekt sowie persönlich oder anonym an den oder die Rezipienten.

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Nach der Vorstellung des Kommunikationsmodells und der damit verbundenen semiotischen Implikationen wurde dieser Ansatz durch eine umfassende Diskussion der zwei bekanntesten semiotischen Theorien, der von Saussure und der von Peirce, zeichentheoretisch lokalisiert (Abschnitt 1.3). Während das Zeichen bei Saussure ein Zeichen in posse ist, das heißt ein unabhängig von einzelnen Ereignissen zur Verfügung stehendes potenzielles Zeichen, konzipiert Peirce das Zeichen in actu, also als Teil eines kommunikativen Prozesses. Unsere Diskussion präzisierte den Ansatz von Saussure im Hinblick auf die Unterscheidung von Konvention und System (Abschnitt 1.3.1) und erläuterte das Zeichenmodell von Peirce kritisch, das aufgrund seiner dynamischen Konzeption eher dem hier entwickelten ereignisorientierten Ansatz entspricht, insbesondere im Hinblick auf das sogenannte „Representamen“ (Abschnitt 1.3.2). In einer Synopse der beiden Ansätze haben wir gezeigt, wie die semiotischen Dimensionen ‚System‘, ‚Konvention‘ und ‚Ereignis‘ zueinander in Beziehung gesetzt werden müssen und dass die Semiose auf der Ebene des Ereignisses eine Form der Repräsentation ist (Abschnitt 1.3.3). Abschließend befasste sich das erste Kapitel eingehend mit dieser semiotischen Funktion der Repräsentation, bei der es sich um die Beziehung zwischen dem Repräsentanten (Darstellenden) und dem Repräsentat (Dargestellten) handelt (Abschnitt 1.4). Zunächst wurden mögliche Variationen im Verhältnis von Repräsentant und Repräsentat beschrieben, die sich aus der kontextuellen Einbettung des Repräsentanten im Zuge des Rezeptionsakts und der Interpretation ergaben (Abschnitt 1.4.1). Im Anschluss daran (Abschnitt 1.4.2) ging es um die Frage nach der Transparenz des Mediums als Repräsentant. Dabei kamen wir zu dem Ergebnis, dass ein Repräsentant in einem allgemeinen Verständnis nicht unsichtbar sein, sondern lediglich automatisiert und damit „vorbewusst“ wahrgenommen werden kann. Ausgehend von diesen Befunden haben wir uns mit „Störungen“ im Ablauf medialer Ereignisse befasst, die auf tatsächlicher Unsichtbarkeit aufgrund von Materialfehlern beruhen oder auch aus fehlerhafter Dekodierung resultieren (Abschnitt 1.4.3). Zum Abschluss von Kapitel 1 ging es um die Zusammensetzung komplexer Zeichen und um die Möglichkeiten ihrer Kompositionalität im Hinblick auf Materialität und Kodierung (Abschnitt 1.5). Kapitel 2 befasste sich mit der Materialität von Medien und medialen Ereignissen. Materialität ist nicht nur eine notwendige Eigenschaft von me-

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dialen Objekten und Ereignissen, sondern prägt auch maßgeblich ihren kommunikativen Charakter. Die Materialität des Medialen bestimmt die Art seiner Wahrnehmung sowie die Art der Vermittlung und beeinflusst damit auch das je individuelle Zusammenspiel von Produktion und Rezeption. Die differenzierte Betrachtung der materiellen Erscheinungsformen von Medien bietet daher eine argumentative Grundlage für mögliche Definitionen des Begriffs „Medium“, die auf der Beschaffenheit potenzieller Medien beruhen (Abschnitt 2.1). Dabei geht es vor allem um die Abgrenzung von Medien, Zeichen und Zeichenträgern (Abschnitt 2.1.1). Auf der Grundlage dieser Abgrenzung lässt sich bereits relativ klar erkennen, welche Medien- und Zeichenbegriffe verwendet werden können und verwendet werden, und welche definitorischen Voraussetzungen ihnen zugrunde liegen. In einigen materiellen Konstellationen lässt sich die Materie des Zeichenträgers von der des Zeichens eindeutig trennen, sodass das Zeichen vom Zeichenträger isoliert werden kann, z.B. kann Schrift vom Blatt, auf dem sie steht, getrennt analysiert werden. Unter speziellen Voraussetzungen lässt sich ein derartiger Zeichenträger als potenzielles Medium verstehen, das als vollgültiges Medium allerdings des Zeichens bedarf. Auch verwandte Begriffe wie Instrument und Werkzeug lassen sich, wie gezeigt, vom Medienbegriff unterscheiden. Ein Grenzfall der Materialität von medialen Ereignissen liegt dann vor, wenn Zeichen scheinbar „immateriell“ sind (Abschnitt 2.1.2), beispielsweise wenn Verhaltensweisen als Zeichen interpretiert werden (Winken, Blick wegdrehen). In solchen Fällen kann nicht von Immaterialität gesprochen werden, weil hier das érgon vollständig in der enérgeia integriert ist und damit die Materialität der Tätigkeit selbst (etwa die Körperlichkeit eines Kommunikanten) zeichenhaft wird. Anders sieht es jedoch bei der Interpretation des Ausbleibens einer Handlung als Zeichen aus. Hier spielt der habitualisierte Kontext eine wesentliche Rolle. Im Bereich des Materiellen haben wir ausführlich zur „Kanalmetapher“, zu verschiedenen technischen sowie mathematisch orientierten Medienauffassungen und Kommunikationsmodellen Stellung genommen (Abschnitt 2.1.3). Dabei gingen wir von der Voraussetzung aus, dass die Produzenten und Rezipienten medialer Ereignisse bewusstseinsfähige Wesen sein müssen, die ein Ereignis als medial interpretieren können. In diesem Sinne ist das Öffnen einer Schranke aufgrund der maschinellen Dekodierung eines Parkscheins kein mediales Ereignis.

