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German Pages 362 Year 2008
Beiträge zum Beamtenrecht Band 10
Lehrerinnen mit Kopftuch Zur Zulässigkeit eines religiösen und geschlechtsspezifischen Symbols im Staatsdienst
Von Kirsten Wiese
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Kirsten Wiese · Lehrerinnen mit Kopftuch
Beiträge zum Beamtenrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Detlef Merten und Prof. Dr. Helmut Lecheler
Band 10
Lehrerinnen mit Kopftuch Zur Zulässigkeit eines religiösen und geschlechtsspezifischen Symbols im Staatsdienst
Von Kirsten Wiese
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0940-676X ISBN 978-3-428-12775-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 2006 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation angenommen. Das überarbeitete Manuskript berücksichtigt Literatur und Rechtsprechung bis Juli 2008. Meinem Doktorvater, Prof. Dr. Ulrich Battis, danke ich für die große Freiheit, die er mir bei der Erstellung der Arbeit ließ. Prof. Dr. Susanne Baer danke ich für das Zweitgutachten und die wertvollen Anregungen, insbesondere zu den geschlechtsspezifischen Aspekten dieser Arbeit. Ich bin froh, einen langen Arbeitsprozess nun beenden zu können. Während dieses Prozesses wurde ich von vielen Menschen unterstützt. Mein besonderer Dank gilt Christian Rath, Jens Kersten und Judith Dick, die durch ständige Bereitschaft zur Diskussion und zur kritischen Lektüre meiner Arbeitsergebnisse sehr stark zu dem vorliegenden Buch beigetragen haben. Danken möchte ich Anna Traub, vor allem dafür, dass sie mir geholfen hat, in dieser Arbeit überwiegend weibliche Sprachformen zu verwenden. Riem Spielhaus und Andreas Neumann danke ich für die vielen hilfreichen Anmerkungen aus islamwissenschaftlicher und muslimischer Sicht. Michaela Glaser, Annette Hardeling und Yoan Vilain sei Dank dafür, dass sie mich mit ihrer jeweiligen Expertise darin unterstützt haben, mir neues Wissen zu erschließen. Schlecht lesbar wäre dieses Werk sicherlich ohne die emsigen Freunde und Freundinnen, die diese Arbeit Korrektur gelesen haben, dafür danke ich Christa Möhring, Gunter Scholz, Johanna Schumacher und Markus Remmler. Meiner Familie – insbesondere meiner Schwester Alexandra – und meinen Mitbewohnern Boris und Jutta Goldammer danke ich für stetige Motivation, Kindbetreuung, Finanzspritzen und alles weitere Gute, das meinen Arbeitsprozess ermöglicht hat. Der Berliner Arbeitskreis Rechtswirklichkeit hat mir – und tut es noch immer – für meine Arbeit einen wunderbaren wissenschaftlichen Rahmen geboten. Danken möchte ich hier insbesondere Anusheh Rafi, Christian Boulanger und Michael Wrase. Danke auch an die Heinrich-Böll-Stiftung, die mich durch ein Promotionsstipendium unterstützt hat, und an das Bundesministerium des Innern, das diese Veröffentlichung durch einen Druckkostenzuschuss unterstützt.
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Vorwort
Fereshta Ludin und Iyman Alzayed haben durch ihren starken Willen, das Kopftuch im Unterricht tragen zu dürfen, den Anlass für diese Arbeit gesetzt. Ich habe mich gefreut, dass sie beide zu einem persönlichen Gespräch mit mir bereit waren. Kirsten Wiese
Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Verwaltungspraxis, Rechtsprechung und Gesetze zu Lehrerinnen und Referendarinnen mit Kopftuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Verwaltungspraxis in den Bundesländern vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gesetze, Gesetzentwürfe und Verwaltungspraxis der Länder nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bremen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Saarland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fall „Ludin“ in Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fall „Graber“ in Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Referendarin mit Kopftuch in Bremen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fall „Alzayed“ in Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Lehrerinnen mit Kopftuch in Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Verfassungsrechtliche Bewertung der Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Grundrechtsschutz im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundrechtsgeltung für Beamtinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundrechtsschutz für das Tragen eines Kopftuches als Verhalten gelegentlich der Amtsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Schutz der Religionsfreiheit, Art. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tradierte Bestimmung des Schutzbereiches der Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Meinungsspektrum zur Konturierung des Schutzbereiches der Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 26 26 28 31 32 32 33 34 34 34 35 35 35 36 37 38 39 40 40 40 44 47 47 47 47 50
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II.
3. Kriterien für die Bestimmung des Schutzbereiches der Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Argumente für eine objektive Bestimmung des Schutzbereiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Notwendige Berücksichtigung des Selbstverständnisses der Grundrechtsträger bei der Bestimmung des Schutzbereiches c) Notwendige objektive Eingrenzung des Schutzbereiches . . . . (1) Keine Beschränkung des Schutzbereiches gemäß übereinstimmenden sittlichen Grundanschauungen . . . . . . . . . . (2) Keine Anderskonturierung der Schutzbereiche und keine enge Schutzbereichsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Objektive Eingrenzung des Schutzbereiches durch den Transzendenzbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Keine objektive Eingrenzung des Schutzbereiches durch den Bezug auf Gremien oder Geistliche von Glaubensgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kopftuchtragen einer Muslimin im Schutzbereich der Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schranken der Religionsfreiheit und Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein einfacher Gesetzesvorbehalt für die Religionsfreiheit . . . . . 2. Kopftuch der Lehrerin als Symbol in der Schule . . . . . . . . . . . . . . a) Symbolhaftigkeit des Kopftuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mögliche Bedeutungen des Kopftuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtlich maßgebliche Bedeutung des Kopftuches einer Lehrerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wer stellt die Bedeutung des Kopftuches fest? . . . . . . . . . (2) Bedeutungsfindung nach Plausibilitätskriterien . . . . . . . . . (3) Plausible Bedeutungen des Kopftuches einer Lehrerin . . . (a) Kopftuch als religiöses Symbol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Kopftuch als geschlechtsspezifisches Symbol . . . . . . . (c) Kopftuch als politisches Symbol . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Widerlegen der plausiblen Bedeutung im Einzelfall . . . . . (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Plausible Wirkung des Kopftuches einer Lehrerin auf Schüler und Schülerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anregende und suggestive Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Assoziativ-emotionale Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Integrierende bzw. desintegrierende Wirkung . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54 54 55 58 58 60 68
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3. Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler als Schranke . . . 109 a) Grundrechtsmündigkeit der Schülerinnen und Schüler als Voraussetzung für einen Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Kein grundsätzlicher religiöser Konfrontationsschutz in der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 c) Kein Eingriff in die negative Glaubensbildungsfreiheit durch das Kopftuch als vom Staat verwendetes Symbol . . . . . . . . . . 113 (1) Kein grundsätzlicher Schutz vor religiösen Informationen durch den Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (2) Schutz vor gleichheitswidriger Symbolverwendung durch den Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (3) Keine Gleichsetzung von Lehrerin und Staat . . . . . . . . . . . 119 d) Schutz vor dem Kopftuch der Lehrerin durch die Glaubensbildungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (1) Faktischer Eingriff durch das Kopftuch: Werbewirkung des Kopftuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (2) Relativierung der Werbewirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 e)
f)
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(3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Schutz der Schülerinnen vor der Konfrontation mit dem Kopftuch wegen der möglichen Vorbildwirkung der Lehrerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Schutz der Schüler und Schülerinnen vor der Konfrontation mit dem Kopftuch wegen der möglichen Beeinträchtigung der psychischen Integrität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Kein Schutz der Schüler und Schülerinnen vor der Konfrontation mit dem Kopftuch durch die Religionsausübungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Kein Schutz der Schüler und Schülerinnen vor der Konfrontation mit dem Kopftuch durch die negative Bekenntnisfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (1) Schranken-Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (a) Gewichtung der betroffenen Grundrechte . . . . . . . . . . . 133 (b) Art. 33 III und 7 III GG als Tendenzentscheidung zugunsten der Lehrerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (c) Art. 33 IV und V GG als Tendenzentscheidung zu Lasten der Lehrerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (d) Kein generell-vorbeugendes Kopftuchverbot . . . . . . . . 137
(2) Konfliktlösung durch den Dienstherrn im Einzelfall . . . . 141 j) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4. Elternrecht, Art. 6 II GG, als Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
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Inhaltsverzeichnis 5. Religiös-weltanschauliches Neutralitätsgebot als Schranke . . . . . a) Meinungsspektrum zur Definition eines religiös-weltanschaulichen Neutralitätsgebotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Striktes Neutralitätsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Offenes Neutralitätsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Neutralitätsgebot als religionsfreundliche Trennung von Staat und Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Neutralitätsgebot als Gebot der Begründungsneutralität . . b) Kein striktes Neutralitätsgebot als Schranke . . . . . . . . . . . . . . . (1) Herleitung und dogmatische Einordnung eines Neutralitätsgebotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kein striktes Neutralitätsgebot aus dem Verbot der Staatskirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kein striktes Neutralitätsgebot aus Verfassungsgewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Kein striktes Neutralitätsgebot als Folge religiöser Pluralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Abgrenzung zur Laizität in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Toleranzgebot als Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Gebot zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Art. 3 II und III GG, als Schranke . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt des Erziehungszieles der Gleichberechtigung . . . . . . . . (1) Meinungsspektrum zum Gewährleistungsgehalt von Art. 3 II und III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eigene Bestimmung des Inhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kann die Lehrerin mit Kopftuch das Erziehungsziel der Gleichberechtigung vermitteln? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kann die Lehrerin mit Kopftuch generell das Erziehungsziel der Gleichberechtigung vermitteln? . . . . . . . . . . (2) Kann die Lehrerin mit Kopftuch gegenüber muslimischen Schülerinnen das Erziehungsziel der Gleichberechtigung vermitteln? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Schutz der Schüler und Schülerinnen vor geschlechtsspezifischer Diskriminierung in der Schule, Art. 3 II 1 und III 1 GG als Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Staatlicher Schulauftrag, Art. 7 I GG, als Schranke . . . . . . . . . . . a) Staatlicher Erziehungs- und Bildungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . b) Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrags durch die Lehrerin mit Kopftuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis c) Mögliche Gefährdung des Schulfriedens durch eine Lehrerin mit Kopftuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Generelles Zurückdrängen der Religion aus der Schule im Interesse des Schulfriedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Art. 33 V GG und die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums als Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Funktionsvorbehalt und hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verstößt eine Lehrerin mit Kopftuch gegen den hergebrachten Grundsatz der Verfassungstreuepflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Herleitung der Verfassungstreuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Inhalt der Verfassungstreuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Überprüfung der Verfassungstreuepflicht . . . . . . . . . . . . . . (4) Verletzt eine Lehrerin mit Kopftuch ihre Verfassungstreuepflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verstößt eine Lehrerin mit Kopftuch gegen den hergebrachten Grundsatz der Neutralität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verletzt eine Lehrerin ihre Dienstpflicht zu religiös-weltanschaulicher Neutralität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verletzt eine Lehrerin mit Kopftuch ihre Dienstpflicht zu politischer Neutralität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Definition einer Dienstpflicht zu politischer Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Verletzung dieser Dienstpflicht durch eine Lehrerin mit Kopftuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Schutz anderer Freiheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutz der Gewissensfreiheit, Art. 4 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spezialität der Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schranken und Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schutz der Meinungsfreiheit, Art. 5 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spezialität der Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schranken und Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutzbereich und Spezialität anderer Freiheitsrechte . . . . . . . . . .
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183 188 192 192 193 193 194 195 197 198 200 200 201 205 205 207 208 208 208 208 209 210 211 211 211 212 212 213 214 214
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Inhaltsverzeichnis 2. Schranken und Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 I GG . . . . . . . . . . . 1. Schutzbereich und Spezialität anderer Freiheitsrechte . . . . . . . . . . 2. Schranken und Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Schutz der Berufsausübungsfreiheit, Art. 12 I GG . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Schutz der Gleichheitsrechte, Art. 33 II–III 1, Art. 3 I–III 1 GG, Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 II WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verbot der Ungleichbehandlung wegen der Religionszugehörigkeit, Art. 33 II–III GG, Art. 3 III GG und Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 II WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich und Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbot unmittelbarer und mittelbarer Ungleichbehandlung wegen der Religionszugehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis der einschlägigen Gleichheitsrechte zueinander . . c) Verhältnis der Gleichheitsrechte zur Religionsfreiheit . . . . . . . 2. Kopftuchverbot als Ungleichbehandlung wegen der Religionszugehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Rechtfertigung einer Privilegierung christlicher Religionsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung wegen einer besonderen Konfliktträchtigkeit des Kopftuches . . . . . . . . II. Verbot der Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts, Art. 3 II 1 und III 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kopftuchverbot als Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts 3. Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verbot der Ungleichbehandlung wegen der politischen Aussage, Art. 3 III 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich und Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kopftuchverbot als Ungleichbehandlung wegen der politischen Aussage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verbot der Ungleichbehandlung wegen der ethnischen Herkunft, Art. 3 III 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich und Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kopftuchverbot als Ungleichbehandlung wegen der ethnischen Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
215 215 216 216 216 217 217 219 219
220 220 221 223 224 225 227 229 232 235 235 236 237 238 238 239 239 239 240
Inhaltsverzeichnis V.
13
Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
§ 4 Verfassungsrechtliche Bewertung der Zulässigkeit einer (noch) nicht verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Bewerberin für das verbeamtete Lehramt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutz des Rechts auf gleichen Zugang zum öffentlichen Dienst . . . 1. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorbeugendes Kopftuchverbot im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schutz der Berufswahlfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutz der Religionsfreiheit und sonstiger Grundrechte . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Angestellte Lehrerin im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schranken der Grundrechte und Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Referendarin und Referendariatsbewerberin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutz des Rechts auf gleichen Zugang zum öffentlichen Dienst 2. Schutz der Berufsausbildungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schranken der Grundrechte und Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
243 243 243 243 243 244 245 246 247 248 248 248 249 250 250 250 251 251 253
§ 5 Europa- und völkerrechtliche Bewertung der Zulässigkeit einer Lehrerin mit Kopftuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Schutz durch das Recht der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Schutz durch die Europäische Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . C. Schutz durch sonstiges Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
254 254 256 258 261
§ 6 Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot . . . . A. Anforderungen an eine einfachgesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geltung des Gesetzesvorbehaltes im Beamtenverhältnis . . . . . . . . . . . II. Erstarken des Gesetzesvorbehaltes zum Parlamentsvorbehalt . . . . . . 1. Detaillierte Regelung des Kopftuchtragens im Lehramtsdienst im Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsätzliche Erforderlichkeit der detaillierten Regelung im parlamentarischen Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gesetzliche Festlegung der Bedeutung religiös und politisch motivierter Kleidungsstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gesetzliche Festlegung der Abwägung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . V. Gesetzesvorbehalt im Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes . . . . . . VI. Übereinstimmung mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz . .
262 262 262 263 264 269 270 272 273 274
14
Inhaltsverzeichnis B. Reformierte Schul- und Beamtengesetze als Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 38 BWSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Festlegung der Bedeutung religiös und politisch motivierter Kleidungsstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Einzelfallregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Gleichbehandlung aller Religionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausnahmen für Lehramtsreferendarinnen und Referendariatsbewerberinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gleichstellung von verbeamteten und angestellten Lehrerinnen . . II. Art. 59 II BayEUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. §§ 2 ff. Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin . . . . . . . . . . IV. § 59b IV BremSchulG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. § 86 III HSchG, § 57 IV NRW-SchulG, § 1 IIa SLSchoG . . . . . . . . . VI. § 51 II NSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rechtslage in den Bundesländern, die ihre Schul- und Beamtengesetze nicht reformiert haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Dienstpflichten der Beamtin als Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeine Vorschriften des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst als Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Kopftuchverbot im Konfliktfall in der Übergangszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ermächtigungsgrundlagen für ein Kopftuchverbot nach den Maßstäben von BVerfG und BVerwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 7 Sonstige Staatsbedienstete mit Kopftuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Erzieherinnen mit Kopftuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzeslage und Verwaltungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall . . . . 1. Anforderungen an eine einfachgesetzliche Regelung . . . . . . . . . . 2. Reformierte Kindergartengesetze als Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Richterinnen mit Kopftuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzeslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verwaltungspraxis und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfassungsrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schranken und Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
276 276 277 278 279 281 282 282 284 284 285 286 286 287 289 289 290 293 294 294 294 295 296 299 299 300 300 300 300 302 303 303 305
Inhaltsverzeichnis a) Kein striktes Neutralitätsgebot als Folge staatlicher Hoheitsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Richterliches Unparteilichkeitsgebot als Schranke . . . . . . . . . . (1) Verstoß gegen das richterliche Unparteilichkeitsgebot durch das Kopftuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Abwägung und Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grundrechte der Prozessbeteiligten als Schranke . . . . . . . . . . . (1) Justizgewährleistungsanspruch der Prozessparteien als Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Religionsfreiheit der Prozessbeteiligten als Schranke . . . . IV. Einfachgesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Befangenheitsantrag nach §§ 42 ZPO, 24 StPO . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall . . 3. § 39 DRiG als Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. § 46 DRiG i. V. mit § 76 BBG als Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Polizistinnen mit Kopftuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzeslage und Verwaltungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 305 306 306 309 310 310 311 312 312 313 313 314 315 316 316 317 318 319
§ 8 Fazit und Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 A. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 B. Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359
Abkürzungsverzeichnis a. A. Abgh. Bln. Abs. AG AGG ALR Amtl. Umdr. AöR ArbG ARSP Art. Aufl. Az. BAG BAGE BayBG BayEUG BayVBl. BayVerf. BayVerfGH BayVGH BBG BbgLBG Bd. BGB BGBl. BGHZ BG LSA BlnKiTaG BlnLBG BlnLV BMI BremBG BremSchulG BremVerf.
anderer Ansicht Berliner Abgeordnetenhaus Absatz Amtsgericht Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten Amtlicher Umdruck Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsgericht Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Artikel Auflage Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Bundesarbeitsgerichtsentscheidungen Bayerisches Beamtengesetz Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen Bayerische Verwaltungsblätter Bayerische Verfassung Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Bundesbeamtengesetz Beamtengesetz für das Land Brandenburg Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Bundesgerichtshof in Zivilsachen Beamtengesetz Sachsen-Anhalt Gesetz zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflege Beamtengesetz Berlin Verfassung von Berlin Bundesministerium des Inneren Bremisches Beamtengesetz Bremisches Schulgesetz Verfassung der Freien Hansestadt Bremen
Abkürzungsverzeichnis BRRG Bschl. BT BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BW BWKiTaG
BWLBG BWLV BWSchG bzgl. ders. Diss. DÖD DÖV DRiG DRiZ Drs. DVBl. DVP EG EGMR EMRK EuGH EuGRZ f. FAZ ff. Fn. FR GBl. Bad.-Württ. GG GKÖD grds. GVBl. GVG GV NRW HBG HessStGH
17
Beamtenrechtsrahmengesetz Beschluss Bundestag Bundesverfassungsgericht Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen Bundesverwaltungsgericht Bundesverwaltungsgerichtsentscheidungen Baden-Württemberg Baden-Württembergisches Gesetz über die Betreuung und Förderung von Kindern in Kindergärten, anderen Tageseinrichtungen und der Kindertagespflege Landesbeamtengesetz von Baden-Württemberg Verfassung des Landes Baden-Württemberg Schulgesetz für Baden-Württemberg bezüglich derselbe Dissertation Der öffentliche Dienst Die öffentliche Verwaltung Deutsches Richtergesetz Deutsche Richterzeitung Drucksache Deutsche Verwaltungsblätter Deutsche Verwaltungspraxis Europäische Gemeinschaft Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechtezeitung folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgende Fußnote Frankfurter Rundschau Gesetzesblatt für Baden-Württemberg Grundgesetz Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht grundsätzlich Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen Hessisches Beamtengesetz Hessischer Staatsgerichtshof
18 HessVerf. Hg. HmbgBG HSchG i. d. F. i. d. R. IGMG InfAuslR insb. IPbürgR i. S. i. S. v. i. V. IZA JA JMBl. NRW JöR JuS JZ KGaG BW KJ KritVJ LAG LBG NRW LER LRiG LT LT SWH MBl. NRW MVLBG m.w. N. NBG NJ NJW NRWLBG NRW-SchulG NRWVerf. NSchG NVwZ NVwZ-RR NZZ
Abkürzungsverzeichnis Verfassung des Landes Hessen Herausgeber/Herausgeberinnen Hamburgisches Beamtengesetz Hamburgisches Schulgesetz in der Fassung in der Regel Islamische Gemeinschaft Milli Görüs Informationsdienst Ausländerrecht insbesondere Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte im Sinne im Sinne von in Verbindung Informationsdienst zur Ausländerarbeit Juristische Ausbildung Justizministerialblatt Nordrhein-Westfalen Jahrbuch des Öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Schulung Juristenzeitung Kindergartengesetz Baden-Württemberg Kritische Justiz Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Landesarbeitsgericht Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde Landesrichtergesetz Landtag Landtag Schleswig-Holstein Ministerialblatt des Landes Nordrhein-Westfalen Landesbeamtengesetz Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Nachweisen Niedersächsisches Beamtengesetz Neue Justiz Neue juristische Wochenschrift Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen Niedersächsisches Schulgesetz Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungsreport Neue Züricher Zeitung
Abkürzungsverzeichnis OVG PlenProt RdJB RK 2003/2004 RKEG RL Rn. RPLBG RPVerf. Rspr. SächBG SBG SHLBG SLSchoG StPO SZ taz ThürBG ThürSchulG ThürVBl. TierSchG Urt. u. U. UWG v. VBlBW VerwArch VG VGH vgl. VR VVDStRL VVE VwGO WehrpflG WRV ZAR ZBJV ZBR ZEuS ZevKR
19
Oberverwaltungsgericht Plenarprotokoll Recht der Jugend und der Bildung Regierungskonferenz 2003/2004 Gesetz über die religiöse Kindererziehung Richtlinie Randnummer Beamtengesetz Rheinland-Pfalz Verfassung für Rheinland-Pfalz Rechtsprechung Sächsisches Beamtengesetz Saarländisches Beamtengesetz Beamtengesetz für das Land Schleswig-Holstein Saarländisches Schulordnungsgesetz Strafprozessordnung Süddeutsche Zeitung Die Tageszeitung Thüringer Beamtengesetz Thüringer Schulgesetz Thüringer Verwaltungsblätter Tierschutzgesetz Urteil unter Umständen Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb vom Verwaltungsblätter Baden-Württemberg Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verwaltungsrundschau Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Vertrag über eine Verfassung für Europa Verwaltungsgerichtsordnung Wehrpflichtgesetz Weimarer Reichsverfassung Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik Zeitschrift des Berninschen Juristenvereins Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für europarechtliche Studien Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht
20 ZfA ZG ZPO ZRP ZTR
Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Gesetzgebung Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Tarifrecht
§ 1 Einleitung „Aber auch Frauen trugen Kopftücher eher aus Not, früher. Bäuerinnen, Trümmerfrauen. Damit die Haare die Kuh nicht beim Melken kitzeln, damit man den Zopf beim Wiederaufbau nicht aus Versehen einmörtelte. Auch in den Fünfzigern, als die Grace Kellys dieser Welt wäschetonnenhohe Frisuren mit Tüchern umhüllten, auf dass das Haargetürm nicht Schaden nehme bei zügiger Fahrt im offenen Alfa Romeo – auch damals war das Tuch eine schiere Notwendigkeit.“1
Das Kopftuch wurde in Deutschland lange Zeit vorrangig als Kleidungsstück und Accessoire gesehen. Zum Symbol und gleichzeitig zum Problem wurde das Kopftuch in Deutschland erst 1998, als Fereshta Ludin – eine deutsche Staatsangehörige afghanischer Herkunft und muslimischen Glaubens – mit Kopftuch an einer Grund- und Hauptschule in der Nähe Stuttgarts unterrichten wollte. Die Schulbehörde entschied, sie wegen des Kopftuches nicht in den öffentlichen Schuldienst aufzunehmen. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte 2002 diese Entscheidung. Im September 2003 hob das Bundesverfassungsgericht das Urteil auf und verpflichtete die Landesgesetzgeber, darüber zu entscheiden, ob Lehrerinnen an staatlichen Schulen Kopftücher tragen dürfen. Seitdem hat die Mehrzahl der Bundesländer ihre Schul- und Beamtengesetze so reformiert, dass Lehrerinnen das Kopftuchtragen verboten werden kann. Gesellschaftspolitisch wird die Zulässigkeit des Kopftuches im Lehramtsdienst im Zusammenhang mit der Integration von Muslimen und Musliminnen2 in Deutschland und mit dem Raum diskutiert, den Religion in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit und im Staat haben soll. Nahezu einheitlich wird die Integration von Muslimen und Musliminnen als gesellschaftspolitische Notwendigkeit gesehen, weil deren Anzahl in Deutschland auf 3,2 Millionen im Jahre 2004 angewachsen ist, seitdem die Bundesrepublik Deutschland in den 1960er Jahren begann, Gastarbeiter und -arbeiterinnen aus muslimisch geprägten Län1
Streiflicht der Süddeutschen Zeitung 1.4.2000. In dieser Arbeit verwende ich, wenn ich von Lehrerinnen, Beamtinnen, Erzieherinnen, Richterinnen, Polizistinnen, Migrantinnen und Grundrechtsträgerinnen spreche, die weibliche Form, da im Zentrum dieser Arbeit Frauen stehen. Sofern es dabei nicht speziell um eine Lehrerin mit Kopftuch geht, sind die jeweils männlichen Begriffe mitgemeint. Verwende ich nur die männliche Form, sind nur Männer gemeint. Dagegen schreibe ich „Musliminnen und Muslime“ und „Schüler und Schülerinnen“, wenn ich beide Geschlechter meine. Verwende ich nur das eine Geschlecht der jeweiligen Gattung, so ist auch nur dieses gemeint. Im Übrigen bezeichne ich sowohl durch Substantive und Attribute mit weiblicher als auch durch solche mit männlicher Geschlechtsbezeichnung jeweils Frauen und Männer. 2
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§ 1 Einleitung
dern wie der Türkei, aber auch aus Marokko und Tunesien nach Deutschland zu holen. Zudem führt die mangelhafte Integration dieser Bevölkerungsgruppen zunehmend zu teilweise auch gewalttätigen Konflikten und Ghettoisierung. Gestritten wird aber über die Voraussetzungen für eine gelungene Integration von Muslimen und Musliminnen. Strittig ist unter anderem die Frage, ob und wieweit sich Musliminnen und Muslime an die bundesdeutsche Gesellschaft anpassen müssen und inwieweit sie den Anspruch erheben können, gemäß ihrer kulturell-religiösen Identität3 zu leben.4 Entsprechend dieser Streitlinien wird sowohl vertreten, dass Kopftuchverbote die Integration von Musliminnen und Muslimen behindern können, weil sie ein Zeichen von Intoleranz seien,5 als auch, dass erst ein Kopftuchverbot die Integration fördere, weil es das Entstehen von Parallelgesellschaften verhindere.6 Das Kopftuch ist nur ein Beispiel für den rechtlichen und politischen Gestaltungsbedarf, der durch die wachsende Präsenz von Musliminnen und Muslimen in Deutschland entstanden ist. Die Konflikte im Zusammenhang mit deren Integration wiederum spiegeln die mit der zunehmenden kulturellen und ethnischen Vielfalt in der Bundesrepublik Deutschland verbundenen Spannungen wider. Gestritten wird z. B. um muslimisches Schächten7, die Anerkennung der Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts8 oder die Einführung des Faches „Wertekunde“ in Berlin9. Noch ist nicht geklärt, welchen Stellenwert Religion in der bundesdeutschen säkularisierten Gesellschaft hat, und erst allmählich wächst die Einsicht, dass Deutschland nicht mehr allein aus einer christlich-jüdischen Tradition heraus betrachtet werden kann, sondern zunehmend auch durch andere Religionen und Weltanschauungen geprägt wird. Diese Debatte über die Rolle der Religion und insbesondere der christlichen Religion wird ebenso auf europäischer Ebene geführt. So wurde heftig darüber gestritten, ob sich in der Europäischen Verfassung ein Gottesbezug und ein Verweis auf die christliche Tradition Europas finden sollten.10 Nach dem Verfassungsentwurf gründete sich die Europäische Union in der deutschen Fassung in dem Bewusstsein ihres „geistig-religiösen und sittlichen Erbes“. In den Fassungen der übrigen Amtssprachen gründete sich die Union dagegen in dem Be3 „Identität“ verstehe ich im Sinne von Wehr (2000), 90 folgendermaßen: Eine Person wird als einmalig und unverwechselbar durch die soziale Umgebung wie durch das Individuum selbst vermittelt. 4 Siehe unten S. 133 zu den Studien zur muslimischen Identität türkischer Migrantinnen in Deutschland. 5 Vgl. z. B. Kimpel/Wurdack (2004) und Beck/John/Süssmuth (2003). 6 Vgl. z. B. „Für Neutralität in der Schule“, taz 14.2.2004. 7 Vgl. BVerfG, NJW 2002, 663 ff. 8 Vgl. BVerfGE 102, 370 ff.; BVerwG, NVwZ 2001, 924 ff. 9 Vgl. Durth (2005); Klose (2005). 10 Belafi (2003).
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wusstsein ihres „spirituellen Erbes“ (im Englischen „spiritual“; im Französischen „spirituel“).11 Der religiöse Bezug bleibt auch in der deutschen Fassung des Lissabon-Vertrages erhalten. Danach wird in die Präambel als zweiter Erwägungsgrund eingefügt „Schöpfend aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas . . .“. In der staatsrechtlichen Diskussion werden unterschiedliche Antworten auf die Frage gegeben, wie die deutsche Gesellschaft unter Einbeziehung der unterschiedlichen religiös und kulturell geprägten Lebensformen zu gestalten sei. Stefan Huster plädiert z. B. für eine gleiche Anwendung des deutschen Rechtes gegenüber allen Bürgern. Das Recht sei in Bezug auf kulturelle Lebensweisen indifferent. Der Staat wiederum sei in ethischer Hinsicht neutral.12 Demgegenüber fordert z. B. Gabriele Britz gerade eine Berücksichtigung kultureller Lebensweisen bei der Rechtsanwendung. Ihr zufolge sollten kulturelle Rechte im Verfassungsrecht verankert sein.13 Die deutsche staatsrechtliche Diskussion wird beeinflusst von der insbesondere angelsächsisch geprägten sozialphilosophischen Diskussion um die Integration von Minderheiten in der Demokratie.14 Hier streiten sich Multikulturalisten und Kommunitaristen15 mit Liberalen16 um die Funktionsbedingungen der Demokratie einer ethnisch und kulturell vielfältigen Gesellschaft. Während Multikulturalisten und Kommunitaristen eine Anerkennung kultureller Identität und besondere Rechte für kulturell geprägte Gruppen fordern, setzen Liberale – zum Teil mit feministischen Modifikationen17 – dieser Ansicht ein Gesellschaftsmodell entgegen, in dem allen die gleichen Rechte zustehen. Das Kopftuch ist in dieser Diskussion gerne zitiertes Beispiel, da dieses Kleidungsstück gerade die Schwierigkeiten beim Umgang mit kulturell geprägten Gruppen deutlich macht: Kopftuchtragen ist nicht nur ein Ausdruck kultureller Identität der Musliminnen und verlangt deshalb u.U. besonderen staatlichen Schutz, sondern kann zugleich ein Ausdruck der minderwertigen Stellung muslimischer Frauen sein und verlangt deshalb eventuell eine besondere staatliche Beschränkung.
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Vgl. Meyer (2003), 6. Huster (2002), passim und insb. 641 ff. 13 Britz (2000), passim und insb. 303 ff. 14 Vgl. zu deutschen Autoren, die explizit Bezug nehmen auf die angelsächsische Diskussion u. a. Britz (2000), insb. 184 ff.; Brugger (1999), passim; Huster (2002), passim und insb. 407 ff.; Langenfeld (2001), insb. 262 ff.; Nickel (1999), insb. 33 ff.; Rathke (2005), insb. 214 ff. 15 Vgl. u. a. Kymlicka (1995), passim; Taylor (1993), 13 ff.; Walzer (1998), passim; Young (1990), passim. 16 Vgl. u. a. Benhabib (2000), passim; Habermas (1993), 147 ff.; ders. (1998), 91 ff. 17 Vgl. u. a. Benhabib (2000), passim. 12
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Vor dem Hintergrund dieser Diskussionen geht diese Arbeit der Frage nach, ob muslimische Lehrerinnen an öffentlichen Schulen in Deutschland ein Kopftuch tragen dürfen. Die Antwort wird in einer verfassungsrechtlichen Untersuchung des Problems entwickelt, in deren Mittelpunkt die Religionsfreiheit der Lehrerin steht. Im Rahmen dieser Untersuchung wird gezeigt, was die angemessene Festlegung von Schutzbereich und Schranken der Religionsfreiheit in Zeiten zunehmenden religiösen Pluralismus ist. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf der Frage, inwieweit die Religionsfreiheit im öffentlichen Dienst gilt und ob die Verfassung ein Neutralitätsgebot vorgibt, das die Staatsbediensteten in ihrer Religionsausübung zumindest beschränkt. Auf der Schrankenseite der Religionsfreiheit wird zudem untersucht, inwieweit Schüler und Schülerinnen ihre Religionsfreiheit sowie Eltern ihr religiöses Erziehungsrecht gegen das Kopftuch einer Lehrerin geltend machen können und inwieweit einer muslimischen Lehrerin eine mögliche frauendiskriminierende und fundamentalistische Bedeutung des Kopftuches entgegengehalten werden kann. Bei der Untersuchung des Kopftuchkonflikts werden mithin beamtenrechtliche mit religionsverfassungsrechtlichen Fragen und solchen der Gleichberechtigung von Männern und Frauen verbunden. Die Untersuchung beginnt mit einer Darstellung der Verwaltungspraxis, Rechtsprechung und Gesetzeslage zu Lehrerinnen mit Kopftuch in den einzelnen Bundesländern (§ 2). Im folgenden Kapitel (§ 3) wird unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten diskutiert, ob eine verbeamtete muslimische Lehrerin ein Kopftuch tragen darf. Der Schwerpunkt dieses Kapitels ist die Prüfung der Religionsfreiheit der Lehrerin – wie weit der Schutzbereich reicht, mit welchen Verfassungswerten die Religionsfreiheit der Lehrerin kollidiert und wie die Abwägung der kollidierenden Rechte aufzulösen ist. Inwieweit das Kopftuchtragen bereits bei der Eignungsprüfung einer Lehramtsbewerberin eine Rolle spielen darf und ob angestellte Lehrerinnen und Lehramtsreferendarinnen ein Kopftuch tragen dürfen, wird in § 4 erarbeitet. In § 5 wird untersucht, welchen Schutz das Europa- und Völkerrecht einer muslimischen Lehrerin bietet, die im Dienst ein Kopftuch tragen möchte. In § 6 wird die einfachgesetzliche Bewertung der Lehrerin mit Kopftuch aufgezeigt. Hier wird ausgeführt, welche Anforderungen eine einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot erfüllen muss, und untersucht, ob die bestehenden Ländergesetze diese Anforderungen erfüllen. Wie die Ergebnisse der Untersuchung auf Erzieherinnen, Richterinnen und Polizistinnen übertragen werden können, wird in § 7 dargestellt. Abschließend werden in § 8 die Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst. Musliminnen in Deutschland bedecken auf unterschiedliche Weise ihr Haupt. Am häufigsten tragen sie ein unter dem Kinn gebundenes Kopftuch, das keine Haare sehen lässt. Einen solchen Hedjab tragen z. B. Fereshta Ludin und Iyman Alzayed. Manche tragen einen Ganzkörperschleier, der die Augen durch einen
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schmalen Sehschlitz freilässt (Nikab) oder der die Augen nicht freilässt (Burka), sowie ein schulterlanges Tuch, das die gesamte Stirn bedeckt (Tschador). Wenn in dieser Arbeit von Kopftuch gesprochen wird, so ist das unter dem Kinn gebundene Tuch gemeint. Sonstige von Musliminnen getragene Kopfbedeckungen wie Nikab, Burka und Tschador werden ausdrücklich als solche bezeichnet. Nicht nur Musliminnen, auch Christinnen tragen ein Kopftuch.18 Allerdings ist die Zahl der Kopftuch tragenden Christinnen in Deutschland sehr gering. In dieser Arbeit untersuche ich deshalb maßgeblich das von Musliminnen getragene Kopftuch. Sofern es in dieser Arbeit um das von Christinnen getragene Kopftuch geht, weise ich darauf ausdrücklich hin.
18 Siehe die Paulusbriefe: 1. Brief an Timotheus Kap. 2, Verse 9–11; 1. Brief an die Korinther Kap. 11, Vers 5, 6 Die Bibel, Einheitsübersetzung, Herder Verlag; vgl. zum aus christlichen Gründen auch auf dem Passbild getragenen Kopftuch BVerwG, DVBl. 1994, 168; OVG Berlin v. 20.3.1991, Az 1 B 21.89; VG Berlin, NVwZ 1990, 100. In Publik Forum 22/2003, 22 berichtete ein Leser, seine Frau trage aus christlicher Tradition Kopftuch, ihre Herkunft führe in das ur-arische, ostpreußische und christliche Adelsgeschlecht der von Hollanders.
§ 2 Verwaltungspraxis, Rechtsprechung und Gesetze zu Lehrerinnen und Referendarinnen mit Kopftuch A. Verwaltungspraxis in den Bundesländern vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Bis zum Urteil des BVerfG vom 24.9.2003 war der Umgang in den Bundesländern mit Lehrerinnen und Schülerinnen mit Kopftuch unterschiedlich. Im Rahmen eines Berichtes der Bundesregierung zum Islam in Deutschland vom November 2000 wurden die Bundesländer gefragt, ob das religiös motivierte Tragen eines Kopftuches oder Tschadors in der Öffentlichkeit oder in Schulen, Universitäten und öffentlichen Gebäuden in Deutschland als Teil der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Religionsausübung geschützt sei.1 Aus den Antworten der Länder auf diese Frage und aus Presseartikeln ergab sich bis September 2003 folgendes Bild: In Baden-Württemberg war das Tragen von Kopftuch und Tschador an Schulen und Universitäten nach Angaben des Landes grundsätzlich möglich. Der Dienstherr war jedoch berechtigt, einer verbeamteten muslimischen Lehrerin das Tragen eines Kopftuches oder Tschadors zu verbieten. 1998 wurde die Lehramtsbewerberin Ludin wegen ihres Kopftuches nicht in den Lehramtsdienst aufgenommen.2 In Bayern war Schülerinnen und Lehrerinnen das Tragen von Kopftüchern oder Schleiern jedenfalls gesetzlich nicht verboten. In Berlin wurde das Tragen von Kopftüchern von Schülerinnen muslimischen Glaubens geduldet, soweit dadurch nicht die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit nachhaltig beeinträchtigt wurde.3 1998 äußerte die damalige Schulsenatorin Stahmer in der Presse, dass sie keine Lehrerin mit Kopftuch einstellen würde.4 In Bremen wurde das Tragen eines Kopftuches von Schülerinnen und Studentinnen toleriert, Lehrerinnen mit Kopftuch waren nicht im öffentlichen Dienst vertreten.5 In Hamburg wurde an öffentlichen Schulen Schülerinnen das Kopftuchtragen erlaubt, Lehrerinnen ebenfalls, 1 Antwort der BReg auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU, BT-Drs. 14/4530, 26. 2 Siehe unten S. 35. 3 In einem Brief vom 11.7.1980 an das Bezirksamt von Berlin, Abteilung Volksbildung, empfiehlt der damalige Berliner Senator für Schulwesen den Lehrerinnen, die muslimischen Schülerinnen zur freiwilligen Aufgabe des Kopftuches zu bewegen, siehe Ablichtung des Briefes in Schilfblatt, Heft 9. 4 Vgl. Am Orde (1998). 5 Kleen (2002).
