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German Pages 39 [56] Year 1914
CÄSAREN-PORTRÄTS
CÄSARENPORTRÄTS VON
DR. MED. ERNST MÜLLER OBERARZT AN DER HEIL- UND PFLEGEANSTALT IN WALDBRÖL
A. MARCUS UND E. WEBERS VERLAG • BONN 1
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Alle Rechte vorbehalten
Druck der Spamerschcn B u di druck ere i in Leipzig
Römische Kaiserzeit. Bildnisse kaiserlicher Familienglieder. as Interesse für die C ä s a r e n ist noch nicht erloschen, im Gegenteil, man ist gespannter denn je, von jener großen Geschiditsepoche zu hören, die als Römische Kaiserzeit bezeichnet wird und sämtlichen U m w o h n e r n des Mittelmeeres, den gesegnetsten Himmelsstrichen, eine K u l t u r brachte, wie sie bis dahin unerreicht war. D e n n die griechische K u n s t und W i s s e n ^ schaft und römische Bau= und Staatskunst, Bildung und militärische G r ö ß e hatten sich nach den Bürgerkriegen immer mehr zu einem G a n z e n zu= sammengefunden und verschmolzen, sodaß die folgende, ein halbes Jahr= tausend währende Ä r a von der höchsten K u l t u r durchsetzt war.
Und
daß dieses ungeheuere Weltreich, das Imperium R o m a n u m , so lange zu= sammenhielt, beweist zur G e n ü g e ,
daß sich die vielen V ö l k e r , die es
mosaikartig ausfüllten, wohlfühlten, und wie gut es im allgemeinen regiert wurde.
Denn
den U n t e r g a n g brachten, abgesehen von eigenem
Ver=
schulden und V e r k o m m e n , in der Hauptsache der germanische N a c h b a r und die die antike K u l t u r auflösende M a c h t des Christentums.
Wen
gäbe es w o h l , den nicht diese Tragik erschütterte, das Zugrundegehen dieses herrlichen B a u e s , der viele Millionen Menschen für Jahrhunderte glücklich und zufrieden machte.
D i e s e Empfindung macht aber nicht v o r
dem römischen V o l k allein H a l t , wir gedenken in diesem Sinn auch gern der M ä n n e r , die, des V o l k e s T r i b u n e n , die M a j e s t ä t desselben gleichsam verkörperten, ich meine die C ä s a r e n , die unsere ganze Beachtung ver= dienen, weil sie in der M e h r z a h l im besten S i n n e des W o r t e s Kulturträger waren und tatsächlich oft nur durch ihre persönliche T a t k r a f t das U n g e = heuere an Architektur, K u n s t , Kolonisation und V e r b r e i t u n g von Bildung und H y g i e n e geleistet werden konnte, w a s geleistet worden ist.
U n d so
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wollen wir uns einmal in Bildnisse dieser Männer vertiefen, um so lieber, als sie vielfach schon von ihren Landsleuten verleumdet und verun= glimpft worden sind, sogar von solchen, die, das E n d e der Republik tief betrauernd, weil einige Imperatoren blutige Zeiten heraufführten, doch empfanden, daß das Kaisertum an die Stelle der Republik treten mußte, um eine gedeihliche Fortentwicklung des Weltreichs zu ermöglichen. Auch Kaiserinnen und sonstige Angehörige kaiserlicher Familien will ich in den Kreis meiner Betrachtungen ziehen und an der Hand von Münzen und Skulpturen ihre Bildnisse besprechen. Denn nur in diesem größeren Rahmen können die Cäsaren selbst und ihre Zeit richtig gewürdigt werden. U n d zwar sollen die vier ersten Herrscherhäuser behandelt werden, deren erstes rund 100, deren drei folgende zusammen 160 jähre gedauert haben, und es soll gezeigt werden, welch geschichtliche Bedeutung diesen Porträts bei= zumessen, was alles aus ihnen herauszulesen ist. A m Schluß der D y = nastien werde ich jedesmal die geschichtlichen Zusammenhänge der vor= übergegangenen Epoche in großen Zügen beleuchten. D a die Porträts Beiträge zur Familienforschung liefern, werden einige diesbezügliche einleitende W o r t e am Platze sein.
Allgemeine genealogische Erörterungen. Jeder Mensch erbt nach Haedtel und Lorenz von beiden Eltern Eigen^ schaffen. Goethe erbte, wie Bismarck, den Verstand hauptsächlich von der Mutter, und die Fähigkeit, „das Leben ernst zu führen", vom Vater. A u s solchen und ähnlichen Einzelfällen so bedeutende Schlüsse wie Goethe und Schopenhauer zu ziehen, von der Mutter käme der Ver= stand und vom V a t e r der Charakter, halte ich für viel zu weitgehend. Denn die Annahme liegt viel näher, daß der Verstand in der Hauptsache eher vom V a t e r geerbt wird, da dieser sein Gehirn mehr übte und an und für sich als M a n n die Anwartschaft größerer Intelligenz hatte. Goethe und Bismarck stellen also Ausnahmen dar/ da die Frauen in dem Falle klüger als ihre Männer waren, mußten die Söhne ihren be= deutenden Verstand hauptsächlich von der Mutter erben. W e n n Wilhelm Müller auch nachgewiesen hat, daß das Gehirngewicht der Thüringer F r a u dem des Thüringer Mannes etwa gleichkommt, so folgt daraus doch noch nicht, daß die Thüringer F r a u — verallgemeinern wir einmal zugunsten des weiblichen Geschlechts — daß die F r a u auf dem Instrument,
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genannt Gehirn, ebensogut spielen kann wie der Mann, der es seit un= denklichen Zeiten besser geübt hat und im K a m p f ums Dasein üben mußte,- der Möbiussche weiblidie Schwachsinn, die Unfähigkeit vieler Frauen, objektiv zu urteilen, und der Suffragettenunfug kommen mir in der Hinsicht zuhilfe. Im Einzelfalle gebe ich große Intelligenz der F r a u zu, aber nicht eine im allgemeinen dem Manne ebenbürtige. W i r kom= men bei den Cäsaren auf diese F r a g e zurück,- die Dynastien gingen meist durch die Frauen zugrunde. Die Vererbungsverhältnisse sind überhaupt keine einfachen,- denn außer den Eltern kommen ja die vielen Ahnen in Betracht, die ihrerseits selbst= verständlich auch Eigenschaften fortpflanzen. Nicht ohne Interesse dürfte sein, daß die allgemeinsten Vererbungs^ gesetze der Menschen ebenso auf Hunde beziehbar sind,- und so können wir folgende Sätze auf beide anwenden: Nach Ströse sind bei Hunden „immer einige Teile dem Vater, andere der Mutter oder Voreltern ähnlich, obwohl im großen und ganzen das Kind die Durchschnittsform beider Eltern besitzt. Bei regelmäßiger V e r erbung übertragen beide Eltern im gleichen G r a d e ihre Eigenschaften auf ihre Kinder, so daß man sowohl den Vater wie die Mutter darin wieder^ erkennt". — „Bei Jagdhunden vererbt sich gewöhnlich der Teil der Eltern am meisten, welcher am besten durchgezüchtet und am kräftigsten ist, so= wohl in Körperform als in jagdlichen Eigenschaften, die F a r b e oder viel= mehr die Zeichnung ist bei den zweifarbigen Hunden — Schimmeln und Tigern — sehr unregelmäßig, unabhängig von den Eltern." Übertragen wir diese Regeln auf den Menschen, so ergibt sich, daß wir hier dieselben Verhältnisse haben,- setzen wir für Jagdhunde Menschen und für jagdliche Eigenschaften Charakteranlagen, für Zeichnung F a r b e des H a a r s und der Iris, so können wir entdecken, daß eine Übereinstim^ mung besteht,- denn auch beim Menschen werden in gleicher Weise kör= perliche wie geistige Eigenschaften von den Eltern auf die Kinder vererbt und findet sich in bezug auf mehr äußerliche Dinge, wie Haar= und Augen= färbe, keine solche Regelmäßigkeit bei der Vererbung. D a s G a n z e zeigt wieder einmal an kleinem Beispiele eine gewisse Einheitlichkeit wichtiger Naturgesetze. Ich habe die Tierwelt nur herangeholt, weil die Verhält^ nisse so am einfachsten erläutert werden. Jedenfalls entsprechen sowohl beim Menschen wie bei Hunden von den Eltern geerbte körperliche Eigenschaften wie die Gesichtsbildung nicht unbedingt auch geistigen, son=
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d e m man kann nur an der H a n d des C h a r a k t e r s und der ganzen K ö r p e r » Beschaffenheit Schlüsse auf einen Einschlag nach der väterlichen oder müt= terlidien Seite hin ziehen. Natürlich ergeben sich bei F ä l l e n von E n t a r t u n g abweichende V e r h ä l t » nisse. Degeneration kann infolge von Inzucht (Konsanguinität) oder erblicher Belastung entstehen/ die V e r e r b u n g s g e s e t z e treten dann deshalb nicht in natürlicher F o r m auf, weil störende E i n w i r k u n g e n die normalen E n t w i c k » lungsverhältnisse verschieben. Nach dieser Besprechung lassen w i r nun die vier D y n a s t i e n an unserem geistigen A u g e vorüberziehen.
