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German Pages 167 [333] Year 2022
LehrreiHe Erzählungen des Miguel Cervantes de Saavedra
übersetzt »en Friedrich Sigismund Siebmann.
Erster Theil.
Berlin, bei Johann Friedrich Weiß.
1810.
*555555555555555555555*
Vorbericht.
-4»/ Die Eifersucht, sagte Preciofa, läßt der Ver nunft, wie mich dünkt, nie die Freiheit, die Dinge zu beurtheilen wie sie sind. Die Eifer süchtigen sehen immer durch Ferngläser, welche kleine Dinge zu großen, Zwerge zu Riesen und Argwohn zur Wahrheit machen. Bet Deinem und meinem Leben, Andres, h-mvle hierin und in allem was unser Verhältniß angehen sollte, verständig und überlegt, denn wenn Du also thust, wirst SDiT mir die Palme der reinsten Ehr barkeit, Zucht und Wahrhaftigkeit zuerkennen müssen! — Hiermit trennte sie sich von Andres,
welcher den Anbruch des Tage« erwartete, um den Verwundeten In die Beichte zu nehmen. Mit einer Seele voll Besorgnissen und tausend wi dersprechenden Vorstellungen, konnte er nicht anders glauben, als daß der Page, angezogen von Preciosa's Liebreiz, dorthin gekommen sei, denn: „Diebe meinen es stehlen alle!" Von der andern Seite schien ihm die Versicherung, die ihm die schöne Preciosa gegeben hatte, so zuverlässig, daß er verpflichtet war, ruhig zu sein, und sein ganzes Glück in ihre treuen Hände niederzulegen. Der Tag brach an. Er besuchte den Verwundeten und fragte ihn, wie er sich nenne, wohin er gehe und weshalb er so spät und abwärts vom Wege gewandert sei, wiewohl be er ihn denn doch zuvor fragte, finde, und ob er keinen Schmerz von den Dis sen fühle. Der Jüngling antwortete, er be finde sich dergestalt besser und ohne Schmerz, daß er sich auf den Weg machen könne. Die Auskunft über seinen 'Namen und wohin er wolle anlangrnd, so sagte er hierüber nichts weiter, als daß er Alonzo Heimlich heiße, und wegen einer gewissen Angelegenheit zu Unsrer Frauen zum Felsen von Frankreich reise; daß er um schnell hinzukommen bei Nacht reise, in der verflossenen aber den Weg verloren habe und
86 zufällig in das Lager gerathen sei, wo die Hunde die es bewachten ihn so* zugerichtet hätten, wie
er selbst gesehen habe. — Diese Auskunft dünkte Andres
nicht wahrhaft,
dächtig.
Der Argwohn beunruhigte sein Herz
sondern
ver
sehr
von neuem, und er sagte also zu ihm: Wär ich ein Richter, Freund, und Zhr wärt irgend ei,
nes Verbrechens halber, das diese von mir Euch
vorgelegten Fragen erforderte, meinem Gerichts so würde Eure Antwort
zwange unterworfen,
es nöthig machen, Euch Daumschrauben anzu sehen.
Ich will nicht.wissen, wer Zhr seid, wie
Zhr heißt und wohin Zhr wollt, aber ich r
he
Euch, wenn Zhr es dienlich haltet, auf dieser
Reise zu lügen, daß Zhr mit mehr Wahrschein, lichkeit lügen mögt. Felsen
von
Zhr sagt, Zhr geht zum
Frankreich,
und laßt ihn rechter
Hand wohl mehr al« dreißig Meilen hinter dem
Orte wo wir un« befinden; Zhr reiset die Nacht um schnell anzulangen,
intb geht abwärts vom
Wege, durch Busch und'Wald, wo kaum ein Fußsteig ist, geschweige denn ein Weg.
Steht
auf, Freund, und lernt lügen und macht daß Zhr fortkommt.
Abex^wollt Zhr mir nicht für
diesen guten Raeh^ölNs sagen? Zch denke Zhr
werdet es thun, versteht.
da Zhr das Lügen so schlecht
Sagt mir, ob Zhr nicht derselbe seid.
den ich oftmals in der Residenz unter Pagen und Rittern gesehen habe und der den Ruf eines großen Poeten hatte? Derselbe, der auf ein ZigeunermLdchen, das sich vor einiger Zeit in Madrid sehen ließ und für eine seltne Schön heit gehalten wurde, eine Romanze und ein Sonnet verfertiget hat? Sagt es mir und ich verspreche Euch, auf Zigeuner-Ritterehre, Euer Geheimniß zu bewahren wie Ahr nur wollt. Bedenkt daß Euch das Läugnen, als wärt Ihr der nicht für den ich Euch halte, nicht heraus hilft, denn dies Gesicht, das ich hier sehe, ist ohne allen Zweifel eben das welches ich in Ma drid gesehen habe, weil der große Ruf Eurer Geistesgaben mich oft veranlaßte, Euch, als ei nen seltnen und ausgezeichneten Menschen, zu betrachten, und daher hastete Eure Bildung in meinem Gedächtniß, so daß ich Euch erkannt habe, obwohl Zhr jetzt anders als damals ge kleidet geht. Beunruhigt Euch nicht, ermuthigt Euch und denkt nicht daß Zhr in eine Räuber horde gerathen seid, sondern in eine Freistatt, die Euch gegen eine Welt schützen und verthei digen wird. Seht, ich denke mir eins, und ist es so wie ich denke, so habt Zhr eö glücklich ge troffen, daß Zhr auf mich gestoßen seid. Zch denke mir, Zhr seid aus Liebe zu Preciosa hier-
hergekommen, jenem reizenden ZigeunermLdchen, für die Zhr die Verse gemacht habt,
und um
sie aufzusuchen, weshalb ich Euch auch nicht ge
ringer vielmehr höher schätzen werde, denn, wie wohl ich ein Zigeuner bin, so hat mich die Er
fahrung doch gelehrt,
wie mächtig die Gewalt
der Liebe ist und zu welchen Verwandlungen sie
diejenigen vermag,
die sie unter ihre Herrschaft
und Botmäßigkeit zwängt! ich glaube, nun wohl:
Zst dem also wie
das Zigeunermädchen ist
hier! — Za sie ist hier, denn ich sah sie in die,
ser Nacht!
sagte vertränke (und Andree war
bei diesen Worten mehr todt als lebendig er sah
weil
daß sein Argwohn sich bestätigt habe).
Zch sah sie in dieser Nacht, fuhr der Züngling
fort, allein ich wagte es nicht ihr zu sagen, wer
ich sei,
weil ich es nicht für dienlich hielt. —
Zhr seid also der Port von dem ich sprach? sagte Andree. —
Züngling, läugnen.
Za, der btzi ich, versetzte der
denn ich kann und mag es nicht Vielleicht bin ich zu meinem Heil da
hin gekommen, wo ich Verderben -wähnte, wenn andere Treu
und Glauben
in
den Wäldern
wohnt und gastliche Aufnahme in den Bergen! —
Gewiß!
und unverbrüchliche Verschwiegenheit
bei Zigeunern!
antwortete Andres.
Zn dieser
Zuversicht könnt Zhr, Herr, Euer Herz mir
öffnen und Zhe werdet keine Falschheit im mei nigen entdecken.
Da« Zigeunermädchen ist meine
Verwandte und sie muß thun
Wollt Zhr sie zum Weibe,
was ich
will.
so soll ee mir und
allen ihren Verwandten lieb sein,
oder begehrt
Zhr sie bloß zur Geliebten, so werden wir uns
auch nicht zieren,
vorausgesetzt daß Zhr Geld
habt, denn die Liebe zum Gelde verläßt uns nun
einmal nicht. — Geld habe ich, antwortete der
Jüngling;
in den Aermeln dieses Hemds, das
ich um den Leib trage, stecken vierhundert Gold scudi. —. Dies war ein zweiter tödtlicher Schreck
für Andres, denn er war nun überzeugt, daß jener nur deshalb soviel Geld bet sich führe, um
seine Geliebte zu gewinnen oder zu erkaufen und
er sagte fast stammelnd:
Summe!
das ist eine hübsche
Zhr dürft Euch nur entdecken und
dann die Hand ane Werk,
denn die Dirne ist
nicht dumm und sie wird einsehen, welch Glück ee für sie ist die Eurige zu
werden. —
Ach
Freund! unterbrach ihn der Züngling, wisset, daß es nicht^vie Gewalt der Liebe ist, wie Zhr
meint, noch der Wunsch Preciosa zu besitzen, die mich zur Verkleidung bewogen haben,
denn
Madrid besitzt Schönen, welche ee nicht minder und besser als die schönsten Zigeunerinnen ver stehen,
Herzen zu rauben und Seelen zu feft
fein, wiewohl ich zugebe, daß bet" Liebreiz Eurer Verwandtin alle weit hinter sich zurückläßt die ich kenne. Daß ich aber in diesem Aufzuge, zu Fuß und von Hunden gebissen bin, ist nicht da« Werk der Liebe, sondern meine« Unglücks. — Bet diesen Worten de« Jüngling« erholte sich Andre« wieder, denn sie schienen sich auf etwa« ganz andere« zu beziehen, al« er sich einbildete und da er sehnlich au« dieser Ungewißheit ge rissen zu werden wünschte, so bestärkte er ihn noch mehr in der Zuversicht, dass er sich ihm entdecken könne und -der Jüngling fuhr also fort: Ich befand mich zu Madrid in dem Hause eine« großen Herrn, dem ich nicht al« Herrn diente sondern al« meinem Verwandten. Die, fee hatte einen Sohn, seinen einzigen Erben, der mich, theil«, weil wir Verwandte, theil« weil wir beide von gleichem-Alter und gleicher Gemüthsart waren, mit großer Vertraulichkeit und Freundschaft behandelte. Nun ereignete e« sich, daß dieser Ritter in ein vornehme« Fräu# lein sich verliebte, das er überaus gern zur Ge mahlin erwählt haben würde, wenn er nicht, al« guter Sohn, seinen Willen dem seiner El tern untergeordnet hätte, die den Wunsch heg ten, ihn noch glänzender zu vermählen. Sem# vhngeachtet war er ihr, unbemerkt von allen
9i Augen, die ihn kannten, ergeben, und nur diö
meinigen waren Zeugen seiner Neigung. einer Nacht,
Zn
die das Schicksal zu dem Unglück
erwählt haben mußte, das ich Euch jetzt erzählen will, als wir beide in der Straße dieser Dame
vor ihrer Thür vorübergingen,
erblickten wir,
angelehnt an diese, zwei Männer, von anständi-
gem Aeußern, 'wie es schien.
Mein Verwandter
wollte sie näher ins Auge fassen, kaum bewegte
er sich aber auf sie zu,
als sie sehr schnell zu
Dege» und Schilden griffen und auf uns eindrangen.
Wir thaten dasselbe und wir kämpft
ten mit gleichen Waffen.
Der Kampf war mit
dem Leben der beiden Gegner schnell geendet, denn zwei Stöße, geführt von meines Verwandten Eifersucht und meinem helfenden Arm,
be
raubten sie dessen (ein ärgerlicher seltner Unfall). Sieger wider unsern Wlllen, kehrten wir nach Haus zurück,
nahmen heimlich soviel Geld als
möglich mit uns,
flohen nach San Geronymo
und erwarteten
den Anbruch des Tages,
die That und
die Vermuthungen
mußte,
der
offenbaren
die man in Hinsicht der Thäter hegte.
Wir erfuhren,
daß man nicht den geringsten
Verdacht auf uns hatte und die klugen Mönche
riechen uns, wir sollten nach Haus zurückkehren und nicht etwa durch unsre Abwesenheit Arg-
wohn veranlassen und wecke«/ und als wir eben ihren Rath befolgen wollten, benachrichtigte man
uns, daß die Herren Hofrichter die Eltern de«
Fräuleins und da« Fräulein selbst in ihrer Woh
nung verhaftet hätten und daß, unter mehreren vernommenen Bedienten, ein Mädchen des Fräu
leins ausgesagt habe, mein Verwandter komme
bei Tag und bet Nacht zu ihrer Gebieterin; daß man ferner, auf den Grund dieser Anzeige, uns eilig nachgeforscht, und daß, da man uns nicht gefunden habe, wohl aber viele Merkmale unsrer Flucht,
wären
die ganze Residenz überzeugt sei,
wir
die Mirder jener beiden Ritter
(denn
das waren sie und zwar sehr vornehme).
Kurz,
nachdem wir vierzehn Tage im Kloster versteckt
gewesen waren, begab sich mein Gefährte, auf
Anrathen des Grafen, meines Verwandten, und der Mönche, in Mönchstracht mit einem Kloster
bruder auf den Weg nach Arragon, in der Ab, sicht nach Italien zu gehn und von dort nach
Flandern, bis man absehen könne, was aus der Sache werde.
Zch fand es dienlich, unser Loos
zu trennen und zu vereinzeln,
und damit un
sere Schicksale nicht gleichen Weges gehen möch
ten, verfolgte ich einen andern Weg, von dem seinigen verschieden,
in
der Kleidung
eine«
Laienbruders, zu Fuß und in Gesellschaft eine«
Mönchs, der mich in Talavera verließ, vonwo ich allein und vom Wege verirrt wanderte, bi« ich gestern Nacht in diesen Eichenwald gelangte, wo mir begegnet ist was Ihr gesehen habt. Wenn ich nach dem Wege zum Felsen von Frankreich fragte, so geschah es nur, um auf Eure Frage doch etwas zu antworten, und ich weiß wahrlich nichts weiter davon, als daß er oberhalb Salamanca liegt. — Ganz recht, er wiederte Andres, und damit Ihr doch seht, welch einen graben Weg Ihr dorthin gewählt hättet: Zhr habt ihn beinah zwanzig Meilen von hier rechts liegen lassen l — Der, welchen ich eigentlich zu nehmen gedachte, versetzte der Züngling, ist-der nach Sevilla, denn dort finde ich «inen genuefischen Ritter, einen vertrauten Freund des Grafen meines Verwandten, wel» cher große Quantitäten Silber nach Genua zu senden pflegt, und ich hege den Wunsch, daß ee mich denen beigesellen soll, welche es fortzu schaffen pflegen, als gehörte ich zu ihnen. Durch diese List werde ich ficher nach Cartagena ge langen können und von da nach Italien, denn es werden sehr bald zwei Galeren ankommen, um das Silber einzunehmen. Die«, guter Freund, ist meine Geschichte. Urtheilt nun, ob ich- sa gen kann, daß nicht sowohl unbedeutende Liebes-
Händel Ihre Quelle sind,
fälle.
als schwere Unglücks,
Wenn die Herrn Zigeuner mich in ihrer
Gesellschaft
nach Sevilla
mitnehmen
wollten
(falls sie dorthin gingen), so würde ich sie sehr gern dafür bezahlen, denn ich bin überzeugt, daß
ich mit ihnen sicherer reisen werde und nicht mit der Desorgniß, die mich peinigt. — Sie werden Euch gewiß mitnehmen, antwortete Andres, und solltet Zhr nicht mit unserer Horde reisen kön
nen (weil ich noch nicht weiß ob sie nach An,
dalusia geht), so könnt Zhr mit einer andern gehen, auf di« wir m zwei Tagen, glaub ich, treffen werden, und gebt Zhr ihnen etwas von
dem was Zhr bet Euch führt,
so könnt Zhr
mit ihnen Unmöglichkeiten möglich machen. — Andre« verließ ihn und benachrichtigte die übri,
gen Zigeuner von dem was der Züngling ihm
erzählt hatte,
und von seinem Begehren und
Anerbieten in Hinsicht der Bezahlung und Be, lohnung.