A. Verwaltungspraxis vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
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solange sie das Toleranzgebot des Grundgesetzes akzeptieren.6 Die damalige Schulsenatorin Raab stellte erstmalig 1999 eine Lehrerin in den Schuldienst ein, die im Unterricht aus (geltend gemachten) religiösen Gründen ein Kopftuch trug.7 In Niedersachsen stand es Schülerinnen frei, ein Kopftuch oder einen Tschador zu tragen, während der Dienstherr berechtigt war, einer Lehrkraft das Tragen eines Tschadors oder Kopftuches während des Dienstes zu untersagen.8 In Nordrhein-Westfalen unterrichteten im Jahr 2003 Lehrerinnen mit Kopftuch, ohne dass die Landesregierung einen Anlass für dienstrechtliche Maßnahmen oder generelle Regelungen bezüglich Lehrerinnen mit Kopftuch sah.9 In Rheinland-Pfalz gab es keine schulischen Restriktionen gegen Schülerinnen mit Kopftuch.10 Ob es Lehrerinnen mit Kopfttuch gab und wie das Land sich ihnen gegenüber verhielt, darüber lagen keine Informationen vor. Im Saarland war nicht bekannt, dass eine Lehrerin im Unterricht ein Kopftuch oder einen Tschador getragen hätte. Das Kopftuch von Schülerinnen wurde von den Schulen nicht beanstandet.11 In Schleswig-Holstein durften Schülerinnen ein religiös motiviertes Kopftuch tragen. Der Fall einer Lehrerin mit Kopftuch war nicht bekannt.12 Für Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen ergab sich auf Anfrage im Mai 2001 bei den zuständigen Bildungsministerien einheitlich, dass das Problem einer Lehrerin mit Kopftuch nicht oder kaum bekannt war.13
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BT-Drs. 14/4530, 27. Kritisch zu dieser Entscheidung Brenner (2000), 265 (284, Fn. 76); zu einer Lehrerin mit Kopftuch in Hamburg auch Hipp (2003), 39. 8 BT-Drs. 14/4530, 27. 9 Vgl. Mogultay (2002), 13. An einer Wuppertaler Grundschule unterrichtete 2000 die Konrektorin und damalige Frauenbeauftragte des Islamrats der Muslime, Ulrike Thoenes, mit Kopftuch, vgl. Kanis (2000). Laut Angabe des nordrhein-westfälischen Schulministeriums unterrichteten im Juni 2003 15 Lehrerinnen mit Kopftuch, vgl. Rath (2003). Laut Rohe, zit. in Hipp (2003), 39, unterrichtet eine Aachener Grundschullehrerin seit ca. 1980 mit einem Kopftuch, das sie nach Art eines Turbans um die Haare geschlungen hat. Zugleich berichtet Hipp von einer Hauptschullehrerin, die im Kreis Mettingen, NRW, nicht mit Kopftuch unterrichten durfte, weil der Rektor fürchtete, die Schule gerate in schlechten Ruf. Sie ziehe deshalb täglich vor der Schule ihr Kopftuch ab. 10 BT-Drs. 14/4530, 28. 11 BT-Drs. 14/4530, 28. 12 BT-Drs. 14/4530, 28. 13 Rohe (2001), 145 schreibt dagegen, dass in Brandenburg eine Lehrerin mit Kopftuch zulässig sei. 7
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§ 2 Verwaltungspraxis, Rechtsprechung und Gesetze
B. Gesetze, Gesetzentwürfe und Verwaltungspraxis der Länder nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Nach dem Urteil des BVerfG von 24.9.2003 reformierten Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Saarland ihre Schul- bzw. Beamtengesetze, um das Tragen bestimmter religiöser Symbole oder Kleidungsstücke im Schuldienst, in Hessen und Berlin auch in anderen Bereichen des Staatsdienstes zu untersagen. In Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein beschloss das Kabinett, kein Kopftuchverbot zu erlassen. Die übrigen Länder entschieden sich bislang weder ausdrücklich für noch gegen ein Kopftuchverbot. In Bayern wurde das reformierte Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen am 11.11.2004 verabschiedet.14 Zu diesem Zeitpunkt gab es in Bayern noch keine einzige Lehrerin mit Kopftuch. SPD und Grüne kritisierten damals, das Gesetz löse keine Probleme, sondern schaffe neue. 2006 unterrichteten im Freistaat zwei oder drei Referendarinnen, die eigentlich ein Kopftuch tragen wollten. Mit ihnen wurde ein Kompromiss gefunden, sie tragen im Unterricht jetzt neutrale Hüte. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschied im Januar 2007, dass das reformierte Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen mit der bayerischen Verfassung übereinstimme.15 In Baden-Württemberg hatte die FDP sich zunächst gegen ein gesetzliches Verbot gewendet, weil man auch bei einem Gesetz nicht um eine Einzelfallprüfung herumkomme. Die Fraktion Die Grünen hatte einen eigenen Gesetzesentwurf eingebracht, der es den Schulen ermöglicht hätte, im Einzelfall zu prüfen.16 Am 1.4.2004 verabschiedete der Landtag aber ein reformiertes Schulgesetz.17 Aufgrund des reformierten Schulgesetzes lehnte die Schulbehörde Baden-Württembergs ab, die Bewerberin Ludin wegen ihres Kopftuches in den Lehramtsdienst zu übernehmen.18 In Berlin hatte sich die an der Regierung beteiligte PDSFraktion lange Zeit gegen ein Verbot religiöser Symbole im öffentlichen Dienst gesträubt.19 Die CDU-Fraktion verlangte ein Gesetz, das allen Mitarbeiterinnen des Landes Berlin das Tragen des Kopftuches verbieten solle.20 Am 27.1.2005 14
Siehe den Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung, Bay. LT-Drs. 15/368. BayVGH, BayVBl. 2007, 235 ff. 16 Gesetzentwurf v. 27.1.2004 – LT BW, Drs. 13/2837. 17 Siehe Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes v. 1.4.2004, GBl. Bad.-Württ. S. 178, Nr. 6; LT BW, Drs. 13/3091; siehe Gesetzesentwurf der Landesregierung v. 14.1.2004, LT BW, Drs. 13/2793, 3; zur Plenardebatte über den Gesetzesentwurf vgl. LT BW, PlenProt 13/67 v. 1.4.2004. 18 Siehe unten S. 35. 19 Vgl. Diskussionsveranstaltung der PDS-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus „Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst“ am 24.2.2004. 20 Vgl. Abgh Bln, Drs. 15/2122 v. 22.10.2003 und Plenarprotokoll 15/37 v. 30.10. 2003, 3025. 15
B. Gesetze nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
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beschloss das Abgeordnetenhaus ein Gesetz, nach dem religiöse und weltanschauliche Symbole und Kleidung für Staatsbedienstete in der Rechtspflege, im Justizvollzugsdienst, bei der Polizei und an Schulen mit Ausnahme der Berufsschulen und Schulen des zweiten Bildungsweges verboten sind.21 In Bremen verwehrte im April 2005 die Bremer Schulbehörde einer Frau den Zugang zum Referendariat, weil sie es ablehnte, im Fach „Biblische Geschichte/Religionskunde“ auf ihr Kopftuch zu verzichten. Danach änderte Bremen am 28.6.2005 das Schulgesetz.22 Das BVerwG hielt die Ablehnung der Frau als Referendarin wegen ihres Kopftuches jedoch nicht für rechtmäßig.23 In Brandenburg verlangte die DVU ein im Beamtengesetz verankertes Verbot, religiöse Kleidung zu tragen.24 Doch ein solches Gesetz wurde bislang noch nicht verabschiedet. Hessen änderte sowohl das Beamten- als auch das Schulgesetz.25 Die Landesanwältin Ute Sacksofsky erhob gegen die reformierten Gesetze vor dem hessischen Staatsgerichtshof Normenkontrollantrag. Im Dezember 2007 entschied der hessische Staatsgerichtshof jedoch, dass das geänderte Beamten- und Schulgesetz mit der hessischen Verfassung übereinstimme.26 In Niedersachsen verabschiedete der Landtag am 29.4.2004 ein Gesetz, nach dem Lehrer und Lehrerinnen durch ihr Erscheinungsbild keine Zweifel aufkommen lassen dürfen, den Bildungsauftrag der Schule zu erfüllen.27 Der ursprüngliche Gesetzesentwurf,28 der auch eine Privilegierung zugunsten der christlichen und abendländischen Bildungs- und Kulturwerte vorsah, wurde wegen verfassungsrechtlicher Bedenken im Gesetzgebungsverfahren fallen gelassen.29 Die Grünen hatten einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der eine Einzelfallprüfung vorsah. Danach durften Lehrkräfte religiös-weltanschauliche Bekundungen im Unterricht abgeben, sofern sie damit nicht die offene religiös-weltanschauliche Neutralität des Landes und den Schulfrieden gefährdeten. Komme es zu Gefährdungen und Störungen, solle sich die Schulkonferenz des Falles annehmen. Gelinge ein Ausgleich nicht, könne der Schulleiter die Lehrkraft auffordern, die religiös-weltanschaulichen Äußerungen zu unterlassen. Leiste die Lehrkraft der Aufforderung keine Folge, 21
Vgl. Abgh. Berlin, Drs. 15/3249; Bln GVBl. v. 8.2.2005, S. 92. Bremisches Schulgesetz (BremSchulG) v. 28.6.2005 (Brem.GBl. S. 260 – 223-a-5). 23 BVerwG, Urt. v. 26.6.2008, Az. 2 C 22.07; siehe unten S. 37. 24 Siehe Gesetzentwurf der Fraktion der DVU zur Änderung des Beamtengesetzes für das Land Brandenburg vom 15.10.2003, LT Bbg, Drs. 3/6487; Antrag der Fraktion der DVU, Änderung des Bundes-Angestellten-Tarifvertrages v. 5.11.2003, LT Bbg, Drs. 3/6528. 25 Gesetz zur Sicherung der staatlichen Neutralität v. 18.10.2004, GVBl. I S. 306, Nr. 17; LT Hessen, Drs. 16/1897, 4. 26 HessStGH, Urt. v. 10.12.2007, Az. P.St.2016. 27 Niedersächsisches Schulgesetz, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 29.4. 2004 (Nds. GVBl. S. 140). 28 Vgl. Gesetzesentwurf der Landesregierung v. 13.1.2004, LT Nds., Drs. 15/720; Beschlussempfehlung des Kultusausschusses v. 21.4.2004, LT Nds., Drs. 15/970. 29 LT Nds., Drs. 15/988, 3. 22
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§ 2 Verwaltungspraxis, Rechtsprechung und Gesetze
solle die Schulbehörde die notwendigen Maßnahmen ergreifen.30 In NordrheinWestfalen wollte die damals SPD-geführte Landesregierung zunächst nichts unternehmen. Nach Vorlage eines Gutachtens von Ulrich Battis und Peter Friedrich Bultmann favorisierte die Regierung ein grundsätzliches Verbot von Kleidung und Zeichen, die im Widerspruch zu Grundwerten der Verfassung stehen, mit der Option der Einzelfallprüfung.31 Das Gutachten schlug einen reformierten § 56 II nordrhein-westfälisches Schulgesetz vor, nach dem Lehrerinnen im Dienst keine Kleidung oder Zeichen tragen dürften, deren objektiver Erklärungsgehalt zu Grundwerten der Verfassung, insbesondere der Menschenwürde sowie den Freiheits- und Gleichheitsgrundrechten, in Widerspruch stünde und die geeignet seien, den Schulfrieden zu beeinträchtigen. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall vorlägen, solle die Schulleitung im Zusammenwirken mit der Schulkonferenz ermitteln. Die abschließende Entscheidung solle die zuständige Schulaufsichtsbehörde treffen. Die SPD/Bündnis 90/Die Grünen-Landesregierung erließ aber kein dementsprechendes Gesetz.32 Schulministerin Schäfer (SPD) sah wegen der geringen Zahl von Lehrerinnen mit Kopftuch im März 2005 in Nordrhein-Westfalen „momentan keinen dringlichen Handlungsbedarf für eine gesetzliche Regelung“.33 Nach dem Regierungswechsel im Juni 2005 wollte die CDU aber ein Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen durchsetzen. Der Koalitionspartner FDP wollte das Verbot „religiös auffälliger Symbole“ dagegen nicht auf das Kopftuch beschränken. In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich die Parteien auf ein Kopftuchverbot geeinigt.34 Im Mai 2006 verabschiedete der nordrhein-westfälische Landtag ein refomiertes Schulgesetz, das das Kopftuchtragen verbietet und die Darstellung christlicher Inhalte erlaubt. Von diesem Verbot sollten laut Pressemitteilung etwa 18 Lehrerinnen betroffen sein.35 Zu Beginn des neuen Schuljahres 2006 kamen 5 bis 6 Lehrerinnen weiterhin mit Kopftuch zur Schule.36 In Rheinland-Pfalz beschloss das Kabinett, auf ein Kopftuchverbot an Schulen zu verzichten. Muslimische Lehrerinnen, die mit Kopftuch unterrichten wollen, werden aber von der Schulbehörde auf die Pflicht zu religiöser Neutralität hingewiesen und müssen bei einem Verstoß mit disziplinarischen Maßnahmen rechnen.37 Schleswig-Holstein tendierte zunächst
30 Vgl. Änderungsantrag B 90/Die Grünen zum Gesetzesentwurf der Landesregierung v. 26.4.2004, LT NRW, Drs. 15/987. 31 Vgl. Oestreich (2004), 89; Battis/Bultmann (2004). 32 Siehe den Antrag der CDU-Fraktion im NRW Landtag, LT NRW, Drs. 13/4564. SPD, Grüne und FDP lehnten den Antrag im März 2005 ab. 33 Vgl. dpa-Meldung, SZ 18.3.2005. 34 Vgl. Tickermeldung dpa ch yynwd fc, 31.8.05 16:53:00. 35 Heims (2005). 36 Vgl. Welt 8.7.2006. 37 Vgl. LT Rhlp, Drs. 14/3074 (Antwort des Ministeriums für Bildung, Frauen und Jugend auf eine Kleine Anfrage).
B. Gesetze nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
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dazu, alle Religionssymbole gesetzlich zu verbannen38, ohne dass ein entsprechendes Gesetz verabschiedet wurde. Im Februar 2006 nahm eine Referendarin mit Kopftuch den Schuldienst auf.39 Zeitgleich kündigte das schleswig-holsteinische Bildungsministerium an, das Schulgesetz so ändern zu wollen, dass das Tragen religiöser Symbole an Schulen untersagt werden könne. Im September 2006 einigte sich die SPD-/CDU-Koalition aber darauf, kein Verbot religiöser Symbole ins Schulgesetz aufzunehmen, um auch christliche Symbole weiterhin zulassen zu können.40 Im Folgenden sollen die Regelungen in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Saarland im Einzelnen vorgestellt werden. I. Baden-Württemberg § 38 II Schulgesetz für Baden-Württemberg (BWSchG) n. F. lautet: „Lehrkräfte dürfen in der Schule keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußeren Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören. Insbesondere ist ein äußeres Verhalten unzulässig, welches bei Schülern oder Eltern den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Lehrkraft gegen Menschenwürde, Gleichberechtigung der Menschen nach Artikel 3 GG, Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftritt. Die Wahrnehmung des Erziehungsauftrages gem. Art. 12 Abs. 1, 15 Abs. 1 und 16 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg und die entsprechende Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen widerspricht nicht dem Verhaltensgebot nach Satz 1. Das religiöse Neutralitätsgebot des Satz 1 gilt nicht im Religionsunterricht nach § 18 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg.“
In § 38 III BWSchG heißt es: „Die Ernennung eines Bewerbers nach § 9 des Landesbeamtengesetzes für eine Tätigkeit an öffentlichen Schulen nach § 2 I setzt als persönliches Eignungsmerkmal voraus, dass er die Gewähr für die Einhaltung des Absatzes 2 in seiner gesamten voraussichtlichen Dienstzeit bietet. Für die Versetzung einer Lehrkraft eines anderen Dienstherrn in den baden-württembergischen Schuldienst gilt S. 1 entsprechend.“
Nach § 38 IV BWSchG können für die Ableistung des Vorbereitungsdienstes für ein Lehramt im Einzelfall Ausnahmen vorgesehen werden, soweit „die Ausübung der Grundrechte es zwingend erfordert und zwingende öffentliche Inte-
38 Vgl. Antrag der Fraktion der CDU v. 30.10.2003, LT SWH, Drs. 15/3008; LT SWH, Drs. 15/3792 v. 2.12.2004. 39 Vgl. dpa-Meldung, taz 7.2.2006. 40 Vgl. epd-Meldung, SZ 26.9.2006.
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§ 2 Verwaltungspraxis, Rechtsprechung und Gesetze
ressen an der Wahrung der amtlichen Neutralität und des Schulfriedens nicht entgegenstehen.“ Nach § 38 V BWSchG gelten die Absätze 2 bis 4 entsprechend für Lehrer und Lehrerinnen im Angestelltenverhältnis. II. Bayern Art. 59 II Gesetz über das bayerische Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) n. F. schreibt fest: „Die Lehrkräfte haben den in Art. 1 und 2 niedergelegten Bildungs- und Erziehungsauftrag sowie die Lehrpläne und Richtlinien für den Unterricht und die Erziehung zu beachten. Sie müssen die verfassungsrechtlichen Grundwerte glaubhaft vermitteln. Äußere Symbole und Kleidungsstücke, die eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung ausdrücken, dürfen von Lehrkräften im Unterricht nicht getragen werden, sofern die Symbole oder Kleidungsstücke bei den Schülern oder Schülerinnen oder den Eltern auch als Ausdruck einer Haltung verstanden werden können, die mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung einschließlich den christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerten nicht vereinbar ist. Art. 84 Abs. 2 bleibt unberührt. Für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst können im Einzelfall Ausnahmen von der Bestimmung des Satzes 3 zugelassen werden.“
III. Berlin Das Land Berlin hat in Reaktion auf die Entscheidung des BVerfG vom 24.9.2003 das Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin (BlnLV) erlassen. Die Präambel dieses Gesetzes lautet: „Alle Beschäftigten genießen Glaubens- und Gewissensfreiheit und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses. Keine Beschäftigte und kein Beschäftigter darf wegen ihres oder seines Glaubens oder ihres oder seines weltanschaulichen Bekenntnisses diskriminiert werden. Gleichzeitig ist das Land Berlin zu weltanschaulich-religiöser Neutralität verpflichtet. Deshalb müssen sich Beschäftigte des Landes Berlin in den Bereichen, in denen die Bürgerin oder der Bürger in besonderer Weise dem staatlichen Einfluss unterworfen ist, in ihrem religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis zurückhalten.“
In § 1 des Gesetzes zu Art. 29 BlnLV heißt es: „Beamtinnen und Beamte, die im Bereich der Rechtspflege, des Justizvollzugs oder der Polizei beschäftigt sind, dürfen innerhalb des Dienstes keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen. Dies gilt im Bereich der Rechtspflege nur für Beamtinnen und Beamte, die hoheitlich tätig sind.“
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§ 2 des Gesetzes zu Art. 29 BlnLV legt fest: „Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädagogischem Auftrag in den öffentlichen Schulen nach dem Schulgesetz dürfen innerhalb des Dienstes keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen. Dies gilt nicht für die Erteilung von Religions- und Weltanschauungsunterricht.“
Nach § 3 gilt das Verbot, sichtbare religiöse und weltanschauliche Kleidung und Symbole zu tragen, nicht für berufliche Schulen und Schulen des zweiten Bildungswegs. Für weitere Schularten oder für Schulen besonderer pädagogischer Prägung kann die oberste Schulbehörde Ausnahmen zulassen, wenn dadurch die weltanschaulich-religiöse Neutralität der öffentlichen Schulen gegenüber Schülerinnen und Schülern nicht in Frage gestellt und der Schulfrieden nicht gefährdet oder gestört wird. § 4 sieht vor, dass für Beamtinnen im Vorbereitungsdienst und andere in der Ausbildung befindliche Personen Ausnahmen vom Verbot, sichtbare religiöse und weltanschauliche Symbole und Kleidung zu tragen, zugelassen werden können. Nach § 5 gilt § 1 für Angestellte und Auszubildende der Berliner Verwaltung, die im Bereich der Rechtspflege, des Justizvollzugs oder der Polizei tätig sind, entsprechend. IV. Bremen § 59b IV Bremisches Schulgesetz (BremSchulG) n. F. heißt: „Die öffentlichen Schulen haben religiöse und weltanschauliche Neutralität zu wahren. Dieser Verpflichtung muss das Verhalten der Lehr- und Betreuungskräfte in der Schule gerecht werden. Die Lehrkräfte und das betreuende Personal müssen in jedem Fach auf die religiösen und weltanschaulichen Empfindungen aller Schülerinnen und Schüler sowie auf das Recht der Erziehungsberechtigten Rücksicht nehmen, ihren Kindern in Glaubens- und Weltanschauungsfragen Überzeugungen zu vermitteln. Diese Pflichten der Lehrkräfte und des betreuenden Personals erstrecken sich auf die Art und Weise einer Kundgabe des eigenen Bekenntnisses. Auch das äußere Erscheinungsbild der Lehrkräfte und des betreuenden Personals darf in der Schule nicht dazu geeignet sein, die religiösen und weltanschaulichen Empfindungen der Schülerinnen und Schüler und der Erziehungsberechtigten zu stören oder Spannungen, die den Schulfrieden durch Verletzung der religiösen und weltanschaulichen Neutralität gefährden, in die Schule zu tragen.“
Nach § 59b V BremSchulG n. F. gilt diese Regelung für Referendare und Referendarinnen nur, soweit sie Unterricht erteilen.
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§ 2 Verwaltungspraxis, Rechtsprechung und Gesetze
V. Hessen § 68 II Hessisches Beamtengesetz n. F. lautet: „Beamte haben sich im Dienst politisch, weltanschaulich und religiös neutral zu verhalten. Insbesondere dürfen sie Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale nicht tragen oder verwenden, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die Neutralität ihrer Amtsführung zu beeinträchtigen oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden zu gefährden. Bei der Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 und 2 ist der christlich und humanistisch geprägten abendländischen Tradition des Landes Hessen angemessen Rechnung zu tragen.“
§ 86 III Hessisches Schulgesetz (HSchG) n. F. sieht vor: „Zur Gewährleistung der Grundsätze des § 3 Abs. 1 haben Lehrkräfte in Schule und Unterricht politische, religiöse und weltanschauliche Neutralität zu wahren; § 8 bleibt unberührt. Insbesondere dürfen sie Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale nicht tragen oder verwenden, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die Neutralität ihrer Amtsführung zu beeinträchtigen oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden in der Schule zu gefährden. Bei der Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 und 2 ist der christlich und humanistisch geprägten abendländischen Tradition des Landes Hessen angemessen Rechnung zu tragen. Für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst kann die zuständige Behörde auf Antrag abweichend von Satz 2 im Einzelfall die Verwendung von Kleidungsstücken, Symbolen oder anderen Merkmalen zulassen, soweit nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen.“
VI. Niedersachsen § 51 III Niedersächsisches Schulgesetz (NSchG) n. F. enthält die folgende Regelung: „Das äußere Erscheinungsbild eines Lehrers darf, auch wenn es von der Lehrkraft aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen gewählt wird, keinen Zweifel an der Eignung der Lehrkraft begründen, den Bildungsauftrag der Schule (§ 2) überzeugend erfüllen zu können. Dies gilt nicht für Lehrkräfte an Schulen in freier Trägerschaft.“
Nach § 51 IV NSchG gilt dieses Verhaltensgebot auch für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst, soweit sie eigenverantwortlichen Unterricht erteilen. Im Einzelfall können für sie Ausnahmen erlassen werden. VII. Nordrhein-Westfalen § 57 IV Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (NRW-SchulG) n. F. lautet: „Lehrerinnen und Lehrer dürfen in der Schule keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußere Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die
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Neutralität des Landes gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören. Insbesondere ist ein äußeres Verhalten unzulässig, welches bei Schülerinnen und Schülern oder den Eltern den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Lehrerin oder ein Lehrer gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung nach Artikel 3 des Grundgesetzes, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftritt. Die Wahrnehmung des Erziehungsauftrags nach Artikel 7 und 12 Absatz 6 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen und die entsprechende Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen widerspricht nicht dem Verhaltensgebot nach Satz 1. Das Neutralitätsgebot des Satzes 1 gilt nicht im Religionsunterricht und in den Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen.“
§ 57 VI NRW-SchulG n. F. gibt vor: „Die Einstellung einer Lehrerin oder eines Lehrers setzt als persönliches Eignungsmerkmal voraus, dass sie oder er die Gewähr für die Einhaltung der Bestimmungen des Absatzes 4 in der gesamten voraussichtlichen Dienstzeit bietet. Entsprechendes gilt für die Versetzung einer Lehrerin oder eines Lehrers eines anderen Dienstherrn in den nordrhein-westfälischen Schuldienst. Für Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter können von der Einstellungsbehörde auf Antrag Ausnahmen vorgesehen werden, soweit die Ausübung ihrer Grundrechte es zwingend erfordert und zwingende öffentliche Interessen an der Wahrung der staatlichen Neutralität und des Schulfriedens nicht entgegenstehen.“
VIII. Saarland § 1 IIa Gesetz zur Ordnung des Schulwesens im Saarland (SlSchoG) n. F. schreibt fest:41 „Die Schule unterrichtet und erzieht die Schüler bei gebührender Rücksichtnahme auf die Empfindungen andersdenkender Schüler auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte. Der Erziehungsauftrag ist in der Art zu erfüllen, dass durch politische, religiöse, weltanschauliche oder ähnliche äußere Bekundungen weder die Neutralität des Staates gegenüber Schülern und Eltern noch der politische, religiöse oder weltanschauliche Schulfrieden gefährdet oder gestört werden.“
C. Rechtsprechung I. Fall „Ludin“ in Baden-Württemberg 1998 bewarb sich Fereshta Ludin um Einstellung in den Schuldienst an Grund- und Hauptschulen des Landes Baden-Württemberg mit den Ausbil41 Siehe Gesetz Nr. 1555 zur Änderung des Gesetzes zur Ordnung des Schulwesens im Saarland vom 23.6.2004, Amtsbl. S. 1510, Nr. 33; Gesetzentwurf der CDU- und SPD-Landtagsfraktion, Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ordnung des Schulwesens im Saarland vom 12.2.2004, LT SL, Drs. 12/1072.
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dungsfächern Deutsch, Englisch und Gemeinschaftskunde/Wirtschaftslehre. Im Einstellungsgespräch gab sie an, im Unterricht ihr Kopftuch nicht ablegen zu wollen. Ludin ist deutsche Staatsangehörige muslimischen Glaubens. Den Antrag von Ludin auf Einstellung lehnte das Oberschulamt Stuttgart aus mangelnder persönlicher Eignung ab. Hiergegen legte Ludin Widerspruch ein. Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg bestätigte den ablehnenden Widerspruchbescheid des Oberschulamtes Stuttgart. Eine gesetzliche Regelung des Falles wurde im Landtag entgegen einem Antrag der Republikaner abgelehnt.42 Das VG Stuttgart,43 der VGH Mannheim44 und das BVerwG45 bestätigten den ablehnenden Entscheid des Oberschulamtes.46 Das BVerfG gab am 24.9.2003 der Verfassungsbeschwerde gegen die Urteile der Verwaltungsgerichte und die Entscheidungen der Behörden statt. Ein Kopftuchverbot sei nur auf expliziter gesetzlicher Grundlage möglich.47 Das BVerfG hob das Urteil des BVerwG deshalb auf und verwies die Sache zurück an das BVerwG. Auf der Grundlage des im April 2004 reformierten Schulgesetzes für Baden-Württemberg hatte das BVerwG erneut über die Revision von Fereshta Ludin zu entscheiden. Das BVerwG entschied am 24.6.2004, dass das reformierte Schulgesetz des Landes Baden-Württembergs mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Trotz der Erwähnung „christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte“ enthalte es nach verfassungskonformer Auslegung keine Bevorzugung christlicher Religionen. Die Nicht-Ernennung Ludins in den Beamtendienst erkannte das Gericht deshalb als rechtmäßig an.48 Gegen diese Entscheidung erhob Ludin keine Verfassungsbeschwerde. II. Fall „Graber“ in Baden-Württemberg Doris Graber war seit 1973 als Beamtin im Schuldienst des Landes und unterrichtete seit 1976 an einer Grund- und Hauptschule in Bad Canstatt, BadenWürttemberg. 1984 trat sie zum Islam über. Seit 1995 trägt sie auch während des Unterrichts ein Kopftuch. Im Schulamt war das Kopftuch zwar bekannt. Da sich aber Kolleginnen, Eltern, Schüler und Schülerinnen nicht an ihm störten, wurde dem Fall keine Bedeutung zugemessen.49 Das Kopftuch von Doris Gra42 Vgl. LT BW, PlenProt 12/51 v. 15.7.1998; zum ersten Mal befasste sich der Landtag mit Kopftuch tragenden Lehrerinnen in der Plenardebatte am 20.3.1997, vgl. LT BW, PlenProt 12/23 v. 20.3.1997. 43 VG Stuttgart, DÖV 2000, 560 (561). 44 VGH Mannheim, NJW 2001, 2899. 45 BVerwG, ZBR 2003, 37 ff. 46 Im Folgenden wird von diesem Gerichtsverfahren als Fall „Ludin“ oder LudinUrteil gesprochen. 47 BVerfG, NJW 2003, 3111 ff. 48 BVerwG, JZ 2004, 1178 ff. 49 Hechtel (2000).
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ber wurde erst problematisiert, als Fereshta Ludins Anwalt in deren Verfahren vor dem VG Stuttgart darauf aufmerksam machte. Das Oberschulamt wies Graber 2000 – nach der Entscheidung des VG Stuttgart im Fall Ludin – an, das Kopftuch im Dienst immer dann abzunehmen, wenn Schülerinnen und Schüler anwesend seien.50 Dieser Bescheid wurde jedoch aufgehoben. Mit Bescheid vom 8.12.2004 wies das Oberschulamt D. Graber aufgrund des (geänderten) § 38 II BWSchG erneut an, ihren Dienst in der Schule ohne Kopfbedeckung zu versehen. Mit Urteil vom 7.7.2006 entschied das VG Stuttgart, dass die Anweisung der Schulverwaltung, ohne Kopftuch zu unterrichten, rechtswidrig war. Die Anweisung verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot aus religösen Gründen, da Ordensschwestern an einer staatlichen Schule in Baden-Baden in ihrer Tracht allgemeine Fächer unterrichten dürfen.51 Das Gericht ließ die Berufung unter Hinweis auf das zweite Ludin-Urteil des BVerwG nicht zu. Der Antrag des Landes Baden-Württemberg auf Zulassung zur Berufung gegen das Urteil des VG Stuttgart hatte jedoch Erfolg.52 Mit Urteil vom 18.3.2008 hob der VGH Mannheim das Urteil des VG Stuttgart auf, ohne Revision zuzulassen.53 Auch die Tochter von Doris Graber, G. Graber, unterrichtete in Baden-Württemberg ab Februar 2004 mit Kopftuch. Im März 2004 wurde sie wegen Tragens des Kopftuches beurlaubt.54 III. Referendarin mit Kopftuch in Bremen In Bremen beantragte eine Frau mit Kopftuch die Zulassung zum Referendariat. Diese versagte ihr das Landesinstitut für Schule im April 2005, nachdem sie es abgelehnt hatte, im Unterricht in Biblischer Geschichte/Religionskunde auf das Tragen eines Kopftuchs zu verzichten. Hiergegen legte die Frau Widerspruch ein und suchte um gerichtlichen Eilrechtsschutz nach. Mit Beschluss vom 19. Mai 2005 verpflichtete das VG Bremen die Freie Hansestadt Bremen im Wege der einstweiligen Anordnung, die Frau vorläufig in den Vorbereitungsdienst aufzunehmen.55 Weder die Bremische Landesverfassung noch das Wesen des Unterrichtsfachs Religionskunde stünden der Unterrichtung durch eine Lehrerin, die ein Kopftuch trage, entgegen. Damit ermangele es einer gesetzlichen Grundlage für den Ausschluss der Frau vom Referendariat. Diese wurde daraufhin vorläufig im Angestelltenverhältnis in den Vorbereitungsdienst übernommen. Auf die Beschwerde der Freien Hansestadt Bremen, worin diese von der 50
Vgl. Rath (2003). VG Stuttgart, ZBR 2007, 135 ff. Im Folgenden wird von diesem Verfahren als Fall Graber gesprochen. 52 VGH BW, Bschl. v. 28.2.2007, Az. 4 S 1845/06. 53 VGH Mannheim, Urt. v. 18.3.2008, Az. 4 S 516/07. 54 Beck (2004). 55 VG Bremen, Bschl. v. 19.5.2005, Az. 6 V 760/05. 51
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Beschwerdeführerin unter Verweis auf den reformierten § 59b BremSchulG56 nunmehr einen generellen Verzicht auf das Kopftuch im Unterricht forderte, hob das OVG Bremen mit Beschluss vom 26. August 2005 die Entscheidung des VG Bremen auf und lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2005 wies der Senator für Bildung und Wissenschaft der Freien Hansestadt Bremen den Widerspruch der Beschwerdeführerin zurück. Gegen den Beschluss des OVG erhob die Frau Verfassungsbeschwerde und beantragte eine einstweilige Anordnung vor dem Bundesverfassungsgericht. Dieses nahm die Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 22. Februar 2006 nicht zur Entscheidung an.57 Gegen die Zurückweisung des Widerspruches erhob die Beschwerdeführerin in der Hauptsache Klage, die das OVG Bremen am 21. Februar 2007 zurückwies.58 Das BVerwG hob das pauschale Kopftuchverbot jedoch mit Urteil vom 26. Juni 2008 auf. Die Schulbehörde müsse vielmehr eine konkrete Gefährdung durch die Klägerin nachweisen. IV. Fall „Alzayed“ in Niedersachsen 1999 bewarb sich Iyman Alzayed, eine gebürtige Deutsche, um die Einstellung in den niedersächsischen Schuldienst für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Sie trat 1990 vom evangelisch-lutherischen Glauben zum Islam über.59 Zunächst übersandte ihr das zuständige Schulamt trotz des Wissens um das Kopftuch eine Einstellungs-Absichtserklärung, die aber später unter Verweis auf die Verletzung der Neutralitätspflicht durch das Kopftuchtragen zurückgezogen wurde.60 Das VG Lüneburg gab ihrer Klage statt. Es ging davon aus, dass das Tragen eines Kopftuches auf Grund religiöser Zugehörigkeit zum Islam nicht ihrer Eignung für das Probebeamtenverhältnis entgegenstehe. Das Ermessen des Dienstherrn sei demnach auch unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes so reduziert, dass nur eine Einstellung der Klägerin rechtmäßig sei.61 Die Entscheidung der Lüneburger Richter wurde aber vom OVG Lüneburg aufgehoben.62 Das BVerwG setzte die Entscheidung in diesem Fall bis zur Entscheidung des BVerfG im Fall Ludin aus. Nach der Entscheidung des BVerfG im Fall Ludin hatte das BVerwG im Anschluss an das Ludin-Verfahren auch erstmalig im Fall Alzayed zu entscheiden. Entscheidungs56
Siehe oben S. 33. BVerfG, Bschl. v. 22.2.2006, Az. 2 BvR 1657/05. 58 OVG Bremen, NordÖR 2007, 214 ff. 59 VG Lüneburg, NJW 2001, 767 (767). Im Folgenden wird von diesem Verfahren als Fall Alzayed gesprochen. 60 VG Lüneburg, NJW 2001, 767. 61 VG Lüneburg, NJW 2001, 767. 62 OVG Lüneburg, NordÖR 2002, 259 ff. 57
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grundlage war das reformierte niedersächsische Schulgesetz. Frau Alzayed erklärte in der Verhandlung, sie werde im Unterricht das Kopftuch abnehmen. Daraufhin bot Niedersachsen ihr eine Beamtenstelle als Lehrerin an und sie zog die Klage zurück. Es wurde ein Vergleich geschlossen. Alzayed trat die Stelle jedoch nicht an, sondern zog stattdessen nach Österreich, wo sie mit Kopftuch unterrichten konnte. V. Lehrerinnen mit Kopftuch in Nordrhein-Westfalen In Nordrhein-Westfalen kamen nach Inkrafttreten des gesetzlichen Kopftuchverbotes am 1. Juni 2006 noch etwa 12 Lehrerinnen und mehrere Referendarinnen mit Kopftuch zur Schule. Die Bezirksregierungen reagierten darauf, indem sie in mehreren Fällen Abmahnungen oder Anweisungen aussprachen bzw. eine Lehramtskandidatin wegen des Kopftuches nicht in den Schuldienst aufnahmen. Das führte zu mehreren Gerichtsverfahren. Das VG Düsseldorf bestätigte im Juni 2007 die Entscheidung der Bezirksregierung Düsseldorf, eine examinierte Lehramtskandidatin wegen ihres Kopftuches nicht in den Lehramtsdienst aufzunehmen.63 Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ließ das Gericht die Berufung zum OVG zu. Im August 2007 wies das VG Düsseldorf die Klage einer verbeamteten Lehrerin gegen das Verbot, im Unterricht ein Kopftuch zu tragen, ab.64 Auch in diesem Fall ließ das VG Düsseldorf die Berufung zu. Das VG Aachen entschied November 2007, dass eine verbeamtete Grundschullehrerin im Unterricht kein Kopftuch tragen dürfe.65 Ebenso urteilte das VG Gelsenkirchen im Februar 2008, dass eine verbeamtete Französisch- und Englischlehrerin kein Kopftuch tragen dürfe.66 Das ArbG Düsseldorf bestätigte im Juni die Abmahnung einer Sozialpädagogin wegen ihrer Baskenmütze.67 Die Sozialpädagogin hatte zunächst ein Kopftuch getragen und dieses nach der Weisung, das Tragen des Kopftuches im Unterricht zu unterlassen, gegen eine Baskenmütze eingetauscht. Das Gericht schlug ihr vor, statt einer Baskenmütze eine Echthaarperücke zu tragen. Dieses Vergleichsangebot lehnte die Sozialpädagogin jedoch ab. Das LAG Düsseldorf wies am 10. April 2008 die Berufung gegen dieses Urteil zurück. Das ArbG Herne wies im März 2007 die Klage einer angestellten Türkisch-Lehrerin gegen ihre Abmahnung wegen des Kopftuches ab.68
63 64 65 66 67 68
VG Düsseldorf, Urt. v. 5.6.2007, Az. 2 K 6225/06. VG Düsseldorf, Urt. v. 14.8.2007, Az. 2 K 1752/07. VG Aachen, Urt. v. 7.11.2007, Az. 1 K 323/07. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 27.2.2008, Az. 1 K 1466/07. ArbG Düsseldorf, Urt. v. 29.6.2007, Az. 12 Ca 175/07. ArbG Herne, Urt. v. 7.3.2007, Az. 4 Ca 3415/06.
§ 3 Verfassungsrechtliche Bewertung der Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch A. Grundrechtsschutz im öffentlichen Dienst I. Grundrechtsgeltung für Beamtinnen Während Art. 33 II GG explizit ein Zugangsrecht für Beamtinnen und Bewerberinnen zum öffentlichen Dienst garantiert, ist die Geltung von Grundrechten für Beamtinnen darüber hinaus nicht ganz geklärt. Mehrheitlich gehen Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass auch im öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis aus Art. 33 IV GG Grundrechte gelten und Beamtinnen dementsprechend Rechtsschutz zusteht.1 Traditionell wurde dagegen die Beziehung einer Beamtin zum Staat, das Dienst- und Treueverhältnis, als besonderes Gewaltverhältnis bezeichnet und als solches dem verwaltungsinternen und damit als rechtsfrei erachteten Bereich zugerechnet. Die zwangsweise Begründung eines besonderen Gewaltverhältnisses bedurfte zwar der gesetzlichen Grundlage. Die spezifischen Beziehungen des besonderen Gewaltverhältnisses selbst waren aber den Grundrechten, dem Gesetzesvorbehalt und dem Rechtsschutz entzogen.2 Im Gegensatz zum allgemeinen Gewaltverhältnis, das jeden Bürger bezüglich seiner allgemeinen Rechte und Pflichten erfasste, betraf das besondere Gewaltverhältnis spezifische Beziehungen zwischen dem Staat und dem Bürger, die durch die (zwangsweise oder freiwillige) Einordnung in bestimmte Verwaltungsbereiche begründet wurden. Neben dem Beamtentum zählten z. B. auch Schule oder Strafvollzug dazu.3 1972 entschied das BVerfG in der Strafvollzugsentscheidung, dass die Grundrechte, der Gesetzesvorbehalt und der Rechtsschutz (Art. 19 IV GG) auch für die besonderen Gewaltverhältnisse gelten.4 Der überwiegende Teil der Lehre folgte zwar der Rechtsprechung,5 verschwunden ist aber die Vorstellung vom Beamtenrechtsverhältnis als besonde-
1 Vgl. Battis (2003), Art. 33 Rn. 74; vgl. bzgl. der Religionsfreiheit von Lehrerinnen in der öffentlichen Schule u. a. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3112); BayVGH, NVwZ 2002, 1000 (1002); Stock (1989), 659. 2 Vgl. Maurer (2006), § 8 Rn. 27. 3 Vgl. Maurer (2006), § 8 Rn. 27. 4 Vgl. BVerfGE 33, 1 (11). 5 Vgl. Battis (2003), Art. 33 Rn. 74; Giegerich (2001), 241 (270); Huster (2003), 216; Ipsen (2000), 717 ff.; ders. (2003), 1212 ist aber eher kritisch gegenüber der Grundrechtsgeltung für Staatsbedienstete; a. A. Wiese (1978), 24.
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rem Rechtsverhältnis damit nicht.6 Überwiegend wird das Beamtenverhältnis entsprechend dem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis weiterhin als besonderes Gewaltverhältnis7 oder mit ähnlichen Begriffen, wie z. B. Sonderstatusverhältnis8 oder Verwaltungsrechtsverhältnis,9 bezeichnet. Im Kopftuchurteil hob die Mehrheitsmeinung die Grundrechtsgeltung für Beamtinnen deutlich hervor, während die abweichende Meinung Beamtinnen und Bewerberinnen um ein öffentliches Amt nur verkürzten Grundrechtsschutz zukommen lassen wollte. Danach sollten Grundrechte für Beamte nur gelten, soweit diese nicht mit ihren Dienstpflichten kollidieren.10 Zur Begründung führten die Richter Hans-Joachim Jentsch, Udo Di Fabio und Rudolf Mellinghoff an, die Grundrechtssituation der Beamten unterscheide sich grundsätzlich von derjenigen der Bürger, da sie freiwillig in das Beamtenrechtsverhältnis eingetreten seien.11 Diese These von der Freiwilligkeit des Eintritts in das Beamtenverhältnis und dem damit verbundenen Grundrechtsverzicht12 wird vor allem im älteren Schrifttum vertreten.13 So führt beispielsweise Walter Wiese 1978 aus, dass Grundrechte Freiheit verbürgen sollten, damit der Inhaber sie gebrauche. Ihr Sinn könne nicht sein, die Wahl des Beamtenverhältnisses und zugleich die Beibehaltung der alten offenen Freiheit (vor Ausübung der Wahl) zu legitimieren: „Man kann nicht Ehemann unter Vorbehalt der Rechte des Junggesellen sein.“14 Ebenso sei niemand gezwungen, ein staatliches Amt zu übernehmen. Umgekehrt gewähre Art. 33 II GG jedem Deutschen ein Recht darauf, zu öffentlichen Ämtern zugelassen zu werden. Habe ein Bürger von Freiheit und Recht in diesem Sinne Gebrauch gemacht, dann habe er im gleichen Maße seine grundrechtliche Ausgangsposition verbraucht. Er dürfe nunmehr seine ursprünglichen Freiheiten nicht mehr gegen den neuen Status ausspielen. Zudem sei ein Ethos freiwilliger Pflichterfüllung („volle Hingabe“) unvereinbar mit der Vorstellung eines staatlichen Grundrechtseingriffs zu diesem Zwecke. Ein Berufsbeamtentum, dessen rechtliche Stellung – zumindest theoretisch – entscheidend durch Grundrechtsbeschränkungen gekennzeichnet werde, sei kein geeigneter Garant für die Wahrung des Grundgesetzes.15 In Rechtsprechung und 6 Für ein besonderes Gewaltverhältnis plädiert z. B. Ronellenfitsch (1999), 435, 439; ders. (1981), 936. 7 So z. B. Battis (2003), Art. 33 Rn. 76; a. A. Obermayer (1987), 2645. 8 Hesse (1995), Rn. 325; Stern (1984), 378. 9 Vgl. Ipsen (2000), 722. 10 BVerfG, NJW 2003, 3111 (Mehrheitsmeinung) und NJW 2003, 3117 (abweichende Meinung). 11 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3117); kritisch zur abweichenden Meinung insoweit Morlok (2003), 386. 12 Siehe zum Grundrechtsverzicht auch unten S. 174. 13 Vgl. zur Darstellung dieser Positionen Kutscha (1988), 532. 14 Wiese (1978), 24. 15 Wiese (1978), 24.
