Marktanteilshaftung: Rechtsvergleich und Alternativen im US-amerikanischen und deutschen Recht [1 ed.] 9783428467112, 9783428067114


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German Pages 154 Year 1990

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Marktanteilshaftung: Rechtsvergleich und Alternativen im US-amerikanischen und deutschen Recht [1 ed.]
 9783428467112, 9783428067114

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Karsten Otte · Marktanteilshaftung

Schriften zum Internationalen Recht Band 45

Marktanteilshaftung Rechtsvergleich und Alternativen im US-amerikanischen und deutschen Recht

Von

Dr. Karsten Otte

Duncker & Humblot · Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Otte, Karsten: Marktanteilshaftung: Rechtsvergleich und Alternativen im OSamerikanischen und deutschen Recht I von Karsten Otte. Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Schriften zum Internationalen Recht; Bd. 45) Zug!.: Köln, Univ., Diss., 1988 ISBN 3-428-06711-8 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-06711-8

Vorwort Die Arbeit lag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln im Sommersemester 1988 als Dissertation vor. Bis April 1989 veröffentlichte Rechtssprechung und Literatur wurden soweit möglich noch berücksichtigt. Der Wilhelm-Westhaus-Stiftung danke ich für die freundliche finanzielle Unterstützung bei der Drucklegung des Werkes. Mein besonderer Dank für vielfältige Anregungen und Förderung gilt an dieser Stelle meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Alexander Lüderitz. Rösrath, im April 1989 Karsten Otte, M.C.J.

Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung

... ....... .... .............. ... .... .... ....... ... . .....

15

I. Einführung

17

II. Die Marktanteilshaftung als Wende 1980

18

A. Vorgeschichte- Die Fakten ........... .. .................. . .... .

18

B. Das Kausalitätsproblem

20

C. Die Entscheidung von Sindell v. Abbott l..ab's . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

III. Haftungsbegründende Kausalität der Schädigungshandlung im Wandel

23

A. Alternative Haftung (Alternative Liability)

23

B. Gemeinsames Handeln (Concert-of-action)

24

C. Branchenhaftung (Enterprise Liability)

26

D. Ablehnung einer Haftung in pre-Sindell Fällen

27 . .......... . . . .. . .

28

N. Vergleich der Kausalitätstheorien mit der Marktanteilhaftung ....... . . . . .

30

E. Anwendung traditioneller Theorien auf DES-Fälle

A. Alternative Liability

30

B. Concert-of-action .. . . . . .. .. . .. .... . . . . ... . . . . . . .... . .... .. .... . .

31

C. Enterprise Liability

31

D. Analyse von Sindell

32

V. Anwendungsbereich .. . ... .. . .................. . ..... ............ . .

38

A. Allgemeines .. ... . .. . . . .. . .... ... ........... . . ... ............. .

38

B. Anwendungsprobleme

39

1. Materiellrechtliche Probleme ....... . ........ . ................. .

a) Fungibilität

39

...... .... .. . ............ . . . . . ............... . .

39

b) Marktbegriff ...... . . . ..... .. . ............ . ... . ............ . aa) Einsatzart von DES . . . ... . .. .......... . . . .. . ...... . .... . bb) Geographische Reichweite des Marktes .... .. . ..... .. . .. . . . cc) Zeitlicher Rahmen

40 40 41 42

8

Inhaltsverzeichnis c) Zugänglichkeit von Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

d) Unproportionale Schadensliquidation

44

e) Anwendung der Marktanteilshaftung auf die gesamte Vertriebskette 45

0 Allgemeine Praktikabilität (policy reasons) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Prozessuale Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

a) Beweisverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

b) Jurisdiction und staatenweise Übermaßhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

VI. Fallrecht nach Sindell

53

A. Einführung .......... . . . ..... . ......... . ... .. ... . ........ .. ... .

53

B. Bekenntnisse zur Market-Share-Liability

. ... ... .. ..... . . . ... . . .... .

53

C. Ablehnung der Market-Share-Liability ... .. .... . ........ . ... ... ... .

55

D. Wandlungen des Modells Sindeil in Voraussetzung und Rechtsfolge

56

.. .

I. Das Modell Collins (Wis.): risk-contribution-theory

56

2. Das Modell Martin (Wash.) : market-share-altemate-theory

. . ... ... .

3. Das Modell Murphy (Calif.): Präzisierung des substantial share E. Versuche einer sachlichen Ausdehnung der Market-Share-Liability

59 61

62

I. Impfstoff-Fälle ................. . .. . ................... .. . ... .

62

2. Multi-piece tire rirn Iitigation .................. . ......... .. . ... .

64

3. Zellenbrand-Fall

65

4. Asbest - Verschiedene Wirkweise und Kumulation

........ . .. . . .

66

a) Allgemeines ..... . .. . ...... ... .... . ..... . ... . ... . ... .. .. . . .

66

b) Das Identifikationsproblem ............ . ..... .. ........ . .. . . .

66

c) Fälle .......... . ... ............ . . . ........ . ........ . . . . . . .

67

aa) Pro MSL .... .. . .. ............... . . .... ............. . . .

67

bb) Contra MSL . .. ... .. .. . .... .......... .. ........ . . .. . . . .

68

d) Anteilsberechnung im Wellington-Abkommen

69

e) Quotelungsversuch

70

5. Grenzfall Deponiegifte

73

Vll. US-Gesetzgebung und Gesetzentwürfe (bis Ende 1986) . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

A. UPLA von 1979 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

B. Einzelstaatliche Reformen nach dem UPLA 1979

78

9

Inhaltsverzeichnis C. UPLA-Reformentwürfe 1981 - H. R. 5214 und S. 2631

80

D. Report der Tort Policy Working Group 1986

82

I. Einzelstaatliche Reformen

........ ........ ....... .... ....... ...

2. Bundesreformentwürfe 1986

83

a) Enwurf "Kasten" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entwurf "Danforth"

83 83

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

c) Syntheseentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Aussichten im US-Recht

VIII. Die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland

86 86

....................

88

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

B. Die Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

I. Europäische Richtlinie 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

2. Deutsches Recht

... ... ......................... .... .. ..... ...

90

a) Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

b) Anwendung von §830 I2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

aa) Von § 830 I 2 BGB erfaßte Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

bb) Anwendbarkeit von §830 I2 BGB aufDES-Fälle . . . . . . . . . . . . aaa) Analoge Anwendung des §830 I2 BGB auf Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Beteiligung - Problem bei latenten Massenverletzungen aaaa) Reichsgericht - Unternehmensbeteiligung bbbb) Neuere Rechtsprechung- Gleichartigkeit der Gefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cccc) Literatur - Einschränkung des Beteiligungsbegriffs a) Einheitlicher Vorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ß) Subjektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . y) Einheitlicher Vorgang entbehrlich . . . . . . . . . . . . ö) Sorgfaltspflichtverstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Konkretisierte, gleichartige Gefahr . . . . . . . . . . . dddd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eeee) Verzicht auf Beteiligung- Das Modell von§ 22 WHG im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ffH) Nebentäterschaft als Haftungsgrund? . . . . . . . . . . .

93

c) Rechtsfolge -

Kritik an der Gesatmtschuldanordnung

aa) Haftungsfortfall bei Rechtfertigung eines Haftenden?

93 95 96 98 99 100 100 101 102 102 104 106 107 108

. . . . . . . . 109

bb) Alternative Opferschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 cc) Besondere Regelung des Innenverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . 112

10

Inhaltsverzeichnis d) Alternativen der Haftungszurechnung und Anspruchsbegrenzung

112

aa) Beweislastumkehr bei überwiegender Wahrscheinlichkeit . . . . . 112 bb) Anwendung des Gedankens von § 2'67 ZPO?

. . . . . . . . . . . . . . . 113

cc) Verursachungswahrscheinlichkeit als eigenes Zurechnungsmerkmal ......... .. . .. ............. . . . ............... .... . 115 IX. Lösungen des Haftungsdilemmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 A. Vorschlag 1: Staatshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

1. USA

122

2. Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) §839 I BGB, Art. 34 GG

............. .. ................ . .... 124

b) Enteignungsgleicher Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 B. Vorschlag 2 : Ad hoc- gesetzgebensehe Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Einzelstaatlich -

USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

2. Bundeseinheitlich -

USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

3. Toxic Tort Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 4. Vor- und Nachteile

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

C. Vorschlag 3: Selbstsicherung und Selbsthilfe der Branchen 1. Versicherung im Umlageverfahren

2. Brancheneigener Fond

. . . . . . . . . . . 131

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

133

3. Parallelen 4. Vor- und Nachteile

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

D. Vorschlag 4: Branchenübergreifender Fond

135

X. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Gerichtsentscheidungen Literaturverzeichnis

139

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

Abkürzungsverzeichnis (Für deutsche Abkürzungen siehe Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, Berlin 1983; für amerikanische Abkürzungen siehe ,A Uniform System ofCitation' von der Harvard Law Review Association.) A.(2d) a.A. a.a.O. A.B.A.J. A.B.L.J. AcP A.D. Ala. A.L.R. alt.liab. Am.Jur.2d Anm. App. App.Div. AtG AZ BB Bd. betr. BGB BGHZ BlmSchG BR BR-Dr. BT BT-Dr. CaI. Cai.App. Cai.Rptr. CCH CERCLA cert. Cir. Colo. Comp. Cong.Rec. Conn. Ct. D. D.(S.C.)

Atlantic Reporter (Second Series) anderer Ansicht am angegebenen Orte American Bar Association Journal American Business Law Journal Archiv für die civilistische Praxis Appelate Division Reports Alabama American Law Reports alternative Iiability American Jurisprudence (second series) Anmerkung Appeal Appellate Division Atomgesetz Aktenzeichen Betriebsberater Band betrifft Bürgerliches Gesetzbuch Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesimmissionsschutzgesetz Bürgerliches Recht Bundesrats-Drucksache Bundestag Bundestags-Drucksache California; auch California Reports California Appelate Reports (West's) California Reporter Commerce Clearing House Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act certiorari Circuit Colorado oder Colorado Reports Company Congressional Record Connecticut Court District Court Distriel (of South Carolina)

12 DAJV Dei. Dept. d.h. Diss. Div. DRiZ dt. ebd. E.D. eds. Eng.Rep. et. al. F.2d FDA Fed.Reg. Fla. Fn. F.R.Civ.P. FS FStrG F.Supp. Ga.L.R. Gen.Stat.Ann. HDI H.R. 85, 96th Cong. 2d session (1980) Hrsg. id. Ill. Ill. App. lnc. JBI. JPL JR JuS JW JZ Ky. La. Lab's LM L.R. Mass. MDR Mich. Mich. App. MK-Bearbeiter Mo. msi./MSL mwN N.C.L.Rev. N.D. N.D.Cent. Code

Abkürzungsverzeichnis Deutsch-Amerikanische Juristenvereinigung Delaware Department das heißt Dissertation Division Deutsche Richterzeitung deutsch eben da East Distriel editors English Reports und andere Federal Reporter (second series) Federal Drug and Food Administration Federal Register Florida Fußnote Federal Rules of Civil Procedure Festschrift Fernstraßengesetz Federal Supplement Georgia Law Review General Statutes Annotated Haftpflichtverband der Industrie numerierter Gesetzentwurf des House of Representatives im 96. Kongress Herausgeber ebendort Illinois Reports Illinois Appelate Court Reports Incorporated Juristische Blätter Journal of Products Liability Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kentucky Louisiana oder Louisiana Reports Laboratories Lindemeier Möhring, Nachschlagewerk des BGH Law Revie Massachusetts oder Massachusetts Reports Monatsschrift für deutsches Recht Michigan Michigan Appeals Reports Münchner Kommentar Montana market share liability mit weiteren Nachweisen North Carolina Law Review North Distriel oder North Dakota North Dakota Century Code

Abkürzungsverzeichnis N.E. N.H. N.J. N.J.Super. NJW Northwestern U.L.R. NuR N.W. N.Y.S. p. P.2d Pa. PHI RCRA repr. Rest. Rev.Stat. RGRK-Bearb. RGZ R.I. RIW Rz. S. 1480, 96th Cong., 2d session (1980) S.Ct. S.O. So. SR Stat. Tbd. Tenn. Tex. The Nat.L.J.

u.c.c.

U.I.L.R. UPLA UPR

u.s.

U.S.C. U.S.C.A. V.

VersR vgl. Warn. Wash. W.D. WHG Wis.

ZfW

ZIP zit. ZRP ZVgiRWiss. ZZP

N ortheastern Reporter New Hampshire New Jersey Reports New Jersey Superior Court Reports Neue Juristische Wochenschrift Northwestern University Law Review Natur und Recht .Northwestern Reporter (West's) New York Supplement page Pacific Reporter (second series) Pennsylvania Produkthaftpflicht International Resource Conservation and Recover Act reprinted Restatement Revised Statutes Reichsgerichtsrätekommentar Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rhode Island Recht der Internationalen Wirtschaft Randzeichen Gesetzentwurf des Senats im 96. Kongress Supreme Court oder Supreme Court Reporter South District oder South Dakota Southern Reporter Schuldrecht Statutes Teilband Tennessee Texas oder Texas Reports The National Law Journal Uniform Commercial Code University of Illinois Law Review Uniform Products Liability Act Umwelt- und Planungsrecht United States Reports United States Code United States Code Annotated versus (gegen) Zeitschrift für Versicherungsrecht vergleiche Warneyers Jahrbuch der Entscheidungen Washington oder Washington Reports West District Wasserhaushaltsgesetz Wisconsin oder Wisconsin Reports Zeitschrift für Wasserrecht Zeitschrift für Insolvenzpraxis zitiert Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozeß

13

Vorbemerkung Kann der durch ein Produkt an Eigentum und Gesundheit Geschädigte seinen Schaden auch dann liquidieren, wenn zwar das schädigende Produkt bekannt ist, nicht aber der betreffende Hersteller unter einer Vielzahl von Herstellern des gleichen Produktes? Die gleiche Frage stellt sich bei Emittenten einer Giftsubstanz. Wie, wenn gar das schädigende Produkt (Giftsubstanz) selbst unbekannt ist? Deutsches wie amerikanisches traditionelles Produkthaftpflichtrecht geben auf der Basis des Rechts der unerlaubten Handlungen (tort) eine verneinende Antwort. Deutsches Recht stellt hohe Anforderungen an das Beweismaß: es sieht den Kausalitätsnachweis i.d.R. nur bei voller richterlicher Überzeugung als geführt an, die sich erst bei einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von persönlicher Gewißheit einstellt, welche vernünftige Zweifel, nicht aber die rein gedankliche Möglichkeit der Unwahrheit ausschließt 1 • Dies mag bei persönlicher Gewißheit von sehr hoher Wahrscheinlichkeit der Fall sein erleichtert durch den Anscheinsbeweis 2 • Weniger streng noch ist die gleichgeartete und zunehmend in Bewegung geratene amerikanische preponderante-ofthe-evidence rule 3 • Im übrigen sind Beweislastumkehr und Kausalitätsvermutung in beiden Rechten gar bestimmten Fallgestaltungen vorbehalten4 • Das Problem brennt auf den Nägeln. Flächendeckende Belastung mit Radioaktivität, deren genaue Herkunft oft aber unbekannt ist (Tschernobyl und andere Quellen), plötzlich allerorts entdeckte Giftsubstanzen in Luft, Wasser und Boden (Dioxin), Waldschäden, durch eine Kette von Industrieunfällen unentwirrbar verseuchte Flüsse und mit AIDS-Viren verseuchte Blutgerinnungsmittel haben die Bundesrepublik allein in den Jahren 1986/87 aufgeschreckt. Parallel zu diesen Umweltgefahren tickt eine vergleichbare Zeitbombe in der ,normalen' Warenherstellung. Eine schon 1980 hierzu ergangene grundlegende Entscheidung des Supreme Court of California 5 aus dem Pharmabereich hat unter Verzicht auf den zum BGH NJW 1970, 946; DRiZ 1967, 239; 1969, 53. BGH VersR 1957, 252; vgl. Maassen, Diss., 16ff., 32ff.; Beweislast bei dem, der weniger Wahrscheinlichkeit behauptet, Kegel, FS Kronstein, 321 ff., 338, 343. 3 Dazu Rosenberg, 97 Harv.L.Rev. 849ff., 863ff.; Maassen, Diss., 39-51. 4 Zur Beweislastumkehr im dt. Produkthaftpflichtrecht BGHZ 51, 91 ff.; 59, 303, 309; 73, 220; 80, 186, 191; 85, 47; Maassen, Diss., 59ff., 86-125, 145-152; vgl. Rest, Luftverschmutzung, 75, 76, 95. 5 Sindeil v. Abbott Laboratories, 163 Cai.Rptr. 132, 607 P, 2d 924, 26 Ca!. 3d 588. 1

2

16

Vorbemerkung

individuellen Hersteller führenden Kausalitätsbeweis im Ergebnis zu einer Haftung für wahrscheinliche Schadensverursachung und damit zu einer enormen Haftungsausweitung geführt. Der Hersteller soll auch nicht mehr gesamtschuldnerisch, sondern nach außen pro rata gemäß eigenem Marktanteil- dem einzig feststellbaren Merkmal - haften. Das Gericht hat dabei nochmals versucht, das in der Industriegesellschaft wachsende Problem einer anonymen, unter Umständen massenweisen Schädigung auf der Grundlage des Privatrechts mit einer Beweislastumkehr in den Griff zu bekommen und hat zu diesem Zweck gar ein neues Beweismaß entwickelt. Die seither in Gang gekommene wissenschaftliche Diskussion und die Fortführung dieser verbraucherfreundlichen Rechtsprechung in einzelnen OS-Bundesstaaten hat erst im Laufe der Jahre exakt Vor- und Nachteile dieser ,Marktanteilshaftung' erkennen lassen. Bis heute kann nicht gesagt werden, daß sich dieses Konzept als gleichsam letzte privatrechtsdogmatische Konstruktion durchgesetzt hat. Das Problem blieb: das strikte Postulat eines Kausalitätsbeweises führt zu einem Haftungsdilemma, das angesichts wachsender Produktion und größeren Handels eine schnelle Lösung erfordert. Seit Sindeil sind im amerikanischen Produkthaftungsrecht nur vereinzelt brauchbare Alternativen entwickelt worden, ohne daß sie aber auch für die so bedeutenden Umweltschäden verallgemeinerungsfähig wären. Die vorliegende Arbeit untersucht Ursprung, Inhalt und richterrechtliche wie gesetzgeberische Reaktion auf die Marktanteilshaftung bzw. auf das grundlegende Problem von anonymen Massenverletzungsfällen. Mit Blick auf diese hinter der Produkthaftung liegende Dimension hat sie zum Ziel, Lösungsansätze im deutschen Recht de lege lata und de lege ferenda zu untersuchen und ausgehend von den OS-amerikanischen Erfahrungen eine einfügbare Lösung zu entwickeln.

I. Einführung Nach amerikanischem law oftorts (Recht der unerlaubten Handlung) hat der Geschädigte einen Schadensersatzanspruch gegen Hersteller und Händler eines Produkts grundsätzlich erst dann, wenn er beweist, daß das dem Anspruchsgegner zuzuordnende Produkt defekt war und er dadurch geschädigt wurde. Die doppelte Kausalitätsbeziehung (cause in fact) zwischen Verletzung und schädigendem Produkt einerseits bzw. Herkunft des Produkts vom Hersteller/Händler andererseits muß dabei eindeutig feststehen 1 • Wie im deutschen Recht 2 kann zwar der Verschuldensnachweis (breach of duty of care) in besonderen Fällen durch eine Beweislastumkehr (res ipsa loquitur)3 entfallen oder bei Gefährdungshaftung (strict liability) vollends obsolet 4 werden. Auf den Nachweis der zum individuellen Schädiger führenden Kausalitätsbeziehung wurde bisher aber nur dann verzichtet, wenn bestimmte Umstände mehrere in Frage kommende Schädiger derart in einer Nähebeziehung erscheinen ließen, daß sie gleichsam als Beteiligte eines zusammenhängenden Vorgangs oder als Ausführende eines gemeinsamen Planes ihrerseits das Beweisrisiko trugen und daher hafteten. Dies war so bei alternativer Kausalität 5 • Soweit darüber hinaus auch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Schädigung durch eine bestimmte Substanz als ausreichend angesehen wird 6 , geschieht dies bislang nur bei besonderer Nähe zu einem bekannten potentiellen Verursacher.

1 Allg. Prosser, Handbook ofTorts, § 41, S. 236-244, § 103, S. 656, 671f.; HurshfBailey, Products Liability, Bd. 1, § 1:41, S. 125; ProsserfKeeton, Torts, 263ff., 269ff., 713. 2 Ausgehend von BGHZ 51, 9lff. (Hühnerpest). 3 Für Produkthaftung erstmals in Escola v. Coca Cola, 24 Ca!. 2d 453, 150 P. 2d 436 (1944). 4 Greenman v. Yuba Power Products, 59 Ca!. 2d 57, 377 P. 2d 897, 27 Cal.Rptr. 697 (1962); Comment, 52 Mississippi Law Journal199, 204; Epstein, 56 N.C.L.Rev. 643, 647. 5 Zu dieser alternative liability, concerted action theory und enterprise liability siehe unten III. A. -C. 6 Allen v. United States, 588 F.Supp. 247 (D. Utah 1984); Radioaktivität von bestimmtem US-Atombombentestgelände; Kehm v. Proctor & Gamble, 724 F.2d 613 (8th Cir. 1983): ,Toxic shock syndrome' (1980: 213 Fälle, 16 Todesfälle), die auf die Benutzung von Carboxymethylcellulose-haltigen Tampons (im übrigen auch im einzelnen unbekannter Hersteller) zurückgeführt wurde.

2 Otte

II. Die Marktanteilshaftung als Wende 1980 Einen Wendepunkt dieser Rechtsprechung zu Kausalitätsfragen markiert seit 1980 die Entscheidung des Supreme Court of California in Sindeil v. Abbotts Laboratories 1 . A. Vorgeschichte - Die Fakten 2

In Sindeil v. Abbott Laboratories war die mit der späteren Klägerin schwangere Mutter mit künstlich hergestelltem Östrogen DES (Diethylstilbestrol, engl.) 3 behandelt worden, um die Schwangere gesundheitlich zu stabilisieren und eine Fehlgeburt zu vermeiden. Nachweislich als Folge der pränatalen Einwirkung von DES erkrankte die Klägerin rund 20 Jahre später an einem bösartigen Blasentumor, der eine operative Entfernung erforderte, sowie an Adenosis, glandularen Wucherungen in der Vagina, die als Vorstufe von Krebsgeschwulsten angesehen wurden und daher ebenfalls beseitigt werden mußten 4 • Als sichere Ursache konnte erst in den siebziger Jahren DES ausfindig gemacht werden. Die genaue Herkunft des jeweils eingenommenen, DES enthaltenden Präparates konnte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ermittelt werden. Zwischen 1941 und 1971 war DES von etwa 300(!) pharmazeutischen Herstellern und Händlern produziert bzw. vertrieben worden. Der Stoff war nicht patentiert und später auch nicht mehr zulassungsbedürftig, so daß besonders viele Firmen an seiner Herstellung beteiligt gewesen waren 5 • 1937 entwickelt, war es 1941 von der für Arzneimittel zuständigen Bundesbehörde, der Federal Food and Drug Administration (FDA) erst für einige Behandlungsarten zugelassen worden 6 • Auf Anregung der FDA hatten die 163 Cai.Rptr. 132, 607 P.2d 924, 26 Cal.3d 588. Zur Vorgeschichte insbesondere Comment, 46 Fordham L.R. 963-1007; Campion, 2 The Review ofLitigation 171-196; Delgado, 10 California L.R. 881-908; Dworkin/Zollers, 19 A.B.L.J. 523-538; Hirsch, 12 Environmental L.R. 317 -361; Murray , 69 California L.R. 1179-1203; RobertsfRoyster, 16 Akron L.R. 447 -470; Stewart, 14 Indiana L.R. 695-725; Taylor, 8 Pepperdine L.R. 1011-1043; Note, 76 Northwestern U.L.R. 300-330. 3 Deutsch: DÄS Diäthylböstrol. 4 Betr. den Nachweis siehe auch Ferrigno v. Eli Lilly & Co., 420 A.2d 1305, 1312, 175 N.J. Super. 565; Sindell, 163 Cai.Rptr. 133, 134 und Herbst, Ulfeder & Paskanzer, 284 New England Journal of Medicine 878 (1971). 5 Comment, 46 Fordham Law Review 963. 6 Nach§ 505 Federal Food, Drug and Cosmetic Act, 52 Stat. 1040 (1938), as amended, 21 U.S.C. § 355(b) (1976) war eine New Drug Application vom Hersteller zu stellen, 1939 erstmals für "post-menopausal symptoms, senile vaginitis etc.". 1

2

A. Vorgeschichte- Die Fakten

19

Hersteller 1941 einen Ausschuß gebildet, der die FDA mit allen verfügbaren Informationen und Erkenntnissen über DES versorgen sollte. Die Hersteller hatten dem "United States Pharmacopeia Standard" als Herstellungsrichtlinie zu folgen, so daß alle aktiven Ingredienzien der DES-Produkte gleich waren. Schließlich war eine einheitliche Aufschrift von Dosierung und üblicher Warnung vor Gesundheitsrisiken für den einnehmenden Patienten vorgeschrieben. Zur Behandlung von drohenden Fehlgeburten wurde DES erst 1947 freigegeben, nachdem unabhängige Forschungsgruppen diese neue Verwendbarkeit festgestellt hatten. Im Jahre 1952 erfolgte dann die Zulassung als allgemein für sicher befundenes Medikament gemäߧ 201 (p) des Federal Food, Drug and Cosmetic Act von 1938, was nun zusätzlich einer Vielzahl von Produzenten ermöglichte, auch ohne Zulassungsantrag (New Drug Application) mit DES-haltigen Präparaten auf den amerikanischen Markt zu kommen. Zweifel an der Wirksamkeit von DES zur Verhinderung von Fehlgeburten tauchten schon früh auf, bestätigt durch die Einstufung als nur "möglicherweise wirksam" durch die National Academy of Seiences - National Research Council (NAS-NRC). Forschungsberichte über die krebserzeugende Wirkung hoher DES-Dosen an Primärpatienten hatten schon lange vorher vorgelegen. Als sich durch Laborversuche dann die Beweise häuften, daß DES eine Gefahr auch für das ungeborene Leben darstellte und allgemein kanzerogene Wirkung hatte, wurde seine Zulassung 1971 von der FDA widerrufen 7 • Bis dahin waren jedoch schon schätzungsweise 500000 bis 2 Mio. schwangere Frauen mit teilweise hohen DES-Dosen behandelt worden. Auf den klaren wissenschaftlichen Nachweis der schädigenden Auswirkungen von DES hin wurden schon in den siebziger Jahren Hunderte von Klagen angestrengt, 1983 bis zu eintausend 8 • Vor dem Superior Court, Los Angeles, klagte Judith Sindeil gegen 11 ehemalige DES-Hersteller auf insgesamt elf Mio. $ Schadensersatz, nach Abweisung der Klage dann vor dem Supreme Court nur noch gegen fünf Pharmahersteller9 • Die Klägerin stützte ihre Klage hauptsächlich auf Gefährdungshaftung (strict liability)l0 , die in Kalifornien für alle Produkte gilt, die überhaupt ihrer Anlage nach oder unerkannt gefährlich sind. Den Kläger trifft danach nur noch die Beweislast hinsichtlich des Produktdefekts und seiner Kausalität für den erlittenen Schaden. Der Hersteller kann sich nur entlasten, wenn der Defekt für ihn nicht erkennbar gewesen war 11 • 7 RobertsfRoyster, 16 Akron Law Review 451; siehe zur Vorgeschichte auch instruktiv Ferrigno v. Eli Lilly,--> 420 A.2d 1310-1312. 8 Note, 94 Harvard Law Review 668, 669, Fn. 8. 9 Abbott Lab's, Eli Lilly & Co., E. R. Sqibb and Sons, Rexall Drug Comp., The Upjohn Comp.; andere hatten nachweislich kein DES in der fraglichen Zeit produziert, Sindell v. Abbott Lab's, 163 Cal.Rptr. 135 Anm. 4. 10 In Anlehnung an Greenman v. Yuba Power Products, Inc., 59 Cal. 2d 57, 377 P.2d 697 (1963). Daneben stützte sie sich auch auf violation of express und implied warranties, fraudulent representation, misbranding of drugs, conspiracy und Iack of consent, Sindell v. Abbott Lab's, 607 P.2d 926, 163 Cal.Rptr. 134.

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II. Die Marktanteilshaftung als Wende 1980

Warnungen vor Schäden an Folgegenerationen waren mangels Kenntnis unterblieben. Sindeil machte daher geltend, die DES-Hersteller hätten den Stoff vor Vermarktung wenigstens testen müssen und dann hernach warnen können. Die Beklagten hätten daher schon bei Herstellung und Vertrieb wissen müssen, daß DES zum eingesetzten Zweck in zweiter Generation krebserregend wirkte. Dies sei erkennbar gewesen. Insoweit schon damals mögliche Tests seien unterlassen worden 12 • In der Tat war ein entsprechender und in den frühen sechziger Jahren schon möglicher "Generationentest" 13 an Laboratorien mit DES vor der Vermarktung nie durchgeführt worden. Die Hersteller hatten sich - wie schon vor dem Verzicht der FDA auf das Zulassungserfordernis - in ihren Zulassungsanträgen auch später stets auf unabhängige Forschungsgruppen verlassen, die gleiches versäumt hatten. Außerdem hatten sie auf die entsprechende Sorgfalt schon auf dem Markt befindlicher Hersteller vertraut 14• B. Das Kausalitätsproblem

Kernproblem im vorliegenden Fall war die Zuordnung des konkret schädigenden Präparates zu seinem Hersteller 15 • Nichtunterscheidbarkeil der Sub11 Nach der in § 402 A des rechtsunverbindlichen Restatement (Second) of Torts festgeschriebenen Regel haftet der Hersteller eines unvernünftigerweise gefährlichen ("unreasonably dangerous") Produktes selbst dann, wenn er alle mögliche Sorgfalt in Produktion und Verkauf angewendet hat. Um aber dem das Risiko überwiegenden Nutzen bei unvermeidbar gefährlichen Arzneimitteln (unvoidable unsafe drugs) gerecht zu werden, werden gern. Comment k mit angemessener Warnung versehene Produkte als nicht defekt und unangemessen gefährlich eingestuft und soll der Hersteller gemäß Comment j zu§ 402 A bei ihnen nur dann haften, wenn er die Gefährlichkeit kannte oder hätte kennen müssen. (Comment k: Neue oder experimentelle Drogen unterfallen nicht der strict liability, wenn noch keine ausreichende Erprobungszeit bestand. Dies war hier aber nicht der Fall.) Zur neueren Tendenz vieler Gerichte, Comment k auf verschreibungspflichtige Arzneien generell anzuwenden und diese von der Gefährdungshaftung auszunehmen, Lüderitz, RIW 1988, 782-788. 12 Schon in Abel v. Eli Lilly, 94 Mich.App. 53,289 N.W.2d 20 (1980) und 418 Mich. 311, 343 N.W.2d 164 (1984), verweisen die Kläger aufumfangreiche Literatur seit 1947, die den Gebrauch von Hormonen mit kanzerogenen Effekten in Verbindung bringt. "General testing" (generationenweise) von Arzneien wurde aber erst nach den Thalidomid-Fällen in den frühen 60er Jahren eingeführt, so daß die Beklagten für die Zeit davor eine "state-ofthe-art defense" hatten. Der Fall von Sindeil spielt später. Vgl. Comment, 46 Fordham Law Review 971, 972, Fn. 25. 13 Ein Anspruch wegen pränataler Schädigungen besteht in allen US-Bundesstaaten außer Alabama; Chase, Annotation, 40 A.L.R.3d, § 3 (c) (1971). 14 So auch der Vorwurf in Payton v. Eli Lilly, 512 F.Supp. 1034, Bichler v. Eli Lilly, 79 A.D.2d 317, 322-23, 436 N.Y.S.2d 625, 629 (1981). Sindeil sprach eigentlich nur von Kennenmüssen wegen fehlender eigener Tests und von leichtfertigem Vertrauen auf die Tests anderer Hersteller, 608 P.2d 926, 163 Cal.Rptr. 133, 134. 15 Die eingenommene DES-Menge wirkte laut wissenschaftlicher Untersuchung schon bei einmaliger Anwendung kanzerogen - mithin ein Fall alternativer Kausalität, wenn die Patientin mehrfach ihr verschriebene DES-haltige Medikamente verschiedener Produzen-

C. Die Entscheidung von Sindeil v. Abbott Lab's

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stanz DES selbst, der DES-haltigen Präparate und die große Zahl ihrer Hersteller waren die Ursachen. Gesetzlich vorgeschriebene, gleiche Etikettierung machten die im Handel erhältlichen Medikamente schon äußerlich oft zum Verwechseln ähnlich 16 • Hinzu kam, daß die behandelnden Ärzte das Mittel gewöhnlich nur als "DES" und nicht unter der jeweiligen Handelsmarke verschrieben hatten, Apotheken daher die Rezepte mit dem gerade vorrätigen DES-Präparat bedienten 17 und Aufschluß über die Produktidentität von diesen Stellen später nicht mehr zu erlangen war 18 • Um über das Identifikationsproblem hinwegzukommen, berief sich die beweispflichtige Klägerin auf die schon anerkannten Theorien von alternative liability und concerted action theory sowie auf enterprise liability und machte geltend, die Beklagten hätten die o.g. Vertriebsgepflogenheiten gekannt oder zumindest kennen müssen. Sie hätten mithin beim Vertrieb zusammengewirkt, sich außerdem gegenseitig auf die Untersuchungen der anderen Hersteller verlassen und nur einen von der eigenen Branche gesetzten Sorgfaltsmaßstab gemeinsam beachtet 19 • C. Die Entscheidung von Sindell v. Abbott Lab's

Der Supreme Court leistete der Klägerin Hilfestellung und kehrte die Beweislast, den aktuellen Schädiger identifizieren zu müssen, um. Es reiche aus, wenn so viele Hersteller verklagt würden, daß sie alle zusammen als Inhaber eines insgesamt wesentlichen Marktanteils ("substantial market share") bei der Veräußerung von DES angesehen werden könnten. Denn dann bestehe eine entsprechend hohe Wahrscheinlichkeit, daß sich auch der wahreSchädigerunter den Beklagten befinde 20 • Diese Beklagten hafteten dem Kläger auf vollen Schadensersatz nur je mit zueinander entsprechend ihren Marktanteilen in Verhältnis gesetzten Teilen. Nach seinen Ausführungen soll jeder Beklagte von dem zugesprochenen Schadensersatz extern von vornherein nur einen Anteil zahlen, der so seinem Marktanteil entspricht 21 • Jedem Beklagten stehe der Gegenbeweis offen, DES zur fraglichen Zeit nicht produziert zu haben. Auf diese Weise werde jeder Beklagte belastet entsprechend der Wahrscheinlichkeit, das für die Verletzung der Klägerin kausale DES-Präparat hergestellt zu haben. Die ten eingenommen hatte, oder auch wenn zur einmaligen Verschreibung mehrere DESMedikamente zur Verfügung gestanden hatten. 16 Sindeil v. Abbott Laboratories, 163 Cal.Rptr. 134, 607 P.2d 926. 17 Sindell, ebd. 18 In Ryan v. Eli Lilly & Co., 514 F.Supp. 1004, 1008ff. (1981, S.D. South Carolina) wurde die Beweiserhebung nach drei Jahren ergebnislos abgebrochen. 19 Sindell, 163 Cal.Rptr. 136, 139, 141; 607 P.2d 928,931, 933. 20 Sindell, 163 Cal.Rptr. 145, 607 P.2d 937. 21 Sindell, ebd.: An eine gesamtschuldnerische Voll-Haftung einzelner mit internem Ausgleich ist demnach nicht gedacht. Ausgegangen wird von ,proportion of judgement', also von 100%igem Ersatz.