Sie waren alle der Meinung, er solle
in der Horde bleiben,
Preciosa ausgenommen,
und auch die Großmutter erklär««,'
sie könne
nicht nach Sevilla oder in die umliegenden Ge,
genden gehen,
weil sie vor einigen Zähren zu
Sevilla einem Mützenmacher, Namens Trigutl, loö, der dort allgemein bekannt sei, einen.Possen
gespielt hätte.
Sie habe ihn nehmlich dahin ge,
ganz nackt
bracht,
und mit einem Zipressen-
kranz auf dem Kopfe, bis an den Hals in ein
Gefäß mit Wasser sich zu setzen; so den Augenblick
der Mitternacht abzuwarten und dann aus dem Gefäß zu steigen, um einen großen Schatz zu graben und zu heben,
bildet,
von dem sie ihm einge
er liege an einem gewissen Orte seines
Hauses.
Als der ehrliche Mützenmacher zur
Frühmette läuten gehört- hätte er sich, um den
günstigen Augenblick nicht zu versäumen, so ge
hastet, aus dem Gefäß herauözukommen, daß er es umgestoßen habe,
mit demselben zu Boden
und sich durch den Fall und die
gestürzt sei
Scherbe» die Glieder zerschlagen und das Was ser über sich her gegossen habe, so daß er darin
geschwommen sei und geschrien habe, er ertrinke. Seine Frau
und
seine Nachbarn (erzählte sie
weiter) liefen mit Lichtern herbei und
fanden
ihn, wie er sich gleich einem Schwimmenden be wegte, schnaufte, den Bauch auf der Erde fort
schleppte,
sich mit Händen und Füßen zerarbei-
tete und dabei fürchterlich schrie: Hülfe, Leute!
ich ersaufe»!
mächtigt,
Die Furcht hatte sich seiner so be
daß er wirklich glaubte er ertränke.
Man griff ihm unter die Arme und rettete ihn
aus dieser Gefahr,
und nun kam er wieder zu
sich und erzählte den
Betrug der Zigeunerin.
Dennoch gilt6 er trotz aller die ihm versicherten,
es sei eine Fopperei von mir, an dem bezeichne, ten Orte über Mannstief nach,
und häkle ihn
nicht einer seiner Nachbarn gewarnt,
daß er
schon in sein Fundament hineingrübe, und hätte
man ihn graben lassen so lange er gewollt, so würden ihm beide Häuser über den Kopf zusam-
mengestürzt sein.
Die ganze Stadt erfuhr die
Geschichte und selbst die Kinder zeigten mit Ftn,
und erzählten von seiner Leicht
gern auf ihn
gläubigkeit und meiner Schelmerei. —
So er
zählte die alte Zigeunerin und gab dies als Ent, schuldigung an, daß sie nicht nach Sevilla gehen könne.
Die Zigeuner, welche vom Ritter An,
dree bereits erfahren hatten,
daß der Jüngling
eine Menge Geldes bet sich führe, nahmen ihn sehr bereitwillig in ihre Gesellschaft auf und erboten sich,
so lange er es nur begehren sollte,
ihn zu schützen und zu verbergen, und es wurde
beschlossen, den Weg links zu-nehmen und nach la Manch» zu Murcia.
ziehen
und in das Königreich
Man rief den Züngling und benachrich
tigte ihn von dem was man für ihn zu thun gedachte, und er dankte ihnen dafür und gab hundert Goldscudi vm sie unter alle zu verthei,
len.
Dies Geschenk machte sie weicher wie ein
Marderfell.
Preriosa
allein war unzufrieden.
97
daß Don Sancho blieb (denn also, Jüngling,
daß er sich nenne).
sagte der
Die Zigeuner
tauften ihn um in, Clemente, und nannten ihn fortan immer so.
Auch Andres war ein wenig
verstimmt und nicht sonderlich zufrieden,
Clemente blieb,
daß
weil eö ihm vorkam, als habe
er seinen ersten Vorsatz ohne hinreichenden Grund fahren lassen, allein Clemente äußerte gesprächs-
weise, als wenn er seine Gedanken errathen hät te: er freue sich nach Murcia zu kommen, weil
er von dort nicht weit nach Cartagena habe,
vonwo er bequem nach Italien überschiffen kön
ne, falls die Galeren angekommen wären, wie er hoffe.
Andree wählte ihn am Ende zu sei
nem Kameraden um ihn so besser vor Augen zu
haben,
seine Handlungen zu beobachten
und
seine Gedanken zu erforschen, und Clemente hielt diese Freundschaft für den Beweis einer großen
Vorliebe.
Sie waren immer beisammen, ließen
viel aufgehn,
warfen die Scudi mit Händen
weg, liefen, sprangen, tanzten und warfen die
Stange besser als alle Zigeuner und standen bei
bey Zigeunerinnen nicht
wenig in Gunst und
bet den Zigeunern m großer Achtung. — verließen hierauf Estremadura,
Sie
zogen nach la
Manch« und näherten sich nach unb nach dem Königreich Murcia.
In allen Dörfern und G
Ortschaften welche sie durchzogen gab es Wettstreite im Ballspiel, Fechten, Laufen, Springen, Stan, genwerfen und in andern Uebungen der Kraft, Gewandheit und Leichtigkeit, und aus allen gin gen Andres und Clemente als Sieger hervor (wie vorher von Andres gesagt worden). Und in dieser ganzen Zeit die über anderthalb Mo, narr dauerte, fand Clemente niemals Gelegen, heit (noch suchte er sie) mit Preciosa zu spre, chen, bis er eines Tags, als Andres und sie beisammen waren, am Gespräch Theil nahm, weil sie ihn selbst herbeiriefen. Preciosa sagte zu ihm: Im ersten Augenblick, als Du in un, sere Horde kamst, habe ich Dich erkannt, Cle, mente, und mich der Verse erinnert, die Du mir in Madrid gabst; ich wollte aber nichte da, von sagen, da ich nicht wußte, in welcher Ab, sicht Du zu uns gekommen seist. Als ich Dein Mißgeschick erfuhr, schmerzte es mich in der Seele, doch mein Herz ward wieder ruhig, welches der Gedanke quälte, es könne so wie es Don Juane gäbe, die sich in Andres« verwandelt hät, ten, auch Don Sancho'e geben, welche sich umge, tauft haben möchten. Ich spreche so mit Dir, weil ich durch Andres weiß, daß er Dir eröff, net hat, wer er ist und weshalb er sich in einen Zigeuner verwandelt hat. (So war es auch.
denn Andres hatte ihn zum Vertrauten seiner ganzen Geschichte gemacht um keinen seiner Gedanken verbergen zu dürfen.)
Glaube nicht et#
wa, daß meltft Bekanntschaft mit Dir, zu Deinem Nachtheil gereichte, denn eben aus Achtung
für mich und durch dasjenige was ich von Dir
sagte, geschah Deine Aufnahme und Dein Ein, tritt in unsre Gesellschaft ohne Schwierigkeit, wo Dir, so Gott will, alles Gute widerfahren
möge, was Du Dir wünschest.
Du magst mir
diese guten Wünsche dadurch vergelten, daß Du
dem Andres das Mißverhältniß seiner Neigung nicht noch verhäßlichest und ihm nicht auemah-
lest,
wie ein längeres Beharren in diesem Zu
stande ihm ungeziemend sei, denn wenn ich gleich
überzeugt bin, daß mein Wille den (einigen ge fangen hält, so würde es mir doch immer wehe
thun, ihn Merkmahle von Reue äußern zu sehn, wären sie auch noch so unbedeutend! —
Ele
mente antwortete: Du magst nicht denken, ein
zige Preciosa! daß mir Don Juan leichtsinniger weise entdeckte wer er sei; ich erkannte ihn schon früher, und früher verriethen mir seine Blicke sein Inneres; früher schon sagte ich ihm, wer
er sei und früher bemerkte ich jene Befangenheit
des Willens an ihm, deren Du erwähnst, und so bewies er mir mit Recht Zutrauen und ver-
G 2
traute sein Geheimniß meiner Verschwiegenheit an. Er selbst ist der beste Zeuge, ob ich seinen Entschluß und die Wahl seines Standes lobte, und ich bin nicht so beschränkt daß ich nicht fas sen sollte, wie groß die Macht des Liebreizes ist! Zch danke Dir, Gebieterin, für dasjenige was Du zu meiuem Besten gesagt hast, und denke es Dir durch den Wunsch zu vergelten, daß dies verwickelte Liebeebündttiß sich glücklich entwirren möge/ und daß Zhr Euch, Du Deinen Andres und Andres seine Preciosa, mit Bei, stimmung und Wohlgefallen seiner Eltern, be sitzen mögt, auf daß wir vom reizendsten Paar die schönsten Sprößlinge erblicken die eine gütige Natur hervorbrtngen kann! Dies werde ich wünschen, Preciosa, und die« werde ich immer Deinem Andres sagen, kein Wort aber, das ihn von seiner so würdig getroffenen Wahl abwendig machen könnte! — Clemente sprach diese Worte mir solchem Feuer, daß Andree zweifelhaft war, ob er sie aus verbindlicher Höflichkeit gesprochen habe; denn das unglückselige Uebel der Eifer, sucht ist so leicht zu reizen, daß ee an Sonnen, stäubchen klebt und daß der Liebhaber über die sich martert und verzweifelt welche den geliebten Gegenstand berühren. Seine Eifersucht war indeß nicht von Dauer, allein er vertraute mehr
der Reinheit Preeiosa's als seinem Glück, weil Lieb«
Haber sich stets so lange für unglücklich halten
als sie ihre Wünsche noch nicht erreicht haben. Andres uud Clemente blieben indeß Kameraden
und ersterer wurde durch
und große Frennde, Clemente's
offnes
Benehmen
Züchtigkeit und Vorsicht,
und Preeiosa's
wodurch sie jede Ge
legenheit ihn zur Eifersucht zu reizen vermied, völlig beruhigt.
Clemente war ein guter Dich
ter, wie er schon in den Versen gezeigt hatte,
welche Preeiosa von ihm besaß; auch Andres hatte Anlage dazu und beide liebten die Musik sehr. Als daher die Horde einst in einem Thal, vier
Meilen von Murcia,
sich niedergelassen Hütte
und beide fit einer Nacht um sich zu ergötzen mit ihren Guitarren sich gelagert hatten.
An
dres am Fuße eines Korkbaums und Clemente
unter einer Steineiche,
sangen sie,
vom Schweigen der Nacht,
eingeladen
felgenden Wechsel
gesang;
Andres. Sieh jenen Sternenschleier dort, Clemente, Zn dem die Nacht voll Kühle Sich mißt mit Tagsgewühle; Der Lichter Pracht am hohen Firmamente! Ein Bild davon zu geben — Kann sich Dein hoher Geist so hoch erheben— Mußt Du da» Antlitz zeigen,
Do» dem die Schönheit strahlet ohne Gleichen!
Clemente. Don dem die Schönheit strahlet ohne Gleichen, Und wo, wie bei Preciosen, Reinheit und Liebreiz kosen, Und Sanftmuth will das Ganze schön erweichen! Ein Bild woll'n wir besingen, Deß Lob ein Sterblicher nur mag vollbringen, Begreift er jene Welten, Und was erhaben, würdig, groß und selten!
Andres. Und was erhaben, würdig, groß und selten, Erhebt mit seltnen Worten, Bis zu des Himmels Pforten, Erlabend und gar.säß und neu den Welten! Dein Stamm, Zigeunermädchen! Deß Macht Furcht und Bewunderung bestätigen, Er freue sich der Ehre, Daß Fama ihn erhebt zur achten Ssäre!
Clemente. Daß Fama ihn erhebt zur achten Sfäre, .Ist ihn nach Wurden lohnen Und die dort oben thronen Erfreun, daß dort ertönt des Namens Ehre. Und zu der Erde Söhnen, Allwo der säße Laut wird widertönen, Rauscht er in Harmonien Und Seel und Brust von Freud und Frieden glühen! Andres. Und Seel und Brust von Freud und Frieden glühen, Erschallen ihre Töne, Mit denen die Sirene Die Stärksten selbst berauscht in Melodien.
log
Ga bist Du Preciose! Doch Größre» fiel, als Schönheit, Dir rum Loose! Du mir geschenkt zum Lohne, Triumf der Tugend und der Anmuth Krone!
Clemente. Triumf der Tugend und der Anmuth Krone, Bist Du, o Zauberische! Des Morgen» thauige Frische! Erquickender Zefir in glühender Zone! Du Strahl mit deffen Blitze Amor verwandelt Schnee, in flammige Hitze! Gewalt! von der mit Freuden, Und hochbelohnt, wir süßen Tod erleiden! —
Der Liebende und der Nichtliebende hätten so, bald noch nicht aufgehirt, wäre nicht hinter ih,
nen Preeiosa's Stimme ertönt, welche die ihri, gen vernommen hatte.
Dieser Ton machte sie
verstummen und sie horchten ohne sich zu regen
und mit der gespanntesten Aufmerksamkeit.
Sie
sang folgende Verse (ich weiß nicht ob aus dem S,tegereif oder von jemand anders für sie ge,
dichtet) mit unbeschreiblicher Lieblichkeit und als sollten sie eine Antwort sein:
In dem Kampf mit süßer Liebe, Dessen ich mich unterfangen, Mag ich nicht so Reiz verlange«, Al» die Herrschaft meiner Triebe.
io4
Selbst die niedrig kleine Pflanze, Wenn sie sich des Wachsthums freuet, Durch Natur od'r Pfleg gedeihet, Steigt bis zu des Himmels Glanze. Bin ich gleich aus niederm Erze, Trckgts doch Schmelz von züchtigen Sitten, Und den Lugenden in Mitten, Wünscht sich Reichthum nicht das Herze.
Keinen Schmerz kann ich empfinden Will man mich nicht suchen, achten, Denn nur dahin geht mein Trachten, Kräftig selbst mein Glück zu gründen. Laßt mich willig nur gewahren, Denn zum Guten ich mich wende, Und der Himmel fügt das Ende, Mag den Ausgang selber lehren.
Ich will sehn ob große Reize, Einen solchen Dorzug geben, Daß sie mich so hoch erheben, Daß nach edlerm Rang ich geize! Sind die Seelen gleich an Schätzen, Mag die an dem niedern Heerde, An Verdienst und wahrem Werthe, Der auf Thronen gleich sich setzen. Durch der meinigen Gefühle Ward mir stolzer Rang ertheilet, Denn Ehrfurcht und Liebe weilet Keineswegs auf Einem Pfühle! —
i'o5 Hier endete Preclosa ihren Gesang und Andres
und Clemente standen auf um chr entgegen zu
gehen.
Sie geriethen in ein geistvolles Gespräch
und Preciosa offenbarte dabei so viel Verstand,
Anständigkeit und Witz, daß (Elemente das Vor, haben des Andres billigte,
nicht gethan,
was er bis dahin
weil er seinen raschen Entschluß
mehr für jugendliche Uebereilung gehalten hatte, als'für wohl überdachten Vorsatz. — Am Mot',
gen wurde die Horde abgebrochen, und sie be, gaben sich nach einem im Gebiet von Murcia belegenen Orte, drei Meilen von der Stadt, wo
dem Andree ein Unfall zustieß, welcher ihn in Ge, fahr seine« Lebens brachte.'