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
Schrifttum wird diese These vom freiwilligen Grundrechtsverzicht zum Teil weitergeführt, um die eingeschränkte Grundrechtsgeltung von Beamten oder den Verzicht auf einen Gesetzesvorbehalt zu rechtfertigen.16 Für Beamtinnen gelten aber notwendigerweise Grundrechte, denn sie sind Vertreterinnen des Staates und zugleich Bürgerinnen und als solche grundrechtsfähig.17 Der These vom freiwilligen Grundrechtsverzicht der Beamtin ist entgegenzuhalten, dass beim Eintritt in das Beamtenverhältnis weder eine Verzichtserklärung abgegeben wird noch ein Verzichtswille empirisch nachweisbar ist.18 Sie widerspricht darüber hinaus den hohen bis unüberwindbaren Anforderungen, die sonst an einen Grundrechtsverzicht gestellt werden, und entspricht vor allem nicht dem freiheitlichen Menschenbild des Grundgesetzes.19 Von Freiwilligkeit kann zumindest beim Lehrerberuf kaum gesprochen werden, da die ganz überwiegende Zahl der Berufspositionen im staatlichen Beamtenverhältnis steht.20 Die Zahl der Privatschulen ist in Deutschland gering.21 Das Minderheitenvotum im Fall Ludin hält den Ausschluss von Grundrechten für Beamtinnen für notwendig, um ein tripolares Grundrechtsverhältnis zu vermeiden.22 Das gewöhnliche Grundrechtsverhältnis ist ein bipolares, eines zwischen Staat einerseits und Bürgern andererseits. In der Schule entsteht dagegen – die Grundrechtsgeltung für Lehrerinnen vorausgesetzt – ein tripolares Grundrechtsverhältnis zwischen Bürgern (Schülern, Schülerinnen, Eltern), Staat (Schulbehörde) und Bediensteten (Lehrerinnen). Die Beamtin ist auf der einen Seite Trägerin von Grundrechten, die sie gegen staatliche Freiheitseingriffe schützen, auf der anderen Seite selbst Teil der öffentlichen Gewalt und insofern nicht grundrechtsberechtigt, sondern -verpflichtet. Das führt zu einem komplexen Abwägungsverhältnis zwischen staatlichen Grundsätzen, Grundrechten der Staatsdienerinnen und denen der Bürger.23 Die Ansicht der Mindermeinung im Fall Ludin kann aber nicht überzeugen. Das tripolare Abwägungsverhältnis lässt sich durchaus mit den herkömmlichen Abwägungsregeln der Grundrechtskollision auflösen. Eine Grundrechtsgeltung für Beamtinnen erscheint erst recht notwendig, wenn man die Ursache für das Spannungsverhältnis Beamtenrecht – Freiheitsrechte der Beamtinnen betrachtet. Diese sehen Karl-Jürgen Bieback und Martin 16
Vgl. BVerfG, DVBl. 1988, 530 (531); Ronellenfitsch (1981), 936. Vgl. Langenfeld (2001), 550. 18 Vgl. Kutscha (1988), 532. 19 Vgl. Baer/Wrase (2003), 1164; Kutscha (1988), 532. 20 Vgl. Morlok (2003), 381 (386). 21 Vgl. BVerfGE 93, 1 (18); BayVGH, BayVBl. 1996, 27. Ludin fand allerdings eine Anstellung an der privaten islamischen Grundschule in Berlin. 22 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3117). 23 Vgl. Ipsen (2003), 1212. 17
A. Grundrechtsschutz im öffentlichen Dienst
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Kutscha in der vordemokratischen Prägung des Beamtenrechts: Der „Arbeitgeber“, der (moderne) Staat, habe sich in voller Macht entfaltet, während die bürgerliche Gesellschaft erst in den Anfängen ihrer Entwicklung gestanden habe. Die „Arbeitnehmer“, die Beamten, als eine besondere soziale Gruppe hätten kaum eine eigene soziale und ökonomische Basis besessen, um durchgängig eigene Interessen herauszubilden oder um sie kollektiv durchzusetzen. Die persönlichen und politischen Freiheitsrechte der Staatsbürger seien noch nicht gegenüber dem Staat, geschweige denn für die innerhalb des Staatsapparates Beschäftigten politisch anerkannt und durchgesetzt gewesen.24 Speziell für Lehrerinnen gilt darüber hinaus, dass sie in der Schule als Persönlichkeiten gefragt sind. So hielt der VGH München in seiner Entscheidung von Dezember 2001 zum Anspruch eines Lehrers auf Abhängen eines Kruzifixes in einem bayerischen Unterrichtsraum den Schutzbereich der Religionsfreiheit des Lehrers für eröffnet. Von Bedeutung sei, „dass der Lehrer unbeschadet seiner dienstrechtlichen Eingliederung in die Schulverwaltung und seiner insofern vielfach reglementierten und beaufsichtigten Unterrichtstätigkeit dennoch – und dies macht ein Spezifikum des Lehrerberufes aus – als Erzieher und Wissensvermittler seiner Aufgabe weitgehend nur individuell aus der Eigendynamik seiner Persönlichkeit heraus gerecht werden kann.“25 Der Lehrer stehe „mit seiner ganzen Persönlichkeit“26
vor der Klasse. Wer sich als Persönlichkeit einbringen muss, dem müssen aber auch die Rechte eines Bürgers zustehen. Die Geltung der Religionsfreiheit des Lehrers während des Dienstes wird rechtlich zusätzlich dadurch unterstützt, dass Art. 4 I und II GG seine freiheitssichernde Wirkung gerade in Lebensbereichen entfaltet, die nicht der gesellschaftlichen Selbstorganisation überlassen, sondern vom Staat in Vorsorge genommen worden sind. Das entschied das BVerfG im Kruzifixbeschluss.27 Die Senatsmehrheit im Kopftuchurteil sah den persönlichen Anwendungsbereich von Art. 4 I und II GG für Lehrerinnen während ihrer Amtstätigkeit deshalb als eröffnet an.28 Für Beamtinnen gelten demnach Grundrechte. Auf eine Bezeichnung des Beamtenverhältnisses als Sonderrechtsverhältnis sollte deshalb verzichtet werden, weil sie zu der Gefahr führt, dass doch wieder traditionelle Vorstellungen des besonderen Gewaltverhältnisses einfließen.29
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Bieback/Kutscha (1984), 17, 51; vgl. auch Alberts (1985), 93. BayVGH, NVwZ 1000 (1002). 26 BayVGH, NVwZ 1000 (1002); Böckenförde (2001), 726. 27 BVerfGE 93, 1 (16). 28 Ebenso BVerwG, NJW 2000, 88; a. A. die Senatsminderheit im Ludinurteil, BVerfG, NJW 2003, 3111 (3117). Sie legt ihren Ausführungen die Ansicht zugrunde, dass Amtswaltern grundrechtliche Freiheitsansprüche nur insoweit zustehen, als keine Hindernisse für den Dienstbetrieb zu befürchten sind. 29 Maurer (2006), § 8 Rn. 30; a. A. Battis (2003), Art. 33 Rn. 76. 25
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
II. Grundrechtsschutz für das Tragen eines Kopftuches als Verhalten gelegentlich der Amtsführung Während mehrheitlich angenommen wird, dass Grundrechte für Beamtinnen gelten, ist strittig, wieweit der Grundrechtsschutz in den Dienstbereich hineinreicht.30 Allgemein gilt, dass das Ausmaß der zulässigen Grundrechtsbegrenzung im Einzelfall im Hinblick auf den Aufgabenbereich und die Dienststellung des Beamten unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und einer eventuell gebotenen Güterabwägung zu bestimmen ist.31 Des Weiteren muss man sich für die Bestimmung der Reichweite des Grundrechtsschutzes für Beamtinnen die Ziele der ihnen auferlegten Pflichten vor Augen führen. Zum einen sollen die Pflichten garantieren, dass die Funktionsfähigkeit des Beamtentums erhalten wird, damit die Bürger Vertrauen in die Verwaltung haben können. Zum anderen sollen die Pflichten verhindern, dass eine Beamtin unberechtigt in Grundrechte der Bürger eingreift. Das heißt, dass es notwendigerweise darauf ankommt, welche Außenwirkung die in Frage stehende Handlung einer Beamtin hat und wie stark sie mit den hoheitlichen Aufgaben der Beamtin verknüpft ist. Mit diesen Prämissen vor Augen ergeben sich folgende notwendige Unterscheidungen für Grundrechtsschutz und Pflichtengeltung im Beamtendienst: • Der außerdienstliche Bereich ist vom dienstlichen zu trennen. • Im außerdienstlichen Bereich, in der privaten Sphäre, muss sich die Beamtin grundsätzlich wie jeder Bürger auf Grundrechte berufen können.32 Nur ausnahmsweise kann die Rücksichtnahme auf das Amt selbst im außerdienstlichen Bereich Begrenzungen rechtfertigen.33 Schwierig ist es zu bestimmen, inwieweit im dienstlichen Bereich Grundrechte gelten. Mehrheitlich wird angenommen, im dienstlichen Bereich sei die Beamtin entweder mit Außenwirkung als Amtswalterin, also als Organ öffentlicher Verwaltung, oder innerdienstlich in ihrer persönlichen Rechtsstellung betroffen. Im Amt – der Gesamtheit der Aufgaben, die einem Träger öffentlicher Gewalt in einem bestimmten Bereich zugewiesen sind34 – soll eine Identität von Amt und Person bestehen35 und die Beamtin demnach keine Grundrechts30 Vgl. Battis (2003), Art. 33 Rn. 75; Leuze (1998), 189; vgl. zu Abgrenzungsschwierigkeiten und -kriterien Weiß (2001), J 090 Rn. 1 ff. 31 Vgl. BVerwGE 42, 79 (82); 56, 227 (228); Battis (2003), Art. 33 Rn. 74. 32 Mückl (2001), 122; Battis (2003), Art. 33 Rn. 75. 33 Vgl. BVerfG, NJW 1983, 2691; Battis (2003), Art. 33 Rn. 75. Dagegen hält Rottmann (1981), 215 Fn. 212, die Unterscheidung dienstlich/außerdienstlich für wenig praktikabel. 34 Weber (2000), Stichwort Amt. 35 Mückl (2001), 122.
A. Grundrechtsschutz im öffentlichen Dienst
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trägerin sein.36 Grund dafür sei der Umstand, dass sie als integraler Teil der Staatsorganisation gerade keine Adressatin der Grundrechte sei. Sie nehme ihre Aufgaben nicht aus eigenem Recht und zum eigenen Nutzen, sondern treuhänderisch zum Wohl der Allgemeinheit wahr.37 Im rein innerdienstlichen Bereich gehe es dagegen mehr um einen geordneten Dienstablauf, um ein reibungsloses Verfahren als um das Vertrauen der Bürger in die neutrale Amtsführung. Hier sei die Beamtin in ihrer persönlichen Rechtsstellung betroffen. Im Ergebnis bedeuteten diese Annahmen, dass die Lehrerin bei der Erfüllung ihres Amtes, dem Unterrichten, keinen Grundrechtsschutz genösse und sich nicht religiös kleiden dürfte. Dagegen wäre sie z. B. in der Pause im Lehrerzimmer grundrechtlich geschützt und könnte sich demnach religiös kleiden. Dem grundsätzlichen Ausschluss der Grundrechtsgeltung für den Bereich des Amtes ist aber zu widersprechen. Diese Meinung berücksichtigt nicht, dass die Beamtin durchaus bei Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben als Mensch sichtbar ist, ohne dass diese privaten Eigenschaften und Verhaltensweisen unmittelbar die Aufgabenerfüllung betreffen. Vielmehr handelt es sich hier um ein privates Verhalten gelegentlich der Amtsausübung.38 Der Beamtin muss auch für privates Verhalten gelegentlich der Amtserfüllung Grundrechtrechtsschutz zugebilligt werden. Bei diesem privatem Verhalten ist die Beamtin Amtswalterin und Grundrechtsträgerin.39 Dafür spricht vor allem, dass ansonsten die Grundrechtsgeltung für die Beamtin nahezu auf den außerdienstlichen Bereich beschränkt wäre, weil der dienstliche Teil maßgeblich von der Amtserfüllung bestimmt wird. Ein solches Ergebnis widerspricht aber der Annahme, dass die Beamtin auch bei der Ausübung ihres Dienstes Bürgerin ist. Auch als Amtswalterin ist die Beamtin demnach grundrechtsfähig. Zu unterscheiden ist aber zwischen Amtsausübung und privaten Handlungen gelegentlich der Amtsausübung. Zur Amtsausübung zählen z. B. die Notenvergabe, die Festlegung des Unterrichtsplanes, die Unterrichtserteilung durch die Lehrerin oder die Verkündung eines Urteils durch den Richter.40 Für diese Handlungen genießt die Staatsdienerin keinen Grundrechtsschutz. Zwar ließe sich unter dem Gesichtspunkt, dass der Staat davon lebt, dass die Beamtinnen ihn mitgestalten, auch darüber nach36
Vgl. Isensee (1995), § 32 Rn. 81; Battis (2003), Art. 33 Rn. 75; Leuze (1998),
189. 37
Vgl. OVG Koblenz, ZBR 1995, 212 (213). Lanzerath (2003), 32; Röger (1995), 477; Graf Vitzthum (2006), Rn. 69; wohl auch Hellermann (1994), 139, weil er davon ausgeht, dass die religiöse Betätigung des Einzelnen innerhalb staatlicher Einrichtungen private und als solche grundrechtsgeschützte Betätigung bleibe. 39 Vgl. Isensee (1995), § 32 Rn. 82 und Mückl (2001), 122 f. führen für diese „persönliche Rechtsstellung“ der Beamtin den Begriff des „Dienstverhältnisses“ ein; kritisch gegenüber diesem Begriff dagegen Leuze (1998), 189; Rottmann (1981), 215 Fn. 211. 40 Vgl. Bader (1998), 362. 38
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denken, der Beamtin insoweit Gestaltungsfreiheit und damit Grundrechtsschutz zuzubilligen. Letztlich überwiegt aber hier die Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Amtsausführung, die in Frage stünde, falls über jede einzelne Amtsaufgabe ein Rechtsstreit geführt würde. Fälle, in denen die Rechtsprechung eine Berührung der grundrechtlich geschützten Persönlichkeitssphäre der Lehrerin zu Recht verneint hat, waren zum Beispiel das Interesse eines Lehrers, ein bestimmtes, von der Schulkonferenz beschlossenes Schulbuch im Unterricht nicht zu verwenden41, oder das Anliegen, schulfremde Personen (hier: Gewerkschaftsvertreterinnen) im Unterricht einzusetzen.42 Von diesen Amtswaltertätigkeiten zu unterscheiden sind Handlungen gelegentlich der Amtsführung, wenn die Staatsbedienstete bei der Amtsausübung ihre persönliche Freiheit verwirklicht.43 Strittig ist, ob das Tragen von Kleidung eine Amtswaltertätigkeit oder eine persönliche Freiheitsverwirklichung gelegentlich der Amtsausübung ist. Die Lehrerin bringt sich in den Unterricht als Persönlichkeit ein. Was sie verbal oder über ihre Kleidung in der Schule äußert, fließt in den Unterricht mit ein. Eine religiös determinierte Kleidung der Lehrerin im Unterricht tangiert deshalb zwangsläufig diesen Amtsbereich.44 Einige Autoren sehen daher das Kopftuch ausschließlich als Teil des erzieherischen, also amtlichen Verhaltens der Lehrerin und verweigern ihr den Grundrechtsschutz.45 Dieser Auffassung ist zuzugestehen, dass sie die These, die Beamtin sei bei Wahrnehmung ihrer Amtsaufgaben nicht grundrechtsgeschützt, konsequent zu Ende denkt. Denn in ihrem Amt soll die Lehrerin sich als Person einsetzen. Sie ist hier nicht nur Informantin, sondern zugleich Erzieherin, persönliches Vorbild und Bezugsperson für die Persönlichkeitsbildung des Schülers bzw. der Schülerin.46 Wenn aber das Einbringen ihrer Person in das Amt Teil der Amtstätigkeit ist, so muss auch ihre religiöse Kleidung zum Teil der Amtstätigkeit werden. Dagegen spricht aber die pädagogische Freiheit der Lehrerin. Die Lehrerin, die als Person gefordert ist, kann nicht unter Berufung auf ihre Funktion gewissermaßen entpersönlicht werden.47 Eine solche Entpersönlichung träte aber ein, wenn die Lehrerin im Unterricht nur als Amtsträgerin ohne Grundrechtsschutz gesehen würde. Fasst man jegliches mit dem Unterricht zusammenhängendes Verhalten als Amtstätigkeit auf, wäre zugleich der Grundrechtsschutz für Lehrerinnen faktisch sinnentleert, weil die Unterrichtserteilung 41
BVerwG, NVwZ 1994, 583 f. VGH Kassel, NVwZ-RR 1993, 483. 43 Lanzerath (2003), 32 f. 44 Vgl. Bader (1998), 362; Kästner (1999), 363; Halfmann (2000), 864; Lanzerath (2003), 34. 45 Vgl. Bader (1998), 362; Hillgruber (1999), 543 f.; Rux (2002), 366; ders. (2004), 15 f.; ähnlich Halfmann (2000), 866. 46 Vgl. Püttner (1976), 49. 47 Böckenförde (2001), 726; Anger (2003), 290. 42
B. Schutz der Religionsfreiheit
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den wesentlichen Teil der Lehramtsaufgaben bildet. Das Tragen religiös determinierter Kleidung durch eine Lehrerin ist also i. d. R. ein privates Verhalten gelegentlich der Amtstätigkeit „Unterrichtserteilung“ und damit grundrechtlich geschützt. Der Grundrechtsschutz entfällt dagegen, wenn die Lehrerin ihre Kleidung gezielt zur Vermittlung religiöser Werte verwendet und damit den Unterricht gestaltet. In diesem Fall würde das Kopftuch zu einem Teil der Amtstätigkeit „Unterrichtserteilung.“48 Dass eine Lehrerin bislang zu ihrem Kopftuch als Unterrichtsmittel gegriffen habe, ist – soweit ersichtlich – aber nicht bekannt. III. Zwischenergebnis Grundrechte gelten unmittelbar auch für Beamte. Grundrechtsschutz wird aber nur für privates Verhalten gelegentlich der Amtsführung und nicht für die Amtsführung selbst gewährt. Das religiös determinierte Kopftuchtragen ist i. d. R. ein privates Verhalten gelegentlich der Amtstätigkeit „Unterrichtserteilung“.
B. Schutz der Religionsfreiheit, Art. 4 GG I. Schutzbereich 1. Tradierte Bestimmung des Schutzbereiches der Religionsfreiheit Die zentrale Norm des religionsverfassungsrechtlichen Bestandes des Grundgesetzes ist der Art. 4 GG. Art. 4 I GG garantiert: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“ Zusätzlich heißt es in Art. 4 II GG: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ Der freiheitsrechtliche Schutz der Religionsausübung wird unterstützt von einem gleichheitsrechtlichen: Art. 3 III 1 GG verbietet eine Benachteiligung aufgrund des Glaubens und der religiösen Anschauung und Art. 33 III GG verbietet die Benachteiligung wegen eines religiösen Bekenntnisses im öffentlichen Dienst. Das verbreitete Verständnis der Normstruktur von Art. 4 I und II GG, vom Umfang des Schutzbereiches und der Schrankenregelung, beruht maßgeblich auf wenigen Leitentscheidungen des BVerfG.49 Diesen sind die übrige Rechtsprechung und die Lehre weitgehend 48 Vgl. Lanzerath (2003), 33. Sie unterscheidet zwischen Verhalten, das nur in einem äußerlichen, räumlich-zeitlichen Zusammenhang mit der Amtsausübung steht, und einem solchen, das darüber hinaus auch in einem inneren Zusammenhang steht. Das Kopftuchtragen als Teil des Unterrichts stehe in einem inneren Zusammenhang mit der Unterrichtserteilung und sei mithin nicht grundrechtsgeschützt. 49 Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3112) – Kopftuch; grundlegend BVerfGE 24, 236 – Aktion Rumpelkammer; Fortentwicklung in BVerfGE 32, 98 – Gesundbeter; E 33, 23 – Eidesverweigerung; E 35, 366 – Kreuz im Gerichtssaal.
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gefolgt. Nach dieser Konzeption enthalten Art. 4 I und II GG ein einheitliches Grundrecht der Religionsfreiheit.50 Das Grundrecht der ungestörten Religionsausübung (Art. 4 II GG) sei im Begriff der Bekenntnisfreiheit (Art. 4 I GG) enthalten. Dieser Begriff umfasse – gleichgültig, ob es sich um ein religiöses Bekenntnis oder eine religionsfremde oder religionsfreie Weltanschauung handele – nicht nur die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, d.h. einen Glauben zu bekennen, zu verschweigen, sich vom bisherigen Glauben loszusagen und einem anderen Glauben zuzuwenden (das forum internum), sondern ebenso die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, für seinen Glauben zu werben und andere von ihrem Glauben abzuwerben (das forum externum).51 Zur Religionsausübungsfreiheit zählten nicht nur kultische Handlungen und Ausübung sowie Beachtung religiöser Gebräuche, wie Gottesdienste, Empfang der Sakramente und Glockengeläute, sondern auch religiöse Erziehung sowie andere Äußerungen des religiösen und weltanschaulichen Lebens.52 Die Religionsfreiheit verbürge dem Einzelnen, „sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln“.53 Art. 4 I und II GG gewährleiste demnach im Prinzip einen von staatlicher Einflussnahme freien Rechtsraum, in dem sich jeder die seiner religiösen und weltanschaulichen Vorstellung entsprechende Lebensform geben könne.54 Neben der Glaubensfreiheit des Einzelnen umfasse die Religionsfreiheit auch die Freiheit, sich mit anderen aus gemeinsamem Glauben oder gemeinsamer weltanschaulicher Überzeugung zusammenzuschließen.55 Die durch den Zusammenschluss gebildete Vereinigung selbst genieße ebenso Religionsfreiheit.56 Das BVerfG und die ihm folgende Rechtsprechung stellte (bislang) maßgeblich auf das Selbstverständnis der Grundrechtsträgerin ab, um den Schutzbereich von Art. 4 I und II GG zu bestimmen.57 1968 wählte 50 Vgl. Kokott (2003), Art. 4 Rn. 10 ff.; v. Campenhausen (2001), § 136 Rn. 36; Starck (2005), Art. 4 Rn. 10; Langenfeld (2001), 255; Morlok (2004), Art. 4 Rn. 54; Baer/Wrase (2003), 1163. 51 Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3112); BVerfGE 32, 98 (106); 24, 236 (245); 12, 1 (4); Müller-Volbehr (1985), 119; Mager (2000), Art. 4 Rn. 34. 52 BVerfGE 24, 236 (246). 53 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3112); BVerfGE 32, 98 (106); a. A. wohl VG Stuttgart, DÖV 2000, 561 (562): „Zwar ist der Staat verpflichtet, religiösen Bekenntnissen einen Betätigungsraum zu sichern. Dies bedeutet aber nicht, dass die religiöse Betätigung gerade als Lehrer im Schuldienst zu ermöglichen ist. Der Klägerin ist es auch ohne Einstellung in den Schuldienst möglich, ihren Glauben zu leben.“ 54 Vgl. Kraushaar (2001), 209; Heinig/Morlok (2003), 780: „Religionsausübungsfreiheit als Art religionsspezifische Handlungsfreiheit“. 55 BVerfGE 105, 279 (293); 83, 341 (355); 53, 366 (387). 56 Vgl. BVerfGE 105, 279 (294); 53, 366 (387); 24, 236 (246 f.); 19, 129 (132). 57 Vgl. BVerfGE 83, 341 (356); 53, 366 (401); 46, 73 (85, 95); 33, 23 (35); 42, 312; 32, 98 (106 f.); 24, 236 (247 f.); OVG Lüneburg, NVwZ 1992, 79 (80); BVerwGE 34, 291 (297); Heinig (2003), 54 ff. und 123 ff.; Heinig/Morlok (2003), 778 f.; Morlok (1993), passim; Mahrenholz (1998), 292; Baer/Wrase (2003), 1163;
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das BVerfG im Lumpensammler-Beschluss erstmalig das Selbstverständnis als Interpretationsmaßstab, ohne jedoch ein Definitionsverbot für den Staat festzulegen.58 Zur Entscheidung stand, ob eine Kleidersammlung, die ein katholischer Landjugendverein mit „Kanzelunterstützung“ für karitative Zwecke durchgeführt hatte, vom Grundrecht der Religionsausübung gedeckt werde. Ein Altmaterialhändler hatte unter Berufung auf § 1 UWG die Altkleidersammlung als „sittenwidrige Wettbewerbshandlung“ angegriffen. Das BVerfG sah in der Sammelaktion eine karitative Tätigkeit.59 Zwar müsse der religiös-neutrale Staat „grundsätzlich verfassungsrechtliche Begriffe nach neutralen, allgemeingültigen, nicht konfessionell oder weltanschaulich gebundenen Gesichtspunkten [. . .] interpretieren“60, der Staat würde aber „die den Kirchen, den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nach dem Grundgesetz gewährte [. . .] Selbstständigkeit [. . .] verletzen, wenn er bei der Auslegung der Religionsausübung deren Selbstverständnis nicht berücksichtigt“.61 Nach dem Selbstverständnis der katholischen und evangelischen Kirche umfasse die Religionsausübung nicht nur den Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes, sondern auch die tätige Nächstenliebe.62 Als Unterstützungshandlung für eine Tätigkeit im Rahmen der grundrechtlich geschützten Religionsausübung aber hätte das LG die „Kanzelwerbung“ nicht als sittenwidrig bewerten dürfen. In den folgenden Entscheidungen verfestigte das BVerfG – mit wenigen Ausnahmen – die auf das Selbstverständnis der Grundrechtsträgerinnen abstellende Rechtsprechung zur Glaubensfreiheit. Das gilt sowohl für die Beurteilung des christlichen Glaubens als auch für andere Glaubensrichtungen wie den Glauben der Zeugen Jehovas und der Muslime.63
anders dagegen BVerfGE 48, 127 (159–177): Gewissensentscheidung eines Wehrdienstverweigerers sei in objektivierender Betrachtungsweise zu bewerten; kritisch dazu Hirsch im Sondervotum – E 48, 185 (188): die Freiheit des Gewissens sei keinem staatlichen Definitionsvorbehalt unterworfen; BVerwGE 7, 66 (76 ff.); 14, 318 (318 ff.); 24, 1 (3 ff.): Prediger der Zeugen Jehovas seien entgegen deren Selbstverständnis keine Geistlichen i. S. des § 11 I Nr. 3 WehrpflG und könnten deshalb nicht vom Wehrdienst befreit werden. 58 BVerfGE 24, 236 (247 f.). 59 BVerfGE 24, 236 (248). 60 BVerfGE 24, 236 (247 f.). 61 BVerfGE 24, 236 (248); ebenso v. Campenhausen (2001), § 136 Rn. 69; Mahrenholz (1998), 292. 62 BVerfGE 24, 236 (247 f.). 63 Explizit auch hinsichtlich der Glaubensauffassung „islamischer Fundamentalisten“ OVG Münster, NVwZ 1992, 77 (78).
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2. Meinungsspektrum zur Konturierung des Schutzbereiches der Religionsfreiheit Ein Teil der Lehre kritisiert die Rechtsprechung dafür, dass sie den Schutzbereich der Glaubensfreiheit zu weit fasse.64 Eine solche Kritik wird ebenso wie die Forderung nach einer strengen Trennung von Staat und Religion bereits seit den 1960er Jahren geäußert. Verstärkt war sie aber erst in der Auseinandersetzung mit den sogenannten Jugendreligionen in den 1980er Jahren und neuerdings vor allem im Zusammenhang mit dem Islam zu hören. Die Kritiker fordern, dass die Gerichte die Grenzen des Schutzbereichs der Religions- und Weltanschauungsfreiheit festlegen.65 Damit soll erreicht werden, dass Art. 4 I und II GG nicht mehr jegliches religiös-weltanschaulich motivierte Verhalten schützt. Dieses Ziel sei gerade in einer pluralistischen Gesellschaft wichtig, in der vermehrt religiöse Überzeugungen auftreten, nach denen alle Lebensbereiche religiös bestimmt sind.66 Zwei Tendenzen lassen sich in der Diskussion um die Anderskonturierung der Religionsfreiheit ausmachen: Erstens gibt es die Tendenz, den Schutzbereich des Art. 4 I und II GG eng zu interpretieren. Danach soll die Bedeutung des Selbstverständnisses bei der Bestimmung des Schutzbereiches zurückgedrängt und der Schutzbereich stattdessen nach bestimmten Kriterien „objektiv“ bestimmt werden. Gemäß dem Wortlaut des Art. 4 GG soll den Absätzen 1 und 2 jeweils ein eigener Schutzbereich zugewiesen werden.67 Zweitens gibt es die Tendenz, die Einschränkbarkeit des Grundrechts zu erleichtern: zum einen, indem dem Grundgesetz ein striktes an den Staat gerichtetes Neutralitätsgebot als Schranke des Art. 4 I und II GG entnommen wird68, und zum anderen, indem Art. 4 I und II GG unter einfachen Gesetzesvorbehalt gestellt wird.69 Das BVerfG hat an seiner weiten Interpretation des Schutzbereichs trotz der Kritik festgehalten. Das Schächturteil von 2002 könnte allerdings ein erster 64
Vgl. u. a. Huster 2002, 376 ff.; Mager (2000), Art. 4 Rn. 55 ff. Vgl. Janz/Rademacher (1999), 710. 66 Vgl. Huster (2002), 377; Loschelder (1986), 152. 67 Vgl. Huster (2002), 380; ders. (2003), 215 (218); Janz/Rademacher (1999), 710; in die Richtung gehend Preuß (2001), Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 12a, 24 f.; Pieroth (1994), 959; Muckel (2001), Art. 4 Rn. 4 f., ders. (1997), 130 ff.; Mückl 2001, 106 f.; Hellermann (1993), 138 ff.; ders. (1994), 136 ff.; Herzog (1988), Art. 4 Rn. 64, 99; Kästner (1998), 979 f.; Loschelder (1986), 152; Mager (2000), Art. 4 Rn. 17, 33, 55. Suhr (1976), passim, insb. 16, 108 f. verlangt eine stärkere Konturierung der Schutzbereiche aller Grundrechte; zuletzt wohl Zypries (2006), 7. 68 Vgl. BVerwG, JZ 2004, 1178 – 2. Ludinurteil; noch nicht so eindeutig BVerwG, ZBR 2003, 37 (38 f.) – 1. Ludinurteil [vgl. zur Analyse des vom BVerwG im 1. Ludin-Urteil verwendeten Neutralitätsgebots BVerfG, NJW 2003, 3111 (3115); Britz (2003), 95 (96)]; Janz/Rademacher (1999), 710; Goerlich (1999), 2933; wohl auch Kokott (2003), Art. 4 Rn. 42; Mückl (2001), 103. 69 Siehe unten S. 74. 65
B. Schutz der Religionsfreiheit
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Schritt des BVerfG zur Abkehr von dem bisherigen umfassenden Verständnis der Religionsfreiheit sein.70 Das BVerfG entschied, dass die zuständige Behörde einem Schlachter für das Schächten aus muslimischen Gründen eine Ausnahmegenehmigung nach § 4a TierSchG gewähren müsse. Dieses Recht leitet das BVerfG aber nicht aus Art. 4 GG, sondern aus der Berufsfreiheit des Ausländers (Art. 2 I GG) ab.71 Da es sich bei Art. 12 GG um ein Deutschenrecht handelt, greift Art. 2 I GG nach der Rechtsprechung subsidiär ein. Das Schächten, das ein Metzger aufgrund seines muslimischen Glaubens durchführt, ordnet das BVerfG demnach nicht dem Schutzbereich der Religionsfreiheit, sondern dem der Berufsfreiheit zu, weil diese Handlung im Schwerpunkt Berufsausübung sei. Zugleich soll aber der religiöse Gehalt des Verhaltens berücksichtigt werden.72 Verallgemeinert könnte diese Rechtsprechung bedeuten, dass auf religiös-weltanschaulicher Überzeugung beruhendes Verhalten in den Schutzbereich eines anderen Grundrechts als das der Religionsfreiheit fällt, wenn es dem Schwerpunkt nach eher zu dem anderen Grundrecht passt. Das würde dieses Verhalten auch den u. U. engeren Schranken dieses Grundrechts unterwerfen. Für das Tragen eines Kopftuches mit religiösem Bezug würde das bedeuten, dass der Grundrechtsschutz für diese Handlung sich vorrangig nach Art. 5 GG richtet, wenn das Kopftuchtragen überwiegend als politische Handlung verstanden wird.73 Das Schächturteil ist aber nicht zwingend als richtungsweisend bei der Bestimmung des Schutzbereiches von Art. 4 GG zu verstehen. Das Schlachten aus muslimischen Gründen ist eine sehr spezifische religiöse Handlung. Das Schächten selbst ist nämlich keine religiöse Handlung, sondern sie schafft nur die Voraussetzung dafür, dass sich andere religionskonform verhalten und geschächtetes Fleisch essen können. Der Ansatz mit Art. 12 GG ermöglicht, dass auch ein Nicht-Moslem Tiere schächten darf, wenn er das Fleisch ausschließlich an Muslime verkauft. Für das Tragen des Kopftuches aus Gründen muslimischer Glaubenszugehörigkeit hat der Streit um den Schutzbereich der Religionsfreiheit gravierende Folgen. Das BVerfG und die ihm folgende Rechtsprechung ordnen das religiös motivierte Tragen des Kopftuches dem Schutzbereich von Art. 4 I und II GG zu. Dagegen soll das Kopftuchtragen nach Meinung der Vertreter einer engeren 70 Häußler (2004), 10; Sacksofsky (2003), 3301 sieht zudem durch das Ludin-Urteil des BVerfG das Grundrecht der Glaubensfreiheit stark geschwächt. 71 BVerfG, NJW 2002, 663 (663); vgl. als Nachweise gegen die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für das muslimische Schächten u. a. BVerwGE 112, 227 (231 f.); OVG Hamburg, NVwZ 1994, 592; VG Stuttgart, VBlBW 2003, 331 ff.; VG Darmstadt, NVwZ-RR 1999, 513; vgl. als Nachweise für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für das muslimische Schächten u. a. BVerfGE 104, 337; VGH Kassel, NVwZ 2004, 890; VGH Kassel, NVwZ 2004, 893; Kokott (2003), Art. 4 Rn. 62. 72 Vgl. Häußler (2004), 10. 73 Zum Schutz anderer Freiheitsrechte für das Kopftuchtragen siehe oben S. 208; zum Schutz der Meinungsfreiheit siehe oben S. 212.
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Interpretation des Schutzbereiches von Art. 4 I und II GG entgegen dem Selbstverständnis der Musliminnen nicht Religionsausübung i. S. v. Art. 4 I und II GG sein. Diese Handlung sei zwar religiös akzentuierte Sitte, aber weder Akt des Glaubens noch Bekenntnis zu oder Ausübung von Religion.74 Der Grund für die sehr unterschiedlichen Ansichten über den Schutzbereich der Religionsfreiheit liegt insbesondere darin, dass für die Religionsfreiheit ebenso wie für die Freiheit der Wissenschaft oder der Kunst kein rechtserzeugter Normbereich zur Verfügung steht. Die Begriffe „Glaube“, „Wissenschaft“ und „Kunst“ müssen definiert werden, ohne dass dem Gesetzgeber ein Gestaltungsvorbehalt zusteht. Er ist nicht stillschweigend oder ausdrücklich ermächtigt, wie bei den Institutionsgarantien von Eigentum und Ehe, aber auch bei der Berufsfreiheit, die Schutzbereiche auszuformen. Die Ermittlung von „Glaube“ und „Gewissen“ ist zudem schwierig, weil sie innere Überzeugungen und damit der äußeren Wahrnehmung nicht unmittelbar zugänglich sind.75 Bei der Bestimmung des Schutzbereichs von Grundrechten kann also die Frage nach den inhaltlichen Maßstäben nicht von der Kompetenzfrage, wer über den Inhalt entscheidet, getrennt behandelt werden.76 „Quis iudicabit?“ – wer entscheidet – ist für Isensee die Urfrage der Staatsrechtslehre.77 Für Art. 4 GG fragte ErnstWolfgang Böckenförde 1985 im Rahmen der 19. Essener Gespräche: ob der Staat ein Wissen davon habe, was Religion ist, und als Folge dieses Wissens eine inhaltliche Definitionskompetenz bezüglich des Begriffs „Religion“. Und wenn ja, woher er ein solches Wissen habe.78 Die Lehre greift die Maßgeblichkeit des Selbstverständnisses für die Bestimmung des Schutzbereiches von Art. 4 I und II GG an: Das Selbstverständnis könne zwar berücksichtigt werden, der Staat dürfe und müsse aber verbindlich über den Umfang des Schutzbereiches entscheiden. Gestritten wird folglich darüber, ob der Staat bestimmt, was als Religionsausübung von Art. 4 I und II GG 74
Loschelder (1986), 157; für Mückl (2001), 120 ist das Tragen des Kopftuches unter Würdigung des symbolgeschichtlichen Hintergrundes mehr religiös akzentuierte Sitte denn Bekenntnis zu oder Ausübung von Religion; der Staat sei insoweit kompetent, das Kopftuchtragen zu bewerten; Huster (2002), 388, 560 und ders. (2003), 218 nimmt an, das Kopftuch sei kein religiöses Symbol im engeren Sinne und deshalb weder als Glaubensbekundung noch als Religionsausübung von Art. 4 I und II GG geschützt; Pieroth/Schlink (2005), Rn. 515a vertreten die Auffassung, dass das Tragen des Schleiers nicht geschützt sei, wenn die Religionsgemeinschaft es freistelle. Ebenso wenig sei der Genuss des Fleisches geschächteter Tiere geschützt, wenn die Religionsgemeinschaft zwar das Schlachten durch Schächten, nicht aber den Fleischgenuss gebiete; zustimmend Fischer/Groß (2003), 939. 75 Vgl. Morlok (1993), 83; Isensee (1980), 23. 76 Vgl. allgemein zur Definitionsproblematik bei der Grundgesetzinterpretation Isensee (1980), 46; für die Kunstfreiheit Bethge (2003), Art. 5 Rn. 182 ff.; Denninger (2001), § 146 Rn. 9. 77 Isensee (1980), 10, 41. 78 Böckenförde (1985), 156 ff.
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geschützt ist – die Bestimmung also „objektiv“ erfolgt –, oder ob der Bürger, der die Religionsfreiheit in Anspruch nehmen will, dies selbst bestimmen kann – die Bestimmung mithin subjektiv erfolgt. Unter den zahlreichen Antworten im Schrifttum auf die Kompetenzfrage bei der Bestimmung der Religionsfreiheit lassen sich grob zwei Pole festmachen:79 Die subjektive Ansicht lässt den jeweiligen Grundrechtsadressaten selbst feststellen, ob seine persönliche Haltung einen Glauben i. S. des Art. 4 I GG darstellt. Dem Staat sprechen die Vertreter dieser Ansicht dagegen die Feststellungskompetenz ab, ihn trifft ein Definitionsverbot hinsichtlich der Religionsfreiheit.80 Im Gegensatz dazu lehnen die Vertreter einer objektiven Sichtweise ein Definitionsverbot für den Staat ausdrücklich ab81 und stellen stattdessen ein Definitionsgebot für den Staat hinsichtlich der Religionsfreiheit auf.82 Keine dieser beiden Positionen wird in Reinform vertreten, die wohl überwiegende Ansicht zieht objektive und subjektive Kriterien heran.83 So erkennen die Vertreter einer subjektiven Definition an, dass die Bestimmung des Schutzbereiches sich auch nach objektiven Kriterien richtet. Dafür entwickeln sie Plausibilitätskriterien bei der Bestimmung der Religionsfreiheit.84 Die subjektive Überzeugung der Grundrechtsträgerin muss zumindest plausibel dargelegt werden. Aber auch diejenigen, die eine objektive Auslegung fordern, wollen dem Staat keineswegs unbegrenzte Definitionsmacht zusprechen. Sie erlegen den Hoheitsträgern zugleich ein „Differenzierungsverbot“ auf. Danach ist es dem Staat verwehrt, innerhalb eines (an sich objektiv umgrenzten) Schutzbereiches rechtsverbindlich zwischen „guter“ und „schlechter“ Grundrechtsausübung zu unterscheiden, etwa den grundrechtlichen Freiraum der „Religion“ nach richtiger und falscher Religion aufzuteilen.85 Minimalkonsens zur Definition der Religionsfreiheit ist demnach, dass dem Staat die Bestimmung des richtigen Bekenntnisses entzogen ist.
79 Zu den Schwierigkeiten einer Strukturierung des Meinungsspektrums Isak (1994), 105. 80 Für eine subjektivierende bzw. subjektive Betrachtung u. a. Morlok (1993), 393 ff.; Heinig/Morlok (2003), 779; Isak (1994), 106, 259 ff.; wohl auch Schnapp (1985), 862; vgl. zur Berücksichtigung des Selbstverständnisses auch Borowski (2001), 49 ff. und Heinig (2003), 52 ff. 81 Für eine objektive bzw. objektivierende Betrachtung Isensee (1980), passim; für die Religionsfreiheit wohl auch Kokott (2003), Art. 4 Rn. 14 ff.; vgl. zur Darstellung dieser Positionen Isak (1994), 124 ff. 82 Isensee (1980), 35 f. 83 Vgl. z. B. Badura (1989), 59 f.; Preuß (2001), Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 13; Schnapp (1985), 862; Starck (2005), Art. 4 Rn. 60; v. Campenhausen (2001), § 136 Rn. 70; beachte auch die zurückhaltende Formulierung in BVerfGE 24, 236 (247): „Das Selbstverständnis“ dürfe „nicht außer Betracht“ bleiben. 84 Vgl. Isak (1994), 106, 321 (29. These). 85 Vgl. Isensee (1980), 17 f.
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3. Kriterien für die Bestimmung des Schutzbereiches der Religionsfreiheit a) Argumente für eine objektive Bestimmung des Schutzbereiches Die Befürworter einer objektiven Bestimmung befürchten, die Religions- und Weltanschauungsfreiheit werde zu einem Grundrecht, das nach individuellem Belieben alle erdenklichen menschlichen Handlungen umfasst, wenn die Reichweite der Glaubensfreiheit letztlich vom Selbstverständnis der Grundrechtsträgerinnen abhängig sei. Das verleite zu einem Missbrauch des Grundrechts.86 Aus staatstheoretischer Sicht sei der Staat in Gefahr, sein Letztentscheidungsrecht über den Grundrechtskonflikt aus der Hand zu geben. Die Rechtsordnung sei in letzter Konsequenz sogar gefährdet, sich aufzulösen.87 Ein wirksamer Grundrechtsschutz verlange dagegen, dass die Voraussetzungen dieses Schutzes klar zutage treten. „Was der Staat nicht definieren kann, kann er auch nicht schützen.“88 Nur wenn Verfassungsrechtsbegriffe in ihrem Inhalt erkennbar umrissen seien, seien sie handhabbar. Dafür sei erforderlich, dass die Grundrechtsauslegung über den entschiedenen Einzelfall hinaus Bestand haben könne.89 Eine solche handhabbare Normativität verlange das Rechtsstaatsprinzip.90 Grundrechtsauslegung dürfe nicht zu einer Frage richterlicher Dezision mutieren. Den Gefahren einer selbstverständnisorientierten Auslegung der Religionsfreiheit könne weder durch eine Kontrolle der Plausibilität der behaupteten Glaubensüberzeugung noch durch eine Einschränkung der Religionsausübung auf der Schrankenebene91 begegnet werden. Die Kontrolle der Plausibilität sei kein verlässliches Korrektiv.92 Und auf der Ebene der Grundrechtsschranken dürfe der Verfassungsinterpret nicht zurücknehmen, was er auf der Ebene des Schutzbereiches eingeräumt habe. Das sei ein Gebot dogmatischer Folgerichtigkeit und Redlichkeit.93 Für die objektive Sichtweise spricht die vor allem in Art. 3 I GG festgelegte Gesetzesgleichheit. Das Recht soll allgemein, grundsätzlich und gleich gelten.94 86 Vgl. z. B. Kästner, JZ (1998), 975; gegen den Einwand der missbräuchlichen Inanspruchnahme der Religionsfreiheit Huster (2002), 377 Fn. 515. 87 Vgl. Mückl (2001), 104, 106; Isensee (1980), passim, insb. 29 ff.; Kokott (2003), Art. 4 Rn. 14; zur Darstellung dieser Position siehe Isak (1994), 127; Morlok (1993), 80. 88 Isensee (1980), 35; ähnlich Mückl (2001), 107. 89 Mückl (2001), 102. 90 Mückl (2001), 104. 91 Heckmann (1996), 880 (884); Isensee (1980), 30; Loschelder (1986), 153; Mückl (2001), 104. 92 Mückl (2001), 104. 93 Isensee (1980), 30 f.; vgl. Ipsen (2003), 1212: Man könne nicht das Kopftuch durch Art. 4 GG schützen, den Schutz aber durch ein Gesetz wieder nehmen; a. A. Czermak (2004a), 945. 94 Vgl. Morlok (1993), 10 f., 332 f.
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Rechtsbegriffe müssen einen für jedermann identischen Inhalt haben. Sie dürfen nicht je nach der betroffenen Person oder dem betroffenen Interesse changieren.95 Diese Indifferenz des Rechts bedeutet die Unabhängigkeit der rechtlichen Entscheidung von den je besonderen Umständen und den betroffenen Personen. Sie schafft so die Erwartbarkeit einer bestimmten rechtlichen Entscheidung und ermöglicht damit Rechtssicherheit.96 Scheinbar kann das Recht, um dieses Ziel zu erreichen, grundsätzlich besondere Selbstverständnisse nicht beachten.97 b) Notwendige Berücksichtigung des Selbstverständnisses der Grundrechtsträger bei der Bestimmung des Schutzbereiches Gerade das Gleichheitsgebot verlangt aber eine Beachtung besonderer Selbstverständnisse, weil es keine alle gleich erfassende Bestimmung dessen, was Religionsausübung ist, geben kann98: Objektive Definitionen sind Begriffsbestimmungen, die intersubjektiv gelten und nicht auf den Sinnhorizont eines bestimmten Subjekts abstellen. Die objektive Fassung eines Begriffs gewinnt ihre Objektivität kraft des üblichen Sprachgebrauchs – maßgeblich ist ein traditionales Verständnis des Begriffs.99 Bestimmte übereinstimmende subjektive Sichtweisen prägen den üblichen Sprachgebrauch.100 Die objektive Auslegung wird demnach bestimmt von dem als normal Erachteten, das die Mehrheit festlegt.101 In den Sinnkreis religiös oder weltanschaulich bestimmten Handelns können grundsätzlich alle Lebensäußerungen geraten.102 Das religiös-weltanschauliche Selbstverständnis kann ärztliche Hilfe bei Krankheitsfällen ablehnen oder fordern, ein Kopftuch zu tragen. Jeder Gläubige hat zunächst dieselben Möglichkeiten, mit seiner subjektiven Sichtweise von Religion den allgemeinen Sprachgebrauch von Glauben und Religion mitzuprägen. Allerdings muss die einzelne subjektive Ansicht verallgemeinerungsfähig sein. Nur wenn sich eine Religionsausübung im kulturell üblichen Rahmen hält, wird sie ohne weiteres der Religionsausübung im Sinne von Art. 4 GG zugeordnet.103 So gilt der sonntägliche Gottesdienst unstreitig als Religionsausübung. Dagegen werden religiöse Handlungen nicht ohne weiteres als Religionsausübung i. S. v. Art. 4 GG verstanden, wenn sie zwar nach dem Selbstverständnis des Gläubigen religiös motiviert 95 96 97
Isensee (1980), 52. Morlok (1993), 11, 238, 287, insb. 326 und 331. Morlok (1993), 227, 332 f.; Isak (1994), 196; Isensee (1980), 36; Mückl (2001),
104. 98 Vgl. für eine umfassende Darstellung der Argumente für eine subjektive Sichtweise insbesondere Morlok (1993), passim. 99 Vgl. Morlok (1993), 213, 400. 100 Morlok (1993), 206. 101 Vgl. Denninger (1995), 425. 102 Vgl. Morlok (1993), 78 f., 213. 103 Vgl. Morlok (1993), 78.