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Materialität prägt nicht nur die Beschaffenheit des Mediums, sondern beeinflusst auch die Art der Wahrnehmung (Abschnitt 2.2). So ermöglichen und erfordern manche materiellen Zeichen, wie etwa die Töne eines Musikstücks, eine lineare Rezeption, während andere Zeichen, etwa Bilder, keine strenge Linearität in der Wahrnehmung notwendig machen (Abschnitt 2.2.1). Die auditive und die visuelle Wahrnehmung medialer Inhalte unterscheiden sich vor allem durch ihre Zeitgebundenheit. Darüber hinaus ergeben sich, wie wir gezeigt haben, eine Reihe von Differenzierungen aufgrund der Gleichzeitigkeit oder Ungleichzeitigkeit von Produktion und Rezeption. Obwohl grundsätzlich keine Linearität und Temporalität in der Wahrnehmung von Bildern gegeben ist, gibt es in der bildenden Kunst, der Malerei und im Comic Verfahren der Linearisierung und Temporalisierung (Abschnitt 2.2.2). Im Rahmen der medialen Perzeption haben wir eine Typologie der Multimedialität herausgearbeitet, die auf der Kombination von verschiedenen Arten der Wahrnehmung beruht (Abschnitt 2.2.3). Dabei ergaben sich aus einer Kreuzklassifikation die Kriterienpaare ‚koordiniert‘ versus ,unkoordiniert‘ sowie ‚sinnintern‘ (intraperzeptuell) versus ‚sinnüberschreitend‘ (interperzeptuell). In diesem Zusammenhang wurde der Begriff des „Einzelmediums“ problematisiert und eine Abgrenzung zwischen den Begriffen ‚unimedial‘ und ‚multimedial‘ eingeführt. Im letzten Drittel des zweiten Kapitels ging es um die Art der Vermittlung in medialen Ereignissen und insbesondere um die Produktion und Reproduktion von medialen Objekten (Abschnitt 2.3). Zunächst griffen wir unterschiedliche Konzepte der Performanz und Performativität auf (Austin 1962, Chomsky 1965. Fischer-Lichte 2012) und entwickelten einen übergeordneten theoretischen Rahmen, in den diese unterschiedlichen Ansätze integrierbar sind (Abschnitt 2.3.1). Formale Performanz umfasst dabei die unmittelbare oder mittelbare Wahrnehmung der Produktion durch Rezipienten. Inhaltliche Performanz liegt hingegen bei der medialen (sprachlichen oder rituellen) Repräsentation des eigenen Handelns vor. Wechseln Produktion und Rezeption ab, um ein mediales Ereignis zu bilden, das sich über verschiedene mediale Erscheinungsformen hinweg manifestiert, haben wir es mit Transmedialität zu tun (Abschnitt 2.3.2). Transmediale Ereignisse sind häufig im juristischen und künstlerischen Bereich und neuerdings auch in Lehrkontexten und Werbekampagnen zu finden. Am Ende unserer Überlegungen über die Arten der medialen Ver-

206 | M EDIALITÄT , M ATERIALITÄT , KODIERUNG

mittlung haben wir uns mit der Anordnung von technischen Dispositiven (Abschnitt 2.3.3) beschäftigt, mit denen die Wahrnehmung des Rezipienten manipuliert werden soll (etwa der Kino-Situation). Kapitel 3 befasste sich mit den unterschiedlichen Aspekten der Kodierung von Medien und medialen Ereignissen. Die Kodierung regelt das Verhältnis von Repräsentant zu Repräsentat, indem sie die Ver- und Entschlüsselungsprozesse von Produktion und Rezeption prägt. Sie bestimmt auch das Verhältnis von Medien zueinander, beispielsweise wenn die Kodierung eines Mediums als Basis für die Kodierung eines anderen Mediums dient, wie etwa im Fall von Sprache und Schrift. Kodierung im Sinne von Ver- und Entschlüsselungsprozessen ist in einer ereignisorientierten Medialitätstheorie ein kreatives Verfahren, das zwar auf Konventionen aufbaut, diese aber überschreiten kann. Sie lässt sich unter vier Aspekten betrachten: Kodierungsart (Kapitel 3.1), Kodierungsgrad (Kapitel 3.2), Konventionalität (Kapitel 3.3) und Kontextualität (Kapitel 3.4). Den Begriff der ‚Kodierungsart‘ bezieht sich auf unterschiedliche Mechanismen der Repräsentation, also auf die Art und Weise, wie man vom Repräsentanten zum Repräsentat gelangt (Abschnitt 3.1). Zunächst stellten wir die bereits von Peirce beschriebenen Formen der Motivation (Index, Ikon, Symbol) vor und erläuterten, worin die Problematik der inhärenten Konventionalität von Symbolen und der partiellen Konventionalität von Indices und Ikonen besteht (Abschnitt 3.1.1). In diesem Zusammenhang stand auch die Ausdifferenzierung des Begriffs der Identität, die im Sinne einer idem- oder ipse-Identität konzipiert werden kann. Vor dem Hintergrund dieser fundamentalen semantischen Konzeptionen beleuchteten wir die weit weniger bekannte Unterscheidung zwischen ostentativer und prädikativer Repräsentation (Abschnitt 3.1.2). Letztere ist im Wesentlichen der sprachlichen Kommunikation vorbehalten, bildet aber zugleich die Grundlage für die Argumentativität des menschlichen Diskurses. Die Dimensionen der Repräsentation haben wir in einer semantischen Theorie erörtert, die in gewisser Hinsicht als Fortsetzung der Arbeiten Wittgensteins, Austins und Ducrots angesehen werden kann. Sie besteht im Wesentlichen darin, Ebenen der Bedeutung mit kommunikativen Handlungsqualitäten in Beziehung zu bringen (Abschnitt 3.1.3). Dabei stützte sich unsere Argumentation insbesondere auf das von Ducrot formulierte Prinzip, wonach die Bedeutung einer Äußerung (érgon) die Darstellung des Sprechakts (enérgeia) ist, aus dem diese hervorgeht. Den Abschluss unserer

