Leitfaden zum Deutschen gemeinen Civilprozeß [Reprint 2021 ed.] 9783112466568, 9783112466551


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Leitfaden zum Deutschen gemeinen Civilprozeß [Reprint 2021 ed.]
 9783112466568, 9783112466551

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Leitfaden zum

Deutschen gemeinen Civilprozeß von

Friedrich Gesell, früherem KammergerichtS-Affeffor.

Berlin, 1852. Verlag der T. Trautwein'schen Buch- und Musikalienhandlung. (I. Guttentag.)

Vorwort. IVährend die juristische Literatur ihre» Markt schon laugst dem praktischen Bedürfniß geöffnet hat und alle Klassen der

Staatsbürger

mit Commentarien. Compilationen, Formula«

ren it. s. w.

in reicher Auswahl versieht,

wendet sie sich

noch immer in stiefmütterlicher Laune von demjenigen Publikttin

ab,

welches

verdienen scheint.

doch Der

höchste Aufmerksamkeit

ihre

wichtige

Lebensabschnitt

zu

zwischen

dein Ende der akademischen Studien und dem Anfänge der

juristischen Praxis,

welcher im allgemeinen mit dein ersten

Gramen bezeichnet wird,

ist bis jetzt ohne Wegweiser;

es

fehlt ein vorzüglich für das Bedürfniß der Eraminations-

kandidaten bestimmtes Geistesprvdukt.

Wer sollte auch zu diesem Zwecke schreiben, wer fühlt sich dazu berufen, wer achtet auf die durch diesen Mangel hervorgerufenen tiefen Seufzer des angehenden Praktikers?

Ain wenigsten der Professor,

der

mit der letzten Stunde

*

IV des letzten Semesters den wohlansgerüsteten Candidaten der Gerichtsstube übergiebt,

welchen der im

für

kaum besser der Beamte,

und

Eramen brauchbar befundene junge Col­

lege nur als eine hülfeleistende Arbeitskraft, selten als hül-

fesnchender Anfänger Interesse hat. Der Verfasser des Buchs,

übt seit Jahren die Thätigkeit eines

erste Stück erscheint,

sogenannten Repetenten

rende,

welche die

aus,

d. h.

die

unterrichtet Studi-

deren

Kenntniß

von

ihnen

Sagen, wie er seinen Beruf anffaßt, heißt

die

Er

sucht

ewigen Vorbilder des Juristenstandes,

die römischen Meister,

Rechtswissenschaft

ausdrücken.

zu zeigen, worauf die Jurisprudenz

seine Aufgabe darin,

wie

Buchs

seines

Grundgedanken

basirt ifi;

er

erste juristische Prüfung ablegen sollen,

in denjenigen Rechtsmaterien,

verlangt wird.

non welchem hiermit das

mit

über ihren Beruf dachten;

dem

wie die

Leben zu vereinigen ist;

wie

die ganze juristische Kunst sich in dem Einen koneentrirt: die mannigfachen

mit

unbefangenem

erfassen; ist,

Verwickelungen der socialen Verhältnisse

wie

eS

sittlichen Blick

zu beobachten und

zu

nicht die Massenhaftigkeit der Kenntnisse

was den Juristen macht,

sondern

das Festhalten an

dem Rein-Menschlichen und das Handeln nach dem nur hier­ durch zu bildenden juristischen Instinkt. Des Verfassers

Erfahrung

keine größere Thorheit giebt, klopädischer kommen:

Vielwisserei,

hat

als

bloß um

ein Streben, das,

ihn belehrt,

daß es

das Streben nach ency­ durch das Eramen zu

von einer falschen Schätzung

des Gedächtnisses ausgehend, nothwendig zu einem Radikal« fehler der Candidaten führt, der heißt Confusion. sie giebt

es

nur ein Radikalmittel:

die

Gegen

Sonderung

des

Stoffs von allen Bestandtheile», die nicht zu seiner Erklä­ rung durchaus nothwendig sind, sondern die Reflerion auf entlegene Gebiete

lenken.

Denn

das

Gedächtniß ist nur

dann eine unschätzbare Kraft, wenn sich damit das Analysations-Vermögen verbindet, so daß der erste wohlbefestigte,

begrenzte,

aus seiner Entwickelung anfgebaute Begriff eine

solide Staffel für jeden folgenden bildet, welcher neben ihm und durch ihn sich auszudehnen

Stande ist. aber über

und zu vervielfältigen im

Daher kann dem verhältnißmäßig unwissenden, das

wenige

Gewußte völlig klaren

Kopse ein

weit günstigeres Prognostikon gestellt werden, als deni zur Verwirrung geneigte»

Vielwisser, und gerechtfertigt ist das

Gefühl des Eraminators, hegt,

daß

welcher zu jenem das Vertrauen

er seine Lücken ausfüllen

und

bis

dahin mit

den wenigen, aber klaren Vorstellungen sich praktisch nütz­ lich machen werde,

während ihm dieser wegen der Anlage

zur Umkehrung aller Begriffe völlig unbrauchbar,

ja selbst

gefährlich erscheint. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, hat das

Buch

eine doppelte Bestimmung: einmal soll es demjenigen Candi­

daten, welcher feine akademische Zeit zum Besuch der Vor­ lesungen, zur Ausarbeitung von Heften und zum Studium

der Quellen nach Anleitung der Professoren auf dem Ca-

theder und in den Compendien wirklich verwendet hat,

die

VI Mittel bieten, vor dem Gramen eine gewissenhafte Prüfung des Zustandes seiner Kenntnisse, des

eine ernste Rekapitulation

Dann aber

Erlernten vorzunehmen.

hofft der Verfasser dem Bedürfnisse

kommen,

welche

jenen

und

vorzüglich

derjenigen entgegenzu­

bestimmungsmäßigen Gebrauch

der

Univcrsitätsjahre verabsäumt und Angesichts der Prüfungs­ stunde nicht mehr die Muße haben,

der Lehrbücher durchzuschlagen.

sich durch die Massen

Endlich mag auch mancher

junge Praktikant sich des Buches zur Auffrischung verwisch­ ter Remiscenszen bedienen.

Vor allem hat der Verfasser

nach Kürze

Präcision

und Klarheit gestrebt und, wenigstens absichtlich, nie den Grund­ satz aus dem Ange gelassen, daß für Lernende Alles neu ist, Alles also erklärt werden muß. Ohne Rücksicht auf das, was man im Schulsinne System zu nennen pflegt, wonach eine gewisse An­

zahl von Begriffen in einen gewissen Rahmen hineingezwängt werden muß, weil vor langen Jahren ein Gelehrter dieselben zu­ sammengebracht hat, ist jedes selbstständige Institut einer Dis­ ziplin in seiner historischen Entwickelung dargestellt und auf fei­

nen Zusammenhang

mit

dem nationalen oder

Bewußtsein basirt worden.

Man wird die Aufzählung der

unendlichen Consequenzen derselben einfachen, ben

natürlich

einer jeden

aufkeimenden

ihrer

Erscheinung

verschiedenen Formen,

aus dem Le­

bei

Gelegenheit

worin sich unsere

ausführlichen Compendien zu gefallen Pflegen, vermissen.

natürlichen

sehr häufig

Dagegen haben die Grundwahrheiten deS Rechts,

welche sich, in mannigfacher nationaler Färbung, bei jedem

VII wiederfinden,

Volke

und

Thätigkeit des Juristen

deren

eigentliche

Annalyse die

wohl überall einen- Platz ge­

ist,

funden. enthalten den

Die folgenden Bogen

schen Civilprozeß. mit

Der Grund, warum der Verfasser nicht

begonnen hat,

Pandektenrecht

dem

die beste Gelegenheit

zur Darlegung

weise geboten haben würde, dem

gemeinen deut­

römischen Recht

welches ihm

doch

seiner Behandlungs­

ist ein rein äußerlicher.

nicht angehörigen Materien

Die

sind es,

bei welchen der Mangel eines koneisen Handbuchs sich am

macht) der

meisten

fühlbar

meisten

Romanisten

nannten

deutschen

und diese

Rechtskandidat ist gleich den

gewohnt,

Rechte

diese

als

Materien,

Nebensachen

Vorstellung wird unangenehm

sich ihm bei dem Suchen nach Büchern

mina darbicten, wie im römischen Recht. „ deutschen Civilprozcß"

lung

des

römischen

eine ziemlich

Prozeßverfahrens

diese

soge­

zu betrachten

enttäuscht,

wenn

dieselben Volu­ Daß sich in dem

umfassende Darstel­ findet,

wird

durch

die Tendenz des Buchs nnd den Inhalt dieses Vorworts ge­ rechtfertigt.

Dagegen hat der Verfasser von dem ursprüng­

lichen Plan, auf die dogmatischen Abweichungen deS preußischen

Verfahrens betreffenden Orts aufmerksam zu machen, um des­

halb Abstand genommen, weil er eine Verbreitung seines Buchs über die preußischen Grenzen hofft und konseqenter Weise zu einer

gleichen Berücksichtigung der Wünsche nicht preußischer Candidaten gezwungen gewesen wäre.

Die Durchführung dieses

Prinzips würbe aber zu einem Repertorium der partikularrecht-

VIII lichen Prozeßnormen geführt haben, wozu er sich nicht be­ rufen fühlt. Das deutsche Privat- mit dem Lehnrecht, das Kirchen­

recht, das Criminalrecht mit dem Prozeß

nnd das Staats­

recht erscheinen im Laufe dieses Semesters.

Berlin, im April 1852.

Der Verfasser.

Deutscher gemeiner Civitprozetz. E i n l t i t u ng. Begriff und Quellen des gemeinen deutschen CivilprozeffeS. .8 1. Gegenstand des CivilprozeffeS und außergerichtliche Mittel, einen Rechtsstreit zu erledigen.

Den Gegenstand dieser Disziplin bilden Streitigkeiten über da-

Mein und Dein im Gegensatze des Kriminalprozesses, welcher eS mit dem Conflikt zwischen dem Individuum und der StaatSgesellschaft zu thun hat. Der Civilprozeß soll streitige Privatrechte feststellen, der Kriminalprozeß das von dem Jndividium an dem Staat begangene Unrecht wieder aufheben. DaS natürliche Mittel zur Beseitigung einer Streitigkeit ist die Selbsthülfe, welche, nach dem deutschen Rechte in der Form des Fehderechts, wenigstens den Freien, vollkommen erlaubt, erst durch den allgemeinen und ewigen Landfrieden MarimilianS I. 1495 abgeschafft wurde. Nach kanonischem und römischem Recht ist die Selbsthülfe unbedingt verboten. Eine Verfügung Marc Aurels — decretum diui Marei — bestrafte den Gläubiger, welcher seinen Schuldner ohne richterliche Hülfe zur Zahlung nöthigt, mit dem Verluste seines Rechts. 1 13. D IV, 2 und wurde durch Zeno auf den Besitzer fremder Sachen ausgedehnt. 1 10. C VIII, 4. 1 34. C VI, 65, von dem kanonischen und Reichsrechte aber ausdrücklich bestätigt Cap. 18 in 6t0 6, 34 KGO von 1521 XXXII, 2.

2 Unbedingt erlaubt ist dagegen das Vertheidigungsrecht, d. h. die Befugniß, Person und Eigenthum durch Vertheidigung und Angriff zu schützen, falls die Hülfe des Staats nicht ausreicht. 1. 3 D. I, 1, 1. 10 §. 16 D. XUI, 8. Ohne gerichtliche Einmischung wird ferner ein Rechtsstreit ge­ schlichtet durch rechtSgiltigen Verzicht, Verjährung, Vergleich und schiedsrichterliche Enscheidung.

8. 2. Gerichtliche Mittel. I.

Begriff deS Civilprozesses.

Das gerichtliche Mittel zur Beseitigung eines Streites um Privatrechte heißt Civilprozeß — proccssus iudiciarius, pr. civilis, ein Ausdruck, welcher von den Römern nie in diesem Sinne ge­ braucht wird, sondern durch das kanonische Recht und die Reichs­ gesetze eingeführt ist. Cap. 22 X 1,3, KGO von 1500, Tit. 17. Der Begriff des Civilprozesses ist aus der Vorstellung zu entwickeln, daß derjenige, welcher sich über die Privatrechtsverletzung beschwert, die Anwendung des Gesetzes, welches für eine ganze Kategorie von Fällen gegeben ist, auf einen konkreten Fall verlangt. Diese Operation setzt ein rechtsverständiges Organ des Gesetzes voraus, welches zu untersuchen hat, ob bie Prätension detz angeblich Ver­ letzten begründet ist. Daher ist Prozeß der Inbegriff von legalen Handlungen zur Anwendung deS Gesetzes auf einen bestimmten Fall.

II. Eintheilungen.

Der Prozeß ist VertragSprozeß — proccssus conventionalis — wenn er auf vertragsmäßigen, oder gesetzlicher Prozeß — pro­ ccssus legalis — wenn er auf gesetzlichen Normen beruht. Der letztere zerfällt in den ordentlichen und summarischen Prozeß — proccssus Ordinarius s solennis und proccssus summarius s minus solennis. §. 3.

Quellen des Civilprozesses.

I.

Römisches und kanonisches Recht.

Das Corpus iuris ciuilis enthält mit Ausnahme der auf die Gerichtsverfassung und das eigenthümliche römische Prozetzverfahren bezüglichen Stellen noch jetzt gültiges Prozeßrecht, noch wichtiger aber ist das Corpus Juris canonici.

3 II.

Reichsgesetze.

Eine für das ganze deutsche Reich bestimmte Civil-ProzeßOrdnung ist nie gegeben worden, vielmehr wurde durch die K. G. O. von 1555 II. 31. 8- 9. und andere ReichSgesetze nur bestimmt: daß bei den Ilntcrgcrichten in den deutschen Territorien so viel wie moglicl, die Normen dcö kammcrgerichtlichen Prozesses befolgt werden sollten; diese müssen also alS substdiaire Vorschriften für den gemeinen Prozeß angesehen werden. Die wichtigsten Reichsprozeßgcsetze sind: 1) die antiquirte Kammergerichts-Ordnung von 1471 von Frie­ drich III.; 2) die noch gültige Kammergerichts-Ordnung Marimilians I. von 1495; 3) die K. G. O. von 1548, erneuert 1555; 4) daS Concept der K. G. O. von 1603, welches 1613 dem Reichstage vorgelegt, aber nicht bestätigt wurde; 5) der Deputationsabschied von 1609; 6) der jüngste Reichsabschied von 1654; III.

Bundesbeschlüsse.

Auf den Civil-Prozeß bezügliche Bestimmungen enthalten: Art. 12. der Bundesactc vom 8. Juni 1815 und Art. 1., 18. k. der Wiener Schlußacte vom 15. März 1820.

Allgemeine? Theil. Gerichtsverfassung, allgemeine Bestandtheile und Grundsätze deVerfahrens in Civilsachen.

Erster Abschnitt. Römische Gerichtsverfassung.

A. Keltere bis Diokletian. 8. 4. Jurisdictio und Imperium. Im alten Rom gab eS keine Behörde, welche man mit unsern Gerichten vergleichen könnte, und die Rechtspflege bildete nicht den ausschließlichen Beruf eines bestimmten Magistrats. Die Jurisdic­ tion — officium jus dicentis — hatten anfangs die Könige, hierauf die Konsuln, dann die Prätoren — praetor urbanus et peregrinus — liebst den Aedilen und Prätoren für besondere Streitsachen, endlich der princeps mit seinen Beamten. Der Ma­ gistrat hatte nicht die Funktionen unsers Richters, sondern er bil­ dete daS Organ des Gesetzes, insofern, als er dem Prozeß die Gestalt gab, in welcher er einem der konkreten Fälle glich, welche dem Gesetzgeber bei der Fassung des GetzeS vorgeschwebt haben mochten, so daß der vom Magistrat ganz verschiedene Richter spä­ ter nur aussprach, waS das Gesetz haben wollte. Nach römischen Glauben verwaltete jeder Beamte sein Amt nach dem Willen der Götter. Diesen zu erkunden dienten die Auspizien, d. h. Offenbarungen des göttlichen Willens. Der Akt der Abhaltung der Auspizien hieß spectio, wozu alle Magistrate berechtigt und verpflichtet waren. In alten Zeiten wurde ein Augur zugezogen, welcher die Auspizien interpretirte und zwar gün­ stig — Nuntiatio — oder ungünstig Obnuntiatio Cic. de div. I. 2. II. 34. Magistrat und Augur waren sich gegenseitig so noth-

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wendig, daß einer ohne den andern nicht agiren konnte. War die nuntiatio erfolgt, so konnte der Magistrat sie weiter geben, d. h. beispielsweise, durch die Erklärung, er habe ungünstige Auspizien gehabt, den Akt eines andern Magistrats hindern. Cic. philipp II. 32. Die Auspizien zerfielen in maxima et minora und demgemäß die Magistrate in magistratus majores und minores. Jene waren die Konsuln, Prätoren und Censoren, sowie die außerordent­ lichen Magistrate, Diktatoren und JnterregeS, diese, die Aedilen, tribuni plebis, quaestores, tribuni militum etc. deren Handlun­ gen durch obnuntiatio der hohem Magistrate gehindert werden konnteri. Innerhalb einer jeden der beiden Kathegorien von Magistra­ ten war die Obnuntiation zulässig zwischen Kollegen: der Konsul konnte dem Konsul und dem Prätor, der Prätor dem Prätor und dem Konsul obnuntiiren, nicht aber der Prätor dem Censor. Auch Tribunen hatten untereinander dies Mittel. DaS Recht der höheren Auspizien verlieh die lex curiata, wo­ durch dem Magistrat seine Gewalt bestätigt wurde: justum Impe­ rium auspiciumque domi et militiae, so daß den magistratus minores daS Imperium nicht zustand. Im Imperium lag dajus decernendi verbunden mit den Zwangsmitteln, z. B. dictic multae, Auferlegung einer Geldbuße, pignus captum, Wegnahme einer Sache, Gefängniß und Leibesstrafen 1. 2. D. II. 1., ferner die Befugniß vor Gericht zu laden, in jus vocare durch einen lictor und eine causae cognitio vorzunehmen. Das Verhältniß der Juris dictio zum imperium geht auS den Arten deS letztem hervor: 1) imperium merum, dieß stand in keinem Zusammenhang mit der Jurisdiction und bezeichnete namentlich die Kriminalgerichtöbarkeit 1. 3. D. I. c.j 2) Imperium mixtum, welches von dem Magistrat zum Zweck der Jurisdiction benutzt wurde, imperium quod Juris dictioni cohaeret, 1.1. §. 1. D. I. 21., z. B. Auferlegung einer Kaution, missio in possessimem in integrum restitutio, Befugniß extra ordinem, d. h. mit Umgehung des Richters, zu untersuchen und zu entscheiden. Die eigentliche Jurisdiction nebst dem imperium mixtum konnte einem Andern aufgetragen werden. 1. 17. D. II. 1. Weder im imperium noch in der Jurisdiction begründet sind endlich die Funktionen, welche einem Magistrat durch ein besonde­ res Gesetz übertragen wurden, z. B. die Bestellung eines tutors 1. 1. pr. 1. D. I. 21.

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§. 5.

Judices. Die altrömischen Richter waren keine Magistrate, sondern Pri­ vatpersonen, welche den Prozeß in der Gestalt übernahmen, die ihm der Pätor gegeben hatte, ohne ihm darum irgendwie subordinirt zn sein. Die römischen judicia waren entweder ständige Gerichtshöfe pder ste wurden für einen bestimmten Prozeß eigends formirt. Jene waren von jeher kollegialisch zusammengesetzt, diese konnten aus einzelnen Richtern bestehen. Ständige Gerichtshöfe bildeten in der ältesten Zeit die pontifices, dann die decemviri litibus judicandis, daneben die ccntumviri. Von dem Centumviralgericht weiß man wenig. Wahr­ scheinlich gehörten vor dasselbe Prozesse über Eigenthum, und ins­ besondere Erbschaftsstreitigkeiten; es war in 4 Consilia (hastae, ju­ dicia) eingetheilt, und die Zahl seiner Mitglieder wird sehr ver­ schieden angegeben. PliniuS (VI. 33.) spricht von 180. Gai IV. 16. Cic. de orat. I. 38. Richter für einzelne Sachen kamen nament­ lich vor in Fällen, welche ein sachkundiges Urtheil, technische Kenntnisse, Einsicht in kommerzielle Verhältnisse und Rücksicht auf Billig­ beit erforderten. Sie hießen recuperatores, und waren ursprüng­ lich kompetent in Prozessen zwischen Römern und Peregrinen und zwischen letzteren. Die Judices wurden in der ältesten Zeit aus dem Senat ge­ nommen. Unter August mußte der Magistrat eine Liste anfertigen — album judicum selectorum —, aus welcher die Richter für den einzelnen Fall gewählt wurden. In den Munizipien war das album docurionum zugleich das album judicum. In den Pro­ vinzen war die Verfassung verschieden, gewöhnlich wählte der Pro­ vinzialpräfekt die Richter aus dem conventus civium romanorum. Was die Bezeichnung der Person des Richters für den ein­ zelnen Prozeß betrifft, so galt dabei vor August ein verschiedenes Verfahren: . 1) der Kläger schlug einen Richter vor, judicem ferre, der Geg­ ner konnte den vorgeschlagenen ohne Gründe verwerfen mit den Worten: eiero, iniquus mihi est. Cic. de orat. II. 70. Geschah keine eieratio, so bestellte der Magistrat diesen Richter sumere judicem; 2) der Prätor proponirte eine Anzahl von Richtern und jede Par­ tei konnte eine gewisse Zahl verwerfen, reiicere. Der Prätor konstituirte das Gericht aus den nicht Verworfenen. Cic. Verr. III. 11. 13. 60. Unter August blieb nur daS Recht der Parteien', die Richter

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zu rrkufiren, so daß der Magistrat immer eine Wahl aus den judices selecti treffen mußte. Gegen Diokletian hin trat eine Konfusion der Begriff« von Magistrat und Richter ein, letztere hießen häufig pedanei 1. 3. §. 1. D. II. 7. d. h. Richter, welche keine Magistrate waren.