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II. Die Marktanteilshaftung als Wende 1980

Wahrscheinlichkeit, daß der tatsächliche Hersteller und Schädiger einer Haftung entginge, entspreche dann nur dem übrigen, nicht mitverklagten Marktanteil22. Das Gericht hält seine Lösung für vernünftig ("reasonable") und angemessen und ein Überspringen des Kausalitätsbeweises für gerechtfertigt. Die Verklagung eines "substantial market share" garantiere zunächst eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit, daß der aktuelle Schädiger mithafte, sich also nicht unter dem gar nicht verklagten Teil befinde und von der Haftung verschont bleibe 23 • Was "substantial" ist, klärt das Gericht dagegen nicht 24• Eine Haftung im genannten Sinne ergibt sich somit bei folgenden Voraussetzungen: - Es liegt eine Schädigung durch ein "generic" oder "fungible" product vor, welches seiner Art nach defekt war ("design defect"). - Die Fehlerhaftigkeit dieser Produktart ist von allen mit der Herstellung befaßten Produzenten zu verantworten (strict liability oder mit negligence)2 5 • - Von den Herstellern werden insgesamt soviele verklagt, daß sie zusammen einen wesentlichen Anteil am Markt des betreffenden Produktes repräsentieren. 22 Nachweis der prozentualen Anteile ist in der Tatsacheninstanz allerdings notwendige Voraussetzung. 23 Sindell, 163 Cal.Rptr. 145, 607 P.2d 937. 24 In Kenntnis des Vorschlags des Fordham-Comments von 75-80%, Sindell, ebenda; dissent, 163 Cal.Rptr. 147, 607 P.2d 939; es handelt sich bei Sindeil und nachfolgenden Entscheidungen ausnahmslos um pre-trial motions, die zur Zurückweisung an das Tatsachengericht führten. Dort wurden weitere Fakten nicht notwendigerweise aufgeklärt, No/in, 1983 The Nat. L.J. 15, 16; so auch Dworkin/Zollers, 19 A.B.L.J. 531. Möglicherweise endeten die Fälle durch Vergleich. 25 In Sindeillag Verschulden der Hersteller vor. Der Fall hätte nach den Ausführungen des S.Ct. of Calif. seinerzeit wahrscheinlich auch auf der Grundlage von strict liability (Gefährdungshaftung) entschieden werden können. Darauf deutet bis zum Jahre 1985 auch der dissent in Murphy v. E.R. Squibb & Sons, Inc. (40 Cal.3d 672, 710 P.2d 247, s. oben VI.D.3.) für die Haltung des Gerichts in Sindeil wie in Murphy hin. Beachte dagegen neuerdings die für Pharmaka äußerst wichtigen Entscheidungen von Collins v. Ortho Pharmaceutical Corp., 231 Cal.Rptr. 396 (Cal.App. 5 Dist. 1986) [lUD-Fall] und Brown v. Abbott Laboratories [DES-Fall], 245 Cal.Rptr. 412, nach welcher die Hersteller dann keiner Gefahrdungshaftung unterliegen, wenn ein von ihnen produziertes verschreibungspflichtiges Medikament schon von der FDA als unvermeidbar gefahrlieh eingestuft und nur unter der Voraussetzung zugelassen worden ist, daß das Medikament vom Hersteller mit einer Warnung vor den vorhersehbaren Risiken versehen ist. Erleidet der Anwender genau die Schäden, vor denen gewarnt worden war, so haftet der Hersteller nicht schon wegen Entwicklungsfehlern (design defects) nach der strict liability theory. Die Entscheidungen markieren jüngst eine Tendenz, Arzneien allgemein als unvermeidbar gefährlich einzustufen und dadurch gemäß Comment k des § 402 A Rest.2d ganz von der Gefährdungshaftung auszunehmen. Nach Brown soll außerdem selbst für auf Arglist oder Gewährleistung gestützte Haftung nicht die Beweiserleichterung der Marktanteilshaftung gelten. Ohne weiteres Verschulden fallen solche Hersteller aus der Haftung für wahrscheinliche Schadensverursachung von vornherein heraus. Zur Problematik mwN Lüderitz, RIW 1988, 782-788.

111. Haftungsbegründende Kausalität der Schädigungshandlung im Wandel Sindell markiert einen wichtigen Punkt bei der Auflösung haftungsbegründender Kausalität. In anderer Weise war dies zuvor geschehen für Fälle, die sich nicht im industriellen Bereich abgespielt hatten und daher nicht den dort typischen Beweisschwierigkeiten begegnet waren. Einzig die daraus entwickelten Kausalitätstheorien standen für die neue Generation der Latenzschadensfälle zur Verfügung. Ein Blick darauf soll Sindeil verständlich machen. A. Alternative Haftung (Alternative Liability)

Ist der Kläger im Falle alternativer Kausalität mehrerer _auf ihn abzielenden Schädigungshandlungen nicht in der Lage, den aktuellen Schädiger zu benennen, so hilft die alternative liability theory im Bereich haftungsbegründender Kausalität mit einer Beweislastumkehr. In dem dazu ergangenen Ausgangsfall 1 war der Kläger durch Schrotkugeln verletzt worden, nachdem die auf gemeinsamer Jagd befindlichen Beklagten gleichzeitig in Richtung des Klägers geschossen hatten, ohne jeweils die erforderliche Sorgfalt zu wahren. Zwar konnte die Fahrlässigkeit ihres Handeins bewiesen werden, den Kausalitätsbeweis mußte der Kläger aber schuldig bleiben. Das Gericht ordnete gesamtschuldnerische Haftung (joint and several liability) beider Beklagten an, soweit sie sich nicht einzeln enthaften konnten 2 • Voraussetzung sei schuldhaftes Verhalten aller potentiellen Schädiger und ihre gemeinsame Verklagung. Tragendes Argument war schlicht die Ungerechtigkeit, die daraus resultiere, daß ein nachweislicher Schädiger sich nur deshalb aus der Haftung stehlen könne, weil das ihm zurechenbare Verhalten die Aufklärung der aktuellen Verursachung unmöglich mache 3 . 1 Summers v. Tice, 33 Cal.2d 80, 199 P.2d 1 (1948); ebenso Ybarra v. Spangard, 25 Cal.2d 486, 154 P.2d 687 (1948); für DES Abel v. Eli Lilly Co., 94 Mich.App. 59,289 N.W.2d 20(1979) und Ferrigno v. Eli Lilly, 175 N.J. Super. 551,420 A.2d 1305 (1980), später aber in Namm v. Frost and Co., 178 N.J. Super. 19, 427 A.2d 1121 (1981) vom gleichen Gericht abgelehnt. 2 Diese Beweislastregel hat inzwischen auch Eingang gefunden in Rest. (2d) of Torts (1965), § 433 (B) (3): "Where the conduct of two or more actors is tortious, and it is proved that harm has been caused to the plaintiffby only one ofthem, but there is uncertainty as to which one has caused it, the burden is upon each actor to prove that he has not caused the harm." 3 Summers v. Tice, 199 P.2d 4-5, 33 Cal.2d 86, 87. Das Gericht stellte fest: " .. . as between an innocent plaintiff and negligent defendants, the latter should bear the cost of injury". Unausgesprochen kommt diese simple Begründung damit dem Kriterium von der

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III. Haftungsbegründende Kausalität der Schädigungshandlung

Weniger treffend für diesen Fall war das zweite Argument\ der Beklagte sei in diesen und ähnlichen Fällen in der besseren Position, für die richtige Kausalitätsbeziehung zwischen Schaden und wahrem Schädiger Beweis zu erbringen 5 • Die Schwäche des Arguments sieht der Supreme Court of California später selbst, als er in Sindeil v. Abbott Laboratories darauf hinweist 6 , es sei nur allgemein gebraucht worden, allerdings solle der Beklagte ohne besseren Zugang zu den Beweismitteln auch nicht per se einer Haftung entgehen.

B. Gemeinsames Handeln (Concert-of-action) Die concert-of-action Theorie ermöglicht die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme von Mitgliedern einer gemeinschaftlich handelnden Gruppe. Die deliktische Handlung muß dabei von den Mitgliedern entweder aufgrund gemeinsamer Planung und Absicht oder auch stillschweigender Übereinkunft begangen worden sein; substantielle Förderung durch Anstiftung oder Beihilfe oder Ausnutzung zum eigenen Vorteil reichen aus, wenn dem Betreffenden der deliktische Charakter der Handlung bekannt ist 7 • Im Grunde wurde das schädliche Gruppenverhalten insgesamt als Haftungsauslöser angesehen und einzelne Mitwirkende auch dann zu Schadensersatz verurteilt, wenn sich schon einzelne als Schädiger identifizieren oder jedenfalls ausschließen ließen 8 • So haftete in Orser v. George 9 einer von drei je schuldhafthandelnden Jägern im Fall einer alternativen Kausalität auch, obwohl er mit einem von den anderen unterscheidbaren Gewehrtyp in Richtung auf das Opfer geschossen hatte und so seine Kausalität leicht auszuscheiden war. Haftungsbegründend war für das Gericht hier, daß der Beklagte von den unerlaubten Handlungen der anderen beiden wußte und sie substantiell unterstützt hatte 10 • bloßen "Gleichartigkeit der Gefährdung", das nach BGH zur Anwendung von § 830 I 2 BGB führen soll (siehe unten VIII. B. 2. b) bb) bbb) bbbb)), doch recht nahe. 4 Erwähnt in Sindell, 163 Cal.Rptr. 144, 607 P.2d 936. 5 Dies war eher treffend in Ybarra v. Spangard, 25 Cal.2d 486, 490 (1944), 154 P.2d 687, 689, wo der Kläger während einer Blinddarmoperation in Narkose anderweitig verletzt worden war und er denSchädigerunter den Operateuren nicht herausfinden konnte. Noch unter der Anwendung der res ipsa loquitur doctrine, die hier (Kausalitätszweifel !) eigentlich gar nicht paßte, wurden alle beklagten Operaleure gesamtschuldnerisch zum Schadensersatz verurteilt. Zugleich kann daher Summers als die erste Entscheidung angesehen werden, die sich zu einer Beweislastumkehr im Kausalitätsbereich bekennt. 6 Sindell, 163 Cal.Rptr. 132, 138f., 607 P.2d 930f. 7 Siehe allg. Prosser, Handbook of Torts, 291fT. mwN.; Comment, 46 Fordham L.R. 978fT.; Rest. (2d) of Torts, § 876. 8 Comment, 46 Fordham L.R. 979, Fn. 71. 9 252 Cal.App.2d 660, 60 Cal.Rptr. 708 (1967). 10 252 Cai.App.2d 669, 60 Cal.Rptr. 714. Dies wird in Sindeil später nochmals konkretisiert, 607 P.2d 933, 163 Cal.Rptr. 141: Ohne Wissen und Kenntnis der Hersteller gehe es nicht.

B. Gemeinsames Handeln (Concert-of-action)

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Ähnlich lag auch der Fall eines illegalen Autorennens, bei dem ein Passant nachweislich durch einen Teilnehmer des Rennens schuldhart verletzt worden war und alle Teilnehmer nach der concert-of-action Theorie gesamtschuldnerisch hafteten 11 • In erster Linie ging es also nicht um Kausalitätszweifel, sondern um die Geltung des Gruppenverhaltens als schädigendes Ereignis. Dies sollte sich erst nach der Entscheidung in Hall v. E. I. Du Pont De Nemours & Co. 12 ändern, in der 13 Kinder bei 12 verschiedenen Unfällen durch Dynamitsprengkapseln verletzt worden waren. Der Herstellernachweis auf den Sprengkapseln war bei der jeweiligen Explosion stets vernichtet worden. Die sechs größten OS-Hersteller von Sprengkapseln wurden daraufhin verklagt mit der Begründung, sie hätten von der Gefährlichkeit der Kapseln gewußt und sie trotzdem in gegenseitigem Einverständnis ohne entsprechende Warnung versehen 13 • Unter Berufung auf Summers v. Tice und section 433 (B) (3) des Rest. (2d) of Torts wollte das Gericht die Kläger von der Last des Kausalitätsbeweises gegenüber allen Beklagten zunächst nur dann befreien, wenn sie "by a preponderance of the evidence" beweisen konnten, daß die in die Unfälle verwickelten Sprengkapseln auch die Produkte eines der benannten Beklagten waren 14• Eine vollständige Beweislastumkehr komme nur dann in Betracht, wenn die Beklagten gemeinschaftlich, also mit einem "concerted plan" handelten 15 • Als concerted action wurde hier schließlich angesehen, daß die beklagten Hersteller lediglich einen von ihrer Handelsorganisation gesetzten industrieinternen Sorgfaltsmaßstab beachtet und somit bei der Herstellung kooperiert hätten. Auf diese Weise sei das damit verbundene Risiko gemeinschaftlich kontrolliert worden 16 (Teil-Parallele zu concerted action). Daher könne diese Rechtsprechung auch nur auf solche Märkte angewendet werden, die sich aus einer kleinen Zahl von Herstellern zusammensetzten 17 (Teil-Parallele zu alternative liability). In Hall wurden damit alternative-liability und concerted-action-theory zum ersten Male in einem Fall industrieller Produkthaftung angewendet 18 , indem sie 11 Bierczynski v. Rogers, 239 A.2d 218,221 (Dei. 1968); Skroh v. Newby, 237 So.2d 548 (Fla. Dist.Ct.App. 1970). 12 345 F.Supp. 353 (E.D.N.Y. 1972); Die Einordnung dieser Entscheidung erfolgt nach allg. Ansicht noch bei der concerted-action-theory, Comment, 46 Fordham L.R., 981; Comment, 52 Mississippi L.J. 199, 207; Marshack, 18 California Western L. Rev. 143, 152; a.A. de Lousanoff, RIW 1983, 145, 148, Fn. 31. 13 Hall v. E.I. Du Pont De Nemours & Co, 345 F. Supp. 353, 358. 14 Hall, ebd., 379, 380. 15 Hall, ebd., 383. 16 Hall, ebd., 373, 374. 17 Campion, 1982 The Rev. of Litigation 171, 184: Soweit ersichtlich, ist diese Theorie auch nur auf die Sprengkapselfälle (blasting caps) angewendet worden. 18 Comment, 52 Mississippi L.J., 207, 208. Ein gleichgelagerter Fall ist In Re Beverly Hills Fire Litigation, No. 77-79 at 3 (E.D. Ky., Nov. 14, 1979), zit. ebd. S. 223, Fn. 186, in dem die gesamte PVC-Kabel-Industrie verklagt wurde, nachdem bei einem Brand in

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III. Haftungsbegründende Kausalität der Schädigungshandlung

gleichsam erst kombiniert werden mußten, um dann mit einer Beweislastumkehr über die vorhandenen Kausalitätszweifel hinweghelfen zu können 19 • Es sollte nicht mehr notwendig sein, alle potentiellen, zu einer Branche gehörenden Schädiger (so die alt.liab.) zu verklagen, sondern nur noch wenige große. Anstelle eines "tacit agreement" der concerted-action-theory reichte nun der Nachweis eines fehlerhaften industrieweiten Sorgfaltsstandards, eines einfachen Parallelverhaltens, bei dessen Vorliegen eine Beweislastumkehr-wie bei der alternative liability - zugunsten der Kläger eingriff. Der Standard allein begründet die Kausalität (cause in fact) 20 • Da in Wirklichkeit nur eine der Beklagten den Schaden verursacht hatte, sollte jedoch fortan jedem Beklagten (concertedaction-theory !) der Exkulpationsbeweis offenstehen. Obwohl Hall eindeutig zum Ziel hatte, dem Kläger über Identifikationsprobleme hinwegzuhelfen, klärte die Entscheidung das Kausalitätsproblem dogmatisch nicht; die Beklagten hafteten nach außen gesamtschuldnerisch, ihr Innenausgleich blieb offen. C. Branchenhaftung (Enterprise Liability) Diese Klarheit schuf erst der sich auf Hall gründende theoretische Entwurf21 einer enterprise- oder industry-wide-liability22 , der folgende Voraussetzungen formuliert: a) Plaintiff is not at fault for his inability to identify the causalive agent and such liability is due to the nature of the defendants conduct. b) A generally similar defective product was manufactured by all the defendants. c) Plaintiffs injury was caused by this product-defect. d) The defendants owed a duty to the dass of which plaintiff was a member. e) There is clear and convincing evidence that plaintiffs injury was caused by the product of someone of the defendants. einem Club einige Personen durch giftige Dämpfe unerkennbar verbrannter PVC-Kabel umgekommen waren und der/die Hersteller nicht identifizierbar waren. Die Klage wurde unter Berufung auf den lower court in Sindell, 149 Calif.Rptr. at 150, durch interim order wegen fehlender concerted-action abgewiesen (kein summary judgement, S. 10; S. 16, keine alternative oder enterprise liability in Ky.), deren Voraussetzungen das Gericht wie folgt faßte: 1. Verstoß gegen legalen Sorgfaltsstandard; 2. wenigstens stillschweigendes Einverständnis über Vertrieb eines defekten Produkts; 3. Kausalitätsbeweis zw. Beklagten und Produkt: a) Identifikation des schädigenden Produkts, b) Nachweis des Vertriebs ähnlicher, fungibler Produkte durch die Beklagten und c) wesentlicher Anteiljedes Bekl. an Vertrieb. 19 So auch die Bewertung von Sheiner, Comment, 46 Fordham L.R. 998, Fn. 197. 20 Marshack, 18 California Western L.R. 154. 21 Comment, 46 Fordham L.R. 997. Hall selbst ist entgegen de Lousanoff, RIW 1983, 145, 146, Fn. 11, ebensowenig wie Abel v. Eli Lilly, 94 Mich.App. 53,289 N.W.2d 20 (1980) (alternative Iiability) oder Abel v. Eli Lilly, 418 Mich. 311, 343 N.W.2d 164 (1984) (modifizierte alt. Iiab.) ein Fall der enterprise liability. 22 In Sindeil genannt, 607 P.2d 933; 163 Cal.Rptr. 141.

D. Ablehnung einer Haftung in pre-Sindell Fällen

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For example, the joined defendants accounted for a high percentage of such defective products on the market at he time of plaintifTs injury. I) There existed an insufficient, industry-wide standard of safety as to the manufacture of this product. g) All defendants were tortfeasors satisfying the requirement ofwhich ever cause of action is proposed: negligence, warranty, or strict liability.

Auch hier sollen die Beklagten gesamtschuldnerisch haften, während sich der Innenausgleich nach ihren Marktanteilen bestimmt. Ein Exkulpationsbeweis ist möglich. Der Kausalitätsbeweis beruht gleichsam auf der Fiktion, jeder der parallel handelnden Beklagten sei der Verursacher, indem bei Verklagung eines hohen Prozentsatzes des Marktes- vorgeschlagen werden 75-80% -eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, daß das eigentlich schädigende Produkt von einem der Beklagten stamme 23 • Industrieweiter Sorgfaltstandard, der ein tacit understanding im Sinne von concert folgern läßt, und Wahrscheinlichkeit der Verursachung sind in der enterprise-liability Theorie mithin die beiden untrennbaren Elemente einer Kausalitätsvermutung24 • D. Ablehnung einer Haftung in pre-Sindell Fällen Vor Sindeil wurden gleichgelagerte DES-Fälle fast ausnahmslos zugunsten des beklagten Herstellers entschieden25 bzw. verglichen 26 • Denn der Beweislastumkehr im Kausalitätsbereich lagen bei der alternative, concert oder enterprise liability meist andere Fallgestaltungen zugrunde 27 • In McCreery v. Eli Lilly wandte das Gericht die alternative liability aus Summers nicht an, weil es bei der alternative liability nur noch um die Verteilung des Schadens zwischen den Tätern gehe, deren Beiträge - etwa Schüsse in Richtung Opfer - immerhin feststehe. Die für concert of action notwendige, wenigstens stillschweigende Comment, 46 Fordham L.R. 996. RobertsfRoyster, 16 Akron L.R., Fn. 145. Obwohl diese Schöpfung außer den blasting-cap-Fällen im theoretischen Raum blieb, hat ihre Diskussion in DES-Fällen gezeigt, daß sie als Bestandteil des tort law doch zumindest in Betracht gezogen wird, vgl. auch Marshack, 18 California Western L.R. 153. 25 Lyons v. Premo Pharmaceutical Lab's, 170 N.Y. Super. 183, 406 A.2d 185 (1979); Needham v. White Lab's, No. 76-C-1101 (N.D. Ill.,Aug. 27, 1979)(zit. von Campion, 2 The Review ofLitigation, 192 IT.): order enteringjudgement for plaintifT; reversed on appeal, 639 F .2d 394 (7th Cir.), cert. denied, 102 S.Ct. 427 (1981). Barros v. E.R. Squibb & Sons Inc., No. 75-1226 (E.D. Pa., Jan. 30, 1978) (zit. von Campion, ebd.); McCreery v. Eli Lilly & Co., 150 Cai.Rptr. 736 (Cai.App., 1978); Keil v. Eli Lilly & Co., 490 F .Supp. 479 (E.D.Mich. 1980). 26 Kershaw v. Carnrick Labs, No. 77-420 (D.N.J., April 3, 1978) (zit. von Campion, ebd.). 27 So in Summers v. Tice für alt. liab., oder Hall v. Dupont de Nemours für concert. Anders nur für Abel v. Eli Lilly (alt./concert), Bichler v. Eli Lilly (concert) und Ferrigno v. Eli Lilly, 420 A.2d 1305 (1980, N.Y.), sogleich unter III. E. Im übrigen wurde der Rechtsweg gegen die staatliche Aufsichtsbehörde mit der Ermessensklausel frühzeitig abgeschnitten, Beispiel: Gray v. United States, 445 F.Supp. 337, 338 (S.D. Texas, 1978). Dazu unten IX.A.l. 23

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111. Haftungsbegründende Kausalität der Schädigungshandlung

Übereinkunft läge nicht vor. Für industry-wide liability fehle es an der Zusammenarbeit der Hersteller. E. Anwendung traditioneller Theorien auf DES-Fälle

Mehrere DES-Fälle entschieden die Gerichte zugunsten der Geschädigten auf der Grundlage herkömmlicher, aber konstruktiv nicht passender Kausalitätstheorien. So stützte sich der N.J. Superior Court in Ferrigno v. Eli Lilly & Co. 28 auf Anderson v. Somberg29 und Ybarra v. Spangard 30, in dem vergleichbare Beweisschwierigkeiten im Kausalitätsbereich (allerdings fälschlicherweise!) mit der Begründung "res ipsa loquitur" gelöst worden waren. In Anderson und in Ybarra hatte ein Patient den aktuellen Schädiger unter einem Team von Operateuren nicht mehr ausfindig machen können. Das Gericht in Ferrigno meinte, in dem DES-Fall immerhin mit der alternative liability helfen zu können. Abweichend von Anderson und von den allgemeinen Voraussetzungen der alternative liability theory überhaupt war in Ferrigno jedoch nur einer der möglichen Verursacher verklagt worden. In Namm v. Charles E. Frost & Co. 31 war demgegenüber die Schadenskompensation in einem DES-Fall auch gerade unter Hinweis auf die verschiedene Ausgangslage in Anderson abgelehnt worden. Namm wendete aus gleichem Grunde auch nicht die alternative liability theory an. In Abel v. Eli Lilly & Co. 32 waren die DES-Hersteller unter Anwendung von alternative liability und concerted action theory gesamtschuldnerisch zu vollem Schadensersatz verurteilt worden 33 • Der Kläger hatte vor dem Michigan Appelate Court behauptet, alle von ihm benannten Beklagten repräsentierten diejenigen, die ihm als Hersteller in Michigan in der fraglichen Zeit bekannt geworden seien. Indem ihre Voraussetzungen wenigstens annähernd erfüllt wurden 34, sollten Zweifel bei der Anwendung der alternative liability ausgeräumt werden. Die Beweisprobleme bei einer Klage gegen eine Auswahl potentieller Schädiger lassen sich jedoch in der Art von Abel nicht lösen. Die concert action theory schließlich fand Anwendung in Bichler v. Eli Lilly & Co. 35 als einzig gesamtschuldnerisch Haftenden. Die Entscheidung war schon 175 N.Y.Super. 551, 420 A.2d 1305 (Law Div. 1980). 67 N.J. 291, 338 A.2d 1, cert. denied, 423 U.S. 279 (1975). 30 25 Cal.2d 486, 154 P.2d 687 (1948), vgl. III. A., Fn. 5. 31 178 N.Y. Super. 19,427 A.2d 1121, 1128 (App.Div., 1981). 32 94 Mich.App. 53, 59, 289 N.W.2d 20 (1980); bestätigt in 418 Mich. 311, 343 N.W.2d 164 (1984). 33 de Lousanoff. RIW 1983, 145-152, Fn. 11, nennt es eine Entscheidung auf der Grundlage der enterprise-liability; anders Dworkin/Zollers, 19 A.B.L.J. 514: einfach alt. liability. 34 Dworkin/Zollers, 19 A.B.L.J. 515; Comment, 52 Mississippi L.J. 220. 28

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E. Anwendung traditioneller Theorien auf DES-Fälle

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sachlich angreifbar. Echtes Parallelverhalten zu den Herstellern eines Geburtshilfepräparates mit DES ab seiner Zulassung im Jahr 1947 war Eli Lilly nämlich nicht nachgewiesen worden. Es hatte lediglich bis 1947 andere DES-haltige Produkte hergestellt36 • Außerdem war in Sindell 37 zu Recht darauf hingewiesen worden, daß die Annahme eines stillschweigenden Einverständnisses bei einer großen Herstellerzahl unrealistisch sei und auch nicht schon bei gemeinsamen Testverhalten einfach angenommen werden könne. Dem stattgebenden Court of Appeals hatte das Kausalitätsproblem als Rechtsfrage im übrigen auch gar nicht vorgelegen. Zu überprüfen waren nur die auf der Basis von concerted action gegebenen Instruktionen an die Jury. Ob Ansprüche aus anderen Rechtsgründen gegeben seien, ließ das Gericht ausdrücklich offen.

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79 A.D.2d 317, 436 N.Y.S.2d 625 (1981). Comment, 52 Mississippi L.J. 217, 218. Sindell, 607 P.2d 931-933, 163 Cai.Rptr. 139.

IV. Vergleich der Kausalitätstheorien mit der Marktanteilshaftung A. Alternative Liability Sindeil übernahm weder die Ansichten aus Summers (alternative liability) noch die aus Ybarra 1 (res ipsa loquitur). Vor einer Beweislastumkehr müsse der Kläger bei Geltung der alternative liability theory beweisen, daß sein Schaden mit Sicherheit aus dem Verhalten eines der jeweils schuldhaft handelnden Beklagten resultiere 2 • Deshalb seien bei Anwendung der alternative liability theory auch alle mutmaßlichen Schädiger zu verklagen. Bei Summers habe sich mithin eine 50%ige Wahrscheinlichkeit ergeben, den Verursacher zu treffen 3 • Eine solche, hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehe bei den fünf Beklagten in Sindeil nicht, wenn der wahre Verursacher auch unter den knapp 200 nicht verklagten Herstellern zu finden sein könnte und so der Haftung entginge 4 • Das Gericht könne die Verursachungswahrscheinlichkeit daher nicht einfach an die gesteigerte Anzahl der Beklagten knüpfen. Nach Ansicht des Supreme Court muß der Kläger bei Anwendung der alternative liability theory außerdem beweisen, daß die Schwierigkeit des Kausalitätsbeweises das direkte und vorhersehbare Ergebnis des Verhaltens der Beklagten sei 5 • Die Beweisprobleme rührten hier aber nicht - wie die Kläger behaupteten - von mangelnder Warnung oder Bezeichnung des DES als experimenteller Droge her, sondern in erster Linie von dem Zeitablauf (und der großen Anzahl anonymer Hersteller, der Verf. 6 ), also nicht von fahrlässigem Verhalten der Beklagten 7 •

Fall oben 111. A., Fn. 5. Sindell, 607 P.2d 931, 163 Cai.Rptr. 139. 3 Kein Argument war, daß die Beklagten nicht in besserer Beweisposition seien als die Kläger. Das Gericht stellte fest, daß dies keine Haftungsvoraussetzung in Summers gewesen sei. Kein besserer Zugang zu Beweismitteln schließe die Anwendung der Regel in Summers aber auch nicht aus, Sindell, 607 P.2d 929, 163 Cai.Rptr. 137. 4 Sindell, 607 P.2d 936-937, 163 Cai.Rptr. 144-145. Aus gleichem Grunde auch Ablehnung in post-Sindeil Fällen, Campion, 2 Rev. of Litigation 181, Fn. 68. 5 Haft v. Lou Palm Hotel, 3 Cal.3d 756, 578 P.2d 465, 91 Cal.Rptr. 745 (1970). 6 Das Gericht sagt das so nicht ausdrücklich. 7 Sindell, 607 P.2d 930, 163 Cai.Rptr. 138. - Aber unzweifelhaft ausschlaggebend war die zurechenbare Gleichheit der Gefährdung, was vom Gericht an dieser Stelle nicht gesehen wurde. 1

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C. Enterprise Liability

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B. Concert-of-action Das Gericht lehnte die Anwendung der concert-of-action-theory ab, weil nach dem Klägervortrag kein gemeinsames, planmäßiges Vorgehen oder auch nur eine stillschweigende Übereinstimmung unter den Beklagten angenommen werden konnte. Nach Freigabe des Medikaments durch die FDA 19528 sei die Herstellung von DES ohne Zulassungsantrag und vorherige Tests möglich gewesen. Insoweit könne aber nur ein Parallelverhalten angenommen werden, das - ohne jegliche Abstimmung - eine allgemeine Übung innerhalb der Industrie darstelle 9 . Jeder Hersteller würde sich die Erfahrung und die Methoden anderer Hersteller von ähnlichen oder gleichen Produkten zunutze machen. Der einzelne Beklagte aber habe weder von dem deliktischen Charakter des Verhaltens anderer Hersteller gewußt noch ihn dabei ermutigt oder unterstützt 10 • Vor diesem Hintergrund bedeutete eine Ausdehnung der concertof-action-theory, daß jeder Hersteller für das fehlerhafte Produkt einer gesamten Industrie selbst dann haften würde, wenn er nachweisen könne, daß sein Produkt die Verletzung nicht herbeigeführt habe 11 • C. Enterprise Liability

Angesichts der Probleme beim Kausalitätsnachweis hatte die Klägerin in Sindeil ihre Klage schließlich auf die enterprise-liability-theory stützen wollen. Sie unterstellte deshalb den Herstellern Zusammenarbeit und gemeinsame Übung vom Arzneimitteltest über die Produktion bis hin zum Marketing durch Beachtung und Förderung eines gemeinsamen industrieweiten Sorgfaltsstandards. Das Gericht lehnte diese Argumentation ab. Zwar sei die Haftung eines Beklagten auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der eingehaltene Sorgfaltsmaßstab wie hier von der FDA vorgeschrieben war 12 • Sei der Standard für die Vor 1952 greift die state-of-the-art-defense ein. Sindell, 607 P.2d 933, 163 Cal.Rptr. 141: "lmmunitative behaviour is a common practice and meets federallaw, the so called U.S. Pharmacopeia" (Standard, d. Verf.), 21 U.S.C.A. § 351 (b). 10 Sindeil (zu Orser v. George) 607 P.2d 933, 163 Cal.Rptr. 141. 11 Sindell, ebd.; concerted-action ebenfalls ablehnend McCreery v. Eli Lilly & Co., 87 Cal.App.3d 77, 150 Cal.Rptr. 730 (1978), Payton v. Abbott Labs, 512 F.Supp. 1031 (D.Mass. 1981), Lyons v. Premo Pharmaceutical Labs, 170 N.J.Super. 183,406 A.2d 185 (App.Div.), cert. denied, 82 N.J. 267 (1979), Ryan v. Eli Lilly & Co., 514 F.Supp. 1004 (D.S.C. 1981). Ausnahmen nur Sichler v. Eli Lilly & Co., 79 A.D.2d 317,436 N.Y.S.2d 625 (Ist Dept. 1981), leave to appeal granted (Ct.App. Oct. 27, 1981), dazu unten VI. C. 12 Sindell, 607 P.2d 935, 163 Cal.Rptr. 143, 26 Cal.3d 599 unter Hinweis auf Stevens v. Parke, Davis & Co., 507 P.2d 653 (1973). Auf die Frage, ob die Freigabe von DES von weiteren Produktions- u. Vertriebsgenehmigungen der FDA keinen Rechtfertigungsgrund darstellen könnte, wird einfach nicht eingegangen. In der Literatur von den Gegnern der msl. teilweise vorgebracht, Birnbaum/ Wrubel, The National Law Journal, 27 Feh. 1984, p. 30, col. 3. 8

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IV. Vergleich der Kausalitätstheorien mit der Marktanteilshaftung

Pharmaindustrie jedoch bundesgesetzlich vorgeschrieben und durch eine Agency überwacht, so könne nicht unterstellt werden, die Hersteller hätten einen selbst gesetzten Standard befolgt und so das Risiko gemeinsam kontrolliert. Das Zurechnungsmerkmal, das den Kausalitätsbeweis erspart, liege daher nicht bei der Industrie, sondern gleichsam beim Bundesgesetzgeber 13 • Es sei unfair, die Hersteller dann immer noch haften zu lassen. In Hall sei schließlich zwar nur eine kleine Gruppe, aber damit die gesamte Branche, verklagt worden, in Sindeil dagegen numerisch eine kleine Auswahl (5) von knapp 200 Herstellern. Schon die Größenordnungen seien derart verschieden, daß von gemeinsamer Risikokontrolle nicht gesprochen werden könne. Die Haftungszuteilung habe dort zu erfolgen, wo Sicherheitsvorkehrungen getroffen und Standards entwickelt würden; dies sei bei dezentralisierter, kleiner Gruppe noch eher der Fall als bei der großen, dezentralisierten DES-produzierenden Industrie 14• D. Analyse von Sindeil

Nach dem Wortlaut der Entscheidung ist eigentlich unklar, ob die Beklagten anteilig die gesamte geltend gemachte Schadenssumme zu tragen haben und ihre Marktanteile nur der Anteilsbestimmung am Schadensersatz untereinander dienen, oder ob nur der Teil der Schadenssumme in Ansatz gebracht wird, der insgesamt dem durch die verklagten Hersteller repräsentierten wesentlichen Marktanteil und dessen Anteil an der Verursachungswahrscheinlichkeit entspricht. Die Aussage des Gerichts, "each defendant will be held liable for the proportion of the judgement presented by its share ofthat market ... " 15 läßt wortlautmäßig beide Interpretationsmöglichkeiten zu. Im ersten Fall würde der Schaden des Klägers immer voll liquidiert. Konsequent hafteten die Beklagten dann unter Umständen zu einem höheren Anteil als es der Risikoschaffung durch ihren Marktanteil entspricht. Die dadurch entstehende Disproportionalität zwischen Verursachungswahrscheinlichkeit und Haftung verstärkt sich, je niedrigerer der als "substantial market share" geltende Marktanteil (unter 100%) angesetzt wird. Die Beklagten hafteten dann auch für das von den nicht verklagten Herstellern gesetzte Risiko immer mit, gleichgültig in welcher der beiden Gruppen sich der aktuelle Schädiger befindet. Die dissentierenden Richter in Sindeil scheinen die majority in diesem Sinne zu verstehen 16 • Gerichtliche Klärung hätte spätestens im jury trial erfolgen müssen. Sindell, 607 P.2d 935, 163 Cal.Rptr. 143, 26 Ca1.3d 599. Hall, 345 F.Supp. 353, 378 (E.D.N.Y. 1972), Sindell, ebd. 15 Sindell, 607 P.2d 937, 163 Cal.Rptr. 145. 16 Sindell, 163 Cal.Rptr. 148, 26 Cal.2d 632, 607 P.2d 940: "under the majority's reasoning those defendants who are brought to trial in this state [Kalif., d. Verf.] will bear effective joint responsibility for 100% of plaintiffs' injuries despite the fact that their ,substantial' aggregate share may be considerably less". 13

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D. Analyse von Sindeil

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Im zweiten Fall würde der Schaden nur in der Höhe eines Anteils liquidiert, der dem wesentlichen Marktanteil entspricht 17 • Ein Teil bleibt unkompensiert, nämlich exakt der, der dem von den verbleibenden Nichtverklagten gesetzten Verursachungsrisiko entspricht. Die Beklagten haften dann wirklich nur mit ihrem Marktanteil, die Anteilshaftung stellt sich für sie dar als Haftung für das mit dem eigenen Marktanteil gegenüber dem Geschädigten gesetzten Risiko und dient nicht nur der verhältnismäßigen Aufteilung untereinander. Die Formulierung der Urteilsgründe stützt den Schluß der dissenting opinion: Zum einen sprechen sie von der Aufteilung des Schadens bzw. des judgements unter den beklagten Herstellern 18 , was auf eine 100%ige Schadenskompensation schließen läßt. Zwar sei das substantial-share-Erfordernis nur dazu gedacht, Ungerechtigkeiten bei der zu einer Wahrscheinlichkeitshaftung führenden Beweislastumkehr zu mildern 19 • Die majority konzediert aber am Rande auch "some minor discrepancy in the correlation between market share and liability is inevitable; therefore, a defendant may be held liable for somewhat different percentage of the damages than its share of the appropriate market would justify" 20 und hat damit nicht lediglich die groben Unwägbarkeiten bei der Wahrscheinlichkeitshaftung selbst gemeint 21 • Außerdem wird, nachdem der Kläger einen wesentlichen Marktanteil verklagt hat (vorher sinnlos, weil unnötig), den Beklagten empfohlen, mit "cross complaints" dritte Hersteller mit Regreßklagen ("cross complaints") zu überziehen mit der Folge, daß die Haftung der Erstbeklagten in erfolgreichen Folgeprozessen entsprechend um den Anteil des neu Verklagten gemindert werde 22 • Eine solche Empfehlung zur Entlastung wäre absolet gewesen, hätten die Richter in Sindell an eine echte Marktanteilshaftung gedacht, wie sie in der 2. Alternative zum Ausdruck kommt. Bestätigt wird diese Interpretation neuerdings in Murphy v. E. R. Squibb & Sons, Inc. 23 , wo bei einem allein verklagten Hersteller ein Marktanteil von 10% als unzureichend bezeichnet wird, um das für die Wahrscheinlichkeitshaftung notwendige substantial-market-share-Erfordernis zu erfüllen. Wie bei Sindell ist 17

466.

