Luther und Kant: Ein geistesgeschichtlicher Vergleich im Anschluß an den Gewissensbegriff [Reprint 2019 ed.] 9783111388489, 9783111026831


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German Pages 130 [136] Year 1930

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Table of contents :
Inhalt
Vorbemerkung
I. Luthers Römerbriefvorlesung
II. Der Gewissensbegriff in Luthers Reifezeit
III. Die Gewissensautonomie bei Kant
IV. Das gläubige Gewissen
Nachbemerkung
Anhang über Glaube, Liebe, Person bei Luther
Rnmerkungen
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Luther und Kant: Ein geistesgeschichtlicher Vergleich im Anschluß an den Gewissensbegriff [Reprint 2019 ed.]
 9783111388489, 9783111026831

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Luther und Kant (Ein geiftergeschichtlicher vergleich im Anschluß an den Gewisiensbegriff von

Theodor Siegfried Lic. theol., Dr. phil., a. o. Prof, an der Univ. Marburg

1930 Verlag von Alfred Töpelmann in Gießen

Kus

der Welt

der Religion

Forschungen und Berichte, unter Mitwirkung von Heinrich Frick und Rudolf Gtto herausgegeben von Erich Fascher und Gustav INensching Religionsphilosophische Reihe, fjef t 3

printed in Germany

Inhalt Seite Vorbemerkung...................................................................................................................3

I. Luthers Römerbriefvorlesung............................................................................. 7

II. Der Gewissensbegriff in Luthers Reifezeit.................................................. 29 III. Vie Gewissensautonomie bei Kant............................................................. 55 IV. Das gläubige Gewissen.................................................................................... 73

Nachbemerkung........................................................................................................ 104

Rnhang über Glaube, Liebe, Person bei Luther...........................................106 Rnmerkungen.............................................................................................................. 113

Vorbemerkung. Seit Paul Rees Analyse des Gewissens und der darauf auf­ bauenden Genealogie der Moral von Nietzsche haben Psychologen sich bemüht, empirisch die soziologische und psychologische Analyse des phaenomens „Gewissen" zu fördern, und haben Ethiker in Rücksicht auf jene Analysen versucht, in dem Amoralismus Nietz­ sches selber eine neue Moral und darum ein neues Gewissen und d. h. das Gewissen zu entdecken. Das Gewissen des hochgemuten Menschen, des Idealisten schlechthin, ist bei Nietzsche zu entdecken, psychologische und soziologische Analyse dienen ihm im Kampf ge­ gen das moralische Gewissen, das, Trieb- und Selbstwillen ver­ drängend, einen Kompromiß sucht zwischen den eigenen Wünschen und den Drohungen der Gesellschaft, und zwischen Wunsch und Angst das unbedingte Gesetz der Entsagung erfindet. Der Angriff Nietzsches galt der doppelseitigen Lähmung des Glaubens und der Vernunft, die er am Protestantismus seiner Zeit (1870—1900) diag­ nostizierte. Darum gilt sein Kampf auch der tastend bedenklichen Phi­ losophie Kants, die zwischen überkommenem Glauben und eigener skeptischer Intuition eine Mitte sucht und sie in der Vernunft fin­ det, die bald skeptisch, bald gläubig ist, bald als Gestaltungswille sich weiß, bald vor den im Tatwillen selbst aufgerufenen Trieben zurückscheut und mit dem kategorischen Imperativ sie schreckt, um ihnen eine Glückseligkeit im Jenseits zu versprechen. Das ist nicht ohne weiteres ein Zerrbild Kants. In Kant be­ gegnen und scheiden sich in der Tat zwei Welten: der Glaube, der die Welt verachtet, und der Wille, der die Welt gestaltet. In der reinen praktischen Vernunft Kants verschmelzen beide. Das erste Moment lenkt den Blieb, auf Luther zurück. Blickt man von Kant auf Luther zurück, so erscheint Kant als die Überwindung des bedrängten Dämonismus Luthers und als die Zucht des ti­ tanischen Eigenwillens Nietzsches. Sieht man umgekehrt Luther und Nietzsche zusammen, so will Kant nur als der Übergang er­ scheinen, in dem jene lutherische Freiheit des Ehristenmenschen, die nach außen nur Dulden, Leiden und Knechtschaft ist, sich um­ setzt zur Freiheit des Weltmenschen.