B. Neuere seit Diokletian. 8- 6.

Ein uns nur im Auszuge bekanntes Gesetz diese- Kaisers 1.2, C. III. 3. hebt jede Trennung der Funktionen des Magistrats von der richterlichen (ordn judiciorum privatorum) auf, und bestimmte als allgemeine Regel das Verfahren extra ordinem §. 8. J. IV. 15. Die praesides sollten die untersuchenden und entscheidenden Behörden und nur bei überhäuften Geschäften befugt sein, sich der indices pedanei zu bedienen, was unter Julian aus alle gering­ fügige Sachen ausgedehnt wurde. 1. 5. C. 1. c. Constantin theilte das Reich in 4 Präfekturen mit einem praefectus praetorio, welcher an der Spitze der Verwaltung stand: Oriens und lllyricum für den Orient, Galliae und Italia für den Occident. Nach der Aufhebung des weströmischen Reichs trat zu den beiden noch bestehenden für den Orient die dritte Präfektur Asriea. Jede Präfektur zerfiel in viele Provinzen mit reefores provinciae, welche unter verschiedenen Titeln: proconsules, prae­ sides, consulares, correctores, ordentliche Jurisdiktion hatten. Die Präfekturen enthielten Diözesen, für bereit jede ein vicarius angcsetzt wurde, welcher den Präfekten in Abwesenheitsfällen vertrat. Von nun an wird der Name magistratus ausschließlich von den selbstgewählten Beamten in den italischen und einigen ander« Städten gebraucht, welche eine beschränke Jurisdiktion hatten. Wr die nicht mit eigenen Magistraten versehenen Siädte wurden defensores civitatis eingeführt.

Zweiter Abschnitt. Nettere geistliche und deutsche Gerichts« Verfassung. A.

§. 7. Bis zur Errichtung des Reichskammergerichts.

Christliche Parteien pflegten schon in den ersten Zeiten d«S Christenthums durch Compromiß ihren Bischof zum Schiedsrichter

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zu rrkufiren, so daß der Magistrat immer eine Wahl aus den judices selecti treffen mußte. Gegen Diokletian hin trat eine Konfusion der Begriff« von Magistrat und Richter ein, letztere hießen häufig pedanei 1. 3. §. 1. D. II. 7. d. h. Richter, welche keine Magistrate waren.

B. Neuere seit Diokletian. 8- 6.

Ein uns nur im Auszuge bekanntes Gesetz diese- Kaisers 1.2, C. III. 3. hebt jede Trennung der Funktionen des Magistrats von der richterlichen (ordn judiciorum privatorum) auf, und bestimmte als allgemeine Regel das Verfahren extra ordinem §. 8. J. IV. 15. Die praesides sollten die untersuchenden und entscheidenden Behörden und nur bei überhäuften Geschäften befugt sein, sich der indices pedanei zu bedienen, was unter Julian aus alle gering­ fügige Sachen ausgedehnt wurde. 1. 5. C. 1. c. Constantin theilte das Reich in 4 Präfekturen mit einem praefectus praetorio, welcher an der Spitze der Verwaltung stand: Oriens und lllyricum für den Orient, Galliae und Italia für den Occident. Nach der Aufhebung des weströmischen Reichs trat zu den beiden noch bestehenden für den Orient die dritte Präfektur Asriea. Jede Präfektur zerfiel in viele Provinzen mit reefores provinciae, welche unter verschiedenen Titeln: proconsules, prae­ sides, consulares, correctores, ordentliche Jurisdiktion hatten. Die Präfekturen enthielten Diözesen, für bereit jede ein vicarius angcsetzt wurde, welcher den Präfekten in Abwesenheitsfällen vertrat. Von nun an wird der Name magistratus ausschließlich von den selbstgewählten Beamten in den italischen und einigen ander« Städten gebraucht, welche eine beschränke Jurisdiktion hatten. Wr die nicht mit eigenen Magistraten versehenen Siädte wurden defensores civitatis eingeführt.

Zweiter Abschnitt. Nettere geistliche und deutsche Gerichts« Verfassung. A.

§. 7. Bis zur Errichtung des Reichskammergerichts.

Christliche Parteien pflegten schon in den ersten Zeiten d«S Christenthums durch Compromiß ihren Bischof zum Schiedsrichter

8 zu wählen. Ein Gesetz Konstantins, welches jeder Partei gestattete, den Gegner auch wider dessen Willen vor den Bischof zu ziehen, wurde später wieder aufgehoben; Justinian bestimmte aber in der Nov. 79. Cap. 1. Nov 83. und 123. Cap. 21., daß der Bi­ schof kompetent sein sollte, so oft der Beklagte ein Geistlicher sei. HeracliuS ertheilte 632 der Geistlichkeit daS Recht ihre Sentenzen zu vollstrecken. Diese durch Karl m. und Friedrich II. bestätigten Prä­ rogativen wurden im Laufe der Zeit immer mehr ausgedehnt, so daß die Bischöfe sogar in allen auf die Religion irgend wie bezüg­ lichen Sachen kompetent zu sein behaupteten. Cap. 3. und 10. X. de iud. II. 1. Bei den Deutschen gab es in ältester Zeit zwei Arten von Richtern: das ganze Volk und Beamte, welche von jenen gewählt waren, magistratus, principes. Caesar de bello galt 22. 23. Nach der Völkerwauderung präsidirten die fränkischen Könige alö oberste Richter, sowohl in den Volksversammlungen als in den Hofgerichten, unter ihnen stand der Gaugraf, Gravio, Gomes, unter diesem Vikarien, Centenarien und der Sendbote, missus dominicus. In den ungebotenen Dingen fand daS gesammte Volk, in den gebotenen ein Ausschuß derselben, die Schöffen, daö Urtheil, welche durch Karl ein dauerndes Amt, Schöffenamt, erhielten. §. 8.

B.

Seit Errichtung des ReichökammcrgerichtS und deS ReichöhofrathS.

Nach dem Muster des Reichskammergerichtes, welches 1495 gleichzeitig mit einer Gerichts-Ordnung zu Stande kam, und wel­ chem 1501 der Reichshofrath, ein zunächst nur für die österreichi­ schen Erbländer bestimmter, durch den westphälischen Frieden aber alS Reichsjustizkollegium anerkannter Gerichtshof folgte, wurden mit der Zeit die Obergerichte der ReichSstände eingerichtet. Die genannten beiden Gerichtshöfe hatten in allen Streitig­ keiten der Reichsstände konkurrirende Gerichtsbarkeit, sie bildeten die Oberaufsichtsbehörde über das ganze deutsche Justizwesen und waren, in Bezug auf diejenigen Länder, welche keine Befreiung (privilegium de non appellando) erlangt hatten, die höchsten Appellationögerichte. Außerdem bestanden in Franken un Schwa­ ben mehrere kaiserliche Laud- und Hofgerichte. Mit dem deutschen Reichöverbande wurden 1806 alle kaiser­ liche Reichsgerichte aufgelöst. Nach der Bundesverfassung soll jeder Bundeöstaat wenigstens ein Gericht dritter Instanz haben. Erreicht die Bevölkemng eines BundeSstaatö nicht die Zahl von 300,000, so muß er stch mit einem andem zur Bildung eines gemeinschaft-

9 lichen obersten Gerichtshofs vereinigen. Die vier freien Städte sind berechtigt, über ein gemeinschaftliches oberstes Gericht übereinzukommen. Deutsche Bundes-Acte 12.

Dritter Abschnitt. Heutige deutsche Gerichtsverfassung.

A. Gerichtsbarkeit. §. 9. Begriff und Eintheilungen.

Unter Gerichtsbarkeit ist der ganze Umfang der Funktionen unseres Richters zu verstehen. Diese Funktionen werden entweder von dem übereinstimmenden oder von dem streitenden Willen der Parteien in Anspruch genommen, woher die Eintheilung in jurisdictio voluntaria und contentiosa rühri. Nach den Gründen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit unterscheidet man: A. Jurisdictio propria, welche von der Staatsgewalt selbst als öffentliches Amt verliehen ist. Sie ist I. jurisdictio officialis s. administratoria, wenn sie Jeman­ den als öffentliches Amt zusteht, diese ist wieder: 1) jurisdictio ordinaria, wenn sie dem Berechtigten in allen in seinem Sprengel vorkommenden und nicht aus­ drücklich ausgenommenen Sachen zusteht —jurisdictio generalis s. universalis, oder wenn sie auf eine Gat­ tung von Sachen z. B. Handels-, Lehnssachen k., von Personen, wie die Kriegs- und Univerfitätögerichte, oder auf bestimmte Oerter, z. B. Zaun- und Pfahlgerichte, eingeschränkt ist — jurisdictio particularis s. exemta; 2) jurisdictio delegata, wenn sie Jemanden von dem Regenten für einzelne Fälle oder über gewisse Personen oder Sachen überwiesen ist; II. jurisdictio realis und patrimonialis, wenn sie von dem Staat als erbliches Recht einer gewissen Familie oder eines gewissen Guts verliehen ist. B. Jurisdictio mandata, welche im Auftrage einer mit eigener Gerichtsbarkeit versehenen Person auSgeübt wird.

9 lichen obersten Gerichtshofs vereinigen. Die vier freien Städte sind berechtigt, über ein gemeinschaftliches oberstes Gericht übereinzukommen. Deutsche Bundes-Acte 12.

Dritter Abschnitt. Heutige deutsche Gerichtsverfassung.

A. Gerichtsbarkeit. §. 9. Begriff und Eintheilungen.

Unter Gerichtsbarkeit ist der ganze Umfang der Funktionen unseres Richters zu verstehen. Diese Funktionen werden entweder von dem übereinstimmenden oder von dem streitenden Willen der Parteien in Anspruch genommen, woher die Eintheilung in jurisdictio voluntaria und contentiosa rühri. Nach den Gründen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit unterscheidet man: A. Jurisdictio propria, welche von der Staatsgewalt selbst als öffentliches Amt verliehen ist. Sie ist I. jurisdictio officialis s. administratoria, wenn sie Jeman­ den als öffentliches Amt zusteht, diese ist wieder: 1) jurisdictio ordinaria, wenn sie dem Berechtigten in allen in seinem Sprengel vorkommenden und nicht aus­ drücklich ausgenommenen Sachen zusteht —jurisdictio generalis s. universalis, oder wenn sie auf eine Gat­ tung von Sachen z. B. Handels-, Lehnssachen k., von Personen, wie die Kriegs- und Univerfitätögerichte, oder auf bestimmte Oerter, z. B. Zaun- und Pfahlgerichte, eingeschränkt ist — jurisdictio particularis s. exemta; 2) jurisdictio delegata, wenn sie Jemanden von dem Regenten für einzelne Fälle oder über gewisse Personen oder Sachen überwiesen ist; II. jurisdictio realis und patrimonialis, wenn sie von dem Staat als erbliches Recht einer gewissen Familie oder eines gewissen Guts verliehen ist. B. Jurisdictio mandata, welche im Auftrage einer mit eigener Gerichtsbarkeit versehenen Person auSgeübt wird.

10 8. 10. Delegirte, mandirte, Patrimonial-Gerichtsbarkeit.

Delegiren kann nur der Regent oder auf eine gewisse Zeit ein Obergericht. Der Delegirte, delegatus, commissarius, vicarius, erhält zu seiner Legitimation ein Auftragsschreiben, commissoriale, mit genauer Bestimmung der Grenzen seines Auftrags, und er gilt nicht als MandatariuS des Kommittenten, sondern übt seine Funk­ tionen von Amtswegen auS. Tit. X. de officio et potestate iud. del. 1. I. 29. Das mandare jurisdietionem, waS nach älterem römischen Recht 1. 5. D. I. 21. dem Magistrat in Bezug auf die eigentliche Jurisdiction willkürlich sreistand, kann nach kanonischem Recht auch der Delegirte. Cap. 3. 18. Cap. 28. X. 1. c. Der MandatariuS ist Stellvertreter des Mandanten und hat daher keine eigene Gerichtsbarkeit. Als eine Art mandirter richter­ licher Befugnih ist die Actenversendung an eine Juristenfakultät oder einen Schöffcnstuhl anzuschen, welcher auf Ersuchen eines Gerichts in dessen Namen ein Urtheil fällt. Die Actenversendung kommt gemeinrechtlich nur vor, wenn die Parteien es verlangen, bei der Revision und von den gemeinschaftlichen Ober-AppellationSgerichten (§. 8.). D. A. v. 1600. §. 16. I. R. A. §. 113. Die Patrimonialgerichtsbarkeit ist ein gewöhnlich dingliches Privilegium gewisser Personen, namentlich der StaudeSherrn und Gutsbesitzer; nach modernen Grundsätzen kann sie nur im Namen des Staats von qualifizirten Beamten auögeübt werden, entweder von dem Gutsherrn oder durch einen vom Staat zu bestätigenden Gerichtshalter, Justitiarius, welcher dadurch Amtsgerichtsbarkeit erhält.

B. VerichtsorganWiou. 8. 11. I.

Kompetenz und Jnstanzenzug.

So wie Jurisdiction, Gerichtsbarkeit, objectiv den ganzen In­ begriff der richterlichen Befugnisse bezeichnet, so ist Kompetenz die Beziehung dieser Befugnisse auf einen bestimmten Fall und unter dem kompetenten Gericht dasjenige zu verstehen, welches denselben zu entscheiden befugt und verpflichtet ist. DaS Gericht kann von einer einzelnen Person oder von einer Mehrheit von Personen gebildet werden; im letzteren Falle heißt eS Collegium und besteht aus einem Präsidenten oder Direktor und

11 Rächen oder Beisitzern, welche nach den Regeln von moralischen Personen behandelt werden müssen. Unter Jnstanzenzug ist dasjenige subordinirte Verhältniß eines Gerichts zu einem andern zu verstehen, welches die Urtheile deS untergeordneten Gerichts einer wiederholten Prüfung deö hohem unterwirft, und Instanz heißt ein bestimmtes Gericht in Bezug auf dies Verhältniß. §. 12.

II. Gerichtspersonal. 1) Hauptpersonen. Dies sind der Richter und der Gerichtsschreiber. Die Fähig­ keit — habilitas — des Richters wird bedingt durch folgende Eigenschaften: 1) gehörige Rechtökenntnisse, 2) ein gewisses Älter,

3) 4) 5) 6) 7)

männliches Geschlecht, körperliche und geistige Gesundheit, Vollgenuß der bürgerlichen Reche, christliche Konfession, Mangel des aus naher Verwandtschaft mit den Parteien, eigener Berechtigung zu dem Streitobjecte und ähnlichen Umständen hcrvorgehenden Interesses an dem Prozesse. Verdächtig heißt der Richter, zu welchem die Partei au- irgend einem Grunde kein Vertrauen hat. Werden die hierfür vorge­ brachten Motive von dem höhern Richter gegründet befunden, so darf der rckustrte Richter für diesen Fall nicht fungiren. Sonst bedarf eS eines EidcS deS Rekufanten juramentum perhorresccntiae. Gcrichtsfchreiber, Aktuarius, heißt der Beamte, dessen Haupt­ funktion die schriftliche Aufzeichnung aller gerichtlichen Akte bildet. Seine Zuziehung ist zur Beweiskraft dieser Akte absolut erforderlich, und ein von ihm unter dem Diktate deS Richters aufgenommenes Protokoll gilt als öffentliche Urkunde. 2) Nebenpersonen.

a)

Notarien (Pronotarien), Registratoren, Jngrossisten, Canzellisten, Copisten haben das Ämt der Entwerfung und Ausfertigung

der gerichtlichen Befehle, der Aufbewahrung der Akten und der Besorgung der Reinschriften. b) Horcher, Auskultanten, Äuditoren find angehende Praktiker, die

zu ihrer Ausbildung einem Gerichte beigegeben werden.

12 c) Pedelle, Gericht-diener, Gericht-boten besorgen den Verkehr zwischen Gericht und Parteien durch Ueberbringung der gericht­ lichen Befehle, Vollstrecknng der Beschlüsse u. s. w.

C. Forum. §. 13. Begriff und Arten.

Fomm oder Gerichtsstand heißt ein Gericht in Bezug auf seine Competenz für einen bestimmten Rechtsstreit, Gerichtsbezirk oder Gerichtszwang der geographische Raum, über welchen ein Gericht seine Thätigkeit anSüben darf. 1) Reben dem vom Gesetz den Staatsbürgern angewiesenen, daher gesetzlichen Gerichtsstand, fomm legale, steht der von den Parteien konventionell bestimmte — forum conventionale s. prorogatum. 2) Der gesetzliche ist ein ordentlicher, wenn daS Gericht erster Instanz angegangen werden muß, ein außerordentlicher, wenn ausnahmsweise der Unterrichter umgangen werden darf. 3) Forum generale bezeichnet den Gerichtsstand, vor welchen regelrecht alle in dem Gerichtssprengel vorfallenden Streitig­ keiten gehören, im Gegensatz deS forum speciale, für einzelne ausgenommene Streitfälle. 4) Forum commune ist der Gerichtsstand für alle nicht beson­ ders ausgenommenen Personen oder Sachen des Bezirk-, ihm gegenüber steht das forum privilegiatum ratione personarum oder causarum.

§. 14. Gesetzliche Gerichtsstände.

1. Der ordentliche gemeine Gerichtsstand ist da- Gericht, in dessen Sprengel man wohnt — forum domicilii. Da- Domizil ist entweder necessarium, wenn der Wohnsitz durch da- Gesetz angewiesen ist, wie bei dem Staat-diener und dem Sträfling, oder voluntarium, bei jedem, der sich irgendwo niederläßt, um dort zu wohnen. In diesem allgemeinen Gerichtsstände können der Regel nach alle persönlichen und dinglichen Klagen angebracht werden. Die Römer hatten noch eiuen andern gemeinen Gerichtsstand, forum originis, nach der Vorstellung, daß Rom communis patria sei, so daß jeder Bürger während seiner Anwesenheit in Rom,

13

später auch in Konstantinopel, dort belangt werden konnte. Kinder folgten dem forum, wo der Vater, resp, (bei unehlichen) die Mutter zur Zeit der Geburt Bürgerrecht hatten. Nach deutschem Rechte haben Vagabunden, d. h. Menschen ohne bestimmten Wohnfitz, ihr forum bei dem Gerichte, wo sie sich finden lassen, sowie da, wo ihr Vater, resp, ihre Mutter, zur Geburtszeit gewohnt hat. 2.

Besondere Gerichtsstände sind: a) forum rei sitae, d. h. daS Gericht, in dessen Sprengel sich das Streitobjekt befindet und wo deshalb alle ding­ lichen Klagen und Actiones in rem scriptae ange­ bracht werden können; b) forum contractus s. contractae obligationis, oder das Gericht, in dessen Bezirk ein Contrakt zur Perfektion gekommen ist, oder wo die Erfüllung eines anderwärts geschlossenen Vertrags nach dem Uebereinkommen der Contrahenten geleistet werden soll. Ob hier auch auf Aufhebung des Vertrags geklagt werden könne, ist kontrovers; c) forum gestae administrationis, d. h. das Gericht, in dessen Bezirk öffentliche oder Privatgeschäfte geführt worden sind; d) forum delicti commissi, d. h. vor dem Gericht, in dessen Bezirk eine verbrecherische oder verbrechenähnliche Handlung — quasi delictum — begangen worden ist, kann auf Entschädigung geklagt werden; e) forum continentiae causarum. Wegen deS innern Zusammenhanges mehrerer Sachen kann rin Gericht in sämmtlichen zusammenhängenden Sachen kompetent werden, obgleich diese Competenz für eine oder die andere Sache fehlt. Tit. D. de quibus rebus ad eundem iudicem eatur XI, 2. Beispiele bieten das possessorium und petitorium, die Prozesse über die Rückgabe der dos und der Ehescheidungöprozeß, das Criminalverfahren über das Ver­ brechen und der daraus hergeleitete Civilanspruch. Die Praris hat sogar den allgemeinen Grundsatz ausgebildet, daß der Richter für die Hauptsache auch über die damit verbundenen Nebensachen (for. contin. ex connexitate) erkennen soll; f) forum reconventionis, der Richter, vor welchem eine Klage angebracht ist, wird dadurch auch für die Wider­ klage — reconventio — des Beklagten gegen diesen Kläger zuständig.

14 Das forum arresti, wonach der Richter um deshalb, weil er die Beschlagnahme eines Bermögcnöstückes deS Schuldners aus­ gesprochen (Arrest angelegt) hat, auch in der Hauptsache über die Forderung kompetent sein soll, eristirt nicht nach gemeinem Recht. RA. v. 1570 8- 84, v. 1594 §. 81.

8. 15. Befreite GerichtSstände.

Diese entstehen dadurch, daß gewisse Personen oder Gattungen von Prozessen eigenen, ost höheren Gerichten überwiesen, und da­ durch von den Untergerichten befreit sind. 1) Forum privilegiatum ratione personarum. Dies haben in den deutschen Bundesstaaten die Gesandten, welche für ihre Person und ihr Vermögen die Gerichtsbarkeit des Staates, worin sie accreditirt sind, nicht anerkennen; ferner die Mitglieder der regierenden deutschen Häuser und die Mediatisirten, endlich die Staatsbeamten, Geistlichen, Soldaten, Gutsbesitzer u. A. 2) Forum priv. ratione causarum. Dieö haben geistliche Sachen, wohin nach kanonischem Recht sowohl rein geistliche conclusio causae I 9 C HI, 1.

8. 75.

Andere Mittel zur Feststellung des hältnisses.

richtigen Sachver­

Der Richter ist in jeder Lage deS Prozesses berechtigt, die Par­ teien zu mündlichen oder schriftlichen Erklärungen aufzufordern. Die Parteien dürfen sich gegenseitig artikelweise hingestellte schriftliche Fragen — Positionen — vorlegen. Der Fragesteller — Ponent — sowie der Gegner — Ponat — müssen dabei den Gefährdeeid — juramentum dandorum et respondondorum — leisten, und die Fragen müssen beantwortet wer­ den, widrigenfalls die betreffenden Thatsachen für zugestanden gelten. Gewähren diese Mittel kein genügendes Resultat oder ruft erst die Duplik neue Erörterungen hervor, so kann der Richter den Aktenschluß hinausschieben oder aufheben und weitere Verhandlungen durch Duplikationen, Triplikationen re. gestatten.

8. 76.

