Masseverwaltung durch den insolventen Schuldner [1 ed.] 9783428518425, 9783428118427

Die Verwaltung der Insolvenzmasse durch den Schuldner ist den deutschsprachigen Konkurs- und Insolvenzrechten vertraut.

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German Pages 163 Year 2005

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Masseverwaltung durch den insolventen Schuldner [1 ed.]
 9783428518425, 9783428118427

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Schriften zum Prozessrecht Band 195

Masseverwaltung durch den insolventen Schuldner Von Silke Wehdeking

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

SILKE WEHDEKING

Masseverwaltung durch den insolventen Schuldner

Schriften zum Prozessrecht Band 195

Masseverwaltung durch den insolventen Schuldner Von

Silke Wehdeking

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-11842-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Verwaltung der Konkursmasse durch den Schuldner ist den deutschsprachigen Konkurs- und Insolvenzrechten bekannt. In Österreich wird darüber nachgedacht, dieses aus dem Privatkonkurs bekannte Rechtsinstitut auf das Ausgleichsverfahren in der Unternehmensinsolvenz zu erstrecken. Vor Drucklegung dieser Arbeit werden aus Deutschland Bestrebungen bekannt, die Beschränkung der Eigenverwaltung des Schuldners auf die Unternehmensinsolvenz zu beseitigen und das Verbraucherinsolvenzverfahren durch die Eigenverwaltung nachhaltig zu entlasten. Diese Arbeit stellt den Versuch dar, hierfür rechtsdogmatische Argumentationshilfen zu liefern. Die nachfolgende Studie ist Teil einer umfassenderen Untersuchung, die im Jahr 2004 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien als Dissertation vorgelegen hat. Für seine Begleitung der Arbeit, besonders seine kritische Lektüre und viele hilfreiche Hinweise schulde ich meinem Doktorvater, Herrn Univ.-Prof. Dr. Andreas Konecny, großen Dank. Herrn Univ.-Prof. Dr. Thomas Klicka danke ich herzlich für die rasche Erstellung des Zweitvotums, Herrn Prof. Dr. jur. h.c. Norbert Simon für die Aufnahme in die Reihe „Schriften zum Prozessrecht“. Mein größter Dank gilt Stefan, der in wechselnden Funktionen als liebevoller Familienvater, geduldiger Gesprächspartner und unerbittlicher Kritiker diese Arbeit begleitet hat. Last but not least: Kinder sind, wie heute oft zu hören ist, wissenschaftlicher Arbeit abträglich. Ich kann dies nicht bestätigen – ohne meine Kinder Julia und Christian kann ich mir nicht vorstellen, diese Arbeit geschrieben haben zu können. Kiel, im Februar 2005

Silke Wehdeking

Inhaltsverzeichnis Einführung

17

A. Erkenntnisinteresse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

B. Entkriminalisierung des Insolvenzrechts und der Schuldner als suspekte Person

22

C. Eigenverwaltung und Aufgabe des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

D. Konstitutionelle Rahmenbedingungen des Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

E. Ansatzpunkt: Eigenverwaltung im österreichischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

Kapitel 1 Modelle der Beschränkung der Eigenverwaltung auf Reorganisationsverfahren

30

A. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Debtor in possession, österreichische vorkonkursliche Reorganisation und Ausgleich als Grundmodelle der Eigenverwaltung in Reorganisationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorteile des gerichtlichen Ausgleichs für die Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . .

30

30 31

B. Debtor in possession im reorganization proceedings nach chapter 11 bankruptcy code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zwingender Zusammenhang von Reorganisation und Eigenverwaltung . . . II. Umfang der Rechtsmacht des debtor in possession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutz der betroffenen Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Adequate protection . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Cram down procedures, best interest tests und die absoluty priority rule

32 32 33 34 34 35

C. „Eigenverwaltung“ des Ausgleichsschuldners nach österreichischem Recht . . .

36

D. Nordisches Ausgleichsrecht am Beispiel des dänischen Konkursrechts . . . . . . . I. Das Ausgleichsangebot des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eigenverwaltungsbefugnis des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. „Mischmodell“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46 46 47 47

E. Eigenverwaltung im italienischen Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abgrenzung von liquidierendem Verfahren, Zwangsausgleich und Ausgleich II. Ammistrazione controllata – Eigenverwaltung des Schuldners im Verfahren der ammistrazione controllata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47 47

F. Eigenverwaltung und Konkursverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

49

8

Inhaltsverzeichnis Kapitel 2 Eigenverwaltung im Privatkonkurs

55

A. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überschaubarkeit der Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Deutsches und US-amerikanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Strukturelle Vergleichbarkeit des österreichischen Privatkonkurses mit dem Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55 55 55

B. Eigenverwaltung des Schuldners im österreichischen Privatkonkurs . . . . . . . . . I. Eigenverwaltung durch den Schuldner im Privatkonkurs als gesetzlicher Regelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfügungsbefugnis über die Konkursmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Möglichkeit der Bestellung eines Masseverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufsicht des Konkursgerichts durch die Ausübung von Genehmigungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bildung einer Konkursmasse als Objekt der Verwaltungsbefugnisse des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Reichweite der Befugnisse des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Reichweite der Prozessführungsbefugnis des eigenverwaltenden Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Entziehung der Eigenverwaltungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

56

57 60 60 61 63 67 73 73

Kapitel 3 Eigenverwaltung allein bei Konkursabwendung oder Reorganisation oder als allgemeine Option für die Ausgestaltung eines Insolvenzverfahrens

83

A. Junktim von Eigenverwaltung und Schuldenreorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

B. Eigenverwaltung in liquidierenden Verfahren aufgrund einer Abwägung von Gläubiger- und Schuldnerinteressen – Systembrüche in der deutschen Insolvenzrechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

C. Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Rechtsstellung des Schuldners als Maßstab? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

D. Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im deutschen Insolvenzrecht I. Verhältnismäßigkeit der Entmachtung des Schuldners: Judikatur zu vorläufigen Anordnungen des Insolvenzgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Folgerungen für das Recht der Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Problematik der Deduktion insolvenzrechtlicher Regelungen aus verfassungsrechtlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

E. Herrschaft der Gläubiger im deutschen Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entscheidung über die Verfahrensabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98 98

92 95 97

Inhaltsverzeichnis

9

1. Entscheidung der Gläubiger ohne Rücksicht auf § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Befugnisse der Organe der Gläubigerselbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . 99 II. Schaffung von Fakten durch das Insolvenzgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

Kapitel 4 Eigenverwaltung des Schuldners im deutschen Insolvenzrecht

104

A. Einführung in die Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 I. Eigenverwaltung im einheitlichen Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 II. „Missachtung“ des legislatorischen Willens durch die Insolvenzgerichte? 105 B. Kurzübersicht über die gesetzliche Ausgestaltung der Eigenverwaltung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vermögensbeschlag zugunsten der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Insolvenzbeschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eigenverwaltender Schuldner als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten III. Bestellung und Befugnisse des Sachwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelne Befugnisse und Pflichten des Sachwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Voraussetzungen der Anordnung der Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO als Abwehrrecht einzelner Insolvenzgläubiger? . . 1. Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Teleologische Reduktion des § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . II. Maßstäbe des Nachteilsbegriffes gem. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO – Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

106 106 106 107 108 109 109 110 111 111 111 111 112

Kapitel 5 Gläubigerautonomie und Eigenverwaltung

117

A. Rechtsvergleichende Betrachtung der Lage im österreichischen und deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 I. Österreichisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 II. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 B. Verfahrensrechtliche Pflichten des eigenverwaltenden Schuldners gegenüber Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 C. Beendigung der Eigenverwaltung durch Beschluss des Insolvenzgerichts . . . . . 119

10

Inhaltsverzeichnis Kapitel 6 Folgerungen – Streitfragen

A. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemfelder der Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erweiterung der rechtsvergleichenden Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorkonkurslicher Austausch der Gesellschaftsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsausführungen des Amtsgerichts Duisburg im Eröffnungsbeschluss im Falle Babcock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eigenverwaltung mit „neuen“ gesellschaftsrechtlichen Organträgern als deutsche Form des receivership? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gesellschaftsrechtliche Entscheidungsstrukturen des insolvenzschuldnerischen Unternehmensträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entscheidungsbefugnis der Organe der eigenverwaltenden Insolvenzschuldnerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übergang der Befugnisse von Gesellschafter/Hauptversammlung auf die Geschäftsführung/den Vorstand – Kritik zur Meinung Prütting/ Huhn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Holzmüller“-Grundsätze im Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Geschäftsführerwechsel im Liquidations-Zwangsausgleich . . . . . . . . . . . 5. Austausch der Organträger der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft als Kostenfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Insolvenzrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rechtsbehelfe des Schuldners gegen die Ablehnung der Anordnung der Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Form der Zurückweisung des Antrags auf Anordnung der Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. H. L.: Kein Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Materielle Beschwer des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formelle Beschwer durch den Erlass des Eröffnungsbeschlusses unter Bestellung eines Insolvenzverwalters? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materielle Beschwer durch den Erlass des Eröffnungsbeschlusses unter Bestellung eines Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

120 120 120 121 121 121 126 129 130 130 130

130 134 138 138 138 139 140 140 140 140 142 142 143

Zusammenfassung – Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. Abs. abw. a. E. a. F. AG Agrar-eG AktG allg. Alt. amtl. AnfG

Anm. Anw.Bl. AO Art. Aufl. AusgleichsO Az. BAG BB bc Bd. Begr. BeitrZPR Ber. bes. Beschl.-Empf. Beschl. v. betr. BFH BGB BGBl.

anderer Auffassung am angegebenen Ort Absatz abweichen am (Absatz-)Ende alter Fassung Aktiengesellschaft/Amtsgericht eingetragene Agrar-Genossenschaft Aktiengesetz allgemein Alternative amtlich Gesetz betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (Anfechtungsgesetz) Anmerkung(en) Anwaltsblatt Abgabenordnung/Anordnung Artikel Auflage Ausgleichsordnung Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Der Betriebs-Berater (us-amerikanischer) bankruptcy code Band Begründung Beiträge zum Zivilprozessrecht Bericht besonders Beschlussempfehlung Beschluss vom betrifft Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt

12 BGH BGHZ bspw. BStBl. BT-Drucks. B. v. BVerfG BVerfGE BvS bzw. cod. fall.

DAV-Arbeitskreis ders. d. h. dies. DiskussionsE Diss. DZWiR DZWIR Ecolex EDV EG EGInsO eingetr. Einl. EO EröffnungsB. EU EUInsVO EvBl. EWG EWiR f(f). FAZ FK-Bearbeiter (Name)-Festschr. Fußn.

Abkürzungsverzeichnis Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen beispielsweise Bundessteuerblatt Drucksache des Deutschen Bundestages Beschluss vom Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben beziehungsweise (ital.) codice fallimentare: Disciplina del falimento, del concordato preventivo, dell’ammistrazione controllata e della liquidazione coatta ammistrativa (R. D. 16 marzo 1942, n. 267) Deutscher Anwaltsverein derselbe das heißt dieselbe(n) Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz: Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, 1988 Dissertation Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (bis Jahrgang 1998) Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzrecht (ab Jahrgang 1999) Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht Elektronische Datenverarbeitung Einführungsgesetz Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung eingetragen Einleitung (öst.) Exekutionsordnung Eröffnungsbeschluss Europäische Union Verordnung (EG) des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (öst.) Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (fort)folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Frankfurter Kommentar zur Insolvenzverordnung, 3. Aufl. 2000 Festschrift für . . . Fußnote(n)

Abkürzungsverzeichnis GBl. gem. GenG

13

Gesetzblatt gemäß Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Gerhardt, Grundbegriffe Gerhardt, Grundbegriffe des Vollstreckungs- und Insolvenzrechts, 1985 Gesch.-Nr. Geschäftsnummer GesO Gesamtvollstreckungsordnung GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ggf. gegebenenfalls GKG Gerichtskostengesetz GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gottwald/Bearbeiter Gottwald (Hrsg.), Insolvenzrechts-Handbuch, 1990 GrSen Großer Senat HarvLRev Harvard Law Review HGB Handelsgesetzbuch HK-Bearbeiter Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2000 h. L. herrschende Lehre h. M. herrschende Meinung HRP Handbuch der Rechtspraxis Hrsg. Herausgeber hrsg. herausgegeben i. d. F. (d. Bek.) in der Fassung (der Bekanntmachung) i. e. S. im engeren Sinne IESG (öst.) Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz insbes. insbesondere InsO Insolvenzordnung IRÄG (österreichisches) Insolvenzrechtsänderungsgesetz von 1997 InsRÄndG (deutsches) Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2001 InsVV Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung InVo Insolvenz & Vollstreckung IPRG schweizerisches Bundesgesetz über das internationale Privatrecht i. S. d. im Sinne des i. S. v. im Sinne von i. V. m. in Verbindung mit i. w. S. im weiteren Sinn JAP (öst.) Juristische Ausbildung und Praxis (seit 1990) Jura Juristische Ausbildung JuS Juristische Schulung

14 JZ KG KGaA KO Kö/Sch-Bearbeiter KP-Bearbeiter KR/Bearbeiter

Abkürzungsverzeichnis Juristenzeitung Kommanditgesellschaft/Kammergericht Kommanditgesellschaft auf Aktien Konkursordnung Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2000 Kübler/Prütting, Insolvenzordnung, 6. Liefg. 2000 Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und sonstigen kündigungsrechtlichen Vorschriften, 4. Aufl. 1996 kritisch Konkurs. Treuhand. Sanierung. Lehrbuch Landgericht (öst.) Landgericht für Zivilsachen litera Leitsatz mit ablehnender Anmerkung mit anderen Worten mit weiteren Nachweisen

krit. KTS Lb LG LGZ lit. LS m. abl. Anm. m. a. W. m. w. Nachw. MünchKomm-Bearbeiter (ohne Gesetzesangabe) Münchener Kommentar InsO, 2001 MünchKommBearbeiter, BGB Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl. 1993 ff. MünchKommBearbeiter, ZPO Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 1992 MwSt Mehrwertsteuer Nachw. Nachweise Nehrlich/RömermannBearbeiter InsO, Loseblatt-Kommentar n. F. neuer Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungsreport NN nomen nominandum Nov Novelle Nr. Nummer NZI Neue Zeitschrift für Insolvenzrecht o. dgl. m. oder dergleichen mehr OGH Oberster Gerichtshof OHG Offene Handelsgesellschaft ÖJZ Österreichische Juristenzeitung ÖKO Österreichische Konkursordnung OLG Oberlandesgericht p(p). page(s)

Abkürzungsverzeichnis Pkt. RdNr. RechtsA. RegE RegEInsO RFH RG RGZ RPfleger RPflG Rspr. S. s. Sez. SGB sog. Staudinger/Bearbeiter

StGB str. u. a. umf. umstr. Univ.Chic.LawRev. URG Urt. v. USC u. U. v. Var. VerglO/VglO VergütVO

vgl. wistra WM z. B. Ziff.

15

Punkt Randnummer Rechtsausschuß des Deutschen Regierungsentwurf Regierungsentwurf einer Insolvenzordnung Reichsfinanzhof Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegergesetz BundestagesRechtsprechung auch Rsp. Seite/Satz siehe Sezione Sozialgesetzbuch sogenannte(r) von Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13. Bearbeitung 1993 ff. Strafgesetzbuch streitig unter anderem umfassend umstritten University of Chicago Law Review (österreichisches) Bundesgesetz über die Reorganisation von Unternehmen Urteil vom United States Code unter Umständen von, vom/versus Variante Vergleichsordnung Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirats vom 25.5.1960, BGBl. I S. 329 vergleiche Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht Wertpapier-Mitteilungen. Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht zum Beispiel Ziffer

16 ZIK ZInsO ZIP zit. Zöller/Bearbeiter ZPO ZSEG z. T. zust. ZVG zzgl. ZZP

Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz (seit 1995) Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zöller, Zivilprozessordnung, 21. Aufl. 1998 Zivilprozessordnung Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zum Teil zustimmend Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) zuzüglich Zeitschrift für Zivilprozess

Einführung A. Erkenntnisinteresse der Arbeit Gibt es einen sachlichen Grund dafür, dem insolventen Schuldner im Kon- 1 kurs die Befugnis zu belassen oder ist es geradezu ein Strukturmerkmal des Konkurses, ihm die Verwaltungsbefugnis zu entziehen?1 Diese Untersuchung fragt nach Gründen, die es erlauben, diese Frage zu beantworten. Die Verwaltung seines Vermögens durch den Gemeinschuldner im Konkurs 2 wird von einer Reihe von Rechtsordnungen als eine sinnvolle Form der Abwicklung des Verfahrens der Haftungsverwirklichung2 des insolventen Schuldners angesehen.3 Sie motiviert den Schuldner, zugunsten der Gläubiger eine bestmögliche Verwertung seines Vermögens zu erreichen. Damit wird das Ziel verfolgt, das er den nachkonkurslichen Nachforderungsrechten der Insolvenzgläubiger nicht mehr ausgesetzt ist und durch eine Restschuldbefreiung dem schuldnerischen Unternehmensträger eine Fortführung des Unternehmens ermöglicht werden kann.4 Demgegenüber wird besonders in den mitteleuropäischen Insolvenzrechten die Entmachtung des Schuldners und die Einsetzung eines Masse- bzw. Insolvenzverwalters geradezu als condicio sine qua non der optimalen Verfahrensabwicklung angesehen.5 Die Eigenverwaltung des Schuldners wird, wie im deutschen Recht, als Ausnahmefall behandelt oder stellt in dem zweistufigen österreichischen Verfahren eine erste Stufe im Ausgleichsverfahren dar, dessen Scheitern zur Entmachtung des Schuldners im Anschlusskonkurs führt. Eigenverwaltung und Fremdverwaltung werden als strukturell völlig unterschiedlich eingestuft, ja einander entgegengesetzt angesehen.

1 Koch, Die Eigenverwaltung nach der Insolvenzordnung, S. 21 ff.; Schlegel, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, S. 23 f., S. 44 ff.; Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, RdNr. 158 ff. Zur österreichischen Literatur vertiefend unten Kapitel 1 und 2, zur deutschen Literatur unten Kapitel 4. 2 Zu dieser „Grundfunktion“ des Insolvenzrechts vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, RdNr. 1.11 ff. 3 Aus der Literatur: Huhn (Fußn. 1) RdNr. 161 ff. et passim; Wustrick, NZI 2003, S. 69 ff. 4 Vgl. Chalupsky/Ennöckel, Unternehmensfortführung im Konkurs, passim; Mönning, Betriebsfortführung in der Insolvenz, RdNr. 99 ff., 354 ff. 5 Aus der Vielzahl vergl.: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 165, 168; Grub, Neuordnung des Insolvenzrechts, S. 90; Vallender, WM 1998, S. 2130.

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Einführung

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Die Eigenverwaltung stellte ein Thema dar, das bislang in der österreichischen Literatur eine umfassende, auch rechtsvergleichende Bearbeitung noch nicht erfahren hat. Die Arbeiten von Konecny zur Eigenverwaltung im Privatkonkurs6 und zur Verfügungs- und Prozessverführungsbefugnis des Ausgleichsschuldners7 haben die damit verbundenen Fragestellungen für die Verfahrensabwicklung beleuchtet; die Möglichkeiten der Implementation einer Eigenverwaltung des Schuldners harren noch einer eingehenderen Untersuchung.

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Die von der KO im Rahmen des Privatkonkurses für natürliche Personen vorgesehene Form der Eigenverwaltung des Schuldners ist nicht auf die Reorganisation des Schuldnervermögens beschränkt. Es wird im Folgenden (Kapitel 2) noch näher zu zeigen sein, dass diese Eigenverwaltung durch einen Schuldner wahrgenommen werden kann, der über kostendeckendes Vermögen verfügt und dem es rechtlich möglich ist, die Einleitung eines Konkursverfahrens über sein Vermögen ohne Vorlage eines Zahlungsplanes o. dgl. m. zu bewirken. Dabei zielt das so eingeleitete Verfahren allerdings nicht wesentlich auf die Vermögensliquidation, auch wenn diese im Allgemeinen als Aufgabe des Konkurses angesehen werden mag. Vielmehr liegt dem Privatkonkurs regelmäßig die Erlangung der Restschuldbefreiung zugrunde; Fälle, in denen der Schuldner diese nicht anstrebt, bilden rechtstatsächlich eine Ausnahme, aus der nicht auf die Funktion des Verfahrens fehlgeschlossen werden sollte. Die Restschuldbefreiung indes lässt sich als besondere Form der Schuldenreorganisation für natürliche Personen verstehen (unten Kapitel 2).

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Diese Untersuchung ist nicht allein von „akademischem“, abstrakten Interesse. Fälle von Insolvenzen operativ tätiger Unternehmen zeigen, dass die Eigenverwaltung des Schuldners in mancher Hinsicht praktisch vorteilhaft sein kann. Folgendes Beispiel, das einem Insolvenzfall aus dem Jahre 2002 in Deutschland nachgebildet ist8, mag dies deutlicher machen:

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In einem Naturschutzgebiet vor den Toren Berlins liegt eine 1936 gegründete Vulkanisierfabrik zur Aufbereitung von alten Reifen, die ihre Produktion im Wesentlichen in die GUS-Staaten exportiert und dabei Gewinne erzielen könnte. Sie ist aber aufgrund von Altkrediten aus DDR-Zeiten überschuldet. Grundpfandrechte valutieren nominell hoch, sind aber nicht werthaltig, da die Liegenschaft aufgrund der Belegenheit im Naturschutzgebiet und beschränkt durch eine aus dem Jahre 1936 bestehende Konzession, nur durch diesen Unternehmensträger in nur dieser Weise genutzt werden kann. Hier ist eine Erhaltung des Wertes für die Gläubiger nur durch die Fortführung des Betriebes nach seiner Entschuldung möglich; eine Fremdverwaltung ist – wenn nicht weitere Gründe vorliegen – nicht erforderlich. In Österreich kann man in einem solchen Zusammenhang an Fälle wie den Schreib- und Papierwarenhandel Libro denken: Ob die Unternehmensfortführung durch einen Masseverwalter zwingend ist, wenn die Beseitigtung der Insolvenzursachen durch eine Entschuldung und Umstrukturierung (z. B. wegen Arbeitskräfteüberhang, Mietbelastungen usf.) denkbar ist, begegnet Zweifeln. 6 7 8

Konecny, BeitrZPR V, S. 45, 48 ff. Konecny, JBl. 1986, S. 353 ff. Den Hinweis hierauf verdanke ich Rechtsanwalt und Notar Rolf Rattunde, Berlin.

A. Erkenntnisinteresse der Arbeit

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Im Folgenden sollen drei „Grundmodelle“ vergleichend betrachtet werden, in 7 denen in jeweils sehr unterschiedlicher Akzentsetzung die Rechtsmacht des Gemeinschuldners in dem über sein Vermögen eröffneten Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren unter verschiedenartigen Bedingungen aufrechterhalten bleibt. Zunächst wird der im deutschsprachigem Raum berüchtigte US-amerikanische debtor in possession nach bc dargestellt, der eine Schuldenreorganisation durchführt, regelmäßig ohne dass ein trustee oder auch nur ein supervisor eingesetzt wird. Das österreichische Recht sieht die Eigenverwaltung des Schuldners ebenfalls in Reorganisationsverfahren vor, nämlich im Ausgleichsverfahren für natürliche Personen und Gesellschaften und im Privatkonkurs für natürliche Personen; beide Verfahren dienen im Ergebnis der Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Schuldners durch eine teilweise Befreiung von seinen Verbindlichkeiten. Das deutsche Recht hat eine sehr weitreichende Regelung vorgesehen; während in der Verbraucherinsolvenz als Gegenstück zum österreichischen Privatkonkurs für natürliche Personen (Verbraucher) die Eigenverwaltung ausdrücklich ausgeschlossen ist, wird in allen Formen von über das Vermögen gewerblich tätiger Schuldner eröffneten Insolvenzverfahren die rechtliche Möglichkeit der Eigenverwaltung eingeräumt. Der debtor in possession ist eine der nordamerikanischen Rechtskultur mehr als vertraute Erscheinung nicht anders als der Vergleichsschuldner und mittlerweile auch der eigenverwaltende Schuldner im Privatkonkurs des österreichischen Rechts. Der eigenverwaltende Schuldner deutscher Provenienz ist dagegen bislang ein Ausnahmefall geblieben9; zwei Großverfahren, in denen die Eigenverwaltung angeordnet worden ist, bestätigen eher die Regel, dass dieses Institut eine Randerscheinung ist.10 Im Schrifttum ist die Eigenverwaltung als „besonders gefährliches“ Rechtsinstitut11 und der eigenverwaltende Schuldner als der zum Gärtner erhobene Bock12 denunziert worden – was im Übrigen nach wie vor durch die Vielzahl von deutschen Insolvenzpraktikern in der Tat so gesehen wird. Demgegenüber hat sich in der Literatur ein Umschwung abgezeichnet. Angesehene Autoren wie Wilhelm Uhlenbruck13 sind der Verdammung der Eigenverwaltung entgegengetreten. Freilich fehlt es an einer Strukturanalyse der Voraussetzungen, unter denen die Eigenverwaltung sinnvoll und angemessen ist.14 Die Schroffheit, mit der die 9

Vgl. statt vieler: Huhn (Fußn. 1) RdNr. 121 ff. und RdNr. 158. So haben sich z. B. in der Wiener Frühjahrstagung des Arbeitskreis Insolvenz und Kreditsicherheit des Deutschen AnwaltVereins sogar zwei prominente Insolvenzverwalter geäußert, die als Sachwalter bzw. als Vorstandsvorsitzender in diesen Verfahren fungieren. 11 Smid, Insolvenzordnung, 2. Aufl. § 270 RdNr. 3. 12 Grub, WM 1994, S. 880; ders. AnwBl. 200, S. 580, 582; ders. Kölner Schrift zur Insolvenzordnung S. 671, 678. 13 Uhlenbruck, Insolvenzordnung, § 270 RdNr. 2 ff. 14 Zur Kritik des allein auf die deutsche InsO bezogenen Schrifttums unten Kapitel 4 RdNr. 14 ff. 10

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Einführung

verschiedenen Positionen einander entgegengesetzt sind, lässt erwarten, dass hinter der Fragestellung der Eigenverwaltung andere Sachprobleme verborgen sind, als sie erschöpfend mit der Sorge vor Missbräuchen durch den Schuldner erfasst werden könnten. 8

Im Rahmen des österreichischen Ausgleichs- und Konkursrechts als einem zweistufigen Insolvenzrecht erscheint die Eigenverwaltung im liquidierenden Konkurs zunächst nicht plausibel; freilich sehen die §§ 186 f. KO die Eigenverwaltung für den Privatkonkurs vor. Die Diskussion über ein einheitliches Insolvenzverfahrensrecht, in dem an die Stelle eines konkursabwenden Ausgleichs und an die des Anschlusskonkurses ein Verfahren mit Reorganisations- und Sanierungsoptionen tritt, lässt es aber als sinnvoll erscheinen, Funktionsweise wie das Für und Wider der Eigenverwaltung einer eingehenderen Kritik zu unterziehen.

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Allerdings befindet sich das österreichische Recht in einer Bewegung, die den Forschungsgegenstand dieser Arbeit in ein Licht rechtspolitischer Aktualität rückt: Seit September 2003 untersucht eine Arbeitsgruppe im Bundesministerium der Justiz Österreichs die Frage, ob eine eingeschränkte Schuldnerverwaltung sinnvoll wäre. Dieser Fragestellung liegt das politische Anliegen zugrunde, z. B. laufende Aktivprozesse durch den Gemeinschuldneranwalt zu Ende führen zu lassen. Es liegt auf der Hand, dass damit eine Vielzahl von rechtsdogmatischen Folgeproblemen ausgelöst wird, die von der Kostentragung für solche Prozessführungen über Haftungsfragen bei einem fragwürdigen prozessualen Verhalten des Schuldneranwalts (kollusive Vergleichsschlüsse!) bis hin zu Problemen der Aufsicht reichen.

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Das Insolvenzrecht in Europa befindet sich im Umbruch.15 Das österreichische Ausgleichs- und Konkursrecht hat seit der KO-Nov 1993 nicht weniger als 22 Änderungen erfahren (nicht eingerechnet die Änderungen der Nebengesetze, wie IESG oder Gebührenrecht).16 Die Reform der Reform ist im deutschen Insolvenzrecht bereits in den Jahren zwischen Verabschiedung und In-Kraft-Treten zu einem Dauerzustand geworden, dessen Ende nicht abzusehen ist. Das englische und französische Insolvenzrecht sind in den vergangenen Jahren tiefgreifenden legislatorischen Revisionen unterzogen worden, eine fundamentale Reform des codice fallimentare wird in Italien diskutiert17, nachdem dessen Transparenz neben Regelungen der ammistrazione controllata nicht zuletzt durch Sonderregelungen für besonders große Unternehmen nicht wirklich ver15 Dies hat sich seit dem für das deutsche Recht abgegebenen Befund in dem von Leipold betreuten Sammelband (Insolvenzrecht im Umbruch: Analysen und Alternativen) in den Jahren 1990/1991 (S. 273 ff.) nicht geändert, sondern infolge von Reformbestrebungen in vielen europäischen Staaten eher vertieft. 16 Konecny, in: Konecny (Hrsg.), Insolvenzforum 2003, S. 67 ff. Die wohl wichtigsten Änderungen haben die KO-Nov. 1993, die IRÄG 1994 und 1997, das JVEG 1999 und die InsNov 2002 nach sich gezogen. 17 Vgl. LoCascio, Prime Reflessioni sulla imminente riforma del diritto fallimentare, Il Fallimento 2002, p. 353.

A. Erkenntnisinteresse der Arbeit

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bessert worden war. Diese nationalen Reformen werden durch das seit der ersten Jahreshälfte 2002 in fast allen Mitgliedsstaaten der EU in Kraft gesetzte Recht der EuInsVO überlagert.18 Deren Gesetzgeber hat sich zwar nach dem europäischen Verhältnismäßigkeitsprinzip19 der Setzung solcher Regelungen enthalten, die Änderungen der nationalen Insolvenzrechte erzwingen würden; gleichwohl kann die „Europäisierung“ von Standards des Insolvenzrechts weiteren „Reformdruck“ erzeugen.20 Das Erkenntnisinteresse der nachfolgenden Überlegungen zielt auf die For- 11 mulierung zweier Fragen: Ist die Eigenverwaltung des Gemeinschuldners erstens geeignet, die Effizienz der Haftungsverwirklichung zugunsten seiner Gläubiger zu fördern und kann zweitens durch ein derartiges Verfahren die Verhältnismäßigkeit des gegen den Schuldner (und gegebenenfalls zu finanziellen Lasten der Gläubiger!) verwirklichten konkurslichen Regiments gewährleistet werden. Zur Auseinandersetzung mit den Regelungen des österreichischen oder des deutschen Rechts finden sich eine Reihe von Untersuchungen. Die Strukturfrage, welcher Zusammenhang zwischen der Rechtsmacht des Schuldners bzw. ihrer Beendigung und der Funktion der verschiedenen Insolvenzverfahren – Ausgleich oder Reorganisation auf der einen und Konkurs oder Liquidation auf der anderen Seite – besteht, ist bislang nicht in einen rechtsvergleichenden Zusammenhang gestellt worden.21 Das ist nichts weniger als erstaunlich, da nicht nur das europäische Insolvenzrecht hierzu einen Anlass gibt, sondern mit den mittlerweile im Kern verschiedenen Rechten Österreichs und Deutschlands ein Vergleichsmaßstab vorliegt, der bei gleicher Sprache strukturelle Verschiedenartigkeiten erhellt. Die nachfolgende Untersuchung soll also eine Lücke schließen helfen. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass diese Fragestellung auf der anderen 12 Seite geeignet ist, Skepsis zu wecken. In der deutschen Literatur22 wird nämlich folgendermaßen argumentiert: Da der deutsche Reformgesetzgeber sich dazu entschlossen hat (eingehend hierzu unten Kapitel 3), die Eigenverwaltung des Schuldners als eine Form der Masseverwaltung sowohl im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens als auch im Rahmen des Regelinsolvenzverfahrens zu konstruieren, sei eine Verknüpfung von Eigenverwaltung und Insolvenzplan je18 Vgl. hierzu Smid, Europäisches Internationales Insolvenzrecht, RdNr 2.1 ff.; Baumgartner, Unternehmensschließung oder -fortführung, 3.2. 19 Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren, S. 21 ff., 49 ff.; Buchberger/Buchberger, ZIK 2000, S. 149, 150. 20 Smid, Europäisches Internationales Insolvenzrecht, 2002, RdNr. 2.11 ff. 21 Die Arbeit von Koch (Fußn. 1) S. 277 bietet nur einen ersten Überblick über die ausländischen Modelle; die hier interessierende Strukturfrage danach, ob und in welcher Weise die Eigenverwaltung des insolventen Schuldners durch Reorganisationbemühungen legitimiert wird, stellt Koch nicht. 22 Huhn (Fußn. 1) RdNr. 278 ff.

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Einführung

denfalls im deutschen Recht kein Thema mehr. Die nachfolgenden Überlegungen werden dies in Frage stellen und eine erledigt erscheinende Diskussion erneut aufzuwerfen versuchen. Denn es wird sich zeigen, dass die Konstruktion der Eigenverwaltung im deutschen Recht Folgelasten nach sich zieht, die an dieser Stelle ganz einfach beschrieben werden können: Aus der Sicht des Gerichts ebenso wie aus derjenigen der Gläubiger stellt sich nämlich die Frage, weshalb es einem Schuldner, der sein Vermögen in die Insolvenzsituation gebracht hat, gestattet werden soll, in einem „Regelinsolvenzverfahren“ (in Österreich: im Konkurs) sein Vermögen weiter zu verwalten – wenn er nicht den Gläubigern in einer nachvollziehbaren Weise darstellt, was er als debtor in possession zu tun gedenkt. Das aber verweist wenigstens auf einen Liquidationsplan, mit dessen Regelungen der Schuldner den Gläubigern darüber Aufschluss gibt, was im Insolvenzverfahren geschehen soll. 13

Diesem Erkenntnis der nachfolgenden rechtsvergleichenden Untersuchung entsprechend wird sie sich sowohl aus Gründen der Überschaubarkeit als auch aus solchen der Nutzbarkeit im österreichischen und deutschen Recht auf die angesprochenen drei „Grundmodelle“ einer Eigenverwaltung des Gemeinschuldners in dem über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahren (also Ausgleichs- oder Konkursverfahren) konzentrieren. Dabei werden andere Formen der Abwicklung von Insolvenzverfahren, namentlich das englische Verfahren der receivership und die der Eigenverwaltung des Schuldners nach deutschem Recht am ehesten vergleichbare ammistrazione controllata des italienischen Rechts zur Erklärung einzelner Fragen herangezogen, wo dies sinnvoll erscheint.

B. Entkriminalisierung des Insolvenzrechts und der Schuldner als suspekte Person 14

Der „Konkurs“ einer Person hat seit alters nachhaltige Zwangsmaßnahmen gegen sie zur Folge. In den Anfängen als Form der Bestrafung gedacht, hat sich, nicht ohne diesen kriminalrechtlichen Charakter23 je vollständig abzustreifen, das Konkursrecht West- und Mitteleuropas24 von seinen strafrechtlichen Vorstellungen immer stärker gelöst. In Europa ist allerdings das Konkurs- weithin General- oder Universalexekutionsrecht geblieben. Die Exekution oder Individualvollstreckung hat nur zwei Funktionen. Zum einen stellt sie sich als Ausübung reinen Zwanges dar; der Rechtstitel des Gläubigers wird gegen den unwilligen Schuldner mit Instrumenten staatlicher Gewalt erzwungen.25 Zum 23

Gerhardt, in: Michaelis-Festschr., 1972, S. 100 ff. Zu dessen gemeinsamen „Beständen“ vgl. Smid, KTS 1998, S. 313; 314 ff. 25 Vgl. allein Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 1, Rechberger/Thurner, Insolvenzrecht, RdNr. 15. 24

B. Der Schuldner als suspekte Person

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anderen dient dieses Verfahren der Feststellung, dass der Schuldner nicht mehr über Mittel verfügt, um den titulierten Anspruch befriedigen zu können – nämlich im Verfahren des Offenbarungseides bzw. der eidesstattlichen Versicherung.26 Kann der Schuldner nicht mehr leisten, greifen an Stelle der exekutionsrechtlichen die gesamtvollstreckungsrechtlichen Regelungen des Konkursrechts ein. Begreift man den Konkurs als Stufe eines eskalierenden Zwangszugriffs gegen den Schuldner27, liegt es auf der Hand, ihn zu entmachten, um den Zugriff der Gläubiger auf sein Vermögen sicherzustellen.28 Diese Entmachtung, die ihre Entsprechung in der Einsetzung eines Masse- bzw. Insolvenzverwalters zur Wahrnehmung der Verwaltungs- und Verfügungsaufgaben hinsichtlich des schuldnerischen Vermögens ihre zwangsläufige Entsprechung findet, ist weniger dadurch gerechtfertigt, dass die Fortdauer der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis „des Schuldners“ im Allgemeinen objektiv geeignet wäre, seinen Gläubigern weitere Schäden zuzufügen.29 Vielmehr ist seine Entmachtung, wie sie durch das österreichische Konkursrecht und das deutsche Insolvenzrecht vorgesehen werden, oftmals Folge der Stigmatisierung30 des insolventen Schuldners. Spricht man von natürlichen Personen, ist diese Entmachtung als Akt der 15 Stigmatisierung nachvollziehbar – ohne dass damit etwas über Sinn und Funktion dieser Entmachtung ausgesagt wäre. In der Insolvenz von Personengesellschaften und erst recht der von Kapitalgesellschaften ist diese Art der Annäherung nicht mehr sinnvoll. Im Rahmen der Insolvenz natürlicher Personen, aber auch in Fällen der Insolvenz 16 stark auf die Person der Gesellschafter bezogener Unternehmen wie es nicht selten Personenhandelsgesellschaften oder z. B. Ein-Mann-GmbHs sind31, stellt sich neben der Frage der Unwilligkeit oder – altertümlich – der „Unwürdigkeit“ des Schuldners oft auch die nach seiner fachlichen Unfähigkeit. Ein gesetzgebungstechnisches Beispiel dafür, wie die Eigenverwaltung des fachlich hierzu ungeeigneten Schuldners ausgeschlossen werden kann, bildet § 186 öst.KO, auf den unten (Kapitel 2) näher einzugehen sein wird.

Die hier nur grob angerissene mitteleuropäische (aber auch französische!) 17 Tradition einer Kriminalisierung des Insolvenzschuldners könnte argumentativ zu folgendem Schluss verleiten: Der Gemeinschuldner oder seine organschaft26

Vgl. allein Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 1, § 10, § 60. Jaeger, Lehrbuch des Deutschen Konkursrechts, 8. Aufl. 1932, S. 9 et passim; Holzhammer, Österreichisches Insolvenzrecht, Konkurs und Ausgleich, S. 3 ff.; Rechberger/Thurner, Insolvenzrecht, RdNr. 12 ff. 28 Henckel, in: Merz-Festschr., 1992, S. 197 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht 2, RdNr. 2.04. 29 Häsemeyer, Insolvenzrecht2, RdNr. 2.03 f. 30 Gerhardt (Fußn. 23). 31 Man kann aber auch in Deutschland an Großunternehmen bzw. Konzerne wie die Kirch-Media AG oder die Mobilcom AG denken. 27

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Einführung

lichen Vertreter haben sehr oft wenigstens das Vertrauen der Gläubiger verloren, das buchstäblich als Kredit die Grundlage seiner Geschäftsfortführung ist. Dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen österreichischer und deutscher Kreditinstitute32 für den Fall der Antragstellung Kredite fällig stellen, ist nur Ausdruck dieses Vertrauensverlusts. Sowohl das soziale Umfeld, in dem das Rechtsinstitut des Konkurses wirkt, als auch das im engeren Sinne rechtliche Umfeld sind einer Überantwortung des Vermögens an den Gemeinschuldner vielleicht eher in Österreich, kaum aber in Deutschland geeignet. 18

In der deutschsprachigen Reformdiskussion haben die Kritiker des Rechtsinstituts der Eigenverwaltung in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts den debtor in possession als Importprodukt zu disqualifizieren unternommen, das schlechthin nicht in die Institutionen mitteleuropäischen Rechts eingepasst werden könne. Solche Einwände sind nicht einfach von der Hand zu weisen. Seit Recht positiviert – in Gesetzesform – gefasst wird, wird dieser Prozess von der Forderung begleitet, es solle den Eigentümlichkeiten des „Volkes“33 gerecht werden, zumal dies heute als Souverän und damit als Gesetzgeber gedacht wird.34 Hinzu kommt, dass Rechtsinstitute aufeinander abgestimmt sind oder, anders ausgedrückt, einen systematischen Bezug aufeinander haben.35 Das aber bedeutet, dass Rechtsinstitute verschiedener Rechtsordnungen und Rechtskulturen nicht beliebig oder unvermittelt miteinander „gemischt“ werden können, ohne Brüche und Unstimmigkeiten hervorzurufen.36

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Der Umstand allein, dass der debtor in possession ein Institut des nordamerikanischen Rechts ist, besagt ebenso wenig über die Frage der Vereinbarkeit der Eigenverwaltung des Schuldners mit den Instituten der mitteleuropäischen Insolvenzrechte wie der Umstand, dass mit Ausnahme konkursabwendender Ausgleichs- bzw. Vergleichsverfahren herkömmlich der Gemeinschuldner entmachtet und durch einen Masseverwalter ersetzt wird.

32 Statt vieler: Allgemeine Geschäftsbedingungen Berliner Volksbank v. April 2002 Pkt 19 (3) oder Allgemeine Geschäftsbedingungen Sparkasse Bremen (Fassung vom 1. April 2002) Nr. 26 Abs. 2d. 33 Puchta, Pandekten, 4. Aufl. 1848 hrsg. v. Rudorff § 16 (S. 26 et passim); Smid, in: Pawlowski/Specht/Smid, Die praktische Philosophie Schellings, S. 287, 301. 34 Funk, Einführung in das österreichische Verfassungsrecht, RdNr. 187 ff. 35 Vgl. hier allein Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, RdNr. 234, 391a, 486. 36 Vgl. Fikentscher, Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung, Bd. 2: Anglo-Amerikanischer Rechtskreis, 1975, insbes. S. 262 ff.; Bd. 3: Mitteleuropäischer Rechtskreis, 1976, insbes. S. 641 ff.; Bd. 4: Dogmatischer Teil, 1977, S. 269 ff.; Bock, in: Bock/Muhri, Das neue Insolvenzrecht, S. 339 ff.

C. Aufgabe des Insolvenzverfahrens

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C. Eigenverwaltung und Aufgabe des Insolvenzverfahrens Angelpunkt für die Behandlung der Frage nach der Eigenverwaltung des Ge- 20 meinschuldners in dem über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahren ist die Funktion dieses Insolvenzverfahrens. Während das deutsche Recht mit § 1 InsO eine normativ verbindliche Funktionsbestimmung des Insolvenzverfahrens trifft schweigen die österreichischen Gesetze hierzu. Für eine rechtsvergleichende Betrachtung kann der Blick auf die wissenschaftlichen Analysen der Aufgaben des Insolvenzverfahrens ebenso hilfreich sein wie der auf inter- bzw. supranationale Regelwerke oder Empfehlungen wie die der UNCITRAL37 zur Struktur des innerstaatlichen Insolvenzverfahrens. Ohne den nachfolgenden Darstellungen vorzugreifen lässt sich jedoch bereits hier aussagen, dass die verschiedenen Quellen in der Frage der Bestimmung der Funktion des Insolvenzverfahrens höchst einheitlich sind. Diese Gemeinsamkeit lässt sich schlagwortartig darin zusammenfassen, dass das Insolvenzrecht Haftungsordnung und das Insolvenzverfahren das procedurale Instrument der Verwirklichung der Haftung des Schuldners gegenüber seinen Gläubigern ist. Das Insolvenzverfahren ist ein förmliches, in den Rechten Nordamerikas, 21 Österreichs und Deutschlands ein gerichtliches Verfahren.38 Davon wird erwartet, dass dem concursus creditorum eine geordnete Form verliehen und zum Schutz aller Gläubiger deren Gleichbehandlung verwirklicht werde. Darin unterscheiden sich diese Verfahren von denen der aussergerichtlichen Vermögensliquidation, die in Deutschland zu einer Reihe erheblicher Bedenken geführt haben.39 Speziell sind hier die Abwicklungen bzw. Liquidationen derjenigen privatisierten vormals „volkseigenen“ ostdeutschen Unternehmen gemeint, deren Alleingesellschafter die Treuhandanstalt bzw die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben als deren Rechtsnachfolgerin war.40 Es wird darauf zurückzukommen sein, dass die aussergerichtliche Liquidation gleichsam die Eigenverwaltung des Schuldners ohne gerichtliche Aufsicht bedeutet. Die Leitungsmacht oder Aufsichtsbefugnisse eines Konkursgerichts sind dazu geeignet, Missbräuche zu vermeiden, die aussergerichtlich durch Intransparenz und fehlende Kontrolle auftreten können und in der Krise des Unternehmens in ge37 UNCITRAL model law of cross border insolvencies, adopted by the General Assembly 27.12.1997. 38 Das ist nicht zwingend, wie das englische Recht deutlich macht; das creditors committee wird von der EurInsO als „Gericht“ behandelt, wiewohl es kein Teil der staatlichen Justiz ist. 39 Vgl. Smid, Gesamtvollstreckung, 1992, S. 5, 42, 49 ff. 40 Die Abwicklung von Treuhandunternehmen – die überwiegend in den Staatsbankrott der DDR verwickelt waren – stellte sich als besondere gesetzlich durch das TreuhandG (v. 17. Juni 1990, GBl. DDR I S. 300) normierte Form, vgl. zum Ganzen Lutter, in: Hommelhoff (Hrsg.), Treuhandunternehmen im Umbruch, 1991, S. 61 ff.

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Einführung

sellschaftsrechtlichen Rechtsbehelfen nur eine unvollkommene Korrektur würden finden können.41 Das Konkurs- bzw. Insolvenzgericht in Österreich und Deutschland hat demgegenüber verschiedene Aufgaben und Befugnisse im Rahmen der Verfahrensabwicklung, die den Schutz der Gläubiger42 – gegebenenfalls aber auch des Schuldners43 – bewirken. 22

Allein das gerichtliche Insolvenzverfahren vermag dem Schuldner das zu gewähren, was die Nordamerikaner mit „automatic stay“ bezeichnen und in der exekutionsrechtlich geprägten mitteleuropäischen Sichtweise nicht selten in den Hintergrund tritt. Gemeint ist damit, dass durch die Einleitung des förmlich-gerichtlichen Insolvenzverfahrens der Gemeinschuldner nicht nur sein Vermögen haftungsrechtlich den Gläubigern als Gemeinschaft überstellt, sondern gleichsam im „Gegenzug“ gerichtlichen oder gesetzlichen Schutz vor Akten der Exekution – der Individualzwangsvollstreckung – erhält.

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Nicht minder wichtig ist für die Sicherung der Masse, um die es bei alledem im Vorgrunde geht, der Stopp von Prozessen, das Aussetzen von Zinszahlungspflichten und die Begrenzung der Tragung vielerlei Kosten. Insofern lässt sich eine Parallele zum automatic stay des nordamerikanischen Rechts ziehen.44

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Diese Wirkung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gehört international zum Grundbestand eines funktionierenden Insolvenzrechts und ist sowohl elementare Voraussetzung der Vermögensliquidation45 als auch einer Reorganisation46 und Sanierung.

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Dieser Befund erlaubt es, die folgende Untersuchung genauer zu strukturieren. Die Fragen, die hier formuliert werden, haben sich damit auseinanderzusetzen, ob diese Aufgaben und Wirkungsweisen eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens mit der Eigenverwaltung eines Schuldners vereinbar sind. Denn unabhängig von den sehr unterschiedlichen Regelungen der staatlichen Rechte im Einzelnen ist nicht zu übersehen, dass das Konkurs- oder Insolvenzgericht seine Aufgaben bei der Verfahrensabwicklung im Wesentlichen gegenüber einem Masse- oder Insolvenzverwalter ausübt. Der Masse- oder Insolvenzverwalter ist Organ des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens. Seine Person entscheidet über Wohl und Wehe des Verfahrens, wie es einmal formuliert worden ist.47 Der bis 41 Allerdings führt dies, wie in Deutschland nunmehr nachdrücklich diskutiert wird, zu erheblichen Problemen des Verwalter-Controllings. 42 So ausdrücklich der IX. Zivilsenat des BGH, der dies als Konkurszweck ansieht, BGH, Urt. v. 13.3.2003, IX ZR 64/02, DZWIR 2003, S. 291; Uhlenbruck, InsO, § 1 RdNr. 2–4; Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht Kommentar, Einl. RdNr. 3. 43 Häsemeyer, Insolvenzrecht, RdNr. 2.01 ff. 44 Epstein, Bankruptcy and Related Law, 6th edit 2002, pp. 149. 45 Smid, Grundzüge des Insolvenzrechts, 4. Aufl. 2002, § 1 RdNr. 10 ff. 46 Flessner, Reorganisation und Sanierung, 1982, passim. 47 Vgl. Jaeger, Lehrbuch des Deutschen Konkursrechts, 8. Aufl. 1932, S. 81.

D. Konstitutionelle Rahmenbedingungen

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zum erzwungenen Verlust aller öffentlicher Funktionen 1934 das deutsche Konkursrecht maßgeblich prägende Berliner Richter und Mitbegründer der KuT Paul Levi sprach in diesem Zusammenhang von der Schicksalsfrage des Konkurses, was von dem Begründer des Großkommentars zur Konkursordnung, Ernst Jaeger, aufgegriffen worden ist. So fungiert bei allen noch an anderer Stelle zu behandelnden Unterschieden von österreichischem und deutschem Insolvenzrecht der Insolvenzverwalter als Erkenntnisorgan des Insolvenzgerichts, durch den es handelt.48 Die Eigenverwaltung durch den Schuldner ist mit Funktion und Wirkungs- 26 weise eines Insolvenzrechts und Insolvenzverfahrens vereinbar, wenn die Vorteile des gerichtlichen Insolvenzverfahrens nicht dadurch aufgehoben würden, dass dem Insolvenzgericht mit dem Masse- bzw. Insolvenzverwalter kein Erkenntnisorgan zur Seite steht. Freilich zeigt das nordamerikanische Recht, dass diese vermeintliche Notwendigkeit dort nicht so gesehen wird.

D. Konstitutionelle Rahmenbedingungen des Insolvenzrechts Als Verfahren der staatlichen Gerichte untersteht das Insolvenzverfahren den 27 Normen der jeweiligen Verfassung. Nichts anderes gilt für das österreichische und das deutsche Insolvenzrecht. 28 Denn die innerstaatlichen Verfahren müssen sich am Maßstab der EMRK49, in Deutschland an Art. 103 Abs. 1 GG50, allgemein denen der deutschen Verfassung, des Grundgesetzes, messen lassen. Auch das Konkursverfahren hat der Forderung gerecht zu werden, due and fair process of law zu sein. Due – billig – ist das Verfahren, wenn es die Betroffenen in einer den Zielen des Verfahrens angemessenen Weise und nicht unverhältnismäßig belastet. Daraus lässt sich bereits an dieser Stelle für die folgenden Überlegungen ein 29 verfassungsrechtlich begründeter Ausgangspunkt formulieren: Dem Konkursrechtsgesetzgeber steht es frei, den Tatbestand des materiellen Konkurses eines Schuldners selbst (also seine Zahlungsunfähigkeit oder seine Überschuldung) zum Anlass rechtlicher Regelungen seiner Entmachtung zu nehmen, die bislang das Bild des Konkurses geprägt haben. Entschließt er sich, gesetzlich die Option einer Eigenverwaltung des Schuldners zu öffnen, ist dagegen zu differenzieren. Soweit die Eingriffe in die Rechtsstellung des Schuldners nicht dadurch

48 Rechberger/Thurner, Insolvenzrecht, RdNr. 165 ff.; Holzhammer, Österreichisches Insolvenzrecht, Konkurs und Ausgleich S. 14, 106, 111 ff.; Smid, Grundzüge des Insolvenzrechts, § 9 RdNr. 8 ff. 49 Puschner, Konkurs und Europäische Menschenrechtskonvention, S. 1 ff., 17 ff. 50 Carl, Teilnahmerechte im Konkurs, 1998, besonders S. 145 ff.

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Einführung

geboten sind, dass er unter Einsetzung eines Masseverwalters entmachtet wird, kann der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlicher Maßnahmen51 die Eigenverwaltung des Schuldners als die rechtmäßige Form der Abwicklung des Verfahrens darstellen. 30

In diesem Zusammenhang hat insbesondere Kodek52 darauf hingewiesen, dass die Eigenverwaltung „auch aus verfassungsrechtlichen Überlegungen . . . zu begrüßen“ sei. Er verweist in diesem Zusammenhang auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz53, der konstitutionell niedergelegt ist. Wenngleich die Begründung einfach gesetzlich normierter Entscheidungen im Rahmen des österreichischen Rechts bei weitem nicht in der strikten Weise wie im deutschen Recht aus verfassungsrechtlichen Sätzen hergeleitet wird.

E. Ansatzpunkt: Eigenverwaltung im österreichischen Recht 31

Das österreichische Recht sieht bekanntlich drei Rechtsinstitute vor, in denen dem Schuldner die Rechtsmacht zur Verwaltung der Masse in einem über sein Vermögen eröffneten Reorganisationsverfahren oder einem Insolvenzverfahren mit bestimmten konkurslichen Einschränkungen belassen wird. Das eine Modell ist das in Mitteleuropa seit Beginn des 20. Jahrhunderts eingeführte Verfahren des Ausgleichs, das andere Modell ist mit der Einführung eines Verbraucherkonkurses zum Zwecke der Entschuldung hoch verschuldeter privater natürlicher Personen eingeführt worden. Eine eigentümliche Sonderstellung nimmt das Verfahren nach dem Unternehmensreorganitionsgesetz (URG) ein, das dem Schuldner, der nicht materiell insolvent ist (§ 1 Abs. 1 URG)54, die Möglichkeit einräumt, einen Antrag auf Einleitung eines Reorganisationsverfahrens zu stellen. Dieses Verfahren dient der nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten durchgeführten Verbesserung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage von in ihrem Bestand gefährdeten Betrieben, § 1 Abs. 2 URG.55 Das Reorganisationsverfahren ist allerdings nach überwiegender Vorstellung der österreichischen Rechtswissenschaft kein Insolvenzverfahren56. Denn betrachtet man den Geset51 J. Roth, Interessenwiderstreit im Insolvenzeröffnungsverfahren, 2004, S. 96 ff.; Funk, Einführung in das österreichische Verfassungsrecht, RdNr. 410 ff. 52 Kodek, Privatkonkurs, RdNr. 127. 53 Kodek, Privatkonkurs, RdNr. 127 a. E.; RdNr. 173; vgl. weiters Puschner, Konkurs und Europäische Menschenrechtskonvention, 2000, S. 28 f. 54 Der Schuldner darf also weder zahlungsunfähig noch überschuldet sein, vgl. allein Mohr, URG § 1 Anm. 5, 6. 55 Dellinger/Oberhammer, Insolvenzrecht, RdNr. 852 ff. 56 Vgl. hierzu: Dellinger/Oberhammer, Insolvenzrecht, RdNr. 849; Rechberger/ Thurner, Insolvenzrecht, RdNr. 549 ff. Das Verfahren nach dem URG wird in ihrer Darstellungen des österreichischen Insolvenzrechts kurz abgehandelt.

E. Eigenverwaltung im österreichischen Recht

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zeswortlaut des § 1 Abs. 1 URG, so ist dieses Verfahren nur dann einschlägig, wenn das Unternehmen nicht insolvent ist – was der antragsstellende Unternehmer gem. § 4 Abs. 1 URG in seinem Antrag auch ausdrücklich zu erklären hat. Lässt man das Verfahren nach dem URG beiseite, dessen Zugehörigkeit zum 32 Corpus der gesetzlichen Normen des Insolvenzrechts zweifelhaft ist, fällt doch auf, das im Rahmen des österreichischen Konkursrechts die Bewahrung von Eigenverwaltungsbefugnissen des Schuldners eher diskutabel erscheint als in Deutschland. Während in Deutschland für den rechtstatsächlichen „Regelfall“ der Einsetzung eines Insolvenzverwalters die Verfügungsbefugnisse des Insolvenzschuldners auf das beschlagfreie Vermögen begrenzt werden, wird in Österreich von der Judikatur des OGH57 für Haftungsklagen die Ansicht vertreten, dem Gemeinschuldner verbleibe in dem über sein Vermögen eröffneten Konkurs die Befugnis, Verfügungen dann zu treffen, wenn diese der Auffüllung oder Erhaltung der Konkursmasse dienten. Gegen die „Erhaltungstheorie“ werden jüngst kritische Einwände erhoben.58 Sie macht aber deutlich, dass sich die österreichische Konkursrechtslehre der Begründung eigener massebezogener Verfügungsbefugnisse des Gemeinschuldners nicht von vornherein verschließt. Im Folgenden soll dieser Aspekt der Erhaltungstheorie freilich weitgehend 33 ausgeblendet bleiben. Vielmehr werden zunächst solche Verfahren modellhaft betrachtet, in denen der eigenverwaltende Schuldner „wie“ im Verfahren nach der AusglO eine Konkursabwendung durch eine Schuldenreorganisation i. w. S. betreibt. Kapitel 1 wird mithin Verfahren betrachten, in denen die Schuldenreorganisation i. w. S. die Voraussetzung dafür ist, dass dem Schuldner die Eigenverwaltung belassen wird. Davon lassen sich im Bereich natürlicher Personen Verfahren der discharge unterscheiden, wie sie das österreichische Recht mit dem Privatkonkurs und das nordamerikanische Recht mit dem Verfahren nach chapter 13 bankruptcy code im Unterschied zum Verbraucherinsolvenzverfahren als Verfahren der Eigenverwaltung des Schuldners kennt: Denn in diesen Verfahren, auf die kurz in Kapitel 2 einzugehen ist, geht es nicht um die Schuldenreorganisation des Schuldners i. w. S., sondern es steht seine Befreiung von Exekutionsmaßnahmen im Vordergrund. Wenngleich nicht zu übersehen ist, dass hierin Berührungspunkte zum Ausgleich bestehen.

57 58

OGH JBl. 1965, S. 323 = EvBl. 1968/224; OGH 15.11.1989, 1 Ob 30/89. Konecny, Massebezogene Rechtshandlungen von Gemeinschuldnern (im Druck).