So verstanden in Note, 15 Ga.L.R. 438-446; RobertsfRoyster, 16 Akron law Review

18 "The presence in the action of a substantial share of the appropriate market also provides a ready means to apportion damages among the defendants. Each defendant will be liable for the portion of the judgement represented by its share of that market ... ", Sindell, 163 Cai.Rptr. 145, 607 P.2d 937. 19 Sindeil v. Abbott Laboratories, 26 Cal.3d 612, 163 Cai.Rptr. 156, 607 P.2d 948; Murphy v. E.R. Squibb & Sons, lnc., 221 Cai.Rptr. 454, 455. 20 Sindell, 163 Cai.Rptr. 145. 21 Sindell, ebd.: " ... probably impossible to determine market share with mathematical exactitude". So verstanden auch vom dissent, 148. 22 Sindell, 163 Cai.Rptr. 145, 607 P.2d 937, Dieser Interpretation stimmen zu: Dworkin/Zollers, 19 A.B.L.J. 524 und Marshack , 18 California Western L.R. 143, 162, 163. 23 Murphy v. E.R. Squibb & Sons, Inc., 221 Cal.Rptr. 447 (Cal., 1985).

3 Otte

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IV. Vergleich der Kausalitätstheorien mit der Marktanteilshaftung

das einzig dafür genannte Argument, Ungerechtigkeiten bei der Beweislastumkehr zu mildern. Eine solche Erörterung wäre bei konsequent anteiliger Haftung kaum notwendig gewesen 24• Die in ihrer Bedeutung neben Sindeil beschränkte Entscheidung 25 fordert damit weiterhin eine insgesamt hohe Verursachungswahrscheinlichkeit- sei es auch nur durch einen einzelnen beklagten Hersteller - um die ansonsten schwer begründbare Beweislastumkehr zu rechtfertigen. Eine echte anteilige Haftung in Höhe nur des Marktanteils wird vom Supreme Court daher hier augenscheinlich nicht in Betracht gezogen 26 • Angesichts der Resultate, zu denen die Ablehnung der genannten Kausalitätstheorien führt, stand der Supreme Court of California vor der konstruktiv eher einfachen Entscheidung, die Arzneimittelhersteller unter den Schutz des hergebrachten tort law zu stellen, ihre Haftung am Fehlen des Kausalitätsbeweises also scheitern zu lassen und damit der geschädigten Klägerin die Schadensliquidation gänzlich zu verweigern. Die Herstellung von fungiblen Produkten aller Art und gar von Generica (also solchen, die von zahlreichen Zulieferem bezogen, beim Vertreiber bzw. Verpacker mit neuem Markennamen oder schlichter Funktions- oder Sachbezeichnung benannt werden, so daß eine Zuordnung zum wahren Zuliefecer unmöglich wird)27, wäre haftungsmäßig begünstigt gewesen. Den Herstellern hätte dies in ohnehin wenig überschaubaren Produktionsprozessen dann gleichsam noch die Möglichkeit gegeben, sich hinter diesen Produktionsweisen vor den Ansprüchen etwaig Geschädigter zu verstecken. Es wäre niemand haftbar oder im besten Falllediglich der Vertreiber von Generica, wenn ihm die Identifikation der Einzelkomponenten schuldhart nicht möglich ist. Die Möglichkeit, sich haftungsmäßig zu verstecken, ergibt sich auch bei undifferenzierter Anwendung von Summers auf Sindell, wenn einige wenige aus dem großen Kreis von Herstellern gesamtschuldnerisch auf vollen Ersatz in Anspruch genommen würden 28 • Der wirkliche Verursacher kann, wenn nicht auch er verklagt wird, der Haftung ganz entgehen, während umgekehrt die einzelnen gesamtschuldnerisch voll in Anspruch Genommenen überproportional haften würden. Bestand in dem Jagdfall wenigstens noch eine 50%ige Wahrscheinlichkeit der Verursachung durch jeden Beklagten und potentiellen Schädiger, so braucht dies bei den einzelnen verklagten DES-Herstellern 24 Als Billigkeitsargument für die Beweislastumkehr ist es bei ,Sindell' auch nur schwer verständlich, weil es nur gegenüber den Beklagten als Gruppe billig ist, nicht gegenüber dem einzelnen, anteilig haftenden Beklagten. - In der vorprozessualen Praxis hat sich ohnehin schnell echte anteilige Haftung nach von Anwälten ermittelten Quoten durchgesetzt. 25 Siehe unten VI. D. 3. 26 Vgl. den dissent von Justice Kaus, 221 Cai.Rptr. 447, 456 N.l, der sogar die Eliminierung des "substantial-share"-Erfordernisses fordert, was er bei von ihm vertretener ,echter' Anteilshaftung nicht für notwendig hält. 27 Sog. no-name products, fehlende laufende Kennziffer vorausgesetzt. 28 In Summers waren alle potentiellen Schädiger (2) verklagt.

D. Analyse von Sindeil

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untereinander selbst dann nicht der Fall zu sein, wenn sie als Gruppe insgesamt einen 90%igen Marktanteil stellen. Eine Annäherung (und keine Gleichstellung) an Summers ist daher - scheinbar auch nach Ansicht des Gerichts gedanklich erst dann wieder hergestellt, wenn die Beklagten als Gruppeaufgrund der von ihr gemeinsam ausgehenden hohen Verursachungswahrscheinlichkeit insgesamt- und gegenüber dem nicht verklagten Rest- voll haften, innerhalb derselben aber dann billigkeitshalber von vomherein anteilig 29 • Die Ungerechtigkeit der Beweislastumkehr bei der Wahrscheinlichkeitshaftung wurde daher durch das Erfordernis des substantial-market-share beträchtlich gemindert und eine Summers annähernd vergleichbare Lösung herbeigeführt 30 • Dem Supreme Court fallen aber deutlich die verbleibenden Unstimmigkeiten auf. Es erkennt an, daß die dargestellte Methode nur "approximate its responsibility" ist und die "correlation is not, in practice, perfect" 31 , was damit zusammenhängt, daß von den wenigen Beklagten nach dem Modell von Sindeil immer noch der ganze Schaden liquidiert werden muß 32 , sie sei jedoch "close enough" und damit "fair" 33 • Sindeil orientiert sich am alternative-liability Konzept und weitet es unter Veränderungen auf eine gesamte Industriebranche aus 34• In der Grundentscheidungfor eine Haftung hat bei Sindeil die enterprise-liability Pate gestanden. Der Gedanke der enterprise-liability, zugefügte Schäden auf einen ganzen Industrie29 Dies sagt der S.Ct. so nicht ausdrücklich; diese Interpretation würde sich aber mit der Ansicht der dissenting opinion und vieler Autoren decken, daß am Ende auch bei Sindeil der Gesamtschaden liquidiert wird - trotzÜberlegungendes Gerichts über Wahrscheinlichkeit der Verursachung des einzelnen Beklagten. 30 Das Gericht erklärt unter Berufung auf den Fordham-Comment die Wertungsgleichheit bei echter Haftung nach Anteilen so: Zwei Konstruktionen seien denkbar: 1. Habe der Hersteller X von (monokausal wirkendem) DES einen Marktanteil von 5% und sei seine Identifikation in den Fällen einer Schädigung durch ihn stets möglich, so könne X in allenfalls ca. 5% aller denkbaren DES-Schadensfälle auch nur der einzige Beklagte sein, voll haftbar für alle dort eingeklagten Schäden. 2. Sei eine Identifikation des Herstellers nicht möglich und wende man das Konzept der Marktanteilshaftung (also den Gedanken anteiliger Haftung) bei der alternative-liabilitytheory an, so werde X zwar in allen DES-Schadensfällen verklagt. Er sei dann aber von vornherein haftbar für etwa nur 5% des jeweils eingeklagten und damit auch für nur 5% des insgesamt angerichteten Schadens. In beiden Fällen zahle er allein - gleiche Schäden vorausgesetzt - mithin gleich viel, Sindell, 607 P.2d 937 und 163 Cai.Rptr. 145, F n. 28. Die Anteilshaftung für wahrscheinliche Verursachung (2. Konstruktion) belaste den Beklagten also nicht weniger als die Fälle erfolgreicher Identifikation (1. Konstruktion). Dadurch wäre im 2. Fall Haftungsanteil der echte Anteil der Beklagten am Gesamtmarkt Dies kann indes beim Opfer zu einer Schadenskompensation von weniger als 100% führen, was erkennbar nicht ins Bild der in Sindeil angenommenen Vollhaftung paßt. Für das Gericht sind die beiden Konstruktionen deshalb nur ein Erklärungsversuch. 31 Sindell, 607 P.2d 937, 163 Cai.Rptr. 145. 32 Sindell, ebd. 33 Sindell, ebd. 34 So auch Stewart, 1982 Indiana Law Rev. 703.

3•

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IV. Vergleich der Kausalitätstheorien mit der Marktanteilshaftung

zweig abzuwälzen, aus dessen schuldharter Betätigung sie allgemein herrühren, liegt auch der market-share-liability zugrunde. Nach der enterprise-liability sollen - wirtschaftlich betrachtet - die Kosten für Verletzungen genauso als Kosten für die Verursacher anfallen wie die zur Behebung des eigenen, ungenügenden Sicherheitsstandards notwendigen Kosten, da sich beide Posten gegenseitig bedingen und in umgekehrtem Verhältnis zueinander stehen. Sie sollen von der Gruppe getragen werden, die am wahrscheinlichsten zu der Schadensverursachung beigetragen hat, um sich schließlich in den Verbraucherpreisen niederzuschlagen 35 • Die Zurechnung stützt sich damit bei der enterpriseliability aufindividuelle (negligence) und allgemeine (risk-control, industry-wide standard) Anknüpfungsmomente. In Sindeil kehrt das Element der Verlustzuweisung wieder in der allgemeinen Begründung, die beklagten Arzneimittelhersteller seien besser in der Lage, die Kosten der Schäden durch DES zu tragen als die individuellen Opfer. Individuell wird an die Fahrlässigkeit der Beklagten allein angeknüpft: Wenn zu entscheiden sei, ob ein unschuldiges Opfer oder ein fahrlässiger Beklagter die Kosten der Verletzung tragen soll, so müsse die Entscheidung auf denfahrlässigen Beklagten fallen. Denn ein Hersteller sei in der besseren Position, Fehler seiner Produkte zu entdecken, zu verhindern oder vor schädigenden Wirkungen zu warnen 36 • Dies ist mangels anderer greifbarer Kriterien erster objektiver Anknüpfungspunkt einer Haftungszuteilung. Ihre Ungerechtigkeit wird gemildert durch einen erst vom Kläger zu erfüllenden Schritt: der Verklagung eines wesentlichen Marktanteils. Damit ergibt sich als zweites objektives Kriterium auch wirklich eine korrespondierende Wahrscheinlichkeit, daß die Beklagten und möglichst niemand anders das der Art nach schadensursächliche DES wirklich hergestellt haben 37 • Milderung erfährt sie zum anderen durch eine der Verursachungswahrscheinlichkeit entsprechenden Ausrichtung der Herstellerhaftung an ihren Marktanteilen. Dadurch ist der Innenausgleich unter den potentiellen Schädigern fortan nicht mehr umstritten. Insgesamt hatte sich das Kriterium für Haftungszurechnung im Falle alternativer Kausalität mit Sindeil schon sehr weit aufgelöst: Dem Merkmal gemeinschaftlichen Tuns im Jagdfall Summers, dem des stillschweigenden Übereinkommens in der concerted-action theory und dem des ungenügenden industrieweiten Sorgfaltsstandards folgt nun das des fahrlässig handelnden 35 Calabresi, 70 Yale Law Journal499, 505 (1981) mit Gedanken zur "risk-distributiontheory". 36 Sindell, 163 Cal.Rptr. 144, 26 Cal.3d 610, 607 P.2d 930. Diese einfache Grundentscheidung fördere auch die Produktsicherheit 37 Sindell, 607 P.2d 937, 163 Cal.Rptr. 139. Das Gericht kommt damit den Herstellern entgegen. Ein Schutzlevel von 10% Marktanteil pro verklagtem Hersteller käme diesen noch weiter entgegen und würde Kleinproduzenten verschonen. Nachteil: Viele unter dem "Schutzlevel" Produzierende und gleichzeitig Verklagte (Bp.: mit 9%) hafteten nicht, trotz insgesamt noch hinreichender Verursachungswahrscheinlichkeit.

D. Analyse von Sindeil

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Beklagten schlechthin, der bei Gleichartigkeit einer von ihm ausgehenden mit den von anderen ausgehenden Gefährdungen 38 stets haften muß, wobei das wahrscheinlichkeitserhöhende Kriterium - die Verklagung eines wesentlichen Marktanteils - gleichsam ersatzweise vom Kläger erst geschaffen werden muß 39 • Mit Anordnung anteiliger Primärhaftung des Herstellers nach außen kommt man ihm dabei noch entgegen. Weitjenseits der Kausalitätsvermutung in Summers oder Hall hat Sindeil die Kausalität für bestimmte Schäden an die branchenweite (fahrlässige) Produktion des fehlerhaften DES selbst geknüpft bzw. läßt diese als Kriterium für Verursachungswahrscheinlichkeit ausreichen und schafft damit jenseits von strict liability fast eine absolute Haftung, mit der hier für alle DES-Schäden einer Art gehaftet wird 40 •

38 Bea, die Parallelen inderneueren BGH-Rspr. (Krankenwagenfall), unten VIII. B. 2. b) bb) bbb) bbbb). 39 Prossers Postulat: (the plaintiß) "must introduce evidence which affords a reasonable basis for the conclusion that it is more likely than not that the conduct of the defendant was a substantial factor in bringing about the result. A mere possibility of such causation is not enough" ... , § 41, at 241. 40 Zur andersgearteten ,absolute liability' vgl. Teledyne Exploration Co. v. Dickerson, 253 So.2d 817, 818 (Miss. 1971) und generell Prosser, Law oftorts (9th ed), § 78, 505-516, Fn. 14. Im Urteil aber ebenso Comment, 52 Mississippi Law Journal199, 214 und Höchst, Produzentenhaftung, 95.

V. Anwendungsbereich A. Allgemeines

Die Haftung ohne nachgewiesene individuelle Kausalität ist auf solche Produkthaftungsfälle nicht anwendbar, die Einzeldefekte zum Gegenstand haben. Nur Opfer von fehlerhaft entworfenen, konzipierten und konstruierten Produkten (design defects, Entwicklungsfehler) sind Nutznießer der Theorie aus Sindeil und ihrer Nachfolger 1 • Die Haftung stützt sich immer wieder auf ein gemeinsames Verhalten der Herstellerseite, das bei einzelnen Produktionsfehlern, sog. "Ausreißer", nicht vorliegt2. Durch einzelne Ausreißer Geschädigte können sich- geradezu selbstverständlich- bei unbeweisbarer Kausalität nie an die ganze Industrie halten. Die Anwendbarkeit der market-share-liability scheint trotzdem groß. Außer an DES ist allgemein an Arzneimittel mit fungiblen Inhaltsstoffen zu denken, ferner an giftige Bau- und Konstruktionsstoffe wie asbesthaltige Materialien 3 , deren Faserstaub weltweit als höchst krebserregend eingestuft wird. Ohne daß die Geschädigten Marktteilnehmer zu sein brauchen, ist auch an die Gruppe gezielt eingesetzter Chemikalien (verschiedener Hersteller) zu denken, deren gesundheits-und umweltzerstörende Wirkung erst im Laufe ihrer Anwendung erkannt wurde, so z. B. das im Vietnamkrieg eingesetzte Entlaubungsmittel Agent Orange\ zivil eingesetzte Herbicide 5 , allesamt nachweislich monokausal krebserregend oder erbgutschädigend. Latenzschäden sind deshalb - wie bei DES - teilweise erst in Folgegenerationen erkennbar. Schließlich gibt es die Gruppe der unpfanmäßig freigesetzten und wirkenden Umweltgifte wie z. B. Dioxine und Furane, Blei, polychlorierte Biphenyle, saurer Reed/Davison, 19 A.B.L.J. 511, 520. Zum Scheitern verurteilt war daher auch die versuchte Ausdehnung der msl. auf Ausreißer aus einer Gruppe gleicher (Impfstoffe) und verschiedener (Autoreifenteile) Produkte, siehe unten VI. E. 1., 2. 3 Dazu unten im Kap. Asbest, VI. E. 4. 4 In Re "Agent Orange" Products Liability Litigation, No. 381 (E.D.N.Y. Dec. 29, 1980), discussed in 1981 Products Safety Liability Rep. (BNA) at 11; 597 F.Supp. 740; 635 F.2d 987 (2d Cir. 1980): wegen seiner Kompliziertheit allerdings Beendigung durch Vergleich in Höhe von 180 Mio. $,siehe v. Hülsen/Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 187, 192. Vgl. auch Dworkin/Zollers, 19 A.B.L.J. 519 und Fn. 19. 5 z. B. Tordon 101 und "Agent White", Dworkin, 57 Tulane L.R. 602, 634, 635. Genannt werden weiterhin kanzerogenes Formaldehyd, oder das toxic shock syndrom durch den Gebrauch bestimmter Tamponarten, Kehm v. Proctor & Gamble, 724 F.2d 613. 1

2

B. Anwendungsprobleme

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Regen und Giftabfall überhaupt 6 • Bei vielen dieser Stoffe konnte die- teils recht unterschiedliche- monokausaF schädigende Wirkung auf Natur und Mensch sowie auf Sachgüter nachgewiesen werden 8 , einzig die Identifikation ihrer Hersteller bzw. Urheber ist unmöglich. B. Anwendungsprobleme 1. Materiellrechtliche Probleme

a) Fungibilität

Der Supreme Court of California hat nicht definiert, was ein fungibles Produkt ist. Der Fall betraf eine unpatentierte Droge, die unter ihrer generellen chemischen Bezeichnung (Nomenklatur) verschrieben worden war. Es ist daher anzunehmen, daß das Gericht von einer natürlichen Betrachtungsweise von "Fungibilität" ausgeht und dazu nur solche Produkte zählt, die untereinander gleichartig, äquivalent sind 9 . Im weiteren Sinne wären dazu auch no-name (generic) Produkte zu zählen 10 , wenn sich mehrere Hersteller eines seiner Art nach defekten Produktes dieser Vertriebsmethode durch einen Dritten bedienen und damit ihre vormals identifizierbaren Produkte unidentifizierbar machen. Als Glied in der Veräußerungskette haftet nach einzelstaatlichem tort law zwar auch dieser Dritte 11 , er allein ist jedoch haftungsmäßig schnell überlastet. Was Fungibilität ist, muß wissenschaftlich determinierbar sein. Allenfalls mag hier der Gebrauch und die Übung der Industrie, einen Stoff als fungibel zu behandeln, noch dazu zählen; industrielle Produktions- und Marketinggewohnheiten dürfen nicht zu Lasten des Verbrauchers gehen. Eine Bestimmung durch den Verbraucher muß allerdings ausgeschlossen bleiben 12 •

6 Zu acidrainund market share liability: Comment, 1983 Southern Illinois University Law Review 540, 543; Comment, 1983 Brighham Young University Law Review 675. Zu Blei u. msl., Endress/Sozio, 1983 Detroit College of L.R. 1, 16. 7 Das Identifikationsproblem bei kumulativ wirkenden Stoffen ist nur schwer lösbar, dazu unten VI. E. 4., 5. 8 Die Kausalbeziehung Saurer Regen Waldsterben wird noch erforscht und ist möglicherweise eher kumulativer Art; monokausal ist sie für die Zerstörung von Bauwerken jedoch weitgehend unumstritten. 9 U.C.C. § 1-201 (17) (1972 version); Dworkin/Zollers, 19 A.B.L.J. 529, Fn. 37. 10 Die amerikanische Fachliteratur trifft im Zusammenhang mit der market-shareliability keine Unterscheidung zwischen "fungible" und "generic". M. E. ist aber eine entsprechende Anwendung der msl. möglich. 11 Für Kalifornien bspw. Wiler v. Firestone Tire Rubber Co., 95 Cal.App.3d 621, 629 (1979), 157 Cal.Rptr. 248. 12 Ebenso Dworkin/Zollers, A.B.L.J. 530.

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V. Anwendungsbereich

b) Marktbegriff

Problematisch ist die Fixierung des "relevanten" Marktes eines im Handel befindlichen (defekten) Produktes bzw. einer emitierten Substanz, also des geographischen und zeitlichen Abschnitts, in dem der Kontakt mit dem Opfer möglich war. Die Marktdetermination ihrerseits ist wichtig für die Bestimmung, ob der Kläger einen wesentlichen Teil der mit ihm möglicherweise in Kontakt gekommenen Hersteller (a substantial part of the market), gemessen an ihrem Marktanteil, verklagt hat. Dies ist -wie dargelegt- Voraussetzung für die Wahrscheinlichkeitsprognose und die darauffolgende Beweislastumkehr bei der Kausalität 13 • Ohne sie gäbe es schließlich keine Klarheit für die Haftungsverteilung im Innenverhältnis der Beklagten gemäß ihren Marktanteilen. Sowohl Sindeil als auch alle ihre Nachfolgeentscheidungen verlieren darüber jedoch kein Wort 14• Da der Markt geographisch und zeitlich aber auch nach der jeweiligen Einsatzart des Produkts definiert werden kann 15 , schwanken die gefundenen Größen mit den angesetzten Parametern. aa) Einsatzart von DES Der "relevante Markt" wird ganz wesentlich von der Produktnatur beeinflußt. Einige Substanzen sind derart toxisch, daß jede applizierte Dosis - gleich für welche Zwecke - schädigend wirkt (strenge Monokausalität). Ist in einem solchen Fall die Wirkungsdosis also gleich oder gar geringer als die einzelne Vertriebs- bzw. Applikationsdosis, ist die jeweils vertriebene Menge der substanzhaltigen Produkte (der Substanz selbst) auch Gradmesser der Verursachungswahrscheinlichkeit. In diesen Fällen stellt die Gesamtproduktion gefährlicher Einzeldosen auch den "relevanten", zu berücksichtigenden Markt dar. Andere Stoffe schädigen erst ab gewissen Mindestdosen, die größer sind als die in einigen Präparaten enthaltenen oder bei bestimmter Verwendung applizierten Mengen, werden aber in verschieden großen Dosen für verschiedene Anwendungsarten gleichzeitig vertrieben. Die Orientierung am marktmäßigen Gesamtoutput der Substanz sowie der Präparate versagt hier 16 • So wurden von DES in den fünfziger Jahren sowohl 25 mg Tabletten für Schwangere als auch 5 mg Tabletten für andere Anwendungsfälle produziert. Die 25 mg Dosen waren für ungeborenes Leben gefährlich, die 5 mg Dosen nicht 17 • Es war jedoch nicht auszuschließen, daß auch 5 mg Tabletten für Siehe oben IV. D. und Comment, 52 Mississippi L.R. 213. Das Urteil der Vorinstanz war jeweils nur aufgehoben und unter Rückverweisung in die Tatsacheninstanz eine Entscheidung dem Grunde nach getroffen worden, s.o. II. C., Fn. 24. 15 Dworkin/Zollers, A.B.L.J. 531. 16 Dworkin/Zollers, ebd. 534. 17 Chase, 1982 University of Illinois Law Journal 1014, Fn. 61. 13

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B. Anwendungsprobleme

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Problemschwangerschaften verschrieben worden waren 18 • Gesamtproduktion und Vertrieb aller DES-Präparate war somit nicht mehr Ausdruck der Schädigungswahrscheinlichkeit Ihre Berücksichtigung führte vielmehr zur Haftungsdisproportionalität fürjene Mengen DES, die für ungefährliche Fälle in Form von 5 mg Tabletten auch bestimmungsgerecht verwendet worden waren. Umgekehrt bedeutete generelle Nichtbeachtung der 5 mg Dosen die Enthaftung auch für solche 5 mg Präparate, die aufgrund ärztlicher Anweisung gehäuft und entgegen ihrer eigentlichen Bestimmung von Schwangeren eingenommen wurden, um eine den 25 mg Präparaten vergleichbare Wirkung zu erzielen. Allgemein gewendet: Ein für verschiedene Zwecke unterschiedlich dosiertes und nur hinsichtlich eines Zweckes bei einer Mindestdosis defektes Produkt läßt - bei gelegentlicher Austauschbarkeit der Applikationsform - eine Bestimmung seiner Schädigungswahrscheinlichkeit für eine Haftungszuteilung aufgrundder absoluten Produktionsdaten nicht mehr zu 19 • Eine Ausrichtung der Marktanteilsdefinition an der Menge verwendeten Rohmaterials DES ist gleichfalls ungerecht, wenn ein Hersteller mit geringem Gesamtanteil am Markt mehr Schadensfälle verursacht als der Hersteller mit größerem Marktanteil. Das ist dann der Fall, wenn die Verteilung von niedrigen Dosen DES auf eine Vielzahl von Produkten mehr Patienten schädigt als die Verteilung von höheren Dosen auf wenige Produkte. Bei gleichartiger Gefährlichkeit ist die Wahrscheinlichkeit der Schadensverursachung im ersten Fall größer, obwohl der Marktanteil an der Produktion und Verwendung von DES insgesamt geringer ist. bb) Geographische Reichweite des Marktes Eine exakte Bestimmung der Schädigungswahrscheinlichkeit setzt nach Sindeil die Berücksichtigung von Daten voraus, die einen lokalen, den Kläger bedienenden Markt repräsentieren. Sindeil definierte den relevanten Markt als die gesamte Produktion von DES zur Verhinderung von Fehlgeburten 20 • Von den knapp 200 DES-Herstellern belieferten einige große Firmen den ganzen USMarkt, während sich kleinere ausschließlich auf bestimmte Staaten oder Regionen beschränkten 21 • Zwar überließ man in Sindeil die exakte Bestimmung des Marktes als Beweisproblem der Tatsacheninstanz. Doch trägt der Beklagte die Beweislast, DES in der fraglichen Zeit gar nicht oder nicht in dem Chase, ebd. 1007, 1008 und Fn. 30. Die datenmäßige Erfassung aller zu Schädigung geeigneten und vertriebenen DESMengen wäre obendrein sinnlos gewesen, weil sie die Schädigungswahrscheinlichkeit nicht hätte exakt wiederspiegeln können: Ärzte und Apotheken hatten DES ja unterschiedslos angewendet. Außerhalb der Arzneimittelbranche wäre das Problem ohnehin nicht kontrollierbar. 20 Sindell, 607 P.2d 937, 163 Cal.Rptr. 145. 21 Comment, 46 Fordham L.R. 964; Sindell, 607 P.2d 924, 930, 163 Cal.Rptr. 132, 138: Die Produzenten lieferten an Großhändler, die ihrerseits Ärzte und Apotheken belieferten. 18

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V. Anwendungsbereich

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behaupteten Umfang hergestellt zu haben 22 • Die geographische Reichweite des relevanten Marktes muß daher nach Möglichkeit auf die Region oder den Bundesstaat eingeschränkt werden, wo die Einwirkung auf die Klägerin stattfand, denn nur dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß nur die Hersteller verklagt und verurteilt werden, deren Produkt den Kläger tatsächlich schädigen konnte 22 • Die resultierende Haftung korreliert nur dann mit einer entsprechend hohen Verursachungswahrscheinlichkeit. cc) Zeitlicher Rahmen Der notwendige zeitliche Rahmen bei der Definition des relevanten Marktes ist nur schwer bestimmbar. Ist ein Schaden durch einmaligen Kontakt mit einem Giftstoff verursacht, so bereitet die Festlegung des Zeitpunktes, wann der Stoff vertrieben oder emittiert wurde, die geringsten Schwierigkeiten. Eine Marktanteilsdetermination ist insoweit am einfachsten 23 • Komplizierter wird es, wenn das Opfer der Einwirkung eines monokausalen Giftes über längere Zeit ausgesetzt 24 war und der Marktanteil des/der Produzenten in dieser Zeitspanne variiert. Sindeil und auch nachfolgende Entscheidungen klären nicht, ob der Marktanteil beispielsweise zu Beginn oder am Ende einer Einwirkungs-/Einnahmeperiode bestimmt werden soll 25 • Die Marktbestimmung wird schließlich dadurch erschwert, daß einzelne Hersteller in der fraglichen Zeitspanne, innerhalb derer der Eintritt des Schadensfalles nicht zeitgenau bestimmt werden kann, nicht auf dem Markt gewesen sind 26 • c) Zugänglichkeil von Daten

Bestimmung des relevanten Marktes zur Festlegung individueller Marktanteile sowie des "wesentlichen" Anteils am relevanten (Gesamt-)markt ist abhängig von der Erreichbarkeit zuverlässiger ökonomischer Daten. Vom Gericht als Beweisproblem behandelt 27 , ist die Verfügbarkeit solcher Daten eigentlich Voraussetzung für den Entwurfund die Anwendbarkeit einer marketshare-liability überhaupt 28 , gleich welcher Ausprägung. Sindell, 607 P.2d 937, 163 Cai.Rptr. 145. Vgl. Chase, 1982 U.I.L.J. 1009. 24 Emons Industries, Inc. v. Liberty Mutual Fire Ins. Co., 481 F.Supp. 1022 (S.D.N.Y. 1979) illustriert die verschiedenen Zeitspannen, in denen Frauen DES einnahmen. 25 Vgl. Chase, 1982 U.I.L.J. 1008f.: es handelte sich immer um örtlich und zeitlich leicht eingrenzbare Fälle. 26 DES wurde zw. 1941 und 1971 vertrieben; für andere Latenzschadensfalle wie Asbest, Umweltgifte und Giftmüll ergibt sich das Problem von selbst. 27 Sindell, 607 P.2d 938, 163 Cai.Rptr. 146, 26 Cal.3d 613. 28 Dissentin Sindell, 607 P.2d 940, 163 Cai.Rptr. 148, 26 Cal.3d 617. 22 23

B. Anwendungsprobleme

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Berücksichtigt man die lange Zeitspanne zwischen dem Einfluß des Giftstoffes und seiner Auswirkung, ist mangelnde Verfügbarkeit solcher Daten eher die Regel. Ist daher eine Markt- oder gar eine Marktanteilsbestimmung nicht möglich, so bleibt neben Klageabweisung allenfalls die Verurteilung zu gesamtschuldnerischer Haftung, eine angesichts des fehlenden Kausalitätsbeweises unangenehme Alternative, die überdies Produzenten mit wirklich niedrigerem Marktanteil und entsprechend kleiner Verursachungswahrscheinlichkeit gar nicht entgegenkommt 29 • Im Ergebnis ist daher die Marktanteilshaftung nur sehr eingeschränkt anwendbar. Selbst bei Verfügbarkeit von Daten bleibt unklar, welche aus welchen Zeiträumen zugrunde zu legen sind. . Maßgeblich könnten die Vertriebszahlen im Jahre der Einnahme der Droge bzw. der Anwendung des Produktes sein. Handelt es sichjedoch bei dem Prozeß um eine dass action 30, in der ein Kläger für mehrere potentielle Kläger klagt, die gewisse, gerichtlich festgelegte Voraussetzungen erfüllen 3 1, so können Einnahmeperioden und Schäden der Kläger über mehrere Jahre ungleich verteilt sein. Werden Hersteller verklagt, die innerhalb eines geographisch abgegrenzten Marktes während mehrerer Jahre produzierten, so fragt sich, für welchen Zeitpunkt in dieser Zeitspanne der die Haftungsgrundlage bildende Marktanteil festgelegt werden soll. Für die Kläger dürfen die Beweisanforderungen auch hier nicht zu hoch sein. Unklar ist aber, ob die Orientierung an Durchschnittsvertriebszahlen für die gesamte Periode erforderlich sein oder das Zugrundelegen irgendeines Jahres aus dieser Zeitspanne ausreichen soll, um den wesentlichen Marktanteil zu bestimmen. Im ersten Fall besteht - vor der discovery - eine ernste Beweishürde, im zweiten Fall liegt die Ungerechtigkeit wieder in der Verklagung der Großfirmen, die in der fraglichen Zeitspanne jahresweise teils hohe, teils niedrige Vertriebszahlen aufweisen. (Für den Nachweis der individuellen Haftungsanteile müßten die jährlichen Vertriebszahlen dagegen ausreichen.) Vgl. Chase, 1982 U.I.L.J. 1015. So in Sindeil und zuvor ganz eng begrenzt aufbestimmte Verletzungen räumlich und zeitlich eingegrenzter Opfer in Payton v. Abbott Lab's, 83 F.R.D. 382, 385-387, 386 Mass. 540,543-545,437 N.E.2d 171, 173-175 (1982), dagegen nicht in Morrissey v. Eli Lilly & Co., 76 Ill. App.3d 753, 394 N.E.2d 1369 (Ill. App.Ct. 1979), vgl. Comment, 46 Fordham L.R. 969, Fn. 22. Siehe auch unten Kap. Jurisdiction V. B. 2. b). In Produkthaftungsfällen immer wieder angestrengt und von Fed. Rule 23 für ,mass desasters' gar vorgesehen, sind 1t -dass actions auch aus diesem Grund gerade dort nicht förderlich und für personal injury wegen weiterer Nachteile (generell nicht geeignet, Individualfragen sind vorherrschend: injury, statutes oflimitations, time ofmarketing, degree ofknowledge), zusammengefaßt in Comment, 46 Fordham L.R. 968, 969, Fn. 22. Defendant-class actions sollen in Fällen der Haftung für wahrscheinliche Verursachung (msl.) nicht möglich sein, Payton, a.a.O., Ferrigno v. Eli Lilly & Co., 175 N.J.Super. 551, 420 A.2d 1305 (Law Div. 1980) nicht nur, weil die Einreden des Beklagten nicht notwendigerweise typisch sind für andere Hersteller, sondern weil auf Beklagtenseite gerade im Falle drohender Wahrscheinlichkeitshaftung ganz gegensätzliche Interessen bestehen und der Alleinbeklagte dann gerade andere potentielle Verursacher wird zu belasten versuchen. 31 Federal Rule of Civil Procerlure 23 (b) (3). 29

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V. Anwendungsbereich

d) Unproportionale Schadensliquidation

Wie oben dargelegt 32 , muß Sindeil so interpretiert werden, daß der ganze Schaden auch dann liquidiert wird, wenn die Summe der Marktanteile aller Beklagten unter 100% liegt. Sindeil hat sich hier von der Vorstellung leiten lassen, das Opfer voll zu entschädigen und ging richtigerweise davon aus, daß sich alle Hersteller nicht mehr finden lassen, teilweise weil sie gar nicht mehr existieren. Die verbleibende Ungerechtigkeit ist offenbar: Sie wird um so größer, je weiter der verklagte Marktanteil von der 100%-Marke abweicht 33 • Die Beklagten zahlen für die Nichtbeklagten oder nicht mehr existierenden potentiellen Verursacher mit. Die gesamtschuldnerische Belastung des einzelnen Beklagten mit einer schärferen Haftung als ihm nach seinem potentiellen Verursachungsbeitrag entspricht, erscheint allenfalls noch dort gerechter, wo sich die Haftung allgemein auf sein nachgewiesenermaßen schuldhaftes und adäquat kausales Verhalten stützt, der Gesamtschaden also adäquat verursacht worden ist. So war in American Motorcycle Association v. Superior Court34 einer von drei Beklagten gesamtschuldnerisch zum Ersatz des ganzen Schadens an einem Kind verurteilt worden, das im Verlaufe eines von den Beklagten gemeinsam veranstalteten Motorradrennens verletzt worden war. Der wahre Verursacher konnte nicht mehr genau ermittelt werden. Das Gericht sah jedoch die Teilnahme eines jeden an dem Motorradrennen selbst als fahrlässige Gefährdung Umstehender an. Jeder noch so geringe Akt wurde hier als adäquat kausale Ursache (proximate cause) des ganzen Schadens angesehen, die Verurteilung eines Teilnehmers zu gesamtschuldnerischer Haftung in voller Höhe war nach Ansicht des Gerichts daher gerechtfertigt. Dieser den "Beteiligungsfällen" des § 830 I 2 BGB in Voraussetzung wie Rechtsfolge ähnliche Fallleitet seine Lösung dogmatisch nicht aus einer Beweislastumkehr in einem kausal unaufklärbaren Fall ab, sondern aus der konsequenten Anwendung des individuellen Verschuldensprinzips: Ohne Beitrag des Einzelnen kein Rennen. Jede auch noch so geringe Fahrlässigkeit wird insoweit insgesamt als adäquat kausale Schadensursache angesehen und fährt daher konsequent zu gesamtschuldnerischer Haftung des einzelnen. Sindeil dagegen ignoriert das Prinzip individueller Haftungszurechnung durch Überspringen des haftungsbegründenden Kausalitätsbeweises, der zum aktuellen Schädiger führen müßte. Indem sie die Beklagten dann doch für mehr haften läßt als es der Verursachungswahrscheinlichkeit durch ihren Marktanteil entspricht, läßt sie sie sogar für diejenigen haften, deren Verursachungsbeitrag niemals zur Verhandlung gestanden hat, geschweige denn nachgewiesen wurde35. Diese Form der Haftung verdient den Namen "Marktanteilshaftung" zu 32 33 34

Siehe oben IV. D. Chase, 1982 U.I.L.Rev. 1011. 20 Cal.3d 578, 578 P.2d 899, 146 Cai.Rptr. 182 (1982).