Juiiscfi-Ciaudisdics
Haus.
Diese Herrscherfamilie bietet deshalb viel Interessantes, weil sämtliche Regenten, Tiberius ausgenommen, miteinander v e r w a n d t w a r e n , ohne leibliche A b k ö m m l i n g e ihrer V o r g ä n g e r zu sein. Tiberius w a r aber durch claudisches Blut mit C a l i g u l a , C l a u d i u s und N e r o v e r w a n d t . D a a u s politischen G r ü n d e n viele V e r w a n d t e n e h e n stattfanden, stoßen w i r einige M a l e auf E n t a r t u n g . C ä s a r ziehe ich deshalb in den Kreis der Betrach» tung, da er Julier, A u g u s t u s ' Großonkel und der Vorbereiter der C ä s a r e n herrschaft w a r , dessen großartiger Institution er seinen N a m e n lieh. Be» trachten w i r Bild I und II, so fällt uns gleich die Ähnlichkeit A u g u s t u s ' und C ä s a r s a u f : Stirn, N a s e , M u n d , Kinn, Ohren und H a a r sind von demselben T y p u s , das Gediegene, Ernste, Hoheitsvolle der Z ü g e tritt bei beiden in Erscheinung. A u s dem Gesagten geht hervor, daß A u g u s t u s und C ä s a r ähnliche Gesichtszüge hatten, w a s gut zu meinen A u s f ü h r u n g e n über diese M ä n n e r in einer früheren A r b e i t 0 ) paßt, in der ich nachwies, daß beide ähnliche Eigenschaften besaßen. Die übereinstimmenden Charaktereigentümlichkeiten A u g u s t u s ' und C ä s a r s beruhen aber nicht auf direkter V e r e r b u n g — denn ein Großonkel kann keine Eigenschaften auf den Großneffen vererben — sondern darauf, daß beide dieselben C h a r a k t e r » merkmale von einem gemeinsamen julischen A h n e n erbten, der nicht be» sonders hervortrat. A u g u s t u s w a r demnach in die julische R a s s e geschla» gen, denn auch sein sehniger, aber kränkelnder Körper erinnert an seinen *> Die Regenten des Julisch^CIaudischen Kaiserhauses in h i s t o r i s i e r , genealogischer und psychiatrischer Beleuchtung, Zeitschrift für Psychiatrie und geriditlidie Medizin, Band 70.
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großen V e r w a n d t e n . Seine Tüchtigkeit und Einfachheit hatte er von den Oktaviern geerbt. W a s d i e E n f a c e b i l d e r z e i g e n , bestätigen die Münzprofile. Ist es ein W u n = der, daß sich Großonkel und N e f f e ähnlich sehen? Keineswegs,- daß das möglich ist, kann ich a u s meiner F a m i l i e bestätigen. In beiden F ä l l e n spielt als Z w i s c h e n t r ä g e r der ausschlaggebenden F a m i l i e n z ü g e eine F r a u die Hauptrolle, für A u g u s t u s die Schwester C ä s a r s . — N u r so, w i e sie w a r e n , die beiden großen Julier, konnten sie das erreichen, w a s sie erreicht haben, ein S t a a t s g e b ä u d e a u f f ü h r e n , w i e es die W e l t z u m zweitenmal nicht erlebt hat. D i e Geschichtsliteratur hat ihnen in sexueller Hinsicht tiefe Schatten gezeichnet, aber ob mit Recht? Bedeutende Regenten pflegen keine frommen H a u s l ä m m e r zu sein, und w e n n sich bei ihnen große Tüch= tigkeit bei sittlicher Reinheit findet, kann das fast als Seltenheit bezeichnet
Caesar
Augustus
w e r d e n . W e n n F e r r e r o d a r a u f hinweist, daß sittliche V e r f e h l u n g e n der Machthaber der ersten Imperatorenzeit mit gewissem W o h l b e h a g e n und in berechneter Absicht von den Schriftstellern aufgezeichnet wurden, geht er meines Erachtens in dem Bemühen, seine C ä s a r e n a u s patriotischen Gründen möglichst bedeutend erscheinen zu lassen, zu weit, die W a h r h e i t liegt in der Mitte,- die Geschichtsschreiber haben zum Teil übertrieben, w i e die C a p r i l e g e n d e über Tiberius beweist, aber solche Helden w i e A u g u s t u s am liebsten als unschuldige L ä m m e r und moralische V o r b i l d e r neu erstehen zu lassen, heißt doch auch übertreiben. M a n darf nicht in den F e h l e r des T a c i t u s verfallen, der a u s Ä r g e r über die M a ß r e g e l u n g des republika= nischen A d e l s so unpatriotisch w a r , einem M a n n w i e Tiberius ohne strikte B e w e i s e das Schändlichste nachzusagen, aber auch nicht immer und um jeden Preis retten wollen. A u g u s t u s w o g seine laszive Lebensweise durch viele gute Seiten auf, nicht zuletzt durch seine sonstige einfache Lebens^ haltung, die ihm in hohem M a ß e die Achtung aller verschaffte. M i t seinem
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Adoptivvater teilte er seine Vorliebe für die Baukunst, und heute noch beschleicht einen ein Gefühl der Ehrfurcht, wenn man den alten Augustus^ palast mit seinen mäßigen Abmessungen durchwandert. Ein Saal, der ganz dem Innern des Pantheons gleicht, fiel mir besonders auf, und da Augustus seinen Palast nach Fertigstellung dieses Tempels baute, ist sicher, daß er sich hier ein Abbild des hehren Tempels im kleinen schaffen ließ,so fesselte den ersten Kaiser die Bauweise seines genialischen Freundes. S o kommen wir auf den Schwiegersohn des Augustus, den bedeutenden Agrippa, den Bismarck der Augusteischen Ä r a . Dieser trug zwar nicht wie seine Söhne C a j u s und Lucius den Namen C ä s a r , stand aber durch seine Ehe mit der Kaisertochter Julia dem Herrscherhause sehr nahe, w a r sogar Mitregent und designierter Nachfolger, so daß er an Macht, Stellung und Ehren einem Cäsaren gleich kam. A b e r nicht eigentlich seinetwegen, sondern wegen seiner Tochter, der Prinzessin Agrippina, bringe ich auch sein Bild, weil ich sein Porträt mit dem der Fürstin vergleichen will. W i e Bild III und I V dartun, haben V a t e r und Tochter ähnliche Gesichtszüge. Das stimmt gut zu den Eigenschaften beider. Der würdige Ernst, die tadellose Lebensführung, das hoheitsvolle Aussehen und ein fester Cha= rakter sind Tugenden, die beide auszeichneten, während ebenso beide von Herrschsucht beseelt waren. Agrippa w a r im ganzen eine liebenswürdige Persönlichkeit, wenn er auch einmal seinem Freunde Augustus, der ihm so viel verdankte, zürnte, da er sich zurückgesetzt fühlte, und sogar bereit schien, etwas gegen ihn zu unternehmen, da sein Ehrgeiz