Kapitel 1

Modelle der Beschränkung der Eigenverwaltung auf Reorganisationsverfahren A. Vorüberlegungen I. Debtor in possession, österreichische vorkonkursliche Reorganisation und Ausgleich als Grundmodelle der Eigenverwaltung in Reorganisationsverfahren 1

In der einleitenden Überlegung ist gezeigt worden, dass die plausible Grundform der Eigenverwaltung durch einen Schuldner die Einleitung eines Reorganisationsverfahrens ist. Denn der reorganisationsbereite, reorganisationsfähige und von den Gläubigern als reorganisations“würdig“1 erachtete Schuldner gibt apriori keinen Anlass, eine zwangsweise Fremdverwaltung gegen ihn über sein Vermögen zu verhängen. Es würde sich sogar im Gegenteil als ausgesprochen kontraproduktiv erweisen, wenn eine Zwangsverwaltung durch einen Fremdverwalter installiert würde, da der Schuldner allein durch den Umstand reorganisationsbereit und -fähig ist, dass ihm seine Gläubiger unter der Voraussetzung der Einleitung von Reorganisationsmaßnahmen weiter Kredit zu gewähren bereit sind. Die Verwaltung durch einen Dritten (Masseverwalter oder trustee usf.) würde nicht allein Kosten hervorgerufen, die zu Lasten des den Gläubigern haftenden Vermögens gehen. Der Schuldner würde demotiviert an den Reorganisationsmaßnahmen mitzuwirken, die den Erhalt der Gesellschaft oder des selbstständig gewerblich tätigen Schuldners für den Fall, dass es sich bei ihm um eine natürliche Person handelt, zum Ziel haben.

2

Das nordamerikanische Recht des chapter 11 bankruptcy code2 hat diesen Zusammenhang von debtor in possession und reorganization seit sehr langem 1 Die „Reorganisationswürdigkeit“ ist ein – jedenfalls seit dem Fall des über das Vermögen des Bankhauses I. D. Herstatt eröffneten Vergleichsverfahrens in der deutschen Lehre – umstrittener Tatbestand, der allerdings diesseits seiner überholt wirkenden Konnotationen auf die grundsätzliche Akzeptanzfähigkeit des schuldnerischen Reorganisationskonzepts aus der Sicht der Gläubiger verweist, vgl. m. w. Nachw. Smid/ Rattunde, Insolvenzplan, RdNr. 243 ff. Vgl. hierzu die Erörterungen bei Huhn, Eigenverwaltung, RdNr. 261 ff. m. umf. Nachw. 2 Hierzu jüngst auch Gulde, Die Anordnung der Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluss, 2005, S. 73 ff.

A. Vorüberlegungen

31

systematisiert. Im Reorganisationsverfahren nach dem chapter 11 des nordamerikanischen bankruptcy code kommt es – wie sogleich zu zeigen sein wird – allein auf die Antragstellung des Schuldners an; seine materielle Insolvenz in dem Sinne, wie es das österreichische Recht (§ 1 Abs. 1 AO i. V. m. §§ 66 und 67 KO) und das deutsche Recht kennen, ist nicht vorausgesetzt3. Das Reorganisationsverfahren wird aber durch die materielle Insolvenz des Schuldners nicht ausgeschlossen. Anderseits ist sie aber auch in Österreich nicht Voraussetzung für die konkursliche Liquidation des Schuldnervermögens, sondern lässt den Raum für die Eigenverwaltung des Schuldners im Rahmen eines Ausgleichs (unten C) offen, dessen Fehlschlag erst gem. §§ 3 Abs.3, 69 AO den liquidierenden Anschlusskonkurs unter Verlust der Eigenverwaltungsbefugnisse des Schuldners erzwingt.4 Eine vergleichbare Verknüpfung von Reorganisation und Eigenverwaltung sehen die Regelungen des italienischen Codice fallimentare über die ammistrazione controllata vor (D). II. Vorteile des gerichtlichen Ausgleichs für die Gläubiger In all diesen Fällen wird eine gerichtliche Reorganisation verfahrensmäßig 3 eingerichtet. Damit werden die erheblichen Gefahren vermieden, die für die Gläubiger durch außergerichtliche Ausgleichsverhandlungen hervorgerufen und in Deutschland seit Ende der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts durch den für Insolvenzrecht spezialisierten IX. Zivilsenat des BGH in Prozessen über Beraterhaftung5 erfasst worden sind. Der außergerichtliche Ausgleich oder Vergleich mag aus Sicht der Autonomie der Beteiligten und nicht zuletzt der Einsparung von Kosten erstrebenswert erscheinen. Seine Gefahren sind jedoch nicht von der Hand zu weisen. Sie liegen in der fehlenden Kontrolle gleichmäßiger Gläubigerbefriedigung und für den nicht unwahrscheinlichen Fall eines Scheiterns der Notwendigkeit einer anfechtungsrechtlichen Rückabwicklung auch kongruent erfolgter Befriedigung von Forderungen.6 Der Schutz der Gläubiger gegen eine Ungleichbehandlung wird durch zwei 4 Instrumente verwirklicht, nämlich durch gerichtliche Aufsicht und die durch die Verfahrensteilnahme verwirklichte Transparenz auf der einen Seite7 und durch die Sicherung vor solchen Reorganisationsmaßnahmen des eigenverwaltenden 3 Equitable insolvency, die dadurch definiert wird, dass der „debtor is generally not paying debts as they come due“ ist ausschließlich Voraussetzung eines involuntary bankruptcy case (Epstein, Bankruptcy and Related Law, 6th edit 2002 pp. 141, 142. 4 Dellinger/Oberhammer, Insolvenzrecht, RdNr. 827 ff. 5 BGH, IX. Zivilsenat Urt. v. 28.10.2000, IX ZR 289/99, ZinsO 2001, S. 72 = ZIP 2001, S. 33. 6 BGH, IX. Zivilsenat Urt. v. 28.10.2000, IX ZR 289/99, ZinsO 2001, S. 72 = ZIP 2001, S. 33. 7 Smid, Grundzüge § 1 RdNr. 50 ff.

32

Kap. 1: Beschränkung auf Reorganisationsverfahren

Schuldners, die in Rechte der Gläubiger eingreifen, andererseits. Es ist nach alledem zu erwarten, dass Eigenverwaltung und Reorganisation in einem sachlich begründeten Zusammenhang stehen. Um die Wirkungsweise der Eigenverwaltung in diesem Sachzusammenhang deutlich werden zu lassen, sollen im Folgenden Grundregelungen der Verfahrensrechte und der Reorganisationsrechte des US-amerikanischen, des österreichischen, des italienischen und des dänischen Insolvenzrechts umrissen werden, die als Strukturbeispiele für insolvenzrechtliche Regelungsmodelle stehen.

B. Debtor in possession im reorganization proceedings nach chapter 11 bankruptcy code I. Zwingender Zusammenhang von Reorganisation und Eigenverwaltung 5

Der debtor in possession wird von vielen Autoren als das klassische Vorbild für die gesetzliche Regelung der Eigenverwaltung im deutschen Recht angesehen.8 Nicht zuletzt auch aufgrund der von einer Reihe von Autoren9 hervorgehobenen Strukturunterschiede des nordamerikanischen und des deutschen (wie auch des österreichischen!) Insolvenzrechts wird die Eigenverwaltung als problematisch angesehen .10 Unter dem debtor in possession versteht das nordamerikanische Recht „the fiduciary entity created by a debtor filing a chapter 11 reorganization proceeding.11 Diese Formel ist zutreffend und lässt Grund und Grenzen dieses Rechtsinstituts erkennen, das dadurch gekennzeichnet ist, dass der Schuldner mit Verwaltungsbefugnissen auf der einen Seite ausgestattet wird, um sein Unternehmen fortzuführen, und auf der anderen Seite vor der individuellen Rechtsverfolgung durch seine Gläubiger Schutz erhält. Durch den Antrag des Schuldners wird aus ihm der debtor in possession, der von Gesetzes wegen mit Vermögenverwaltungsbefugnissen (administrative powers) ausgestattet ist. Nicht anders als im deutschen Recht sind diese Befugnisse denen entsprechend ausgestaltet, die nach den §§ 361 bis 365bc dem trustee im liquidierenden Verfahren zugewiesen sind.

6

Voraussetzung dafür, dass der Schuldner als debtor in possession mit Rechtsmacht ausgestattet wird, ist, dass er einen Antrag auf Einleitung eines Reorganisationsverfahrens gestellt hat.12

8 Smid/Rattunde, Insolvenzplan, RdNr. 144 f.; Gottwald/Haas, InsolvenzrechtsHandbuch § 86 RdNr. 9. 9 Vgl. statt vieler Smid/Rattunde, Insolvenzplan, RdNr. 91/92. 10 Grub, Kölner Schrift zur Insolvenzordnung S. 671, RdNr. 26 ff. 11 Buchbinder, A practical guide to bankruptcy, 1990, Glossary, und pp. 275.

B. Nordamerikanischer debtor in possession

33

Die Formulierung des nordamerikanischen Gesetzes ist freilich zunächst et- 7 was sperrig. § 1108bc spricht nämlich im Kontext der Regelungen des Reorganisationsverfahrens zunächst vom trustee, was zunächst die Vermutung nahelegt, der Gesetzgeber gehe vom Regelfall der Einsetzung eines Verwalters des schuldnerischen Vermögens aus. Diese gesetzliche Redeweise täuscht. Dem Schuldner verbleibt regelmäßig in der Vielzahl der Fälle, die nach 8 chapter 11 abgewickelt werden, als debtor in possession die Rechtsmacht, das Unternehmen. Das „prebankruptcy management“ des schuldnerischen Unternehmens leitet vielmehr solange das Unternehmen nicht nur unter der Kontrolle eines trustee faktisch, sondern auch rechtlich, wie nicht nach § 1107 bc aufgrund eines entsprechenden Antrags das Gericht aufgrund eines hearings einen trustee bestellt hat.13 II. Umfang der Rechtsmacht des debtor in possession Nach § 363 (c) (1) bc und § 1108bc wird dem debtor in possession die Be- 9 fugnis zu Gebrauch, Verkauf oder Vermietung von Massegegenständen (use, sale or lease of property) eingeräumt, ohne dass es hierfür einer besonderen gerichtlichen Prüfung bedürfte. Dabei sind dem debtor in possession im Allgemeinen solche Rechtsgeschäfte möglich, die im Rahmen seines gewöhnlichen Geschäftsbetriebes liegen. Der gewöhnliche Geschäftsbetrieb hat sich aber in den meisten Fällen als nicht hinreichend erwiesen, um eine effiziente Reorganisation ins Werk zu setzen. Daher kann das Insolvenzgericht (bankruptcy court) dem debtor in possession nach einem hearing, also nach Anhörung der betroffenen Gläubiger, nach § 363 (b) bc die Befugnis einräumen, Massegegenstände außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs zu gebrauchen, worunter auch deren Verkauf fällt. Die zügige Verwertung der Masse wird als unabdingbare Voraussetzung dafür angesehen, dass ein Reorganisationskonzept überhaupt erst aufgestellt werden kann, geschweige denn Aussicht auf Erfolg hat. Daher wird nach § 363bc die Möglichkeit einer Gestattung der Veräußerung einzelner Vermögensgegenstände bis hin zu einer Veräußerung aller assets unabhängig davon eingeräumt, dass die Bestätigung des vom debtor vorgelegten reorganization plans noch aussteht. Das mag zunächst überraschen, wird aber verständlich, wenn man sich vor Augen führt, dass der reorganization plan nicht allein auf die Sanierung des Schuldners gerichtet sein muss, sondern nicht selten die ge12 Die europäische Literatur gibt die Verhältnisse z. T. nicht zutreffend wieder, vgl. Presoly, Chapter 11 – Unternehmensreorganisation in den USA, 2002, S. 5. Der Autor räumt ein, dass der debtor in possession den Regelfall im nordamerikanischen Reorganisationsverfahren ausmacht, behandelt dann aber nicht dessen Rechtstellung, sondern die von trustees. Das gewichtet die Rechtslage in Nordamerika in einer nicht wirklich zutreffenden Weise. 13 Epstein, Bankruptcy and Related Law in a Nutshell, 6th edit. 2002, p. 411.

34

Kap. 1: Beschränkung auf Reorganisationsverfahren

ordnete Liquidation seines Vermögens zur bestmöglichen Bereinigung seiner Verbindlichkeiten zum Gegenstand hat – was Nachteile verringern hilft, die bei einer Zerschlagung durch einen trustee auftreten. Freilich muss der Schuldner dartun, dass der Wert der assets beeinträchtigt werden würde, wenn deren Verwertung auf einen Zeitpunkt nach Bestätigung des reorganization plans verschoben würde. Insbesondere wenn Schwierigkeiten bei der Durchführung des Reorganisationsverfahrens zu befürchten sind, wird ein solches Vorgehen gewählt. III. Schutz der betroffenen Gläubiger 1. Adequate protection 10

Es liegt auf der Hand, dass die Gläubiger in diesen Fällen Gefahr laufen, in ihren Befriedigungsaussichten beeinträchtigt zu werden. Denn durch den automatic stay werden sie grundsätzlich daran gehindert, klag- und exekutionsweise gegen den Schuldner vorzugehen.14 Daher gewährt § 362bc einer „party in interest“ – mithin jedem durch den automatic stay in seiner Rechtsdurchsetzung betroffenen Gläubiger – die Möglichkeit, einen Antrag auf Gewährung von „relief“ vom automatic stay zu stellen, insbesondere wenn Sicherheitengläubiger angesichts drohenden Wertverfalls das Sicherungsgut zu verwerten beabsichtigen.

11

Eine „party in interest“ kann darüber hinaus gegen den automatic stay sog. adequate protection erlangen. Adequate protection15 bedeutet, dass der debtor in possession verpflichtet werden kann, an den Gläubiger Zahlungen (cash payments) zu leisten, ihm eine Sicherheit für die Befriedigung seiner Forderung zu stellen oder eine vorhandene Sicherheit auszuwechseln. Gegen das impairment, das die gesicherten Gläubiger erfahren, sind Einwendungen mit Argumenten der Aufgabe eines Reorgansationsverfahrens erhoben worden16, denen namentlich von Baird und Jackson17 entgegengetreten worden ist. Das Argument dieser Autoren lautet, Reorganisationsverfahren dürften die Funktion des Insolvenzrechts, die Haftung des Schuldners zu verwirklichen, nicht unter Verweis auf soziale oder sozialpolitische Gesichtspunkte aushebeln:18 Der rechtfertigende Grund der adequate protection ist danach die Erhaltung der Eigentumsrechte (property rights) der Sicherheitengläubiger im eröffneten Insolvenzverfahren; 14 Baird/Jackson Corporate Reorganization and the Treatment of Diverse Ownership Interests, 51 UnivChicLawRev (1984) pp. 97, 98. 15 Baird/Jackson (Fußn. 14). 16 Rogers, Impairment of Secured Creditors’ Rights in Reorganization, 96 HarvLRev pp. 973, 977. 17 Baird/Jackson (Fußn. 14) p. 99. 18 Gegen nonbankruptcy concerns: Baird/Jackson (Fußn. 14) p. 97, 103.

B. Nordamerikanischer debtor in possession

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den Eigentumsrechten (ownership interests) vermag auch der debtor in possession durch seine bloße Antragstellung nicht die rechtliche Durchsetzbarkeit zu nehmen.19 2. Cram down procedures, best interest tests und die absoluty priority rule Der Schutz der Gläubiger gegen eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der 12 dem Schuldner durch das Reorganisationsverfahren an die Hand gegebenen Instrumentariums liegt in ihrer Befugnis zur Verwerfung des vorgeschlagenen Reorganisationsplans. Eine gerichtliche Bestätigung (confirmation20) des Planes gegen21 den durch ihre Abstimmung manifestierten Willen der in ihren Rechten durch den Plan beeinträchtigten (impairment22) Gläubiger kann im Wege der sog. cram down-procedure gem. § 1129bc erfolgen. Das die Gläubiger durch ein „cram down“ (im deutschen Recht weniger farbig, aber nicht minder drastisch als „Obstruktionsverbot“ bezeichnetes insolvenzgerichtliches Verfahren) zur Annahme des Planes gezwungen bzw. ihre Zustimmung unterstellt werden kann, erfolgt nur unter der Voraussetzung, dass der Gläubiger nicht unfair behandelt wird. Das ist der Fall, wenn das Ergebnis des Plans ihn nicht schlechter stellt als er ohne Plan stehen würde (best interest test)23 und – insbesondere im Falle gesicherter Gläubiger – wenn die absolute priority rule eingehalten wird. Die absolute priority rule besagt, dass auf gesicherte Gläubiger nicht zugunsten ungesicherter Gläubiger oder gar der Gesellschafter der schuldnerischen Gesellschaft zugegriffen werden darf.24 Die „Eigenverwaltung“ des debtor in possession erscheint nach alledem der 12a US-amerikanischen Rechtswissenschaft schon deshalb nicht als Problem, weil sie nicht nur ein seit zwei Jahrhunderten bekanntes Phänomen ist, sondern weil die Gläubiger institutionell gegen Missbrauchsgefahren geschützt sind. Fälle wie der Zusammenbruch der größten nordamerikanischen Rentenversicherung in den Jahren 2001 und 2002 haben freilich das in den USA bislang nicht als Massenerscheinung bekannte Phänomen schwerst betrügerischer Verhaltensweisen von schuldnerischen Gesellschaften zu Tage treten lassen25 – worauf im Wesentlichen durch eine Verstärkung der Überwachung der gesellschaftsrechtlichen Buchhaltungspflichten reagiert worden ist. Die Anordnung der Fremdver19

Baird/Jackson (Fußn. 14) p. 102. Epstein (Fußn. 13) p. 441 ff. 21 Epstein (Fußn. 13) p. 444 ff. 22 Epstein (Fußn. 13) p. 438. 23 MünchKommInsO-Eidenmüller Vor §§ 217–269, RdNr. 23. 24 Warringholz, Absolute priority rule, Diss. Kiel 2004 (in Vorbereitung). 25 Den Hinweis auf den damit verbundenen „Bewußtseinswandel“ nordamerikanischer bankruptcy practitioners verdanke ich Salvatore Barbatano, Esqu. 20

36

Kap. 1: Beschränkung auf Reorganisationsverfahren

waltung durch einen trustee oder die Bestellung eines supervisors stellt sich gleichwohl nach wie vor als Ausnahmeerscheinung dar.

C. „Eigenverwaltung“ des Ausgleichsschuldners nach österreichischem Recht 13

Der debtor in possession ist allerdings keine nur dem US-amerikanischen Insolvenzrecht bekannte Rechtsfigur. Ebenso wie das deutsche Vergleichsrecht der 1999 außer Kraft getretenen VerglO sieht das österreichische Ausgleichsrecht eine bestimmte Form der Eigenverwaltung des seinen Gläubigern den Ausgleich vorschlagenden Schuldners vor, die im Folgenden umrissen werden soll. Dabei fällt zunächst ins Auge, dass das Verhältnis zwischen Ausgleichsschuldner und Ausgleichsverwalter durch die Funktion des Ausgleichs gekennzeichnet ist. Der Ausgleichsverwalter hat dabei zwei Aufgaben: Er hat für die Sicherung des für den Falle eines Anschlusskonkurses den Konkursgläubigern haftenden Vermögens26 Sorge zu tragen und zugleich die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens sicherzustellen. In diesem durch die Aufgaben des Ausgleichsverwalters bezeichneten Rahmen bewegt sich die Rechtsmacht des Ausgleichsschuldners während des Ausgleichsverfahrens.

14

Die Entwicklung der gesetzlichen Regelung der Fortdauer der Rechtsmacht des Ausgleichsschuldners im Ausgleichsverfahren im österreichischen Recht ist allerding durchaus wechselhaft. § 3 Abs. 3 AO i. d. F. desIRÄG 1982 sah vor, dass der Schuldner durch Gerichtsbeschluss entmachtet werden konnte.27 Die Sanierung sollte danach durch den Ausgleichsverwalter erfolgen, dem die Verwaltung des schuldnerischen Vermögens anvertraut war. Dies ist mit IRÄG 1997 gestrichen worden.28

15

Der Fortbestand der Rechtsmacht des Ausgleichsschuldners und ihre Begrenzung durch die Befugnisse des Ausgleichsverwalters sind also auf das Ziel des Verfahrens hin strukturiert, das Vorliegen der Ausgleichsvoraussetzungen zu schaffen bzw. festzustellen und den Ausgleich durchzuführen. Das hat deshalb einen Sinn, weil sich feststellen lässt, ob der Ausgleichsschuldner im Stande ist, die akkordierte Befriedigung der Gläubiger zu leisten. Anders als im Fall der deutschen Eigenverwaltung umfasst daher die Fortdauer der Rechtsmacht des Schuldners nach dem § 8 AO ex definitione nur solche Fälle, in denen der 26 Es wird noch näher zu zeigen sein, dass die österreichische Lehre davon ausgeht, dass eine „Masse“ im konkursrechtlichen Sinne im Ausgleichsverfahren nicht konstituiert wird (vgl. allein Dellinger/Oberhammer, Insolvenzrecht, RdNr. 780). Das hat mit der Fortdauer der Vermögensverwaltungsbefugnis des Ausgleichsschuldners zu tun, die es ausschließt, das Vermögen des Ausgleichsschuldners als Sondervermögen unter der Verwaltung eines Masseverwalters zu begreifen. Mit Blick auf einen möglicherweise drohenden Anschlusskonkurs stellt sich indes die Aufgabe des Schutzes der Gläubiger, sogleich RdNr. 16. 27 Vgl. Neumayer ÖJZ 1984, S. 257, 259; Schoibl, KTS 1984, S. 215, 230. 28 Dellinger/Oberhammer, Insolvenzrecht, RdNr. 767.

C. Österreichischer Ausgleichsschuldner

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Schuldner seine Gläubiger ausgleichsmäßig befriedigen kann. Stehen ihm hierzu die wirtschaftlichen Mittel nicht mehr zu Gebote, stellt bereits dies die materiellen Voraussetzungen für die Auslösung des Konkurses dar, ohne dass es der Darlegung besonderer Erfordernisse der Beschränkung bzw. Aufhebung der Restbefugnisse des Ausgleichsschuldners bedürfte, wie es § 272 InsO vorsieht. Soweit greift nämlich § 3 Abs. 1 Nr. 3 AO ein, der die Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens ausschließt, wenn der Antragssteller seinen Gläubigern nicht die gesetzliche Mindestquote anbietet. Eine Beschränkung der Rechtsmacht des Schuldners kommt nach § 3 Abs. 2 AO in Betracht, wenn dies zur Sicherung des schuldnerischen Vermögens insbesondere im Falle der Fortführung seines Unternehmens im Übrigen geboten erscheint. § 67 Abs. 1 und 2 AO nennt eine Reihe von Gründen, in welchen das Ausgleichsverfahren einzustellen ist. In diesen Fällen hat das Gericht zu prüfen, ob von Amts wegen der Konkurs zu eröffnen ist (§§ 3 Abs. 3, 69 AO) Mit diesem Anschlusskonkurs wird aber die Verwaltungsbefugnis des Schuldners in dem Sinne aufgehoben, dass sein Vermögen zu einem Sondervermögen wird, das der Masseverwalter vertritt. Der Ausgleich wendet dies entweder ab oder erweist sich als eine Art von Vorverfahren. Im Ausgleichsverfahren wird nach vorherrschender Lehre in Österreich eine 16 Konkursmasse in dem Sinne dagegen nicht gebildet, dass das Vermögen zum Zwecke seiner Liquidation für die Gläubiger konkurslich beschlagnahmt wird.29 Vielmehr liegt es im Charakter des Ausgleichs als Vertrag30 durch den der Ausgleichsschuldner seinen ungesicherten Gläubigern die Quote gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 AO bietet, dass das Vermögen des Schuldners an sich von deren Zugriff frei bleibt! Daher scheint sich ebenso wie im Verfahren nach dem URG das Thema der Eigenverwaltung überhaupt nicht zu stellen.31 Gleichwohl machen die Vorschriften des § 8 und des § 30 AO deutlich, dass der Ausgleichsschuldner sein Vermögen in dem Sinne „fiduziarisch“ für die Gläubiger verwaltet, dass er bis zur Annahme des Ausgleichs das den Gläubigern im Falle des Anschlusskonkurses haftende Vermögen zu erhalten verpflichtet ist. Daher stellt sich das Ausgleichsverfahren als „Gesamtverfahren“ in dem von der § 1 Abs. 1 EurInsVO und deren Anhang A genannten Sinne als Insolvenzverfahren dar, was es rechtfertigt, die Verfügungsbefugnis des Schuldners als Fall der Eigenverwaltung zu behandeln. Der Ausgleichsschuldner bleibt von der rechtsdogmatischen Konstruktion her betrachtet, stärker als im amerikanischen Recht (Kap. 1) und im deutschen Recht (Kap. 4) zur Verwaltung seines den Gläubigern haftenden Vermögens berechtigt. Denn das Vermögen des Schuldners wird anders als im österreichischen Konkurs nicht als Sondervermögen konstituiert. Im Aus29 Holzhammer, Österreichisches Konkursrecht. Konkurs und Ausgleich, 5. Aufl. S. 239. 30 Holzhammer (Fußn. 29) S. 240. 31 Aus deutscher Sicht hierzu jüngst Uhlenbruck, in: Kirchof-Festschr., 2003, S. 479, 483.

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Kap. 1: Beschränkung auf Reorganisationsverfahren

gleichsverfahren wird das schuldnerische Vermögen anders als im deutschen Reorganisationsverfahren auch nicht mit Konkursbeschlag belegt. Betrachtet man daher den Status des schuldnerischen Vermögens im Ausgleichsverfahren, kann man zu einer paradoxen Aussage gelangen: Der österreichische Ausgleichsschuldner steht zwar weithin einem debtor in possession gleich. Er verwaltet aber „sein eigenes“ Vermögen „frei“ von konkurslichen Beschlagsakten.32 16a

Da seit der Reform des § 3 AO durch das IRÄG 1997 die Verwaltungsbefugnisse des Ausgleichsschuldners wieder erheblich erweitert worden sind, wird es von der Lehre als gekünstelt und nicht sachgerecht angesehen, mit Eröffnung des Ausgleichsverfahrens das Schuldnervermögen als Sondervermögen zu qualifizieren, das von diesem verwaltet (!) und dann nach (erfolgreichen) Abschluss ihm zurückgegeben wird. Für den Privatkonkurs, der als Sonderform des Konkurses indes durch die Beschlagnahme des Schuldnervermögens und damit die Bildung einer Masse geprägt wird, treten diese Fragen ebenfalls auf – da im Privatkonkurs von Gesetzes wegen der Gemeinschuldner sein Vermögen verwaltet.33

16b

Es spricht viel dafür, dass die skizzierte österreichische Lehre durch Art. 1 Abs. 1 EuInsVO überholt ist. Denn nach Art. 2 lit a EuInsVO i. V. m. Anhang A wird das Ausgleichsverfahren als Insolvenzverfahren qualifiziert, das gem. Art. 1 Abs. 1 EuInsVO einen Vermögensbeschlag verwirklicht – und, wie der Vergleich mit dem deutschen Eröffnungsverfahren zeigt, nicht nur Verfügungsbeschränkungen gegen den Schuldner verhängt. Die österreichische Lehre bestimmt freilich den Vermögensbeschlag weit auch durch Verfügungsbeschränkungen, die gegen den Ausgleichsschuldner verhängt werden.34 Das könnte das Argument nahelegen, der Vermögensbeschlag i. S. v. Art. 1 Abs. 1 EuInsVO könne auch in dem Sinne weit verstanden werden, dass an die Stelle der Konstitution einer Masse i. e. S. auch Verfügungsbeschränkungen gegen den Ausgleichsschuldner treten könnten. Zwar ist die EuInsVO in den jeweiligen Mitgliedsstaaten der EU (mit Ausnahme Dänemarks) unmittelbar geltendes innerstaatliches Recht.35 Die Regelungen der EuInsVO dürfen indes nicht von dem hermeneutischen Vorverständnis des jeweiligen nationalen Rechts eines Mitgliedsstaates her ausgelegt werden, sondern unterliegen einer europäisch-autonomen Auslegung.36 Als sekundäres Gemeinschaftsrecht geht die EuInsVO dem österreichischen Recht vor. Ein 32 Darin unterscheidet sich die Stellung des Ausgleichsschuldners nach heutigem öster. Recht von der nach dem IRÄG 1982–1997 und des Vergleichsschuldners nach dem Vergleichsverfahren „Kölner Prägung“. 33 Konecny, in: BeitrZPR V S. 85 ff. 34 Konecny (Fußn. 33) S. 68 f. et passim. 35 Vgl. z. B. Smid, Europäisches internationales Insolvenzrecht, 2002, RdNr. 2.6. 36 BGH, B. v. 27.11.2003, IX ZB 418/02, ZInsO 2004 S. 34. Hierzu Mankowski EWiR 2004, S. 229 und Liersch NZI 2004, 141; Smid DZWIR 2004, S. 397 ff.; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Kommentar, Vor Art. 1 EuInsVO RdNr. 12 ff. 2004. Dagegen hat der High Court Dublin (Justice Kelly) eine abweisende methodische Ansicht vertreten (in re Eurofood – Parmalat: High Court Dublin (Justice Kelly), Judgement v. 23.3.2004, 23/04, ZIP 2004, 1223 ff.) und die EuInsVO vom irisch-englischen Rechtsverständnis her ausgelegt; dies ist aber methodisch nicht haltbar.

C. Österreichischer Ausgleichsschuldner

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Rückgriff auf Maßstäbe des nationalen Rechts zur Auslegung von Rechtsnormen der EuInsVO ist unzulässig. Daraus folgt aber umgekehrt, dass – soll das österreichische Recht nicht riskieren, dass die Wirkungen des Ausgleichsverfahrens in zwei in Österreich geltenden insolvenzrechtlichen gesetzlichen Regelwerken in unterschiedlicher Weise bestimmt wird – aus Gründen systematisch-rechtsdogmatischer Stimmigkeit nunmehr nach In-Kraft-Treten der EuInsVO von der Konstitution einer Ausgleichsmasse auszugehen ist. Dies harmonisiert zudem die Behandlung der Eigenverwaltung des Ausgleichschuldners mit der des Gemeinschuldners im Privatkonkurs. – Das Gemeinschaftsrecht, dass das nationale Recht nicht ändern soll37, zeitigt gleichwohl Wirkungen auf die Auslegung des jeweiligen nationalen Rechts.38

Die Betrachtung der besonderen Stellung des Ausgleichsschuldners entspricht 17 der besonderen Stellung des Ausgleichsverfahrens. Im Unterschied zu den Reorganisationsverfahren nach deutschem Recht – das eine drohende Zahlungsunfähigkeit genügen lässt – und nach nordamerikanischem Recht setzt das österreichische Recht durch den Verweis des § 1 Abs. 1 AO auf die §§ 66, 67 KO die materielle Insolvenz des antragstellenden Ausgleichsschuldners voraus, die durch das Ausgleichsverfahren freilich abgewendet werden kann. Damit hat das Ausgleichsverfahren zwar Konkursabwendungsfunktionen, ist aber kein Zwischenverfahren, das vor ein Anschlusskonkursverfahren geschaltet wäre, sondern hat eine eigenständige Stellung. Daher liegt seit der Streichung des § 3 Abs. 3 AO i. d. F. des IRÄG 1982 durch das IRÄG 1997 auch eine grundsätzlich andere Situation vor als im Eröffnungsverfahren nach den §§ 21 ff. InsO. Denn entgegen einer Mindermeinung39 kann das Ausgleichsgericht den Ausgleichsverwalter nicht bis hin zu einem vollständigen Entzug der Rechtsmacht des Ausgleichsschuldners zum Handeln für das Vermögen ermächtigen. In wesentlich stärkerem Maße als es im deutschen Recht zum Verhältnis zwischen Schuldner und vorläufigem Verwalter diskutiert wird (unten Kapitel 3) wird das Verhältnis von Ausgleichsschuldner und Ausgleichsverwalter daher durch die Notwendigkeit zu einer „Kooperation“ (Engelhardt 40) geprägt. Der eingesetzte Ausgleichsverwalter bzw. der vorläufige Verwalter erlangen regelmäßig dabei aber nicht umfassende Rechtsmacht. Denn Ausgleichsverwalter bzw. vorläufiger Verwalter und der Schuldner haben bis zu dem Zeitpunkt, an dem über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entschieden ist, gemeinsam die Sicherung und Verwaltung des schuldnerischen Vermögens zu gewährleisten. Da der „boshaftige Fallit“41 ebenso wenig von Gesetzes wegen unterstellt werden kann, 37 Erwägungsgrund Nr. 6 zur EuInsVO, vgl. den Bericht von Virgos und Schmit (z. B. in: Stoll [Hrsg.], Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommens über Insolvenzverfahren im deutschen Recht, Tübingen 1997). 38 Hierauf hat früh Smid, Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Wien 2002, § 2 RdNr. 2.1 a. E. aufmerksam gemacht. 39 LG Graz, AZ 26 Sa68/03 z, LG Graz, AZ 26 Sa315/03 y, LG Graz, AZ 40 Sa 120/03 z, LG Graz, AZ 26 Sa326/03 s. 40 Engelhardt, Die gerichtliche Entscheidung nach §§ 21 ff. InsO und ihre Auswirkungen auf die vermögensrechtliche Stellung des Insolvenzschuldners; S. 219 ff., 261.

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Kap. 1: Beschränkung auf Reorganisationsverfahren

wie der kriminelle oder der unfähige vorläufige Insolvenz- oder der Ausgleichsverwalter, liegt den gesetzlichen Regelungen der §§ 46 ff. AO ebenso wie den §§ 21 ff. InsO die legislatorische Vorstellung zugrunde, dass die Verfahrensbeteiligten an einem gemeinsamen Ziel zu wirken haben. Das ist keine „bloß akademische“ Unterstellung, die in praxi leidvoll eines Schlechteren belehrt wird, sondern gehört zu den Grundstrukturen nichtstreitiger Verfahren der Personenund Vermögensfürsorge. Die von Friedrich Oetker42 vor mehr als einem Jahrhundert zum Konkursverfahren gezogene Parallele des vormundschaftsgerichtlichen Verfahrens macht dies deutlich. Der Konflikt zwischen Vormundschaftsgericht, vormundschaftsgerichtlich eingesetzten Vormund und den Eltern des Mündels kann ebenso nachhaltig sein, wie es der zwischen Ausgleichsverwalter bzw. vorläufigen Verwalter und Schuldner sein mag. Gleichwohl weist das Verfahren den Beteiligten normativ die Aufgabe zu, gemeinsam den Erhalt des Vermögens als Haftungsverband durch ihre Tätigkeit zu gewährleisten. Die „eigenen“ Interessen des Ausgleichsverwalters bzw. vorläufigen Verwalters an einer Vergütung oder des Schuldners daran, seine Schäfchen ins Trockene zu bringen, sind dabei natürlich nicht unbeachtlich. Für die Insolvenzpraktiker ist es ja nur recht und billig, dass sie gegen Vergütung arbeiten und es ist für das Handeln in marktwirtschaftlich verfassten Ökonomien geradezu konstitutiv, dass ein Wirtschaftsobjekt auch als Schuldner seine Interessen bei seinem Handeln berücksichtigt. Diese (subjektiven) Interessen der Verfahrensbeteiligten sind aber nicht Verfahrensgegenstand. 18

Wie der BGH in seiner „Richtungsentscheidung“ vom 18. Juli 200243 gezeigt hat, hat das Gericht bei seiner Entscheidung nach § 21 Abs. 2 InsO sich vom Grundsatz 41 Wie die Konkurskodifikationen des 18. Jahrhunderts den unwürdigen Schuldner bezeichnet haben; vgl. die Hamburger Fallitenordnung von 1753, zit. Nach der Ausgabe der Ratsdruckerei 1823, dort Art. 102 (S. 81 f.): „Vorsetzliche und boshafte Falliten sind demnach (1) Die, wenn sie ihre Gläubiger noch befriedigen können, dennoch mit Fleiß um sich zu bereichern, bankerott machen, ihre Güter verhehlen, die Bücher an die Seite bringen und wohl gar mit großen Summen Geldes darvon laufen.“ Weiterhin werden Aktiengeschäfte in ausländischen Compagnien, falsche Wechselgeschäfte, aber auch „(4) die genannt, „welche sich durch ein üppiges, wollüstiges Leben, Spielen, und dergleichen, ins Verderben stürzen“. Ganz zeitgemäß heißt es schließlich unter „(7) Die, welche währender Untersuchung ihres Status bonorum davon laufen und eydbrüchig werden, oder gar etwas mit sich nehmen und endlich (8) Die, welche in gefährlicher Absicht und zur Verhehlung ihres Status, zur Zeit ihres Austritts ihre Bücher und Journale nicht in guter Ordnung haben“. Dieser Text versucht den heutigen Autor zu der Bemerkung, es bedürfe kaum einer genaueren Beschreibung. Herrn Rolf Rattunde danke ich an dieser Stelle für das wertvolle Geschenk der Fallitenordnung! 42 Oetker, Konkursrechtliche Grundbegriffe, S. 31 f. 43 BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, m. Besprechung durch Smid, Gesetzlich zulässige Reichweite der Entmachtung von Schuldnern und schuldnerischen Gesellschaftsorganen und der Ermächtigung des vorläufigen Verwalters durch insolvenzgerichtliche Anordnung nach §§ 21, 22 InsO, DZWIR 2002, S. 444; ebenfalls hierzu: Kirchhof, ZinsO 2004, S. 57; Begründung von Masseverbindlichkeiten im vorläufigen Insolvenzverfahren.

C. Österreichischer Ausgleichsschuldner

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der Verhältnismäßigkeit bei der Beschränkung der Befugnisse des Schuldners leiten und damit die Austarierung von Schuldner- und Verwalterbefugnissen im Eröffnungsverfahren44 von dessen Gegenstand her bestimmen zu lassen. Im früheren deutschen Vergleichsverfahren – und noch heute in Österreich im Ausgleichsverfahren – ist diese Abwägung von rechtlichen Interessen von Schuldner und Ausgleichsgläubigern durch den Gesetzgeber vollzogen worden, ohne dass es für das Ausgleichsgericht über § 3 Abs. 2 AO hinausreichende Ermessensbefugnisse gäbe.

Während die Eigenverwaltung des Ausgleichsschuldners im Ausgleichsver- 19 fahren wie im früheren deutschen Vergleichsverfahren ihre Berechtigung aus den beiden Elementen Konkursabwendung einerseits und hohe Formalisierung der Ausgleichsvoraussetzungen andererseits bezieht (vgl. oben A.), sieht das österreichische Recht bekanntlich die Eigenverwaltung in einem „echten“ Insolvenzverfahren für den Fall des Privatkonkurses vor, worauf im Folgenden (Kapitel 2) einzugehen sein wird. Der Konkurs hat die Funktion der Liquidation des schuldnerischen Vermö- 20 gens zum Zwecke der Auskehr des Liquidationserlöses an die Gläubiger. Nicht allein für das österreichische Recht muss diese Behauptung mit der Ein- 21 schränkung versehen werden, dass der Privatkonkurs mit anschließendem Abschöpfungsverfahren seinem Grunde nach primär die Schuldenregulierung und damit die Sanierung des Schuldners zum Verfahrenziel hat. Dabei kann man sich nicht auf den Standpunkt stellen, der Privatkonkurs sei eine „Sondererscheinung“ für insolvente natürliche Personen. Im Gegenteil zeigt z. B. § 1 S. 2 InsO für das deutsche Recht, dass die Restschuldbefreiung vom Gesetzgeber im Allgemeinen als Ziel des Insolvenzverfahrens unabhängig davon definiert wird, um welche Art von Insolvenzschuldner es sich in concreto handelt. Wenn hier davon die Rede ist, Funktion des Konkurses sei die universalexekutorische Liquidation des schuldnerischen Vermögens, wird damit angesprochen, dass es dem Gesetzgeber frei steht, auf welchem Wege er das Problem der Verschuldung Privater oder das von Nachforderungsrechten nach Abschluss eines Konkursverfahrens lösen will.45 Außerhalb des Bereichs des Privatkonkurses ist indes das österreichische Konkursverfahren durch die Vermögensliquidation gekennzeichnet.

Dem US-amerikanischen Recht des automatic stay, den der Schuldner gegen- 22 über einem zerschlagend-liquidierenden Zugriffs seiner Gläubiger auf sein Vermögen erlangen kann, entspricht am ehesten das Ausgleichsverfahren. Das Gesetz nennt in § 7 Abs. 2 AO den Konkursschutz als zentrale Aufgabe des Ausgleichsverfahrens. Danach wird die Entscheidung über einen Antrag auf 44 Das deutsche Eröffnungsverfahren ist selbstverständlich kein Ausgleichsverfahren und letzteres nicht mit einem Eröffnungsverfahren zu verwechseln. Die sachliche Problemstellung im Hinblick auf die Rechtsmacht des Schuldners ist aber für ein eröffnetes Insolvenzverfahren – zu dem das Ausgleichsverfahren – zählt mit der im Eröffnungsverfahren nicht ungleich gelagert, denn es geht immer darum, wieweit Eingriffe in die Rechtsstellung des Schuldners gerechtfertigt sind. Vgl. J. Roth, Interessenwiderstreit im Insolvenzeröffnungsverfahren, 2004, S. 96 ff. 45 Es mag dabei dahingestellt bleiben, ob aus einer Sachbezogenheit der vom Gesetzgeber zu lösenden Aufgaben dessen Gestaltungsmöglichkeiten begrenzt sind.

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Kap. 1: Beschränkung auf Reorganisationsverfahren

Konkurseröffnung ausgesetzt, wenn ein Ausgleichsantrag gestellt worden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Schuldner oder ein Ausgleichsgläubiger den Antrag gestellt hat. 23

Neben der konkurslichen Liquidation schließt die Einleitung eines Ausgleichsverfahrens auch die exekutorische Befriedigung eines Gläubigers nach Maßgabe der Regelung des § 10 Abs. 1 AO.46 Allein bevorrechtigte Gläubiger und Aus- und Absonderungsberechtigte können nach Maßgabe der §§ 10 Abs. 4 AO47 und § 23 AO ihre Rechte trotz Einleitung des Ausgleichsverfahrens verfolgen. Wie sich in den ersten einleitenden Kapitel bei der Betrachtung des debtor in possession nach amerikanischem Recht gezeigt hat, ist die Kehrseite der Funktion des Schutzes des Vermögens vor liquidierenden „Konkurs“ und Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen der Schutz der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners. Im Ausgleichsverfahren bleiben die Befugnisse des Schuldners zur Verwaltung seines Vermögens weitgehend erhalten. § 8 AO untersagt ihm allein die Vornahme bestimmter Rechtsgeschäfte wie der Veräußerung von Liegenschaften und der Bestellung von Absonderungsrechten an seinem Vermögen, der Eingang von Bürgschaften und unentgeltlichen Verfügungen (§ 8 Abs. 1 S. 1 AO), die den Gläubigern gegenüber unwirksam sind (§ 8 Abs. 1 S. 2 AO). Im Übrigen ordnet § 8 Abs. 2 AO eine Reihe von Beschränkungen der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Schuldners an. § 8 Abs. 2 S. 1 AO macht die Schließung bzw. Wiedereröffnung seines Unternehmens durch den Schuldner von der Bewilligung des Ausgleichsgerichts abhängig, für die nach dem zweiten Halbs. der Vorschrift des § 115 KO entsprechend anzuwenden ist. Danach hat die Bewilligung die Funktion, eine Erhöhung des Ausfalls für die Ausgleichsgläubiger zu vermeiden.48 Die einzelnen Prüfungsschritte, denen das Konkursgericht hierbei zu folgen hat49, sind für die hier anzustellenden Überlegungen über die Reichweite der Befugnisse des Ausgleichsschuldners als eine Erscheinungsform eines debtor in possession nicht erheblich.50 Gehören die dem Ausgleichsschuldner durch § 8 Abs. 1 AO verbotenen Tätigkeiten, wie die Veräußerung von Liegenschaften zum gewöhnlichen 46

Hayek, Ausgleichsordnung, § 10 RdNr. 2. Hayek (Fußn. 46) RdNr. 3 ff. 48 Buchegger, Die Ausgleichserfüllung, insbesondere S. 164 ff. zum Überwachungsausgleich. 49 Vgl. Riel, Neuerungen bei der Unternehmensveräußerung, in: Konecny (Hrsg.) Insolvenzforum 2002, S. 146 ff.: Gegenüberstellung einer von einer sofortigen Unternehmensschließung mit anschließender Liquidation ausgehenden Eröffnungsbilanz unter Zugrundelegung von Zerschlagungswerten bei der Bewertung der Aktiva mit dem Ergebnis einer Fortführungsprognose unter Zugrundelegung einer vorläufigen Fortführungsdauer bei Berechnung der dabei entstehenden fixen und variablen Kosten gegenüber voraussichtlichen Erlösen und dem Ertrag einer möglich günstigen Gesamtveräußerung. 50 Vgl. zu diesen Fragen: Chalupsky/Ennöckel, Unternehmensfortführung S. 45; Lentsch, Unternehmensfortführung S. 41 f. 47

C. Österreichischer Ausgleichsschuldner

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Geschäftsbetrieb des Ausgleichsschuldners, ist er grundsätzlich entgegen § 8 Abs. 1 AO dazu befugt, diese Geschäfte vorzunehmen. Die Gesetzessystematik macht zunächst den Zugang hierzu etwas problematisch. Die Reichweite der Befugnisse des Schuldners ergibt sich aus § 8 Abs. 1 S. 2 AO, der anordnet, wann der Schuldner zu Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen der Zustimmung des Ausgleichsverwalters bedarf.51 Dies ist der Fall, wenn sie nicht zum gewöhnlichen Unternehmensbetrieb sowie zu den in Abs. 1 der Vorschrift bezeichneten Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen gehören, sofern diese im Rahmen des gewöhnlichen Unternehmensbetrieb liegen. Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AO sind die dort genannten Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte dem Schuldner nur in der Zeit zwischen dem Eröffnungsantrag und der Ausgleichseröffnung verboten. Im Folgenden ist auf die Reichweite der Einschränkungen, denen die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Ausgleichsschuldners unterworfen werden, näher einzugehen. Hier ist zunächst darauf hinzuweisen, dass spiegelbildlich zu der Beschränkung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Ausgleichsschuldners dem Ausgleichsverwalter die Aufgabe gesetzlich überantwortet wird, anstelle des Ausgleichsschuldners tätig zu werden (§ 30 Abs. 1 S. 3 AO). Der Ausgleichsverwalter hat mithin im Wesentlichen Aufgaben der Ermittlung von Entscheidungsgrundlagen als Sachverständiger (vgl. § 30 Abs. 1 S. 1 AO) vorzunehmen. Eng damit korrespondiert, dass der Ausgleichsverwalter Überwachungsfunktionen wahrzunehmen hat, namentlich die Geschäftsführung des Schuldners sowie die Ausgaben für dessen Lebensführung zu überwachen hat, § 30 Abs. 1 S. 2 AO. Nach alledem ist der Ausgleichsverwalter nicht Vertreter des Ausgleichsschuldners oder der Ausgleichsgläubiger, soweit er nicht nach § 30 Abs. 5 AO über die Rechtsmacht verfügt, bestimmte Rechtshandlungen mit Wirkung für oder gegen das schuldnerische Vermögen vorzunehmen. Die Befugnisse des Ausgleichsverwalters sind nach außen durch den Zweck seiner Tätigkeit begrenzt. Gem. § 30 Abs. 5 kann das Ausgleichsgericht die Befugnisse des Verwalters zwar beschränken, nach außen hin wirken diese Beschränkungen aber nur dann, wenn der Dritte hiervon Kenntnis hatte oder haben musste.52 Im Schrifttum53 wird dies zusammenfassend so formuliert, dass der Ausgleichsverwalter „in erster Linie ein überwachendes Organ“ sei, während die aktive Geschäftsführung beim Ausgleichsschuldner bleibe. Nach zutreffender Ansicht54 behält der Schuldner mithin seine zivil- und pro- 24 zessrechtliche Handlungsfähigkeit in den Grenzen des ihr durch § 8 Abs. 2 AO 51 Grießer, ZIK 1995, S. 169; Konecny, Zur Zustimmung des Ausgleichsverwalters nach den §§ 20b und c AO, ZIK 1995, S. 69, 70. 52 Hayek (Fußn. 46) § 30 RdNr. 7. 53 Hayek (Fußn. 46) § 8 RdNr. 1. 54 Konecny JBl 1986, S. 353.

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Kap. 1: Beschränkung auf Reorganisationsverfahren

gesetzten Rahmens. Danach bedarf der Schuldner ab Ausgleichseröffnung zur Schließung oder Wiedereröffnung seines Unternehmens der gerichtlichen Bewilligung. Dabei ist § 115 KO anzuwenden, der die vom Gericht anzuwendenden Kriterien hierzu regelt. Abs. 2 zweiter Satz erweitert zur Verstärkung der Kontrolle die Liste jener Angelegenheiten, die der Zustimmung des Ausgleichverwalters bedürfen.55 25

Wird die Rechtsmacht (die Geschäfts- und Handlungsfähigkeit des Ausgleichschuldner nicht eingeschränkt56 sieht das Gesetz doch Verfügungsbeschränkungen gem. § 8 Abs. 1 AO vor.57 Nimmt der Ausgleichsschuldner ihm verbotene Rechtshandlungen vor, sind diese im Verhältnis zu seinen Gläubigern relativ unwirksam, § 8 Abs. 3 AO. Die Handlungs- und Verfügungsfähigkeit des Schuldners wird dadurch nicht beschnitten58. Er bleibt partei- und prozessfähig59, was schon daraus folgt, dass Prozesshandlungen nicht relativ unwirksam, sondern nur wirksam oder nichtig sein können.60 Demzufolge ist bereits vor der Reform des Jahres 1993 unter der Geltung des IRÄG 1982 die Auffassung vertreten worden, die Prozessführungsbefugnis des Ausgleichsschuldners könne nicht nach § 8 Abs. 2 AO auf den Ausgleichsverwalter übertragen werden61 – was nach der Reform 1993 bestärkt ist. Die Rechtshandlungen des Ausgleichsschuldners sind daher „innerprozessual“ wirksam, auch wenn der Prozess einen von § 8 Abs. 1, 2 AO erfassten Gegenstand betrifft62 oder nach § 3 Abs. 2 AO eine Mitwirkung des Ausgleichsverwalters konkursgerichtlich angeordnet ist.63

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Daher wird der Schluss64 darauf gezogen, dass im Unterschied zum Konkurs aus dem schuldnerischen Vermögen kein rechtliches Sondervermögen gebildet werde, das der Fremd- oder Eigenverwaltung unterworfen werde, wie durch die Einsetzung eines Masseverwalters oder durch die von Gesetzes wegen mit Eröffnung des Privatkonkurses eintretende Eigenverwaltung des Schuldners über die zu bildende Konkursmasse. Hierauf ist im Folgenden (Kapitel 2) einzugehen. Denn der Ausgleich stellt sich in seinen materiellen Wirkungen als Vereinbarung zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern über eine Zahlungsstundung bzw. einen Schuldenerlass dar.65 Konkursgericht und Ausgleichsverwalter 55 Konecny, Zustimmung des Ausgleichsverwalters nach den §§ 20b und c AO, ZIK, 1995, S. 69. 56 OGH 15.2.1979 EvBl. 1979/207 = ZVR 1980/73. 57 OGH 8.2.1967 EvBl. 1967/409; Mohr, Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung, § 8 AO Anm. E 19. 58 Mohr (Fußn. 57) § 8 AO E 25. 59 LGZ Wien 3.10.1953 EvBl. 1954/7. 60 Konecny (Fußn. 54) S. 355, 356. 61 Konecny (Fußn. 54) S. 359 m. w. Nachw. 62 Konecny (Fußn. 54) S. 360. 63 Konecny (Fußn. 54) S. 361 f. 64 Konecny (Fußn. 54) S. 364 et passim.

C. Österreichischer Ausgleichsschuldner

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haben daher allein die Aufgabe, zum Schutz der Ansprüche der Ausgleichsgläubiger eine ordnungsgemäße Wirtschaft des Ausgleichsschuldners zu gewährleisten. § 1 Abs. 1 AO bestimmt, dass der Schuldner den Antrag auf Ausgleich beim 27 Konkursgericht einreichen kann, wenn die Konkursvoraussetzungen gemäß §§ 66, 67 KO vorliegen, also Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten sind, oder wenn drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt66. Diese Möglichkeit, der Antragstellung im Falle drohender Zahlungsunfähigkeit, also vor Eintritt materieller Insolvenz ist erst nachträglich67 in das Gesetz mit der Begründung eingeführt worden, das die Möglichkeit der Eröffnungs des Ausgleichsverfahrens bei drohender Zahlungsunfähigkeit dem legislatorischen Ziel entspräche, eine möglichst rechtzeitige Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens zu erleichtern, um dem Schuldner eine Sanierung zu ermöglichen. Im Unterschied zum deutschen Eigenverwaltungsrecht, das – wie noch näher 28 zu zeigen sein wird – an generalklauselartig gefasste Tatbestände der „Nachteiligkeit“ für die betroffenen Gläubiger anknüpft, ist das Ausgleichsverfahren als ein Verfahren der Eigenverwaltung des Schuldners nach den §§ 7 ff. AO an hoch formalisierte, sehr einfache Tatbestände geknüpft. Abgesehen davon, dass § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AO die Unzulässigkeit des Ausgleichsverfahrens für Fälle statuieren, in denen der Schuldner gleichsam „ausgleichsunwürdig“ ist, weil er wegen betrügerischerer Krida rechtskräftig verurteilt worden ist oder entweder innerhalb der letzten fünf Jahre vor Stellung des Antrags auf Ausgleichsverfahrenseröffnung ein Konkurs- oder Ausgleichsverfahren über sein Vermögen rechtskräftig eröffnet oder mangels hinreichenden Vermögens die Eröffnung eines Konkursverfahrens oder Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens rechtskräftig abgelehnt worden ist, stellt § 3 Abs. 1 Nr. 3 AO die entscheidende formelle Hürde für die Stellung eines Ausgleichsantrags dar. § 3 Abs. 1 Nr. 3 AO bestimmt, dass durch den Ausgleich die Aussonderungsrechte unangetastet bleiben und befriedigt zu werden haben, den absonderungsberechtigten Gläubigern volle Befriedigung zu gewähren und eine volle Befriedigung den bevorrechtigten Forderungen zuteil zu werden hat. Im Übrigen ordnet die zitierte Vorschrift an, dass die nicht berechtigten Forderungen innerhalb von zwei Jahren vom Tag der Annahme des Ausgleichsvorschlags gerechnet mindestens 40 % Befriedigung zu erlangen haben68. In dem hier zu erörternden Zusammen65

Hayek (Fußn. 46) § 1 RdNr. 1; S. 30, 32, 40 ff., et passim. Hayek (Fußn. 46) § 1 RdNr. 2. 67 RV 734 BlgNr 20GP zu § 1. 68 Während der Schutz von aus- und absonderungsberechtigten sowie den bevorrechtigten Gläubigern nicht ausdrücklich dadurch verwirklicht werden muss, dass der Ausgleichsvorschlag diesen Gläubigern ausdrücklich Vollbefriedigung anbietet, ist dies im Hinblick auf die 40 % Untergrenze der Fall, Hayek (Fußn. 46) § 3 RdNr. 3, 2. Abs. 66

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Kap. 1: Beschränkung auf Reorganisationsverfahren

hang ist weniger von Interesse, dass mit den Schranken des § 3 Abs. 1 Nr. 3 AO Voraussetzungen für eine Schuldenreorganisation des gemeinschuldnerischen Unternehmensträgers gesetzt werden, die sehr hoch angesiedelt sind. Das Unternehmen, das die Absonderungsrechte abzulösen und die bevorrechtigten Gläubiger zu befriedigen und darüber hinaus noch wenigstens 40 % der ungesicherten Forderung zu bedienen im Stande ist, wäre jedenfalls aus der Sicht der deutschen Praxis nicht als insolvent anzusehen. Hier interessiert indes, dass dem Schuldner ein Verfahren der Reorganisation unter Gewährung von Konkursschutz und Fortdauer seiner Eigenverwaltung eröffnet wird. 29

§ 3 Abs. 1 Nr. 3 AO entspricht dem § 7 Abs. 1, 2 VerglO. Demgegenüber entsprechen die Nrn. 1 und 2 des § 3 Abs. 1 AO den §§ 17, 18 VerglO. Liegen die Unzulässigkeitsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 AO nicht vor und ist auf den damit zulässigen Antrag des Ausgleichsschuldners das Ausgleichsverfahren durchzuführen, ist die zwingende Folge hieraus, dass er seine volle zivil- und prozessrechtliche Handlungsfähigkeit im Rahmen einzelner Verfügungsbeschränkungen des im § 3 Abs. 1 AO behält69 und Einspruchsrechte des Ausgleichsverwalters gem. § 8 Abs. 2 AO zu beachten und richterliche Verbote gem. § 3 Abs. 2 AO zu befolgen hat. Eine besondere Nachteilsprüfung, wie sie von § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO vorgesehen wird, ist daher im Rahmen des Konkursschutzes nach dem österreichischen Ausgleichsrecht nicht anzustellen. Es liegt nahe, dass dieses System auch Vetorechte nicht zulässt, wie sie in Deutschland § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO zu normieren scheint.

D. Nordisches Ausgleichsrecht am Beispiel des dänischen Konkursrechts I. Das Ausgleichsangebot des Schuldners 30

Im Folgenden soll die Regelung des Zwangsakkords des dänischen Konkursloven als Beispiel für nordeuropäische Regelungen angeführt werden, in denen einem eigenverwaltenden Schuldner die Möglichkeit einer ausgleichsweisen Reorganisation, aber auch die einer Liquidation nach einem Ausgleichsvorschlag70 eröffnet wird. Die ausgleichsweise Liquidation ermöglicht es dem Schuldner, aufgrund seiner eigenen Initiative unter Aufsicht des Gerichts seine Gläubiger unter Wahrung des Grundsatzes par condicio creditorum (§ 160 Konkursloven71) wenigstens teilweise zu befriedigen und deshalb eine Restschuldbefreiung zu erlangen; deshalb wird der Liquidationsausgleich gegenüber der außergerichtlichen Regelung als vorzugswürdig angesehen.72 69 70 71

Hayek (Fußn. 46) § 3 RdNr. 5. Lindencrone Petersen/Ørgaard, Insolvency law, 1996, p. 165. Lindencrone Petersen/Ørgaard (Fußn. 70) p. 175.