Nachdem nemlich,
wie gewöhnlich, einige Gefäße und Kostbarkeiten
von Silber in dem Orte zum Pfande gegeben
waren, bezogen Preciosa, ihre Großmutter und Christina, mit noch zwei Zigeunermädchen und
Clemente und Andres, das Haue einer reichen
Witiwe, welche «ineTochter von siebzehn oder acht zehn Zähren befaß, mit einem guten Theil mehr
Frechheit
als -Schönheit,
Striegel genannt.
auch
sonst Zuana
Als diese nun die Zigeuner
tanzen gesehn, plagte sie der Teufel, sich so hef, tig in Andre« zu verlieben,
daß sie sich vor,
nahm es ihm zu eröffnen und ihn zum Manne z«
nehmen
wenn er wollte,
sollten auch alle
io6 * ihre Verwandte dagegen sein. eine Gelegenheit,
Sie suchte also
ihm dies zu sagen und fand
sie auch, als Andree grade auf den Hof gegan, um zwei junge Esel zu besichtigen.
gen war,
Sie näherte sich ihm und sagte hastig (um nicht bemerkt zu werden):
Andree!
ich
wußte sie schon)
(seinen Namen
bin Jungfer und reich,
denn meine Mutter hat kein Kind als mich und außer diesem Hause noch viele Weinberge und noch zwei solche Häuser.
Zch mag Dich wohl
leiden und willst Du mich zum Weibe, so steht
eö bei Dir.
Antworte schnell und wenn Du
gescheut bist, so bleib, und Du sollst sehn welch Leben wir führen wollen! —
Andree war ver«
wundert über die Erklärung der Striegel,
und
antwortete ihr so schnell ale sie es verlangte:
Liebe Jungfer,
ich habe schon eine Braut und
wir Zigeuner heirat hen nun einmal bloß Zigeu«
nerinnen.
die Ihr
Gottes Lohn für die Ehre,
mir anthun wollt,
die aber für mich viel zu
groß ist! — Ee fehlte nicht viel, so wäre die Striegel über' diese harte Antwort todt nieder«
gefallen und sie würde etwas, darauf erwiedert
haben, wenn sie nicht bemerkt hätte, daß einige
Zigeunerinnen in den Hof traten.
Sie eilte
wie gejagt und in größter Verwirrung
und würde sich gern gerächt haben,
davon
wenn sie
io7
es gekonnt hätte. Andres beschloß, als ein vee, ständiger Mensch, das Feld zu räumen und die Gelegenheit zu melden, die ihm der Teufel bot, denn er.las in den Augen der Striegel deut» lich, daß sie, auch ohne Band der Ehe seinem Willen sich fügen werde, und es war ihm nicht gemüthlich diesen Kampf zu bestehen. Er bat also sämmtliche Zigeuner, noch in derselben Nacht von dem Orte abzureisen, und da sie ihm stets gehorchten, so richteten sie re alsobald ins Werk und machten sich auf den Weg, nachdem sie an demselben Abend ihre Pfänder zurücker halten hatten. Die Striegel, welche fühlte, daß Andres ihr halbes Herz mit. sich . nehme, und doch keine Zeit hätte, die Befriedigung ih rer Wünsche zu bewirken, sann hin und her, wie sie ihn mit Gewalt zurückhalten könne, da sie ee durch Güte nicht vermochte; und mit ei ner Schnelle, List und Heimlichkeit, welche ihre schändliche Begier sie lehrte, steckte sie zwischen die Kleider de« Andres (welche sie kannte), einige kostbare Korallew und zwei silberne Schaumün zen, nebst anderem ihr zugehörigem Schmuck, und kaum hatten jene das Haus verlassen als sie ein großes Geschrei erhob und behauptete, die Zigeuner hätten ihr ihre Kostbarkeiten ent wendet, auf welches Geschrei denn die Justiz
lOß
und alles Volk aus dem Orte herbeieilte. Die Zigeuner machten halt und schworen alle, daß sie nichts Entwendetes bei sich hätten, und daß sie alle Säcke und Habseligkeilen der Horde öff nen wollten. Die alte Zigeuuerin gerieth hier über in große Angst, weil sie besorgte, daß Man bei dieser Untersuchung Preciosa's Kost barkeiten und die Kleider, des Andres finden würde, welche sie mit großer Sorgfalt und Be hutsamkeit verwahrte. Allein die ehrliche Strie gel machte dem allen bald ein Ende, denn so wie das zweite Bündel untersucht wurde, sagte sie, man solle nur nach dem Bündel des großen Tänzers fragen; diesen habe sie zweimal in ihr Gemach gehen gesehen und es könne wohl sein, daß er die Sachen mitgenommen habe. Andres merkte wohl, daß sie auf ihn-deutete und sagte lächelnde Hier, liebe Jungfer, ist mein Gepäck und hier mein Esel. Wenn Zhr in jenem, oder auf diesem, das findet was Euch fehlt, so will ich es Euch siebenfach bezahlen l — Die Gerichtsdiener machten sich sogleich daran den Esel abzupacken und stießen nach wenigem Umher, wühlen auf die gestohlnen Sachen, worüber Andree so erstaunt und bestürzt war, daß er wie eine Bildsäule dastand. Hab ich nicht recht gerachen? sagte Striegel. Seht nur hinter
log welch
ehrlichem Gesicht der Gaudieb sich ver
stecken will! — Der Richter, welcher auch zugegen
war, stieß gegen Andree und alle Zigeuner tau send Schmähungen aue und nannte sie privi-
legirte Spitzbuben und Straßenräuber.
Andres
schwieg betäubt und tiefsinnig zu alle dem und fiel nicht auf die Berrätherei der Striegel.
Zn,
dem trat ein übermüthiger Soldat auf ihn zu, ein Neffe des Richters, und sagte: wie bestürzt das Zigennerchen
Seht doch
über den Dieb
stahl ist! Zch will wetten daß er uns das Maul mit Honig schmiert und den Diebstahl läugnet,
ungeachtet er auf der That ertappt ist.
Wenn
man Euch doch alle auf die Galeren schickte! Wäre der Taugenichts dort nicht besser aufgehoben,
wo er Seiner Majestät diente, als daß er von Ort zu Ort tanzt stiehlt?
und von Haus zu Haus
Auf Soldatenehre l
ich will ihm eine
Maulschelle geben daß er hinstürzen soll!
Und
bei diesen Worten hob er ohne weiteres die Hand und gab ihm eine solche Ohrfeige,
daß
er aus seiner Betäubung geweckt und erinnert wurde, daß er nicht Andres sei,
sondern Don
Zuan und Ritter, und, mit der größten Schnelle
und noch größerer Wuth auf den Soldaten zu stürzend,
ihm
sein eignes Schwert aus der
Scheide riß und es ihm bis ans Heft in den
Leib stieß, so daß er todt niederstürzte.
Nun
schrie das ganze Dorf; nun wüthete der Oheim
Richter;
nun fiel Preciosa in Ohnmacht und
Andres war darüber außer sich und von allen
Seiten griff man zu auf den Mörder ein.
den Waffen und drang
Die Verwirrung und das
Geschrei wurden immer größer und Andree ver gaß
über die Bemühung, Preciosa aus ihrer
Ohnmacht
zu
retten,
seine
eigene Rettung.
Das Unglück wollte überdies, daß Clemente bet dem unseligen Zufall nicht zugegen war,
son
dern schon mit dem Gepäck zum Dorfe hinaus.
Kurz, es drangen so viele auf Andres ein, daß
er überwältigt ward
und
schweren Ketten gefesselt.
mit zwei unmäßig
Der Richter hätte ihn
gern augenblicklich aufgehangen, auf ihn angekommen,
Murcia abliefern,
hatte.
wäre es bloß
aber er mußte ihn nach
welches die Gerichtsbarkeit
Sie führten .ihn erst am folgenden Tage
ab und bis dahin mußte er nicht wenig Mar
tern und Beschimpfungen erdulden,
welche der
zornige Richter und dessen Helfershelfer, so wie
alle Bewohner des Orte, ihm zufügten.
Der
Richter verhaftete so viele Zigeuner und Zigeu nerinnen als er nur konnte,
die niehrsten ent
flohen aber und unter ihnen Clemente, fürchtete ergriffen und entdeckt zu werden.
welcher Kurz,
seine Diener und viel bewaffnete«
der Richter,
Volk, versehen mit den vorläufigen gerichtlichen Verhandlungen, zogen in Murcia ein, mit ei*
nem großen Haufen Zigeuner,
unter welchen
sich auch Preciosa und der arme Andre« be* fanden, letzterer auf einem Maulesel, in Ketten
geschlossen,
die Hände in Schellen und Ganz
Haleeisen.
einem
sammen
Murcia
mit
lief
um die Gefangenen zu sehen,
zu,
denn
man hatte schon Nachricht von der Ermordung
de« Soldaten.
Preciosa's Liebreiz war aber an
dem
unwiderstehlich,
Tage
so
daß
jeder
sie
pries, der sie erblickte, und daß der Ruf ihrer
Schönheit
auch
bi«
zur
Frau
Oberrichterin
drang, welche au« Neugier, sie zu sehen, ihren
Gemahl zu dem Befehl vermochte,
das Zigeu*
nermädchen solle nicht ins Gefängniß gebracht
werden, wohl aber alle übrige und Andres, welcher in ein enges Loch gesteckt ward,
dessen Finster,
ntß, verbunden mit der Entbehrung seine« Lich, tes, Preciosa, dergestalt auf ihn wirkten, daß
er fest überzeugt war, er werde e« nur mit dem
Grabe vertauschen.
Man führte Preciosa und
ihre Großmutter vor die Oberrichterin und so wie diese sie erblickte,
sagte sie:
Mit Recht
nennt man sie reizend! Und sie zog sie an sich,
umarmte sie zärtlich und wurde nicht >att sie
11S
zu betrachten.
Sie fragte ihre Großmutter,
wie alt die Kleine wohl sei, und die Zigeunerin antwortete: Fünfzehn Zahre, ein paar Monate
mehr oder weniger. — So alt wäre jetzt meine sagte die Oberrichterin.
unglückliche Constanze!
Ach meine Freundinnen!
wie erneuert dieses
Mädchen meine Leiden! —
während
Preciosa
ergriff
die Hände der Oberrichterin,
dessen
küßte sie wiederholt, badete sie mit ihren Thrä-
Gnädige Frau! der ver
tun und sagte zu ihr:
haftete Zigeuner ist unschuldig, er nicht.
sicht,
denn er wurde
Er wurde ein Dieb genannt und er ist
gereizt.
Er erhielt einen Schlag in das Ge
in welchem die Reinheit seiner Seele sich Bei Gott und Eurer Menschlichkeit
offenbart.
beschwör ich Euch,
daß Zhr ihm Gerechtigkeit
widerfahren laßt, und daß der Herr Oberrichter
nicht eile, die Strafe vollziehen zu lassen, welche
die
Gesetze
ihm
drohen.
Schönheit irgend ein
regt,
Hat Euch
meine
angenehmes Gefühl
er
so erhaltet sie durch die Erhaltung des
Gefangnen,
denn mit feinem Leben endet auch
das meine!
Er soll mein Gatte werden
und
wichtige, tadellose Gründe haben ee verhindert,
daß er es noch nicht ist. langung
seiner
Wäre Geld zur Er
Begnadigung
erforderlich,
so
würde sich unsre ganze Horde öffentlich für ihn
"Z versteigern lassen und mehr geben als gefordert
würde.
Gnädige Frau!
wenn Zhr wißt was
Liebe ist, und sie einst für Euern Gatten ge-
fühlt habt und noch fühlt,
mit mir,
so habt Milleiden
die ich den meinigen innig und rein
liebe! — Während der ganzen Zeit, daß sie so
sprach, ließ sie die Hände der Oberrichterin nicht
los, verwandte keinen DUck von ihr und vergoß StrShme von schmerzlichen rührenden Thränen. Eben so hatte die Oberrichterin die ihrigen ge-
faßt, und betrachtete sie eben so aufmerksam und
nicht minder heftig bewegt und weinend.
diesem Augenblick trat
der Oberrichter
Zn
hinein
und da er seine Gemahlin und Preeiosa in Thrä,
nett schwimmend fand Und in so vertrauter 95e# rührung,
erstaunte er sowohl hierüber als über
diese liebliche Schönheit Ursach dieser Rührung.
und
fragte nach der
Preeiosa's Antwort be
stand darin, daß sie die Hände der Oberrichterin
fahren ließ, die Knie des Oberrichtere umfaßte
und sagte: Erbarmen, Herr! Erbarmen! Wenn mein Geliebter stirbt, so sterbe ich auch!
Er ist
unschuldig; wäre er es aber auch nicht, so strafe man mich!
Und kann dies nicht geschehen,
so
verschiebe man wenigstens die Untersuchung, bis sich alle Rettungsmittel ersinnen und versuchen lassen; vielleicht sendet des Himmels Milde dem
H
ii4 Rettung, der nicht aus Bosheit sündigte! Der
Oberrichter erstaunte von neuem als er die flnnvolle Rede deß Ztgeunermädchens hörte, und er würde mit ihr geweint haben, hätte er nicht btt
sorgt schwach zu erscheinen.
le« vorging,
Während die« al
überdachte die alte Zigeunerin viel
und mancherlei wichtige Dinge und sagte, nach dem sie mit diesem Nachsinnen und Ueberlegen
zu Ende war:
Wollen meine gnädigen Herr
schaften nur ein wenig verziehen, und ich will, sollte e« mich auch da« Leben kosten,
Schmerz in Freude »«wandeln!
diesen
Darauf eilte
sie schnell davon und ließ die Anwesenden voller Verwirrung über ihre Worte zurück.
Zn der
Zwischenzeit bi« zu ihrer Rückkehr hörte Preciosa nicht auf zu weinen und zu bitten,
daß
doch nur mit der Untersuchung gegen ihren Ge-
liebten nicht geeilt werden möchte;
nehmlich die Absicht,
sie
hatte
seinen Vater von allem
zu benachrichtigen, damit dieser kommen solle und sich der Sache annehmen. —
Die Zigeunerin
kehrte mit einem kleinen Kästchen unter dem
Arme zurück und bat den Oberrichter, mit ihr
und seiner. Gemahlin in ein Setkengemach zu gehen,
weil sie ihnen wichtige Dinge zu offen
baren habe.
Der Oberrichter, welcher in der Mei
nung war, daß sie ihm irgend einen Diebstahl
ii5 der Zigeuner entdecken wolle, um ihn dadurch für die Sache des Gefangnen zu gewinnen, be gab sich sogleich mit ihr und seiner Gemahlin in sein Gemach und hier kniete die Zigeunerin vor ihnen nieder und sprach: Wenn nicht Verzei hung meiner schweren Sünde verdienter Lohn für die erfreuliche Kunde ist, welche ich Euch brin gen will, so bin ich bereit die Strafe zu empfan gen, die Ihr über mich verhängen wollt. Doch wünscht ich, ehe ich sie bekenne, von Euer Gna den zu wissen, ob Ihr diese Kostbarkeiten kennt! Sie zog zugleich ein Kästchen hervor, worin sich Preciosa's Sachen befanden und überreichte es dem Oberrtchter, welcher es öffnete und die kleinen Schähe erblickte, aber nicht darauf verfiel, was sie bedeuten könnten. Auch die Oberrichterin be trachtete sie, errieth aber eben so wenig den Zu sammenhang und sagte bloß: Das ist der Schmuck irgend eines kleinen Mädchens. — Ganz rich tig, sagte die Zigeunerin, und welches Mäd chens, das besagt die in diesem Umschläge ent haltene Schrift. — Der Oberrichter öffnete hastig und las also: Das Mädchen heißt Donna Constanza de Azevedo und de Menesses, ihre
Mutter ist Donna Guiomar de Menesses, und ihr Vater Don Fernando de Azevedo, Ritter des Ordens von Ealatrava. Ich stahl sie am H 2
Himmelfahrtstage deS Herrn, um g Uhr Mor gens, im Zahre 1595.
Das Mädchen trug das
Geschmeide welches in diesem Kasten aufbewahrt
ist. — Kaum hatte die Oberrichterin den Inhalt
des Papiers gehört, als sie das Geschmeide er kannte, es an die Lippen drückte und wiederholt dann ohnmächtig niedersank.
küßte und
Der
Oberrichter eilte ihr zu Hülfe und vergaß dar
über, die Zigeunerin nach feiner Tochter zu fra gen.