nicht gestillt war. Erst die Heirat mit Julia beruhigte ihn. Agrippina gewinnt um so mehr, als sie von der verrufenen Julia abstammte, ein Beispiel dafür, daß ein Kind bessere Eigenschaften haben kann als eines der Eltern. Mit der kunstbegeisterten, geistvollen Mutter hatte sie wenig mehr als Stolz und Herrschsucht gemein. Agrippina, die in der T a t maßlos herrschsüchtig war, trug viel zum Untergang des julischen Hauses bei, weil sie Tiberius durch ihre beständige Opposition aufs heftigste reizte, mit ihrem weib= liehen Subjektivismus die Bedeutung der Besetzung des Prinzipates durch einen M a n n wie Tiberius übersah und alle ihre politischen Handlungen nur von dem einen Gedanken aus vollbrachte, die Claudier zu stürzen und den Juliern wieder die erste Stelle im Reiche zu verschaffen. D a sie auch vor dem Äußersten, wie angenommen werden muß, nämlich der Ver= schwörung gegen den Thron, nicht zurückschreckte, führte sie selbst ihr und ihrer Kinder tragisches Schicksal herbei.
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D e r größte F e i n d der Agrippina w a r Tiberius, der ihr zunächst nicht grollte, aber durch sie in die größte G e f a h r geriet, die er im Interesse der Integrität des Imperiums abwehren mußte.
D e n n der monumentale K a i s e r
w a r der F e l s , an dem die Republik — und das w a r nötig — a u f immer zerschellen sollte: E r muß v o r allem von dem Gesichtspunkt aus betrachtet werden, will man ihm gerecht werden, mögen
immerhin die häßlichen
Blutgerichte das A n d e n k e n des durch schwere Schidcsalsschläge melancho^ lisch angehauchten
Übermenschen
verdunkeln. Ich stelle ihn mit
seiner
M u t t e r , der bedeutenden L i v i a , z u s a m m e n , dieser ungerechterweise viel verleumdeten, klugen und hochsinnigen, aber ebenso herrschsüchtigen F r a u . W i r sehen sofort, daß die Gesichtsbildung eine gleiche ist, auch die O h r e n sind ähnlich und wie bei allen Claudiern groß, sogar der kräftige K ö r p e r = bau ist beiden gemein.
Livia
eigenschaften?
U n d wie verhielt es sich mit den
Tiberius*
Charakter^
Drusus
Tiberius und Livia hatten einen bedeutenden
Verstand,
waren sehr herrschsüchtig, hochgebildet, einfach und bis zu einem gewissen G r a d edel,- also auch hier entsprechen vererbte körperliche Eigenschaften vererbten geistigen, jedoch ist dies, wie betont, nicht Regel zu nennen. D a s zeigt nur, daß Tiberius ein echter C l a u d i e r war, denn auch seine M u t t e r stammte aus diesem Geschlecht. D e r V a t e r des K a i s e r s ist w e niger bedeutend und bekannt wie Livia und hatte einen
schwankenden
Charakter,- seine Gesichtszüge sind uns nicht überliefert.
Tiberius wird
eine gewisse Unsicherheit beim Reden und Handeln nachgesagt, die also sicher ein väterlicher Einschlag war. A u d i die Münzprofile der beiden Verglichenen ähneln sich. gende, daß der F ü r s t , wie T a c i t u s
und S u e t o n
berichten,
Die Le=
sein
Alter
*) Herr Dr. Jakob Hirsdi, der bekannte Mündiener Numismatiker, hatte die G ü t e , mir dieses Münzporträt zur Veröffentlichung zu überlassen.
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durch Ausschweifungen geschändet habe, halte ich für eine ungehörige lind geschmaddose Übertreibung, die als Erfindung gebrandmarkt wer= den muß. Die Möglichkeit, daß er, wenn man einem Prozeßbericht bei T a c i t u s G l a u b e n schenken d a r f , einmal eine kleine Liäson mit einer D a m e hatte, bestreite ich keineswegs, man muß nur bedenken, daß er F ü r s t , von seiner F r a u getrennt, schließlich W i t w e r und durch S o r g e n und l i n g l ü d c gebeugt w a r . W e n n ich auch als M e d i z i n e r viel von sitt= licher M o r a l halte, so bin ich doch human genug, nicht gleich überall Ver= derbtheit zu schnüffeln. D e r größte V e r l u s t für den Imperator w a r der T o d seines Sohnes Drusus,- dieser w i r d von F e r r e r o als tüchtig, bei T a c i t u s als lasterhaft: und ernster Tätigkeit abhold geschildert. Die W a h r h e i t liegt auch hier in der Mitte,- wir haben einen Durchsdinittscäsaren vor uns, der der Zeit seinen Tribut zollte. M ü n z p o r t r ä t s zeigen die Ähnlichkeit mit dem V a t e r , von dem er eine gewisse H ä r t e hatte. Seine M u t t e r , eine Tochter des A g r i p p a , w a r eine edle, tugendhafte F r a u / ihre Gesichtszüge sind nicht auf uns gekommen. Unheilvoll w a r für den jungen Drusus, daß er als Jüngling des wachsamen A u g e s der M u t t e r entbehrte, von der sich Tibe= rius, wahrscheinlich auf Befehl des A u g u s t u s , trennen mußte. Auch hier wieder die schweren F o l g e n mangelhafter Erziehung,- denn der harte, einsilbige V a t e r konnte dem Jüngling die M u t t e r nicht ersetzen. Ins G e w i d i t fällt für den Prinzen ferner, daß sein V a t e r infolge von K o n sanguinität ein auffallender C h a r a k t e r war,- gute w i e schlechte Eigen= schaffen der C l a u d i e r schienen in ihm vergrößert. D r u s u s w a r ein echter C l a u d i e r , der schlecht und recht seinen W e g ging,- sein früher T o d läßt nicht ahnen, w i e sein Geist und C h a r a k t e r sich später entwidcelt hätten. Die A r t seines T o d e s dürfte ebenso u n g e w i ß sein, w i e das seiner F r a u nachgesagte Verbrechen, sie habe im Einverständnis mit Sejan seinen T o d herbeigeführt. Durch den T o d des D r u s u s kam C a l i g u l a , sein V e t t e r zweiten G r a d e s , an den Hof des Tiberius, ein B e w e i s dafür, daß dieser in ihm das Blut des A u g u s t u s ehrte und, offenbar sehr widerwillig den Ränken S e j a n s nach= gebend, die älteren Brüder C a l i g u l a s dem V e r d e r b e n preisgegeben hatte. Unbegreiflich ist nur, daß der Kaiser, der die M i n d e r w e r t i g k e i t seines Großneffen erkannt hatte, ihn trotzdem durch sein T e s t a m e n t dem V o l k e als Nachfolger empfahl. E r soll auch an den V a t e r N e r o s als an seinen Nachfolger gedacht haben, dessen w ü s t e r N a t u r er aber wohl mißtraute.