Erstes Urtheil. Am Schlüsse deS ersten Verfahrens wird Alles, was jetzt schon zur Entscheidung reif ist, durch ein Dezisivdekret (8. 34.) entschieden. Dies kann durch ein definitives oder ein interlvquirendeS oder ge­ mischtes Urtheil geschehen. DaS Urtheil beginnt mit den dilatorischen Einreden; entweder der Kläger wird abgewiesen oder dem Beklagten eine beffere Be­ scheinigung aufgegeben In Betreff der prozeßhindernden Einreden ist jit unterscheiden ob dieselben begründet und liquide sind oder nicht. Im ersten Falle wird der Beklagte, falls der Kläger sie nicht durch liquide Repliken beseitigt hat, von der Klage entbunden; sind die Repliken illiquide,

56 so muss erst darüber Beweis angeordnet werden. Im letzteren Falle erfolgt Verwerfung der Einrede und Verurtheilung deS Beklagten zur Einlassung. Ein Erkenntniß in der Hauptsache wird jetzt schon gesprochen, wenn nicht der Beklagte wegen hindernder Einreden entbunden ist. DieS Erkenntniß ist entweder entscheidend, wenn alle erheblichen Thatsachen bewiesen find, oder tnterloquirend, wenn die- nicht der Fall ist. Der Form nach entspricht das erste Erkenntniss einem jeden Dekret (§. 35). Auf da- rubrum folgen die verba decisiva, dis» positiva oder formula pronunciandi in solcher Ordnung, dass zu­ nächst die Bestimmungen wegen der dilatorischen Einreden, darauf die über die Haupt- (Vor-) Klage, dann die über die Widerklage getroffen werden. tz. 77.

Abweichungen von dem regelmässigen Gang Verfahrens. I.

deS ersten

Wegen Ungehorsams einer Partei.

1. Ist bei peremtorischen Fristen ($. 36.) vor der Einlastung der Kläger ungehorsam, so kann der Beklagte um Freisprechung von der Instanz oder, wenn eine Einlastung erfolgt war, um endliche Lossprechung von der Klage bitten. Ist der Beklagte ungehorsam, so wird auf den Antrag deS Kläger- eine negative -iti-kontestation fingirt. KGO von 1555 UI 43 IRA 8. 36. und der Beklagt« mit den nicht angebrachten Einreden präkludirt. 2. Diese für den Ungehorsam deS Beklagten geltenden Grund­ sätze kommen gegen beide Theile zur Anwendung, wenn eine Ein­ lastung erfolgt war. II.

Wegen deS Todes einer Partei.

Der Tod einer Partei im Laufe deS ProzeffeS hat die Wirkung, daß deren Rechtsnachfolger, wenn er Singularsucceffor ist, sich er­ klären muß, ob er den Prozeß fortsetzen wolle; ist er Üniversal-

succeffor, so bedarf eS dieser Erklärung nur im Falle die vorhandene Vollmacht deö Verstorbenen nicht die clausula heredum enthält. Erklärt sich der Nachfolger für die Fortsetzung, so heißt die-: Reaffumption deS ProzeffeS; erklärt er sich gar nicht, so muß der Gegner um eine citatio ad reassumendum bitten, bleibt diese er­ folglos, so wird die bejahmde Erklärung fingirt. DA von 1600 8. 73. RA von 1566 8. 88.

Zweites

Kapitel.

Beweisverfahren. §. 78. A.

Einleitung, Begriff und Eintheilungen.

Das Beweisverfahren als selbstständiger Abschnitt de- Prozesses kommt vor, so oft die im ersten Verfahren vorgebrachten Thatsachen nicht so weit juristisch gewiß sind, daß ein Endurtheil erfolgen könnte. Die Reichsgesetze gestatten einen freiwilligen Antritt deS Be­ weises schon im ersten Verfahren — probatio anticipata — wo­ durch die Partei, welche von dieser Erlaubniß Gebrauch macht, keinerlei Verpflichtung übernimmt IRA 8- 35. Beweis heißt die Handlung einer Partei, wodurch der Richter von der Wahrheit eines streitigen Umstandes juristisch überzeugt werden soll und daS Resultat dieser Handlung selbst. Beweismittel sind Urkunden, Zeugen, richterlicher Augenschein, Sachverständige und Eid. Der Beweis ist: 1) entweder Beweis oder Gegenbeweis, je nachdem er zur Be­ gründung einer Behauptung oder zur Entkräftung bewiesener Umstände geführt wird; 2) entweder ein natürlicher oder ein künstlicher Beweis, je nachdem die richterliche Ueberzeugung als unmittelbares Resultat der Beweishandlung oder durch Schlüsse aus derselben gewonnen werden soll; 3) feierlicher Beweis oder bloße Bescheinigung; 4) vollständiger oder unvollständiger, jenachdem der Richter voll­ ständig überzeugt wird oder nicht. 8. 79. Beweisinterlokut.

Beweisinterlokut heißt das am Schlüsse des ersten Verfahrens abgefaßte Erkenntniß, wodurch die Parteien zu BeweiShandlungen aufgefordert werden. In demselben müssen wesentlich folgende Punkte festgesetzt sein: 1) Der Beweissatz — thema probandum — d. h. Bestimmung derjenigen streitigen und thatsächlichen Behauptungen, deren juristische Gewißheit zur Abfassung einer definitiven Sentenz nothwendig ist.

60

2) Die Beweislast — onus probandi — d. h. Bezeichnung der Person desjenigen, welcher den Beweis zu führen hat. Nach der Regel: semper necessitas probandi incumbit illi, qui agit trifft die Beweislast immer denjenigen, der eine selbstständige Behauptung aufstellt, sei eS der Kläger oder der Beklagte. 1 19 pr 2. 1 21 D XXII 3. 3) Beweisfrist — dilatio probatoria ■— d. h. Bestimmung des Zeitraums, innerhalb dessen die beweispftichtige Partei alle Beweismittel, die sie in diesem Prozeß benutzen kann und will, dem Gerichte vorlegen solle. Diese Frist wird meist als peremtorische vorgeschrieben und läuft mit dem letzten Tage ab. Ihr Lauf kann unterbrochen werden: a) durch Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Beweis­ führung, b) durch die im Beweisinterlokut der Partei auferlegte Pflicht, gewissen Auflagen nachzukommen, welche noth­ wendig zuvor erledigt werden müssen. §. 80.

Wirkungen des Beweisurtheils. Wenn der Beweispflichtige nicht während der peremtorifchen Beweisfrist, vorausgesetzt, daß das Urthell rechtskräftig ist, den Be­ weis Antritt, so wird er auf den Anttag deS Gegner- durch ein Pväklusivdekret mit der Beweisführung ausgeschlossen. Ein Nach­ bringen der Beweismittel ist nur dann zulässig, wenn er sie gehörig vorgeschlagen hat und die Benutzung derselben ohne sein Verschulden unmöglich wird. Wo keine peremtorische Frist festgesetzt ist, welche im gemeinen Recht fehlt, kann der Beweis wiederholt angetztttm und bis zum Aktenschluß verändert werden. 8- 81. Beweis zum ewigen Gedächtniß. Weist eine Partei nach, daß ihr die Gefahr droht, einen Zeugen oder Sachverständigen, durch welchen sie Beweis führen will, zu

verlieren, so ist ihr gestattet, um die Vernehmung desselben schon vor dem Schluß deS ersten Verfahrens, sogar vor Einleitung deS Prozesse- zu bitten. Dies ist die probatio in perpetuam rei mernoriam. Der demnächst aufgenommene Beweis verliert aber seine Kraft, wenn der Kläger, welcher ihn bewirkt hat, nicht binnen einem Jahr von der Zeit an, wo er klagen konnte, die Klage wirklich anstellt.

61

8- 82. Die Perioden deS Beweisverfahrens. Man kann bei jedem förmlichen Beweisverfahren vier Perioden unterscheiden: 1) die Beweisantretung. Das heißt diejenige Thätigkeit deS Be­ weispflichtigen, wodurch er dem Richter seine Beweismittel speziell und vollständig angiebt. Findet der Richter diese Beweismittel zulässig, so wird dem Gegner die Beweisantretung mitgetheilt; 2) daö Produktionsverfahren im weiteren Sinne, dessen Zweck ist, dem Beweisführer — Produzenten — und seinem Gegner — Produkten — Gelegenheit zur Verständigung über die Beweis­ mittel zu bieten. Sind die Einreden gegen die produzirten Beweismittel liquide, so kann ein Urtheil — Produktionser­ kenntniß — nothwendig sein, während bei illiquiden Einreden dem Produkten seine Rechte Vorbehalten werden; 4) das Produktionsverfahren im engeren Sinne, zum Zweck der wirklichen Anwendung der zulässigen Beweismittel. In dem hierzu angesetzten Termine — Produktions- und ReproduktionsTermin — werden die zur Beweisführung dienlichen Hand­ lungen veranlaßt; 4) das Hauptverfahren. Nach dem Schluffe des Produktions­ verfahrens wird dm Parteien eine peremtorische Frist gestellt, um über die noch schwebenden Beweis-Einreden und den Werth des geführter» Beweises zu verhandeln. Der Produkt beginnt mit der Jmpugnationlsschrift, worin der Beweis angefochten wird, um fühle Bebeiiltung zu schwächen. Der Produzent er­ widert mit der Deduktions- oder Salvationsschrift, worin der geführte Beweis in das Vortheilhafteste Licht gestellt wird. Hierauf folgt das Erkenntniß, auf welches beide Theile am Schluffe der gedachter! Schriftsätze snbmittiren.

B.

Die einzelnen Beweismittel. 8. 83.

I.

Beweismittel ohne Beweisführung.

Reben denjenigen Mitteln, den Richter von einem relevaten Umstande zu überzeugen, welche eine darauf gerichtete Thätigkeit der Parteien voraussetzen und Beweismittel im engeren Sinne genannt

62

werden können, giebt eS auch solche, welche den Richter ohne diese Thätigkeit überzeugen können, nämlich Notorietät, Recht-vermuthungen und Geständnis. 1) Notorisch heißen Thatsachen, welche für den Richter juristisch gewiß sind ohne daß diese Gewißheit durch eine Beweisführung der Partei herbetgeführt wäre. Man unterscheidet Menschenkundigkeit, BolkSkundigkeit und GerichtSkundigkeit. I 213 K. 2 1 223 pr D L, 16 1 9 S 2 D XXII, 6. 2) Rechtsvermuthungen — praesumptiones — sind Schlüsse aus einem aktenmäßig gewissen Umstand auf die juristische Gewiß­ heit eines andern als Folge oder Wirkung des ersteren. 1 9 8 ult D XXXIV, 5 12V XXn, 3. 3) Geständniß — confessio — ist daS Zugeben oder Anführen eines dem Erklärenden nachtheiligen Umstandes tit. D de confecais XLII, 2. Dasselbe ist: a) ein gerichtliches, wenn es in einem bestimmten Prozesse vor dem kompetenten Gericht abgegeben wird. Es setzt voraus, daß der Erklärende freie DispositionSbefugniß hat, daß eS von ihm selbst oder von einem speziell Be­ vollmächtigten und dem Gegner gegenüber ausdrücklich abgelegt wird. In der Regel ist ein Gegenbeweis gegen daS Gestandene nicht zulässig, sondern eS gilt als juri­ stische Gewißheit. Eine besondere Gattung find die be­ schränkten Geständnisse — Confessiones qualificatae — welche hinsichtlich dessen, waS gestanden wird, den unbeschränkten völlig gleich stehen. 1 26 8 2 D XVII, 3. b) rin außergerichtliches, wenn die Eigenschaften ad a nicht vorhanden sind. Die Beweiskraft eines solchen Geständ­ nisses richtet sich nach den Umständen, namentlich da­ nach, ob die Absicht, gestehen zu wollen, bewiesen ist. Hier findet ein Gegenbeweis statt. 125 § 4 D XXII, 3.

8. 84.

II.

Beweismittel,

welche eine Beweisführung vorauSfetzen. A.

Zeugen,

tit. D de testibus XXII, 5. C IV, 20 tit. X, II, 20. Zeuge ist jede beim Prozeß nicht betheiligte Person, welche die juristische Ueberzeugung deS Richters durch Mittheilung ihrer Sinnen­ wahrnehmung über bestrittene Thatsachen herbeiführen soll. Alle Zeugen find entweder klassische oder unfähige oder verdächtige:

63

1) ieatis clasaicua, omni exceptione major heißt der Zeuge, dessen Glaubwürdigkeit durch Nichts geschwächt wird; 2) teatia inhabilis ist der Zeuge, von dem eine richtige Wahr­ nehmung oder eine unverfälschte Mittheilung nicht zu erwarten ist, und der daher gar nicht abgehört werden darf. a) Absolut unfähig sind Alle, welche die zur Wahrnehmung erforderlichen Sinne oder Geisteskräfte nicht haben, Ra­ sende, Wahnsinnige, Taube, Stumme, Blinde — sowie diejenigen, welche daS Gesetz für unfähig erklärt: EideSunmündige, Ehrlose, Huren, Bestochene. S 8 J III 29 13s5119SlDptl20$56D XXVIII, 1 1 3 $ 5 D h. t. b) Bedingt unfähig werden Zeugen durch nahe Verwandt­ schaft und tödtliche Feindschaft mit einer Partei, durch Amtsverhältnisse und unmittelbares Interesse am Aus­ fall deS Streits. 3) teatia suspectus heißt der, dessen Wahrnehmungsvermögen und Glaubwürdigkeit in gegründeten Zweifel gezogen werden kann, z. B. Trunkenbolde, Seitenverwandte bis zum achten Grade, Personen, die zur Zeit des Zeugnisses im Dienste deS BrweiSführerS stehen, vertraute Freunde desselben sowie Feinde des Produkten u. f. w. Verdächtige Zeugen müssen abge­ hört werden, da ihre Aussage wenigstens eine Vermuthung begründen kann. Die Glaubwürdigkeit der Zeugen wird außerdem dadurch be­ dingt, daß sie vor ihrer Vemehmung vereidigt werden, Nov 123 C 7 1 9 C h. t. und zur Herstellung der juristischen Gewißheit bedarf e» der Uebereinstimmung von wenigstens zwei Zeugen. 1 20 D XLVni, 18.

§. 85.

1. Beweisführung durch Zeugen. Rach römischem, älterem kanonischen und deutschen Recht ge­ schah die Vemehmung der Zeugen in Gegenwart der Partetm, welche selbst Fragen an sie stellen durften. 1 14. 19. C h. t. Cap 2 X, II, 20. DaS neuere kanonische Recht hielt die Gegenwart der Zeugm für nachtheilig. Clem. 2 II, 8 und auch hier ist Schriftlichkeit an di« Stelle der Mündlichkeit getreten. 1) Die Beweisantretung beim Zeugenbeweise geschieht durch zwei getrennte Schriftsätze, welche innerhalb der Beweisfrist gleich­ zeitig eingrreicht werden müssen:

64 a) die Beweisartikel — Weisungssätze — articuli, Ca­ pital! — d. h. eine Anleitung zur Vernehmung der darin zu benennenden Zeugen — demoninatio testium cum directorio — in Form einzelner Fragen über die im Beweissatze enthaltenen Thatsachen. b) Das Präsentationsschreiben — Beweisantretungsschrift — worin um Abhörung der Zeugen, um Mittheilung der BeweiSartikel an den Produkten und um Vorladung deS letztern zum Produktionstermine gebeten wird. Der Richter prüft die Beweisantretung und erläßt je nach dem Resultat dieser Prüfung ein Dekret, welches die Beweisantretung ganz oder theilweise verwerfen oder Verbesserungen anordnen oder den Produktionstermin anberaumen kann.

§. 86.

2.

Produktionsverfahren.

Der Produkt hat das Recht auf die Aufforderung des Richters Fragestücke — interrogatoria — d. h. einen Schriftsatz einzureichen, der eine Kritik der Beweisantretung enthält. Sind seine dagegen vorgebrachten Einreden liquide und so erheblich, daß sich eine gänzyche Verwerfung des angetretenen Beweises erwarten läßt, so kann sich der Produkt auf den Vortrag dieser Einwendungen mit der Bitte um Verwerfung der Beweisantretung beschränken. Sind die Ein­ reden aber nicht so beschaffen, so reicht der Produkt die Fragestücke unter ausdrücklichem Vorbehalt des Rechts auf jene Einwendungen mit der Bitte ein: die Zeugen auch über diese zu vernehmm. Zu­ gleich kann er um Zuziehung eines Notars bitten und den Gegen­ beweis antreten. Cap 19 X II, 19 Cp 31, II 20. Cp 1. II 25. Auf erhebliche Einreden des Produkten muß der Produzent gehört und darüber erkannt werden. Bis dahin bleibt das Beweiöverfahren ausgesetzt. Andernfalls wird die Beweisaufnahme eingeleitet. Im Produktionstermin stellt der Produzent die Zeugen dem Richter vor mit der Bitte, sie zu vereidigen und abzuhören. Hier­ auf geschieht die Vereidigung sämmtlicher Zeugen in Gegenwart der Parteien, das Verhör aber in deren Abwesenheit mit jedem Zeugen einzeln, zunächst über die allgemeinen Fragestücke, d. h. die­ jenigen, welche die Person der Zeugen in Bezug auf ihre Glaub­ würdigkeit betreffen, dann über die Artikel und hinter jedem der­ selben über die Fragestücke. In derselben Ordnung werden die Antworten niedergeschrieben und zuletzt die Zeugen zum Schweigen bis zur Eröffnung des Rotuls angewiesen.

65

Der rotulus examinis testium ist eine vom Richter am Schluß deS Zeugenverhörs abzufassende Schrift mit dem Nachweis über die Förmlichkeiten dieser Handlung und den Aussagen der Zeugen. Sie wird versiegelt bei den Akten aufbewahrt und auf den Anirag einer Partei in einem besondern Termin eröffnet, es müßte denn dagegen protestirt werden, weil der Produzent den ge­ führten Beweis verändern oder der Produkt den Gegenbeweis durch Zeugen führen will. 3. Hauptverfahren (siehe §. 82. Nr. 3). Zn dem Dekrete, welches den Parteien den RotuluS mlttheilt, wird eine Frist zur Einreichung der JmpugnationS- und Salva­ tionsschrift bewilligt, dann folgt das Erkenntniß.

8. 87.

B. Urkundenbeweis.

Tit. I). de fide instrumentorum XXII, 4. Cod.lV,21. tit.X, II, 22. I.

Begriff, Arten und Beweiskraft der Urkunden.

Urkunden im weitern Sinne — instrumenta — kann man alle Dinge nennen, welche zur Ueberzeugung des Richters von einer gewissen Thatsache führen sollen, im engern Sinne aber sind Urkunden die durch menschliche Thätigkeit erzeugten schriftlichen Beweisstücke —■ documenta — im Gegensatz von monumenta, bei welchen die Erzeugung durch menschliche Thätigkeit fehlt, 1. 1. D. 1.15.18. C. h. t. Alle Urkunden im engern Sinne sind: a) öffentliche — documenta publica s. authentica — wenn sie von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person über Verhältnisse ihres Refforts legal abgefaßt sind, z. B. gerichtliche Protokolle, Notariats-Instrumente, Steuer-Bücher, Hppothekenbücher, Pfarrbücher; b) Privat-Urkunden, documenta privata, welche von einer Privatperson ausgestellt sind. Fehlerhaft kann eine Urkunde sein — calumniosa sciptura: a) formell, wegen Vernachlässigung der gesetzlichen Form oder unverständlicher Fassung oder wegen Spuren der Verfälschung; b) materiell, wenn sie auf eine andere Urkunde Bezug nimmt, ohne den Inhalt derselben in sich auszunehmen — documentum referens — im Gegensatz des documentum relatum; wenn ein Schuldschein den speziellen Grund der Verpflich­ tung — causa debendi — nicht enthält — documentum indiscretum, ferner wegen eines Widerspruchs.

66 Die Beweiskraft der Urkundm häugt ab: a) von ihrer Gültigkeit — fides documenti; diese beruht auf dem Vorhandensein der legalen Form und der Merkmale deS Geschäfts, welches Gegenstand der Urkunde ist; b) von ihrer Aechtheit — veritas documenti, d. h. sie muß von dem angeblichen Aussteller wirklich herrühren; c) von ihrer Glaubwürdigkeit, d. h. davon, daß der Aussteller die gesetzlich nothwendigen Eigenschaften für die Ausstellung hatte. Sind diese Voraussetzungen vorhanden, so gründen öffentliche Urkunden vollen Beweis für und gegen Jeden; Privat-Urkunden dagegen beweisen nur gegen den Aussteller und die an seinen Wil­ len gebundenen Personen, für ihn beweisen sie nur, wenn sie zwei­ seitig sind, der Gegner sich darauf berufen hat, oder spezielle Ge­ setze ihnen diese Eigenschaft beilegen, z. B. den Handels- und Lotte­ riebüchern. S. 88.

II. Edition der Urkunden. tit. D. de edendo II, 13. Cod. II, 1.

Beide Parteien sind verpflichtet, eine der Andern diejenigen Urkunden zu ediren, welche diese zur Führung deS Gegenbeweises braucht, außerdem muß der Kläger bei eingeklagten Geldforderun­ gen seine Geschäftsbücher und der Beklagte dem FiSkuS gegenüber sowie wenn er deS Zinswuchers beschuldigt wird, die betreffenden Urkunden ediren. Gern. un. §. 1. V, 5. 1. 3. D. h. t. Jeder dritte ist zur Urkunden-Edition insoweit verpflichtet, als er zum Zeugniß gezwungen werden könnte; doch darf ihm daraus kein Nachtheil entstehen und die Urkunde nicht gegen den FiSkuS benutzt werden. DaS EditionSgefuch muß enthalten: a) eine genaue Beschreibung der Urkunde; b) den Nachweis, daß der Edent die Urkunde besitzt; c) den Rechtsgrund, aus welchen man die Edition fordert; d) den Nachweis, daß man bei dieser Edition wirklich interesstrt ist. Ist daS Gesuch gegen die Partei gerichtet, so wird es einer andern Prozeßschrift angehängt; gegen den dritten aber kommt eS zu einem besondern Verfahren. Leugnet der Gegner oder dritte den Besitz, so muß er den EditionSeid schwören; stellt er seine Pflicht zur Edition in Abrede, so muß der Richter darüber erkennen. Verweigert der Gegner die Edition ohne Grund, so wird die durch die Urkunde zu beweisende Thatsache für

67 zugestanden erachtet. Geschieht dies von dem dritten, so muß er dem Imploranten (Gesuchssteller) den von ihm eidlich zu bestim­ menden Schaden ersetzen.

§ 89. III.

Verfahren beim Urkunden beweis.

1.

Beweisantretung.

Die Antretung des Urkundenbeweises — inductio documentorum — geschieht durch die schriftliche Erklärung deS Produzen­ ten, innerhalb der Beweiöfrist, daß er durch die Urkunden, welche er wenigstens in Abschrift beilegen muß, den Beweis zu führen gedenke. Dabei kann er Beweiöartikel überreichen. DaS Gesuch muß dahin gehen, einen Termin zur Vorlegung der Originale unter Zuziehung des Produkten anzusetzen. Die Verfügung deS Richters auf dieses Gesuch geschieht ganz wie beim Zeugenbeweis (§. 85. am Schluß). Ist die Beweisantre­ tung nicht ganz verwerflich, so wird sie dem Produkten mitgetheilt, und dieser zu einem Termin zu seiner Vernehmlassung peremtorisch vorgeladen.