E. Italienisches Insolvenzrecht

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Der Ausgleich kann eine prozentuale Herabsetzung der Forderungen (§ 157 Abs. 1 31 Nr. 1 Konkursloven), die (Verwertung und) Verteilung des schuldnerischen Vermögens (§ 157 Abs. 1 Nr. 2 Konkursloven) oder die Stundung der Forderungen (§ 157 Abs. 1 Nr. 3 Konkursloven) zum Gegenstand haben.73 Der Schuldner muss aber gem. § 161 Konkursloven wenigstens 25 % auf die Forderungen leisten.74

II. Eigenverwaltungsbefugnis des Schuldners Das Ausgleichsangebot des Schuldners rechtfertigt es nicht anders als im 32 österreichischen Recht, ihm eine weitgehende Eigenverwaltungsbefugnis zu belassen. Um sicherzustellen, dass die Reorganisation Aussicht auf Erfolg hat, wird der Schuldner durch § 164 Konkursloven75 verpflichtet, seinen Akkordvorschlag zwei Treuhändern (fagkyndige tillidsænd ved akkordforhandlinger76) zur Prüfung vorzulegen, die durch das Justizministerium bestellt werden. Im Übrigen kann das Konkursgericht gem. § 168 Abs. 2 Konkursloven77 einen Sachwalter bestellen, der die Geschäftstätigkeit des Schuldners überwacht. III. „Mischmodell“ Das dänische Recht stellt eine Regelung dar, die im Zusammenhang dieser 33 Untersuchung als „Mischmodell“ qualifiziert werden kann. Der Ausgleichsvorschlag des Schuldners überschreitet die engen Grenzen des Ausgleichs, wie ihn das österreichische Recht als Instrument der Konkursabwendung kennt und ist erkennbar dem des debtor in possession angenähert.

E. Eigenverwaltung im italienischen Insolvenzrecht I. Abgrenzung von liquidierendem Verfahren, Zwangsausgleich und Ausgleich Ausschließlich im Falle des Erlasses eines dem deutschen Eröffnungsbe- 34 schluss entsprechenden sentenza dichiarativa di fallimento78 gem. Art. 16 codice fallimentare wird ein curatore gem. Art. 27 codice fallimentare eingesetzt. 72

Lindencrone Petersen/Ørgaard (Fußn. 70) p. 165. Lindencrone Petersen/Ørgaard (Fußn. 70) pp. 167; Munch/Lindencrone Petersen/ Ørgaard, Konkursloven, 2d edit. 2001, § 157 (p. 726). Die Regelung hat die Reichweite, die die §§ 233, 224 der deutschen InsO für einen Insolvenzplan vorsehen. 74 Lindencrone Petersen/Ørgaard (Fußn. 70) pp. 169, 176. 75 Lindencrone Petersen/Ørgaard (Fußn. 70) p. 181. 76 Munch/Lindencrone Petersen/Ørgaard, Konkursloven, 2d edit. 2001, § 164 (p. 742). 77 Lindencrone Petersen/Ørgaard (Fußn. 70) p. 184. 73

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Kap. 1: Beschränkung auf Reorganisationsverfahren

Auf den curatore geht gem. Art. 31 codice fallimentare die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners über. 35

Der curatore wird in der zweisprachigen, insbesondere für den deutschsprachigen Gerichtsgebrauch in der autonomen Provinz Alto Adige bestimmten Ausgabe des codice fallimentare mit dem österreichischen Rechtsbegriff des „Masseverwalters“79 übersetzt z. B. zu Artt. 16, 28, 30, 43 Abs. 1 codice fallimentare).80 Die Einleitung eines Konkursverfahrens hat daher zur Folge, dass der eingesetzte curatore gem. Art. 43 sowohl in nach Eröffnung des Verfahrens anzustrengenden Rechtsstreitigkeiten für oder gegen die Masse als auch vor Eröffnung des Verfahrens laufenden Verfahren als Partei kraft Amtes (so ausdrücklich: Art. 30) prozessführungsbefugt wäre. Spiegelbildlich dazu verhält sich der Verlust der Prozessführungsbefugnis des Schuldners.81

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Der concordato preventivo, der mit Dekret vom 4. Oktober 1999 eingeleitet wurde, ist demgegenüber ein konkursabwendendes82 Verfahren, das dem früheren deutschen Vergleich bzw. dem heute noch geltenden österreichischen Ausgleichsverfahren entspricht. Dieses Verfahren kann in einen Anschlusskonkurs übergeleitet werden, Artt. 179, 162 sec. c.; zwingend ist dies ebensowenig wie im österreichischen oder im früheren deutschen Recht. Auch für den Fall der Anordnung des Verfahrens des concordato preventivo ist grundsätzlich ein Übergang der Prozessführungsbefugnis vom Schuldner auf den commissario gudiziale nicht vorgesehen83; im Allgemeinen ist die Vorschrift des Art. 43 codice fallimentare nicht einschlägig; an einer vergleichbaren besonderen Vorschrift fehlt es, wie im Schrifttum ausdrücklich festgestellt wird.84 Bei der liquidazione coatta ammistrativa handelt es sich um ein Zwangsliquidationsverfahren, wonach für bestimmte Unternehmen, für die Konkursexemtionen gelten, eine besonders verwaltungsrechtliche Zwangsliquidation durchgeführt wird. Auch in diesem Verfahren würde übrigens die Prozessführungsbefugnis der zu liquidierenden Partei auf einen Liquidationskommissionär (commissario liquidatore, Art. 200) übergehen.85

78 Bonacini, Gli effetti della sentenza dichiarative di fallimento nei condronti die creditori, 1999; Bongiorno, L’apertura del processo di fallimento, in: Problemi e prospettive del processo di fallimento, 1989. 79 Vgl. allein Feil, Konkursordnung, 3. Aufl. 2000, § 81 RdNr. 1. 80 D’Amora/Quatraro, Il curatore fallimentare, 1999; Bosco/Cesaris/Pajardi/Pajardi, Il curatore del fallimento, 2000; Frigeni, Il curatore, in: Cinquant’anni della legge fallimentare (1942–1992), pp. 255 ss. 81 Pajardi, Codice fallimentare, Comm., Art. 43 Anm. 4; Satta, Diritto fallimentare, pp. 165 ss., 170: „Form der Rechtsnachfolge“ durch curatore. 82 So ausdrücklich z. B. Satta, Diritto fallimentare, p. 8. 83 Nardo, in: I contratti nelle procedure concorsuali, 1992. 84 Pajardi, Codice fallimentare, Comm., Art. 167 Anm. 4. 85 Pajardi (Fußn. 84) Art. 43 Anm. 4 und Art. 200 Anm. 4.

E. Italienisches Insolvenzrecht

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II. Ammistrazione controllata – Eigenverwaltung des Schuldners im Verfahren der ammistrazione controllata Ammistrazione controllata (Titel 4 des codice fallimentare, Artt. 187) wird in 37 der zweisprachigen Ausgabe des codice fallimentare als „Geschäftsaufsicht“ übersetzt und damit ebenso von dem concordato, dem concordato preventivo als auch von der liquidazione coatta amministrativa86 nach den unter Titel V des codice fallimentare gefaßten Artt. 194 unterschieden. Ein Übergang der Prozessführungsbefugnis vom schuldnerischen Unterneh- 38 mensträger auf einen gerichtlich bestellten Amtsträger ist im Falle der Anordnung des Verfahrens der ammistrazione controllata grundsätzlich nicht vorgesehen.87 Die Vorschrift des Art. 43 codice fallimentare greift in diesem Verfahren nicht. M. a. W. bleibt die Vertretungsbefugnis der gesellschaftsrechtlich bestellten Organe im Allgemeinen im Verfahren der ammistrazione controllata auch in Ansehung der Prozessführungsbefugnis der Schuldnerin bestehen.88 In der Literatur89 wird darauf hingewiesen, dass die ammistrazione controllata am 39 ehesten dem Verfahren nach dem österreichischen UnternehmensreorganisationsG (URG) entspricht, in dem ebenfalls keine Fremdverwaltung des Schuldnervermögens, sondern allein eine Reorganisationsprüfung (§ 8 URG) angeordnet wird.90 Da die ammistrazione controllata dem Schuldner Schutz vor dem Zugriff seiner Gläubiger zum Zweck der Bewältigung einer vorübergehenden Liquiditätsproblematik zur Vermeidung auch eines konkursabwendenden Vergleichs/Ausgleichs (concordato preventivo) gewähren soll91, bleibt die Befugnis zur Verwaltung seines Vermögens beim Schuldner.92 An dieser Stelle genügt der Hinweis darauf, dass mit der ammistrazione controllata anders als durch den Beweisbeschluss angesprochen keine Eröffnung eines Konkursverfahrens verwirklicht wird.93

86 Del Vecchio, La liquidazione coatta amministrativa, 1998; Bonsignori, La liquidazione coatta ammistrativa, in: Cinquant’anni della legge fallimentare (1942–1992); ders., La liquidazione coatta ammistrativa e la ammistrazione straordinaria in rapporto als progetto di riforma del codice di procedura civile, in: Prospettive della riforma della legge fallimentare, 1989, p. 97 ss. 87 Nardo, Ammistrazione controllata, in: I contratti nelle procedure concorsuali, 1992. 88 Zusammenfassend: Mollura, L’ammistrazione controllata delle societá, 1989; Blandini/Gramatica, La procedura di ammistrazione controllata, 1999. 89 Smid, Prozessführungsbefugnis des gemeinschuldnerischen Unternehmensträgers in den konkursgerichtlichen Reorganisationsverfahren in Italien der ammistrazione controllata und des concordato preventivo, DZWIR 2003, S. 57. 90 Feil, Konkursordnung, § 10 URG, RV 734 BlgNR 20. GP zu § 10. 91 Satta, Diritto fallimentare, p. 9, pp. 517 ss. 92 Satta, Diritto fallimentare, pp. 526 ss. 93 Paluchowski, L’ammistrazione straordinaria e l’ammistrazione controllata, in: Cinquant’anni della legge fallimentare (1942–1992), p. 55, pp. 63 ss.; diese Autorin spricht angesichts des Meinungsstreits in der italienischen Wissenschaft allerdings auch von diesem Rechtsinstitut als einem „monstrum“.

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Kap. 1: Beschränkung auf Reorganisationsverfahren

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Bei Anordnung der amministrazione controllata wird ein commissario giudiziale94 bestimmt, der die Qualifikation eines curatore haben muss, Art. 188c. 3 codice fallimentare. Das Tribunale kann von Amts wegen oder auf Antrag eines „Interessierten“ (Art. 191 codice fallimentare) anordnen, dass die Geschäftsführung des Unternehmens und die Verwaltung des Vermögens des Schuldners vom commissario giudiziale ausgeübt wird.95 Der Erlass eines solchen besonderen Dekrets ist nicht zwingend; es stellt den Ausnahmefall von der Ausübung der Vermögensverwaltung durch den Schuldner dar96; das ergibt sich allein schon aus der systematischen Stellung des Verfahrens der ammistrazione controllata als Moratorium, dem gegenüber sich die Anordnung eines concordato preventivo als „mehr“ darstellt.

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Soweit das Gesetz (insbesondere Art. 190 codice fallimentare) von „provvedimenti del giudice delegato“ spricht, darf im Übrigen die in der südtiroler zweisprachigen Ausgabe vorgenommene Übersetzung mit dem Ausdruck „Verfügungen des beauftragten Richters“ nicht zu der Annahme verleiten, damit seien materielle Verfügungen über die Masse gemeint. Das ergibt sich bereits aus der Stellung des giudice delegato, der, da über die Entscheidung wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Spruchkörper zuständig ist97 (Art. 9 codice fallimentare), zur Beaufsichtigung des Masseverwalters98 und zur Vornahme aller gerichtlichen Maßnahmen und Entscheidungen angelegentlich der Masseverwaltung zuständig ist. „Provvimenti“ i. S. v. Art. 190 codice fallimentare sind daher nicht als materielle Verfügungen über die Masse zu verstehen99, sondern in dem umfassenden Sinne insolvenzgerichtlicher Tätigkeiten, die in der deutschen Rechtssprache mit dem terminus der „Verrichtungen“ beschrieben werden.100

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Den Stand der Judikatur101 gibt eine Entscheidung des corte di cassazione102 wieder. In der zitierten Entscheidung hat der corte di cassazione ausdrücklich darauf erkannt, dass „dall’ammissione all’amministrazione controllata in con94 Zu dessen Stellung: Viale, Il procedimento di concordato preventivo, in: Cinquant’anni della legge fallimentare (1942–1992) pp. 277 ss. 95 Pajardi, Codice fallimentare, Comm., Art. 191 Anm. 2; Wood, Principles of International Insolvency, 12–13, p. 219. 96 LoCascio, L’amministrazione controllata, pp. 184 und p. 433; Censoni, Gestione commissariale e funzione dell’ammistrazione controllata, 1994; zum Ganzen auch Lanfranchi, Ammistrazione controllata e dirrito virgente, 1996. 97 Bongiorno, Il tribunale concorsuale, in: Cinquant’anni della legge fallimentare (1942–1992); Pajardi/Bocchiola, Gli organi del processo di fallimento, 1991. 98 Quatraro, La relazione del curatore al giudice delegato, in: Probleme e prospettive del processo fallimento, 1989. 99 Eingehend hierzu Luiso, Il guidice delegato, in: Cinquant’anni della legge fallimentare (1942–1992) pp. 233 ss. 100 Hierzu vgl. Pawlowski/Smid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, RdNr. 137. 101 Hierzu eingehend Smid (Fußn. 89) 57 ff.

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suegue per il debitore la perdita della capacità processuale attiva e passiva in relazione ai giudizi già iniziati.“ Dies bedeutet, dass die Prozessführungsbefugnis der Gemeinschuldnerin wegen bereits zum Zeitpunkt der Anordnung der ammistrazione controllata eingeleiteter Prozesse nicht beeinträchtigt wird. Dies hat in der italienischen Lehre zu einem Streit geführt. Dabei wird von 43 einigen Autoren103 die Meinung vertreten, die Prozessführungsbefugnis des Antragsstellers werde im Innenverhältnis gegenüber den Gläubigern durch Einleitung eines Verfahrens des concordato preventivo dadurch beschränkt, dass es sich bei der Prozessführung um „atti straordinaria amministrazione“ – also Maßnahmen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes – handle, die, wie es in Art. 167c. 2 codice fallimentare heißt, zu ihrer Wirksamkeit der „autorizzazione scritta del giudice delegato“ bedürften. Gegen diesen Ansatz sprechen allerdings erhebliche Bedenken. Zum einen unterscheidet sich die Struktur des Art. 167c. 2 codice fallimentare von derjenigen des Art. 43 des Gesetzes: Während letztere Vorschrift den Übergang der Prozessführungsbefugnis ausdrücklich anordnet spricht Art. 167c. 2 codice fallimentare nicht einfach von einer Unwirksamkeit solcher Handlungen, die ohne Autorisation durch den giudice delegato vom Schuldner vorgenommen worden sind. Vielmehr sind diese Maßnahmen gegenüber denjenigen Gläubigern relativ unwirksam, „rispetto ai creditori anteriori al concordato“ Diese relative Unwirksamkeit der ohne Autorisation vorgenommenen Rechtshandlungen ist dort konsistent, wo es um materiellrechtliche Verfügungen zu Lasten der in einem Anschlusskonkurs zu konstituierenden Masse ginge; im Hinblick auf auch nach italienischem Zivilprozessrecht bedingungsfeindliche Prozesshandlungen, zu denen die im In- oder Ausland vorgenommene Klageerhebung zu zählen ist, greift dies nicht. Der Meinung, die von einer Beschränkung der Prozessführungsbefugnis des 44 Schuldners im concordato preventivo im Innenverhältnis ausgeht, wird denn auch von anderen Literaturstimmen entgegengetreten.104 Diese Auffassung macht für sich den Wortlaut des Gesetzes (Art. 165 codice fallimentare bestimmt ausdrücklich, dass die Artt. 36–39, nicht aber Art. 43 codice fallimentare auf den commissario giudiziale Anwendung finden105) und die systematisch von der des liquidierenden Konkursverfahrens abweichende Struktur des

102 Corte di Cassazione, Sez. L – Sent. 4755 del 27.5.87, giurisprudenza fallimentare 1987, p. 77 m. einer krit. Anmerkung von Piero Pajardi, vgl. aber auch die zust. Anm. von Blandini/Gramatica (Fußn. 88) p. 336. 103 Cuneo, Le procedure concorsuali, p. 1433; LoCascio, Il coconcordato preventivo, p. 92. 104 Satta, Diritto fallimentare, pp. 489 ss.; De Semo, Diritto fallimentare, p. 542; Maffei Alberti, Commentario breve alla legge fallimentare, Art. 167 Anm. I 3. 105 Vgl. allein Pajardi, Codice fallimentare, Comm., Art. 165 Anm. 2: giustamenta si ritiene non potersi applicare un completo parallelismo tra la figura del curatore e quella del commissario giudiziale.

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Kap. 1: Beschränkung auf Reorganisationsverfahren

concordato preventivo geltend. Die Rechtshandlungen des Schuldners werden in Art. 167c. 2 danach in einer Weise behandelt, die mit der Regelung der Wirksamkeit von Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters in den §§ 160, 164 der deutschen Insolvenzordnung106 vergleichbar ist. Denn der commissario giudiziale hat nach Art. 172 codice fallimentare die Aufgabe, das Schuldnervermögen zu inventarisieren und der Gläubigerversammlung über das Verhalten des Schuldners Bericht zu erstatten.107 Dabei handelt es sich m. a. W. um Aufsichtsfunktionen108, um, u. a. im Falle der Verletzung seiner Pflicht zur Einholung der Genehmigung zur Vornahme der in Art. 167 codice fallimentare aufgezählten Rechtsgeschäfte durch den giudice delegato durch den Schuldner, ggf. eine Einleitung des Konkurses gem. Art. 173 codice fallimentare herbeizuführen. 45

Die höchstrichterliche italienische Rechtsprechung des corte di cassazione109 geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass wegen der Aufsichtsfunktionen des commissario giudiziale von der Beibehaltung der Prozessführungsbefugnis der gesellschaftsrechtlichen Organe der schuldnerischen Gesellschaft aus.

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Besonderheiten sind allerdings zu beachten im Falle eines Ausgleichs, der eine Abtretung des schuldnerischen Vermögens vorsieht, Artt. 182, 160c. 2 No. 2 codice fallimentare. In diesem Sonderfall verfügt das Konkursgericht am zuständigen Tribunale in dem den Ausgleich bestätigenden Beschluss den Übergang der Verfügungsbefugnis von den gesellschaftsrechtlichen Organen der Schuldnerin auf gerichtlich bestellte Liquidatoren. Auch insofern herrscht in der Literatur110 freilich Streit darüber, wie die Prozessführungsbefugnis in diesem Fall zu bestimmen ist. Darauf kommt es aber hier nicht an, denn nach Lage der Akten scheint sich die Klägerin noch im laufenden Verfahren des concordato preventivo zu befinden; die Einsetzung der Liquidatoren nach Art. 182 codice fallimentare setzt aber voraus, dass der Vergleichs-(Ausgleichs)schluss durch die Gläubiger angenommen und vom Konkursgericht bestätigt wird.

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Nach den Vorschriften des italienischen Konkursrechts ist daher ein Übergang der Vertretungs- und Verwaltungsbefugnis auf einen Zwangsverwalter nicht mit der Folge vorgesehen, dass die Vertretungsbefugnis der Gesellschaftsorgane beschränkt oder ausgeschlossen sind. Im italienischen Konkursrecht ist ein solcher Übergang der Befugnis zur Verwaltung des schuldnerischen Vermögens nur in den Fällen des „Regelverfahrens“ des liquidierenden Konkurses auf den curatore bzw. im Falle der liquidazione coatta ammistrativa auf den dort einzusetzenden commissario liquidatore vorgesehen.

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Smid, Insolvenzordnung. Kommentar, 1999, § 164 RdNr. 1. Pajardi, Codice fallimentare, Comm., Art. 172 Anm. 2. 108 Str., Satta, Diritto fallimentare, p. 453; krit. dagegen für eine weitere eigene Verwaltungskompetenz des giudice delegato LoCascio (Fußn. 103) pp. 348, 349. 109 Corte di cassazione, Sez. 1 – Sent. 4395 del 13.0587, Giurisprudenza fallimentare, 1987, p. 67; Corte di cassazione, Sez. 1 – sent. 0136 del 12.0188, giurisprudenza fallimentare 1988, p. 2. 110 Vg. allein Pajardi, Codice fallimentare, Comm., Art. 12 Anm. 3. 107

E. Italienisches Insolvenzrecht

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In der Literatur in Italien ist es wegen der Beurteilung des materiellrecht- 48 lichen Handelns des Schuldners umstritten, welche Funktion die nach Art. 167 codice fallimentare einzuholende Genehmigung des giudice delegato zu besonders wichtigen Maßnahmen der Verwaltung der Gemeinschuldnerin hat und welche Folgen daraus abzuleiten sind. Bereits über die Voraussetzungen, unter denen das Vorliegen eines atto di ammistrazione straordinaria (also einer „besonders wichtigen Maßnahme“) zu bejahen ist, besteht Streit.111 In der berufungsgerichtlichen Judikatur112 ist wegen des Unterschieds der ammistrazione controllata gegenüber dem Konkurs (fallimento) und der damit fortbestehenden Prozessführungsbefugnis des Schuldners die Prozessführung für die Masse nicht unter die atti straordinarii gefaßt worden.113 Einigkeit besteht darüber, dass das Nichtvorliegen der schriftlichen autorizzazione des giudice delegato114 nicht zur Unwirksamkeit von solchen Rechtsgeschäften inter partes führt, die von den Organen der Gemeinschuldnerin gleichwohl vorgenommen worden sind.115 Bei art. 167 codice fall. geht es um den Schutz der Gläubigergleichbehandlung (par condicio creditorum); der corte di cassazione116 betont dies in einer Entscheidung, in der es um die Wirksamkeit einer vom Schuldner begründeten Garantiererklärung ging. Dabei ist zu beachten, dass die autorizzazione unstreitig nachgeholt werden 49 kann.117 Weiterhin ist zu beachten, dass selbst im Falle einer Überantwortung von Befugnissen zur Vermögensverwaltung durch das Konkursgericht vom Schuldner auf den guidice delegato gem. Art. 191c 1 codice fallimentare nicht die Wirkungen des art. 41 codice fallimentare ausgelöst werden.118 Bei einer Verletzung des Genehmigungsvorbehalts sieht das Gesetz einen Sanktionsmechanismus vor in Form der Einleitung eines Konkursverfahrens gem. § 173 codice fallimentare.119

111

Trib. Milano 2 nov 1992, zit. n. Blandini/Gramatica (Fußn. 88) pp. 339 ss. Corte d’Appello di Napoli, 21 dic. 1961, zit. n. Blandini/Gramatica (Fußn. 88) pp. 348, 350. 113 Ein anderer Fall ist die Aktivlegitimation des Schuldners wegen eines Bestreitens gegen Forderungen von Insolvenzgläubigern, vgl. Corte di cassazione, 15 maggio 1993, n. 5569, zit. n. Blandini/Gramatica (Fußn. 88) pp. 374, 376. 114 Luiso, Il giudice delegato, in: Cinquant’anni della legge fallimentare (1942– 1992) pp. 235 ss. Die autorizzazione, von der p. 238 die Rede ist, betrifft allerdings den curatore. 115 LoCascio (Fußn. 103) p. 352; Maffei Alberti, Commentario breve, Art. 167 Anm. II 3. 116 Corte di cassazione, 15 maggio 1993, n. 5569, zit. n. Blandini/Gramatica (Fußn. 88) pp. 374, 375. 117 Statt aller LoCascio (Fußn. 103) p. 352. 118 Pajardi, Codice fallimentare, Comm., Art. 41 Anm. 3. 119 LoCascio (Fußn. 103) p. 352 unten; Maffei Alberti, Commentario breve, Art. 167 Anm. VI 3; Satta, Diritto fallimentare, p. 492. 112

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Kap. 1: Beschränkung auf Reorganisationsverfahren

F. Eigenverwaltung und Konkursverfahren 50

Nach diesen Erwägungen muss noch geprüft werden, ob und in welchem Umfang Eigenverwaltung, Reorganisation bzw. Ausgleich und Eigenverwaltung mit der materiellen Insolvenz des Schuldners verbunden sind.

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Ob das Verfahren nach chapter 11bc die materielle Insolvenz des Schuldners in einem Verständnis voraussetzt, dass dem der materiellen Konkursgründe der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung entspricht, kann für diese Untersuchung dahingestellt bleiben. In der Tat setzen der österreichische Ausgleich, aber auch das nordische Ausgleichsverfahren die materielle Insolvenz des Schuldners voraus.

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Die besondere Problematik des deutschen Rechts der Eigenverwaltung des Schuldners beruht darauf, dass dem Schuldner eine „Prämie“ in Gestalt der Eigenverwaltung – liest man allein den Gesetzestext namentlich des § 270 Abs. 2 InsO – auch dann gewährt wird, wenn er eine Liquidation nicht dadurch zu vermeiden trachtet, dass er einen Reorganisationsplan vorlegt.

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Hier muss nicht näher erörtert werden, ob ein Reorganisationsplan im Kontext eines einheitlichen Insolvenzverfahrens der Art konkursabwendenden Ausgleichsverfahrens nach österreichischem oder nordischen Beispiel vorzugswürdig oder als zu komplex abzulehnen ist. Wenn es „nur“ darum geht, diese Belastungen zu vermeiden, unrentable Nebenkriegsschauplätze wie die Produktion von Handtaschen zu beseitigen und die Produktlinien marktgerecht zu gestalten, stellt sich die Frage, ob es tatsächlich des odiums eines Konkursverfahrens bedarf. Dies alles aber kann hier auf sich beruhen bleiben.

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Im Folgenden wird m. a. W. nur zu zeigen sein, welche Folgelasten sich aus der Koppelung von Reorganisation oder Konkursabwendung für die Eigenverwaltung des insolventen Schuldners ergeben. Die Lage des positiven Recht der Eigenverwaltung des Schuldners im österreichischen Privatkonkurs zwingen aber zu einer Erweiterung der Fragestellung im folgenden Kapitel.120

120 Dies zumal im deutschen Recht die Eigenverwaltung im Verbraucherinsolvenzverfahren mit nachgerade verheerenden Folgen für die Insolvenzpraxis derzeit noch ausgeschlossen ist. Nach Vorberatungen im Februar 2005 zeichnet sich aber eine Annäherung des deutschen Rechts an das österreichische ab.

Kapitel 2

Eigenverwaltung im Privatkonkurs A. Vorüberlegungen I. Überschaubarkeit der Verhältnisse Die Eigenverwaltung ist besonders für die Schuldenbereinigung (discharge) 1 im Falle der Insolvenz privater natürlicher Personen die geeignete Form der Verfahrensabwicklung.1 Die bisherigen Überlegungen haben bereits gezeigt, dass die Eigenverwaltung in der Unternehmensinsolvenz komplexe Prozesse zwischen schuldnerischem Unternehmensträger, Konkursgericht und Gläubigern voraussetzt, die jedenfalls unter der Voraussetzung judiziert werden können, dass der Schuldner den Gläubigern die Bedingungen offenlegt, unter denen die Reorganisation erfolgen soll – und sei es als eine nach einem vom Schuldner vorgelegten und garantierten Plan erfolgende vollständige oder teilweise Liquidation. Denkt man schlicht a maiore ad minus, so erscheint es naheliegend, für den Bereich der Schuldenregulierung natürlicher Personen außerhalb eines Unternehmensinsolvenzverfahrens „erst Recht“ Formen der Eigenverwaltung vorzusehen. Dafür spricht, dass die Vermögensverhältnisse einer natürlichen Person regelmäßig überschaubar sind, so dass die Einsetzung eines Masseverwalters entbehrlich erscheint. II. Deutsches und US-amerikanisches Recht Im deutschen Recht (§§ 304 ff., 311 ff. InsO) ist mit der großen Insolvenzrechtsre- 2 form der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein ausserordentlich kompliziertes Verfahren unter Berufung eines als Treuhänder firmierenden Masseverwalters eingerichtet worden. Sowohl die verfahrenstechnischen Schwierigkeiten haben geradezu zwangsläufig nachhaltige Folgeprobleme ausgelöst. Diese Folgeprobleme kreisen nicht zuletzt um die Finanzierung eines durch den Einsatz von Insolvenzpraktikern sprunghaft steigenden Kostenaufwand des Verfahrens. Schließlich hat der darauf beruhende ständige Nachbesserungsbedarf der Insolvenzrechtsreform2 in Deutschland besonders auf dem Gebiet des Verbraucherinsolvenzverfahrens zur Finanzierung des Verfahrens durch staatliche Subventionen geführt. Die gravamina seitens der Insol1 Bydlinski, Der neue „Privatkonkurs“, JAP 1994/1995, S. 49, 52; Konecny, Eigenverwaltung im Konkurs privater Schuldner, Beitr.ZPR V, S. 45 ff.

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Kap. 2: Eigenverwaltung im Privatkonkurs

venzverwalter, deren Bestellung zu Treuhändern an Zwangsrekrutierungen gemahnt, sind damit nicht behoben worden. Auch das nordamerikanische discharge-Verfahren nach chapter 13 bankruptcy code kennt einen trustee (section 1326 [c] bankruptcy code)3, dessen Aufgaben gegenüber dem deutschen Treuhänder im eigentlichen Insolvenzverfahren auf Teilnahme am hearing begrenzt sind, zumal das eigentliche Insolvenzverfahren gegenüber dem deutschen Recht außerordentlich einfacher erscheint. Ohne dies hier näher auszuführen, genügt die Feststellung, dass das nordamerikanische Verfahren nach chapter 13 bankruptcy code sich jedenfalls nicht als Verfahren der Eigenverwaltung des Schuldners in dem Sinne darstellt, dass diesem die Verwaltung einer Konkurs- bzw. Insolvenzmasse übertragen wäre. Da nach der Antragstellung die Zahlungen laut Plan regelmäßig nach fünfzehn Tagen, jedenfalls aber nicht später als nach einem Monat4 an den trustee erfolgen, der die weitere Verteilung des Geldes vornimmt5, handelt es sich bei diesem Verfahren nicht um ein Insolvenzverfahren, sondern um ein Verfahren der nachkonkurslichen Erledigung nachkonkurslicher Nachforderungsrechte.

III. Strukturelle Vergleichbarkeit des österreichischen Privatkonkurses mit dem Ausgleich 3

Das österreichische Recht kennt für das Verfahren des Privatkonkurses nach den §§ 186 ff. KO (unten B.) folgerichtig die Eigenverwaltung des Schuldners.6 Diesen Regelungen liegt die legislatorische Erwägung zugrunde, dass die Eigenverwaltung des Schuldners die Kosten des Verfahrens erheblich reduziert; zudem ist nicht zu verkennen, dass im Falle insolventer Privatpersonen häufig eine Pfändung der werthaltigen Vermögensgegenstände („Kahlpfändung“) vorangegangen ist und daher kaum Vermögensgegenstände zu verwalten wären. Die Eigenverwaltung wird im österreichischen Privatkonkurs allerdings nicht losgelöst von der Befriedigung der Gläubiger statuiert. Vielmehr gewinnt sie ihren Sinn daraus, dass der Schuldner den Gläubigern mit dem Zahlungsplan gem. §§ 193 f. KO bestimmte regelmäßige Zahlungen oder einen einmaligen Betrag zur quotalen Befriedigung der gegen ihn gerichteten Forderungen anbietet und aufgrund der Erfüllung der planmäßig vorgesehenen Leistungen eine nach dem Abschöpfungsverfahren (§§ 199 ff. KO) Restschuldbefreiung erlangt. Darin liegt ein Element struktureller Vergleichbarkeit von discharge-Verfahren mit Reorganisationsverfahren. Denn für das Abschöpfungsverfahren wird den Gläubigern eine bestimmte Leistung geboten, die Grundlage des Ausschlusses ihres weiter2 Insbesondere durch das InsÄndG 2001, vgl. statt vieler Smid, Einige Fragen des InsOÄndG und der weiteren Reparatur der InsO, DZWIR 2002, S. 221 f. Damit ist der Änderungsbedarf noch nicht gedeckt. 3 Epstein/Nickles/White, Bankruptcy § 9–4 (p. 673). 4 Epstein/Nickles/White (Fußn. 3) § 9–4a (p. 664). 5 Epstein/Nickles/White (Fußn. 3) § 9–4i (p. 673). 6 Kodek, Privatkonkurs, RdNr. 124 ff.; Konecny (Fußn. 1) S. 45 ff.; Mohr, in: Konecny/Schubert § 186 RdNr. 1.

B. Eigenverwaltung des Schuldners

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gehenden Forderungsrechts ist. Das Schriftum7 weist daher ausdrücklich darauf hin, der Zahlungsplan sei eine „Unterart“ des Zwangsausgleichs. Eine vergleichbare Form von „Eigenverwaltung“ des Schuldners ist dem deutschen 4 Zwangsvollstreckungsrecht (Exekutionsrecht) im Rahmen der Zwangsvollstreckung in Immobilien nach dem ZVG bekannt.8

B. Eigenverwaltung des Schuldners im österreichischen Privatkonkurs I. Eigenverwaltung durch den Schuldner im Privatkonkurs als gesetzlicher Regelfall Die Eigenverwaltung im „Privatkonkurs“9 stellt im österreichischen Recht 5 kein eigenes Verfahren dar, sondern erweist sich als zentrale Sonderregelung im Rahmen des Konkursverfahrens um im Falle der Insolvenz natürlicher Personen Kosten zu sparen.10 Die Reichweite der Regelungen der Eigenverwaltung stellt sich im österreichischen Recht gegenüber dem deutschen gleichsam spiegelbildlich umgekehrt dar: Während im deutschen Recht ausschließlich im Rahmen der Unternehmensinsolvenz die Eigenverwaltung durch den Gesetzgeber zugelassen ist (vgl. §§ 312, 313 InsO11), schließt das österreichische Recht für Kleinunternehmer die Möglichkeit der Eigenverwaltung expressis verbis aus, was in der Literatur12 ausdrücklich kritisiert worden ist. Für diesen Personenkreis von Kleinunternehmern mit keinen oder sehr wenigen Arbeitnehmern wird die Kosteneinsparungsmöglichkeit aufgrund der Eigenverwaltung abgeschnitten. Dies hat zur Folge, dass aufgrund der Kosten die in Folge der Entlohnung des Masseverwalters anfallen, die freie Masse oft soweit reduziert wird, dass eine Schuldenreorganisation im Wege des Ausgleichs oftmals ausgeschlossen sein wird. Der Kleinunternehmer „verliert sein Unternehmen“13. Allerdings bleibt ihm die Möglichkeit der Restschuldbefreiung offen. Im Unterschied zum deutschen Recht sieht das österreichische Recht in § 186 6 KO allein für Nichtunternehmer14 vor, dass diese in dem über ihr Vermögen eröffneten Konkursverfahren die Verfügungsbefugnisse hinsichtlich der Kon7

Vgl. allein Kodek, Privatkonkurs, RdNr. 331 ff. m. w. N. Vgl. hier allein Böttcher, ZVG, § 152 RdNr. 23 und Erläuterungen zu §§ 150b bis 150e. 9 Fink, Der neue Privatkonkurs; Mohr, Privatkonkurs, S. 13, 15 f.; Deichsler-Hübner, Privatkonkurs, 1995, RdNr. 109 ff., 112 f. 10 Fink, Der neue Privatkonkurs; Konecny (Fußn. 1) S. 48. 11 Landfermann in HK-InsO, § 312 RdNr. 10. 12 Konecny, Verfahrensrechtliche Probleme der Geplanten KO-Novelle 1993, ecolex, 1992, S. 836, 838. 13 Konecny (Fußn. 1) S. 48. 8

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Kap. 2: Eigenverwaltung im Privatkonkurs

kursmasse nicht zwingend verlieren. Für den Nichtunternehmer stellt die Stellung eines Masseverwalters gem. § 186 Abs. 2 KO die Ausnahme, die Beibehaltung der Eigenverwaltung dagegen gem. § 190 Abs. 1 KO den Regelfall dar. Dies gilt freilich allein für das Schuldenregulierungsverfahren i. S. v. § 186 Abs. 1 KO; im Gerichtshofverfahren ist demgegenüber die Bestellung eines Masseverwalters nach wie vor zwingend vorgeschrieben.15 Diese Form der Eigenverwaltung im Konkursverfahren führt zu dogmatisch-konstruktiven Problemen. Denn die österreichische Lehre, die den Masseverwalter als gesetzlichen Vertreter des Schuldners ansieht und die Konkursmasse als rechtsfähiges Sondervermögen begreift, dessen Verwaltung im Regelfall dem Masseverwalter obliegt, trifft für den Fall der Eigenverwaltung seines Vermögens durch den Schuldner auf Begründungsschwierigkeiten. Während für den Regelfall des Konkursverfahrens unter Einsetzung eines Masseverwalters die Konstruktion der Konkursmasse als rechtsfähiges Sondervermögen die Vertretungsfähigkeit des Masseverwalters als seinen zweiten Aufgabenkreis (so Pollak 16) ansieht, kann eine derartige Konstruktion auf den im Privatkonkurs eigenverwaltenden Schuldner ersichtlich nicht bruchlos übertragen werden – wie Konecny nachgewiesen hat. Während die in den folgenden Kapiteln 3 und 4 eingehender darzustellende Konstruktion des eigenverwaltenden Schuldners als Amtsträger in eigenen Angelegenheiten im deutschen Insolvenzrecht zwanglos aus der von der höchstrichterlichen Judikatur auch nach der Reform des Insolvenzrechts aufrecht erhaltenen Amtstheorie entwickelt werden kann, muss die Lehre bei der Strukturierung der Stellung des eigenverwaltenden Schuldners im Privatkonkurs zu Konstruktionen greifen, die an Ansätze der im deutschen Recht vertretenen sog. modifizierten Organtheorie erinnern. Gegen Einwände wie die von Reckenzaun17, der die Eigenverwaltung aus dem österreichischen Konkursrecht systemwidrig kritisiert hat, hat Konecny18 die Struktur der Eigenverwaltung durch eine Differenzierung der Wirkungen der Konkurseröffnung auf das schuldnerische Vermögen in den Griff zu bekommen versucht. Wenn nämlich die Vertretungstätigkeit als der von Pollak19 so bezeichnete zweite Aufgabenkreis des Masseverwalters durch die Eigenverwaltung dem Schuldner zukommt, scheint es vordergründig so, als werde der Schuldner bei Eigenverwaltung durch die Kon14 Vgl. allein Mohr, in: Konecny/Schubert § 181 RdNr. 1; Kodek, Privatkonkurs, RdNr. 124. 15 Kodek, Privatkonkurs, RdNr. 124, 2. Absatz; Mohr, in: Konecny/Schubert § 186 RdNr. 5. 16 Vgl. Bartsch/Pollak, Kommentar zur Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung, I 402 f. 17 Reckenzaun, Privatkonkurs und Befriedigung von Massegläubigern, ecolex 1995, S. 318; krit. Kodek, Privatkonkurs, RdNr. 127. 18 Konecny (Fußn. 1) S. 59 f. 19 Bartsch/Pollak, Kommentar zur Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung, I S. 402 f.

B. Eigenverwaltung des Schuldners

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kurseröffnung in seiner bisherigen Rechtsstellung belassen. Das aber widerstreitet der rechtlichen Verselbständigung der Konkursmasse zu einem rechtsfähigen Sondervermögen. Denn der Inhaber des schuldnerischen Vermögens – der Konkursmasse – bleibt weiter für die Vertretung dieses Vermögens zuständig; es ist der Schuldner selbst, der sein Vermögen weiterhin auch in dem eröffneten Konkurse zu verpflichten berechtigt bleibt.20 Damit fehlt es vordergründig aber an einem konstruktiven Element, dem für die Struktur des österreichischen Konkurses entscheidende Bedeutung beizumessen ist. Konecnys Differenzierungsansatz lautet nun, dass er im Falle der Eigenverwaltung an die Stelle der Konkursmasse das schuldnerische Vermögen als bloßen, nicht sonderrechtsfähigen Haftungsfond für die Gläubiger begreift.21 Dabei kann es keine Rolle spielen, dass der Gesetzgeber mit der Belassung der Ei- 7 genverwaltung beim Schuldner darauf reagiert, dass im Falle des Privatkonkurses sich im Schuldenregulierungsverfahren die Verwaltung des schuldnerischen Vermögens als Haftungsfond für die Gläubiger häufig als erheblich weniger problematisch erweist als in einem Unternehmenskonkurs, da das Vermögen häufig nicht umfangreich und seine Rechtsbeziehung zu Dritten oftmals kein hohes Maß an Komplexität aufweisen. Denn diese pragmatischen Erwägungen, die den Gesetzgeber zu der Einführung der Eigenverwaltung bestimmt haben, sind für die rechtsdogmatische Begründung des rechtlichen Status des schuldnerischen Vermögens aufgrund der Eröffnung des Konkurses nicht maßgebend.

Konecnys Begründungsansatz, der das Schuldnervermögen als einen Haf- 8 tungsfond ansieht, begreift die Konkursfolgen in einer gestaffelten Weise. Für die einfachen Fälle des Privatkonkurses kommt es nicht zur Verselbständigung des Schuldnervermögens, sondern allein zu seiner Beschlagnahme.22 Rechtlich kann dies vergleichbar dem in Deutschland diskutierten Konkursbeschlag des Vermögens des Schuldners verstanden werden. Für die österreichische Dogmatik, die sich an rechtstheoretischen Modellen der Stellung des Masseverwalters orientiert, die den Masseverwalter als Vertreter einer verselbständigten Masse begreifen, mag dieser Ansatz einen Systembruch darstellen; aus der Sichtweise der im deutschen Rechtsraum herrschenden Amtstheorie erscheint sie selbstverständlich. Hier muss dieser Streit allerdings weder aufgegriffen noch gar vertieft werden. Für das österreichische Recht mag es nach dessen durchgehender Konstruk- 9 tion der Masse als durch den Masseverwalter vertretenes Sondervermögen „gekünstelt“ erscheinen, den eigenverwaltenden Schuldner als gesetzlichen Vertreter seines Vermögens anzusehen, während die in Deutschland vertretene Konstruktion des eigenverwaltenden Schuldners als Amtswalter in eigenen An20 Zum Ganzen Konecny (Fußn. 1) S. 59; Mohr, in: Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze Kommentar § 187 RdNr. 9 ff. 21 Konecny (Fußn. 1) S. 60. 22 Konecny (Fußn. 1) S. 57; Kodek, Privatkonkurs, RdNr. 126.

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Kap. 2: Eigenverwaltung im Privatkonkurs

gelegenheiten23 nicht nur „zwangloser“ erscheint, sondern gegenüber der herrschenden Amtstheorie systematisch abgestimmt ist. II. Verfügungsbefugnis über die Konkursmasse 1. Möglichkeit der Bestellung eines Masseverwalters 10

Der Verlust der Verfügungsbefugnis hinsichtlich der Konkursmasse, der im Allgemeinen Folge der Eröffnung des Konkursverfahrens ist24, tritt im Fall des Konkurses an „Privatschuldnern“ nach den §§ 186–190 KO nicht ein.25 Soweit nach den zitierten Sonderregelungen das sog. Schuldenregulierungsverfahren vor den Bezirksgerichten26 durchgeführt wird, steht dem Gemeinschuldner die Verwaltung der Konkursmasse zu. Diese Verwaltungsbefugnis wird im Einzelfall durch das Konkursgericht beschränkt; das Gesetz sieht im Übrigen generelle Einschränkungen in dieser Regel vor.27 Den wichtigsten Fall dieser Ausnahmen stellen die weiterhin am Landesgericht abzuwickelnden Konkursverfahren dar. In diesen Fällen bleibt es ausnahmslos dabei, dass der Schuldner seine Verfügungsbefugnis verliert und vom Konkursgericht ein Masseverwalter zu bestellen ist.28

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Im Unterschied zu den Diskussionen im Vorfeld des In-Kraft-Tretens der deutschen InsO, in denen, wie noch zu zeigen sein wird, mit der Schaffung der Möglichkeit der Eigenverwaltung die Gefahr dramatisiert wurde, es könne der Bock zum Gärtner gemacht werden29, wenn dem Insolvenzschuldner die Eigenverwaltung der Masse anvertraut werde, sind in Österreich die Bedenken wegen Gefahren aufgrund Missbrauchsmöglichkeiten des Schuldners bei weitem weniger betont und die Einführung des Rechtsinstituts der Eigenverwaltung grund23

Häsemeyer, Insolvenzrecht, 8.04, 8.13 f. Vorbehaltlich der in der Einleitung (RdNr. 32) angesprochenen „Erhaltungstheorie“, die in der zitierten Judikatur des OGH dazu führt, dass der Grundsatz der vollständigen Entmachtung des Gemeinschuldners in dem über sein Vermögen eröffneten Konkursverfahren relativiert wird, krit. dagegen Konecny, Massebezogene Rechtshandlungen von Gemeinschuldnern (im Druck). 25 Konecny (Fußn. 1) S. 49. 26 Konecny, Verfahrensrechtliche Probleme der Geplanten KO-Novelle 1993, Ecolex, 1992, S. 836, 838; Buchegger, in: Feldbauer-Durstmüller/Stiegler, Krisenmanagement, 1994, S. 156; Deichsler-Hübner, Privatkonkurs, RdNr. 90. 27 Konecny (Fußn. 1) S. 49. 28 Dies wird aus der Verwendung des Ausdrucks Schuldenregulierungsverfahren in § 186 S 1 KO gefolgert: Konecny (Fußn. 1) S. 50; Deichsler-Hübner, Privatkonkurs, RdNr. 110; demgegenüber hat Buchegger, in: Feldbauer/Durstmüller/Stiegler, Krisenmanagement, S. 161, 165 für Fälle mangelnder Kostendeckung auch im Falle des vor dem Landesgericht durchzuführenden Verfahrens die Möglichkeit bejaht, dem Schuldner die Verfügungsbefugnis in der Eigenverwaltung zu belassen. 29 Grub, WM 1994, S. 880. 24

B. Eigenverwaltung des Schuldners

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sätzlich begrüßt worden.30 Denn in komplizierten und umfangreichen Konkursverfahren gegen Privatschuldner sieht § 186 S 2 KO die Möglichkeit vor, dem Schuldner die Eigenverwaltung zu entziehen und einen Masseverwalter einzusetzen.31 2. Aufsicht des Konkursgerichts durch die Ausübung von Genehmigungsvorbehalten In der Anfangszeit nach In-Kraft-Treten der die Eigenverwaltung einführen- 12 den Konkursnovelle hat sich nach Konecnys Mitteilung32 ein Bild geboten, dass der Praxis deutscher Gerichte in der Anwendung der §§ 270 ff. InsO entsprochen zu haben scheint. Konecny schrieb 1995 „es gibt die Eigenverwaltung so gut wie gar nicht“33. Denn die Bezirksgerichte scheinen den Ausnahmetatbestand des § 196 S 2 KO nicht allein extensiv, sondern schlechthin exzessiv ausgelegt und angewandt zu haben.34 Die im Rekurswege angerufenen Rechtsmittelgerichte haben dieser Praxis indes früh Grenzen gesetzt.35 Heute scheint der Regelfall der Anordnung der Eigenverwaltung gem. § 186 S 1 KO das Bild der österreichischen Konkurspraxis im „Privatkonkurs“ zu bestimmen.36 Diese dem Schuldner zustehende Verfügungsbefugnis wird von Gesetzes wegen durch § 187 KO zwingend beschränkt. Denn § 187 KO legt die dem Schuldner im Regelfall zustehenden Verwaltungsbefugnisse abschließend fest.37 § 187 Abs. 1 KO weist dem Schuldner die Befugnis zur Entgegennahme von Sendungen gem. § 78 Abs. 2 KO positiv zu. Entsprechendes gilt auch für § 187 Abs. 1 Nr. 2 KO, in dem der Schuldner Dispositionsmöglichkeiten bezüglich der Erfüllung von Rechtsgeschäften zugewiesen erhält. Allerdings sehen die Nrn. 3–6 des § 187 Abs. 1 KO keine ausdrücklichen Kompetenzzuweisungen vor, sondern normieren Regelungen, mit denen die Verwaltungsbefugnisse des Schuldners beschränkt werden. Konecny38 diskutiert, ob diese Gesetzgebungstechnik gegen das Einverständnis des § 187 Abs. 1 KO als Kompetenzzuweisungsnorm sprechen könnte. Allerdings lassen sich die Nrn. 5 und 6 des § 187 Abs. 1 KO so verstehen, dass sich Ausnahmen von Tätigkeitsbereichen normieren, die dem 30 31 32 33 34

Konecny (Fußn. 1) S. 51. Konecny (Fußn. 1) S. 51. Konecny (Fußn. 1) S. 51; 104. Konecny (Fußn. 1) S. 104. Maly, Der „ Privatkonkurs“ aus der Sicht der Schuldnerberater, ZIK 1995, S. 47,

49. 35

Vgl. LGZ Wien 15.3.1995, 46 R 229/95, ZIK 1995, S. 93. Dagegen scheint sich in der Praxis der Konkursgerichte Oberösterreichs diese Tendenz umgekehrt zu haben: Dort wird in etwa 90 % der Fälle ein Masseverwalter bestellt. 37 Konecny (Fußn. 1) S. 52. 38 Konecny (Fußn. 1) S. 53. 36

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Kap. 2: Eigenverwaltung im Privatkonkurs

Schuldner zwar nicht ausdrücklich zugewiesen sind, aber auch mit Gegenschlüssen von den normierten Ausnahmen her ermittelt werden können.39 In vergleichbarer Weise können die Nrn. 3 und 4 des § 187 Abs. 1 KO verstanden werden: Denn sie sehen vor, dass Verfügungen des Schuldners über Massegegenstände bzw. die Begründung von Verbindlichkeiten aus der Masse durch den eigenverwaltenden Schuldner an die Zustimmung des Konkursgerichts gebunden werden, was im Übrigen parallel zu der Beschränkung der Befugnisse des Masseverwalters (§ 190 Abs. 2 und 3 KO) zu sehen ist. Auch diesen Vorschriften lässt sich nämlich im Umkehrschluss entnehmen, dass dem eigenverwaltenden Schuldner die Befugnis zur Verfügung über Massegegenstände und zur Begründung von aus der Masse vorab zu begleichenden Verbindlichkeiten zusteht. 13

Die hiergegen geltend gemachten Einwendungen überzeugen nicht. Wenn z. B. Konecny40 erörtert, dass durch § 187 Abs. 1 KO nicht ausdrücklich geregelt werde, ob Zahlungen an den Schuldner wirksam seien und ob der Schuldner die Befugnis habe Zahlungen entgegen zu nehmen, werden diese Fälle bereits in § 187 Abs. 1 Nr. 3 KO erfasst.

14

Die Betrachtung der Rechtsstellung des eigenverwaltenden Schuldners zeigt, dass ihm nicht allein die in § 187 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KO explizite erteilten Befugnisse zugewiesen sind, sondern dem eigenverwaltenden Schuldner im Allgemeinen Verwaltungsmaßnahmen hinsichtlich von Massegegenständen wie auch die Einziehung von Forderungen gestattet sein müssen. Hierunter fällt die Vornahme faktischer Handlungen wie das Fällen von Bäumen auf Privatgrundstücken oder die Vornahme von Reparaturen, die dem eigenverwaltenden Schuldner schlechthin gestattet sein müssen, da ansonsten die Wahrung der Interessen der Masse – z. B. bei der Einziehung von Forderungen die Vermeidung der Konkursgefahr des Drittschuldners oder bei der Vornahme von Reparaturen schlichtweg der Verfall des zur Masse gehörenden Hauses usf. – nicht möglich wäre, ohne dass eine weitere Person zur Wahrung der Masseinteressen eingeschaltet werden müßte.41 Das ergibt sich bereits daraus, dass § 181 KO bestimmt, dass auf die Stellung des Schuldner bei Eigenverwaltung die Vorschriften sinngemäß anzuwenden sind, die im Regelfall des Konkursverfahrens auf den Massenverwalter zutreffen.42 Diese allgemeinen Regelungen sind nach Maßgabe der besonderen Bestimmungen der §§ 182–216 KO anzuwenden43, soweit nicht die §§ 182 ff. KO etwas Besonderes vorsehen. Vorrangig ist in diesem Zusammenhang § 187 KO, dessen Abs. 1 Nr. 3 Wirksamkeit von Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der Konkursmasse von der Zustimmung des Insolvenzgerichts abhängig macht.44 Bei der Verwaltung der Masse 39 40 41 42 43

Konecny (Fußn. 1) S. 53. A. A. Konecny (Fußn. 1) S. 54. Im Ergebnis ebenso Konecny (Fußn. 1) S. 57. Konecny (Fußn. 1) S. 58. Konecny (Fußn. 1) S. 58.

B. Eigenverwaltung des Schuldners

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untersteht der Schuldner daher nicht anders als ein Masseverwalter der konkursgerichtlichen Überwachung und ist konkursgerichtlichen Weisungen gem. § 84 KO unterworfen.45 Ebenso wie der Masseverwalter kann der die Eigenverwaltung auszuübende Schuldner in der Vertretungsbefugnis gem. § 83 Abs. 1 KO beschränkt werden. Namentlich für den regelmäßig rechtsunkundigen Schuldner kann es von Vorteil sein, Vermögensstücke durch das Exekutionsgericht nach § 119 KO verwerten zu lassen. Es sei denn gem. § 187 Abs. 1 Nr. 6 KO wird dies im Falle unbeweglichen Vermögens ausgeschlossen, soweit das Konkursgericht diese Befugnisse einem Masseverwalter überträgt.46 Wird ein Gläubigerausschuss bestellt, etwa weil es sich um einen vermögenderen Schuldner mit umfangreichen Vermögenswerten in einem gleichwohl überschaubaren Fall handelt, greifen die Genehmigungsrechte des Gläubigerausschusses nach § 117 Abs. 1 Nr. 3 KO. Soweit die allgemeinen gesetzlichen Regelungen spezifisch auf die Rechtsstellung eines Masseverwalters zugeschnitten sind, kommt ihre Anwendung im Rahmen des Privatkonkursverfahrens nicht in Betracht. Hierzu zählt namentlich die Regelung über die Enthebung des Masseverwalters gem. § 87 KO. Insoweit treffen die §§ 186 Abs. 2, 190 Abs. 2 KO Sonderregelungen. Gleiches gilt für die Bestellung von Stellvertretern gem. § 85 KO oder die von besonderen Verwaltern gem. § 86 KO.47 3. Bildung einer Konkursmasse als Objekt der Verwaltungsbefugnisse des Schuldners Konecny48 sieht allein eine Alternative zwischen einer als Haftungsfond für 15 die Gläubiger zu beschreibenden Konkursmasse, deren Verwaltung dem eigenverwaltenden Schuldner anvertraut wird und der den Vorstellungen der Organtheorie entsprechenden Beschreibung der Konkursmasse als rechtsfähigen Sondervermögens. Konecny49 hält es für eine übermäßige Komplizierung dogmatischer Konstruktionen, würde die Konkursmasse im Falle der Eigenverwaltung mit den Kategorien der Organtheorie beschrieben und der Schuldner als Vertreter des Sondervermögens Konkursmasse qualifiziert.50 Konecny meint, zum einen werde der Schuldner nicht durch förmlichen Akt als Verwalter des Rechtsobjekts Konkursmasse bestellt, zum anderen fehle der üblicherweise mit Konkurseröffnung eintretende gänzliche Entzug der Verfügungsbefugnisse über die 44

Mohr, in: Konecny/Schubert § 187 RdNr. 11 ff., 13. Vgl. bereits Bartsch/Polak, Kommentar zur Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung I S. 415; Konecny (Fußn. 1) S. 58. 46 Konecny (Fußn. 1) S. 58. 47 Konecny (Fußn. 1) S. 59. 48 Konecny (Fußn. 1) S. 59. 49 Konecny (Fußn. 1) S. 60. 50 Konecny (Fußn. 1) S. 60; Deixler-Hübner, Privatkonkurs, RdNr. 110. 45

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Kap. 2: Eigenverwaltung im Privatkonkurs

Konkursmasse. Hieran sei nach § 1 Abs. 1 KO die Massebildung geknüpft.51 Gewiss ist Konecny darin zuzustimmen, dass die Art der dogmatischen Konstruktion der Stellung des eigenverwaltenden Schuldners auf der einen und der Konstitution der Konkursmasse auf der anderen Seite eine vordergründig geringe praktische Bedeutung zu haben scheinen, auch wenn dies namentlich von deutschen Insolvenzpraktikern52 anders gesehen wird. Die Untersuchung der Eigenverwaltung des Schuldners kann sich dieser Fragestellung indes nicht entziehen, was sich allein aus der durch § 190 Abs. 2 KO normierten Möglichkeit des Entzugs der Eigenverwaltung während des Konkursverfahrens ergibt.53 Denn entzieht das Konkursgericht dem Schuldner die Verwaltungsbefugnisse während des laufenden Konkursverfahrens zur Gänze und setzt es einen Masseverwalter ein,54 läge hierin gleichsam erstmalig während des Verfahrens überhaupt die Konstitution einer Konkursmasse in dem allgemein im österreichischen Konkursrecht diskutierten Sinne als Konstitution eines rechtlich selbständigen Sondervermögens vor. Man hätte sich dann gleichsam das Verfahren der Eigenverwaltung des Schuldners als eine Art Vorstufe zu einem „eigentlichen“ Konkursverfahren vorzustellen, in dem eine Konkursmasse i. e. S. gebildet würde. Dies würde indes der Prämisse widerstreiten, dass es sich beim Schuldenbereinigungsverfahren nach österreichischem Recht um den Sonderfall eines Konkursverfahrens handelt, mithin um ein Konkursverfahren, in dem die Haftungsverwirklichung durch Beschlagnahme des schuldnerischen Vermögens zu Gunsten der Gläubiger realisiert wird. Dass der Schuldner nicht als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten eigens „bestellt“ wird, weil sich die Verwaltung der Konkursmasse aus dem Gesetz ergibt und insofern gleichsam „automatisch“ Eingang in den Eröffungsbeschluss findet, widerstreitet nicht der Annahme, dass im österreichischen Recht der eigenverwaltende Schuldner als gesetzlicher Vertreter eines Sondervermögens handelt (Kap. 1 RdNr. 16, Kap. 2 RdNr. 8, 9). Das von Konecny und anderen55 vorgebrachte Gegenargument, mit der Konkurseröffnung werde dem eigenverwaltenden Schuldner im Privatkonkurs im Gegensatz zum „allgemeinen Fall“ nicht gänzlich die Verfügungsbefugnis über die Konkursmasse entzogen, vielmehr könne nach Maßgabe der Regelung des § 187 Abs. 1 Nr 5 KO der Privatschuldner einer Verfügungsbeschränkung im Privatkonkurs nur hinsichtlich des pfändbaren Teils seiner Einkünfte unterworfen werden, überzeugt nicht vollständig. 16

Denn in welchem Umfang das Arbeitseinkommen in concreto pfändbar ist, hängt vom Vorliegen der in §§ 290a, 291a EO normierten Voraussetzungen ab.56 Ob diese 51

Konecny (Fußn. 1) S. 60. Rattunde in Smid, InsO, 1. Aufl., § 80 RdNr. 33 ff., 36. 53 Kodek, Privatkonkurs RdNr. 157 ff.; Mohr, in: Konecny/Schubert § 190 RdNr. 3. 54 Kodek, Privatkonkurs RdNr. 168; Konecny (Fußn. 1) S. 83. 55 Konecny (Fußn. 1) S. 60; Dellinger/Oberhammer, Insolvenzrecht, RdNr. 683 ff.; Kodek, Privatkonkurs RdNr. 128 zu den Unklarheiten der gesetzlichen Regelung. 52

B. Eigenverwaltung des Schuldners

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Voraussetzungen vorliegen ist im Zweifel57 im Exekutionsverfahren vom Exekutionsgericht zu bestimmen. Im Privatkonkurs werden eine Reihe von Fragen aufgeworfen: Ist der Schuldner befugt, den pfändbaren Teils seiner Arbeitseinkünfte gerichtlich mit dem Antrag geltend zu machen, dass diese ans Konkursgericht zu zahlen sind58 oder muss für diesen Fall ein Masseverwalter bestellt59 werden? Unterscheidet man Ist- und Soll-Masse60 auch zur Klarstellung der Aufgaben des Verwalters bei der Erfüllung von Aussonderungsansprüchen (für das österreichische Recht: § 11 Abs. 2 KO) zieht dies für die nähere Bestimmung der Stellung des eigenverwaltenden Schuldners Konsequenzen nach sich, die aufgrund der Regelung des § 312 Abs. 3 InsO nur im allgemeinen Unternehmensinsolvenzrecht gezogen werden (dazu im folgenden Kapitel 4).