K ONKLUSION

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Überlegungen über die verschiedenen Optionen der Kodierungsart bildeten Erörterungen über die kommunikative Einbindung des Rezipienten durch das Zeichen (Abschnitt 3.1.4). Hier ging es um verschiedene Aspekte unserer Adressierungstypologie (vgl. 1.2.3) und um die Frage, inwieweit sie in der Semantik medialer, insbesondere sprachlicher Produkte zum Ausdruck kommen können. Unsere Untersuchungen des Kodierungsgrads medialer Ereignisse (Abschnitt 3.2), der in den bisherigen Arbeiten zur Medientheorie und auch in früheren Ansätzen der Semiotik noch völlig außer Acht gelassen wurde, bildeten die Grundlage für die kohärente Bezugsetzung elementarer medialer Ereignisse mit den mitunter extrem komplexen Kommunikationsformen, die in der Alltagssprache regelmäßig (und zum Teil auch in der Fachsprache) mit dem Attribut „Medien“ versehen werden. In unseren Ausführungen zum Kodierungsgrad beschäftigten wir uns mit der Frage, inwiefern Medien auf andere Medien referieren (3.2.1). Dies kann rein materiell geschehen, wenn das Repräsentat wiederum ein Repräsentant ist (etwa bei der Darstellung einer Skulptur in einem Gemälde) – in diesem Fall haben wir es mit einfacher Intermedialität zu tun. Auf der Ebene der Kodierung kann die Kodierung eines Mediums als Basis für die Kodierung eines anderen Mediums dienen, wie etwa im Fall von Sprache und Schrift (das Schriftsystem dient als Repräsentant der gesprochenen Sprache, die wiederum Repräsentant des sprachlich Dargestellten ist). Wir sprechen in diesem Fall von ‚Transkodierung‘. Anschließend rekapitulierten wir die bis zu diesem Punkt diskutierten Formen komplexer Medialität und untersuchen sie im Hinblick auf ihren Kodierungsgrad (Abschnitt 3.2.2). In diesem Zusammenhang führten wir den Begriff der ‚rekursiven Transmedialität‘ ein, der von zentraler Bedeutung ist, weil er es erlaubt, den Schritt von einzelnen, isolierten medialen Ereignissen zu komplexen medialen Konstellationen zu gehen. Ein Musikstück wird beispielsweise zunächst komponiert, in einer Partitur festgehalten, dann von Musikern immer wieder eingeübt, um schließlich in einem Konzert aufgeführt zu werden. Als mediales Ereignis beruht das Konzert also auf vielen vorangegangenen medialen Ereignissen. Die Abfolge dieser Ereignisse ist rekursiv, weil es im Grunde immer um dasselbe Musikstück, um denselben Kode geht. Am Ende unserer Erörterungen zum Kodierungsgrad haben wir uns ausführlich mit der Anwendung des Foucaultschen Begriffs der ‚sozialen