B. Anwendungsprobleme

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Unrecht 36 • Disproportionalitäteil ergeben sich zweifellos auch, wenn einige Großfirmen häufiger verklagt werden als andere weniger finanzstarke. In einem solchen Fall werden die Kläger darauf verzichten, alle potentiellen Verursacher/Herstellerjeweils stets mitzuverklagen. Die Annahme, jeder Hersteller werde in allen Fällen und Verfahren mitwirken 37 , ist deshalb verfehlt. Großfirmen werden häufiger und mehr zur Kasse gebeten als der durch sie gesetzten Verursachungswahrscheinlichkeit wirklich entspricht. e) Anwendung der Marktanteilshaftung auf die gesamte Vertriebskette Sindeil und seine Nachfolgeentscheidungen schränken die Marktanteilshaftung nicht auf Hersteller ein. Vielmehr gelten auch insoweit allgemeine Produkthaftpflichtgrundsätze, wonach die Glieder einer Vertriebskette -vom Groß- bis zum Einzelhändler-jeweils neben dem Hersteller voll haften können. Insoweit einschlägiges staatliches Recht ordnet Händlerhaftung an 38 • 35 Chase, 1982 U.I.L.Rev. 1012, u. Fn. 95: die Frage eines ,taking of property without due process' ist bisher nicht ernsthaft gestellt worden. 36 Der Gefahr, daß Kleinhersteller zu einem "wesentlichen" Anteil kumuliert verklagt werden und dadurch- nicht dem durch sie geschaffenen Risiko entsprechend- anteilig auf das Ganze haften, kann noch mit dem Erfordernis eines Mindestprozentsatzes (Bp.: 10%) pro bekl. Hersteller entgegengewirkt werden. 37 Siehe das erwähnte 5%-Beispiel in Sindell, 607 P.2d 937, 163 Cai.Rptr. 145, Fn. 28. 38 So entschied der S.Ct. ofCalifornia in Vandermark v. Ford Motor Co., 61 Cal.2d 256, 391 P.2d 168, 37 Cai.Rptr. 896 (1964), grundsätzlich, daß die wichtige Rolle des Einzelhändlers (retailers) bei Marketing und Vertrieb auch seine Produkthaftung auf der Basis von strict liability rechtfertige. Siehe auch Rhodes v. Interstate Battery System of America, 722 F.2d 1517, 1520 (11th Cir. 1984, Ga.). In einigen Staten besteht ein Freistellungsanspruch gegenüber dem Hersteller, Peterson v. Bachrodt Chevrolet Co., 61 Ill.2d 17, 329 N.E.2d 785 (1975), in anderen Staaten richtet sich die Haftung des Händlers nach dem Maß der ausgeübten Kontrolle, Chappuis v. Sears Roebuck & Co., 358 So.2d 926 (La. 1978), Lyons v. Premo Pharmaceuticals 170 N.J.Super. 183, 406 A.2d 185 (1979). § 402 Ades Restatement Second ofTorts (1965) ordnet gar strikte Haftung der Glieder in der Vertriebskette an; dagegen haftet der Verkäufer neben dem Hersteller nach dem Uniform Products Liability Act von 1979 (UPLA), sec. 105 (A), erst, wenn er als "vernünftiger" (reasonable) Händler den schon existierenden Defekt schon bei Anwendung allgemeiner Sorgfalt hätte erkennen können oder hätte warnen müssen oder wenn er gar vorher Mangelfreiheit zugesichert hat. Strikte Haftung trifft ihn erst, wenn der Hersteller insolvent ist oder ihm nicht zugestellt werden kann, §§ 105 B- C (1976). Ob dies auch für die ähnliche Konstellation der Nichtidentifikation des Herstellers gilt, ist allerdings fraglich. Pharmacies sollen nach einer 4: 3-Entscheidung (!) des Supreme Court of California in Murphy v. E.R. Squibb& Sons, Inc., 221 Cai.Rptr. 447 (Cal. 1985), als Auch-Verkäufer von Dienstleistungen anderen Dienstleistungsbereichen (Ärzte, Krankenhäuser) gleichgestellt [Carmichael v. Reitz (1971), 17 Cai.App.3d 985, 95 Cai.Rptr. 381 (Arzt); Silverhart v. Mount Zion Hospital (1971), 20 Cai.App.3d 1022, 1027, 98 Cai.Rptr. 187] und entsprechend von strict liability für die Verwendung defekter verschreibungspflichtiger Produkte freigestellt werden, id. 450. Der gesetzlich geforderte Qualifikationsstandard allein sei gegenüber grundsätzlich vorherrschender Verkaufstätigkeit allein zwar nicht ausschlaggebend, 451; section 4064 des Business and Professions Code definiere die Tätigkeit von Allgemein-Pharmacies aber als "dynamic patient-oriented health service",

46

V. Anwendungsbereich

Die strikte Anwendung der Marktanteilshaftung auf die einzelnen Glieder eines ganzen Vertriebssystems kann sich jedoch nachteilig auswirken, wenn der Verursachungsbeitrag des Händlers falsch bewertet wird. Die komplizierten Handelsbeziehungen zwischen Hersteller, Groß- (wholesaler) und Einzelhändler (retailer) sind gerade dazu angelegt. Bis auf Ausnahmen 39 erfolgt die Haftungsverteilung in der Vertriebskette (vertikaler stream of commerce) nämlich gesamtschuldnerisch und intern zu gleichen Teilen, soweit nicht ein geringerer Haftungsbeitrag nachweisbar ist. Letzteres ist für den Händler zwar möglich 40, aber nicht garantiert. Marktanteilshaftung für wahrscheinliche Schadensverursachung- gleich auf welcher Haftungsgrundlage (fault oder strict liab.) nimmt den Hersteller primär nach seinem Anteil in die Pflicht, für den alle nachfolgenden Glieder der Vertriebskette nun ihrerseits gesamtschuldnerisch haften. Von einer solchen Haftung, die den Beklagten (Hersteller plus ganze Vertriebskette) unabhängig von jedwedem Kausalitätsbeweis zugeteilt wurde, können sich die Glieder der Vertriebskette aber entgegen üblichem Produkthaftpflichtrecht durch Nachweis geringerer Verantwortlichkeit vermutlich nur schwer befreien. Bei Nichtauffindbarkeit oder Insolvenz des Herstellers haften Glieder der Vertriebskette mitunter gar allein. Die durch Marktanteil indizierte Verursachungswahrscheinlichkeit ist schließlich einziger Anknüpfungspunkt der Haftungsbegründung. Als Mittler in der Vertriebskette trifft den Händler daher gleichsam die gleiche Verantwortung für das Zustandekommen des Marktanteils, und zwar als alleiniger Vertreiber mißlicherweise voll, als einer neben anderen intern in entsprechendem Verhältnis. 452 (so gesehen auch in McLeod v. W. S. Merell Co. (Fia. 1965), 174 So.2d 736, 739; Batiste v. American Horne Products Corp. (N.C., 1977), 231 S.E.2d 269, 275; Bichler v. Willing (N.Y., 1977), 397 N.Y.2d 57, 59-60, 58 A.D.2d 331. § 1606 des Health and Safety Codes verbietet strict liability beim Vertrieb oder Gebrauch von Blut- und Blutplasmaprodukten generell, um das Angebot auf diesem Sektor zu sichern (freigestellt sind demnach Krankenhäuser, Blutbanken und Hersteller von Blut- (bzw. [-plasma]produkten). Gesetzestechnische Grundlage ist die in § 1606 ausgesprochene Vermutung, Vertrieb und Gebrauch von Blutprodukten sei kein "sale", sondern "service". Dies könne der Gesetzgeber bei Fassung des § 4046 des BPC nicht übersehen haben. Die Tätigkeit von Pharmacies stehe Dienstleistungen sogar noch näher. Über das gesetzgeberische Motiv zur Freistellung von Phamacies rätselt das Gericht freilich selbst, 452, 453. Für kalifornisehe Verhältnisse ungewöhnlich herstellerfreundlich, ist die Entscheidung ein erheblicher Einbruch in das Produkthaftpflichtrecht und nur von schwachen policy-Argumenten (adequate supply, Verbraucherpreise, drohende Alleinhaftung, 452, 453) getragen (vgl. den ausführlichen dissent von J. Bird, 458-467). Im Pharmabereich dürfte der Druck einer Wahrscheinlichkeitshaftung nach Marktanteilen auf die Hersteller damit noch größer werden. Neuerdings begründet auch Art. 3 der Richtlinie des Rates der EG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten für fehlerhafte Produkte (v. 25. 7. 1985, Amtsbl. EG Nr. L 210/29 v. 14. 10. 1985) die Händlerhaftung. Verschuldensvermutung und Erleichterung des Kausalitätsbeweises werden jedoch nach deutschem Recht auf den Händler nicht angewendet, s. zuvor auch BGH NJW 1980, 1219; Pauli, PHI 1984/4, 82f.; Lüderitz, FS Pleyer (1986), 539fT. 39 Siehe oben V. B. l. e), Fn. 2. 40 Chappuis v. Seas Roebuck & Co., 358 So.2d 926 (La. 1978).

B. Anwendungsprobleme

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Schwer trifft sie schließlich die Verantwortung, wenn einzelne Händler von mehreren Herstellern defekte Waren bezogen und weitervertrieben haben. Die nach Marktanteil bemessene Haftung für wahrscheinliche Verursachung konzentriert sich dann (z. B. beim Großhändler) - ohne Möglichkeit weiterer als hälftiger Entlastung gegenüber den Herstellern- im jeweiligen Gesamtschuldverhältnis. Theoretisch zwar proportional zu seinem Warenausstoß, erscheint dies insgesamt trotzdem ungerecht. Wollte man mit der anteiligen Primärhaftung doch gerade eine gerechte Haftung für wahrscheinliche Verursachung ermöglichen, so kann es auf der Vertriebsstufe zufällig wieder zu Kumulierungen kommen. f) Allgemeine Praktikabilität (policy reasons)

Die Marktanteilshaftung verhilft dem ansonsten schutzlosen Individuum zu Schadensersatz, wo dies zuvor für undenkbar gehalten wurde. Der mit Haftung für gleichsam schon gefährliches Verhalten allein und nicht mehr für die Schadensverursachung selbst erzeugte beispiellose Abschreckungseffekt dürfte verbesserte Produktentwicklung und Produktbeobachtung vom Erzeuger bis zum Konsumenten41 intendiert und wohl auch zur Folge haben (in den USA scheint angesichts schärfster Produkthaftung eine Steigerung allerdings kaum noch möglich). Kehrseite der Medaille ist der Zwang einiger Hersteller, fortan Schäden zu regulieren, die möglicherweise andere verursacht haben. Große und finanzstarke Produzenten waren wiederholt geradezu Magneten für eine solche Haftung; obgleich sie sich wie die Kläger mit oft gleichem Abstand zur Fehlerquelle in Beweisnot befanden. Sie werden damit branchenintern und durch klägerische Auswahl willkürlich zu Versicherern des von den Branchenpartnern maßgeblich (mit)geschaffenen Risikos. Die Haftungsstreuung nimmt kleineren Firmen "im Windschatten" der Großen zudem vermehrt den Anreiz zu verbesserter Produktsorgfalt42 • Investitionen kleinerer Hersteller zur Produktverbesserung würden sich auch betriebswirtschaftlich nicht annähernd proportional kostenmindernd auswirken, wie dies bei den häufiger beanspruchten Branchenriesen der Fall wäre 43 • Bedenklich ist auch, daß sich nicht nur die Beklagten, sondern auch die Kläger selbst hinter dem Instrument der Wahrscheinlichkeitshaftung verstecken können, wenn auch letztere nur illegal: So ist denkbar, daß einzelne Geschädigte absichtlich ihr Wissen von der Identität des wahren Herstellers unterschlagen, um mit der entstehenden Beweislücke Nutznießer der Wahrscheinlichkeitshaftung zu werden und sich diesermaßen einen liquiden Schuldner zu beschaffen44 • 41

1005. 42 43

Marshack, 18 Calif. Western Law Rev. 163; Comment, 13 Suffolk Law Rev. 1004, Marshack , ebd., 164, Fn. 165; Campbe/1, 10 Forum 1231, 1235 (1975). Campbe/1, ebd., 1235.

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V. Anwendungsbereich

Im US-Recht speziell entmutigend ist der Anstieg der Prozeßkosten. Jede Partei trägt ihre Kosten gewöhnlich selbst, soweit deren Berücksichtigung beim Schadensersatz nicht möglich ist 45 • Ein Hersteller wird, ist materiellrechtlich seine Identifikation erforderlich, mit einer ungleich geringeren Anzahl von Prozessen überzogen und braucht lediglich die Kosten seiner Verteidigung in solchen Prozessen zu tragen. Die Anzahl der Prozesse entspricht gewöhnlich dem durch seinen Marktanteil real gesetzten Risiko. Unter der Marktanteilshaftung wäre er dem Risiko aller Prozesse ausgesetzt, was seine Verteidigungskosten vervielfacht 46 • In Marktanteilsprozessen als class-actions sind dabei die Prozeßkosten der Hersteller vergleichsweise hoch. Schon mittelgroße Firmen würden auf diesem Weg ungleich schneller zermürbt als große. Die Kostenbetrachtung läßt dabei noch solche Kosten unberücksichtigt, die bei der durch die Verurteilung nach der MSL herausgeforderten Rechtsverfolgung gegen unverklagte dritte, möglicherweise ausländische Firmen entstehen. Entstehende Prozeßflut, nach Wahrscheinlichkeit anfallende Schadenssummen und hohe Streitkosten stellen schließlich die Versicherungsfähigkeit des neu entstandenen Risikos in Frage.

44 Nach Sindeil würden 100% des Schadens liquidiert, bei der reinen msl. immerhin ein großer Teil. Im Falle unnützer, übereilter oder schlecht vorbereiteter Klagen besteht allerdings die Gefahr der Klageabweisung sowie Schadensersatzpflicht, Fed. Rule of Civil Procedure 11 (1983) [betr. gegner. Anwaltskosten]. 45 American Rule: Aleyska Pipeline Service Co. v. Wilderness Society, 421 U.S. 240, 270f. (1975). Ausnahmen auch hier bei Klagen "in bad faith, vexatiously, wantonly or for oppressive reasons", F.D. Rich. Co., Inc. v. Industrial Lumber Co., Inc.,417 U.S. 116 (1974); Roadway Express, Inc. v. Piper, 447 U.S. 752, 766 (1980). 46 BriefPetitionfora writ to the U.S.-Supreme Court, Rexall Drug Co. & Eli Lilly Co. v. Judith Sindell, et al. (zit. bei Marshack, 18 Calif. Western Law Rev. 165, Fn. 172. Beispiel: Der Hersteller mit einem Marktanteil von 5% wird ohne msl. durchschnittlich nicht in mehr als 5% der Fälle verklagt werden. Bei msl ist er leicht in 100% der Prozesse verwickelt. Auch verfassungsrechtlich ist die Marktanteilshaftung nicht unumstritten. Durch den Verzicht auf den Kausalitätsbeweis zu Lasten des Beklagten könnte das verfassungsmäßige Recht auf due process verletzt sein. Der Kausalitätsbeweis stellt ja im Grunde sicher, daß der Beklagte nicht aufgrund einfacher Spekulation verurteilt wird. Dieses Prinzip ist zugunsten des Klägers durchbrachen. Die verfassungsmäßigen Zweifel reichen weiter von der Annahme von Enteignung ohne Rechtsgrundlage durch Haftung für die Pflicht eines anderen (Chase, 1982 U.I.L.J. 1022; Maryland v. A/S Nye Kristianborg, 84 F.Supp. 775, 780), bis hin zur Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (equal protection) (Chase, 1982 U.I.L.J. 1021 f.). die darin zu sehen sein könnte, daß der Kläger, der seinen Schädiger nicht identifizieren kann, Vorteile unter der Marktanteilshaftung erlangt, während der zur Identifikation vermögende weiter rigorosen Beweisanforderungen unterliegt. Produzenten fungibler Produkte haften eher bei Solvenz als bei aktueller Kausalität (deep pocket theory), sind daher einer größeren Willkür der Kläger ausgesetzt.

B. Anwendungsprobleme

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2. Prozessuale Probleme

a) Beweisverteilung

Schweigt sich Sindell schon darüber aus, was als wesentlicher Marktanteil (substantial share) anzusehen ist 4 7, so bleibt erst recht der exakte Mechanismus der weiteren Beweislastverteilung im unklaren 48 • Zwar habe der Kläger die Beweislast hinsichtlich des "wesentlichen Marktanteils" und jeder Beklagte die Last, seine Abwesenheit auf dem Markt zu beweisen. Damit ist jedoch noch keine Regelung getroffen für den Fall parteiverschiedener Angaben über die individuellen Marktanteile 49 innerhalb des Kreises der beklagten Hersteller. Denn der Nachweis eines wesentlichen Marktanteils bringt nicht notwendigerweise stets den Nachweis über die Einzelanteile. Genauer Umfang mag in der Folge bestritten sein, nähere Angaben sind u. U. gar nicht verfügbar. Unklar ist, ob der Kläger dann in einem zweiten Schritt den genauen Anteil eines jeden Beklagten von vornherein zu beweisen hat oder ob dies jedem Beklagten obliegt, nachdem der Kläger nur den wesentlichen Marktgesamtanteil aller beweisen konnte, im Zweifel die Beklagten also zu gleichen Anteilen nach außen haften. EineJiaftung für wahrscheinliche Schadensverursachung wäre dies dann aber nicht mehr. b) Jurisdiction und staatenweise Übermaßhaftung

Haftung für wahrscheinliche Schadensverursachung in Form der Marktanteilshaftung (Sindell) soll diejenigen treffen, deren Produkten das oder die Opfer marktmäßig ausgesetzt waren. Je stärker der geographische Markt eingegrenzt ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Verursachung durch gerade die Verklagten. Daher ist gefordert worden, eine Einschränkung auf das das Opfer real berührende Schadensrisiko vorzunehmen, indem auch der relevante Markt entsprechend eingeschränkt wird 5°. Die uneingeschränkte klageweise Einbeziehung bundesweit tätiger 51 Firmen aus dem MSL-Staat mit national hohen Verkaufszahlen würde materiellrechtlich schnell das bei Sindell genannte substantial-market-share-Erfordernis erfüllen und den Klägern haftende Hersteller mit insgesamt großem Anteil bescheren. Gleiches gilt für die klageweise Einbeziehung der outstate-Hersteller, die auch in den MSL-Staat lieferten. Der 47

70%.

Und öffnet damit Spekulation Tür und Tor, Bp. bei Dworkin/Zol/ers, 19 A.B.L.J. 535:

48 Chase, 1982 U.I.L.R. 1012. - Siehedas 5%-Beispiel in Sindell, 607 P.2d 937 n. 28, 163 Cai.Rptr. 145 n. 28, 26 Cal.3d 612 n. 28 (vgl. IV. D.). 49 Chase, ebd., 1019. 50 Dworkin/Zollers, 19 A.B.L.J. 531; Dies würde auch die Plaintiffc\asses hinreichend klein und handhabbar machen. 51 Angaben der Pharmaceutical Manufacturers Association (PMA) zufolge bedienen rund 2 / 3 ihrer mit 95% Anteil an der Gesamtproduktion teilhabenden Mitglieder den nationalen Markt, zit. bei Chase, 1982 U.I.L.J., 1014, N. 57.

4 Otte

50

V. Anwendungsbereich

so weit erfaßte ,Markt' wäre ohne jeden Abzug aber bei weitem nicht repräsentativ für das dem in Kalifornien ansässigen Opfer geschaffene reale Verletzungsrisiko. Ohne Abzug des wahrscheinlichen Anteils der Belieferung außerhalb des MSL-Staates (Forums) ergäbe sich nach Sindeil überproportionale Haftung 52 • Trägt Wahrscheinlichkeitshaftung dem durch ,marktweise' Exposition geschaffenen Risiko Rechnung, so wollen bei bundesweiter Belieferung mit DES in Konkurrenz zu regional tätigen Herstellern im MSL/Forum-Staat die dort residierenden Opfer möglichst viele ,Risikoverursacher' erreichen 53 • Dabei kann die so in Einzelfällen notwendig werdende Erfassung von Herstellern oder Händlern aus anderen Staaten, die in den MSL/Forum-Staat lieferten, Zuständigkeitsprobleme (allgemeiner und MSL-spezifischer Art) bereiten. Jurisdiction über non-resident manufacturer oder seller erlangt der Kläger im MSL-Staat wenn andernorts produziert und im MSL-Staat verkauft wurde- nämlich nur, wenn im letzteren auch die Verletzung erfolgte 54 und das Produkt dort mit der Erwartung des Herstellers/Verkäufers in den stream of commerce gebracht worden war, der Verkauf dort werde ihm finanzielle Vorteile verschaffen 55 • ,Mere occurrence' reicht dagegen nicht. Im MSL-Staat durchgeführte market-share-liability ist andererseits bundes-

weit Magnet für Geschädigte aus Nicht-MSL-Staaten. Für sie liegt nahe, im

MSL-Staat zu klagen, wenn sich auch nur die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung durch Produkte aus letzterem ergibt - sei es durch von dort ausgehendem bundesweiten Vertrieb (stream of commerce; benefit rule) oder durch dort erfolgten individuellen Kauf. Hier wären die Hersteller einem höheren Inanspruchnahmerisiko ausgesetzt, der Herstellerkreis im MSL-Staat überbelastet.

So schon dissent in Sindell, 163 Cal.Rptr. 148, 26 Cal.3d 632, 607 P.2d 940. Gilt im Forumstaat die msl., so dürfte aber nur der importierte Anteil zum regionalen Markt hinzugerechnet werden. Es verändern sich nur die Proportionen. 54 Gray v. American Radiator and Standard Corp., 22 Il1. 432, 176 N.E.2d 761 (1961), wonach der tortious act auch dann im Forumstaat begangen ist, wenn das letzte Ereignis der unerlaubten Handlung, die Verletzung, dort eintrat. Andere Staaten verweisen auf Spezialvorschriften in ihren longarm-statutes, Casad, § 4-53, 4.02 (2) (d). Unzureichend ist nur die Interpretation des N.Y. S.Ct. in Feathers v. McLucas, 15 N.Y.2d 443, 458, 209 N.E.2d 68, 76 cert. den. 382 U.S. 905 (1965), in der auf die Handlung (Produktion) selbst abgestellt wurde. 55 World-Wide Volkswagen Corp. v. Woodson, 444 U.S. 286, 297f. (1980): benefit-rule, fair and reasonable; keine mere occurence. Foreseeability kann aber ausreichen, Oswalt v. Scripto, lnc., 616 F.2d 191, 200-201 (5th Cir. 1980), Nelson by Carson v. Park Industries, lnc., 717 F.2d 1120, 1127 (7th Cir. 1983); vgl. Am.Jur.2d XIII§§ 891-905. Präzisiert in Asahi Meta! Ind. v. Sup.Ct. of Solano County, 107 S.Ct. 1026, 1032 (1987). (Ist im Forumstaat die msl. aber schon nicht anerkannt, so ist der Weg zur Wahrscheinlichkeitshaftung natürlich versperrt. Die Wahl msl.-freundlichen Rechts dürfte am ordre public des forums scheitern.) 52

53

B. Anwendungsprobleme

51

Wäre dies möglich, so könnten die Opfer aus anderen Staaten ihr Heil im MSL-Staat gegen dort produzierende Hersteller suchen und Haftung im Übermaß auslösen. Dies ist besonders der Fall, wenn die Hersteller im MSL/Forum-Staat als Gruppe (nach Sindell) oder einzeln 56 voll haften und jurisdiction über andere Mitverursacher teils nicht zu erlangen ist. An dieser Stelle ergibt sich selbst nach Martin (nur anteilige Haftung) ein größeres Inanspruchnahmerisiko 57 • Die entstehenden Haftungsdisproportionalitäten lassen sich jurisdiktionell nur begrenzt kontrollieren. Gewährte man jurisdiction schließlich dort, wo beispielsweise durch Kauf des fehlerhaften Produkts spezifische, streitgegenstandsbezogene minimum contacts gegeben sind 58 , so könnte ein solches Opfer Hersteller aus dem MSL-Staat auch im MSL-Staat verklagen mit der vielversprechenden Aussicht auf Anwendung der MSL. Gleichwohl spricht schon gegen die Annahme vonjurisdiction, daß für das zuständigkeitsbegründende ,element oftort' (die Produktion des gerade das Opfer schädigende Präparat im MSL-Staat) nur eine bestimmte Wahrscheinlichkeit spricht 59 • Der Minimalkontakt wäre nur wahrscheinlich. Jurisdiktionelle Schwierigkeiten können sich insoweit auch für grenzüberschreitende Regreßklagen auf Herstellerseite ergeben, solange die Hauptverfahren noch laufen (materiellrechtlich ohnehin, wenn andernorts auf Regreßwege nichts zu erlangen ist) 60 • Regreßklagen sollen teils erst nach erfolgreicher klägerischer Schadensliquidation möglich sein, ein Umstand, der - gelingt Streitverkündung nicht - bei auf Anteilshaftung ausgerichteter MSL zeitlich verzögerte und zahlreiche Einzelregresse provoziert 61 • Nur wo sich ,echte' MSL 56 Collins v. Abbott Laboratories, 342 N.W.2d 37 (Wis. 1984). Siehe unten VI. D. 1. am Ende. 57 Martin v. Abbott Lab's, 102 Wash.2d 681,689 P.2d 368 (Wash. 1984). Siehe unten VI. D. 2. Die unter den günstigen von Phillips Petroleum v. Shutts, 105 S.Ct. 2965, 2968 (1985) bestätigten Bedingungen möglichen massenweisen n-class-actions sind im tort-Bereich aber bisher aus allgerneinen Praktikabilitätsgründen nur vereinzelt. 58 Schon aus dem Vertrag, aber auchjedenfalls als Element der unerlaubten Handlung: für Kauf so in State ex rel. Caine v. Richardson, 600 S. W.2d 82 (Mo.Ct.App. 1980); Conelly v. Uniroyal, Inc. 55 I1l. App.3d 530, 370 N.E.2d 1189 (1977); Breedlove v. Beech Aircraft Corp., 334 F.Supp. 1361 (N.D.Miss 1971). Nur der Kauf anderer Produkte in einem Staat soll - ohne weitere ,spezifische' minimum contacts - dagegen nicht zur Jurisdiction über den Hersteller führen, vgl. Helicopteros Nacionales de Colombia S.A. v. Hall, 104 S.Ct. 1868 (1984). 59 Gleiches gelte auch für Rechtswahlkriterien im Rahmen der full functional interest analysis. 60 Forty-Eight Insulations, Inc. v. Johns-Manville Prods. Corp., 472 F.Supp. 385 (N.D.Ill. 1979). 61 Bei wenigen Beteiligten noch einfach möglich, American Motorcycle, 20 Ca!. 3d 584, 578 P.2d 906, 146 Cal.Rptr. 185. Regreßklagen sind neuerdings in Kalifornien begünstigt zw. zwei aus!. Herstellern, Asahi Meta! Industry, Co. v. Superior Court ofSolano County, 216 Cal.Rptr. 385, 702 P.2d 543, 547 (1985).

4*

52

V. Anwendungsbereich

entwickelte (Martin), im übrigen gesamtschuldnerische Voll-Haftung schon staatenweise minimiert wurde (Calif. proposition 51; Wisconsin), verschwand dieses Problem weitgehend. Aber auch wenn dort nunmehr nur noch anteilig gehaftet wird (,echte' MSL - Martin), sind Hersteller in einem MSL-Staat absolut einem höheren, wenn auch anteiligen Inanspruchnahmerisiko ausgesetzt, soweit die das Verletzungsrisiko mitschaffenden outstate Hersteller nicht einer MSL-Jurisdiction unterfallen.

VI. Fallrecht nach Sindeil A. Einführung

Unter dem Eindruck der Probleme mit Sindeil wurde einzelstaatlich fortan bei DES und allgemein bei monokausal wirkenden Stoffen eine Haftung für wahrscheinliche Verursachung mit unterschiedlichen Begründungen entweder rundweg abgelehnt I, schlicht die bekannte alternative-liability- und concertedaction-theory angewendet 2 oder gar dogmatisch veränderte Spielarten von Sindeil (die Rechtsfolgen betreffend) entwickelt 3 • Versuche, Sindeil und Modifikationen von Sindeil auf andere Stoffgruppen wie Asbest (Agent Orange, Sauren Regen), zusammengesetzte Produkte (Autoreifen) und "Ausreißer" fungibler Stoffe (Polio-Impfstofl) auszudehnen, endeten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen meist wenig erfolgreich. An der Spitze aller Bemühungen zur Entwicklung einer Haftung für wahrscheinliche Verursachung stand schließlich bei begrenzten Fallgestaltungen (Allen) gar der vollständige Verzicht auf den Kausalitätsnachweis zwischen schädigendem Agens und erlittenen Gesundheitsschäden4 • Zwar kann der dieser Entscheidung zugrundeliegende Fall nicht Gegenstand der für monokausal wirkende und bekannte Schadstoffe konzipierten Marktanteilshaftung sein. Bei der MSL ist die ,Verletzung' dem verursachenden Agens eindeutig und leicht zuzuordnen und ,alternative Opferschaft' 5 ergab sich nur durch das den Herstellern nicht zuzuordnende, sonst aber parallele Verhalten. Trotzdem muß Allen doch für die Grenzziehung einer funktionierenden Marktanteilshaftung im Auge behalten werden. B. Bekenntnisse zur Market-Share-Liability

Nach 1980 wurde das Modell Sindeil von den Gerichten teils offen, teils verdeckt angewendet. Dabei ist ein klares Bekenntnis zur Marktanteilshaftung selten, immer wieder kommt es zu Akzentverschiebungen in der Begründung. Dazu sogleich unter VI. C. Beispielsweise Abel v. Eli Lilly oder Bichler v. Eli Lilly, s. oben III. E. 3 Collins v. Abbott Laboratories, 342 N.W.2d 37 (Wis. 1984); Martin v. Abbott Laboratories, 102 Wash.2d 581, 689 P.2d 368 (Wash. 1984). 4 Allen v. United States, 588 F.Supp. 247 (U.S. Dist.Ct. 1985): Allen in der Nähe zu einem Atomtestzentrum lebenden, an Krebs erkrankten Klägern wurde Schadensersatz zugesprochen. Vgl. für die zunehmende Auflockerung des Kausalitätsbeweises auch Wells v. Ortho Pharmaceutical Corp., 788 F.2d 741 (11th Cir. 1980). 5 Begriff bei Bodewig, AcP 186, 505, 531, 543. 1

2

54

VI. Fallrecht nach Sindeil

So bekennt sich ein Bundesgericht aus Süd-Dakota in McElhaney v. Eli Lilly 6 direkt zur Marktanteilshaftung, soweit es um die Verklagung eines wesentlichen Marktanteils geht zur Herstellung entsprechend ausreichender Verursachungswahrscheinlichkeit. Andere Gerichte lehnen die Marktanteilshaftung ausdrücklich ab, konzedieren jedoch- wenig konkret- eine gewisse Lockerung ("some relaxation") für den Fall, daß ,angemessene und adäquate Unterlagen' zur Verfügung stehen, die es zulassen, den Beklagten nur für den Teil der Schäden verantwortlich zu machen, die auch einem Beitrag des Beklagten an Produktion oder Vertrieb von DES auf dem relevanten Markt entsprechen 7 • Nur wenn solche Anhaltspunkte vorliegen, die auch technische Schwierigkeiten bei der Anteilsberechnung minimieren, soll auf das traditionelle Identifikationserfordernis verzichtet werden. Angesichts der Probleme, den ,relevanten' Markt und den ,wesentlichen' Marktanteil zu definieren, will das Gericht die Anwendbarkeit der Marktanteilshaftung realistisch beschränken, aber nicht ganz auf die Primärverteilung der Haftung pro rata verzichten 8 • Teilweise bekennen sich die Gerichte aber auch direkt zur Marktanteilshaftung. In Miles Lab's., Inc. v. The Superior Court ofOrange County (E. R. Squibb) 9 wehrte sich ein aufgrund market-share-liability verurteilter Pharmahersteller in der Berufungsinstanz mit der Begründung, daß er DES nur zum Zwecke der Verhinderung von Prostatakrebs hergestellt und vertrieben habe, nicht dagegen zur Verhinderung von Fehlgeburten. Das Gericht entschied, Sindeil sei auch dann anwendbar, wenn der Beklagte Anteil am relevanten, die Opfer betreffenden Markt dadurch erhalten habe, daß er einen unbeabsichtigten Gebrauch des Medikaments ermöglicht und gefördert habe 10 und er gleichzeitig wußte oder wissen mußte, daß Vertrieb und Anwendung seines Präparates als ,miscarriage preventive' für alle beklagten DES-Hersteller vorteilhaft war, indem diese sich überschneidenden Anwendungen schließlich für alle Produzenten verkaufsfördernd auswirkten 11 • Der Beklagte habe die bestimmungswidrige Verschreibung McElhaney v. Eli Lilly, 564 F.Supp. 265 (D.S.D. 1983). Namm v. Charles E. Frost & Co., 178 N.J. Super. 19,427 A.2d 1121 (1981); Payton v. Abbott Laboratories, 437 N.E.2d 171, 191 (Supr.Ct.Mass. 1982). 8 Dies erinnert an den Gebrauch von § 287 ZPO bei der haftungsausfüllenden Kausalität und an die Anordnung anteiliger Haftung bei aufgrund ,konkreter Anhaltspunkte' zu vermutender "Teilschadenskausalität", Bodewig, AcP 186, 536; Wecker/e, Diss., 155fT. 9 184 Cal.Rptr. 98 (App. 4th D., Div. 2, 1982). 10 In der Tat waren ja auch für andere Therapien vorgesehene Präparate, soweit sie nur DES enthielten, an Schwangere ausgegeben worden. 11 184 Cal.Rptr. 98, 103; dissent (105): Das Urteil sei Bestrafung "for not promoting and marketing DES for experimental use" auf dem Gebiet der Fehlgeburtenvorsorge. Das Wissen des Beklagten habe in Sindeil nicht einmal für concerted action gereicht, hier aber reiche es paradoxerweise für die Marktanteilshaftung. 6

7

C. Ablehnung der Market-Share-Liability

55

pflichtwidrig nicht vermieden. Haftungsmäßig sei er den anderen DES-Herstellern daher gleich zu behandeln. In Magallanes v. Superior Court of the State of California (E. R. Squibb)l2 wurden punitive damages zwar bei einer sich auf die market-share-theory gründenden Klage abgelehnt. Punitive damages seien Schadensersatz mit auf den individuellen, identifizierten Schädiger abzielenden Strafcharakter und zugleich Abschreckung wegen seiner vorsätzlich begangenen Tat (,acting with malice or opression'), nicht wegen seiner bloßen Teilnahme am Markt. Im übrigen gründe sich die Entscheidung der Vorinstanz aber zu Recht auf die Marktanteilshaftung, die eine logische und vernünftige Basis für die anteilige Zuerkennung von Schadensersatz seil3 . C. Ablehnung der Market-Share-Liability

Zahlreicher sind die Fälle, in denen die Marktanteilshaftung zum Teil ganz kategorisch und ohne nähere Begründung abgelehnt wird. Soweit Bundesgerichte DES-Fälle zu entscheiden hatten und aufgrundder Erie-Doktrin 14 das Recht ihres Sitzstaates anzuwenden haben, berufen sie sich auf diese Pflicht und die mangelnde Befugnis, Lücken in staatlichem Recht ausfüllen zu dürfen 15 • Gleichwohl gehen Ryan 16 und Tidler 17 darüber hinaus auch auf die faktischen Voraussetzungen ein und stellen fest, daß schon kein wesentlicher Teil der Produzenten verklagt sei; Hinweis genug, daß auch die Bundesgerichte die MSL nicht a priori abzulehnen scheinen. Die kategorische Ablehnung aus Rechtsgründen (Verstoß gegen traditionelles tort-Recht oder gegen den ordre public 18) reicht weit, war aber wohl eher verlockender Weg zur Abwehr der MSL ohne nähere Auseinandersetzung mit Einzelheiten. So stellte für das Gericht in Mizell 19 der fehlende nexus zwischen DES-Produktion und Verletzung der Klägerin einen Verstoß gegen den ordre public von South Carolina dar, obwohl das fragliche DES in Kalifornien 213 Cal.Rptr. 547,553 (Cal.App., 2nd D., 1985). Siehe auch 342 N.W.2d 37,54 (1984). 213 Cal.Rptr. 553. Die idealisierte Darstellung der market-share-theory hier läßt vermuten, daß an den ,reinen' Typ der msl. - nach der 2. möglichen Interpretation von Sindell, s.o. IV. D. - gedacht war. 14 Erie Railroad Co. v. Tomkins, 304 U.S. 64, 78 (1938). 15 So in Ryan v. Eli Lilly & Co., 514 F.Supp. 1004 (D.S. Carolina, 1981); Morton v. Abbott Lab's, 538 F.Supp. 593, 599 (M.D. Florida, 1982); Tidler v. Eli Lilly & Co., et al., 95 F.R.D. 332 (D. of Columbia, 1982); Mizell v. Eli Lilly & Co., 526 F.Supp. 589 (D.S. Carolina, 1981). 16 Ryan, ebd., 1018. 17 Tidler, ebd., 334. 18 So in ZaiTt v. Eli Lilly & Co., Keune v. Eli Lilly & Co., 676 S.W.2d 241, 247 (S.Ct. Mo.banc 1984). 19 526 F.Supp. 589, 596 (D.S. Carolina, 1981). 12

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56

VI. Fallrecht nach Sindeil

hergestellt und erworben worden war und eine Marktanteilsbestimmung unter den dort ansässigen Herstellern hätte angestellt werden müssen. Garfinkle v. Eli Lilly & Co. 20 verwehrte der Klägerin die Stütze auf die marketshare-theory gar nur mit der Begründung, sie habe sorgfältige Nachforschungen nach dem wahren Hersteller des sie schädigenden Produkts nicht ausreichend nachgewiesen. Ob das Gericht bei einem solchen Nachweis der Klage aber auf der Grundlage der MSL stattgegeben hätte, ist dem nicht ohne weiteres zu entnehmen. In Spearing v. National Iron Co. 21 , einer Produkthaftungsklage gegen die USMuttergesellschaft eines Komponentenherstellers, verweist der US Court of Appeals darauf, daß der Wisconsin Comparative-Negligence-Grundsatz schon die Bestimmung des individuellen Verschuldensanteils erfordere, gleich ob der Schädiger verklagt sei oder nicht, und lehnt die MSL damit faktisch ab. Notwendig sei danach außerdem auch, die Verschuldensanteile zwischen Beklagten und Kläger einerseits und den Beklagten untereinander zu fixieren 22 • Nichts anderes könne für die Kausalität gelten.