Diese Frage muss hier nicht vertieft werden. Die Konstruktion einer Teilung 17 der Befugnisse des Schuldners im Privatkonkurs erscheint allerdings insofern folgerichtig, da die in der deutschen Judikatur unangefochten herrschende Amtstheorie61 von der österreichischen Lehre einhellig abgelehnt wird62 – was den Zugang zur Behandlung der Stellung des eigenverwaltenden Schuldners nicht erleichtert. Zwar meint Konecny63, es lägen insoweit bloss Verfügungsbeschränkungen vor, wie sie auch vom Ausgleichsverfahren her dem österreichischen Recht bekannt seien. Es hat sich aber bereits oben (Kap. 1 RdNr. 16, Kap. 2 RdNr. 8, 9) gezeigt, dass im Ausgleichsverfahren anders als im Privatkonkurs eine „Ausgleichsmasse“ (im Sinne einer Konkursmasse als Sondervermögen) nicht gebildet wird.64 Dass es sich bei den Befugnissen des Schuldners im Falle der Eigenverwal- 18 tung um Aufgaben handelt, die ihm als „Amtsverwalter in eigenen Angelegenheiten“65 zustehen, macht § 187 Abs. 1 Nr. 2 KO66 deutlich, der dem Schuldner 56 Vgl. Jakusch, in: Angst (Hrsg.) § 3 RdNr. 45 ff., 52; Oberhammer, in: Angst (Hrsg.), EO § 290a, RdNr. 1 ff. 57 Zu dem im Rahmen des deutschen Rechts geführten vergleichbaren Streit vgl. Smid/Wehdeking, Arbeitseinkommen des Schuldners und die Rechtszuständigkeit des Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders, InVo 2000, S. 293 ff. m. w. N. 58 So OGH 28.5.1997, 9 Ob A 39/97 v; ZIK 1997, S. 187. 59 Konecny (Fußn. 1) S. 100; offengelassen bei Mohr, in: Konecny/Schubert § 187 RdNr. 22, 2. Abs. a. E. 60 Vgl. zum deutschen Insolvenzrecht Smid, Grundzüge des Insolvenzrechts, 4. Aufl. § 7 RdNr. 3 ff.; in der österreichischen Dogmatik wird diese Unterscheidung nicht immer nachvollzogen, vgl. Dellinger/Oberhammer, Insolvenzrecht, RdNr. 156 ff.; Rechberger/Thurner, Insolvenzrecht, RdNr. 71 ff. 61 Zuletzt BAG, Urt. v. 17.1.2002, 2 AZR 57/01, DZWIR 2002, S. 419. 62 Aus der neueren Literatur vgl. m. w. N. Rechberger/Thurner, Insolvenzrecht, RdNr. 167 ff. (es habe sich die Vertreter- oder Organtheorie durchgesetzt – was im übrigen Falle der Insolvenz des Einzelkaufmannes zu entscheiden wäre); zurückhaltender freilich Dellinger/Oberhammer, Insolvenzrecht, RdNr. 112 ff. 63 Konecny (Fußn. 1) S. 60. 64 Im Zusammenhang der Eigenverwaltung im Privatkonkurs Konecny (Fußn. 1) S. 60. 65 Häsemeyer, Insolvenzrecht RdNr. 8.04, 8.13 f. 66 Mohr, in: Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze Kommentar, § 187 RdNr. 5–7.

66

Kap. 2: Eigenverwaltung im Privatkonkurs

die Befugnis im Hinblick auf die Erfüllung von zweiseitigen Verträgen zuweist, die im Allgemeinen dem Masseverwalter nach den §§ 21 ff. KO zustehen.67 Ohne dass es einer Zustimmung seitens des Konkursgerichts68 bedürfte69, steht dem Schuldner die Befugnis zu, zu entscheiden, ob er einen beiderseits noch nicht vollständig erfüllten zweiseitigen Vertrag erfüllen oder ob er von ihm zurücktreten will. Die entsprechende Erklärung des Schuldners ist insbesondere nicht als Verfügung über Massegegenstände i. S. v. § 187 Abs. 1 Nr. 3 KO bzw. als Begründung für Verbindlichkeiten in die Konkursmasse i. S. v. § 187 Abs. 1 Nr. 2 und 4 KO zu qualifizieren.70 Die in den genannten Vorschriften vorgesehene gerichtliche Genehmigung als Wirksamkeitsvoraussetzung greift mithin nicht durch. Das Konkursgericht kann dem Schuldner indes hinsichtlich der Ausübung aus § 187 Abs. 1 Nr. 2 KO herrührenden Befugnissen Weisungen erteilen71, wenn sich die von dem Schuldner getroffene Entscheidung als sachwidrig oder gar der Masse nachteilig erweisen. Im Privatkonkurs wird es sich regelmäßig darum handeln, dass der Schuldner typischerweise unter Eigentumsvorbehalt einer Kaufsache geschlossene Kreditkäufe oder auch Versicherungsverträge72 zu erfüllen entscheiden kann. Ist der Schuldner Bestandsnehmer, kommt § 23 KO nur soweit zur Anwendung, wie ihm nicht der Wohnraum zum Miet- und sonstigen Nutzungszweck an der Wohnung überlassen ist und die Wohnräume für den Schuldner und seine Familienangehörigen unentbehrlich sind. In diesem Fall nämlich greift § 5 Abs. 4 KO. Von ebenfalls eher abstrakter Bedeutung dürfte die Frage der Auswirkung der Eigenverwaltung auf Arbeitsverhältnisse und die Anwendbarkeit des § 15 KO sein73. Hier werden Privatschuldner als Arbeitgeber von Hausangestellten, Chauffeuren, Privatsekretären usw. genannt. Derartige Fälle mögen durchaus vorkommen; regelmäßig wird dann aber von vornherein wenig Raum für ein Verfahren unter Eigenverwaltung des Schuldners sein. In einem derartigen Fall wird es sich regelmäßig um ein umfangreiches Konkursverfahren handeln, in dem ein Masseverwalter zu bestellen sein wird. Aber auch in diesem Fall bereitet § 25 KO deshalb Schwierigkeiten, weil diese Vorschrift nach ihrer Änderung durch das IRÄG 1994 im Wesentlichen auf die Handhabung von Unternehmensinsolvenzen zugeschnitten wurde. 19

Das IRÄG 1997 sollte den mit den Reformgesetzen 1982 und 1994 eingeschlagenen Weg, der Erhaltung des Unternehmens auch im Konkurs den Vorzug zu geben, fortsetzen.74 67 68 69 70 71 72 73

Mohr, in: Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze Kommentar, § 187 RdNr. 5–7. Zur Stellung des Konkursgerichts: Konecny (Fußn. 1) S. 90 ff. Deichsler-Hübner, Privatkonkurs, RdNr. 119; Konecny (Fußn. 1) S. 62. Konecny (Fußn. 1) S. 62/63. Konecny (Fußn. 1) S. 62. Mohr, Privatkonkurs S. 18 f. Konecny (Fußn. 1) S. 65 ff.

B. Eigenverwaltung des Schuldners

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§ 25 Abs. 1 KO sieht vor, dass im Falle einer Unternehmensschließung inner- 20 halb von zwei Monaten nach Konkurseröffnung der Arbeitnehmer vorzeitig begründet aus dem Unternehmen austreten bzw. der Masseverwalter die Kündigung aussprechen kann. Wird das Unternehmen fortgeführt, sind die entsprechenden Kündigungserklärungen bzw. der Austritt aus dem Unternehmen innerhalb des dritten Monats nach Konkurseröffnung abzugeben. Da im Privatkonkurs ein Unternehmen nicht vorliegt, wird von Mohr75 die Ansicht vertreten, dass die begünstigte Austritts- bzw. Kündigungsmöglichkeit erst innerhalb des dritten Monats nach Konkurseröffnung begründet sei. Die bei Nichtunternehmern nicht anwendbare Regelung über die Unternehmensschließung könne zu der privilegierten früheren Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht herangezogen werden. Gegenüber dieser am Wortlaut des § 25 Abs. 1 KO orientierten Ansicht ist Konecnys Kritik76 der Vorzug zu geben, nach der es sinnlos wäre, insolvente Nichtunternehmer zu zwingen ihre Arbeitskräfte zwei Monate nach Konkurseröffnung weiter zu beschäftigen und damit Mittel der freien Masse zu Lasten der Gläubigergemeinschaft zu konsumieren. Demzufolge ist der insolvente Privatschuldner sofort nach Konkurseröffnung, spätestens aber mit Ablauf des zweiten Monats nach Konkurseröffnung befugt, seine Arbeitnehmer mit den Rechtsfolgen des § 25 KO zu kündigen.77 4. Reichweite der Befugnisse des Schuldners Die österreichische Literatur78 macht im Übrigen bei der Analyse der allge- 21 meinen Konkurswirkungen im Falle der Eigenverwaltung des Schuldner im Privatkonkurs eine wesentliche Ausnahme, die zur Praktikabilität des Rechtsinstituts erheblich beiträgt, aber aus systematischen Gesichtspunkten nicht vollständig befriedigt. Denn grundsätzlich erlöschen alle Vollmachten mit Ausnahme der Prozessvollmacht und Aufträge seitens des Schuldners mit Konkurseröffnung. Dies gilt gemäß § 26 Abs. 1 KO auch für das mit einem Girovertrag verbundene Kontokorrentverhältnis zwischen Schuldner und Bank. Zwar wird von Mohr79 die Auffassung vertreten, dies geschehe auch im Privatkonkurs, Deichsler-Hübner80 und Konecny81 lassen in diesem Fall aber eine Ausnahme greifen, die sie gleichsam materiell damit begründen, dass im Falle der Eröffnung des Konkursverfahrens über insolvente Arbeitnehmer die Girokonten nicht 74 75 76 77 78 79 80 81

ErläutRV zum IRÄG 1997, 734 BlgNr 20. GP; vgl. Riel, AnwBl 1997, 891, 892. Mohr, Privatkonkurs, S. 20. Konecny (Fußn. 1) S. 66. Deichsler-Hübner, Privatkonkurs, RdNr. 120; Konecny (Fußn. 1) S. 67/68. Kodek, Privatkonkurs, RdNr. 128 ff.; Deichsler-Hübner, Privatkonkurs, RdNr. 122. Mohr, Privatkonkurs, S. 19. Deichsler-Hübner, Privatkonkurs, RdNr. 122. Konecny (Fußn. 1) S. 68.

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Kap. 2: Eigenverwaltung im Privatkonkurs

von § 26 KO erfasst werden, auf die Arbeitsentgelt überwiesen wird. Denn § 187 Abs. 1 Nr. 5 KO bestimmt, dass Privatschuldner selbst bei Eigenverwaltung die pfändbaren Teile ihres Einkommens nicht mehr entgegennehmen dürfen. Daher dienen Girokonten eines Arbeitnehmers im Privatkonkurs allein dazu, dass auf sie die unpfändbaren Bezugsteile überwiesen werden. Da die unpfändbaren Bezugsteile nicht exekutionunterworfen und damit konkursfrei sind, kommt § 26 KO nach der Ansicht der zitierten Autoren nicht zur Anwendung. 22

Die Eigenverwaltung bedeutet, dass der Schuldner über Gegenstände, die zur Konkursmasse gehören, zu verfügen berechtigt ist (§ 187 Abs. 1 Nr. 3 KO). Der Gesetzgeber ist aber davon ausgegangen, es sei dem Schuldner verboten, Absonderungsrechte an seinem Vermögen zu bestellen, ihm sei es verboten, keine Bürgschaften einzugehen oder unentgeltliche Verfügungen zu treffen. Außerdem ging der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzeserläuterungen davon aus, dem Schuldner stehe nicht die Befugnis zu, ihm gehörende Liegenschaften zu veräußern oder auf Liegenschaften Belastungen zu begründen.82 Konecny weist in diesem Zusammenhang aber zutreffend darauf hin, dass der Gesetzeswortlaut eine solche Beschränkung nicht aufweist. Vielmehr spricht das Gesetz allgemein von Verfügungen über Gegenstände der Konkursmasse, wobei nach richtiger Auffassung der Begriff der Verfügungen nicht eng vom materiellen Recht her zu verstehen sei. Vielmehr sei § 187 Abs. 1 Nr. 3 KO dahingehend zu verstehen, dass dem eigenverwaltenden Schuldner im Privatkonkurs alle rechtlichen und faktischen Verwaltungsmaßnahmen über Gegenstände der Masse anvertraut seien.83 Sowohl in Bezug auf den gegenständlichen Bereich als auch im Hinblick auf die Art des Handelns sieht das Gesetz daher keine Grenzen der Befugnisse des eigenverwaltenden Schuldners im Privatkonkurs vor.84 Im Einzelnen darf der Schuldner daher Rechtsgeschäfte bezüglich der Massegegenstände eingehen und erfüllen, so dass er insbesondere zum freihändigen Verkauf von Massegegenständen berechtigt ist. Weiterhin umfasst seine Verfügungsbefugnis alle auf Massegegenstände bezogene verfahrensrechtliche Handlungen, namentlich die Prozessführung85 in solchen Angelegenheiten, aber auch die Wahrnehmung der Angelegenheiten der Masse in Verwaltungsverfahren.86 Die Verfügungen des Schuldners gegenüber der Konkursgläubiger sind aber nur unter der Voraussetzung wirksam, dass der Schuldner zuvor die Zustimmung des 82

Bericht des Justizausschusses, 1330 BlgNR18GP 2 und 3. Krit. dagegen Kodek, Privatkonkurs, RdNr. 129, 3. Abs., 130. 84 Deichsler-Hübner, Privatkonkurs, RdNr. 123; Mohr, Privatkonkurs 15; Konecny (Fußn. 1) S. 69. 85 Vgl. allein Kodek, Privatkonkurs, RdNr. 144 m. w. Nachw. 86 Der OGH 16.5. 2001, 6 Ob 309 k; ZIK 2001, S. 314 hat darauf erkannt, dass die Prozessführungsbefugnis dem Schuldner mit Eigenverwaltung in einem über das Bestehen eines vom Kläger geltend gemachten Absonderungsrechts zukommt. Auch im Abschöpfungsverfahren verbleibt die Prozessführungsbefugnis beim Schuldner, der sie nicht an den Treuhänder verliert. 83

B. Eigenverwaltung des Schuldners

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Konkursgerichts zu den Verfügungen eingeholt hat oder die Verfügungen nachträglich vom Konkursgericht genehmigt worden sind. Dabei genügt es, dass das Konkursgericht bestimmten Arten von Rechtshandlungen generell seine Zustimmung erteilt, vgl. 187 Abs. 2 KO.87 Die Ansicht von Mohr88, derzufolge das Fehlen der gerichtlichen Zustimmung nicht allein die relative Unwirksamkeit der betreffenden Verfügung des Schuldners gegenüber den Konkursgläubigern zur Folge hat, sondern sogar zur generellen Unwirksamkeit der Verfügung führt, geht weiter als die h. M.89, die davon ausgeht, dass die Unwirksamkeit in dem Umfang eintritt, wie es der Konkurszweck verlangt. Daraus wird gefolgert, dass Verpflichtungsgeschäfte gegenüber den Konkursgläubigern relativ unwirksam sind, während Verfügungsgeschäfte zum Zweck des Schutzes der Masse absolut unwirksam sind.90 Für verfahrensrechtliche Handlungen des Gemeinschuldners ergeben sich hieraus nicht unerhebliche Probleme. Denn verfahrensrechtliche Handlungen seitens des Schuldners erweisen sich bis zur Genehmigung des Konkursgerichtes als absolut nichtig.91 Konecny92 hat daraus den Schluss gezogen, dass das Prozessgericht vor dem die nicht genehmigte Verfahrenshandlung durch den Schuldner vorgenommen worden ist, gem. § 6 ZPO bei dem Konkursgericht nachzufragen hat, ob die Verfahrenshandlung genehmigt werde. Gegenüber dem Vertragspartner ist der eigenverwaltende Schuldner berechtigt, sich auf die Unwirksamkeit nicht genehmigter Verfügungen zu berufen93. Ein entgegenstehender guter Glaube des Vertragspartners in die Verfügungsmacht des Schuldners wird entgegen der Ansicht Mohrs94 nicht geschützt.95 Nach § 187 Abs. 1 Nr. 4 KO96 ist der Schuldner befugt, Verbindlichkeiten 23 mit Wirksamkeit für die Konkursmasse zu begründen, wenn insoweit das Konkursgericht dem mit Genehmigungsbeschluss seine Zustimmung erteilt hat.97 87

Konecny, Eigenverwaltung im Konkurs privater Schuldner (Fußn. 1) S. 70. Mohr, Privatkonkurs S. 16. 89 Deichsler-Hübner, Privatkonkurs, RdNr. 123 ff. 90 Konecny, JBl 1986, S. 383; ders. Eigenverwaltung im Konkurs privater Schuldner (Fußn. 1) S. 70. 91 Konecny, JBl 1986, S. 356, 366; ders. (Fußn. 1) S. 71; a. A. Sprung/Fink in: Fasching-Festschr., 1988, S. 491, 500 f. 92 Konecny (Fußn. 1) S. 71. 93 Konecny (Fußn. 1) S. 72. 94 Mohr, Privatkonkurs S. 16. 95 Konecny (Fußn. 1) S. 72; Deichsler-Hübner, Privatkonkurs, RdNr. 123. 96 Der OGH 24.2.2000, ZIK 2000, S. 111 hat dies in einem obiter dictum bestätigt; in der Entscheidung ging es der Sache nach um die titellose Nutzung einer Wohnung nach Konkurseröffnung durch den eigenverwaltenden Schuldner. Die dabei entstehenden Verbindlichkeiten sind nach Erkenntnis des OGH keine Masseverbindlichkeiten; zust. Kodek, Privatkonkurs RdNr. 129; vgl. aber zu den Bedenken hieran Konecny, Massebezogene Rechtshandlungen von Gemeinschuldnern (im Druck). 97 Konecny (Fußn. 1) S. 72. 88

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Kap. 2: Eigenverwaltung im Privatkonkurs

Dies macht bereits deutlich, dass die Regelungen des österreichischen Privatkonkurses in der Tat für die Handhabung von Unternehmensinsolvenzen kaum praktikabel wären, da im Falle der Unternehmensinsolvenz jedenfalls im Bereich der typischen Geschäftstätigkeit des Schuldners gleichsam elementar Masseverbindlichkeiten begründet werden, die wirksam einzugehen der eigenverwaltende Schuldner berechtigt sein müsste, damit überhaupt der Betrieb aufrecht erhalten werden könnte. Müsste nämlich z. B. wegen jeder Stromentnahme/Stromlieferung oder wegen der Ersatzbeschaffung von Halbfertigprodukten oder Rohstoffen eine Genehmigung des Konkursgerichts eingeholt werden, würde dies in letzter Konsequenz die Eigenverwaltung aufheben und die Betriebsfortführung auf das Konkursgericht übertragen, was erkennbar inpraktikabel wäre. Andernfalls müsste mit globalen Zustimmungsbeschlüssen gearbeitet werden, deren Reichweite nicht selten zu Auslegungsproblemen für die Beteiligten führen, wie sich seit der im Folgenden (Kapitel 3) näher zu erörternden Judikatur des deutschen BGH aus dem Jahr 2002 zur vorläufigen Anordnung des Insolvenzgerichts nach § 21 InsO in der Praxis ergibt. Für den Privatkonkurs ist dieser Fragenkomplex jedenfalls dadurch entschärft, dass der Schuldner als Arbeitnehmer in aller Regel exekutionsentzogene Bezüge erhält, so dass ihm durch sein Einkommen Mittel zur Verfügung stehen, über die er frei verfügen kann, so dass er namentlich seinen Lebensunterhalt hieraus bestreiten kann.98 Soweit der Schuldner aus dem exekutionsentzogenen und damit konkursfreien Vermögen Verbindlichkeiten eingeht, kann sich der Vertragspartner zu seiner Befriedigung an den Schuldner halten. Die Konkursmasse wird insoweit aber nicht verpflichtet. Soweit der Schuldner Verbindlichkeiten eingegangen ist, die er aus seinem konkursfreien Vermögen nicht bestreiten kann, sind diese nicht aus der Konkursmasse abzudecken99, es sei denn, das konkursfreie Vermögen hat nicht dazu ausgereicht, den Unterhalt des Schuldner und seiner Unterhaltsberechtigten zu decken. Insoweit ist die Konkursmasse nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 KO hierzu heranzuziehen100. Im Übrigen muss der Schuldner eine jede zu begründende Verbindlichkeit zuvor dem Konkursgericht zur Kenntnis bringen um eine Genehmigungserklärung herbeizuführen. Regelmäßig wird das Konkursgericht seine Genehmigung in Bezug auf betragsmäßig feststehende Verpflichtungen der Masse erteilen oder eine Betragsbeschränkung z. B. durch vom Schuldner vorgelegte Kostenkalkulationen des Vertragspartners – etwa im Falle von Reparaturarbeiten an Massegegenständen – vornehmen. Werden dann die Kosten des Vertragspartners überstiegen, wird in dem die durch den vorgetragenen Betrag begrenzte Genehmigung überschießenden Vertrag keine Masseforderung begründet101. In der Literatur wird wegen der damit verbundenen 98

Bericht des Justizausschusses 1330 BlgNR18GP3. Konecny (Fußn. 1) S. 75. 100 Konecny (Fußn. 1) S. 75, dort Fußn. 100. 101 Konecny (Fußn. 1) S. 73/74. 99

B. Eigenverwaltung des Schuldners

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Missbrauchgefahren vor der Erteilung von „Blankogenehmigungen“ gewarnt, die dem Schuldner unbeschränkte Zustimmung zu Verpflichtungen der Masse und damit eine den Konkurszweck in Frage stellende volle Verfügungsbefugnis erteilen. Folgt man an dieser Stelle nicht der hier vertretenen Auffassung, dass auch im Privatkonkurs eine Masse konstituiert und der Schuldner Amtswalter in eigenen Angelegenheiten ist, würde der Schuldner eine durch eine Blankogenehmigung eine sogar die Befugnisse des Masseverwalters übersteigende Rechtsmacht eingeräumt bekommen. Daher ist der Ansicht zuzustimmen, dass die Konkursgerichte derartige Blankogenehmigungen nicht erteilen sollten102. Das Konkursgericht genehmigt die Eingehung von Verbindlichkeiten; gemeint ist damit indes, dass das Konkursgericht Rechtshandlungen des Schuldners genehmigt, aus denen Verbindlichkeiten gegen die Masse erwachsen. Regelmäßig würde sich hierbei die Eingehung vertraglicher Verbindungen zu den Vertragspartnern handeln. Aus der Vertragsabwicklung können sich aber Folgeansprüche, namentlich Schadenersatzansprüche ergeben. In diese Fall lässt sich nicht argumentieren, das Konkursgericht habe zwar der Eingehung aus dem Vertrag unmittelbar folgender Verbindlichkeiten seine Zustimmung erteilt, nicht aber Schadenersatzansprüchen, die aus einer fehlerhaften Erfüllung des Vertrages herrühren. Daher wird zu Recht die Meinung vertreten, dass auch aus der Abwicklung von mit Zustimmung des Konkursgerichts eingegangenen Verträgen herrührende Schadenersatzansprüche als Masseverbindlichkeiten entstehen, die aus der Konkursmasse vorab zu begleichen sind103. Seine Zustimmung darf das Insolvenzgericht aber nur zur Begründung von Masseverbindlichkeiten gegenüber solchen Gläubigern erteilen, die entweder aufgrund der Verwaltung der Masse (auf Abschluss von Versicherungen wegen Wertgegenständen, die sich in der Masse befinden, Reparaturen an Massegegenständen, allfälligen weiteren Verwaltungskosten wie z. B. den aus der freihändigen Veräußerung von Massegegenständen herrührenden Kosten) Forderungen gegen die Masse geltend machen. MaW ist genehmigungsfähig allein die Handlung des Schuldners, die im „Normalverfahren“ bei Handlungen des Masseverwalters als Masseverbindlichkeit begründet würde104. Allerdings ist die Diskussion um § 187 Abs. 1 Nr. 4 KO alles andere als 23a verstummt. Denn nach der zitierten Judikatur des OGH bleibt, wie Konecny105 gezeigt hat, offen, wie in all denjenigen Fragenzusammenhängen zu entscheiden ist, in denen der Gemeinschuldner entweder infolge Leistung106 oder Eingriff107 102

Konecny (Fußn. 1) S. 74. Konecny (Fußn. 1) S. 74. 104 Konecny (Fußn. 1) S. 74/75. 105 Konecny, Massebezogene Rechtshandlungen von Gemeinschuldnern (im Druck). 106 Z. B. durch Fehlüberweisung zu Lasten eines Dritten auf das Konto des Gemeinschuldners. 107 Z. B. durch die rechtswidrige Veräußerung von Aussonderungsgut. 103

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Kap. 2: Eigenverwaltung im Privatkonkurs

rechtgrundlos bereichert ist. Konecny108 schlägt vor, diese Fragen über den Genehmigungsbegriff zu klären. Hat der Schuldner etwas aus rechtswidrigem Tun erlangt, kann dies nicht den Konkursgläubigern zu Gute kommen. Der Schutzzweck der konkursgerichtlichen Genehmigung greift insofern nicht; eine Genehmigung zur Auszahlung des rechtswidrig Erlangten wäre zu erteilen. Gleiches gilt bei irrtümlich erfolgten Bereicherungen (z. B. im Fall der Fehlüberweisung). Schließlich entstehen Masseverbindlichkeiten schlicht deshalb, weil sie durch die Massezugehörigkeit von Vermögensgegenständen ausgelöst werden wie im Falle der Grundsteuer für eine massezugehörige Liegenschaft. Sie werden nicht durch den eigenverwaltenden Schuldner besonders ausgelöst, sondern „hängen“ gleichsam an der Masse. Das Konkursgericht könnte ihre Begleichung nicht durch die Verweigerung der Genehmigung verhindern. 24

Nach § 187 Abs. 1 Nr. 5 KO ist der Schuldner nicht befugt, den pfändbaren Teil seiner Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder aus sonstigen wiederkehrenden Leistungen mit Einkommensersatzfunktion entgegenzunehmen. Über diese Teile seiner Einkünfte ist dem Schuldner eine Verfügung von Gesetzes wegen generell untersagt. § 190 KO regelt, wie in diesen Fällen zu verfahren ist. Das Konkursgericht hat hier entweder einen Masseverwalter zur Entgegennahme und Verwaltung dieser Beträge zu bestellen oder diese pfändbaren Einkommensteile selbst zu vereinnahmen. Um welche Beträge es sich dabei handelt, ergibt sich aus § 12a KO, der sonstige wiederkehrende Vergütungen für Arbeitsleistungen aller Art etwa aus Werk- oder Konsulentenverträgen, Ausgleichszahlungen bei Wettbewerbsbeschränkungen, hohe Bezüge, Versicherungsleistungen bzw. Schadensrenten bei Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit, Arbeitslosengeld usf. aufzählt. Konecny109 weist indes in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei Zugrundelegung der Einkommensersatzfunktion von Bezügen die der Bestreitung des Lebensunterhalts des Schuldners dienen, auch Unterhaltsansprüche oder private Zusatzpensionen von diesem Begriff erfasst werden. Denn es gehört zu den rechtspolitischen Zielen des Privatkonkursverfahrens, dass Dauerbezüge des Schuldners möglichst allen Gläubiger zugute kommen sollen, um dem Schuldner auf diese Art und Weise die Grundlage für eine Restschuldbefreiung zu eröffnen. Der Drittschuldner hat daher entweder an den bestellten Masseverwalter oder unmittelbar an das Konkursgericht diese Beträge zu überweisen. Sind an den pfändbaren Einkommensteilen Aus- und Absonderungsrechte begründet, namentlich durch Zessionen, hat der Zahlungspflichtige diese zu beachten, bis sie nach § 12a KO erlöschen110. Missachtet der Drittschuldner das Verbot des § 187 Abs. 1 Nr. 5 KO und zahlt direkt die pfändbaren Bezugsteile an den Schuldner, greift § 3 Abs. 2 KO ein111. Die 108 109 110

Konecny, Massebezogene Rechtshandlungen von Gemeinschuldnern (im Druck). Konecny (Fußn. 1) S. 76. Konecny (Fußn. 1) S. 77.

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Schuld des Drittschuldners wird durch die Leistung an den Schuldner nach Eröffnung des Privatkonkursverfahrens über dessen Vermögen nur dann getilgt, wenn der Schuldner den Geldbetrag an das Konkursgericht bzw. den Masseverwalter herausgibt oder wenn der Drittschuldner schuldlos in Unkenntnis von der Konkurseröffnung gehandelt hat. Die dem eigenverwaltenden Schuldner zustehende Verfügungs- und Verwal- 25 tungsbefugnis umfasst allein die Kompetenz zum freihändigen Verkauf von Gegenständen der Masse. Dem Privatschuldner ist es demgegenüber nicht möglich, die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung einer unbeweglichen Sache zu betreiben, nach § 187 Abs. 1 Nr. 6 KO ist in diesen Fällen entweder zur Betreibung der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung ein Masseverwalter zu bestellen; das Konkursgericht kann aber auch selbst tätig werden. 5. Reichweite der Prozessführungsbefugnis des eigenverwaltenden Schuldners Soweit dem Schuldner durch § 187 Abs. 1 KO die materiellrechtliche Befug- 26 nis zur Einziehung einer Forderung (Anspruchseinziehung) entzogen wird, fehlt es ihm an der Prozessführungsbefugnis. Mit der Postulierung dieses Grundsatzes ist allerdings noch nicht viel gewonnen. In den entscheidenden Fällen der dem Schuldner zustehenden Einkünfte ordnet § 187 Abs. 1 Nr. 5 KO indes – wie oben angesprochen – eine solche vollständige Entmachtung an. Der OGH112 hat die daraus folgenden Konsequenzen gescheut und dem Schuldner wegen der Einkünfte die Prozessführungsbefugnis unter der Voraussetzung zugebilligt, dass eine konkursgerichtliche Genehmigung der Prozessführung vorliege. Ob damit allerdings die vom OGH vermuteten Vorteile für die Masse verbunden sind, lässt sich mit Konecny113 anzweifeln. Denn der Schuldner wird regelmäßig mit der Prozessführung überfordert sein und folglich zu Lasten der Masse einen Rechtsanwalt zu mandatieren haben; die Bestellung eines Masseverwalters zur Führung des Prozesses durch das Konkursgericht löst demgegenüber keine Mehrkosten aus. 6. Entziehung der Eigenverwaltungsbefugnis Vorangegangen ist der gesetzliche Rahmen der Verfügungs- und Verwaltungs- 26a befugnisse des eigenverwaltenden Schuldners im Privatkonkurs dargestellt worden. Im Einzelfall können diese Befugnisse durch das Konkursgericht einer weiteren Beschränkung unterworfen werden. Naturgemäß handelt es sich bei 111 112 113

Konecny (Fußn. 1) S. 77. OGH SZ 70/105 = ZIK 1997, S. 187. Konecny, Massebezogene Rechtshandlungen von Gemeinschuldnern (im Druck).

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Kap. 2: Eigenverwaltung im Privatkonkurs

dem Entzug der Eigenverwaltungsbefugnis um die weitestgehende Beschränkung der Befugnisse des Schuldners; dieser Fall ist im § 186 Abs. 2 KO geregelt, während § 190 Abs. 2 KO die Beschränkung der Befugnisse des Schuldners im Hinblick auf einzelne Verwaltungsbefugnisse normiert. 27

§ 186 Abs. 2 KO sieht drei Fallkonstellationen vor, in dem das Konkursgericht dem Schuldner die Kompetenz zur Eigenverwaltung zu entziehen hat. Bei Eintritt des Entzug der Eigenverwaltung ist in jedem der in § 186 Abs. 2 genannten Fälle zwingend ein Masseverwalter zu bestellen, da die Regelung des § 190 Abs. 3 KO hier nicht zur Anwendung kommt. Hiernach kann das Konkursgericht sich bei einer Beschränkung hinsichtlich einzelner Verwaltungsbefugnisse des eigenverwaltenden Schuldners die Verwaltung der Konkursmasse vorbehalten114. Regelmäßig trifft das Konkursgericht den Beschluss nach § 186 Abs. 2 KO mit der Konkurseröffnung, dies ist aber nicht zwingend. Eine Entscheidung kann auch nachträglich erfolgen, wie oben RdNr 10 f. dargestellt worden ist.

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Voraussetzung hierfür ist zum einen, dass die Vermögensverhältnisse des Schuldners nicht überschaubar sind. Regelmäßig wird der Schuldner freilich seine Vermögensverhältnisse unter Mitwirkung und Hilfe einer Schuldnerberatungsstelle vorab zur Vorbereitung des Antrags aufbereiten und dem Konkursgericht transparent machen. Geschieht dies nicht, befindet sich das Konkursgericht in einer misslichen Entscheidungslage. Denn das Gesetz bezweckt mit der Einführung des Instituts der Eigenverwaltung, die den Gläubigern haftende freie Masse zu schonen und sie insbesondere von den erheblichen Kosten zu entlasten, die bei Bestellung eines Masseverwalters anfallen würden. Die mangelnde Verfahrensvorbereitung durch den Schuldner nimmt ihm zwar die dem eigenverwaltenden Schuldner vorbehaltenen Befugnisse, geht aber finanziell zu Lasten der Gläubiger und erweist sich sub specie des Konkurszwecks als sinnwidrig115. Den Konkursgerichten wird eine Prognose zugemutet, ob zu erwarten ist, dass die Voraussetzung für eine totale Entmachtung des Schuldners vorliegen, weil viele und schwierige Verwaltungsmaßnahmen zu erwarten sind. Während der deutsche Gesetzgeber die Insolvenzgerichte mit dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2001 dadurch zu entlasten versucht hat, dass er das Verbraucherinsolvenzverfahren auf Fälle reduziert hat, in denen der Schuldner nicht mehr als 20 Gläubiger hat, wird zu § 186 Abs. 2 Nr. 1 KO die Auffassung vertreten, dass „viele Gläubiger“ und „hohe Schulden“ die Vermögenslage des Schuldners noch nicht von sich aus als „undurchsichtig“ erweisen.116 Es ist bereits oben darauf hingewiesen worden, dass die Konkursgerichte in der Anfangszeit nach Einführung des Rechtsinstituts der Eigenverwaltung im Privatkonkurs dazu geneigt 114 115 116

Konecny (Fußn. 1) S. 78. Konecny (Fußn. 1) S. 78/79. Konecny (Fußn. 1) S. 79.

B. Eigenverwaltung des Schuldners

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haben, wegen Unüberschaubarkeit der Vermögensverhältnisse nach § 186 Abs. 2 KO zu verfahren. Dagegen ist darauf hingewiesen worden, dass der Ausnahmetatbestand des § 186 Abs. 2 KO nicht in einer Weise extensiv ausgelegt werden dürfe, dass er zum Regelfall werde.117 Eine hohe Komplexität der Vermögensverhältnisse mit zu erwartenden komplexen Verwaltungsmaßnahmen ist indes schon deshalb nicht als der Regelfall im Privatkonkurs zu unterstellen, da dem Schuldner die Befugnis zur Konkursanfechtung anders als dem Masseverwalter im Normalfall nicht zusteht. Konkursanfechtungen werden im Privatkonkurs von den Gläubigern durchgeführt. Ein erheblicher Teil der sowohl aus rechtlicher als aber auch aus tatsächlicher Sicht komplexen und schwierigen Masseverwaltungsaufgaben, die dem Masseverwalter im Normalfall obliegen, sind also im Privatkonkurs von vornherein nicht zu erwarten. Für im Übrigen auftretende Komplikationen besteht nach § 190 Abs. 2 KO die Möglichkeit, einen auf die jeweilige Problemlage hin zu bestellenden Masseverwalter durch das Konkursgericht einzusetzen, was die Kosten des Tätigwerdens dieses Masseverwalters gegenüber einem global einzusetzenden Masseverwalter unter Entziehung der Eigenverwaltung in erheblichem Umfang reduziert.118 Nach den vorliegenden Erkenntnissen über die nach den geschilderten Anfangsproblemen sich durchgesetzte Praxis der Anwendung des § 186 Abs. 2 KO lässt sich ein vorläufiges Resümee ziehen. Der Tatbestand der nicht überschaubaren Vermögensverhältnisse weist diffuse Grenzen auf, die den Gerichten erhebliche Entscheidungsprobleme bereitet haben. Zum anderen sieht § 186 Abs. 2 Nr. 2 KO vor, dass die Eigenverwaltung zu 29 entziehen ist, wenn dem Konkursgericht Umstände bekannt sind oder werden, die im Falle der Eigenverwaltung Nachteile für die Gläubiger erwarten lassen.119 Dieser Tatbestand ist mit dem des § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO zu vergleichen. Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass auch im Hinblick auf diesen Tatbestand seitens der Konkursgerichte „Zurückhaltung angebracht“ sei.120 § 186 Abs. 2 Nr. 2 KO ist im Kontext der Funktion des Konkurses zu sehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Konkurs im vergangenen 20. Jahrhundert die Elemente eines zur Diskriminierung oder gar Bestrafung dienenden Verfahrens abgestreift und sich zum reinen Verfahren der Haftungsverwirklichung zu Gunsten der Gläubiger entwickelt hat. In diesem Kontext ist es evident, dass § 186 Abs. 2 Nr. 2 KO nicht die Funktion hat, den Schuldner dafür zu sanktionieren, dass er gegebenenfalls vor der Eröffnung des Konkursverfahrens ein Vermögen schlecht verwaltet hat oder leichtfertig Verbindlichkeiten eingegangen ist, deren Begleichung eben nicht möglich war.121 Allerdings sind hier 117 118 119 120

Konecny (Fußn. 1) S. 104. Konecny (Fußn. 1) S. 79. Kodek, Privatkonkurs, RdNr. 164 ff. Konecny (Fußn. 1) S. 80.

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Kap. 2: Eigenverwaltung im Privatkonkurs

Grenzen zu berücksichtigen. Insoweit der Schuldner vorkonkurslich durch sein Verhalten Kridadelikte verwirklicht hat122, ist zu erwarten, dass der Schuldner mit einer kriminellen Energie auch in Zukunft handeln wird, die der Verwirklichung der Haftung seines Vermögens zu Gunsten seiner Gläubiger abträglich zu sein geeignet ist. Anders als im deutschen Unternehmensinsolvenzverfahren ist dagegen der Umstand, dass der Schuldner sich in Untersuchungshaft oder in Strafhaft befindet, nicht zwingend vorausgesetzt. Ein Umstand, der die Eigenverwaltung als für die Gläubiger nachteilig erscheinen lassen wird. Denn in einer derartigen Lage wird der Schuldner zum einen weitere Verbindlichkeiten regelmäßig nicht eingehen können, zum anderen aber seine Vermögensverhältnisse gegebenenfalls auch aus der Untersuchungs- oder Strafhaft heraus unter Umständen mit Hilfe einer Schuldnerberatungsstelle zu ordnen im Stande sein, so dass die kostenträchtige Bestellung eines Masseverwalters sich erübrigen kann. Etwas anderes gilt natürlich hier auch für den Fall, dass die Tatbestände, wegen derer die Untersuchungs- bzw. Strafhaft verhängt wird, die Erwartung nachteiliger Rechtshandlungen während des Konkursverfahrens begründen, so also insbesondere bei Urkunds- und Vermögensdelikten, wegen derer der Schuldner beschuldigt wird bzw. verurteilt worden ist. In all diesen Fällen ist es den Gläubigern nämlich nicht zuzumuten, dass das ihnen haftende Vermögen von einem böswillig handelnden Schuldner verwaltet wird. Problematischer ist es dagegen, wenn danach gefragt wird, ob der Schuldner überhaupt zur Eigenverwaltung tauglich sei. Denn der bloße Umstand, dass der Schuldner sich in eine Insolvenzlage manövriert hat, lässt im Allgemeinen befürchten, dass er im Hinblick auf die Verwaltung seines Vermögens nicht das hinreichende Geschick hat obwalten lassen. Würde man in dieser Weise argumentieren, wäre das Schicksal des Rechtsinstituts der Eigenverwaltung damit besiegelt. Im Hinblick auf die gleichsam intellektuelle Eignung des Schuldners zur Wahrnehmung der mit der Eigenverwaltung verbundenen Aufgaben ist daher insbesondere darauf Rücksicht zu nehmen, dass und in wieweit der Schuldner durch eine Schuldnerberatungsstelle Unterstützung erfährt.123 30

Die Verweigerung der gesetzlich vorgesehenen Eigenverwaltung stellt gleichsam die ultima ratio des Gesetzes vor, während § 190 Abs. 2 KO dem Konkursgericht die Möglichkeit einräumt, für einzelne Tätigkeiten einen Masseverwalter zu bestellen, wenn mit Ihnen besondere Schwierigkeiten verbunden sind. In den Erläuterungen zum Gesetz wird hierfür insbesondere die Führung von Prozessen genannt, die dem Schuldner dann nicht überlassen werden sollten, wenn ihnen eine schwierige Sach- und Rechtslage zugrunde liegt. In diesen Fällen wird es regelmäßig im Übrigen schon im Eigeninteresse des Schuldner liegen, zur Er121 122 123

So zutreffend Konecny (Fußn. 1) S. 79. Mohr, in: Konecny/Schubert § 187 RdNr. 15. Konecny (Fußn. 1) S. 80.

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zielung einer möglichst hohen Quote und einer weitgehenden Befriedigung seiner Gläubiger den Prozess dadurch zu fördern, dass er einen kompetenten Masseverwalter diese Aufgabe erledigen lässt; der Schuldner hat insofern die Möglichkeit, entsprechende Anregungen dem Gericht gegenüber vorzutragen. Dabei ist indes zu berücksichtigen, dass der Schuldner gegebenenfalls im Hinblick auf einen derartigen Prozess besondere Sach- vielleicht auch Rechtsgründe hat. Gleiches gilt im Übrigen für die im Schrifttum erwähnten Liegenschaftsangelegenheiten: Konecny124 meint, dass es im Falle des Verkaufs von Liegenschaften sinnvoll sein könne, einen Masseverwalter zu bestellen. Das alles ist aber eine quaestio facti, denn der Schuldner, der u. U. während seiner Berufstätigkeit im Immobiliengeschäft tätig war und in dessen Privatvermögen sich nunmehr Immobilien befinden, mag trotz seiner Insolvenzlage über erhebliche Fertigkeit, Sachkunde und die erforderlichen Kontakte verfügen, um eine effiziente Verwertung von Liegenschaften im Wege freihändigen Verkaufs zu erreichen. So wird denn auch darauf hingewiesen, dass auch § 190 Abs. 2 KO eng auszulegen sei, da diese Vorschrift ebenso wie § 186 Abs. 2 KO im Rahmen des Zwecks des Privatkonkurses und des Instituts der Eigenverwaltung zu sehen ist. Nur eine sich in engen Grenzen bewegende Auslegung dieser Vorschriften dient der Funktion des Rechtsinstituts der Eigenverwaltung, die Kosten der Masseverwaltung möglichst gering zu halten.125 Ist der Schuldner indes nicht im Stande, auch einfachere Tätigkeiten der Masseverwaltung wahrzunehmen, soll, wenn dies auch dem Konkursgericht nicht möglich ist, ein Masseverwalter zu bestellen sein.126 Für den Fall, dass ein Masseverwalter nicht bestellt und der Schuldner zur Verwaltung nicht berechtigt bzw. in der Lage ist hilft § 190 Abs. 3 KO, der dem Konkursgericht Verwertungsaufgaben und -kompetenzen einräumt.127 Nach § 190 Abs. 2 KO kann das Konkursgericht all diejenigen Tätigkeiten 31 einem Masseverwalter zuweisen, die in den Bereich der Befugnisse des eigenverwaltenden Schuldners gehören. Es ist davon unabhängig, ob diese Tätigkeiten in ihrer Wirksamkeit von gerichtlichen Genehmigungsbeschlüssen abhängig sind oder nicht. Soweit von Gesetzes wegen Verwaltungsmaßnahmen dem Konkursgericht zugewiesen sind wie die Entgegennahme und Verteilung der pfändbaren Einkünfte oder die gerichtliche Verwertung unbeweglicher Sachen, ist nach zutreffender Meinung128 eine Übertragung dieser Verwaltungsmaßnahmen auf einen Masseverwalter zulässig. Denn das Gesetz sieht in § 190 Abs. 3 KO eigene Tätigkeitspflichten des Konkursgerichts nur unter der Voraussetzung vor, dass ein Masseverwalter nicht bestellt wurde. Allerdings hat sich das Konkurs-

124 125 126 127 128

Konecny (Fußn. 1) S. 80. Konecny (Fußn. 1) S. 80. So Konecny (Fußn. 1) S. 80/81; a. A. Deichsler-Hübner, Privatkonkurs, RdNr. 113. Mohr, in: Konecny/Schubert § 190 RdNr. 7 f., 9. Konecny (Fußn. 1) S. 81.

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Kap. 2: Eigenverwaltung im Privatkonkurs

gericht hierbei Zurückhaltung aufzuerlegen, um der Kosteneinsparungsfunktion des Instituts der Eigenverwaltung gerecht zu werden.129 Die Übertragung bestimmter Verwaltungsbefugnisse auf einen Masseverwalter entmachtet im spiegelbildlichen Umfang den Schuldner, der in Bezug auf die dem Masseverwalter übertragenen Verwaltungsbefugnisse ebenso verfügungsunfähig ist, wie es der Gemeinschuldner im normalen Fall vom Zeitpunkt der Konkurseröffnung an ist. 32

Aufgrund der Verweisung des § 181 KO ist es dem Konkursgericht gemäß § 186 Abs. 1 KO ebenfalls möglich, den Schuldner hinsichtlich bestimmter Verwaltungsbefugnisse für Einzelfälle in seiner Eigenverwaltung zu beschränken, wobei dies die Bekanntmachung der Verfügungsbeschränkung gegenüber den davon betroffenen Dritten voraussetzt.130 Im Übrigen kann das Insolvenzgericht nach § 190 Abs. 2 KO für einzelne Tätigkeiten von Amts wegen einen Masseverwalter bestellen, wenn deren Erledigung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist. Konecny131 hat darauf hingewiesen, dass § 190 Abs. 2 KO gegenüber § 83 Abs. 1 KO keine lex specialis darstellt. Denn § 190 Abs. 2 KO sieht eine Übertragung von Verwaltungsbefugnissen vor, wie in § 83 Abs. 1 KO bloße Verwaltungsbeschränkungen gegen den Schuldner angeordnet sind. Die Reichweite des § 83 Abs. 1 KO im Privatkonkurs ist indes gering, da die Verwaltungsmaßnahmen ebenso wie Verpflichtungsgeschäfte des Schuldners unter Zustimmung des Konkursgerichts stehen, § 187 Abs. 1 Nr. 3 KO.

33

Die Maßnahmen nach § 186 Abs. 2 KO und § 190 Abs. 2 KO ergehen durch konkursgerichtlichen Beschluss, gegebenenfalls im Rahmen des Eröffnungsbeschlusses. Werden Eigenverwaltungsentzug bzw. die Beschränkung von Verwaltungsbefugnissen des eigenverwaltenden Schuldners nach Eröffnung des Verfahrens verhängt, kann der entsprechende Beschluss von Amts wegen oder auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten erfolgen. Antragsbefugnis haben Konkursgläubiger und der Schuldner. Dies ergibt sich aus § 190 Abs. 2 KO. Diese Vorschrift regelt die Antragsbefugnis allerdings nur in Bezug auf die teilweise Beschränkung der Eigenverwaltung. Hieraus lässt sich aber a majore ad minus schließen, dass wenn schon eine Antragsbefugnis bezüglich teilweiser Beschränkung der Eigenverwaltungsbefugnisse gesetzlich eingeräumt ist, dies erst recht für den Fall gelten muss, dass die Eigenverwaltung überhaupt mit Nachteilen für die Gläubiger verbunden ist; auch für diesen Fall haben die Konkursgläubiger daher eine Antragsbefugnis. Das muss aber auch für den Schuldner gelten. Denn wenn der Schuldner selbst vorträgt, aufgrund unterschiedlichster Umstände zur Eigenverwaltung nicht in der Lage zu sein, muss er einen entsprechenden Antrag beim Insolvenzgericht zu stellen befugt sein. Ist ein Gläubigerausschuss bestellt, wird in der Literatur in eine Parallele zur Enthebung eines 129 130 131

Konecny (Fußn. 1) S. 81. Riel, Die Befugnisse des Masseverwalters im Zivilverfahrensrecht, S. 45 ff. Konecny (Fußn. 1) S. 80 ff., 81/82.

B. Eigenverwaltung des Schuldners

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Masseverwalters gem. § 87 Abs. 2 KO gezogen. Daher steht den Mitgliedern des Gläubigerausschusses die Befugnis zu, die gänzliche Entziehung der Eigenverwaltung zu beantragen. Dies gilt auch bei Antrag auf Beschränkung nach § 190 Abs. 2 KO.132 Die konkursgerichtliche Entscheidung ergeht nach „Anhörung“ von Schuldner und Gläubigerausschuss. Dies wird wegen der Parallelität zur Enthebung des Masseverwalters aus § 87 Abs. 3 KO i. V. m. § 181 KO gefolgert.133 Werden die Befugnisse des eigenverwaltenden Schuldners beschränkt, betrifft dies die Verwertungsaussichten der Konkursgläubiger unmittelbar. Dies sowohl wegen der damit verbundenen Kosten, die aufgrund der dann fälligen Entlohnung des Masseverwalters entstehen, als auch wegen der sich verändernden Stellung des Schuldners überhaupt. Auch in diesem Fall ist die Anhörung von Schuldner und Gläubigerausschuss geboten. Der Beschluss muss die dem Schuldner entzogenen Verwaltungsbefugnisse 34 hinreichend konkret benennen und zugleich zur Wahrnehmung der damit verbundenen Tätigkeiten einen Masseverwalter bestellen, auf den die Verwaltungsbefugnisse übertragen werden. Die Verwaltungsbefugnisse kann sich das Konkursgericht nicht vorbehalten. Der Beschluss ist den Beteiligten zuzustellen und öffentlich kund zu machen.134 Dies gilt sowohl für den Fall des § 186 Abs. 2 KO als auch für den Fall der bloßen Beschränkung der Verwaltungsbefugnis gem. § 190 Abs. 2 KO. Denn jede Bestellung eines Masseverwalters ist öffentlich bekannt zu machen. Dies gilt auch für die Bestellung eines Organs mit beschränkten Befugnissen, vgl. § 80 Abs. 1 KO für den Masseverwalter; diese Vorschrift ist nach § 181 KO im Kontext der Eigenverwaltung heranzuziehen. Erst mit der Bekanntmachung wird die Entziehung der Eigenverwaltung bzw. die Stellung des Masseverwalters bei Beschränkung der Verwaltungsbefugnis wirksam, § 174 Abs. 2 KO. Für die Bestellung des Masseverwalters gelten im Allgemeinen die im nor- 35 malen Konkursverfahren zu beachtenden Regeln. Hat das Gericht etwa in überdehnter Auslegung des § 186 Abs. 2 KO zu- 36 nächst die Eigenverwaltung entzogen und einen Masseverwalter bestellt135, stellt sich die Frage, ob eine Entscheidung möglich ist, die gleichsam in die andere Richtung verläuft. Allerdings sehen die §§ 186 und 190 KO allein vor, die Befugnisse vom ursprünglich verwaltungsberechtigten Schuldner auf einen Masseverwalter zu übertragen. Der „umgekehrte“ Weg ist demgegenüber gesetzlich nicht geregelt. Gerade für den Fall einer überdehnten Anwendung des § 186 Abs. 2 KO ist in der Literatur136 die nachträgliche Einräumung der Ei132 133 134 135 136

Konecny (Fußn. 1) S. 82/83. Konecny (Fußn. 1) S. 83. Mohr, Privatkonkurs S. 14. Vgl. oben RdNr. 10. Deichsler-Hübner, Privatkonkurs, RdNr. 115; Konecny (Fußn. 1) S. 84.

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Kap. 2: Eigenverwaltung im Privatkonkurs

genverwaltung vorgeschlagen worden. Wie wohl es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung eines derartigen Procedere fehlt, ist es doch nicht contra legem, sondern entspricht insbesondere den Kostenreduzierungsfunktionen, die das Institut der Eigenverwaltung erfüllen soll. Ergibt es sich nämlich, dass die Voraussetzungen des § 186 Abs. 2 KO nicht vorliegen, besteht kein Anlass, die Masse und damit die Gläubiger mit den durch die Bestellung eines Masseverwalters verbundenen Kosten zu belasten. Voraussetzung dafür ist, dass der einmal bestellte Masseverwalter enthoben wird. Hierfür bedarf es nach § 87 Abs. 1 KO eines wichtigen Grundes. Dieser liegt darin, dass die weiteren Masseverwalterkosten die Masse ohne Grund belasten. Dem Schuldner wird es dadurch unmöglich, die Restschuldbefreiung zu erlangen.137 Erweist es sich beispielsweise, dass ein bei Konkurseröffnung bestellter Masseverwalter einen komplexen Rechtsstreit zur Erledigung gebracht hat und im Folgenden nurmehr Routineaufgaben abzuwickeln sind, deren Erledigung vom Schuldner erwartet werden kann, kann in dem beschriebenen Wege verfahren werden. 37

Der nach § 196 Abs. 2 KO bestellte Masseverwalter hat nach den allgemeinen Vorschriften zu verfahren. Dies gilt im Übrigen auch für den Fall, dass der Masseverwalter nach § 190 Abs. 2 KO nur zur Wahrnehmung bestimmter Tätigkeiten unter „Teilentmachtung“ des Schuldners bestellt wird. Das Konkursgericht hat eigene Masseverwaltungsaufgaben im Privatkonkurs bei Eigenverwaltung des Schuldners gem. § 187 KO, sowie ihm von Gesetzes wegen Aufgaben allein zur Erfüllung zugewiesen sind. Im Einzelnen hat das Konkursgericht Genehmigungsbeschlüsse zu erlassen, um den Schuldner bei Ausübung der Eigenverwaltung zu unterstützen. Zudem hat es den pfändbaren Teil der Schuldnereinkünfte entgegenzunehmen und exekutive Verwertung unbeweglicher Massegegenstände zu betreiben. Das Konkursgericht hat als wesentliche eigene Aufgabe die Verwaltungstätigkeit des Schuldners zu überprüfen. Hierzu hat es im Einzelnen Rechnungslegung vom Schuldner zu verlangen. Soweit der Schuldner nicht zu der Wahrnehmung von Aufgaben eines Masseverwalters am Konkurse von Gesetzes wegen befugt ist und die entsprechenden Befugnisse auch nicht gem. § 189 KO den Konkursgläubigern zugewiesen sind, hat das Konkursgericht nach § 190 Abs. 3 KO die dem Masseverwalter obliegenden Aufgaben wahrzunehmen. Im Einzelnen ist in diesem Rahmen zu nennen: die Errichtung des Inventars, die Führung des Anmeldungsverzeichnisses sowie Verwertungstätigkeiten und die Verteilung des Erlöses. Darüber hinaus ist es dem Konkursgericht rechtlich nicht möglich, z. B. in besonders schwierigen Angelegenheiten die Verwaltungstätigkeit, die dem eigenverwaltenden Schuldner zusteht, an sich zu ziehen. Vielmehr legt das Gesetz die Verwaltungsbefugnis des Konkursgerichts abschließend fest.138 Die Formulierung des § 190 137 138

Konecny (Fußn. 1) S. 85. Konecny (Fußn. 1) S. 86.