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Dispositive‘ auf mediale Ereignisse auseinandergesetzt (Abschnitte 3.2.3 und 3.2.4). Dabei haben wir einerseits zwischen (im weitesten Sinne) ökonomischen und politischen Diskursen unterschieden sowie andererseits Dispositive im Bereich der Produktion, der Distribution und der Rezeption beschrieben. Ein weiterer grundlegender Bereich der Kodierung ist die Konventionalität des Kodes und seine Weiterentwicklung durch innovative Kommunikation (Abschnitt 3.3). Hier wurde zunächst das Prinzip der Historizität erläutert, auf dem Konventionen beruhen (Abschnitt 3.3.1). Danach wurden mögliche Mechanismen von Zeichensystemen diskutiert, die verschiedentlich in mehr oder weniger metaphorischer Weise als „Grammatiken“ bezeichnet werden (Abschnitt 3.3.2). Da natürliche Zeichensysteme historisch gewachsen sind, stellte sich auch die Frage nach der Konventionalität externer, soziologischer Faktoren, wobei die Einbettung medialer Ereignisse in sozialen und (inter)medialen Makrostrukturen untersucht wurde (Abschnitt 3.3.3). Mikro- und Makroebene stehen dabei in engem Zusammenhang und betreffen gleichermaßen mediale Produkte und kommunikative Handlungen. Die Dynamik medialer Konventionen lässt sich nicht zuletzt durch Wertungsdiskurse erklären, die einerseits von und andererseits über Medien geführt werden. Wir haben uns in diesem Zusammenhang zunächst mit dem diskursiven Verhandeln des gesellschaftlichen Nutzens von Medien beschäftigt (Abschnitt 3.3.4). Anschließend haben wir allgemeingültige Kriterien der ästhetischen Bewertung von Medien erörtert (Abschnitt 3.3.5). Dabei ging es nicht nur um soziale Zugänglichkeit (Exklusivität versus Banalität) und kognitive Zugänglichkeit (Komplexität versus Simplizität) medialer Produkte, sondern vor allem auch um ihre emotionale Zugänglichkeit. Zum Abschluss der Ausführungen zum Wertungsdiskurs haben wir individuelle Faktoren der Bewertung vorgestellt (Abschnitt 3.3.6). In diesem Zusammenhang sind wir einerseits auf individuelle Mechanismen der Rezipientenwertungen eingegangen und haben den in der Folge von Walter Benjamin vielfach intuitiv verwendeten Begriff der ‚Auratisierung‘ auf ein solides konzeptuelles Fundament gestellt. Der letzte Bereich der Kodierung in diesem Band ist die Kontextualität (Abschnitt 3.4). Sie spielt insofern eine maßgebliche Rolle, als der Kontext die Möglichkeiten und Bedingungen der Interpretation medialer Ereignisse bestimmt. Zunächst galt es, Kontextualität mit dem Faktor Konvention zu

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kreuzen (Abschnitt 3.4.1). In diesem Zusammenhang wurden die für bestimmte Medien konventionellen Kontexte – das aptum –, aber auch die Auswirkung unkonventioneller Kontexte erörtert. Ferner zeigte sich, dass die Konventionalität von Kontexten mehr oder weniger bewusst auch als Grundlage für Verfahren der Umkontextualisierung genutzt wird (Abschnitt 3.4.2), bei denen bestimmte Effekte durch die Veränderung des Umfeldes eines Mediums erzielt werden (zum Beispiel klassische Musik im Fahrstuhl). Im Anschluss an diese Diskussion haben wir uns mit dem Phänomen der sekundären Kontextintegration befasst (Abschnitt 3.4.3), das mit repräsentativer Intermedialität zusammenhängt, bei der die dargestellten Medien häufig als kontextuelle Elemente fungieren (etwa im Gemälde Garten mit Skulpturen von Carl Larsson). Ein weiteres Kontextphänomen, das wir als ‚Kontextprogression‘ bezeichnen, ist insbesondere, aber bei weitem nicht nur, für die narrative Medialität literarischer Werke bedeutsam (Abschnitt 3.4.4). Die Kontextprogression gibt es logischerweise nur bei linearer Rezeption (vgl. 2.2.1). Sie besteht darin, dass der Kontext an einer bestimmten Stelle, etwa einer Erzählung oder eines Musikstücks, durch die vorangegangene Erzählung oder Musik gebildet worden ist. Es handelt sich also um eine progressive Kontextzunahme. Mediale Ereignisse können aber auch mit einer Kontextabnahme einhergehen, bei der es zu einem Verlust von Kontext und Medialität kommt (Abschnitt 3.4.5). So kann der völlige Verlust des ursprünglichen Kontextes eines Mediums dazu führen, dass dieses nicht mehr dekodierbar ist und es damit seine Medialität teilweise oder ganz verliert (zum Beispiel der Diskos von Phaistos). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass unsere Abhandlung ihren Ausgangspunkt bei den kleinsten denkbaren Elementen der Medialität nimmt. Wir betrachten diese zunächst in ihrer Abstraktion (als Zeichen oder Zeichenträger) und untersuchen auf dieser Grundlage dann konkrete Medienkonstellationen, die wir sie in einen sozialen und historischen Kontext stellen. Unser Ansatz zeigt, dass sich Theorie und Empirie nicht ausschließen müssen, sondern in nachvollziehbarer und kohärenter Weise miteinander verbunden werden können. Die Besonderheit einer ereignisorientierten Medientheorie liegt nicht zuletzt in ihrer Vielseitigkeit: Sie verbindet den Einzelfall mit dem Allgemeinen, die Theorie mit der Empirie, und sie ist mit jeder denkbaren medialen Erscheinungsform kompatibel.

Sachregister

Adressat 27f. , 45, 50, 100f., 128

designative 124௅126

Adressierung 13, 23, 27, 29௅32, 127,

expressive 125f.

134, 151, 153, 155

Chat, Chat Room 30௅32

anonyme 31, 151, 170

Comic 81f., 86f., 136

dialogisch 29f., 40, 124, 153

Deixis 30

direkte 30, 151, 190

Dekodierung 52௅54, 56, 88, 111,

indirekte 30, 151 individuelle 12f., 18௅20, 40, 56௅60, 89, 163, 169, 177, 179 monologisch 28௅30, 32, 134, 153, 155 persönliche 92, 152

133, 136, 142, 147, 198 routinisierte 52௅54, 56f. dialogisch 25, 28௅32, 97f., 153, 157 Dialogizität 13, 23௅25, 29, 157 Diegesis 120, 168 Diskurs 15, 21, 24, 52, 89, 105,

Alterität 13, 22௅25, 180

111f., 144, 152௅156, 158, 161f.,

Animator 148, 154f.