§. 90. 2. Produktionsverfahren.

Auch daS Vertheidigungsrecht deS Produkten und das Ver­ fahren dabei entspricht demjenigen beim Zeugenbeweis (§. 86.). DaS eigentliche Produktionsverfahren hat hier vorzüglich den Zweck, die Aechtheit der Urkunden hcrauSzustellen. Hierzu sind alle Beweismittel im weiteren Sinne mit Einschluß der Notorie­ tät, der Rechtsvermuthungen und deS Geständnisses brauchbar. Das letztere führt hier den technischen Namen der Anerkennung, die bei öffentlichen Urkunden Agnition, bei Privat-Urkunden Rekognition heißt. Für öffentliche mit den gesetzlichen Merkmalen der Richtigkeit versehene Urkunden streitet in Bezug auf Richtigkeit ihres Ursprungs und Wahrheit des Inhalts die Vermuthung so lange, bis das Gegentheil bewiesen ist (§. 117.). ES bedarf daher weder einer ausdrücklichen Agnition Seitens des Produkten, noch wird der Werth der Urkunde durch bloßes Leugnen geschwächt. §. 91.

3. Insbesondere bei Privat-Urkunden. Die Aechtheit einer Privat-Urkunde dagegen muß immer be­ wiesen werden. Dies geschieht namentlich:

68 a) durch das Zugeständniß des Produkten. RekognoScirt er die Urkunde, ohne eine bestimmte Erklärung abzugeben, so kann eine solche durch konkludente Handlungen geschehen — recognitio tacita. Leugnet er aber die Aechtheit, so muß die Er­ klärung zwar ausdrücklich sein, kann aber fingirt werden — recognitio sicta; b) durch den Diffessionöeid, wonach dem Produkten, der die Aechtheit der Urkunde ausdrücklich leugnet, auf Verlangen des Produzenten durch den Richter aufgegeben wird, die Umstände zu beschwören, woraus die Unächtheit hervorgehen soll. Wenn dieser Eid, der nicht zurückgeschoben werden kann, verweigert wird, so gilt die Urkunde für rekognoscirt, während der geschworene Eid ihr alle Beweiskraft nimmt; c) durch einen freiwilligen Hanpteid des Produzenten, Nov. XVIII, Cap,'8.;

d) durch Zeugen, seien es diejenigen, welche bei Ausstellung der Urkunde zugezogen worden sind — probatio veritatis documenti per testes, oder andere, z. B. solche, welche be­ zeugen, daß die ihnen vorgelegte Handschrift mit den ihnen bekannten Schriftzügen des Produkten übereinstimmt — recog­ nitio per testes; e) durch comparatio literarum, d. h. Vergleichung der Urkunde mit einer andern unzweifelhaft vom Produkten herrührenden, durch Schreibverständige. Dabei muß der Produzent den Gefährdeeid schwören, 1.16.1. 20. 21. Cod. IV, 21.

4.

Hauptverfahren.

Hier findet nur die Abweichung von dem Verfahren beim Zeu­ genbeweise Statt, daß ein Rotulus und SchriftkMkchsel nicht im­ mer nothwendig ist.

§. 92. C.

Beweis durch richterlichen Augenschein.

Als Beweismittel, d. h. nicht blos als ein Mittel zur Her­ stellung klarer Vorstellungen über wichtige Thatumstände, welches anzuwenden dem Richter in jeder Lage des Prozesses erlaubt ist, kommt der richterliche Augenschein erst dann in Betracht, wenn eine Partei ausdrücklich erklärt, daß sie dadurch das Beweisthema feststellen wolle. Auch hier muß der Richter eine Prüfung deS ihm angezeig­ ten Beweismittels vornehmen, worauf ein Termin zur Einnahme deS Augenscheins angesetzt wird. Auch ein Produktionsverfahren über

69

die Zulässigkeit dieser Beweisführung sowie ein Wechsel von DiSputirsätzen ist denkbar. 8- 93.

D.

Beweis durch Sachverständige.

Sachverständige, d. h. Personen, welche anerkannt die erfor­ derliche Kenntniß besitzen, um eine Thatsache technisch zu beurthei­ len, sind überall nothwendig, wo die Rechtskenntniffe nicht aus­ reichen. HinsichtS der Glaubwürdigkeit werden auf die Sachverständi­ gen die Regeln von Zeugen angewandt, über den Werth derselben dagegen entscheidet der Inhalt des von ihnen abzugebenden Gut­ achtens, so daß bei einer Kollision von Gutachten die Zuziehung anderer Sachverständigen nothwendig ist.

8. 94. Beweisführung dabei.

1. Die Beweisantretung geschieht durch bestimmte Angabe der Sachverständigen und der Punkte, worüber dieselben nrtheilen sol­ len. DaS Gesuch ist auf Ansetzung eines Termins zur Beeidigung gerichtet und auf Vorladung der Sachverständigen und des Geg­ ners dazu. Der Richter prüft die Beweisantretung, theilt sie dem Produkten zur Wahrnehmung seiner Rechte und zum Vorschlag seiner eigenen Sachverständigen mit und verordnet die nöthigen Ladungen. 2. Beim Produktionsverfahren ist Regel, daß die Parteien nicht in besondern Schriftsätzen, sondern durch mündliches Rezessiren zu Protokoll sich aussprechen und darüber durch ein Protokol­ lardekret entschieden wird. 3. Der Produktionstermin beginnt mit der Vereidigung der Sachverständigen. Das weitere Verfahren wird durch folgende Grundsätze bestimmt: a) die Sachverständigen müssen sich untereinander und mit den Parteien bereden; b) sie dürfen um Bedenkzeit zu ihrem Gutachten bitten; c) daS Gutachten muß motivirt und ein Theil der Akten wer­ den, indem es entweder zu Protokoll gegeben oder schriftlich eingereicht wird. 4. Das Gutachten wird den Parteien zum Hauptverfahren mitgetheilt.

70 8- 95. E.

Beweis durch den Eid.

1. Begriff und Arten. tit. D de iureiurando sive volunt. aive necess. a. iudic. XII, 2 Cod de reb. Credit, et iureiur. IV, 1 tit. de iureiur. X, II, 24 in 6to II, 11 Clem. II, 9.

Eid im weitern Sinne heißt Bekräftigung einer Erklärung durch Anrufung eines allgemein oder dem Erklärenden heiligen Gegenstandes; im engeren Sinne eine Betheurung durch Anrufung Gotteö als Zeugen der Wahrheit und Rächer der Unwahrheit. Der Eid ist: 1) iuram. promissorium, wenn er zur Bestärkung einer Ver­ bindlichkeit abgelegt wird; 2) iuram. assertorium, wenn die Wahrheit 'einer Aussage be­ kräftigt werden soll; dieser ist: a) iuram. de veritate, wenn er über die Wahrheit, b) iuram. de scientia vel de ignorantia, wenn er über daS Wiffen oder Nichtwissen, c) GlaubenSeid, iuram. de credulitate, wenn er über daS Glauben abgelegt wird; 3) iuram. delatum s. voluntarium, wenn die Parteien Überein­ kommen, die Entscheidung von dem Eid abhängig zu machen; 4) iuram. in litem, wenn der Beweisführer den Beweis durch einen eigenen Eid führt; 5) iuram. necessarium, welchen der Richter einer der Parteien auferlegt und zwar: a) als iuram. suppletorium, den der Produzent bei un­ vollständig geführtem Beweise zur Ergänzung desselben zu schwören hat; b) alS iuram. purgatorium, wodurch sich der Produkt von dem durch den unvollständigen Beweis begründeten Ver­ dacht befreien soll. cf. §. 100.

§. 96. 2.

Vom zugeschobenen Eid.

AlS Consequenz der römischen Ansicht von diesem Eide, wonach er alö Vergleichsmittel benutzt wurde, erscheinen die Grundsätze: 1) daß wegen der Nothwendigkeit der Veräußerungsfähigkeit un­ fähig zur Eideszuschiebung sind: Kinder, Wahnsinnige und Verschwender, während Frauenzimmer und Minderjährige der Zustimmung deS Vormundes bedürfen;

71

2) daß nur über solche Gegenstände eine EideSzuschiebung zu­ lässig ist, auf welche die Parteien gültig verzichten können, a) Beweisantretung.

Diese geschieht durch das ausdrückliche Verlangen des Pro­ duzenten — Deferenten — daß der Gegner — Delat — die Un­ wahrheit einer relevanten Thatsache eidlich versichern solle. DaS Gesuch geht dahin: Dem Gegner die Erklärung über die genaue und bestimmte Eideszuschiebung aufzugeben. b) Produktionsverfahren.

Von der Willkür des Delaten, welchem auch freisteht, noch jetzt die zu beweisenden Thatsachen einzuräumen, hängt eS ab, den Eid anzunehmen oder zurückzuschieben oder sein Gewissen zu vertreten, d. h. den Beweis des Gegentheils der klägerischen Behauptung auf jegliche zulässige Weise zu führen — probatio pro exoneranda conscientia; erklärt er sich gar nicht, so wird sein Eingeständniß fingirt. Mit der Annahme des Eides — acceptatio iuramenti, d. h. der bestimmten Erklärung des Delaten, den Eid leisten zu wollen, können Bemerkungen über die Eidesformel, über den Ort der Ab­ leistung it. s. w. verbunden werden. Bedient sich der Delat der Zurückschiebung deS EideS — relatio juramenti — d. h. erklärt er, die Wahrheit deS bezüglichen Umstandes von dem Ejd des Deferenten — Relaten — abhängig machen zu wollen, so kömmt eS möglicherweise zu einem Jncidentverfahren über die Zulässigkeit der Zurückschiebung, da die Verpflich­ tung und Fähigkeit deS Deferenten zur Ableistung deS Eides zweifelhaft sein kann. Weigert sich der Deferent ohne Grund den Eid zu leisten, so wird er brweiSfällig, er müßte denn innerhalb der Frist anderen Beweis antreten; hat er das letztere gethan, so kann er auf den Eid nicht wieder zurückgehen.

8. 97. 3.

Beweisaufnahme

und Beendigung

des Verfahrens.

Ist der Eid angenommen oder zurückgeschoben, so entwirft der Richter die Eidesformel, theilt sie den Parteien zum Anbringen von Erinnerungen mit und setzt einen Termin an zur Ableistung deS Eides, resp. d. h. für den Gegner, zum Schwörensehen. Im SchwörungStermine wird die Eidesformel vorgelesen, vor dem Meineid gewarnt und sodann der Eid unter Beobachtung der gesetzlichen Förmlichkeiten, nach den Worten der Formel abgenommen.

72 Durch die Ableistung des Eide- wird voller Beweis geführt. Daffelbe tritt ein, wenn der Gegner dem Acceptanten den Eid erläßt. Ein Hauptverfahren kommt bei dieser Beweisführung nicht vor, den Parteien wird aber auf ihr Verlangen das im SchwörungStermine aufgenommene Protokoll abschriftlich mitgetheilt. Die endliche Entscheidung geschieht in Form eines Protokollarbescheides. §. 98. 4.

Vom Schätzungseid.

tit. D de in litem jurando XII, 3 Cod. V, 53. Dieser vom Beweisführer selbst zum Zweck der Abschätzung eine- erlittenen Schadens abzuleistende Eid setzt voraus: a) Beschädigung durch dolus oder culpa lata des Gegners; b) Zulassung durch den Richter, welcher ihn aus Gründen ver­ weigern, ein maximum, über welches hinaus nicht geschworen werden darf, festsetzen oder das Beschworne ermäßigen kann. Nach einer Verordnung deS Kaisers Zmo — 1 9 Cod VIII, 4 soll der, welcher beweist, daß er Gewalt erlitten hat, im Fall er den Verlust und den Betrag deS Verlornen nicht auf andere Art beweisen kann, zum Schätzungseide gelaffen werden iuramentum zenonianum. — Dies soll auch bei culpa levis deS Beschädigtes statt finden, wenn der Betrag deS Schaden­ anderweitig nicht zu erweisen ist — iuramentum quantitatis.

§. 99. Mittel zur Ergänzung eines mangelhaften Beweise-.

Fällt daS Resultat der richterlichen Prüfung des geführten Be­ weise- dahin aus, daß hinreichende Gründe für die juristische Wahr­ heit des Beweissatzes vorliegen, so heißt der Beweis vollständig, fehlt dagegen etwas an diesem Resnltat, so heißt der Beweis un­ vollständig und führt daher die Nothwendigkeit einer Ergänzung deS Fehlenden herbei. Dazu giebt eS verschiedene Mittel: 1) Der Richter kann, wenn kein peremtorischer Beweistermin vor­ geschrieben war, der beweispflichtigen Partei einen befferen Beweis aufgeben. 2) Bei peremtorifchen Beweisterminen können in Folge ertheilter Restitution noch andere Beweismittel zugelaffen werden. 3) ES kann nachträglich der Augenschein eingenommen oder eine sachverständige Untefuchrung erfordert werden. 4) E- kann ein Eid auferlegt werden.

73

8. 100.

Nothwendige Eide. Wenn die im vorigen § ad 1 — 3 aufgeführten Mittel die Un­ vollständigkeit deS Beweises — causa dubia, inopia probationum — nicht heben, so soll der Richter von Amtswegen auf einen noth­ wendigen Eid erkennen. Dieser ist ein iuramentum suppletorium — Erfüllungs-, Ergänzungseid — für den Produzenten, wenn derselbe mehr als einen halben Beweis, ein iuramentum purgatorium, Reinigungseid, für den Produkten, wenn jener weniger als halben Beweis beigebracht hat. Ist der Beweis gerade halb, so muß daö richterliche durch die Umstände geleitete Ermessen den Aus­ schlag geben. Zugleich in dem Erkenntnisse auf den nothwendigen Eid muß der Richter Bestimmungen für den eventuellen Fall der Leistung oder Nichtleistung desselben treffen. I 11 D VII, 45. Ist dieS Endurtheil rechtskräftig, so bittet die Partei, der daran liegt, um einen Schwörungstermin. Die schwurpflichtige Partei muß un­ bedingt schwören, widrigenfalls das Gegentheil von dem, waS be­ schworen werden soll, angenommen wird.

§. 101. Grundsätze bei kollidirenden Beweisgründen.

Wenn Beweise kollidiren, d. h. wenn mehrere für den Beweis derselben Thatsache benutzte Beweisgründe sich m derselben Beziehung widersprechen, so muß sich der Richter durch folgende Grundsätze leiten laffen: 1) kollidirende Beweise in Bezug auf Beweismittel derselben Klaffe heben sich aus, wenn Beweiskraft und Beweisgrund gleich stark sind; 2) findet die Kollision in Bezug auf Beweismittel verschiedener Klaffen Statt, so gelten folgende Regeln: a) handelt es sich um die Eigenschaft einer Sache, so hat der Beweis durch Sachverständige den absoluten Vorrang; b) sollen historische Thatsachen wahrgenommen werden, so hat der Augenschein den Vorzug vor dem Eid, dieser vor den Zeugen; diese gehen den übrigen Beweismitteln vor; c) Vermuthungen, seien sie richterliche — praesumptiones hominis — oder Rcchtsvermuthungen — praesump­ tiones iuris — stehen allen andern Beweismitteln nach, eS müßte denn ein Gegenbeweis gegen sie unmöglich sein; d) Zeugen und Urkunden stehen an sich in gleicher Reihe, doch sollen bei öffentlichen Abgaben die öffentlichen Bücher den Zeugen, und in andern Fällen die JnstrumentSzeugrn

74 dem Instrumente selbst vorgehen und eine Urkunde durch Zeugenbeweis entkräftet werden können. 1 10 D XXII, 3 1 15 D IV, 21, § 12 J III, 10.

Zweiter Abschnitt. Dom Verfahren im summarischen Prozeß. 8. 102. Begriff und Geschichte.

Der ordentliche und regelmäßige Gang deS Verfahrens im ordentlichen Prozesse, welcher auf die möglichste Vollständigkeit in der Feststellung der Rechtsansprüche gerichtet ist, erleidet eine Modifikation in Fällen, wo eine abgekürzte Verhandlung dasselbe Resultat oder die Unvollständigkeit großem öffentlichen Vortheil als die Vollstän­ digkeit verspricht. Gesetz und Gerichtsgebrauch gestatten deshalb ein außerordentliches Verfahren, dessen Eigenthümlichkeit überhaupt darin besteht, daß nach dem Bedürfniß des Falles von dem ordentlichen Gange abgewichen werden darf. Dazu dient der summarische (außer­ ordentliche) Prozeß. Schon daS ältere römische Recht kennt extraordinariae cognitiones (siehe 8 64) welche Diokletian zur Regel erhob (8- 6). Im kanonischen Rechte fand der summarische Prozeß in den päpstlichen Delegationen (8. 10) seine Hauptstütze. Dazu gehörten nicht nur die Fälle, wo simpliciter et de plano ac sine strepitu iudicii et figura prodezirt werden sollte Ölern, de iudicis II, 1 sondern eS wurden auch allgemeine Grundsätze deS Verfahrens auf­ gestellt. Clem. 2 de verb. signif. V, 11. Auch im ältern deutschen Verfahren wurden Fälle ausgezeichnet, wo daS Gericht ohne die gewöhnliche Form gehegt wurde. Die Reichsgesetze endlich unterschieden artikulirte und nicht artikulirte (Summari-)Klagen und daneben Fälle, in welchen summarisch ver­ fahren werden sollte — causae extraordinariae KGO von 1500 Tit. 21, von 1555 II, 21 8 3. RA von 1570 § 8. Die Sache wurde durch die LandeSgerichtsorduungen weiter fortgebildet: man entlehnte dem römischen Rechte die Ausdrücke: summarisches Verfahren 1389 0X, 31384 XXX VII, 10 1 40 D IX, 2 Jmploration für Klage, Implorant für Kläger, Jmplorat für den Be­ klagten.

74 dem Instrumente selbst vorgehen und eine Urkunde durch Zeugenbeweis entkräftet werden können. 1 10 D XXII, 3 1 15 D IV, 21, § 12 J III, 10.

Zweiter Abschnitt. Dom Verfahren im summarischen Prozeß. 8. 102. Begriff und Geschichte.

Der ordentliche und regelmäßige Gang deS Verfahrens im ordentlichen Prozesse, welcher auf die möglichste Vollständigkeit in der Feststellung der Rechtsansprüche gerichtet ist, erleidet eine Modifikation in Fällen, wo eine abgekürzte Verhandlung dasselbe Resultat oder die Unvollständigkeit großem öffentlichen Vortheil als die Vollstän­ digkeit verspricht. Gesetz und Gerichtsgebrauch gestatten deshalb ein außerordentliches Verfahren, dessen Eigenthümlichkeit überhaupt darin besteht, daß nach dem Bedürfniß des Falles von dem ordentlichen Gange abgewichen werden darf. Dazu dient der summarische (außer­ ordentliche) Prozeß. Schon daS ältere römische Recht kennt extraordinariae cognitiones (siehe 8 64) welche Diokletian zur Regel erhob (8- 6). Im kanonischen Rechte fand der summarische Prozeß in den päpstlichen Delegationen (8. 10) seine Hauptstütze. Dazu gehörten nicht nur die Fälle, wo simpliciter et de plano ac sine strepitu iudicii et figura prodezirt werden sollte Ölern, de iudicis II, 1 sondern eS wurden auch allgemeine Grundsätze deS Verfahrens auf­ gestellt. Clem. 2 de verb. signif. V, 11. Auch im ältern deutschen Verfahren wurden Fälle ausgezeichnet, wo daS Gericht ohne die gewöhnliche Form gehegt wurde. Die Reichsgesetze endlich unterschieden artikulirte und nicht artikulirte (Summari-)Klagen und daneben Fälle, in welchen summarisch ver­ fahren werden sollte — causae extraordinariae KGO von 1500 Tit. 21, von 1555 II, 21 8 3. RA von 1570 § 8. Die Sache wurde durch die LandeSgerichtsorduungen weiter fortgebildet: man entlehnte dem römischen Rechte die Ausdrücke: summarisches Verfahren 1389 0X, 31384 XXX VII, 10 1 40 D IX, 2 Jmploration für Klage, Implorant für Kläger, Jmplorat für den Be­ klagten.

75

8- 103. Allgemeine Grundsätze und Eintheilungen. 1) Die Einleitung einer summarischen Prozedur muß auS dem Gesetz oder Gerichtsgebrauch oder der Uebereinkunft der Par­ teien zu rechtfertigen sein. 2) Die wesentlichen Stücke deS Prozeßverfahrens dürfen auch im summarischen nicht fehlen. 3) Im summarischen Prozeß genügt oft, wenigsten- vorläufig, Wahrscheinlichkeit statt juristischer Gewißheit. Der summarische Prozeß ist: 1) unbestimmter — processus summarius indeterminatus — wenn sich die Prozedur blos durch verminderte Förmlichkeiten von der ordentlichen unterscheidet; 2) bestimmter — processus summarius determinatus — wenn die Abweichung vom ordentlichen Verfahren sich nach bestimmten Regeln richtet.

Erstes

Kapitel.

Unbestimmter summarischer Prozeß. §. 104.

Allgemeine Grundsätze. 1) Da der unbestimmte summarische Prozeß seiner Ratur nach am meisten mit dem ordentlichen übereinstimmt, so werden hier­ bei illiquide Einreden und nicht schleunige Beweismittel zugelaffen. 2) Die Verhandlung ist regelmäßig mündlich zum Protokoll. 3) Der Richter darf zur Aufklärung der Sache inquisitorisch ver­ fahren. 4) Die Eröffnung deS ersten Verfahren- setzt nicht nothwendig ein förmliches Klagelibell voraus, .sondern kann mündlich zum Protokoll geschehen. Der Jmplorat muß mit seiner Verthei­ digung gehört und müssen auch' alle im ordentlichen Prozeß brauchbare Einreden zugelaffen werden. DaS erste Urtheil wird häufig als Protokollarbescheid erlassen. 5) Daö Beweisverfahren wird oft dadurch modifizirt, daß die Parteien den Beweis mit dem ersten Verfahren verbinden, und heißt hier Bescheinigung. Die Beweisführung muß durch kür­ zere Termine beschleunigt werden. Ein ZeugenrotuluS wird gewöhnlich nicht angefertigt und em Hauptverfahren nur zu-

76 gelassen, wenn ein Beweismittel an geringer Beweiskraft leidet. Sonst gelten hier, wie 6) bei der Urtheilsfällung die für den ordentlichen Prozeß vor­ geschriebenen Regeln.