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sind, aus einer traditionellen Erwartung heraus aber als gewissens- und religionsunabhängig erscheinen. Rastafaris sehen z. B. das Rauchen von Marihuana als religiösen Kult an, das BVerwG hat dies aber in Frage gestellt und im Ergebnis den Schutz der Religionsfreiheit verweigert.104 In der in religiöser Hinsicht zunehmend vielfältiger werdenden deutschen Gesellschaft stimmt die Sinnproduktion von immer mehr Menschen nicht mit dem tradierten Verständnis von Glauben und Religion überein. Gegenwärtig sind in Deutschland noch vor allem christliche Vorstellungen von Glauben und Religionsausübung verallgemeinerungsfähig, weil die Mehrheit der deutschen Bevölkerung Christen waren und sind. Aus diesem Grund orientiert sich die deutsche Rechtsordnung neben der Vorstellung einer gemeinsamen Abstammung auch an einer christlich geprägten Religiosität und Kultur.105 Das führt dazu, dass bestimmte gesetzliche Vorschriften zwar allgemein formuliert sind, die Auslegung aber exklusiv wirkt, weil sie religiöse Minderheiten dazu zwingt, sich an Bedingungen auszurichten, die für die Mehrheitskultur zugeschnitten worden sind.106 Das zeigt sich vor allem an dem Begriff der Religionsgemeinschaft. Die Rechtsprechung stellt an Religionsgemeinschaften Anforderungen, die zwar die christlichen Glaubensgemeinschaften ohne weiteres erfüllen können, muslimische Religionsgemeinschaften aber nicht. Das gilt für die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts nach Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 V WRV. Ebenso betrifft es die Anerkennung einer Glaubensgemeinschaft als Religionsgemeinschaft, um Religionsunterricht erteilen zu können (Art. 7 III GG) oder um eine Ausnahmegenehmigung für das Schlachten von Tieren zu erhalten (§ 4 TierschG). Nach Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 V WRV müssen Religionsgesellschaften, um Körperschaft des öffentlichen Rechts werden zu können, „durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten“. Gerade muslimische Gemeinden und Gemeindezusammenschlüsse stellen diese Anforderungen vor Schwierigkeiten, weil sie sich nicht mit einer „Kirche“ im Sinne der christlichen Religionsgemeinschaften vergleichen lassen. Hierfür ist in der Regel die organisatorische Verfestigung der Strukturen nicht vorhanden und nach dem Selbstverständnis der Vereine auch nicht notwendig.107 Im Fall muslimischen Schächtens entschied das BVerwG, die „Islami104
BVerwGE 112, 314 (317). Vgl. Nickel (1999), 20; Denninger (1995), 428 f. 106 Morlok (1993), 80; Hillgruber (1999), 546; Muckel (2000), 4: Das Christentum finde aufgrund der historischen und gesellschaftlichen Vorgaben wesentlich günstigere Voraussetzungen als andere Religionen vor. Dies verkennt Isak (1994), 200, der davon ausgeht, dass der Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 V 2 GG in vorbildlicher Weise formale bekenntnisunabhängige Kriterien aufstelle. 107 Der Islam kennt grundsätzlich keine Organisationsstrukturen, sondern nur die alle Muslime umfassende islamische Gemeinschaft, die „Umma“, vgl. BT-Drucksache 14/4530, 8. Bereits seit den 1950er Jahren stellen einzelne muslimische Gemeinschaften Anträge auf Verleihung der Körperschaftsrechte bei den hierfür zuständigen Ländern, bislang ohne Erfolg, BT-Drucksache 14/4530, 35. 105
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sche Religionsgemeinschaft Hessen“ sei keine Religionsgemeinschaft im Sinne des § 4a TierschG, die ihre Mitglieder zwingenden Vorschriften zur Notwendigkeit des Schächtens unterwerfen könne. Es fehle ihr an einem spezifischen religiösen Profil. Nach ihrer Satzung verstehe sie sich nämlich als Interessenvertretung von Muslimen aller Glaubensrichtungen mit Wohnsitz in Hessen. Die Anhänger des Islam bildeten aber wegen der Unterschiede zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen keine Religionsgemeinschaft, die als solche zwingend einem Gebot zum Schächten unterliege.108 Ebenso wenig haben die Gerichte bislang religiöse Verbände wie den Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e. V. und den Zentralrat der Muslime e. V. als Religionsgemeinschaft i. S. v. Art. 7 III GG anerkannt. Ihnen wurde demzufolge nicht das Recht zugestanden, Religionsunterricht an öffentlichen Schulen anzubieten.109 Hier deutet sich allerdings mit der Entscheidung des BVerwG zum islamischen Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen vom Februar 2005 eine Wende an.110 Die Berücksichtigung des Selbstverständnisses eines Gläubigen bei der Schutzbereichsbestimmung führt im Ergebnis zu einer weiten Auslegung.111 Nach der gegenwärtig vom BVerfG praktizierten weiten Auslegung der Religionsfreiheit werden individuelle Sinnstiftungen weitreichend berücksichtigt.112 Insbesondere mit der Lumpensammlerentscheidung, in der das BVerfG erstma-
108
BVerwG, NJW (2001), 1225 (1227). Vgl. OVG Münster, DÖV 2004, 934: Islamische Dachverbände – geklagt hatten der Zentralrat der Muslime und der Islamrat – hätten keinen Anspruch auf Einführung von Islamunterricht als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen. Sie seien keine Religionsgemeinschaften, u. a. fehle ihnen das „Merkmal der allseitigen Aufgabenerfüllung“, das eine Religionsgemeinschaft kennzeichne; zur Besprechung des Urteils siehe Stock (2004), 1399 ff. Ebenso VG Wiesbaden, Urt. v. 15.6.2004, Az. 6 E 2394/ 01: Kein Anspruch der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen auf Erteilung von Islamunterricht an öffentlichen Schulen, weil sie kein Verein aus natürlichen Personen sei, der nach seinen Organisationsstrukturen den von einem Verein im demokratischen Rechtsstaat zu fordernden Mindestansprüchen genüge. 110 BVerwGE 123, 49 ff.: Die Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft können auch bei einem mehrstufigen Verband (Dachverbandsorganisation) erfüllt sein. Erforderlich sei allerdings, dass die für die Identität einer Religionsgemeinschaft wesentlichen Aufgaben auch auf der Dachverbandsebene wahrgenommen würden. Ferner müsse die Tätigkeit des Dachverbandes in der Weise auf die Gläubigen in den örtlichen Vereinen bezogen sein, dass sie sich als Teile eines gemeinsamen, alle diese Gläubigen umfassenden Glaubensvollzugs darstelle. 111 Vgl. Morlok (1993), 399 f.; Isensee (1980), 21. 112 Böckenförde (2001), 724 plädiert wohl für eine solche weite Tatbestandslösung, wenn er in seiner Besprechung des Urteils des VG Lüneburg im Fall Alzayed davon ausgeht, es sei nur entscheidend, ob die Bewerberin das Kopftuch für sich aus religiösen Gründen für verbindlich ansehe: „Nur ergänzend kommt hinzu, was das VG indes als Hauptargument verwendet, dass anderenfalls dem Staat eine Bewertung von Glaubenshaltungen oder die Prüfung theologischer Lehren aufgebürdet würde, die er als religiös-weltanschaulich neutraler Staat nicht leisten kann und darf.“ Vgl. grds. zur weiten Tatbestandstheorie Alexy (1996), 290 ff.; Kluge (1992), 142. 109
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lig das Selbstverständnis des Gläubigen als Maßstab bei der Auslegung der Religionsfreiheit ansah, begründete das BVerfG eine weite Auslegung der Religionsfreiheit.113 Lehre und Rechtsprechung tendieren vor allem deshalb zur subjektiven Sichtweise, weil sie sonst das Gebot staatlicher Neutralität in religiösen Dingen verletzt sähen.114 Das BVerfG legte 1960 in der Entscheidung zur Glaubensabwerbung fest, der „weltanschaulich neutrale Staat“ könne und dürfe den Inhalt der Religionsfreiheit „nicht näher bestimmen“.115 Neben dem Gleichheitsgebot verlangen auch die Freiheitsrechte die Berücksichtigung des religiösen Selbstverständnisses. Nur wenn das Grundrecht inhaltlich von seinem Berechtigten her definiert wird, genießt dieser „belangvolle Freiheit“.116 Denn rechtliche Freiheit heißt rechtliche Gewährleistung der Selbstbestimmung des Einzelnen. Grundrechte garantieren eine selbstverständnisgemäße Lebensführung.117 Derjenige, der von Grundrechts wegen frei sein soll, muss selbst über das Was und Wie des Gebrauchs seiner Freiheit bestimmen können.118 Im Ergebnis können Glauben und Religionsausübung jedenfalls nicht ausschließlich objektiv bestimmt werden. c) Notwendige objektive Eingrenzung des Schutzbereiches Das Recht kann jedoch nicht jedes Selbstverständnis als Religion oder Weltanschauung akzeptieren. Vielmehr muss der Schutzbereich insofern abgegrenzt werden, als umschrieben wird, was Religion und Weltanschauung sind. Fraglich ist, nach welchen Kriterien der Schutzbereich eingegrenzt werden kann. (1) Keine Beschränkung des Schutzbereiches gemäß übereinstimmenden sittlichen Grundanschauungen Einige Autoren versuchen „Glauben“ (ebenso wie „Weltanschauung“ und „Gewissen“) objektiv in Anknüpfung an die Kulturtradition „auf dem Boden gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen“ zu bestimmen.119 So begrenzt z. B. Christian Starck den Schutz auf die religiösen Ausübungsmodalitäten, die den zur Zeit der Entstehung des GG bekannten, in Deutschland
113
Vgl. BVerfGE 24, 236 (246); Kluge (1992), 142. Vgl. Isak (1994), 205; ähnlich Huster (2002), 374, der im Ergebnis dennoch eine objektivierende Auslegung vertritt. 115 BVerfGE 12, 1 (4). 116 Morlok (1993), 395 f.; Heinig/Morlok (2003), 779. 117 Morlok (1993), 69, 290, 388. 118 Morlok (1993), 393. 119 Zur Darstellung dieser Positionen vgl. Morlok (1993), 81. 114
B. Schutz der Religionsfreiheit
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praktizierten Religionen und Weltanschauungen vergleichbar sind. Allerdings schränkt er diese Begrenzung ein: „,Vergleichbar‘ heißt nicht gleich, sondern beschreibt einen weiten Rahmen. So sind der Ruf des Muezzin dem Glockengeläut, der Schleier anderen religiösen Bekleidungen [. . .] aus der Sicht des religiös neutralen Staates vergleichbar.“
Der Historizität des Verfassungsbegriffs „Religion“ widerspreche es aber, wenn man kultische Menschenopfer unter den Tatbestand der Religionsfreiheit bringe und diese dann wegen der Schranken der Religionsfreiheit verbiete. Insoweit liege in der Definition des Verfassungsbegriffs „Religionsausübung“ eine verfassungsrechtliche Gewährleistungsschranke, die entsprechend für die Ausübung der Weltanschauungsfreiheit gelte.120 Müller-Volbehr geht davon aus, die Zulässigkeit aller Glaubensbetätigungen und religiösen Verhaltensweisen bemesse sich im Sinne einer äußersten Grenze danach, inwieweit sie in Einklang mit den sittlichen, sich im Laufe der geschichtlichen Entwicklung herausgebildeten Grundanschauungen der heutigen Kulturvölker stehen. Deshalb rechnet er Menschenopfer, Witwenverbrennung und Polygamie generell nicht zu den durch Art. 4 I und II GG geschützten religiösen bzw. weltanschaulichen Verhaltensweisen.121 Im älteren Schrifttum wurde der Schutzbereich z. T. noch darüber hinaus ausschließlich gemäß dem christlichen Selbstverständnis bestimmt.122 Der Schutz der Religionsfreiheit kann aber ebenso wenig auf einen von den „Kulturvölkern“ geprägten Religionsbegriff wie auf einen christlichen Religionsbegriff beschränkt werden. Das würde den Schutzbereich des Grundrechts unzulässig verengen und zwangsläufig bestimmte kulturelle und religiöse Ansichten präferieren. Zwar hatte das BVerfG in früheren Entscheidungen den Schutz der Glaubensfreiheit im GG auf die historisch gewachsenen sittlichen Grundanschauungen der Kulturvölker beschränkt.123 1975 stellte das BVerfG aber klar, dass das Grundgesetz nicht auf einen ethischen Standard
120 Starck (2005), Art. 4 Rn. 61. Die Äußerung Starcks hat in der Literatur viel Kritik erfahren, vgl. z. B. Isak (1994), 206 (zu einer früheren Auflage des Kommentars). Zur Auseinandersetzung mit dieser Kritik siehe Starck (2005), Art. 4 Rn. 61. 121 Müller-Volbehr (1985), 124; ders. (1995), 305 erhebt aber Bedenken gegen die Kulturformel. Kritisch gegenüber der Anwendung der Kulturformel durch Müller-Volbehr Bock (1997), 447. Ähnlich wie Müller-Volbehr Loschelder (1986), 159: Die Respektierung des Sittengesetzes sei Teil des Inhalts der Religionsfreiheit und keine von außen an sie herangetragene Schranke. 122 Eine solche Bestimmung des Schutzbereiches vertrat zunächst Hamel Anfang der 1960er Jahre, vgl. die Zusammenfassung der Position Hamels bei Isak (1994), 132. Ihm folgten Mitte der 1980er Jahre Isensee (1985), 144 in Auseinandersetzung mit den sogenannten Jugendreligionen und Loschelder (1986), 155 f. in Auseinandersetzung mit dem Islam. Gegen derartige Argumentationsmuster statt vieler Huster (1998), 120; Müller-Vollbehr (1985), 124. 123 Erstmalig BVerfGE 12, 1 (4); dann BVerfGE 24, 236 (246).
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch „im Sinne bestimmter weltanschaulicher Prinzipien [. . .] etwa, nach den Maximen, die sich bei den heutigen Kulturvölkern auf dem Boden gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen im Laufe der geschichtlichen Entwicklung herausgebildet haben“
fixiert sei. Sein ethischer Standard sei vielmehr die Offenheit gegenüber dem Pluralismus religiös-weltanschaulicher Auffassungen.124 Allerdings dürfe das Christentum als prägender Kulturfaktor wegen der „gesamtgesellschaftlichen Bedeutung der christlichen Religion für die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen staatlicher Kulturpolitik berücksichtigt werden“.125 Die Formel vom gemeinsamen Nenner sittlicher Kulturanschauungen bietet zudem wenig praktischen Nutzen. So ist bereits zweifelhaft, ob es überhaupt einen gemeinsamen Nenner gewisser sittlicher Grundanschauungen gibt. Schon in einem Kulturkreis gestaltet sich die Verständigung auf konvergierende sittliche Grundanschauungen äußerst mühsam. Das nur im Wege einer Kulturvergleichung ermittelte Ergebnis wäre ein nichtssagender Minimalkonsens.126 Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Schutzbereich der Religionsfreiheit nicht auf sittliche Grundanschauungen der heutigen Kulturvölker beschränkt werden kann. (2) Keine Anderskonturierung der Schutzbereiche und keine enge Schutzbereichsauslegung Das BVerfG und ein Großteil der Lehre interpretieren Art. 4 I und II GG als einheitliches Grundrecht.127 Einige Autoren und Autorinnen schlagen dagegen vor, differenziert an die tatbestandlichen Umschreibungen anzuknüpfen, mithin die Religionsfreiheit neu zu konturieren.128 Die Vertreter dieser Ansicht schlagen folgende Konturierung des Schutzbereiches von Art. 4 I und II GG vor: Art. 4 I GG schütze zunächst die Glaubensfreiheit als die Freiheit der inneren Überzeugung in religiös-weltanschaulicher Hinsicht, also das forum internum.
124 BVerfGE 41, 29 (50); in diese Richtung auch BVerfGE 33, 23 (28 f.); a. A. aber noch BVerwG, DVBl. 1981, 1004 (1007); BVerwGE 94, 82 (87). Davon, dass das BVerfG die in BVerfGE 32, 98 (106) geprägte Kulturformel 1975 mit der Entscheidung zu christlichen Gemeinschaftsschulen badischer Überlieferung – 41, 29 (50) – aufgegeben hat, gehen aus Pieroth/Schlink (2005), Rn. 511; Janz/Rademacher (1999), 710; Bock (1997), 445 (447); wohl auch Langenfeld (2001), 256; unentschieden Volkmann (2000), 344; a. A. Müller-Volbehr (1995), 305: Die Entscheidung zur badischen Gemeinschaftsschule habe sich nur auf die Frage bezogen, ob der vom Staat gestaltete Schulbereich an einem ethischen Standard etwa nach den Maximen gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen bei den heutigen Kulturvölkern auszurichten sei. 125 BVerfGE 41, 29 (52); 41, 65 (78); ebenso Preuß (2001a), Art. 140 Rn. 42. 126 Müller-Volbehr (1985), 305. 127 Siehe oben S. 47. 128 Siehe oben S. 50.
B. Schutz der Religionsfreiheit
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Verboten sei dem Staat, auf die Glaubensüberzeugungen Einfluss zu nehmen.129 Die in Art. 4 I GG enthaltene Freiheit des Bekenntnisses schütze sodann das Bezeugen, die Kundgabe des inneren religiös-weltanschaulichen Standpunktes nach außen. Damit werde das Bekennen, also das Äußern und Aussprechen der religiös-weltanschaulichen Überzeugung, und damit ein spezieller Fall von Meinungsäußerung geschützt.130 Art. 4 II GG gewährleiste die sogenannte Kultusfreiheit und erfasse damit kultische Handlungen und religiöse Gebräuche wie Gottesdienst, Prozessionen, Glockengeläut etc., also das forum externum.131 Mit der Forderung nach einer Anderskonturierung der Schutzbereiche geht die Forderung nach ihrer Verengung einher. So wird verlangt, das geschützte Handeln müsse für den religiösen oder weltanschaulichen Auftrag notwendig sein.132 Es genüge nicht, wenn das Handeln nur im äußeren Zusammenhang mit religiösem oder weltanschaulichem Handeln oder nur bei dessen Gelegenheit stattfinde.133 Zudem wird gerade im Zusammenhang mit Muslimen und Musliminnen gefordert, aus dem Schutzbereich der Religionsfreiheit rechtswidrige und verfassungsfeindliche Handlungen herauszuhalten. So soll ihnen nur dann die Religionsfreiheit zuteilwerden, sofern sie die Werteordnung des GG akzeptieren.134 Insbesondere wird der islamische Fundamentalismus überwiegend aus dem Schutzbereich des Art. 4 I GG ausgeklammert.135 Grundsätzlich ist es denkbar, den Schutzbereich der Religionsfreiheit abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG auszulegen. Art. 4 I und 129
Huster (2002), 381; ähnlich Preuß (2001), Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 16. Preuß (2001), Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 17: Alle nach Art. 5 I GG geschützten Kommunikationsformen fallen auch in den Schutzbereich des Art. 4; Kokott (2003), Art. 4 Rn. 30; darstellend Hellermann (1993), 142; Huster (2002), 383: Bekenntnis als Freiheit der Verkündung einer Überzeugung. 131 Hellermann (1993), 139; ders. (1994), 137: Beschränkung der Religionsfreiheit auf kultisch-liturgische Handlungen; Huster (2002), 382 f.: Nach den allgemeinen Auslegungsregeln für das staatliche Recht bestimme sich, dass das Grundrecht kultische Handlungen schütze – allerdings beschreibt Huster diese allgemeinen Auslegungsregeln nicht näher; einschränkend Huster, 383 Fn. 539: Entscheidend sei nicht, ob die Interpretation des Begriffs der Ausübungsfreiheit als Freiheit kultischer Handlungen und religiöser Bräuche zutreffend sei, sondern dass der Begriff überhaupt eingrenzend interpretiert werde; Preuß (2001), Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 24, 26: Kultusfreiheit als Manifestation der Glaubens- und Weltanschauungsinhalte durch Riten, Symbole und Repräsentationsvorgänge; nicht von der Kultusfreiheit geschützt sei z. B. das Schächten, weil es keine Kommunikation sei. 132 Huster (2002), 384: Der Schutz des Art. 4 GG komme nur Verhaltensweisen zu, die in religiös-weltanschaulicher Hinsicht von zentraler Bedeutung seien; ähnlich wohl mit Bezug auf wirtschaftliche und politische Tätigkeiten von Religionsgemeinschaften Badura (1989), 55. 133 Vgl. Pieroth/Schlink (2005), Rn. 514; ähnlich wohl Hellermann (1993), 142. 134 So wohl Ronellenfitsch (1999), 441; a. A. Janz/Rademacher (1999), 710, Fn. 48. 135 Häußler (2000), 256; Janz/Rademacher (1999), 710, Fn. 48; unklar Ronellenfitsch (1999), 441: „Für Fundamentalismus ist hier kein Platz.“ 130
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II GG gibt ausdrücklich weder eine enge noch eine weite Tatbestandsauslegung vor. Das Grundgesetz ist offen für unterschiedliche Grundrechtstheorien.136 Vielmehr ist das Grundgesetz entwicklungsoffen und auf die Aufnahme und Strukturierung auch neuer Sachverhalte und Entwicklungen hin angelegt. Diese Offenheit soll eine zeitgemäße Fortentwicklung der Verfassung unter gleichzeitiger Beibehaltung ihres Wortlautes ermöglichen. Ein Verfassungswandel ist zulässig.137 Für eine Differenzierung des Schutzbereiches von Art. 4 I und Art. 4 II GG spricht, dass die aus verschiedenen Entwicklungsgeschichten stammenden und durch eine wenig glückliche „Formulierungsgeschichte“ zusammengekoppelten Einzelverbürgungen des Art. 4 GG eigene Gehalte repräsentieren und eigene Wirkungsschwerpunkte aufweisen. Normen sind generell möglichst so auszulegen, dass sie eine eigenständige Bedeutung haben und nicht „überflüssig“ sind.138 Für ein Überdenken und ggf. eine Veränderung des bisherigen Religionsfreiheitskonzepts sprechen zudem die seit der Entstehung des Grundgesetzes veränderten Rechtstatsachen: Als das Grundgesetz 1949 in Kraft trat und als 1973 die Konzeption des BVerfG zu Art. 4 I und II GG in ihren wesentlichen Aussagen fest gefügt war,139 bekannten sich 90% der deutschen Bevölkerung zum Christentum. Die Gläubigen waren überwiegend kirchlich gebunden: Soziologisch war Glaube durch seine Gemeinschaftsbezogenheit gekennzeichnet und inhaltlich von dieser Gemeinschaft bestimmt. Dieser Hintergrund prägte die Judikate des BVerfG. Die Fälle, über die das BVerfG zu entscheiden hatte, spielen im christlichen bzw. christlich-jüdischen Milieu. Alle handeln sie von ungewöhnlichen Glaubensbetätigungen oder von extrem liegenden Einzelfällen.140 Anhand dieser Ausnahmefälle entwickelte das BVerfG sein Verständnis vom Schutzbereich der Religionsfreiheit. Wichtige staatskirchenrechtliche Normen wurden zudem aus der Weimarer Verfassung von 1919 übernommen.141 Deren religionsrechtliche Konzeption wiederum wurde im Wesentlichen am Verhältnis zu den beiden großen Kirchen entwickelt.142 Zwischen 1960 und 2004 verloren 136 Vgl. Wallrabenstein (1999), 91, 158; Grimm (1982), 51 ff.; Höfling (1987), passim; a. A. Böckenförde (1974), 1537. 137 Vgl. z. B. Bryde (1982), passim; Häberle (1975), 300; Morlok (1993), 51 Fn. 7, 284; a. A. Isensee (1980), 53 ff. 138 Vgl. Loschelder (1986), 153; Kokott (2003), Art. 4 Rn. 12; Hellermann (1993), 139, leider ohne weitere Begründung für seine Aussage. 139 Mückl (2001), 102 sieht spätestens mit der Entscheidung zum Kreuz im Gerichtssaal im Jahr 1973, BVerfGE 35, 366, die Konzeption festgelegt. 140 Programmatisch BVerfGE 33, 23 (29): Auch „Außenseitern und Sektierern“ sei die „ungestörte Entfaltung ihrer Persönlichkeit gemäß ihren subjektiven Glaubensüberzeugungen gestattet“. 141 Jeand’Heur/Korioth (2000), 23. 142 Hillgruber (1999), 546. Nach Holzke (2002), 905 hat das BVerfG den Topos „Neutralität“ insbesondere herangezogen, wenn es herausstellen möchte, dass den bei-
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die christlichen Kirchen aber etwa 20% ihrer Mitglieder. Nach der im Jahre 1961 durchgeführten Volkszählung gehörten damals 94,6 % der in der Bundesrepublik lebenden Menschen einer der beiden christlichen Großkirchen an.143 2004 waren es etwa 60 %.144 Gegen eine Verengung des Schutzbereiches sprechen aber rechtspolitische und kulturwissenschaftliche Gründe: Religiös motivierte Praktiken wie Menschenopfer, Klitorisbeschneidung oder das Verbot von Bluttransfusion lassen die Warnung vor einem „Missbrauch der Religionsfreiheit“ und die Forderung nach eingeschränktem Schutz für religiöses Handeln verständlich erscheinen. Weniger verständlich ist dagegen, warum auch anlässlich des Kopftuches einer Lehrerin, dessen religiöse Konnotation kaum jemand verneint und das jedenfalls nicht so offensichtlich Verfassungswerte verletzt wie z. B. Klitorisbeschneidung, die Neukonturierung von Art. 4 GG thematisiert wird.145 Das könnte mit der gegenwärtigen Tendenz in Rechtsprechung und Lehre erklärt werden, Grundrechte restriktiv auszulegen.146 Der Versuch, den Schutzbereich von Art. 4 I und II GG neu zu konturieren, könnte aber auch insgesamt gegen den Islam gerichtet sein. Es fällt auf, dass die Reichweite der Religionsfreiheit gerade zu einem Zeitpunkt eingeschränkt werden soll, zu dem Musliminnen und Muslime Rechte erstreiten wollen, die Christen seit Jahrzehnten wie selbstverständlich zugestanden werden.147 Kulturgeschichtlich könnte ein weiterer Grund sein, dass im Mittelpunkt gesellschaftlicher Umgestaltungsprozesse oft die Rolle der Frau und die Definitionsmacht von Weiblichkeit stehen. Das zeigt sich gerade im Zusammenhang mit dem Kopftuch in anderen Ländern. Für die kemalistische Periode in der Türkei zeigt z. B. Günter Seufert auf, dass die Entsexualisierung der Frau eine wichtige Rolle spielte.148 In Ägypten forderte zu der Zeit britischer Kolonialherrschaft Lord Cromer, der Generalkonsul der britischen Kolonialbehörde in Ägypten, ein Mann, der in England selbst Gründungsmitglied der Vereinigung der Männer gegen das Wahlrecht von Frauen war, die Entschleierung von Frauen.149 Ebenso ordnete in Afghanistan König Amanullah den (christlichen) Großkirchen kein Alleinvertretungsanspruch auf dem Gebiet der Religion zukommt. 143 Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1967, 42. 144 Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 2006, 29, 63, 64. 145 So aber u. a. Huster (2003), 218; Janz/Rademacher (1999), 708 ff.; Fischer/ Groß (2003), 932; mit einer deutlichen Kritik an der vorgeschlagenen Neukonturierung Heinig/Morlok (2003), 782; Morlok (2003), 385 f.; Battis/Bultmann (2004), 11 sehen in dem Verbot des religiösen Kopftuches dagegen so unproblematisch eine Schutzbereichsverletzung des Art. 4 I und II GG, dass die Diskussion um dessen Neukonturierung keiner Auseinandersetzung bedürfe. 146 Vgl. Möllers (2005), 1973 ff. 147 Vgl. Walter (2004), 39. 148 Seufert (1997), 427 f. 149 Rommelspacher (2002), 114 f.
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Anfang des 20. Jh. an, dass Königin Soraya öffentlich den Schleier ablegen solle und alle Frauen der Königin folgen sollten, um die Aufnahme Afghanistans in die westliche Welt zu erreichen.150 Ohnehin sprechen rechtssystematische Gründe gegen eine Unterteilung des Art. 4 I und II GG in zwei Schutzbereiche sowie gegen eine enge Schutzbereichsauslegung.151 Erstens könnten praktische Abgrenzungsschwierigkeiten nur durch ein einheitliches Verständnis des Art. 4 I und II GG vermieden werden. Selbst die Vertreter einer Neukonturierung der Schutzbereiche sind sich nicht darüber einig, welche Handlungen die Schutzbereiche jeweils umfassen. Im Streitfall kann also nicht nach berechenbaren und objektiven Kriterien festgestellt werden, ob eine Glaubensausübung vorliegt. Das zeigen die beiden folgenden Beispiele:152 – Ist Lumpensammeln von Art. 4 II GG geschützt oder nicht? Wolfgang Loschelder, der für eine Einengung des Schutzbereiches von Art. 4 II GG auf Kultushandlungen plädiert, sieht karitative Sammlungen von Art. 4 I und II GG geschützt. Christliche Liebestätigkeit gehöre als elementarer und herkömmlicher Ausdruck christlicher Glaubenshaltung seit je zu den „kirchlichen Grundfunktionen“.153 Ulrich K. Preuß und wohl auch Johannes Hellermann, die ebenso für eine Einengung von Art. 4 II GG plädieren, kritisieren dagegen die Einordnung karitativer Handlungen als Religionsausübung.154 – Ist das Tragen religiöser Kleidung Ausdruck eines religiösen Bekenntnisses oder nicht? Verfechter einer engen Tatbestandsauslegung vertreten z. T. einen tatbestandlich weitreichenden Bekenntnisbegriff. Dessen Ausgangspunkt ist die These, dass man den religiös-weltanschaulichen Standpunkt nicht nur durch Reden, sondern auch im sonstigen Leben und Handeln bekennen könne.155 In Betracht kämen alle durch Art. 5 I GG geschützten Kommunikationsformen: „verbal, durch Tragen von Symbolen oder einer bestimmten, den Grundsätzen einer Religionsgemeinschaft entsprechenden Kleidung, z. B. islamischer Kleidung.“156 Nimmt man diesen Bekenntnisbegriff ernst, so muss Kopftuchtragen als Glaubensbekundung verstanden werden. Beispiele muslimischer Frauen mit Kopftuch in Deutschland zeigen nämlich, dass diese mit dem Tragen eines Kopftuches eine Glaubensbekundung verbinden.157 So 150
Vgl. Glatzer, FAZ 4.10.(2001). Vgl. zu den engen Tatbestandstheorien insgesamt Alexy (1996), 280 ff.; für die Begründung einer weiten Tatbestandstheorie Alexy (1996), 290 ff. 152 A. A. Mückl (2001), 106 f. 153 Loschelder (1986), 156; ebenso BVerfGE 24, 236 (246 f.). 154 Hellermann (1993), 139; Preuß (2001), Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 26 (im Ergebnis bejaht er aber die Lumpensammlerentscheidung des BVerfG). 155 Hellermann (1993), 142. 156 Kokott (2003), Art. 4 Rn. 31. 157 Vgl. Karakas ¸og˘lu-Aydin (1998), 456 f.; Klinkhammer (2000), 273 ff. 151
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ist z. B. für die von Yasemin Karakas¸og˘ lu-Aydin interviewte Asiye das Kopftuch Ausdruck einer bereits zuvor verinnerlichten religiösen Grundhaltung.158 Ebenso machte Fereshta Ludin u. a. geltend, dass das Kopftuch Ausdruck ihrer inneren religiösen Überzeugung sei.159 Dementsprechend geht Preuß in Bezug auf Bhagwankleidung davon aus, dass ein Lehrer entsprechende Bekleidung als Ausdruck seiner religiösen Überzeugung tragen kann.160 Dagegen sehen Mückl und wohl auch Loschelder das muslimisch motivierte Tragen nicht als Glaubensbekundung an.161 Stefan Huster sieht das Kopftuchtragen zwar als Glaubensbekundung an, wenn es für die Trägerin selbst Glaubensbekundung ist.162 I.d.R. hält er das Kopftuchtragen aber nicht für eine Glaubensbekundung, weil es kein „religiöses Symbol im engeren Sinn“ sei.163 Huster bietet damit keine berechenbaren Kriterien für die Bestimmung einer Glaubensbekundung an, weil er nicht klarstellt, was ein „Symbol im engeren Sinne“ ist. Anders als das Kopftuch sei das Kreuz ein Symbol im engeren Sinne.164 Zweitens verstößt eine Begrenzung des Schutzbereiches auf bestimmte Bekenntnishandlungen gegen das Gleichheitsgebot, weil nicht alle religiös geprägten Handlungen gleichermaßen erfasst werden können.165 Wenn Kultushandlungen – wie Preuss, Hellmann und Loschelder vorschlagen – als Gebet, Gottesdienst und Prozessionen definiert werden, bestimmt sich einerseits Kultushandlung an einem christlichen Verständnis und wird andererseits der Begriff der Kultushandlung so verengt, dass er für die Berücksichtigung des Selbstverständnisses der Grundrechtsträgerinnen kaum noch Raum lässt.166 Deshalb kann auch eine Verengung des Schutzbereiches auf Handlungen, die für die Erfüllung des religiösen Auftrages notwendig sind, nicht zulässig sein. Drittens kann auch die Gewissensfreiheit die Schutzlücke nicht ausgleichen. Davon gehen aber die Vertreter einer verengten Schutzbereichsauslegung aus: Die Gewissensfreiheit übernehme die Funktion, die für die individuelle Identität zentralen, aber nicht grundrechtlich vertypten Verhaltensweisen zu schützen.167 Zwar ist der Schutzbereich der Gewissensfrei158 Karakas ¸og˘lu-Aydin (1998), 459. Siehe unten S. 231 zu der von Karakas¸og˘ lu-Aydin durchgeführten Untersuchung. 159 Vgl. Begründung des Widerspruches von Ludin, VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2899). 160 Preuß (2001), Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 31. 161 Loschelder (1986), 157. 162 Huster (2002), 388. 163 Huster (2002), 388. 164 Huster (2002), 387. 165 Kritisch auch Kuhl/Unruh (1991), 98. 166 Vgl. Morlok (2003), 381 (385): Hinter den Bemühungen, die Religionsfreiheit zu begrenzen, stecke das Interesse, bestimmte Erscheinungsformen nicht in ihren Schutzbereich aufzunehmen. 167 Vgl. Huster (2002), 384 f.; Kuhl/Unruh (1991), 98; Loschelder (1986), 157.
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heit dem der Religions- und Weltanschauungsfreiheit ähnlich. Unter „Gewissen“ versteht das BVerfG „ein real erfahrbares seelisches Phänomen, dessen Forderungen, Mahnungen und Warnungen für den Menschen unmittelbar evidente Gebote unbedingten Sollens sind“.168 Der Ruf des Gewissen wird dem Einzelnen als eine sittliche und unbedingt verbindliche Entscheidung über das ihm gebotene Verhalten vernehmbar.169 Gewissensrelevant ist jedes Verhalten, das die Integrität und Identität der Persönlichkeit betrifft.170 Der Schutzbereich der Gewissensfreiheit umfasst das forum internum ebenso wie das forum externum. Die Bewertung der Gewissensentscheidung mit Kriterien wie „richtig“ oder „irrig“ ist dem Staat gleichermaßen versagt wie die Bewertung des Glaubens.171 Eine Gewissensentscheidung kann auch auf weltanschaulichen oder religiösen Grundsätzen beruhen.172 Gegenüber der Religionsfreiheit ergibt sich aber für die Inanspruchnahme der Gewissensfreiheit ein wesentlicher Unterschied: Eine Grundrechtsträgerin, die sich mit Erfolg auf ihre Gewissensfreiheit berufen will, muss dartun, dass sie gemäß für sie verbindlicher und als unbedingt verpflichtend innerlich erfahrener Ge- und Verbote handelt und sich deshalb in einem Gewissenskonflikt befindet.173 Eine Grundrechtsträgerin, die sich auf ihre Religionsfreiheit berufen will, muss dagegen „nur“ darlegen, dass ihr Verhalten religiös motiviert ist. Es muss sich nicht um verbindliche religiöse Gebote handeln. Letztlich bleibt der Schutz durch die Gewissensfreiheit also schwächer als der Schutz durch die Religionsfreiheit. Viertens verlangen die mit religiösen Handlungen möglicherweise verbundenen Straftaten, verfassungsfeindlichen oder anderweitig missliebigen Handlungen keine Einschränkung des Schutzbereiches. So legte das BVerfG in seinem Urteil vom Dezember 2000 zu Zeugen Jehovas fest, eine Religionsgemeinschaft genieße selbst dann den Schutz des Art. 4 GG, wenn ihr einzelne Verstöße gegen Recht und Gesetz vorzuwerfen seien.174 Erst auf der Schrankenebene ist zu klären, ob religiösen Handlungen mit strafrechtlichen Implikationen im Einzelfall Schutz zuteil wird.175 Die Elimi168
Vgl. BVerfG, NJW 1961, 355 (357). Vgl. BVerfG, NJW 1961, 355 (355, 357). 170 Vgl. BVerfGE 12, 45 (54 f.); Kokott (2003) Art. 4 Rn. 72. 171 BVerfGE 12, 45 (56). 172 Vgl. BVerwG, NJW 2000, 88 ff. 173 Vgl. Huster (2002), 404 ff.; Kokott (2003), Art. 4 Rn. 74. 174 BVerfGE 102, 370 (390 f.). In ähnlicher Weise sah BVerfGE 32, 98 eine strafrechtlich sanktionierte Handlung – unterlassene Hilfeleistung – wegen ihrer religiösen Motivation als von Art. 4 I und II GG geschützte Handlung an. 175 Vgl. z. B. Alberts (1985), 92; Morlok (2004), Art. 4 Rn. 62; ähnlich Pieroth/ Schlink (2005), Art. 4 Rn. 511; a. A. bzgl. der Osho-Religion Volkmann (2000), 344: Die Osho-Sekte könne von vornherein aus dem Schutzbereich des Art. 4 GG ausgenommen werden, wenn zutreffe, was BVerwG, NJW 1991, 1170 (1772 f.) zu ihr gesagt habe. Kritisch bzgl. der Hereinnahme verfassungswidriger und -feindlicher religiöser Handlungen in den Schutzbereich als auch bzgl. der Begrenzung der Religions169
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nierung bestimmter menschlicher, vom Wortlaut eines Grundrechtstatbestandes eigentlich erfasster Aktivitäten birgt immer die Gefahr in sich, dass die Abwägung, die den Tatbestandsverengungen zugrunde liegt, unüberprüfbar bleibt und der subjektiven Beliebigkeit des jeweiligen Interpreten anheim gegeben wird. Grundrechte dürfen erst dann begrenzt werden, wenn sie die Gewährung anderer Rechte oder das Erreichen staatlicher Ziele gefährden. Würde dagegen ein bestimmtes religiös motiviertes Verhalten wie Schächten nicht in den Schutzbereich der Religionsfreiheit aufgenommen, so fände der juristische (und moralische) Diskurs über den Ausgleich entgegenstehender Rechte nur noch verdeckt statt. Er würde durch die plakative Behauptung ersetzt, das Schächten stünde als solches bereits außerhalb der Religionsfreiheit.176 Das Grundgesetz steht auch unter keinem Fundamentalismus-Vorbehalt derart, dass fundamentalistischen Gläubigen, die die Einführung einer Theokratie fordern, keine Grundrechte zustünden. Fundamentalismus ist allenfalls eine religionssoziologische Kategorie, aber kein Verfassungs- oder Rechtsbegriff.177 Dem steht nicht der Beschluss des BVerfG zum öffentlichen Körperschaftsstatus der Zeugen Jehovas entgegen: Das BVerfG sah die Voraussetzungen für die Verleihung des Körperschaftsstatus dann nicht als erfüllt an, wenn die Religionsgemeinschaften den verfassungsrechtlichen Ordnungsrahmen beeinträchtigten. Dies wäre etwa der Fall, wenn sie auf die Verwirklichung einer theokratischen Herrschaftsordnung hinwirkten.178 Aus dieser Entscheidung ergibt sich aber nicht zwingend, dass einzelne Gläubige ihr Recht auf Schutz ihres Glaubens verwirken, wenn sie die Einführung einer theokratischen Herrschaftsordnung fordern.179 Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass eine Unterteilung des einheitlichen Schutzbereichs der Religionsfreiheit ebenso wenig wie eine Verengung des Schutzbereiches verfassungsrechtlich überzeugend ist. Das gilt insbesondere, weil eine solche Interpretation dem Gedanken des Gleichheitsgebotes zuwiderläuft.
freiheit durch die Schranken Verfassungswidrigkeit und -feindlichkeit Isensee (1985), 142 f. in Auseinandersetzung mit den Jugendreligionen. 176 Kluge (1992), 142. Kluge kritisiert aus diesem Grund den Versuch, muslimisches Schächten aus dem Schutzbereich der Religionsfreiheit zu nehmen, und Cremer/ Kelm, NJW 1997, 834 kritisieren den Versuch, die sogenannten neuen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften aus dem Schutzbereich der Religionsfreiheit zu nehmen. 177 Vgl. Mückel (2000), 97 (126 f.); Hollerbach (1996), 145. 178 BVerfGE 102, 370 (395). 179 A. A. wohl Janz/Rademacher (1999), 710, Fn. 48; nicht so deutlich Mückel (2000), 126 f.: Hinter dem Fundamentalismus stehende Probleme „erlangen für den staatlichen Rechtskreis erst dann Relevanz“, wenn sie sich als integralistisch darstellen.
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(3) Objektive Eingrenzung des Schutzbereiches durch den Transzendenzbezug Um die Religionsfreiheit überhaupt handhabbar zu machen, ist es notwendig, bestimmte Kriterien festzulegen, nach denen bestimmt wird, was Religion und Weltanschauung i. S. v. Art. 4 GG sind. Diese Kriterien müssen so gewählt sein, dass Religion i. S. v. Art. 4 GG möglichst viele unterschiedliche Religionskonzepte umfasst. Eine Vielzahl von Religionen ist gekennzeichnet durch den transzendenten Bezug, die subjektive Gewissheit von der Eingliederung des Einzelnen in einen jenseitigen, nicht mit von Menschen gesetzten Maßstäben zu beurteilenden und durch wissenschaftliche Erkenntnisquellen nicht erschöpfend zu erklärenden Zusammenhang.180 Kennzeichnend für den religiösen Glauben soll deshalb der Transzendenzbezug sein und Religionsausübung soll jede durch diesen Glauben motivierte Handlung sein. Als Weltanschauungen sind gedankliche Systeme zu verstehen, die eine wertende Stellungnahme zum Sinn des Weltgeschehens bieten, ohne dabei auf Gott, das Jenseits oder die Idee der Transzendenz zurückzugreifen.181 Eine solche Konzeption der Religionsfreiheit entspricht der extensiven Auslegung des Begriffes „Religionsausübung“ durch das BVerfG.182 Unter den Schutzbereich können demnach auch solche Verhaltensweisen fallen, die genauso gut ohne jede religiöse Motivation denkbar sind, wie z. B. Lumpensammeln oder Kopftuchtragen.183 Der subjektive Glaubensbezug kann diese Handlungen zu religiösen Handlungen machen. Art. 4 I und II GG unterscheidet sich nach dieser Konzeption von anderen Grundrechten: Während z. B. die Meinungsfreiheit oder die Versammlungsfreiheit nur bestimmte Handlungen schützen – Meinungsäußerungen oder Versammlungen –, schützt die Religions- und Weltanschauungsfreiheit alle Verhaltensweisen, sofern sie einen religiösen Bezug haben.