166, 171f., 174௅176, 178

aptum 58, 182

Aura, Auratisierung 177௅179,

inneres 182

193

Arbitrarität 111, 113, 120, 132, 164

Diskurstradition 162

Assertion 47, 119

Wertungsdiskurs 15, 63, 162,

Ausdruck 18, 32௅35, 37f., 40f. 44, 50, 64, 69, 87, 93௅95, 98, 122௅125, 139, 147, 170, 193 Autor 31, 100f., 124, 128f., 143, 148, 154 Bedeutung 20, 23, 26f., 29, 35, 42,

164, 171, 175, 177, 187 Dispositiv 13f., 105௅109, 118, 143௅146, 148௅150, 152௅154, 158, 160, 162, 168 Distribution 88, 145, 149f., 152, 154, 159f.

45f., 48, 50, 52, 64, 74, 93௅96,

Bote 144

99, 102, 105, 112, 117, 120,

Übermittlung 11, 71f., 79,

122௅126, 144, 148, 157, 165, 179, 189 appellative 125f.

144௅146 Übertragung 9, 14, 46, 70, 72, 74, 79, 88, 142, 144f., 150, 167, 171

212 |

M EDIALITÄT , M ATERIALITÄT , K ODIERUNG

doppeltes Kommunikationssystem 128 double articulation 165 Drama 31, 104, 120f., 128, 143, 168 enérgeia 11f., 20௅22, 24, 33, 44f., 62, 64, 69, 76, 79f., 88, 93f., 103, 124f., 127, 130, 132, 168f., 181, 195

individuell 12f., 18௅20, 22, 28f., 32, 34, 37, 40, 44, 56௅60, 66, 89, 108, 141, 151, 153, 158, 163, 169, 177௅179, 199 Innovation 14, 24, 43, 58௅60, 111, 125, 162௅164 Instrument 13, 17, 62f., 65, 75, 88௅90, 122, 135, 148, 150, 184

Ereignis 11௅13, 15, 20, 23௅28, 34,

Intermedialität 13f., 24, 105, 130f.,

38, 40௅44, 46f., 100f., 105, 116,

135, 137f., 140, 142f., 172, 179,

118, 129, 131, 133, 135f.,

189

141௅143, 150, 156

intermedial 10, 130௅132,

Ereignishaftigkeit 13, 20, 38, 164 ereignisorientiert 13, 33f., 38, 40௅43, 59, 64, 88, 93, 98f.,

137௅140, 142, 179, 189, 192 repräsentative 28, 48, 90, 112f., 137, 140, 143, 147 Internet 18, 30, 79, 106, 148f., 151,

105, 111, 116f., 122f.

154, 157௅159, 161f., 172f.

érgon 11f., 20௅22, 24, 33, 40, 44f.,

Interpretation 23, 25௅27, 38௅42,

62, 64, 76, 79f., 88, 93௅96, 108f., 124f., 127, 140, 149, 181f., 195, 197 Expressivität 58 Face-to-Face-Kommunikation 22, 70, 74, 146 Gestalttheorie 94 Figur-Grund-Effekt 94

45f., 51, 55௅57, 74, 83, 115, 123, 134, 178, 188 intersubjektiv 22, 50f., 181 Bedeutung 51 Kanal 70௅73, 75 Kodierung 12, 14f., 18f., 34, 54, 56௅60, 64௅68, 73, 79, 86, 103, 111, 117, 121f., 129௅134, 140,

Gestik 9, 30, 93, 96, 173f.

147, 162, 164f., 175f., 182, 184f.,

Gleichzeitigkeit v. Produktion u.

195, 197f.

Rezeption 132

Basiskodierung 131, 136, 142

Grammatik 162௅167, 173

Kode 60, 62, 64, 133, 136

Identität 23, 82, 103, 117f., 133

Kodierungsart 86, 111, 116, 118

idem 103, 117, 133

Kodierungsarten 14, 86f.

ipse 103, 117f., 133

Kodierungsgrad 14, 49, 78f., 90,

Ikon 111௅116, 164, 174 Illokution 92, 97 Index 111௅114, 116, 164

111, 129௅136, 138, 142f., 146, 188 Transkodierung 13௅15, 130௅132, 134௅136, 142f.