§. 105.

Zulässigkeit. Die Fälle, in welchen nach den im §. 102 erwähnten Rechts­ systemen der summarische Prozeß zulässig war, sind: 1) alle präparatorische, Präduzial und Jncidentpunkte. 1 3 § 9. 13 DX, 4 1 15 8 4 1) XL11, 1. KGO von 1555 III 3 8 1—3, 9—11; 2) geringfügige (Bagatell-) Sachen Novl7 cap 3; Alimentensachen 1 5 § 8. 12 D XXV, 3 KGO von 1555, III 3 § 12; Gränz - und Bausachen § 6 3 IV, 17 1 8 § 1 1 11. 12. D*. X, 1. 1. 21. §. 1. D. XXXIX, 1.; Gesindesachen, Pacht und Miethssachen, tit. D. de migrando XLIII, 32.; 3) Streitigkeiten der Reisenden, Studirenden, Mitleidswerthen Personen; 4) viele Zwischenhandlungen im ordentlichen Prozeß.

8. 106. 5.

Provocatio ad agendum.

Wenn Jemand einen Schaden um deshalb zu befürchten hat, weil eine Klage gegen ihn nicht angestellt wird, oder weil eine unwahre Behauptung über ihn verbreitet worden ist, so hat er nach den Reichsgesetzen das Recht auf Anstellung der Klage zu dringen. R. A. vm 1550 8. 93., K. G. O. von 1531 8- 35., R. A. von 1532 Art. 3. $. 2., I. R. A. 8- 83. Diese Befugniß wird seltsamer Weise auS 1. 5. Cod. de inge­ niös manumissis VII, 19. und 1. 28. D. de fideiussoribus XLVI, 1. abgeleitet und man nennt sie darnach die provocatio ex lege „diffamari“ (Anfangsworte der ersteren lex) und ex lege „si contendat“ (Anfangsworte der letzteren lex). Die ProvakationSprozesse setzen eine Privatladung voraus und eS soll durch sie ermittelt werden, ob ein bestimmter Provokat ge­ nöthigt werden könne, eine Klage anzustellen und wie er im Unter­ lassungsfälle zu bestrafen sei. Der Gerichtsstand für diese Prozesse ist daS forum,. in welchem die Hauptklage angebracht werden müßte und als Provokat gilt der, welcher in der Haupsache kla­ gen soll. Der Provokationsprozeß äußert als ein vorbereitendes Verfah­ ren auf den Prozeßgang der Hauptsache keinen Einfluß; diese wird

77 dadurch nicht rechtshängig nicht unterbrochen.

und die

Verjährung der Hauptklage

§. 107.

a) Provocatio ex lege diffamari. Anlaß zu dieser Art der Provokation giebt der Diffamant da­ durch, daß er sich eines Anspruchs an den Diffamaten berühmt, oder solche nachtheiligen Gerüchte über ihn verbreitet hat, auf deren Grund der Diffamant möglicherweise eine Klage anstellen könnte. Hier geht der Antrag des Provokanten, welcher die Diffamation bescheinigt hat, dahin: dem Diffamanten aufzugeben, sich über die Diffamation zu erklären, demnächst aber entweder sein behaup­ tetes Klagerecht binnen einer gewissen Frist geltend zu machen oder ewig still zu schweigen. Der Richter theilt den Antrag dem Provokaten unter der Ver­ warnung mit, daß im Falle er sich nicht darüber erkläre, die Dif­ famation für zugestanden angesehen werden würde. Erklärt der Provokat: a) daß er keinen Anspruch gegen den Provokanten behaupte, so kann ein ihm Stillschweigen auferlegendcS Urtheil abgefaßt werden; b) daß er die Klage anstellen wolle, so wird ihm dazu eine Frist unter dem Präjudiz des Verlustes gestellt; c) daß er die Diffamation oder die Zuläßigkeit der Provokation bestreite, so kommt eS zur Verhandlung, die durch ein De­ kret abgeschlossen wird. Erklärt sich der Provokat nicht, stellt er auch die Hauptklage nicht an, so wird ihm aufgegeben, binnen bestimmter Frist zu kla­ gen oder ewig still zu schweigen.

§. 108. b) Provocatio ex lege si contendat. Diese setzt voraus, daß der Provokant Gefahr läuft, seine einer gewissen Klage entgegenstehenden Einreden zu verlieren, falls dieselbe später angestellt werden sollte. Das Gesuch geht hier dar­ auf, die Provokation dem Provokaten mitzutheilen und ihm die An­ stellung der Klage binnen einer gewissen Frist aufzugeben, widri­ genfalls dem Provokanten diejenigen Vortheile erhalten werden würden, welche derselbe gehabt hätte, wenn die Klage sofort ange­ stellt wäre. Das Verfahren ist dasselbe wie bei der andern Pro­ vokation.

78 8. 109.

6.

Rechnungsprozesse.

Der Rechnungsprozeß besteht in der Verhandlung über eine wirklich vorgelegte Rechnung, um deren Richtigkeit gerichtlich zu prüfen und durch Urtheil sestzustellen. Angreifender Theil ist der­ jenige, welchem an diesem Verfahren gelegen ist, sei es der RechnungSsteller, sei es der Rechnungöempfänger. Zu diesem Zweck bringt der Kläger unter Vorlegung der Rechnung seine Ansprüche auS der Geschäftsführung des Gegners vor, zugleich mit den über die Rechnung anzubringenden Erinnerungen — monita, — falls er der Geschäftsherr (Rechnungsempfänger) ist. Das Gesuch nebst Rechnung und Erinnerungen wird dem Beklagten zur Vertheidi­ gung mitgetheilt. Ist durch solche Wechselhandlungen jeder einzelne Punkt der Rechnung hinlänglich festgestellt, so erfolgt das Urtheil, gegen wel­ ches die gewöhnlichen Rechtsmittel ohne besondere Eigenthümlich­ keit zulässig sind.

8. HO.

7.

Besitzprozesse. (Lieh« $. 56.)

DaS alte römische Jnterdiktverfahren fiel weg mit dem Unter­ gänge deS ordo judiciorum, aber das Recht der Interdikte blieb, und daS neuere römische Recht fordert namentlich bei possessorischen Interdikten eine schleunige RechtShülfe, 1.14. C. XI, 47.1. 3. C. III, 6.1.1. C. VIII, 5. 1.11. C. VIII, 4. a. Possessorium ordinarium. Das theils auf römisches, theils auf kanonisches Recht 8- 4. J. IV, 15, tit. uti. possid. XLIII, 17. C. VIII, 6. Cap. 9. X, II, 19. Cap. 1. X, II, 12. gegründete possessorium ordinarium hat zum Gegenstand das bessere Besitzrecht deS Klägers, worüber nach Um­ ständen sowohl der unbestimmte summarische, alö der Mandats- und sogar der ordentliche Prozeß zulässig ist. Der Kläger führt in dem forum rei sitae seinen fehlerfreien vorzüglicheren Besitz und die erlittene (Störung an, er bittet um Schutz gegen weitere Störun­ gen und Verurtheilung des Beklagten zur Leistung der Nebenver­ pflichtungen, über daS Recht selbst braucht er sich nur dann auszusprechen, wenn dadurch der Besitz aufgeklärt wird: pro colorando possessorio; Einreden, welche sich auf das petitorium beziehen, kann der Beklagte nur vorbringen, wenn sie liquide sind, betreffen

79 sie dagegen die Fehler des Besitzes oder besseres Befitzrecht, so sind auch illiquide zulässig. Der Spruch des Richters verbreitet sich über den Besitzstand mit Vorbehalt deS Petitoriums und geht, wenn er für den Kläger ausfällt, auf Untersagung fernerer Störungen und Auferlegung einer Kaution. DieS Urtheil gilt als Definitiverkenntniß über den Besitzstand. §. 111.

b. Possessorium summarium sive Summariissimum. R. A. von 1512,1, 4. §. 12. K. G. O. von 1521, XXX, II, 1. von 1555, II, 21. Das possessorium summarium, oder das Summariissimum ist aus der Nothwendigkeit hervorgegangen, in den Zeiten deS FaustrechtS zur Vermeidung der Selbsthülfe denjenigen zu schützen, der sich im jüngsten Besitz befand, besonders dann, wenn jeder Theil Besitzhandlungen für sich anführen konnte. Hier kann der Richter sogar Amtswegen einem Theile die momentanea possessio zu­ erkennen oder ein Sequester anordnen. Der Kläger hat den jüng­ sten Besitz, d. h. den, welcher der in Rede stehenden Störung un­ mittelbar vorherging und die Störung selbst genau zu bezeichnen und zu bescheinigen, und um Schutz im Besitz zu bitten. Der Richter kann das Verfahren im unbestimmten summari­ schen oder im bedingten oder unbedingten Mandatsprozesse leiten. Dem Beklagten sind nur liquide Einreden gestattet und das Er­ kenntniß, welches Manutenenzdekret heißt, lautet immer nur über den Besitzstand, nicht das Besitzrecht. §. 112. Verfahren bei interdictis recuperandae und adipiscendae possessionis.

a) Das remedium spolii, decr. Grat. II. C. 2. qu. 2., c. 3—6. tit. X, II, 13. tit. in Gto. II, 5., ward veranlaßt durch die alt­ deutsche Ansicht über den Schutz der selbst widerrechtlich er­ langten Gewehre. Vermöge dieses Rechtsmittels kann jeder, welcher eigenmächtig und widerrechtlich deS Besitzes entsetzt worden ist, mag er selbst unrechtmäßig und noch so kurze Zeit besessen haben, blos auf Grund des erlittenen SpoliumS, nicht blos vom Spoliator, sondern auch von jedem dritten Besitzer, welcher Wissenschaft von dem Spolium hatte, Resti­ tution der Sache cum omni causa verlangen. Das Ver­ fahren ist regelmäßig der unbestimmte summarische, in beson­ dern Fällen wohl auch der Mandatsprozeß.

80 b) Die possessorischen Rechtsmittel zur Erlangung eines neuen Besitzes, interdicta adipiscendae possessionis, werden in der Regel im unbestimmten summarischen Prozeß verhandelt. Sie können auch gegen einen rechtmäßigen Besitzer gerichtet werden und lassen Rechtseinwendungen nicht zu. 8. 113.

Allgemeine Grundsätze. DaS possessorium summarium ist ein provisorisches possessorum ordinarium, die übrigen possessorischen Rechtsmittel dage­ gen sind regelrecht nur Vorbereitungen zum petitorium, d. h. zur Verfolgung des Rechts selbst. Daraus folgt: a) der Streit über den Besitzstand und über den Rechtsstand erfordern jeder eine besondere Beurtheilung; b) der im Streit über den Besitzstand besiegte Theil kann immer noch wegen deS Rechtsstandes klagen; c) einer Kumulation possessorischer und petitorischer Ansprüche steht nichts entgegen. Der Betagte kann dem possessorischen Anspruch deS Klägers selbstständig petitorisch opponiren. Daher ist eine gleichzeitige Ver­ handlung deS interd, adipiscendae possessionis mit dem petito­ rischen Ansprüche deS Beklagten immer zulässig, bei der Spolien­ klage aber nur mit Zustimmung des Klägers, Cap. 1. X, II, 13. Cap. 4. X, II, 10. Cap. 22. X, I, 29. Dem blos petitorischen Anträge des Klägers kann der Beklagte possessorische Rechtsmittel entgegenstellen und dieselben bei erlittener Spolation sowohl in Form einer Widerklage als einer exceptio spolii geltend machen, auch ein interd. retin. poss. und sogar ein interd. adip. poss. zur Widerklage benutzen. Cap. 2. X, II, 10.; eine solche Kumulation hat die Wirkung, daß die verschiedenen Prozesse in denselben Akten verhandelt und durch ein Urtheil ent­ schieden werden.

Zweites

Kapitel.

Bestimmte summarische Prozesse. 8- 114.

I. Arrestprozeß.

1. Begriff und Arten. Arrest (Kummer, Beschlag, Verkümmerung) ist eine gerichtliche Verfügung, wodurch ein Schuldner zur Sicherung der Ansprüche

81 deS Gläubigers in der Disposition über seine Person, oder sein Bermögen, oder über beides beschränkt wird; daher die Eintheilung in Personalarrest, Rcalarrcst und gemischter Arrest. Arrestprozeß ist daS Verfahren über den Verlauf einer solchen Verfügung und durch den Gcrichlsgebrauch und die Reichsgesetze gebildet, R. A. von 1570 §.81., von 1594 §. 82. 83., D. A. von 1600 §. 48., I. R. A. §. 139. Vorausgesetzt wird eine dem Gläubiger durch veränderte Ilmständc des Schuldners drohende Gefahr, causa arresti, wohin gehört: 1) wenn der Schuldner flüchtig oder der Flucht verdächtig, ist 1.10. §. 16. D. NLH, 8.; 2) wenn er sein Bermögen zu verschwenden anfängt. Der Arrcstprozesi kommt entweder selbstständig oder als Neben­ punkt eines andern Prozesses vor. Der Arrest" kann gegen jeden

Schuldner mit Ausnahme der Gesandten und deren Personals an­ gelegt werden und wird wieder aufgehoben — relaxatio arresti — sobald auf andere Weise Sicherheit geleistet wird. §. 115.

2. Arrestgesuch. Der Jmpetrant muß sein Gesuch durch Bescheinigung der Forderung und der causa arresti begründen, und die Art, sowie den Gegenstand des Arrestes genau angeben. Auf die richterliche Untersuchung über die Voraussetzungen deS Arrestes wird entwe­ der das Gesuch verworfen oder der Arrest nach oder ohne Verneh­ mung deS Jmpetraten angelegt. Dies geschieht durch zwei Dekrete: 1) das Arrestmandat an dritte Personen: a) an den Gerichtsdiener zur Anlegung des Arrestes auf die Person deS Jnipetraten oder Sachen, die er selbst besitzt; b) an den dritten zur Herausgabe von Sachen des Jmpe­ traten ; c) an den Schuldner des Jmpetraten, die Zahlung nicht an diesen zu leisten; 2) das zwischen den Parteien erlassene Dekret, wodurch der Jmpetrat von dem Arrestmandat in Kenntniß gesetzt und ein Rechtfertigtlngstermin anberaumt wird.

8. 116.

3. Verfahren. Da im Rechtfertigungstermin der Jmpetrant sein Gesuch, auch wenn Jmpetrat nicht erscheint, näher motivircn soll, so wird er bei seinem Ausbleiben zum Ersatz des Schadens und der Prozeßkosten

6

82

Verurtheilt und der Arrest wieder aufgehoben. Nach Anhörung deS Jmpetra.ten, mit seiner Vertheidigung, worauf der Wechsel von Ree plik und Duplik folgt, verfügt das Gericht entweder die Aufhebung des Arrestes unter Verurteilung des Jmpetranten zu Schaden- und Kostenersatz, oder bestätigt den Arrest. Hat sich der Jmpetrat zur Kautionsleistung erboten, so wird nach deren Prüfung die Aufhe­ bung deS Arrestes dekretirt. ' 8. 117.

II.

Mandatsprozeß.

1. BegriffundArten.

DaS an und für sich abnorme Verfahren, wo dem Beklagten auf bloßes Anrufen des Klägers durch einen Befehl deS Gerichts, Mandat, aufgegeben wird, diesen zu befriedigen, läßt sich nur unter der Voraussetzung erklären, daß eine wirksame Vertheidigung deS Beklagten nicht zu erwarten ist. Der Inbegriff von Prozeßregeln, wonach hierbei verfahren wird, bildet den Mandatsprozeß. DaS zu erlassende Mandat ist: 1) ein unbedingtes — maudatum. sine clausula (scilicet iustiftcatoria) wenn eine haltbare Vertheidigung des Beklagten unwahrscheinlich ist. Als Beispiele für die Zulässigkeit, eines solchen Mandates werden in den Reichsgesetzen aufgeführt: a) wenn die Rechtsverletzung, wegen welcher ein Mandat erbeten wird, sich an und für sich als ein Delikt dar­ stellt — factum nullo iure iustificabile; b) wenn dem Imploranten ein unwiderbringlicher Schaden erwachsen ist — damnum irreparabile; c) wenn dem Staate ein Schaden droht — dctrimcntum reipublicae; d) wenn Gefahr im Verzüge ist — pcriculum in mora; e) wenn der Implorant Schuldforderungen durch Urkunden geltend macht, welche mit der Erecutivklausel versehen sind. Außerdem aber soll dem Richter freistehen, ein unbedingtes Mandat zu erlassen, so oft der Fall unter das aus diesen Beispielen hervorleuchtende Prinzip zu subsumiren ist. KGO von 1555 II, 23 RA von 1594 § 79 DA von 1600 § 29 29—36 IRA § 79. 81. * 2) ein bedingtes — mandatum cum clausula — in allen andern Fällen.

83 §. 118.

2.

Verfahren

a) beim unbedingten Mandats-Prozeß. In der nach den gewöhnlichen Vorschriften einzurichtenden Klage muß der Implorant die Ilmstände, wodurch das unbedingte Mandat motivirt werden soll, so vollständig angeben und bescheinigen, daß der Richter ohne Vernehmung deS Gegners im Stande ist, ihre Richtigkeit zu erkennen. Von der Prüfung deS Klagevortrag­ hängt die richterliche Verfügung ab, so daß eine Verwerfung in der angebrachten Art' Erlaß eines bedingten Mandats, Einleitung der Sache im ordentlichen Verfahren, endlich Erlaß deS erbetenen unbedingten Mandats erfolgen kann. Wenn im letzteren Falle der Jmplorat weder Folge leistet, noch Einwendungen vorbringt, so tritt, nachdem der Implorant die Nngehorsamöbeschuldigung erhoben hat, die Erekutionöinstanz ein. Der Jmplorat darf bis zur Erekutionsvollstreckung Einwen­ dungen vorbringen, sofern dieselben liquide sind. D. A. von 1600 §. 49. 50.; R. A. von 1594 §. 77. Werden die Einreden verwor­ fen oder sind sie illiquide, so ergeht das Jnhästivmandat, d. h. ein daS Mandat erneuerndes Urtheil. Werden dagegen die Einreden für erheblich erachtet, so muß der Implorant repliziren, worauf ent­ weder Aufhebung oder Bestätigung deS Mandats, oder eine Beweisaustiahme erfolgt. I. R. A. §. 77. 80. Rechtsmittel haben keine SuSpenfivkraft.

§. 119.

b) beim bedingten Mandatsprozeß. Da der bedingte Mandatsprozeß nur wahrscheinliche Ansprüche deS Klägers vorauSfetzt, wozu auch die vom Gesetz durch Vermu­ thungen begünstigten gehören, so ist hierbei die genaue Bescheini­ gung nicht erforderlich, worauf der nnbedingte Mandatsprozeß be­ ruht. Auf die Klage bestimmt der Richter eine Frist, innerhalb welcher der Jmplorat den Imploranten klaglos zu stellen oder seine WeigerungSgründe vorzubringen hat — clausula justiflcatoria. K. G. O. von 1555 II, 23.; R. A. von 1594 §. 80.; I. A. R. S. 81. Thut der Jmplorat weder das eine noch das andere oder sind seine Einreden unzulässig, so wird daS Mandat purifizirt, d. h. auf den Antrag deS Klägers ein unbedingtes Mandat erlassen. Sind die vorgebrachten Einreden zulässig aber illiquide, so witd der ordentliche oder ein passender summarischer Prozeß eingeltftel,

6*

84 wobei da- erlassene Mandat als Vorladung gilt — mandatum resolyitur in vim citationis. $. 120. III. Erekutiv-Prozeß.

1. Begriff.

Wenn der Kläger seinen Anspruch auf fortlaufende Prästationen, z. B. Renten, Alimente u. s. w. oder Geldleistungen, worü­ ber «in Schuldschein ausgestellt ist, durch garantigiirte, d. h. solche Urkunden sofort liquide machen kann, in ibelchen die schuldige Leistung nach Quantität, Qualität und Gegenstand bestimmt bezeichnet ist, so ist der Erekutivprozeß zulässig, dessen Eigenthümlichkeit darin besteht, daß Angriff und Vertheidigung auf liquide Urkunden gestützt werden müssen. D. A von 1600 $ 32, IRA § 172. 8. 121.

2. Verfahren. Die begründete Klage, welcher nothwendig die ihr zur Stütze dienenden Urkunden wenigsten» in Abschrift beigefügt werden müssen, wird dem Jmploraten mitgetheklt, ein Termin zur Vorlegung der Originalurkunden angesetzt und der Implorant dazu mit der War­ nung vorgeladen, daß bei seinem Ausbleiben die Anerkennung der Urkunden angenommen und er mit allen zulässigen Einreden aus­ geschlossen werden würde. Der Beklagte kann vor oder im Termin verzögerliche Einre­ den vorbringen, insofern sie aus der Natur des ErekutivprozeffeS entnommen sind, wie z. B. daß die Urkunde keine guarentigirte sei; peremtorische nur, wenn sie durch liquide Urkunden zu bewei­ sen sind. Beim Ausbleiben des Imploranten oder beim Mangel der Originalurkunden, kann der Jmplorat, auf Grund der vorge­ brachten zulässigen Einreden, um gänzliche Lossprechung, ohne dies« aber nur um Freisprechung von der Instanz bitten. Beim Ausbleiben des Jmploraten muß der Implorant die Ori­ ginalurkunden. übergeben und kann gegen den ausgebliebenen Jmplo­ raten darauf antragen, die Urkunden für anerkannt zu erachten und den Beklagten zu verurtheilen. Erscheinen beide Theile, so wird Jmplorat zur Erklärung über die Originalurkunde aufgefordert; erkennt er dieselbe nicht an, so muß er den DiffessionSeid schwören, ohne daß dem Imploranten ein anderes Beweismittel oder dem Jmploraten eine GewiffenSvertretung gestattet wäre. Daher kann auch von keinem Beweis-

85 interlokut die Rede sein. pensiveffekt.

Eingelegte Rechtsmittel haben aber Sus­ 8. 122.