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A n d e r e N a c h k o m m e n der Julier waren unter Tiberiiis ermordet worden, so daß es wie ein Verhängnis über dem K a i s e r h a u s e schwebte, daß der alternde Monarch, der an geistiger und körperlicher Spannkraft verloren hatte, nur C a l i g u l a als legitimen Nachfolger vorschicken konnte, denn sein E n k e l , Tiberius Gemellus, der auch im T e s t a m e n t bedacht w a r , w a r noch zu jung. Sehr richtig ist darauf hingewiesen worden, daß nur ein C a l i g u l a im Palaste des Tiberius sich s o aufführen konnte, indem er, Liebe zu ihm heuchelnd, nie T r a u e r wegen der so scheußlich hingemor= deten V e r w a n d t e n zeigte. E r sah seinem V a t e r G e r m a n i c u s und seiner M u t t e r A g r i p p i n a ähnlich, wie auch die Münzbildnisse dartun. Doch im C h a r a k t e r w a r er von den Eltern grundverschieden. K a u m eine Eigenschaft kann man nennen, die er mit ihnen teilte/ die maßlose Herrschsucht hatte er von der M u t t e r geerbt. E r schlug etwas ins clau=
Germanicus
Agrippina
Caligula
dische H a u s , w o G r a u s a m k e i t zuweilen vorgekommen w a r , auch in kör= perlicher Hinsicht,- er hatte den etwas birnenförmigen K o p f seines V a t e r s und die claudischen Ohren. A u ß e r Herrschsucht und Sinnlichkeit hatte er in geistiger Beziehung mit den Juliern nichts gemein. C a l i g u l a w a r lasterhaft wie sein Urgroßvater A n t o n i u s , ohne dessen gute Seiten ge= erbt zu haben. Sein kränkelnder K ö r p e r , der den Stempel der E n t = artung an sich trug, erinnert an die Julier und an seinen Oheim Claudius,er w a r am K ö r p e r stark behaart, dickbäuchig, dünnbeinig, epileptisch ge= wesen und litt an Schlaflosigkeit. D e r K a i s e r war geistig minderwertig, v. D e l h i s , dessen interessante Bemerkungen zur römischen Kaiserzeit meist L o b verdienen, scheint ihn aber nicht dafür zu halten. Delius nennt ihn aber selbst „ z e r f a h r e n " , gibt zu, daß er mit dem britannischen F e l d = zug zufrieden w a r , als ein britannischer K ö n i g seinen S o h n als Geißel sandte, und findet nichts dabei, daß er statt Feindesbeute Muscheln nach
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R o m schickte. D e n epileptischen Einschlag C a l i g u l a s schildert er treffend: „ D e r starre G l a n z seiner A u g e n w a r berühmt und gefürchtet. Jähzorn, L a u n e , W u t wechselt ab mit Liebenswürdigkeit und G ü t e . " Delius fin= det manches Bedeutende an dem K a i s e r und erwähnt unter anderem seinen M u t , sein Redetalent und seinen W i t z . Seinen M u t und sein Redetalent will ich gar nicht bestreiten, aber es fragt sich nur, wie inhaltlich die Reden des F ü r s t e n waren. E i n e von D i o überlieferte zeigt doch nur zu deutlich seinen Schwachsinn, indem er von sich sagt, es sei für ihn d a s richtige, nur seinem V e r g n ü g e n zu leben und an seine Sicherheit zu denken, er ernte doch sonst nur eitlen Ruhm. Ich halte sein Redetalent für einseitige B e g a b u n g . W i t z i g w a r er, aber H u m o r ist kein sicheres Zeichen für Intelligenz,- W i t z findet man nur zu häufig bei Schwachsinn nigen. A n C a l i g u l a kann man s o viele schlechte Seiten entdecken, daß die Lichtblicke seines L e b e n s nicht zu rechnen sind,- ich gebe allerdings zu, daß sein intellektueller Schwachsinn kein beträchtlicher w a r , daß der Schwachsinn in bedeutenderem M a ß e auf moralischem G e b i e t e lag. W e n n er z. B . zu den K o n s u l n sagte, er lache, weil ihm eben einfalle, sie könnten, wenn er wolle, sofort ihren K o p f verlieren, s o kann doch s o etwas nur ein g a n z Entarteter sagen, der, aller H e m m u n g e n beraubt, seine Stellung in schamloser W e i s e mißbraucht, deren er sich also g a n z unwürdig zeigt. Seine Größenideen waren deshalb schwachsinniger N a t u r , weil er, der unbegabteste der Julier=Claudier, der einzige w a r , der sich zu solchen G e d a n k e n verstieg, die bei N e r o nur angedeutet waren und bei den geistig Bedeutenden fehlten. N u r die L e g e n d e einer göttlichen A b s t a m = mung der Julier mildert seine diesbezüglichen Ideen. A l s C a l i g u l a wegen seiner G r a u s a m k e i t und Erbärmlichkeit ermordet worden war, bestieg sein O h e i m C l a u d i u s den T h r o n . W i e die M ü n z p o r = träts zeigen, sah er seinem V a t e r D r u s u s , ferner N e r o und A u g u s t u s ähn= lieh: z w a n g l o s durch Blutsverwandtschaft erklärbare Familienähnlichkeiten. E r w a r hauptsächlich in das claudische Geschlecht geschlagen, von dem er neben großen Eigenschaften die N e i g u n g zur G r a u s a m k e i t geerbt hatte. Seine Unterwürfigkeit unter F r a u e n erinnert an seinen Großvater A n t o = nius. D e r K a i s e r hatte ausgezeichnete Eltern, D r u s u s und A n t o n i a , ent= wickelte sich aber geistig langsam und w a r infolge erblicher Belastung von claudischer Seite her und durch Konsanguinität entartet. A l s K i n d w a r er oft krank und von der eigenen F a m i l i e nicht für voll angesehen ,• seine E r z i e h u n g w u r d e infolgedessen vernachlässigt und er trieb sidi mit g a n z
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geringen Leuten umher.
D a aber Rasseblut in ihm lebte, waren
seine
A u g e n trotzdem aufs Imperium gerichtet und er widmete sich eifrig histo= rischen Studien, um bekannt zu werden.