B. Eigenverwaltung des Schuldners

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Abs. 3 KO, wonach das Konkursgericht „insbesondere“ berechtigt ist, das Exekutionsgericht um die gerichtliche Veräußerung von Massegegenständen zu ersuchen, ist daher nicht dahin auszulegen, dass das Konkursgericht darüber hinaus Verwertungsbefugnisse an sich zu ziehen befugt wäre. § 190 Abs. 3 KO hat vielmehr allein die Bedeutung, dass dem Konkursgericht allein obliegt, die gerichtliche Verwertung von unbeweglichem Vermögen in die Wege zu leiten. Denn dem Schuldner ist dies gem. § 187 Abs. 1 Nr. 6 KO nicht erlaubt.139 Während in der Unternehmensinsolvenz die Sicherstellung der Betriebsfortführung nur deshalb das zentrale Ziel der Masseverwaltung sein kann, weil hierdurch überhaupt nur ein Wert der Masse erhalten wird, stellt sich das im Privatkonkurs schon deshalb anders dar, weil – wie oben gezeigt – der Schuldner nicht Inhaber eines Unternehmens ist. Im Privatkonkurs geht es darum, nicht einfach Vermögen zu verwalten, sondern durch die Vermögensverwertung einen Zahlungsplan und ein Abschöpfungsverfahren gem. § 193 Abs. 2 und § 200 Abs. 1 KO zu ermöglichen.140 Das rückt die Verwertung des Schuldnervermögens durch den eigenverwaltenden Schuldner im Privatkonkurs in den Mittelpunkt des Interesses. Soweit der Schuldner bewegliches Vermögen bewerten will, ist ihm die frei- 38 händige Verwertung – im österreichischen Recht als außergerichtliche Verwertung bezeichnet – ebenso wie die gerichtliche Verwertung möglich.141 Im Falle der Verwertung von Immobilien ist der Schuldner zur freihändigen Verwertung von Liegenschaften berechtigt142. Die zur Konkursmasse gehörenden Sachen sind nur dann gerichtlich zu veräußern, wenn das Konkursgericht dies ausdrücklich beschließt § 119 Abs. 1 KO i. d. F. InsNov 2002. Diese durch das Gericht vorgenommene Veräußerung ist gegenüber der wirtschaftlich sinnvolleren, weil regelmäßig ertragreicheren freiwilligen Veräußerung durch den Masseverwalter oder im Verfahren nach den §§ 186 f. KO durch den eigenverwaltenden Schuldner subsidiär.143 Im Übrigen ist gem. § 190 Abs. 3 KO für die gerichtliche Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung allein das Gericht zuständig. In jedem Fall der Verwertung von Massegegenständen durch den Schuldner hat dieser den Erlös, den er infolge der Verwertungsmaßnahme erzielt, an das Konkursgericht weiter zu leiten. Denn nur das Konkursgericht ist zur Vornahme von Verteilungen berechtigt.144

139

Mohr, Privatkonkurs S. 46; Konecny (Fußn. 1) S. 86/87. Zum Ganzen: Konecny (Fußn. 1) S. 87 ff. 141 Mohr, Privatkonkurs S. 46. 142 Kodek, Privatkonkurs, RdNr. 279. 143 Kodek, Privatkonkurs, RdNr. 280, der meint, im Privatkonkurs werde gleichwohl die gerichtliche Verwertung im Vordergrund stehen. 144 Konecny (Fußn. 1) S. 87. 140

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39

Kap. 2: Eigenverwaltung im Privatkonkurs

Konecny145 qualifiziert Privatkonkurse durch ihren „Charakter einer Sammelexekution“. Während in Unternehmensinsolvenzen regelmäßig freihändig verkauft werde, hält es Konecny für schwer vorstellbar, das gebrauchte Audiooder Video-Anlagen oder Elektroanlagen anders als gerichtlich verwertet werden. Damit stellt sich die Frage danach, wie in dem anzustellenden gerichtlichen Verwertungsverfahren die Rolle zu bestimmen ist, die dem Schuldner zugewiesen wird. Parallelisiert man die Stellung des eigenverwaltenden Schuldners mit der des Masseverwalters, dann ist die Stellung des Schuldners als die eines Parteienverwertungsverfahren zu definieren, da er wie der Masseverwalter im Normalfall den Verwertungsantrag stellt. Daher kommt dem antragstellenden Masseverwalter im anschließenden Verfahren die Stellung eines betreibenden Gläubigers zu. Die §§ 119 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 KO geben dem in Stellung eines betreibenden Gläubigers einrückenden Masseverwalter daher im laufenden Exekutionsverfahren die Befugnis, als betreibender Gläubiger einzutreten. Demgegenüber hat der Gemeinschuldner im Verfahren die Stellung und die Befugnis einer verpflichteten Partei.146 Aufgrund der Parallelisierung der Stellung des eigenverwaltenden Schuldners mit derjenigen des Masseverwalters scheint eine Art von verfahrensrechtlicher Konfusion einzutreten. Denn soweit bei Eigenverwaltung der Verwertungsantrag vom Schuldner gestellt wird, müsste er aufgrund der Parallele zum Masseverwalter als betreibender Gläubiger qualifiziert werden. Dagegen spricht indes, dass der Schuldner sich entgegen dieser verfahrensrechtlichen Qualifikation materiell an dem Verwertungsverfahren in der Stellung als Verpflichteter beteiligt.147 Diesen Konflikt löst Konecny148 dadurch, dass er die verfahrensrechtliche Stellung des Schuldners als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten, nämlich als Person, die verfahrensrechtlich die Aufgaben des Masseverwalters wahrzunehmen hat, ernst nimmt. Daraus ergibt sich zwingend, dass der Schuldner soweit er aktiv Massegegenstände kridamäßig zu verkaufen beabsichtigt und da er selbst ein Verwertungsverfahren betreibt, die Befugnisse eines betreibenden Gläubigers in Anspruch zu nehmen befugt ist.

145 146 147 148

Konecny (Fußn. 1) S. 88. Mit weiterer Nachf. Konecny (Fußn. 1) S. 88. Zu diesen Fragestellungen vgl. Konecny (Fußn. 1) S. 88. Konecny (Fußn. 1) S. 89.

Kapitel 3

Eigenverwaltung allein bei Konkursabwendung oder Reorganisation oder als allgemeine Option für die Ausgestaltung eines Insolvenzverfahrens A. Junktim von Eigenverwaltung und Schuldenreorganisation Die bisherigen Darstellungen haben drei Fallgestaltungen erkennen lassen, 1 unter denen nationale Konkursgesetzgeber die Eigenverwaltung des Schuldners zugelassen haben. Diese Fallgestaltungen lassen sich mit den Stichworten Vorlage eines (1) Reorganisationsplans, (2) Gewährung einer von Gesetzes wegen als den Gläubigern zumutbaren Mindestquote oder (3) die Überschaubarkeit der Verhältnisse des Schuldners erfassen. Es hat sich dabei gezeigt, dass im nordamerikanischen und im österreichischen Recht die Eigenverwaltung des Schuldners als treuhänderische Wahrnehmung der Masseverwaltung für die Gläubiger daran geknüpft ist, dass der Schuldner den Gläubigern einen Reorganisationsplan vorlegt (der debtor in possession des chapter 11 bankruptcy code) oder den Gläubigern eine Mindestquote anbietet (österreichischer Ausgleich) oder die Verhältnisse so überschaubar sind, dass sie jede andere Form der Fremdverwaltung der Masse gegenüber der Eigenverwaltung als irrational erscheinen lassen. Ist letztere Situation an den – im Kontext des Konkursrechts – singulär erscheinenden Privatkonkurs geknüpft, lässt sich aus den vorangegangenen Einzelanalysen für die Unternehmensinsolvenz ein naturgemäß vorläufiges Zwischenresultat ermitteln. Zunächst ist ein Umkehrschluss naheliegend. Danach scheint derjenige 2 Schuldner ungeeignet zu sein, als debtor in possession zu agieren, der den Gläubigern kein Reorganisationsmodell in Gestalt eines Planes anbietet. Dies ist auch für das österreichische Recht gleichsam dadurch implizit, dass der Ausgleich ohne entsprechende Mindestquoten und deren Gewährleistung apriori ausgeschlossen ist. Positiv legt dies zunächst einen radikal erscheinenden Schluss nahe. In einem 3 zweipoligen System von Ausgleichs- und Konkursrecht wie dem Österreichs lässt sich die Eigenverwaltung durch den Schuldner sehr einfach regeln und an hochförmliche Voraussetzungen anknüpfen – der Justiziabilität gleichsam auf der Hand liegt und keine substantiellen Probleme hervorruft. Nichts anderes gilt in einem System eines „einheitlichen“ Insolvenzrechts wie dem des nordameri-

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Kap. 3: Eigenverwaltung allgemeine verfahrensrechtliche Option?

kanischen bankruptcy code, da dort der debtor nur unter der Voraussetzung zum fiduciary in Gestalt eines debtor in possession wird, wenn und soweit er einen prepacked plan vorlegt oder in relativ überschaubaren Fristen nach Stellung seines Antrages einen Reorganisationsplan nachreicht. 4

Hierfür spricht eine im Grunde sehr einfache Überlegung. Welchen Grund sollte ein Konkursrechtsgesetzgeber haben, den Gläubigern zuzumuten, dem Schuldner den Schutz der Zugriffsbeschränkungen aufgrund der Einleitung des Insolvenzverfahrens zu gewähren, ohne dass der Schuldner substantiell vorträgt, im Insolvenzverfahren etwas anderes tun zu wollen als in der gleichen Weise wie in der Zeit vor Verfahrenseinleitung „weiterzuwurschtln“. Als dieser substantielle Vortrag stellt sich in einem „einheitlichen“ Insolvenzverfahren ein Reorganisationsplan dar.

B. Eigenverwaltung in liquidierenden Verfahren aufgrund einer Abwägung von Gläubiger- und Schuldnerinteressen – Systembrüche in der deutschen Insolvenzrechtsreform 5

Dieses Zwischenresumee deckt sich interessanter Weise mit Erwägungen, die den Reformgesetzgeber in Deutschland ursprünglich dazu bewogen hatten, das Rechtsinstitut der Eigenverwaltung in die neue InsO aufzunehmen: Der Gesetzgeber wollte aufgrund der ökonomisch begründeten Vorstellung, dass die Abwicklung von Insolvenzverfahren durch Insolvenzpläne wegen der so zu bewirkenden wirtschaftlichen Kompetenz aller Beteiligten erheblich sinnvoller sei als die in einem nur nach allgemeinen gesetzlichen Vorschriften abzuwickelnden Verfahren, den Insolvenzplan in den Mittelpunkt des neu zu schaffenden Rechts stellen. Im Kontext des Insolvenzplanverfahrens als Kern des neuen Insolvenzrechts hatte sich der Gesetzgeber dabei zunächst die Eigenverwaltung des Schuldners als Komplementärinstitut zum Insolvenzplanverfahren gedacht.

6

Das hätte strukturell der Lage nach dem chapter 11 bankruptcy code entsprochen. Sehr spät im Gesetzgebungsverfahren wurden aber namentlich von Insolvenzpraktikern mit Vehemenz geäußerte Vorbehalte berücksichtigt und die Eigenverwaltung vom Gesetzgeber – in diesem Fall: dem Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages, also einem Parlamentsgremium – als extreme Ausnahmeerscheinung geradezu gebranntmarkt. Hierauf wird noch einzugehen sein. Das wäre vielleicht nicht wirklich wichtig gewesen, denn vor dem Forum einer an effizienten Verfahren interessierten Praxis sind legislatorische Erwägungen jedenfalls dann letztendlich nicht entscheidend, wenn sie einer vernünftigen Handhabung des Rechts entgegenstehen. Das verbeamtete Personal des Gesetzgebers kann für sich keine Kenntnis der Sachprobleme der Abwicklung von Insolvenzverfahren beanspruchen, das derjenigen von Gläubigern, Insolvenzpraktikern und den betroffenen Schuldnern überlegen ist. Hätte sich die deutsche Insolvenzpraxis „an das Gesetz“ gehalten – wie es Gerichten nicht anders möglich ist – wären die Großverfahren nach 1990 in den neuen Bundesländern nicht zu bewältigen gewesen.

B. Eigenverwaltung in liquidierenden Verfahren

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Eine am Wortlaut der Vorschriften orientierte „Befolgung“ der gesetzlichen Grundlage – der Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) – hätte dazu geführt, die Praktikabilität des Insolvenzverfahrens geradezu auszuschließen.1

Der Gesetzgeber hat indes die Anordnung der Eigenverwaltung des Schuld- 7 ners jedenfalls nicht ausdrücklich daran geknüpft, dass dieser einen Insolvenzplan vorlegt.2 Der im deutschen Recht Insolvenzplan genannte Reorganisationsplan – dessen Zusammenhang mit der Eigenverwaltung sich in den vorangegangenen Erwägungen aufgedrängt hat – beruht auf verfahrensrechtlichen Regelungen, die eine Abwicklung des Insolvenzverfahrens auf der Grundlage eines Planes ausserordentlich erschweren – wie selbst solche Insolvenzpraktiker unumwunden erklären, die mit diesem Instrumentarium erfolgreich umzugehen verstehen.3 So ist auch entgegen der legislatorischen Idee – den Insolvenzplan als das Herzstück der Insolvenzrechtsreform in Deutschland zu behandeln – Jahre nach dem In-Kraft-Treten der InsO der Insolvenzplan eine marginale Erscheinung geblieben. Es zeichnet sich zwar eine Tendenzwende ab, der Befund bleibt aber zunächst bestehen. Mit der Eigenverwaltung hat der Gesetzgeber das deutsche Insolvenzrecht 8 weithin dem US-amerikanischen Insolvenzrecht angeglichen, das im Wesentlichen als Schuldnerschutzrecht funktioniert4: Der debtor in possession5 – also der eigenverwaltende Schuldner – nutzt das Insolvenzrecht als Schutzinstrument vor dem Zugriff seiner Gläubiger.6 Die Eigenverwaltung durch den Schuldner kann neben dem Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO Anreiz zur Eigenantragsstellung sein7. Sie soll nach Vorstellung des Gesetzgebers dazu beitragen, Gesamtvollstreckung, Unternehmenssanierung und Zwangsvollstreckung in ihren „Wertungen“ zu harmonisieren8 – ob sie dies 1 Vgl. Smid, Das Insolvenzrecht der neuen Bundesländer, Einleitung; Smid, Gesamtvollstreckungsordnung – Kommentar (3. Aufl.), Einleitung RdNr. 7 ff. 2 Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, RdNr. 278 ff., 1282; Vallender, Eigenverwaltung im Spannungsfeld zwischen Schuldner- und Gläubigerautonomie, WM 1998, S. 2129, 2137; Wellensiek, Sanieren oder liquidieren? Unternehmensfortführung und -sanierung im Rahmen der neuen Insolvenzordnung, WM 1999, S. 405, 411. 3 Vgl. den Bericht über den Insolvenzplan im Falle des über das Vermögen der Herlitz PBS AG eröffneten Insolvenzverfahrens von Rattunde, Sanierung von Großunternehmen durch Insolvenzpläne – Der Fall Herlitz, ZIP 2003, S. 596 ff. 4 Smid/Rattunde, Der Insolvenzplan, RdNr. 23 f., 91, 137 ff.; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 512 ff., 691 ff.; Weisemann-Holz, in: Weisemann/Smid, Handbuch Unternehmensinsolvenz, 1998, S. 567 ff. 5 Smid, Grundzüge Insolvenzrechts, 4. Aufl. 2002, § 28 RdNr. 6 ff. 6 Smid, Sanierungsverfahren nach neuem Insolvenzrecht, WM 1998, S. 2489 ff. 7 Smid, Sanierungsverfahren (Fußn. 5); Smid/Rattunde, Der Insolvenzplan, 1998, RdNr. 50. 8 Smid, Sanierungsverfahren (Fußn. 5) zu der Eigenverwaltung im Falle der über landwirtschaftliche Grundstücke verhängten Zwangsverwaltung.

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Kap. 3: Eigenverwaltung allgemeine verfahrensrechtliche Option?

auch kann, ist im Folgenden zu erörtern. Zweifellos sind die Vorschriften der §§ 270 bis 285 InsO das Instrument, mit dem nach dem erklärten Willen des Reformgesetzgebers ein starker Anreiz zur frühzeitigen gerichtlich beaufsichtigen Unternehmenssanierung verbunden sein soll9: Der Schuldner soll von der Gefahr entlastet werden, die Kontrolle über das Unternehmen einzubüßen; wie § 284 InsO zeigt, ist beabsichtigt, dass der Sachwalter auch institutioneller Berater des Schuldners sei.10 Der Gesetzgeber hat dabei insbesondere die Steigerung der Effizienz, die Beschleunigung und die Einsparung der Kosten des Insolvenzverfahrens zu erreichen versucht.11 Gleichwohl herrscht besonders in der Gerichtsbarkeit hochgeradige Unsicherheit über die Anwendbarkeit der §§ 270 ff. InsO, die ihren Ausdruck in der häufig wiederholten These findet, „regelmäßig“ sei die Eigenverwaltung nicht anzuordnen. Dahinter steht die nachvollziehbare Furcht vor einem Missbrauch dieses neuen Rechtsinstituts, die ihre Nahrung nicht zuletzt aus dem überkommenen Verständnis des Konkurses als Instrument der Gesamtvollstreckung mit ihren ordnungspolitischen Implikationen12 bezieht. Weder wird dabei aber recht deutlich, welches denn die „Regel“ sei, die der „Regelmäßigkeit“ einer Zurückweisung von Anträgen auf Anordnung der Eigenverwaltung nach § 270 Abs. 1 InsO zugrundeliegt, noch wird damit deutlich, welche Funktionen denn die Eigenverwaltung über befürchtete Missbrauchskonstellationen haben kann. Diese Berührungsangst geht mit der Hoffnung des Standes professioneller Insolvenzverwalter einher, nicht durch die Anordnung von Eigenverwaltungen des bisherigen Aufgabenfeldes beraubt oder doch aufgrund der in § 12 InsVV angeordneten Beschränkung der Sachwaltervergütung auf einen Satz in Höhe von 60 Prozent der entsprechenden Verwaltervergütung eines bedeutenden Teils der eigenen Einkünfte verlustig zu gehen, ohne doch substantiell von Arbeitsbelastung und Haftung befreit zu werden. 9

Es wird sich aber im Folgenden zeigen, dass die Anordnung der Eigenverwaltung nicht auf Reorganisationsfälle beschränkt ist. Die Vorlage eines prepackeged plans13 durch den Schuldner ist keine Anordnungsvoraussetzung nach § 270 InsO. Dies ist auch stimmig. Denn der Schuldner ist grundsätzlich auch außergerichtlich zur Durchführung der Liquidation, der Abwicklung seines Vermögens in eigener Regie befugt (vgl. §§ 60, 66, 67d GmbHG, §§ 260, 266d 9

Huhn (Fußn. 2) RdNr. 172. MünchKomm-Wittig § 274 RdNr. 8. 11 Amtl. Begr. RegEInsO, in: Kübler/Prütting RWS-Dok. 518; Graf-Schlicker, in: Kirchof-Festschr., 2003, S. 135, 144. 12 Vgl. allein Smid/Rattunde, Insolvenzplan RdNr. 38 ff. 13 Zum Zusammenhang mit der Eigenverwaltung: Buchalik, Faktoren einer erfolgreichen Eigenverwaltung, NZI 2000, S. 294, 296; Graf/Wunsch Eigenverwaltung und Insolvenzplan – gangbarer Weg in der Insolvenz von Freiberuflern und Handwerkern, ZIP 2001, S. 1029, 2030; Huntemann/Dietrich, Eigenverwaltung und Sanierungsplan – der verkannte Sanierungsweg, ZInsO 2001, S. 13, 16; MünchKomm-Wittig § 270 RdNr. 51, § 274 RdNr. 9. 10

B. Eigenverwaltung in liquidierenden Verfahren

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AktG). Die Erfahrungen mit Gesamtvollstreckungsverfahren, die sich aus gesellschaftsrechtlichen Liquidationen oder Abwicklungen von früheren Treuhandunternehmen ergeben hatten, lässt es als sinnvoll erscheinen, der schuldnerischen Gesellschaft die Möglichkeit zur Liquidation oder Abwicklung unter insolvenzgerichtlicher Aufsicht zu geben. Im Folgenden (unten Kapitel 4 RdNr. 19, 27) wird noch zu zeigen sein, dass der 10 eigenverwaltende Schuldner gem. § 282 InsO ebenso wie der Insolvenzverwalter im Verfahren der Fremdverwaltung gem. §§ 165 ff. InsO zur Verwertung von Sicherungsgut berechtigt ist; diese weitreichende, die Veräußerung der Gegenstände umfassende Verwertungsbefugnis ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn die Eigenverwaltung auch im liquidierenden Verfahren angeordnet werden kann.14 Freilich fragt es sich, weshalb die gesicherten Gläubiger diese Befugnis eines insolventen Schuldners sollen hinnehmen müssen, obwohl er keinen Insolvenzplan vorlegt.

In Deutschland kann daher weder nach der positiv-rechtlichen Gesetzeslage 11 noch aufgrund einer sich gleichsam von selbst aufgrund einer „Natur der Sache“ von einem Junktim von Eigenverwaltung und Einleitung eines Reorganisationsverfahrens durch den Schuldner die Rede sein.15 Der gleichsam strukturelle Zusammenhang, den die Analyse im zweiten Kapitel dieser Untersuchung nahezulegen schien, bestätigt sich bei einer vordergründigen Betrachtung des deutschen Rechts mithin zunächst nicht. Der sachliche Zusammenhang von Eigenverwaltung des Schuldners und Reorganisa- 12 tion ist indes auch in der deutschen Diskussion nach wie vor deutlich. So meint Pape16, bei geplanten Liquidationen würden „Vorbehalte“ gegen die Eigenverwaltung die Überhand gewinnen, und kann sich dabei auf Gerichtsentscheidungen17 ebenso wie auch Literaturmeinungen18 berufen. Andererseits haben andere Gerichte19 die Durchführung eines liquidierenden Verfahrens nicht als Hindernis gegen eine Anordnung der Eigenverwaltung angesehen. Und in der Literatur20 wird auch betont, dass die Eigenverwaltung auch im „Regelinsolvenzverfahren“, nicht allein im Insolvenzplanverfahren greife. Dieser Überblick macht die Unsicherheiten deutlicher als dass er klare Konturen der Diskussion erkennen liesse; es zeichnet sich ab, dass die Eigenverwaltung des Schuldners auch im deutschen Recht sich jedenfalls am ehesten im Rahmen eines Reorganisationsverfahrens als sinnvoll erweist. Die Isolierung des Rechtsinstituts der Eigenverwaltung von der Reorganisation er- 13 zwingt freilich die Frage, unter welchen anderen Voraussetzungen als denen eines gerichtlichen Reorganisationsverfahrens die Eigenverwaltung des Schuldners angeordnet werden kann. 14

MünchKomm-Wittig § 270 RdNr. 50. Huhn (Fußn. 2) RdNr. 167 ff. 16 Kübler/Prütting-Pape, Insolvenzordnung, § 270 RdNr. 4, 7. 17 AG Lübeck B. v. 4.2.2000, DZWIR 2000, S. 482. 18 Koch, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S. 106; Vallender (Fußn. 2) S. 2139. 19 LG Cottbus B. v. 17.7.2001 7T 421/00, ZIP 2001, S. 2188. 20 Vallender (Fußn. 2). 15

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Kap. 3: Eigenverwaltung allgemeine verfahrensrechtliche Option?

Während sich in der Analyse der Erscheinungsformen einer Eigenverwaltung durch den Schuldner im österreichischen Ausgleichsverfahren und im Privatkonkurs gezeigt hat, dass die dem Schuldner dort eingeräumte Rechtsmacht sich bruchlos in das überkommene Verständnis des Konkurses einpasst, scheint die Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. InsO einen Bruch mit dem bisherigen System des Konkursrechts zu bedeuten. Dieses Institut hat sich im Verlauf der Reformdiskussion nachhaltigen Einwendungen ausgesetzt. Nachdem in den ersten Jahren nach In-Kraft-Treten der InsO zum Beginn des Jahres 1999 die Eigenverwaltung in praxi keine oder doch allenfalls eine nur sehr geringe Rolle gespielt hat21 und nur vereinzelt Insolvenzgerichte – mit entsprechenden Anträgen konfrontiert den Erlass einer Anordnung gem. § 270 InsO in der Regel abgelehnt hatten ist dieses Rechtsinstitut im Verlauf des Jahres 2002 in zwei spektakulären Großverfahren22 zur Anwendung gekommen. Die Anordnung der Eigenverwaltung in den Verfahren Kirch 23 und Babcock 24 hat gezeigt, dass die §§ 270 ff. InsO den Banken als Großgläubiger und der um Arbeitsplätze und Wirtschaftsstandorte besorgten Politik als sinnvolle Alternative zur Einsetzung eines Insolvenzverwalters erscheint. Die Skepsis der Insolvenzgerichte hat dieses freilich nicht beseitigt. Bedenken treten nachgerade zwangsläufig auf, wenn Fälle wie der des Eigenantrags des Gründers des schleswig-holsteinischen Telekommunikationsunternehmens Mobilcom AG Gerhardt Schmidt bekannt geworden sind. Auf seinen Antrag hin, die Eigenverwaltung anzuordnen, wurde die Rechtsvorschrift des § 56 Abs. 1 InsO vom zuständigen Insolvenzgericht so angewandt, dass dessen Steuerberater zum vorläufigen Verwalter eingesetzt worden ist. Das hätte Fakten geschaffen. Denn es wäre mit dem Steuerberater der Vertrauensmann des Schuldners im eröffneten Verfahren zum Sachwalter bestellt worden, was Zweifel an der hinreichenden Kontrolle des eigenverwaltenden Schuldners im Verfahren begründet hätte. Dies macht schließlich weniger als die Möglichkeit der falschen Anwendung von Rechtsvorschriften die Schattenseiten der Eigenverwaltung deutlich. Im Schrifttum25 wird daher die Ansicht 21 MünchKomm-Wittig Vor § 270 RdNr. 18 m. w. Nachw.; vgl. die Fallstudie von Friedhoff, Sanierung einer Firma durch Eigenverwaltung und Insolvenzplan, ZIP 2002, S. 497. 22 Auf diese Verfahren – den Insolvenzverfahren, die über das Vermögen der Kirch Media AG in München und der Babcock AG in Oberhausen, eröffnet wurden – wird im folgenden Kapitel 4 näher einzugehen sein, soweit dies aufgrund der veröffentlichten Berichte über diese Verfahren möglich ist. 23 Da in diesem Verfahren die Masse im Wesentlichen durch Filmlizenzen gebildet wird, die nahezu vollständig den Gläubigern sicherungszediert sind, stellte sich die Eigenverwaltung als das Instrument der Vermeidung eines Teils der Verfahrenskostenbeiträge (§ 171 Abs. 1 InsO i. V. m. § 282 Abs. 1 S. 2 InsO) der absonderungsberechtigten Sicherungszedenten dar – was im Falle Kirch einen bis zu dreistelligen Millionenbetrag in Euro ausmacht, vgl. unten Kapitel 4 RdNr. 1 und 211. 24 MünchKomm-Wittig Vor § 270 RdNr. 8 a. E., 19 a. E. 25 MünchKomm-Wittig Vor § 270 RdNr. 23.

B. Eigenverwaltung in liquidierenden Verfahren

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geäußert, die Eigenverwaltung sei am ehesten auf die Abwicklung von Insolvenzverfahren über das Vermögen von Großunternehmen zugeschnitten.26 Die Erfahrungen mit den beiden deutschen Großverfahren Kirch und Babcock scheinen dies, nimmt man eine Analyse der Berichterstattung vor, nicht wirklich zu bestätigen.27 Das auch über ein halbes Jahrzehnt nach In-Kraft-Treten der InsO infolge einer an 15 eine Ausgrenzung heranreichenden Nicht-Praktizierung durch die Justiz noch immer neue Rechtsinstitut der Eigenverwaltung des Schuldners soll im folgenden Kapitel 4 in seinem Aufbau vorgestellt werden. Dabei werden Probleme sowohl der „praktischen“ Handhabung dieses Rechtsinstituts als auch seiner systematischen Stellung im Gesamtgefüge des (neuen) Insolvenzrechts dargestellt. Schließlich sollen Lösungsmöglichkeiten der beschriebenen Probleme erörtert werden. Während die bloße Beschreibung der positiv-rechtlichen Grundlagen der Eigenverwaltung auf wenig Schwierigkeiten stößt, stellt sich dies im Hinblick auf die beiden weiteren Schwerpunkte dieses Kapitels anders dar. Die im „gewöhnlichen“ Verfahren der Regelinsolvenz greifenden Gesetzesvorschriften nehmen im Zusammenhang mit der Anordnung der Eigenverwaltung des Schuldners eine veränderte Bedeutung an, der im Folgenden insbesondere im Hinblick auf die Behandlung von Kreditsicherheiten und gegenseitiger Verträge Rechnung getragen werden soll. Während die Darstellung der positiv rechtlichen Ausgestaltung der Eigenverwaltung bereits eine Reihe von Fragen auslöst, mit deren Beantwortung der Gesetzgeber die Gerichte allein gelassen hat, wird es noch komplizierter, wenn man das Zusammenspiel von insolvenzrechtlichen Normierungen der Eigenverwaltung und den Normen insbesondere des Gesellschaftsrechts in den Blick zu bekommen versucht, die die Verfassung des insolventen Schuldners regeln. Ein Rückgriff auf das überkommene Recht ist bei der Lösung aller Fragen, die in diesem Zusammenhang auftreten, gewiss hilfreich. Verfehlt wär indes, würde man sich zuviel an Aufschlüssen hieraus erhoffen.

Tatsächlich ist aber schon die Zahl der Anträge auf Anordnung der Eigenver- 16 waltung bisher weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben.28 Verfolgt man dann die Handhabung der Insolvenzgerichte mit gestellten Anträgen29, ist es 26 Dagegen mit guten Argumenten Huhn (Fußn. 2) RdNr. 131 ff.; Graf/Wunsch, Eigenverwaltung und Insolvenzplan – gangbarer Weg in der Insolvenz von Freiberuflern und Handwerkern, ZIP 2001, S. 1029, 1033 f.; LG Cottbus, B. v. 17.7.2001, 7 T 421/ 00, ZIP 2001, S. 2188. 27 Sowohl die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz als auch die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre haben im Falle Kirch massive Kritik an der maßgeblich durch die beteiligten Kreditinstitute von der beeinflussten Art der Verfahrensabwicklung geübt, vgl. Bericht der FAZ Nr. 138 v. 17.6.2003 S. 15. Unten (Kap. 4 RdNr. 1, 211) wird darauf einzugehen sein, dass sich hinter diesem Konflikt schwerwiegende konzeptionelle Differenzen über die Art der Behandlung des Eigenverwaltungsverfahrens verbergen, die auf dogmatische Unklarheiten zurückzuführen sind: Insbesondere die beteiligten Banken scheinen die Eigenverwaltung als Form des recievership zu behandeln, was in praxi kleinere Gläubiger von der insolvenzrechtlich garantierten Mitwirkung an der Entscheidungsbildung abschneidet. 28 Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 90 RdNr. 1. 29 Ablehnende Beschlüsse z. B.: AG Köln, Besch. v. 17.9.1999 –71 IN 28/99, ZIP 1999, S. 1646; AG Potsdam, Beschl. v. 7.6.2000 – 35 IN 224/00, DZWIR 2000,

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Kap. 3: Eigenverwaltung allgemeine verfahrensrechtliche Option?

nicht erstaunlich, dass in den ersten Jahren nach In-Kraft-Treten der InsO Beschlüsse, mit denen die Eigenverwaltung des Schuldners angeordnet wurden, zu bemerkenswerten Ausnahmeerscheinungen30 gehört haben.31 So wurde aus Brandenburg davon berichtet, dass auf die ausdrückliche Frage des Gerichts, ob im Falle der Anordnung der Eigenverwaltung die Rechte der Gläubiger gefährdet seien, der Gutachter es unterlassen habe, hierauf zu antworten. Es wird unten näher zu zeigen sein, dass diese Art der Handhabung durch das Insolvenzgericht verfahrensrechtlich zutreffend war. Die sehr abträglichen praktischen Folgen für das Verfahren, über die damals berichtet wurden, waren geeignet, das Institut der Eigenverwaltung in ein weiteres Zwielicht zu rücken. Das Gericht hat dann die Eigenverwaltung angeordnet, was indes zu einem nachgerade tumultuarischen Verfahrensablauf geführt haben soll. Ähnliches ist aus dem Bezirk eines westfälischen Insolvenzgerichts berichtet worden. Im Übrigen war es aber ruhig um das Rechtsinstitut der Eigenverwaltung; im Jahre 1999 hat das AG Darmstadt einen Beschluss32 veröffentlicht, mit dem die Anordnung der Eigenverwaltung wegen deren extraordinären Charakter abgelehnt wurde. 17

Es gehört zu den Zwangsläufigkeiten der konkursrechtlichen Traditionen, in denen das deutsche Insolvenzrecht befangen ist, dass die Option als suspekt angesehen wird, die der Reformgesetzgeber dem Schuldner mit dem frühzeitigen Weg in ein sanierendes Insolvenzverfahren eröffnet. Denn der Konkurs und in seiner Nachfolge „das“ Insolvenzverfahren wird noch immer mit dem Makel des Unternehmenszusammenbruches zusammengedacht. Mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen scheint der Schuldner des Kredits endgültig verlustig zu gehen. Das mag den Erfahrungen der bisherigen Insolvenzpraxis entsprechen, soweit es die „klassische“ Situation der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen Vorliegens der Konkursgründe der §§ 17 und 19 InsO betrifft. Denn in diesen Fällen tritt die Insolvenz ein, weil der Schuldner den Kredit verloren hat. Das aber spricht nicht von vornherein gegen die Beibehaltung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners. Denn der Vergleich nach der VerglO setzte ebenfalls die materielle Insolvenz des Schuldners voraus. Mit der Stellung des Vergleichsantrags wurde nicht selten nur der S. 343, LG Mönchengladbach, B. v. 30.12.2002 – 5 T 439/02. Vgl. weiter OLG Celle ZIP 2000, S. 2315; OLG Naumburg ZInsO 2000, S. 505; OLG Naumburg ZInsO 2001, S. 810; AG Darmstadt, B. v. 20.2.1999, 9 IN 1/99, ZIP 1999, S. 1494; AG Lübeck B. v. 4.2.2000, DZWIR 2000, S. 482. 30 In diese Richtung weist MünchKomm-Wittig Vor § 270 RdNr. 19. 31 Huntemann/Dietrich, Eigenverwaltung und Sanierungsplan- der verkannte Sanierungsweg, ZInsO 2001, S. 13, 14 machen darauf aufmerksam, dass regelmäßig Schuldner als potentielle Antragsteller gem. § 270 InsO vor der Antragstellung zurückschrekken, weil die Insolvenzgerichte die Anordnung der Eigenverwaltung hinter einen – unterstellten! – Primat des „Regelinsolvenzverfahrens“ mit Anordnung der Fremdverwaltung zurücktreten lassen. 32 AG Darmstadt, B. v. 20.2.1999, 9 IN 1/99, ZIP 1999, S. 1494.

D. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im deutschen Recht

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außerordentlich schlechte Zustand des Unternehmens deutlich nach außen hin dokumentiert. Im Unterschied zum Ausgleich nach österreichischem Recht waren erfolgreiche Konkursabwendungen durch einen Vergleich in Deutschland insbesondere wegen Vorrechten gem. § 60 KO und der Befriedigung absonderungsberechtigter Gläubiger außerhalb des Verfahrens gem. § 4 Abs. 2 KO nur in sehr seltenen Ausnahmefällen zu erreichen. Das mit der Vergleichsordnung in den letzten Jahren keine praktische Erfahrung 18 mehr gesammelt werden konnte (früher gab es eine ganze Menge von Vergleichen), liegt an bekannten Unterschieden, die nichts mit der Tauglichkeit der Vergleichsordnung zu tun haben, sondern insbesondere an den unerreichbaren Vergleichsquoten im Hinblick auf die Auszehrung der Masse. Strukturell war das Vergleichsverfahren durchaus plausibel. Hätte man die Mindestquote abgeschafft, die Vorrechte beschnitten und die Massen durch Einschnitte in das Kreditsicherungsrecht gemehrt, würde es kaum Probleme mit der Vergleichsordnung gegeben haben.

C. Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Rechtsstellung des Schuldners als Maßstab? Bereits im Zusammenhang der einleitenden Überlegungen (Einleitung 19 RdNr. 27) ist deutlich geworden, dass sich die Frage, ob ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung des Schuldners abgewickelt werde, nicht losgelöst von den verfassungsmäßigen Bedingungen erörtern lässt, in die Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren eingebettet sind.33

D. Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im deutschen Insolvenzrecht Anders als die österreichische Literatur und anders selbst als das nordameri- 20 kanische Schrifttum hat sich in der deutschen Diskussion eine etwas unüberschaubare Lage herausgebildet. Die Literatur nimmt zwar zur Kenntnis, dass der nordamerikanische debtor in possession ein Rechtsinstitut im Rahmen von Reorganisationsverfahren ist34; die Voraussetzungen der Eigenverwaltung werden aber durch den Versuch einer Interpretation der im folgenden Kapitel 4 näher zu erörternden Vorschrift des § 270 Abs. 2 InsO zu verstehen versucht. Da aber die Insolvenzgerichte mit wenigen Ausnahmen keinerlei Neigung zeigen, unter Anwendung dieser Vorschrift die Eigenverwaltung anzuordnen, hat

33

J. Roth, Interessenwiderstreit im Insolvenzeröffnungsverfahren, 2004, S. 96 ff. Die österreichische Rechtslage bleibt bei den in Deutschland geführten Diskussionen ausgeblendet; Ende Januar/Anfang Februar 2005 scheint sich eine Wende abzuzeichnen, da in Deutschland über eine Einführung der Eigenverwaltung in ein dramatisch vereinfachtes Verbraucherinsolvenzverfahren nachgedacht wird. 34

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Kap. 3: Eigenverwaltung allgemeine verfahrensrechtliche Option?

sich im Schrifttum der Versuch entwickelt, mit verfassungsrechtlichen Maßstäben der Auslegung der einfachgesetzlichen Rechtsvorschriften Herr zu werden. 21

Das deutsche Recht macht die Eigenverwaltung tatbestandlich davon abhängig, dass nach den Umständen zu erwarten ist, dass die Anordnung keine Verfahrensverzögerungen verursacht und weiter ihre Anordnung den Gläubigern darüber hinausreichende Nachteile verursacht (unten Kapitel 4 RdNr. 95 ff.). Das praktische Problem besteht im Kontext des deutschen Rechts bei der insolvenzgerichtlich zu treffenden Entscheidung über die Anordnung der Eigenverwaltung darin, die redlichen Motive des Antragstellers auf Eigenverwaltung von den unredlichen zu trennen. Letztere bestehen darin, Delikte zu vertuschen etc. Erstere können aber darin gesehen werden, dass der Geschäftsführer möglicherweise zu Recht sich selbst mehr als anderen Personen zutraut, das Unternehmen zu retten. Das kann auf persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften beruhen, auf Betriebs- oder Vertriebswegen etc. Die Einzelheiten sind im folgenden Kapitel 4 zu erläutern. Schon hier lässt sich aber die Vermutung äußern, dass durch eine Forderung, die „Nachteile“ der Anordnung der Eigenverwaltung empirisch festzustellen, die prognostischen Fähigkeiten des Insolvenzgerichts regelmäßig überlasten würde. Es liegt daher nahe, dass der Rechtsbegriff der Nachteiligkeit durch Rechtsnormen ausgefüllt zu werden versucht wird.

I. Verhältnismäßigkeit der Entmachtung des Schuldners: Judikatur zu vorläufigen Anordnungen des Insolvenzgerichts 22

In der Literatur35 haben Diskussionen und Spekulationen über Funktion und Folgen des für das deutsche Recht neuen Rechtsinstituts der Eigenverwaltung des Schuldners außerhalb konkursabwendender Verfahren bis in das Jahr 2002 hinein viel rechtsdogmatische Erkenntnisse zutage gefördert; sie blieben aber stets Darstellungen eines „eigentlich“ nicht in der Rechtsempirie vorkommenden Instituts. Dies hat sich aufgrund der Entwicklung der Rechtsprechung des BGH im Verlauf des Jahres 2002 wenn nicht umgekehrt, so doch in einer neuen Perspektive gezeigt. Nun wird darüber diskutiert, ob die Anordnung der Eigenverwaltung im Falle des Vorliegens entsprechender Anträge nicht als Ausnahme, sondern als „Normalfall“ anzusehen sei.

23

Noch bevor sich die Frage nach der Anordnung der Eigenverwaltung durch das Gericht anstelle der Einsetzung eines Insolvenzverwalters stellt, gilt es Besonderheiten des deutschen Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen, die auf die Entscheidung Eigenverwaltung/Insolvenzverwalterbestellung von nachdrücklicher Bedeutung sind. Bekanntlich ist im deutschen Recht das Eröffnungsverfahren, das der Einleitung des „eigentlichen“ Insolvenzverfahrens mit Erlass des Eröffnungsbeschlusses vorangeht, nicht nur einer ausgedehnten und intensiven legislativen Regelung unterworfen. Mehr noch ist die Wirklichkeit des deutschen Insolvenzrechts dadurch gekennzeichnet, dass Weichenstellungen für das 35

Huntemann/Dietrich (Fußn. 31) ZInsO 2001, S. 13, 14.

D. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im deutschen Recht

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eröffnete Verfahren im Eröffnungsverfahren fallen. Dort hat das Insolvenzgericht gem. § 21 Abs. 2 InsO darüber zu entscheiden, ob es durch vorläufige Anordnungen den Schuldner aus seiner Verfügungsmacht entsetzen und an seiner Stelle einen vorläufigen Verwalter installieren darf und soll. Der BGH hat in einem vielbeachteten Beschluss vom 18. Juli 200236 entschieden, dass bei der Beantwortung dieser Frage die Verhältnismäßigkeit der gegen den Schuldner verhängten Maßnahmen zu beachten sei. Diese Entscheidung ist im Zusammenhang der Frage ergangen, ob das Insolvenzge- 24 richt einen vorläufigen Verwalter durch vorläufige Anordnung mit der Kompetenz ausstatten darf, die Reichweite seiner Befugnisse zur Verpflichtung der Masse im Zeitraum bis zur Entscheidung über die Verfahrenseröffnung selber zu bestimmen. Die Hintergründe dieser Entscheidung lagen in der Struktur des Rechts der vorläufigen Verwaltung nach deutschem Recht, das – vereinfachend dargestellt – die Option der Einsetzung eines zur Verpflichtung der Masse befugten Verwalters derjenigen gegenüberstellt, nach der dem Schuldner die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen verbleibt. In diesem Fall verpflichtet der Schuldner sein Vermögen, an dessen Seite ein sogenannter vorläufiger Zustimmungsverwalter gestellt werden kann. Um den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen zu können hat die Praxis Modelle eines teilweisen Entzugs der Verfügungsbefugnis unter Übertragung von Teilen, auf bestimmte Bereiche der Geschäftstätigkeit des Schuldners bezogene Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis auf einen vorläufigen Verwalter entwickelt, insbesondere um die aus der Masseverpflichtung nach § 55 Abs. 2 InsO folgenden Risiken besser steuern zu können. Der Reformgesetzgeber ist – den Forderungen aus Kreisen der Konkursverwalter 25 folgend – davon ausgegangen, die Anordnung eines vollständigen Verfügungsverbotes und die Einsetzung eines anstelle des Schuldners handelnden vorläufigen Insolvenzverwalters stelle den gesetzlichen Regelfall dar. Teile der Literatur37 haben dies aufgegriffen und besonders darauf hingewiesen, nur durch umfassende Verfügungsbefugnisse sei der vorläufige Verwalter in der Lage, Missbräuche des Schuldners zu verhindern.38 Demgegenüber wurde aber früh von Smid 39, Thiemann40 und später von Engelhardt 41 darauf aufmerksam gemacht, dass jedenfalls vor Erlass des Eröffnungsbeschlusses die vollständige „Entmachtung“ des Schuldners nur in – besonders zu begründenden – Ausnahmefällen zulässig sein dürfe. Hierfür kann sich diese Meinung auf das in § 21 Abs. 1 InsO normierte Tatbestandsmerkmal der „Erforderlichkeit“ vor-

36

BGH, Urt. v. 18.7.2002, IX ZR 195/01, DZWIR 2022, S. 470. Pohlmann, Befugnisse und Funktion des vorläufigen Insolvenzverwalters, RdNr. 32 ff.; MünchKomm-Haarmeyer § 21 RdNr. 21 f. 38 Huhn (Fußn. 2) RdNr. 441 ff., 444. 39 Smid, Funktion des Sequesters und Aufgaben des Insolvenzgerichts in der Eröffnungsphase nach der verabschiedeten Insolvenzordnung, WM 1995, S. 785 ff. 40 Thiemann, Die vorläufige Masseverwaltung im Insolvenzeröffnungsverfahren, RdNr. 27, 31 f. 41 Engelhardt, Die gerichtliche Entscheidung nach §§ 21 ff. InsO und ihre Auswirkung auf die vermögensrechtliche Stellung des Insolvenzschuldners, S. 80 f., 97 ff., 111. 37

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Kap. 3: Eigenverwaltung allgemeine verfahrensrechtliche Option?

läufiger Anordnungen berufen. Besonders Prütting42 und Lepa43 haben zugleich auf die Einbindung insolvenzrechtsgesetzlicher Regelungen in übergeordnete verfassungsrechtliche Normkontexte aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass bei der Auslegung der Vorschriften des Insolvenzrechts Verfassungs- als höherrangiges Recht zwingend zu beachten sei.

26

Diese aufeinander zulaufenden Argumentationsstränge hat der IX. Zivilsenat des BGH in seinem Urteil vom 18. Juli 200244 aufgegriffen. Die Entmachtung des Schuldners im Eröffnungsverfahren ist nur dann rechtmäßig, wenn sie sich als „verhältnismäßig“ erweist. Sie ist verhältnismäßig, wenn sie i. S. v. § 21 Abs. 1 InsO erforderlich ist. Dies ist der Fall, wenn sie sich als das gebotene Mittel darstellt, um die Vermögenslage des Schuldners gegenüber den spezifischen Gefährdungen zu schützen, denen sie nach Stellung des Eröffnungsantrags ausgesetzt ist.

27

Diese Gefährdungen können vielfältiger Natur sein. Der Schuldner bzw. die Organe der schuldnerischen Gesellschaft können die Neigung haben, Vermögen beiseite zu schaffen. Vielleicht noch gefährlicher erscheint die Sorge der Gläubiger danach, dadurch Befriedigung zu erlangen (concursus creditorum!), dass sie sich in den Besitz von Massegegenständen setzen und sie zu verwerten suchen. Schließlich kann sich die Vermögenslage schlechthin aufgrund der Diskreditierung des Schuldners oder der Organe der schuldnerischen Gesellschaft ergeben, die das Auftreten eines vorläufigen Verwalters geboten erscheinen lässt.

28

Der BGH hat in seiner Entscheidung nun darauf hingewiesen, dass die Insolvenzgerichte einen „starken“ vorläufigen Verwalter bestellen müssen, wenn sie nicht ohne Verhängung eines umfassenden Verfügungsverbots dem Zustimmungsverwalter im Einzelnen Ermächtigungen zur Verpflichtung des Vermögens des Schuldners erteilen wollen. Damit hat der IX. Zivilsenat aber die „starke“ Insolvenzverwaltung nicht als eine Art von Regelfall der vorläufigen Verwaltung beschrieben; entsprechende Stellungnahmen im Schrifttum missverstehen den Beschluss. Im Gegenteil: Der IX. Zivilsenat hat ausdrücklich betont, dass die vorläufige Anordnung eines umfassenden Verfügungsverbots die ultima ratio im Arsenal insolvenzgerichtlicher Instrumentarien zum Schutz der „Vermögenslage“ des Schuldners darstellt. Dieses letzten, weil durchschlagenden Mittels darf sich das Insolvenzgericht nur dann bedienen, wenn andere, mildere Mittel sich angesichts der konkreten Gefährdungslage nicht als zu deren Abwehr tauglich erweisen – wenn sich also die Anordnung als verhältnismäßig erweist. Ist dies nicht der Fall, greift ein, was von Engelhardt 45 als Kooperationsmodell bezeichnet worden ist: Dann erweisen sich nämlich eingeschränkte Formen vorläufiger Verwaltung als „verhältnismäßig“ mit der Folge, dass der in seiner Verfügungsbefugnis belassene Schuldner und ein vorläufiger Verwalter in ein Verhältnis rechtlich gebotener Kooperation zueinander treten.

29

Der Normalfall während des Eröffnungsverfahrens bis zum Erlass des den Status des Schuldners betreffenden Eröffnungsbeschlusses ist daher nicht die Verhängung ei42

Prütting, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 221, 224 ff. Lepa, Insolvenzordnung und Verfassungsrecht, 2002, S. 155 ff. 44 BGH, Urt. v. 18.7.2002, IX ZR 195/01, DZWIR 2022, S. 470. 45 Engelhardt, Die gerichtliche Entscheidung nach §§ 21 ff. InsO und ihre Auswirkung auf die vermögensrechtliche Stellung des Insolvenzschuldners, S. 219 ff., 261. 43

D. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im deutschen Recht

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nes umfassenden Verfügungsverbots, sondern sind fein abgestufte Maßnahmen zum Schutz der schuldnerischen Vermögenslage.

II. Folgerungen für das Recht der Eigenverwaltung Die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beschränkt sich nicht auf 30 die vorläufigen Anordnungen des Insolvenzgerichts nach den §§ 21 ff. InsO im Eröffnungsverfahren, sondern ist unmittelbar für die Eigenverwaltung des Schuldners folgenreich. In der Sache nehmen § 21 Abs. 1 InsO und § 270 InsO nämlich ein strukturell vergleichbares Verhältnis ein. In beiden Regelungsbereichen geht es darum, dass der Schuldner dazu ermutigt werden soll, sofern er seine Angelegenheiten weiter wahrnehmen will, dies auch zu tun – sofern er es kann und im Verhältnis zu seinen Gläubigern deshalb darf, weil sich hieraus für ihre Befriedigungsaussichten keine Nachteile ergeben, § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO. Für den Zusammenhang der Anordnung der Eigenverwaltung haben jüngst 31 Huhn46 und Smid 47 mit unterschiedlich weitreichenden Konsequenzen die Bedeutung des Beschlusses des IX. ZS des BGH vom 18.7.2002 hervorgehoben. Huhn hat daraus freilich nicht den Schluss gezogen, dass die Anordnung der Eigenverwaltung einen Regelfall darstellen könne, während Smid diese sehr weitreichende Konsequenz gezogen hat. Die Systematik des neuen Insolvenzrechts entfaltet daher insbesondere im Hinblick 32 auf die Stellung des Insolvenzschuldners im eröffneten Insolvenzverfahren eine Eigendynamik, die sich über sein historisch gewachsenes, traditionelles Verständnis hinwegsetzt. So lässt sich das Eigenverwaltungsverfahren als Rechtsinstitut spätestens seit dem In-Kraft-Treten der EuInsVO nicht mehr als eine im eigentlichen Sinne der Aufgabe eines Insolvenzverfahrens widerstreitende Einrichtung begreifen48. Denn Art. 1 Abs. 1 InsO bestimmt, dass auch im Falle eines „teilweisen“ Vermögensbeschlags ein Insolvenzverfahren europäische Anerkennung gem. Art. 16 Abs. 1 EuInsVO genießt – und Deutschland hat als Verwalter i. S. d. Art. 1 Abs. 1 EuInsVO, dessen Einsetzung für das Vorliegen eines anerkennungsfähigen Insolvenzverfahrens gem. Art. 1 Abs. 1 EuInsVO erforderlich ist, ausdrücklich auch den Sachwalter gem. § 274 InsO angesehen und in den Anhang C zur EuInsVO aufnehmen lassen. Auch wenn es zum Erfahrungsschatz des deutschen Konkursrechts gehört hat, dass ein Konkurs nur unter der Voraussetzung einer vollständigen Entmachtung des Schuldners bzw. der Organe der schuldnerischen Gesellschaft sinnvoll abzuwickeln sei, vermag diese Erfahrung doch das geltende Recht, seine Auslegung und Anwendung nicht mehr zu bestimmen. Es kann hier dahingestellt bleiben, mit welcher Reichweite aus der EuInsVO auf die Auslegung des innerstaatlichen Insolvenzrechts geschlossen werden kann.49 Denn auch

46

Huhn (Fußn. 2) RdNr. 470 ff. Smid, Zu einigen Fragen der Eigenverwaltung, DZWIR 2002, S. 493. 48 Wie dies in der Auseinandersetzung um die Reform z. B. von Grub (Überjustizialisierung und die Eigenverwaltung des Pleitiers, WM 1994, S. 880) mit Nachdruck vertreten worden ist. 47

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Kap. 3: Eigenverwaltung allgemeine verfahrensrechtliche Option?

ohne Rückgriff auf die – in Deutschland unmittelbar geltenden – Rechtsnormen der EuInsVO lässt bereits der überkommene corpus der Regelungen des deutschen Insolvenzrechts erkennen, dass das deutsche Insolvenzverfahren durchaus nicht mehr auf der Prämisse einer vollständigen Entmachtung des Schuldners beruht. Im Übrigen ist das Rechtsinstitut der Eigenverwaltung nicht völlig neu und bricht auch nicht schlechthin radikal mit den tradierten Vorstellungen des überkommenen Insolvenzrechts: Wie bereits angesprochen ist die gesetzliche Ausgestaltung des Insolvenzverfahrens unter Anordnung der Eigenverwaltung dem alten Vergleichsverfahren nachgebildet, das dem Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nur solange belassen hat, wie es diesem möglich war, den Konkurs abzuwenden.50 Der Unterschied zum Vergleichsverfahren liegt indessen darin, dass wegen der „Einheitlichkeit“ des Insolvenzverfahrens die Beendigung der Eigenverwaltung nicht durch die Eröffnung eines dem früheren Anschlusskonkurs vergleichbaren Verfahrens möglich ist.

33

Auch wenn gegenüber dem Ansatz Huhns51 die systematischen Erwägungen, die dafür sprechen, die Anordnung der Eigenverwaltung als Erscheinungsfall eines Regelinsolvenzverfahrens anzusehen, bleibt doch Zurückhaltung geboten. Rechtstatsächlich liegt im Falle der materiellen Insolvenz des Schuldners regelmäßig ein Fremdantrag, meist eines Sozialversicherungsträgers vor. Selbst wenn der Schuldner in solchen Situation „schneller“ vorgeht – was angesichts seiner Liquiditätsprobleme in anderen Fällen als solchen der Dimension von Babcock oder Kirch selten vorstellbar erscheint, ist das Vorgehen des Sozialversicherungsträgers wenn nicht nach § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO (dazu unten Kapteil 4 RdNr. 95 ff.) so doch im Rahmen der Nachteilsanalyse nach § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO zu berücksichtigen. Unabhängig von der rechtsdogmatischen Qualifikation scheint die Anordnung der Eigenverwaltung aufgrund der tatsächlichen Lage beschränkt auf wenige Fälle der insolvenz- (nicht konkurs(!)-)abwendenden Reorganisation. Wenn daher überhaupt sinnvoll von der Eigenverwaltung als Regelfall die Rede sein kann, dann im Kontext der Entwicklung der deutschen Judikatur zur Haftung bei fehlgeschlagenen außergerichtlichen Sanierungen. Denn der IX. ZS des BGH hat in verschiedenen Entscheidungen52 betont, dass 49 Vgl. hierzu Smid, Europäisches Internationales Insolvenzrecht, 2002, RdNr. 1 et passim. 50 Statt vieler: Uhlenbruck, Insolvensordnung, § 270, RdNr. 1. 51 Huhn (Fußn. 2) RdNr. 501 et passim. 52 Für die in den vergangenen fünf Jahren radikal gewandelte Rechtslage in Deutschland grundlegend: BGH, Urt. v. 28.10.2000, BGH NJW 2001, S. 517. Dem Berater – um dessen Haftung es in dieser Entscheidung geht – hilft es nicht einmal, wenn er über die mit einer außergerichtlichen Sanierung verbundenen Risiken berät. Der IX. Zivilsenat hat sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf berufen, der Gesetzgeber habe mit der InsO ein Instrument zur Sanierung von krisenbefallenen Unternehmen im gerichtlichen Insolvenzverfahren bereitgestellt. Diese Haftung wegen vorkonkurslicher Schädigungen der Masse in Verfolg einer fehlgeschlagenen außergerichtlichen Sanierung wird durch die gesellschaftsrechtliche Judikatur des II. Zivilsenats des BGH zu bestandsgefährdenden Eingriffen der Gesellschafter in den Bestand der Gesellschaft flankiert, vgl. allein BGH, Urt. v. 17.9.2001, NJW 2001, S. 3622 (Bremer Vulkan) und BGH, Urt. v. 24.6.2002, ZIP 2002, S. 1578 (KBV); beide Ur-

D. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im deutschen Recht

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Sanierungen nach dem Willen des Gesetzgebers im Rahmen von Insolvenzverfahren stattfinden sollen. Ausschlaggebend sind zwei Erwägungen. Zum einen gilt für die Entschei- 34 dung darüber, ob der Schuldner durch die Einleitung des Insolvenzverfahrens entmachtet werden soll, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Wenn der Schuldner dies beantragt und wenn die Gläubiger, denen das Vermögen des Schuldners haftungsrechtlichg zugewiesen ist, dem nicht entgegentreten (§ 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO), ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Anordnung der Eigenverwaltung den weniger weitgehenden Eingriff in die Rechtstellung des Schuldners verwirklicht als die Anordnung der Fremdverwaltung. Zum anderen ist anerkannt, dass die Anordnung nach § 270 InsO nicht voraussetzt, dass positive Gründe für sie sprechen (eingehend unten Kapitel 4 RdNr. 95 ff.).53 III. Problematik der Deduktion insolvenzrechtlicher Regelungen aus verfassungsrechtlichen Regelungen Der Rückgriff auf verfassungsrechtliche Normen bei der Auslegung des ein- 35 fachen Gesetzesrechts hat einen eigenen Reiz. Denn nicht allein in Staaten mit geschriebenen Verfassungsdokumenten, zumal solchen mit einem elaborierten Grundrechtsteil wie dem deutschen Grundgesetz, gelten verfassungsrechtliche Normen als den einfachgesetzlichen Rechtsnormen „vorrangig“, was im Allgemeinen bei der Auslegung des einfachen Gesetzesrechts zu beachten ist. In der deutschen Rechtsordnung ist eine folgerichtig anmutende Entwicklung zu be- 36 obachten, die sich durch eine wachsende Einflussnahme des BVerfG auf die Auslegung des einfachen Gesetzes gekennzeichnet ist und die z. B. bis in verästelte Problemstellungen des Nachlass-(Verlassenschafts)rechts reicht.

Gegen z. T. hypertrophe Erscheinungen einer Interpretation des einfachen Ge- 37 setzesrechts von verfassungsrechtlichen „Wertungen“ her ist der Einwand erhoben worden, damit trete die Gefahr auf, dass sich in der Verfassung eine Art von „Gegenrechtsordnung“ entwickle, aus der einfachrechtliche Normen „deduziert“ werden, ohne dass diese Deduktion die Komplexität des einfachen Gesetzesrechts erreichen könne.54 Dies trifft auch auf den Versuch zu, die einfachgesetzlich normierten Tatbestandsvoraussetzungen der Anordnung der Eigenverwaltung aus verfassungsrechtlichen Normen gleichsam zwingend abzuleiten. Denn die „Wertungsmaßstäbe“ dieser verfassungsrechtlichen Normen würden teile sind sehr „jung“; ihr Einfluss bereits heute auf die Sanierungspraxis scheint aber außerordentlich erheblich zu sein. 53 MünchKomm-Wittig Vor § 270 RdNr. 53; a. A. AG Lübeck B. v. 4.2.2000, 53b IN 19/01 DZWIR 2000, S. 482; AG Potsdam B. v. 7.6.2000, 35 IN 224/00 DZWIR 2000, S. 343. 54 Pawlowski, „Effektiver Rechtsschutz“ versus „effektive Vormundschaft“? JZ 2000, S. 913.

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Kap. 3: Eigenverwaltung allgemeine verfahrensrechtliche Option?

abstrakt bleiben, wenn sie nicht auf die Funktionszusammenhänge zurückgreifen würden, die dem einfachen Gesetzesrecht zugrundliegen.