IV. AdhäsionSprozesi. Diese von einigen Prozessualisten hierhin verwiesene Prozeß­ art seht voraus, daß der durch ein Verbrechen Verletzte seinen Ent­ schädigungsanspruch in dem wegen deö Verbrechens eingeleiteten Eriminalverfahren verfolglt. Sie entnimmt ihre Eigenthümlichkeiten aus dem Umstande, daß Angriff und Vertheidigung nur auf die in dem Eriminalverfahren ins Licht zu stellenden Thatsachen gestützt werden können.

87

Erster Abschnitt. Bon -en eigentlichen Rechtsmitteln. §. 124. Gemeinschaftliche Voraussetzungen. 1. Für alle Rechtsmittel dieser Gattung: a) es muß eine entscheidende richterliche Verfügung vorliegen; b) diese Entscheidung muß in den verbis decisivis (§. 76) ein Recht aberkennen oder eine Verbindlichkeit auferlegen oder einen zur Entscheidung stehenden Punkt übergehen. Bei dunklen Entscheidungen kann zunächst eine Erklärung erbeten werden; c) eine der Parteien muß fich in ihren Rechten verletzt fühlen und kein anderes Mittel zur Abhülfe haben; d) die gesetzliche Form muß beobachtet werden. 2. Für die ordentlichen Rechtsmittel: a) die beschwerende Verfügung darf noch nicht rechtskräftig sein; b) sie muß überhaupt ein Rechtsmittel zulassen; c) der Gegenstand der Beschwerde muß einen bestimmten Werth haben. 8. 125.

Wirkungen derselben. Durch daS eingewandte Rechtsmittel wird die Sache zur noch­ maligen Prüfung entweder an einen hohem Richter gebracht (De­ volutivkraft) oder nicht (daher nicht devolutive oder auch suspen­ sive Rechtsmittel). Der Devolutiveffekt zeigt sich vor Allem darin, daß jede Einmischung des ersten Richters in die Sache wegfällt und ein Schwebezustand gleich dem der AtiSkonteftation eintritt, weil der Rechtsbestand der angefochtenen Entscheidung abhängig wird von der Verfügung d«S Hähern Richter-; daher hindert da- vor dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung eingelegte Rechts­ mittel die Erekution und diese SuSpensivkraft ist mit den ordent­ lichen Rechtsmitteln immer, mit den außerordentlichen aber nttt dann verbunden, wenn sie vor der durch den bloßen Zeitablaüf eingetretenen Recht-kraft eingelegt sind. Jede Handlung de- Richters, wodurch der Suspensiveffekt gestört werden könnte, ist eine strafbare Ueberschreitung der AMSbefugnifse; von Seiten der Parteien aber unerlaubte Selbsthilfe.

88 Der technische Ausdruck für solche Handlungen ist Attentat oder Innovation, und der von dem angerufenen höhern Richter dagegen gewährte Schutz äußert sich in den Mandata attentatorum inliibitoria, revocatoria, cassatoria, außerdem werden gegen den Richter Strafen verhängt, und die strafbare Partei verliert alö Spoliator das benutzte Rechtsmittel Cap 7 in ßtoll, 15 Cap 42, X ll, 28 KGO von 1555 III, 31 §. 12 IRA §. 59.

§. 126. Verfahren in zweiter Instanz. I. Anrufung deS höhern Richters.

Adäquat der Klage, wodurch daS erste Verfahren veranlaßt wird, seht jede fernere Instanz eine förmliche Anrufung deS Ge­ richts voraus. Sie geschieht bei allen nicht devolutiven, also blos sus­ pensiven Rechtsmitteln vor dem gravirenden, d. h. dem Richter, über welchen die Partei sich beschwert, bei blos devolutiven aber vor dem nächsten höhern Richter — Einwendung des Rechtsmittels, interpositio remedii. Bei den zugleich suspensiven und devolutiven Rechtsmitteln kann sie sowohl bei jenem — judex a quo — als bei diesem — judex ad quem — erfolgen; im ersten Falle heißt sie im eminenten Sinne Einwendung; im zweiten Einführung — introductio 1 1 S 3, 1 21 § 21 § 1. 2 D XLIX, 1 1 54 § 1 D XLII, 1. Hierauf folgt die Rechtfertigung — justificatio — welche bei den ordentlichen Rechtsmitteln mit der Einwendung ver­ bunden sein kann, bei den außerordentlichen aber damit verbunden sein muß. §.

127.

1. Einwendung der Rechtsmittel.

Diese besteht in der förmlichen Erklärung der Partei, sie fühle sich durch eine ergangene richterliche Entscheidung beschwert und bediene sich deshalb eines Rechtsmittels. Diese Erklärung kann unmittelbar nach Eröffnung deS Urtheils — Stante pede — mündlich zu Protokoll, später nur schriftlich und zwar entweder außergerichtlich vor einem Notar und zwei Zeugen — JnterpositionSschedel — oder gerichtlich vor dem beschwerenden Richter geschehen. I 35 § 5 D XLIX, 1. 1 12 Cod VII, 62 Notar-Ordnung von 1512. Tit IV $ 1 1 1 § 7 10 D XLIX, 4 Cap 73 X II, 28. Das Ge­ such des Jnterponenten geht darauf, das Rechtsmittel zuzulaffen und den Gegner davon zu benachrichtigen. Wenn beide Theile daffelbe Rechtsmittel einwenden, so wird die zuletzt erfolgte ErkläNMg Prinzipaladhäsion genannt.

89 Der Richter prüft zunächst die gesetzliche Zulässigkeit deS Rechts­ mittels und die Förmlichkeiten und erläßt die dadurch bedingte Ver­ fügung. Bei den devolutiven Rechtsmitteln soll außerdem der gravirende Richter dem Jnterponenten ein Zeugniß darüber ausstellen, daß und zu welcher Zeit die Einwendung geschehen sei — apostoli, literae dimissoriae — auch darin sich erklären, ob er dem Rechtsmittel deferire (Statt gebe) oder nicht. Im ersten Falle heißen die apostoli reverentiales und damit kann eine Festsetzung der Einführungsfrist verbunden werden, im letztern refutatorii Tit D de libellis dimissoriis, qui apostoli dicuntur XLIX. 6 Cap 33 44. X 1 c. Zu einer Prüfung der Erheblichkeit der Beschwerde ist der Un­ terrichter nicht befugt, vielmehr muß er seine Funktion selbst alsdann als suöspendirt betrachten, wenn die Frist versäumt worden ist, da der Oberrichter dagegen restituiren kann 1 6 D XLIX, 5 1 1 pr § 1 D XLIX, 7. Die apostoli refutatorii werden nie rechtskräf­ tig, so daß die Einführung des Rechtsmittels dadurch nicht verhin­ dert wird. 1 3 Cod 1 c.

§. 128.

2. Einführung.

Die Einführung besteht in der zeitigen schriftlichen Anzeige an den Oberrichter, daß das Rechtsmittel eingewandt sei, mit der Er­ klärung, dasselbe einführen zu wollen. Beigefügt muß werden das beschwerende Urtheil — opinionis exemplum ■— und die ertheilten Apostel. Gewöhnlich enthält die Schrift auch eine kurze Geschichts­ erzählung, Spezifikation der Beschwerden und Rechtfertigung der Förmlichkeiten. Schließlich wird gebeten: das Rechtsmittel für devolvirt zu erachten und eine Rechtfertigungösrist anzuberaumen. Die letztere wird vom Richter ertheilt, wenn er die Einwendung für zu­ lässig hält, sonst wird das Rechtsmittel verworfen. 1 27 C VII, 63 Cap 4. 5. 33. 44. 57 X 1 e KGO von 1521 TU 23 1 18. 19 C Vll, 62 1 un. § 2 D XLIX, 6. §. 129. 3. Rechtfertigung und weiteres Verfahren.

Unter der Rechtfertigung des Rechtsmittel ist die rechtliche Motivirung der Beschwerde über das gravirende Urtheil zu verstehen, statt deren nach gemeinem Rechte eine bloße Bezugnahme auf die Akten der frühern Instanz — die Vorakten — zulässig ist. Die eigentliche Rechtfertigungsschrift — libellus gravaminum — be­ steht aus den Formalien, d. h. dem Nachweis über die Beobach-

so tung der Form des Rechtsmittels und aus dm Materialien, d. h. -der Rechtfertigung der einzelnen Beschwerden. Hieran schließt sich da- Prozeß-Gesuch, d. h. der Antrag, dem Rechtsmittel Statt zu gebot, dem Unterrichter die Einmischung in die Sache zu untersa­ gen — inhibitoriales — und die Einsendung der Akten aufzugeibctt — compuhoriales — und die Sachbitte, die angegriffene -Entscheidung — sententia a qua abzuändern. Die nächste Wirkung der Rechtfertigung besteht darin, daß die von idem einen Theile angegriffene Entscheidung mich gegen den andern nicht .rechtskräftig wird, so daß dieser in eigenen Interesse das Urtheil anfech­ ten darf und der Richter Amtswegen das Urtheil, soweit es ihn gmvirt, «Ländern muß. 1 39 pr VII, 62. Hierdurch wird das Rechtsmittel für beide Theile gemeinschaftlich — beneficium com­ mune — und es ist theoretisch sogar eine Abänderung deS ange­ fochtenen Urtheils zum Nachtheil — in peius — derjenigen Par­ ts denkbar, welche das Mittel interponirt hat. Praktisch aber, d. h. im Gerichtsgebrauch gelten folgende Mo­ difikationen: a) Das Rechtsmittel ist nur in Bezug auf die Punkte gemein­ schaftlich, gegen welche eS ergriffen wird. b) Der Richter darf den Gegner deS Jnterponenten nur insofern amtlich vertreten, als demselben nach eingegangener Rechtfer­ tigung die Gelegenheit fehlt, seine eigenen Beschwerden selbst vorzubringen. Fehlt diese nicht, so muß eine ausdrückliche Erkiämng deS Gegners — akzessorische Adhäsion — eingehen. c) Der Gegner hat die Wahl zwischen dieser akzessorischm und -der sogenannten Prinzipaladhäsion ($ 127). In dem auf die Rechtsmttgung ergehenden Relevanzbescheide kann der Richter die erbetenen Prozeffe verweigern oder dm Beschwerden ab» helfm. Gegm diese Bescheide sind Rechtsmittel zulässig. Gewöhnlich aber kommt eS zu einem weitern Verfahren, welches im Grunde mit dem der ersten Instanz übereinstimmt und durch ein das angefochtene bestätigende- oder abänderndeS Erkenntniß abgeschlossen wird. 8. 130. Conkurrenz

und

außerordentliche Beendigung der Rechtsmittel.

Wmn mehrere gegen dieselbe Entscheidung zulässige Rechts­ mittel in der Art konkurriren, daß sie nicht gleichzeitig verhandelt werden könnm, so entsteht eine Collision, für welche folgende Grund­

sätze gelten: I. Wenn beide Theile:

m 1) verschiedene Punkte angefochten haben, so wird jedes Rechts­ mittel von dem Richter verhandelt, wo eS angebracht ist: 2) betreffen die Beschwerden denselben Punkt und sind; a) die Rechtsmittel identisch, so bestimmt die Prävention daS für alle Rechtsmittel kompetente Gericht; b) sind die Rechtsmittel nur durch Zweck und Mittel gleich, so wird das nicht devolutive von dem devoluten an­ gezogen; c) haben die verschiedenen Rechtsmittel keine dieser beiden Naturen, so gilt der Grundsatz ad 1, II. Wenn nur ein Theil bei demselben Beschwerdepunkt ver­ schiedene Rechtsmittel kumuliren will, so dürfen sich dieselben in Zweck und Mittel nicht widersprechen; dabei ist der gleichzeitige Ge­ brauch verschiedener Rechtsmittel bei verschiedenen Punkten unbe­ schränkt. Außer den auch für die weitern Instanzen geltenden Gründen, durch welche daS Verfahren erster Instanz ohne Entscheidung (S 1) beendigt werden kann, geschieht dieß: 1) durch den unbeerbten Tod deS Jnterponenten 1 un. D XUX, 13; :2) dadurch daß der Gegner oder der höhere Richter die Be­ schwerde hebt — Ordination — (siehe ß. 138); 3) hWch Versäumung der Nothfristen Nov 49, c. 1; 4) durch Verzicht; 5) durch Spolium deS Jnterponenten (§ 125) Cap 42, X, H 28.

Zweiter Abschnitt, die einzelne« Rechtsmittel. Erstes

Kapitel.

Appellation. 8- 131. I. Geschichtliche Einleitung.

A. Römische- Recht. D XLIX, 1—7. 9—13 Cod VII, 61, 62, 65—70 Nov 23, 126 a) der republikanischen Zeit. Während der Republik gab es kein Rechtsmittel in unsere« Sinne, weil der auf die Unterordnung eines Richters unter den an-

m 1) verschiedene Punkte angefochten haben, so wird jedes Rechts­ mittel von dem Richter verhandelt, wo eS angebracht ist: 2) betreffen die Beschwerden denselben Punkt und sind; a) die Rechtsmittel identisch, so bestimmt die Prävention daS für alle Rechtsmittel kompetente Gericht; b) sind die Rechtsmittel nur durch Zweck und Mittel gleich, so wird das nicht devolutive von dem devoluten an­ gezogen; c) haben die verschiedenen Rechtsmittel keine dieser beiden Naturen, so gilt der Grundsatz ad 1, II. Wenn nur ein Theil bei demselben Beschwerdepunkt ver­ schiedene Rechtsmittel kumuliren will, so dürfen sich dieselben in Zweck und Mittel nicht widersprechen; dabei ist der gleichzeitige Ge­ brauch verschiedener Rechtsmittel bei verschiedenen Punkten unbe­ schränkt. Außer den auch für die weitern Instanzen geltenden Gründen, durch welche daS Verfahren erster Instanz ohne Entscheidung (S 1) beendigt werden kann, geschieht dieß: 1) durch den unbeerbten Tod deS Jnterponenten 1 un. D XUX, 13; :2) dadurch daß der Gegner oder der höhere Richter die Be­ schwerde hebt — Ordination — (siehe ß. 138); 3) hWch Versäumung der Nothfristen Nov 49, c. 1; 4) durch Verzicht; 5) durch Spolium deS Jnterponenten (§ 125) Cap 42, X, H 28.

Zweiter Abschnitt, die einzelne« Rechtsmittel. Erstes

Kapitel.

Appellation. 8- 131. I. Geschichtliche Einleitung.

A. Römische- Recht. D XLIX, 1—7. 9—13 Cod VII, 61, 62, 65—70 Nov 23, 126 a) der republikanischen Zeit. Während der Republik gab es kein Rechtsmittel in unsere« Sinne, weil der auf die Unterordnung eines Richters unter den an-

92

dem bastrte Begriff des JnstanzenzugS fehlte. Der einzige Weg der Beseitigung eines gültigen Urtheils war die restitutio in in­ tegrum (§. 65). Nur in Bezug auf ein bei der extraordinaria cognitio erlassenes Dekret gestattete daS republikanische Recht ein besonderes Mittel, die Jnterzession eines gleich oder höher gestell­ ten Magistrats oder der Tribunen (§ 4), wodurch jenes Dekret seine Wirkung verlor. Die Bitte um die Jnterzession hieß appellare. Jnterzedirten die Tribunen, so blieb dem Decernenten der dadurch kassirten Vefügung der Erlaß einer andern überlassen, da­ gegen konnte ein angerufener Prätor an die Stelle der aufge­ hobenen eines Kollegen selbst eine neue setzen. §. 132.

b) unter dem Prinzipat. Der PrincepS vereinigte in sich alle Magistrate und daher auch die tribunicia potestas. Vermöge der letzteren konnte er oder der von ihm damit bekleidete Beamte jedes richterliche Urtheil be­ seitigen. An ihn konnte gegen die Dekrete aller, auch der Provinzial-Magistrate appellirt werden, während seine eigenen keiner Ap­ pellation unterlagen. Mit der Zeit durste der PrincepS sogar mit Uebergehung der in integrum restitutio richterliche Sentenzen einer Revision unterziehen. Die Richter wurden als Beamte betrachtet, die sich der Magistrat als Gehülfen substituirte und dessen Akte so gut angefochten werden konnten, wie die des Substituten selbst. Schon August delegirte seine Befugniß, Appellationen von allen Behörden deS Reichs anzunehmen, dem praefectus urbi, und für die Provinzen Confularen; jede Provinz hatte in Rom einen AppellationSrichter. Suet: Octav: 33. Daneben wurden Appel­ lationen an den Senat eingeführt, welche Nero denen an den Prin­ cepS gleichstellte. Tac. ann. XIV, 28. Unter Marc Aurel wa­ ren schon Appellationen vom judex an den Magistrat in Gültig­ keit 1 pr und 3 D XLIX, 3.

§. 133. c. Ausbildung der Appellation.

Der Idee der Unfehlbarkeit deS PrincepS gemäß mußte ein Urtheil bis zu ihm gelangen, um vor Anfechtungen sicher zu fein. So bildete sich der Jnstanzenzug. Durch die Appellation, d. h. daS Rechtsmittel, mittelst dessen ein an sich gültiges Urtheil wegen seiner Unrichtigkeit von einem höhern Gericht aufgehoben werden kann, wurde das erste Gericht aus seiner isolirten und ab­ soluten Stellung herauSgeriffen und zum Glied einer Kette gemacht.

93 Vom judex ging die Appellation an den Magistrat, der ihn bestellt hatte, von dem Municipal-Magistrat an den römischen Prätor oder praeses provinciae, von diesem an den Senat oder andere von dem PrincepS mit höchster Jurisdiktion versehene Behörden oder an den Prinzips selbst 1 38 D VI, 4. Nach justinianischem Recht war aber die Appellation nur gegen Definitiv-Urtheile und ZwischenErkenntnisse über Präjudizien, nicht aber gegen bloße Interlokute zulässig. 1 6 pr S 3 1 21. 36 C h. t. 1 7 C VII, 65. B. Kanonisches Recht.

Tit X, II, 28, in 6to II, 12 Clem II, 12. Neben den römischen Grundsätzen stellte das canonische Recht den neuen auf: daß die Appellation an den nächsten höhern Richter gegen jede obrigkeitliche Verfügung zulässig sei, und zwar sowohl vor der Verfüguug — blinde Rechtsmittel, ubi a futuro gravamine appellatur — als nach derselben Cap 5 10 X h. t. DaS Tridentintsche Conzil aber setzte fest: daß nur von definitiven und ihnen an Kraft gleichstehenden Zwischenurtheilen, falls eine nach entschie­ dener Hauptsache eingebrachte Appellation nicht mehr wirksam sein konnte, die Appellation zulässig sein solle Conc. Trid. Sess. 24, c. 20.

6. 135. C.

Deutsches

Recht.

Auch nach deutscher Verfassung konnte sich der Begriff der Appellation erst mit dem Durchbruch der Vorstellung ausbilden, daß der König die Quelle aller Gerichtsbarkeit fei. Mit ihr fan­ den die römischen und kanonischen Grundsätze mit der Modifikation Aufnahme, das auch gegen gewöhnliche Zwischenurtheile appellirt werden kann.

§. 136..

II. Appellation gegen Definitivurtheile und gleich kräftige Beiurtheile. A. Voraussetzungen.

Reben den allgemeinen Voraussetzungen fut alle Rechtsmittel ist für die Appellation (Provokation) zu beachten: 1) eS muß wegen der durchgängigen Devolutivkraft der Appel­ lation ein Oberrichter und zwar der unmittelbar nächste (per gradus) angegangen werden; eine appellatio per saltum d. h. mit Ueberspringung deS nächsten Oberrichters ist

94 nicht statthaft; unter mehreren konkurrirenden giebt die PtLvention den Ausschlag. Nov 23 Cap 4 1 1 § 3 D XLIX; 111(40 XLIX, 2; 2) während nach römischem und älterem Reichsrecht die Natm des Anspruchs und der Werth deS Streitobjekts für die Ap­ pellation gleichgütig war 1 20 D VII, 62 Cap 11 X h. t wurden durch die KGO von 1521 Tit. 24 §. 1 Vorschrif­ ten über die Appellationssumme und deren Berechnung eiügeführt. Die Höhe der ersteren ist in den Landesgesetzen verschieden, die letztere geschieht nach folgenden Regeln: a) die Apellationssumme richtet sich nicht nach dem Werth deS Streitobjekts, sondern nach dem Werth der Beschwerde; b) die Beschwerde muß sich auf die Hauptsache beziehen, so daß die Appellationssumme nicht durch die Neben­ förderungen (Zinsen, Früchte, Prozeßköstett rc.) ge­ bildet werden därf. c) Bei Objekten, die in fortlaufenden Prästätiönen beste­ hen, wird die AppellationSsumme dutchMultiplication einer einzelnen Leistung mit 25 (nach dem vkerprozeütitzert Zinsfuß) ermittelt. d) Mehrere aus derselben Quelle entspringende und durch dasselbe Urtheil festgestellte Obligationen werden zu­ sammen gerechnet. 3) Die AppellationSsumme ist nicht erforderlich: a) bei einem unschätzbaren Objekt; b) bei Streitigkeiten über die Jurisdiktion, Servituten und Gerechtigkeiten; c) bei Klagen auf Prästationen, welche die Obrigkeit als solche zu fordern hat. 8. 137. B. Verfahren, a) vor dem Unterrichter

Die Appellation wird innerhalb 10 Tagen, angerechnet von der Publikation des Urtheils, beim Unterrichtn —judex a quo — wenn aber die Nothftist versäumt ist, mit der Bitte um Restitution beim Oberrichter eingewendet Nov 23 Cap 11 1 D XLIX, 4. RNch römischen' Recht mußte der Appellant innerhalb 5 Tagen, awgerechnet von der Einlegung der Appellation, instanter et saepins um Ertheilung der Apostel und Einsendung sämmtlicher B erhandtzmgen an den Oberrichtrr bitten, widrigenfalls das Rechts-

95 mittel befett, b. h. verloren war 1 18 C VII, 62 1 un. g 2 D XL1X, 6 1 7 § 11 D IV, 4 1 8 D IV, 1. Aehnlich verlangt baS kanonische Recht, bet Appellant solle binnen 30 Tagen bei Strafe ber Desertion instänbig nm Apostel bitten Cap L 6 in 6to II, 15. Die neueren Reichsgesetze bagegen stellen bieS bem Appel« tonten frei KGO von 1555 II Tit. 30 § 1 IRA § 61. 63, machen ihm aber bie Bitte um Einsendung bet Akten binnen 30 Tagen, von ber Einlegung ber Appellation angerechnet, zur Pflicht. Durch bie Einwenbung bet Apellation wirb bie Rechtskraft beS angefochtenen Urtheils gehemmt und der Appellant befugt, zur Unterstützung feines Anspruchs neue Thatsachen, Beweise unb Ar­ gumente vorzubringen — beneficium nondum deducta dedücendi, nondum probata probandi — wenn er nur nicht das Klagesundament verändert. Doch sollte er nach deutschen Recht stch zu bem Eide erbieten, daß er von den neuen Thatsachen in erster Instanz keine Wissenschaft gehabt habe 14 C VII, 63 KGO von 1508 II g= 8? 11 D. A. von 1600 8 114.