Vorbemerkung.

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So lohnte es sich wohl, Nietzsche und Luther zu vergleichen. Die Gegensätze springen auseinander: die Gewissensnot Luthers und die Verachtung des bösen Gewissens bei Nietzsche, wenn So­ ziologie und Psychologie mit ihrer Gewissenserklärung Nietzsche Recht zu geben scheinen, so bleibt dem Glauben immer noch die Möglichkeit, die Freiheit entgegen zu setzen, in der der Christen­ mensch ein freier Herr über alle Dinge zu sein beansprucht, und niemandem untertan, auch nicht dem Übermenschen. Keine Psycho­ logie noch Soziologie kann hindern, datz der Glaube ihnen zu Trotz oder, wenn sie sich bescheiden, neben ihnen seine Entschei­ dung wagt und trotz aller Verflechtung in soziologisch-psycholo­ gische Gesetzlichkeit sich „frei" weiß und solche „Freiheit" von der „Kausalität" positiv als absolute Bindung an Gott oder als selbst­ herrliche Freiheit versteht. Das liberum arbitrium Luthers und Fichtes Titanismus liegen beide jenseits der kausalen Analyse des Geschehens. Aber zwischen solchen Antipoden scheint Kant auszufal­ len; er hat ihnen nur sein sapere aude entgegen zu setzen, die Frage nach der Wahrheit. Mit dieser Frage indes ist er nicht nur „Übergang", sondern das Gewissen des Glaubens und Unglaubens. Und wenn er der Übergang ist, so finden sich die Gegensätze in ihm zusammen, wenn er das kritische Gewissen aufruft, so ruft er es freilich auch gegen sich selbst auf. wenn dennoch die Gegen­ sätze substanziell in ihm verbunden sind, so täten Widersprüche seiner Lehre nur das zur Sache, datz die kritische Analyse an ihnen den Anlatz nähme, den substanziellen Kern zu erforschen. Nun hat Luther seinen Glauben gelebt und Nietzsche seinen Übermenschen gedacht. Zwischen ihnen steht Kant, dem der gelebte Glaube des einen zuflotz und der gedachte Glaube des andern ent­ sprang. Und doch ist heute jener gelebte Glaube Luthers gerade bei denen, die ihn am eifrigsten zu repristinieren versuchen, nur ein Ge­ danke und jener gedachte Übermensch Nietzsches, in wie großem oder kleinem Matzstabe, im Bourgeois oder Proletarier oder int freien Be­ ruf, ein Lebenswille, der aufgezwungen ist und zum Licht drängb weil das die Situation ist, weil, ob offen oder verhüllt, die Praxis Nietzsche Recht gibt und weil zugleich diese selbe Praxis, auch bei Nietzsche selber, nach einer Erlösung schreit, da „man entbunden sei und gewißlich frei", und weil weder die Theorie des Glaubens auf­ kommt gegen die Praxis und den Zwang des Lebens, noch die Praxis die Sehnsucht nach dem Glauben verstummen läßt, sondern entweder alle Theorie erstickt oder den Ruf zur alten Freiheit jen­ seits der Welt nur verstärkt, weil in diesem Kampf keine Antwort

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Vorbemerkung,

gefunden ist, lohnt es, mit Kant sich zu beschäftigen, dem Über­ gang, der zugleich das kritische Gewissen ist. Sn dieser Perspektive Kant zu verstehen, ist nur möglich, wenn man auf Luther zurückgreift. Die folgenden Zeilen beabsichtigen, am Leitfaden eines ein­ zelnen Begriffs das Verhältnis des Kantischen Moralismus zur reformatorischen Lehre zu prüfen. Sie legen dabei einen Begriff zu­ grunde, an dem das Problem der Autonomie in besonderer Weise akut wird. Dieses erschöpft sich zwar nicht in den durch das Ge­ wissen mitgesetzten Problemen. Zur einen Seite bleibt liegen die Forderung einer kritischen Begründung der Religion, zur anderen Seite wir- das für die Kantische Ethik entscheidende Pathos der Vernunftformung der Wirklichkeit, das Pathos der Formmächtig­ keit und Gestaltgebung, zurückgestellt. Mit dem Problem des Ge­ wissens wird dagegen die Frage nach der Grenze der Autonomie, aber darum auch die Frage nach ihrem „Ursprung" in den Mittel­ punkt gerückt. Da der Zielpunkt der folgenden Zeilen das Problem der Kan­ tischen Autonomie ist, so begrenzen wir uns im Rahmen dieser Ab­ handlung auf Beobachtungen an Luthers Gewissensbegriff und ziehen bei diesen insbesondere den Römerbrief-Kommentar des jungen Luther, den großen Galater-Kommentar und die Disputa­ tionen, die Luther seit 1535 an der Universität Wittenberg hielt, herani). Wir handeln also e r st e n s einleitend vom Gewissensbegriff des Römerbrief-Kommentars, zweitens von der großen Bedeutungs­ erweiterung, die Luther diesem Begriff späterhin gegeben hat, drittens von der Gewissensautonomie bei Kant und vier­ tens vom Problem des gläubigen Gewissens.