E. Herrschaft der Gläubiger im deutschen Insolvenzverfahren I. Entscheidung über die Verfahrensabwicklung 38

Dies wird klarer, wenn man sich vor Augen hält, dass im deutschen Recht die Entscheidung über die Art der Abwicklung des Insolvenzverfahrens weitgehend in die Hände der Gläubiger gelegt ist.55

39

Es wird sich im Folgenden erweisen, dass diese Frage nach der Verfahrensherrschaft von zentraler Bedeutung ist. Denn das Gericht muss die Entscheidungen begründen, die es fällt – bzw. muss es erkennbar willkürfrei entscheiden.56 Wieweit Verstöße gegen dieses Rechtsgebot im Rechtsbehelfs- bzw. Rechtsmittelzug verfolgt werden können, mag insofern dahingestellt bleiben; es genügt an dieser Stelle die Feststellung, dass es europäische Rechtstandards gebieten, dass gerichtliche Entscheidungen in nachvollziehbarer Weise rechtlich begründet werden. Aus der Sicht des durch eine nachhaltige Rechtsmacht des Ausgleichs- bzw. Konkursgerichts geprägten österreichischen Insolvenzrechts ist dies selbstverständlich. Die Rechtslage in Deutschland unterscheidet sich davon diametral. Denn die Gläubigerversammlung als Letztentscheidungsorgan ist in keiner Weise begründungspflichtig. Bestellt sie nachträglich den Insolvenzschuldner als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten, ist diese Entscheidung im Allgemeinen keiner rechtlichen Überprüfung unterworfen; hierauf wird unten näher einzugehen sein. Hier genügt es, im Blick zu behalten, dass ein weithin von den Gläubigern autonom gestaltetes Verfahren andere Fragen aufwirft als ein Verfahren, das weithin in der Hand des Ausgleichs- oder Konkursgerichts liegt.

1. Entscheidung der Gläubiger ohne Rücksicht auf § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO 40

Die Diskussion um die Eigenverwaltung wird im deutschen Insolvenzrecht von Prämissen beherrscht, die in ihrem Kern einer Überprüfung nicht standhalten. Im Mittelpunkt steht dabei die Unterstellung, das Insolvenzgericht habe einen vermeintlichen Primat eines „Regelinsolvenzverfahrens“ mit Fremdverwaltung zu beachten57 und dies komme im Nachteilsbegriff des § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO als der materiellen Anordnungsvoraussetzung zum Ausdruck. Dieser Richtung der Darstellungsweise ist im We55 Anders Huhn (Fußn. 2) RdNr. 1188, der davon ausgeht, die Letztentscheidungsbefugnis liege beim Insolvenzgericht. 56 Vgl. Matscher, IPR und IZVR vor den Organen der EMRK, in: NeumayerFestschr., 1985, S. 459 ff., 476; ders., Die Einwirkungen der EMRK auf das internationale privat- und zivilprozessuale Verfahrensrecht, in: Schwind-Festschr., 1993, S. 71 ff. 57 Krit. gegen diese Art der Darstellung Huntemann/Dietrich, Eigenverwaltung und Sanierungsplan – der verkannte Sanierungsweg, ZInsO 2001, S. 13, 14 f.

E. Herrschaft der Gläubiger im deutschen Insolvenzrecht

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sentlichen Vallender58 dadurch entgegengetreten, dass er das Rechtsinstitut der Eigenverwaltung als Mittel der Förderung der Gläubigerautonomie verstanden wissen will. Das Gesetz sieht auch im Verfahren der Eigenverwaltung des Schuldners neben dem 41 Insolvenzgericht, dem Schuldner als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten und dem Sachwalter Organe der Gläubigerautonomie vor, nämlich die Gläubigerversammlung (§ 74 InsO) und – wenn ein solcher von der Gläubigerversammlung gewählt wird – den Gläubigerausschuß (§ 67 InsO). Die Gläubigerversammlung umfaßt alle Insolvenzgläubiger sowie alle absonderungsberechtigten Gläubiger des Gemeinschuldners59. Massegläubiger60 gem. §§ 53 ff. InsO sind dagegen von der aktiven Teilnahme an der Gläubigerversammlung ausgeschlossen. Denn der Sinn der Abstimmung ist die Betätigung der Gläubigerautonomie zur Überwachung der Verwaltung der Masse. Das Insolvenzgericht beruft die Versammlung grundsätzlich nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen ein; im Übrigen ist die Gläubigerversammlung nach dem Katalog der Nrn. 1 bis 4 des § 75 Abs. 1 InsO einzuberufen auf Antrag des Sachwalters (Nr. 1), des Gläubigerausschusses (Nr. 2), auf Antrag von wenigstens fünf absonderungsberechtigten Gläubigern, deren Absonderungsrechte und Forderungen nach Schätzung des Insolvenzgerichts wenigstens ein Fünftel der Summe des Wertes der Absonderungsrechte ausmachen (Nr. 3) oder schließlich auf Antrag eines oder mehrerer Gläubiger, deren Forderungen oder Absonderungsrechte wenigstens zwei Fünftel des Schätzwertes der angemeldeten Forderungen oder Absonderungsrechte ausmachen (Nr. 4).61 Insofern eher dem US-amerikanischen Recht als dem österreichischen Recht ver- 42 gleichbar steht das eröffnete Insolvenzverfahren in zentralen Fragen in der Herrschaft der Gläubiger. Diese Herrschaft wird durch die Organe der Gläubigerselbstverwaltung ausgeübt. Das gilt dem Grundsatz nach auch für das Insolvenzverfahren unter Anordnung der Eigenverwaltung des Schuldners. Denn die Eigenverwaltung hebt den Konkursbeschlag des schuldnerischen Vermögens für die Gläubiger nicht auf, wie sich im Vorangegangenen gezeigt hat. Da es sich erwiesen hat, dass der Konkursbeschlag der „Preis“ des relief durch automatic stay ist, in dessen Genuß der Schuldner gelangt, wird den Gläubigern die Rechtsmacht eingeräumt, weitreichendste Entscheidungen zur Masseverwaltung zu treffen.

2. Befugnisse der Organe der Gläubigerselbstverwaltung Die Gläubiger haben namentlich die Befugnis, die Person des „Amtswalters“ 43 zu bestimmen – unabhängig davon, ob es sich um einen Insolvenzverwalter handelt (vgl. § 57 InsO) oder um den eigenverwaltenden Schuldner, vgl. §§ 271, 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO.62 Eine Korrektur der Entscheidung nach den §§ 271, 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO obliegt dem Insolvenzgericht nicht, denn eine dem § 57 InsO entsprechende Regelung sehen diese Vorschriften nicht vor; die 58 59 60 61 62

Vallender (Fußn. 2). Hegmanns, Der Gläubigerausschuß, 1986, S. 11 ff. et passim. Gottwald/Heilmann/Klopp, Insolvenzrechtshandbuch § 21 RdNr. 2. Smid, Grundzüge § 9 RdNr. 5. MünchKomm-Wittig § 272 RdNr. 2, 6.

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Kap. 3: Eigenverwaltung allgemeine verfahrensrechtliche Option?

Befugnis der Gläubigerversammlung, die Eigenverwaltung aufzuheben, ist voraussetzungslos.63 Während das Insolvenzgericht seine Entscheidung begründen muss, weil es nicht im öffentlichen Interesse handelt, sondern für die Gläubiger, muss die Gläubigerversammlung nicht begründen.64 Die Gläubiger werden dabei mit der gerichtlichen Entscheidung nach § 270 Abs. 1 InsO auch nicht deshalb als einem fait accompli überzogen, weil sie unmittelbar mit Verfahrenseröffnung ergeht. Denn wie Huhn65 zutreffend bemerkt, kann die Gläubigerversammlung in einem „frühen“ – vorverlegten – Termin hierüber entscheiden. Für das Insolvenzgericht folgt daraus, dass sinnvollerweise im Falle der Anordnung der Eigenverwaltung des Schuldners von der Möglichkeit einer abgekürzten Ladung nach § 4 InsO i. V. m. § 203 ZPO Gebrauch gemacht werden sollte, um die Gläubigerautonomie nicht leerlaufen zu lassen.66 44

Es wird die Meinung vertreten, einzelne Gläubiger hätten nicht die Befugnis, gegen den Beschluss nach § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Wege des § 78 Abs. 1 InsO vorzugehen.67 Denn der Beschluss der Gläubigerversammlung nach § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO stelle allein den „Regelfall“ des „Regelinsolvenzverfahrens“ her.68 Das ist aber nach den bereits entwickelten Überlegungen nicht zutreffend. Daher kann sich ein einzelner Insolvenzgläubiger oder ein absonderungsberechtigter Gläubiger gegen die Entscheidung nach § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO wegen der damit verbundenen Kostennachteile gem. § 78 Abs. 1 InsO wenden.69

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Die Diskussion um den Nachteilsbegriff geht ebenso von einem empirischen wie einem legistischen Befund aus, der an sich zutreffend ist: Das Insolvenzgericht trifft die Anordnung der Eigenverwaltung. Das deutsche Insolvenzrecht wird verfahrensrechtlich aber vom Grundsatz der Gläubigerselbstbestimmung bestimmt, worauf unten in Kapteil 5 eingehend einzugehen sein wird. Wenn man daher die Reichweite der materiellen Maßstäbe des § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO nicht nur bestimmen, sondern beurteilen will, muss man nach Letztentscheidungskompetenzen fragen. Dabei tritt in den Blick, dass die Zurückweisung der Anordnung der Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht keine endgültige Entscheidung darstellt. Die Letztentscheidungsbefugnis über die Eigenverwaltung steht der Gläubigerversammlung auf dem Berichtstermin zu, § 271 InsO.70 Voraussetzung ist dafür die Ablehnung der Anordnung durch das Insolvenzgericht71; die Gläubigerautonomie kommt m. a. W. gegen das Insolvenzge63

So ausdrücklich MünchKomm-Wittig § 272 RdNr. 7 statt aller m. w. Nachw. MünchKomm-Wittig § 272 RdNr. 8. 65 Huhn (Fußn. 2) RdNr. 1113. 66 Hierzu – allerdings im Rahmen des Insolvenzplanverfahren, Rattunde, ZIP 2003, S. 596 ff. 67 MünchKomm-Wittig § 272 RdNr. 9; HK-Landfermann § 272 RdNr. 3. 68 K/P-Pape § 272 RdNr. 3. 69 Ausdrücklich anders MünchKomm-Wittig § 272 RdNr. 9, wohl aber Huhn (Fußn. 2) RdNr. 1122 ff. 70 Statt aller Uhlenbruck, Insolvenzordnung § 271 RdNr. 3. 64

E. Herrschaft der Gläubiger im deutschen Insolvenzrecht

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richt zum Tragen! Wittig72 meint dagegen, dass insbesondere in Fällen der eiligen Erfüllung der Antragspflichten des GmbH-Geschäftsführers Verfahrenslagen eintreten können, in denen dem Schuldner nach Erlass des Eröffnungsbeschlusses noch die Stellung des Antrags auf Anordnung der Eigenverwaltung gegen den Wortlaut des § 270 Abs. 1 InsO einzuräumen sei. Entscheidend ist in der Tat nicht, ob der Schuldnerantrag vor oder nach Erlass des Eröffnungsbeschlusses gestellt worden ist. Auschlaggebend ist vielmehr der Zeitpunkt des Berichtstermins. Denn in der ersten Gläubigerversammlung üben die Gläubiger ihre Befugnisse aus. Der Schuldner hat nicht die Macht, dies nachträglich zu konterkarieren.73 Das Insolvenzgericht – der Rechtspfleger74 gem. § 18 RPflG – hat aufgrund der 46 Entscheidung der Gläubigerversammlung die Anordnung zu erlassen. Ein Ermessensspielraum ist dem Insolvenzgericht weder bei der Anordnung nach § 270 InsO75 noch bei der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung in Ausführung des Beschlusses der Gläubigerversammlung nicht eröffnet.76 Prüfungskompetenzen des Insolvenzgerichts bestehen nach einer in der Literatur vertretenen Meinung77 nur mittelbar unter der Voraussetzung, dass ein nicht nachrangiger Insolvenzgläubiger oder ein absonderungsberechtigter Gläubiger einen Antrag nach § 78 Abs. 1 InsO stellt.78 Am Vorliegen der Voraussetzungen des § 78 InsO bestehen indes Zweifel. Gegen den Beschluss der nachträglichen Anordnung der Eigenverwaltung steht dem 47 bisherigen Insolvenzverwalter eine Antragsbefugnis nach § 78 InsO nicht zu. Die Lage gleicht insofern strukturell der Abwahl des bisherigen Verwalters durch Neuwahl eines anderen Insolvenzverwalters durch die Gläubiger im Berichtstermin. In Judikatur79 und Literatur80 wird in Zweifel gezogen, ob neben der insolvenzgerichtlichen Prüfung der Bestätigung des von der Gläubigerversammlung im Berichtstermin unter Abwahl des mit dem Eröffnungsbeschluss durch den Insolvenzrichter ernannten (vor71 Uhlenbruck, Insolvenzordnung § 271 RdNr. 2; MünchKomm-Wittig § 271 RdNr. 1. 72 MünchKomm-Wittig § 271 RdNr. 8, 9; so auch K/P-Pape § 270 RdNr. 1. 73 In der Literatur (HK-Landfermann § 270 RdNr. 2) wird dies mit der Gewährleistung einer „klaren Rechtslage“ begründet. Im Ergebnis wie hier mit einer auf Verkehrssicherheitsgesichtspunkte gestützten Begründung MünchKomm-Wittig § 271 RdNr. 14. 74 MünchKomm-Wittig § 271 RdNr. 21. 75 Prütting, in: Kirchof-Festschr., 2003, S. 433, 436. 76 Uhlenbruck, Insolvenzordnung § 271 RdNr. 6. 77 Uhlenbruck, Insolvenzordnung § 271 RdNr. 7; K/P-Pape § 271 RdNr. 7. 78 So MünchKomm-Wittig § 271 RdNr. 30 f. 79 OLG Naumburg, B. v. 26.5.2000, 5 W 30/99, DZWIR 2000, S. 376, 377/378. Zutr. krit. dagegen Görg, DZWIR 2000, S. 364, 366 f. 80 Pape, Aufheben von Beschlüssen der Gläubigerversammlung und Beurteilung des gemeinsamen Interesses nach § 78 InsO, ZInsO 2000, S. 469, 477 meint, nach der Entscheidung des OLG Naumburg (Fußn. 79) sei der Anwendungsbereich des § 78 Abs. 1 InsO „geschrumpft“, was nicht recht verständlich ist: Papes Ansicht scheint eher darauf zu beruhen, dass er die notwendige Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung meidet.

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Kap. 3: Eigenverwaltung allgemeine verfahrensrechtliche Option?

läufigen) Insolvenzverwalters bestellten neuen Insolvenzverwalter gem. § 57 InsO eine Überprüfung des entsprechenden Beschlusses der Gläubigerversammlung durch das Insolvenzgericht nach § 78 Abs. 1 InsO81 in Betracht kommt. Die dagegen vorgebrachten Argumente sehen in § 57 InsO gegenüber § 78 InsO ein lex specialis, das die Anwendung der letzteren Vorschrift ausschließe. Damit wird aber verkannt, dass die beiden Vorschriften Entscheidungen des Insolvenzgerichts aufgrund unterschiedlicher verfahrensrechtlicher Voraussetzungen vorsehen. Diese verfahrensrechtliche Verschiedenartigkeit schlägt auf die materiellen Maßstäbe durch, die im Rahmen der jeweiligen vom Insolvenzgericht zu fällenden Entscheidung zugrundezulegen sind. Wie die Einsetzung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters oder die Anordnung der Eigenverwaltung ist auch die Prüfung der Voraussetzungen der Bestätigung des von der Gläubigerversammlung gewählten (neuen) Insolvenzverwalters gem. § 57 InsO von Amts82 wegen vorzunehmen. So weist Graeber83. zutreffend darauf hin, dass die Gläubiger nicht nur ein Vorschlagsrecht ausübten, sondern ihnen ein „echtes“ Wahlrecht zustehe.

47a

Für den einzelnen Gläubiger stellt daher § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Spezialvorschrift gegenüber § 78 InsO dar. II. Schaffung von Fakten durch das Insolvenzgericht

48

Die Instrumentarien, vermittels derer die Insolvenz- und absonderungsberechtigten Gläubiger ihre Verfahrensherrschaft nach dem deutschen Insolvenzrecht ausüben, bedürfen einer näheren Darstellung, da sie deutlich werden lassen, dass eine verfassungsrechtliche Forderung nach der Verhältnismäßigkeit konkurslicher Eingriffe zwar allemal wegen der zu beachtenden Verfahrensfairness ihre Bedeutung erhält; sie kann aber keine Maßstäbe zur Auslegung der Anordnungsvoraussetzungen nach deutschem Recht hergeben. Denn die Gläubiger, denen das (pfändbare, § 36 InsO) Vermögen des Insolvenzschuldner haftungsrechtlich zugewiesen ist, haben die Letztentscheidungsbefugnis darüber, ob ihm die Verwaltungsbefugnis belassen oder entzogen wird. Dabei sind die Gläubiger verfassungsrechtlich nicht gebunden.84

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Umso weniger kann der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für europäische Insolvenzrechte im Allgemeinen einen Maßstab abgeben; er vermag allenfalls im Rahmen der Reform staatlicher Rechte zum Nachdenken über die Eröffnung der Möglichkeit zur Eigenverwaltung des Schuldners de lege ferenda anregen.

81

Pape (Fußn. 80) S. 474 ff. Smid, Insolvenzordnung, 2. Aufl. § 57 RdNr. 5. 83 Graeber, Die Wahl des Insolvenzverwalters durch die Gläubigerversammlung nach § 57 InsO, ZIP 2000, S. 1465, 1467. 84 Man kann in diesem Zusammenhang an „Drittwirkungen“ der Grundrechte denken (vgl. hier allein Pieroth/Schlink, Grundrechte. Staatsrecht II, RdNr. 186 ff.). Aber auch wenn man derartige verfassungsrechtliche Modelle vertritt ist doch nicht zu übersehen, dass in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dieser Ansatz versagen würde. 82

E. Herrschaft der Gläubiger im deutschen Insolvenzrecht

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Wenn, wie es das deutsche Recht macht, der Richter zwar nicht die Letzt-, 50 aber die Erstentscheidungskompetenz hat, schafft der Richter doch jedenfalls Fakten. Denn seine Erstentscheidung darüber, einen vorläufigen Verwalter zu bestellen, mit der Eröffnung des Verfahrens die Eigenverwaltung anzuordnen oder die Anordnung unter Bestellung eines Insolvenzverwalters zu verwerfen, lässt sich auch durch die erste Gläubigerversammlung deshalb nicht ohne weiteres „korrigieren“, weil bis zum Berichtstermin gem. §§ 156, 157 InsO regelmäßig die ausschlaggebenden Entscheidungen im Verfahren gefallen sind.85 Deren Revision würde in aller Regel zu wirtschaftlich unhaltbaren Mehrbelastungen der Masse und damit erheblichen finanziellen Nachteilen der Gläubiger führen. Weder der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in 51 die Rechtsstellung der Gläubiger noch die Gläubigerautonomie erlauben nach den bisherigen Überlegungen die Entwicklung von Kriterien, die eine Eigenverwaltung des Schuldners rechtfertigen können, ohne dabei auf reorganisationsrechtliche Kriterien zurückzugreifen. Das zwingt zur näheren Betrachtung der Regelungen des deutschen Rechts der Eigenverwaltung, das – jedenfalls dem Anspruch des Gesetzes nach – solche Maßstäbe voraussetzt.

85

Huhn (Fußn. 2) RdNr. 394 f.

Kapitel 4

Eigenverwaltung des Schuldners im deutschen Insolvenzrecht A. Einführung in die Problemstellung I. Eigenverwaltung im einheitlichen Insolvenzverfahren 1

Im vorangegangenen Kapitel 3 ist darauf hingewiesen worden, dass der deutsche Gesetzgeber ein „einheitliches“ Insolvenzverfahren1 geschaffen hat, unter dessen „Dach“ sowohl ein „klassisches“ Liquidationsverfahren als auch ein Reorganisationsverfahren nach einem Insolvenzplan abgewickelt werden kann2; Inhalt eines Insolvenzplans kann freilich auch eine von den allgemeinen gesetzlichen Regeln abweichende Liquidation des Schuldnervermögens sein.3 Nach ausdrücklicher Vorstellung des Gesetzgebers kann durch das Insolvenzgericht sowohl in dem nach allgemeinen Regeln abgewickelten Verfahren als auch bei Vorlage eines Insolvenzplans durch den Schuldner die Eigenverwaltung angeordnet werden. Geht man vom Wortlaut des Gesetzes und dem erklärten Willen des Gesetzgebers4 aus, muss der Schuldner, der die Anordnung der Eigenverwaltung beantragt, keinen Insolvenzplan vorlegen.5 Dies entspricht völlig herrschender Lehre.6 Diese Abweichung von chapter 11 bankruptcy code, dessen Regelungen für die Kernstücke der deutschen Insolvenzrechtsreform – Insolvenzplan und Eigenverwaltung – prägend war, ist nicht überzeugend. Sie führt zu Friktionen in der praktischen Handhabung der Regeln über die Eigenverwal1 Smid/Rattunde, Insolvenzplan, 2. Aufl. 2005, RdNr. 1.11 et passim; Koch, Die Eigenverwaltung nach der Insolvenzordnung, 1998, S. 21; Schlegel, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, 1999, S. 39; dieses Motiv des Gesetzgebers wird langsam Rechtsgeschichte, so gehen Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, 2003, und Gulde, Die Anordnung der Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluss, 2005, bes. S. 29 darauf schon nicht mehr ausdrücklich ein. 2 Amtl. Begr. Allg. 4 a aa RegE, BT-Drucks. 12/2443, 82. 3 Liquidationsplan, vgl. Smid/Rattunde (Fußn. 1) RdNr. 1.12 et passim; vgl. auch Wustrick, NZI 2003, S. 65, 69. 4 Begr. zum 8. Teil, 1. Abschnitt RegEInsO, BR-Drucks 1/92, S. 222/223. 5 Dietrich, Die Eigenverwaltung als Sanierungsweg, S. 120 ff. m. w. Nachw. 6 Danach kann der Schuldner einen Plan vorlegen, der aber für die Beurteilung der Voraussetzungen der Eigenverwaltung außer Betracht bleibt: Huhn (Fußn. 1) RdNr. 1003 ff.; Gulde (Fußn. 1) S. 142 ff.

A. Einführung in die Problemstellung

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tung – genauer dazu, dass die Insolvenzgerichte sich überwiegend standhaft einer Anwendung dieser Regeln versagen.7 Das hat damit zu tun, dass die Anwendung der Regeln der Eigenverwaltung im 1a Schrifttum nach wie vor als „Ausnahme“8 abgetan wird – was nach den hier angestellten Überlegungen zur Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes9 im Insolvenzverfahren nurmehr vor dem Hintergrund der kollektiven Erfahrungen der Insolvenzpraxis nachvollziehbar ist.

II. „Missachtung“ des legislatorischen Willens durch die Insolvenzgerichte? Dass die Insolvenzgerichte den erklärten Willen des Reformgesetzgebers 2 missachten, beruht nicht auf einer kulturkritisch zu notierenden allgemeinen Inobedienz der Richterinnen und Richter. Der Grund hierfür liegt auch nicht in der Ausgestaltung der Regelungen der Eigenverwaltung im Gesetz, die im Folgenden (B.) eingehender, wenngleich in gebotener Kürze zu umreißen sein wird. Denn es wird sich zeigen, dass die gesetzliche Regelung der Eigenverwaltung durch die Anordnung einer Reihe von Mechanismen der Aufsicht durch Sachwalter, Insolvenzgericht und nicht zuletzt die Organe der Gläubigerselbstverwaltung eine nicht minder wohlbalancierte Regelung darstellen als das Verfahren unter Anordnung eines Insolvenzverwalters – das von dem vorherrschenden Sprachgebrauch in Deutschland als „Regelinsolvenzverfahren“ bezeichnet wird. Dass die deutschen Insolvenzgerichte sich weithin der Anordnung der Eigenverwaltung versagen, hat vielmehr damit zu tun, dass die gesetzlichen Voraussetzungen ihrer Anordnung in § 270 Abs. 2 InsO unklar gefasst sind (C.). Bei der Auslegung des § 270 InsO spielt gewiß auch eine Rolle, dass vielfach die Insolvenzgerichte die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls für die grundrechtsrelevanten Entscheidungen des Insolvenzgerichts noch nicht hinreichend würdigen. Dieser im deutschen Recht bestehende Zusammenhang war bislang noch nicht wirk- 3 lich klar. Der IX. Zivilsenat des BGH10 hat jüngst in Einklang mit einem Teil der Lehre11 darauf erkannt, dass Eröffnungsverfahren und eröffnetes Insolvenzverfahren als Verfahren der nichtstreitigen freiwilligen Gerichtsbarkeit zu qualifizieren sind, in denen materiell Verwaltungstätigkeiten ausgeübt werden, mit denen u. a. aufgrund gesetzlicher Regelung in Grundrechte der Verfahrensbeteiligten eingegriffen wird.

7

Vgl. allein Huhn (Fußn. 1) RdNr. 2 et passim. Häsemeyer, Insolvenzrecht, 3. Aufl. RdNr. 8.06; so auch Huhn (Fußn. 1) RdNr. 119 ff. 9 J. Roth, Interessenwiderstreit im Insolvenzeröffnungsverfahren, 2004, S. 96 ff. 10 BGH, B. v. 4.3.2004, IX ZB 133/03, ZIP 2004, S. 915. 11 Smid, Grundzüge, 4. Aufl. § 1 RdNr. 64–66; anders explizit im Kontext der Eigenverwaltung Wustrick, NZI 2003, 65. 8

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Kap. 4: Eigenverwaltung im deutschen Insolvenzrecht

4

Dies allein genügt nicht, um die mehr als restriktive Haltung der Insolvenzgerichte bei der Anordnung von Eigenverwaltungen zu verstehen. Zwei Fragen verunsichern zu Recht die Rechtsanwender: Zum einen wäre es schlechthin fast immer dysfunktional, die Eigenverwaltung anzuordnen, wenn – folgte man dem Wortlaut des Gesetzes – ein einzelner Gläubiger die angeordnete Eigenverwaltung zu Fall bringen könnte, wie es der Wortlaut des § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO nahelegt. Zum anderen gravierender noch: Die Anordnung der Eigenverwaltung hat zu unterbleiben, wenn sie für die Gläubiger voraussichtlich nachteilig wäre (§ 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO). Dieser Nachteilsbegriff ist offen und hat sich aus Sicht der deutschen Insolvenzgerichte als kaum handhabbar dargestellt.

5

Ein Hintergrund der Schwierigkeiten deutscher Gerichte mit der Anordnung der Eigenverwaltung liegt darin, dass im Unterschied etwa zum österreichischen Recht nach § 839 Abs. 2 BGB den Insolvenzrichtern persönliche Haftung für den Fall droht, wenn sie schuldhaft eine Fehlentscheidung treffen, die zu einer Schädigung der Gläubiger führt.12 Dies fördert nachhaltig die Neigung, sich in alhergebrachten Bahnen zu bewegen, statt den Verlockungen eines Gesetzgebers zu folgen und vermeintlich riskante Experimente durchzuführen.

6

Im deutschen Insolvenzrecht mag daher die Eigenverwaltung rechtstatsächlich aufgrund der Praxis der Insolvenzgerichte die seltene Ausnahme bilden. Und die kollektive Erfahrung der Insolvenzpraktiker ebenso wie die von Wirtschaftsstrafrechtlern13 lehrt mit sehr starker Evidenz, dass die Fortdauer der Rechtsmacht des insolventen Schuldners Missbräuche befördern kann, die am ehesten durch die Entmachtung des Schuldners und die Bestellung eines Insolvenz- bzw. Masseverwalters vermieden werden.

B. Kurzübersicht über die gesetzliche Ausgestaltung der Eigenverwaltung im deutschen Recht I. Vermögensbeschlag zugunsten der Gläubiger 1. Übersicht 6a

§ 270 Abs. 1 InsO räumt dem Schuldner die verfahrensrechtliche Befugnis ein, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das lnsolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet (und nicht nach § 27 Abs. 1 S. 1 InsO einen Insolvenzverwalter bestellt). Für das Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften der InsO, soweit die §§ 270 ff. InsO nichts 12

Vgl. m. w. Nachw. allein Smid, Jura 1990, S. 225 ff. Bittmann, Insolvenzstrafrecht, 2004, S. 293 ff. zu den Strafvorschriften, die typischerweise in Betracht kommen. 13

B. Gesetzliche Ausgestaltung der Eigenverwaltung

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davon Abweichendes vorsehen.14 Insbesondere räumt § 281 Abs. 1 S. 1 InsO dem Schuldner die Befugnis ein und erteilt ihm die Aufgabe, das Unternehmen weiter zu führen.15 Insbesondere obliegt es ihm, das Verzeichnis der Massegegenstände, das Gläubigerverzeichnis und die Vermögensübersicht (§§ 15 1–153 InsO) zu erstellen.16 Zur Rechnungslegung nach den §§ 66, 155 InsO17 ist der Schuldner gemäß § 281 Abs. 3 S. 1 InsO verpflichtet. Nach § 283 Abs. 2 S. 1 InsO werden die Verteilungen vom Schuldner vorgenommen.18 Die Anordnung ergeht entweder nach § 270 Abs. 1 InsO im Eröffnungsbe- 7 schluss oder durch nachträglichen Beschluss nach § 271 InsO. Voraussetzung für die Anordnung der Eigenverwaltung ist kumulativ, dass sie vom Schuldner beantragt worden ist (§ 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO) oder, wenn der Eröffnungsantrag von einem Gläubiger gestellt worden ist, der Gläubiger dem Antrag des Schuldners zugestimmt hat (§ 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO) und dass in beiden Fällen nach den Umständen zu erwarten ist, dass die Anordnung nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens oder zu sonstigen Nachteilen für die Gläubiger führen wird (§ 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO). Hatte das Insolvenzgericht den Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung abgelehnt, beantragt die erste Gläubigerversammlung jedoch die Eigenverwaltung, so ordnet das Gericht diese an (§ 271 S. 1 InsO). Der Beschluss des Insolvenzgerichts, durch den nach der Eröffnung des Insolvenz- 8 verfahrens die Eigenverwaltung angeordnet oder die Anordnung aufgehoben wird, ist gemäß § 273 InsO öffentlich bekanntzumachen, wobei die allgemeinen Regeln des § 9 InsO eingreifen.

2. Insolvenzbeschlag Im deutschen Recht wird mit der Verfahrenseröffnung das Vermögen des In- 9 solvenzschuldners vom Insolvenzbeschlag erfaßt. Dies gilt auch für das Verfahren unter Anordnung der Eigenverwaltung; die Rechtslage im deutschen Recht ist daher der Lage im nordamerikanischen Recht19 vergleichbar. Das pfändbare Vermögen des Schuldners (§ 36 InsO) wird damit der allseitigen Haftungsord14

Gulde (Fußn. 1) S. 29 meint, bei Anordnung der Eigenverwaltung handle es sich um ein „normales“ Insolvenzverfahren. Das ist zu begrüßen, da Gulde damit deutlich macht, dass die Anordnung der Eigenverwaltung ein „Regelinsolvenzverfahren“ nicht ausschließt. 15 Huhn (Fußn. 1) RdNr. 136 ff., 166 ff. 16 FK-Foltis § 281 RdNr. 12; Huhn (Fußn. 1) RdNr. 802 ff. 17 Vgl. allein Huhn (Fußn. 1) RdNr. 825. 18 FK-Foltis § 283 RdNr. 5; Huhn (Fußn. 1) RdNr. 790 ff. 19 Im deutschen Recht werden die Verrichtungen des Insolvenzgerichts als Tätigkeiten materieller Verwaltung qualifiziert, vgl. BGH, B. v. 4.3.2004, IX ZB 133/03, ZIP 2004, S. 915; ferner die „Verwalterauswahlentscheidung“ des BVerfG: BVerfG, 1 BvR 135/00; 1 BvR 1086/01.

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Kap. 4: Eigenverwaltung im deutschen Insolvenzrecht

nung20 des Insolvenzrechts gemeinschaftlich zugunsten aller Gläubiger des Insolvenzschuldners unterworfen.21 Diese Wirkung, auch der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gem. § 27 Abs. 1 S. 2 InsO unter Anordnung der Eigenverwaltung, ergibt sich seit dem In-Kraft-Treten der EuInsVO aus deren Art. 1 Abs. 1 in Zusammenspiel mit der Legaldefinition des Insolvenz- als „Gesamtverfahren“ nach Art. 2 lit a EuInsVO i. V. m. Anhang A der EuInsVO, die das Insolvenzverfahren mit Anordnung der Eigenverwaltung gem. § 270 InsO nicht anders als das Verfahren mit Bestellung eines Insolvenzverwalters behandelt; Art. 2 lit b EuInsVO i. V. m. Anhang C den gem. § 274 InsO bei Anordnung der Eigenverwaltung zu bestellenden Sachwalter als „Verwalter“ i. S. d. Art. 1 Abs. 1 EuInsVO22. Da Art. 1 Abs. 1 EuInsVO ein Insolvenzverfahren durch Vermögensbeschlag und Einsetzung eines Verwalters in dem bezeichneten Sinn qualifiziert, liegt im Falle des unter Eigenverwaltung des Insolvenzschuldners durchgeführten Verfahrens zweifellos ein Insolvenzverfahren vor, dass im Übrigen den Anforderungen des Art. 1 Abs. 1 EuInsVO – Vermögensbeschlag – genügt. 10

Die Einzelheiten sind freilich nicht geklärt. So bestimmt § 270 Abs. 3 S. 3 InsO, die §§ 32 und 33 InsO seien nicht anzuwenden. Daran bestehen aber Zweifel: Denn auch im Falle der Anordnung der Eigenverwaltung wird das Vermögen des Schuldners zugunsten seiner Gläubiger beschlagnahmt; da nach § 275 InsO, insbesondere aber nach § 277 InsO Verfügungsbeschränkungen gegen den Schuldner greifen, bedarf es eines Verkehrsschutzes. Daher ist § 270 Abs. 3 S. 3 InsO dahin gehend zu verstehen, dass Grundbuch- und Registervermerke dann einzutragen sind, wenn dem Sachwalter weitere Kompetenzen durch den Anordnungsbeschluss eingeräumt werden.

II. Eigenverwaltender Schuldner als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten 11

Der Schuldner behält nach alledem durch die Anordnung der Eigenverwaltung nicht einfach die Kontrolle über sein Vermögen (das Unternehmen) in der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Weise bei. Vielmehr erlangt er Befugnisse genuin insolvenzrechtlicher Art, die im Falle der Verfahrenseröffnung gem. § 27 Abs. 1 S. 1 InsO dem Insolvenzverwalter zustehen. Die gesetzlichen Regelungen machen dies an einer Reihe von Stellen deutlich: So bestimmt § 279 S. 1 InsO, dass die Vorschriften über die Erfüllung der Rechtsgeschäfte und die Mitwirkung des Betriebsrats (§§ 103–128) mit der Maßgabe im Verfahren der Eigenverwaltung gelten, dass an die Stelle des Insolvenzverwalters der Schuldner tritt.23 20

Häsemeyer, Insolvenzrecht, 3. Aufl. RdNr. 1.11 ff. Smid, Grundzüge, 4. Aufl. § 1 RdNr. 10 ff. 22 Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Kommentar, 2004, Art. 1 EuInsVO RdNr. 19, 23. 21

B. Gesetzliche Ausgestaltung der Eigenverwaltung

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In dem unter Anordnung der Eigenverwaltung nach § 27 Abs. 1 S. 2 InsO 12 eröffneten Insolvenzverfahren wird der Schuldner zum Amtswalter in eigenen Angelegenheiten24 bestellt. Sein Vermögen wird zugunsten der Gläubiger beschlagnahmt. Demzufolge ist der eigenverwaltende Schuldner insofern der Herrschaft der Gläubiger unterstellt, als er sein Vermögen als Masse für seine Gläubiger verwaltet. Ihre Herrschaft über die Verfahrensführung des Schuldners üben die Gläubiger durch ihre verfahrensrechtlichen Organe aus (im folgenden Kapitel 5 RdNr. 5 ff.). Wird die Verfügungsbefugnis des Schuldners nicht besonderen insolvenzgerichtlich angeordneten Beschränkungen unterworfen, scheint freilich äußerlich die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung das gerade Gegenteil der Anordnung insolvenzrechtlicher Bestimmungsmacht der Gläubiger, nämlich vordergründig die „Wiederherstellung“ der Verfügungsbefugnis des Schuldners zu bewirken. Denn der Schuldner kann gegenüber Dritten auch dann wirksam handeln, wenn der Sachwalter nach § 275 InsO Einwendungen gegen die fraglichen Rechtshandlungen erhebt.25 III. Bestellung und Befugnisse des Sachwalters 1. Übersicht Sowohl bei der Anordnung der Eigenverwaltung nach § 270 Abs. 1 InsO im 13 Eröffnungsbeschluss als auch bei der nachträglichen Anordnung gemäß § 271 S. 1 InsO bestellt das Insolvenzgericht anstelle eines Insolvenzverwalters einen Sachwalter (§ 270 Abs. 3 Satz 1, § 271 S. 2 InsO).26 Es ist davon auszugehen, dass nach dem Gesetz regelmäßig mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon ein Insolvenzverwalter im Eröffnungsbeschluss ernannt und bestellt wird. § 271 S. 2 InsO ordnet daher an, dass zum Sachwalter der bisherige Insolvenzverwalter bestellt werden kann.27 Für die Bestellung des Sachwalters, für die Aufsicht des Insolvenzgerichts 14 sowie für die Haftung und die Vergütung des Sachwalters gelten gemäß § 274 Abs. 1 InsO die Regelung des § 54 Nr. 2 InsO und die der §§ 56–60, 62–65 InsO entsprechend.28 Für die Befugnisse des Sachwalters gilt § 22 Abs. 3 InsO entsprechend (§ 274 Abs. 2 S. 2 InsO)29: Er ist daher befugt, die Geschäfts23 FK-Foltis § 279 RdNr. 3; Huhn (Fußn. 1) RdNr. 760 ff. Eingehend jüngst Berscheid, in: Kirchof-Festschr., 2003, S. 27, 43 ff., 48, 49 f. 24 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 3. Aufl. RdNr. 8.13. 25 Uhlenbruck, Insolvenzordnung § 275 RdNr. 6; MünchKomm-Wittig § 275 RdNr. 9. 26 Begr. zu § 335 RegEInsO BR-Drucks 1/92, S. 224. 27 HK-Landfermann § 271 RdNr. 4. 28 Huhn (Fußn. 1) RdNr. 644 ff. 29 Smid, InsO § 274 RdNr. 4.

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Kap. 4: Eigenverwaltung im deutschen Insolvenzrecht

räume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen; der Schuldner hat dem Sachwalter Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten. Insbesondere ist der Schuldner verpflichtet, ihm alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen. 2. Einzelne Befugnisse und Pflichten des Sachwalters 15

Der Sachwalter hat gemäß § 274 Abs. 2 S. 1 InsO die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen.30 Stellt er Umstände fest, die erwarten lassen, dass die Fortsetzung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird, hat er dies gemäß § 274 Abs. 3 InsO unverzüglich dem Gläubigerausschuß und dem Insolvenzgericht oder den Insolvenzgläubigern, die Forderungen angemeldet haben, und den absonderungsberechtigten Gläubiger anzuzeigen.31 Schließlich hat der Sachwalter dem Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit anzuzeigen (§ 285 InsO).32

16

Gemäß § 280 InsO kann nur der Sachwalter die Haftung nach den §§ 92 und 93 InsO für die Insolvenzmasse geltend machen und Rechtshandlungen nach den §§ 129–147 InsO anfechten.33

17

Der Sachwalter hat gemäß § 281 Abs. 1 S. 2 InsO die vom Schuldner erstellten Verzeichnisse und die Vermögensübersicht zu prüfen und jeweils schriftlich zu erklären, ob nach dem Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind. Die vom Schuldner vorgenommenen Verteilungen hat der Sachwalter zu prüfen und gegebenenfalls schriftlich zu erklären, ob und inwieweit Einwände bestehen (§ 283 Abs. 2 S. 2 InsO).

18

§ 275 Abs. 1 S. 1 InsO ordnet an, dass der Schuldner Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, nur mit Zustimmung des Sachwalters eingehen „soll“; ein Verstoß dagegen macht die vom Schuldner eingegangenen Rechtsgeschäfte nicht unwirksam, kann aber zur Warnung der Gläubiger durch den Sachwalter gemäß § 274 Abs. 3 InsO führen. § 275 Abs. 1 S. 2 InsO normiert ein Widerspruchsrecht des Sachwalters gegen die Eingebung auch solcher Verbindlichkeiten durch den Schuldner, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören; auch der Widerspruch des Sachwalters führt aber nicht zur Unwirksamkeit des unter seiner Nichtbeachtung vorgenommenen Geschäfts. Schließlich ordnet § 275 Abs. 2 InsO an, dass der Sachwalter vom Schuldner verlangen kann, dass alle eingehenden Gelder nur vom Sachwalter entgegenge30 31 32 33

FK-Foltis § 274 RdNr. 43 ff.; Huhn (Fußn. 1) RdNr. 903 ff. Huhn (Fußn. 1) RdNr. 954. Huhn (Fußn. 1) RdNr. 1011 ff. Huhn (Fußn. 1) RdNr. 974 ff.

C. Voraussetzungen der Anordnung der Eigenverwaltung

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nommen und Zahlungen nur vom Sachwalter geleistet werden. Soweit der Schuldner die Erfüllung beiderseits noch nicht erfüllter gegenseitiger Verträge wählt (§ 279 S. 1 InsO), soll er die ihm deswegen zustehenden insolvenzrechtlichen Befugnisse nach den §§ 103 ff. InsO gemäß § 279 S. 2 InsO im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben. Dies gilt gemäß § 282 Abs. 2 InsO auch für die Verwertung von Sicherungsgut durch den Schuldner. Besonderheiten gelten für die Ausübung der dem Arbeitgeber im Insolvenz- 19 verfahren eingeräumten besonderen arbeits- und betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse: § 279 S. 3 InsO besagt, dass der Schuldner die Rechte nach den §§ 120, 122 und 126 InsO wirksam nur mit Zustimmung des Sachwalters ausüben kann.

C. Voraussetzungen der Anordnung der Eigenverwaltung I. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO als Abwehrrecht einzelner Insolvenzgläubiger? 1. Problem Nach dem Wortlaut der Vorschrift gibt § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO jedem Gläu- 20 biger bis zum Berichtstermin ein rechtliches Instrument an die Hand, die Eigenverwaltung zu verhindern. Er muss nur einen eigenen Eröffnungsantrag stellen, ohne dem Antrag des Schuldners auf Anordnung der Eigenverwaltung die Zustimmung zu erteilen.34 Damit wird die Eigenverwaltung losgelöst von der Entscheidungsbefugnis der Gläubigergemeinschaft von der bloßen Zufälligkeit abhängig, das kein Gläubiger bis zum Berichtstermin einen Antrag stellt.35 2. Teleologische Reduktion des § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO Daher verdient der in der Literatur entwickelte Vorschlag Zustimmung, wo- 21 nach § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO nur unter der Voraussetzung greifen solle, wenn der Schuldner einen Eigenantrag nicht oder zeitlich nach dem Fremdantrag eines oder mehrerer Gläubiger gestellt habe. In einem solchen Fall muss jeder Antragsteller für sich die von § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO geforderte Zustimmung erklären.36 34 MünchKomm-Wittig § 270 RdNr. 22. Die Zustimmung ist als Verfahrenshandlung ausdrücklich und bedingungsfrei zu erklären, MünchKomm-Wittig § 270 RdNr. 25. Ohne nähere Problematisierung greift Gulde (Fußn. 1 S. 52) den Wortlaut des § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO auf. 35 MünchKomm-Wittig § 270 RdNr. 29, 30. 36 Huhn (Fußn. 1) RdNr. 66 ff.

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Kap. 4: Eigenverwaltung im deutschen Insolvenzrecht

II. Maßstäbe des Nachteilsbegriffes gem. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO – Verhältnismäßigkeit 22

Die insolvenzgerichtliche Anordnung, dem Insolvenzschuldner die Befugnis zur Verwaltung seines Vermögens zu übertragen, nachdem darüber das Insolvenzverfahren mit der Folge des Insolvenzbeschlages eröffnet worden ist (§§ 27 Abs. 1 S. 2, 35, 270 InsO), stellt sich vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes37 (vgl. auch Art. 6 Abs. 1 MRK38) als mildester Eingriff in die Stellung des Schuldners dar.39

23

Entscheidungserheblicher Grund gegen die Eigenverwaltung des insolventen Schuldners kann nach alledem weder der Tatbestand der materiellen Insolvenz des Schuldners (seine Zahlungsunfähigkeit oder, im Falle juristischer Personen, die Überschuldung) sein noch die allgemeinen Befürchtungen aufgrund der oben angeführten, kaum eines Zitates fähigen „Erfahrungen“ der Insolvenzpraxis. Ein derartiges Verständnis würde gesetzlichen Regelungen der Eigenverwaltung ihres Anwendungsbereichs berauben. Das aber würde den Zwecken des Gesetzes40 eklatant widersprechen. Der insolvente Schuldner soll durch die gesetzliche Einräumung der Möglichkeit der Eigenverwaltung nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers41 dazu ermutigt werden, alsbald in das Insolvenzverfahren einzutreten.

23a

Ein entscheidungserheblicher Grund gegen die Eigenverwaltung des insolventen Schuldners liegt daher nur dann vor, wenn die Eigenverwaltung droht, Nachteile gegenüber der Bestellung eines Insolvenz- bzw. Masseverwalters zu Lasten der Gläubiger auszulösen. Dies sieht § 186 Abs. 2 Nr. 2 KO in Österreich ebenso wie in Deutschland § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO vor, ohne dass es insoweit darauf ankommt, dass das Gesetz in Österreich bei Einleitung eines Privatkonkurses zunächst dem Schuldner ohne weitere Prüfung die Eigenverwaltungsbefugnis zuweist.

23b

Die Eigenverwaltung zieht für die Gläubiger Nachteile nach sich, wenn aus berechtigter Sicht der Schuldner persönlich unzuverlässig ist.42 So kennt die öster37

BGH, Urt. v. 18.7.2002, IX ZR 195/01, DZWIR 2002, 470; J. Roth (Fußn. 9). – als besondere Ausprägung des Grundsatzes der Verfahrensfairness, dazu: Meyer-Ladewig, Handkommentar EMRK, 2003, Art. 6 RdNr. 35 ff.; vgl. ferner: Matscher, Die Verfahrensgarantien der EMRK in Zivilrechtsachen, ZÖR 1980, S. 1; Puschner, Konkurs und Europäische Menschenrechtskonvention, S. 8 ff. et passim; in der strafprozessualen Literatur (vgl. allein Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl. 1997, Art. 6 EMRK RdNr. 9 zu übermäßigen Belastungen durch das Strafverfahren. Die neuere deutsche Strafjudikatur des BGH, die einen Rückgriff auf die EMRK ausschließen will, kann hier dahingestellt bleiben, zumal die EMRK Strukturprinzipien und damit europäische Standards kodifizert. 39 Smid, DZWIR 2002, S. 444 ff.; ders., DZWIR 2002, S. 493 ff. 40 Begr. B, RegE BT-Drucks 12/2443, S. 223. Vgl. allein Koch (Fußn. 1) S. 24. 41 Fußn. 40. 38

C. Voraussetzungen der Anordnung der Eigenverwaltung

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reichische AO (§ 3 AO) und kannte die deutsche VerglO (§ 17, 18 VerglO43) den Begriff der Vergleichsunwürdigkeit, die dem Schuldner die Möglichkeit eines Ausgleichs oder Vergleichs verstellt. Für den Privatkonkurs über natürliche Personen oder ein Insolvenzverfahren deutschen Rechts über selbständige oder Einzelhandelskaufleute lässt sich diese persönliche Unzuverlässigkeit durch einen Rückgriff auf das bisherige Verhalten des Schuldners, namentlich eine wirtschaftsstrafrechtliche Auffälligkeit, feststellen. Wie das österreichische Recht zeigt, kann ein Versagungsgrund wegen persönlicher Unzuverlässigkeit auch in der mangelnden Befähigung des Schuldners zur Masseverwaltung in eigener Person liegen. Im Falle der Insolvenz juristischer Personen kann eine derartige Anknüpfung 24 am Verhalten der handelnden natürlichen Personen nur bedingt aussagekräftig sein. So können frühere Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder sich im Vorfeld der Insolvenz wegen die Existenz der Gesellschaft bedrohender Handlungen44 haft- und sogar strafbar gemacht haben. Hat die Gesellschafter- bzw. die Hauptversammlung diese Personen abgelöst und beschlossen45, z. B. einen Insolvenz- und Sanierungspraktiker zum Vorstandsvorsitzenden bzw. Geschäftsführer zu berufen (wie in den Fällen der Babcock-Borsig AG46 und der Kirch Media AG mit der Berufung der Herren Piepenburg bzw. Betterey geschehen), wird der Hinderungsgrund persönlicher Unzuverlässigkeit ausgeräumt.47 Nur am Rande bemerkt zeigen auch die share holders als „Eigentümer“ des schuldnerischen Unternehmens ihre Sanierungsbereitschaft. Es kommt insofern also auf die Personen von Vorstand oder Geschäftsführung nur vermittelt an. Eine Auswechslung dieser Personen widerspricht entgegen der Annahme des AG 25 Duisburg48 auch nicht dem Ziel des Gesetzgebers49, die besonderen Kenntnisse des 42 In der höchstrichterlichen Judikatur liegt bislang allein ein obiter dictum des IX. Zivilsenats des BGH vor, der ein Indiz in der Zahlung von Vorschüssen in Höhe von A 290.000 an den Geschäftsführer gesehen hat, BGH, B. v. 15.1.2004, IX ZB 1/03, NZI 2004, 216. 43 Zuletzt hierzu Smid/Rattunde (Fußn. 1) 1. Aufl. RdNr. 243 ff. m. w. Nachw.; die Kritik, die daran in Folge des Verfahrens über das Bankhaus I. D. Herstatt zu Köln geübt worden ist, betraf die Frage, ob überhaupt in solchen Fällen ein reorganisierendes Verfahren durchgeführt werden kann. Sie ist durch die Befugnis des Insolvenzverwalters zur Einreichung eines Insolvenzplans (§ 218 InsO) weithin überholt und betrifft im Übrigen nicht das hier zu erörternde Sachproblem. 44 So ausdrücklich entschieden in den Entscheidungen des BGH „Vulkan“ und „KBV“: BGH, Urt. v. 17.9.2001, NJW 2001, S. 3622 und Urt. v. 24.6.2002, ZIP 2002, S. 1578. 45 Gesellschaftsrechtlich bedeutsam wegen der „Holzmüller“-Entscheidung des BGH: BGHZ Bd. 83, S. 122, 128. 46 Duisburg, B. v. 1.9.2002, DZWIR 2002 522; dazu Smid DZWIR 2002, 493 ff. m. w. Nachw.; Prütting, in: Kirchof-Festschr., 2003, S. 433, 435 f. 47 Bedenken: Köchling, ZInsO 2003, S. 53 ff. 48 Fußn. 46. 49 Fußn. 40.

114

Kap. 4: Eigenverwaltung im deutschen Insolvenzrecht

Schuldners durch die Anordnung der Eigenverwaltung nutzen zu können. Denn Subjekt der Eigenverwaltung ist nicht der Vorstand bzw. Geschäftsführer50 als organschaftlicher Vertreter, sondern die insolvente Gesellschaft handelnd in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verfasstheit.51

26

Im Übrigen lässt die generalklauselartige Fomulierung52des Nachteilsbegriffs unterschiedliche Deutungen und Auslegungen zu. Das österreichische Recht verwehrt dem insolventen Schuldner in den als weniger bedeutsam und wenig komplex eingestuften Verfahren des Privatkonkurses die Eigenverwaltung nur ausnahmsweise in Fällen ausdrücklich festgestellter persönlicher Unzuverlässigkeit.53 Wegen einer vermuteten besonderen Gefährlichkeit der Eigenverwaltung des insolventen Schuldners (oben Einl. RdNr. 7, Kap. 3 RdNr. 16) werden die gesetzlichen Voraussetzungen der Anordnung der Eigenverwaltung im Wege der Auslegung verschärft und wird die Anordnung der Eigenverwaltung sehr oft davon abhängig gemacht, dass sie für die Gläubiger vorteilhaft sei.

27

Ein Beispiel hierfür ist die Verwertung sicherungszedierter Lizenzen des Schuldners durch den eigenverwaltenden Schuldner aus Sicht der nach § 51 Nr. 1 InsO absonderungsberechtigten Sicherungszessionare. Dies war im Verfahren der Kirch Media AG der Fall. Der Hintergrund dafür liegt darin, dass der eigenverwaltende Schuldner zwar zur Verwertung dieser Rechte befugt ist (§ 282 Abs.1 i. V. m. § 166 Abs. 2 InsO, die Absonderungsberechtigten aber keine Feststellungskosten gem. § 171 Abs. 1 InsO tragen müssen, vgl. § 282 Abs. 1 S. 3 InsO.

28

Damit wird aber die positiv-gesetzliche Regelung des § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO verkannt, die ausdrücklich nicht von dem Nachweis von Vorteilen, sondern negativ vom Nichtvorliegen von Nachteilen ausgeht.

29

Damit fragt sich, welche Behauptungs- und Darlegungslasten den Schuldner im deutschen Verfahren wegen des geforderten Nicht-Vorliegens von drohenden Nachteilen bei Anordnung der Eigenverwaltung treffen. Einer verfahrensrechtlichen Maßstäben verpflichteten Betrachtungsweise mag es zunächst erscheinen, dass der Schuldner mit seinem Antrag nach § 270 InsO dessen Voraussetzungen – also das Nicht-Vorliegen von Nachteilen – zu behaupten und gegebenenfalls zu beweisen hat. Denn auch wenn man mit der jüngsten Judikatur des BGH54 davon ausgeht, dass sowohl das Insolvenzeröffnungsverfahren als auch das eröffnete Verfahren funktional dem Bereich nichtstreitiger freiwilliger Gerichtsbarkeit zuzuordnen sind, begehrt doch der Schuldner mit seinem Antrag eine 50 So auch jüngst AG Mönchengladbach, B. v. 27.4.2004, 19 IN 54/04, DZWIR 2004, 437. 51 Smid (Fußn. 46). 52 Zur Methodik ihrer Auslegung beispielhaft: Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB, 1956, passim. 53 Kodek, Privatkonkurs RdNr. 157 ff. 54 BGH, B. v. 4.3.2004, IX ZB 133/03, ZIP 2004, 915; hierzu Smid DZWIR 2004, S. 265, 282; vgl. auch Smid, Grundzüge des Insolvenzrechts, 4. Aufl. 2002, § 1 RdNr. 64–66.

C. Voraussetzungen der Anordnung der Eigenverwaltung

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ihm günstige Entscheidung, deren Voraussetzungen nachzuweisen ihn nach allgemeinen Grundsätzen auch im nichtstreitigen Verfahren die prozessuale Last träfe. Dies aber würde der Sache nach den Schuldner contra legem dazu zwingen, Vorteile der Eigenverwaltung darzulegen, da ihm ansonsten ein nicht zu führender Negativbeweis zugemutet würde. Im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erweisen sich diese Erwägun- 30 gen aber als nicht tragfähig. Die im österreichischen Recht des Privatkonkurses mit von Gesetzes wegen eintretender Eigenverwaltung zum Ausdruck kommende Wertung findet ihren Niederschlag auch in der Auslegung des deutschen Rechts. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen wird in Grundrechte des Schuldners eingegriffen.55 Bei Vorliegen des Antrags nach § 270 InsO wahrt das Insolvenzgericht die verfassungsrechtlich zwingend vorgeschriebene Zweck-Mittel-Relation dieses Grundrechtseingriffs nur, wenn es seiner gesetzlich normierten (§ 5 Abs. 1 InsO, in Österreich übrigens § 173 Abs. 5 KO) Pflicht zur Amtsermittlung genügt und ermittelt hat, ob die begehrte Anordnung der Eigenverwaltung Nachteile nach sich ziehen würde. Daher ist die Eigenverwaltung anzuordnen, wenn der Schuldner mit seinem Antrag behauptet, die Anordnung sei für die Gläubiger nicht nachteilig und wenn das Insolvenzgericht im Zuge seiner amtswegigen Ermittlungen nicht feststellt, dass in Folge der Anordnung entsprechende Nachteile ausgelöst werden. Auch die besonders starke Stellung, die das deutsche Recht den Gläubigern 31 durch weitreichende Befugnisse der Gläubigerautonomie einräumt, spricht nicht gegen diese Erwägungen. Die erste Gläubigerversammlung (Berichtstermin) kann die gerichtlich angeordnete Eigenverwaltung beenden und einen Insolvenzverwalter wählen, § 272 InsO. Muss das Insolvenzgericht befürchten, dass es zur Wahl eines Insolvenzver- 32 walters im Berichtstermin kommt, würden damit Verzögerungen des Verfahrens ausgelöst, die das Gesetz in § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO als besonderen Fall des drohenden Nachteils der Anordnung der Eigenverwaltung normiert.56 Insofern ist es Sache des im Eröffnungsverfahren insolvenzgerichtlich bestellten Sachverständigen (§ 5 Abs. 1 S. 2 bzw. § 22 Abs. 1 Nr. 3 InsO) zu ermitteln, ob die Gläubiger sich mit Kopf- und Stimmenmehrheit gegen die Eigenverwaltung entscheiden werden; der Schuldner kann und wird regelmäßig57 vorbereitend durch Verhandlung mit den Gläubigern und Veranlassung entsprechender Erklärungen an das Insolvenzgericht, den Sachverständigen oder den vorläufigen Verwalter diese Ermittlungen unterstützen. 55

Die auch für juristische Personen eingreifen, vgl. Art. 19 Abs. 3 GG. Vgl. dazu Huhn (Fußn. 1) RdNr. 206 ff.; Wustrick, NZI 2003, S. 65, 67 f. 57 Wie in dem Berliner Verfahren Gerhard Podstawski, AG Charlottenburg, B. v. 22.12.2004, 101 IN 2808/04, DZWIR 2005 m. Anm. Smid; Wehdeking, DZWIR 2005, 139 ff. 56

116

Kap. 4: Eigenverwaltung im deutschen Insolvenzrecht

33

Die Zulassung des insolventen Schuldners, gegen den nicht persönlichen Unzuverlässigkeit spricht, zur Eigenverwaltung in Ausgleich und im Privatkonkurs nach österreichischem Recht oder z. B. dem concordato preventivo italienischen Rechts ist in der gesetzlich geregelten Form angemessen, da das Gesetz den Gläubigern in diesen Verfahren mit der Statuierung von Mindestquoten (im österreichischen Recht: § 3 Abs. 1 Nr. 3 AO, vgl. auch zum Zwangsausgleich: § 141 Abs. 1 Nr. 3 KO; im italienischen Recht: Art. 160 Abs. 2 Nr. 1 cod. fall.) die Gewißheit gibt, aufgrund des Verfahrens eine bestimmte Mindestbefriedigung ihrer Forderungen zu erhalten. Um in das Verfahren eintreten zu können, muss der Schuldner daher die wirtschaftlichen Daten glaubhaft machen, aufgrund derer die Erfüllung der Ausgleichsquote beruht.