Zweifellos hatte er G e i s t und
vollbrachte manches Großzügige zum Segen des V o l k e s und Reiches, doch
Drusus
Nero
flugustus
Claudius
Claudius
Claudius
seine schwächliche A r t , sich von anderen beherrschen zu lassen, seine Furcht^ samkeit, Kopflosigkeit und sein Jähzorn, wenn es galt, rasch einzugreifen, brachte manchem V e r d e r b e n . V o n seiner zügellosen F r a u M e s s a l i n a hatte er den Britannicus, der unbedeutend und epileptisch war. M a n kann hier wohl
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von fortschreitender Degeneration reden. Z u allem Unglück hatte der Sohn durch die Mutter nochmals julisdhes Blut geerbt. Nachdem Messa= lina ihr tragisches Schicksal ereilt hatte, heiratete Claudius seine Nichte Agrippina. Sie brachte ihren Sohn N e r o mit in die Ehe. Dieser ergriff beim T o d e des Kaisers die Zügel der Regierung, da er, von Claudius adoptiert, BrU tannicus auf Betreiben der Agrippina vorgezogen ward und seinen Jahren nach allein befähigt schien, die Nachfolge anzutreten, da jener noch zu jung war. N e r o s fleischiges, weiches Gesicht erinnert mehr an die Julier, der mächtige K o p f an Domitier und Claudier, er hatte auch etwas Ähn= lichkeit mit seinen Urgroßvätern Agrippa und Antonius, wie die Münz= bildnisse dartun. In körperlicher Beziehung glich er mehr seinen väterlichen Vorfahren, die dem Sport huldigten. Seine Grausamkeit hatte er mit einigen clau= dischen Ahnen, die Haltlosigkeit mit Antonius, die Herrschsucht mit seiner Mutter gemein. Die Eltern des Kaisers, Cneius Domitius und Aprippina, waren aus solchem Holze geschnitzt, daß schon der Vater N e r o s vom eigenen Sohn nichts Gutes prophezeite,- dazu kam neben der claudischen Belastung die starke Konsanguinität, so daß er, weil er wie Caligula außerdem die charakterlosen Frauen Scribonia und Julia zu Stammüttern hatte, ebenfalls entarten mußte. Daß sein Profil mit dem des Augustus und Tiberius eine gewisse Familienähnlichkeit hatte, verraten beigegebene Münzen des Augustus und Tiberius. Demnach war N e r o ein Potpurri aus rassigen Familien, glich aber keiner exquisit,- leider hatte er zumeist nur deren schlechte Eigenschaften in konzentrierter F o r m geerbt. Daß er nicht unbegabt war, steht fest,- sein künstlerischer Einschlag dürfte sich zwanglos von seinem Urgroßvater Agrippa herleiten lassen, da kein ihm verwandtschaftlich näherstehender Ahne so künstlerisch begabt war. U n d in der T a t , Tacitus hat uns in dieser Hinsicht sicher ein Zerrbild des Kaisers hinterlassen, da er dessen Künstlertum bloß mit den A u g e n des ernsten Senators sah. Nachdem ich die Trümmer seines goldenen Hauses gesehn, mit den herrlichen Grotesken und interessanten Anlagen, zu denen klassische Bildwerke gehörten, die zum Teil wiedergefunden sind, und da ich weiß, daß sein Künstlertum als Sänger feststeht, scheue ich mich nicht auszusprechen, daß ich N e r o für einen wirklichen Künstler halte, in dessen goldenem H a u s e wahrscheinlich jeder Gegenstand ein Kunstwerk repräsentierte. E r hatte den künstlerischen Schwung eines Ludwigs II.
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von Bayern. D e r Senat hat in der von Tacitus beschriebenen servilen A r t den Fürsten auf Münzen sogar mit der Krone des Sonnengottes dargestellt. D a s Künstlertum und Erfolge auf dem Gebiet der inneren und äußeren Politik sind die Lichtseiten in N e r o s Leben, die Schattenseiten wurden allerdings zum Teil durch Frauen hervorgerufen, die, wie seine Mutter Agrippina und F r a u Poppaea, ihn zu Exekutionen reizten. A l s o audi hier
Nero
Antonius
Agrippa
Augustus
Nero
Tiberius
Nero
wieder verschuldeten die Frauen zum Teil den Sturz der Dynastie, indem sie N e r o zu einem Schredtensregiment veranlaßten, das seinen und des julisch= claudischen Hauses Untergang herbeiführte. Übersehen wir die W i r = kungen der Frauen des cäsarischen Hauses, so müssen wir feststellen, daß die Stammütter Scribonia und Julia lasterhaft waren und dadurch an und für sich das Geschlecht verdarben — über die ältere und jüngere Agrippina habe ich schon gesprochen — und daß Messalina durch ihr un= sittliches Betragen noch weiter dazu beitrug, den R u f des Hofes zu schädigen 2
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und ihre Nachkommenschaft zu gefährden. Durdi ihren von ihr selbst ver= schuldeten T o d brachte sie ihren Sohn um Herrschaft und Leben. W i r kommen auf die Herrscher selbst zurück und fragen uns, welchen Gewinn brachten ihre Regierungen dem römischen Reich? Ihre Bedeutung lag darin, daß sie das Prinzipat durchsetzten und behaupteten, daß in den annähernd 100 Jahren ihrer Herrschaft der innere Friede im großen und ganzen nicht gestört wurde, wodurch die Befruchtung des Reiches mit rö= misch=griechischer Kultur möglich wurde. Die Julier=Claudier erwarben sich durch die Begünstigung Griechenlands für die ganze spätere Kultur der Menschheit ein unsterbliches Verdienst. Ihre Koloniegründungen gaben dem Reich einen riesigen Aufschwung und förderten dessen Einheit. Kriege gegen Germanen und Parther waren notwendige Grenzfeldzüge. Die Er= oberung Britanniens besiegelte die durch C ä s a r eingeleitete Bekämpfung der keltischen Gefahr. Den durch die Mißregierungen Caligulas und Neros im Inneren entstandenen unsicheren Verhältnissen, die beim T o d e Neros zu Bürgerkriegen um die Herrschaft ausarteten, setzte das am Schluß des Vier=Kaiserjahres eingesetzte Herrscherhaus ein Ziel.