180 Vgl. Kokott (2003), Art. 4 Rn. 17; v. Campenhausen (2001), § 136 Rn. 42; Kuhl/Unruh (1991), 98; Isak (1994), 321 (These 29 – Religion und These 31 – Religionsausübung); Heinig/Morlok (2003), 779. 181 Vgl. Kokott (2003), Art. 4 Rn. 20; v. Campenhausen (2001), § 136 Rn. 43. Holzke (2002), 904 hält dagegen eine klare Abgrenzung von Religion und Weltanschauung weder für möglich noch für nötig. Religion sei ein bedeutender Fall von Weltanschauung und beide seien Gedankensysteme, die die Stellung des Menschen in der Welt, die Welt als Ganzes sowie metaphysische Fragen betreffen. 182 Vgl. BVerfGE 35, 366 (376); 24, 236 (246); zustimmend u. a. Badura (1989), 33; Heckel (1996), 474. 183 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3112): Die Religionsfreiheit schütze nicht nur imperative Glaubenssätze, sondern auch religiösen Überzeugungen, die ein Verhalten als das zur Bewältigung einer Lebenslage richtige bestimmen; vgl. BVerfGE 32, 98 (106 f.); 24, 236 (250 ff.).
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(4) Keine objektive Eingrenzung des Schutzbereiches durch den Bezug auf Gremien oder Geistliche von Glaubensgemeinschaften Um zu verhindern, dass ein Grundrechtsträger den Religionsbezug seines Handelns nur behauptet, um in den Genuss des vorbehaltlosen Schutzes der Religionsfreiheit zu kommen,184 muss er sein religiöses Selbstverständnis nachvollziehbar darlegen können. Der Grundrechtsträger muss plausibel machen können, dass es sich bei der von ihm behaupteten Religion „tatsächlich, nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild, um eine Religion“ handelt.185 Zudem muss er substantiell darlegen können, dass sein Handeln glaubensgeleitet ist.186 Das glaubensgeleitete Verhalten im Streitfall zu prüfen, obliegt den staatlichen Organen und damit letztlich den Gerichten.187 Der Grundrechtsträger trägt die Darlegungs- und Beweislast für den Glaubensbezug seines Handelns.188 Zu klären ist, ob eine Gläubige ihre religiöse Überzeugung auch dann dartun kann, wenn sie die Einzige ist, die sie hat. Das BVerfG entschied 1972, dass die Bekenntnisfreiheit nicht nur den Kern- und Gebotsbereich eines Bekenntnisses schütze, sondern vielmehr auch individuelle Ausformungen erfasse.189 Nach dieser Entscheidung durfte ein evangelischer Pfarrer aus religiösen Gründen auf den vorgeschriebenen Zeugeneid verzichten, obwohl der Senat selbst den Zeugeneid ohne Berufung auf Gott für eine weltliche Bekräftigung der Wahrheit einer Aussage ohne religiösen Bezug hielt. Die Verfassung – so das BVerfG – schütze aber die individuelle Glaubensüberzeugung, die den weltlichen Eid als nach dem Wortlaut der Bergpredigt verbotene Handlung ansehe.190 Nach diesem Urteil reicht es für die plausible Darlegung einer Glaubensüberzeugung aus, dass eine einzelne Person ihr anhängt.191 Im Kopftuchurteil rückte das BVerfG 2003 von dieser Rechtsprechung leicht ab. Es entschied, dass nicht jegliches Verhalten einer Person allein nach deren subjektiver Bestimmung als 184 Huster (2002), 377 schätzt eine solche Gefahr als gering ein; in den einschlägigen Konstellationen – z. B. Schächtverbot oder der Weigerung am Sportunterricht teilzunehmen – könne kein Zweifel bestehen, dass die fraglichen Verhaltensgebote aus Sicht der Betroffenen tatsächlich einen religiös-weltanschaulichen Bezug besitzen. 185 BVerfGE 83, 341 (353); vgl. BVerwG, NVwZ 1987, 706 (707); v. Campenhausen (2001), § 136 Rn. 70. 186 Vgl. Kokott (2003), Art. 4 Rn. 14; v. Campenhausen (2001), § 136 Rn. 70. 187 BVerfGE 83, 341 (341 LS 1). 188 Vgl. Isak (1994), 259; BVerwGE 94, 82 (87): erforderlich sei eine „konkrete, substantiierte und objektiv nachvollziehbare Darlegung eines Gewissenskonflikts als Konsequenz aus dem Zwang, der eigenen Glaubensüberzeugung zuwiderzuhandeln“. 189 BVerfGE 33, 23 (28 f.). 190 BVerfGE 33, 23 (28 f.); kritisch dazu v. Schlabrendorff im Sondervotum BVerfGE 33, 23 (35, 37). 191 Ähnlich BVerfGE 32, 98 (106 f.); Mahrenholz (1998), 292.
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Ausdruck der besonders geschützten Glaubensfreiheit angesehen werden könne. Bei der Würdigung eines vom Einzelnen als Ausdruck seiner Glaubensfreiheit reklamierten Verhaltens dürfe das Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft nicht außer Betracht bleiben.192 Ein Teil der Rechtsprechung und Literatur hatte schon immer gefordert, dass es für die Geltendmachung der Religionsfreiheit auf das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften ankomme.193 Zu verlangen, dass ein behaupteter Glaube von mehreren geteilt wird, fördert zwar die Überprüfbarkeit dieser Behauptung, ist aber in zweierlei Hinsicht abzulehnen. Zum einen müssen sich auch religiöse Minderheiten, die ihre Glaubensinhalte abweichend von offiziellen Verlautbarungen maßgeblicher Geistlicher oder Gremien ihrer Religionsgemeinschaft definieren, auf die Glaubensfreiheit berufen können. Die Religionsfreiheit ist in erster Linie ein Individualgrundrecht und kein Recht, das nur im konformen Kollektiv ausgeübt werden kann. Außerdem wird diese Anforderung auch derjenigen Person nicht gerecht, die als Einzige an eine u. U. selbst entwickelte Religion glaubt, weil diese Person nicht auf das Selbstverständnis einer Gemeinschaft zugreifen kann. Ein zwingendes praktisches Bedürfnis für die Rückbindung des Glaubens an eine Gruppe besteht jedenfalls nicht. Die Überprüfung subjektiver Einstellungen und Absichten ist unserer Rechtsordnung keineswegs fremd. Man denke nur an die Prüfung des Vorsatzes und der verschiedenen Absichten im Strafrecht. Insofern lässt sich mit hinreichender Sicherheit prüfen, ob ein Grundrechtsträger tatsächlich die von ihm behauptete religiöse Überzeugung hat oder nicht.194 So kann jemand kaum plausibel machen, dass sein Glauben ihm gebietet, 100 km/h statt 50 km/h zu fahren.195 Da die Religionsfreiheit als Individual- und Kollektivgrundrecht formuliert ist, muss es dem Einzelnen möglich sein, sich auf seinen Glauben auch dann zu berufen, wenn er nicht von einer Gruppe geteilt wird. 192
BVerfG, NJW 2003, 3111 (3112); vgl. BVerfGE 24, 236 (247 f.). Vgl. BVerwGE 94, 82 (87): Eine objektiv nachprüfbare Darlegung sah das Gericht darin, dass die klagende Schülerin sich für die Verbindlichkeit der Bekleidungsvorschriften des Koran auf eine Bescheinigung des „Islamischen Zentrums Aachen“ berufen könne; aus der Literatur Kuhl/Unruh (1991), 98; Kokott (2003), Art. 4 Rn. 29; wohl auch v. Campenhausen (2001), § 136 Rn. 69. 194 A. A. Battis/Bultmann (2004), 18 Fn. 51: „Gegen die Maßgeblichkeit der subjektiven Deutung eines religiösen Symbols sprechen Gründe der Verwaltungspraktikabilität. Würde die subjektive Erklärungsabsicht für maßgeblich gehalten, so müsste im Einzelfall aufwändig erhoben werden, welchen genauen Aussagegehalt die jeweilige Kopftuchträgerin mit dem Kopftuch verbindet. Ob ihre Aussage der wirklichen Absicht entspräche, wäre objektiv kaum beweisbar.“ 195 So Bundesverfassungsrichter a. D. Sommer während eines Vortrags am 26.5.2004 am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. Beispiele für nicht plausible Glaubensgeleitetheit des entgegenstehenden Handelns: BVerfGE 47, 327 (385) – Pflicht der Mitglieder und Angehörigen der Universitäten, die gesellschaftlichen Folgen wissenschaftlicher Erkenntnis mitzubedenken; BVerfGE 50, 256 (262) – Friedhofszwang für Urnen; BVerfG, NJW 1993, 455. 193
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d) Zwischenergebnis Das BVerfG hat die Religionsfreiheit so ausgelegt, dass jede das Recht hat, ihr gesamtes Verhalten an den Lehren ihres Glaubens auszurichten und ihrer inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln. Maßgeblich dafür, was der Glaubensüberzeugung entspricht, ist das Selbstverständnis der Gläubigen. In der Literatur wird die Auslegung durch das BVerfG als zu weit kritisiert. Zur Neukonturierung der Religionsfreiheit wird vorgeschlagen, die Bedeutung des Selbstverständnisses bei der Bestimmung des Schutzbereiches zurückzudrängen und gemäß dem Wortlaut des Art. 4 GG den Absätzen 1 und 2 jeweils einen eigenen Schutzbereich zuzuweisen. Im Ergebnis läuft dies auf eine enge Schutzbereichsinterpretation hinaus. Dieser Kritik ist entgegenzuhalten, dass eine Unterteilung des einheitlichen Schutzbereichs der Religionsfreiheit ebenso wenig wie eine Verengung des Schutzbereiches verfassungsrechtlich überzeugend ist. Vielmehr muss für die Bestimmung des Schutzbereiches der Religionsfreiheit weiterhin das Selbstverständnis der Grundrechtsträgerinnen maßgeblich sein. Das Selbstverständnis muss aber einer Plausibilitätskontrolle standhalten. Die Einzelne kann ihren Glauben auch dann plausibel machen, wenn er nicht von einer Gruppe geteilt wird. Nach dieser Konzeption kann eine Grundrechtsträgerin für ihre Kleidung den Schutz des Art. 4 I und II GG beanspruchen, wenn sie sich darauf beruft, dass das Tragen der Kleidung religiös motiviert ist und diese Behauptung plausibel ist. 4. Kopftuchtragen einer Muslimin im Schutzbereich der Religionsfreiheit Der Islam ist eine Religion i. S. des Art. 4 I und II GG:196 Er ist ein Glaube, der auf einen Gott hin ausgerichtet ist und demnach Transzendenzbezug hat. Ist der Islam als Glaube unter den Schutz des Art. 4 GG gestellt, ist damit noch nichts darüber ausgesagt, welche als muslimisch behaupteten Handlungsweisen von der Religionsausübungsfreiheit geschützt werden. Eine solche Bestimmung kann sich im Einzelfall schwierig gestalten: Erstens ist der Islam nicht monolithisch, sondern eine in unterschiedliche Rechtsschulen und Gruppen aufgesplitterte, in sich vielfältige Religion.197 Zweitens ist eine Vielzahl von alltäglichen Handlungen vom islamischen Recht geprägt, das das gesamte Leben der Muslime und Musliminnen umfassend zu regeln beabsichtigt.
196 BVerwGE 94, 82 (87) hat Islam ausdrücklich als Religion i. S. des GG anerkannt; ebenso Battis/Bultmann (2004), 14; Janz/Rademacher (1999), 710; Heckel (1999), 742; Britz (2000), 118; Loschelder (1986), 152 – obwohl er einen christlicheuropäisch geprägten Religionsbegriff vertritt. 197 Zur unterschiedlichen Interpretation des Korans und zu den muslimischen Rechtsschulen siehe u. a. Khoury (2000), 47 ff.; Heine (2000), 54.
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
Kann vor diesem Hintergrund eine Muslimin ihr Kopftuchtragen plausibel als glaubensgeleitete Handlung darlegen? Entsprechend der von der Verfassung vorgegebenen subjektiv geprägten Betrachtungsweise muss für diese Frage zwar vom Selbstverständnis der Kopftuchträgerin ausgegangen werden.198 Die Trägerin muss aber plausibel darlegen können, dass sie das Kopftuch aus religiösen Gründen trägt.199 Nach der hier vertretenen Anforderung an die Darlegungslast der Grundrechtsträgerin wird ihr ein solcher Nachweis zumindest dann gelingen, wenn das islamische Recht nach einer möglichen Auslegung eine Kopftuchpflicht begründet. Einige Musliminnen200, muslimische Rechtsgelehrte und Islamwissenschaftlerinnen leiten aus dem Koran201 eine Kopftuchpflicht ab. Als Belegstellen im Koran für eine derartige Pflicht führen sie i. d. R. Sure 24, Vers 31 und Sure 33, Vers 59 an.202 Sure 24, Vers 31 lautet: „Und sag den gläubigen Frauen, sie sollen (statt jemanden anzustarren, lieber) ihre Augen niederschlagen, und sie sollen darauf achten, dass ihre Scham bedeckt ist (wörtlich: sie sollen ihre Scham bewahren), den Schmuck, den sie (am Körper) tragen, nicht offen zeigen, soweit er nicht (normalerweise) sichtbar ist, ihren Schal sich über den (vom Halsausschnitt nach vorne heruntergehenden) Schlitz (des Kleides) ziehen und den Schmuck, den sie (am Körper) tragen, niemand (wörtlich: nicht) offen zeigen, außer ihrem Mann, ihrem Vater, ihrem Schwiegervater [. . .].“203
Sure 33, Vers 59 heißt: „Prophet! Sag deinen Gattinnen und Töchtern und den Frauen der Gläubigen, sie sollen (wenn sie austreten) sich etwas von ihrem Gewand (über den Kopf) herunterziehen. So ist es am ehesten gewährleistet, daß sie (als ehrbare Frauen) erkannt und daraufhin nicht belästigt werden. [. . .]“204
Ebenso statuieren in Deutschland mehrere muslimische Organisationen eine sich aus dem Koran ergebende Pflicht der Frau, ein Kopftuch zu tragen.205 Eine Muslimin kann, indem sie auf diese Lesart des Korans für eine Kopftuchpflicht 198 Ebenso OVG Münster, NVwZ 1992, 77 (78); OVG Lüneburg, NVwZ 1992, 79 (80); BayVGH, NVwZ 1987, 706 (707). 199 So auch das BVerfG im Kopftuchfall, NJW 3111 (3112). 200 97% der im Rahmen der Konrad-Adenauer-Studie – zu dieser Studie siehe unten S. 92 – befragten 315 Kopftuchträgerinnen halten es für eine religiöse Pflicht, dass Musliminnen ein Kopftuch tragen, siehe Jessen/von Wilamowitz-Moellendorf (2006), 23. 201 Siehe zum Koran als schriftlicher Quelle „des Islam“ u. a. Khoury (2000), 37 ff.; Rohe (2001), 21. 202 Im Zusammenhang mit dem Kopftuch werden zudem häufig mitzitiert Sure 7, Vers 26; Sure 24 Vers 30; Sure 33, Vers 33 und 53. 203 Paret (2001), Sure 24 Vers 31 (Soweit die freie Übersetzung Parets zu weit von der wörtlichen Übersetzung abrückt, ist die wörtliche Übersetzung in Klammern wiedergegeben.) 204 Paret (2001), Sure 33, Vers 59.
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verweist, plausibel behaupten, dass das Tragen ihres Kopftuches glaubensgeleitet ist. Dem steht nicht entgegen, dass nicht alle Muslime und Musliminnen eine solche Pflicht anerkennen.206 Dem Staat ist es – soweit die Eröffnung des Schutzbereiches der Religionsfreiheit betroffen ist – verwehrt zu entscheiden, was die richtige Koranauslegung ist. Sofern das Kopftuchtragen glaubensgeleitet ist, liegt es im Schutzbereich der Religionsfreiheit. Verbietet der Staat einer Lehrerin, ein Kopftuch zu tragen, hindert er sie damit teilweise an der Ausübung ihrer Religionsfreiheit. Ein Kopftuchverbot führt deshalb zu einem Eingriff in die Religionsfreiheit der Lehrerin. 5. Zwischenergebnis Eine Muslimin kann plausibel darlegen, dass für sie das Kopftuchtragen religiös motiviert ist, denn es liegt innerhalb des zulässigen Interpretationsspektrums, aus dem Koran eine Kopftuchpflicht zu lesen. Für ihr Kopftuchtragen kann die Muslimin deshalb den Schutz der Religionsfreiheit in Anspruch nehmen.207 Dem steht nicht entgegen, dass die religiöse Handlung des Kopftuchtragens zugleich eine andere, beispielsweise politische Bedeutung haben kann. Es muss für die Eröffnung des Schutzbereiches auf das Selbstverständnis der 205 Vgl. Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (1998); Erklärung des Zentralrates der Muslime in Deutschland v. 14.7.1998, zit. in Alan/Steuten (1999), 212, wiederholt in Zentralrat der Muslime (2000); Ridvan Çakir, Vorsitzender der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, Ditib, im Interview in DIE ZEIT 3.6.2004; ebenso Interview in FAZ 8.2.2005 mit zwei Vertretern der Ditib. 206 Vgl. Khoury (2006), 529: „Nur unter großen interpretatorischen Bemühungen sind aus dem Koran oder den Prophetentraditionen Verschleierungsgebote abzuleiten“; vgl. zu unterschiedlichen Gründen für das Kopftuchtragen Heller/Moshabi (1997), 111; Oestreich (2004), 15 f. 207 Im Ergebnis bzgl. des Kopftuches einer Lehrerin ebenso VG Stuttgart, NVwZ 2000, 959; VG Lüneburg, NJW 2001, 767; VG Wiesbaden, NVwZ 1985, 137; VG Berlin, NVwZ 1990, 100; Bader (1998), 361; Böckenförde (2001), 724; Halfmann (2000), 863; Janz/Rademacher (1999), 710; Kästner (1999), 360; Kutscha (1999), 49; Mahrenholz (1998), 292 insb. Fn. 31; Muckel (2000), 9 f.; a. A. BayVGH, DÖV 2000, 559 ff.; kritisch dazu Janz/Rademacher (2001), 440 ff. In Bezug auf das Tragen islamischer Kleidung im koedukativem Sport- und Schwimmunterricht ebenso: BVerwGE 94, 82; OVG NRW, NVwZ 1992, 77 (78); OVG Bremen, InfAuslR 92, 269; OVG Lüneburg, NVwZ 1992, 79 (80). In Bezug auf den Anspruch einer Frau, mit Kopftuch für ihr Passbild abgelichtet zu werden: VG Wiesbaden, NVwZ 1985, 137 und 864 – Muslimin mit Kopftuch auf Passbild; ebenso VG Kassel Urt. v. Feb. 2004, Az: 3 G 1916/03; OVG Berlin v. 20.3.1991, Az 1 B 21.89 – Christin mit Kopftuch auf Passbild; a. A. VG Berlin, NVwZ 1990, 100; OVG Berlin, Verkehrsrechtliche Mitteilungen 1980, 31 – kein Anspruch der Christin, auf dem Passbild das Kopftuch zu tragen; sie habe die von ihr behauptete Glaubensüberzeugung nicht ausreichend glaubhaft gemacht; BayVGH, DÖV 2000, 559 – kein Anspruch von iranischen Asylbewerberinnen, ohne Kopftuch auf einem Passbild abgelichtet zu werden; kritisch gegenüber dem Beschluss Janz/Rademacher (2001), 440.
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Grundrechtsträgerin ankommen.208 Ein Verbot des Kopftuchtragens im öffentlichen Dienst führt zu einem Eingriff in die Religionsfreiheit einer Lehrerin. II. Schranken der Religionsfreiheit und Abwägung Die Religionsfreiheit der Lehrerin oder Lehramtsbewerberin kann eingeschränkt werden. Die Religionsfreiheit kann, wie zunächst gezeigt werden soll (1.), nur durch kollidierende Verfassungsgüter eingeschränkt werden. Zu einer Kollision mit anderen Verfassungsgütern kommt es nur, weil das Kopftuch nicht nur Kleidungsstück, sondern auch Symbol ist. Nur im Hinblick auf seinen Aussagegehalt kommt ein Eingriff in andere Grundrechte in Frage. Für die Prüfung der Schranken ist die rechtlich relevante Bedeutung des Kopftuch-Symbols entscheidend (2.). Unter Berücksichtigung dieser rechtlich relevanten Bedeutung soll untersucht werden, ob das Tragen des Kopftuches im Unterricht zu einem Eingriff in die Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen (3.), das religiöse Elternrecht (4.), zu einem Verstoß gegen das Neutralitätsgebot (5.), das Toleranzgebot (6.) oder den Verfassungsauftrag, Geschlechtergleichberechtigung durchzusetzen (7.), zu einem Eingriff in das Recht der Schüler und Schülerinnen auf Schutz vor geschlechtsspezifischer Diskriminierung (8.) oder zu einem Verstoß gegen den staatlichen Schulauftrag (9.) oder Art. 33 V GG i. V. mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (10.) führt. 1. Kein einfacher Gesetzesvorbehalt für die Religionsfreiheit Art. 4 I und II GG enthält zwar von seinem Wortlaut her weder verfassungsunmittelbare Schranken noch einen Gesetzesvorbehalt. Das BVerfG lässt aber Begrenzungen vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte aus Gründen der Einheit der Verfassung und der Wechselwirkung der Grundrechte mit den anderen Verfassungsgütern zu, allerdings nur für den Fall kollidierenden Verfassungsrechts.209 Eingeschränkt werden kann das Grundrecht der Religionsfreiheit demnach durch „mit Verfassungsrang ausgestattete Gemeinschaftsinteressen“ oder Grundrechte Dritter210, nicht aber durch gesetzgeberische Zwecke – auch wenn sie nicht willkürlich sind.211 Dagegen lesen Rechtsprechung und Literatur z. T. einen einfachen Gesetzesvorbehalt für die Religionsfreiheit aus dem Grundgesetz. Um einen Gesetzesvorbehalt für Art. 4 I, II GG zu begründen, werden un208
So auch Hufen (2004), 575. Vgl. BVerfGE 52, 223 (246 f.); 32, 98 (108); 28, 243 (261); ebenso statt vieler Halfmann (2000), 863; Pieroth/Schlink (2005), Rn. 260. 210 St. Rspr. vgl. BVerfGE 12, 1 (4); 33, 23 (30); 93, 1 (21); aus der Literatur vgl. Baer/Wrase (2003), 1164; Mahrenholz (1998), 294. 211 Böckenförde (2001), 724. 209
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terschiedliche Vorschläge gemacht: erstens die speziellen Schranken des Art. 5 II GG auf die Art. 4 I, II GG zu übertragen212, zweitens die Schranken des Art. 2 I GG auf Art. 4 I, II GG zu übertragen213, und drittens Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 I WRV als Schranke von Art. 4 GG zu erachten.214 Der Übertragung der Schranken aus Art. 5 II und Art. 2 I GG ist eindeutig zu widersprechen: Eine solche Übertragung würde die Differenzierungen des Grundgesetzes zwischen den einzelnen Grundrechten unterlaufen.215 Die Übertragung der verfassungsmäßigen Ordnung als Schranke würde Art. 4 GG unter einen zu weitgehenden Gesetzesvorbehalt stellen, da das BVerfG und die überwiegende Lehre die Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung extensiv im Sinne der verfassungsmäßigen Rechtsordnung auslegen. In diesem Sinne könnte dann jedes verfassungsmäßige Gesetz Art. 4 GG einschränken.216 Gegen die Anwendung des Sittengesetzes spricht, dass das BVerfG den in älteren Entscheidungen vertretenen Rahmen der „gewissen übereinstimmenden sittlichen Grundanschauungen der heutigen Kulturvölker“ für die Religionsfreiheit ausdrücklich aufgegeben hat.217 Der Frage, ob – wie teils vorgeschlagen worden ist – Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 I WRV eine gültige Schranke von Art. 4 GG darstellt, gebührt eine eingehende Betrachtung, weil das BVerwG Art. 4 GG durch Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 I WRV als beschränkt ansah und demzufolge das im Tierschutzgesetz verankerte grundsätzliche Schächtverbot als Schranke von Art. 4 I und II 212
So Herzog (1988), Art. 4 Rn. 89 ff.; Halfmann (2000), 863. Für die Übertragung der Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung: Herzog (1988), Art. 4 Rn. 114 ff.; Hess. StGH, NJW 1966, 31 (35). Für die Übertragung des Sittengesetzes: Herzog (1988), Art. 4 Rn. 117; Kluge (1992), 145 f. behauptet eine Übertragung des Sittengesetzes als Schranke auf Art. 4 GG, wohl um das Schächtverbot – vor der Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz – rechtfertigen zu können, weil „das ethische Postulat des Tierschutzes Ausfluss eines an die moralischen Anschauungen der Bevölkerung anknüpfenden Sittengesetzes sei“. Dagegen Lorz (1992), § 4a Rn. 18: Ein Schächtgebot ergebe sich nicht aus der übereinstimmenden sittlichen Grundanschauung der heutigen Kulturvölker. Eine Übereinstimmung dahingehend, dass rituelles betäubungsloses Schlachten eine unerträgliche Verletzung des Sittengesetzes enthalte, bestehe nicht einmal in Europa. 214 Fischer/Groß (2003), 937 halten die Meinung, die für Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 I WRV als geschriebene Schranke plädiert, für die inzwischen herrschende. Sie wird vertreten von Anger (2003), 258; Bock (1997), 471 f.; Jarass/Pieroth (2004), Art. 4 Rn. 31; noch v. Campenhausen (2001), § 136 Rn. 82 (a. A. aber v. Campenhausen (2005), Art. 136 WRV Rn. 6); Halfmann, NVwZ (2000), 863; Hillgruber (1999), 543; Kästner (1998), 982; Ehlers (2003), Art. 140 Rn. 4; Mager (2000), Art. 4 Rn. 48; Muckel (1997), 224 ff.; Goerlich (1999), 2932; ähnlich ders. (2001), 2862; Preuß (2001), Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 30; Starck (2005) Art. 4 Rn. 92; zuletzt wohl Zypries (2006), 7. 215 Vgl. BVerfGE 32, 98 (107); Alberts (1985), 93; Pieroth/Schlink (2005), Rn. 317; Baer/Wrase (2003), 1164. 216 Kokott (2003), Art. 4 Rn. 114. 217 BVerfGE 41, 29 (50) und siehe oben S. 59. 213
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GG gelten lassen konnte.218 Diese Argumentation war für das BVerwG notwendig, weil Tierschutz erst 2002 als Staatszielbestimmung und damit als Verfassungswert in Art. 20a GG aufgenommen wurde. Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 I WRV drückt aus, dass die privat- und öffentlich-rechtlichen Pflichten ungeachtet der Religion, der Weltanschauung und des Gewissens eingefordert und durchgesetzt werden dürfen. Die individuelle Religionsfreiheit wäre im Ergebnis nur im Rahmen der gesetzlich festgelegten staatsbürgerlichen Pflichten geschützt. Der in Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 I WRV enthaltene Vorbehalt wird z. T. als einfacher Gesetzesvorbehalt219, z. T. aber auch als qualifizierter Vorbehalt der allgemeinen Gesetze verstanden mit der Folge, dass alle Gesetze befolgt werden müssen, die sich nicht direkt gegen Glauben oder Religionsausübung wenden. Ein solches Verständnis ergibt sich in Anlehnung an die zu Art. 5 II GG vertretene Sonderrechtslehre.220 Auch Beamtengesetze könnten demnach, gestützt auf Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 I WRV, die Religionsfreiheit der Lehrerin beschränken, obwohl sie sich nur an einen beschränkten Personenkreis richten.221 Überwiegende Gründe sprechen aber gegen die Heranziehung von Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 I WRV als Schranke: Der Wortlaut des Art. 4 I und II GG spricht zunächst dafür, dass Art. 4 GG nicht unter Gesetzesvorbehalt steht. Auch die Entstehungsgeschichte des Art. 4 GG spricht eher dafür, dass Art. 4 GG nicht unter Rückgriff auf Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 I WRV begrenzt werden soll. Der ursprünglich angefügte Art. 4 II 2 GG („Die allgemeinen Gesetze bleiben [durch die Religionsausübung] unberührt.“) wurde nach längerer Diskussion gestrichen. Allerdings spricht diese historische Auslegung nicht zwingend gegen den Vorbehalt des Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 I WRV. Die Abgeordneten des Grundsatzausschusses des Parlamentarischen Rates gingen zum Teil von der Anwendbarkeit der Schrankentrias des Art. 2 GG auf die Religionsfreiheit aus. Diese konkludente Annahme eines Gesetzesvorbehalts könnte in der Inkorporation des Art. 136 I WRV zum Ausdruck gekommen sein.222 Eine systematische Betrachtung des Art. 4 GG und der inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung zeigt, dass der Verfassungsgeber Art. 4 GG aus dem Zusammenhang der Weimarer Kirchenartikel gelöst und in den Grundrechtskatalog aufgenommen hat. Das spricht dafür, Art. 4 GG neben den Weimarer Kirchenartikeln eine umfassend eigene Bedeutung zukommen zu lassen. Das BVerfG geht deshalb davon aus, Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 I WRV sei im Hinblick auf die nunmehr hervorgehobene Bedeutung der Religi218
BVerwG, NJW 2001, 1225 (1226 f.). Ehlers (2003), Art. 140 Rn. 4; Pieroth/Schlink (2005), Rn. 538. 220 Sarcevic (2000), 524; Muckel (1997), 230 ff.; Muckel (2001), Art. 4 Rn. 3 ff.; Rixen (2003), 1713; Anger (2003), 148 f. 221 Anger (2003), 258. 222 Vgl. Bock (1997), 469; Lanzerath (2003), 71 f. 219
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onsfreiheit von Art. 4 I, II GG überlagert.223 Welche staatsbürgerlichen Pflichten im Sinne des Art. 136 I WRV die Religionsfreiheit beschränken, könne sich daher nur aus den Werteentscheidungen des GG ergeben. Gegen eine derartige Überlagerung des Art. 136 WRV durch Art. 4 GG könnte zwar der Grundsatz der Einheit der Verfassung sprechen.224 Auch das BVerfG hat entschieden, dass die inkorporierten Bestimmungen der WRV mit dem GG ein organisches Ganzes bilden.225 Die Überlagerung durch Art. 4 GG führt aber dazu, dass Art. 136 I WRV praktisch bedeutungslos wird. Damit kommt eine wirksame Verfassungsnorm nicht zur Geltung. Auch das BVerfG erkennt andere Normen der Weimarer Kirchenartikel durchaus als Schranken des Art. 4 GG an. So sieht das BVerfG Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 III WRV, und damit das für alle geltende Gesetz, als Schranke des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften an.226 Ebenso hat das BVerfG einen Eingriff in die negative Religions- und Weltanschauungsfreiheit durch Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 III 2 WRV – danach haben Behörden unter bestimmten Umständen das Recht, die religiöse Überzeugung des Einzelnen zu erfragen – als gerechtfertigt angesehen.227 Allerdings würde die Heranziehung des Gesetzesvorbehalts aus Art. 136 I WRV auf Art. 4 GG zu einem systematischen Widerspruch führen. Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 I WRV bezieht sich nur auf die Religionsfreiheit, obwohl nach dem Wortlaut des Art. 4 I GG sowohl die Glaubens- wie auch die Gewissensfreiheit unverletzlich sind. Eine Rechtfertigung dafür, die Gewissensfreiheit anders als die Religionsfreiheit vorbehaltslos zu schützen, findet sich im Grundgesetz jedoch nicht.228 Es ist auch nicht zwingend, dass jede Bestimmung der Weimarer Kirchenartikel heute noch eine konstitutive Bedeutung hat. Diese Bestimmungen wurden bei der Schaffung des Grundgesetzes en bloc übernommen. Es ist daher naheliegend, dass bei dieser Lösung auch Überlagerungen durch andere Grundgesetzartikel in Kauf genommen wurden, um den gefundenen Kompromiss nicht zu gefährden. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass Art. 136 I WRV dem Wesen nach ein Diskriminierungsverbot statuiert. Niemand darf bei der Ausübung der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten wegen der Ausübung der Religionsfreiheit bevorzugt oder benachteiligt werden. Die Funktion des Art. 136 I WRV liegt demnach darin, den Schutz der Religionsfreiheit noch zu verstärken. Aus Art. 136 I WRV heute einen Gesetzesvorbehalt herzuleiten, liefe daher seinem Sinn und Zweck gerade zuwiderlaufen. Er diente nicht mehr der Sicherung religiöser Freiheit, sondern schränkte diese 223 BVerfGE 33, 23 (30 f.), v. Campenhausen (2005), Art. 136 WRV Rn. 6; a. A. BVerwGE 112, 227 (232 f.); anders aber wieder BVerwGE 112, 314 (317 f.). 224 So Muckel (1997), 228 f. 225 BVerfGE 53, 366 (400); 19, 226 (236). 226 BVerfGE 70, 138 (166 ff.). 227 BVerfGE 46, 266 (267). 228 Vgl. Morlok (2004), Art. 4 Rn. 112.
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vielmehr ein.229 Die Auslegung von Art. 4 GG und Art. 136 I WRV spricht demnach jedenfalls überwiegend gegen eine Heranziehung des Gesetzesvorbehalts aus Art. 136 I WRV. Letztlich entscheidend ist im Sinne der Überlagerungstheorie des BVerfG der hohe Rang der Religionsfreiheit im Katalog der Grundfreiheiten. Der Religionsfreiheit kommt wegen ihrer engen Beziehung zur Menschenwürde als oberstem Wert der Verfassung, ihrer Absicherung in mehreren Grundrechtsartikeln und der Betonung ihrer „Unverletzlichkeit“ eine besonders hohe Bedeutung zu.230 Es entspräche nicht diesem hohen Rang, wenn die Religionsfreiheit zur gesetzgeberischen Disposition gestellt würde. Zwar wird die Religionsfreiheit auch ohne Gesetzesvorbehalt dadurch geschwächt, dass die Zahl der Verfassungsgüter stark zugenommen hat, weil selbst nur aus dem bundesstaatlichen Charakter der Verfassung resultierende Kompetenzbestimmungen des Grundgesetzes zu verfassungsgeschützten Rechtsgütern erklärt werden.231 Dennoch ist die Religionsfreiheit weiterhin stärker geschützt, wenn sie nur durch kollidierende Verfassungsgüter eingeschränkt werden kann. Die Begründung eines Verfassungswertes verlangt bedeutend mehr argumentatorischen Aufwand als die Begründung eines politischen Zieles im Rahmen des Gesetzesvorbehalts. Gerade in Zeiten zunehmender religiöser Pluralisierung besteht die Gefahr, dass der Gesetzgeber möglicherweise konfliktträchtige Religionen aus politischen Gründen einschränkt, ohne dass dies zum Schutz anderer Verfassungswerte geschieht. Auch die Befürworter eines qualifizierten Gesetzesvorbehaltes erkennen zum Teil den hohen Rang der Religionsfreiheit an und verlangen, die allgemeinen Gesetze im Lichte des einzuschränkenden Art. 4 GG auszulegen. Nur so könne verhindert werden, dass die Glaubensfreiheit relativiert werde, indem vom einfachen Gesetzgeber festgelegte Zwecke zur Eingriffsrechtfertigung ausreichen.232 Eine solche richtige Forderung kann aber dogmatisch am besten berücksichtigt werden, indem Art. 4 GG gerade nicht unter einfachen Gesetzesvorbehalt, sondern nur in die Schranken kollidierender Verfassungsgüter gestellt wird. Art. 4 I und II GG kann demnach nur durch kollidierende Verfassungswerte beschränkt werden. 229 Vgl. Kokott (2003), Art. 4 Rn. 112; im Ergebnis ebenso Janz/Rademacher (1999), 709; Fischer/Groß (2003), 932 ff.; Magen (2002), Art. 140 Rn. 42 f.; Baer/ Wrase (2003), 1164; Heinig/Morlok (2003), 781; a. A. Bock (1997), 471. 230 Vgl. BVerfGE 35, 366 (376); 33, 23 (29); Anger (2003), 141, Jarass/Pieroth (2004), Art. 4 Rn. 4. 231 Vgl. BVerfGE 69, 1 (21 f.); 57, 70 (99); 28, 243 (261); OVG Hamburg, NVwZ 1994, 592 (594); zustimmend Ronellenfitsch (1999), 432; gegen den Verfassungsrang des Tierschutzes vor Einführung des Art. 20a GG BVerwGE 105, 73 (81); Mückl (2001), 105. Die Diskussion über den Verfassungsrang des Tierschutzes ist hinfällig, seitdem mit Gesetz v. 26.7.2002 Tierschutz als Staatszielbestimmung in Art. 20a GG aufgenommen wurde. Kritisch gegenüber der „Inflation von Verfassungsgütern“ Böckenförde (2001), 724; Mückl (2001), 105; Anger (2003), 140; Sacksofsky (2003), 3300. 232 Muckel (2001), Art. 4 Rn. 53.
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2. Kopftuch der Lehrerin als Symbol in der Schule Das Kopftuch kann als Symbol eine Bedeutung übermitteln [a)]. Wichtig ist zu untersuchen, welche möglichen Bedeutungen ein Kopftuch als Symbol haben kann [b)], wie die rechtlich relevante Bedeutung festgelegt wird [c)] und wie ein Kopftuch auf Schüler und Schülerinnen wirken kann [d)]. a) Symbolhaftigkeit des Kopftuches Pierre Bourdieu hat die Ambivalenz des Kopftuches als „Gegenstand“ und als „Symbol“ pointiert beschrieben: „Benennungen können unheilvolle Verwirrungen stiften: Islam, islamisch, islamistisch. Ist der Schleier nun islamisch oder islamistisch? Und wenn es sich einfach um ein Tuch handelte, mehr nicht?“233
Das Kopftuch kann aber nicht nur ein Tuch, sondern auch ein Symbol sein234: Symbole bezeichnen etwas. Sie gehören zu den Zeichentypen.235 Zeichen dürfen mit dem Gegenstand, der als Sinnträger dient, nicht gleichgesetzt werden.236 Das Wahrnehmbare – z. B. ein Schriftzeichen, ein Gegenstand, eine Farbe – verweist auf etwas nicht unmittelbar Wahrnehmbares – z. B. einen Gegenstand, eine Idee, die Zugehörigkeit zu einer Gruppe.237 Nach der Terminologie von Saussure verweist ein Zeichen als Signifikant auf ein Signifikat, das heißt auf eine Vorstellung von etwas, das außerhalb des Zeichens liegt.238 Symbole werden z. T. als Zeichen besonderer Art bezeichnet, um klarzustellen, dass sie eine vergleichsweise komplexe Botschaft mitteilen können.239 Die ursprüngliche Wortbedeutung von Symbol ist abgeleitet vom griechischen Verb symballein und bezeichnet das Erkennungszeichen, das zwischen zwei Parteien verwendet wurde, z. B. einen zerbrochenen Ring, um bei dem Wiedertreffen die Zusammengehörigkeit zu überprüfen.240 Im Prinzip eignet sich jeder Gegenstand zum Symbol. Kleidung, Haar- und Barttracht werden traditionell eine symbolhafte Bedeutung zugewiesen.241 Kleidung kann Informationen z. B. über 233
Bourdieu (1998), 25 f. A. A. z. B. Michael (2003), 257; Siemons (2003). 235 Vgl. Helle (1989), 714; Heckmann (1996), 881. 236 Vgl. Herberger/Simon (1980), 207 ff. 237 Helle (1989), 713; vgl. auch Marshall (1998), 657. 238 Vgl. de Saussure (1915/1967), 78 f.; ähnlich z. B. Herberger/Simon (1980), 210, die von Zeichen und Bedeutetem sprechen. 239 Helle (1989), 714. 240 Köhler (1998), 386. 241 Vgl. zum Symbolcharakter von Kleidung Brummer (2004), 39 ff.; zum geschlechtsspezifischen Kleidercode Lutz (1999), 48 f. und allgemein zur gesellschaftlichen Rolle von Kleidung König (1967), passim. 234
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die soziale Stellung, den Beruf oder auch die politischen und religiösen Auffassungen des Trägers vermitteln. Wie kaum ein anderes Kleidungsstück symbolisiert die Kopfbedeckung die Zugehörigkeit ihres Trägers. So wurde z. B. die phrygische Mütze zum Erkennungszeichen der Jakobiner in der Französischen Revolution und die deutschen Demokraten trugen bei der Revolution 1848 Zylinder mit schwarz-rot-goldenen Kokarden. Gerade für Religionsgemeinschaften hat Kleidung häufig Symbolcharakter. Das zeigen z. B. das katholische Priestergewand, die Mönchskutte oder das Ordensgewand der Nonnen. b) Mögliche Bedeutungen des Kopftuches Dem Symbol können unterschiedliche Bedeutungen zugewiesen werden. Symbole haben keinen eindeutigen und absoluten Sinngehalt.242 Die Person, die das Symbol verwendet, gibt mit dem Gegenstand für den Adressaten nur ein eher vages Deutungsangebot ab, das der Adressat annehmen oder auch ignorieren kann.243 In der Semiotik wird angenommen, dass im Rahmen der Kommunikation die Vorstellung des Senders (das Signifikat) bei diesem bleibt und vom Empfänger neu hinzugedacht werden muss, um den kommunizierten Signifikanten zum Zeichen zu machen. Dieser Vorgang führt dazu, dass die Vorstellung des Senders von der Vorstellung des Empfängers abweichen kann.244 Denkbar ist auch, dass eine Trägerin das Kopftuch ohne kommunikative Absicht, sondern nur als Kleidungsstück verwendet und der Betrachter das Kopftuch dennoch als Symbol versteht.245 Dem Kopftuch einer Muslimin werden in Deutschland von den Trägerinnen selbst und den Betrachtenden zahlreiche unterschiedliche Bedeutungen zugewiesen. Einige Kopftuchträgerinnen geben z. B. an, dass sie das Kopftuch nicht als Symbol, d.h. als nach außen gerichtete Aussage verstehen, sondern als Teil ihrer inneren religiösen Überzeugung und Befolgung einer religiösen Pflicht.246 Dagegen wird in der öffentlichen Diskussion mehrheitlich davon ausgegangen, dass Musliminnen mit dem Tragen eines Kopftuches ihre religiöse Zugehörigkeit demonstrieren.247 Theoretisch kann es eine unbegrenzte Anzahl unterschiedlicher Signifikate des Kopftuch-Zeichens geben. Die Rezeption des Zeichens verlangt aber ein gewisses Vorverständnis der Empfängerinnen und Empfänger.248 Dieses Vorverständnis wird geprägt von dem kulturellen Umfeld, in dem sich die Empfänge-
242 243 244 245 246 247 248
Helle (1989), 713. Helle (1989), 713. Vgl. z. B. Rafi (2004), 80; a. A. wohl de Saussure (1915/1967), 15. Vgl. Oebbecke (2003), 595. Vgl. z. B. Oestreich (2004), 46; VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2899). Z. B. Karakas¸og˘lu-Aydin (1998), 456; Klinkhammer (2000), 273 ff. Vgl. Rafi (2004), 81.