D. Wandlungen des Modells Sindeil in Voraussetzung und Rechtsfolge 1. Das Modell Collins (Wis.): risk-contribution-theory

Entscheidende Veränderungen ergeben sich mit Collins v. Eli Lilly & Co. 23 • Nach Ablehnung der von der Klägerin vorgebrachten Haftungstheorien von alternative liability, concerted action, enterprise liability und market-share liability entschied der Wisconsin Supreme Court, der einzige Beklagte hafte aufgrund prima-facie Beweises auf Ersatz des gesamten Schadens, wenn die Klägerin nur folgendes beweisen könne 24 : l. Die Mutter der Klägerin nahm DES ein, 2. DES verursachte die vorliegenden Schäden, 3. der Beklagte produzierte oder vertrieb den gleichen Typ des eingenommenen Präparates, gemessen an Farbe, Form, Größe oder anderen identifizierten Charakteristika 2 5 (Applikationsform),

76- 1514- S. (D. Mass., May 30, 1985). 770 F.2d 87, 90 (App. 7th Cir. 1985), entgegen dem vom Wisc.Supr.Ct. entworfenen Modell in Martin v. Abbott Lab's keine isolierte, anteilige Wahrscheinlichkeitshaftung, s. unten VI. D. III. 22 Damit wird bundesgerichtlich aber erstmals eine Kurskorrektur an der vom S.Ct. of Wisconsin in Collins ausgelösten uferlosen ,gesamtschuldnerischen' Haftung einzelner, beliebig Verklagter vorgenommen. Dazu sogleich VI. D. I. 23 116 Wis.2d 166, 342 N.W.2d 37 (Wis. 1984); Bestätigung bislang nur in KremersUrban Comp. v. American Employers Insurance bezgl. des Versicherungssektors, 351 N.W.2d 156, 167 (Wis. 1984); ablehnend Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368,377 (Wash. 1984); Zafft v. Eli Lilly & Co., 676 S.W.2d 241, 246 (Mo.banc 1984). 24 Collins, 342 N.W.2d (Wis. 1984) 50, 51. 20 21

D. Wandlungen des Modells Sindeil in Voraussetzung und Rechtsfolge

57

4. Produktion oder Vertrieb von DES stellen eine Rechtspflichtverletzung dar und 5. dem Beklagten muß die Möglichkeit gegeben werden, andere Hersteller auf der Beklagtenseite in den Prozeß mit hineinzuziehen (interpleader).

Rechtsfolge ist die Verurteilung des einzelnen Beklagten zu vollem Schadensersatz. Sind dagegen mehrere Hersteller verklagt, so wird die Verpflichtung zum Ersatz des ganzen Schadens auf der Basis des Wisconsin Comparative Negligence Statute 26 entsprechend ihren individuell feststellbaren Verschuldensanteilen von der Jury auf die Beklagten verteilt 27 • Die dabei zu berücksichtigenden Faktoren sind neben dem Marktanteil der Hersteller folgende: 1. Hat der jeweilige Beklagte DES zuvor auf Sicherheit und Nebenwirkungen bei vorgesehener Applikation getestet? 2. Wie groß waren die Versuche, von der FDA eine Genehmigung zu erhalten? 3. Wie führend war das jeweilig beklagte Unternehmen auf dem betreffenden (,relevanten') Markt? 4. Wurde vor eventuellen Nebenwirkungen gewarnt? 5. Wurde der Vertrieb von DES nach Erkennbarkeit der Gefahren noch fortgesetzt? 6. Haben die Beklagten Vorsorgemaßnahmen getroffen, um das Risiko von Gesundheitsschäden zu reduzieren? Der Katalog ist nicht abschließend. Bei mehreren Beklagten haftet der einzelne nach außen nur entsprechend diesem, seinem potentiellen Verursachungsanteil, nicht gesamtschuldnerisch 28 • Insgesamt soll aber der ganze Schaden so ersetzt werden 29 • Liquidiert werden dabei auch nach der 25 Anstelle von 3. reicht auch der Nachweis, daß der Beklagte DES zum gleichen Zweck produziert hat, zu dem es von der Klägerin eingenommen worden war (der Verhinderung von Fehlgeburten), wenn der Typ des eingenommenen DES-Präparates nicht mehr identifizierbar ist. 26 Sec. 895.045 des Statute. 342 N.W.2d 52f.: Obwohl die cause of action sich auf negligence und strict liability stützen kann. 27 So auch etwas mißverständlich - Shubert, 8 Product Liability Trends 17, 24 (1984); derselbe, PHI 1984, 104, 108. Beachte die wegen gleicher Rechtsfolge vom Reformgesetzgeber angegriffene, noch auf concerted-action gegründete Entscheidung Abel v. Eli Lilly, oben III. E. 28 Shubert, PHI 1984, 104, 108. Das geht zwar so nicht aus dem Urteil hervor, S. 53, die recht detaillierten Ausführungen des Gerichts zum "apportionment" hätten aber wenig Sinn, wenn sie nur das Innenverhältnis der Beklagten beschrieben. Nur so sind auch die widersprüchlichen Deutungen des Urteils betr. die Gesamtschuld zu verstehen: Shubert, ebd., 107 (,keine Gesamtschuldanordnung') einerseits und Birnbaum/Wrubel, The National Law Journal, Febr. 17, 1984, S. 30 bzw. der Report der tort policy working group, 1986, S. 34, 64, 65, und Schwartz/Mahshigian, 73 California Law Review 941, 963 (1985), andererseits, die Collins als Prototyp übersteigerterjointund several liability ansehen. Das Gericht nennt die Vollhaftung des einzig Beklagten nicht Gesamtschuld, dogmatisch bleibt damit auch die Anspruchsgrundlage für den Regreßweg im unklaren. 29 Genauso die Interpretation von Sindeil durch den S.Ct. of Calif., oben IV. D.

58

VI. Fallrecht nach Sindeil

comparative-negligence-doctrine 100% des geltend gemachten Schadens. Auf den DES-geschädigten Fötus entfalle keine zurechenbare Fahrlässigkeit, die volle Haftung treffe daher den/die Beklagten 30 • Gehaftet wird, weil der beklagte Hersteller zu dem Risiko der Schadensverursachung beigetragen hat. Diese Risikobeitragshaftung (risk-contribution-theory) hat mit der Marktanteilshaftung des Typs Sindeil nur gemein, daß sie einzelne aus einer Gruppe von Beklagten nach außen anteilig, insgesamt aber alle immer auf Ersatz des gesamten Schadens haften läßt. Es entfällt sowohl die Notwendigkeit, alle (alternative liability), aber auch die, einen wesentlichen Marktanteil (Sindell) zu verklagen; es braucht auch nicht schon ein Verursacher sicher festzustehen (concerted action) oder ein branchenüblicher, unzureichender Produktionsstandard bestanden zu haben 31 • Gehaftet wird immer auf vollen Schadensersatz, unabhängig von der Zahl der beklagten Hersteller. Die Risikobeitragshaftung hat mit der Berücksichtigung ungleich zahlreicherer Faktoren als nur des Marktanteils größeren Spielraum als Sindell, sie ist bei der Berücksichtigung der Haftungsvoraussetzungen insgesamt anpassungsfähiger. Die Crux in Collins ist die 100%ige Haftung eines einzelnen Beklagten für den gesamten Schaden. Sie wird in keiner Weise dem vom Hersteller gesetzten Schädigungsrisiko gerecht, sondern geht weit darüber hinaus. Der Beklagte trägt zudem die volle Last der Verteidigungs- und Teile der Gerichtskosten 32 • Es obliegt nun ihm, andere Hersteller ausfindig zu machen und in den Prozeß hineinzuziehen bzw. auf dem Regreßwege zu verklagen, obwohl es für den Kläger unter den ihm gewährten Beweiserleichterungen ein leichtes wäre, solche gleich mitzuverklagen. Diese auch bei gesamtschuldnerischer Haftung(joint and severalliability) im amerikanischen wie deutschen Recht übliche Konstellation ist nur deshalb für den Erstbeklagten ungewöhnlich belastend, weil sie schon bei Vorliegen geringster Anzeichen des Risikobeitrags (risk contribution) mittels Produktion oder Vertrieb des fungiblen Produkts einsetzt und nicht wie auch bisher im amerikanischen Recht des Tort bei Vorliegen hinreichend verdichteter Wahrscheinlichkeit (concert of action; alternative liability; enterprise liability) oder wie im deutschen Recht bei Vorliegen von ,Beteiligung' (§§ 830 I 2, 840 BGB: irgendwie gearteter zeitlicher und örtlicher Zusammenhang). Mit Wegfall dieser engeren Haftungsvoraussetzungen ist der Beklagte - weit über die 342 N.W.2d 53, Fn. 14. Shubert, PHI 1984, 108. 32 SchwartzfMahshigian , 73 California Law Review 941, 964. Insbesondere aus Kostengründen mag sich der Kläger zunächst weigern, seine Klage auf die vom Beklagten benannten Hersteller auszuweiten (amendment of claim), Birnbaum/ Wrubel, The National Law Journal, Febr. 17, 1984, 30. Weigert sich der Kläger, bleibt dem Beklagten nur die Streitverkündung (third party action) gegen dritte Hersteller, mit der er direkt einen Titel gegen sie erwirken kann (Koch, ZVgiRWiss 85 (1986), 271T., 33; Bernstein, FS Ferid [1978], 85). Die im ersten Prozeß angeführten, aber wenig wirkungsvollen (wegen der riskcontribution) Entlastungsbeweise (betr. Anteil) beginnen daher erst in den Regreßprozessen zu greifen. 30 31

D. Wandlungen des Modells Sindeil in Voraussetzung und Rechtsfolge

59

Beweislastumkehr in der Identifikationsfrage hinaus- in die Position gesetzt, in der Haftungsfrage den Fall für den Kläger nachträglich selbst durchzufechten 33 • 2. Das Modell Martin (Wash.): market-share-alternate-theory

Eine in der Rechtsfolge ungleich gerechtere Variation von Sindeil und dem Verständnis der dortigen dissenting opinion von ,market-share' liability folgend entwickelte der Washington Supreme Court in Martin v. Abbott Laboratories 34• Im Ergebnis kann der Kläger nicht in jedem Fall mit dem Ersatz seines ganzen Schadens rechnen, denn den Beklagten wird Gelegenheit zu wirksamer Exkulpation gegeben. Bei einer Klage gegen einzelne oder mehrere hat der Kläger wiederum die o. g. (Collins) Nachweise zu erbringen, ohne auf zeitliche oder örtliche Verbreitung von DES einzugehen 35 • Nach Martin wird dann vermutet, daß diejenigen Beklagten, welche sich nicht vollständig exkulpieren können, gleiche Marktanteile besaßen und daher nach außen auch primär zu gleichen Anteilen auf Ersatz des ganzen Schadens haften 36• Einzelne Beklagte können jedoch ihre Haftung von vornherein reduzieren durch den Beweis eines aktuell geringeren als des sonst bei ihnen vermuteten Marktanteils. Diejenigen, die das dann nicht können, haften für den automatisch größer werdenden, positiv nicht zuzuordnenden Schadensanteil mit, so daß dann der Schaden stets zu 100% ersetzt wird. Nach einem vom Gericht illustrierten Beispiel haften also zwei Schädiger für einen Schaden von 100 zu je 50% im Falle der Unaufklärbarkeit ihrer Marktanteile. Kann der potentielle SchädigerAseinen Anteil von 20% nachweisen, haftet der andere potentielle Schädiger B zu 80%, wenn ihm kein Nachweis geringeren Anteils gelingt. Gelingt dagegen beiden Beklagten der Nachweis eines Anteils von je 30%, so fällt der Kläger mit dem Rest aus. Anders gewendet: Die So auch Birnbaum/ Wrube/, 30. Systematisch ungenau ist sicherlich auch die Einordnung einiger der oben genannten zusätzlichen Wahrscheinlichkeitsfaktoren unter die comparative negligence doctrine. Als Indikatoren höherer oder niedrigerer Verursachungswahrscheinlichkeit können sie wohl kaum gleichzeitig Verschu/densgrade beschreiben, sondern sind vielmehr als solche zur Beschreibung der Verursachungswahrscheinlichkeit entlehnt. 34 102 Wash.2d 581, 689 P.2d 368 (Wash. 1984); ihm folgend McCormack v. Abbott Labs, et al., 617 F.Supp. 1521 (D.C. Mass., 1985) und Shackil v. Lederle Laboratories, 530 A.2d 1287, 1302f. (N.J.Super. A.D. 1987), dagegen für gesamtschuldnerische Haftung Conley v. Boyle Drug Co., 477 So.2d 600 (Fla.App. 4th Dist., 1985). Vgl. auch SchwartzjMahshigian, 73 California Law Rev. 941, 960-963. Der Nachweis eines ,wesentlichen' Marktanteils braucht nicht erbracht zu werden. 35 Martin, 689 P.2d 368, 382. 36 Martin, ebd., 382-383.- Anders dagegen die bislang unveröffentlichte Entscheidung des New York Court of Appeals vom 5.4. 1989, wonach DES-Hersteller auf der Basis ihres nationalen Anteils an der Produktion anteilig haften. Die Hersteller dürfen sich nicht entlasten durch den Nachweis, das die Klägerin schädigende DES nicht hergestellt oder verkauft zu haben. Berichtet von Verhovek, The N. Y. Times v. 5.4. 1989 und von Freudheim, The N. Y. Times v. 6.4. 1989. 33

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VI. Fallrecht nach Sindeil

Beklagten haften nicht untereinander proportional auf den ganzen Schaden, sondern die Anteilsbestimmung dient auch der Festlegung des Haftungsumfangs nach außen. Die Fähigkeit eines mehrerer Beklagten, sich durch Nachweis seines aktuell niedrigeren Marktanteils der Anteilsvermutung durch das Gericht entziehen zu können, belastet also automatisch diejenigen, die das nicht können. Sind dagegen alle Beklagten zu solchem Nachweis in der Lage, so mag der Anteil der Schadenssumme, der dem nicht zuzuordnenden, verbleibenden Marktanteil entspricht, unersetzt bleiben. Das kommt - im Gegensatz zu Collins 37 insbesondere einem einzelnen Beklagten zugute, wenn er seinen Marktanteil nachweisen kann und dann auch nur für einen diesem entsprechenden Schadensanteil zu haften braucht. Auf seinen ,Risiko beitrag' wird Gesamthaftung nicht gestützt. Mit der Möglichkeit, anderen Herstellern den Streit zu verkünden, die zu solchem Nachweis in der Lage sind, kann dieser nicht zuzuordnende Anteil des Schadens noch weiter verringert werden. Im übrigen wird dies aber auch durch die klageweise Einbeziehung jedes weiteren Herstellers erreicht, da sich der nicht zuzuordnende Anteil schon so auf mehrere Köpfe verteilt. Das Gericht sieht seine Konstruktion vornehmlich als Antwort auf SindeiL Die Bestimmung eines ,wesentlichen Marktanteils' sei zu schwierig gewesen; die Haftungsverhältnisse würden verzerrt, wenn die Verklagung eines wesentlichen Marktanteils zur vollen Schadensliquidation durch die so Beklagten führe 38 • Die Ungerechtigkeiten in Collins wurden - soweit ersichtlich - noch gar nicht gesehen. Daher sind in der Urteilsbegründung auch keine Ausführungen darüber vorhanden, wie ein einzelner Beklagter zu behandeln ist und ob die gesetzliche Vermutung der Gesamtverursachung auch ihm gegenüber gilt. Die Anwendung des Modells Martin führt jedoch folgerichtig dazu, daß ein einzelner Beklagter nur in der Höhe Schadensersatz zu leisten hat, die auch seinem von ihm nachzuweisenden Marktanteil entspricht. Jeder Beklagte soll so haften wie er zu dem Verletzungsrisiko beigetragen hat, obwohl ein Beitrag zur aktuellen Verletzung nicht vorliegen mag 39 • Unterstrichen wird das durch Anordnung anteiliger Haftung nach außen. Ein einzelner Beklagter würde daher wegen Beitrags zum Verletzungsrisiko allein nie automatisch - wie in Collins - auf vollen Schadensersatz haften, sondern theoretisch(!) nur dann, wenn er seinen 37 Nach Collins dagegen wurden stets 100% des Schadens ersetzt und konnten bei mehreren Beklagten lediglich die Proportionen im Innenverhältnis beeinflußt werden. Bei einem einzelnen Beklagten reicht dann für die volle Haftung schon der einfache Beitrag zum Verletzungsrisiko. 38 Martin, 689 P.2d 368, 38lf. Nach Sindeil hätte nur der Nachweis der Nichtproduktion den Beklagten innerhalb der den wesentlichen Marktanteil repräsentierenden Gruppe von der seinen hyp. Anteil überschreitenden Haftung befreit. Weitere Argumente: Risikoerhöhung als Haftungsgrund, Billigkeitshaftung des wirtschaftlich stärkeren, der sich überdies versicherungsmäßig (wer will das Risiko tragen?) und durch Preisgestaltung entlasten könne (382, 383). 39 Martin, ebd., 382; Schwartz/ Mahshigian , 73 California Law Review 962.

D. Wandlungen des Modells Sindeil in Voraussetzung und Rechtsfolge

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Marktanteil gar nicht beweisen kann. Der Anwendungsbereich von Collins würde mit Martin weit eingeengt. Im Ergebnis gestaltet Martin die Haftung der Produzenten weitaus fairer als die vorhergehend erwähnten Theorien von Sindeil und Collins. Sie kann am ehesten als "reine Marktanteilshaftung" angesehen werden, wirkt haftungsbegrenzend und kommt den Beklagten entgegen. Nachteilig wirkt sich aus, daß die Beklagten ohne jeden Nachweis ihres Marktanteils überproportional stark für den gesamten Rest des nicht zugeordneten Schadens haften. Das Erfordernis, einen wesentlichen Marktanteil zu verklagen (Sindell) brachte zumindest eine Annäherung an die wirklichen Verhältnisse von Verursachungswahrscheinlichkeit. Notwendig klärende Ausführungen über Bestimmung und Reichweite des relevanten Marktes in zeitlicher und geographischer Hinsicht unterbleiben wie in allen vorangehenden Entscheidungen. 3. Das Modell Murphy (Calif.): Präzisierung des substantial share

Auf die Klage der DES-geschädigten Christirre Murphy gegen den Hersteller E. R. Squibb und den Vertreiber Exclusive Prescription Pharmacy Corporation lehnte der Supreme Court of California mit 4: 3 Stimmen Mehrheit eine Haftung von Squibb mit der Begründung ab, dessen nationaler Marktanteil von 10% erfülle nicht das in Sindeil genannte ,substantial market-share' Erfordernis. Es bleibe eine Wahrscheinlichkeit von 90%, daß andere Hersteller den Schaden verursacht hätten. Wie hoch der Anteil eines einzeln verklagten Herstellers für eine Wahrscheinlichkeitshaftung zu sein hat, wird wie bei Sindeil im Unklaren gelassen 40 • Ob das Gericht eine echte Marktanteilshaftung oder nach dem Muster von Sindeil und dem Vorbild von Collins noch eine Einstandspflicht für den ganzen (bei einem verklagten Hersteller!) Schaden im Auge hatte, bleibt ebenfalls offen. Nach Ansicht des dissent, J. Kaus, wird anteilige Haftung i. S. echter MSL gar nicht erst in Betracht gezogen 41 , was nur den Schluß zuläßt, daß von der majority hier an eine 100%ige Schadenskompensation gedacht war. Dafür spricht noch eine zweite Überlegung. Das Gericht läßt mit Blick auf Sindeil erkennen, daß es bei Erreichen eines ,wesentlichen' (Gesamt-)marktanteils die Wahrscheinlichkeitshaftung eines oder mehrerer Hersteller durchaus zulassen will. Konsequent ist dies m. E. wie bei Sindell freilich nur, wenn man als einzigen Grund für den ,wesentlichen Marktanteil' die Milderung der Ungerechtigkeiten einer zur Gesamthaftung (der Gruppe der verklagten Hersteller) führenden Beweislastumkehr ansieht 42 • Dieser Gedanke wird in Murphy bestätigt. Wo 40 221 Cal.Rptr. 447 (Ca!. 1985), 448, 449, 453-456; 40 Cal.3d 672. Brown v. Abbott Laboratories, 245 Cal.Rptr. 412, 414, geht für eine typische Klage von 170 oder mehr Herstellern als Beklagte aus. 41 Brown, 221 Cal.Rptr. 467, 468. 42 454, "if ... joined ... a substantial share .. . the injustice ofshifting the burden ofproof ... would be considerably diminished."

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VI. Fallrecht nach Sindeil

nämlich ein durch Addition entstandener wesentlicher Marktanteil nur die

anteilige Haftung einzelner Hersteller bewirkt, ist die anteilig gesetzte Verursachungswahrscheinlichkeit pro Hersteller auch nach Bildung eines wesentlichen Marktanteils nicht größer als die zuvor durch seinen Einzelanteil von nur 10%

repräsentierte. Anteilige Wahrscheinlichkeitshaftung hätte dann auch schon eher und einfacher stattfinden können. Die vom Gericht erkannten Ungerechtigkeiten bei der Beweislastumkehr müssen daher auch in der angeordneten Vollkompensation des Schadens gelegen haben. Keinesfalls wird die Entscheidung so gelesen werden können, daß auch

mehrere Hersteller mit nur je 10% Marktanteil unter die Haftungsschwelle fallen.

Schadensersatz könnte nämlich dann auch von mehreren Herstellern unter 10% praktisch nicht erlangt werden. Der Supreme Court in Murphy diskutiert das Modell echter Anteilshaftung wie in Martin nur zurückhaltend. Die MSL sei nicht zur ,fair approximation of damages' gern. dem Prinzip von comparative fault 43 , also anteiliger Haftung, entworfen worden. Hauptproblem sei in Sindeil nur gewesen, Kriterien zu entwickeln, um von der generellen Beweislastregel abweichen zu können. Nur aus diesem Grunde sei ein wesentlicher Marktanteil zu verklagen 44 • Vor dem Hintergrund von Martin scheint dieses Festhalten am substantiality-Erfordernis allerdings überholt. E. Versuebe einer sachlichen Ausdehnung der Market-Sbare-Liability

Traditioneller, der market-share-theory zugrundeliegender Fall ist der eines bekannten, monokausalen Agens, das von vielen nicht identifizierten Herstellern produziert wurde: ein Fall alternativer Kausalität. Weil so vielversprechend, versuchten im Gefolge von Sindeil Kläger immer wieder, die Marktanteilshaftung auf andere Fälle auszudehnen: so auf die Hersteller identischer Stoffe, unter denen es ,Ausreißer' gegeben hatte (Impfstoffe), auf Produzenten verschiedener, vereinzelt defekter Komponenten eines Gesamtproduktes (Autoreifen; Zellenbrand) und auf Hersteller verschiedener, durch Kumulation wirkende Stoffe (Asbest; Giftabfälle). 1. Impfstoff-Fälle

In Sheffield v. Eli Lilly & Co. 45 wurde Schadensersatz von fünfPharmaherstellern eines Polio-Impfstoffes eingeklagt, nachdem die Klägerin durch defekten 43 American Motorcycle Assn. v. Superior Court (1978) 20 Cal.3d 578, 146 Cai.Rptr. 182, 578 P.2d 899. 44 Murphy v. E.R. Squibb & Sons, lnc., 221 Cai.Rptr. 447,455; Sindell, 607 P.2d 948, 163 Cai.Rptr. 156, 26 Cal.3d 612; Leitfall für die Beweislastumkehr sei nämlich Summers gewesen mit einer 50%-Chance der Verursachung durch die jeweiligen Beklagten. 10% seien demgegenüber zu wenig. 45 144 Cai.App.3d 583, 192 Cai.Rptr. 870 (1st Dist., 1983); 22 A.L.R. 4th, 183-194 (supp., 6).

E. Versuche einer sachlichen Ausdehnung der Market-Share-Liability

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Impfstoff dieser Art an Enzephalitis erkrankt war 46 • Die Beklagten repräsentierten alle jene Hersteller, die den besagten Stoff zur Zeit der Impfung der Klägerin produziert hatten. Trotz aller Identifikationsbemühungen war der Hersteller der defekten Impfladung nicht mehr ausfindig zu machen. Schon deshalb hatte die Tatsacheninstanz die Klage abgewiesen. Die Berufungsinstanz (Ct. of App.) nahm Ähnlichkeiten des vorliegenden Falles mit Sindeil wahr, so vor allem das schuldlose Unvermögen des Klägers, den wahren Schädiger zu identifizieren. Andererseits war der Polio-Impfstoff nicht- wie DES- bei Anwendung für den vorgesehenen Zweck grundsätzlich " bei einem defekt, sondern es konnte allenfalls sporadische Güteabweichungen 47 Hersteller (sog. ,Ausreißer') gegeben haben • Das Unvermögen, die eigentliche Quelle des Übels und damit den Hersteller des defekten Stoffes selbst zu bestimmen, beruhte nicht einzig auf der Produktnatur oder dem Handeln/Unterlassen des unbekannten Herstellers 48 • Die Unaufklärbarkeit in Sindeil hatte in der Eigenart des Gefahrenpotentials von DES gelegen, sich erst nach zehn oder zwanzig Jahren bemerkbar zu machen. Dagegen setzten die Krankheitssymptome in Sheffield schon wenige Monate nach der Impfung ein. Die Identifikationsbemühungen wurden zwar auch dadurch erschwert, daß der Impfstoff ein fungibles Produkt war. Doch hatten zusätzlich auch weder die Schule, an der die Impfung durchgeführt worden war, noch das beaufsichtigende County Board of Healtb (Gesundheitsamt) jegliche mögliche Aufzeichnung über die Identität vom Hersteller verwendeter Stoffe und die Durchführung des Programms gemacht49 • Das Gericht stellte auf diesen Umstand ab und wies die Klage ab. Die U naufklärbarkeit beruhe weniger auf der Fungibilität als mehr auf den Begleitumständen, die eine noch mögliche Identifikation vereitelt hätten 5°. Ob das Gericht anders entschieden hätte, wenn eine Identifikation auch bei Sorgfalt der zuständigen Stellen nicht möglich gewesen wäre (der interessantere Fall), kann dem nicht entnommen werden. Schließlich seien auch die rechtspolitischen Erwägungen aus Sindell, den Zugriff auf die finanziell starken Hersteller allgemeiner defekter Produkte aus Billigkeit zu gestatten, hier nicht angebracht, wo eine Haftung unterschiedslos fahrlässige wie sorgfältige Hersteller treffen würde. Abschreckungseffekte und damit der Anreiz zur Produktverbesserung gingen verloren 51 • Weil ein Hersteller seine Konkurrenten nicht unter allen Umständen zur Sorgfalt anhalten könne, behindere eine Ausdehnung der 46 Das bei der Produktion des Impfstoffes verwendete Poliomyelitis-Virus wurde normalerweise bei der Herstellung abgetötet. Durch Fabrikationsfehler konnten Teile des Virus überleben und so genau die Krankheit verursachen, gegen die die Impfung gerichtet war, 192 Cal.Rptr. 873. 47 192 Cal.Rptr. 876. 48 Ebd., 877. 49 Ebd., 874. 50 Ebd., 877. 51 Ebd., 878.

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VI. Fallrecht nach Sindeil

Marktanteilshaftung auf diese Fälle Forschung und Entwicklung, steigere Gesundheitskosten und bestrafe Unschuldige 52 • Erfolg hatten die Kläger dagegen in Morris v. Parke, Davis & Co., Div. of Warner-Lambert 53 mit einer Klage gegen fünf maßgebliche Hersteller eines Impfstoffes wegen irreversibler Gehirnschäden eines sechs Monate alten Säuglings nach einer Impfung mit dem Kombinationswirkstoff DPT (Diphterie, Pertussis, Tetanus). Der Impfstoff war hier offensichtlich generell defekt gewesen. Das Gericht wendet jedenfalls Sindeil an und gewährt sogar punitive damages mit der Begründung, die Beklagten hätten DPT unter bewußter Mißachtung der Sicherheit der Verbraucher produziert und vertrieben 54• Hauptfunktion sei neben der Bestrafung auch der allgemeine rechtspolitische Grund, abzuschrecken und Rechtsdisziplin herzustellen 55 • 2. Multi-piece tire rim Iitigation

In Cummins v. Firestone Tire & Rubber Co. 56 machte der Kläger unter anderem auf der Grundlage der market-share liability Schadensersatz geltend gegen alle jenen Hersteller, die Einzelteile zur Herstellung von Autoreifen produziert und geliefert hatten, nachdem ein Autoreifen in einer Werkstatt explodiert war und den Kläger verletzt hatte. Das Gericht wies die Klage ab. Die Fakten seien mit denen in Sindeil nicht vergleichbar. Die Grundsätze aus Sindeil könnten dort angewendet werden, wo moderne Wissenschaft und Technologie ein fungibles Produkt geschaffen hätten, das Verbraucher verletze und seiner Natur nach nicht die Identifikation seines Herstellers zulasse 57 • Im vorliegenden Fall beruhe das Unvermögen des Klägers zur Identifikation des Schädigers nicht auf einem Fehler des Herstellers. Vielmehr sei dies bedingt gewesen durch das Verhalten des gleichfalls beklagten Reifen-Service, der Teile des besagten Reifens auch nachträglich noch in Verkehr bringen konnte, bevor der Kläger eine Chance hatte, die schädigende Kompo52 Ebd., 878. Das Gericht lehnte gleichfalls die Anwendung der alternative liability, der concerted action, der enterprise liability sowie der res-ipsa-loquitur doctrine ab. 53 573 F.Supp. 1324 (C.D.Cal., 1983). 54 Ebd., 1320. 55 Das Gericht sieht kein Hindernis in der Kausalitätsfrage: durch bewußt fahrlässiges Handeln stehe der Produzent auf gleicher Stufe mit dem Arbeitgeber, der respondeat superior auch für punitive damages hafte. Die nicht identifizierbaren Hersteller dürften sich auch insoweit nicht vor punitive damages verstecken ( 1328). Das Gericht vernachlässigt das Problem der Bemessung der punitive damages, selbst wenn diese überproportional hoch ausfallen sollen (1329). Sie orientiert sich an der Stärke der Verletzung und der wirtschaftlichen Potenz des einzelnen Beklagten. Allerdings sei der Marktanteil keine geeignete Grundlage, weil er nicht das Nettoeinkommen widerspiegele. 56 495 A.2d 963 (Pa.Super., 1985). Ebenso Bradley v. Firestone Tire & Rubber Co., 590 F.Supp. 1177 (D.S.D., 1984) und in Couisineau v. Ford Motor Co., 363 N.W.2d 721 (1985). 57 Cummins, ebd., 972.