34

Im deutschen Recht erweist sich der Nachteilsbegriff des § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO deshalb als besonders sperrig, weil die Gläubiger anders als österreichischen Verfahrens des Ausgleichs oder des Privatkonkurses nicht von vornherein absehen können, welche Auswirkungen die Eigenverwaltung auf ihre Befriedigungsaussichten im Verfahren zeitigt. Das ist die zwingende Folge davon, dass der deutsche Gesetzgeber die Zweiteilung des Korpus insolvenzrechtlicher Gesetze in (reorganisierenden) Vergleich und (liquidierenden) Konkurs abgeschafft und an seine Stelle das sog. einheitliche Insolvenzverfahren58 hat treten lassen, das sowohl die Option der Liquidation als auch der Reorganisation und Sanierung des Schuldners bzw. des schuldnerischen Unternehmensträgers zulässt.59 Den Antrag nach § 270 InsO hat der Gesetzgeber im Übrigen entgegen ursprünglich formulierten anderslautenden Absichten nicht ausdrücklich an die gleichzeitige Vorlage eines Insolvenzplans geknüpft. Zudem geht die h. L. zutreffend davon aus, dass die Eigenverwaltung sowohl im Falle der Reorganisation als auch der Liquidation des schuldnerischen Vermögens angeordnet werden könne.

35

Damit mangelt es dem Insolvenzgericht aber an Anhaltspunkten, aufgrund derer es die Nachteiligkeit der Anordnung einer Eigenverwaltung beurteilen kann. Denn wegen der Trennung von Insolvenzplan und Eigenverwaltung fehlt es dem Insolvenzgericht an einer verbindlichen Auskunft des Schuldners darüber, wie er im Verfahren, sei es im Rahmen der Reorganisation, sei es durch Liquidation, seine Gläubiger zu befriedigen gedenkt und besonders zu welchem Umfang dies geschehen soll. Seine Gläubiger muss der Schuldner indes über die beabsichtigten Maßnahmen unterrichten. Spätestens im Berichtstermin hat er gem. § 282 Abs. 2 InsO (an Stelle des nicht bestellten Insolvenzverwalters) einen Bericht zu erstatten (§ 156 InsO), auf dessen Grundlage die Gläubigerversammlung über die Abwicklung des Verfahrens gem. § 157 InsO entscheidet.

36

Berücksichtigt man die Berichtspflicht des insolventen Schuldners gem. § 282 Abs. 2, 156 InsO unbefangen, wird deutlich, dass ihm auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung vorgeschrieben wird, einen „Plan“ seiner Maßnahmen im Rahmen der Eigenverwaltung vorzulegen. 58 59

Nachweise oben Fußn. 1. Smid/Rattunde (Fußn. 1) RdNr. 1.12 et passim.

Kapitel 5

Gläubigerautonomie und Eigenverwaltung A. Rechtsvergleichende Betrachtung der Lage im österreichischen und deutschen Recht I. Österreichisches Recht Eine Entscheidung der Gläubiger über die Eigenverwaltung des Schuldners 1 kommt nach der Struktur des österreichischen Insolvenzrechts von vornherein nicht in Betracht. Im Übrigen: Im österreichischen Recht steht der Gläubigerversammlung eine Befug- 2 nis zur Einflussnahme auf die Art der Verfahrensabwicklung nicht zu. Denn die Gegenstände, über die die Gläubigerversammlung Beschlüsse fassen darf, sind im Gesetz erschöpfend aufgezählt.1 Hierunter fallen insbesondere nicht die Beschlussfassung darüber, ob das Unternehmen des Schuldners stillgelegt oder vorläufig fortgeführt werden soll. Da der Masseverwalter die Rechtsgeschäfte, die hierzu erforderlich wären, mit Zustimmung des Gläubigerausschusses und des Konkursgerichts vornimmt, scheint ein Willensbildungsprozess unter potentieller Beteiligung aller Gläubiger ausgeschlossen. Ein derartiger, aus der Sichtweise des deutschen Insolvenzrechts geprägter Eindruck bedarf aber vielfältiger Korrekturen, die namentlich aufgrund der Stellung der einflussreichen, wenngleich im Vergleich zur Stellung der Gläubigerversammlung in Deutschland eine eher informelle Stellung einnehmenden bevorrechteten Gläubigerschutzverbände veranlasst wird. Auf die Amtsenthebung des Masseverwalters gerichtete Anträge können neben dem Gemeinschuldner von einem Mitglied des Gläubigerausschuss (§ 87 Abs. 2 S. 1 KO i. d. F. InNov 2002)2 gestellt werden; im Übrigen hat eine hierzu einberufene Gläubigerversammlung (§ 87 Abs. 2 S. 2 KO) die Befugnis, hierauf gerichtete Beschlüsse zufassen. Eine darüber hinausreichende Befugnis zur Bestimmung der Person des Masseverwalters gegen die Entscheidung des Konkursgerichts steht den Organen der Gläubigerselbstverwaltung nicht zu.

Die Lage im österreichischen Recht unterscheidet sich – derzeit – m. a. W. 3 nicht von derjenigen in den oben Kapitel 1 beschriebenen Insolvenzrechten. Denn weder im US-amerikanischen Reorganisationsrecht steht den Gläubigern regelmäßig die Möglichkeit offen, den debtor in possession durch einen trustee zu ersetzen, noch sehen Rechte, die einen Ausgleich/Vergleich kennen, die völlige Aufhebung der Masseverwaltungsbefugnisse des Schuldners vor. 1 2

Hierzenberger/Riel, in: Konecny/Schubert, KO, § 91 RdNr. 3 m. w. Nachw. Dellinger/Oberhammer, Insolvenzrecht RdNr. 108.

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Kap. 5: Gläubigerautonomie und Eigenverwaltung

II. Deutsches Recht 4

Von der Rechtslage im österreichischen Recht unterscheidet sich diejenige im deutschen Recht geradezu fundamental.

5

Das deutsche Insolvenzrecht geht von der Prämisse aus, dass die Gläubiger, nicht das Insolvenzgericht oder der Insolvenzverwalter, in der Gläubigerversammlung die für den Ablauf des Insolvenzverfahrens wesentlichen Entscheidungen zu fällen haben.3 Die Gläubiger, die vom Insolvenzverfahren in ihren Rechten betroffen werden, können an der Entscheidungsbildung mitwirken. Dies sind gem. § 74 Abs. 1 S. 2 InsO absonderungsberechtigte Gläubiger (besonders wegen §§ 165 ff., 223 Abs. 2 InsO)4, nicht nachrangige Inhaber persönlicher Forderungen, also Insolvenzgläubiger (besonders wegen §§ 87, 89, 224 InsO); ohne Stimmrecht (§ 77 Abs. 1 S. 2 InsO) können die nachrangigen Insolvenzgläubiger gem. § 39 Abs. 1 InsO an der Gläubigerversammlung teilnehmen.5

B. Verfahrensrechtliche Pflichten des eigenverwaltenden Schuldners gegenüber Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuss 6

Nach § 281 Abs. 2 S. 1 InsO hat der Schuldner im Berichtstermin anstelle des im Regelinsolvenzverfahren berichtenden Insolvenzverwalters den Bericht zu erstatten. Der Schuldner ist nicht dazu berechtigt, einen Antrag auf Einberufung der Gläubigerversammlung zu stellen. Denn über seine Verwaltungstätigkeit hat die Gläubigerversammlung nur in den Fällen zu beschließen, in denen sie auch im Regelinsolvenzverfahren nach den §§ 160 bis 163 InsO wegen besonderer Geschäfte zur Entscheidung berufen wäre. Nach § 160 Abs. 1 S. 2 InsO sind genehmigungspflichtig: Kreditaufnahmen (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 InsO), da diese die zur Verteilung gelangende Masse schmälern, und die Übernahme von Verbindlichkeiten. Nach der ratio des § 160 Abs. 2 Nr. 2 InsO ist damit allein die Übernahme fremder Verbindlichkeiten gemeint, worunter Schuldübernahme im Sinne von § 414 ff. BGB die Übernahme von Bürgschaften gem. §§ 765 ff. BGB oder die dingliche Belastung von Grundstücken, die sich im gepfändeten Vermögen befinden, zur Sicherung fremder Schuld zu verstehen sind. Weiterhin bedürfen alle Grundstücksgeschäfte der Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung, da sie entweder wesentliche Vermögensgegenstände aus dem Haftungsverband nehmen oder – wie im Fall 3 Im Kontext der Eigenverwaltung Uhlenbruck, in: Kirchof-Festschr., 2003, S. 479, 500 f.; Graf-Schlicker, in: Kirchof-Festschr., 2003, S. 135, 136 f. 4 Förster (in: Kirchof-Festschr., 2003, 85, 103) fürchtet insofern zu Unrecht, dass die Eigenverwaltung die „Macht“ des Insolvenzverwalters zugunsten „der Banken“ geschmälert werde: Der Insolvenzverwalter hat den Gläubigern zu dienen, § 157 InsO. 5 Wustrick, NZI 2003, 65, 66.

C. Beendigung der Eigenverwaltung

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des Erwerbs von Grundstücken – Verwertungsfragen aufwerfen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Schließlich bestimmt § 160 Abs. 2 Nr. 3 InsO die Zustimmungspflichtigkeit solcher Rechtshandlungen, die erhebliche Auswirkungen auf den Bestand des verwalteten Vermögens haben: Darunter fallen Verpflichtungsgeschäfte, die auf die Veräußerung von Massegegenständen gerichtet sind, deren Veräußerung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht wirtschaftlich geboten ist; das Erfüllungsverlangen des Schuldners (§§ 279 i. V. m. 103 InsO) nicht dagegen die Verweigerung der Erfüllung; das Anhängigmachen von Rechtsstreitigkeiten, nicht dagegen die Erwiderung auf Klagen, die gegen die Masse gerichtet sind; die Ablehnung der Aufnahme von Aktiv- oder Passivprozessen; prozessuale Verzichtserklärungen, außergerichtliche oder gerichtliche Vergleichsabschlüsse; Forderungsabtretungen.6 Da die in diesem Katalog genannten Rechtshandlungen und -geschäfte regelmäßig nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb des Schuldners7 gehören und daher in den Genehmigungsvorbehalt des Sachwalters fallen, genügt es, diesem die Antragsbefugnis einzuräumen, mittels derer die Gläubigerversammlung einberufen werden kann.

C. Beendigung der Eigenverwaltung durch Beschluss des Insolvenzgerichts Die Anordnung der Eigenverwaltung unter Aufsicht wird vom Insolvenzge- 7 richt immer dann wieder aufgehoben, wenn dies von einer Gläubigerversammlung beantragt wird. Nicht nur die erste Gläubigerversammlung, die nach § 271 InsO über die Eigenverwaltung zu entscheiden hat, sondern auch jede spätere Gläubigerversammlung kann die Eigenverwaltung beenden (§ 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO). In praxi bislang ist die Entscheidungsbefugnis der Gläubigerversammlung gem. § 271 InsO dieser Vorschrift nicht vorgekommen. § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO eröffnet jedem Einzelgläubiger die Möglichkeit, bei 8 drohender Benachteiligung der Gläubiger die Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung zu beantragen. Der antragstellende Gläubiger muss gem. § 272 Abs. 2 S. 1 InsO die drohenden Nachteile glaubhaft (§ 294 ZPO, § 4) machen. § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO eröffnet jedem Einzelgläubiger die Möglichkeit, bei 9 drohender Benachteiligung der Gläubiger die Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung zu beantragen. Der antragstellende Gläubiger muss gem. § 272 Abs. 2 S. 1 InsO die drohenden Nachteile glaubhaft (§ 294 ZPO, § 4) machen. Die Entscheidung über einen solchen Antrag kann erst nach Anhörung des Schuldners gem. Abs. 2 S. 2 ergehen; der Aufhebungsbeschluss leidet an einem rechtlichen Fehler, wenn die Anhörung versäumt wurde. Sie kann aber in der Beschwerdeinstanz nachgeholt werden. 6 7

Smid, Grundzüge, 4. Aufl. § 9 RdNr. 29. MünchKomm-Wittig § 275 RdNr. 11.

Kapitel 6

Folgerungen – Streitfragen A. Fragestellung I. Problemfelder der Eigenverwaltung 1

Die vorangegangenen Überlegungen haben deutlich werden lassen, dass die im deutschen Recht vorgenommene Isolierung der Eigenverwaltung als Verfahrensform für alle Formen der Verfahrensabwicklung innerhalb eines „einheitlichen“ Insolvenzverfahrens eine Reihe von Schwierigkeiten auslöst, die mit dazu beigetragen haben, dieses Institut in die rechtstatsächliche Bedeutungslosigkeit zu verdrängen. Es lässt sich bereits an dieser Stelle nach den hier vorangestellten rechtsvergleichenden Überlegungen sagen, dass diese Schwierigkeiten im Wesentlichen auf der Besonderheit des deutschen gegenüber ausländischen Rechten beruhen, die den debtor in possession als Rechtsfigur kennen. Die Diskussion um die Eigenverwaltung im deutschen Recht hat zugleich mit dem – wegen der Abtrennung der Eigenverwaltung vom Insolvenzplan – spezifisch dem deutschen Recht innewohnenden Frage nach einer rechtlichen Nachteiligkeit der Eigenverwaltung weitere Fragen aufgeworfen, die über das deutsche Recht hinaus von einer allgemeinen Bedeutung sind, wenn man das Institut der Eigenverwaltung des Schuldners in den Blick zu bekommen versucht: Zum einen stellt sich die Frage, ob die gesellschaftsrechtliche Verfassung der eigenverwaltenden Insolvenzschuldnerin im eröffneten Verfahren bestehen bleibt oder – ganz oder teilweise – suspendiert wird (im Folgenden B). Zum anderen fragt es sich, welche Rechtsbehelfe dem die Eigenverwaltung beantragenden Schuldner zur Seite stehen, wenn das Insolvenzgericht einen Anordnungsbeschluss nicht erlässt.

2

Während im vorangegangenen Kapitel 5 dargestellt wurde, dass die Gläubiger nach § 272 InsO erheblichen rechtlichen Einfluss ausüben können, um eine vom Insolvenzgericht angeordnete Eigenverwaltung wieder aufheben zu lassen, ist die Realität in den wenigen Fällen der Anordnung der Eigenverwaltung in Deutschland geradezu dieser Problematik entgegengesetzt. Die absonderungsberechtigten Gläubiger üben in der Tat nach deutschem Insolvenzrecht derzeit in einer Reihe von Verfahren Druck aus, um Insolvenzgerichte zur Anordnung der Eigenverwaltung des Schuldners gem. § 270 Abs. 1 InsO zu bewegen. Daran besteht ein erhebliches wirtschaftliches Interesse: Da z. B. im Verfahren Kirch

A. Fragestellung

121

die Masse im Wesentlichen durch Filmlizenzen gebildet wird, die nahezu vollständig den Gläubigern sicherungszediert sind, stellte sich die Eigenverwaltung als das Instrument der Vermeidung eines Teils der Verfahrenskostenbeiträge (§ 171 Abs. 1 InsO i. V. m. § 282 Abs. 1 S. 2 InsO) der absonderungsberechtigten Sicherungszedenten dar – was im Falle Kirch einen bis zu dreistelligen Millionenbetrag in Euro ausmacht. II. Erweiterung der rechtsvergleichenden Problematik 1. Vorkonkurslicher Austausch der Gesellschaftsorgane Die bereits in den vorangegangenen Überlegungen umrissene rechtstatsächli- 3 che Lage in Deutschland hat ergeben, dass die bislang bekanntgewordenen Fälle der Anordnung einer Eigenverwaltung sich von der Intention des Gesetzgebers nachhaltig unterscheiden. In beiden Fällen – Kirch Media AG und Babcock AG – ist vor Antragstellung 4 mit Rückendeckung insbesondere der Kreditinstitute als Großgläubiger an Stelle des „alten“ jeweils ein neuer Vorstand der eigenantragstellenden insolvenzschuldnerischen Aktiengesellschaft berufen worden, in dessen Reihen als Vorsitzende namhafte Sanierungs- und Insolvenzpraktiker – Herr v. Betterey bzw. Herr Piepenburg – berufen worden sind. 2. Rechtsausführungen des Amtsgerichts Duisburg im Eröffnungsbeschluss im Falle Babcock Während das AG München als Insolvenzgericht dies nicht zum Anstoß ge- 5 nommen hat, Zweifel an den Voraussetzungen der Anordnung der Eigenverwaltung zu äußern, hat der Vorgang der vorkonkurslichen Berufung Horst Piepenburgs zum Vorstandsvorsitzenden den Anlass zu den über die Grenzen des deutschen Insolvenzrechts hinaus bekannt gewordenen Ausführungen des Amtsgerichts Duisburg als zuständigem Insolvenzgericht in Sachen Babcock geboten: Nach den Ausführungen des Insolvenzgerichts im Eröffnungsbeschluss1 hatte sich – 6 wohl in Abstimmung mit den Gläubigerbanken und gar der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen – der Insolvenzpraktiker Piepenburg im Vorfeld des Verfahrens als Insolvenzverwalter in Sachen Babcock „beworben“, was der zuständige Richter als Beeinflussung seiner Unabhängigkeit wertete und zu erkennen gab, er werde Piepenburg nicht bestellen. Darauf folgte die Ernennung Piepenburgs zum Vorstandsvorsitzenden und eine Stellungnahme des damaligen Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen Wolfgang Clement, nach der die Landesregierung die Abwicklung des Verfahrens in Eigenregie der schuldnerischen Gesellschaft befürworte. Hier muss nicht 1

AG Duisburg, B. v. 1.9.2002, 62 IN 167/02, DZWIR 2002, S. 522.

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Kap. 6: Folgerungen – Streitfragen

weiter behandelt werden, dass der Insolvenzrichter sich dadurch in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt gefühlt und – obwohl er der Meinung war, die Voraussetzungen der Anordnung nach § 270 InsO lägen nicht vor – dennoch die Eigenverwaltung angeordnet hat.2 Dies sind curiosa mit stark regionalem Einschlag. Entscheidend ist aber, ob in der Tat die legislatorischen Zwecke der Eigenverwaltung durch ein solches Verfahren berücksichtigt werden.

7

Das Amtsgericht Duisburg hat nämlich ausgeführt, dass bei Auswechslung des Vorstandes oder der Geschäftsführung im Falle der Antragstellung durch eine GmbH der Zweck der Eigenverwaltung, die Kosten zu minimieren und die Kenntnisse gerade des Schuldners bzw. der Organe der schuldnerischen Gesellschaft zu mobilisieren, verfehlt werde.3 Wie das AG Duisburg sieht nun Marotzke4 die Gefahr, dass die Auswahl des Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht durch die Eigenverwaltung unter der gesellschaftsrechtlichen Ägide von Insolvenzfachleuten unterlaufen werde.5

8

Im überwiegenden Schrifttum ist dieser Beschluss allerdings heftig kritisiert worden.6 Es lässt sich aber nicht verkennen, dass durch die in den Fällen Kirch und Babcock von den Beteiligten vorgenommene Art der Handhabung der Eigenverwaltung die Lage gegenüber dem Fall nachhaltig unterschieden ist, in dem der Schuldner seinen Gläubigern mit einem Insolvenzplan darlegt, weshalb und wie er die Krisensituation in Eigenverwaltung bewältigen kann.

9

Die Probleme der Bestimmung des gesellschaftsrechtlichen Status des insolvenzschuldnerischen Unternehmens rühren daher, dass der Gesetzgeber sich auf ein aus dem 19. Jahrhundert herkommendes Bild „des Schuldners“ als natürlicher Person nicht nur in rhetorischer Hinsicht stützt. Das ist im Hinblick auf die Eigenverwaltung deshalb zunächst verführerisch, weil „der Schuldner“ als „Amtswalter“ mit „dem Insolvenzverwalter“ parallelisiert wird, von dem das Gesetz nach nachhaltigen Debatten im Gesetgebungsverfahren fordert, er habe eine natürliche Person zu sein. Diese gesetzliche Forderung des § 56 Abs. 1 InsO gilt freilich für den Sachwalter7, nicht hingegen für den Schuldner. Für einen weiten Bereich natürlicher Personen als potentieller Schuldner hat – wie bereits ausgeführt worden ist – der Gesetzgeber mit § 311 InsO einen Riegel vor die Anordnung der Eigenverwaltung geschoben. Daher stellt entgegen der gesetzlichen Sprachregelung nicht die Eigenverwaltung der natür2

Hierzu krit. u. a. Smid DZWIR 2002, S. 493 ff. AG Duisburg, B. v. 1.9.2002, 62 IN 167/02, DZWIR 2002, S. 522. 4 Marotzke, Kirchhof-Festschr. 2003, S. 321. 5 Marotzke (in: Kirchof-Festschr., 2003, S. 321, 330 f.) befürchtet eine Fremdverwaltung in der Rechtsform der Eigenverwaltung. 6 Äußerst scharf: Kluth ZInsO 2002, S. 1001 ff.; moderater Smid DZWIR 2002, S. 493 ff.; zust. Hess/Ruppe NZI 2002, S. 577. 7 Uhlenbruck, Insolvenzordnung § 270 RdNr. 23; § 274 RdNr. 4; MünchKommWittig § 274 RdNr. 8. 3

A. Fragestellung

123

lichen Person, sondern die Eigenverwaltung der juristischen Person, namentlich der GmbH, den typische Fall der Eigenverwaltung im Unternehmensinsolvenzverfahren dar. Stellt man sich dagegen auf den Standpunkt, die damit hervorgerufenen gesell- 10 schaftsrechtlichen Probleme stünden der Anordnung der Eigenverwaltung im Wege, würde dieses Rechtsinstitut auf Fälle im Zwischenbereich zwischen der Verbraucherinsolvenz auf der einen und der empirisch-typischen Unternehmensinsolvenz auf der anderen Seite im Bereich der Insolvenz von bestimmten Selbständigen beschränkt.

Die Reorganisation einer angeschlagenen Gesellschaft erfordert – wie sich in 11 den vorangegangenen Erwägungen stets gezeigt hat – „fresh money“ – neue, im Unternehmen nicht vorhandene finanzielle Mittel. Das ist freilich allein eine Redeweise. Vielmehr setzt jede Reorganisation, aber regelmäßig auch jede geordnete Unternehmensliquidation Kredit voraus. Kredit wird nicht selten noch der Gesellschaft, seltener aber ihren bisherigen organschaftlichen Vertretern gewährt, die Kredit verbraucht haben oder in ihrer Position verbraucht worden sind. Um ein Liquidationsverfahren, mehr noch, um ein Reorganisationsverfahren erfolgreich durchführen zu können, werden bisweilen neue Vorstände oder Geschäftsführungen erforderlich sein. Das können Insolvenzpraktiker sein; vielfach wird es besonders in Fällen mittelständischer Unternehmen genügen, dass neue kompetente Geschäftsführer ihre Tätigkeit aufnehmen. Der Austausch der Organträger der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft 12 durch erfahrene Insolvenzpraktiker und Sanierungsexperten, wie z. B. in den Fällen Babcock und Kirch praktiziert, steht den legislativen Zwecken der Eigenverwaltung nicht entgegen. Die anderslautende Meinung des AG Duisburg in seinem Babcock-Eröffnungsbeschluss verkennt, dass die insolvenzschuldnerische Gesellschaft immer gesellschaftsrechtlich dazu freie Hand hat, die Organträger zu bestimmen – solange die gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsprozesse überhaupt noch funktionieren. Dies macht der Blick auf die gesellschaftsrechtliche Liquidation bei der GmbH oder die Abwicklung bei der AG deutlich. Dort kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die Gesellschafter die Befugnis haben, anstelle des bisherigen Geschäftsführers als geborenen Liquidator eine andere Person in diese Funktion zu berufen – was im Rahmen der Privatisierung und der dabei durchzuführenden Abwicklungen vormals volkseigener Unternehmen in den ostdeutschen neuen Bundesländern durch die Treuhandanstalt bzw. BvS (Einleitung RdNr. 21) in großem Umfang geschehen ist. Nicht anders verhält es sich aber, wenn die Gesellschafter beschließen, dass die Liquidation nicht außergerichtlich, sondern zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Ablaufs unter gerichtlicher Aufsicht im Insolvenzverfahren durchzuführen sei. Gilt dies aber für die Eigenverwaltung in einem liquidierenden Verfahren ist die Bestellung eines Sanierungsspezialisten noch plausibler, wenn das Insolvenzverfahren der Reorganisation des schuldnerischen Unternehmensträgers dienen soll.

124

Kap. 6: Folgerungen – Streitfragen

13

Das AG Duisburg versucht auf die in der Amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf der Insolvenzordnung8 niedergelegten Motive des Reformgesetzgebers zurückzugreifen: Danach soll – wie eingangs gezeigt – die Eigenverwaltung insbesondere dazu dienen, die besondere Sachkunde des Schuldners in das Interesse des Insolvenzverfahrens zu stellen. Dies sei, so das AG Duisburg, nachgerade ausgeschlossen, wenn zeitlich auf den „letzten Metern“ vor Einleitung des Insolvenzverfahrens bei juristischen Personen als Insolvenzschuldnern deren bisherige Organe durch im Bereich der Insolvenzverwaltung tätige Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer u. a. als „Sanierer“ ausgetauscht werden.9 Dies schließt es nach Meinung des AG Duisburg geradezu aus, das legislatorisch formulierte Ziel, die Sachkunde des Schuldners nutzbar zu machen, durch die Anordnung der Eigenverwaltung zu verwirklichen. Dieser Argumentationsgang des AG Duisburg verdient in der Tat eine eingehende nähere Auseinandersetzung. Denkt man ihn zu Ende, bedeutet die Art der Auslegung des reformgesetzgeberischen Willens durch das AG Duisburg nichts weniger, als dass im Bereich der Unternehmensinsolvenz nur mehr in Ausnahmefällen die Eigenverwaltung überhaupt angeordnet werden kann.

14

Man nehme einen Extremfall: Mitglieder des früheren Vorstands einer Bremer Großwerft haben sich umfänglich vor Einleitung der Krise strafbar gemacht.10 Der Vorstand dieser Werft musste schon deshalb ausgetauscht werden, weil die dem früheren Vorstand angehörenden Personen entweder von Untersuchungshaft bedroht oder bereits mit dieser überzogen worden, also zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben jedenfalls nicht mehr greifbar waren. Der alte Vorstand kommt somit schon rein tatsächlich damit aber naturgemäß auch nach den Maßstäben des § 270 InsO nicht für die Anordnung einer Eigenverwaltung in Betracht. Folgt man dem AG Duisburg, wäre damit die Eigenverwaltung in toto ausgeschlossen, weil die besondere Sachkunde dieses früheren Vorstandes beispielsweise bei der sinnreichen Nutzbarmachung von EU-Subventionen und dergleichen mehr für das eigenverwaltete Insolvenzverfahren nicht gegeben war. Ein neuer, den an die Person des alten Vorstands gerichteten Vorwürfen nicht ausgesetzter Vorstand, wäre demgegenüber a priori nicht geeignet, um die sich für „den Schuldner“ aus dem die Eigenverwaltung anordnenden Beschluss ergebenden Aufgaben zu erfüllen. In diesem Zusammenhang ist dem AG Duisburg jedenfalls darin Recht zu geben, dass die Fruchtbarmachung der besonderen Sachkunde der Organe des Schuldners sich jedenfalls nicht auf die im Insolvenzverfahren erforderliche Mitwirkung durch das „mittlere Management“ eines Unternehmens bezieht. Denn diese Personen sind entweder bereits aus allgemeinen dienstvertraglich-arbeitsrechtlichen Gründen zur Mitarbeit verpflichtet; sofern dies nicht der Fall ist, ordnen die §§ 97, 98, 101 InsO eine Mitwirkungspflicht11 dieser Personenkreise gegenüber dem Insolvenzverwalter an, so dass es der Anordnung der Eigenverwaltung insofern in der Tat nicht bedarf, um die besondere Sachkunde auf dieser Ebene zu Nutz und From8

Begr. RegE InsO vor § 331 (entspr. § 270 InsO); Ber. RAussch. BT zu § 331. Vgl. aus der Literatur, die dies empfiehlt, an dieser Stelle allein Buchalik NZI 2000, S. 294, 296. 10 In dem Fall Bremer Vulkan AG, auf den hier angespielt wird, u. a. in großem Umfang wegen Betruges im Umfeld der Erlangung von Suventionen in Höhe mehrerer hundert DM-Millionen (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.2001, NJW 2001, S. 3622). 11 Zu den Grenzen dieser Mitwirkungspflicht vgl. Smid, InsO, 2. Aufl. § 101 RdNr. 1, 6. 9

A. Fragestellung

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men der Gläubiger zu mobilisieren. Das AG Duisburg scheint damit die Eigenverwaltung überhaupt dadurch „elegant“ zu erledigen, dass es auf den Gesetzgeber selbst verweist.

So richtig dieser Gedanke des AG Duisburg vordergründig erscheint, zeigt 15 doch der Argumentationsgang, dem sich das Insolvenzgericht verschreibt, dass es erforderlich ist, sich etwas vertiefter mit den der Anordnung der Eigenverwaltung zugrunde liegenden Problemen auseinanderzusetzen. Die Probleme, die hinter der Argumentation des AG Duisburg im Babcock-Borsig-Eröffnungsbeschluss durchscheinen, liegen bereits in der Grunddisposition nicht nur der §§ 270 ff. InsO, sondern der Struktur der InsO überhaupt begründet. Die Rede vom „Schuldner“ verweist nämlich darauf, dass dem Insolvenzrechtsreformgesetzgeber nicht anders als seinem großen historischen Vorgänger in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts das über das Vermögen natürlicher Personen eröffnete Insolvenzverfahren als Paradigma vorgeschwebt zu haben scheint. So kann man sich vorstellen, dass der Architekt, der Zahnarzt, der Software-Programmierer, der Klempner oder ein Bäckermeister12 über eine besondere Sachkunde verfügen, die insbesondere an diese konkrete natürliche Person geknüpft ist.13 So ist das besondere Vertrauen, das die Kundschaft bzw. die Patienten in die Person des Klempners oder des Zahnarztes investieren, durchaus nicht mit den Instrumentarien der §§ 97, 98 InsO für die Zwecke der Mehrung der Masse nutzbar zu machen. MaW erscheint das Verfahren der Eigenverwaltung für die Insolvenz von Freiberuflern nachgerade prädestiniert zu sein.14 Die juristische Person hingegen zeichnet sich aufgrund ihrer formalen Struktur gleichsam als Organisation kollektiver Kompetenz aus, deren Träger bis zu einem gewissen Grade austauschbar sind. Folgt man dem AG Duisburg soweit, dann wäre das über das Vermögen natürlicher Personen eröffnete Insolvenzverfahren die Domäne der Eigenverwaltung, während die Unternehmensinsolvenz über das Vermögen juristischer Personen das klassische Feld des „Regelinsolvenzverfahrens“ unter Einsetzung eines Insolvenzverwalters beschreiben würde. Die Rechtsvergleichung mit dem Zustand in Österreich könnte diesen Befund erhärten: Denn die Eigenverwaltung sieht § 186 öKO15 für das Privatkonkursverfahren, nicht dagegen für Unternehmenskonkurse vor – in denen freilich Instrumentarien des URG16 und der AusgleichsO17 bereitstehen.

12

Man denke an den berühmten Tortenrutsch-Fall des BGH. Zum Ganzen Graf/Wünsch ZIP 2001, S. 1029, 1033 f. 14 Graf/Wunsch ZIP 2001, S. 1029; Uhlenbruck, Insolvenzordnung § 270 RdNr. 6. 15 Vgl. in diesem Zusammenhang allein Kodek, Handbuch Privatkonkurs, 2002, RdNr. 124 ff., 128 ff. 16 Oben Einleitung RdNr. 31. 17 Oben Kapitel 1 RdNr. 13 ff. 13

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16

Kap. 6: Folgerungen – Streitfragen

Im bislang größten österreichischen Insolvenzverfahren über die Unternehmen des Konsum-Konzerns wurde das Ausgleichsverfahren im Wege der Eigenverwaltung (erfolgreich) abgewickelt, wobei ein Austausch der Organe der Genossenschaft erfolgte.

3. Eigenverwaltung mit „neuen“ gesellschaftsrechtlichen Organträgern als deutsche Form des receivership? 17

Ohne dass damit eine Bewertung verbunden wird ist nämlich auffällig, dass durch das in den Fällen Kirch und Babcock gewählte Verfahren die Abwicklung des Verfahrens im Wesentlichen in die Hände der Großgläubiger der Gesellschaft gelegt wird.

18

Die Lage in den Fällen Kirch und Babcock erinnert an das englische Rechtsinstitut des receivership.18 Das Vermögen der schuldnerischen Gesellschaft wird dabei von den im Wege der sogenannten floating charge gesicherten Gläubigern aufgrund einer demand 19 unter den nach einer Sicherungsabrede (terms of debenture) bestimmten Bedingungen im Wege der Bestellung eines receivers ergriffen.

19

Dieser sicherungsrechtliche Hintergrund des receivership muss wenigstens kurz beleuchtet werden. Bei der floating charge20 handelt es sich um ein Institut des englischen Unternehmensinsolvenzrechts.21 Dieses Kreditsicherungsmittel22 hat regelmäßig die Aufgabe, die Verbindlichkeiten einer sog incorporated company zu sichern. Hier kann dahingestellt bleiben, dass seit längerer Zeit erwogen wird, die Bestellung einer floating charge auch nicht inkorporierten Gewerbetreibenden (natürlichen Personen oder Personengesellschaften) zu ermöglichen und sie nicht von der Gründung einer incorporated company abhängig zu machen. In der unternehmerischen Praxis nutzen fast ausschließlich die nach dem CA registrierten Gesellschaften („public limited company“ und „private limited company“) eine floating charge als Sicherungsmittel. Grundlage der Haftung für die floating charge ist das (gesamte und in seinem Bestand wechselnde) Vermögen der incorporated company.23 Eine Vereinbarung der Parteien in der Sicherungsabrede ist möglich, nach der sich die Belastung auf einen bestimmten, abgegrenzten Teil des Unternehmensvermögens beschränkt, z. B. auf alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen unter Einschluss der Rechte aus den Sicher18

Eingehend hierzu Lightman/Moss/Snowden, The Law of Receivers and Administrators of Companies, London 2000, insbes. 1-001 et 2-017, 2-019. 19 Lightman/Moss/Snowden (Fußn. 18) 4-033. 20 Lightman/Moss/Snowden (Fußn. 18) 3-001. 21 Pennington’s Corporate Insolvency Law, 1991, p. 220; Gottwald, KTS 1981, 17 ff. 22 Erst in den letzten Jahren wurden einzelne Aspekte der floating charge gesetzlich geregelt, auch unter dem Einfluss von EG-Richtlinien, die England seit seinem Beitritt zur EWG im Jahre 1973 in nationales Recht umzusetzen verpflichtet ist. Siehe z. B. s 35 CA oder ss 396–409 CA. 23 Schulz-Trieglaff, Grundschuld und floating charge zur Absicherung von Unternehmenskrediten, S. 33 ff.

A. Fragestellung

127

heitsbeständen, der gesamten Lagerbestände oder die jeweiligen Gewinne des Unternehmens.24 Das englische Recht räumt den an der Sicherungsabrede Beteiligten in dieser Hinsicht die größtmögliche Freiheit ein. Solange der Sicherungsgegenstand nur ein hinreichend bestimmter Teil des Gesellschaftsvermögens ist („identifiable property“), ist es möglich, eine floating charge zu vereinbaren. Im äußersten Fall erstreckt sich die floating charge auf das gegenwärtige und zukünftige Vermögen der Gesellschaft, also Immobilien, Mobilien, Forderungen, Patentrechte, sonstige Rechte jeder Art, das know-how und sogar auf den goodwill. Die Belastung des Vermögens des Kreditnehmers erfolgt unter der im Sicherungsvertrag vereinbarten Bedingung, dass das Unternehmen bis zum Eintritt des Sicherungsfalles die Verfügungsfreiheit über sein Vermögen im Rahmen der durch den Sicherungsvertrag schuldrechtlich bestimmten Grenzen behält; grundsätzlich kann der Sicherungsgeber daher gegenüber Dritten wirksam über das Sicherungsgut im Rahmen seiner normalen Geschäftstätigkeit verfügen. Er bleibt dabei frei von „Eingriffen“ des Sicherungsnehmers. Dadurch wird dem Interesse des Unternehmens entsprochen, unbelastetes Vermögen zu behalten. Das Unternehmen kann von einer dinglichen Belastung einzelner Vermögensgegenstände ungehindert seiner Geschäftstätigkeit nachgehen. Voraussetzung für die Bestellung einer floating charge ist das Bestehen einer Forderung zugunsten des Sicherungsnehmers. Vor der sog. Kristallisation25 kann die Gesellschaft im Rahmen ihr Geschäftstätigkeit über alle belasteten Gegenstände verfügen, vor- oder gleichrangige fixed charges belasten oder neue Gegenstände hinzuerwerben, ohne dass es auf die Gutgläubigkeit des Erwerbers ankommt. Es besteht weder ein absolutes noch ein relatives Veräußerungsverbot. Ob die floating charge vor ihrer Umwandlung in eine fixed charge bereits dingliche Wirkung hat, ist heftig umstritten. Allerdings ist es der englischen Rechtsprechung bislang nicht gelungen, eine präzise Definition bzgl. der Wirkungen der floating charge vor der Kristallisation herauszuarbeiten. Erst mit Eintritt des Sicherungsfalles muss das Bewirtschaftungsinteresse des Unternehmens zugunsten des Sicherungsinteresses des Gläubigers zurücktreten. Wann dieser Sicherungsfall eintritt und wie die Realisierung der floating charge erfolgt, wird wiederum privatautonom durch Vereinbarung mit dem Gläubiger im Sicherungsvertrag geregelt. Ebenfalls durch Vereinbarung im Sicherungsvertrag festgelegt werden die Rechte und Pflichten von Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer vor und nach Eintritt des Sicherungsfalles. Die floating charge ist eine Rechtsfigur der equity. Nach den Regeln der equity kann ein „interest“ sehr wohl mit absoluter Wirkung ausgestattet sein. Ein „equitable interest“ besteht dann, wenn ein Recht mit Hilfe der Rechtsbehelfe der equity durchgesetzt werden kann. Rechtsbehelfe der equity sind die gerichtliche Verurteilung zur Vertragserfüllung durch „specific performance“, die einstweilige Sicherung eines Rechtszustandes durch eine „injunction“ oder die Verwaltung eines Vermögens durch einen „receiver“. Nach dem Grundsatz „equity acts in personam“ kann der Inhaber des „equitable interests“ sich mit diesen Rechtsbehelfen aller Störungen erwehren, die seine Rechtsstellung beeinträchtigen. Er kann vor Gericht eine „injunction“ beantragen oder einen „receiver“ einsetzen lassen, unabhängig davon, ob er mit dem Störer in vertraglichen Beziehungen steht oder nicht. Das „interest“ das die floating charge dem Gläubiger bereits vor der Kristallisation vermittelt, ist daher mehr als nur eine unvollständige Rechtsposition, die mit Eintritt der Kristallisation vervollständigt wird. 24 25

Schulz-Trieglaff (Fußn. 23) S. 25 ff. Zum Begriff: Pennington’s Corporate Insolvency Law, pp. 276, 277.

128

Kap. 6: Folgerungen – Streitfragen

Es vermittelt eine absolute, gegen jedermann wirkende, Stellung und ist daher mehr als nur das aufschiebend bedingte, dingliche Verfügungsrecht am Sicherungsgegenstand (so aber die „mortgage of future assets“-Theorie). Es wirkt nur insofern noch nicht dinglich als es vor der Kristallisation nicht mit einem bestimmten Gegenstand verbunden ist, sondern mit einer in ihren Einzelbestandteilen wechselnden Gattung von Vermögensgegenständen, deren Umfang von den Parteien bestimmt werden kann. Es handelt sich daher um ein „floating equitable interest“ des Sicherungsnehmers. Mit Eintritt der Kristallisation ändert sich der Charakter der floating charge. Sie wird dann zu einer fixed charge und umfasst als dingliches Recht unstreitig Vermögensgegenstände der Gesellschaft. Die Verfügungsbefugnis der Gesellschaft über ihr Vermögen oder ihre Vermögensbestandteile erlischt. Insb die Bestellung von Belastungen, die den Rang der floating charge beeinträchtigen, ist jetzt nicht mehr möglich. Ob mit Zustimmung des Sicherungsnehmer nach der Kristallisation noch wirksam verfügt werden kann, ist bislang anscheinend noch nicht entschieden worden. Die Kristallisation vollzieht sich beim Eintritt gesetzlich bestimmter oder von Sicherungsnehmer und Sicherungsgeber in der Sicherungsabrede vertraglich vereinbarten Ereignissen. Zur Kristallisation führen ua die Einsetzung eines receivers durch den Sicherungsnehmer und die freiwillige oder gerichtlich erzwungene Liquidation der Gesellschaft („voluntary winding up“, „compulsory winding up“ 26). Der Sicherungsnehmer kann im Falle der Insolvenz des Sicherungsgebers die Einsetzung eines Zwangs-Vermögensverwalters (receivers) verlangen („court appointed receiver“). Voraussetzung dafür ist, dass die Einsetzung des receivers nach Ansicht des Gerichtes billig und gerecht ist (s 37 (1), (2) Supreme Court Act 1981). Gestützt auf diese Generalklausel hat der Sicherungsnehmer einen Anspruch auf Ernennung des receivers, sobald Sicherheit und Forderung nach den Bestimmungen der Sicherungsabrede fällig und durchsetzbar geworden sind. Darüber hinaus kann er nach dieser Vorschrift aber auch dann die Einsetzung des receivers verlangen, wenn eine Gefährdung seiner Sicherheit zu befürchten ist.

20

An dieser Stelle mag der Hinweis darauf genügen, dass nach Part II Insolvency Act 1986 im Falle aktuell insolvente27 Gesellschaften zur Errichtung eines interimistischen „Regimes“ ein administrator bestellt werden kann.28 Liegt eine winding-up petition (ein Insolvenzantrag) vor, ist vom Gericht ein provisional liquidator29 bzw. ein liquidator30 zu bestellen. In all diesen Fällen wird der Einfluss der gesicherten Gläubiger, den diese auf die Auswahl des receivers ausüben können, durch die Definitionsgewalt des Gerichts abgelöst.31

21

Der receiver hat die Aufgabe, das Sicherheitengut für die Gläubiger optimal zu verwerten und gegebenenfalls eine übertragende Sanierung durchzuführen.32 26

Pennington’s Corporate Insolvency Law, pp. 114. Sowohl i. S. e. Zahlungsunfähigkeit als auch Überschuldung, Lightman/Moss/ Snowden (Fußn. 18) 2-030. 28 Wegen Einzelheiten Lightman/Moss/Snowden (Fußn. 18) 2-029. 29 Lightman/Moss/Snowden (Fußn. 18) 2-035. 30 Lightman/Moss/Snowden (Fußn. 18) 2-053. 31 Zu den Neuerungen durch den Enterprise Act 2002: Ehricke/Köster/Müller-Seils, NZI 2003, S. 409. 27

A. Fragestellung

129

Der receiver kann unter bestimmten Bedingungen – insbesondere wenn die debenture dem gesicherten Gläubiger nicht die Kompetenz zur Benennung eines receivers einräumt – durch das Gericht bestellt werden.33 Seit der Reform des Jahres 198534 kennt das englische Insolvenzrecht auch den vom Gericht bestellten administrative receiver.35 Dieser ist nicht allein „Agent“ der Durchsetzung der Interessen der gesicherten Gläubiger, sondern wird als „office-holder“36 qualifiziert, der als officer of the court die ordnungsgemäße Verfahrensabwicklung überwacht. Die Auswechslung von Vorstand bzw. Geschäftsführung einer krisenbefalle- 22 nen Gesellschaft zum Zwecke der Ermöglichung der Eigenverwaltung ähnelt dieser Konzeption. In der Tat hat sich im vorangegangenen Kapitel 4 gezeigt, dass besonders im Falle der Kirch Media AG durch die Eigenverwaltung aus Sicht der gesicherten Gläubiger negative Kostenfolgen der Insolvenzabwicklung durch Einsetzung eines Insolvenzverwalters abgewendet werden sollen – was die Parallelität zum receivership deutlich werden lässt. In beiden Konzeptionen geht es um die aus Sicht der Sicherheitengläubiger betrachtete Optimierung der Verwertung des Sicherheitengutes. III. Folgerungen Die an der Entscheidung des Amtsgerichts Duisburg37 zum Teil in suffisanter 23 Schärfe formulierte Kritik38 macht es sich nach alledem aber zu leicht und verfehlt die Problemstellung, die das Insolvenzgericht angesprochen hat. Der Austausch der gesellschaftsrechtlichen Organträger in der schuldnerischen Gesellschaft kann dazu führen, dass die Abwicklung des Insolvenzverfahrens nicht von derjenigen Person wahrgenommen wird, die das Insolvenzgericht gem. § 56 Abs. 1 InsO als im Einzelfall hierfür geeignet ansieht.39 Die damit artikulierte Befürchtung, dem Insolvenzgericht könne das Insol- 24 venzverfahren im Einzelfall aus der Hand genommen werden, ist aber vor dem Hintergrund der oben (Kapitel 5) geschilderten Letztentscheidungskompetenz der Gläubigerversammlung zu relativieren.

32

Lightman/Moss/Snowden (Fußn. 18) 2-028. Lightman/Moss/Snowden (Fußn. 18) 2-027. 34 Insolvency Act 1985 s. 233 (1). 35 Lightman/Moss/Snowden (Fußn. 18) 5-001. 36 Lightman/Moss/Snowden (Fußn. 18) 5-002. 37 AG Duisburg, B. v. 1.9.2002, 62 IN 167/02, DZWIR 2002, S. 522. Verständnisvoll Graf-Schlicker, in: Kirchof-Festschr., 2003, S. 135. 38 Vgl. etwa statt vieler Smid DZWIR 2002, S. 493 ff. 39 So das AG Duisburg, B. v. 1.9.2002, 62 IN 167/02, DZWIR 2002, S. 522. 33

130

25

Kap. 6: Folgerungen – Streitfragen

Entscheidend ist, wem nach hier entscheidenden deutschen Recht der organschaftliche Vertreter der Gesellschaft „zu gehorchen“ hat – wem er rechtlich verantwortlich ist und in welchem Verfahren diese Verantwortlichkeit durchzusetzen ist.

B. Gesellschaftsrechtliche Entscheidungsstrukturen des insolvenzschuldnerischen Unternehmensträgers I. Entscheidungsbefugnis der Organe der eigenverwaltenden Insolvenzschuldnerin 1. Fragestellung 26

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird ebenso wie im allgemeinen Regelinsolvenzverfahren so auch bei Anordnung der Eigenverwaltung die gesellschaftsrechtliche Struktur des schuldnerischen Unternehmensträgers nicht suspendiert. Die Vertretungsorgane der Gesellschaft sind daher grundsätzlich nach Verfahrenseröffnung an die gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsprozesse gebunden. Allerdings greifen auch daher bei Anordnung der Eigenverwaltung die §§ 97, 98, 101 InsO ein. Da freilich kein Insolvenzverwalter die Interessen der Gläubiger wahrt, fragt sich, wie weit dies greift. 2. Übergang der Befugnisse von Gesellschafter/Hauptversammlung auf die Geschäftsführung/den Vorstand – Kritik zur Meinung Prütting/Huhn

27

So hat die Gesellschafterversammlung der insolvenzschuldnerischen GmbH die Befugnis, den Geschäftsführer abzulösen. Komplizierter ist es dagegen zu beurteilen, wie sich die Entscheidungsprozesse der schuldnerischen Gesellschaft in Bezug auf die Masse darstellen. Dabei ist danach zu unterscheiden, welche Art von Verfahren durchgeführt wird. Dies ist der Entscheidungsbefugnis der Insolvenzschuldnerin immer entzogen, da – unabhängig von der Anordnung der Eigenverwaltung – die Gläubigerversammlung im Berichtstermin gem. § 157 InsO die entscheidenden Weichen stellt, ob das Verfahren auf die Liquidation des Schuldnervermögens gerichtet ist oder der Betrieb der Insolventzschuldnerin fortgeführt oder ein Insolvenzplan zur Schuldenreorganisation umgesetzt werden soll. Liegt eine ausdrückliche Entscheidung nicht vor, bleibt es auch nach Anordnung der Eigenverwaltung bei der Geltung des § 159 InsO: Der Insolvenzschuldner hat dann als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten die Liquidation seines Vermögens durchzuführen. Da der Insolvenzschuldner durch den Eröffnungsbeschluss dem konkurslichen Regime unterworfen und sein Vermögen für die Gläubiger mit Beschlag belegt ist, scheint es vordergründig nicht

B. Gesellschaftsrechtliche Entscheidungsstrukturen

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mehr bei der Gesellschafterversammlung, sondern bei der Gläubigerversammlung zu liegen, über die Aufrechterhaltung des Gesellschaftszwecks oder seine Ablösung durch die Liquidation zu entscheiden. Daraus könnte man mit Prütting und Huhn40 den Schluss ziehen, der sich stichwortartig folgendermaßen formulieren lässt: Hat die Gläubigerversammlung den Gesellschaftszweck41 durch eine Entscheidung i. S. d. § 159 InsO geändert oder hatte die Gesellschafterversammlung die Liquidation beschlossen, liegen die hierfür erforderlichen Entscheidungen bei der Geschäftsführung. Selbst ein Gesellschaftsvertrag, der weitgehende Vorbehalte der Gesellschafterversammlung vorsieht, stellt für die Befugnis der Geschäftsführung zur Vermögensliquidation keine Schranken dar, da die Liquidation den Gesellschaftszweck aufhebt. Die Erwägungen von Prütting und Huhn42 beruhen auf einer nachvollzieh- 28 baren Überlegung. Die Anordnung der Eigenverwaltung ruft nämlich die Frage hervor, ob sich gesellschaftsrechtliche Regelungen auf die Handlungsbefugnis des eigenverwaltenden Schuldners i. S. v. § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO nachteilig auf die Gläubiger auswirkt. Handelt es sich nämlich – was trotz der Annahmen des AG Duisburg43 der Regelfall sein dürfte – bei „dem Schuldner“ nicht um eine natürliche, sondern eine juristische Person, dann sind im Allgemeinen (außerhalb des Insolvenzverfahrens) deren Organe in das Normgeflecht des Gesellschaftsrechts eingebunden. Wird das in der deutschen Rechtslehre sogenannte „Regelinsolvenzverfahren“ eröffnet, ist dies mit der weitgehenden Entmachtung des Schuldners verbunden; die Organe der schuldnerischen Gesellschaft verlieren dann nach allgemeinen Grundsätzen die Verfügungsbefugnis über das Gesellschaftsvermögen (§ 80 Abs. 1 InsO). Sie bleiben zwar bestehen, ihre Kompetenzen reichen aber nur mehr soweit, wie sie nicht die Insolvenzmasse, sondern ein etwaiges konkursfreies Vermögen44 betreffen. Keinesfalls kontrollieren Gesellschafterversammlung, Hauptversammlung oder ein Aufsichtsrat etwa die Tätigkeit des Insolvenzverwalters im Hinblick auf die Insolvenzmasse. Nun stellt sich die Frage, ob diese Suspension gesellschaftsrechtlicher Aufsichtsinstrumentarien durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auch für den Fall greift, in dem das Insolvenzgericht in § 270 InsO die Eigenverwaltung über das Vermögen des Schuldners angeordnet hat. Prütting/Huhn45 meinen allerdings, insofern könne die Wirkung der Verfahrenseröffnung nach § 270 Abs. 1 InsO nicht mit den Wirkungen der Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens paralleli40

Prütting/Huhn ZIP 2002, S. 777 ff. Uhlenbruck, in: Kirchof-Festschr., 2003, S. 479, 496. 42 Prütting/Huhn (Fußn. 40) S. 779. 43 AG Duisburg, B. v. 1.9.2002, 62 IN 167/02, DZWIR 2002, S. 522. 44 Die modifizierte Organtheorie K. Schmidts (vgl. allein dessen Darstellung in: Wege zu einem Insolvenzrecht der Unternehmen, 1990, bes. S. 145 ff.) kennt ein solches beschlagfreies Vermögen nicht. 45 Prütting/Huhn (Fußn. 40) S. 779. 41

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Kap. 6: Folgerungen – Streitfragen

siert werden, wie sie in § 80 InsO normiert sind. Der Umstand, dass der Eigenverwalter als Amtsverwalter in eigener Angelegenheit46 fungiere, könne einen Ausschluss gesellschaftsrechtlicher Bindungen nicht begründen. Wenn nämlich die Verfügungsbefugnis über das Gesellschaftsvermögen „dem Schuldner“ zurückübertragen werde, lebe die Verfügungsbefugnis, so wie sie ursprünglich bestanden habe, auch bei den Organen der Gesellschaft wieder auf. Allein an eine Übertragung der Verfügungsbefugnis nur auf die Geschäftsleitung sei demgegenüber nicht zu denken47. Das die Weitergeltung gesellschaftsrechtlicher Bindungen der Tätigkeit der Geschäftsführung auch im Verfahren der Eigenverwaltung eine „ohnehin schwierige Unternehmensführung weiter behindert“48. Die daraus erwachsenden Behinderungen führten dazu, dass die nach § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO anzustellende Prognoseentscheidung unmöglich werde; die Fortdauer gesellschaftsrechtlicher Bindungen sei als sonstiger Nachteil i. S. d. § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO anzusehen49. Da auch im Verfahren der Eigenverwaltung trotz der Überlassung des Verfügungsrechts an „den Schuldner“ dessen Vermögen als Insolvenzmasse der Befriedigung der Gläubiger diene, bedürfe es einer Überprüfung dieses Ergebnisses. Ganz im Gegensatz zum AG Duisburg50 gehen Prütting/Huhn weiter davon aus, dass es dem Zweck des Eigenverwaltungsverfahrens nicht widerstreite, wenn „anerkannte Insolvenzfachleute zu Mitgliedern der Geschäftsleitung bestellt werden“51. Beide Autoren bieten im Falle der Blockade von Sanierungsmaßnahmen durch die Organe der Gesellschaft als „Ausweg“ an, dass die Gesellschaftsorgane beim Insolvenzgericht die Aufhebung der Eigenverwaltung beantragen52. Die Darstellung von Prütting und Huhn geht zu kurz. Sie verkennt nämlich, dass auch in dem über das Vermögen des Schuldners eröffneten Insolvenzverfahren, das ihm bzw. den Organen der schuldnerischen Gesellschaft die Eigenverwaltung über die Masse belässt, zunächst einmal „der Schuldner“ keine gesellschaftsrechtliche Metamorphose durchläuft, die es rechtfertigen könnte, je nach Art der Qualität des Vorstandes diesem gleichsam „diktatoriale“ Befugnisse zuzuweisen. 29

Denn soweit man der Ansicht folgt, dass mit Anordnung der Eigenverwaltung die Geschäftsführung bzw. der Vorstand der Insolvenzschuldnerin von den Entscheidungen der Gesellschafter bzw. der Aktionäre unabhängig zu operieren rechtlich imstande sei, wäre seine Handlungsbefugnis für Liquidationsfälle zwar durch das Gesetz (§ 159 InsO) klar bestimmt und das dabei einzuhaltend procedere durch die entsprechend anzuwendenden Regelungen der §§ 160 ff. InsO definiert. Bereits im Rahmen einer Be-

46 47 48 49 50 51 52

Häsemeyer, Insolvenzrecht, 3. Aufl. RdNr. 8.06. Prütting/Huhn (Fußn. 40). Prütting/Huhn (Fußn. 40) S. 781. Prütting/Huhn (Fußn. 40) S. 781, 779. AG Duisburg, B. v. 1.9.2002, 62 IN 167/02, DZWIR 2002, S. 522. Prütting/Huhn (Fußn. 40) S. 781. Prütting/Huhn (Fußn. 40) S. 782.

B. Gesellschaftsrechtliche Entscheidungsstrukturen

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triebsfortführung würde die Geschäftsführung bzw. würde der Vorstand durch die Einleitung eines Insolvenzverfahrens unter Eigenverwaltung erheblich weiterreichendere Kompetenzen eingeräumt erhalten als das Vertretungsorgan außerhalb des Insolvenzverfahrens auszuüben berechtigt wäre.

So ist durchaus daran zu denken, dass die Aufgabe der Eigenverwaltungs- 30 kompetenz durch einen Antrag nach § 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO53, wie ihn Prütting und Huhn vorschlagen, als eine Geschäftsführungsmaßnahme zu qualifizieren sein kann, die der Zustimmung von Gesellschafterversammlung oder Hauptversammlung bedarf. Denn mit diesem Antrag entäußert sich die Geschäftsführung aller Verfügungsmacht in toto; sie entmachtet und enteignet damit letztendlich die Gesellschafter bzw. die Aktionäre. Wenn die „Holzmüller“Grundsätze des BGH54 bereits dann anwendbar sind, wenn ein wesentlicher Vermögensbestandteil durch die Geschäftsführung bzw. den Vorstand der Gesellschaft veräußert werden soll, dann liegt es nahe, sie auch auf den Fall der vollständigen Entäußerung der Verwaltungs- und Verfügungsmacht zur Anwendung zu bringen. Man kann daher daran zweifeln, ob der von Prütting und Huhn55 gewiesene Ausweg gangbar ist. Die Fragestellung sollte früher ansetzen. Es ist nämlich infrage zu stellen, ob die von Prütting und Huhn56 aufgestellte Prämisse, derzufolge gesellschaftsrechtliche Bindungen sich als besonderer Nachteil zu Lasten der Gläubiger darstellen. Handelt es sich bei „dem Schuldner“ um eine juristische Person, wird diese gerade durch und in den durch das Gesellschaftsrecht statuierten Formen und Verfahrensweisen organschaftlicher Vertretung und Kontrolle überhaupt erst handlungsfähig.57 Die juristische Person als Insolvenzschuldnerin ist daher überhaupt nur in gesellschaftsrechtlichen Formen zur Eigenverwaltung in der Lage – und auch der renommierteste Insolvenzverwalter wird, zum Mitglied von Geschäftsleitung oder Vorstand berufen, kein Prinzipat an die Stelle gesellschaftsrechtlicher Vertretungs- und Kontrollformen setzen können und dürfen. Der eigenverwaltende Schuldner ist aber in den Maßnahmen seiner Geschäftsführung an die Beschlüsse der Gläubigerversammlung gebunden, § 156, 157 InsO.58 Beschließt die Gläubigerversammlung im Berichtstermin z. B., dass sich das Unternehmen von bestimmten Beteiligungen zu trennen habe, dann stellt sich die Frage nach einer Anwendung der in der „Holzmüller“-Entscheidung aufgestellten Grundsätze schon verfahrensrechtlich nicht mehr. Dies ebenso wenig, wie die Verfügungsmacht über das insolvenzschuldnerische Vermögen dem Insolvenzverwal53

MünchKomm-Wittig § 272 RdNr. 27 ff. BGHZ Bd. 83, S. 122, 128; Noack, ZIP 2002, S. 1873; Uhlenbruck (Fußn. 41) S. 494. 55 Prütting/Huhn (Fußn. 40) S. 782. 56 Prütting/Huhn (Fußn. 40) S. 782. 57 Uhlenbruck (Fußn. 41) S. 499. 58 MünchKomm-Wittig Vor § 270 RdNr. 69. 54

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Kap. 6: Folgerungen – Streitfragen

ter durch das Gericht anvertraut wird59. Das Insolvenzgericht ordnet aber immer nur interimistisch an, dass im Insolvenzverfahren von einer bestimmten Person die Verfügungsgewalt über die Masse ausgeübt wird. Das letzte Wort hierüber haben die Gläubiger, denen es unabhängig davon, ob ein Regelinsolvenzverfahren oder ein Verfahren unter Anordnung der Eigenverwaltung eröffnet worden ist, obliegt, zu bestimmen, wie mit der Masse verfahren wird. Vollzieht daher insolvenzschuldnerische Gesellschaft Beschlüsse der Gläubigerversammlung, wäre ein widersprechender Beschluss der Gesellschafterversammlung oder der Hauptversammlung nichts anderes als eine im Übrigen unbeachtliche protestatio facta contraria. 31

Gegen die Argumente von Prütting und Huhn haben Ringstmeier und Homann60 eingewandt, dass sich aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder Argumente gegen eine Modifikation gesellschaftsträglicher Kompetenzverteilung ergeben noch Nachteile für die Gläubiger aus der Beibehaltung gesellschaftsrechtlicher Bindungen erwachsen können.