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rinnen befinden. Das Symbol entsteht und hat seine Verständlichkeit innerhalb einer sozialen Einheit.249 Nur in einem soziokulturellen Kontext repräsentiert es potentiell einen bestimmten Sinnzusammenhang.250 Nur wenn die möglichen Bedeutungen eines Zeichens innerhalb einer Interpretationsgemeinschaft überschaubar sind, ist überhaupt Kommunikation mit Hilfe dieses Zeichens möglich.251 Es ist anzunehmen, dass in Deutschland lebende Menschen eine „Interpretationsgemeinschaft“ bilden, deren Vorverständnis eines Symbols sich aufgrund von gemeinsamen kulturellen Erfahrungen und gemeinsamer Sozialisation ähnelt.252 Dieses gemeinsame kulturelle Umfeld der deutschen Bevölkerung legt bestimmte Deutungen des Kopftuches einer Lehrerin in Deutschland nahe. c) Rechtlich maßgebliche Bedeutung des Kopftuches einer Lehrerin Das Kopftuch kann nur dann zu einem Eingriff in die Grundrechte der Schüler bzw. Schülerinnen und zu einem Verstoß gegen Verfassungswerte führen, wenn die Betrachtenden es als Symbol wahrnehmen und ihm die Bedeutung zuschreiben, dass es auf den Islam oder das Christentum, Geschlechtertrennung im Islam oder eine fundamentalistische politische Haltung, nach der die Trennung von Staat und Religion aufgehoben werden soll, verweist. Nur wenn das Kopftuch als Symbol eine solche Bedeutung hat, kann es zu einer Rechtsverletzung führen. Diese Bedeutungen sind jedenfalls denkbar. Ebenso denkbar ist es aber, dass die Trägerinnen mit dem Kopftuch keine Aussage übermitteln wollen oder dass sie das Kopftuch als Zeichen weiblicher Emanzipation und Bereitschaft zur Integration trotz Andersartigkeit verstehen. Ob das Kopftuch der Lehrerin in der Schule als Symbol wahrgenommen und welche Bedeutung ihm zugeschrieben wird, hängt davon ab, auf wessen Sichtweise es ankommt. Diese Frage führt erneut zur Bedeutung von subjektiver und objektiver Sichtweise bei der Auslegung der Religionsfreiheit.253 Damit der Staat darüber entscheiden kann, ob eine Beamtin mit Kopftuch an staatlichen Schulen unterrichten darf, muss er wissen, welche Bedeutung des Kopftuches rechtlich maßgeblich ist. Deshalb soll im Folgenden diskutiert werden, wer über die symbolische Wirkung des Kopftuches urteilen darf (1) und nach welchen rechtlichen Regeln der staatliche Entscheidungsträger eine Bedeutung des Kopftuches festlegen muss (2).
249 250 251 252 253
Köhler 1998, 386. Helle (1989), 714. Vgl. Rafi (2004), 81; Herberger/Simon (1980), 209. Vgl. Rafi (2004), 81; Rühl (1998), 189. Vgl. zur subjektiven und objektiven Auslegung des Schutzbereiches oben S. 54 ff.
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(1) Wer stellt die Bedeutung des Kopftuches fest? Zuvor ist gezeigt worden, dass unterschiedliche Bedeutungen des Kopftuches existieren. Es kann deshalb zu einer Situation kommen, in der die Trägerin z. B. mit dem Kopftuch keine religiöse Aussage intendiert, die das Kopftuch betrachtenden Schüler und Schülerinnen es aber als Bekenntnis zum Islam verstehen. Ebenso können die Landesgesetzgeber, die nach dem Urteil des BVerfG die Schul- und Beamtengesetze reformiert haben, das Kopftuch als verfassungswidriges Symbol verstehen,254 obwohl die Trägerin selbst mit dem Kopftuch keinerlei Aussage verbindet, die in Widerspruch zum Grundgesetz steht. Deshalb muss entschieden werden, auf wessen Perspektive es ankommt. Erstens könnte die Perspektive der Kopftuchträgerin entscheidend sein. Dementsprechend wird in der Literatur z. T. vertreten, das muslimische Kopftuch verstoße nur dann gegen das Neutralitätsgebot oder das Verbot, den Schulfrieden zu gefährden, wenn seine Trägerin selbst damit Inhalte verbindet, die das Neutralitätsgebot oder den Schulfrieden gefährden können.255 Für diese Lösung spricht, dass das Gleichheitsrecht und die Freiheitsrechte eine Auslegung der Religionsfreiheit verlangen, die sich maßgeblich am Selbstverständnis des Grundrechtsträgers orientiert. Das gilt jedoch nur für den Schutzbereich der Religionsfreiheit. Eine religiöse Wirkung des Kopftuches betrifft aber die Schrankenebene. Auf der Schrankenebene kann nicht das Selbstverständnis des Grundrechtsträgers alleine darüber bestimmen, ob eine Handlung eine Belastung für einen anderen Verfassungswert ist.256 Auf der Schrankenebene geht es zum Beispiel um die grundgesetzlich geschützte Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen und um das Erziehungsrecht der Eltern. Dieser Schutzverpflichtung kann der Staat kaum gerecht werden, wenn er die Kopftuchträgerin alleine darüber bestimmen lässt, wie Schüler oder Schülerinnen ihr Kopftuch verstehen sollen.257 Zweitens könnte es allein auf die Perspektive der das Kopftuch betrachtenden Schüler oder Schülerinnen ankommen. Für diese Lösung sprechen dieselben dogmatischen Erwägungen, die für eine Berücksichtigung des Selbstverständnisses bei der Eröffnung des Schutzbereiches der Religionsfreiheit für die Lehrerin sprechen. Das Gleichheitsrecht und die Religionsfreiheit verlangen, dass die mit dem Kopftuch der Lehrerin konfrontierten Schülerinnen und Schüler selbst beurteilen können, ob das Kopftuch eine Aussage trifft, die sie in ihrer negativen 254 Vgl. z. B. die Begründung des reformierten baden-württembergischen Schulgesetzes, BW LT-Drs. 13/2793, 7. 255 So z. B. Rux (2004), 20 f. 256 Morlok (1993), 299, 311, 425, 434 f.; anders hinsichtlich der kollektiven Religionsfreiheit BVerfGE 53, 366 (401 f.); 42, 312 (334). 257 Vgl. Morlok (1993), 299, 311, 328, 424 f., 434 f., 401; Heinig/Morlok (2003), 779.
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Religionsfreiheit berührt. Nur so kann gewährleistet werden, dass Schülerinnen und Schüler mit ihren individuellen Glaubensüberzeugungen vom Recht gehört werden. Soweit es darum geht, ob in der symbolischen Aussage des Kopftuches ein Eingriff in die Religionsfreiheit eines Schülers oder einer Schülerin vorliegt, kann es deshalb allein auf das Verständnis der Schülerin oder des Schülers vom Kopftuch ankommen.258 Die Aussage, die ein Schüler oder eine Schülerin mit dem Kopftuch verbindet, muss aber plausibel erscheinen. Die Grundrechte schützen Schulkinder nicht vor eingebildeten Gefahren. Die Plausibilitätskontrolle verlangt eine staatliche Bewertung der Perspektive der Schülerin oder des Schülers. Drittens könnten Gesetzgeber, Schulbehörden oder Gerichte die Aussage festlegen, die das Kopftuch einer Lehrerin trifft.259 Gegen diese Lösung könnte sprechen, dass es dem Staat verwehrt ist, Religion zu bewerten. Einige Autorinnen behaupten, der Grundsatz religiös-weltanschaulicher Neutralität verwehre es den staatlichen Institutionen prinzipiell, den Glauben oder die Symbole einer Religionsgemeinschaft auf ihr Gefährdungspotential hin zu bewerten.260 So sei dem Staat z. B. die Bewertung des Kopftuches als „Symbol der Frauendiskriminierung im Islam“ kategorisch verwehrt, weil sie einen Glauben bewerte.261 Die Frau mit Kopftuch als individuelle Grundrechtsträgerin dürfe nicht in Sippenhaft genommen werden, ihr dürften z. B. nicht die extremen Strömungen des Islams zur Last gelegt werden.262 In diese Richtung gehend entschied das BVerfG im Lumpensammlerbeschluss, das Lumpensammeln eines katholischen Landjugendvereins sei Religionsausübung. Deshalb dürfe es – entgegen der Wertung eines kommerziellen Altkleiderhändlers – nicht als sittenwidrige Wettbewerbshandlung bewertet werden.263 Auch in diesem Urteil ging es darum, ob der Staat auf der Schrankenebene eine religiöse Handlung bewerten darf. Für eine staatliche Definitionsbefugnis auf der Schrankenebene spricht aber, dass auf der Schrankenebene weder das Selbstverständnis der Lehrerin mit Kopftuch noch das Selbstverständnis der mit dem Kopftuch konfrontierten Schülerinnen, Schüler und Eltern entscheidend sein kann.264 Der Staat muss 258
Vgl. Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 114. In diesem Sinne sprach z. B. das BVerfG mit der Senatsmehrheit im Kruzifixbeschluss dem Kreuzsymbol eine christlich-theologische Bedeutung zu, ohne dass es darauf ankam, wie der beschwerdeführende Schüler das Kruzifix wahrnahm, BVerfGE 93, 1 (19, 32). Dieses Vorgehen kritisiert die Mindermeinung in BVerfGE 93, 25 (32 f.). Sie setzt aber letztlich ihre eigene Auffassung von der Bedeutung des Kreuzsymbols anstelle der Auffassung des beschwerdeführenden Schülers. 260 Vgl. Baer/Wrase (2004). 261 Vgl. Michael (2003), 258; für die französische Diskussion vgl. Anger (2003), 161. 262 Vgl. Debus (1999), 440; Lyra (2002), 680; Mann (2004), 31. 263 BVerfGE 24, 236. 264 Ebenso BVerwG, JZ 2004, 1178 (1179). 259
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beim Konflikt kollidierender Grundrechte alle Grundrechtsträgerinnen gleich schützen. Wenn das Verständnis der Kopftuchträgerin vom Kopftuch vom dem einer Schülerin oder eines Schülers abweicht, fehlen Maßstäbe dafür, welches Verständnis der Staat vorziehen soll.265 Der staatliche Entscheidungsträger muss in dieser Situation ein eigenes Verständnis vom Kopftuch haben. Zudem könnte es notwendig sein, dass die Schulbehörde die Schülerinnen und Schüler gegen eine sich im Dienst befindliche Lehrerin mit Kopftuch vorbeugend schützt. Auch in diesem Fall müsste die Schulbehörde ein eigenes Verständnis des Kopftuches entwickeln, ohne dass sich bereits ein Schüler oder eine Schülerin gegen die Lehrerin mit Kopftuch auf seine Grundrechte und mithin sein Verständnis vom Kopftuch berufen hat. Wenn es um die Eignungsprüfung einer Lehramtsbewerberin geht, muss der staatliche Entscheidungsträger aus rechtlichen Gründen selbst entscheiden, welche Aussage das Kopftuch übermittelt. Das Kopftuch dieser Frau hat vor Beginn der Unterrichtstätigkeit noch keine Schülerinnen und Schüler als konkrete Betrachter, auf deren Horizont es ankommen könnte. Auf ein staatliches Verständnis des Kopftuches kommt es dann ausschließlich an, wenn in Frage steht, ob die Lehrerin mit dem Kopftuch eine Aussage übermittelt, die z. B. dem Erziehungsziel der Geschlechtergleichberechtigung widerspricht. Hier steht die Verletzung eines objektiven Verfassungswertes in Frage. Diese hängt nicht vom Selbstverständnis eines Schülers oder einer Schülerin ab. Hinsichtlich des Kopftuches als geschlechterspezifisches Symbol etabliert zudem Art. 3 II 2 GG ein Definitionsgebot: Der Staat muss erkennen, ob das Kopftuch eine Aussage trifft, die Frauen degradiert. Dabei muss er prüfen, ob das Kopftuch auf ein spezifisches Geschlechterverhältnis verweist und wie dieses Geschlechterverhältnis zu bewerten ist. Der staatliche Entscheidungsträger muss also eine eigene Entscheidung über die Bedeutung des Kopftuches treffen. Zu Recht hat das BVerfG deshalb in der Zeugen Jehovas- und in der Osho-Entscheidung den Lumpensammlerbeschluss revidiert. Das BVerfG stellte klar, dass auch der neutrale Staat nicht gehindert sei, das tatsächliche Verhalten einer religiösen oder weltanschaulichen Gruppierung oder das ihrer Mitglieder nach weltlichen Kriterien zu beurteilen, selbst wenn dieses Verhalten letztlich religiös motiviert sei. Nur die Regelung genuin religiöser oder weltanschaulicher Fragen, d.h. die parteiergreifende Einmischung in die Überzeugungen und Handlungen Einzelner oder religiöser und weltanschaulicher Gemeinschaften, seien dem Staat untersagt.266 Für die Bewertung einer Religionsgemeinschaft müsse es deshalb auf deren tatsächliches Verhalten ankommen.267 In die Bewertung 265
Vgl. Morlok (1993), 329, 423. BVerfGE 105, 279 (294); 102, 370 (394); 93, 1 (16); zustimmend zu BVerfGE 105, 279 (294) Cremer (2003), 748. 267 BVerfGE 102, 370 (397); ähnlich bzgl. der Jugendreligionen Müller-Volbehr (1985), 128. 266
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der Zeugen Jehovas durch den Staat dürfe nicht mit einfließen, dass die Zeugen Jehovas in ihren religiösen Lehren die Verfassungsordnung des Grundgesetzes als „Bestandteil der Welt Satans“ ansehen, wohl aber der Verdacht, dass bei den Zeugen Jehovas Prügelstrafe propagiert werde und dass austrittswillige Mitglieder „zwangsweise oder mit vom Grundgesetz missbilligten Mitteln“ in der Gemeinschaft gehalten werden.268 Art. 4 I GG schütze zudem gegen diskriminierende oder verfälschende Darstellungen einer religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaft.269 Der Staat darf also auf der Schrankenebene bestimmen, ob und welche Aussage das Kopftuch als Symbol übermittelt. (2) Bedeutungsfindung nach Plausibilitätskriterien Auch wenn der staatliche Entscheidungsträger bei der Festlegung, welche Aussage das Kopftuch übermittelt, eine Einschätzungsprärogative hat, darf er keine willkürlichen Feststellungen treffen. Der Staat muss, wenn er in Grundrechte eingreift, seine Entscheidung an überprüfbaren Kriterien ausrichten, um die Grundrechte der Lehrerin und die der Schülerinnen und Schüler nicht unzulässig zu verkürzen.270 Im Sinne eines Grundrechtsschutzes durch Verfahren271 müssen die objektivierbaren Elemente einer wertenden Entscheidung des Gesetzgebers überprüfbar sein. Insoweit ist der Beurteilungsspielraum eingeschränkt. Im Ludin-Urteil ging die Mehrheit des BVerfG davon aus, dass es für die Beurteilung der Frage, ob die Absicht einer Lehrerin, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zu tragen, einen Eignungsmangel begründe, auf den objektiven Empfängerhorizont ankomme.272 Das Abstellen auf den objektiven Empfängerhorizont ähnelt dem zivilrechtlichen Grundsatz, wonach bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen die objektive Erklärungsbedeutung entscheidend ist, falls kein übereinstimmender Wille vorliegt. Diese objektive bzw. normative Erklärungsbedeutung wird ermittelt, indem auf das Verständnis eines Verkehrsteilnehmers in der Situation des Erklärungsbetrachters, der die Verkehrssitte kennt und nach Treu und Glauben handelt, abgestellt wird.273 Zudem wird 268
BVerfGE 102, 370 (399). BVerfGE 105, 279 (292, 294): Die Warnung der Bundesregierung vor der OshoBewegung sei unzulässig, soweit die Osho-Gemeinschaft als destruktiv und pseudoreligiös bezeichnet worden sei. 270 Dagegen ging die Mindermeinung des BVerfG im Ludin-Urteil davon aus, vorbeugende Maßnahmen zum Schutze von Kindern und des elterlichen Erziehungsrechts bedürften grundsätzlich nicht des wissenschaftlich empirischen Nachweises einer Gefahrenlage, BVerfG, NJW 2003, 3111 (3119). 271 Vgl. Battis (2005a), 118. 272 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114); ebenso VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2903); OVG Lüneburg, NordÖR 2002, 259 (261); Ronellenfitsch (1999), 440. 273 Heinrichs (2007), § 133 Rn. 7 ff.; vgl. Battis/Bultmann (2004), 18 Fn. 51. 269
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vor allem im Zivilrecht auf die Figur des „gebildeten Durchschnittsmenschen“, des „verständigen Durchschnittgewerbetreibenden“ oder des „verständigen Verbrauchers“ abgestellt, um zu bestimmen, ob eine Regelung z. B. mit „Treu und Glauben“ oder mit den guten Sitten übereinstimmt.274 Letztlich bleibt aber offen, nach welcher Methode der objektive Empfängerhorizont zu bestimmen ist. Ebenso lässt das BVerfG im Fall Ludin offen, wie der Horizont einer objektiven Empfängerin des Kopftuches zu bestimmen ist. In der Literatur wird das Abstellen in rechtlichen Entscheidungen auf die objektive Betrachterin z. T. grundsätzlich kritisiert. Jutta Limbach zeigt auf, dass mit der Figur des verständigen Rechtsgenossen die wertende und beschreibende Komponente des richterlichen Erkenntnisvorgangs nicht rational vermittelt werden kann.275 Mit der Figur des verständigen Rechtsgenossen würde die Kommunikation über einen entscheidungsrelevanten Aspekt nicht eröffnet, sondern abgebrochen. Ziel dieser Figur sei der Ausschluss der Andersdenkenden.276 Limbach sieht im Richter selbst die Person, die Wertwidersprüche und Interessenkonflikte zu lösen habe.277 In ähnlicher Weise stellt Susanne Baer das Einbeziehen empirischer Daten in eine gerichtliche Entscheidung in Frage. Aus diesem Grund kritisiert sie das Vorgehen des VG Berlin in der Entscheidung über die Gaststättenerlaubnis für eine Bar, in der Anbahnungsgespräche zur Ausübung der Prostitution stattfinden.278 Das Gericht hatte zu der Frage, ob Prostitution sittenwidrig sei, umfangreich Behördenpraxis, Medienecho und Rechtspolitik sowie selbst eingeholte Stellungnahmen von Gewerkschaften, Kirchen und Institutionen aus Wirtschaft und Wissenschaft berücksichtigt. Trotz dieser umfangreichen Datensammlung bemängelt Baer das Vorgehen des Gerichtes. Das Grundgesetz verlange keine empirische, sondern eine normative Entscheidung über das zulässige Tun.279 Die Bedeutung des Kopftuches kann aber nicht rein normativ bestimmt werden, weil das Kopftuch erst dadurch, dass es betrachtet wird, zum Symbol wird. Der Staat muss für seine rechtliche Entscheidung die Sichtweise einer fingierten Betrachterin entwickeln. Für diese rechtlich konstruierte Sichtweise auf das Kopftuch muss der Staat empirische Tatsachen berücksichtigen, die er nach der Maßgabe des Grundgesetzes normativ wertet. Ein solches Vorgehen kann mit der Figur des objektiven Empfängers bezeichnet werden. Der Begriff ist allerdings wenig aussagekräftig, da er nichts darüber sagt, nach welcher Methode der Staat die rechtlich relevante Bedeutung des Kopftuches konstruiert. Der 274 275 276 277 278 279
Vgl. Limbach (1977), passim, insb. 91. Limbach (1977), 8. Limbach (1977), 93. Limbach (1977), 100. Baer (2001), 218 f. Baer (2001), 219.
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staatliche Entscheidungsträger soll die rechtlich relevante Bedeutung des Kopftuches konstruieren – so der Vorschlag dieser Arbeit – indem er aus der Menge der möglichen Bedeutungen280 die ausgewählt, die nach dem Vorverständnis der deutschen Interpretationsgemeinschaft plausibel erscheinen.281 Die Plausibilität einer Bedeutung als Entscheidungskriterium entspricht dem Willkürverbot des Grundgesetzes. In der Literatur wird dagegen z. T. vertreten, dass der Staat eine bestimmte Bedeutung eines religiösen Zeichens seinen Überlegungen nur dann zugrunde legen dürfe, wenn sie konsentiert sei. Bezüglich des Kopftuchs lägen diese Voraussetzungen aufgrund seiner Bedeutungsvielfalt und einer je nach Betrachter ganz unterschiedlichen Wahrnehmung nicht vor.282 Dem ist entgegenzuhalten, dass eine solche Anforderung sehr hoch ist. Es lässt sich kaum empirisch nachweisen, ob eine bestimmte Bedeutung konsentiert ist. Der Staat muss aber auch gegenüber Symbolen handlungsfähig sein, so dass die Anforderungen an die Bedeutungsfindung durch den Staat nicht zu hoch sein dürfen. Für die Erhebung plausibler Bedeutungen des Kopftuches kann es nicht ausschließlich auf die Auffassung der Mehrheit der deutschen Betrachterinnengemeinschaft ankommen.283 Da Grundrechte auch und gerade Minderheiten schützen, dürfen Mehrheitsauffassungen die Rechtsordnung nicht alleine prägen.284 Für die Erhebung plausibler Bedeutungen des Kopftuches muss es auf die über das Kopftuch in Deutschland geführte öffentliche285 und wissenschaftliche Diskussion ankommen. Dass dabei Mehrheitsmeinungen mehr als Minderheitenmeinungen berücksichtigt werden, lässt sich nicht vermeiden, weil Mehrheiten Diskussionen immer mehr prägen als Minderheiten. Im Rahmen der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion muss auch der sogenannte innerislamische Dialog über das Kopftuch berücksichtigt werden. Für diese Notwendigkeit sprechen erstens die Grundrechte der Kopftuchträgerinnen – die Aussage, die sie mit dem Kopftuch verbinden, muss auch auf der Schrankenebene vom Recht zumindest berücksichtigt werden. Zweitens spricht dafür, dass Muslime und Musliminnen auch relevante Betrachterinnen sind, weil sie als Schulkinder und Eltern muslimische Lehrerinnen mit Kopftuch wahrnehmen. Im Folgenden 280
Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114). In diese Richtung auch Vollrath (2005), 24 ff., insb. 72 ff. Er geht davon aus, dass Gerichte alle vorgetragenen Bedeutungsmöglichkeiten berücksichtigen müssen, für die Berücksichtigung einer vorgetragenen Bedeutung soll es auf deren Plausibilität ankommen. Nicht überzeugend ist allerdings seine Annahme – S. 66 f. – das BVerfG hätte im Kruzifixurteil auch die vom bayerischen Gesetzgeber hervorgebrachte alternative Symboldeutung berücksichtigen müssen. 282 Vgl. Anger (2005), 56. 283 So aber BVerwG, JZ 2004, 1178 (1179); a. A. wohl VG Stuttgart, ZBR 2007, 135. 284 Vgl. Baer (2001), 219. 285 Vgl. zu Versuchen einer Kategorisierung der öffentlichen Diskussion Berghahn (2000), 214 ff.; Alan/Steuten (1999), 209 ff.; vgl. allgemein zur Darstellung der öffentlichen Diskussion Oestreich (2004), passim. 281
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sollen durch eine kursorische Analyse der in Deutschland geführten wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion über das Kopftuch die plausiblen Bedeutungen des Kopftuches, die der Staat seiner rechtlichen Entscheidung zugrunde legen kann, festgestellt werden. (3) Plausible Bedeutungen des Kopftuches einer Lehrerin (a) Kopftuch als religiöses Symbol In der öffentlichen Diskussion wird ein Kopftuch als Symbol verstanden,286 das auf die muslimische Religionszugehörigkeit der Trägerin verweist.287 Eine solche Bedeutungszuweisung erscheint plausibel, weil in Deutschland gegenwärtig Kopftücher in Innenräumen fast nur von Musliminnen getragen werden. Zudem wird der Koran zum Teil so verstanden, dass er eine Kopftuchpflicht für Musliminnen begründe.288 Das Verständnis eines Kopftuches als Verweis auf die muslimische Religionszugehörigkeit der Trägerin ist allerdings nicht zwingend. Das Kopftuch ist ein vielfältig benutzbarer Gegenstand und nicht symbolischer Inbegriff des islamischen Glaubens.289 Nicht nur Musliminnen tragen Kopftücher, sondern ebenso Christinnen.290 Frauen tragen ein Kopftuch aus Gewohnheit, als Modeaccessoire à la Grace Kelly291 oder um einen durch Krankheit bedingten Haarausfall zu verbergen. Es erscheint aber plausibel, dass Betrachter Kopftücher, die aus Gründen muslimischen Glaubens getragen werden, von solchen differenzieren können, die aus anderen Gründen getragen werden. Aus modischen Gründen getragene Tücher, z. B. Piratentücher, ähneln den von Musliminnen getragenen Tüchern kaum.292 Der staatliche Entscheidungsträger kann deshalb grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Kopftuch auf den Islam verweist. Im Einzelfall muss der Dienstherr aber von dieser grundsätzlichen Bedeutung des Kopftuches abweichen293, wenn eine Beamtin das Kopftuch aus 286 Vgl. z. B. Kandel (2004), 7; vgl. Alan/Steuten (1999), 211 zur Darstellung der Positionen, nach denen das Kopftuch immer ein Symbol für etwas ist. 287 Vgl. Alan/Steuten (1999), 211; Kandel (2004), 8; Mückl (2001), 124: Im vorliegenden Kontext sei inzwischen jeder Schülerin und jedem Schüler in Deutschland deutlich, dass das Tragen des Kopftuches durch Musliminnen einen explizit religionsbezogenen Aussagegehalt aufweise; Rommelspacher (2002), 114. 288 Siehe oben S. 72. 289 Vgl. VG Stuttgart, NVwZ 2000, 959 (960); Oebbecke (2003), 600. 290 Siehe oben S. 25. Zur möglichen geschlechtsspezifischen Aussage des Kopftuches siehe unten S. 176 und 234. 291 Auch bei sehr vielen traditionellen Trachten waren und sind Kopftücher und Hauben ein fester Bestandteil der Kleidung, vgl. Drobinski (2003); Akkent/Franger (1987), 21 ff., 223 ff.; Meyer/Weil (1999), 76. 292 Vgl. z. B. BVerwG, JZ 2004, 1178 (1179): „Eine Lehrerin, die in der Schule ein so genanntes islamisches Kopftuch trägt [. . .]“; vgl. auch Battis/Bultmann (2004), 22. 293 Siehe unten S. 104.
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nichtreligiösen Gründen trägt, dies deutlich erkennbar ist oder sie dies gegenüber ihrer Schulklasse deutlich macht. (b) Kopftuch als geschlechtsspezifisches Symbol In der öffentlichen Diskussion sehen viele das Kopftuch als Zeichen für ein Geschlechterverhältnis, das von der Unterdrückung der Frau geprägt ist.294 Häufig wird auf Kopftuchzwang und die Beschneidung zahlreicher Rechte der Frauen z. B. im Iran oder in Saudi-Arabien verwiesen, wo die wahabitische Glaubensrichtung für eine nahezu völlige Aussperrung der Frau aus dem öffentlichen Leben sorgt.295 In der Presse wird über muslimische Kopftuchträgerinnen in Deutschland berichtet, die das Kopftuch nicht selbstbestimmt tragen, sondern bei einem Verzicht auf dieses Kleidungsstück mit Repressionen ihres Umfeldes rechnen müssten.296 Öffentlich äußern sich vor allem türkischstämmige Frauen gegen das Kopftuch: So sieht die Rechtsanwältin Seyran Ates¸ das Kopftuch als Teil einer Frauen unterdrückenden Geschlechterordnung. Sie zieht eine Verbindung zwischen dem Kopftuch und anderen männlichen Zwangshandlungen gegenüber Musliminnen.297 Sie behauptet, dass die Mehrzahl der türkischen und kurdischen Mädchen keine Erziehung erhalte, die auf ein selbstbestimmtes Leben abziele.298 Die Bundestagsabgeordneten Ekin Deligöz und Lale Akgün sprechen sich dafür aus, dass Musliminnen in Deutschland das Kopftuch ablegen sollen, weil es ein Symbol der Frauenunterdrückung sei.299 Diese Posi294 Vgl. nur Bertrams (2003), 1233; Thierse (2004), 35; siehe die Zusammenfassung der Argumente, nach denen das Kopftuch einen frauendiskriminierenden Gehalt hat, bei Alan/Steuten (1999), 211; zur Kritik an dieser Zuschreibung aus Sicht von Musliminnen vgl. u. a. Deutschsprachige Islamische Frauengemeinschaft (1996), 164 ff. 295 Vgl. für den Zusammenhang zwischen europäischen Kopftuchdiskussionen und der Rolle von Frauen in islamischen Ländern Lutz (1999), 46 ff. 296 Vgl. Schmid, Kreiszeitung Stuhr-Weyhe 13.8.2001 über eine 20-jährige Frau in Hamburg, deren Eltern sie dazu überredet haben, das Kopftuch zu tragen. Im Saarland berichtete eine Ministeriumsmitarbeiterin von einer jungen Sekretärin, die mit Kopftuch und langem Mantel zum Dienst erscheint, sich aber sofort in der Toilette umzieht und u. a. manchmal sogar Minirock trägt, vgl. Gräbner (2003). In Berlin war 1980 der Schulsenator besorgt darüber, dass türkische Mädchen in der Schule von schulfremdem Personen kontrolliert wurden, ob sie ein Kopftuch trugen, vgl. Brief des Schulsenators v. 11.7.1980, veröffentlicht in Schilfblatt Nr. 9, 99. Kritisch gegenüber der Vermutung, dass das Tragen des Kopftuches oft erzwungen wird John (2004): „Erklären Frauen, dass sie sich selbstbestimmt für das Kopftuch entschieden haben, werden sie belehrt: Das sei Einbildung, sie seien nur ferngesteuerte Marionetten der Islamisten.“ 297 Vgl. Ates (2004), 20; Ates: Zuerst das Kopftuch, dann der Tschador, dann die Burka?! Ein Protest gegen das Kopftuchurteil – Vortrag in der Evangelischen Akademie Bad Boll am 28.11.2003, zit. in Oestreich (2004), 101. 298 Ates (2004), 22. 299 Bild am Sonntag, 16.10.2006; vgl. auch Oestreich (2006). Zur Position von Lale Agkün für ein Kopftuchverbot im Lehramtsdienst siehe auch Agkün (2005), 60 ff.
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tionen werden von den Ausführungen der Sozialwissenschaftlerin Neclá Kelek unterstützt. Sie sieht junge Muslime und Musliminnen in einem türkisch-muslimischen Common Sense – betrachtet als gemeinsamer kultureller Nenner der türkischen Migrantinnen300 – gefangen.301 Junge Mädchen und Frauen würden das Kopftuch tragen, weil ihnen dies in Familie, Gemeinde und Koranschule so vorgelebt werde und sie so am ehesten den Erwartungen der Umma genügen könnten.302 Das Kopftuch sei keine persönliche Haltung der Mädchen, sondern Folge der reaktionäre Haltung der Männer: „Sie [die reaktionären Männer] schicken die Kinder mit Kopftüchern zur Schule, sie verweigern ihnen den Sportunterricht, die Teilnahme an Klassenreisen. Brüder setzen ihre Schwestern unter Druck, fühlen sich als die besseren Menschen und sind gewalttätig gegenüber ihren Frauen. Hier liegt das Problem. Die Apartheid gegenüber den Frauen wird von den Männern gelebt. Ihre Rolle scheint niemand in Frage zu stellen.“303
In der öffentlichen Diskussion werden aber keineswegs alle Musliminnen in Deutschland, die ein Kopftuch tragen, als unterdrückte Frauen angesehen. Sie werden vielmehr auch als selbstbewusste, emanzipierte Frauen erachtet.304 Die Presse berichtet darüber, dass Protagonistinnen der islamischen Frauenbewegung in Deutschland, wie Ulrike Thoenes, die ehemalige Grundschullehrerin und Frauenbeauftragte des Zentralrats der Muslime305, Erika Amina Theißen, die Leiterin des „Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen“ in Köln306, und Sebiha la Zayat, die Leiterin des „Zentrums für islamische Frauenforschung“307 in Köln, Kopftuch tragen.308 Auch ein Teil der wissenschaftlichen Diskussion verweist auf emanzipierte Musliminnen mit Kopftuch: Sozial- und Religionswissenschaftlerinnen wie Schirin Amir-Moazami309, Gritt
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Kelek (2002), 189 und 85 ff. Kelek (2006), 65. 302 Kelek (2006), 65. 303 Vgl. Kelek, Islam im deutschen Alltag, unveröffentlichtes Manuskript, zit. in Oestreich (2004), 101. 304 Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114); Ekardt (2005), 226; Häußler (1999), 35; vgl. zur vielschichtigen Situation muslimischer Kopftuchträgerinnen in Deutschland aus der Presse Imhof (2001); Rommelspacher (2002), 113 ff.; Kanis (2000); Schayani (2001); Gothe (2001); Amirpur (2000); Kaiser (1998). 305 Vgl. Kanis (2001). 306 Vgl. zur Beschreibung dieses Zentrums http://www.bfmf-koeln.de/bfmf/bfmf/ index.php, abgerufen am 6.12.2006 und Schayani (2001). 307 Vgl. zur Beschreibung dieses Zentrums dessen Homepage http://www.zif-koeln. de/index2.html, abgerufen am 6.12.2006. 308 Schayani (2001). 309 Amir-Moazami/Salvatore (2002), 32 ff.; ausführlicher Amir-Moazami (2006), passim; zur einschränkenden Kritik an dem Konzept der Neo-Muslima siehe aber AmirMoazami/Salvatore (2002a), 309 ff. 301
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Klinkhammer310, Yasemin Karakas¸og˘ lu-Aydin311 und Sigrid Nökel312 haben in qualitativen Untersuchungen einen neuen Typ von jungen „deutschsprachigen Muslimas“313, die Neo-Muslimas314, beobachtet. Elise Pape315 beschreibt in ihrer Arbeit zwar kein Konzept „neo-islamischer Weiblichkeit“, kommt aber zu ähnlichen Ergebnissen wie die zuvor zitierten Forscherinnen. Die Journalistin Heide Oestreich beschreibt und analysiert in ihrem Buch „Der Kopftuchstreit“ den Kopftuchdiskurs in Deutschland und tendiert zu dem Ergebnis, dass das Kopftuch in Deutschland mehrheitlich von Neo-Muslimas getragen wird.316 Nach den Erkenntnissen dieser Autorinnen verkörpern die Neo-Muslimas nicht „kulturelle Abgrenzung“ im Sinne von religiöser Traditionalität und weiblicher Unterordnung.317 Stattdessen haben die jungen Frauen das Kopftuch neu entdeckt und füllen es für sich mit Sinn. Es handelt sich um eine angeeignete Bedeutung. „Eine ungebrochene Übernahme der Elterntradition sei nirgends zu beobachten“, berichtet Klinkhammer.318 Das zeige sich schon am Kopftuch selbst: Es handele sich nicht um die hergebrachte Kopfbedeckung der Mütter, die den Haaransatz freilässt und unter dem Kinn geknotet wird, sondern um den sogenannten „türban“, welcher das gesamte Haar und auch die Schultern verhüllt.319 Das Kopftuch könne sogar – so Karakas¸og˘ lu-Aydin – eine Art „sanfte Revolution“ gegen die Eltern ausdrücken.320 Das Kopftuch erlaube ihnen, heute gesellschaftliche Positionen einzunehmen, die ihren Müttern in traditionellen Gesellschaften verschlossen waren.321 Viele der von Karakas¸og˘ lu-Aydin befragten Kopftuchträgerinnen würden das Kopftuch als „unverzichtbaren Bestandteil ihrer als modern begriffenen, neuen weiblichen, islamischen Identität“ verstehen.322 Auch einige derjenigen Musliminnen, die ihren Eltern in der Tradition 310
Klinkhammer (2000), passim. Karakas¸og˘lu-Aydin (2000), passim; Karakas¸og˘lu-Aydin (1998), 450 ff. Sie befragte 12 türkische Lehramts- und Pädagogik-Studentinnen zu ihrer muslimischen Lebensführung. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVerfG im Fall Ludin wurde sie als Sachverständige gehört. 312 Nökel (2002), passim. 313 Nökel (1999), 129. 314 Vgl. Nökel (1999), 129 ff. zum biographischen Profil der Neo-Muslimas. 315 Pape (2005), 81 ff.; 165. 316 Oestreich (2004), passim. 317 Vgl. u. a. Karakas ¸og˘lu-Aydin (1998), 457. Ähnlich analysiert auch die Sozialwissenschaftlerin Nilüfer Göle die Lebensführung junger muslimischer Frauen in der Türkei, vgl. Göle (1995), passim 318 Klinkhammer (2000), 266. 319 Karakas ¸og˘lu-Aydin (1998), 457. 320 Karakas ¸og˘lu-Aydin (1998), 466; ebenso Nökel (1999), 133. 321 Karakas ¸og˘lu-Aydin in der mündlichen Verhandlung vorm BVerfG, vgl. Rath (2003). 322 Vgl. Karakas ¸og˘lu-Aydin, zit. in Kandel (2004), 5; auch die von Pape interviewte 23 Jahre alte Muslimin aus Baden-Württemberg bezeichnet das Kopftuch als Teil ih311
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des Kopftuchtragens folgen, verbänden – so Nökel – eine persönliche Entwicklung damit: „Das Kopftuch und damit der Übergang in die Islamisierung werden übernommen und zur eigenen Sache gemacht. Die Mädchen übernehmen die Initiative und vertreten es in ihren sozialen Kontexten als Angelegenheit des Selbst und binden sich somit als Muslima neu ein.“323
Die interviewten Frauen betonten den Wunsch, berufstätig zu sein und am öffentlichen und gesellschaftlichen Geschehen teilzuhaben.324 Die Ergebnisse dieser qualitativen Studien werden bestätigt von einer 2006 veröffentlichten Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung.325 Im Rahmen dieser Studie wurden 315 türkischstämmige Frauen mit Kopftuch im Alter von 18–40 Jahren in Deutschland zu den Motiven zum Tragen des Kopftuches und nach ihren Einstellungen zur Familie, zum Islam und zur gewünschten Staatsform befragt.326 Von den Befragten hielten es z. B. 94% für wichtig, dass in einer Ehe auch die Frau ihre beruflichen Wünsche erfüllen könne, und 81% waren der Meinung, dass es in Haushalt und Familie keine prinzipiellen Unterschiede zwischen Männern und Frauen geben solle.327 Der Einfluss männlicher Familienmitglieder auf die Entscheidung, das Kopftuch zu tragen, schlussfolgern die Forscher, spiele eine untergeordnete Rolle.328 Die Annahme, das Kopftuch stehe für die Unterdrückung der Frau, sehen sie nicht als belegt an.329 Die öffentliche und wissenschaftliche Diskussion zeigt also hinsichtlich einer geschlechtsspezifischen Bedeutung des Kopftuches ein diffuses Bild. Einerseits zeigen alle hier dargestellten Forschungsarbeiten ein Bild von jungen Musliminnen auf, die das Kopftuch selbstbestimmt tragen, Erfolg im Beruf und Gleichberechtigung in Ehe und Familie wollen. Die Untersuchungen lassen aber offen, ob die Mehrzahl muslimischer Kopftuchträgerinnen diesem Typus Frau entspricht.330 Bei den zitierten qualitativen Forschungsarbeiten handelt es sich um Fallstudien, die nicht repräsentativ sind.331 Auch die Studie der KonradAdenauer-Stiftung ist nicht repräsentativ. Die Aussagen dieser Studie seien darer Identität, vgl. Pape (2005), 113; siehe unten S. 133 zu Untersuchungen über muslimische Identität in Deutschland. 323 Nökel (2002), 109. 324 Pape (2005), 165. 325 Jessen/von Wilamowitz-Moellendorf (2006), passim. 326 Vgl. zum Forschungsansatz der Studie Jessen/von Wilamowitz-Moellendorf (2006), 12 ff. 327 Vgl. Jessen/von Wilamowitz-Moellendorf (2006), 34. 328 Vgl. Jessen/von Wilamowitz-Moellendorf (2006), 41. 329 Vgl. Jessen/von Wilamowitz-Moellendorf (2006), 41. 330 Nökel (1999), 144 Anm. 6 betont ausdrücklich, dass es ihr nicht darum gehe, das Bild vom „unterdrückten islamischen Mädchen“ ins Gegenteil zu verkehren, sondern darauf hinzuweisen, dass es auch die von ihr beschriebenen anderen Musliminnen gebe.
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her – so die Forscher selbst – im streng statistischen Sinn nicht ohne weiteres auf alle Kopftuch tragenden Musliminnen zu übertragen. Die Forscher gehen dennoch davon aus, dass die Ergebnisse weit über den befragten Personenkreis hinaus gelten.332 Jedenfalls zeigen diese Untersuchungen, dass einige Musliminnen das Kopftuch als Teil eines selbstbestimmten, auf persönliches Fortkommen gerichteten Lebensentwurfes tragen. Andererseits zeigt Seyran Ates¸ auf, dass es ein muslimisches Milieu gibt, in dem Frauen unterdrückt werden, und bringt das Kopftuch mit dieser Unterdrückung in Verbindung. Für Ates¸’ Position spricht, dass in Deutschland Musliminnen auch von Zwangsheiraten333 und Ehrenmorden334 betroffen sind. Allerdings existieren – so weit mir ersichtlich – keine Untersuchungen darüber, welcher Zusammenhang zwischen dem Kopftuch und diesen Gewaltakten gegenüber Frauen besteht. Relevanter für die geschlechtsspezifische Bedeutung des Kopftuches ist die Position von Kelek. Sie stellt in Frage, ob die jungen Kopftuchträgerinnen überhaupt selbstbestimmt handeln könnten. Für diese Position spricht, dass auch die Forscher in der KonradAdenauer-Studie davon ausgehen, dass die von ihnen befragten Frauen in einem Umfeld sozialisiert worden sind, in dem alle Frauen ein Kopftuch tragen, so dass mit Sicherheit ein hoher normativer Druck vorliege.335 Allerdings schwächt Kelek ihre Position selbst dadurch, dass sie in der Veröffentlichung ihrer empirischen Studie zur Religiosität von Schülern und Schülerinnen türkischer Herkunft in Hamburg den türkisch-muslimischen Common Sense für junge Menschen zunächst nicht als belastend interpretiert hat.336 Als Ergebnis dieser Untersuchung stellt sie dar, dass die türkischen Migrantinnenjugendlichen sich im Rahmen des von ihnen erfahrenen türkisch-islamischen Common 331 Vgl. Oestreich (2004), 138. Oestreich stellt die Repräsentativität der Studien in Frage, weil Karakas¸og˘lu-Aydin nur Studentinnen befragt habe – kritisch gegenüber dieser Studie deshalb auch Pape (2005), 61 – und Klinkhammer und Nökel ihre Gesprächspartnerinnen vor allem in Moscheevereinen und muslimischen Frauennetzwerken wie Huda oder einem muslimischen Studentinnenverband gesucht hätten. Befragt worden seien also – so vermutet Oestreich – junge Frauen, die gerne über sich und ihren Glauben auch in der Öffentlichkeit reden wollten. Junge Frauen, die sich in einem starken Konflikt befänden, was das Einhalten dieser Regeln angehe, so Oestreich weiter, hätten an solchen Interviews nicht teilgenommen. 332 Vgl. Jessen/von Wilamowitz-Moellendorf (2006), 13. Die Erstellung einer repräsentativen Studie sei – so die Forscher – bei dieser Personengruppe nicht möglich, da die Bedingungen zur Ziehung einer Zufallsauswahl nicht vorlägen. Zur Kritik an der Verallgemeinerbarkeit der Studie und auch an den Schlussfolgerungen der Forscher siehe Kiefer (2006). 333 Vgl. zu Zwangsheiraten unter Türken in Deutschland Kelek (2005), passim; Kahlweit (2005). 334 Vgl. zu „Ehrenmorden“ an türkischen Frauen in Deutschland 2005 u. a. Lau (2005). 335 Jessen/von Wilamowitz-Moellendorf (2006), 41. 336 Kelek (2002), passim. Kelek hat 45 Interviews mit Mädchen und Jungen zwischen 14 und 17 Jahren an einer Gesamtschule in Hamburg durchgeführt, vgl. Kelek (2002), 101.