E. Versuche einer sachlichen Ausdehnung der Market-Share-Liability

65

nente und damit den Hersteller derselben zu identifizieren. Obwohl die meisten Hersteller der Komponenten verklagt seien, könne der wahre Verursacher der Haftung entgehen. Sei aber diese Möglichkeit- wie hier- groß, könne für eine Beweislastumkehr kein Platz sein. Im übrigen seien die Komponenten nicht fungible Teile, die einen identischen Defekt hätten. Vielmehr unterschieden sie sich, und aller Wahrscheinlichkeit sei nur eine defekt gewesen 58 • 3. Zellenbrand-Fall

In Davis v. Yearwood 59 schließlich war nach gleichem Muster versucht worden, über die Marktanteilhaftung Schäden gegen Hersteller ganz verschiedener Isotiermaterialien und Einrichtungsgegenstände einzuklagen, die beim Brand einer Gummizelle einer Anstalt für Gefangene wie Aufseher stark gesundheitsschädliche Gase erzeugt hatten, ohne daß im einzelnen geklärt werden konnte, welche in der Zelle seinerzeit befindlichen Produkte fehlerhaft waren, ja welche sich überhaupt darin befanden. Die Kläger verklagten daher Hersteller und Verkäufer aller nur möglichen Materialien, die in der Gummizelle gewesen sein konnten. Ganz verschiedene Branchen waren betroffen. Die Klage wurde abgewiesen. Die Orientierung einer Wahrscheinlichkeitshaftung nach Marktanteilen verschiedener Branchen hätte zu einer extremen Haftungsdisparität geführt, weil die Anteile an verschiedenen Märkten nicht vergleichbar sind 60 • Darüber hinaus hätte sich eine Beweislastumkehr nicht nur auf die individuelle, nachgewiesenermaßen mögliche Kausalität (wie bei DES) erstrecken müssen, sondern auch auf den Nachweis, daß die verschiedenartigen Produkte in der Zelle überhaupt kausal gewesen sein konnten. Ohne einen weiteren Anhaltspunkt zu solcher Wahrscheinlichkeit war dem Gericht die Beweislastumkehr nicht möglich 61 . Ebd., 972. Parallelfall zu Impfstoff-Fällen. Zuvor war concert of actionabgelehnt worden (969, 970), da kein subj. gemeinschaftliches Vorgehen vorlag, und industrywide liability, weil nicht die ganze Industrie verklagt war und auch deren Sicherheitsstandard nicht maßgebend war für den Unfall, da keine gemeinsame Risikokontrolle. 59 612 S.W.2d 917 (Tenn.App. 1980), Parallelfall zu Impfstoffen und Autoreifen. 60 Davis, ebd., 917. 61 Man denke nur an den Fall, die Hersteller A- E aus verschiedenen Branchen hätten Marktanteile von je 30%, also insgesamt 150%. Die Orientierung an ihren Marktanteilen als Wahrscheinlichkeits-Kriterium versagt hier. - Im übrigen garantiert gerade erst die Möglichkeit vielfacher klageweiser Geltendmachung von Schadensersatz, daß jeder Hersteller auch wirklich vollständig entsprechend seinem Anteil in Anspruch genommen wird: Hersteller X mit 10% Marktanteil kommt für 10% des Gesamtschadens auf bzw. ersetzt allen ihn verklagenden Opfern 10% ihres Schadens. Damit ergibt sich die statistische Wahrscheinlichkeit, daß jeder Beklagte insgesamt auch wirklich für den Schaden aufkommt, der von ihm verursacht wird. Diese statistische Wahrscheinlichkeit fehlt in einem Einzelfall wie Davis, vgl. EndressfSozio, 1983 Detroit College ofLaw Review 1, 15, Fn. 72. 58

5 Otte

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VI. Fallrecht nach Sindeil 4. Asbest -

Verschiedene Wirkweise und Kumulation

a) Allgemeines Versuche zur Anwendung der Marktanteilshaftung gibt es auch bei Asbestschäden. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, endeten sie weitgehend erfolglos. Ursächlich waren konstruktive Unterschiede in der Produktnatur von Asbesteine große Bandbreite ganz verschiedener Wirkweisen verschiedener Asbestsorten und ihre kumulative Wirkung untereinander und mit anderen Stoffen 62 • Dies erschwert zuverlässige Angaben über genaue Verursachungswahrscheinlichkeiten und Gleichartigkeit der Gefahrdungen bzw. der Verursachungswahrscheinlichkeiten. Die Asbestfälle zeigen daher eine weitere Grenze der Marktanteilshaftung auf. b) Das Identifikationsproblem Bei den Asbestschadensfällen ging es um den Ersatz der Gesundheitsschäden, die durch Einatmen von Asbestfasern verursacht worden waren, insbesondere bei Arbeitnehmern, die berufsmäßig mit großen Mengen teils verschiedenen Asbests in Berührung gekommen waren. Durch Inhalation größerer Mengen bestimmt großer Asbestfasern (Durchmesser kleiner als 0,003 mm; Länge 0,0050.1 mm) 63 konnten nachweislich Krankheiten wie Asbestose, Lungenkrebs oder Mesothelioma entstehenM. Die Latenzzeiten zwischen Stoffeinwirkung und Ausbruch der Krankheit betragen bei Asbestose 17 Jahre, bei Lungenkrebs 2030 Jahre und bei Mesothelioma 30-40 Jahre 65 • Verarbeitet wurde und wird Asbest zu Asbestzement (70% der Weltproduktion, 11-14% Anteil), zu Asbestpapieren für Filter und Isolierungen, zu Reibbelägen für Kupplungen bzw. Fahrzeugbremsen und zu Asbestgarnen. Bevorzugte Anwendung erfolgte im 2. Weltkrieg in der Werftindustrie zum Bau von Kriegsschiffen. Werftarbeiter waren daher in der Folgezeit besonders betroffen 66 • Den Opfern steht neben dem gegen ihren Arbeitgeber auf workers compensation gerichteten Anspruch ein Schadensersatzanspruch aus Gefährdungshaftung gegen den identifizierten Hersteller des Asbests zu. Ein bei DES übrigens kaum berücksichtigter Umstand. Jaeger, Asbestschäden, 1, Fn. 28. 64 Asbestose ist ein Leiden ähnlich der Staublunge. Mesotheliom ist eine Krebserkrankung des Rippen- oder Bauchfells. Lungenkrebs wird regelmäßig auf Asbesteinwirkung zurückgeführt, wenn zugleich Asbestose vorliegt. Carrizosa, 106 New Jersey Law Journal, 9fT.; Peep/es, 1982 FIC Quarterly 323-359; Comment, 13 St. Mary's Law Journa1957-973; Note, 15 Indiana Law Review 679-711. 65 Kierski (Hrsg.), Gesundheitliche Risiken von Asbest, Bundesgesundheitsamt, Berlin 1981 (zit. bei Jaeger, Asbestschäden, 2, Fn. 27). 66 Die Beklagten beriefen sich daher vergebens - auf die government contract defense. Umgekehrt berief sich der Staat wirksam auf seine deliktsrechtliche Immunität, Jaeger, ebd., 7, No. 2.3, aus: UNR Sues Federal Government. World Insurance Report 229 (27. 1. 84). 62

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E. Versuche einer sachlichen Ausdehnung der Market-Share-Liability

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Eine Identifikation mag in Einzelfällen möglich sein. Hauptproblem in einer Vielzahl von Asbestfällen ist aber, daß die Asbestopfer regelmäßig asbesthaltigen, äußerlich gleichen Standardprodukten ausgesetzt waren, die in gleichem Zeitraum von mehreren Asbestherstellern produziert und von Lieferanten vertrieben worden waren. Eine genaue Identifikation war in solchen Fällen schon ä. priori nicht möglich oder deshalb nicht, weil sich das betreffende Opfer nicht mehr an Herstellerbezeichnung oder Markennamen erinnern konnte. Zu allem Überfluß hatten die Opfer mit unterschiedlichem Material verschiedener Hersteller bei verschiedenen Arbeitgebern gearbeitet. Im Falle der Identifikation eines Herstellers war deshalb noch nichts über dessen Beitrag zum Gesamtschaden ausgesagt. c) Fälle

Zur Lösung beriefen sich die Asbestopfer auch hier zunächst auf die in Sindell entwickelte Beweishilfe - allerdings nur teilweise mit Erfolg. aa) Pro MSL So stand in Hardy v. Johns-Manville Sales Corp. 67 die Marktanteilstheorie zur Diskussion, weil der Erstbeklagte seinerseits cross-claims gegen andere beklagte Hersteller beantragte [F.R.Civ.P. 1 (g)] und auf der Grundlage der MSL eine discovery bei diesen Produzenten erwirken wollte. Auf diese Weise beabsichtigte der Erstbeklagte eine anteilige Zuweisung der Haftung (nach Marktanteilen) herbeizuführen, ohne die belastenden Voraussetzungen der MSL selbst herbeiführen zu müssen. Das Gericht entschied, daß anteilige Haftung aufgrund der vorgetragenen Fakten möglich sei und Asbestschäden den DES-Fällen durchaus ähnelten, soweit der Kläger außerstande sei, die präzise (monokausale, d. Verf.) Einwirkung des Stoffes abschließend zu klären, geschweige denn den verantwortlichen Hersteller zu ermitteln. Denn im Falle von (alternativ erzeugter) Mesothelioma beruhe die Unaufklärbarkeit wie bei DES entscheidend auf der langen Latenzzeit. Bei kumulativ erzeugter Asbestose lasse sich dagegen das Konzept des eindeutigen Verursachungsnachweises grundsätzlich nicht durchführen. Das Bundesgericht gab daher dem so begründeten Antrag des Beklagten auf cross-claim und discovery statt mit der Begründung, daß mit Blick auf die vergangene und gegenwärtige Entwicklung der Lösung von Kausalitätsproblemen im texanischen Produkthaftpflichtrecht texanisehe Gerichte in Asbestfallen zukünftig die Marktanteilshaftung rezipieren werden 68 • 67 509 F.Supp. 1353 (E.D. Tex. 1981), rev. 'd on other grounds 681 F.2d 334 (5th Cir., 1982). 68 509 F.Supp. 1353, 1358, Erie-Doctrine: Under concept of enterprise or industry liability, after plaintiff proves exposure and injury caused by the product, burden then shifts to industry defendants to exculpate thernselves by proving that an individual

5*

68

VI. Fallrecht nach Sindeil

Hardy zitierend gibt auch der Florida Ct. of Appeal (3rd Dist.) in Capeland v. Celotex Corp. 69 ein grundsätzliches Bekenntnis zur Marktanteilshaftung in Asbestfällen ab. In Capeland behauptete der Kläger, während der Arbeit mit asbesthaitigern Isoliermaterial den schädlichen Auswirkungen der asbestfaserhaltigen Stäube ausgesetzt gewesen und deshalb an Asbestose, Krebs und anderen Krankheiten erkrankt zu sein. Trotz der Identifikation einiger Hersteller sei es ihm unmöglich, jeden und jede gefährliche Einwirkung nachträglich anteilig zu bestimmen. Der Markenname der verwendeten Stoffe sei nach Entnahme aus den Originalverpackungen schon nach kurzer Zeit nicht mehr feststellbar gewesen. Er sei jedoch imstande, eine entsprechende, hinreichende Wahrscheinlichkeit aufzuzeigen, daß er den Auswirkungen der von ihm benannten, von den Beklagten hergestellten oder vertriebenen Isolierstaffe ausgesetzt war, und daß die Beklagten als Gruppe nahezu alle Stoffe produziert hätten, denen er ausgesetzt war. Daher klage er auf der Grundlage der Marktanteilshaftung gegen Celotex und 15 andere Beklagte. Das Gericht akzeptierte die Marktanteilshaftung nach dem Muster von Sindell in einer Variation. Sindell sei eine Ausweitung der in§ 433 B (3) des Rest. 2d of Torts (1965) enthaltenen alternative joint and severalliability unter der Annahme, nur einer der Beklagten habe das schädigende Produkt hergestellt. Nach Verklagung aller oder wesentlich aller Hersteller könnten diese ihren Anteilen am ganzen Markt entsprechend nach außen haften. In Asbestfällen sei die Schadenswirkung oft über Jahre hinweg kumulativ. Angemessener sei daher die Anwendung von § 433 (B) (2) des Rest. 2d of Torts (1965), wonach die Beweislast für anteilige Schädigung bei den Beklagten liege, sie also ansonsten jeweils voll hafteten Uoint and several)1°. bb) Contra MSL Ablehnend beschieden wurde die Marktanteilshaftung dagegen in zahlreichen Asbestfällen gerade wegen der stoffiichen Besonderheiten bei Asbest, verändermanufacturer's product could not have caused the injury. If not possible, then liability is apportioned among remaining defendant's (substantial number) in accordance with a percentage of a relevant sales market. Ob das Gericht mit ,relevant' marketauch schon von vornherein bestimmen wollte, daß der zu berücksichtigende Markt das Risiko einer Verletzung auch wiederspiegeln muß und daher schwerlich immer der ganze Markt gemeint sein kann, ist anzunehmen, wurde aber in der Kritik nachfolgender Entscheidungen nicht als solcher Hinweis aufgegriffen. 69 447 So.2d 908,915,916 (Fla.App. 3 Dist. 1985), beachte aber dissent 917-922. 70 447 So.2d 916,917: auch hier nur wieder Grund urteil. Mit Blick auf die nachgewiesenermaßen kumulative, unentwirrbare Wirkung von Asbest wendet das Gericht eine Nebentäterschaftsregel an, die in Voraussetzung wie Rechtsfolgen eher der enterprise liability oder der concurrent causation (Nebentäterschaft) ähnelt als der msl. Joint and severalliability wird angeordnet bei concert, enterprise, failure to perform a duty, special relationship, master-servant und concurrent causation, Harper/James, § 10.1, 679-698 (1956).

E. Versuche einer sachlichen Ausdehnung der Market-Share-Liability

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ter Beweislage oder einfach entgegenstehenden Staatenrechts 71 • Asbest sei kein fungibles Produkt wie DES, sondern sowohl artmäßig verschieden und daher auch verschieden gefährlich. Verschiedene Produkte enthielten verschiedene Asbestfasern in unterschiedlicher Konzentration. Sechs in Form und Größe der Fasern verschiedene Asbestsilikate in industrieller Verwendung wirkten ganz unterschiedlich schnell. Die physikalische Beschaffenheit des asbesthaltigen Gesamtprodukts wirke sich entscheidend auf Art und Umfang der Verbreitung von Asbestfasern in der Luft und damit auf seine Gefährlichkeit für Menschen aus. Die Definition schadensrelevanter Produkte und Märkte sei angesichts der zahlreichen Einsatzmöglichkeiten eine zu komplexe Aufgabe. Der zu berücksichtigende Einwirkungszeitraum sei so lang, daß Identität und die Zahl der fraglichen Produzenten schwanke. Gleiches gelte für den Wechsel von Arbeitnehmern72. Unter all diesen Umständen sei der Marktanteil kein tauglicher Parameter zur Erfassung der Verursachungswahrscheinlichkeit mehr. Im übrigen sei oft wenigstens die Identifikation von einigen Produzenten oder Lieferanten möglich. In einem solchen Fall sei eine Beweislastumkehr wie in Sindeil erst recht nicht möglich 73 • Auf die Probleme einer Wahrscheinlichkeitshaftung nach Marktanteilen bei Kumulation verschiedener Giftsubstanzen wird nicht einmal eingegangen 74• d) Anteilsberechnung im Wellington-Abkommen Die vergleichsweise Regulierung umfangreicher Schadensfälle in den USA 75 hat das Bedürfnis nach Schadenszurechnung auf Wahrscheinlichkeitsbasis nicht abgeschafft. , 71 Thompson v. Johns-Manville Sales Corp., 714 F.2d 581 (5th Cir.La 1983), certiorari denied, 104 S.ct. 1598; Tidler v. Eli Lilly & Co., 95 F.R.D. 332 (US Dist. Ct., D.C. 1982); In Re Related Asbestos Cases, 543 F.Supp. 1152 (N.D.Cal. 1982); Starling v. Seaboard Coast LineR. Co.; 533 F.Supp. 183 (S.D.Ga. 1982); Prelick v. Johns-Manville Corp., et al., 531 F.Supp. 96 (W.D.Pa 1982); Ryan v. Eli Lilly & Co., 514 F.Supp. 1004 (D.S.C. 1981); Zafft v. Eli Lilly & Co., 676 S.W.2d 241 (Mo. 1984); Burke v. Johns-Manville Co., No. C-1-289 (S.D.Ohio Aug. 2, 1983); unentschieden in Celotex Co. v. Copeland, 471 So.2d 533, 539 (Fla. 1985); Hannon v. Waterman Steamships Corp., 567 F.Supp. 90 (E.D.La. 1983): verschiedene Toxizitätsstufen; Lillge v. Johns-Manville Corp., 602 F.Supp. 855 (E.D.Wisc. 1985): Zahl der Beklagten zu groß, als daß gemeinsame Risikokontrolle angenommen werden kann; Blackstone v. Shook & Fleteher Insulation Co., et al., 764 F.2d 1480 (U.S. App., 11th Cir. 1985); Bateman v. Johns-Manville Sales Corp., 781 F.2d 1132 (U.S. App., 5th Cir. 1986). 72 In re Asbestos Cases, 543 F.Supp. 1192 (N.D.Cal. 1982). 73 Hannon v. Waterman Steamship Corp., 567 F.Supp. 90 (E.D.La. 1983); Prelick v. Johns-Manville Corp., 531 F.Supp. 96 (W.D.Pa. 1982); Celotex Corp. v. Copeland, 471 So.2d 533, 539 (S.Ct.Fia. 1985). 74 Dazu unter dt. Recht unten VIII. B. 2. d) cc). 75 Siehe das bei Jaeger, Asbestschäden, geschilderte Wellington-Abkommen, 13. 9. 84, verbessert 10. 4. 85. Ebenso ,In Re Agent Orange Products Liability Litigation', 635 F.2d 987 (2d Cir. 1980), Vergleich mit 7 Unternehmen über 180 Mio. $; vgl. v. Hülsen/ Brüning-

70

VI. Fallrecht nach Sindeil

Entweder setzt sich nach gelungenem Vergleich zwischen mehreren möglichen Schädigern und Opfern das Bedürfnis nach genauer Haftungszurechnung auf der Versicherungsebene schlicht fort. Dieses Problem ergibt sich für alle Latenzschäden und alle Branchen, gleich welcher Art die erste Schadensregulierung für die Opfer ist 70 • Oder es entsteht schon bei der Bemessung des einzelnen Anspruchs gegen gegründete Fonds oder mit Regierungsvollmacht ausgestattete Abwicklungsstellen (facilities). Auch nach dem Wellington-Abkommen prüft die hiernach gebildete Facility sorgfältig die Berechtigung der einzelnen Ansprüche unter Berücksichtigung aller denkbar wichtigen Einflußfaktoren (VII, 4., 6)17 • Der einzelne Hersteller haftet nicht mehr nach seinem umsatzbezogenen Marktanteil, sondern nach seiner, im Vergleich zu den anderen Facility-Mitgliedern errechneten wahrscheinlichen Schadensbelastung (VI, 1 i.V.m. App. A-1). Den Beteiligten ist von der Facility daher nur ein Teil der Arbeit abgenommen. Auf das Konzept einer Haftung für wahrscheinliche Schadensverursachung wurde nicht verzichtet, seine Durchführung nur in die Hände von Zentralstellen gelegt. Auch wenn ein Vergleich mit mehreren potentiellen Schädigern anders durchgeführt werden sollte, bleibt das Problem erhalten. Denn insoweit erfordert die dort wegen Vergleichs im Grunde anerkannte, aber nicht näher spezifizierte Haftung für wahrscheinliche Verursachung auf Versicherungsebene doch noch eine genauere Klärung der Eintrittspflicht für wahrscheinliche Schadensentstehung-inZukunft Problem bei allen Latenzschäden, wenn ihre Regulierung möglich ist. e) Quotelungsversuch

Wie schwierig die - auch von der durch das Wellington-Abkommen gegründeten Facility anzustellende - Ermittlung von Haftungsquoten für wahrscheinliche Schadensverursachung ist, wenn man die kumulative Wirkung von gleichem Asbest verschiedener Hersteller, verschiedenem Asbest, die zahlreichen veränderlichen Kriterien (Produktvielheit, Asbestemission eines Brinkmann, RIW 1985, 192. Die für Asbestfalle privatwirtschaftlich entwickelte Vergleichslösung, das Wellington Abkommen, mag dabei auch für eine in die Zukunft gerichtete Lösung richtungsweisend sein. Allg. Schubert, RabelsZ 1983, 367- 380; Carrizosa, 106 New Jersey L.J. 9fT. (1982); Ingram, 12 Environmental Law 317-361 (1982); Comment, 13 St. Mary's Law Journa1957 -973 (1982); Note, 15 Indiana Law Rev. 679-711 (1982); Johnson, Annotation, 39 A.L.R. 4th 399-431. 76 Jaeger, ebd., 16, 17. 77 Die Erkenntnis über das bei Rauchern erhöhte Lungenkrebsrisiko führte zudem zu Regreßklagen oder Streitverkündungen gegenüber der Zigaretten- und Tabakindustrie, was die Haftung für wahrscheinliche Verursachung auf andere Branchen ausdehnen kann. Zur Risikosteigerung um den Faktor 10 bei gleicher Asbestbelastung, Woitowitz/Rödelsberger, Tumorepidemiologie. Luftqualitätskriterien, Umweltbelastung durch Asbest und andere faserartige Feinstäube, Berichte 7/80, Berlin 1980, 203-266, 244, zit. bei Jaeger, Asbestschäden, 2, Fn. 61.

E. Versuche einer sachlichen Ausdehnung der Market-Share-Liability

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einzelnen Produkttyps, Zeit der Einwirkung, Mehrzahl der Hersteller, Zeit der Marktbedienung) und Wirkungen nichtasbestoser Schadstoffe (allgemeine Luftverschmutzung, Rauchen) berücksichtigen will, zeigt drastisch 78 folgendes Beispiel: I. Nach Zusammenstellung und Auflistung der asbesthaltigen Produkte, deren Asbestemission der Kläger ausgesetzt war, wird der naturwissenschaftlich je Produkt ermittelte Asbestemissionswert (Faserjccm) mit der Einwirkungszeit (Jahre) multipliziert. Das auf diese Weise zu jedem asbesthaitigern Material einzeln errechnete Produkt gibt im Verhältnis zur Summe aller dieser Produkte den Wahrscheinlichkeitsanteil an, den auch der betreffende asbesthaltige Stoff im vorgegebenen Zeitraum an der Gesamtverursachung hat. Emmissionswert (F.jccm)

Stoffe

Jahre der Einwirkung

Produkt

% Verantwortlichkeit pro Stoff

SprayIsolierung Asbestzement Rohrisolation

1,5

X

10

15

(15/50)

30%

5,0

X

5

25

(25/50)

50%

5,0

X

2

10 50

(10/50)

20% 100%

Hersteller

Marktanteil 60% 30% 10%

A B

c

Asbestanteil in Sprayisolierung Produkt X X X

20% 10% 10%

0,12 0,03 0,01 0,16

% Verantwortlichkeit in Spray-Anwendung (0,12/0,16) (0,03/0,16) (0,01/0,16)

75 % 18,75% 6,26% 100,00%

II. In einem nächsten Schritt wird der Verantwortlichkeitsanteil mehrerer Hersteller einer Materialart ermittelt. Der jeweilige Marktanteil der Materialart wird mit dem Asbestanteil in diesem Material multipliziert. Das sich rechnerisch ergebende Produkt ist, bezogen auf die Summe aller so ermittelten Produkte, der Verantwortungsanteil pro Hersteller. III. In einem dritten Schritt kann das Ergebnis aus I. - bezogen auf jede Produktart - mit der für jede Materialart im 2. Schritt gefundenen anteiligen Verantwortung eines Herstellers multipliziert werden. Damit wird die Gesamt78

Dazu Note, 15 lndiana Law Review 679-711, 702fT.

VI. Fallrecht nach Sindeil

72

Verantwortung jedes beklagten Herstellers im gleichen Produktionszeitraum ermittelt. Differiert diese pro Hersteller, so läßt sich im 2. Schritt als Faktor die Zeitspanne einfügen, in der das asbesthaltige Material auf dem Markt war bzw. vertrieben wurde. Das errechnete Endprodukt verändert sich dadurch und der Prozentsatz der Gesamtverantwortung. Stoff Spray Zement Rohrisolation

% Verantwortung pro Stoff 30% 50% 20% 100%

X X X

% Verantwortung pro Hersteller A 75% 20% 14%

Anteil am Schadensersatz 22,5% 10,0% 2,8% 35,3%

IV. In einem vierten Schritt sollte das für Asbest ermittelte Ergebnis der Schädigungswahrscheinlichkeit korrigiert werden durch Berücksichtigung der Schädigungswahrscheinlichkeit, die von anderen, gleichartig oder mit Asbest kumulativ wirkenden Substanzen ausgeht. Ist ersterer Fall noch zu handhaben, so können bei letzterem die Berechnungen (naturwissenschaftl. Kausalitätsnachweis vorausgesetzt) im Umfang außer Kontrolle geraten. Zwar ist die Schädigungswahrscheinlichkeit für Zigarettenkonsum bei Asbestopfern heute wissenschaftlich hinreichend determiniert79 , doch gibt es für andere komplexere Ursachenketten nicht einmal den Verursachungsnachweis selbst. Die Bestimmung der Schädigungswahrscheinlichkeit allein nach Marktanteilen funktioniert, wie das Rechenbeispiel bei Asbest zeigt, in Kumulationsfällen ohnehin nicht mehr. Gearbeitet wurde hier nur in einem kleinen Bereich, von dem Emissionswerte und Verursachungswahrscheinlichkeit pro Materialtyp schon ausreichend nachweisbar waren. Zudem stellen alle Wahrscheinlichkeitsberechnungen nur retrospektive Lösungen bereit. Die erforderlichen Meßergebnisse sind auf statistischem Wege erst zu bekommen, wenn es schon ausreichend viele Schadensfälle gegeben hat. Der zwischen Primärversicherern und Asbestopfern geschlossene Vergleich ist nur bedingt leistungsfähig. Die Facility soll ausschließlich asbestbezogene Schäden sowie die Deckungslage der Primärversicherer außergerichtlich nach 79 Note, ebd., 706 bei Fn. 126 u. 128; Jaeger, Asbestschäden, 2, Fn. 61 u. Fn. 27. 20% der Lungenkarzinoma und Lungenfibrosen bei rauchenden Asbestarbeitern werden dem Tabakkonsum zugerechnet. Die asbest-bezogene Haftungsquote müßte also um eine entsprechende Haftungsquote verringert werden, wenn nur Asbesthersteller verklagt sind.

E. Versuche einer sachlichen Ausdehnung der Market-Share-Liability

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o. g. Berechnungsmuster 80 klären. Sie kann dies aber nur, soweit die Verursachungswahrscheinlichkeit dem Typ nach nachgewiesener Asbestprodukte zu berechnen ist. Es ist daher notwendig, daß der Anspruchsteller relevante Daten und Tatsachen darstellt, die schlüssig belegen, daß er asbestbedingt erkrankt ist und daß er bestimmten Asbestprodukttypen ausgesetzt war, die auch von den der Facility angeschlossenen Produzenten (allerdings nicht zuzuordnenden) produziert worden sind. Wegen der kumulativen und komplizierten unterschiedlichen Einwirkung verschiedener Asbestsorten ist der Marktanteil nur noch einer unter mehreren Parametern zur Feststellung der Verursachungswahrscheinlichkeit. Feststehen muß auch, welchen Produkttypen das Opfer ausgesetzt war 81 • 5. GrenzfaD Deponiegifte 82

Ein äußerster Grenzfall bei der Beschreibung von Kausalabläufen sind Giftabfälle in illegalen und legalen Haus- und Giftmülldeponien. Im weitesten Sinne entstehen auch hier "Produktschäden". Wennjedoch durch Deponiegiftstoffe Boden und Grundwasser verseucht und Menschen in nächster und fernerer Umgebung gesundheitlich oder wirtschaftlich zu Schaden kommen, sind die potentiell schadensverursachenden Substanzen kaum mehr zu identifizieren. Ihre Zahl ist übergroß, und im Dunkel einer Deponie vermögen sie sich zu neuen, dem Abiader gänzlich nicht mehr zuzuordnenden Substanzen synthetisiert haben. Ihre oft mutagene Wirkung erzeugt verschiedenste Krebsarten, deren Krankheitsbilder selbst einem bestimmten Giftstoffkaum in irgendeiner Weise zuzuordnen sind. Die Probleme alternativer und kumulativer Täterschaft paaren sich hier mit denen alternativer/kumulativer Opferschaft zuhauf. Weniger noch als bei Asbest gibt es Ansatzpunkte und statistisch verläßliche Aussagen über eine potentielle (Teil-)kausalität; schon die naturwissenschaftliche Kausalitätsbeziehung wird oft unerforscht sein. 80 VII, 7: "detailed guidelines shall be used to evaluate and settle asbestos-related claims". VII, 4: "valid evidence, each .. . claimshall be evaluated on its individual merits". 81 In XXIII, 2. (def. of asbestos claims) heißt es: any claims for bodily injury, sickness, disease or death, alleged to have been caused in whole or in part by any asbestos or asbestos-containing product. VII, 4: valid evidence, . .. on individual merits. Die nach dem Abkommen entwickelte Zuteilung der Haftung an den einzelnen in der Facility vertretenen Produzenten, wodurch sich die facility letztlich finanziert, richtet sich daher auch nicht nach dem umsatzbezogenen Marktanteil, sondern - komplizierter nach dem Anteil der Schadensbelastung eines Asbestproduzenten im Vergleich zur Gesamtbelastung aller der Facility angeschlossenen Produzenten, Jaeger, Asbestschäden, S. 18 No. 5.5.1 und S. 32 Bp. 2, aus: Agreement ... VI 1 i.V.m. App. A-1. 82 Vgl. dazu auch Rosenberg, 97 Harv.L.Rev. 849fT., der sich, soweit möglich, für eine Haftung nach ,proportional shares' ausspricht. Ähnlich Fischer, 9 Ecology Law Quarterly 429,486 (1981), für Großemittenten mit ,substantial shares' verschiedener Emissionen (sog. "contribution-to-aggregate-condition" = Verantwortung für einen Beitrag bei der Summierung von Schadensbeiträgen).

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VI. Fallrecht nach Sindeil

Alternative liqbi/ity (alternative Kausalität) scheitert am Nachweis potentieller Alleinurheberschaft eines Stoffes. Concurrent causation (konkurrierende oder multiple Kausalität) mit der Folge gesamtschuldnerischer Vollhaftung ist auch nicht gegeben. Es bleibt schon unklar, welche der mehreren potentiell ursächlichen Stoffe wirklich kausal war 83 •

Wahrscheinlichkeitshaftung nach Marktanteilen ist hier wie bei Asbest schon allein wegen der Disproportionalität des Verursachungsbeitrages und möglicher kumulativer Schadenswirkungen vollkommen unbrauchbar. Die Fälle, in denen bestimmten Substanzen artmäßig nicht zuzuordnende Schäden (alternative Opferschaft durch verschiedene Stoffe) nach statistischer Wahrscheinlichkeit von potentiellen Schädigern zu ersetzen waren, hatten für ihre Wahrscheinlichkeitsberechnungen einen relativ festen örtlichen oder sachlichen Bezugspunkt. Entweder gab es einen größeren, in der Nähe der Geschädigten befindlichen potentiellen Verursacher, also einen örtlichen Bezugspunkt. So wurde in Allen v. United States 84 der in der Nähe eines OS-Atomtestgeländes lebende und erhöhter Strahlung ausgesetzte Kläger von der Bundesregierung entschädigt, nachdem er an Krebs erkrankt war. Für eine nach Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten (statistische Berechnungen) zu schätzende Teilzuordnung der Schäden gibt es dann (fiktiv) keine alternative Täterschaft mehr. Anders gewendet: Der feste örtliche Bezugspunkt oder eindeutige naturwissenschaftliche Kausalitätsbeweis wird als ausreichendes Wahrscheinlichkeitskriterium erachtet 85 • Oder es konnte ein hauptursächliches Produkt ausgemacht werden, von dem die Schädigung ausgegangen sein mußte. So wurde Schadensersatz auch zugesprochen in den Fällen des durch Tampons bestimmten Typs erzeugten toxic shock syndromsbei Frauen 86 • 83 Fall einer concurrent causation: Landers v. East TexasSalt Water Disposal Co., 151 Tex. 251, 248 S.W.2d 731 (1952). Fälle parallel wirkender Stoffe und synthetisierter Stoffe werden im dt. Recht auch als Nebentäter behandelt (Folge: gesamtschuldnerische Haftung). 84 588 F.Supp. 247 (D. Utah 1984). 85 Parallele: Urteil des LG Harnburg betr. SOrEmissionen, s. unten VIII. 2. d) bb), Fn. 107. 86 Kehm v. Proctor & Gamble, 724 F.2d 613 (8th Cir. 1983). Epidemiologischer Nachweis auch ausreichend bei bekanntem Agens DES in Merlan v. E. R. Squibb & Sons, 190 Cai.Rptr. 349 (Cai.App. 1983),jedoch schon nicht mehr, wenn zeitl. Bezug eintretender Krankheit zu bekanntem Impfstoff verlorengeht, Alvarez v. United States, 495 F.Supp. 1188 (D.Colo. 1980). Zur Haftung aufgrund statistischer Wahrscheinlichkeit auch Dickson, 17 Forum 792 (1982); McEiveen & Eddy, 33 Cleveland State L.Rev. 29 (1984-85); Note, 18 Ga.L.R. 563ff. (1984): Schadensersatz proportional zu erhöhtem Risiko als einzig denkbarer Weg; aber bei Nähe zu einer Deponie Anspruch notwendig gegen einen Fond. Teilweiser Schadensersatzanspruch erst, wenn Risiko kleiner als 51%, sonst 100% Schadensersatz, King, 90 Yale L.J. 1353 (1981); Harter, 1984 Georgetown U. Med. Center

E. Versuche einer sachlichen Ausdehnung der Market-Share-Liability

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Bei Giftabfall und Umweltgiften, distanten Latenzschäden also, fehlt der Bezugspunkt einer Wahrscheinlichkeitsberechnung völlig. Nicht nur die Festlegung einer Wahrscheinlichkeitsquote pro Stoff ist ein Problem. Einziger Bezugspunkt wäre bestenfalls der Standort einer Deponie selbst, der - nicht ausreichend- nur auf den Deponiebelreiber und die Abiader hinwiese 87 • So ist denn auch aus den USA kein Fall bekannt, in dem das Problem privater Schadenskompensation Giftmüll-Geschädigter durch die eigentlichen Verursacher zufriedenstellend gelöst worden wäre88 • Die Fülle der mit einem Schlage bei Giftabfall entstandenen Kausalitätsprobleme, Zahl wie Größenordnung zu erwartender Schadensersatzprozesse 89 haben denn auch bislang eine notwendig bundesweite gesetzliche Regelung eines privaten Schadensersatzes verhindert. Der Resource Conservation and Recover Act 1976 (RCRA) 90 regelt nur die Deponierung im einzelnen und schuf gesetzliche Eingriffsmöglichkeiten für die EPA. Der 1980 geschaffene Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act (CERCLA) 91 regelt öffentlich-rechtlich die Beseitigung umweltgefährdender Deponien u. ä. Schadensersatz ist bundeseinheitlich nicht vorgesehen 92 • Superfund ging aus einer Vielzahl von Gesetzesentwürfen hervor, die teilweise recht umfangreich die Möglichkeit privater Schadenskompensation miteinschlossen 93 • Von den zahlreichen Federal Compensation Statutes sind Monograph 101 ff. Mit Blick auf toxic torts allg. für Anwendung einer ,proportionality rule' bei Massenverletzungen auch Rosenberg, 97 Harvard L.R. (1983- 84), 849-929, 881 ff., 924ff. 87 Einfache Beweislastumkehr zu Lasten des Deponiebetreiberg oder bekannter Abiader würde den potentiellen Verursachern die Haftung nur äußerst ungerecht zuteilen und zu mitunter extremer Einzelbelastung führen. Siehe Vorschlag einer ,legislative rebuttable presumption' hinsichtlich aufgelisteter Karzinogene, in: Note, 90 Yale L.J. 840, 857 (1981) und Note, 32 Hastings L.J. 933 (1981); kritisch Phillips, DAJV-Newsletter 3/86, 39, 40. 88 Zur Zurückhaltung bei der Zulassung epidemiologischer Beweise siehe Strand, 35 Stanford L.R. 575, 583. 89 12000 unkontrollierte Deponien geschätzt in den USA, Habitability of Love Canal, A Technical Memorandum 4 (OTA June 1983), zit. bei Phillips, DAJV-Newsletter 3/86, 40 No. 5. 90 42 U.S.C.A. § 6973. 91 42 U.S.C.A. § 9606; der von CERCLA geschaffene Fond (Hazardous Substance Response Fund = Super Fund) mit einem Volumen von 1,6 Mrd. $dient nur der Deckung anfallender Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten. Die Finanzierung erfolgt zu 14% aus allg. Steueraufkommen, zu 86% aus einer auf ,chemical feedstocks' erhobenen Sondersteuer. Identifizierte Verursacher werden in Regreß genommen, Phillips, 40. Siehe auch Meyer, 11, Environmental L. 689. 690f. 92 Schadensersatzregelungen enthält bislang nur der New Jersey Spill Fund von 1977; siehe auch Exxon Corp. v. Hunt, 106 S.Ct. 1103 (1986); Sokolow, 14 Connecticut L.R. 237340. 93 H.R. 85 und H.R. 7020 (1980) aus 38 Cong. Qu. Weekly Rep. 2819-22; S. 1480, 96th Cong. 2d Sess.(l980),in: 38 Cong. Qu. Weekly Rep. 2819,zit. bei Meyer, Environmental L. 689, Fn. 51, 52. Die Senate Bill sah Klagemöglichkeit gegen den Fond als auch gegen identifizierte Verursacher direkt vor. Dies wurde jedoch später gestrichen.

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VI. Fallrecht nach Sindeil

jene, welche keinen Kausalitätsnachweis erfordern, auf allgemeine Produkthaftpflicht oder gar Umweltschäden nicht anwendbar 94, andere verlangen den strikten Kausalitätsnachweis 95 . Die durch sie eingerichteten staatlichen Fonds stehen dem Ersatz von Produktschäden nicht zur Verfügung 96 • Die über Mischfinanzierung (privat und staatlich) laufenden Black Lung und Oil Pollution Compensation Programs begründen erstmals eine kollektive Branchenhaftung, haben aber jeweils sehr beschränkte Anwendungsbereiche. Representative Proposals scheiterten im übrigen bis heute an der Frage eines umfassenden Liquidationsfonds97 .

Social Security Disability Program von 1956, Medicare, Medicaid. Federal Employers Liability Act (FELA, 1908), Federal Longshoremen's and Habour Worker' Compensation Act (1926), der auf nukleare Unfälle anwendbare PriceAnderson Act, der Federal Water Pollution Control Act (1978) und Veterans Compensation (1976). 96 Trauberman , 5 Harv. Environmental L.R. 1, 4fT. 97 Strand, 35 Stanford L.R. 589, Fn. 49; 590, Fn. 53. Siehe auch study of toxic waste pollution victim compensation, 42 U.S.C. § 9651 (e) (Supp. IV, 1980); Toxic Tort Act Entwürfe: H.R. 1049, 96th Cong., 1st Sess. (1980); H.R. 14301, 96th Cong., 2d Sess. (1980), zit. bei Sokolow, 14 Connecticut L.R. 334, Fn. 139. 94

95

VII. US-Gesetzgebung und Gesetzentwürfe (bis Ende 1986) Angesichts der drohenden Lawine von Latenzschadensfällen gab es neben den gerichtskundigen Fällen auch vor Sindeil fast schon verzweifelte Bemühungen, für Produkte das Problem gesetzlich in den Griff zu bekommen. Von den wenigen, wirklich realisierten Gesetzen nahm sich jedoch keines einer dogmatisch einheitlichen und umfassenden Lösung an. Dahingehende Gesetzesentwürfe sind zumeist gescheitert. Sie zeigen gleichwohl die konstruktiv ganz verschiedenen Versuche, Latenzschäden direkt oder durch begleitende Maßnahmen in den Griff zu bekommen, und den wechselhaften Einfluß rein wirtschaftlicher Erwägungen. Zu Beginn der achtzigerJahre-noch unter dem Eindruck der pre-Sindell Fälle- wurde eine Fülle einzelstaatlicher Produkthaftpflichtgesetze verabschiedet und bundesgesetzliche Reformentwürfe zum Uniform Model Product Liability Act 1 von 1979 ( U P LA) verfaßt Als Antwort auf diverse Langzeitschadensfälle sahen sie die Eindämmung der ausufernden Schadensliquidation allgemein vor, indem eine Begrenzung der Haftungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen vorgenommen werden sollte. Das Kausalitätsproblem selbst wurde zuerst in den Reformentwürfen zum UPLA in Angriff genommen 2 • A. UPLA von 1979

Der UPLA von 1979, die sich an ihm teils orientierenden state statutesund state statute reforms hatten zunächst noch einmal versucht, die liquidierbaren Langzeitschadensfälle einzugrenzen durch Festlegung von Ausschlußfristen (statutes of repose), widerlegbaren Vermutungen der Fehlerfreiheit (rebuttable presumptions) bei Erfüllung vorgeschriebener Standards bzw. bei Nutzung des 1 44 Fed.Reg. 62, 714 et seq. (1979), soweit ersichtlich, bisher von keinem Staat ganz übernommen, 63 Am.Jur.2d § 2, Fn. 21. Der UPLA (vom 31. 10. 1979) selbst geht von der in st.Rspr. (siehe Nachweise in 63 Am.Jur.2d, § 164, Fn. 69) postulierten Notwendigkeit der Schädiger-ldentifikation aus. Seine Geltung muß im Einzelfall überprüft werden, Dworkin, 57 Tulane Law Review 608. 2 ,Products liability Act of 1982', H.R. 5214, 97th Cong. Ist Sess., 127 Cong.Rec. 9529 (1981) = House Bill, und Products Liability Act, S. 2631 , 97th Cong., 2nd Sess., 128 Cong.Rec. 6878 (1982) = Senate Bill, auch später ständig geändert durch den zuständigen Senatsausschuß für Handel, Wissenschaft und Transport, siehe von Hülsen/ BrüningBrinkmann, Produkthaftung USA 1983/84, RIW 1985, 187-194, 193.