Fiavisches Haus. Der erste Flavier, der auf den Thron gelangte, w a r der tüchtige, biedere Vespasian, der ohne Wache schlief und mit seiner liberalen Regierungs^ weise und Einfachheit sich wieder dem augusteischen Vorbild näherte. Die seltenen Fälle von Gewalttätigkeit unter seiner Herrschaft fielen seinem Sohne Titus zur Last, der jedoch aus seiner temperamentvollen, bewegten Jugendzeit als gefestigter Charakter hervorging und als Kaiser Vortreff^ liches leistete. Daß sogar der milde C ä s a r Titus Nachstellungen aus= gesetzt war, zeigt die dauernde Eifersüchtelei der Großen um den je= weiligen Throninhaber. Der andere Sohn des Vespasian, Domitian, der später auch die Herrschaft erhielt, schloß in unwürdiger W e i s e die so verheißungsvoll angefangene Dynastie ab. Die Familienähnlichkeit z w i schen V a t e r und Söhnen verraten die Münzporträts. Domitian wich im Charakter so von seinem V a t e r ab, obwohl er auch Eigenschaften, besonders körperliche, mit ihm teilte, daß eine Besprechung der Bildnisse beider lohnt. Vespasians Züge zeigen Milde, Einfachheit, Tugend und Offenheit, die Domitians dagegen Härte bis zur Grausam^ keit, Hoffahrt, Sinnlichkeit und Mißtrauen. Die Enfacebilder zeigen we=
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niger Ähnlichkeit als die Profile. Domitian hatte von seinem V a t e r das Soldatische und das Verwaltungstalent — er war womöglich noch begabter als er —, aber in vielen Seiten glich er ihm nicht. Domitian war ent= artet und litt als Kaiser am Cäsarenwahnsinn. E r bereitete aus Herrsch^ sucht seinem V a t e r Schwierigkeiten, trachtete seinem Bruder nach dem Leben und errichtete später infolge seines Verfolgungswahns ein Schreckens^ regiment. D e r krankhafte Keim zur Entartung war ihm angeboren und wurde durch die Sucht, die Herrschaft zu erlangen, gesteigert. D a s Nähere über seine psychische Erkrankung habe ich in meiner A r b e i t * ) über den C ä = sarenwahnsinn auseinandergesetzt. Freilich wurde das W e s e n des Fürsten dadurch in schlechtem Sinne beeinflußt, daß er von seinem V a t e r gemaß= regelt wurde — was allerdings nötig war. N u n fühlte er sich um so mehr zurückgesetzt, als er es seiner Einwirkung auf die großen Verhältnisse
Vespasian
Titus
Domitian
zuschrieb, daß sein Vater zum Imperium berufen wurde, weil er während des Krieges Vespasians mit Vitellius zufällig in Rom war. V o n der Mutter Domitians ist nur wenig bekannt geworden, wohl ein Zeichen, daß sie in keiner W e i s e die Öffentlichkeit beunruhigte. D a nun der Kaiser seiner Mutter auffallend ähnlich sieht — das seltene Münzbildnis konnte ich leider nicht bringen — und in seinen Eigenschaften vom V a t e r so ab= weicht, ist wohl die F r a g e berechtigt, ob er nicht auch in die mütterliche Familie geschlagen war. Nicht als ob körperliche Ähnlichkeit allein zu einem solchen Schluß berechtige, aber die vorhergehenden Untersuchungen zeigen doch, daß ähnliche Charakteranlagen ähnlichen Gesichtszügen par= allel laufen können. M a n muß sich erinnern, daß seine Mutter ehemals eine Freigelassene war. Bekannt ist nun, daß Leute, die aus kleinen V e r = *> Erschienen in der Zeitschrift für Psychiatrie und gerichtliche M e d i z i n , Bd. 7 1 .
hältnissen stammen — das trifft für beide Eltern, namentlich für die Mutter zu —, wenn sie emporgekommen, leicht Parvenüs werden. Denken wir bloß an Napoleon, der in Dresden einen Kaiser und Könige, auf dem Sofa liegend, empfing, während sich die anderen nicht setzen durften. Bei Domitian w a r das Omnipotenzgefühl zum Größenwahn gesteigert, indem er sich für einen Gott hielt. E s liegt nahe, daß die mütterliche Ab= stammung aus so kleinen Verhältnissen das Parvenütum des Kaisers erst recht hervorrufen und insofern verderblich wirken konnte. Die Familie, aus der jemand stammt, ist eben dasjenige, w a s ihm das ganze Leben anhängt, und große Künstler, die vielfach aus kleinem Milieu stammen, reüssieren, weil sie infolge ihrer Genialität über ihre häuslichen V e r hältnisse hinauswachsen. W a s an dem dämonischen Imperator einzig und allein etwas versöhnend wirkt, ist sein Interesse für Literatur und Bau= kunst. Seine Prachtentfaltung w a r eine so ungeheure, daß sich noch das Mittelalter von seinen Luxusbauten erzählte. U n d geht man heute über die Trümmer seiner Palastanlage, so sieht man noch aus kleinen Mosaik= resten, wie kostbar und mit welchem künstlerischen Geschmack wohl das Ganze eingerichtet war. F ü r die Pracht der A n l a g e spricht auch der Umstand, daß sich im frühen Mittelalter der Kaiser Heraclius in der A u l a regia des Flavischen Palastes krönen ließ. In geschichtlicher Beziehung ist bemerkenswert, daß die Flavier zunächst sanierten, w a s das vorige Herrscherhaus gesündigt hatte,- Domitian er= weiterte wohl die Grenzen des Reiches wie die Julier=Claudier, fiel aber auch in deren schlechte Eigenschaften zurüdc, sodaß das Reich einer neuen Krise nahe war. Freilich gab sein Mißregiment auch Anstoß zu der glän= zendsten Epoche der Kaiserzeit, die durch das nun folgende Regentenhaus gekennzeichnet ist.
Adoptionsdynastie des Nerva. Diese Herrscherfamilie ist dadurch besonders interessant, daß die am meisten hervorgetretenen Kaiser außer N e r v a , also Trajan, Hadrian, Antoninus Pius und M a r c Aurel, mit Commodus blutsverwandt waren. Denn Commodus w a r der Sohn M a r c A u r e l s und hatte Faustina die Jüngere, die Tochter des Antoninus Pius, zur Mutter. Diese w a r die Tochter der älteren Faustina, einer Enkelin Hadrians, der nicht ganz naher Blutsverwandter Trajans war.
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A u s nachstehender Münzserie kann man die Ähnlichkeit des C o m m o d u s mit seinem V a t e r und eine gewisse mit seinem Großvater Antoninus Pius erkennen, die enface noch deutlicher ist, andererseits eine solche mit seiner M u t t e r und namentlich mit seiner Großmutter Faustina. Hadrian und T r a j a n zeigen leichte Verwandtenähnlichkeit. D a ß M a r c A u r e l und Lucius
Trajan
Hadrian
Faustina Die Ältere
flntoninus
Lucius V e r u s
Pius
Commodus
M a r c Aurel
Commodus
Faustina Die J ü n g e r e
V e r u s blutsverwandt waren, möchte man nach den Münzporträts anneh^ men, um so mehr, als die Historiker berichten, daß sie v e r w a n d t waren, ob blutsverwandt, dagegen nicht. D a die Ähnlichkeit der Gesichtszüge des M a r c A u r e l und C o m m o d u s groß ist, obwohl ihre Eigenschaften grundverschieden waren, will ich mich mit ihren Bildnissen noch etwas befassen. W i e Bild 9 und 10 erweisen,