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Sense orientieren. In diesem Common Sense würden sie sich – so Kelek – aufgehoben fühlen und erst dadurch würden sie in der Moderne handlungsfähig.337 Für die Symbolaussage des Kopftuches einer Lehrerin ist jedenfalls entscheidend, dass gerade bei Lehrerinnen mit Kopftuch der Anteil derjenigen Frauen überwiegen dürfte, die das Kopftuch selbstbestimmt und selbstbewusst tragen. Hier handelt es sich um Frauen, die eine akademische Ausbildung durchlaufen haben und nun einen verantwortungsvollen Beruf ergreifen wollen. Diese Frauen wollen ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und machen sich so ökonomisch von ihren Familien und ggf. von ihren Ehemännern unabhängig. Insofern ist das Kopftuch einer Lehrerin sicher kein eindeutiges Symbol für einen Zwang zum Tragen des Tuches und für ein Leben, in dem eine Frau keine Möglichkeit hat, eigene Entscheidungen zu treffen.338 Das Kopftuch verweist aber jedenfalls eindeutig auf die Eigenschaft der Trägerin als Frau. Nur Frauen tragen das Kopftuch. Das wird auch von Kopftuchträgerinnen selbst so gesehen: „[Das Kopftuch] steigert mein Gefühl, Frau zu sein, erinnert mich daran, dass ich eine Frau bin“, so eine von Karakas¸og˘ luAydin interviewte Muslimin.339 Damit zeigt das Kopftuch zugleich die Trennung der Geschlechter in der islamisch geprägten Gesellschaftsordnung an.340 Zwar wohnt das Konzept der Geschlechtertrennung dem Islam nicht zwingend inne. Einige Feministinnen aus muslimisch geprägten Ländern interpretieren den Koran zum Beispiel so, dass er eine Gleichberechtigung der Geschlechter in allen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Funktionen einschließlich der Übernahme der Regierungsgewalt verlange.341 Das Kopftuch lässt sich aber in eine solche Auslegung des Islam schlecht integrieren, es verweist immer auf Geschlechtertrennung.342 Diese Geschlechtertrennung führt zu unterschiedlichen Rollen für Männer und Frauen. Insbesondere geht mit der Geschlechtertrennung eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung einher.343 Diese Differenz der Geschlechter wird unterschiedlich bewertet: Muslimische Feministinnen344 versuchen das islamische Recht im Sinne einer Gleichwertigkeit der Geschlechter auszulegen.345 So legen die Frauen des „Zentrums für islamische 337
Kelek (2002), 190. Ebenso u. a. Pape (2005), 165. 339 Karakas ¸og˘lu-Aydin (1998) 460. 340 Vgl. Oestreich (2004), 146; Nadine Weibel, Par-delà le voile, 2000, 75, zit. in Pape (2005), 67; vgl. zur Geschlechtertrennung im politischen Islam in der Türkei Seufert (1997), 415 ff. 341 Vgl. Rohe (2001), 57 ff. Zur Darstellung der Positionen von Feministinnen aus den säkularen und links orientierten Befreiungsbewegungen wie Fatima Mernissi, Riffat Hassan, Khalida Messaouidi oder Nawal El-Sadaawi siehe Oestreich (2004), 24. 342 Vgl. Oestreich (2004), 147. 343 Vgl. für den politischen Islam in der Türkei Seufert (1997), 420, 435. 344 Siehe zur islamischen feministischen Theologie z. B. Erbakan (2005), 57 ff. 338
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Frauenforschung“ in Köln346 den Koran so aus, dass er eine gleiche Würde von Frau und Mann vorgibt. Die beiden Geschlechter seien hinsichtlich ihrer Wertigkeit als Menschen und als Muslime gleich. Doch hätten sie verschiedene, sich gegenseitig ergänzende Aufgabenbereiche, aus denen sich unterschiedliche Rechte und Pflichten ergäben. Innerhalb der Großfamilie komme der Frau eine hochrespektierte Rolle als Ehefrau und Mutter zu.347 Auch die Neo-Muslimas gehen von einer durch den Islam begründeten Gleichwertigkeit der Geschlechter aus.348 Sozialwissenschaftlerinnen betonen, dass die mit der islamischen Kleidung gezeigte besonders intensive Religiosität nicht automatisch mit einer konservativen oder dogmatischen Weltsicht einhergehe.349 Die Neuaneignung des Islam bei den Neo-Muslimas führe vielmehr zu einer kritischen Revision der islamischen Traditionen.350 Das Tragen des Kopftuchs werde sogar zur Abwehr traditioneller Anforderungen an die weibliche Rolle genutzt – so Klinkhammer. Mit der Verhüllung erwürben die Frauen „eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber den traditionellen bzw. islamistischen Männern; man könnte sagen: durch die Einsetzung einer ,höheren‘ Autorität – der des Islam bzw. der persönlichen Beziehung zu Allah [. . .] – verschaffen sie sich eine Instanz zum Schutz vor einer vermeintlichen Autorität muslimischer Männer gegenüber den Frauen.“351
Als Teil der Neuaneignung des Islam reformulierten die „neuen Musliminnen“ das Geschlechterverhältnis.352 Sie forderten eine Gleichbehandlung der Geschlechter ein, z. B. das Recht, außerhäusig zu arbeiten.353 Das Kopftuch signalisiere, dass die Musliminnen sich nicht auf den Privatraum zurückziehen, sondern in der öffentlichen Sphäre mitmischen würden.354 Diese Musliminnen würden an einer Enthierarchisierung der Geschlechterbeziehungen arbeiten.355 Überzeugender ist es aber, das Konzept der Geschlechtertrennung, das den Hintergrund für das Kopftuchtragen bildet, als Hierarchie zu verstehen, in der Männer das dominierende Geschlecht sind. Diese Annahme wird zum Teil begründet durch die Ergebnisse der Forschungsarbeiten zu Neo-Muslimas. Ursula 345 Vgl. Oestreich (2004), 24; BT-Drs. 14/4530, 78. Ausdruck der Gleichwertigkeit der Geschlechter ist auch die „Kairoer-Erklärung der Menschenrechte im Islam“ von 1990. Die Erklärung legt fest, dass die Frau dem Mann „in ihrer menschlichen Würde gleichgestellt“ sei und „Rechte und Pflichten“ habe. 346 Siehe oben S. 90. 347 Vgl. Oestreich (2004), 152 f.; Rohe (2001), 49 f.; Imhof (2001). 348 Vgl. Oestreich (2004), 146. 349 Karakas ¸og˘lu-Aydin (2003), 277. 350 Vgl. z. B. Klein-Hessling/Nökel/Werner (1999), 23 f. 351 Klinkhammer (2000a), 278. 352 Oestreich (2004), 146. 353 Vgl. Oestreich (2004), 147. 354 Vgl. Oestreich (2004), 142. 355 Vgl. Nökel (2002), 28; 213 ff.; Weibel (2000), 95–100, zit. in Pape (2005), 63.
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Mihciyazgan geht von einer patriarchalen Überformung des Segregationsgedankens aus. Die Annahme, dass Frauen einen größeren Reiz als Männer ausübten und deshalb besonders sorgfältig zu verhüllen seien, lasse letztlich dem männlichen Begehren den Vortritt.356 Die jungen Kopftuch tragenden Frauen gehen zum Teil selbst von einer solchen Hierarchie aus. So ist nach der Untersuchung von Pape das Geschlechterbild Kopftuch tragender Frauen teilweise geprägt von großem weiblichem Selbstbewusstsein, teilweise aber auch von einer männerzentrierten Geschlechterkonstruktion.357 Die von Amir-Moazami in Berlin interviewten jungen muslimischen Frauen drückten zwar überwiegend ihren Wunsch aus, autonom zu sein, indem sie sich einem Beruf oder einer nicht nur auf die private Sphäre begrenzten Aktivität hingeben. In ihren eigenen Familien seien sie jedoch nicht immer frei, ihre Rollen und Positionen zu wählen.358 Oestreich kommt zu dem Schluss, dass die Neo-Muslimas die Tatsache, dass Allah den Männern laut Koran eine Vorrangstellung eingeräumt habe, respektierten.359 Die Musliminnen gingen aber davon aus, dass ein guter Muslim von seinen Vorrechten wie der Polygamie oder dem Züchtigungsrecht keinen Gebrauch machen werde.360 Nökel macht unterschiedliche Beobachtungen. Die Aussagen einer von ihr interviewten 24-jährigen, zum Studium nach Deutschland gekommenen Marokkanerin deutet sie als normative Rückbindung an eine Geschlechterhierarchie.361 Diese Frau sieht u. a. den laut Koran mit mehr „Vorzügen“ ausgestatteten Mann in der Pflicht, seine Ehefrau zu schützen.362 Bei den Frauen der zweiten Einwanderergeneration bemerkt Nökel eine weitgehende Absenz einer ideologischen Debatte über die Frage der Geschlechterhierarchie. Der Schwerpunkte liege auf dem Islam einerseits und auf dem Aufbau der islamischen Persönlichkeit in der Diaspora andererseits.363 Diese Frauen diskutierten, welche Rechte und Möglichkeiten ihnen in der Ehe zustehen, und sähen aber letztlich darüber hinweg, dass „die Frau eine Stufe unter dem Mann stehe und dass ihm ein Mehr an Rechten zustehe“.364 356
Vgl. Mihciyazgan, wiedergegeben in Oestreich (2004), 142. Pape (2005), 165. 358 Amir-Moazami/Salvatore (2002), 32 ff. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt das Zentrum für Türkeistudien, das 1995 30 türkische Frauen zu Emanzipation und Migration befragte, Zentrum für Türkeistudien (1995), 90. Die überwiegende Mehrheit der Gesprächsteilnehmerinnen schätzte zwar ihren Beruf als sehr wichtigen Faktor in ihrem Leben ein, lehnten sich jedoch nicht gegen die Rollenaufteilung in der Familie auf, die auch der berufstätigen Frau die Erledigung des gesamten Haushaltes und die unter den Umständen der Berufstätigkeit besonders belastende Erziehung der Kinder zuschreibe. 359 Oestreich (2004), 147. 360 Oestreich (2004), 147. 361 Nökel (2002), 245. 362 Nökel (2002), 245 f. 363 Nökel (2002), 248. 364 Nökel (2002), 249. 357
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Für ein Verständnis der Geschlechtertrennung als Geschlechterhierarchie spricht vor allem, dass die Kopftuchträgerinnen sich auf den Koran beziehen, der an vielen Stellen den Mann über die Frau stellt.365 Die zum Teil aus dem Koran gelesene Kopftuchpflicht selbst ist Folge der männlichen Vorrangstellung. Die Soziologin Ursula Mihiciyazgan schreibt, dass der Frau im muslimisch geprägten Konzept der Geschlechtertrennung eine sexuelle Anziehungsund Verführungskraft zugesprochen werde, die den Mann in seiner Vernunft beeinträchtige und damit letztlich auch die Ordnung der Gesellschaft gefährde. Deshalb müsse die Frau ihre sexuellen Reize verhüllen.366 Tragen die Musliminnen das Kopftuch als Folge einer solchen Pflicht zur Verhüllung,367 ist es plausibel zu vermuten, dass sie diese nur an Frauen gerichtete Verhaltenspflicht, die den Mann schützen soll, akzeptieren. Einige Sozialwissenschaftler zeigen sehr deutlich die im Islam angelegte männliche Dominanz, die sich auch im Kopftuch symbolisiert, auf. So legt Günter Seufert für den „politischen Islam“368 in der Türkei dar, dass das Verstecken der Weiblichkeit der Stützung der männerdominierten Ordnung diene.369 Die Verhüllung symbolisiere die Entschlossenheit der Frau, den Platz, der ihr zugewiesen werde, nämlich zu einem Mann zu gehören, nicht zu verlassen.370 Die soziale Verwebung der Gemeinschaft geschehe über die Kontrolle der Frau.371 Diese Verwobenheit des Verhaltens der Frauen mit der Herrschaft der Männer werde nur selten zum Thema gemacht.372 Das Verständnis der Geschlechtertrennung im Islam als Geschlechterhierarchie mit männlicher Dominanz wird unterstützt von Arbeiten in der Kultur- und Rechtswissenschaft, nach denen zum Teil Geschlechterdifferenz grundsätzlich in Frage gestellt wird, weil sie gegenwärtig männliche Dominanz begründe. So schreibt Judith Lorber in ihrem 2005 erschienenen Buch „Breaking the bowls“, dass Geschlecht als soziale Konstruktion Menschen in zwei sich ergänzende, aber ungleiche Gruppen einteile – Frauen und Männer. Diese Zweiteilung schaffe ein komplexes hierarchisches System von Dominanz und Unterordnung.373 Lorber geht davon aus, dass gegenwärtig diese Einteilung zwischen 365 Siehe z. B. Sure 4, Vers 34; vgl. Heller/Mosbahi (1997), 115; Mihciyazgan (1989), 48; Loenen (2002), 426: „Islamic family law is based on a patriarchal view of society, [. . .]“; Oestreich (2004), 147. 366 Vgl. Mihciyazgan (1989), 48; ähnlich Lutz (1989), 59; Mernissi (1987), 30; Oestreich (2004), 141 ff. 367 97% der im Rahmen der Konrad-Adenauer-Studie befragten 315 Kopftuchträgerinnen halten es für eine religiöse Pflicht, dass Musliminnen ein Kopftuch tragen, siehe Jessen/von Wilamowitz-Moellendorf (2006), 23; zur Kopftuchpflicht siehe des Weiteren oben S. 72. 368 So der Begriff Seuferts, vgl. Seufert (1997), passim. 369 Seufert (1997), 428. 370 Seufert (1997), 426. 371 Seufert (1997), 427. 372 Seufert (1997), 424. 373 Lorber (2005), xi, 15.
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Frauen und Männern zu einer männlichen Dominanz führe.374 Z. B. sei „Männerarbeit“ angesehener und besser bezahlt als die Arbeit von Frauen. Kindererziehung und Hausarbeit seien unbezahlte Arbeit von Frauen.375 Eine solche männliche Dominanz ist nach Lorber aber nicht zwingende Folge der Geschlechterdifferenz. Sie zeigt aber auf, dass die Dominanz der Männer über Frauen im Laufe der Geschichte und in unterschiedlichen Gesellschaften nicht immer dieselbe gewesen sei. Geschlecht sei vielmehr unterschiedlich konstruiert worden.376 Susanne Baer vertritt in ihrer 1995 erschienen Arbeit zur angemessenen grundrechtlichen Konzeption von Recht gegen Diskriminierung, dass die Rolle „Frau“ derart konstitutiv mit ihrer Benachteiligung verbunden sei, dass sie ohne diese nicht zu retten sei.377 Weiblichkeit sei in einer geschlechtshierarchischen Gesellschaft männlich definiert.378 Die Frauenrolle würde mit Natur und Sexualität in eins gesetzt.379 In ähnlicher Weise legt Christina von Braun für die drei Buchreligionen Islam, Christentum und Judentum dar, dass deren Geschlechterkonzept der abendländischen, spätestens mit Platon begründeten Vorstellung entspreche, dass Geist und Materie als Gegensätze zu betrachten seien und der Geist den Körper zu beherrschen habe. Während der Geist männlich konnotiert sei, sei der Körper weiblich konnotiert. Das Männliche werde so zur Kraft, die über die gesellschaftliche Ordnung bestimme.380 Für das Kopftuch führen die bisherigen Überlegungen zu folgendem Ergebnis: Das Kopftuch einer Lehrerin steht nicht per se für einen unmittelbaren Zwang, dem die Trägerinnen ausgesetzt sind, oder dafür, dass sie nicht selbst über ihr Leben bestimmen dürfen. Die Annahme, dass das Kopftuch ein Symbol für die Unterdrückung der Frau ist, ist also gegenwärtig nicht plausibel. Gerade Lehrerinnen mit Kopftuch sind Frauen, die einen Beruf ergriffen haben und damit ihr Leben zumindest im gewissen Maße selbstständig gestalten. Das Kopftuch verweist aber eindeutig auf eine islamische Gesellschaftsordnung, in der die Geschlechter getrennt sind. Diese Geschlechtertrennung führt in den existierenden muslimischen Gesellschaften – und zwar auch innerhalb der muslimisch geprägten deutschen Bevölkerung – zu Geschlechterhierarchie mit männlicher Dominanz. Damit ist es plausibel anzunehmen, dass das Kopftuch
374
Lorber (2005), insb. 152; ähnlich MacKinnon (1989), 215 ff., insb. 234. Lorber (2005), insb. 6. 376 Lorber (2005), 18. 377 Baer (1995), 223, 225. 378 Baer (1995), 224. 379 Baer (1995), 224. 380 Vgl. von Braun (1999), 34 ff./insb. 38. Ähnlich der libanesische Dichter Adonis, vgl. Revue ,Detours d’écriture‘ Spezial-Nr. ,Adonis‘, 1. Trimester 1992, 45 (47), zit. in Heller/Mosbahi (1997), 111. Er sieht das Phänomen der Verschleierung der Frau in der arabisch-muslimischen Gesellschaft als Ausdruck davon, dass der Islam dem Abstrakten einen höheren Wert beimesse. 375
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derzeit auf Geschlechtertrennung und damit verbundene männliche Dominanz verweist. Zu beachten ist, dass die Bedeutung eines Symbols immer kontextabhängig ist, so dass sich auch die Bedeutung des Kopftuches wandeln kann. Wenn Musliminnen in Zukunft in Deutschland das Kopftuch wieder verstärkt als Folge männlicher Fremdbestimmung und weniger als Zeichen ihrer selbstbestimmten Identität tragen, ist denkbar, dass es plausibel ist, das Kopftuch als Zeichen für die Unterdrückung der Frau zu verstehen. (c) Kopftuch als politisches Symbol In der öffentlichen Diskussion wird das Kopftuch z. T. als politisches Symbol bezeichnet.381 Ihm werden dabei vor allem zwei politische Bedeutungen zugesprochen: Zum einen sei das Kopftuch ein Zeichen mangelnder Integrationsbereitschaft, zum anderen ein Indiz für fundamentalistische Ansichten.382 Grundsätzlich ist es denkbar, dass Frauen eine Kopfbedeckung als Zeichen einer bestimmten politischen (Protest-)Haltung tragen und diese Haltung vom Betrachter erkannt wird. So zeigten z. B. Studentinnen während der iranischen Revolution mit dem Kopftuch ihren Proteste gegen den westlich orientierten Schah383, Frauen im algerischen Befreiungskampf griffen zum schwarzen Umhang als Zeichen des Protestes gegen die französische Kolonialherrschaft384 und gegenwärtig tragen manche Palästinenserinnen einen langen, taillierten dunklen Mantel, um gegen die herrschenden Verhältnisse zu protestieren.385 In Deutschland wird das Kopftuch häufig als Symbol gesellschaftlicher Desintegration oder kultureller Abgrenzung betrachtet.386 Es gilt den Befürwortern dieser These als Indiz für ein Festhalten an den Traditionen der Herkunftsgesellschaft und die Befürwortung sozial abgeschotteter muslimischer Parallelgesellschaften. Der Wunsch, den Kopf zu bedecken, wird daher als mangelnde soziale Eingliederungs- oder besser Anpassungsbereitschaft gewertet.387 Diese Sichtweise ist jedoch gerade bei Kopftuch tragenden Lehrerinnen nicht plausibel. Schließlich erbringen diese oft erhebliche Integrationsleistungen, indem sie oft erst die deutsche Sprache erlernen mussten, das deutsche Ausbildungssystem
381
Vgl. Gasser (2005), 79; Schavan (2004), 5. Vgl. Bertrams (2003), 1232 f.; Gasser (2005), 79; Schwarzer (2006); für Battis/ Bultmann (2004a), 584 rechtfertigt das Kopftuch Zweifel an der Verfassungstreue. 383 Vgl. Rommelspacher (1999). 384 Vgl. Walther (2005), 658. 385 Vgl. Walther (2005), 658. 386 Vgl. zur Darstellung dieser Position Alan/Steuten (1999), 211; BW Kultusministerium (1998), 3 f. 387 Vgl. nur Kästner (1999), 369; Bader (1998), 365; wohl auch Schavan (2004), 5; a. A. Lanzerath (2003), 102; darstellend BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114); BVerwG, JZ 2004, 1178 (1179); Alan/Steuten (1999), 211. 382
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durchlaufen haben und nun bereit sind, sich beruflich bei der Ausbildung der Kinder dieser Gesellschaft zu engagieren. Schwieriger ist zu beantworten, ob es plausibel ist, das Kopftuch als Symbol für eine fundamentalistische Weltanschauung388 zu werten. Teilweise wird vertreten, Islam und Scharia seien generell nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.389 Es lässt sich aber kaum von „dem Islam“ und demnach auch nicht von „den Muslimen“ sprechen. Die unterschiedlichen Interpretationen des Korans führten vielmehr zur Herausbildung unterschiedlicher muslimischer Rechtsschulen.390 Zwar leben in Deutschland durchaus Muslime und Musliminnen, die aufgrund ihres Glaubens Auffassungen vertreten, die nicht mit dem Grundgesetz kompatibel sind. Zu solchen Positionen zählen insbesondere das Streben, eine Theokratie einzurichten und demnach den Staat der Religion unterzuordnen391, die Auffassung, die Frau sei dem Mann untertan392, die Befürwortung der Körperstrafen des koranischen Strafrechts393, der Gewalt gegen Abtrünnige394 und des „Heiligen Kriegs“395. Über diese problematischen Punkte des 388 So soll § 38 II 2 BWSchG laut Gesetzesbegründung verhindern, dass unter dem Vorwand religiöser oder ähnlicher Motivationen den Grundwerten der Verfassung widersprechende Haltungen Schülern und Schülerinnen bzw. deren Eltern als empfehlenswert nahe gebracht werden. Das Tragen eines Kopftuches sei unzulässig, weil zumindest ein Teil seiner Befürworter mit ihm sowohl eine mindere Stellung der Frau in Gesellschaft, Staat und Familie, die mit Art. 1 und Art. 3 II, III GG unvereinbar sei, als auch eine fundamentalistische kämpferische Stellungnahme für ein theokratisches Staatswesen entgegen den Grundwerten des Art. 20 GG verbinde, LT BW, Drs. 13/ 2793, 7; ähnlich die Begründung des reformierten bay. SchulG, LT Bay, Drs. 15/368, 4. Zur Darstellung dieser negativen Bedeutungszuschreibung siehe Alan/Steuten (1999), 211; Mahrenholz (1998), 290. 389 Zu Ansichten mangelnder Übereinstimmung von Scharia und Grundgesetz in der Literatur siehe u. a. Hillgruber (1999), 547: Der einem anderen Kulturkreis entstammende Islam, jedenfalls in seiner heute dominanten radikalen Ausrichtung, in der er sich auch in Deutschland überwiegend organisiert habe, lasse sich nicht in unseren säkularen, freiheitlichen, demokratischen Verfassungsstaat einfügen. Heckel (1999), 742: Einige der Muslime in Deutschland stammten aus den ländlichen Gebieten der Türkei, des Balkans und Nordafrikas; ihnen seien die Erfahrungen konfessioneller Koexistenz, Parität und Toleranz weitgehend fremd geblieben. Bielefeldt (2003), 94 ff., insb. 95 f., geht von wesentlichen Unterschieden zwischen Grundgesetz und Scharia aus. 390 Siehe oben S. 71. 391 Zur Darstellung dieser Position vgl. u. a. Johansen (1986), 12; zu den Ausführungen des Korans zum Verhältnis von Staat und Religion Johansen (1986), 14; zum Verhältnis von Staat und Religion im sunnitischen Islam Johansen (1986), 52, 57. 392 Zum muslimischen Geschlechterverhältnis siehe oben S. 89. 393 Vgl. Rohe (2001), 43 f.; Muckel (2001a), 63. 394 Zur Todesstrafe für den Abfall vom Glauben, der Apostasie, vgl. Johansen (1986), 17; Rohe (2001), 48; vgl. zum Verstoß von privater Gewalt gegen Glaubensabtrünnige gegen die bundesdeutsche Rechtsordnung Häußler (2000), 258; Muckel (2001a), 63. 395 Vgl. zum Heiligen Krieg und dem Streit um dessen Inhalt u. a. Johansen (1986), 19; Khoury (2006a), 273 ff.; Rohe (2001), 45.
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muslimischen Rechts wird jedoch ein innermuslimischer Diskurs geführt, in dem von Gelehrten auch verfassungskonforme Auslegungen vertreten werden.396 Zudem verstehen einige muslimische Rechtsgelehrte das islamische Recht so, dass ein Muslim sich den Gesetzen seines nichtmuslimischen Gaststaates unterwerfen muss, wenn er die unerlässlichen Vorschriften des Islams dort einhalten kann.397 Der Zentralrat der Muslime e. V. postuliert in der 2002 veröffentlichten Islamcharta eine solche Unterwerfung unter deutsche Gesetze.398 Muslimische Gelehrte haben zudem begonnen, einen deutschen bzw. europäischen Islam zu entwickeln, bei dem es sich um einen Islam in einer von der deutschen Rechtsordnung geschützten, aber auch geforderten Ausprägung handeln soll.399 Die Bundesregierung geht davon aus, dass die große Mehrzahl der in Deutschland lebenden Muslime die grundgesetzliche Ordnung akzeptiert.400 Die muslimischen Organisationen, die am meisten Muslime in Deutschland vertreten401, Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, „Ditib“402, Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V. (ZMD) und Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e. V. (IR), haben sich jedenfalls ausdrücklich zum Grundgesetz bekannt.403 Keinesfalls kann pauschal davon ausgegangen werden, 396 Vgl. zu muslimischen Stimmen zum säkularem Rechtsstaat Bielefeldt (2003), 59 ff.; ähnlich Rohe (2001), 30. Zur Praxis muslimisch geprägter Staaten im Verhältnis von Religion und Staat: BT-Drs. 14/4530, 72 f. 397 Rohe (2001), 86 f.; BT-Drs. 14/4530, 72; zur Polarität zwischen dem „Haus des Islam“ und der feindlichen Umwelt, dem „Haus des Krieges“ siehe Johansen (1986), 19. 398 Islamische Charta des Zentralrats der Muslime in Deutschland e. V. von Februar 2002 – Grundsatzerklärung des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) zur Beziehung der Muslime zum Staat und zur Gesellschaft; http://islam.de/3035.php? &highlight=islamische %20Charta#islamische %20Charta, abgerufen am 27.7.2005, 18.30 Uhr; vgl. auch Johansen (1986), 52: Ein Großteil der in Deutschland lebenden Muslime akzeptiere die Trennung zwischen Staat und Religion. 399 Vgl. Rohe (2001), 209 ff.; Landmann (2005), 572. 400 Vgl. BMI (2003), 162; BT-Drs. 14/4530, 72 f.; ähnlich Bielefeldt (2003), 82; Johansen (1986), 52, 54: Ein Großteil der in Deutschland lebenden Muslime akzeptiere die Trennung zwischen Staat und Religion. 401 Muslime in Deutschland sind in verschiedenen Vereinen organisiert, die in drei Dachverbänden zusammengefasst sind, und zwar dem Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V. (ZMD), dem „Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland/Islamischer Weltkongress Deutschland (alt-preußischer Tradition) e. V.“ und dem islamischen Konzil in Deutschland. In diesen Dachverbänden ist jeweils eine Vielzahl von muslimischen Vereinigungen zusammengefasst, die etwa 309.000, das heißt ca. 10 % der Muslime in Deutschland, repräsentieren, vgl. BT-Drs. 14/4530, 11. 402 „Ditib“ vertrat 2005 laut eigener Angabe 72 % der Muslime in Deutschland, siehe Kusicke/Lerch (2005). 403 Vgl. Bekir Alboga, Beauftragter der „Ditib“ für den interreligiösen Dialog im Interview mit Kusicke/Lerch (2005): „Wir legen allergrößten Wert darauf, daß man hier den moderaten Islam praktiziert gemäß der Verfassung [. . .]“. Siehe Satzung des Islamrates, zit. in BT-Drs. 14/4530, 70; Islamcharta des Zentralrats der Muslime in Deutschland e. V., siehe oben S. 101 Fn. 398.
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dass Muslime nicht in den demokratischen Rechtsstaat integriert werden können.404 Es ist daher nicht plausibel, einer Lehrerin, die ein Kopftuch trägt und dem islamischen Glauben angehört, schon deshalb eine verfassungsfeindliche Einstellung zu unterstellen. Das Kopftuch kann zwar Ausdruck einer fundamentalistischen Haltung sein, wenn die Lehrerin einer fundamentalistischen muslimischen Glaubensrichtung angehört. Es ist aber nicht plausibel, einer Lehrerin nur wegen des Kopftuches die Zugehörigkeit zu einer solchen Glaubensrichtung zu unterstellen: Zwar existieren auch in Deutschland muslimische Organisationen, die der Verfassungsschutz als fundamentalistisch bzw. islamistisch einstuft. Als islamischer Fundamentalismus (auch Islamismus) wird eine politische Bewegung innerhalb der islamischen Welt bezeichnet, die auf die Errichtung eines islamischen Staatswesens und die Einführung der Scharia (islamisches Recht) abzielt. Das angestrebte theokratische Gesellschaftssystem, das die Unterordnung von Politik und Recht unter die Gesetze der Religion impliziert, steht in unauflösbarem Widerspruch zu den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie der Volkssouveränität, dem Gleichheitsgrundsatz, dem Mehrheitsprinzip oder dem Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition.405 Insbesondere der zahlenmäßig großen Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e. V. (IGMG)406 werden islamistische Tendenzen unterstellt, aus denen ihre verfassungsfeindliche Haltung resultieren soll.407 Seit Aufhebung des Privilegs für religiöse Vereine im Vereinsgesetz wurden bereits mehrere islamistische Vereinigungen verboten, z. B. der Kölner Kalifatstaat408 und der deutsche Zweig der weltweit aktiven Vereinigung Hizb-ut-Tahrir409. Zwar haben die Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer, Joachim Müller und Helmut Schröder in einer empirischen Studie 1997 unter türkischen Jugendlichen ein erhebliches Ausmaß an islamzentriertem Überlegenheitsanspruch und religiös fundierter Gewaltbe404 Zur Kritik an den pauschal islamkritischen Positionen vgl. u. a. Karakas ¸og˘lu-Aydin (1999), 72. Vgl. für eine grundsätzliche Integrierbarkeit von Muslimen in die deutsche Demokratie Rohe (2000); Leggewie (2004), 20 ff. 405 BMI (2004), 186. 406 Zur Beobachtung der IGMG durch den Verfassungsschutz, siehe BT-Drs. 14/ 4530, 66; BMI (2003), 162 ff. und 187 ff. 2003 hatte die IGMG ca. 26.500 Mitglieder, BMI (2003), 163. Zur Kritik an der IGMG in der Presse siehe u. a. Seidel (2000); Beucker (2001). 407 Vgl. zu Islamisten in Deutschland BT-Drs. 14/4530, 66 ff. und aus der Presse u. a. Terkessidis (2004); Ramelsberger (2001 und 2001a); Brumlik (2000); Seidel (2000); vgl. zu Islamismus weltweit u. a. Sabra (2004); Bax (2001); Lüders (2000). 408 Das Verbot bestätigte BVerfG, NJW 2004, 47 ff. Das OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2000, Az. VI 11/99 verurteilte Metin Kaplan, den Kalifatstaatsführer, zu einer vierjährigen Haftstrafe wegen des Aufrufs zum Mord an dem Gegenkalifen, Halil Ibrahim Sofu. Dieser war 1997 von Unbekannten ermordet worden, Meier (2000). Zum Kalifatstaat siehe BT-Drs. 14/1530, 67, 71; Schiffauer (2000), passim. 409 Siehe BMI (2003a).
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reitschaft registriert.410 Diese mögliche fundamentalistische Tendenz schlägt sich aber jedenfalls nicht in den Zahlen der Mitglieder bei islamistischen Gruppen nieder. Laut dem Verfassungsschutzbericht 2004 schlossen sich nur etwa ein Prozent der hier lebenden Muslime und Musliminnen islamistischen Gruppen an.411 Vermutlich sind also auch nur die wenigsten Kopftuch tragenden Musliminnen Mitglied einer islamistischen Organisation, auch wenn Fereshta Ludin in der Presse vorgewurfen wurde, mit der türkisch-extremistischen Organisation Milli Görüs zu sympathisieren.412 Von den im Rahmen der KonradAdenauer-Studie befragten 315 Kopftuchträgerinnen erklärten ca. 90 %, dass sie eine vom Volk gewählte Regierung wünschen.413 Teilweise wird vertreten, dass das Tragen des Kopftuchs in staatlichen Institutionen in zahlreichen Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung und Ländern mit signifikanten muslimischen Minderheiten in Europa zum Kampfprogramm von islamistischen Kräften geworden sei. Es wird argumentiert, islamische Organisationen, die von Musliminnen das Tragen des Kopftuches fordern, könnten sich durch die Zulassung des Kopftuchs an öffentlichen Schulen bestärkt fühlen und die Lehrerin mit Kopftuch sei eine Etappe zur Eroberung islamisierter Räume oder trage zur Verbreitung eines fundamentalistischen Islam in Deutschland und Mitteleuropa bei.414 Aus diesem Grund sprachen sich in Deutschland 2004 in einem öffentlichen Aufruf 60 Akademikerinnen mit Migrationshintergrund für ein Kopftuchverbot in der Schule aus.415 Damit solle den Islamisten ein deutliches Zeichen gesetzt werden, damit sie nicht den erweiterten Raum im öffentlichen Leben nutzen, um ihre antidemokratischen, antisemitischen und frauenfeindlichen Positionen durchzusetzen. Immerhin erscheint es so, als ob die Fundamentalisten die jungen „neuen“ muslimischen Kopftuchträgerinnen vereinnahmen, indem sie sich zu deren Fürsprechern machen und das Kopftuchverbot kritisieren.416 Eine solche Verein-
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Heitmeyer/Müller/Schröder (1997), 183. BMI (2004), 186. 412 Z. B. von Schwarzer (2003), 88 ff. 413 Siehe Jessen/von Wilamowitz-Moellendorf (2006), 39. 414 Schwarzer (2005), 32. 415 Vgl. „Für Neutralität in der Schule“, taz 14.2.2004. Auf der Diskussionsveranstaltung der PDS-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus am 5.3.2004 sprachen sich Safter Cinar, der Sprecher des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg, Evrim Baba, die türkischstämmige PDS-Abgeordnete, und der Türkische Frauenverein Berlin e.V für ein Kopftuchverbot aus. Die in Ankara geborene Sanem Kleff, die den Bundesausschuss für multikulturelle Angelegenheiten in der GEW leitet, sprach sich für eine Säkularisierung der Schule aus, Oestreich (2004), 98 f.; Kleff (2003). Vgl. aus der Vielzahl der Einzelstimmen für ein Kopftuchverbot: Aziz (2003). 416 Vgl. Djavann (2004): „Ihre [die jungen Mädchen mit Kopftuch in Frankreich] Demonstrationen sind von Männern eskortiert. Ohne deren Erlaubnis dürfen sie nicht sprechen.“ Auf die Frage „Was sagen Sie den jungen Frauen, die für das Recht auf 411
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nahmung durch die muslimischen Fundamentalisten kann aber nicht den muslimischen Kopftuchträgerinnen zur Last gelegt werden, die als Beamtinnen im Lehramtsdienst tätig sind. Das BVerfG sah Fereshta Ludin jedenfalls nicht durch das Kopftuch daran gehindert, ihre Pflicht zur Verfassungstreue zu erfüllen.417 Es ist demnach gegenwärtig weder plausibel anzunehmen, dass das Kopftuch immer auf eine fundamentalistische Haltung der Trägerin verweist, noch dass es per se auf mangelnden Integrationswillen hindeutet. Auch insoweit ist die Kontextabhängigkeit der Symbolbedeutung zu beachten.418 Denkbar ist, dass in Zukunft Musliminnen, die das Kopftuch tragen, zunehmend islamistischen Organisationen angehören und das Kopftuch als Ausdruck ihrer islamistischen grundgesetzwidrigen Haltung einsetzen werden. In diesem Fall wäre die Annahme plausibel, dass das Kopftuch für eine fundamentalistische und damit verfassungsfeindliche Weltanschauung seiner Trägerin steht. (4) Widerlegen der plausiblen Bedeutung im Einzelfall Es ist plausibel, dass das Kopftuch auf den muslimischen Glauben der Trägerin und auf ein spezielles Verständnis der Geschlechterrollen hinweist. Der Staat kann diese Bedeutungen des Kopftuches also einer gesetzlichen Regelung von Kleidungsvorschriften für Beamtinnen zugrundelegen. Eine nicht plausible Bedeutung des Kopftuches – zum Beispiel derart, dass das Kopftuch in der Regel ein Symbol für mangelnden Integrationswillen oder für fundamentalistische Ansichten sei – darf der Gesetzgeber seinen gesetzlichen Regelungen dagegen nicht zugrunde legen. Die grundsätzliche Feststellung plausibler Bedeutungen des Kopftuches ermöglicht dem Gesetzgeber, gesetzliche Regelungen zum Schutz bestimmter Verfassungsgüter zu treffen, die die Religionsfreiheit der Lehrerin einschränken. Diese Feststellungen dürfen für den Dienstherrn der Lehrerin aber keine absolute Bindungswirkung haben. Vielmehr muss gesetzlich sichergestellt sein, dass sie im Konfliktfall zumindest die Chance hat, die von ihr intendierte Bedeutung des Kopftuches vorzutragen und zu belegen. Auch auf der Schrankenebene muss das Selbstverständnis der Gläubigen mitberücksichtigt werden. Es würde ihre aus der Menschenwürde rührende Subjektstellung in Frage stellen, wenn sie sich ausschließlich eine von anderen definierte Bedeutung des Kopftuches entgegenhalten lassen müsste.419 Die Einzelfallprüfung entspricht zuKopftuchtragen demonstrieren?“, antwortet sie: „Manche sind von Islamisten manipuliert worden.“ 417 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3115). 418 Siehe oben S. 99. 419 Vgl. Debus (2001), 1356; ähnlich Zuck (1999), 2949; wohl auch Oebbecke (2003), 603.
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gleich dem Grundsatz der Einzelfallprüfung im Beamtenrecht.420 Zudem entfaltet das Kopftuch die rechtlich relevante Bedeutung und Wirkung nicht aus sich heraus, sondern erst im Zusammenhang mit der Frau, die es trägt.421 Der Dienstherr muss sich bei der Beurteilung, ob eine Lehrerin die plausible Bedeutung des Kopftuches im Einzelfall widerlegen kann, an Fallgruppen orientieren können, damit seine Entscheidung praktikabel ist.422 Es ist zu erwarten, dass die meisten Schulkinder nur dem Kopftuch einer Lehrerin, die aus muslimischen Gründen ein Kopftuch trägt, eine muslimische Bedeutung zuweisen. Eine solche Lehrerin wird i. d. R. auch – und zwar selbst im Sommer – ihren ganzen Körper bedecken und auch im Übrigen ihre muslimische Religionszugehörigkeit zu Erkennen geben, z. B. wenn sie auf Nachfragen nach Gründen für ihr Kopftuch auf ihren muslimischen Glauben verweist. In dem vergleichbaren Fall der Sanyasin-Lehrer entschied der BayVGH und ihm folgend das BVerwG deshalb zu Recht, dass Lehrer rote Kleidung tragen können, solange sie dies ausschließlich aus Geschmacksgründen tun.423 Sie argumentierten, dass nur ein Sanyasin-Lehrer die Frage der Schüler und Schülerinnen nach dem Grund der Kleidung so beantworte, dass er diese religiös beeinflussen könne.424 Eine Lehrerin mit Kopftuch wird demnach i. d. R. eine religiöse Bedeutung des Kopftuches widerlegen können, wenn sie plausibel nachweist, dass sie das Kopftuch aus nichtmuslimischen Gründen trägt. Ein solcher Nachweis wird ihr jedenfalls dann gelingen, wenn sie mit dem Tuch nicht alle Haare verdeckt, sondern es wie ein Piratentuch trägt, oder wenn sie sich im Übrigen freizügig kleidet. Trägt die Lehrerin hingegen das Kopftuch so wie Musliminnen es i. d. R. tragen, so dass keine Haare sichtbar sind und es unter dem Kinn zugebunden wird, so wird sie i. d. R. nicht den Nachweis erbringen können, dass sie aus nichtmuslimischen Gründen das Kopftuch trägt.
420 Ebenso Rux (2004), 20 f.; Battis (2005a), 117; anders aber wohl Battis/Bultmann (2004), 18 Fn. 51: Das Dogma der Einzelfallprüfung verhindere nicht, dass ein konkret gewürdigter Einzelfall eine allgemeine Rechtsfolge für alle betroffenen Beamtinnen begründen könne. Im Gegenteil verpflichte der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 I GG die Dienstherren dazu, gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln; ähnlich Hufen (2004), 577; vgl. allgemein zum Grundsatz der Einzelfallprüfung im Beamtenrecht BVerfGE 39, 334 (353 f.); Trute (2001), Art. 33 Rn. 57, 66; Battis (2004), § 7 Rn. 14. 421 Vgl. allgemein zur Relevanz des Kontextes bei der Deutung einer Äußerung Rühl (1998), 188. 422 Siehe zur Rechtfertigung des Staates, sich für die Bedeutung des Kopftuches auf der Schrankenebene an plausiblen Kriterien und Regelbeispielen zu orientieren, oben S. 83. 423 BayVGH, NVwZ 1986, 405 (406). Das OVG Hamburg berücksichtigte diesen Aspekt nicht. 424 Diese Annahme ist aber nicht zwingend. Fereshta Ludin antwortete z. B. den Schülern und Schülerinnen, die sie fragten, warum sie das Kopftuch trage: „Weil es mir gefällt.“ Ihnen gefalle es ja auch, ein Benetton- oder Dieselhemd zu tragen oder rote Haare, grüne Haare oder eine Glatze zu haben, vgl. Mawick (2001), 27.
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Das Abstellen auf die Umstände des Einzelfalls ermöglicht dem Dienstherrn, auch Kopfbedeckungen als religiöse Kleidungsstücke zu erfassen, die nicht auf den ersten Blick muslimisch motiviert sind. So trug z. B. in Niedersachsen eine muslimische Lehrerin eine Mütze im Unterricht, um ihr Haar zu bedecken425, in Berlin entwirft eine Muslimin Kopfbedeckungen, die wie Hüte aussehen426, und jedenfalls in der Türkei tragen türkische Studentinnen, um das Kopftuchverbot zu umgehen, Perücken. Auch in diesen Fällen ist die Annahme plausibel, dass die Schüler und Schülerinnen die Kopftuchbedeckung als Symbol mit muslimischer Bedeutung erfassen, wenn die Lehrerin auch im Übrigen ihre muslimische Religionszugehörigkeit zu erkennen gibt. (5) Zwischenergebnis Das Kopftuch kann ein Symbol sein, dem die Betrachterinnen unterschiedliche Bedeutungen zuweisen. Auf der Schrankenebene muss der staatliche Entscheidungsträger die rechtlich relevante Bedeutung des Kopftuches bestimmen. Er muss aus der Menge der möglichen Bedeutungen die auswählen, die nach dem Vorverständnis der deutschen Interpretationsgemeinschaft plausibel erscheinen. Es ist plausibel, dass das Kopftuch als Symbol auf die muslimische Glaubenszugehörigkeit der Trägerin und auf Geschlechtertrennung und damit verbundene männliche Dominanz verweist. Dagegen ist es nicht plausibel, in dem Kopftuch einer muslimischen Lehrerin ein Zeichen für einen unmittelbaren Zwang zu sehen, dem die Trägerin ausgesetzt ist, oder dafür, dass sie in keiner Weise selbst über ihr Leben bestimmen darf. Ebenso wenig ist es plausibel anzunehmen, dass das Kopftuch auf eine fundamentalistische Haltung der Trägerin oder auf ihren mangelnden Integrationswillen verweist. Im Einzelfall muss die Lehrerin die plausible Bedeutung des Kopftuches widerlegen können. Sie muss z. B. durch die Art des Tragens darlegen können, dass sie ohne religiöse Motivation ein Kopftuch trägt. d) Plausible Wirkung des Kopftuches einer Lehrerin auf Schüler und Schülerinnen Für die rechtliche Bewertung des Kopftuches ist entscheidend, wie dieses auf Schülerinnen und Schüler wirken kann. Über diese mögliche Wirkung gibt es keine gesicherten, insbesondere keine empirischen Erkenntnisse.427
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Rühle (2004). Röhrs (2004). Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114).