Nachdem sie zu sich gekommen war, sagte
sie:
GnteS Weib l Zhr seid ein Engel! keine
Zigeunerin! Wo ist die Eigenthümertn oder viel, mehr die Kleine der diese Kleinodien angehörten? — Wo? gnädige Pau? Sie ist in Euerm
Hause!
sagte die Zigeunerin.
Das Zigeuner
das Euern Augen Thränen entlockte,
mädchen,
ist die Tigenthümerin und ohne Zweifel Eure
Tochter,
denn ich stahl
sie
in Madrid
aus
Euerm Hause, an dem Tage und in der Stunde
die das Papier besagt. —
Als die von Gefüh,
len bestürmte Oberrichterin dies hörte,
sprang
sie auf, vergaß ihre Schuhe und stürzte athemloü
nach dem Saal, wo sie Preciosa gelassen hatte, und sie umgeben von ihrer weiblichen Diener
schaft fand, auf sie zu,
noch immer weinend.
Sie eilte
schnürte sie hastig auf und unter
suchte, ob sie unter der linken Brust ein kleines
ii7 Abzeichen habe, ein weißes Muttermahl, welches
sie mit auf die Welt gebracht hatte.
Sie fand
es wirklich und zwar war es mit der Zeit größer geworden.
Darauf entblößte sie ihr eben
so schnell den, wie aus Schnee und Elfenbein
gedrechselten Fuß, und erblickte daran, was sie suchte, daß nehmlich die beiden letzten Zehen des
rechten Fußes zusammengewachsen waren,
wel
ches man nicht schneiden wollen, um dem Kinde
nicht wehe zu thun.
Die Brust, der Fuß, das
Geschmeide, die Angabe des Tages des Raubes, das Bekenntniß der Zigeunerin und die Ueberraschung und Freude,
welche sie und ihr Ge
mahl bei ihrem Anblick empfunden hatten, über
zeugten die Oberrichterin unwidersprechlich, daß
Preetosa ihre Tochter sei, und sie nahm sie in
ihre Arme und kehrte mit ihr zum Oberrichter zurück.
Preciosa war voll Verwirrung, denn
sie wußte nicht zu welchem Ende jene Unter suchungen mit ihr vorgenommen waren,
zumal
sie sich von den Armen der Oberrichterin fortge tragen sah und diese ihr hundert Küsse für ei
nen gab.
Endlich gelangte Donna Guiomar
mit ihrer köstlichen Bürde bei ihrem Gemahl
an, und indem sie dieselbe aus ihren Armen in die (einigen übergab, sagte sie: Empfangt, Herr, Eure Tochter Constanza,
denn sie ist es ohne
Zweifel und Zhe könnt davon überzeugt sein weil ich das Zeichen der verbundenen Zehen, und unter der Brust, gesehen habe und weil vor al lem mein Herz mich davon überzeugt hat, von dem Augenblick an, da ich sie erblickte! — Zch zweifle nicht daran, antwortete-der Oberrichter, indem er Preciosa mit feinen Armen umschloß; und dieselben Gefühle, die Euer Herz bewegten, haben auch das meinige bewegt, nicht zu ge, denken, daß so viele besondere Umstände ohne ein Wunderwerk nicht übereinsttmmen kiom ten! — Alle Bewohner des Hauses waren ver wundert und fragten sich unter einander, was das wohl zu bedeuten habe, keiner von ihnen traf aber den rechten Fleck, denn wer von ihnen hätte sich denken können, daß die kleine Zigeune rin, die Tochter ihrer Herrschaft sei. Der Ober richter sagte zu seiner Gemahlin und Tochter und der alten Zigeunerin, dies Ereigntß solle ein Geheimniß bleiben bis er es bekannt machen würde. Auch erklärte er der Alten, er verzeiht ihr das Unrecht, welches sie durch den Raub seines Liebsten, an ihm begangen habe, weil des sen Wiedererstattung noch weit größer» Lohn verdiene, und es schmerze ihn bloß, daß sie Preeiosa mit einem Zigeuner verlobt, und noch da zu mit einem Dieb und Mörder, ohnerachtet
"9
sie ihren Stand gekannt habe. O! gnädiger Herr! sagte Preciosa, er ist weder ein Zigeuner/ noch ein Dieb/ obwohl er jemand getidtet hat. Er tödtete aber einen Menschen der ihm die Ehre raubte, und er konnte nicht weniger thun als zeigen, wer er sei, und ihn tödtenl — Wie, meine Tochter? er ist kein Zigeuner? sagte Donna Guiomar. — Die alte Zigeunerin er zählte nun kürzlich die Geschichte des Ritters Andres; daß er der Sohn des Don Franztsco de Carcamo, Ritters des Ordens von Sanjago sei, und daß er sich Don Juan de Carcamo nenne und zu eben diesem Orden gehöre, und daß sie seine Kleider seit der Zett verwahre, baß er sie mit Zigeunertracht vertauscht habe. Sie erzählte auch von der zwischen Preciqsa und Don Zuan getroffnen Uebereinkunft, eine zwei jährige Probezeit abzuwarten, ob sie sich verbin den wollten oder nicht. Sie pries endlich das anständige Betragen Beider und Don Juans liebenswerthe Gemüthsart. Ueber dies alles er staunten sie nicht weniger als über das Wieder finden ihrer Tochter, und der Oberrichter befahl der Zigeunerin, Don Juans Kleider zu holen. Sie that es und kehrte mit einem Zigeuner zu rück welcher sie trug. Während ihrer Abwesenheit thaten Preciosa's Eltern tausend Fragen an diese.
welche sie mit soviel Verstand und Anmuth beant
daß fie von ihr bezaubert worden wä
wortete, ren,
kannt.
hätten sie auch nicht ihr Kind in ihr er
Sie fragten sie,
für Don Juan habe.
ob sie einige Neigung
Sie erwiederte:
so viel,
als die Dankbarkeit gegen einen Mann erheische,
welcher sich ihrentwegen zum Zigeuner erniedrigt
habe; doch solle diese Dankbarkeit sich nicht wei ter erstrecken,
als ihre Eltern und Gebieter ge,
währen möchten. —
eiosa
Sei ruhig,
Tochter Pre-
(denn diesen Namen sollst Du zum Ge
dächtniß Deiner Entführung und Wiederkehr be halten), sagte der Vater; ich, Dein Vater, über
nehme die Sorge,
Dir ein Loos zu bereiten,
welches Deines Standes nicht unwürdig sei. — Preciosa seufzte als sie dies hörte, scharfsichtige Mutter,
und ihre
welche wohl merkte daß
sie aus Liebe für Don Juan seufze,
sagte zu
ihrem Gemahl: Herr! Da Don Zuan de Car
camo von so edler Abkunft ist und unsere Toch, ter so sehr liebt,
so thäten wir wohl daran fie
ihm zur Gemahlin zu geben. — Er antwortete:
Erst Heute haben wir sie wiedergefunden, und schon wollt Zhr,
daß wir sie verlieren sollen?
Laßt sie uns einige Zeit genießen, heirathet,
denn,
ver-
wird sie nicht Euch angehören, son
dern dem Gatten. — Wohl wahr, Herr, ant-
»ortete sie.
Gebt doch aber Befehl, daß Don
Zuan freigelassen werde,
der in irgend einem
finstern Loche stecken muß.— Gewiß! sagte Pre-
denn einem Dieb und Mörder und noch
ciosa,
dazu einem Zigeuner,
werden sie keinen bessern
Ort angewiesen haben. —-
Ich
will ihn be
suchen, erwiederte der Oberrichter, und zwar als
käme ich ifm ihn ins Verhör zu nehmen. bitte Euch aber noch einmal,
Zch
meine Gemahlin,
daß niemand von dieser Geschichte fahre, bevor ich es nicht will. —
etwas er
Er umarmte
Preciosa und begab sich sogleich nach dem Ge fängniß und in den Kerker, wo sich Don Zuan
befand, tete.
litt aber nicht, daß ihn jemand beglei
Er fand ihn mit Händen und Füßen in
einem Stock, und mit Handschellen gefesselt, ja
das Haiselsen war ihm noch nicht einmal abge nommen.
Es war finster, er ließ aber oberhalb
ein Fensterchen 'öffnen,
durch welches Licht Hin
einfiei, -obwohl nur sehr sparsam,
und so wie
er ihn erblickte sagte er:» Was macht denn das
schöne Kräutchen?
hätt ich doch alle Zigeuner
in Spanien so angekoppelt, um ihnen in einem
Tage mit einem einzigen Streich garaus zu ma, chen,
wie es Nero mit Rom machen wollte! daß ich
der
Oberrichter dieser Stadt bin, und komme,
um
Wisse,
Du ehrbarer Spthbube!
Dich unter vier Augen zu fragen, ob es wahr daß die junge Zigeunerin, die zu Euch gehört, Dein Weib ist? Als Andres dies Hörle, bildete er sich ein, daß der Oberrichter in Preciosa ver liebt sein müsse, denn dle Eifersucht ist ein über, aus feines Wesen und dringt unmerklich, leise, in andere. Indeß antwortete er: Hat sie ge, sagt, daß ich ihr Gatte sei, so ist es gewiß wahr, und hat sie gesagt, daß ich eö nicht sei, so hat sie ebenfalls hie Wahrheit Aesagt, denn es ist unmöglich daß Preciosa lügen könnte. — So wahrhaft ist sie? erwiederte der Oberrichter. Das ist bei einer Zigeunerin nichts kleines. Nun gut, junger Mensch; sie hat gesagt, sie sei Euer Weih, Ihr wärt aber nicht verheirathet. Sie weiß, daß Ihr Euer Berbrechen mit dem Tode büßen müßt, «nd hat mich gebeten, sie vor Euerm Tode mit Euch zu verbinden, weil sie sich die Ehre wünscht, die Wittwe eines so gro, ßen Spitzbuben zu heißen als Ihr seid. — So habt denn die Gnade, Herr Oberrichter, zu thun, was sie bittet, denn wenn ich mit ihr verbunden werde, so will ich gern ins andre Le, den gehn, weil ich dieses als ihr Gatte »er, lasse! — Ihr müßt sie sehr lieben! sagte der Oberrichter. — So sehr, antwortete der Ge, fangcne, daß meine Liebe nichte wäre, könnt ich
125
sie aussprechen!
mit mir.
Kurz, Herr Sberrichter, endet
Ich tidtete jenen, der mir die Ehre
rauben wollte; ich bete diese Zigeunerin an, und
ich werde zufrieden sterben, wenn ich ihre Liebe mit mir nehme, denn ich weiß, daß Gottes Liebe uns nicht entstehen kann, weil wir redlich und
gewissenhaft erfüllt,
was wir uns versprochen
haben! — Giesen Abend also werde ich nach
Euch schicken, sagte der Oberrichter;
Ihr sollt
in meinem Hause mit Preciosa verheirathet wer, den, und morgen Mittag hängt Ihr am Gal, gen; so werde ich erfüllt haben was die Gerech
tigkeit und Eure Wünsche erheischen. — Andres
dankte ihm und der Oberrichter kehrte in sein Haue zurück und benachrichtigte seine Gemahlin von
dem was zwischen ihm und Don Juan vorge fallen war und von mehreren andern Dingen,
welche er zu thun gedachte.
Während seiner Ab
wesenheit erzählte Preciosa ihrer Mutter ihren
ganzen Lebenslauf, und wie sie immer geglaubt
habe, haß sie eine Zigeunerin sei und die En
kelin der Alten, daß sie sich aber immer höher ge achtet habe, als man von einer Zigeunerin er warten könne.
Ihre Mutter forderte sie auf,
ihr die Wahrheit zu sagen, ob sie Liebe für Don
Juan de Cacarmo fühle, und, verschämt und
mit gesenktem Blick sagte sie:
da sie sich für
124
eine
Zigeunerin
machen geglaubt,
gehalten
und
ihr
Glück
zn
wenn sie sich mit einem so
vornehmen Ordensritter vermähle,
wie Don
Juan de Caearmo, dessen redliches Gemüth und
tugendhafte« Leben ihr aus Erfahrung bekannt wären,
fo habe sie ihn wohl nicht ohne Theil,
nähme betrachtet, jedoch habe sie bereits ein für
allemal erklärt,
daß
sie keinen andern Willen
habe, als den ihrer Eltern. — Der Abend kam, und etwa um zehn Uhr wurde Andres aus dem Gefängniß geführt, zwar ohne Handschellen und
Halseisen, -aber doch mit einer großen Kette welche
ihn rings umgab,
und langte so im Hause des
Oberrichters an, unbemerkt von allen, seine Be,
gleitet ausgenommen;
und man führte ihn leise
und behutsam in ein Zimmer, wo man ihn al, lein ließ.
Einen Augenblick nachher trat ein
Geistlicher hinein und sagte,
er solle beichten,
weil er am folgenden Tage sterben müsse.
An,
dres antwortete: Zch will sehr gerne beichten,
aber weshalb werde ich nicht erst getraut? Das Hochzettbett das
mich
erwartet,
ist
wahrlich
nicht erfreulich! — Donna Guiomar, von allem
unterrichtet,
sagte zu ihrem Gemahl,
die für
Don Juan bereitete Marter sei zu schrecklich
und er möchte sie mäßigen, denn er könne ihn leicht dadurch tödten.
Der Oberrichter fand daß
125 sie Recht hatte, ging also hinein, rief den Beich tiger und sagte zu ihm, sie wollten den Zigeuner
zuvor mit der Zigeunerin Preciosa trauen las
sen, und sodann möge er beichten und sich von ganzem Herzen Gott empfehlen,
der oft dann,
wenn alle Hoffnung dahin gewelkt sei, sie fegen# ströhmend erquicke.
Andres wurde nun auch
wirklich in einen Saal geführt, wo bloß Donna Guiomar, der Oberrichter, Preciosa und zwei
Diener des Hauses sich befanden.
Als ihn aber
Preciosa erblickte, belastet mit Ketten, und bleich und verweint,
da erstarrte ihr Blut und
sie
lehnte sich auf den Arm ihrer neben ihr stehen
den Mutter.
Diese umarmte sie und sagte zu
ihr: Komm zu Dir, mein Kind, denn alles was
Du siehst, wird Dir zu Freude und Glück ge
reichen ! — Preciosa, unbekannt mit allem was
vorging, wußte nicht wie sie sich trösten sollte, die alte Zigeunerin war bestürzt und jeder von
den Anwesenden gespannt auf den Ausgang die ses Auftritts.
Der Oberrichter sagte hierauf:
Herr Vikarius, dieser Zigeuner und diese Zigeu
nerin sind eS, welche Euer Hochehrwürden trauen
"sollen. —
Das werde ich nicht thun können,
versetzte der Vikarius, bevor nicht diejenigen Er fordernisse beobachtet sind,
Fall erheischt.
welche ein solcher
Wo sind die Aufgebote geschehen?
iq6
Wo ist der Konsens meines Vorgesetzten, daß ihre Trauung vollzogen werden könne? — Das
habe ich nicht bedacht! erwiederte der Oberrich-
ter, aber ich will es bewirken, daß der Borgen setzte ihn ertheilen soll. —
Bis ich ihn aber
sehe, sagte der Geistliche, wollen die Herrschaf ten verzeihe»!
und um alle Unannehmlichkeiten
zu vermeiden,
verließ er das Haus ohne ein
Wort weiter zu sagen und ließ sie alle in der größten Verwirrung zurück.
Der Pater hat
sehr recht gethan, begann der Oberrichter; dies
ist vielleicht eine Fügung des Himmels, daß die
Hinrichtung aufgeschoben werden soll, denn An dres soll nun einmal mit Preciosa verheirathet werden, und die Aufgebote müssen vorhergehen,
wodurch
denn
Zeit gewonnen
manche schwere Hindernisse
wird,
überwinden
weiche
hilft.