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hat Commodus sogar das schönere Gesidit, aber mit leeren Zügen. Der Sohn w a r in fast allem das Gegenteil des Vaters, genußsüchtig bis zur größten Frivolität, grausam, unfähig zu ernster Tätigkeit und ein Possenreißer. Des Rätsels Lösung ist: Commodus w a r geistig minderwertig. A u d i hier spielte die Charakterlosigkeit der Stammütter eine gefährliche Rolle, denn Mutter und Großmutter waren durch ihre Lasterhaftigkeit berüchtigt. Außerdem erscheint es nicht als unwahrscheinlich, daß bei den beliebten Verwandtenehen im Kaiserhause Konsanguinität mit im Spiele ist. Der Schwachsinn des Kaisers w a r angeboren und fiel um so mehr auf, als seine Ahnen bis Hadrian hinauf ausgezeichnete Männer waren. Die Grausam^ keit des Commodus läßt sehr wohl an eine erbliche Beziehung zu seinem Ahnen Hadrian denken, der trotz seiner großen Eigenschaften zeitweise zur Gewalttätigkeit neigte, indem die diesbezügliche A n l a g e bei den Fau= stinen latent blieb. Commodus wütete förmlich mit dem Schwert gegen angesehene Große, feierte die wüstesten sexuellen Orgien und fühlte sich als blutiger Possenreißer in der A r e n a wohl. Hatte diese Dynastie so glänzend mit N e r v a und Trajan begonnen und bis M a r c Aurel gedauert, so endete diese große Zeit höchst tragisch. Denn Commodus leitete durch sein vernichtendes, unsinniges Auftreten den Verfall des Römertums ein. W a s dieser Geisteskranke dem römischen Volke angetan, darf uns aber nicht veranlassen, die vorhergehende glän= zende Epoche nicht doch in ihrer ganzen Bedeutung zu würdigen. Nach= dem der edle N e r v a das liberale Regiment wiederhergestellt und den glück= liehen Gedanken der Adoption des Besten in die Praxis umgesetzt hatte, erschien der größte Kaiser in Gestalt des hervorragenden Militärs und Staatsmannes Trajan, der zweifellos mit demselben Recht den N a m e n des Großen verdient, mit welchem ihn der Senat den besten Fürsten nannte. E r erweiterte das Reich, richtete gerecht, w a r gegen Widersacher edel, schuf die Alimentarstiftung für unbemittelte freie Kinder und führte in Rom prächtige Bauten auf. Linter ihm konnte eine Kunstperiode ent= stehen. Die herrliche Trajanssäule zeigt die Höhe der damaligen Architektur und Kunst. M a n wird bei seiner Geschichte an C ä s a r und Napoleon erinnert. Bei seinem Auftreten schwieg sofort die Opposition, mit der N e r v a zu kämpfen gehabt hatte. Sein Nachfolger Hadrian w a r auch ein bedeutender Regent, wenn auch nicht ohne Härte und Schwächen,- er war künstlerisch begabt und kunstausübend und führte eine neue Bauperiode herauf, deren glänzendstes Denkmal sein Mausoleum war, jenes schönste
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Grabdenkmal des römischen Altertums. U n d fürwahr, wenn man die Trommelquadern der Engelsburg und das in Schneckenform hinziehende Grabgewölbe im Innern sieht, erstaunt man über solche Leistung, die wieder ein Abbild der Energie des Schöpfers ist. Antoninus und M a r c A u r e l vollendeten die Kette guter Kaiser,- sie teilten aber mit anderen Großen und mit um so sdilimmeren Folgen das schleichende Übel der höheren römischen Gesellschaft, schöne, aber lockere Frauen zu haben. Die Antonine konnten trotz aller Begabung und Tüchtigkeit den schon anklopfenden Verfall nicht mehr aufhalten. Der degenerierte Abkömmling so großer Ahnen brachte den Stein ins Rollen, begann die Tragödie des untergehenden Weltreichs. Daß die Römer allmählich entartet waren, beweist das, daß sie sich einen Herrn wie Commodus, wenn er auch Sohn eines so beliebten Regenten war, so lange gefallen ließen/ ein Augustus hatte doch auch seinen Enkel Agrippa, weil er geistig minderwertig war, von der Thronfolge ausgeschlossen und verbannt. Dasselbe an dem Sohn eines konsekrierten Kaisers zu tun, kam ihnen aber nicht in den Sinn. Nachdem nach Zugrundegehen der Adoptionsdynastie noch einige Kaiser regiert hatten, bestieg Septimius Severus den Thron und begründete ein neues Herrschergeschlecht, von dem wir nun hören werden.
Severisches Haus. Der Kaiser Septimius Severus hatte zwei Söhne, von denen der ältere C a r a c a l l a , der jüngere Geta hieß. Münzbildnisse zeigen die Ähnlichkeit beider. A l s später, nach beider Ermordung und der Zwischenregierung des Macrinus, Elagabal Heirscher wurde, geschah dies auf die Prätension hin, er sei der Sohn C a r a c a l l a s von seiner Kusine Soämis. Die Ge= sichtszüge Elagabals und Caracallas verraten in der T a t Ähnlichkeit, so= wohl auf Büsten als auch auf Münzen. Der bei dem jugendlichen Ela= gabal schon auffallend sprossende Backenbart und das leicht lockige H a a r erinnern auch an Caracalla. W e n n letzterer schöne Basen hatte, so liegt der Gedanke nahe, daß dieser sexuell veranlagte M a n n in seine eigene Familie eindrang. Daß die Prinzessin Soämis sich sonst leicht einem de= generierten Menschen hingegeben hätte, ist nicht anzunehmen, dagegen sehr wohl, daß sie sich in der Hinsicht einem kaiserlichen Vetter wie Ca= racalla gefügig zeigte. A n eine solche Degeneration wie bei Elagabal, ohne erbliche Belastung, glaube ich nicht. Folglich liegt die Annahme
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eines degenerierten Vaters für Elagabal nahe. Fälle der eben geschil^ derten A r t , in die eigene Familie einzudringen, finden sich auch sonst in der Geschichte, ich erinnere nur an Caligula, Domitian und Napoleon. D i e Soldaten, die Elagabal zuerst als C ä s a r begrüßten, taten dies auch deshalb, weil sie seine Gesichtszüge denen Caracallas ähnlich fanden. M a n kann auch nicht leugnen, daß Elagabal eine ganze Anzahl E i g e n schaften mit seinem mutmaßlichen V a t e r teilte. Beide litten am Göttlich^ keitswahn, waren herrschsüchtig, sehr lasziv, prachtliebend, grausam, heimtückisch und behandelten ehrenwerte Männer hochfahrend und schlecht. Natürlich erscheint der Charakter Elagabals in noch geringerer Qualität. E i n e zunehmende Familiendegeneration, wie bei Claudius und Britannicus, würde auch gut für unseren Fall passen. Streng beweisen läßt sich die Vaterschaft Caracallas nicht, was bei einer so heiklen F r a g e natürlich ist, zumal der Prinzessin Soämis im allgemeinen kein ein= wandfreier Lebenswandel nachgesagt wird. Caracalla war von Haus aus entartet und litt als Kaiser am Cäsaren^Wahnsinn, Elagabal war schwachsinnig, wie aus dem Leben und Han= dein der beiden Männer hervorgeht. Caracalla glich in geistiger Be= Ziehung ganz Domitian, wie Elagabal Commodus, wie ich in meiner Arbeit über den Cäsarenwahnsinn nachgewiesen habe. D a ß Alexander Severus, der nach Elagabals Ermordung auf den Thron gelangte, kein Sohn Caracallas war, kann man ebensowenig streng beweisen, aber aus den grundverschiedenen Charakteren beider schließen. Freilich hatte Alexander auch Verstand, dunkle Glutaugen, war auch Caracalla nicht ganz unähnlich und hatte auch in jungen Jahren schon einen Vollbartanflug. W i r wissen aber nichts von der Mutter Caracallas, möglich ist, daß seine Mutter eine Blutsverwandte Julia Domnas war oder ihr wenigstens ähnlich sah, weil man von seiner syrischen Abkunft spricht, so daß die Ähnlichkeit zwischen Caracalla und Alexander durch die weibliche Verwandtschaft oder durch Wahlverwandtschaft erklärbar wäre. E i n e Münzserie zeige das Porträt Elagabals in verschiedenen N u a n c e n bis zu dem letzten wüsten Ausdruck, daneben die Bildnisse Caracallas, Alexanders und der in Betracht kommenden weiblichen Persönlichkeiten. M a n beachte die Familienähnlichkeit zwischen Septimius Severus, C a r a = calla und G e t a , zwischen Julia Domna und G e t a , zwischen M ä s a , S o ^ ämis und Elagabal und zwischen M a m ä a und Alexander Severus.