S ACHREGISTER

Kontext 13f., 21௅24, 32, 45, 58, 61, 63, 70, 75, 108f., 117, 127, 134, 146, 169, 177, 180f., 183௅186, 188௅193, 195௅197

| 213

Individualmedium 144f. Massenmedium 14, 32, 52, 134, 144௅146, 148f., 151, 154௅158, 176

Kontextprogression 195, 197

Medienangst 173

Kontextualisierung 15, 46

Mediendemokratie 157

Kontextualität 111, 180, 188

Medieneuphorie 173

kontextuell 28, 45, 67, 180, 183,

Medienkombination 10, 13, 60,

197 Umkontextualisierung 185f. Konvention 14, 20, 25, 34, 37, 41௅43, 56f., 111௅114, 121, 125,

83f., 87, 120, 130, 137௅140, 150, 162, 166 Medienwechsel 99, 101, 105, 130, 137f., 140f., 196

162௅164, 168, 170, 174f.,

Primärmedium 88, 154

181௅185

Reproduktionsmedium 134f.,

Konventionalität 15, 19f., 25,

193

33f., 43, 56f., 111, 114, 116f.,

Sekundärmedium 88

125, 162௅164

Tertiärmedium 88, 150, 154

konventionell 14, 18௅20, 24, 28,

Verbundmedium 10

33f., 37f., 40௅44, 57௅60, 66f.,

Mikrostruktur 166

80, 86f., 89, 108, 111,

Mimesis 120, 168

113௅116, 122, 131, 138f.,

Mimik 9, 30, 93, 96, 173f.

162f., 166, 168f., 171f., 175,

Modalität 14, 119

176, 179, 182, 186 Malerei 26, 28, 30, 47f., 63௅65, 77, 80௅82, 88, 94, 120, 126f., 131, 137f., 167, 178, 188f., 192 Materialität 12, 14f., 18f., 42, 54,

dictum 119 modus 63, 119 monologisch 28௅30, 32, 134, 153, 155 Morphem 36f., 41, 43

56f., 59௅68, 71, 73, 76, 86, 88,

Motivation 14, 111௅114, 117, 164

91, 98, 123, 125, 131௅133, 175,

Multimedialität 14f., 83௅87, 105,

182, 184௅186, 195, 197௅199

135f., 139௅142, 170

materiell 12, 17, 54, 61, 67, 91,

koordinierte 84௅87, 136, 139,

103, 123, 133, 138, 149, 178, 193, 195 Medium Basismedium 130, 136 Einzelmedium 83௅87, 107 Hybridmedium 87

146f., 170, 174 multimedial 14, 85, 142, 147, 174 sinninterne (intraperzeptuelle) 85௅87, 170

214 |

M EDIALITÄT , M ATERIALITÄT , K ODIERUNG

sinnüberschreitende (interperzeptuelle) 84௅87, 170, 174 unkoordinierte 84௅86, 136, 139f. Mündlichkeit und Schriftlichkeit 79, 99, 158, 183 Musik 9f., 50f., 60, 62, 64f., 67, 77, 79, 84f., 94, 127, 132௅134, 163, 166, 170f., 180 Nähe- und Distanzsprache 29, 31 Narration 59, 105, 111f., 120, 127f., 190, 196 Objekt 21, 25, 38௅41, 43, 74f., 93,

111, 117௅119, 123f., 140, 148f., 151, 158, 178, 180௅183, 197, 199 Proposition 46, 126 Referent 40, 48, 114, 117, 130 Referenz 48, 51, 118, 130 Autoreferenz 50f. rekursive Medialität 14, 99, 141௅143, 146, 154, 156, 161 Repräsentamen 21, 40, 43 Repräsentation 13f., 33, 38, 44, 46, 50f., 53௅56, 62, 95, 97, 104, 111, 114f., 117, 120, 122, 124, 126, 137௅140, 142, 162, 164, 178

96, 100, 112f., 117f., 186, 198

gestörte, Störung der 55௅58

objektiv 41, 46, 48௅51, 123௅125,

Repräsentant 14, 41, 44௅46,

149, 178 Organon-Modell 104, 122 Ostentation 14, 80, 112, 118௅121 Performanz 14f., 91௅93, 96௅99, 101, 122f., 148, 171, 178 Performance 91f., 97f., 157 performativ 14, 91௅ 94, 96௅101, 136, 140, 143, 171, 178 Photographie 51, 71, 81, 147 Foto 51, 67, 83f., 146

49௅57, 111௅114, 122, 129, 135, 140f. Repräsentat 14, 41, 44, 46, 48௅55, 111௅113, 122, 129, 135f., 138, 140f. störungsfreie 57 Reproduktion 67, 73, 75, 79, 88, 90, 103, 108, 130f., 133, 144௅146, 150, 175, 193 Rezeption 12f., 22௅28, 40f., 52, 57,

pictorial turn 166

61, 63f., 67, 70, 74௅81, 83, 86,

Prädikation 14, 80, 112, 118௅121,

88, 93௅96, 99, 100௅105, 108, 123,

166f.

128f., 132௅136, 140, 144, 146f.,

Prinzipal 148, 154f.

149௅152, 154, 159௅162, 167f.,

Produktion 11௅14, 22௅25, 27f., 57,

178, 180f., 183, 186f., 189, 198

61, 70, 76, 78௅81, 85, 88௅90, 93, 96௅104, 107, 124f., 127, 135f., 140, 143f., 146f., 149, 152, 154, 159, 180f., 183

lineare 14, 76, 78f., 81, 165௅168, 197 Linearität der 76௅78, 120, 165, 167

Produzent 12f., 21௅30, 44f., 48, 50,

unautorisierte 128, 160, 198

61f., 73, 89, 93f., 96, 101f., 107,

Rezipient 13, 21௅23, 25௅27, 29, 44f., 61f., 73, 81, 84, 93, 95, 99,

S ACHREGISTER

101f., 108, 118, 123, 128, 130f.,

Transparenz 13, 44, 50௅56

140, 150f., 180, 185௅197

type 38, 89, 112, 116

ratifizierter 30

Übermittlung

Schrift 9f., 14, 17, 19, 26, 53f., 64f., 67, 83, 88, 93, 106, 130, 132௅136, 148, 197f. Semem 36f., 41, 43 Semiotik 11, 20, 42, 112, 117 Semiose 13, 17, 19௅21, 23௅28, 33, 38௅40, 42, 44, 48, 53, 57, 59௅63, 69, 76, 78, 88, 111, 114, 116, 122, 124, 132, 181 Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit von Medien 12f., 51௅54, 56f., 70, 91, 109, 178, 192