6. 138. b) vor bem Oberrichter.

Hat bet höhere Richter die in ber eben ($. 128, 129) be­ schriebenen Art bewirkte Einführung und Rechtfertigung geprüft, so kann er entweder bie Appellation verwerfen oder weitere Ver^ Handlungen eröffnen. Eine Verwerfung durch Dekret —• reiectorium — auf die bloße Einftihrung ist nur denkbar wegen Unzu­ lässigkeit deS Rechtsmittels ober Versäumung bet Frist! bei unter­ lassener Bitte um Restitution, sowie wegen offenbarer Unerheblichkeit" bet Beschwerde, wo denn möglicherweise sogar eine reformatorische Verfügung ergehen kann — ordinatio s. rescriptum de tollendo gravamine vel de emendando processu. In alle« andern Fällm erkennt bet Oberrichter AppellationSProzeffe; diese bestehen, wenn sie vollständig sein sollen — plenarii appellationis processus — aus folgenden Dekreten: 1) inhibitoriales (sc. literae) wodurch bem judex a quo jede weitere Verfügung in der Sache untersagt wird; 2) compulsoriales, wodurch demselben die Entsendung der Aktien nebst Bericht anstzegeben wird; 3) communicatoriae, wodurch dem Appellateii bie • Eknführungö- und RechtfertigungSschrist zum Ercipirm'nfttgetheilt wird. Fehlt eine dieser Verfügungen, so sind did Appellationsproteffe unvollständig — appell. proc. minus pleni.

96

§. 139. c) Weiteres Verfahren.

Regelrecht werden nur Compulforialien erkannt, oft in Ver­ bindung mit der Mittheilung an den Appellaten, vollständige Pro­ zesse aber erst, wenn die Sache nach eingegangenen Akten und Bericht des Unterrichterö sich nicht zu einem sofortigen Erkenntniß eignet, sondern eine weitere Verhandlung nothwendig erscheint. DaS Verfahren in 2. Instanz wird wo möglich nach den Regeln deS summarischen Prozesses eingcleitet, daher jedem Theil nur ein Schriftsatz gestattet. Das nach dem Aktenschluß abzufas­ sende AppellationSerkenntniß kann bestätigend, abändernd (reforma­ torisch) oder gemischt sein. Im ersten Falle werden die Akten durch Remifforialien an beit judex a quo zurückgesandt, so daß dieser nun wieder kompe­ tent wird, dasselbe geschieht, wenn das Appellationserkenntniß zwar reformirend ist, aber neue Verhandlungen in der Sache anordnet, in allen andern Fällen behält der Oberrichter seine Competenz. 8. 140.

III. Appellation gegen Beiurtheile.

Rach neuerem Reichsrecht (siehe 8- 134. 135) wird zwischen solchen Beiurtheilen, welche die Kraft eines EndurtheilS haben und solchen unterscheiden, welche, ohne diese Kraft zu haben, doch eine Appellation erfordern, weil die Beschwerde durch die Appellation vom Endurcheil nicht mehr gehoben werden kann. Notariatsord­ nung von 1512 Tit. IV, 8 1 KGO von 1555 II, 28 8 6. Für diese Fälle gelten eigenthümlichen Normen des Verfahrens: 1) In der schriftlichen Appellation muh sogleich der Grund der Beschwerde angegeben werden, damit der Unterrichter sie noch heben kann Cap 1. 10 in 6to II, 15. 2) Die Appellation kann nur aus diesen gleich anfangs aufge­ stellten Ursachen begründet werden. Notariats - Ordnung von 1512 1. c. 3) Der Oberrichter wird erst kompetent, wenn der Unter­ richter die Beschwerde nicht selbst heben will Cap 60 X, II, 28. 4) Wenn der Unterrichter die Appellation nicht unbedingt für zulässig erklärt hat, tritt der Suspensiveffekt erst mit der Jnhibirung des Oberrichters ein, und diese soll nur bei vor­ handener Gefahr im Verzug oder zu befürchtendem unersetz­ lichen Schaden erlassen werden. R.A von 1594 8 94. 5) Die Einführungöftist wird vom Unterrichter bestimmt, Cap 1 in 6to 1. c.

97

6) In der Regel dürfen keine nova angeführt werden Gern; 5, II, 12 KGO von 1508 8 7. Nach der PrariS findet kein förmliches Verfahren Statt, son­ dern die Beschwerde wird durch ordinatio oder rescriptuja de emendando vel tollende gravamine gehoben ("§. 138).

Zweites Kapitel.' Revision. 8. 141.

I. Revision als subsidiäres Rechtsmittel. Unter den römischen Kaisern gab eS ein Rechtsmittel gegen Urtheile deö sonst inappellabelen praefectus praetorio mit dem Namen supplicatio, welches innerhalb 10 Tagen bei diesem Be­ amten eingelegt werden mußte und alsdann Suspensiveffekt hatte, während eS ohne letzteren binnen 2 Jahren beim Kaiser angebracht werden konnte 1 un. C VII 42 Nov 119 c 1. In Deutschland bildete sich die Revision als selbstständiges Rechtsmittel erst bei den höchsten Reichsgerichten aus und zwar als Ersatz für die Appellation in Fällen, wo diese letztere wegen Geringfügigkeit deS Objekts nicht zulässig war. IRA § 113. 124 DA von 1600 § 16. Dabei konnte der Revident auf Ver­ sendung der Akten an 2 oder 3 Rechtögelehrte oder an ein Universitätö - Spruchkollegium antragen — transmissio actorum in vim revisionis. Die Einwendung dieses Rechtsmittels muß immer beim gravirenden Richter innerhalb 10 Tage geschehn. Apostel, Aktengesuch und Einführung fallen weg, da die Revision der eigentlichen De­ volutivwirkung entbehrt; eS genügt die Rechtfertigung mit der Bitte um Aktenversendung. Ist eine solche Bitte ergangen, so äußert sich die bloße SuSpensivkraft der Revision darin, daß der Richter nicht mehr in der Sache selbst verfügen darf. Vorbringen von nova ist wie bei der Appellation gestattet. II. Revision als nicht subsidiäres Rechtsmittel.

Reben der eben beschriebenen subsidiären Revision kommen in vielen deutschen Partikularrechten verschiedene nicht devolutive und nicht subsidiäre, sondern mit der Appellation elektiv konkurrirende Rechtsmittel unter dem Namen: Supplikation, Leuterung, Nichtig­ keitsbeschwerde, Restitution, Repräsentation, Oberleuterung vor, worüber folgende allgemeine Grundsätze gelten;

98 1) Sofern diese Rechtsmittel wirkliches Surrogat der Appellation sind, werden sie auch als solche behandelt. 2) Wird im Verlauf eines solchen Rechtsmittels die vorige Ent­ scheidung bestätigt, so findet dasselbe suspensive Rechtsmittel nicht noch einmal Statt. — revisio revisionis, leuteratio leuterationis, supplicatio supplicationis non datur, son­ dern es kann nur ein anderes zulässiges benutzt werden. Bei Prozessen also, die schon in erster Instanz vor einem Obergericht verhandelt wurden, ist die Wiederholung desselben nicht devolutiven Rechtsmittels — Oberreviston, Oberleuterung — zulässig.

Drittes Kapitel.

Nichtigkeitsbeschwerde». §. 142. I. Römisches und kanonisches Recht. Im römischen Prozeß konnte ein Urtheil nichtig sein wegen eines Mangels seiner wesentlichen Erfordernisse: 1) wegen Unfähigkeit des Magistrats oder des Richters, 11. 2 C VII, 48; 2) wenn zur Zeit des Urtheils eine Partei handlungsunfähig oder tod war, ohne einen Vertreter zu haben 1 9. 59 § 3 I) XLII, 1; 3) weun das Urtheil für oder gegen eine Person lautet, die den Prozeß gar nicht geführt hat 1 1 C VII, 45; 5) wenn das Urtheil gegen klare Gesetze verstößt, contra jus constitutionis s. jus in thesi im Gegensatz deS subjektiven Rechts — jus litigatoris s. jus in hypothesi 1 27 32 D I. c. 1 3 D XL1X, 8. In diesen Fällen bedurfte eS keines Rechtsmittels, denn es genügte die gegen die Klage oder Einrede aus solchem Urtheil actio s. exceptio rei judicatae opponirte Einrede der Nichtigkeit tit. D. quae sententiae sine appellatione rescindantur XL1X, 8 tit Cod quando provocare non est necesse VII, 64. Die PrariS der geistlichen Gerichte bildete ein remedium nullitatis ans, welches 30 Jahr dauerte, jedoch mit der Appellation verbunden werden konnte und worüber der gravirende Richter selbst zuständig sein sollte. Die Nichtigkeit beruht entweder auf defectus

99i judieiorum formae a jure civili inductae oder auf desectus formae judiciorum a jure naturali et gentium inductae, wohin gehörten desectus jurisdictionis, inhabilitatis, mandati, citationis et processua substantialis. 8. 143. II. Deutsches Recht. Wegen der vielen aus der langen Dauer und Unbestimmtheit der Nullitätsklage hervorgegangenen Weitläufigkeiten beschäftigten sich die K. Gr. Ordnungen von 1521. 1523 und 1555 mit Reformen dieses Instituts, deren Hauptinhalt darin besteht, daß Nichtigkeiten, deren Unrecht ohne Vernichtung des Verfahrens in höherer Instanz gehoben werden kann •— desectus sanabiles — heilbare Nichtig­ keiten, zu unterscheiden sind von solchen, welche diese Eigenschaft nicht haben — desectus insanabiles — unheilbare Nichtigkei­ ten K. G. O. von 1521, Tit. XIX §. 2. 3. Tit. XXI §. 1 KGO von 1523 V § 6. 7. KGO von 1555 111, 34. Nach vielen andern schwankenden Bestimmungen — RA von 1570 8 63 D.A. von 1600 8 14 bestimmte der IRA 8 121, 122, daß in allen Fällen, wo die Nichtigkeit in zweiter Instanz ohne Zerstörung des frühern Verfahrens gehoben werden kann (heilbare Nichtigkeit), die zur Einlegung der Appellation bestehende Nothfrist beobachtet werden solle, daß dagegen in den Fällen der unheilbaren Nullität aus der Person deS Richters oder der Partei oder wegen wesentlicher Prozeßverlehungen die Klage 30 Jahre dauern solle.

8- 144. Arten der Nichtigkeitsbeschwerde und gemeinschaft­ liche Grundsätze. Die Nichtigkeitsbeschwerde, Nichtigkeitsklage oder Nichtigkeits­ querel, bei welcher der angreifende Theil Querulant, der andere Querulat genannt wird, zerfällt hiemach in zwei verschiedene Rechtsmittel, von denen das eine zu den ordentlichen, daS andere zu den außerordentlichen gehört; gemeinschaftlich ist ihnen der Zweck, nämlich Aufhebung einer durch Vernachlässigung wesentlicher Vor­ schriften herbeigeführten Nichtigkeit — nullitas — während die fehlerhafte Anwendung eines materiellen Rechtsprinzips den Namen iniquitas führt. Außerdem gelten für beide Arten folgende Grund­ sätze: 1) Sie können principaliter d. h. als selbständiges Rechts­ mittel abgesondert benutzt werden KGO von 1555 111 34

7*

100 8 3 und haben regelrecht Devolutiveffekt, eS müßte denn Summa appellabilis fehlen, wo die Revision die Stelle der Nichtigkeitsbeschwerde vertritt, oder die Nichtigkeit in der höchsten Instanz begangen worden sein, wo andere nicht de­ volutive Rechtsmittel Statt finden. 2) Zur Rechtfertigung ist das Vorbringen von nova nicht ge­ stattet. 3) Beide Arten können mit einander und andern Rechtsmitteln und zur Begründung eines andern Rechtsmittels benutzt werden. 4) DaS Verfahren ist höchst summarisch KGO von 1555111, 3.

8. 145. 1) Nichtigkeitsbeschwerde als mittel.

ordentlcheS Rechts­

Dies Rechtsmittel ist statthaft wegen unheilbarer sowohl als heilbarer Nichtigkeiten, zu welchen gehören: a) alle aus dem fehlerhaften Inhalt eines Urtheils resultirenden Nichtigkeiten, also wenn contra jus in thesi gesprochen ist. b) Alle durch Nichtbeobachtung der positiv gebotenen Form be­ gangenen. In gewissen Fällen ist die Nichtigkeitsbeschwerde trotz der Nichtigkeit der Entscheidung wenigstens nicht direkt brauchbar. Daihn ist zu rechnen, wenn das Urtheil wegen seiner allgemeinen, unbe­ stimmten oder unsinnigen Fassung gar nicht vollzogen werden kann oder wenn eS mit ftühern rechtskräftigen Entscheidungen im Wi­ derspruch steht; in diesem letztem Falle bedarf eS, wegen deS ver­ säumten Einwandes der rechtskräftigen Entscheidung, zuvor der Restitution. Bei der Einwendung der Nichtigkeitsbeschwerde sind die Formalien der ordentlichen Rechtsmittel zu beobachten.

2) Nichtigkeitsbeschwerde als außerordentliches Rechtsmittel.

Dieß Rechtsmittel setzt einen Mangel an den absolut wesent­ lichen Bestandtheilen deS anzufechtenden Verfahrens voraus — defectus insanabilis — so daß der Fehler durch eine fortgesetzte Verhandlung nicht gehoben werden kann. Diese Beschwerde ist nur beschränkt durch die 30jährige Berjähnmg und die Appellationssumme.

101

Viertes

Kapitel.

Restitutio in integrum, (cf. $. 65.)

§. 146.

Bjegriff u|nb Arten. Insofern die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumnisse oder Versehn beim gerichtlichen Verfahren nachgesucht wird, gelten im heutigen Prozesse die römischen Grundsätze der prä­ torischen Restitution. Ganz anders ist die Restitution zu behan­ deln, wenn eine Partei die Rescission einer rechtskräftigen, weder heilbar noch unheilbar nichtigen Entscheidung blos aus dem Grunde verlangt, weil dieselbe nach ihrer Behauptung anders hätte ausfallen müssen, wenn der Richter Thatsachen oder Beweise berücksichtigt hätte, die ihm vor der Entscheidung noch nicht vorgelegen haben. Dieß auf Abänderung der rechtskräftigen Entscheidung direkt gerichtete Rechts­ mittel führt den eigentlichen Namen restitutio contra rem judicatam.

8. 147. Restitutio gegen rechtskräftige Entscheidungen.

Abweichungen von dem Grundsatz, daß gegen rechtskräftige Entscheidungen keine Restitution Statt finde 1 35 — 56 D XLII, 1 tit. Cod sententiam rescindi non posse VII, 50 gestattete daS römische Recht nur: 1) bei Urtheilen gegen Minderjährige 1 43 D IV, 4; 2) bei kondemnatorischen Sentenzen gegen Abwesende 112 C II, 54; 3) bei Sentenzen gegen den FiskuS; 4) bei Entscheidungen, welche auf falschen Zeugnissen oder falschen Urkunden oder auf einem nothwendigen Eide beruhten, falls der Verurtheilte neue Beweismittel aufgefunden hatte, 1 33 D XLII, 1 tit. Cod si ex falsis instrumentis vel testimoniis judicatum sit. VII, 58 1 31 D XII, 2 14 C VII, 52. Das kanonische Recht dehnte das Privilegium der Minderjäh­ rigen auf Kirchen und andre fromme Stiftungen aus Cap 1—3. 7. X I, 41. Die deutsche PrariS ging weiter, indem ste zur Be­ gründung des Restitutionsgesuchs nur neue Thatsachen oder Be­ weismittel verlangte, und der Gemeinbescheid vom 7. Juli 1669

102 setzte fest, daß die Anwälte der Parteien die relevanten nova kurz und bündig einführen und bescheinigen, auch sich mit Spezialvoll­ macht von ihren Machthabern versehen sollten, um den Eid zu lei­ sten, daß weder diese noch sie selbst von den neuen Umständen in der frühern Instanz Kenntniß gehabt hätten. Die Restitution ist sowohl gegen dezisive als gemischte Dekrete so oft zulässig als neue Gründe angeführt werden können, und dauert gegen ein auf falsche Beweismittel basirtes Erkenntniß 20, sonst 4 Jahre; die letztere Frist beginnt für Minderjährige mit der Großjährigkeit, sonst mit dem Augenblick der in Erfahrung ge­ brachten Läsion 1 2. 3 0 II, 44. Cap 6 X, 11, 25 1 7 C 11, 53 Gern un. I, 11. DaS Restitutionsgesuch, welches mit andern Rechtsmitteln ver­ bunden werden kann, wirb bei dem Richter angebracht, der das zu reSzindirende Erkenntniß erlassen hat und suspendirt dessen Erekution. Verfahren wird wie bei den andern devoluten Rechtsmitteln. 1 un. C U, 50.

106 gung aus dem Verkauf derselben nachsuchen 1 26 D XIII, 7, Rechte und Forderungen des Vemrthcilten sollen bei Großjähri­ gen erst nach den Immobilien, bei Minderjährigen vor diesen an­ gegriffen werden 1 5 § 9 D XXVII, 9 1 15 § 7 D h. t. Ausnahmsweise kann eine Wache beim Schuldner eingelegt (manus militaris) und zuletzt Zwang zum Abarbeiten der Schuld angewandt werden. 3) Soll der Verurtheilte eine Handlung vornehmen oder unter­ lassen, so wird nach den Umständen eine Kaution oder Geldstrafe angewandt 1 5 § 6 D VII, 6 1 12 D VIII, 5 1 13 § 1 D h. t. Läßt sich die schuldige Handlung durch Andere verrichten, so wird dieß angeordnet und der Verur­ theilte zur Bezahlung der Kosten gezwungen 1 13 § 1 D h. t. Ist dieß nicht anwendbar, so kömmt im Falle des dolus deS Verurtheilten der Sieger zum juramentum in litem, im Falle der culpa wird das Interesse vom Richter geschäht (§. 98).

§. 154.

Mittel zur Abwendung oder Hemmung der Erekution. Hierhin gehören: 1) liquide Einreden, welche die wesentlichen Voraussetzungen der Erekution betreffen oder aus Zahlung gegründet sind. 2) Ansprüche dritter an das Erekutionsobjekt (§. 20). 3) Ausbruch des ConkurseS oder Erbieten deS Schuldners zur cessio bonorum. 4) Ein vom Schuldner erwirkter Jndnlt (§. 157). Diese Einwendungen sind in jedem Stadium der Erekution zulässig und der Richter muß darüber erkennen.

Anhang.

Conkursprozeß. §. 155. I. Begriff und Geschichte.

Materieller Konkurs ist vorhanden, wenn das Vermögen eines Schuldners zur vollen Befriedigung seiner Gläubiger nicht hinreicht;

107

formeller, wenn mehrere Gläubiger gleichzeitig aus diesem insuffi­ zienten Vermögen ihre Befriedigung nachsuchen; Conkursprozeß — Gant-, Prioritäts-, Conturbations-Prozeß —■ processus cridae s. concursus crcditorum — ist daS Verfahren zur Feststel­ lung der Grundsätze, nach welchen die Befriedigung der verschie­ denen Gläubiger geschehen soll. Die Prozeßart ist insofern sum­ marisch, als die Förmlichkeiten des ordentlichen Prozeffes möglichst vermieden werden und der Richter von AmtSwegen für die schnelle Förderung deS ConkursprozesseS sorgen soll. Nach alten« römischen Recht konnten mehrere Gläubiger den gemeittschastlichen Schuldner körperlich theilen — tertiis nundinis partes secanto stand in den 12 Tafeln. — In Folge einer lex Poetclia (Papiria) vom Jahr 428 a. u. traten Milderungen durch missio in bona, proscriptio, venditio bonorum ein. Die proscriptio war eine öffentliche Bekanntmachung deS bevorstehen­ den Verkaufs. 30 Tage nach derselben, wenn der Schuldner lebte, 15Tage, wenn er todt war, wählten die Gläubiger einen gemein­ schaftlichen magister, welcher den Verkauf besorgte. Dieser geschah nach Ablauf einer gleichen Frist an denjenigen, welcher den Gläu­ bigern die beste Aussicht auf Befriedigung gewährte und dadurch ihr Schuldner wurde — bonorum emtor Gai 111, 78 79 IV 35 J 111, 12. Eine lex Julia (Caesaris) führte die Cessio bonorum ein, und von da bis Justinian erging eine Maffe auf das Conkursver­ fahren bezüglicher Verordnungen Gai 11,155 tit Cod Theod. qui bonis ex lege Julia cedere possunt IV, 20 1 55 D XXV, 1, 1 12 C IV, 1. Die ältern deutschen ConkurSordnungen waren ihrem Wesen nach nur ErekutionSordnungen und das jetzige ConkurSverfahren hat sich erst seit dem 17. Jahrhundert ausgebildet.

8. 156. II. Allgemeine Grundsätze.

AuS dem Hauptzweck deS ConkuröverfahrenS, das Vermögen deS Gemeinschuldners so zu Vertheilen, daß jeder Gläubiger gegen weitere Ansprüche auf daS ihm Angewiesene sicher sei, folgt: 1) daß das ganze Vermögen deS Schuldners eine Masse bil­ den muß; 2) daß sämmtliche Gläubiger ihre Ansprüche gleichzeitig geltend machen müssen; 3) die Verwaltung deö Vermögens und die Prüfung, Anerken­ nung und Befriedigung der Forderungen unter richterlicher Mitwirkung geschehen muß. Dies ist die Universalität deS deutschen ConkursprozesseS.