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Über die weiblichen Familienglieder dieses Herrscherhauses, soweit sie eine politische Rolle spielten, muß noch etwas gesagt werden. Die zweite
.i Caracalla
Caracalla
Maesa
Septimius Severus
Elagabal
Soaemls
_ .
G e t a
Elagabal
Julia.Domna
Elagabal
Mamaea
Alexander Severus
F r a u des Septimius Severus, Julia Domna, war schön und geistreich — sie führte später Caracalla die kaiserliche Korrespondenz — nahm es aber in sexualibas nicht genau. Der schönen Prinzessin Soämis, der Nichte
der vorigen, machten der Reichtum der syrischen Fürstenfamilie, aus der sie stammte, der Glanz des Hofes, zu dem sie gehörte, und ihr späteres W i t w e n t u m Liebesaffären allerdings leicht,- sie soll sogar in Rom, als ihr Sohn Elagabal regierte, sich jegliche Schändlichkeit erlaubt haben. Ihre Mutter M ä s a , die Schwester Julia Domnas, hatte eine Hofintrige ange= zettelt, um durch Ausspielen Elagabals Blutrache an C a r a c a l l a zu neh= men und der Dynastie wieder zu ihrem Rechte zu verhelfen. M a m ä a , die Mutter Alexanders, stand in besserem Rufe,- wenn auch sie ihren Ver= kehr mit C a r a c a l l a betont hat, um die Legitimität ihres Sohnes zu er= weisen, so müssen wir nur bedenken, daß auch sie später W i t w e , schön und herrschsüchtig war, und daß eine Liäson mit einem Fürsten wie C a r a c a l l a nach syrischen Begriffen wohl eher etwas Ehrendes als Ent= ehrendes hatte. Ob Soämis und M a m ä a zu Lebzeiten C a r a c a l l a s schon W i t w e n waren, kann nicht gesagt werden, das ist auch weniger wichtig. Die Frauen des septimischen Hauses haben nun insofern zum Untergang desselben mit beigetragen, als Julia Domna durch ihren sittlichen Leicht^ sinn ihre Nachkommenschaft ebenso gefährdete wie Soämis, während M a m ä a durch Beherrschung ihres Sohnes, ihre Untugend, Reichtümer zu sammeln und auf der anderen Seite zu geizen, das tragische Geschick desselben herbeiführte. Die Wiedereinsetzung der Dynastie durch Ela= gabal kann deshalb nicht als ein Verdienst der M ä s a bezeichnet werden, weil dieser Herrscher durch seine Grausamkeit und Torheiten vier furchte bare Jahre für das römische Volk heraufführte. A l s o auch hier sehen wir wieder, wie beim ersten und dritten Herrscherhaus — für das fla= vische will ichs nicht direkt behaupten —, wie verderblich die Frauen im allgemeinen auf den Fortbestand der Familien eingewirkt haben. Ich sage damit nichts anderes als Ferrero, dessen Buch über die Frauen der Cäsaren viel Gutes bringt. Die Geschichte des severischen Hauses ist deshalb interessant, weil sie uns zeigt, in wie verschiedener W e i s e ein Reich regiert werden kann. Zu= erst einigte der glänzende Soldatenkaiser Septimius Severus das durch Gegenkaiser geteilte Reich, indem er mit brutaler Härte jeden, auch den Senator, traf, der auf der Gegenseite war. A l s er diese T a t vollbracht hatte, zeichnete er sich durch eine milde, gesegnete Regierung aus. Sein Sohn Caracalla, klug, aber entartet und später paranoisch, eine „wüste Charikatur" seines V a t e r s , schlug dem Volke durch ein Massenmorden tiefe W u n d e n . A l s Politiker und Militär w a r er ziemlich auf der Höhe, 26
zweifellos hat seine Grausamkeit seine guten Seiten sehr verdunkelt und sein Bild, das auf die Nachwelt kam, etwas entstellt. Elagabal führte ein Regiment, würdig seines mutmaßlichen V a t e r s , von dem er sich durch völlige Geistlosigkeit unterschied, den er durch seine Schlechtigkeit noch übertraf. Die Reihe schloß der treffliche Alexander, der im Gegensatz zu Septimius und Caracalla sich weniger ans H e e r als an den Senat an= lehnte, milde und gut regierte, jedoch durch manchmal zu schroffes, manch= mal zu mildes W e s e n und zeitweise gezeigte Unselbständigkeit seinen Untergang durch dieselben Soldaten fand, die erstere vergöttert hatten. D a s septimische H a u s w a r demnach nicht geeignet, das dem Reiche dro= hende Verderben aufzuhalten, wenn auch zweifellos ein Septimius Severus zu seiner Zeit am Platze war, da die Gegenkaiserei später zu noch un= glückseligeren Verwickelungen führen sollte. D a ß sämtliche vier Herrscher sich für die Baukunst lebhaft interessierten und deren letzten großen Schwung mit herbeiführten, ist ein Verdienst, das ihnen niemand streitig machen wird. Beim Durchwandern des Palastes des Septimius auf dem Palatin und den Resten der Caracallathermen bekommt man noch jetzt einen Begriff sowohl von der Kraft und dem Glänze, die durch diese M ä n n e r auf das Riesenreich ausgingen, als auch von der bis dahin unerreichten römischen Gewölbearchitektur. Zweifellos hatten die glücklichen Kriege beider Geld ins Land gebracht. Die Thermen waren vom künstlerischen und volks= hygienischen Standpunkt aus sicher etwas beispiellos Großartiges. Die Liebe zur Baukunst ist, ähnlich wie bei Domitian, das einzige etwas Ver= söhnende an den dämonischen Menschen Caracalla und Elagabal. W i r kommen auf die Porträts zurück, die, wie wir sahen, auch für historische F r a g e n wichtige Anhaltspunkte liefern können. Die N e u e Photographische Gesellschaft, A . = G . , Berlin=Steglitz, w a r so gütig, mir die Skulpturporträts zur Veröffentlichung zu überlassen. F ü r die Familienforschung bekommen wir, neben kleineren erwähnten Zügen, folgende Resultate: Im julisch=claudischen H a u s richtete die Inzucht deshalb Schaden an, weil neben derselben von der julischen Seite her Charakterlosigkeit einiger Stammütter, von der claudischen Grausamkeit, von der antonischen Halt= losigkeit verderblichen Einfluß auf die Nachkommenschaft ausübten. Die Konsanguinität kann ja schon selbst durch Addition der schlechten Eigen= Schäften Schaden stiften. Die dritte und vierte Dynastie offenbarten wiederum, wie gefährlich für die Nachkommen unmoralische Charakter-
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anlagen der Stammütter sind. D i e genaueren Gründe dafür, weshalb alle vier Häuser so schnell versagten, können deshalb nicht angegeben werden, weil ihre Stammbäume nur wenig verfolgbar sind. Jedenfalls bieten die von uns betrachteten ersten 260 Jahre der Kaiser= zeit viel mehr Glanz und Kulturhöhe als Verfall dar, und wenn wir bedenken, daß in ihren ersten 100 Jahren vier Kaiser