3. „Holzmüller“-Grundsätze im Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung des Schuldners 32

Wäre der Ansatz von Prütting und Huhn zutreffend, bestünden die vom Amtsgericht Duisburg im Babcock-Fall ausgeführten Bedenken zu Recht. Wäre der Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzende der „eigenverwaltenden“ insolventen GmbH, AG oder Genossenschaft allein der Gläubigerversammlung, nicht aber der Gesellschaft verantwortlich, wäre die Kontrolle über dessen Handeln reduziert. Der gesellschaftsrechtliche Organträger hätte dann nämlich die Stellung eines Insolvenzverwalters, der in der Tat die Mehrheitsentscheidungen gem. § 157 InsO auszuführen hätte – was seine Stellung der eines receivers annähernd würde. Ausschlaggebend ist gegenüber dem Ansatz von Prütting und Huhn61 aber, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das gesellschaftsrechtliche Amt der organschaftlichen Vertreter juristischer Personen nicht beendet und diese nicht von den Entscheidungen des eigenverwaltenden Schuldners – der Gesellschaft – entbindet.62

33

Dabei ist die Judikatur des BGH zur Reichweite der gesellschaftsrechtlichen Letztentscheidungskompetenz der Hauptversammlung in Aktiengesellschaften heranzuziehen: Im Falle der Veräußerung werthaltiger zum Vermögen der Aktiengesellschaft gehörender Anteile an einer anderen Gesellschaft sollen die Ak59 Noack (Fußn. 54). In anderem Zusammenhang (Prütting/Holzer/Kleine-Cosack, Die Bestellung des Insolvenzverwalters, 2001, passim) hat Prütting wohl diese Ansicht vertreten; krit. dagegen Smid DZWIR 2001, S. 485 ff. 60 Ringsmeier/Homann NZI 2002, S. 406 ff. 61 Prütting/Huhn (Fußn. 40) S. 782. 62 So zutreffend Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch § 92 RdNr. 141 ff.

B. Gesellschaftsrechtliche Entscheidungsstrukturen

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tionäre der veräußernden Gesellschaft durch die in der „Holzmüller“-Entscheidung des BGH aufgestellten bzw. die in § 179a AktG normierten Grundsätze davor geschützt werden, dass durch die Übertragung63 von wesentlichen Vermögensbestandteilen der satzungsgemäße Bestand der Aktiengesellschaft gefährdet wird.64 Um diesen Schutz der Aktionäre zu verwirklichen, statuiert das Gesetz in § 179a AktG eine Zuständigkeit der Hauptversammlung zur Beschlussfassung über die entsprechenden Maßnahmen; dies ist Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes, dass die Aktionäre ihre Rechte in Angelegenheiten der Gesellschaft durch die Hauptversammlung ausüben, § 118 AktG, die damit Organ der Gesellschaft ist.65 Grundsätzlich ist die Organstellung der Hauptversammlung durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Aktiengesellschaft nicht betroffen. Denn die Verbandsrechte begründende Mitgliedschaft endet mit der Verfahrenseröffnung nicht; bei der Auslegung des § 118 AktG wird schließlich ausdrücklich zwischen der Ausübung von verbandsrechtlichen Mitgliedschaftsrechten der Aktionäre auf der einen und ihren Rechten als Gläubiger der Gesellschaft unterschieden.66 In dem über das Vermögen der Aktiengesellschaft eröffneten Insolvenzverfahren fungieren die Aktionäre in der Tat nicht als deren Gläubiger.67 Insofern besteht die Möglichkeit, als Gesellschaftsorgan zu fungieren, für die Hauptversammlung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft grundsätzlich in dem Umfang, in dem auch Vorstand68 und Aufsichtsrat69 weiter als Gesellschaftsorgane fungieren. Die Aufgaben und Befugnisse der Hauptversammlung beziehen sich auf die Verfassung der Gesellschaft. Die Hauptversammlung nimmt keine Aufgaben der Verwaltung des Gesellschaftsvermögens wahr, sondern agiert in Bezug auf die anderen Gesellschaftsorgane, namentlich den Vorstand. Gesellschaftsrechtlich betrachtet folgt aus der Umstellung des Vermögens der 34 insolvenzschuldnerischen Vermögen unter die insolvenzrechtliche Haftungsordnung freilich im Allgemeinen folgendes: Die Aktiengesellschaft erfährt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Zweckänderung70; die Gesellschaft ist auf Auflösung zum Zwecke der Verwertung des Gesellschaftsvermögens zur ge63 Die sich gegenüber den Aktionären als Geschäftsführungsmaßnahme darstellt, Kort, Bezugrechtsfragen und „Holzmüller“-Fragen, AG 2002, S. 369, 370. 64 Holzmüller-Entscheidung: BGHZ Bd. 83, 122, 128; vgl. weiter Hüffer, AktG, 4. Aufl., 1999, § 179a RdNr. 1; Kraft, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl. 1986 ff., § 361 a. F. RdNr. 2. 65 Statt aller m. w. Nachw. Hüffer (Fußn. 64) § 118 RdNr. 2. 66 Hüffer (Fußn. 64) § 118 RdNr. 6. 67 Noack, Gesellschaftsrecht, Sonderband zu Kübler/Prütting, InsO, 1999, RdNr. 405. 68 BGH ZIP 1980, S. 46; Noack (Fußn. 67) RdNr. 361. 69 Noack (Fußn. 67) RdNr. 376. 70 Noack (Fußn. 67) RdNr. 155.

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Kap. 6: Folgerungen – Streitfragen

meinschaftlichen Befriedigung ihrer Gläubiger hin ausgerichtet. Die Entmachtung der Gesellschaftsorgane der fallierten Gesellschaft greift zunächst für den Fall der Vermögensverwertung durch Veräußerung, § 159 InsO – also den Fall der Liquidation. Denn dann ist jedenfalls im Hinblick auf die Funktion der Hauptversammlung der Zweck, die Aktionäre zu schützen, schlechthin gegenstandslos. Diese Überlegungen sind im Ergebnis auch im gegenwärtigen Gesellschaftsrecht außer jedem Streit: Im Aktienrecht wird dabei von einer „Überschneidung“ von Aktien- und Insolvenzrecht gesprochen.71 Diese „Überschneidung“ führt zu einer „Funktionsteilung“ zwischen den – fortbestehenden – Gesellschaftsorganen und dem Insolvenzverwalter.72 Zur näheren Bestimmung der durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft geschaffenen Kompetenzordnung wird zwischen dem sogenannten Verdrängungsbereich, dem Insolvenzschuldnerbereich und dem Überschneidungsbereich unterschieden.73 Gesellschaftsrechtlich-verbandsrechtliche Organisationsakte wie Satzungsänderungen fallen in den Insolvenzschuldnerbereich; dort bleiben die Befugnisse der Gesellschaftsorgane ohne Beeinträchtigung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestehen. Der Überschneidungsbereich betrifft im wesentlich aktienrechtliche Anfechtungsprozesse. Die Verwertung des Vermögens der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft gehört demgegenüber ohne jeden weiteren Zweifel in den Verdrängungsbereich.74 Diese zur Konkursordnung entwickelten Unterscheidungskriterien gelten auch ohne Einschränkungen im Rahmen der 1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung.75 Denn entweder hat nach § 159 InsO der Insolvenzverwalter die Masse unverzüglich zu verwerten. 35

Dies gilt indes nicht zugleich auch für den Fall einer nach Anordnung der Eigenverwaltung durch vorgesehenen Reorganisation der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft durch einen Insolvenzplan. Denn zwar soll auch die Reorganisation durch Insolvenzplan den Gläubigern dienen (§ 1 S. 1 InsO), was insbesondere § 245 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 InsO zeigt.76 Insofern ist aber nach der Art der Instrumentarien zu differenzieren, mittels derer die schuldnerische Unternehmensträgerin die Gläubigerbefriedigung durch Insolvenzplan vorzunehmen anbietet.

36

Im Falle eines Beschlusses der Gläubigerversammlung, der eine Betriebsfortführung vorsieht, ist folgendes zu berücksichtigen: Hat die Gesellschafterversammlung die Liquidation beschlossen, hat die Geschäftsführung das Unterneh71 72 73 74 75 76

Hüffer (Fußn. 64) § 262 RdNr. 13. Hüffer (Fußn. 64) § 264 RdNr. 3; Noack (Fußn. 67) RdNr. 356. Fr. Weber, KTS 1970, S. 73, 88. Hüffer (Fußn. 64, 72); Noack (Fußn. 67, 72). So zutreffend MünchKomm-Ott, InsO, § 80 RdNr. 112 statt vieler. Smid/Rattunde, Insolvenzplan, 1998, passim.

B. Gesellschaftsrechtliche Entscheidungsstrukturen

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men für die Gläubiger bis zu einer übertragenden Sanierung fortzuführen. Die Gesellschafterversammlung hat sich dadurch aber in Bezug auf die Masse in keiner Weise ihrer Entscheidungsbefugnis gegenüber der Geschäftsführung begeben. Denn im Rahmen der Betriebsfortführung wäre die Geschäftsführung ansonsten zu Betriebsänderungen berechtigt, die durch Satzung und die der Eigenverwaltung zugrundeliegende Beschlusslage der Gesellschaft nicht gedeckt wären. Dies erweist folgende Kontrollerwägung: Bestätigt die Gläubigerversammlung den Fortführungsbeschluss der Gesellschafterversammlung, bleibt die Geschäftsführung an die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gebunden, weil sie Gesellschaftsorgan ist. Umgekehrt liegt es nahe, dass die Hauptversammlung oder die Gesellschaf- 37 terversammlung nach Anordnung der Eigenverwaltung die gesellschaftsrechtlich begründete Rechtsmacht haben, Beschlüsse zu fällen, die denen der Gläubigerversammlung nach § 157 InsO entgegenlaufen. Darin unterscheidet sich allerdings die Lage nach Anordnung der Eigenverwaltung nicht von derjenigen in einem Verfahren, in dem ein Insolvenzverwalter bestellt oder die Eigenverwaltung im Falle des über das Vermögen einer natürlichen Person eröffneten Insolvenzverfahrens angeordnet worden ist. Denn die Gläubiger haben überhaupt keine Gewähr dafür, dass ihre Beschlüsse umgesetzt werden. Da jeder absonderungsberechtigte Gläubiger und jeder nicht nachrangige ungesicherte Insolvenzgläubiger gem. § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht zuletzt auch in solchen Fällen die Beendigung der Eigenverwaltung zu beantragen berechtigt ist77 und im Übrigen die Tätigkeit der eigenverwaltenden Schuldnerin neben der Aufsicht durch den Sachwalter derjenigen durch Gläubigerausschuß oder Gläubigerversammlung nach § 160 InsO unterliegen ist dem Schutzbedürfnis der Gläubiger durch das Gesetz hinreichend Rechnung getragen. Anders verhält es sich, wenn die Gesellschafterversammlung für die GmbH 38 (die Hauptversammlung für die Aktiengesellschaft oder die Versammlung der Genossen bei der Genossenschaft) einen Fortführungsbeschluss vor Antragstellung gefällt hat. Die vorangegangenen Überlegungen haben deutlich werden lassen, dass es zu 39 kurz gegriffen wäre, wollte man die Eigenverwaltung auf Fälle beschränken, in denen entweder eine natürliche Person betroffen ist oder im Falle des Verfahren gegen eine juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft, wenn gegen deren Organe oder die geschäftsführungsbefugten Gesellschafter keinem Vorwurf eines vorkonkurslichen Fehlverhaltens ausgesetzt sind. Das Problem tritt nur beim vorbereiteten Eigenantrag des Schuldners auf. 40 Denn nur dort verfügt die Gesellschafterversammlung oder die Hauptversammlung noch über die Rechtsmacht, nicht nur einen Liquidator oder Abwickler 77

MünchKomm-Wittig § 272 RdNr. 13.

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Kap. 6: Folgerungen – Streitfragen

bestellen, sondern auch die entsprechenden Verträge schließen zu können. Denn der Liquidator oder Abwickler wird nicht ohne Vergütung tätig werden, die ihm allein auf der Grundlage entsprechender Dienstverträge mit der Gesellschaft beansprucht werden kann. 4. Geschäftsführerwechsel im Liquidations-Zwangsausgleich 41

Eine Parallele hierzu findet sich in der jüngeren Judikatur des OGH zum Geschäftsführerwechsel im Liquidations-Zwangsausgleich.78 Dort hatte der OGH die Wirksamkeit der Abberufung des Geschäftsführers einer GmbH, an der der Gemeinschuldner die Anteile hielt, durch den Gemeinschuldner und seine Einsetzung als neuen Geschäftsführer bejaht, allerdings mit der Begründung, Verfügungen des Schuldners seien wirksam, wenn sie nicht die Rechte der Gläubiger beeinträchtigten. 79

42

Der Schuldner hatte in diesem Fall noch die Rechtsträgerschaft am GmbH-Anteil inne, diese aber im Zwangs-Liquidationsausgleich in seinem persönlichen Konkurs auf einen Sachwalter übertragen. In dem über das Vermögen der GmbH eröffneten Konkurs war die Wirksamkeit der Abberufung zweifelhaft. Zu Recht weist Konecny80 darauf hin, das nach dem Verständnis des OGH die Entscheidung beim Geschäftsführerwechsel im Konkurs wegen der Neutralität der Maßnahme hätte gleich ausfallen müssen.

5. Austausch der Organträger81 der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft als Kostenfrage a) Allgemeine insolvenzrechtliche Regelungen 43

Der Schuldner darf bzw. die geschäftsführungsberechtigten Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften dürfen, ohne sich aus dem Gedanken einer Eingriffskondiktion oder eines Delikts Rückforderungsansprüchen ausgesetzt zu sehen, die gegebenenfalls vom Sachwalter nach den §§ 280, 92 f. InsO geltend gemacht werden könnten, seinen bzw. ihren Lebensunterhalt aus dem mit Insolvenzbeschlag belegten Vermögen bestreiten.

44

Im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über eine natürliche Person erhält der Schuldner gem. § 278 Abs. 1 InsO die Befugnis, für sich und die in § 100 Abs. 2 S. 2 InsO genannten Familienangehörigen aus der Insolvenzmasse die Mittel zu entnehmen, die unter Berücksichtigung der bisherigen Lebensverhältnisse des Schuldners 78

OGH SZ 71/164 = ZIK 1999, S. 64. Hierzu Konecny, Massebezogene Rechtshandlungen von Gemeinschuldnern (im Druck). 80 Konecny, Massebezogene Rechtshandlungen von Gemeinschuldnern (im Druck). 81 Vgl. auch Köchling, ZInsO 2003, S. 53 ff. 79

B. Gesellschaftsrechtliche Entscheidungsstrukturen

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eine bescheidene Lebensführung gestatten.82 Er bedarf hierzu weder der Zustimmung der Gläubigerversammlung noch des Gläubigerausschusses, wenn dieser eingesetzt ist; Kontrolle übt allein der Sachwalter aus83. Im Falle von Personenhandelsgesellschaften (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO) haben die vertretungsberechtigten Gesellschafter gem. § 278 Abs. 2 InsO diese Befugnis.84 In diesen Fällen wird der Berechtigte regelmäßig Abreden mit den Gläubigern anstreben.85 Im Falle juristischer Personen stellt sich die Frage nach der Vergütung der Mitglie- 45 der der Vertretungsorgane, die sich durchaus als namhafte Belastung der Masse darstellen kann. § 278 InsO ist insofern freilich nicht unmittelbar anwendbar.86 In diesen Fällen gilt grundsätzlich für das vorkonkurslich eingegangene Anstellungsverhältnis § 113 InsO. Danach ist aus der Masse die vereinbarte Vergütung solange zu zahlen, bis der Insolvenzverwalter von seinem besonderen Insolvenzkündigungsrecht Gebrauch macht.

Ist vorkonkurslich zwischen dem schuldnerischen Unternehmen und dem Sa- 46 nierungs- oder Insolvenzrechtsspezialisten ein Dienstvertrag geschlossen worden, gelten also für dessen Behandlung die Regelungen der § 108 InsO und § 113 InsO. Er wird entgegen der allgemeinen Regelung des § 103 InsO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht betroffen. Wird der Experte im Rahmen von Geschäftsbesorgungsverträgen tätig, gilt im Übrigen nichts anderes. Wie Marotzke87 überzeugend nachgewiesen hat, ist § 115 InsO teleologisch zu beschränken. Der ursprüngliche Zweck dieser Vorschrift ist durch die Entwicklung des bürgerlichen Rechts überholt. b) Bedenken Zu fragen ist aber, ob die an sich zulässige Bestellung von Sanierungs- bzw. 47 Insolvenzspezialisten aus Kostengründen88 gegenüber der Bestellung eines Insolvenzverwalters nachteilig für die Gläubiger ist. Die Bestellung eines Insolvenzverwalters löst regelmäßig die Vergütung gem. § 1 ff. InsVV aus; die Einstellung eines Insolvenzpraktikers als Liquidator oder Abwickler kostet dagegen dessen Gehalt. Übersteigen die dem neuen Organträger versprochene Entlohnung und die Massekosten i. S. v. § 54 InsO – also im Wesentlichen die Vergütung des Sachwalters gem. § 12 Abs. 1 InsVV – die Massekosten bei Bestellung eines Insolvenzverwalters – erweist sich die Anordnung der Eigenverwal82 Uhlenbruck, Insolvenzordnung § 278 RdNr. 1; MünchKomm-Wittig § 278 RdNr. 1, 2. Zu den Aufgaben des Sachwalters dabei MünchKomm-Wittig § 274 RdNr. 30. 83 A. Koch, Die Eigenverwaltung nach der Insolvenzordnung, 1998, S. 186 m. w. Nachw. 84 Uhlenbruck, Insolvenzordnung § 278 RdNr. 2. 85 Kübler/Prütting-Pape § 278 RdNr. 9. 86 MünchKomm-Wittig § 278 RdNr. 16. 87 Marotzke, Gegenseitige Verträge, RdNr. 14.17 ff. 88 Uhlenbruck, Insolvenzordnung § 270 RdNr. 1.

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Kap. 6: Folgerungen – Streitfragen

tung gegebenenfalls als nachteilig i. S. v. § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO. Denn in diesem Fall würde die Masse mit Mehrkosten belastet und damit jedenfalls einer der legislativen Zwecke der Eigenverwaltung verfehlt. Dabei ist im Übrigen außer Betracht zu lassen, ob der Sachwalter gem. § 280 InsO die Verträge, die den Rechtsgrund der fraglichen Vergütungsansprüche bilden, anfechten und eine die Masse belastende Zuvielzahlung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen herausverlangen kann. Denn es liegt fraglos auch dann ein i. S. d. § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO zu berücksichtigender Nachteil vor, wenn der Sachwalter gezwungen wäre, dem Liquidator oder Abwickler die ihm versprochene Entlohnung streitig machen zu müssen. Dieser Fall würde die Kontinuität der Abwicklung des Verfahrens nachdrücklich in Frage stellen, da der zum Gesellschaftsorgane bestellte Insolvenzrechtsspezialist seine Tätigkeit nicht ohne Entlohnung ausüben und im Fall eines anfechtungsrechtlichen Angriffs gegen seine Vergütungsansprüche seine Tätigkeit nicht fortzusetzen bereit sein wird.

C. Rechtsbehelfe des Schuldners gegen die Ablehnung der Anordnung der Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht I. Fragestellung 1. Form der Zurückweisung des Antrags auf Anordnung der Eigenverwaltung 48

Die Anordnung der Eigenverwaltung stellt eine förmliche Entscheidung des Insolvenzgerichts dar, die im Eröffnungsbeschluss oder wie im Falle des § 271 InsO zwingend außerhalb des Eröffnungsbeschluss durch isolierten Beschluss ergehen kann. Die Verweigerung der Anordnung der Eigenverwaltung erfolgt nach überwiegender zutreffender Lehre89 ebenfalls durch Beschluss.90 Eine Reihe von Autoren vertreten weiter die Meinung, der Zurückweisungsbeschluss sei zu begründen.91 2. H. L.: Kein Rechtsmittel

49

Den Prüftstein für die materiellen Maßstäbe der Eigenverwaltung bildet die Verweigerung ihrer Anordnung durch das Insolvenzgericht. Die h. L. vertritt die 89 Uhlenbruck, Insolvenzordnung § 270 RdNr. 17; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch § 87 RdNr. 21; Häsemeyer, Insolvenzrecht RdNr. 8.07. 90 MünchKomm-Wittig § 270 RdNr. 115. 91 Uhlenbruck, Insolvenzordnung § 270 RdNr. 17; K/P-Pape § 270 RdNr. 24; Vallender WM 1998, S. 2129, 2133; MünchKomm-Wittig § 270 RdNr. 116.

C. Rechtsbehelfe des Schuldners

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Auffassung, gegen die Nicht-Anordnung der Eigenverwaltung sei ein Rechtsmittel nicht gegeben.92 Dieser Ansatz begegnet Zweifeln93. Auch ihre Vertreter sehen, dass der eigenantragstellende Insolvenzschuldner in der Sache durch einen Zurückweisungsbeschluss belastet wird. Daher empfehlen Schlegel 94 und Uhlenbruck95, einen Vorbescheid zur Warnung des Eigenantragstellers zu erlassen; der Vorbescheid soll dem Eigenantragsteller die Möglichkeit verschaffen, nach § 13 InsO seinen Antrag zurückzunehmen. Seit der Gesetzgeber das Institut der Eigenverwaltung eingeführt hat, um dem 50 Schuldner einen Anreiz zur möglichst frühzeitigen Stellung des Eigenantrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen zu geben, herrschen Unklarheiten darüber, was geschieht, wenn das Insolvenzgericht der gesetzgeberischen Zielsetzung die kalte Schulter zeigt und das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet, ohne seinem Begehren auf Anordnung der Eigenverwaltung nahe zu treten. Der Blick auf die positive Rechtslage ist in diesem Zusammenhang wohl wenig geeignet, Klarheit zu schaffen. Danach stellt sich das Bild folgendermaßen dar: Die Versagung der Anordnung der Eigenverwaltung ist jedenfalls der isolierten Anfechtung nicht zugänglich. Denn § 270 InsO schweigt sogar darüber, ob hierfür ein besonderer Beschluss des Insolvenzgerichts erforderlich ist oder ob dies stillschweigend durch Erlass eines Eröffnungsbeschlusses geschehen kann, mit dem ein Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners eingesetzt wird. Jedenfalls sieht das Gesetz nicht ausdrücklich eine Anfechtung der Versagung der Anordnung der Eigenverwaltung im Rechtsmittelzug vor, so dass nach § 6 Abs. 1 InsO die sofortige Beschwerde in diesen Fällen nicht eröffnet ist. Das ist durchaus systemkonform. Denn die Anordnung der Eigenverwaltung stellt sich vor dem Hintergrund des Erlasses des Eröffnungsbeschlusses i. S. v. § 27 InsO als eine „Modifikation“ dar, die verfahrensrechtlich betrachtet gegenüber der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine eigenständige Bedeutung erlangt. Daher wird darüber diskutiert96, ob gleichwohl dem Antragsteller Rechtsbehelfe für den Fall eingeräumt werden, dass sein Antrag nach § 270 InsO verworfen wird. Denn der dargestellte positiv rechtliche Befund täuscht nicht darüber hinweg, dass es nicht nur bei den in seinen Erwartungen frustrierten Antragsteller ein feststellbares Bedürfnis zur Eröffnung des Rechtsmittelzuges gegen die Versagung der Anordnung der Eigenverwaltung gibt. Der Gesetzgeber will – wie im Kapitel 4 einge92 Uhlenbruck, Insolvenzordnung § 270 RdNr. 20; MünchKomm-Wittig § 270 RdNr. 118. 93 Bedenken: OLG Naumburg B. v. 17.4.2001, ZInsO 2001, S. 810. 94 Schlegel, Eigenverwaltung S. 89 ff.; ders. ZIP 1999, S. 959, 957. 95 Uhlenbruck, Insolvenzordnung § 270 RdNr. 21. 96 Vgl. die informative und systematisch überzeugende Anmerkung von Bärenz EWIR § 34 InsO 1/03, S. 484 (LG Mönchengladbach, B. v. 30.12.2002, 5 T 439/02, ZIP 2003, S. 728).

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Kap. 6: Folgerungen – Streitfragen

hend dargestellt worden ist – mit der Eigenverwaltung die frühzeitige Eröffnung des Insolvenzverfahrens ermöglichen. Ein derartiger Zweck der Eigenverwaltung hat sich bereits in den vorangegangenen Überlegungen gezeigt. Es wäre gleichsam zynisch, wollte man dem Antragsteller die Hoffnung vermitteln, er könne mit der Eigenantragstellung das Heft der Reorganisation seines Vermögens in der Hand behalten, ihm aber durch das Insolvenzgericht die Möglichkeit der Eigenverwaltung nehmen. Freilich wird diese Problematik dadurch entschärft, dass in den Blick gerät, dass die Eigenverwaltung keinen „rechtsexotischen“ Ausnahmefall im Insolvenzrechtssystem darstellt, sondern dass ihre Anordnung nur dann zu versagen ist, wenn die Versagungsgründe des § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO vorliegen. Diese Art der Interpretation des § 270 InsO stellt sicher, dass die Anordnung der Eigenverwaltung sich nicht als kuriose Ausnahmeerscheinung sondern als der Regelfall für den Fall darstellt, dass die Enteignung des Schuldners und seine Entmachtung sich nicht als zwangsläufige Notwendigkeit erweist. II. Materielle Beschwer des Antragstellers 1. Formelle Beschwer durch den Erlass des Eröffnungsbeschlusses unter Bestellung eines Insolvenzverwalters? 51

Daher stellt sich die Frage, ob wegen der in der Verwerfung der Anordnung der Eigenverwaltung liegenden Frustration des Antragstellers die Voraussetzung der Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss durch den Schuldner liegen kann. Dagegen ist Schlegel97 mit dem Argument getreten, der Schuldner richte sich der Sache nach nicht gegen die – von ihm schließlich beantragte – Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, sondern allein gegen die Nichtanordnung der Eigenverwaltung. Dies aber rechtfertige nicht, dem Schuldner ein Rechtsmittel gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen einzuräumen. Die Argumentation von Schlegel überzeugt deshalb nicht, weil sie den Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung und den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers in einer isolierten Art und Weise behandelt, die jedenfalls vor dem Hintergrund der legislatorischen Zwecke nicht gerechtfertigt erscheint.98 Sieht man darüber hinaus den Wortlaut des § 34 Abs. 2 InsO99, erscheint vor dem Hintergrund einer positivistischen Betrachtungsweise die Auffassung von Schlegel nicht mehr haltbar. Denn § 34 Abs. 2 InsO gibt dem Insolvenzschuldner ein Recht zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Eröffnungs97 98 99

Schlegel ZIP 1999, S. 954, 956. Vgl. Dietrich, Die Eigenverwaltung als Sanierungsweg, 2002 S. 112 ff. Unklar MünchKomm-Wittig § 270 RdNr. 118.

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beschluss, mit dem das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eingeleitet wird. Die herrschende Lehre100 argumentiert gegenüber Schlegel in einer mehr prozessualen Art und Weise. Sie stellt nämlich darauf ab, dem Eigenantrag stellenden Schuldner fehle es gegenüber dem Eröffnungsbeschluss an einer formellen Beschwer, die sein Rechtsmittel zulässig werden lasse. In Ermangelung formeller Beschwer sei das Rechtsmittel unzulässig. Dieser Literaturmeinung hat sich das LG Mönchengladbach101 angeschlossen und eine gegen den Eröffnungsbeschluss unter Zurückweisung des Antrags auf Anordnung der Eigenverwaltung gerichtete sofortige Beschwerde des Eigenantrag stellenden Schuldners als unzulässig qualifiziert. Die InsO trifft über den § 6 hinaus keine Regelung über die Zulässigkeit von Rechtsmitteln. Der Generalverweis auf Regelungen der ZPO in § 4 InsO scheint es vordergründig zu rechtfertigen, auf die allgemeinen Erwägungen zurückzugreifen, die im Rahmen des Zivilprozessrechts für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln angestellt werden. Da scheint es nahe zu liegen, auf die formelle Beschwer des Rechtsmittelführers als Zulässigkeitsvoraussetzung in der sofortigen Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss zurückzugreifen. Unter formeller Beschwer versteht man bekanntlich die Abweichung der mit 52 dem Rechtsmittel angegriffenen Entscheidung zu Lasten des Rechtsmittelführers von dem durch ihn gestellten Antrag. Auf dieser Folie betrachtet überzeugen die h. L. und die zitierte Entscheidung des LG Mönchengladbach. Denn das Insolvenzgericht hat mit dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses nichts anderes getan, als eine Entscheidung zu fällen, die dem vom Schuldner gestellten Eigenantrag gem. § 13 InsO entspricht. Diese am Fehlen einer formellen Beschwer des Schuldners orientierte Betrachtungsweise würde aber entschieden zu kurz greifen. 2. Materielle Beschwer durch den Erlass des Eröffnungsbeschlusses unter Bestellung eines Insolvenzverwalters Bärenz102 weist darauf hin, dass von einer formellen Beschwer – also davon, 53 dass dem Eigenantrag stellenden Schuldner als Beschwerdeführer etwas versagt wurde, was er beantragt hat – nur dann und soweit die Rede sein kann, wenn man allein auf den Eigenantrag des Schuldners sieht und das damit vom Schuldner verfolgte Ziel außer Acht lässt. Allerdings besteht darüber Einigkeit, dass der Antrag auf Eigenverwaltung und der Eigenantrag des Schuldners nicht 100 MünchKomm-Wittig § 270 RdNr. 118; missverständlich: FK-Foltis § 270 RdNr. 15. 101 LG Mönchengladbach, B. v. 30.12.2002, 5 T 439/02, ZIP 2003, 728 m. Anm. Bärenz EWiR § 34 InsO 1/03, S. 483. 102 Bärenz EWIR § 34 InsO 1/03, S. 484.

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Kap. 6: Folgerungen – Streitfragen

gleichzeitig gestellt werden müssen. Die beide Elemente isolierende Betrachtungsweise der h. L. und der bislang veröffentlichten Rechtsprechung kann also für sich ins Feld führen, dass rechtlich Eigenantrag und Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung getrennt zu behandeln sind. Demgegenüber erscheint das Argument von Bärenz103, der vorträgt, beide Anträge bildeten eine rechtliche Einheit, da die Antragsberechtigung auf Anordnung der Eigenverwaltung mit Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder bei Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse erlösche104 nur zum Teil überzeugend. Denn insoweit geht es allein um die Zulässigkeit des Antrags auf Anordnung der Eigenverwaltung. Nimmt man die Fragestellung der h. L. und des LG Mönchengladbach ernst, muss in der Tat bei der Beschwer des Schuldners angesetzt werden, wobei es nicht notwendig der Unterstellung einer rechtlichen Einheit zur Anordnung der Eigenverwaltung und Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedarf. Allerdings zeigt der Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung, dass der Antragsteller durch den Erlass des Eröffnungsbeschlusses deshalb beschwert ist, weil ihm die Verwaltungsbefugnis gem. § 80 InsO entzogen wird, wenn seinem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung nicht entsprochen wird. 54

Unabhängig davon, ob man mit Bärenz der Annahme einer „rechtlichen Einheit“ zwischen den beiden Anträgen folgt und so zur formellen Beschwer des Antragstellers bei Ablehnung der Anordnung der Eigenverwaltung gelangt oder nicht, zeigt die Argumentation Bärenz doch, dass es der Sache nach überhaupt nicht um die formelle Beschwer des Antragsstellers sondern um seine materielle Beschwer geht. Bei der Frage nach der Anfechtbarkeit von Statusentscheidungen im Rechtsmittelzug wird nämlich in unserem Prozessrecht in einer Reihe von Stellen nicht auf die formelle, sondern auf die materielle Beschwer des Antragsteller abgestellt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn auf den Antrag hin die Ehe geschieden und das Scheidungsurteil innerhalb der Rechtsmittelfristen vom Antragsteller angegriffen wird. Auch in diesem Fall decken sich zwar Antrag und Entscheidung, so dass eine formelle Beschwer nicht gegeben ist; gleichwohl wird mit Blick auf die Verschlechterung der sich in diesem Beispielsfall aus Art. 6 Abs. 1 GG folgenden materiellen Stellung des Antragstellers und Beschwerdeführers ein Rechtsmittel zugelassen. In vergleichbarer Weise wird in solchen Verfahren argumentiert, in denen überhaupt nur die Betroffenheit subjektiver Rechte des Antragstellers eine Rolle spielen kann – etwa weil es sich um ein Amtsverfahren wie im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren handelt. Bärenz weist daher zu Recht auch darauf hin, dass die materielle Beschwer für den Schuldner aufgrund der Vorteile die ihm die Eigenverwaltung biete auf der Hand liegt. Genau ausgedrückt liegt die materielle Beschwer des 103 104

Bärenz (Fußn. 102). Bärenz (Fußn. 102) S. 483 f.; FK-Foltis § 270 RdNr. 31.

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Antrag stellenden Schuldners indes darin, dass er mit einer Fremdverwaltung belastet wird, obwohl er durch seinen Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung geltend gemacht hat, dass die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind. Im Schrifttum ist denn von Bärenz zutreffend darauf hingewiesen worden, dass der Gesetzgeber aus der materiellen Beschwer, die infolge des Entzugs der Verwaltung zur Verfügungsbefugnis des Schuldners im Wege vorläufiger Anordnung des Insolvenzgerichts gem. § 21 Abs. 1 Nr. 2 InsO verwirklicht wird, anerkannt und dem betroffenen Schuldner mit dem Insolvenzreformgesetz 2001 durch Einführung eines Satzes 2 in § 21 Abs. 1 InsO die Beschwerdebefugnis eingeräumt hat105. Es hat sich somit gezeigt, dass entgegen der h. L. bereits nach § 27 InsO zwischen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und der Belassung der Verwaltungsbefugnis beim Schuldner und dem Eröffnungsbeschluss zu unterscheiden ist, mit dem der Schuldner entmachtet und seine Verfügungsbefugnis einem Verwalter übertragen wird. Denn diese Alternative hat der Gesetzgeber in der Vorschrift des § 27 InsO selbst vorgesehen106. Da die Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Anordnung der Eigenverwaltung an tatbestandliche Voraussetzungen gebunden ist, die ihm keinen Ermessensspielraum lassen, unterliegt der Eröffnungsbeschluss der Anfechtung im Wege des Rechtsmittels der sofortigen Beschwerde, wenn und soweit sich der Eröffnungsbeschluss deshalb als rechtsfehlerhaft erweist, weil er den Beschwerdeführer unter Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz107 übermäßig durch die Anordnung der Fremdverwaltung belastet108.

105 Allerdings ist Bärenz (Fußn. 102) Überlegung weniger einleuchtend, soweit er ausführt, es sei „nicht einzusehen, wieso deshalb derartige Entscheidungen des Insolvenzgerichts, die de facto die Eigenverwaltung erschweren bzw. verändern, der Beschwerde unterliegen sollen, die Entscheidung des Gerichts, die de jure die Eigenverwaltung zunächst verändert, aber nicht“. Im Unterschied zu den Erwägungen zur Frage der materiellen Beschwer des Antragstellers und Beschwerdeführers ist diese Fragestellung allein de lege ferenda zu beantworten, sie ist für eine dogmatische Betrachtung nur von begrenztem Wert. 106 Hierzu bereits Frenzel/Smid DZWiR 1998, S. 442 ff. 107 BGH, Urt. v. 18.7.2002, DZWIR 2002, S. 480. 108 So auch Bärenz (Fußn. 102) S. 483 f.

Zusammenfassung – Schluss 1

Die „Eigenverwaltung“ des Schuldners zur Abwicklung eines über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahrens kann in einer Reihe von Fällen empfehlenswert sein. Sie dient verschiedenen Zwecken. Sie motiviert den Schuldner dazu, frühzeitig Eigenantrag zu stellen und bewahrt damit Haftungsmasse für seine Gläubiger. Die Eigenverwaltung mobilisiert den Sachverstand des Schuldners und ist geeignet, die Kosten des Insolvenzverfahrens zu senken.

2

Die Eigenverwaltung des Schuldners in dem über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahren birgt für die Gläubiger Risiken: Es droht der Bock zum Gärtner gemacht und die Misswirtschaft perpetuiert zu werden, die das Unternehmen bzw. die insolvente Person in die Krise geführt hat.

3

Risiken der Eigenverwaltung werden minimiert, wenn sie auf besonders einfache Fälle beschränkt wird. Beispiel hierfür ist der österreichische Privatkonkurs. Denkbar ist die Eigenverwaltung in Fällen, in denen der Schuldner den Gläubigern eine Mindestquote anbietet wie im österreichischen Ausgleichsverfahren oder ein finanz- und leistungswirtschaftliches Sanierungskonzept oder einen Liquidationsplan wie im deutschen Insolvenzplanverfahren. Für dessen – de lege ferenda empfehlenswerte – Verbindung mit einem Reorganisationsplanverfahren spricht das nordamerikanische Vorbild des chapter 11 bankruptcy code.

4

Die Eigenverwaltung des Schuldners wird daher durch eine Abwicklung des Insolvenzfalles durch Ausgleich oder Reorganisationsplan legitimiert. Es kommt dabei nicht darauf an, ob das Verfahren auf Liquidation des Schuldnervermögens oder auf eine finanz- oder leistungswirtschaftliche Reorganisation zielt. Die Auflösung des damit benannten Sinnzusammenhanges von Eigenverwaltung des Schuldners und Verfahrensabwicklung durch Ausgleich oder Plan ruft erhebliche Folgelasten für die Rechtfertigung der Eigenverwaltung hervor.

5

Obliegt – wie im deutschen Recht – die Anordnung der Eigenverwaltung dem Insolvenzgericht, hat es sich beim Vorliegen eines entsprechenden Schuldnerantrages bei seiner Entscheidung an der Verhältnismäßigkeit des mit dem Insolvenzverfahren verbundenen Eingriffs in die Rechte des Schuldners zu orientieren. Die Anordnung der Eigenverwaltung ist daher nur dann abzulehnen, wenn sie den Gläubigern aufgrund konkreter Anhaltspunkte, insbesondere eines dolosen vorkonkurslichen Verhaltens des Schuldners, Nachteile zu verursachen droht. Nur das positive Vorliegen von Nachteilen für die Gläubiger begründet die Bestellung eines Masse- bzw. Insolvenzverwalters.

Zusammenfassung – Schluss

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Die Anordnung der Eigenverwaltung lässt die gesellschaftsrechtlichen Bin- 6 nenbeziehungen der Gesellschaftsorgane fortbestehen. Eigenverwaltender Schuldner ist die Gesellschaft, nicht der gesellschaftsrechtliche Organträger. Die Eigenverwaltung ist daher von Formen eines receivership-Verfahrens abzugrenzen. Allein der vorkonkursliche Austausch der organschaftlichen Vertreter der schuldnerischen Gesellschaft durch Sanierungspraktiker spricht indes nicht gegen die Anordnung der Eigenverwaltung. Einer Insolvenzrechtsgesetzgebung ist zu empfehlen, außerhalb des Bereichs 7 des Privatkonkurses im Bereich der Unternehmensinsolvenz die Eigenverwaltung des Schuldners daran zu knüpfen, dass der Schuldner den Gläubigern (Konkursgläubigern und absonderungsberechtigten Gläubigern) einen Ausgleich oder einen Plan vorlegt.

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Sachverzeichnis (die Zahlen verweisen auf die Kapitel, Randnummern sind in Klammern dargestellt, Referenzstellen werden mit ! beizeichnet) Abschöpfungsverfahren 2 (3), 2 (37) Absolute priority rule ! Obstruktionsverbot 1 (12) Absonderungsrechte/-berechtigte 1 (23), 1 (28), 2 (24), 3 (41), 3 (46) – Gläubigerautonomie 3 (44), 3 (46), 3 (48) – Vorteile der Eigenverwaltung 4 (26 f.) Adequate protection 1 (11) Aktiengesellschaft 6 (4), 6 (33 f.) Ammistrazione controllata Einl. (13), 1 (36 ff.) Amtstheorie 2 (8 f.), 2 (17), 4 (17) Amtswalter in eigenen Angelegenheiten 2 (9), 2 (17), 2 (23), 4 (11 f.), 6 (9), 6 (27 f.) – Gläubigerautonomie 3 (39), 3 (41), 3 (43) Anfechtung – Anfechtungsrechtliche Rückabwicklung 1 (3) – Befugnis des Sachwalters 4 (17) Angemessenheitsregel ! Obstruktionsverbot Anordnung/-voraussetzung ! Eigenverwaltung Anschlusskonkurs 1 (15), 1 (17) Antrag Eigenverwaltung 4 (1), 4 (7), 4 (20), 4 (29 f.) Arbeitsverträge 4 (19) Aufhebung des Insolvenzverfahrens ! Wirkungen Aufhebung der ! Eigenverwaltung Ausgleich, -sverfahren ! Eigenverwaltung des Schuldners Einl. (31), 1 (3),

1 (13 f.), 1 (22 f.), 1 (28), 1 (54), 2 (17), 3 (2), 4 (34), 5 (3) Ausgleichsgläubiger 1 (14 ff.), 1 (18), 1 (22 ff.), 1 (26), 1 (28) Ausgleichsschuldner 1 (15 ff.), 1 (19 ff.), 1 (25 ff.) Ausgleichsverwalter 1 (13 ff.), 1 (23 f.) Aussonderungsrechte/-berechtigte 1 (23), 1 (28), 2 (24) Automatic stay Einl. (22 f.), 1 (10), 1 (22), 3 (41) Babcock Borsig AG 3 (14), 6 (4 ff.), 6 (12), 6 (17 ff.), 6 (32) Bankruptcy court Einl. (33), 1 (9) Bankruptcy code Einl. (33), 2 (2), 3 (3) Berichtstermin 4 (32), 5 (6), 6 (30) Beschwer (formelle /materielle) 6 (51 ff.) Beschwerde ! Rechtsmittel Betriebsfortführung Einl. (2), Einl. (6), Einl. (17), 1 (13 ff.), 2 (23), 2 (37), 6 (29), 6 (36) Betriebsverfassungsrecht 4 (19) Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) ! Treuhandanstalt Einl. (21), 6 (12) Chapter 11 US-Bankruptcy Code 1 (2), 1 (5), 1 (8), 1 (51), Zusf. (3) Codice fallimentare 1 (34 ff.) Concordato preventivo 2 (36), 4 (33) Concursus creditorum Einl. (21), 3 (27) Corte di cassatione 1 (42) Cram down 1 (12) Curatore 1 (34 f.)

Sachverzeichnis Darlegungslasten des Schuldners 4 (29) Debtor in possession Einl. (7), 1 (2), 1 (5 ff.), 1 (12a ff.), 1 (16), 1 (23), 1 (33), 3 (1 ff.), 3 (8), 3 (20), 5 (3), 6 (1) – Umfang der Rechtsmacht 1 (9 ff.) Discharge ! Schuldenbereinigung 2 (1) Dispositionsmöglichkeit bei Erfüllung von Rechtsgeschäften 2 (12) Drohende Zahlungsunfähigkeit 1 (17), 3 (8) Eigenantrag 3 (8), 3 (14), 4 (21), 6 (4), 6 (40), 6 (49 ff.), Zusf. (1) Eigenverwaltung des Schuldners ! Ausgleich ! Ammistrazione controllata Eigenverwaltung 1 (27), 1 (52) – als gesetzlicher Regelfall 2 (5 ff.), 3 (8 ff.), 3 (31 ff.), 3 (40 ff.), 4 (1 ff.) – Aufhebung 2 (23), 4 (7), 5 (7 ff.), 6 (2), 6 (28), 6 (37) – Anordnung 3 (16), 6 (14), 6 (26 ff.), 6 (48), Zusf. (5) – Antrag 3 (8), 3 (16), 4 (7), 4 (21), 6 (4), 6 (30) – bei Konkursabwendung 3 (1 ff.), 3 (33) – bei Reorganisation 3 (1 ff.), 3 (12), 3 (33), 4 (1), 4 (34), 6 (11), 6 (27), Zusf. (2 ff.) – bei Liquidation 3 (5 ff.), 3 (9 ff.), 4 (1), 4 (34), 6 (11), 6 (27 ff.), Zusf. (2 ff.) – Beschränkung 2 (32) – Befugnisse 2 (15 ff.), 2 (21 ff.), 2 (26 ff.) – Funktion Einl. (20), 3 (1), 3 (8 ff.), 3 (22), 6 (13) – gekoppelt an einen Insolvenzplan Einl. (12), 3 (7), 3 (10), 4 (1), 4 (34 ff.), 6 (1), 6 (8), 6 (27) – gesetzliche Voraussetzung 4 (2), 4 (6 ff.), 4 (20 ff.), 4 (34 f.), 6 (6) – im Privatkonkurs 2 (1 ff.)

159

– im Rahmen der Unternehmensinsolvenz Einl. (2), Einl. (5), 1 (8), 1 (13), 1 (15), 1 (23 f.), 1 (28), 1 (36), 1 (38), 3 (1), 3 (8), 3 (14), 3 (17), 3 (21), 4 (6), 4 (11), 4 (34), 5 (2), 6 (9 ff.) – Kostenreduzierung 2 (3 ff.), 3 (8), 6 (2), 6 (7), 6 (23), Zusf. (1) – Letztentscheidungskompetenz 3 (45), 6 (33) – Möglichkeit des Entzugs 2 (15), 2 (26a ff.), 2 (33) – nachträgliche Anordnung 3 (46), 4 (7), 4 (13 ff.) – Probleme 6 (1 ff.), 6 (15) – Stellung Einl. (2 ff.), 3 (7 ff.), 3 (15), 3 (20 ff.), 3 (32), 4 (1a ff.), 6 (1 f.), Zusf. (1) – Verweigerung der Anordnung 6 (48 ff.) – Vorbehalte 3 (8), 3 (12), 3 (15 f.), 3 (20 ff.), 4 (2), 4 (5), 4 (23 f.) ! Sicherungsgut, Verwertung Eröffnungsbeschluß 1 (34), 2 (33), 3 (23 ff.), 3 (29), 3 (45 ff.), 4 (6a f.), 4 (13), 6 (5 ff.), 6 (12), 6 (27), 6 (50) – sofortige Beschwerde 6 (51) Eröffnungsverfahren 1 (16b ff.), 3 (23 f.), 3 (30), 4 (3), 4 (32) Exekutionsverfahren 2 (39) fair trial (Art. 6 Abs. 1 MRK) 4 (22) Floating charge 6 (18 ff.) Fremdverwaltung 1 (1) gegenseitige Verträge 4 (18) Genehmigungsvorbehalt; -erklärung 2 (12 ff.), 2 (23 ff.), 5 (6) Gesamtschäden ! Sachwalter Gesellschafter/-versammlung 1 (12), 6 (27), 6 (30), 6 (37 ff.) Gesellschaftsorgane, Gesellschaftsrechtliche Organträger 6 (3 ff.) – Austausch 6 (12), 6 (43 ff.) – Entscheidungsbefugnisse 6 (26 ff.)

160

Sachverzeichnis

– Genossenschaft 6 (16) ! „Holzmüller“-Grundsätze ! Receivership Gesellschaftszweck – Änderung 6 (34) ! „Holzmüller“-Grundsätze Gläubiger 1 (1), 1 (4), 1 (12), 1 (20), 2 (28), 3 (38 ff.), 5 (5) – Antragsbefugnis 2 (33) – Absonderungsberechtigte 1 (23), 1 (28), 2 (24), 3 (41), 3 (46), 5 (5), 6 (2), 6 (37), Zusf. (6) – Aussonderunsberechtigte 1 (23), 1 (28), 2 (24), 3 (41) – Letzteinscheidungsbefugnis der Anordnung der Eigenverw. 3 (43 ff.), 3 (48 ff.), 4 (7), 4 (20), 6 (24) – nachrangige 5 (5) – Nachteilsbegriff 3 (40), 3 (45), 4 (4), 4 (7), 4 (22 ff.), 4 (26 ff.), 4 (34 f.), 5 (8 ff.), 6 (28), Zusf. (5) – Risiken Zusf. (1 f.) – Gläubigerverzeichnis 4 (6a) – Zustimmung 1 (12), 4 (7) Gläubigerausschuss 3 (41), 5 (2), 5 (6 ff.) Gläubigerautonomie/-selbstverwaltung 3 (38 ff.), 3 (45), 4 (2), 4 (31), 5 (1 ff.) Gläubigerschutzverband 5 (2) Gläubigerversammlung 1 (44), 3 (41 ff.), 3 (46 f.), 5 (6 ff.), 6 (27 ff.) – Beauftragungskompetenz 3 (8) – Einwirkung auf den Sachwalter 5 (7) Gleichbehandlungsgrundsatz 1 (48) ! par conditio creditorum Haftungsverwirklichung, -ordnung Einl. (2), Einl. (11), Einl. (20), 2 (29), 4 (9) Haftungsfond 2 (6 ff.), 2 (15) Hauptversammlung 6 (27) „Holzmüller“-Grundsätze 6 (32 ff.) – gesellschaftsrechtliche Organträger 6 (3), 6 (11 f.)

Insolvenzanfechtung – Anfechtungsrechtliche Rückabwicklung 1 (3) – Befugnis des Sachwalters 4 (17) Insolvenzantrag – Eröffnung des Insolvenzverfahrens 1 (17), 6 (20) – Eröffnung des Ausgleichsverfahren 1 (27) Insolvenzgericht 2 (14), 5 (5), 6 (5 ff.) – Aufsicht 4 (2), 4 (14) – Schaffung von Fakten 3 (48 ff.) – Stimmrechtsentscheidung 5 (5) Insolvenzmasse 4 (6a), 6 (16) ! Konkursmasse Insolvenzplan 1 (12), 6 (27), 6 (35), Zusf. (3) – Funktionen 3 (5) – gekoppelt an die Eigenverwaltung Einl. (12), 3 (7), 3 (10), 4 (1), 4 (34 ff.), 6 (1), 6 (8), 6 (27) – Liquidationsplan Zusf. (3) – prepackaged plan 3 (3) – Sanierungsplan 3 (1), 4 (1) Insolvenzplanverfahren – Akzeptanz 3 (5) Insolvenzverwalter Einl. (25), 3 (23), 5 (5), 6 (6), 6 (34), 6 (47) Kirch Media AG 3 (14), 4 (27), 6 (4), 6 (12), 6 (17 ff.) Konkursbeschlag 1 (16), 2 (8), 3 (42) Konkursgericht – Aufgaben 2 (12 ff.), 2 (37 f.) – Beschluss des 2 (33 f.) – Zustimmung 2 (13), 2 (22) Konkursmasse Einl. (32), 1 (16), 1 (26), 2 (10), 2 (15 ff.) konstitutionelle Rahmenbedingung Einl. (27 ff.) Kontokorrentverhältnis 2 (21) Kosten Einl. (9), Einl. (23), 1 (1), 1 (4), 3 (44 ff.), 6 (23), 6 (47), Zusf. (1)

Sachverzeichnis Kreditsicherungsmittel ! Floating charge Kündigung 2 (20) – von Arbeitsverträgen 4 (19) Liegenschaften 2 (30) Liquidation Einl. (24), 1 (9), 1 (16), 1 (20), 2 (37 ff.), 3 (1 ff.), 6 (12), 6 (29) Lizenz 4 (27) Masseverwalter Einl. (6), Einl. (25), 2 (6 ff.), 2 (28), 5 (2) – Bestellung 2 (10 ff.), 2 (27), 2 (34 ff.) – Kündigung durch den 2 (20) – Zuweisung von Befugnissen 2 (30 ff.) Masseunzulänglichkeit – Anzeige 4 (15) Mindestquote 1 (15), 3 (1), 3 (18), 4 (33), Zusf. (3) Mobilcom AG 3 (14) Obstruktionsverbot ! absolute priority rule 1 (12) Organschaftliche Vertretung der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft 6 (12 ff.) Organtheorie (modifizierte) 2 (6), 2 (15) par conditio creditorum 1 (30), 1 (48) Planänderungen ! Insolvenzplan prepackeged plan 3 (9) Privatkonkurs Einl. (8), 1 (21), 2 (2 ff.), 2 (15 ff.), 2 (26a ff.), 4 (23a), 4 (34), 6 (15), Zusf. (3) Prozessführungsbefugnis 2 (26 ff.) Receivership Einl. (13), 6 (17 ff.) Rechtsmittel des Schuldners 5 (9), 6 (48 ff.) Reform, -diskussion Einl. (10), Einl. (18), 3 (14) Reformgesetzgeber 3 (5), 3 (17), 3 (25), 4 (1 ff.), 6 (13)

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Reorganisation Einl. (24), 1 (1 ff.), 1 (12), 3 (1 ff.), 3 (20 ff.) Reorganisationsplan ! Insolvenzplan reorganization plan 1 (9 ff.) reorganization proceeding 1 (5) Restschuldbefreiung Einl. (2), 1 (30), 2 (3), 2 (24), 2 (36) Sachwalter 3 (8), 3 (14), 3 (32), 4 (2), 4 (6), 4 (18 ff.), 5 (6), 6 (9), 6 (43 ff.) – Anfechtung 4 (16) – Befugnisse 4 (13 ff.) – Bestellung 4 (13) – Betriebsverfassungsrecht 4 (19) – Einwendungen gegen Verteilungen durch den Schuldner 4 (17) – Gesamtschäden 4 (16) – Prüfungspflicht 4 (17) – Widerspruch 4 (18) – Zustimmungsvorbehalt 4 (18) Schicksalsfrage des Konkurses Einl. (25) Schuldenbereinigung ! discharge 2 (1) Schuldenregulierungsverfahren 2 (10) Schuldnerschutzrecht 3 (8) Schuldner/eigenverwaltender 3 (1), 3 (8) – Anhörung 5 (9) – Berichtspflicht 4 (36) – geeignet zur Eigenverwaltung 2 (29), 3 (1 ff.), 4 (23b ff.), 6 (9) – partei- und prozeßfähiger 1 (25), 1 (43 ff.) – Prozeßführungsbefugnis 2 (26 ff.) – Rechtsbehelfe bei Ablehnung der Anordnung der Eigenverwaltung 6 (48 ff.) – Rechtsstellung 3 (19 ff.) – Reichweite der Befugnisse 2 (21 ff.), 2 (25 ff.), 4 (6), 4 (14 ff.), 6 (27) – Reoganisationsbereiter, -fähiger, -würdiger 1 (1), 1 (28) – Überschaubarkeit seiner Verhältnisse 3 (1) – Verfahrensrechtliche Pflichten 5 (6 ff.) ! als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten

162

Sachverzeichnis

Sicherungsabrede 6 (19) Sicherungsgut – Verwertung durch den eigenverwaltenden Schuldner 3 (10), 4 (18) – Wertverfall 1 (10) ! Lizenz Sicherungszession 4 (27) Sondervermögen 1 (16 f.), 1 (26), 2 (6), 2 (15) ! Insolvenzmasse; Konkursmasse Treuhänder 2 (2) Treuhandanstalt ! Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) Treuhandunternehmen 3 (9) trustee 1 (1), 1 (7 ff.), 2 (2), 5 (3) Überschuldung 1 (27), 1 (51) Ungleichbehandlung 1 (4) Universalexekution Einl. (14) Unternehmensinsolvenz 2 (1), 2 (5), 2 (37), 6 (9 ff.), 6 (15) Unternehmensreorganisationsgesetz (URG) Einl. (31), 1 (16), 1 (39), 6 (15) Unternehmenssanierung, -beaufsichtigte 3 (8) Verbraucherinsolvenz Einl. (7), Einl. (33), 2 (2) – Einführung der Eigenverwaltung in der deutsche Recht 1 (54) Verfügungsbefugnis – Bildung einer Konkursmasse 2 (15 ff.) – des Schuldners im Privatkonkurs 2 (6), 2 (10 ff.) – konkursgerichtliche Aufsicht 2 (12 ff.)

Verfügungsbeschränkungen 4 (10), 4 (12) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 3 (20 ff.), 3 (26 ff.), 3 (30 ff.), 3 (34 ff.), 3 (48), 4 (1a f.), 4 (22), 4 (30), 6 (54) Vermögensbeschlag 1 (16b), 4 (6), 4 (9), 4 (22) Vermögensliquidation ! Liquidation Vermögensübersicht 4 (6a) Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis Einl. (1 f.), Einl. (32), 1 (16 ff.), 1 (32), 2 (6), 2 (10 ff.), 2 (21 ff.), 2 (25), 3 (17), 3 (32), 4 (10 ff.), 6 (28) – in Abhängigkeit vom Insolvenz-/Konkursgericht 2 (14), 2 (18), 2 (22 ff.), 2 (32 ff.) – Entzug 2 (15), 3 (24), 3 (27 ff.), 5 (3), 6 (54) Verwertungsbefugnis 2 (37), 3 (10), 4 (19), 4 (27) Verzeichnisse 4 (6a) – der Gläubiger 4 (6a) – Massegegenstände 4 (6a) ! Vermögensübersicht vorläufige Verwaltung 3 (24), 4 (32) Zahlungsplan im Privatkonkurs 2 (3), 2 (37) Zahlungsunfähigkeit 1 (27), 1 (51) ! drohende Zahlungsunfähgigkeit Zugriffsbeschränkung 3 (4) Zwangsakkord – dän. Konkursloven 1 (30 ff.) Zwangsliquidation ! Liquidazione coatta ammistrativa 1 (36) Zwangsversteigerung (öst. Exekutionsverfahren) 2 (38 f.) Zwangsverwaltung 1 (1), 2 (38)