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VII. US-Gesetzgebung und Gesetzentwürfe (bis Ende 1986)

aktuell verfügbaren Wissensstandes (state of the art), durch Verjährungsfristen und Einschränkungen der Rechtskraftwirkung tatsächlicher Feststellungen in einem Prozeß auf gleichgelagerte Folge- oder Parallelprozesse (collateral estoppel). Der UPLA von 1979 operiert nicht nur mit einer festen Ausschlußfrist, sondern auch mit der widerlegliehen Vermutung, daß ein Produkt dann nicht defekt ist, wenn es in 10 Jahren ab Kauf keinen Schaden verursacht 3 hat. Ausgenommen von dieser Vermutung sind solche Schadensfälle, die sich erst nach der 10-Jahres-Frist offenbaren ("become manifest")4 ,jedoch schon vorher verursacht wurden. In der Regel könnten deshalb ,Zeitbomben' wie DES, Asbest, Agent Orange und viele andere Chemikalien aus der privilegierenden Vermutung herausfallen; denn sie verursachen den Schaden schon mit ihrer Einwirkung kurz nach Kauf und Anwendung, in dem sie beispielsweise gen- oder allgemein gesundheitsschädigend wirken oder, bei Kumulation, die Schadensbasis in den ersten Jahren legen. Daß sich die Schäden zum Teil dann erst in der Folgegeneration offenbaren, hindert ihre frühzeitige Einstufung als defekt nicht. B. Einzelstaatliche Reformen nach dem UPLA 1979

In den meisten staatlichen Produkthaftungsgesetzen 5 waren Ausschlußfristen derart festgesetzt worden, daß eine bestimmte Zeit nach dem Kauf des Produktes eine Klage nicht mehr möglich ist. Die Zeiträume reichen von 6-Jahres-Fristen 6 bis zu 12-Jahres-Fristen 7 • Danach wäre eine Klage in den meisten Latenzschadensfällen, die Identifikationsprobleme aufweisen, nicht möglich. Zu Kausalitätszurechnungen aufgrund wahrscheinlicher Schadensverursachung durch Beweislastumkehr käme es dann gar nicht erst. Einige der jüngsten einzelstaatlichen Reformgesetze haben die widerlegliehe Vermutung eingeführt und daher gar keine echten Ausschlußfristen 8 mehr. Während die Gerichte einiger Staaten Ausschlußfristen strikt angewendet haben 9 , haben andere ihre strengen statutes of repose für verfassungswidrig 3 UPLA § 110 (B) (2) (d), in 44 Fed.Reg. 62, 732 (1979), zur Darstellung ausführlich Lorenz, RIW 1980, 613-615. 4 UPLA, ebd. 5 z. B. Ala. Code§ 6-5-502(c) (Supp. 1982); Conn.Gen.Stat.Ann. § 52- 577(a) (West.Supp. 1982); Ga. Code Ann. § 51-1-11 (2) (1982); Ill. Ann. Stat.ch. 83, § 22.2(b)(Smith-Hurd Supp. 1982); Ind. Code Ann. § 34-4-20A-5 (Burus Supp. 1982); Neb.Rev.Stat. § 25-224 (1979); N.C.Gen.Stat. § 1-52 (16) (Supp. 1981); N.D.Cent. Code § 28-01, 1-2 (Supp. 1981); R.I.Gen.Laws § 9-1-13 (Supp. 1982); Tenn. Code Ann. § 29-28-103 (1980). 6 S.O. Codified Laws Ann. § 15-2-12.1 (Supp. 1982); Utah Code Ann. § 78-15-3 (1977)(!). 7 Ariz.Rev.Stat. Ann. § 12-551 (1982); N.H.Rev.Stat. Ann. § 507-0:2 (Supp. 1979). 8 z. B. Colo.Rev.Stat. § 13-21-403(3) (Supp. 1982); ldaho Code§ 6-1403(2)(Supp. 1982); Wash.Rev. Code Ann. § 7.72.060(Supp. 1982); ebenso schon vordem UPLA: Ky.Rev.Stat. Ann. § 411-31 0( 1) (Baldwin Supp. 1979). 9 Dagnev. Piper AircraftCorp., 513 F.Supp.19(N.D.lnd.1980); Thorton v. Mono Mfg. Co., 99 I11. App.3d 722, 425 N.E.2d 522 (1981).

B. Einzelstaatliche Reformen nach dem UPLA 1979

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erklärt 10, um einer dem UPLA vergleichbaren Regelung den Weg zu bereiten, mithin eine zusätzliche Chance für Latenzschadensfälle mit Kausalitätsproblemen ("redress of injury", Weg zu den Gerichten). Kein Problem stellen mittlerweile die Verjährungsfristen dar. Die mit ein bis zwei Jahren relativ kurzen Fristen 11 beginnen nach der nun fast überall angewendeten discovery-rule erst dann zu laufen, wenn der Kläger vom Schaden Kenntnis erlangt hat 12 • Teilweise wird der Fristbeginn sogar auf den Zeitpunkt verlegt, zu dem der Kläger vom Schaden und von der Identität seines Verursachcrs erfährt 13 . Schon die herkömmliche discovery-rule hilft in Latenzschadensfällen und verhindert vorzeitige Verjährung. Ihre Ausweitung könnte sogar erlauben, Prozesse über längere Zeit zu führen, bis der wirkliche Verursacher feststeht. Unter diesen Umständen stände der Kläger nicht mehr unter Zeitdruck -eine Situation, in der die neue Kausalitätstheorie der MSL zwar nicht unmöglich ist, aber evtl. Schutz vor ihrer verfrühten Anwendung besteht. Von einer allgemeinen Regel kann hier aber nicht gesprochen werden. Eine weitere denkbare Einschränkung der Anwendung der MSL auf Latenzschadensfälle ist die der state-of-the-art defense verwandte "compliance-withgovernment-standards" defense. Nach ihr wird widerleglieh vermutet, das schädigende Produkt sei nicht defekt, wenn es in Erfüllung verwaltungsrechtlicher Vorschriften und wissenschaftlicher Sorgfaltsstandards hergestellt worden ist 14• Die state-of-the-art defense war bei DES kein Thema 15 • Ab den frühen fünfzigerJahrenhätten Erkenntnisse über die Auswirkungen auf Folgegenerationen durch Laborversuche an Tieren gewonnen werden können, ihre Unterlassung reichte den Gerichten aus. Zwar war ein solches Verfahren von der FDA auch danach nicht vorgeschrieben, sondern die Produktion von DES durch die FDA freigegeben und die Zulassungspflicht beseitigt worden 16 • Die Erfüllung 10 Lankford v. Sullivan, Long & Hagerty, 416 So.2d 996 (Ala. 1982); Battista v. Alis Chalmers Mfg. Co., 392 So.2d 874 (Fla. 1980); Bolick v. American Barmag Corp., 284 S.E.2d 188 (N.C. App. 1981). Dworkin, 57 Tulane L.R., 610, Fn. 43, sagt voraus, daß die meisten Gerichte die statutes ofrepose umgehen werden durch Fallunterscheidung, tolling und Behandlung als verfassungswidrig. 11 Prosser, Handbook of Torts, § 30. 12 Betr. products liability z. B. Urie v. Thompson, 337 U.S. 163 (1949); Williams v. Borden, Inc., 637 F.2d 731 (10th Cir., 1980); Louisville Trust Co. v. Johns-Manville Products Corp., 580 S.W.2d 497 (Ky. 1979). 13 z.B. in Frederick v. Ca1bio Pharmaceuticals, 89 Cal. App. 3d 49, 152 Cal.Rptr. 292 (1979); Raymond v. Eli Lilly & Co., 117 N.H. 164, 371 A.2d 170 (1977). 14 z.B. in Ark.Stat. Ann. § 34-2804(a) (Supp. 1981); Colo.Rev.Stat. § 13-21-403(1)(b) (Supp. 1982); Kan.Stat. Ann. § 60-3304 (Supp. 1981), N.D.Cent. Code § 28-01.1-05(3) (Supp. 1981); Tenn. Code Ann. § 29-08-101 (1980); Utah Code Ann. § 78-15-6(3) (1977). 15 Die defense existiert auch in der Form der rebuttable presumption of nondefectiveness, Dworkin, 57 Tulane L.R. 612, Fn. 63. Relevant ist die Zeit der Produktentwicklung, und alle Sicherheitsvorkehrungen müssen wirtschaftlich machbar (feasible) sein, Dworkin, 57 Tulane L.R. 613, Fn. 69, 70. 16 Siehe oben II. A.

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VII. US-Gesetzgebung und Gesetzentwürfe (bis Ende 1986)

ihrer unter dem möglichen Standard liegenden Test- und Registrieranforderungen war gleichwohl nicht Gegenstand der Erörterung in Sindeil und nachfolgenden Entscheidungen 17 und kam den Herstellern nicht zugute. Der UPLA von 1979 ist insoweit nicht verbraucherfreundlicher als die state statutes. Neben der doctrine of compliance with state-of-the-art oder industrycustom 18 hat das Gesetz eine als widerlegliehe Vermutung der Fehlerfreiheit ausgestaltete defense der compliance with legislative or administrative standards19 und sogar eine absolute defense bei Erfüllung staatlich zwingend vorgeschriebener Vertragsvorschriften (mandatory government contract defense)2°. C. UPLA-Reformentwürfe 1981 -

H.R. 5214 und S. 2631

Die zur Eindämmung der Produkthaftpflichtprozesse und ihrer nachfolgenden Kostenlawine 21 erstellten UPLA-Reformentwürfe aus dem Jahr 198J22 wollten angesichts Sindeil und vergleichbarer DES-Fälle das Kausalitätsproblem auf verschiedene Weise lösen. Während die Hause Bill ( H.R. 5214) seinerzeit noch forderte, der Kläger habe "by a preponderance of evidence" 23 den Beweis zu erbringen, daß das ihn schädigende Produkt von dem beklagten Hersteller stamme 24 und damit Sindeil nach damaligem Verständnis von vornherein unmöglich macht, erscheint die Lösung der damaligen Senate Bill (S. 2631, 16. Juni 1982) differenzierter. Nach Section 4 (a) (2) obliegt dem Kläger der Identitätsbeweis hinsichtlich des Herstellers. Ein Verzicht auf den Beweis ist gemäß sec. 4 (c) nur möglich, wenn der Kläger klar beweisen kann, daß er alle vernünftigen Anstrengungen unternommen hat, um diesen Beweis zu führen, wenn er außerdem jeden potentiellen Hersteller verklagt hat und jeder der Beklagten auch in einer 17

637.

Aufgegriffen nur vom Dissent in Sindell, 163 Cal.Rptr. 150, 607 P.2d 942, 26 Cal.3d

UPLA § 107 (C), repr. in 44 Fed.Reg. 62, 728 (1979). UPLA § 108 (A) in 44 Fed.Reg. 62, 730 (1979); widerlegt, wenn ein vernünftiger Produzent oder Händler zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erfüllt hätte. 20 UPLA § 108 (C), in 44 Fed.Reg. 62, 730 (1979); beträfe z. B. Agent Orange und Asbest in Werftindustrie der Kriegsjahre. 21 Zur Begründung siehe die "findings and purposes section", sec. 2 der House Bill, H.R. 5214 (Dec. 14, 1981). 22 Siehe oben VII., Fn. 2. 23 Ihre Ausfüllung unterliegt richterlichem Ermessen. Dazu McCormick, Evidence, § 339, at 794; vgl. auch Rosenberg, 97 Harv.L.Rev. 849, 857fT. Statistisch ermittelbare Verursachungswahrscheinlichkeit ist nach ihrer strengen Version als tauglicher Kausalitätsnachweis nicht zugelassen, nach ihrer nunmehr aufgelockerten Form dagegen liefert die statistische Wahrscheinlichkeit den vollständigen Kausalitätsnachweis (Rosenberg, ebd.: ,all-or-nothing nature'). Ob die House Bill soweit gehen wollte, ist unklar. 24 Sec. 5(a)(1)(C) der House Bill, H.R. 5214 (1981). 18 19

C. UPLA-Refonnentwürfe 1981- H.R. 5214 und S. 2631

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besseren Position ist, den Kausalitätsbeweis zu führen bzw. sich zu entlasten, als der Kläger. Damit bleibt aber nur eine sehr geringe, theoretische Chance, die Beweislast wie in Sindeil umzukehren 25 . Zum einen ist es unmöglich, nach Ablaufvon 20 Jahrenjeden denkbaren Hersteller zu verklagen. Das Typische an den Latenzschadensfällen ist ja gerade die auf großer zeitlicher Verzögerung beruhende Beweisnot Gleiches gilt für die geforderte bessere Beweissituation auf der Beklagtenseite. Sind beide Parteien gleich unwissend, scheitert die Anwendung von Sindeil unter den geforderten Voraussetzungenper se. Nach Ablauf einer langen Zeitperiode aber dürfte in der Regel keine Partei mehr in einer besseren Beweisposition sein. Zu den bei Latenzschadensfallen 26 (,delayed manifestation cases') auftretenden allgemeinen Problemen äußerte sich der Entwurf im übrigen nur zurückhaltend. Er schränkte die von den Gerichten teilweise ausgedehnte Rechtskraftwirkung (collateral estoppel)27 tatsächlicher Feststellungen zur Schädlichkeit eines Produktes auf gleichgelagerte Prozesse mit anderen Parteien ein. Section 4 (d) des Entwurfs verhinderte diese Rechtskraftwirkung, die bei der Lösung von Latenzschadensfällen eine zusätzliche Hilfe gewesen wäre, und beschnitt damit (indirekt) auch eine möglichst frühe Anwendung der Marktanteilshaftung, wie sie gerade in Latenzschadensfallen wünschenswert gewesen wäre. Dagegen war die Regelung der Ausschlußfristen im Gegensatz zu den einzelstaatlichen Regelungen erstaunlich verbraucherfreundlich. Der Entwurf sah zwei Alternativen vor. Nach sec. 12 (a) (1) galt eine 25-jährige Ausschlußfrist ab Kauf nur für Investitionsgüter; außerdem bestand eine Ausnahme für solche Fälle, in denen der Schaden durch Kumulation auftritt oder in denen er innerhalb von 25 Jahren verursacht - lediglich nach 25 Jahren erkennbar geworden ist,§§ 12 (b) (2), (3). Latenzschäden konnten danach liquidiert werden. Da gemäß § 3 (c) vorgesehen war, daß die Senate Bill, der "PLA 1982", die einzelstaatlichen Gesetze verdrängen sollte, hätte auch in den Bundesstaaten Investitionsgüter betreffend zwingend verbraucherfreundlicheres Recht gegolten. Die Verjährung von Ansprüchen sollte zwei Jahre nach Kenntniserlangung vom Schaden erfolgen,§ 12 (d). Eine alternative Fassung von§ 12 (a) (1) enthielt keine Ausschlußfrist, sondern eine Vermutung der Ungefährlichkeit einesjeden Produktes (not unreasonably dangerous), wenn der Schaden später als zehn Jahren verursacht wird. Diese Vermutung sollte gleichfalls keine Anwendung finden auf Schäden durch Kumulation,§ 12 (b) (2), und auf solche Schäden, die innerhalb von 10 Jahren ab Kauf verursacht, aber erst später erkennbar wurden, § 12 (b) (3). Auch nach dieser Fassung waren Latenzschäden grundsätzlich liquidierbar und standen Twerski, 18 Idaho Law Review 446, 447; Dworkin, 57 Tulane Law Review 626. Vgl. sec. 12(b)(2),(3) der Senate Bill; siehe Aufführung bei Dworkin, ebd., 627fT., 633fT. 27 Hardy v. Johns-Manville Sales Corp., 509 F.Supp. 1353 (E.D.Tex. 1981); Arnader v. Johns-Manville Corp., 541 F.Supp. 1384 (E.D.Pa. 1982). 25

26

6 Otte

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VII. US-Gesetzgebung und Gesetzentwürfe (bis Ende 1986)

deshalb für die Anwendung der market-share-liability zumindest offen. Deren Problem selbst wurde nicht geregelt. Dieser Gesetzentwurf wurde 1983 im Senat eingebracht und vom Senatsausschuß für Handel, Wissenschaft und Transport in veränderter Form verabschiedet28. Danach sollte die Marktanteilshaftung nicht ausgeschlossen sein, sondern der einzelstaatlichen Rechtsprechung überlassen bleiben. Seither wurden jedoch laufend neue Entwürfe erstellt und beraten. Die drei neuesten liegen seit Mitte 1986 vor. Es sind dies der A.'nderungsentwurfzum UPLA von Senator Kasten v. 30. 4. 86 29 und der Xnderungsentwurfzum UPLA von Senator Danforth v. 13. 5. 8630 , beide dazu gedacht, als bundeseinheitliche Reformentwürfe durch unterschiedliche supremacy-clauses Staatenrecht zu verdrängen. Sie beruhen auf einer einheitlichen Empfehlung der Tort Policy Warking Group 31 • Seither wird im zuständigen Senatsausschuß ein weiterer Syntheseentwurf beraten 32 , der sich stark an den Danforth-Entwurf No. 1951 anlehnt und auch in bezug auf das Identifikationsproblem Leitlinien geben könnte. Die vornehmlich auf die Rechtsfolgen abzielenden Änderungsvorschläge lassen mittelbar Schlüsse auf das Schicksal der MSL zu. D. Report der Tort Policy Working Group 1986

Der Report der Arbeitsgruppe wendet sich im wesentlichen gegen die Ausweitung der ursprünglich nur bei der concerted action theory angeordnete joint und several liability. Sie soll nicht mehr in solchen Fällen angewendet werden, in denen die Beklagten nicht zusammen oder nicht nach gemeinsamem Plan gehandelt hatten 33 oder in denen gar die Identität des konkreten Schädigers unbekannt ist und er nur aufgrundseines Beitrages zum Verletzungsrisiko (risk-contribution) durch Herstellung und Vertrieb des fehlerhaften Produktes verurteilt wird- unter Verweis auf Schadloshaltung im Regreßwege gegen andere Hersteller34• Die Arbeitsgruppe mißbilligt ausdrücklich nicht die pro-rata Haftung bei der market-share-liability und sieht sie im Fall der Verklagung aller Hersteller Berichtet bei von Hülsen/ Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 193. Cong.Rec. S. 5106, 99 th Cong., Amendment No. 1814(30. 4. 86)zu Senate BillS. 100 (1981). 3° Cong.Rec. S. 5874, 99th Cong., Amendment No. 1951 (13. 5. 86) zu Senate Bill1999 (20. 12. 85). 31 Eingesetzt vom Attorney General 1985; Report of the Tort Policy Working Group on the Causes, Extent and Policy Implications of the Current Crisis in lnsurance, Availability and AITordibility, Febr. 1986. 32 Senate Bill No. 2760, vgl. 601 Products Liability Reports 1,2 (11. July 1986), Business lnsurance v. 30. 6. 86, S. 1 u. 30; Business Insurance v. 25. 8. 86, S. 3 u. 19f. 33 Abel v. Eli Lilly Co., 418 Mich. 311, cert. denied 105 S.Ct. 123 (1984), fälschlicherweise Anwendung der Rechtsfolgen von concert, s.o. III. E. 34 Collins v. Eli Lilly Co., 116 Wisc.2d 166 (1984). 28

29

D. Report der Tort Policy Working Group 1986

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fungibler Produkte als gerechtfertigt an. Damit liegt ein eindeutiges Bekenntnis zur Wahrscheinlichkeitshaftung anband von Marktanteilen vor. Probleme ergäben sich nur, wenn einige Hersteller nicht mitverklagt würden. Eine endgültige Entscheidung läßt sie jedoch dahinstehen 35 • In den genannten Ausprägungen sei gesamtschuldnerische Haftung eine "deep pocket" Haftung. Ohne die vorhandenen Spielarten der Marktanteilshaftung bewerten zu wollen, müsse bei einer Haftungszuteilung auf der Basis von Marktanteilen die Haftung des einzelnen beklagten Herstellers auch wirklich auf seinen spezifischen Anteil beschränkt bleiben. Pro-rata-Haftung nach außen solle streng durchgeführt werden. Bis aufFälle wirklicher concerted actionsolle die gesamtschuldnerische Haftung eliminiert werden. 1. Einzelstaatliche Reformen

Einzelstaatliche Reformen haben diesen Wunsch teilweise schon verwirklicht. So erläutert sec. 3 (b) des per Volksabstimmung 1986 ins Leben gerufenen California Fair Responsibility Act (Änderung des§ 1431 Cal. Civil Code) 36 den neuen gesetzgeberischen Zweck. Die für einen Bruchteil des Schadens verantwortlichen Hersteller würden überjointund severalliability zu oft auf das Ganze haften, denn das Regreßrisiko liege bei ihnen. Diese Kritik richtet sich gegen Theorien der concerted action, alternative liability, enterprise liability und riskcontribution theory, nicht aber gegen die Marktanteilshaftung wie in Sindell oder Martin, soweit die Beklagten a priori nur pro-rata hafteten. Erfolgreiche Klagen dieser Art erhöhten Preise, Versicherungskosten und Steuern. Eingeführt werde daher eine individuell verschuldeosrelevante Haftung (sec. 3 (c), sec. 4 (a)), nur insoweit ergehe gegen den Beklagten ein Urteil in dieser Höhe (betr. noneconomic damages in allpersonal injury cases). Ganz oder teilweise abgeschafft werden sollte gesamtschuldnerische Haftung auch in Utah, Washington und West-Virginia 37 • 2. Bundesreformentwürfe 1986

In die gleiche Richtung gehen die beiden Senatsentwürfe zur Federal Reform von Kasten und Danforth. a) Entwurf ,Kasten'

Die Senate Bill No. 1814 von Senator Kasten löst das Identifikationsproblem nicht ausdrücklich, die market-share-liability wird nicht erwähnt. Ausgehend 35 Report, 34, 64, 65; 34: " ... such an allocation (Sind eil) may be the only way plaintiffs in some cases can obtain compensation for injuries ... ", und 65: "Even assuming such an allocation is reasonable .. . " 36 CCH Products Liability Reports No. 90.571 u. 90.572. 37 Utah, Senate Bill 64; Washington, Senate Bill4634; West-Virginia, Senate Bill 714; vgl. Astheimer, PHI 5/86, 123fT., 131.

6*

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VII. US-Gesetzgebung und Gesetzentwürfe (bis Ende 1986)

noch von seiner Senate Bill100 (1981), die in sec. 7 (c) (2) anteilige Haftung nur vorsieht, wenn ein Beklagter für ein "distinct harm" verantwortlich sei oder eine andere vernünftige individuelle Basis für eine anteilige Haftung existiere (Anknüpfung an Wahrscheinlichkeitskriterien schien damit versperrt), legt sec. 5 des Änderungsentwurfes No. 1814 eine "fault-based" liability zugrunde, die ausschließlich dem individuellen Haftungsanteil des einzelnen Beklagten Rechnung tragen solP8 • Sec. 6 (a) beseitigt bis auf den Fall der concerted actiondie Rechtsfolge der joint and severalliability (Gesamtschuld) und ordnet im Bereich der Herstellungs- und Konstruktionsfehler sowie für den Verkauf und den Vertrieb von Produkten eine pro-rata Haftung an, die sich auf "fault or responsibility for the injury" gründe (im übrigen bleibt ein Rest verschuldeosunabhängiger Haftung für unangemessen gefährliche Produkte), es sei denn, daß zum Herstellungszeitpunkt die Möglichkeit bestand, Fehler und Gefahren aufzuspüren und nach dem Stand von Technik und Wissenschaft vernünftigerweise zu vermeiden. Unklar bleibt die Reichweite der Begriffe "fault or responsibility", ob sie also die Haftung für statistisch wahrscheinliche Verursachung miteinbeziehen oder nur streng naturwissenschaftlich kausale und individuell zuzuordnende Verantwortlichkeit meinen. Ohne Klärung dieser Frage ist die market-share-liability zwar eingeschränkt auf Fälle der in California entschiedenen Art, d.h. die 100%ige Haftung durch ,nicht alle' Hersteller vorsieht, wenn sie insgesamt einen wesentlichen (Sindell) und nunmehr einzeln einen Mindestmarktanteil darstellen, in ihrer ,reinen' Form (Martin) aber grundsätzlich nicht beseitigt. Erhalten bleiben soll die gesamtschuldnerische Haftung lediglich für die in sec. 6 (b) per Legaldefinition beschriebenen reinen Fälle der ,concerted action' (bewußtes u. gewolltes, planmäßiges Zusammenwirken). In sec. 4 (b) zeigt dieser Entwurf die stärkste Verdrängung von Staatenrecht Als Bundesgesetz soll er einzelstaatliches Recht soweit verdrängen, als die einzelstaatlichen Regeln Haftungsbegrenzungen zugunsten der Hersteller enthalten, die hinter den Begrenzungen des Entwurfs zurückbleiben 39 • Nur soweit einzelstaatliche Haftungsbegrenzungen über den Entwurf noch hinausgehen, sollen sie weiterhin gelten. Da der Entwurf keine market-share-liability anordnet, liegt der Schluß nahe, daß auch Staatenrecht darauf verzichten müßte. b) Entwurf ,Danforth ·

Der Danforth-Entwurfv. 20. 12. 8540 zu einem UPLA hatte in sec. 302 (a) (1) für einen schlüssigen Kausalitätsbeweis (proximate cause) eine "preponderance of

38 d.h. negligence, defect oder unreasonable dangerous, also nicht im Sinne einer ausschließlichen Verschuldenshaftung, sec. 5 (1). 39 Sec. 4(b) Satz 2 bezieht sich nur auf Verteidigungen des Herstellers. 40 Siehe oben VII., Fn. 30.

D. Report der Tort Policy Working Group 1986

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the evidence" des Inhalts gefordert, daß ein individuell zurechenbares Produkt (individual product unit) den Schaden verursacht hat. Gleiches schrieb sec. 304 (a) (1) (A) in bezugauf den Verkäufer eines Produktes (seller defendant) für dessen Sorgfaltspflichtverletzungen vor41 • In sec. 203 (b) (1) forderte der Entwurf ebenfalls einen auf das Einzelprodukt bezogenen "vernünftigen" Kausalitätsbeweis (reasonable proofthat the manufacturer made or that the product seller sold the individual product unit that caused the harm). Mit diesem Grundsatz blieben die Identifikationsproblemfälle ungelöst, gäbe es nicht sec. 203 (c), der das Problem berücksichtigt und die Marktanteilshaftung sogar anspricht: Ohne das dogmatische Problem zu lösen, ist für diesen Fall wie für Streitfälle nach dem Entwurf generell- ein beschleunigtes Vergleichsverfahren (expedited settlement claims) vorgesehen. Nach Nachweis aller übrigen Haftungsvoraussetzungen und dem Nachweis vergeblicher Identifikationsbemühungen sowie angemessener Erklärung, warum er zur Identifikation des konkret schädigenden Herstellers nicht in der Lage ist, kann der Kläger alle jene Hersteller des fungiblen oder eines chemisch mit ihm nur verwandten und deshalb gleich wirkenden Produktes ("Erweiterung der product line") auffordern, in einen vom Entwurf nähr beschriebenen, beschleunigten Vergleichsprozeß einzutreten. Das Vergleichsangebot soll von beiden Seiten gestellt werden können und soll mit dem Klageantrag verbunden und beschränkt sein auf den Netto-Vermögensschaden. Dieser kann sich aus der aktuellen Schadenssumme und einem Plafond von $ 100000 Schmerzensgeld (dignitary loss) zusammensetzen. Zahlung in Raten ist möglich. Das Ausschlagen von Vergleichsangeboten verändert die geltend zu machenden Schadensersatzhöchstbeträge bzw. bürdet der anderen Seite die gegnerischen Anwaltskosten auf. Bei einer Mehrzahl von Herstellern bleibt dem Kläger die Last zahlreicher Vergleichsan träge. Eine Zentralstelle ist nicht eingerichtet. Über die Berechnung der Ansprüche verliert der Entwurfkein Wort. Der Entwurfbeseitigt im übrigen jointund severalliability grundsätzlich bei Nichtvermögensschäden, sec. 303 (b) (1), und knüpft die Haftung des Herstellers an dessen Anteil am Schaden neben anderen Herstellern (comparative fault) 42 • Ob das Kriterium "comparative fault" entsprechend mit "Marktanteil" ausgefüllt werden kann, bleibt unklar. Ausgenommen von einer wie auch immer gearteten (im Entwurf nicht skizzierten) Quotenhaftung bleiben nur Fälle, in denen der Anspruch gegen einen ,joint tortfeasor" nicht vollstreckbar ist. Der Entwurf behandelt die Nicht-Identifikationsfälle ausschließlich im Title II (settlements) und nicht in Title III (civil actions). Das Problem bleibt daher dogmatisch wie praktisch ungelöst.

41 42

Anders Astheimer, PHI 5/86, 123fT., 129. Section 7 des Entwurfes.

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VII. US-Gesetzgebung und Gesetzentwürfe (bis Ende 1986)

c) Syntheseentwurf Der dritte, auf beiden Senatsvorlagen beruhende Syntheseentwurf43 übernimmt vollständig verschuldeosabhängige Haftung, beseitigt gesamtschuldnerische Haftung und führt die government contract defense ein, letztere ebenfalls aussichtsreicher Hemmschuh für die Liquidation von Latenzschäden genehmigter Produkte 44 • E. Aussichten im US-Recht Die durch "Sindell" ausgelöste Haftung für wahrscheinliche Schadensverursachung in Form der Marktanteilshaftung hat in den USA einzelstaatlich verschiedene Ausprägungen erfahren. Sie existieren neben den hergebrachten Grundsätzen des tort Jaw in einer kleinen Zahl von Staaten und dienen vornehmlich als Lösungsansatz für Latenzschäden. Im übrigen halfen den Parteien bislang nur gerichtliche und außergerichtliche Vergleiche (Asbest, Agent Orange) sowie einzelstaatliche Maßnahmegesetze zur Liquidation privater Schäden (Asbest, state funds). Wie dargelegt, ist eine bundeseinheitliche Anteilshaftung betreffend einzelner Produktgruppen (Asbest) entweder schon im Entwurf gescheitert oder bei komplizierten Spätfolgeschäden (toxic waste) einfach nicht ausreichend, um private Schäden zu liquidieren45 • Bundesgesetzlich hat sich die MSL bisher auch allgemein nicht durchsetzen können, was angesichts der grenzüberschreitenden Schadensfälle wünschenswert gewesen wäre. Die legislatorische Zukunft und Realisierbarkeil der Marktanteilshaftung ist trotz ihrer Erwähnung im Danforth-Entwurf bislang insgesamt nur schwer ablesbar. Die in den Entwürfen neu geforderte Strenge individueller Verschuldeoshaftung (individual fault, bei der Haftungsbegründung) und der Drang zur pro-rata Haftung (Rechtsfolge) werden begleitet von Fristen und defenses zur Eindämmung der Liquidation von Latenzschäden. Eine Tendenz ist aber klar erkennbar. Das mit der vollen Verklagung des kausalitätsmäßig wahllos herausgegriffenen Branchenriesen verbundene Kostenrisiko belastet die Beklagten und ihre Versicherer mit der Aufbringung der Ersatz-, Regulierungs- und Verteidigungskosten. Mit der generellen Wiedereinführung der pro-rata Haftung anstelle gesamtschuldnerischer Haftung als Antwort auf Abel, Sindeil und Collins wäre ein Bekenntnis zu den Identifikationsproblemfällen und zur Berechnungsart von Haftungsquoten in diesen Fällen fällig gewesen. Die Abkehr vom Konzept gesamtschuldnerischer Haftung - abgesehen für concerted action-als Ausdruck der individual fault-Haftung macht eine Entscheidung wie die in Collins in Zukunft unmöglich: Die Haftung 43

Vgl. Product Liability Reports, No. 601 (11. 7. 85), 1fT.; Business Insurance (25. 8. 86),

44

Zur government contract defense siehe schon oben VI. E. 4. Fn. 66. Siehe oben VI. E. 5.

3, 19f.; Astheimer, PHI 5/86, 127. 45

E. Aussichten im US-Recht

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eines einzelnen für den gesamten Schaden unter Verweisung auf die Regreßklagemöglichkeit geht dem Reformgesetzgeber eindeutig zu weit46 • Unberührt davon bleibt dagegen eine Haftung nach dem Modell von Martin, in der der einzelne Verklagte nur für den durch seinen Marktanteil wahrscheinlicherweise verursachten Schaden haften soll, gleichsam Ausdruck "reiner" Marktanteilshaftung, wie sie auch schon im dissent von Sindeil indirekt angeregt worden war. Gegen sie scheinen sich auch die Reformentwürfe nicht zu wenden.

46 Mit der weitgehenden Beseitigung gesamtschuldnerischer Haftung wird diese im Vergleich praktisch noch weiter eingeschränkt als die Fälle des§ 830 I 2 BGB reichen. Bei Fällen gemeinschaftlicher, nicht planmäßiger Verursachung und kumulativ wirkender Nebentäterschaft sollen fortan - anders§ 840 I BG B- die individuellen Verschuldensanteile berücksichtigt werden. Auf welche Weise, wird nicht gesagt.

VIII. Die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland A. Einführung Nach Betrachtung der aktuellen Rechtslage in den USA bleibt die Frage nach wirkungsvoller und vor allem allgemein brauchbarer Lösung des Identifikationsproblems bei Latenz- und Distanzschäden im deutschen Recht de lege lata und de lege ferenda. Mit Blick auf DES, spanisches Olivenöl, mit AIDS-Viren verseuchte Blutermedikamente, Asbest, giftige Emissionen bis hin zu Sonderund Hausmüll, spannt sich auch hierzulande der Bogen vom rein monokausalen, bekannten Agens bis hin zu in verschiedener Ausprägung kumulativ wirkenden!, bekannten wie unbekannten Giftsubstanzen. Sach- und Umweltprobleme sind mit denen in den USA durchaus vergleichbar. Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf den Fall alternativer Kausalität eines bekannten, monokausal wirkenden Stoffes (Beispiel: DES). Für einen dogmatisch geschlossenen, praktikablen und möglichst umfassenden Weg zur allseits gerechten Schadenskompensation müssen aber die umfassenderen Probleme der Ursachenkumulation (gleicher und verschiedener Stoffe) bei distanten Produkt- und Umweltschäden gleichermaßen im Auge behalten werden. Für eine mögliche Lösung des Ausgangsfalles sei daher stets an die folgenden Grundfälle zu denken:

1. Untersuchungsfall: Monokausale, aber alternative Verursachung durch gleichartig wirkende, bekannte (gleiche oder verschiedene) Stoffe. Der jeweils konkrete Hersteller/Emittent ist unbekannt. (Beispiele: DES, kanzerogene Giftstoffe). 2. a) Kumulation von bekannten Schadensursachen miteinander. Beispiel: Mehrere Hersteller/Emittenten bekannt, Kumulationsvorgang unbekannt, oder 1 Gemeint sind sowohl (a) additive Effekte durch Summierung bekannter Einzelwirkungen (Fall der Teilschadenskausalität), (b) synergetische Effekte, wenn über die einfache Addition der Einzelwirkungen hinaus verstärkte Effekte auftreten und (c) potenzierende Effekte, bei denen für sich genommen wirkungslose Einzelkomponenten erst in Zusammenhang miteinander den Schaden bewirken, und die Einzelwirkungen jeweils durch Produktion/ Emission erst "nur" in die Welt gesetzt sind. Die Wirkweise kann erkennbar oder im Fall der Anteilszweifel (§ 830 I 2, 2. Alt.) oder im Fall der unabhängig handelnden, gesichert rechtsgutsverletzenden Nebentäter unerkennbar sein, Diederichsen, FS Reimer Schmidt, 15f.; Larenz, SR II, Tb. 1, § 74 I a, Wecker/e, Diss., 93, 96, 99ff.