Auch möchte ich wohl wissen, ob Andre«, wenn das Schicksal seinen Begebenheiten eine solche
Wendung gäbe,
daß er ohne diese Schrecken
und Angst Preciosa'e Gatte werden könnte, sich glücklich schätzen würde,
er sei al« Ritter An
dres oder als Don Zuan de Carcamo? — Wie
Andres sich bei seinem Namen nennen hörte, sagte er:
Preciosa hat also nicht geschwiegen,
sondern entdeckt wer ich bin!
Hätte mich aber
auch das Glück zum Monarchen der Welt ge-
so würde ich Sie doch als das schönste
macht,
Ziel meiner Wünsche betrachten und außer ihr
kein Gut zu wünschen
mel! —
wagen
als den Him
Für diese redliche'Gesinnung die Ihr
jetzt, Don Inan de Carcamo, erwiederte Don Fernando, will ich zu seiner Zeit bewirken, daß
Preciosa Eure rechtmäßige Gattin werden soll, und ich bewillige und übergebe sie Euch jetzt in dieser Hoffnung, als das köstlichste Kleinod mei
nes Hauses, meines Lebens, meiner Seele! Und achtet sie so werth, als Zhr sagt, denn ich gebe
Euch in ihr,
Donna Constanza de Menesseö,
meine einzige Tochter, die, wie sie Euch an Liebe gleich ist.
Euch an edler Abkunft nichts nach-
glebt! —
Andres war ganz betäubt von der
Liebe
die
Guiomar
ihm
erwiesen wurde,
und Donna
erzählte ihm in wenig Worten den
Verlust ihrer Tochter und ihr Wiederfinden, so wie von den untrüglichen Merkmahlen des Rau
bes, welche die alte Zigeunerin angegeben hatte,
worüber Don Juan vollende in Erstaunen und Verwunderung gerieth; doch unaussprechlich ent
zückt, umarmte er seine Schwiegereltern, nannte
sie Vater und Mutter und Gebieter, und be deckte die Hand Preciosa'ö mit Küssen, welche ihn mit Thränen um die seinige bat.
wurde nun bekannt gemacht,
Das Geheimniß und kaum waren
die
anwesenden Bedienten zur Thür hinaus,
so verbreitete sich auch schon das Gerücht dieser
Begebenheit,
und als es der Richter vernahm,
der Oheim des ©ertöteten, sah er den Weg zu seiner Rache versperrt,
war,
weil nicht zu erwarten
daß die Strenge der Gesetze gegen den
Eidam des Oberrichters zur Anwendung fonv men würde.
Don Juan legte die von der Zi
Profits, welchen das große Gedränge verspricht. — Und bei alle dem, sagte Schnitt, nennen diese Herrn ihr Leben gottesfürchtig und rechtlich? — Nun,
was hats
denn
Böses?
fragte der
Bursche.
Zsts nicht schlimmer, Ketzer oder Renegat wer den, Vater und Mutter todtschlagen,
oder ein
Saudumtt fei«? — Sodomit, wollen Euer Edel» sagen, sagte Winkel. — Das sag ich ja! versetzte
der Bursche. —
Es ist alles nicht jonderlich,
sagte Schnitt, da aber unser Schicksal gewollt hat, daß wir in diese Brüderschaft treten sollen, so eilen Euer Edeln,
gierde,
denn ich sterbe vor Be
den Herrn Komplott kennen zu lerne»,
von dem so viel Glorwürdiges erzählt wird. —
Euer Wunsch wird sogleich erfüllt werden, sagte der Bursche, denn man sieht von hier schon seine
Wohnung.
Wollen Euer Edeln vor der Thür
bleiben, so will ich htnetngehen und sehen, ob er
von Geschäften frei ist, denn dies sind sonst die
Stunden, in denen er Audienz zu geben pflegt. —
Mögen wir zur guten Stunde gekommen sein, und
sprach Winkel;
der Bursche ging einige
trat in ein Haus von nicht
Schritte voraus,
sehr empfehlendem,
vielmehr sehr ungünstigem,
Aeußern, und jene beide warteten vor der Thür. Er kam bald zurück und rief sie.
Sie traten
hinein und ihr Führer hieß sie warten auf ei nem
kleinen,
mit Ziegeln
gepflasterten Hofe,
welcher so rein und roth gefärbt war, der feinste Karmin zu sein schien.
daß er
Aus einer
Seite stand eine Dank mit drei Füßen, und auf der andern ein Krug ohne Hals,
nebst einem
nicht minder mangelhaften Topfe; gegenüber lag eine Schilfmatte,
und in der Mitte stand eine
Art von Blumentopf,
likumtopf nennt. rend der Zeit,
welchen man dort Basi
Die.Zungen betrachteten wäh,
daß Herr Komplott hinunter
kommen sollte, die Meubeln des Hauses, und da Winkel sah, daß jener noch nicht kam, so wagte er es, in eins von Len kleinen Zimmern ^u tre ten, welche nach dem Hofe hinaus gingen, wo
er zwei Rappiere erblickte und zwei runde Kork schilde, an vier Nägeln hängend, einen großen
Kasten ohne Deckel,
oder irgend einen andern
Verschluß, und am Boden drei Schilfmatten.
An die gegenüberstehende Wand war ein Bild unsrer heiligen Jungfrau geklebt,
eine von den
saubern Sudeleien; weiter unten hing ein Palm»
körbchen, und in die Wand war ein weißes Bek»
ken eingemauert,
woraus Winkel folgerte, daß
das Körbchen zum Sammelt, der Almosen diene, und das Becken zum Weihwasser, wie es sich
denn auch verhielt. —
Während dessen traten
zwei Bursche ins Haus, von etwa zwanzig Zah»
ren, wie Studenten gekleidet, und ihnen folgten zwei Korbträger und ein Blinder, und diese gin» gen im Hofe auf und ab, sprechen.
Bald nachher
ohne ein Wort zu
erschienen
zwei
alte
Männer in groben Kitteln, mit Brillen, welche ihnen ein würdiges,
achtbares Ansehn gaben,
jeder einen Rosenkranz von klappernden Kugeln
in der Hand.
Nach ihnen kam eine langschößige
Alte, trat, ohne eine Silbe zu sprechen, in das Zimmer, besprengte sich mit Weihwasser, kniete mit der größten Zerknirschung vor dem Bilde
nieder, erhob sich nach einer guten Weile, nach»
dem sie zuvor den Boden dreimal geküßt und Arme und Augen eben so oft zum Himmel erho ben hatte, warf ihren Almosen in das Körbchen
und ging zu den übrigen auf den Hof.
Kurz,
257
in wenig Augenblicken fanden auf dem Hofe vier, zehn Personen sich ein, von verschiedenen Trach, ten und Gewerben.
Zuletzt kamen auch noch
zwei rüstige, geputzte Bursche, mit breiten Kne, belbärten,
breitkrempigen Hüten,
wallonischen
Krausen, rochen Strümpfen, Kniebändern mit großen Puscheln,
unmäßigen Degen, Pistolen
statt der Dolche, und Schilden, welche vom Gurt herabhingen.
So wie sie eintraten,
warfen sie
Seitenblicke auf Winkel und Schnitt, welche sie
befremdeten, weil sie ihnen unbekannt waren, und, auf sie zulretend, fragten sie, ob sie von
der Brüderschaft wären. kel,
Za, antwortete Wim
und ihre ergebensten Diener. —
Endlich
war die Zeit und der Augenblick gekommen, wo
der von der ganzen achtbaren Gesellschaft sehn,
lich erwartete und hinunter kam.
erwünschte Herr Komplott
Er schien fünf bis sechs und
vierzig Zahr alt zu fein,
war groß,
schwarz,
braun, hatte verwachsene Augenbraunen, einen schwarzen zottigen Bart und tiefliegende Augen.
Er ging im Hemde, und durch die mittlere Oeff,
n.ung sah man einen Wald.
(Solche Schönhei,
ten gewährte der Anblick seiner Brust.)
Er
trug einen großen wollnen Mantel, welcher fast bis auf die Füße reichte, an denen er ein paar
niedergetretene Schuhe nachschleppte. R
Um seine
Schenkel und bis auf die Knöchel schlotterten weite leinene Pluderhosen.
Art von Bettlerfilz, breiter Krempe.
Der Hut war eine
mit bauchigem Kops und
Ueber Schulter und Brust hing
ein Wehrgehänge und daran ein breiter, kurzer
Degen, nach Art der Zagdmesser.
Die Hände
waren kurz und haarig, die Finger dick, und die Die Schenkel
Nägel verwachsen und krumm.
sah man nicht, aber die Füße waren unmäßig breit und knöchern.
Kurz, .es war der unge
schlachteste, mißgestalteste Barbar von der Welt.
Der Führer der beiden Zungen kam mit ihm
nahm sie bei der Hand,
stellte sie dem
Komplott vor und sagte dabei:
Dies sind die
hinab,
beiden braven Zungen,
von denen
ich Euer
Cdeln, meinem Herrn Komplott, erzählt habe.
Euer Edeln mögen sie exanimiren, und werden
finden, daß fie verdienen in unsern Bund auf, genommen zu werden. — Das will ich sehr gern thun, antwortete Komplott. — Zch habe ver,
gessen zu erwähnen, daß in dem Augenblick, als Komplott hinabkam,
alle die ihn erwarteten.
Ihm eine tiefe und lange Verbeugung machten,
die beiden Raufer ausgenommen,
welche den
Hut bloß wie große Herrn lüfteten (wie sie es
nennen) und dann sogleich wieder auf, und ab, gingen.
Komplott ging überall umher und fragte
die Novizen nach ihrem Gewerbe, und Eltern.
Vaterland
Das Gewerbe erseht Zhr schon
daraus, daß wir zu Euch kommen, edler Herr,
sagte Winkel;
auf das Vaterland scheint mir
wenig anzukommen, und eben so wenig auf um
sere Eltern,
da hier nicht die Rede davon ist,
zur Einkleidung in einen ehrenvollen Orden ge prüft zu werden. —
Zhr habt nicht Unrecht,
mein Sohn, antwortete Komplott, sehr
zweckmäßig,
und ee ist
dergleichen zu verschweigen.
Denn gehts nicht wie es soll, so ist« nicht gut, wenn unter der Note des Schreibers, ober in der Liste der Aufgenommenen steht: Der und
der, ein Sohn von dem und dem,
da und da
her, wurde heute gehangen, gestäupt, odep der gleichen; was denn doch auf jeden Fall einem
zarten Ohr wehthut.
Ich- wiederhole also, daß
es eine nühliche Regel ist, die Heimath zu ver
schweigen und den eigentlichen Namen zu »er#
bergen,
wenn schon unter uns nicht« verschwie
gen bleiben muß;
ich verlange also jetzt bloß zu
wissen, wie Ihr heißt. — Winkel und Schnitt nannten ihre Namen. —
Ich will und befehle,
sagte Komplott, daß von jetzt an Zhr, Winkel, Euch Winklein nennen sollt, und Zhr, Schnitt,
Schnittlein. Alter und
Dies sind Namen, welche Euerm
unsern Statuten völlig angemessen
R 2
26c» find, nach welchen es nehmlich erforderlich ist, auch die Namen der Eltern unserer Mitbrüder
zu wissen,
weil wir die Gewohnheit haben,
jährlich eine gewisse Anzahl von Messen für die
Seelen unserer Verstorbenen
und Wohlthäter
lesen zu lassen, und das Stupendum dazu theilweise aus demjenigen aufbringen, was wir ein,
erndten.
Die solchergestalt gelesenen und bezahl
ten Messen, sollen, wie man sagt, die Seelen
per nlodum naufragü erretten -
und unsern
Wohlthätern zu gute kommen, als da sind: Der
Prokurator, welcher unsre Defension übernimmt, der Hascher, welcher uns einen warnenden Wink giebt,
hat,
der Büttel, welcher Mitleiden mit uns
derjenige, welcher, wenn wir durch die
Straßen fliehen und hinter uns geschrien wird: ein Dieb! ein Dieb!
haltet ihn!
sich in den
Weg stellt, den Strohm der Verfolger aufhält
und spricht: Man überlasse ihn der Reue, er ist unglücklich genug, laßt ihn gewähren; sein Ver
brechen sei seine Strafe! Zu unsern Wohlthäte rinnen gehören jene willigen Helferinnen, welche uns im Schweiße ihres Angesichts unterstützen,
sowohl im Gefängniß als vor Gericht.
Nicht
minder gehören unsere Väter und Mütter da hin, welche uns zeugen, und der Protokol/füh, rer, welcher, wenn er ist wie er sein soll, jedes
2 61
Verbrechen umzugestalten weiß, und jede Schuld
Für alle hier erwähnte begeht un-
zu mildern.
sere Brüderschaft jedes Zahr ein Adversarlum, mit aller möglichen Solität und mit einer Art
von Trums. — Wahrlich, sagte Winklein (wie er jetzt hieß), dies fromme Werk entspricht dem ganz, was man uns, mein Herr Komplott, von Euer Edeln erhabnen und tiefen Geistesgaben
gerühmt hat. Leben;
Doch sind unsere Eltern noch am
wenn wir sie aber überleben sollten, so
werden wir diese preiswürdige, menschenfreund
liche Brüderschaft sogleich davon benachrichtigen, damit sie ihre Seesen vom Untergehen erretten könne,
und ihnen «in Adversarlum, wie Euer
Edel» sagen, hergebrachten
mit Solennität
und
Triumf veranstalten:
mit dem wenn
es
nicht etwa mit Solität und mit einer Art von Trums geschehen sollte,
paßlich nennen. —
wie Euer Edeln es so
Topp! so solle sein, erwie
derte Komplott, rief ihren . Führer und sagte zu ihm: Lockvogel! sind die Wachen ausgestellt? — Za, sagte der Führer (eben dieser Lockvogel),
drei Schildwachen stehen. auf der Laner, und ein Ueberfall ist nicht zu besorgen. — Um also wie der auf unsern Gegenstand zu kommen, Komplott,
so. wünschte ich von Euch,
sagte
meine
Söhne, zu wissen, -was Zhr wißt, um Euch
26s ein. Eurer Neigung und Kenntniß angemessenes,
Geschäft, anweisen zu können. — Zch, antwor tete Winklein, verstehe mich etwas auf Finten und Zurücklegen;
weiß den Leuten
zu rechter
Zett zu räuchern,
spiele gut Solo,
Dreiblatt
und Farao, und Volte und Würfel habe ich an
d?n Fingern.
Zch sehe im Dunkeln wie eine
Katze; verstehe mich besser auf Späße wie auf Stöße, und der feinste muß Haare lassen, wenn ich mit ihm spiele. — Das ist schon ein Anfang,
sagte Komplott, aber-es sind- doch nur unfrucht bare, abgenutzte Künste, die jeder Gelbschnabel
versteht, und die bloß bei solchen Tröpfen an gewandt werden können, welche am hellen lich, ten Tage sich betrügen lassen.
schon werden,
und wenn wir
Aber es noch
wird
ein halb
Dutzend Lehrstunden draafsetzen, so hoffe ich zu Gott, daß Ihr ein vortrefflicher Geselle werden
sollt, und vielleicht gar ein Meister. — sagte Winklcin,
Herr»
Konfratern
Schnittlein, plott. —
zu
dienen. —
was verstehst Du?