I.

In den Vorlesungen zum Römerbrief kennt Luther ebenso wie die mittelalterliche Scholastik die beiden Begriffe der synteresis und der conscientia. Man bleibt in vagen Ungenauigkeiten, wenn man den ersten mit Gewissen überträgt, und auch für den zweiten Begriff ist solche Übertragung der Mißdeutung ausgesetzt. Vie synteresis bezeichnet vielmehr die praktische Vernunft selbst und ist -er mystischen scintilla, dem Zünklein der Seele, wesensnahe. Vie conscientia bezeichnet dagegen die Anwendung jener Vernunft­ prinzipien auf den speziellen Fall. Diese scholastische Aufteilung in ein oberes vermögen und in dessen konkrete Aktualisierung verdient an dieser Stelle darum Erwähnung, weil sie bei Kant in eigentümlicher Weise wiederkehrt. Ob hier nur eine intellektualistische Zerdeutung des Phänomens vorliegt, wird später kurz zu fragen sein. Der durchgängigen scholastischen Lehre nun von -er Irrtumsfrei­ heit der synteresis als der praktischen Vernunft und der Irrtums­ fähigkeit der conscientia als des Organs der Konkreten sittlichen Einzelurteile entgegnet Luther: „Im besonderen Einzelfalle kennt und will sie (n. b. die menschliche Natur) das Gesetz, aber im allgemeinen Kennt und will sie es nicht"2). Luther begründet seine These mit dem Hinweis auf die grundsätzliche Verkrümmung der menschlichen Natur. Also mit souveräner Sicherheit zerbricht Luther das schola­ stische Schema. Anstelle der logischen Unterscheidung des Allge­ meinen und Besonderen setzt er wie selbstverständlich den Gegensatz von Hingabe an das Allgemeine und Eigenwillen. Die Ichheit, Meinheit, Selbstheit ist die Ursünde,- das ist die Erkenntnis und die Betrachtung, die Luther anstelle der scholastischen Lehre vom Irrtum setzt. Aus dem Irrtum der Oberfläche wird die Wesensverzerrung in der Tiefe und im Kern, von der alten Lehre ist dabei so wenig übrig geblieben, daß Luther ihren leitenden Be­ griff, -en -er synteresis, — ruhig beibehalten kann. Der „Obersatz der praktischen Schlußfolgerung, diese theolo­ gische synteresis läßt sich bei niemand verdunkeln"s). Damit scheint £utljer zunächst der scotistisch-occamistischen Tradition zu folgen.

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1. Luthers Römerbriefübersetzung.