B. Die Rechtslage

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b) von bekannten mit unbekannten Schadensursachen zur eigentlichen Schadensursache (häufig). Beispiel: Wenigstens ein Hersteller/Emittent ist bekannt und erhöht an seinem Standort erkennbar das Risiko (Steigen der Krebsrate). 3. Kumulation von bekannten, aber alternativ wirkenden mit unbekannten Ursachen. Dabei geht es um die Frage, ob für Fall 1. nach deutschem Recht der unerlaubten Handlung oder Gefährdungshaftung Schadensersatz gewährt werden oder ob de lege ferenda ein gerechter, wenigstens teilweiser Schadensausgleich nach dem Konzept der MSL gefunden werden kann. Als wesentliche Vorbedingung für eine praktische Lösung sind die Folgewirkungen einer solchen Haftung für die Konstellationen 2. und 3. zu beachten, ohne auch die Fälle des allgemeinen Lebensrisikos miteinzubeziehen und damit zu einer uferlosen Weite der Haftung und Klagbarkeit (gegen wen?) zu führen. Von der abstrakten Problemstellung bei alternativer Kausalität her bietet sich dabei eine Gleichbehandlung von Produktschäden und Umweltschäden an. Grundmuster bei alternativer Kausalität ist, daß eine Mehrzahl von Geschädigten einer Vielzahl von potentiellen Schädigern (mehrere Handlungen, mehrere Rechtsgutsverletzungen) gegenübersteht (Fälle 1. u. 3.), deren Handlungen/Unterlassungen generell geeignet waren, eine Schädigung herbeizuführen. Weder vermag das einzelne Opfer einen bestimmten Schädiger zu überführen, noch kann ein Schädiger seine Schädigungshandlung einem bestimmten Opfer zuordnen - sei es, daß andere potentielle Schädiger kausal geworden oder daß gänzlich andere Ursachen anderer Verursacher 2 oder ,natürliche' Ursachen 3 wirksam geworden sind. Bei Kumulation (Fälle 2. u. 3.) verstärkt sich das Problem um ein vielfaches. B. Die Rechtslage 1. Europäische Richtlinie 1985

Die im Produkthaftpflichtrecht nunmehr einschlägige und für EG-Mitgliedsstaaten verbindliche EG-Richtlinie vom 25. 6. 85 4 regelt Latenzschadensfälle und Massenverletzungen nicht. Gleiches gilt für das noch im Gesetzgebungsverfahren stehende, auf der Richtlinie beruhende Produkthaftungsgesetz 4 a. Andere synthetische Substanzen. Adams, ZZP 99 (1986), 151: Natürlicher Alterungsprozeß oder beispielsweise beim Kochen entstehende Gifte oder kanzerogene Stoffe. Vgl. Ames, Mother Natureis Meaner Than You Think, Book Review "The Apokalyptic", in: Science, July, August 1983, 98,99 und Efron, Die Apokalyptiker, München 1986; T. Johnson/S. Goldfinger (eds.), Harvard Gesundheits buch, 301 ff. 4 Richtlinie des Rates der EG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (v. 25. 7. 1985, Amtsbl. EG Nr. L 210/29 v. 7. 8. 1985). Bespr. bei Taschner, NJW 1986, 611 ff. 2

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VIII. Die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland

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In Artikel 3 III 1 erfaßt die Richtlinie das Identifikationsproblem künftig 5 nur für den Fall, daß in einer Vertriebskette der Hersteller oder sich als solcher ausgebende, gleichfalls haftende Vertreiber (§ 3 I) nicht mehr ermittelt werden kann. Für diesen Fall haftet der jeweils feststellbare Lieferant, soweit dieser nicht seinen Vorlieferanten benennen kann. Ungelöst bleibt nach der Richtlinie dagegen schon der Fall 1. des einen unter vielen gleichartigen Herstellern nicht ermittelbaren Verursachers. 2. Deutsches Recht

a) Anspruchsgrundlagen Die im Produkthaftungs- und Umweltrecht bereitstehenden Anspruchsgrundlagen sind zahlreich und regeln Schadensersatzansprüche auf der Basis von Verschuldens- und Gefährdungshaftung 6 sowie Ausgleichsansprüche unter engeren tatbestandliehen Voraussetzungen. Neben der Schadenskompensation über das allgemeine Deliktsrecht der §§ 823ff. BGB regelt§ 84 ArzneimitteiG die Gefährdungshaftung der Pharmahersteller, § 26 AtomG die der Kraftwerksbetreiber für Schadensfälle mit Strahlen und spaltbarem Material; für Immissionen gelten neben § 823 BGB allgemein die unrechts- und verschuldensahhängigen Ansprüche aus § 906 II 2 (Ausgleichsansprüche für die Beeinträchtigung von Grundstücken 7 ), sowie§ 14 I BlmSchG für alle Schäden durch Immissionen; es gibt schließlich nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche entsprechend§§ 906 II 2 BGB, 14 BlmSchG und schließlich gar öffentlich-rechtliche Ausgleichsansprüche wegen Enteignung oder enteignungsgleichen Eingriffs. Alle Anspruchsgrundlagen haben zwar die BT-Dr. Il/2447. Nach Art. 17 betrifft die Richtlinie ohnehin nicht vor ihrer Geltung in Verkehr gebrachte Produkte. Nach Art. 19 müssen die der Richtlinie einzelstaatlich Geltung verschaffenden erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften nämlich erst spätestens 3 Jahre nach Bekanntgabe (30. 7. 85), also am 30. 7. 88, ergangen sein. 6 Steht der Haftungsgrund aus Verschuldens- oder Gefährdungshaftung fest, so wird allerdings schon im Ansatz problematisch, daß für deutsches Schadensrecht - im Gegensatz zu franz., amerik., schwedischem u. japanischem - unter Berufung auf den Vertrauensschutz behauptet wird, die Einhaltung behördlicher Grenz- und Richtwerte bzw. die Berufung auf behördl. Betriebsgenehmigungen verschaffe privatrechtsgestaltend einen Rechtfertigungsgrund, Lummert/ Thiem, Berichte, 176f., Rest, Luftverschmutzung, 75. Aufopferungsansprüche, §§ 7 VI AtG, 14 BimSchG, 11 WHG, 11 LuftVG, 17 VI FStrG, bleiben davon unberührt. Für§ 22 WHG so Rossbach, ZfW 1979, 16 (18). Unberührt sind nur gesetzliche Ausgleichs- u. Aufopferungsansprüche, ansonsten bleibt- wenig sachgerecht- eine Schutzlücke. Außerhalb der Genehmigungspflicht von Produkten (Beispiel: PhaTmaka) ergibt sich das Problem aber weniger im Produkthaftungsbereich, im übrigen soll es für die vorliegende Untersuchung zunächst außer Betracht bleiben. 7 Immobiliarbezogenheit, Ortsüblichkeit und wirtschaftliche Betrachtungsweise schränken den zunehmend ausgeweiteten Rechtsschutz aus§ 906 II 2 BGB noch zu stark ein und vermitteln nur mittelbaren Gesundheitsschutz, BGH NJW 1983, 751. 4 "l 5

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subjektiven Haftungsvoraussetzungen minimiert, gemeinsam ist ihnen aber auch, daß das Kausalitätsproblem nicht angesprochen oder- wie im Bereich der weitreichenden Immissionen - zu Lasten des Geschädigten entschieden wird 8 • Dabei handelt es sich bei den gesetzlich geregelten Fällen geradezu um Prototypen von möglichen Latenzschadensfällen. § 22 Wasserhaushaltsgesetz stellt insoweit einen Ausnahmefall dar, als er schon die unbedingte gesamtschuldnerische Haftung des einzelnen Teilverschmutzers für den von mehreren möglicherweise verursachten Gesamtschaden anordnet 9 . Ansonsten gilt für den Geschädigten die Nachweispflicht nach den allgemeinen Beweisregeln 10 - ein für Latenzschäden im deutschen wie Im amerikanischen Recht gleichermaßen hoffnungsloses Unterfangen. b) Anwendung von§ 830 I 2 BGB

aa) Von§ 830 I 2 BGB erfaßte Haftung Bei Alternativität unerlaubter Handlungen hat der Gesetzgeber das Identifikationsproblem in§ 830 I 2 BGB abschließend regeln wollen. Mit Einschränkungen ist die Norm auch bei Gefährdungshaftung anwendbar 11 • § 830 I 2 BGB bietet dem Geschädigten eine Beweiserleichterung12 zur Bestimmung der Verantwortlichen, "wenn sich nicht ermitteln läßt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat". Das eröffnet die Frage nach der Reichweite von§ 830 I 2 BGB. Geregelt werden nach einhelliger Meinung abstrakt zwei hier gleichermaßen interessierende Fälle: Ausdrücklich erfaßt er unaufgeklärte Einzeltäterschaft, also den Fall der Alternativtäterschaft aus einem Kreis von ,Beteiligten' heraus, wenn nur entweder die vom einen oder vom anderen potentiellen Schädiger gesetzte Ursache rechtsgutsverletzend und deshalb haftungsbegründend 13 sein kann. 8 OLG Köln, NuR 1986, 83: nachbarschaftlicher Schutzbereich des 14 BlmSchG überschritten, weil Emmittenten nicht in unmittelbarer Nähe zum Opfer; Kfz. keine ,Anlagen'. 9 Zu § 22 WHG siehe näher unten VIII. A. 2. b) bb) bbb) eeee). 10 BGHZ 72, 355fT. = NJW 1979, 544fT.; Erman-Dress, 830, Rz. I; Gernhuber, JZ 1961, 148-153; Deutsch, Haftungsrecht I, 350. 11 Dazu sogleich unter VIII. A. b) bb) aaa). 12 Zur Rechtsnatur von§ 830 I 2 BGB, der nicht nur Beweisregel, sondern materieller Zurechnungsgrund sein soll, Weckerle, Diss., 110fT.; Bydlinski, FS Beitzke, 8fl; Buxbaum, Diss., 4f.; Brehm, JZ 1980, 587fT.; BGH NJW 1984, 1226 (Grohnde). 13 H. M .,Soergel-Zeuner,§ 830Rz. 1, l2;MK-Mertens, § 830Rz. 21,22;anderer Ansicht Gottwald, Schadenszurechnung, 115 bei Fn. 184, der damit die Grenzen zu Anteilszweifeln und zur Nebentäterschaft zu verwischen droht. Die Legitimation für Gesamtschuld ergibt sich gerade erst und nur aus dem Umstand, daß die haftungsbegründende Kausalität wegen eines zurechenbar verursachten Lebensvorganges ungeklärt ist, Weckerle, Diss., 155.

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VIII. Die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland

Alternativ monokausal verursachte Schadensfälle (DES) könnten also hiervon erfaßt sein. Zweiter, wortlautmäßig nicht erfaßter Fall ist die kumulative Kausalität, bei welcher feststeht, daß jeder der ,Beteiligten' an der Verursachung des Schadens mit eigenem Beitrag beteiligt ist, aber nicht ermittelt werden kann, welcher Anteil des Schadens von welchem Urheber verursacht ist 14• Dies ist ein weiterer möglicher Anwendungsbereich für Asbest, Giftstoffe und beispielsweise kumulativ(!) wirkende Pharmaka einer Art. Dem Geschädigten soll im zweiten Fall eine Beweiserleichterung helfen, wenn es ihm allein wegen des Zusammentreffens mehrerer feststehender unerlaubter Handlungsbeiträge (Rechtsgutsverletzungen) "nicht gelingt, die Ursächlichkeit dieser Beiträge mehrerer Täter für seinen Schaden bzw. deren Verursachungsanteile daran aufzuklären" 15 • Dies soll einschränkend - zumindest dann zu gesamtschuldnerischer Haftung führen, wenn bei den Einzelverursachern nicht lediglich Teilkausalität denkbar ist dann anteilige Haftung nach richterlicher Schätzung gern. § 287 ZP0 16 sondern die Einzelgefährdung geeignet war, den Gesamtschaden herbeizuführen17. Im Fall der Anteilszweifel verletzen dem Grunde nach (also nicht dem Umfang nach) individuell nachgewiesene Tatbeiträge das Rechtsgut Die Art des kausalen Zusammenwirkens nach der Einwirkung ist dabei egal. Die der Höhe nach ungeklärten Tatbeiträge können auch nach der Einwirkung auf das Rechtsgut den Schaden alternativ, gleichzeitig konkurrierend oder kumulativ bewirkt haben 18 • In diese Kategorie fallen daher nur Giftstoffe nachträglich feststellbarer 14 BHG NJW 1971, 506, 507; dieser Fall der Anteilszweifel war ursprünglich sogar der zuerst geregelte Fall,§ 714 des EI und Protokolle II, 2790 = Mugdan, Materialien, II, 1095. Der endgültige Wortlaut sollte nur den Zweifel des Urheberzweifels mitklären, Buxbaum, Diss., 4f., 30ff.; Bydlinski, FS Beitzke, 6f., 26f.; Reichweite im einzelnen umstritten. 15 BGHZ 55, 86, 95. 16 OLG Braunschweig, JR 1951, 658; OLG Hamburg, MDR 1956, 676; StaudingerSchäfer, § 830, Rz. 30; Rest, Luftverschmutzung, 81. 17 BGHZ 67, 14, 18, 19; 85, 375, 383; Buxbaum, Diss., 30ff.; Bauer, JZ 1971, 7f.; Staudinger-Schäfer, § 830, Rz. 30; RGRK-Steffen, § 830, Rz. 23; Baumgärtel, 1983 Keio L.Rev. 161 f. 18 Möglich ist also auch hier, daß sie sich lediglich zum Gesamtschaden addieren (sog. additive Effekte oder Teilschadensverursachung), zu einem qualitativ neuen Schaden verstärken (synergetische Effekte oder kumulativ koinzidierende Kausalität) oder erst in Kombination miteinander einen Schaden erzeugen (potenzierender Effekt oder notwendig koinzidierende Kausalität); zur Begriffsbildung einerseits Diederichsen, FS R. Schmidt, 1 ff., 15f. und andererseits Weckerle, Diss., 90f. Das Identifikationsproblem steckt hier gleichfalls in der tatsächlichen Kausalwirkung der der Höhe nach unbekannten Einzelbeiträge. Bis auf den Alternativitätsfall steht bei allen anderen Arten des Zusammenwirkens fest, daß der Verursachungsbeitrag das Rechtsgut irgendwie betroffen hat. Die Probleme tatsächlicher Kausalwirkung liegen hier daher eher bei der haftungsausfüllenden Kausalität; soweit richtig Gottwald, Schadenszurechnung, 115-117. Die Schadensentstehung ist

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Hersteller (Asbest), soweit sie sich im Opfer erst zur Wirkungsdosis kumuliert haben, nicht daher die klassischen DES-Fälle. Eine Kombination beider Fälle ist selbstverständlich insoweit denkbar, als sich hinsichtlich der von mehreren potentiellen Schädigern stammenden Handlungen Zweifel sowohl an ihrer Ursächlichkeit sowie an ihren Anteilen ergeben können 19 . bb) Anwendbarkeit von§ 830 I 2 BGB auf DES-Fälle Wegen§ 84 ArzneimitteiG hängt die Anwendbarkeit des§ 830 I 2 auf DESFälle als Prototyp der Urheberzweifel zunächst davon ab, wie weit§ 830 I 2 auch auf Gefährdungshaftungstatbestände Anwendung findet. Weiterhin müssen Produzenten das Beteiligungsmerkmal erfüllen. aaa) Analoge Anwendung des§ 830 I 2 BGB auf Gefährdungshaftung

§ 830 I 2 BGB geht von Verschuldeushaftung der "Beteiligten" aus. Schadensfällen aus dem Pharmabereich liegt nach deutschem Recht aber das Konzept der Gefährdungshaftung zugrunde. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, daß sich die von bestimmten Gefahrenquellen ausgehende besonders typische Gefahr jederzeit und unkoutrolliert auswirken und einen Schaden verursachen kann. Nimmt das Opfer mehrere gleichartige Medikamente gleichzeitig ein, so kann an der entsprechenden Anwendung von § 830 I 2 auf diesen Gefährdungshaftungstatbestand kein Zweifel sein. Er hat sich hier mehrfach konkretisiert und steht zusammenwirkenden unerlaubten Handlungen daher gleich. § 830 I 2 kann nur dort einen Zusammenhang zwischen Gefährdungshandlungen herstellen, wo und soweit diese auch wirklich Gefährdungshaftungstatbestände ausfüllen. Für Produktion/Vertrieb ist dies nicht der Fall (zweifelhaft schon für§ 84 ArzneimittelG, weil notwendig: " .. . in den Verkehr gebracht ... " plus Schaden "infolge der Anwendung"). Beträfe der Gefährdungshaftungstatbestand die Produktion/den Vertrieb oder die Emission allein (so bei§§ 25, 26 AtomG und bei§ 22 II WHG) eines unklar, weil die Tatanteile nicht bekannt sind. Nur wegen der Unklarheit über die Tatanteile steht letztlich nicht fest, wer den Schaden adäquat mit welchem Anteil verursacht hat (in Abgrenzung zur Nebentäterschaft, deren Unklarheiten lediglich aus der speziellen Art der Schadensentstehung herrühren. Die Anwendung des§ 830 I 2 BGB bei Anteilszweifeln steht und fällt mit der Feststellung der Eignung der hypothetischen Ursachen zur Schadensentstehung und dürfte sich daher bei Immissionen und zahlreichen anderen kumulativ wirkenden Stoffen nicht eignen, so auch Hager, NJW 1986, 1961, 1969. 19 So auch Bodewig, AcP 185, 505fT., 573. Vgl. auch Buxbaum, Diss., 4f. und die bei Weckerle, Diss., 99, dargestellten Varianten. Nach einem Teil der Literatur soll unzutreffend - 830 I 2 gar den Fall konkurrierender Nebentäterschaft erfassen.

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VIII. Die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland

Stoffes, so ergäben sich allerdings weitere Zweifel, ob auch schon mehrere

Gefährdungen dieser Art ihren Verursachern i.S.v. § 830 I 2 BGB zugerechnet werden könnten, wie dies mit Handlungen im Rahmen eines Beteiligungsvor-

gangs geschieht. Abgehoben von der (notwendigen!) Reichweite des Gefahrdungshaftungstatbestandes ist also im weiteren die Anwendung von § 830 I 2 BGB problematisch. Nach anfänglichen Zweifeln des RG 20 und der älteren Literatur 21 wird eine entsprechende Anwendbarkeit aus dem Wortlaut der Norm heraus heute sowohl für Tatbestände innerhalb als auch außerhalb des BGB angenommen 22 • Bei Verschuldens- und Gefährdungshaftung sei die Beweislast hinsichtlich der Kausalität nämlich gleich 23 • Das Identifikationsproblem rühre dann nicht daher, daß unklar sei, welche von mehreren Handlungen den Schaden verursacht habe, sondern welche von mehreren gleichermaßen zur Schadensherbeiführung geeigneten Gefahren(quellen) sich im Schaden realisiert haben. Die Realisierung der Gefahr(enquelle) im Schaden ist die der Verursachung durch schuldhafte Handlung entsprechende, der Gefährdungshaftung auch eigentümliche Form des Kausalzusammenhangs. Allerdings ist für eine analoge Anwendung von § 830 I 2 auf Gefährdungshaftungstatbestände notwendig, daß ein dem Grad der Unaufklärbarkeit bei Verschuldeoshaftung entsprechender und gleichermaßen klar abgrenzbarer Tatbestand bestimmt wird. Die vom BGH auch weiterhin postulierte Zurückhaltung bei analoger Anwendung des § 830 I 2 erfordert eine Entsprechung zu herkömmlichen, unaufklärbaren Tatbeständen. Diese Entsprechung ist nur dann gegeben, wenn sich abstrakte Gefahren (wie sie vom Gefährdungshaftungstatbestand beschrieben sein müssen) von bloß latenten zu konkret undjederzeit einwirkungsfähigen gesteigert haben und daher ebenso wie auf das Opfer einwirkende Handlungen das Identifikationsproblem schaffen. Dies ist schon immer dann der Fall, wenn ein jeglicher beherrschbarer Zwischenschritt weggefallen ist und die Gefahrenquellen - gleichsam der Kontrolle ihrer Verursacher entzogen - nun direkt auf das Opfer einwirken können und die konkrete Einwirkung nur noch vom Zufall abhängig ist 24• Die vom BGH geforderte "Zurückhaltung" 25 kann für Produktion und Vertrieb 26 problematisch sein. Fraglich ist, ob § 830 I 2 auch die von solchen RGZ 67, 260, 261; 102, 316, 319. Vgl. Nachweise bei Weckerle, Diss., 150f., Fn. 394. 22 BGH NJW 1969, 2136; 1971, 509, 510; MK-Mertens, § 830, Rz. 26; Erman-Drees, § 830, Rz. 15; Weckerle, Diss., 151 f., Fn. 397; Weimar, MDR 1960, 463; Brambring, Diss., 107; Bodewig, AcP 185, 517; Staudinger-Schäfer, § 830, Rz. 40. 23 Bauer, JZ 1971,4, 8f.; Köndgen, NJW 1970, 2281; Bodewig, ebd.; Palandt-Thomas, § 830, 3) 1). 24 Vgl. Weckerle, Diss., 153. 25 BHG VersR 1959, 623 (für §§ 7, 18 StVG); BGHZ 55, 96, 99 zu § 833 I BGB; Staudinger-Schäfer, § 830, Rz. 44; BGH NJW 1971, 510; Weckerle, Diss., 152. 20 21

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Gefahren ausgehende Verursachungswahrscheinlichkeit erfassen könnte, die dadurch entsteht, daß Produkte einfach auf dem Markt vertrieben werden und damit ihre Käufer gefährden. Im Fall von allgemeinen Emissionen erscheint die Gefährdung größer wegen ihrer unmittelbaren Einwirkungsfähigkeit, deren sich die Opfer nicht erwehren können. Zwischen der Emission eines Schadstoffes und seiner Einwirkung auf Bevölkerungsteile fehlt ohne Zweifel jeglicher beherrschbare Zwischenschritt, soweit die Opfer naturgesetzlich betroffen sein können. Die geschaffene Gefahr wirkt konkret und unmittelbar. Dagegen erscheint bei käuflichen Produkten die von diesen ausgehende Gefährdung der Käufer geringer. Zwischen der Gefahr eines fehlerhaften Produktes und ihrer jederzeitigen, konkreten Einwirkungsfähigkeit liegt die Kaufentscheidung des Kunden. Erst durch sie ist der Kontakt zur Gefahr hergestellt. Die jederzeitige durch den Zufall getragene Einwirkungsfähigkeit erscheint daher vor dem Kauf zunächst minimal. Indes ist der Unterschied gering, ob der behandelnde Arzt die Gefahr vergrößert, indem er zum Rezeptblock greift und auswählt oder ob der einzelne Kunde das ihm im Handel nun einmal dargebotene Produkt freiwillig selbst auswählt. Die Angebotspalette latent gefährlicher Produkte gefährdet den grundsätzlich auf Schadensfreiheit vertrauenden Käufer nicht minder. Je nach Verbreitung können hier nur Zweifel an der jederzeitigen Konkretheit der Gefahr bestehen. Im übrigen müßten jedoch - ohne im konkreten Fall die Subsumtion von ,Beteiligung' vorwegzunehmen27 - die schon von dem Produktangebot auf dem freien Markt ausgehenden, jederzeit einwirkungsfähigen Gefahren auch eine Anwendung von § 830 I 2 BGB unbedenklich erscheinen lassen.

bbb) Beteiligung- Problem bei latenten Massenverletzungen Im Fall der Urheber- als auch der Anteilszweifel ist das die Verantwortlichen i. S. v. § 830 I 2 28 bestimmende Band die "Beteiligung", d. h. ein näher zu 26 Außer Betracht bleiben soll der Fall, daß ein Opfer mehrere potentiell monokausal wirkende Stoffe gleichzeitig einnimmt. (Beispiel: Einnahme mehrerer Medikamente gleichzeitig, von denen ein jedes vor der Einnahme identifizierbar war; nach de Lousanoff, RIW 1983, 151 f. soll nur hier§ 830 I 2 BGB anwendbar sein; weitere Nachw. bei Bodewig, AcP 185, Fn. 62; aufgenommen und Widerlegungsversuch mit histor. Auslegung bei Bodewig, AcP 185, 517, 518, 519.) Zwar liegt hier die von § 84 ArzneimitteiG eigentlich gemeinte Gefahrdungshandlung- die Einnahme- vor, Zweifel ergeben sich hier aber an der Anwendbarkeit des§ 830 I 2 (1. Alt., Urheberzweifel). Weil die Stoffe das Rechtsgut Gesundheit bereits betreffen, liegt kein Fall strenger Alternativität, sondern Kumulation oder Konkurrenz vor. Jeder potentiell alleinverantwortliche Schädigerist also gleichzeitig durch sichere Kumulation adäquat kausal, Jung, AcP 170, 431 ff. u. a. Bei "Beteiligung" wäre§ 830 I 2, 2. Alt. (Anteilszweifel) anwendbar. Für Beteiligung liegt aber kein Hinweis vor. Daher bleibt nur Raum für Nebentäterschaft in Form der Kumulation oder Konkurrenz. 27 Siehe dazu sogleich unter bbb).

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VIII. Die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland

bestimmendes gemeinsames Handeln "in Richtung auf' das Rechtsgut Die "Beteiligung" selbst ist Ursache dafür, daß die Identität der Verursacher oder ihrer Handlungsanteile nicht festgestellt werden kann. Sie ist notwendig für die in § 830 I 2 BGB angeordnete Haftung bei Urheberzweifeln, weil über das nähere Kausalgeschehen nichts bekannt ist und über die§§ 830 I 2, 840 I,§ 421 BGB gesamtschuldnerische Haftung nur bei hinreichender Wahrscheinlichkeit der Schadensverursachung angeordnet werden soll 29 • Der Begriff der ,Beteiligung' dient so stets der Eingrenzung der Haftung. Für die hier interessierende Frage, ob auch mehrere Hersteller eines fungiblen und fehlerhaften Produktes eben schon allein wegen der Produktion oder allein wegen des Verkaufs der Ware an den Verbraucher gern. § 830 I 2 BGB verantwortlich sind, kommt es daher auf die Reichweite dieses Merkmals an. Denkbar ist eine besondere Beziehung der Verantwortlichen untereinander oder zumindest zwischen ihren Beiträgen. Denkbar ist aber auch eine besondere, gleichgeartete Beziehung zwischen den einzelnen Beiträgen und dem verletzten Rechtsgut Bei Gefährdungshaftung für Produkte ist dabei bedeutsam, wie ,Beteiligung' bis heute allgemein - vorwiegend an Einzelfällen - entwickelt worden ist 30 • aaaa) Reichsgericht - Unternehmensbeteiligung Das Reichsgericht nahm ,Beteiligung' zunächst nur an, wenn mehrere- über die bloße Kenntnis vom anderen potentiellen MitverursacheT hinaus 31 - an einer gemeinschaftlichen Gefahrdung beteiligt waren in dem Sinne eines gemeinsamen Unterfangens bzw. einer gemeinsamen Zweckverfolgung32 • Diese 28 Der eher der concerted actionvergleichbare Tatbestand des§ 830 I 1 BGB kommt für eine Lösung unserer Fälle fraglos nicht in Betracht, weil in DES-Fällen i.d.R. schon keine ,gemeinschaftliche', also bewußt gemeinsame Handlung oder ein ähnliches Verhalten der potentiellen Schädiger vorliegt. Notwendig ist dafür ein ,bewußtes und gewolltes' auf Erfolgsherbeiführung gerichtetes Zusammenwirken. Gleichgestellt sind gern. § 830 II Teilnehmer. Übersichtliche Darstellung der Theorien zum Haftungsgrund bei § 830 I 2 BGB bei Koch, Diss., 132-146. 29 Grund für die bei Nebentäterschaft angeordnete Vollhaftung ist eine Haftungsprognose bei den Einzelbeiträgen. Eine solche Prognose ist in den Fällen des§ 830 I 2 nicht mehr möglich. Die Vollhaftung bei Alternativität (1. Fall) und Teilschadenskausalität mit ungeklärten Beiträgen (2. Fall) ergibt sich gerade erst und nur aus dem Umstand, daß die haftungsbegründende (Fallt) bzw. haftungsausfüllende Kausalität (Fall 2) durch besondere zurechenbare Begleitumstände ungeklärt ist, Weckerle, Diss., 165fT. u. 155; Voraussetzung ist also, daß die Beteiligten gerade durch ihr Zusammenwirken eine Einheit bilden, der der Schaden insgesamt zugerechnet werden kann. 30 Grundvorstellung des Gesetzgebers war zunächst lt. § 714 des 1. Entwurfs zum BGB der Fall des Anteilszweifels, auf Änderungsantrag der 2. Kommission später dann auch der Urheberzweifel bei einem durch Raufhandel verursachten Schaden. Vgl. Mugdan , Materialien, II, 1899, S. CXXV u. 1095, 1096. 31 So allein früher Kohler, BR 11/ 1, 486 u. Rumpf, Teilnahme, 69. Heute Weimar, 464; Erman/Drees, § 830, Rz. 15.

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erschließe sich aus einem Vorgang, der zeitlich und räumlich die mehreren in eine freilich von der Gemeinschaftlichkeit des Zusammenwirkens des Satzes 1 ganz verschiedene Gemeinsamkeit des Tuns zusammenfasse 33 • Dem Reichsgericht lagen dabei fast ausschließlich Fallgestaltungen vor, in denen die Handelnden eine auf gemeinsame Zweckverfolgung gerichtete Situation gemeinsamer Unternehmung34 geschaffen hatten und somit ein hinreichend erkennbarer Zurechnungsgrund geschaffen worden war. Die Gemeinschaftlichkeit des Tuns beruht hier nicht nur auf dem zeitlichen und örtlichen Zusammentreffen der Handlungen, sondern auch auf dem gegenseitigen Voneinanderwissen. So waren alle Mitglieder einer ausgelassenen Kegelgesellschaft für den Schaden verantwortlich, den eine von mehreren aus ihrem Kreis in ein Lokal geworfenen Knallerbsen bei einem Gast angerichtet hatte 35 • Gleiches galt im Grunde für Raufhändel und für den Fall, in dem zwei Männer in der gleichen Nacht und in Kenntnis von der Beiwohnung des jeweils anderen mit der später an einer Geschlechtskrankheit erkrankten Klägerin verkehrt hatten 36 • In anderen Fällen verkürzte das Gericht die Beteiligungsvoraussetzungen zusehends zum einheitlichen, örtlich und zeitlich zusammenhängenden Vorgang und ließ es bei lagdunfallen ausreichen, daß der einzelne Schießende nur an diesem objektiv einheitlichen Vorgng teilgenommen hatte 37 • Gleiches galt von dem Geschäftsmann, der sich über kreditschädigende Äußerungen in einer Zeitung und die damit zusammenhängende unfreundliche Behandlung durch Redaktion und Schriftleitung derart erregt hatte, daß er an einer Bauchfellentzündung erkrankte und später daran starb 38 • Hier fehlte es sogar an einer Handlungseinheit, denn die das Opfer erregenden Handlungen beruhten zwar auf der Kreditschädigung, sie waren aber nacheinander erfolgt. Gleichwohl bejahte das Reichsgericht die Anwendung von§ 830 I 2 BGB. Die vom Reichsgericht herausgearbeiteten Grundsätze haben auch heute noch Geltung. Sie decken gleichwohl nur einen Teil der Fälle - sog. Unternehmensbeteiligungen - ab. DES-Fälle lassen sich mit diesem Ansatz über§ 830 I 2 BGB nicht lösen. Eine gemeinsame Produktion war nicht erfolgt. Die parallele Produktion des gleichen Stoffes nach gleichen Sorgfaltsmaßstäben RGZ 58, 357 (Knallerbsen). RGZ 58, 357, 361. Ebenso Steinwerferfall, RG JW 1909, 136. Zur Rechtsprechung und Diskussion vor lokrafttreten des BGB vgl. Koch, Diss., 129, 130. 34 Begriff ,Unternehmenssituation' bei Buxbaum, Diss., 7; Weckerle, Diss., 127. 35 RGZ 58, 357 (Knallerbsen). 36 RG Warn. 1912, Nr. 387; abgelehnt dagegen in ähnlichem Fall, wo mehrere Männer keine Kenntnis voneinander hatten, RGZ 96, 224, 226. 37 RG JW 1909, 687; RGZ 89, 65; 98, 58 (Jagdunfälle); RGZ 121, 400 (Schießerei auf Wahlveranstaltung). 38 RGZ 148, 154 (166). 32 33

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VIII. Die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland

ist weder von gemeinsamer Zwecksetzung getragen noch objektiv Ausdruck gemeinsamer Organisation oder Vorgehensweisel9 • bbbb) Neuere RechtsprechungGleichartigkeit der Gefahrdung Der BGH hielt an der Formel vom zeitlichen, örtlichen und sachlichen Zusammenhang als Ausgangspunkt der Beurteilung fest und verwendet sie bis heute für ,Unternehmensbeteiligungen'40 • Eine Stütze findet die Annahme von ,Beteiligung' daher immer noch in subjektiver Gemeinsamkeit des Tuns und der Gemeinschaftlichkeit der Gefahrdung, die aus einer solchen gemeinsamen Unternehmung hervorgeht. In der Folge wurde ,Beteiligung' aber auch in Fällen bejaht, wo die potentiell schadensursächlichen Handlungen zufällig aufeinandertrafen41. Gleichwohl sollen auch bei dieser ,Zufallsbeteiligung' die Handlungen miteinander in einem gewissen, irgendwie gearteten Zusammenhang stehen. Nur solche Vorgänge seien dabei zu berücksichtigen, die nach der praktischen Anschauung des täglichen Lebens einen einheitlichen, überschaubaren Vorgang bilden. Ausschlaggebend für die praktische Anschauung sei dabei, ob es sich um gleichartige Gefährdungen handele. Schrittweise verzichtete der BGH auf die Gleichzeitigkeit der Gefährdung sowie auf den engen örtlichen Zusammenhang. Er stellte schließlich auf die nach praktischer Lebensanschauung sich beurteilende Einheitlichkeit des tatsächlich zusammenhängenden Vorgangs in der Weise ab, daß nur noch die Gleichartigkeit der Gefährdung von entscheidender Bedeutung sein sollte42 . So ist eine Beteiligung mehrerer Verkehrsunfallpartner bejaht worden, als nicht geklärt werden konnte, bei welchem Verkehrsunfall sich das beim Krankentransport erneut verunglückte Unfallopfer seine Verletzungen zugezogen hatte. Der einheitliche Lebensvorgang sei hier zeitlich und örtlich so zerrissen, daß tauglicher Zurechnungsgrund für die Verantwortlichkeit der nichtzurechenbaren Verletzungen nach zwei Verkehrsunfällen gar nur noch die 39 Beteiligung mit der Formel des Reichsgerichts bei paralleler Produktion nach gemeinsamen Standards anzunehmen, hieße eine ,enterprise-liability' im deutschen Recht einzuführen. Obwohl theoretisch stets miterwogen, ist diese Haftungsart nicht einmal in den USA überall anerkannt. 40 BGH LM § 830 Nr. 4 (mangelhafte Dachdecke: Unternehmensbeteiligung); BGH NJW 1960, 862, 863 (Steinschlacht: nur obj. gemeinsame Gefährdung). 41 BGHZ 25, 271, 274 (Streupflicht auf Trampelpfad zwischen zwei Grundstücken: Zufallsbeteiligung); BGH VersR 1956, 627 (einstürzende Brandmauer zwischen zwei Grundstücken: Zufallsbeteiligung); BGHZ 33,286,291 (mehrfach überfahrener Anhalter: Zufallsbeteiligung); VersR 1967, 999; NJW 1969, 2136; NJW 1971, 506, 508; 1979, 544; BGHZ 55, 86; 67, 14 (Verkehrsunfalle); BGHZ 89, 383fT. (Demonstrationsschäden). 42 BGHZ 33, 286,291 (verunglückter Anhalter: keine Gleichzeitigkeit mehr, gleichartige Gefährdung); 55, 86, 92, 95 (verunglückter Krankentransport: keine Gleichzeitigkeit mehr, gleichartige Gefährdung).

B. Die Rechtslage

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Gleichartigkeit der von mehreren potentiellen Schädigern nacheinander ausgehenden Gefährdungen angesehen werden könne. Ob damit endgültig auf das Merkmal eines objektiven irgendwie determinierten einheitlichen Vorgangs verzichtet wurde, ist für den Fall fraglich, daß sich der BGH seiner Rolle als "Hüter" einer Haftungsbegrenzung durch§ 830 I 2 BGB bewußt wird43 . Jedenfalls gehen vorerst in die gleiche Richtung zwei obergerichtliche Entscheidungen zu Verletzungen, die dem Kläger während eines Silvesterfeuerwerks entstanden waren. Mehrere seiner Nachbarn hatten in seiner Nähe Feuerwerkskörper abgebrannt. Das OLG München44 und das OLG Köln 45 bejahten eine Haftungszurechnung nach§ 830 I 2 BGB unter den Nachbarn wegen der Gleichartigkeit der geschaffenen Gefährdung. Sie reiche als Zurechnungskriterium auch dann aus, wenn eine größere Entfernung und ein längerer Zeitraum (hier die Dauer des Feuerwerks!) zwischen den potentiell schädigenden Ereignissen lägen. Das Kriterium ist denkbar einfach und markiert die äußerste Grenze gemeinschaftlicher Haftungszurechnung. Fälle der Zufallsbeteiligung werden denen der Unternehmensbeteiligung gleichgesetzt, sofern die gesetzten Gefahren wegen ihrer Gleichartigkeit gerade erst die Sachlage unaufklärbar machen. Auf diese Weise könnten auch die Produkthaftpflichtfälle (Latenzschäden) alternativer Kausalität gelöst werden; die von DES-Pharmaka ausgehende Gefahr war stets gleichartig. Bestand nach dem anfangs vom RG entwickelten Zurechnungskriterium noch das Problem, daß parallele Hersteller in der Regel kein gemeinsames Unternehmen oder keinen gemeinsamen Zweck verfolgen