Zch,
wie man sagt,
Alles,
nur um Euer Edeln und den Und Du, fragte Kom
antwortete Schnittlein,
weiß,
mit der Wurst nach der Speck
seite zu werfen, und eine Tasche schnell und be hutsam zu untersuchen. —
Verstehst Du noch
mehr? sagte Komplott;'-—
Bei meiner armen
L6z Seele, nein! weiter nichts, antwortete Schnitt/ lein. —
Gräm Dich nicht, mein Sohn, sagte
Komplott; Du bist vor die rechte Schmiede ge kommen und in die beste Schule, wo Du nichts
verlernen sollst,
sie vielmehr verlassen,
rüstet mit allem was nöthig ist.
ausge
Wie stehtS
denn aber nun um die Kourage, Kinder? —
Wie solle stehen? versetzte Winklein, wir haben
den besten Muth,
Alles zu wagen,
was uns
nach unserm Gewerbe obliegt. — Schön, sagte
Komplott, aber ich wünschte zu wissen, ob Ihr
auch so viel hättet, um nithigenfalls ein halb Dutzend Beängstigungen zu erwägen, ohne zu mucken oder nur eine Silbe zu sprechen. — Wir wissen schon, Herr Komplott, sagte Schnitt
lein, was das heißt, Beängstigungen, und sind auf Alles gefaßt.
Auch sind wir so klug, zu
begreifen, daß die Gurgel für die Zunge büßen
muß, und daß der Himmel gnädig genug gegen «inen Waghals ist (anders will ich ihn nicht nennen), wenn sein Leben und Tod. nur von sei
ner Zunge abhängen,
zumal ein Nein nicht
schwerer auszusprechen ist als ein Ja. — Halt! mehr braucht- nicht,
unterbrach ihn Komplott.
Dieses Wort allein überzeugt, verpflichtet, be
stimmt und zwingt mich, Euch sogleich für Alt
gesellen zu erklären und Euch da« Noviziat zu
erlassen. — Auch ich bin dieser Meinung, sagte
einer von den Raufern;
und alle Anwesende,
welche das ganze Gespräch angehört hatten, be stätigten es einstimmig., und baten Herrn Kom plott,
daß er ihnen sogleich verstatte und er
laube,
die Vortheile der Brüderschaft zu ge
nießen, worauf sie durch ihr einnehmendes Be
tragen und ihre verständigen Reden ein Recht Er erwiederte, daß er,
sich erworben hätten.
um alle zufrieden zu stellen, darin willigen wol daß sie hier
le, ihnen aber bemerkbar-Machen,
auf einen hohen Werth setzen müßten,
von
der Verbindlichkeit
befreit
da sie
würden,
die
Hälfte ihre« ersten Diebstahls zu entrichten, und ein Jahr lang kleine Dienste zu thun; zum Bei
spiel, Botschaften vonseiten älterer Brüder in
die Gefängnisse zu bringen,
nungen ihrer Gönner;
oder in die Woh,
daß sie unvermischten
Wein'trinken, und banketiren dürften, wenn, wie, und wo sie wollten, ohne dazu der Erlaub
niß ihrer Vorgesetzten zu bedürfen;
von
dem
Fange der ältern Brüder gleichen Antheil wie diese fordern könnten,
unh mehr
dergleichen
Dinge, welche sie als die ausgezeichnetste Gunst zu schätzen wußten, bindlich
und
und überdies äußerst ver
wiederholt
dankten. —
Indem
stürzte ein Knabe athemlos herein und rief:
2Ö5 Der Dettelvoigt kommt grade auf das Haus zu,
er hat aber keinen Haltfest bei sich! ■—
Seid unbesorgt, sagte Komplott;
er ist unser
Freund, und kommt nie, um uns zu schaden. Nur ruhig, ich werde hinausgehen und mit ihm
sprechen. —
Sie beruhigten sich nun alle mit:
der, da sie schon besorgt waren, und Komplott ging an die Thür, fand dort den Voigt, sprach
eine Zeitlang mit ihm, kam dann sogleich zurück
und fragte: Wer hat heute den Posten auf dem Platze San Salvador gehabt?
Zch, sagte
der Führer. — Wie kommt es denn aber, sagte Komplott, daß mir noch kein gelbes Beutelchen
zu Gesicht gekommen, das heute früh auf dieser
Stazion gekapert ist, mit fünfzehn Goldscudi,
zwei Realen in Zweiteln,
und ich welß nicht
wie viel Viertelrealen? —
Es ist wahr, sagte
der Führer,
daß dieser Beutel heute nicht zu
finden war, aber ich habe ihn nicht genommen, und wüßte nicht,
wer-ihn genommen
haben
könnte. —
Bet mir gelten keine Finten,
Komplott;
der Beutel muß heraus, denn der
sagte
Voigt will ihn haben, und er ist unser Gönner,
und erweist uns das Zahr über tausend Dien, ste. —
Der Bursche wiederholte die heiligsten
Versicherungen, daß er nichts davon wisse.
wurde Komplott so zornig,
Nun
daß seine Augen
Feuer zu sprühen schienen,
und er sagte:
Nie,
mand wage es, fich den Spaß zu machen, und nur das Mindeste an unsern Statuten zu än
dern, oder er bezahlt es mit dem Leben! Heraus
mit dem Deutel!
Und hält ihn die Furcht zu,
rück vor der Bezahlung der Abgabe, so will ich den Antheil ohne Abzug geben und den Rest
aus meiner Tasche zulegen, denn der Voigt muß
auf jeden Fall befriedigt werden. — Der Bur sche schwor und fluchte von neuem,
und ver
sicherte, er habe dm Beutel nicht genommen, ja
nicht einmal mit Augen gesehen. — Dies alles fachte Komplotts Zorn immer heftiger an und
brachte alle tn Aufruhr, weil ihre Statuten und heilsamsten Gesetze verletzt wurden. lein
diese Gährung
Als Wink,
und Unzufriedenheit
sah,
hielt er es für das Beste, sie zu beruhigen, und
feinen Vorgesetzten zufrieden zu stellen, welcher vor Wuth bersten wollte,
und nachdem er mit
Schnittlein sich berathen hatte und beide gleicher
Meinung waren, Güsters hervor,
zog er das Beutelchen
und sagte:
weitern Nachforschung, Ihr Herrn, ist der Beutel.
des
Es bedarf keiner
denn hier
Es fehlt nichts von dem was
der Voigt angiebt, und mein Kamerad Schnitt
lein hat ihn heut erwischt, nebst einem Tuch, wel
ches er demselben Besitzer, als Beilage abgenom-
men hat.
Schnittlein zog sogleich das Tuch
hervor und zeigte es. — Als Komplott dies sah, sagte er: Das Tuch bleibe schnittlein, dem Gu ten (denn diesen Titel und Ehrennamen soll er
von jetzt an führen), und mir die Sorge, ihm
meine Zufriedenheit mit seinem Betragen zu be
weisen.
Den Beutel muß der Voigt haben,
denn er gehört seinem Verwandten, einem Küster, und man muß auf das Sprichwort halten: eine
Hand wäscht die andere! Der gute Voigt drückt
in einem Tage vor mehr die Augen zu, als wir ihm in hundert geben könkien. —
Alle lobten
einstimmig die edle Gesinnung der beiden No
vizen, so wie das Urtheil und die Entscheidung ihres Obern, welcher hinauöging, um dem Voigt den Beutel zuzustellen.
den Beinamen,
Schnittlein behielt aber
der Gute,
gleich dem Don
Alonso Perez de Guzmann, dem Guten, weicher
da« Messer über Tarif»'« Mauern warf,
um
seinen einzigen-Sohn damit zu enthaupten.
Ale
Komplott zurückkam, folgten ihm zwei Dirnen, mit geschminkten Gesichtern,
Dusen mit Bleiweiß,
von Sarsche,
Lippen mit Roth,
mit kleinen Mäntelchen
und voll Frechheit und Unver,
schämtheit; deutliche Merkmale, woran Winklein
und Schnittlein sie für öffentliche Mädchen er,
kannten,
und sich denn auch nicht irrten.
So
£6ß wie sie eintraten, eilten sie mit offnen Armen, die eine auf Klobaxt und die andere auf Eisen,
faust zu (so hießen die beiden Klopffechter,, und
zwar
Eisenfaust
deshalb,
weil
er
statt
der
ihm, von Rechtswegen, abgehauenen Hand, eine eiserne trug).
fragten sie,
Diese umarmten sie herzlich und
ob sie etwas mitbrächten,
Hauptkanal zu wässern. —
um den
Das könnte auch
fehlen, Bester! antwortete die eine, welche sich
Fundgrube nannte;
sogleich wird Dein Schuh,
Putzer Pfiff hier sein, mit einem Waschkorb voll
Gottesgaben. — Dies geschah auch, und es kam in dem Augenblick ein Knabe mit einem Wasch,
korbe, welcher mit einem Betttuch bedeckt war.
Alles war über Pfiffs Erscheinung sehr erfreut, und Komplott ließ sogleich eine Schilfmatte aus
dem Zimmer holen und sie mitten im Hofe aus, breiten. .Zugleich befahl er, daß sie sich alle in
einen Kreis fetzen sollten,
um die Galle mit
Wein zu verdünnen, und zu verhandeln, was jetzt das wichtigste sei. — Hierauf sagte die Al,
te, welche bis dahin vor dem Bilde gebetet hat
te: Sohn Komplott!
muthe,
mir ist nicht festlich zu,
denn ich habe seit zwei Tagen einen
Schwindel, welcher mich rasend macht;
zumal
ich noch vor Mittag meine Andacht verrichten muß, und meine Wachskerzen bringen unserer
269
heiligen Jungfrau der Gewässer und dem heili gen Cruzifix des heiligen Augustin, was ich trotz Schnee und Sturmwind nicht unterlassen würde.
Weshalb ich gekommen bin, ist, weil der Re negat und Skorpion mir zu Nacht einen Wasch
korb mit weißer Wäsche gebracht haben (etwas
größer als dieser hier),
die auf
Seel und
Seligkeit noch ganz voll Laugenasche war, welche
die armen Teufel nicht mehr abspülen konnten. Sie schwitzten so große Tropfen, daß ee mir in der Seele wehkhat, wie sie so keuchend und mit
in Schweiß gebadeten Gesichtern hereintraten,
wie die lieben Engelchen.
Sie sagten mir, sie
verfolgten einen Viehhändler,
welcher eine An
zahl Hammel in der Fleischerbank
abgewogen
habe, um zu versuchen, ob sie nicht einer fetten
Realenkahe habhaft werden könnten, welche er
bei sich habe.
Sie packten die Wäsche nicht aus
und zählten sie auch nicht, denn sie trauten mei ner Gewissenhaftigkeit; Mtd so wahr Gott meine
brünstigen Wünsche erhören, möge, und uns alle
vor den Krallen der Justiz bewahren: ich habe den Korb nicht berührt und noch ist er so un
verletzt ipic er gewesen ist! — Zweifel, Frau Mutter, Korb mag so bleiben,
Daran ist kein
sagte Komplott;
der
und bei Anbruch der
Nacht werde ich htngehen, seinen Znhalt unter-
suchen und prüfen, und, wie ich immer thue, jedem sein Theil
redlich
Dein Wille geschehe, Alte.
und
treulich
mein Sohn,
geben.
sagte die
Es wird aber spät, und brumm gebt mir
ein Schlückchen, wenn Ihr eine habt, um mei-
nem Magen aufzuhelfen, welcher immer sehr hin fällig 1(1.
Das sollt Ihr haben, liebe Mutter,
sagte Schleuse (so'hieß die Gefährtin der Fund grube).
Sie deckte den Korb auf, und es zeigte
fich eine Art von ledernem Wetnschlauch, worin
etwa ein Dutzend Quart- Wein sein mochten,
und ein Korkbecher, welcher füglich und gemäch lich ein Maaß fassen konnte.
Schleuse füllte
ihn, reichte ihn der frommen Alten,
und diese
faßte ihn mit beiden Händen, blies den Schaum ein wenig ab und sagte: Hast gut eingeschenkt, Tochter Schleuse,
zwingen! —
doch mit Gott werd ichs be
Sie setzte ihn an die Lippen und
goß den Becher in einem Zuge in den Magen
und ohne abzusehen, worauf sie hinzufügter Es ist Guadalcanal, und der Bursche schmeckt mein Seel nach dem Stein! Gott stärke Dich^ Toch, ter, wie Du mich gestärkt hast! Nur fürchte ich,
daß es mir schaden wird,
weil ich nicht gefrüh
stückt habe. — Wird nicht! sagte Komplott, denn er ist dreijährig. —
Zch hoffe es zur heiligen
Zungfrau, erwiederte die Alte, und setzte hinzu:
271 Seht einmal nach, Kinder, ob Ihr nicht einen Viertelreal habt, damit ich mir die Kerzchen zu
meiner Andacht kaufen kann,
well ich in der
freudigen Eil, Euch die Neuigkeit von dem Korbe meine Tasche zu Haue ver,
zu hinterbringen, gessen habe. —
Frau Tonne
Zch habe Geld,
(so hieß die ehrliche Alte), sagte Fundgrube, hier
sind zwei Viertelrealen; für den einen, bitte ich mir eine Kerze zu kaufen für unsern Herrn den
heiligen Miguel,
und könnt Zhr zwei dafür
kaufen, so bringt die andere unserm Herrn dem
heiligen Blasius,
denn das sind meine beiden
Zch wollte wohl, daß Zhr auch
Schutzpatrone.
brächtet,
unsrer heiligen Frau Luzia eins
zu
der ich auch zu beten pflege, der Augen halber, doch ich habe kein kleines Geld, und ein ander
mal sollen sie alle etwas haben. — Daran wirst
Du sehr wohl thun,
Tochter,
und hüte Dich
vor dem Knausern! Denn es ist sehr zu rathen,
daß man sein Flämmchen selber nähre und nicht
daß die Erben oder Testaments,
darauf warte,
Vollstrecker es thun. 7— Mutter Tonne hat Recht, sagte Schleuse,
griff in den Deutel,
gab ihr
noch einen Viertelreal und trug ihr auf,
zwei Lichter
denjenigen
Heiligen
zu
noch
weihen,
welche sie für die nützlichsten und erkenntlichsten halte. —
Darauf sagte Tonne,
indem sie sich
auf de» Weg machte: lange Ihr noch könnt,
Seid lustig, Kinder, so
denn das Alter kommt,
und dann werdet Ihr die unbenutzten Augen blicke der Jugend beweinen, wie ich sie beweine.
Gedenkt meiner in Euern Gebeten zu Gott;
ich will dasselbe jetzt für mich und Euch thun, auf daß er uns in unserm gefahrvollen Gewerbe schütze,
und vor jedem Anfall der Gerechtigkeit
bewahre! —
fort war, Matte,
Hierauf ging sie.
Nachdem sie
setzten sich alle in die Runde um die
Fundgrube breitete das Betttuch hin,
statt Tischtuch, und das erste was sie aus dem Korbe zog, waren, ein großes Bündel Rettiche,
und etwa zwei Dutzend Pommeranzen und Zitronen;
dann folgte eine große Schachtel mit
gebacknem Stockfisch, in Stücken; demnächst er schienen, ein halber Flanderkäse, ein Topf voll köstlicher Oliven, «ine Schüssel Hummer,
eine
Menge Krebse, bereitet mit durstweckenden Ka pern und Pfeffer, und endlich, drei schneeweiße
Gandulbrodte.
Der
Frühstückenden
mochten
etwa vierzehn sein, welche alle ihre Hommesser
hervorholten,
Winklein ausgenommen, welcher
sein Jagdmesser entblößte.
Die beiden Alten
mit den Frießröcken und der Führer übernah men das Füllen des Korkbechers.