108 §. 157. HI. Verfahren. A. Vorbereitendes Verfahren. a) Eröffnung des Conkurses. Die Eröffnung deS Verfahrens darf nie Amtswegen geschehen, sondern setzt voraus entweder Erklärung der Insolvenz Seitens des SchuldmrS selbst oder einen Antrag, sei es deS Schuldner-, sei eS eines oder mehrerer Gläubiger. Im letztem Falle bedarf eS einer Untersuchung über die Zulässigkeit, zu welchem Zweck dem Schuld­ ner aufgegeben wird, binnen einer gewissen Frist seine Zahlungs­ fähigkeit bei Vermeidung der Conkurseröffnung nachzuweisen. Wird der Antrag gegründet befunden, so geschieht die Eröffnung durch ein

Dekret —• decretum de apperiundo concursu — wogegen der Schuldner Rechtsmittel hat. Während dieser Untersuchung müssen alle Exekutionen einge­ stellt (sistirt) und Maßregeln getroffen werden, um jede Vermö­ gensverminderung zu verhindern. Zur Abwendung des ConkurSverfahrenS hat der Schuldner daS Mittel des Anstandsbriefs — induciae, Literae induciales, Moratorium, eiserner Brief, Hüthe, welche beim Regenten nachge­ sucht wird und auf eine nach den Umständen sich richtende Zeit ertheilt werden kann. Zu motiviren ist daS Gesuch dadurch, daß der Schuldner seine Schuldlosigkeit und die Wahrscheinlichkeit nach­ weist, daß er binnen der erbetenen Frist zahlungsfähig wird, auch muß er wegen der künftig zu leistenden Zahlung Eaution stellen. KGO von 1577 XXIII § 4 1 4 C I, 19.

§. 158. Wirkungen der Konkurseröffnung. Ist daö decretum de aperiundo concursu rechtskräftig und kein Moratorium ausgewirkt, so treten folgende Wirkungen ein: 1) der Schuldner — Gemeinschuldner, Gantmann, Cridar — verliert den Besitz seines Vermögens und die Befugniß, irgend eine den Gläubigern nachtheilige Verfügung zu treffen 1 6 § 7

D XLII, 8 2) fein ganzes richts ; 3) Sämmtliche creditorum

13. 5. D XLII, 3 1 2 C VII 71; Vermögen geräth unter Administration deS Ge­ Gläubiger bilden eine Gemeinschaft •— corpus — deren Objekr die ConkurSmaffe ist, 1 12 pr.

D XLII, 5, welche von ihnen aktiv und passiv repräsentirt wird. Daher muß daS Gericht, welches von nun an füralle diese Masse angehenden Forderungen ausschließlich kom-

109 Petent wird — Attraktionskraft deS Konkurses — alle BermögenSstücke des Schuldners konzentriren. 8. 159.

b) Handlungen deS Gerichts nach eröffneten Konkurs. 1) Hinsichtlich deS Vermögens.

Die nächste Sorge deS Gerichts muß auf die Sicherstellung deS Vermögens gerichtet fein. Daher werden alle Sachen, die nicht aufbewahrt werden können, versteigert, die übrigen versiegelt oder gehörig bewacht, die Schuldner des CridarS angewiesen, jede Zah­ lung an diesen einzustellen, ein Inventarium muß ausgenommen, dem Schuldner der ManifestationSeid abgenommen und wenigstens pro­ visorisch ein Kurator bestellt werden. 2) Hinsichtlich der Gläubiger. Um eine Uebersicht über den Schuldenstand zu gewinnen, wer­ den die bekannten Gläubiger durch besondere, die unbekannten durch Ediktal- (durch öffentliche Blätter zu bewirkende) Ladungen aufge­ fordert, in einem peremtorischen Termin (LiquidationStermin) ihre Ansprüche anzuzeigen und zu bescheinigen, widrigenfalls sie von die­ sem Konkurse ausgeschlossen werden würden. Zugleich wird ein Rechtsverständiger zum Contradiktor — curator litis — bestellt und vereidigt, dessen Funktion hauptsächlich ist, Erklärungen über die Richtigkeit der Ansprüche abzugeben.

8. 160. c) Eintheilung der Gläubiger.

I. Vindikanten sind diejenigen, welche gewisse Vermögensstücke mit der Vindikation oder einer ContrakSklage von dem Cridar zu­ rückfordern. 1 24 8 2 D XLII, 5 1 30 1 V, 12 1 6 C 17, 61. II. Rein persönliche Gläubiger haben nur Ansprüche an die Person deS CridarS. Diese beide Kategorien scheiden auS, weil sie mit der Masse nichts zu thun haben. III. Eigentliche Massegläubiger heißen die, deren Ansprüche nach eröffneten Konkurse und nicht auS einem Rechtsverhältnisse zum Cridar, sondern zum Gläubigerkorps entstanden sind. IV. Eigentliche Konkursgläubiger sind die, welche ihre Ansprüche nur durch Theilnahme am Konkurs geltend machen können.

110 Sie zerfallen in 1) solche, welche sich an die Masse als solche halten müssen. 2) Separatisten, d. h. solche, welche eine Trennung gewisser Stücke der Masse zu ihrer ausschließlichen Befriedigung for­ dern dürfen. Hierzu gehören nach römischen Recht: a) Die Gläubiger eines Erblassers, welche innerhalb fünf Jahren nach dem Erbschaftsantritt ausdrücklich verlan­ gen, daß der Nachlaß zu ihrer Befriedigung von dem Vermögen deS Erben getrennt werde, tit D de sepa­ rat. XLII, 6. b) Die Gläubiger eines HauSsohns wegen des peculii castrensis 1 7 D XLIX, 17. c) Die Gläubiger eines Sklaven, welcher zwei getrennte Handlungen — tabernas — führte. 1 5 § 15. 16 D XVI, 4. DaS deutsche Recht fügt die Gläubiger eines Vasallen hinsichts deS LehnsgutS hinzu ■— Eichhorn Einleitung in das deutsche Privatrecht §. 235. — Diese Separation ruft ein besonderes ConkurSverfahren hervor, an dem nur die Separatisten Theil nehmen. WaS nach ihrer Befriedigung übrig bleibt, akkreszirt der Conkurömasse.

8. 161. d) Liquidationstermin, Bestellung des CuratorS und Präklusion. Im Liquidationstermin wird ein Protokoll ausgenommen, wel­ ches die sich meldenden Gläubiger unter fortlaufenden Nummern auf­ führt und worin bei jedem einzelnen dessen Anspruch beschrieben wird. Hierauf versucht der Richter, die Gläubiger zu Stundungen oder Erlaß zu bewegen. Ein Stundungsvertrag seht Majorität der mit liquiden Forderungen versehenen Gläubiger voraus und kann dadurch auf 5 Jahre zu Stande kommen. Ein Nachlaßvertrag aber findet durch bloße Stimmenmehrheit nicht Statt. Wird kein solcher Ver­ trag geschlossen, so trägt der Contradiktor auf Präklusion der Gläu­ biger an, die sich nicht gemeldet haben, und der Curator muß jetzt definitiv gewählt werden. Curator bonorum — Gütcrpfleger, ist die nach den allge­ meinen Regeln von der Curatel zu behandelnde und durch Stimmehrheit der Gläubiger zu wählende, vom Gericht zu bestätigende Person, welche die Masse zu verwalten hat. Ihre vorzüglichen Funktionen sind: 1) Anfertigung des Inventars.

111 2) Feststellung der Masse durch Anwendung der gesetzlichen Mit­ tel gegen die Schuldner derselben und gegen Alle, welche ihr etwas vorenthalten oder nachtheilige Handlungen unternom­ men haben. 3) Verwaltung durch zweckmäßige Nutzung und Verwerthung der Masse. 4) Jährliche Rechnungslegung. Die Präklusion der Gläubiger, die trotz bescheinigter Aufforde­ rung im Liquidations-Termine ausgeblieben sind, geschieht durch ein Dekret — Präklusivbescheid, welcher öffentlich bekannt gemacht wird und wogegen alle Rechtsmittel zulässig sind. 8. 162. B. Hauptverfahren. a) Liquidation«;- und Prioritätsverfahren.

DaS Liquidationsverfahrcn ist das auf möglichst schnelle Ent­ scheidung der Ansprüche gerichtete Verfahren der Gläubiger gegen den Contradiktor. Sämmtliche Ansprüche werden gleichzeitig, aber in getrennten Akten, in der nämlichen summarischen Prozesiart (wo dieß irgend zulässig ist) verhandelt und die Klage wird durch einen Auszug aus dem Liquidationsprotokoll ersetzt. Die Verhandlungen, wobei sich der Contradiktor wie jeder Beklagter zu geriren hat, kön­ nen bis zur Dnplik forgcführt werden; stehen die Streitfragen bei jedem einzelnen Liquidat fest, so erfolgt zwar der Aktenschluß, die Entscheidung aber erst im Prioritätscrkenntnisse (§. 163). Das Prioritätsvcrfahren, welches häufig mit dem Liquidations­ verfahren verbunden wird, hat es mit der Stellung der einzelnen Ansprüche gegen einander zu thun, weshalb hier nur die einzelnen Liquidanten in Betracht kommen. 8. 163.

b) Lokationsurtheil.

Gegenstand des LvkationS- (Prioritäts-, CollokationS-, Clafsifikations-) Urtheils ist hauptsächlich die Priorität und Liquidität der vorgebrachten Ansprüche. In demselben wird über sämmtliche Li­ quidationen gleichzeitig und neben einander entschieden und auf diese Weise daS Verbältniß jeder einzelnen Lokation zu allen übri­ gen so bestimmt ausgedrückt, daß cö für jedes einzelne Liquidat ein der Lage der Spezialakten, worin dasselbe verhandelt worden ist, entsprechendes vollständiges Urtheil enthält; ein förmliches Beweis­ interlokut wird aber nicht abgefaßt, sondern der bei einer Lokation etwa auferlegte bessere Beweis der Liquidität und Priorität wird als Bedingung der Lokation ausgesprochen.

112

8. 164. c) Weiteres Verfahren.

Nach Publikation des LokationSurtheiS werden die Verhandlun­ gen über die Liquidität und Priorität fortgesetzt; dahin gehören Verhandlungen über die zur Bedingung gestellte Beweisstihrung, (§. 163) über die vom Contradiktor oder einem Liquidanten ergriffenen Rechtsmittel, welche sowohl gegen daS PrioritätSurtheil als gegen das zweite nach beendigter Beweisführung in den Spezial­ akten ergangene Urtheil gerichtet sein können. Ist das Verfahren bei allen Liquidationen beendigt, so wird der Contradiktor seines Amtes entlassen. 8. 165. d) Distributionsbescheid.

AuS ökonomischen Gründen, z. B. zur Ersparung der Admi­ nistrationskosten, geschieht häufig schon nach dem Präklustonsbescheide eine theilweise Auszahlung. Die eigentliche Vertheilung der Masse aber erfolgt erst nach rechtskräftig feststehender Liquidität und Pri­ orität aller Ansprüche und definitiver Berichtigung der Masse. Als­ dann ergeht der Distributionsbescheid über den Bestand der Masse und diejenigen Gläubiger, welche nach Anleitung deS Lokationsurtheils zu befriedigen sind, unter Ansetzung eines Termins zur Aus­ zahlung.

Inhalt. Einleitung. Begriff und Quellen des gemeinen deutschen CivilprozesseS.

Gegenstand des CivilprozesseS und außergerichtliche Mittel, einen Rechts­ streit zu erledigen........................................................................ §. Gerichtliche Mittel........................................................................ Quellen.......................................................................................... -

1. 2.

3.

Allgemeiner Theil.

Gerichtsverfassung, allgemeine Bestand theile und Grundsätze des Verfahrens in Zivilsachen.

Erster Abschnitt. Römische Gerichtsverfassung. A. Aeltere bis Diokletian. Jurisdictio und Imperium.................................................................................§. Iudices........................................................................................................................ B. Neuere seit Diokletian................................................................ -

4. 5. 6,

Zweiter Abschnitt.

Aeltere geiftlche und deutsche Verfassung. A. Bis zur Errichtung des Reichskammergerichts §. B. Seit Errichtung des Reichskammergerichts und des Reichshofraths . -

7. 8.

114 Dritter Abschnitt. Heutige deutsche Gerichtsverfassung.

A. Gerichtsbarkeit. Begriff und Eintheilung ,....................... ..... .............................................§. Delegirte, mandirte, Patrimonial-Gerichtsbarkeit....................................... -

9.

10.

B. Gerichtsorganisation.

I. Competenz und Instanzeuzug....................................................................§.11. II. Gerichtspersonal.......................................................................................... 12.

C. Forum. Begriff und Arten............................................................................................... §.13. Gesetzliche Gerichtsstände.....................................................................................14. Befreite Gerichtsstände.....................................................................................15. Außerordentliche Gerichtsstände................................................................... 16. Gewillkürte und erweiterte Gerichtsstände................................................... 17. Verhältniß verschiedener Gerichtsständezn einander.....................................18.

Vierter Abschrift. Von den Parteien, Assistenten und Vertretern.

A. Hauptpersonen. Kläger und Beklagter.......................................................................................... §.19. Intervention. Litisdenunziation. Adcitation..........................................20. Fähigkeit zur Prozeßführung..........................................................................21. Obligatorisches Verhältniß zwischen den Parteien.................................. 22. B. Nebenpersonen, Advokaten................................................................................................................ §.23. Stellvertreter......................................................................................................24. Bestandtheile, Umfang und Arten der Vollmacht....................................... 25. Rechtliche Stellung des Anwalt....................................................................26. Notarien........................................................................................................... 27.

Fünfter Abschnitt. Prozessualische Thätigkeit des Gerichts und der Parteien im

A l l g e m e i n e n.

A. Verschiedene Marimen der Verfahrens................................................... §.28. B. Handlungen der Parteien. I. Klagen. Begriff und Arten................................................................................................§.29. Aufhebung der Klagen............................................. ..... ..................................30. Klagenkonkurrenz.......................... ,.................................................................. 31. II. Einreden...................................................................................................... 32.

115 C. Handlungen des Gerichts. a) Oute- oder Sühneversuch und Prozeßdirektion.....................................§.33. b) Dekrete..................................................................................................... 34. c) Form und Wirkung der Dekrete......................................................... 35. il) Gerichtsort und Zeitbestimmungen...................................................... 36. e) Folgen des Ungehorsams gegeu Dekrete................................................37. Obligatorisches Verhältniß der Gerichte gegen die Parteien .... - 38.

Besonderer Theil. Das Prozeßverfahren.

Einleitung. Die römischen Prozeduren.

Ordo iudiciorum privatorum..................................................................... §. Ort und Zeit des Verfahrens ................................................................ Partes...........................................................................................................Einleitung des Prozesses...........................................................................-

39. 40. 41. 42.

A. Verhandlnngen in iure.

I. Legis actiones. Sacramentum................................................................................................ §. Vindicatio..................................................................................................... Die übrigen legis actiones ...................................................................... legis actio per manus incectionem......................................................-

43. 44. 45. 46.

II. Formulae. Begriff und Inhalt..................................................................................... §.47. 1) Arten der Formeln................................................................................48. 2) Condictiones — stricti iuris — bonac fldci actiones . . . . - 49. 3) Actiones directae — utiles — ficticiae — in factum . . . . - 50. 4) Formulae in ius, in factum conceptae, actiones praescriptis verbis - 51. 5) arbitrariae formulae.......................................................................... 52. Zusammenstellung der partes formulae................................................ 53. Fehlerhafte Formeln..................................................................................... 54. Sponsiones..................................................................................................... 55. Interdicta..................................................................................................... 56. Praescriptiones...........................................................................................57. Exceptiones................................................................................................ 58. Replicatio, duplicatio etc............................................................................. 59. Litis contestatio.......................................................................................... 60. Surrogate der litis contestatio................................................................ 61. Stellvertretung........................................................................................... 62. Arten und Rechtsverhältnisse der Vertretung........................................... 63.

116 III. Extraordinaria cognitio.................................................................In integrum restitutio...................................................................... IV. Reskriptsprozeß................................................................................ Verhandlungen in iudicio................................................................ -

64. 65. 66. 67.

Erstes Buch. Heutiges Verfahren in erster Instanz.

Erster Abschnitt. Verfahren im ordentlichen Prozesse.

Einleitung...............................................................................................................§.68. Erstes

Kapitel.

DaS erste Verfahren.

Libellus conventionis

.

.

.

............................................................. §.69. 70.

Verfügungen auf die Klage und Wirkungen............................................. Vertheidigung des Beklagten: 1) gegen die Form des Angriffs..............................................................2) gegen den Inhalt der Klage, Litiskontestation..................................Widerklage..........................................................................................................Richterliche Verfügung auf die Vertheidigung und weitere Verhandlun­ gen im ersten Verfahren................................. ............................................ Andere Mittel zur Feststellung des SachverhaltniffeS............................ Erstes Urtheil.................................................................................................... Abweichungen von dem regelmäßigen Gang des ersten Verfahrens . . Zweites

71. 72. 73.

74. 75. 76. 77.

Kapitel.

Beweisverfahren.

A. Einleitung, Begriff und Cintheilungen.................................................. §.78. Beweisinterlokut......................................................................................... 79. Wirkungen des Beweisurtheils............................................................. 80. Beweis rum ewigen Gedächtniß..............................................................81. Die Perroden des Beweisverfahrens........................................................ 82. B. Die einzelnen Beweismittel. I. Beweismittel ohne Beweisführung........................................................ 83. II. Beweismittel, welche eine Beweisführung voraussetzen .... 84. A. Zeugen. 1) Beweisführung durch Zeugen..............................................................85. 2) Produktionsverfahren..............................................................................86. B. Urkundenbeweis. I. Begriff, Akten und Beweiskraft der Urkunden...................................... §.87. II. Edition der Urkunden......................................................................... 88. III. Verfahren beim Urkundenbeweis. 1) Beweisantretung.............................................................................. 89. 2) Produktionsverfahren....................................................................90. 3) Insbesondere beiPrivaturkunden............................................... 91.

117 C. Beweis durch richterlichen Augenschein......................................................... Beweis durch Sachverständige....................................... I) Beweisführung dabei....................................................................................E. Beweis durch den Eid. 1) Begriff und Arten................................................................................... 2) Vcm zugeschobenen Eid..............................................................................3) Beweisaufnahme und Beendigung des Verfahrens........................... 4) Vcm Schätzungseid................................................................................... Mittel zur Ergänzung eines mangelhaften Beweises................................. Nothwendige Eide................................................................................................... Grundsätze bei kollidirenden Beweismitteln....................................................... -

92. 93. 94. 95. 96. 97. 98. 99. 100. 101.

Zweiter Abschnitt. Dom Verfahren im summarischen Prozesse.

Begriff und Geschichte................................................................................... §. 102. Allgemeine Grundsätze und Eintheilungen....................................................... - 103. Erstes

Kapitel.

Unbestimmter summarischer Prozeß. Allgemeine Grundsätze................................................................................... $. Zulässigkeit.......................................................................................................... provocatio ad agendum................................................................... >• a. provocatio cx lege diffamari........................................................ b. provocatio ex lege si contendat ............................................. RechnungSprozeffe....................................................................................Befitzprozesse......................................................................................... possessorium summarium s. Summariissimum....................... Verfahren bei interdictis secuperandae und adipiscendae possessionis Allgemeine Grundsätze....................................................................................-

Zweites

104. 105. 106. 107. 108. 109. 110. 111. 112. 113.

Kapitel.

Bestimmte summarische Prozesse.

I. Arrestprozeß. 1) Begriff und Arten.................................................................................. $. 2) Arrestgesuch................................................................................................3) Verfahren............................................................................................... II. Mandatsprozeß. 1) Begriff und Arten.................................................................................. §. 2) Verfahren: a. beim unbedingtenMandatsprozeß...................................................b. beim bedingtenMandatsprozeß.........................................................III. Erekutivprozeß. 1) Begriff......................................................................................................... 2) Verfahren............................................................................................... IV. AdhäfionSprozeß.............................................................................................. -

114. 115. 116-

117. 118. 119.

120. 121. 122.

118 Zweite- »ach. Verfahren in den höheren Instanzen oder von den Rechtsmitteln. Begriff und Eintheilung der Rechtsmittel............................................ §. 123.

Erster Abschnitt. Von den eigentlichen Rechtsmitteln.

Gemeinschaftliche Voraussetzungen......................................................... $.124. Wirkungen derselben.................................................................................. - 125. Verfahren in zweiter Instanz................................................................... - 126. I. Anrufung des höhern Richters. 1) Einwendung der Rechtsmittel ..........................................................§. 127. 2) Einführung...................................................................................... - 128. 3) Rechtfertigung und weitere- Verfahren........................................... - 129. Conkurrenz und außerordentliche Beendigung der Rechtsmittel . . . ; 130.

Zweiter Abschnitt. Die einzelnen Rechtsmittel.

Erstes

Kapitel.

Appellation.

J. Geschichtliche Einleitung.

A. Römisches Recht. a) der republikanischen Zeit......................................................... $.131. b) unter dem Prinzipat .......................................................... 132. c) Ausbildung der Appellation.................................................133. B. kanonisches Recht.................................................................... 134. C. Deutsches Recht.........................................................................135. Appellation gegen Definitivurtheile und gleich kräftige Beiurtheile A. Voraussetzungen......................................................................... 136. B. Verfahren. a) vor dem Unterrichter.......................................................... * 137. b) vor dem Oberrichter .......................................................... 138. c) weiteres Verfahren............................................................... * 139. HI. Appellation gegen Beiurtheile...........................................................* 140.

ZweiteRevision

Kapitel.

.................................. Drittes

$.141 Kapitel.

Nichtigkeitsbeschwerden.

I. Römische- und CanonischeS Recht..................................................... $. II. Deutsches Recht.................................................................................. Arten der Nichtigkeitsbeschwerde und gemeinschaftliche Grundsätze . . Nichtigkeitsbeschwerde als ordentliches und außerordentliches Rechtsmittel -

142. 143. 144. 145.

119 Viertes

Kapitel.

Restitutio in integum. Begriff und Arten ................................................................. S* Restitution gegen rechtskräftige Entscheidungen ? 147.

Erekution.

Drittes Buch.

Begriff und Voraussetzungen Sudjekt, Objekt und Direktion der Erekution Verfahren: A. bei den Römern B. Heutiges Verfahren. a) im Allgemeinen b) Erekutionsmittel Anwendung dieser Mittel aus die verschiedenen Leistungsobjekte Mlttel zur Abwehrung oder Hemmung der Erekution

Anhang.

8 148. - 149.

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I. Begriff und Geschichte II. Allgemeine Grundsätze ConkurSprozeß. III. DaS Verfahren. A. Vorbereitendes Verfahren. a) Eröffnung des ConkurseS Wirkungen der Conkurseröffnung b) Handlungen des Gerichts nach eröffnetem ConkurS . . . c) Eintheilung der Gläubiger d) Liquidationstermin, Bestellung des Curators u. Präklufion . B. Hanptverfahren. a) Liquidations- und Prioritäts-Verfahren lr) LokationSurtheil c) Weiteres Verfahren