| 215

siehe Distribution 11, 71f., 79, 144௅146 Übertragung siehe Distribution 9, 14, 46, 70, 72, 74, 79, 88, 142, 144௅46, 150, 167, 171 Unimedialität 135 unimedial 86, 87, 135f., 168, 170 Urkunde 99௅102, 136 valeur 35, 36 Zeichen 11f., 14f., 18, 20f., 23௅26, 33௅35, 37௅44, 48, 59௅79, 88f.,

Signal 69, 72௅74, 122f., 185

94௅96, 101f., 104f., 108f.,

Signifikant 35f., 89

111௅113, 115, 117f., 120,

Signifikat 35f.

122௅128, 130, 132, 134, 147, 158,

Skulptur 80, 93, 96, 131, 137, 190,

162௅165, 170, 178, 181, 186f.,

192

190, 197f.

Social Media 151, 157f., 161

immaterielle 63, 68f., 94, 96

Sprechakt 45, 91f., 94௅97

in actu 22, 33f., 38, 41f.

subjektiv 46, 48௅50, 118, 123, 125,

in posse 33௅35, 38, 41f.

181

Kompositionalität 14, 60

Bedeutung 50

Konstitution 14, 59f.

Subjektivität 50, 181

Legizeichen 38

Symbol 111௅114, 116, 122f.

Sinzeichen 38

Theater 84, 86, 91f.

Zeichenmodell 21, 35, 37௅39, 41,

token 38, 89, 116 Transmedialität 13, 15, 99௅105, 130, 132, 135f., 140f., 143 performative 14, 99௅101, 136, 140f., 143 rekursive 99, 141, 143 transmedial 99௅101, 103௅105, 136f., 140, 142 Transmitter, Receiver 72f.

44, 113 Zeichentheorie 11, 13, 38, 40 Zeichenträger 19, 53, 61௅68, 70௅73, 75, 88, 108f., 147f., 175, 183, 190, 194 Zeichensystem autoregulatives 20, 163f. axiomatisches 163

216 |

M EDIALITÄT , M ATERIALITÄT , K ODIERUNG

zerdehnte Kommunikationssituation 13, 21f., 181 Zugänglichkeit 152, 157, 175f.

emotionale 176 soziale 174f.

Abbildungen

Fig. 1 Fig. 2

Prämissen einer umfassenden Medialitätstheorie | 11

Struktur und Aufbau der vorgestellten Medialitätstheorie | 12

Fig. 3

Vier Bedeutungen des Wortes Medium | 19

Fig. 4

Ereignisorientiertes Kommunikationsmodell der Semiose (Adaptation aus Gévaudan 2013: 32, 2015: 130ff.) | 21

Fig. 5

Produktions- und Rezeptionstätigkeit des Produzenten | 26

Fig. 6

Dimensionen der Adressierung | 32

Fig. 7

Repräsentative Definition des Zeichenmodells von Saussure (2005 [1916]: 99, 158) | 35

Fig. 8

Die zwei Zeichenkonzeptionen von Saussure als konventionell und systemisch | 37

Fig. 9

Zeichenmodell nach Peirce (1960 [1931ff.]: 2.228) | 39

Fig. 10

Synopse der Zeichen in posse (Saussure) und in actu (Peirce) | 42

Fig. 11

Jacques-Louis David, Le Premier Consul franchissant les Alpes au col du Grand-Saint-Bernard, 1800, Chateau de Malmaison, Île-de-France | 47

Fig. 12

Kasimir Malewitsch, ɑɺɪɧɵɣ ɫɭɩɪɟɦɚɬɢɱɟɫɤɢɣ ɤɜɚɞɪɚɬ

Fig. 13

Objektive Abstraktion eines Gesichts | 50

(Das Schwarze Quadrat), 1915, Tretjakow-Galerie, Moskau | 49

Fig. 14 Fig. 15

Elemente der Repräsentation | 55

Repräsentation bei routinisierter Interpretation | 55

Fig. 16

Repräsentation bei gestörter Interpretation | 56

Fig. 17

Störungen der Wahrnehmung und der Interpretation bei der individuellen Semiose | 57

Fig. 18

Beispiele der Materialität und Kodierung von Zeichen/Zeichenträgern | 65

Fig. 19 Fig. 20 Fig. 21 Fig. 22 Fig. 23

Mögliche Zuordnungen: Medium, Zeichen, Zeichenträger | 66 Informationsübertragung via Kabel | 72

Kommunikationsmodell von Shannon/Weaver (1967 [1949]: 7, 34) | 72 Beispiele für Gleichzeitigkeit und Linearität | 77