Kaum hatten
sie aber den ersten Angriff auf die Pommeranzen
273
gemacht, ale sie durch Schläge an die Thür hef Komplott befahl ihnen
tig aufgeschreckf wurden,
ruhig zu fein,, ging ins Zimmer, nahm ein Schild herunter, trat mit gezognem.Degen an die Thür
und fragte mit dumpfer, fürchterlicher Stimme:
Wer klopft? —
Draußen wurde geantwortet:
Zch bins, sonst niemand, Herr Komplott! Zch
bin
Falke,
der
diesen
die
Mprgen
Wache
hat, und komme zu melden, daß Zuliana, die Bauebacke, hierher kommt, mit zerrauften Haa
ren und ganz verweint, so daß es scheint, als
ob. ihr irgend ein Unglück begegnet sei. — Zndem langte diese auch schon schluchzend an, und so wie Komplott sie vernahm,
öffnete
er die
Thür und befahl dem Falken, auf seinen Posten
zu gehr»-, und künftig weniger geräuschvoll und
lärmend Meldung zu thun. danach zu achten. —
Dieser gelobte sich
Die Bausbacke erschien,
Sie war eine Dirne von gleicher Sorte und gleichem Gewerbe, wie die andern»
ZHre Haare
hingen um den Kopf und.das Gesicht war ganz
mit Schwielen bedeckt, und so wie sie den Hof betrat^ fiel sie sinnlos nieder.
Fundgrube und
Schleuse eilten ihr zu Hülfe,
und wie sie ihr
die Brust lüfteten, fanden sie diese ganz schwarz unterlaufen und wie gequetscht.
Sie sprengten
ihr Wasser ins Gesicht, und sie kam wieder zu
S
sich und schrie: Gott und der König strafe die Lederfratze, den feigen Schurken, den lausigen Schuft, dem ich mehrmal vom Galgen ge holfen habe, «ItS er Haare im Bart hat! Zch Unglückskind! Seht, für wen ich meine Zugend und die Blüthe meiner Zahre hingege» den, verschwendet habe! Für einen fühllosen, niederträchtigen, heillosen Racker! — Sei ruhig, Bauebacke! unterbrach sie Komplott. Zch stehe Dir dafür, 'daß ich Dich rächen werde ! Theile uns die Dir widerfahrne Beleidigung mit, und ich will Dir schneller Rache schaffen, als Du uns erzählen kannst. Sag mir, hast Du mit Deinem Liebsten etwas vorgehabt? — Wae Lieb ster, versetzte Zuliana. Der Satan soll mich eher lieben, als Er, so'n Wolf unter Schaafen, so'n Hammel unter Männern! Ehe ich mit dem an einem Tische esse, oder in einem Bette schla fe, sollen lieber Zgel mein Fleisch fressen! Denn Er hat mich so zugerichtet, wie Ihr mich hier seht! — Dabei hob sie sich die Röcke bis an die Knie auf und wohl noch höher, und zeigte, daß sie mit Striemen ganz bedeckt waren. So hat mich, fuhr sie fort, der undankbare Kohlstrunk zugerichtel, der mir mehr schuldig ist, als der Mutter, die- ihn zur Weit gebracht hat! Und glaubt Zhr wohl, weswegen ers gethan.
275
oder daß ich ihm gerechten Anlaß gegeben ? Beim Himmel! ich habe nichts weiter gethan, als dies: er hatte gespielt und verloren, durch
Böckchen,
Realen abforderil.
seinen
und ließ mir
Schuhputzer,
dreißig
Ich schickte ihm aber
nur
vier und zwanzig, die ich so sauer und mit solcher' Mühe erworben habe, daß der Himmel sie mir auf meine Sünden abrechnen mag! Und
zum Lohn für diese Gefälligkeit und Wohlthat,
führte er mich diesen Morgen (in der Meinung,
daß ich etwas von dem unterschlagen habe, was ich nach seiner Rechnung besitzen mußte) aufs
bei des Königs Garten, zo§ intch hinter
Feld,
einigen Olivenbäumen nackt aus,
und geißelte
mich dort mit seinem Gurt, ohne die Eisen da von abzülöstn (o fäh' ich ihn doch in Eisen und
Banden!) so lange, bis er mich für todt liegen ließ!
Die Striemen,
die Zhr hier seht,
sind
treue Zeugen der Wahrheit meiner Erzählung! —
Nun schrie'sie von neuem, forderte von neuem
Rache,
und von neuem versprachen
ihr
diese
Komplott und auch die beiden anwesenden Rau
fer.
Fundgrube bemühte sich vor allen,
sie zu
trösten, und versicherte ihr, sie wolle das schönste Kleinod brumm geben,
wenn ihr mit ihrem
Liebsten so etwas begegnet wäre.
Denn,
sagte
sie, Du sollst wissen, Schwester Bauebacke, wenn S 2
276 Du es noch nicht weißt: prügelt sich.
was sich liebt,
das
Wenn diese Bestien uns peitschen
und mit Füßen treten, dann lieben sie uns eben
recht inbrünstig.
Bekenne nur, ich bitte Dich,
ob Kohlstruuk Dir nicht eine Liebkosung gemacht
hat,
nachdem ev, Dich geprügelt und zerbläut
hatte? —
Eine? versetzte die Arme; Hundert
tausend hat er mir gemacht,
und einen Finger
von der Hand würd er brumm geben, wäre ich mit ihm nach Haus gegangen!
Mich dünkt so
gar, baß ihm da« Wasser in die Augen schoß,
nachdem er mich zerprügelt hatte. — gewiß,
sagte Fundgrube,
Schmerz weinen,
Das ist
und er würde vor
wenn er sähe,
wie er Dich
zugerichtet hat"; denn kaum hat so'n Kerl in sol chem Fall gesündigt, so reuts ihn schon, und Du
sollst sehen, Schwester,
ob er Dich nicht auf
sucht, noch ehe wir-hier weggehen, Verzeihung wegen des Vergangnen verlangt, und schwänzelt wie ein Lämmchen. — plott,
Bet Gott! sprach Kom
der feige Hundsfott soll mir nicht über
die Schwelle, wenn er nicht zuvor sein begange nes Verbrechen feierlichst gebüßt hat!
Es sollte
ihm so htngehen, Hand an Bauebacke'ö Gesicht und Leib gelegt zu haben?
An sie,
die an
Sauberkeit und nützlichem Ertrag mit dieser Fund, grübe sich messen kann? Mehr kann ich sie doch
wohl nicht loben ! — Ach, Herr Komplott, sagte Juliana, ich bitte Euer Edein, nichts Bists von dem Bistwicht zu sagen, denn so bös er ist, so lieb ich ihn doch mehr als meine 'Herzfibern, und die Gründe, welche meine Freundin, Fund/ grübe, zu seinen Gunsten angeführt hat, haben mir die Seele im Leibe umgekehrt, so daß ich wahrlich fest entschlossen bin, ihn aufzusuchen! — Das mußt Du nicht thun, wenn Du mir fol/ gen willst,' sagte Fundgrube, denn er würde übermüthig werben und sich brüsten, und Dich wie 'nen Hund traktiren. Verhalte Dich nur ruhig, Schwester, «nd Du wirst ihn bald reue/ voll ankomnten sehen, wie ich Dir schon gesagt habe; und sollte er nicht kommen, so schreiben wir ihm ein Zettelchen in Versen, das er nicht hinterschlucken soll. — Ja, ja! sagte die Dausbacke, denn ich habe ihm sehr viel zu schreiben. — Ich werde den Schreiber abgeben, sprach Komplott, wenn« nöthig fein stillte, Und obwohl ich kein Poet bin, so 'samt ein Mensch doch im Umsehn zweitausend Berst fertigen, wenn er nur anpackt. Und sollten fle nicht nach Wunsch gerathen, so habe ich da meinen Bar/ bier, der mein Freund ist und ein großer Dichter, und gern hinzuthun wird, was am Versmaß fehlt. Jetzt wollen wir aber das an/
gefangne Frühstück beenden, und demnächst wird
alleö übrige sich finden. —
Juliana gehorchte
ihrem Vorgesetzten mit Vergnügen; alle kehrten
zum Schmaus zurück, und nach kurzer Zeit blickten sie den Boden des Korbes und die Hefen
des Schlauchs.
Die Alten zechten sine fine,
die Zungen hinreichend,
minder. niß,
und die Weiber nicht
Die Alten baten darauf um Erlaub
gehen zu dürfen,
und Komplott ertheilte
sie ihnen sogleich, mit dem Auftrag, ihm genau Nachricht von allem zu bringen,
was sie der
Gemeine nützlich halten würden und zuträgllch.
Sie versicherten,
daß sie es sich wollten ange
legen sein lassen, und ginge». — Winklein, von
Natur neugierig, bat Herrn Komplott um Ver
zeihung und Vergünstigung zwei so alte,
der Frage,
wozu
ernste und anständige Personen,
der Brüderschaft nützen könnten. — Dazu, ant wortete Komplott, was mau in der Zigeuner sprache mit dem Kunstausdruck, Wespen, nennt,
deren Geschäft es ist, am Tage die ganze Stadt zu durchstreifen; zu erspähen, i» welchem Hause
man etwa in der Nacht einen Versuch machen könnte; diejenigen zu begleiten, welche aus dem
Handlungütribunal oder aus der Münze Geld holen; Acht zu geben, wohin sie es tragen und wo es verwahrt wird; die Stärke der Mauern
des Hauses zu prüfen und den schicklichsten Ort zu bezeichnen, wo sich ein Loch machen läßt wo
durch man leicht hineinbrechen kann;
kurz, er
versicherte, daß diese Menschen, wo nicht die nützlichsten wären, doch eben so nützlich als alle
übrige Glieder
der Brüderschaft;
sie erhielten
auch von allem, was durch ihre Betriebsamkeit gestohlen werde, ihr Fünftel, wie Seine Maje
stät von den Schätzen.
Sie wären bei dem al
len sehr zuverläßige und geachtete Männer, von
unbescholtenem Wandel und Ruf,
fürchtig und bußfertig,
und gottes
denn sie hörten täglich
ihre.Messe, mit absonderlicher Andacht.
Sie
sind, sagte er, zum Theil so bescheiden, besonders
diese beiden, daß sie mit viel wenigerm sich be gingen, als ihnen nach unsern Gesehen gebührt. Dann haben wir noch zwei Lastträger, welche,
weil sie in jedem Augenblick ein neues Hau besuchen, alle Aus- und Eingänge in der gan
zen Stadt kennen, und unter diesen diejenigen, welche für uns ersprießlich
sein
können
ober
nicht. — Das entzückt mich ganz, sagte Wink lein, und ich wünsche sehnlich, einem so ruhm vollen Bunde einigermaßen nützen, zu können! —
Der Himmel erfüllt fromme Wünsche jederzeit! sagte Komplott. — Als sie so mit einander spra
chen, meldete sich jemand an der Thür.
Kom«
2gc>
plott ging, um nachzuseheu, und erhielt auf seine Frage zur Antwort:
Oeffnet nur,
Herr Kom,
plott, ich bins, der Kohlstrunk! — Al« Juliana
diese Stimme hörte, schrie sie auf: Oeffnet ihm nicht, Herr Komplott! öffnet ihm nicht, dem rarpeitschen *) Seehund,
dem türkanischen Ti,
ger! — Komplott öffnete indeß dem Kohlsirunk
dennoch.
So wie er aber Bausbacke sah, sprang
sie schnell auf, rannte in das Zimmer wo die
Schilde hingen, verschloß die Thür hinter sich und schrie von neuem: Hinaus mit dem Fratzen,
gesicht, , dem Zungfernschinder,. dem Habicht um ter Tauben! —
den Kohlstrunk
Eisensaust und Klobaxt. hielten
zurück,
Dnusbacke hinein wollte.
welcher durchaus zur
Da sie ihn aber nicht
losließen, so rief er von außen:
Liebe Zornige,
sei ruhig! Zch bitte Dich, gieb Dich doch mit noch vor der Hochzeit zufrieden! —
Vor der
.Hochzeit, Schuft? versetzte Bausbacke.' -Seht doch, was er sich untersteht! Möchtest wohl gar,
daß ich mit Dir Hochzeit machte? Nein, lieber mit 'nem Aas - Saudumtten, als mit Dir! —
Ei so ziere Dich nicht, Affe,
sagte Kohlstrunk.
*) Marinero de Tarpeya. Sie will sagen: de harpya. Die Schergen, Büttel und Hascher heißen nehmlich in der Zigeunersprache, harpyas. —
Wie wollen ein Ende machen, eh's zu spät ist. Blähe Dich nur nicht auf,
daß Du mich so
zahm und demüthig siehst, denn beim Teufel,
wenn-mir die Galle überläuft, wird der Rück, fall ärger wie die Krankheit! Sei demüthig, wir wollen alle demüthig fein, uNd dem Satan kein
Frühstück braten! —
Zch gäbe ihm obendrein
ein Vesperbrodt, sagte Bausbacke, wenn er Mir nur Dich auf immer aus den Augen schaffte! —
Sag ichs nicht? versetzte Kohlstrunk.
Bei Gott
ich merke, Jungfer Matratze, daß ich mit Dir nicht lange fackeln muß! — Zn meiner Gegen, wart,
unterbrach ihn Komplott,
Thätlichkeiten kommen.
solls nicht zu
Die Bausbacke wird
Herauekommen, nicht, weil Du drohst, sondern mir zur Liebe, und alles wird gut gehn, denn
die Zänkereien der Verliebten machen eben den größten Spaß beim Friedensschluß.
liana!
Na Zu,
Kleine! liebe Bausbacke! ߻mm daher,
mir zur Liebe;
ich stehe Dir dafür,
Kohlstrunk Dir kniend abbitten soll! — er das thäte,
sagte Schleuse,
baß der Wenn
so würden wie
ihm alle vergeben, und Zulianen bitten, daß sie herauekäme. — Soll diese Unterwerfung, sagte
Kohlstrunk, eine Herabwürdigung für mich sein, so soll mich eine ganze Armee Schweizer nicht dahin bringen; ists aber nur, um der Bausbacke
sgs
eine Freude zu -machen,
so will ich nicht nur
vor ihr knien, sondern ich will mich ihr zur Liebe
venmgeln lassen! — Klobaxt und Eisenfaust lach ten hierüber, und Kohlstrunk, welcher sich ge
foppt glaubte,
ward so bös,
daß er wüthend
ausrief: Wer sich untersteht zu lachen, oder nur tine Miene macht über das was die Bauebacke
mir gesagt oder ich ihr gesagt,
oder über das
was wir noch sagen werden, der ist ein Schurke! und so oft ein Schurke, als er lacht, oder, wle
gesagt, nur Miene dazu macht! — Klobaxt und Eisenfaust blickten sich so wild und auffordernd
an, daß Komplott wohl einsah, es müsse ein Un glück daraus entstehen, wenn er nicht vorbeuge. Er trat also zwischen sie und sagte:
Nicht wei
ter, Ritter! Haltet ein mit Beleidigungen und verschluckt sie! Uud da die einmal ausgestoßenen
an niemand bestimmt gerichtet sind, so ziehe sie
auch niemand sich an. —
Klobaxt antwortete:
Wir bedürfen weder jetzt noch künftig dergleichen
Erinnerungen, denn wenn uns eingefallen wäre,
daß sie uns gölten, so haben wlr die Pauke zur Hand und wissen sie zu schlagen! — Das Pau
ken verstehn wir auch, Herr Klobaxt, versetzte Kohlstrnnk, und würden, wenns nöthig wäre, auch die Schellen zu handhaben wissen.
Ich
habe gesagt, ein Schurke der da lacht! und wer
dem widerspricht, der folge mir, denn ein Mann
verficht dae was er behauptet, auch mit 'nem kurzen Degen!
Bei diesen Worten wandte er
sich nach der Thür,
um hinauezugehen.
Die
Bausbacke hatte alles mit angehört, und f» wie
sie sah, daß er wüthend fortging, kam sie her, aus und sagte: Haltet ihn zurück, laßt ihn nicht fort!
Denn er richtet wieder ein Unglück an!
Seht Ihr nicht, wie wüthend er ist? Er ist ein
Judas Makarelus,
wenn er um sich schlägt!