Gccam und Biel weifen synteresis und conscientia der „Vernunft" zu und entreißen sie dem Willen, in welchem etwa Heinrich von Gent ihnen den Platz anwies6). Indem aber Luther das Wollen des Guten im allgemeinen leugnet, ist mittelbar die Rolle der synteresis untergraben. (Eine leitende Funktion kann sie im Men­ schen gar nicht haben. Sie ist nicht der von der Verderbnis freige­ bliebene Wesenskern, sondern ein für das heil bedeutungsloser Rest. „Wir sind nicht so schlechthin dem Bösen verfallen, daß nicht noch ein Rest in uns vorhanden wäre, der dem Guten zugewandt ist, wie an unserer synteresis ersichtlich ist"5). Rber dieser Rest kann den Menschen vor Gottes Gericht nicht retten. Diese „Korrektur“ der scholastischen Tradition ist nicht weniger als ein Umsturz. Die Vernunftbasis, von der die Scholastik ausge­ gangen war, ist nach Luther nicht nur nicht frei von Verderbnis, sondern ganz der Verkehrung anheimgefallen. (Es gibt keinen sün­ denfreien Teil des Menschen,- Sünde ist zur Totalitätsbestimmung geworden. Indessen, wenn in dieser Weise die alte Lehre von der syn­ teresis umgestürzt und unwirksam gemacht ist, so steht doch dieser Umsturz durchaus nicht außerhalb der Kontinuität einer vor Luther sich anbahnenden, ja zu ihrer höhe gekommenen (Entwicklung. Ruch die Mystiker kennen die synteresis; aber bei ihnen hat sie im Gegensatz zur rationalen Ausformung vieler Scholastiker einen my­ stisch-pneumatischen Charakter sei es gewahrt, sei es gewonnen6). Sie ist die reine, gottförmige Wesenstiefe des Menschen. So scheint Luther dieser Ausprägung nur noch schärfer entgegentreten zu können. (Es g eschieht in Wirklichkeit nicht, vielmehr führt er die hier angebahnte Linie einem entscheidenden Abschluß

Zu.

Immer hat man in den Schriften des jungen Luther mystische Züge beobachtet. Teils aus einem Empfinden für den dennoch be­ stehenden Abstand, teils auch wohl in dem nicht ganz unvoreinge­ nommenen Interesse, Luther selbst gegen alle etwaigen Vorläufer scharf abzugrenzen, hat man entweder Luthers entscheidende Lei­ stung in -em fortschreitenden Ausschluß jener „katholisierenden" mystischen Einflüsse gesehen, oder man hat eifrig betont, daß schon der Luther der Frühzeit jene mystischen Ausdrücke nicht-mystisch ver­ standen habe und gewissermaßen nur durch entschuldbaren Irrtum an jene Mystiker geraten sei. Der Abstand ist in der Tat da,- der Fortschritt ist in der Tat auch ein Fort-Schritt. Aber gerade darum führt Luther die mystische Linie nicht nur zu Ende, sondern führt ihren Ertrag einem neuen Anfang zu. In kurzer Andeutung weisen wir auf den ideengeschichtlichen

1. Luthers Römerbriefübersetzung.

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Zusammenhang hin, der zwischen Luther und der Mystik hier besteht. Da es uns auf die geistige Affinität ankommt, greifen wir dabei auf den Größten der deutschen Mystiker, auf Meister Eckhart, zu­ rück 7). verständlicher Weise hat man gerne Luthers Glaubensbegriff gegen das mystische Erleben abgehoben. Ls kommt Luther ja auf einen halt im Leben an, der uns hält, auch wenn die Erlebnisse versagen. Aber genau das wollten und wußten auch die Mystiker. Sie suchen einen dem Wechsel der Erlebnisse und Erschütterungen überlegenen halt. Sie suchen und finden: die Mystik selber als Methode, als methodischer weg das heil zu ergreifen, trägt die Richtung in sich auf ein Ziel, das die Methode selber aushebt,diese Aufhebung fanden die mittelalterlichen Mystiker in der „Ge­ lassenheit", dem „ledig Stehen aller Dinge". Die Willensentäußerung führt, zu Ende gedacht, zum verzicht selbst auf die religiösen Er­ lebnisse, und die halb lehrhafte, halb bildhafte Ausprägung dieses Gedankens war der Gedanke der Verborgenheit des Seelen­ funkens. Auch die von Wolken verdeckte Sonne scheint, auch der Funken unter Asche glimmt. So kommt es hier zu einem wissen um das verborgene, einem Wissen um die Existenzverbundenheit mit Gott außer allem Fühlen. Gott ist nahe, ob wir selbst ihn auch ferne fühlen oder gar nicht fühlen. Dieser Durchbruch der Mystik durch das Erleben entfaltet sich in vier Stufen. Zunächst wird die Isolierung des religiösen Erlebens beseitigt. 1. Die Mystik kennt einen Durchbruch des Gotterlebens int Welterleben selbst. Vie Dinge werden „gottfarb". Vas Leiden wird zur Freude, Schmach zur Ehre, Bitterkeit zur Süßigkeit, v. h. nicht das Leiden wirb verdrängt, sondern das Leiden selbst be­ kommt Gott-Farbe, hinter dem Gefühl taucht ein Gegengefühl empor. Gerade in der Umkehrung erscheint das Göttliche und wird durch diese Umkehrung hindurch geschaut und festgehalten. 2. Weiter stellt Meister Eckhart anstelle des gedachten Gottes den wesentlichen Gott. „Wenn der Gedanke vergeht, so vergeht auch der Gott. Nein, man soll einen wesentlichen Gott haben, der hoch über dem Gedenken des Menschen und aller Kreatur ist." Aber wie weiß man von diesem wesentlichen Gott? Darauf ant­ wortet derselbe Meister Eckhart: „Der Gott vergeht nicht, es kehre sich denn der Mensch mit seinem Willen ab." Seine nähere Beschreibung aber findet dieser Wille als „Gemüt", als ein „ver­ nünftiges Sich-3ukehren" und „Meinen" Gottes. Mit einem „steten Gedenken" an Gott aber soll dies nicht verwechselt werden. Als» ist dies Meinen jedenfalls kein Fühlen und Erleben, sondern eine