Linearität und zeitliche Versetzung bei Aufführungen | 78

218 |

M EDIALITÄT , M ATERIALITÄT , K ODIERUNG

Fig. 24

Zeitliche Versetzung reproduzierbarer medialer Ereignisse | 78

Fig. 25

Giacomo Balla, Bambina che corre sul balcone, 1912, Museo del Novecento-Raccolta Grassi, Milano , “Copyright Comune di Milano – tutti i diritti di legge riservati”, © Mondadori PortfolioElecta/ Luca Carrà | 82

Fig. 26 Fig. 27 Fig. 28 Fig. 29 Fig. 30 Fig. 31 Fig. 32

Faktoren der Multimedialität | 86

Stufen der Rezeption der Produktionstätigkeit über den Ausdruck | 95 Typen der inhaltlichen Darstellung des Produktionsakts | 97 Modell der Transmedialität der Urkunde im Rechtsakt | 100

Modell der Transmedialität des diktierten Geschäftsbriefs | 100 Modell der Transmedialität des verlesenen Festvortrags | 100 Unmittelbare Produktion und Rezeption eines Briefes | 101

Fig. 33

Typen der performativen Transmedialität | 101

Fig. 34

Symbolisches Ikon im Verkehrszeichen ‚verengte Fahrbahn‘ (§ 40 StVO) | 114

Fig. 35

Indexikalisches Ikon im Verkehrszeichen ‚Autobahngaststätte‘(§ 42 StVO) | 115

Fig. 36

Stufen der Peirceschen Zeichenkonstitution (vgl. Koch 2007: 28) | 116

Fig. 37

Handlungsqualitäten (enérgeia) und Ebenen der Bedeutung (érgon) | 125

Fig. 38

Bisher diskutierte mediale Konstellationen | 137

Fig. 39

Kategorien und Definitionen der Intermedialität in Rajewsky (2002: 157) | 138

Fig. 40 Fig. 41

Systematik der medialen Erscheinungsformen | 142

Varianten ökonomischer Dispositive der Übermittlung | 145

Fig. 42

Dimensionen der Adressierung (= Fig. 6) | 153

Fig. 43

Claes Oldenburg, Soft Pay-Telephone, 1963, Vinyl-filled kapok, mounted on painted wood panel 46 ½ x 19 x 9 inches (118.2 x 48.3 x 22.8 cm) Solomon R. Guggenheim Museum, New York Gift, Ruth and Philip Zierler, in memory of their dear departed son, William S. Zierler, 1980 80.2747 Photo: David Heald©SRGF, NY | 187

Fig. 44

David Teniers der Jüngere, Erzherzog Leopold Wilhelm in seiner Galerie in Brüssel, 1650–52, Kunsthistorisches Museum, Wien | 188

A BBILDUNGEN

Fig. 45

| 219

Michelangelo Buonarroti, David, 1501–1504, Galleria dell’Accademia, Florenz © Photo: Bettina Röhrig, http://www.florentinermuseen.com | 196

Fig. 46

Carl Larsson, Garten mit Skulpturen, Paris 1881, Privatbesitz,

Fig. 47

Diego Velázquez, Las Meninas, 1656, Museo del Prado, Madrid | 199

© Photo: Sven Nilsson, Nationalmuseum Stockholm | 197

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Edition Medienwissenschaft Dennis Göttel, Florian Krautkrämer (Hg.) Scheiben Medien der Durchsicht und Speicherung September 2016, ca. 200 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3117-3

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Gundolf S. Freyermuth Games | Game Design | Game Studies Eine Einführung 2015, 280 Seiten, kart., 17,99 €, ISBN 978-3-8376-2982-8

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Johannes Breuer Genre und Gender Zur Komplexität der Verknüpfung zweier Kategorien im Musicaldiskurs August 2016, ca. 374 Seiten, kart., ca. 39,99 €, ISBN 978-3-8376-3563-8

Anne Grüne Formatierte Weltkultur? Zur Theorie und Praxis globalen Unterhaltungsfernsehens Juli 2016, 482 Seiten, kart., zahlr. Abb., 49,99 €, ISBN 978-3-8376-3301-6

Christina Schachtner Das narrative Subjekt – Erzählen im Zeitalter des Internets Juni 2016, 248 Seiten, kart., zahlr. Abb., 32,99 €, ISBN 978-3-8376-2917-0

Christer Petersen Terror und Propaganda Prolegomena zu einer Analytischen Medienwissenschaft Mai 2016, 290 Seiten, kart., 32,99 €, ISBN 978-3-8376-2243-0

Hannes Niepold Die phantastische Serie Unschlüssigkeit, Bedeutungswahn und offene Enden: Verfahren des Erzählens in Serien wie »Twin Peaks«, »Lost« und »Like a Velvet Glove Cast in Iron« Februar 2016, 202 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3423-5

John David Seidler Die Verschwörung der Massenmedien Eine Kulturgeschichte vom Buchhändler-Komplott bis zur Lügenpresse Februar 2016, 372 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 39,99 €, ISBN 978-3-8376-3406-8

Jonas Nesselhauf, Markus Schleich (Hg.) Das andere Fernsehen?! Eine Bestandsaufnahme des »Quality Television« Januar 2016, 306 Seiten, kart., 39,99 €, ISBN 978-3-8376-3187-6

Stefan Greif, Nils Lehnert, Anna-Carina Meywirth (Hg.) Popkultur und Fernsehen Historische und ästhetische Berührungspunkte 2015, 322 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2903-3

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