Kehre um, Du Held der Welt und meiner Au
gen! — Zugleich faßte sie ihn fest beim Mantel, und als.auch Komplott hinzukam, hielten sie ihn
zurück!
Klobaxt und Eisenfaust wußten nicht,
spllten sie losbrechen oder nicht,
und warteten
ab, was Kohlstrunk beginnen würde.
ser hörte,
Wie vier
daß sowohl Bauebacke als Komplott
ihn baten, so kehrte er um und sagte: Nie müs
sen Freunde sich einander ärgern oder zum Besten haben, zumal wenn sie sehen, daß der Freund es übel nimmt. —
Eisenfaust,
Hier ist kein Freund, sagte
der einen andern ärgert,
Besten hat,
Freunde sind,
oder zum
und da wir also sämmtlich gute so wollen wir als Freunde uns
die Hände geben. — Meine Herrn, sagte Kom plott, Ihr habt von beiden Seiten freundschaft
lich geredet,
und
brumm schlagt als Freunde
ein. — Sie gaben sich sogleich die Hände, und
nun zog'Schleuse einen ihrer Holzschlche aus. Und klapperte darauf wie auf einer Trommel;
Fundgrube ergriff einen zufällig dastehenden neuen Palmbesen, und brachte, kratzend, einen Ton
hervor, welcher, obwohl er rauh und schnarrend
war,
paßte.
doch zu dem des Holzschuhe vollkommen Komplott brach
eine Schüssel mitten
durch, und lieferte mit den Scherben, welche er
zwischen den Fingern hielt und sehr behende an
einander klirren ließ, den Kontrapunkt zum Holz, schuh und Besen.
Winklein und Schnittlein tr
Zch wundere mich sehr,
dieser Abschnitt noch
sagte Komplott,
daß
immer nicht erledigt ist.
Ohne Zweifel muß der Astfeind unpäßlich sein, denn eö find schon zwei Tage über den Termin,
und er hat noch nicht das geringste in der Sache gethan. —
Zch traf ihn gestern,
sagte Eisen
faust, und er sagte mir, er habe seine Schuldig
keit noch nicht gethan, weil der Bucklichte einer Krankheit halber nicht ausgegangen sei. — Das
glaub' ich,
sagte Komplott, denn ich halte den
Astfeind für eine» so tüchtigen Gesellen,, daß,
wenn ihn nicht ein so gerechtes Hinderniß ab
gehalten hätte, ec. schon ein weit größeres Wag
stück ausgeführt haben würde. Züngchen? —
Nein Herr!
Zst noch etwas,
antwortete Wink
lein. —
So geh weiter, sagte Komplott, und
sieh zu,
wo die gewöhnlichen Mißhandlungen
294 stehen. —
Winklein ging weiter nnd fand auf
dem folgenden Blatte geschrieben: Note der gewöhnlichen Mißhandlun gen,
nehmlich:
sicht werfen;
Dintenflaschen inö Ge
mit Wqcholderihl beschmie
ren; Schandbilder und Hörner anheften;
Schimpfe»; Erschrecken; Tsufhehen; Ver stellte Mefferschnitte; Pasquille u, s. w. Was steht weiter unten?
Es steht da,
sagte Komplott. — ein Hau»
antwortete Winklein,
mit Wacholderihl zu beschmieren. — Lies nichts
weiter von dem Hause,
sagte Komplott;
ich
weiß schon wo es ist und bin selbst der Rädels
führer dieses Schabernacks.
Vier Scudi sind
auch schon auf Abschlag bezahlt, Preis beträgt acht Scudi. — sagte Winklein,
und der ganze
Das ist richtig,
und so steht alles hier»
und.
drunter heißt es: Hörner anzuheften — Haus
und Ort darfst Du auch nicht lesen,
unterbrach
ihn Komplott, denn es ist hinreichend, daß der Schabernack verübt wird, kannt zu machen;
ohne es öffentlich be
man muß vor allen Dingen
gewissenhaft sein! Zch wollte mit Freuden lieber
hundert Hörner Schandbilder,
anheften
und
eben
so
viel
wenn meine Mühe bezahlt wird.
als es nur ein einzigmal sagen, wärs auch mei
ner leiblichen Mutter! — Der Sekutor, sagte Winklein, ist Spottvogel. —
Ist schon gesche
hen und bezahlt, versetzte Komplott.
Sieh nur
zu, ob noch mehr da sieht, denn wenn ich mich
nicht sehr irre, so muß da noch ein Schreck für zwanzig Scudi stehen.
Die Hälfte ist bezahlt,
die ganze Brüderschaft soll ihn sekutiren,
die Frist läuft diesen ganzen Monat.
und
Er soll
ausgeführt werden und kein Zota
buchstäblich
dran fehlen.
Es wird einer der besten Späße
die in langer Zeit in dieser
der Art werden,
Stadt sich ereignet haben.
denn ich weiß,
und weiß auch,
Gieb mir das Buch,
daß weiter nichts drlnn steht, daß
das Gewerbe
schwachen Füßen steht.
dere Zeit auf diese folgen, mehr Arbeit haben
jetzt auf
Doch es wird eine an und
wir werden
als uns recht sein
wird;
denn ohne Gottes Willen rührt sich kein Blättchen, und wir timten niemand zwingen, sich zu
rächen, zumal jeder in seiner eignen Sache am besten sich zu helfen pflegt, kann. —
strunk.
und ungern Dinge
die er mit eignen Händen
bezahlt,
Ganz richtig,
verrichten
unterbrach ihn Kohl
Wollten uns aber nicht der Herr Kom
plott Dero Befehle und Aufträge geben,
denn
296 es ist nicht mehr früh und die Hitze tritt bald ein. —
Was geschehen muß,
sagte Komplott,
ist, daß jeder auf seinen Posten gehe und nie
mand bis Sonntag sich davon kommen
rühre;
wir hier wieder zusammen,
dann
und ee
wird alles, wa« un« in die Hände gefallen sein sollte, »ertheilt werden,
kurz kommen.
und niemand dabei zu
Winklein und Schnittlein, der
Gute, erhalten bis Sonntag zum Distrikt, die
Strecke vom goldnen Thurm,
außerhalb
Stadt bis an das Durgpfirtchen,
dort die Farben in aller Ruhe spielen Zch sah schon andere,
der
und können
lassen.
minder geschickte Leute
als sie, jeden Tag mehr als zwanzig Realen in
Münze, ohne das Silbergeld, mit einem einzi gen Spiel Karten gewinnen,
zu wenig waren.
woran noch vier
Lockvogel wird Euch diesen
Distrikt zeigen/ und solltet Ihr Euch auch bis
San Sebastian und San Elmo ausdehnen, so thuts nichts,
daß niemand
obgleich eö recht und
fremdes
Eigenthum
Beide küßten ihm die Hände welche er ihnen erzeigte,
billig
ist,
verletzt. —
für die Gnade,
und versicherten,
daß
sie ihre Obliegenheiten treu und redlich und mit
der größten Betriebsamkeit und Vorsicht erfül len wollten.
Komplott zog nun ein zusammen-
gefaltetes Zettelchen aus der Mantelkappe her/
vor, welches die Liste seiner Gesellen, enthielt,
und verlangte, daß Winklein seinen und Schnitt/ letns Namen hinzufügen
aber
da
solle;
kein
Schreibzeug vorhanden war, so sollte er es mit/ nehnren
und
schreiben:
beide
bei
dem nächsten Apotheker auf/
Winklein und Schnittlein,
Noviziat;
ohne
Schnitt, Gründling;
Winkel,
Brüder,
Blattschläger;
nebst Tag, Monat und
Jahr, mit Weglassung der Eltern und der Hei/ mach. —
Indem
Wespen und sagte: zu melden,
erschien eine von den alten ich komme um Euer Edeln
daß ich so eben dem jungen Wolf
aus Malaga auf der Straße begegnet bin, und
daß er mir versichert hat,
er habe
Kunst solche Fortschritte gemacht,
in
seiner
daß er mit
einer Karte ohne Zeichen dem Satan selbst das Geld abnehme» wolle;
und weil er erwae ge/
mißhandelt angelangt ist,
sogleich ein,
um
so findet er sich nicht
sich etnzuschreiben und seine
schuldige Unterwürfigkeit zu bezeigen,
er wird
aber am Sonntag unfehlbar hier sein. —
habe ich doch immer vorausgesehn,
Das
sagte Kom/
plott, daß dieses Wölfchen einzig in seiner Kunst werden würde, denn er besitzt die vortrefflichsten
und allergeschicktesten Hände dazu,
welche sich
nur wünschen lassen, und wer in der Kunst ein
tüchtiger Künstler sein will, bedarf sowohl guter Instrumente,
um sie auszuüben,
dieser sich zu bedienen. —
Alle,
als Talent, sagte der
Ferner,
habe ich in einer von den Herbergen, der
Färberstraße, den Juden in Priesterkleidung an getroffen,
welcher dSrt eingekehrt ist,
weil er
Nachricht bekommen hat, daß zwei Peruvianer in demselben Hause wohnen,
und weil er gern
versuchen möchte, ob er sie nicht zu einem Spiel
bewegen könne, wäre auch nur klein, denn dar auf könnte leicht ein größeres folgen.
Er ver
daß er am Sonntag bet der Zu
sichert auch,
sammenkunft nicht fehlen und von seiner. Person
Rechenschaft geben wird. —
Auch dieser Jude,
sagte Komplott, ist ein tüchtiger Stoßvogel und hat große Einsicht.
Es ist lange, daß ich ihn
nicht gesehen habe,
daran thut er nicht-wohl,
und wenn er sich nicht bessert, so werde ich ihm, mein
die
Seell
Glatze zerzause»,
denn der
Spitzbube hat nicht mehr Weihen wie'» Türke
und weiß nicht mehr Latein als meine Mutter! Gtebks sonst noch Neues? — Nein, sagte der Alte,
gut,
wenigstens sagte
weiß ich nichts. —
Komplott.
diese Lumperei
Schon
Nehmen Euer Edeln
(er »ertheilte unter alle etwa
vierzig Realen)
und Sonntag fehle niemand,
denn es darf am Gestohlnen nichte fehlen! — Alle dankten ihm;
Kohlstrunk und Bausbacke,
Schleuse und Eisenfaust,
Klobaxt umarmten sich
und Fundgrube und
wiederholt
daß sie in der Nacht,
redeten,
und verab
wenn sie ihre
Geschäfte daheim abgemacht haben würden,
der Tonne sich treffen
wohin
wollten,
bet
auch
Komplott gehen wollte, wie er sagte, um den Korb mit Wäsche
seht aber sich
nachzusehen,
nuf den Weg machen mußte,
um die Note in
zu
Betreff der Wacholderöhlschmiere
besorgen
Er umarmte Winklein und
und zu erledigen.
Schnittlein, gab ihnen seinen Segen und beur
laubte sie, indem er ihnen aufband, nie eine be stimmte Herberge
oder Wohnung
denn das Heil aller erfordere es
vogel begleitete sie,
zuweisen,
haben,
also.
Lock
um ihnen ihre Posten an
und erinnerte sie,
nicht auszubleiben,
zu
am Sonntag ja
denn er glaube und ver,
muthe,
daß Komplott eine Lekzion mit Opposi,
zionen
über einige Zweige ihrer Kunst lesen
werde. —
Damit ging er und ließ die beiden
Gefährten voll Erstaunen über das was sie ge sehen hatten.
Winklein war,
äußerst verständig,
und
obwohl jung,
hatte gute natürliche
3oo Anlagen,
und da er mit seinem Vater
Bullenverkehr getrieben hatte,
den
verstand
so
er
etwas vom guten Sprachgebrauch, und schlug
ein lautes Gelächter auf,
bei der Erinnerung
an die Worte. welche er von Komplott und von
den übrigen seiner Brüderschaft und Gemeine gehört
statt zu sagen,
hatte;
besonders,
löblichen wenn er,
gesagt
per modum suffragii,
hatte, per modum naufragii; und daß sie das Stnpendum zusammenbrächlen aus dem,
sie einerndteten,
dium;
statt zu sagen,
was
das Stipen-
und wenn die Bausbacke gesagt, Kohl-
strunk sei wie ein tarpeiischer Seehund und ein türkanischer Tiger,
Tiger;
und
statt zu sagen, hyrkanischer
noch
tausend
andern
Unsinn.
Besonders ergötzte es ihn, daß sie gesagt hatte,
der Himmel werde ihr den sauern Erwerb der vier und zwanzig Realen auf ihre Sünden ab/
rechnen.
Er staunte über
diese
und
andere
ähnliche und noch weit schlimmere Dinge,
und
vor allem über die Unbefangenheit und Zuver-
sicht, mit welcher sie darauf rechneten,-in den
Himmel zu gelangen, Übungen
weil sie ihre Andachte,
nie unterließen,
Spitzbübereien.,
ungeachtet
Mordthaten und
rungen voll waren.
Er
lachte
sie aller
Gottesläste auch herzlich
3oi über die ehrliche Alte,
die Tonne,
welche den
gestohlnen Korb mit Wäsche in ihrer Wohnung verbarg und sich
auf den Weg
Wachskerzchen den Heiligen zu
machte,
weihen,
die und
gedachte, so, mir nichte dir nichts in den Him
mel einzuziehen.
Nicht minder verwunderte er
sich über den Gehorsam und Respekt,
welchen
alle gegen Komplott beobachteten, diesen rohxn, bäurischen, fühllosen Menschen.
Er überdachte
sich das was er in seinem Notirbuche gelesen hatte, und die Geschäfte, welche sie sämmtlich Er konnte sich endlich nicht oft genug
trieben.
wiederholen, wie sorglos die Justiz der berühm
ten Stadt Sevilla sei,
da eine so verderbliche
und unnatürliche Rotte fast ganz
ohne Hehl
ihr Wesen treibe, und.er nahm sich vor, seinem Gefährten vorzuschlagen,
daß sie nicht länger
auedauern wollten bei dieser sündhaften, schänd
lichen,
unruhigen,
chen Lebensweise.
ungebundenen und liederli
Indeß setzte er sie doch noch
einige Monate fort, hingerissen von seiner Ju
gend und Unerfahrenheit, ihm
führlicher
beschrieben
also bis zu setzt,
und es begegneten
während dieser Zeit Dinge, sein
einer andern
die Erzählung
von
wollen;
welche aus,
es
bleibe
Gelegenheit ausge seinem
und
seines
Z02
Meisters Leben und wunderbaren Werken, und von andern Thaten jener ehrlosen Akademlsten, welche sämmtlich sehr wichtig sein werden, und denen, welche sie lesen sollten, zum Exempel und zur Weisung werdend dienen können-
Dru ckfehler. Seite VI, Zeile io, lies — VIII,, — 16, — — IX, — 8, — — XI, — 14/ — — XII, — 16, — — 13/ — 9/ — — 13, — 29/ — — 14/ — 13/ — — 16, — i / — — 29/ — 25/ — — 43/ — 2, * — 44r — I/ — 46, — 4/ — — 55, — 1/ — — 73, — 24/ — — 82, — l6, — — 87, — IO, — — 88, — 21, — — 109, — 12, — — 119/ — 10, — — 135/ -— I, — — 140, — 25, — — 141, — 20, — — 261, — 23, —
statt anno — ano. — Cervantes — Cervantes — Luiszapata — Luis Zapata. — anders — andres. — Vannazzi — Vannozzi. — Ganimede — Ganymede. — Xoxas — Noras. — andere — andre. — empfahl — empfehl. — Xoxas — Noras. — dle — die. —* Wänser — Wämser. — fei'n — ftin. — versetzre — versetzte. — von Men — vonseiten. — anders — andres. — läugnen — leugnen. — — — — — — — — — Franrisco — Francisco. — andern — andere. — Tropana — Trapana. — — — — — Laner — Lauer.