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I. Luther; Römerbriefübersetzung.

Existenzbezogenheit, die durch die velleitäten des Gefühls hindurch­ geht und insofern vom Fühlen unabhängig ist. 3. Aber kennt darüber nicht Meister Eckhart jene höchste Stufe der Vollendung, da der Mensch sich von allen „Bildern" ab­ löst, sogar der Liebe leer steht und des Bekenntnisses zu Gott? 3a, Eckhart nennt diese Stufe als die höchste. Aber er unterscheidet sie mit Grund von dem Erleben, das in gefühlsmäßigen Erschüt­ terungen sich vollzieht. Ihnen gegenüber ist diese Stille kein Er­ leben, sondern ein Ausgehen aus allem Erleben, lver diese Ab­ grenzung nicht sehen und einfach von einem Erleben reden will8), wird auch Luthers Glaube ein Erleben nennen müssen und aller Unterscheidungen verlustig gehen oder sie dann wieder mit neuen Worten einsetzen müssen. Darum ist jener höchste Zustand kein „Erleben", weil hier nichts Bestimmtes mehr erlebt wird, sondern die „Abgeschiedenheit" einzieht, die nur als Nicht-Erleben charak­ terisiert werden kann. Qualitativ steht sie dem Erleben, seinen T. 1T) ebda. 18) Rm 91 äs. Man ziehe hinzu, wie kurz die Scholien die chrfftologischen Kernstellen des Kömerbriess übergeben. 129" gibt im Anschluß an Köm. 415 einige Andeutungen, die zeigen, wie Luther die Gegenwärtig­ keit der Erlosungstat herauskehren will. „Seine Auferstehung ist nicht bloß ein Zeichen innerer Gerechtigkeit, sondern bereitet sie auch in uns, wenn wir daran glauben". Luther schließt 1301: Hoc totum scholastici unam dicunt mutationem. Also knüpften Luthers spätere Kerngedanken über die Gegenwärtigkeit des Heilsgeschehens an die Scholastik an. An wen? — Rm 131 io ff zeigt, wie Luther bemüht ist die beiden „Momente": „durch den Glauben" und „durch Christum" zusammenzudenken. Aber ge­ rade das zeigt, daß sie für ihn noch nebeneinander stehen. — In dem Bilde, daß sie zusammengehören wie Licht und Sonne (13211) führt Luiher gewiß weiter Aber der Glaube bedeutet noch dar Bestreben sich des Christus würdig zu erzeigen. Charakteristisch ist das Schwanken Luthers gegenüber der theologia mystica (3. 25), deren ver­ lassen alle Bilder des Leidens Christi als „raptus" der Begnadeten aner­ kannt, als „accessus" abgelehnt wird. 19) Rm 130e. Dazu Rm 1758: „(Es ist aber der innere (Mensch): Vernunft (mens) und ein reines Gewissen, dessen Wille im Gesetz Gottes steht". ") Rm 43,i.

81) Rm 43 ii cogitationes conscientiam remordentes. ”) vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Artikel Gewissen, Bd. IV, 1. Abt., 2. (EL, Sp. 6219 ff. ") Rm 4314. Im Grundansatz bezieht Luther das Gewissen auf äußere Mächte, auf den Gott, vor dem es flüchtet (Rm 237