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(1) Anregende und suggestive Wirkung Symbole regen zunächst i. d. R. den Betrachter zu einer geistigen Auseinandersetzung mit dem Symbol an. Sie übermitteln eine Botschaft, mit der sich der Betrachter auseinandersetzen kann. Diese Anregung zur Auseinandersetzung kann Willensbildung und -betätigung des Betrachtenden beeinflussen.428 Das geschieht etwa, wenn von dem Symbol eine Suggestivwirkung ausgeht. In einem anderen Zusammenhang, der Produktwerbung, wird jedenfalls davon ausgegangen, dass die Betrachtung von Symbolen den Willen des Betrachtenden beeinflussen kann. So wird z. B. die Zigarettenmarke Camel z. T. mit Plakaten beworben, auf denen „nur“ ein Kamel zu sehen ist. Untersuchungen über die Wirkung von Produktwerbung erkennen eine Suggestivwirkung dieser Werbung, die zu einer Fremdbestimmung bei der Meinungsbildung führen kann.429 Werbung könne unter Ausschaltung des bewussten Willens auf das Unterbewusstsein einwirken; der Werbeadressat habe es nicht immer in der Hand, diese Wirkung zu verhindern.430 Auch wenn der Adressat einer bestimmten Produktwerbung dieser mit Skepsis und dem Wissen um ihre Manipulations- und Suggestivkraft gegenübertrete, könne er seine Entscheidungsfindung nicht völlig davon lösen; insbesondere emotionale Reize wirkten vielfach zwanghaft.431 Es ist zumindest denkbar, dass auch von einem religiösen Symbol eine solche suggestive Wirkung ausgeht.432 Das BVerfG nahm jedenfalls im Kruzifixbeschluss an, das Kreuz habe appellativen Charakter und weise die von ihm symbolisierten Glaubensinhalte als „vorbildhaft und befolgungswürdig“433 aus. Ob das Symbol eine Suggestivwirkung entfaltet, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab.434 Eine permanente Konfrontation mit dem Gegenstand kann die Symbolwirkung verstärken. Die Wirkung kann von der Bereitschaft und Fähigkeit des Rezipienten abhängen, der symbolisierten Idee zu folgen.435
428 Vgl. Grom (1992), 255 ff.; Hillmann (1994), 854: „Symbole wirken in sozialen Beziehungen [. . .] Handlungen auslösend“; vgl. zur sogenannten Erinnerungswerbung, die sich auch der Suggestivkraft von Symbolen bedient, Faber (1966), 83 ff.; Fenchel (1997), 92 ff.; Heckmann (1996), 883. 429 Vgl. Fenchel (1997), 91 ff.; BVerwG, NJW 1959, 1194 (1195). 430 Jürgens (1962), 117 f. 431 Vgl. Kroeber-Riel/Meyer-Hentschel (1982), 31; zur Emotionalisierung als Rahmenbedingung von Beeinflussung vgl. Behrens (1998), 20. 432 Vgl. Grom (1992), 255 ff.; Heckmann (1996), 883; Zacharias (2003), 997, 999; vgl. zur Bedeutung von Suggestion beim Erlernen von Religiosität Grom (1992), 47 ff. 433 BVerfGE 93, 1 (20). 434 Siehe unten S. 123. 435 Heckmann (1996), 883.
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(2) Assoziativ-emotionale Wirkung Ein Symbol kann zudem auf der assoziativ-emotionalen Ebene Wirkungen auslösen. Symbole können erregend wirken.436 Ob ein Symbol bei dem Rezipienten eine emotionale Wirkung auslöst, hängt von dessen persönlicher Haltung zu der symbolisierten Idee ab. Hat der Rezipient eine befürwortende Haltung zu dem Symbol, kann sich die emotionale Wirkung in Glück und Besinnung, bei ablehnender Haltung in Empörung oder Schmerz äußern. So mag der Anblick des Kreuzes für den Christen Trost spenden, ein Jude sich eher an das Leid, das seinen Angehörigen widerfahren ist, erinnern.437 Bei demjenigen, der der Idee eher gleichgültig gegenübersteht, mag immerhin Respekt die Konfrontation mit dem Symbol kennzeichnen.438 Im Schulkreuz-Fall stellten die Beschwerdeführer auf die subjektiven Empfindungen gegenüber dem Kreuz ab. Zitat: „Meine Tochter musste auf einen 80 Zentimeter großen, nackten, blutüberströmten, toten Mann schauen, der direkt vor ihrer Nase hing.“439 Eine Lehrerin mit Kopftuch kann Schulkinder in Konflikte zwischen der Religion der Lehrerin, der Religion der Eltern und ihren eigenen religiösen Vorstellungen stürzen.440 So berichtet z. B. die in Frankreich lebende iranischstämmige Schriftstellerin Chahdortt Djavann, sie habe in Frankreich Schülerinnen getroffen, die ihre Lehrerinnen anflehten: „Bitte lasst das Kopftuch nicht an die Schule. Wenn ihr es erlaubt, werden unsere Eltern es auch uns aufzwingen.“441 Weil die Pädagogin als Autoritätsperson mit einem Kopftuch vor die Klasse tritt, kann ihr Aussehen insbesondere für muslimische Mädchen, aber auch für deren Brüder442 und Väter als das erwünschte Erscheinungsbild einer Muslimin 436
Vgl. Korff (1997), 12; Hülst (1999), 357 ff.; Oebbecke (2003), 595. Vgl. BVerfGE 35, 366 (375) zum Fall eines jüdischen Anwalts, dem das Verhandeln „unter dem Kreuz“ unzumutbar war. 438 Heckmann (1996), 882. 439 Zu dem Zitat vgl. Heckmann (1996), 881; mit ähnlichem Zitat BVerfGE 93, 1 (2). Heckmann bezweifelt, dass das Kreuz ein Auslöser für die seelischen Schäden war: „Ihre Ursachen liegen tiefer, etwa in großen Diskrepanzen zwischen schulischer und elterlicher Erziehung.“ 440 So die Aussagen der Sachverständigen in der mündlichen Anhörung vor dem BVerfG im Fall Ludin, BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114). Diesen Umstand betonte BVerfGRichter a. D. Sommer, Berichterstatter im Fall Ludin, bei einem Vortrag am 26.5.2004 an der Freien Universität Berlin und am 27.5.2004 bei der Veranstaltung „Integration gestalten“ des deutschen Frauenrates in Berlin. 441 Djavann (2004). Die baden-württembergische Kultusministerin Schavan lehnte Ludin u. a. wegen der befürchteten Wirkung ihres Tuches auf muslimische Mädchen ab: „Offenkundig werden Mädchen in muslimischen Familien, in denen bislang kein Kopftuch getragen wurde, wieder zum Tragen des Kopftuches gezwungen werden und damit dazu, sich kulturell abzugrenzen.“, siehe BW Kultusministerium (1998), 3. 442 Vgl. die von Kelek interviewte Derya, die angibt, mit dem Kopftuchtragen angefangen zu haben, als sie 8 oder 9 Jahre alt war und ihr Bruder es wollte, Kelek (2002), 110. 437
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verstanden werden. Damit wird Druck auf die Schülerinnen ausgeübt, diesem muslimischen Erscheinungsbild zu entsprechen. Das betrifft vor allem muslimische Mädchen negativ, die ohnehin Probleme haben, sich gegen ihre traditionsverhafteten Familien zu behaupten.443 (3) Integrierende bzw. desintegrierende Wirkung Symbole können eine Gemeinschaft bestärken. Personen, die dieser Gemeinschaft angehören, können in demselben Gegenstand kraft ihres vergleichbaren Vorwissens und ihrer vergleichbaren Haltung das Symbol für ihre Idee erkennen. Die Anerkennung kann die Integration dieser Gemeinschaft unterstützen. Sie führt als notwendige Nebenfolge zur Ausgrenzung derjenigen, die der gemeinsamen Idee nicht folgen.444 Im Zusammenhang mit dem Schulkreuz gehen einige Autoren davon aus, der Staat bringe durch das Aufhängen des Kreuzes zum Ausdruck, „wer als zugehörig gilt und wer ausgeschlossen ist“.445 (4) Zwischenergebnis Empirisch gesicherte Ergebnisse über die Wirkung von Symbolen liegen nicht vor. Bestimmte Wirkungen des Kopftuch-Symbols erscheinen aber plausibel. Das Kopftuch-Symbol kann die Willensbildung und das Verhalten der Schüler und Schülerinnen beeinflussen. Es kann Haltungen bekräftigen, Verhaltensänderungen herbeiführen und Konflikte auslösen. Solche Einflüsse können unmittelbar auf die Schüler und Schülerinnen einwirken oder mittelbar, zum Beispiel indem das Kopftuch der Lehrerin Eltern in ihren Haltungen bestärkt. Ebenso ist aber denkbar, dass das Kopftuch keinerlei maßgebliche Wirkung auf Schulkinder und Eltern hat. Welche Wirkung das Kopftuch auf Schüler oder Schülerinnen hat, hängt von deren persönlichen geistigen und emotionalen Voraussetzungen und davon ab, wie die Lehrerin mit Kopftuch sich verhält. 3. Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler als Schranke Maßnahmen gegen die Kopftuch tragende Lehrerin greifen zwar in deren Grundrecht auf Religionsfreiheit ein, könnten jedoch gerechtfertigt sein, weil auch die Schüler und Schülerinnen in ihrem Grundrecht auf Religionsfreiheit betroffen sein können. 443 Vgl. Kelek (2006), 65. Sie hält die Folgen, die das Kopftuch als Symbol für die Rolle der jungen Frauen hat, die sich in der Pubertät in einem für ihre Persönlichkeitsentwicklung wichtigem Ablösungsprozess befinden, für fatal. Siehe zudem unten S. 129. 444 Vgl. Heckmann (1996), 882; Helle (1989), 713. 445 Siehe unten S. 117.
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a) Grundrechtsmündigkeit der Schülerinnen und Schüler als Voraussetzung für einen Eingriff Ein Eingriff in die Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler setzt voraus, dass diese überhaupt Träger des Rechts sind. Kinder können erst dann die Religionsfreiheit für sich in Anspruch nehmen, wenn sie in der Lage sind, sich eine eigene Vorstellung von einem religiösen Glauben und demnach einem transzendenten Bezug der Welt zu machen. Zwar gibt es keine generelle altersmäßige Einschränkung der Grundrechtsberechtigung und demnach keine generell festgelegte Grundrechtsmündigkeit. Die Religionsfreiheit kann aber nur ein Verhalten schützen, zu dem der Einzelne auch in der Lage ist.446 Die Frage ist, ab wann ein Kind zu Denkprozessen in der Lage ist, infolge derer es sich eine Vorstellung von dem Wesen des Menschen und dessen Transzendenzbezug machen kann. Untersuchungen zeigen, dass Kinder erst etwa ab dem 10. Lebensjahr zu formal-operatorischen Denkprozessen fähig und damit in der Lage sind, nicht nur auf der Basis von vorgefundenen und gegebenen Informationen zu urteilen, sondern weitere Informationen mit einzubeziehen, die sie zu gewinnen suchen.447 Möglicherweise ist die Fähigkeit zu solchen Denkprozessen erforderlich, um sich eine Vorstellung von den transzendenten Bezügen des Menschen zu machen. Das Gesetz über religiöse Kindererziehung jedenfalls gesteht einem Kind erst nach der Vollendung des vierzehnten Lebensjahrs die Entscheidung darüber zu, nach welchem religiösen Bekenntnis es sich richten will (§ 5 S. 1 RKEG). Und erst ab Vollendung des zwölften Lebensjahres ist ein Kind davor geschützt, nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen zu werden (§ 5 S. 2 RKEG). Einige Autorinnen gehen deshalb davon aus, dass jedenfalls kleinere Schulkinder sich gegenüber dem religiösen Symbol der Lehrerin nicht auf den Schutz ihrer Religionsfreiheit berufen könnten.448 Überzeugender ist es aber, davon auszugehen, dass Schulkinder, die schulreif und damit i. d. R. in der Lage sind, komplexe Denkvorgänge wie Lesen und Rechnen zu erfassen, i. d. R. auch fähig sein können, eine Vorstellung von einem Gott zu entwickeln. Nur die Annahme einer solchen Fähigkeit begründet letztlich, dass in der Grundschule bereits Religionsunterricht angeboten wird. Diese Fähigkeit reicht aus, um von der Religionsfreiheit Gebrauch zu machen. Nicht erforderlich ist, dass das Schulkind bereits in der Lage ist, selbstbestimmt zu entscheiden, welcher Religion es angehören möchte. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass Schulkinder i. d. R. Religionsfreiheit für sich in An446
Vgl. Sachs (2003), Vor Art. 1 Rn. 75. Vgl. aus der Entwicklungspsychologie Montada (1995), 519, 540 ff. 448 Vgl. Jestaedt (1999), 280; Lanzerath (2003), 211; wohl auch Heckmann (1996), 883; wohl auch Würtenberger (1996), 402. 447
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spruch nehmen können. Anders verhält es sich sicherlich bei Kindern im Kindergarten und in der Vorschule. Hier ist eher anzunehmen, dass die Kinder religiöses Verhalten blind nachahmen, ohne dass sie sich unter der Beeinflussung des religiösen Verhaltens der Kindergärtnerin eine eigene religiöse Position bilden. In diesem Fall ist nicht das Kind in seiner Religionsfreiheit, sondern sind die Eltern in ihrem religiösen Erziehungsrecht betroffen. Sollte sich für ein Schulkind nachweisen lassen, dass es intellektuell nicht fähig ist, einen Glauben herauszubilden, so ist auch insoweit durch das Kopftuch der Lehrerin nicht seine Religionsfreiheit, sondern das Elternrecht betroffen. b) Kein grundsätzlicher religiöser Konfrontationsschutz in der Schule Ob die Religionsfreiheit Schutz vor der Konfrontation mit religiösen Symbolen bietet, ist strittig. Denkbar ist ein Eingriff durch die Konfrontation mit einem religiösen Symbol in der Schule vor allem im Bereich der positiven und negativen Glaubensbildungsfreiheit. Die positive Glaubensbildungsfreiheit schützt den Einzelnen darin, einen Glauben oder eine Weltanschauung herauszubilden.449 Jeder darf sich mit dem vorhandenen Spektrum religiöser Auffassungen auseinandersetzen und selbst seine religiöse Position bestimmen. Damit soll eine freie geistige Auseinandersetzung in der Gesellschaft mit religiös-weltanschaulichen Fragen erreicht werden.450 Die negative Glaubensbildungsfreiheit verleiht dem Einzelnen das Recht, von der Freiheit zur Bildung eines Glaubens keinen Gebrauch zu machen.451 In der Literatur wird zum Teil die Position vertreten, es verbiete sich, auf religiösem Gebiet zwischen positiver und negativer Freiheit zu unterscheiden.452 Dagegen ist einzuwenden, dass nur durch die Ausdifferenzierung einer negativen Glaubensbildungsfreiheit klargestellt wird, dass der Einzelne auch das Recht hat, keine religiöse Position zu bestimmen.453 Die Glaubensbildungsfreiheit schützt einen Schüler oder eine Schülerin nicht vor äußeren Einflüssen, die sich im Rahmen einer freien geistigen Auseinandersetzung halten. Zu weitgehend ist die in der Literatur geäußerte Ansicht, das Grundrecht richte sich darauf, „unbeeinflusst vom Staat und ebenso von gesellschaftlichen Gruppen und Mächten, einen beliebigen Glauben zu haben, diesen zu wechseln oder auch keinen Glauben zu haben“.454 Die Glaubensbildungsfrei449 Heckmann (1996), 889 erörtert eine Beeinträchtigung der Glaubensbildungsfreiheit durch das Kreuz im Klassenzimmer. 450 Vgl. Preuß (2001), Art. 4 Rn. 16; Lanzerath (2003), 209. 451 Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 99. 452 Vgl. z. B. Hellermann (1993), 141 (und passim zur grundsätzlichen Kritik an negativen Freiheitsrechten); Ipsen (1997), 308 f.; in diese Richtung gehend Morlok (2004), Art. 4 Rn. 64 ff.; vgl. zur Darstellung dieser Positionen Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 99 ff. 453 Vgl. Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 99. 454 Listl (1994), 455; wohl auch Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 75.
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heit gewährt dem Einzelnen kein Recht darauf, „von fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen verschont zu bleiben“.455 Ein Recht, mit religiösen und weltanschaulichen Fragen nicht behelligt zu werden, gibt es ebenso wenig wie ein allgemeines Recht, in Ruhe gelassen zu werden.456 Nähme man ein solches Recht an, geriete man in die Gefahr, die negative Religionsfreiheit als ein Religionsverhinderungsrecht aufzufassen, das es in einer freiheitlichen Ordnung nicht geben kann.457 Die Konfrontation mit religiösen Erscheinungsformen kann den Einzelnen zwar belästigen. Die Glaubensbildungsfreiheit schützt aber nicht vor solchen Belästigungen.458 Belästigungen begründen weder einen Eingriff in die Religionsfreiheit noch deren Gefährdung.459 Auch im Kruzifixbeschluss von 1995 legte das BVerfG nicht fest, dass die Konfrontation mit religiös-weltanschaulichen Symbolen in der Schule immer ein Eingriff in die Religionsfreiheit von Schülerinnen und Schülern sei. In diesem Beschluss erklärte das BVerfG die bayerische Volksschulordnung, soweit sie das Anbringen von Kreuzen vorsah, für unvereinbar mit dem Grundgesetz.460 Zwar liest sich der Beschluss stellenweise so, als ob das BVerfG einen umfassenden Schutz vor der Konfrontation mit religiösen Symbolen in der Schule gewährte.461 Das BVerfG führte in der Begründung an, Art. 4 I GG schütze die Freiheit, kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens und auch dessen Symbolen fernzubleiben. Zwar habe der Einzelne in der Gesellschaft kein Recht darauf, von religiösen Symbolen verschont zu bleiben.462 Da455 BVerfGE 93, 1 (16); zuletzt OVG Münster, NJW 2006, 1228: „Die Verwendung christlich-religiöser Symbole beim Großen Zapfenstreich der Bundeswehr verletzt nicht das Grundrecht anderer auf freie und ungestörte Religionsausübung.“ 456 Huster (2002), 175; wohl auch Heckmann (1996), 884; a. A. Kimminich (1964), 75, 84; Götzfried (1963), 1962. 457 Huster (2002), 175 f.; ders. (2003), 218; ähnlich Mückl (2001), 126; Müller-Volbehr (1995), 999. 458 Vgl. v. Campenhausen (2001), § 136 Rn. 95; Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 101. 459 Zur Grundrechtsgefährdung siehe unten S. 138. 460 BVerfGE 93, 1. Vgl. auch BayVGH, NVwZ 1991, 1099; OVG Münster, NVwZ 1994, 597. Die betreffende Vorschrift war § 13 I 3 BaySchulO. Aus der umfangreichen Literatur zu dieser Entscheidung vgl. nur Czermak (1995), 3348 ff.; Goerlich (1995), 1184 ff.; Huster (2002), 129 f.; Kästner (1998), 974 ff.; Link (1995), 3353 ff.; Müller-Volbehr (1995a), 996 ff.; Ronellenfitsch (1999), 437; Huster (2002), 127 ff.; kritisch zuletzt Adenau (2003): „Irrtum des BVerfG im Kruzifixbeschluss“. Zum Recht eines Lehrers auf Abhängen eines Kreuzes BayVGH, NVwZ 1998, 92 (93); BayVGH, NVwZ 2002, 1000. Kritisch gegenüber dem Recht eines Lehrers auf Abhängen des Kreuzes Ronellenfitsch (1999), 438. Vgl. zum Abhängen eines Kreuzes im Sitzungssaal eines Kreistages, VGH Kassel, NJW 2006, 1227 ff. 461 Für ein solches Konfrontationsverbot wohl Renck (1989), 453. 462 BVerfGE 93, 1 (16).
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von unterscheide sich aber eine Lage, in der der Einzelne ohne Ausweichmöglichkeiten dem Einfluss eines bestimmten Glaubens sowie seinen Symbolen ausgesetzt sei.463 Zusammen mit der allgemeinen Schulpflicht würden Kreuze in Unterrichtsräumen dazu führen, dass die Schüler und Schülerinnen während des Unterrichts von Staats wegen und ohne Ausweichmöglichkeit mit diesem Symbol konfrontiert seien und gezwungen würden „unter dem Kreuz“ zu lernen.464 Berücksichtigt man aber, dass das BVerfG im Kruzifixbeschluss die Konfrontation mit einem durch den Staat verordnetem religiösem Symbol für unzulässig erklärte, so legt der Beschluss nur folgende Auslegung hinsichtlich des Konfrontationsschutzes nahe: Die Religionsfreiheit schützt grundsätzlich davor, dass in Klassenräumen auf staatliche Anordnung hin Kruzifixe oder Kreuze hängen. Die Freiheit der Glaubensbildung ist aber beeinträchtigt, wenn die Beeinflussung die autonome Willensbildung und Entscheidungsfindung des Schülers bzw. der Schülerin behindert und an die Stelle der religiösen Selbstbestimmung die Fremdbestimmung tritt.465 Die Glaubensbildungsfreiheit gewährt Schülern und Schülerinnen den Schutz der Alternative, d.h. „aus einem Verhaltensangebot zu wählen, sich so oder anders zu verhalten“.466 Diese Freiheit wäre z. B. verletzt, wenn eine staatliche Schule im Unterricht nur einseitig Informationen über eine Religion vermittelte.467 Eine solche intendierte einseitige Informationsvermittlung durch die staatliche Schule wäre staatliche Indoktrination: gezielte Manipulation der Schüler und Schülerinnen durch eine gesteuerte Auswahl von Informationen, um ideologische Absichten durchzusetzen. Sie ist ebenso unzulässig wie die beabsichtigte Verbreitung einer Lehre – die Mission – durch die staatliche Schule.468 c) Kein Eingriff in die negative Glaubensbildungsfreiheit durch das Kopftuch als vom Staat verwendetes Symbol Ein Eingriff in die negative Glaubensbildungsfreiheit der Schüler und Schülerinnen könnte darin liegen, dass der Staat mit der Duldung einer Kopftuch tragenden Lehrerin ein religiöses Symbol in der Schule zulässt. 463
BVerfGE 93, 1 (16). BVerfGE 93, 1 (18). 465 Huster (2002), 209; Lanzerath (2003), 209; Morlok (1993), 375. 466 Heckmann (1996), 886. 467 Vgl. Heckmann (1996), 886. 468 So die Rechtsprechung und überwiegende Literaturmeinung, vgl. zum Verbot der „Indoktrination“ in Bezug auf Schulbücher BVerfGE 41, 29 (52); 52, 223 (227); BVerfG, NVwZ 1990, 54 (55); BVerwGE 79, 298; zum Indoktrinations- und Propagandaverbot bezogen auf das Verhalten der Lehrkräfte BVerwGE 84, 292 (297 f.); BAG, NJW 1982, 2888 (2889); aus der Literatur vgl. u. a. Füssel (1994), 504; Bader (1998), 361; Häußler (1999), 34; Schlink (1976), 359; kritisch gegenüber dem Neutralitätsgebot verstanden als Indoktrinationsverbot: Jestaedt (1999), 269 Fn. 37. 464
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(1) Kein grundsätzlicher Schutz vor religiösen Informationen durch den Staat Die Duldung einer religiös gekleideten Lehrerin durch den Staat wäre jedenfalls dann ein Eingriff in die Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen, wenn dem Staat auferlegt ist, in der Schule keinerlei religiöse Bezüge zuzulassen. Für ein solches Verständnis der Religionsfreiheit spricht, dass Schüler und Schülerinnen ihren Glauben oder Nicht-Glauben möglicherweise nur dann frei bilden können, wenn der Staat bei jeglichem Handeln religiöse Bezüge vermeidet. Anzunehmen ist, dass immer, wenn die Schule z. B. ein Schulgebet oder Religionsunterricht anbietet – selbst dann, wenn die Teilnahme daran freiwillig ist – oder wenn sie religiöse Feste feiert, ein religiöser Einfluss auf die Schüler und Schülerinnen ausgeübt werden kann. Durch ein solches Verhalten zeigt der Staat, selbst wenn er einseitige christliche Bezüge vermeidet, zumindest, dass er der Religion positiv gegenübersteht. Der Staat hat eine besondere Autorität mit der Folge, dass Einflussnahme durch ihn besonders stark wirken kann. Die Verfassung steht einem solchen Verständnis der Religionsfreiheit aber entgegen. So legt Art. 7 III GG fest, dass Religionsunterricht an öffentlichen Schulen als ordentliches Lehrfach erteilt wird.469 Dieser Religionsunterricht ist eine Veranstaltung des staatlichen Trägers und nicht der Kirchen. Deren Selbstbestimmungsrecht unterliegt „nur“ der Inhalt des Religionsunterrichts.470 Im Sinne der Einheit der Verfassung471 kann Art. 7 III GG eine über den Religionsunterricht hinausgehende Bedeutung zugesprochen werden. Art. 7 III GG zeigt, dass der Staat sich an öffentlichen Schulen nicht zwingend jeglichen Handelns im religiösen Bereich enthalten muss. Art. 7 III GG schafft auch keinesfalls ein Privileg für die Religionsgemeinschaften dergestalt, dass nur sie – und nicht der Staat – an der Schule inhaltlich über Religion informieren dürfen. Für diese Auslegung des Art. 7 III GG spricht dessen systematische Stellung. Art. 7 I GG stellt zunächst eine allgemeine Regel auf, die in den folgenden Absätzen, namentlich Art. 7 III GG, modifiziert und eingeschränkt wird. Es widerspräche dem Grundgedanken einer systematischen Auslegung, diese Einschränkung extensiv auszulegen. Ebenso wenig wird das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaft aus Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 III WRV durch das staat469 Diese Vorschrift besagt jedenfalls, dass die Schulen Religionsunterricht anbieten dürfen, gestritten wird darüber, ob sie Religionsunterricht auch anbieten müssen, Art. 7 III GG mithin institutionelle Garantie ist. Vgl. für Art. 7 III GG verstanden als institutionelle Garantie u. a. de Wall (1997), 465 f.; Lecheler (1996), Art. 7 Rn. 43; vgl. gegen Art. 7 III GG verstanden als institutionelle Garantie Renck (2000), 395: Art. 7 III GG besage „lediglich“, dass Religionsunterricht, sofern er eingerichtet sei, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt werden müsse. 470 Vgl. Lecheler (1996), Art. 7 GG Rn. 47. 471 Vgl. zur Einheit der Verfassung Lanzerath (2003), 181; Nierhaus (2003), Art. 28 Rn. 8; Schlaich (1972), 197.
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liche Angebot eines religionskundlichen Unterrichts oder sonstiger Informationen über Religion verletzt. Zwar zählen die Bildung und die Vermittlung ihres Bekenntnisses an ihre Mitglieder zu den „eigenen Angelegenheiten“ einer Religionsgemeinschaft, sind also Teil ihres Selbstbestimmungsrechts. Die Religionsgemeinschaften haben aber kein Monopol zur Vermittlung ihres Bekenntnisses.472 Art. 7 III GG verbietet dem Staat demnach nicht, jenseits des Religionsunterrichtes in religiösen Dingen selbst zu handeln, z. B. Informationen über Religion in anderen Unterrichtsfächern zu vermitteln.473 Vielmehr spricht Art. 7 III GG dafür, dass dem Staat grundsätzlich erlaubt ist, in der Schule religiös zu handeln. In diesem Sinne entschied das BVerfG bislang mehrfach, weitreichende religiöse Bezüge in der öffentlichen Schule zuzulassen. So ließ das Gericht sowohl christliche Gemeinschaftsschulen474 wie auch ein christliches Schulgebet475 zu. Auch im Kruzifixbeschluss lässt das BVerfG religiöse Bezüge in der Schule weiterhin zu. Das BVerfG sieht „nur“ in dem auf staatliche Anordnung hin im Unterrichtsraum hängendem Kreuz oder Kruzifix einen Eingriff in Art. 4 I GG.476 Der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag477 aus Art. 7 I GG kann sogar erfordern, dass der Staat in der Schule Informationen über Religion vermittelt.478 So muss eine Lehrerin z. B. im Geschichtsunterricht auch über das Christentum informieren und zur Veranschaulichung u. U. das Kreuz zeigen können. Um die Schüler und Schülerinnen zur Toleranz zu erziehen,
472 Vgl. aber Schieder (2001), 27 zum Schulkreuz. Er schreibt, dass nicht wenige Christen es ablehnen, dass ein Bundesland Symbole des Christentums für eigene Zwecke gebrauche. Klagen von Christen gegen die staatliche Verwendung ihrer Symbole seien aber bislang von den Gerichten nicht zugelassen worden mit der Begründung, dass Christen sich doch über die öffentliche Unterstützung freuen müssten. Dass es gegen eine staatliche Verwendung christlicher Symbole auch schwerwiegende theologische Einwände geben könnte, sei von den Gerichten als eine Außenseiteransicht gewertet worden. 473 Zulässig sein muss deshalb auch ein Religionskundeunterricht, der nicht in Verantwortung der Kirchen steht, z. B. das Unterrichtsfach „Lebenskunde, Ethik, Religion (LER)“ in Brandenburg oder Ethikunterricht in Berlin – zur Zulässigkeit des Ethikunterrichts in Berlin vgl. BVerfG, Bschl. v. 15.3.2007, Az. 1 BvR 2780/06; a. A. hinsichtlich eines islamischen Religionsunterrichts Korioth (1997), 1044 f.; vgl. zum Fach LER in Brandenburg BVerfG, NVwZ 2002, 980 und 981; Renck (2000), 393 ff.; ders. (2002), 316; vgl. zur Debatte um die Einführung des Ethikunterrichts als Pflichtfach an Berliner Schulen u. a. Hüttl/Rada (2005). 474 BVerfGE 41, 29; 41, 65; 41, 88. 475 BVerfGE 52, 223; zur Kritik daran u. a. v. Zezschwitz (1966), 337 ff.; BVerfG, NJW 2003, 3468 ff. hielt es grundsätzlich für zulässig, dass in einem Kindergarten ein Tischgebet gesprochen wird. 476 BVerfGE 93, 1 (1 Ls. 1). 477 Zum Bildungs- und Erziehungsauftrag siehe unten S. 179. 478 Vgl. Pitzer (1966), 31; a. A. Mager (2000), Art. 4, Rn. 65, die, soweit religionsunmündige Kinder betroffen sind, das Gebot staatlicher Neutralität in der Schule dahingehend versteht, dass schulische Erziehung außerhalb des Religionsunterrichts sich jeder Religiosität zu enthalten habe.
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müssen die Lehrerinnen z. B. den Schülerinnen und Schülern unterschiedliche Toleranzmodelle, u. a. das christliche und muslimische, nahebringen können. Und um das tolerante Miteinander unterschiedlicher Religionen an der Schule zu fördern, kann es empfehlenswert sein, dass religiöse Feiertage aller Religionen, die an der jeweiligen Schule vertreten sind, (z. B. Ostern, Weihnachten, Ramadan, Laubhüttenfest) durch entsprechende schulische Feiern begangen werden. Zu weitgehend ist deshalb die in der Literatur zum Teil geäußerte Ansicht, Glaubensfreiheit verbiete „staatliche Einflussnahme auf die Bildung von Glaubensüberzeugungen und jeden staatlichen Glaubenszwang, auch mittelbarer oder tatsächlicher Art“479, „verboten sei auch und gerade die subtile Beeinflussung durch die Staatsgewalt“.480 Der Staat dürfe religiös-weltanschauliche Impulse nicht selbst setzen.481 Wenn der Staat in der Schule Religionsausübung zulässt oder im Unterricht Religion thematisiert, besteht immer die Gefahr der Einflussnahme. Die negative Religionsfreiheit kann aber nicht so verstanden werden, dass sie vor jeglichen religiösen Bezügen in der Schule, die der Staat zu verantworten hat, schützt. (2) Schutz vor gleichheitswidriger Symbolverwendung durch den Staat Die negative Religionsfreiheit schützt den Einzelnen jedoch vor gleichheitswidriger Symbolverwendung durch den Staat. Das Gebot strikter Gleichbehandlung aller Religionen und Weltanschauungen482 aus Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 V 2 WRV, dem Unterscheidungsverbot in Art. 3 III GG, der Gewährleistung gleicher Freiheitsrechte in Art. 4 I und II GG und dem Verbot der Staatskirche in Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 I WRV verbietet dem Staat, religiöse Symbole gleichheitswidrig zu verwenden.483 Rechtsprechung und Literatur verstehen das Verbot gleichheitswidriger Symbolverwendung zum Teil als Aspekt eines an den Staat gerichteten religiösweltanschaulichen Identifikationsverbotes.484 Das Identifikationsverbot geht zu479 v. Campenhausen (2001), § 136 Rn. 41; ähnlich Kokott (2003), Art. 4 Rn. 25; unklar Huster (2002), 140. 480 Heckel (1999a), 161. 481 Vgl. Debus (1998), 200; Goerlich (1999), 2933; Magen (2003), 8; Renck (1989), 453; Rux (2002), 367; a. A. Goerlich (1995), 1185: Staatlich angeordnete Kruzifixe seien nur dann untersagt, wenn sich an ihnen ein Betroffener aus Glaubens- oder Gewissensgründen stoße; Kästner (1999), 366. 482 Vgl. Weiß (2000), 107; Isak (1994), 198, 205; Huster (1998), 120. 483 Vgl. Huster (2002), 240. 484 Vgl. u. a. Morlok (2003), 388; Sacksofsky (2003), 3298; vgl. zum Identifikationsverbot Bader (1998), 363; Böckenförde (2001), 725; Britz (2000a), 1127; wohl auch Czermak (2003), 952; Debus (1999), 433; Goerlich (1999), 2929; Halfmann (2000), 865 f.; umfassend Huster (2002), passim; Janz/Rademacher (2001), 443; Magen
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rück auf Herbert Krüger. Krüger statuierte als erster, der Staat dürfe sich nicht mit Wert- und Glaubensvorstellungen seiner Bürger identifizieren.485 Das BVerfG führte an, dass eine Zusammenarbeit des Staates mit Religionsgemeinschaften nicht zu einer Identifikation mit bestimmten Religionsgemeinschaften führen dürfe.486 Der Staat dürfe weder bestimmte Bekenntnisse privilegieren – etwa durch Identifikation mit ihnen – noch andere um ihres Bekenntnisinhalts willen benachteiligen – beispielsweise durch Ausgrenzung.487 Andere Autoren, vor allem Huster, sprechen im Zusammenhang mit gleichheitswidriger Symbolverwendung von Exklusionsverbot. Der Staat dürfe mit der Verwendung religiöser Symbole keine symbolische Exklusion andersgläubiger Schüler und Schülerinnen bezwecken.488 Hierbei gehe es vor allem um das exklusive Verhalten einer Identifikation mit einem bestimmten Glauben. Der Staat bringe durch sein religös motiviertes Verhalten zum Ausdruck, „wer als zugehörig gilt und wer ausgeschlossen ist.“489 Im Kern verbietet jedenfalls das Gleichheitsgebot dem Staat, Religionen ohne sachlichen Grund ungleich zu behandeln. Die Verwendung nur eines religiösen Symbols im Klassenraum ist eine Ungleichbehandlung. Verwendet der Staat dieses religiöse Symbol z. B. als Anschauungsmaterial im Unterricht, liegt darin ein sachlicher Grund. Wenn der Staat aber nur ein religiöses Symbol im Klassenraum ohne direkten Bezug zum Unterricht aufhängt, ist zu vermuten, dass er damit eine Parteinahme für einen bestimmten Glauben verbindet. Eine solche Intention ist verfassungswidrig und damit kein sachlicher Grund. Dabei kommt es nicht darauf an, ob von religiösen Symbolen, die der Staat verwendet, tatsächlich eine religiöse Beeinflussung der Schulkinder ausgeht. Die Verwendung der Figur des Identifikations- oder Exklusionsverbotes bringt, gemessen am Gleichheitsgebot, keinen weiteren dogmatischen Gewinn und kann sogar zu sprachlicher Verwirrung führen. Für die Verwendung der Figur des Identifikationsverbotes spricht zwar, dass in den Fällen, in denen der Staat das Kreuz verwendet hat, der jeweilige Betrachter in dem Kreuz tatsäch(2002), Art. 140 Rn. 24, 32, 35; Magen (2003), 7 f.: Das Neutralitätsgebot regele speziell die symbolisch-kommunikative Dimension staatlichen Handelns im religiösen Bereich; Triebel (2002), 625. 485 Krüger (1964), 178 ff. Siehe des Weiteren unten S. 147 zu Krügers Neutralitätsverständnis. 486 BVerfGE 93, 1 (16); 42, 312 (332); 33, 23 (27 f.), 30, 415 (422); 12, 1 (4). 487 Vgl. BVerfGE 105, 279 (295); 93, 1 (16); 44, 37 (52); 33, 23 (28); 30, 415 (421); 24, 236 (247 f.); 19, 206 (216). 488 Vgl. Huster (2002), 176: „Nicht der Umstand, dass – auf Initiative der Schüler oder des Staates – in der Schule ein Kreuz hängt, ist das Problem, sondern dass dies auf eine Art und Weise geschieht, die eine neutralitätswidrige staatliche Parteinahme in religiös-weltanschaulichen Fragen zum Ausdruck bringt“, ähnlich Huster (2002) 134, 140, 241; Magen (2003), 8. 489 Sacksofsky (2003), 3299.
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lich eine Gleichsetzung des Staates mit dem christlichen Glauben sah. Der jüdische Prozessbevollmächtigte, der sich gegen ein Kreuz im Gerichtssaal wehrte, sah darin eine Identifikation des Staates mit dem christlichen Glauben.490 Die Schüler und ihre Eltern, die sich gegen ein Kruzifix/Kreuz im bayerischen Schulraum wandten, gingen davon aus, dass der Staat mit dem Anbringen von Kreuzen in staatlichen Räumen seine Verbundenheit mit dem christlichen Glauben bekunde.491 Die Literatur verwendet das Identifikationsverbot aber nicht einheitlich. Für Krüger ist die Nicht-Identifikation gleichbedeutend mit Indifferenz.492 Er sieht in jeder Förderung, Ermöglichung und Unterstützung von Religionsausübung eine unzulässige Identifikation. Der religiös-weltanschauliche Bereich sei für den Staat schlechthin „unerheblich“ und aus der staatlichen Existenz auszuklammern.493 Die überwiegende Literaturmeinung übernimmt zwar Krügers Prinzip der Nicht-Identifikation, erlaubt dem Staat aber, Religionsausübung zu gestatten und zu fördern.494 Das Gleichheitsgebot wird durch die Religionsfreiheit subjektiviert.495 Sie schützt vor einer symbolischen Ungleichbehandlung unterschiedlicher Bekenntnisse. Allen Freiheitsrechten wohnt ein Gleichheitsaspekt inne mit der Folge, dass der Staat gleiche Freiheit gewähren muss.496 Der Staat darf demnach durch sein Verhalten nicht zeigen, dass er das Bilden eines bestimmten Glaubens bevorzugt. Jeder muss seinen Glauben mit der gleichen Unterstützung oder NichtUnterstützung durch den Staat bilden können. Auch der Kruzifixbeschluss des BVerfG lässt ein solches Verständnis der negativen Religionsfreiheit zu. Das BVerfG entschied, unzulässig sei
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Vgl. BVerfGE 35, 366 (375). BVerfGE 93, 1 (6). 492 Krüger (1964), 179. 493 Krüger (1964), 179. 494 Siehe unten S. 148. 495 In der Literatur wird nicht von der Subjektivierung des Gleichheitsgebotes, sondern des Neutralitätsgebotes durch die Religionsfreiheit gesprochen, vgl. Preuß (2001), Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 15: Die Freiheit des bloßen Habens von Glaube und Weltanschauung als subjektiv-rechtliche Dimension der objektiven Prinzipien der staatlichen Nichtidentifikation mit einer Religion oder Weltanschauung; Huster (2002), 160 ff., 680 spricht von der staatlichen Neutralitätsverpflichtung in religiös-weltanschaulichen Fragen als modaler Schutzwirkung des Grundrechts der Glaubensfreiheit (Art. 4 I 1 GG), ebenso ders. (2003), 215; ähnlich Kokott (2003), Art. 4 Rn. 26; Heckmann (1996), 888: Die objektiv-staatskirchen- bzw. schulrechtliche Beurteilung der Symbolverwendung nehme Einfluss auf die subjektiv-grundrechtliche Reichweite des Konfrontationsschutzes; a. A. Holzke (2002), 909: Es bestehe kein notwendiger Zusammenhang zwischen Religionsfreiheit und Neutralitätsgebot. Dies zeige sich z. B. an der Verfassung Norwegens, die einerseits Religionsfreiheit und andererseits die evangelisch-lutherische Religion als offizielle Religion Norwegens garantiere; Zacharias (2003), 999. 496 Vgl. Huster (2002), 652. 491
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„[. . .] eine vom Staat geschaffene Lage, in welcher der Einzelne ohne Ausweichmöglichkeit dem Einfluss eines bestimmten Glaubens, den Handlungen, in denen dieser sich manifestiert, und den Symbolen, in denen er sich darstellt, ausgesetzt ist.“497
Diese Aussage legt nahe, dass das BVerfG einen Eingriff in die negative Religionsfreiheit dann annimmt, wenn der Staat nur ein religiöses Symbol im Klassenraum verwendet. Festzuhalten ist, dass die Religionsfreiheit Schutz vor der gleichheitswidrigen Konfrontation mit religiösen Symbolen im Klassenraum bietet. (3) Keine Gleichsetzung von Lehrerin und Staat Der Staat könnte mit der Duldung einer Lehrerin mit Kopftuch gegen das Verbot gleichheitswidriger Symbolverwendung verstoßen. Das wäre dann der Fall, wenn das Kopftuch der Lehrerin mit dem Kruzifix im Klassenraum vergleichbar wäre und der Staat damit die Lehrerin mit Kopftuch wie ein religiöses Symbol verwenden würde. Rechtsprechung und Literatur gingen z. T. von einer solchen Vergleichbarkeit aus und schlussfolgerten aus dem Kruzifixbeschluss, dass, wenn bereits das Kreuz im Klassenzimmer unzulässig sei, das Kopftuch der Lehrerin erst recht unzulässig sein müsse.498 Eine solche Vergleichbarkeit liegt aber nur dann nahe, wenn dem Staat die religiöse Kleidung der Lehrerin als sein Verhalten zuzurechnen ist. Dem Staat wäre die religiöse Kleidung der Lehrerin jedenfalls dann zuzurechnen, wenn er eine einseitige religiöse Bekleidung des Lehrpersonals anordnen würde.499 In diesem Fall läge eine dem Kreuz im Klassenzimmer vergleichbare Situation vor: Der Staat würde die Lehrerin zur Trägerin eines religiösen Symbols degradieren und verwendete damit ein religiöses Symbol nur einer Religion. Dadurch verstieße er gegen das Gebot, alle Religionen gleich zu behandeln, ohne dass es dafür einen sachlichen Grund gäbe. Der Staat ordnet aber offensichtlich seinen Lehrerinnen nicht an, ein Kopftuch zu tragen. Zuzurechnen wäre das Kopftuch dem Staat als von ihm verwendetes religiöses Symbol auch dann, wenn der Staat mit der Lehrerin gleichzusetzen wäre. Von einer solchen Gleichsetzung der Beamtin mit dem Staat ging die Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis aus.500 Für eine solche Gleichsetzung spricht, 497
BVerfGE 93, 1 (15 f.), Hervorhebung durch die Verfasserin. VG Stuttgart, NVwZ 2000, 959 (960); Janz/Rademacher (1999), 710 ff.; Kästner (2003), 1180; SchweizBG, Urt. v. 12.11.1997 (BGE 123 I 296); a. A. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114); VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2903); VG Lüneburg, NJW 2001, 767 (769); Lanzerath (2003), 207; Sacksofsky (2003), 3298. 499 Vgl. Lanzerath (2003), 294; Debus (1999), 445. 500 Vgl. Giegerich (2001), 270. 498
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
dass der Staat durch Beamte und Beamtinnen handelt.501 Für die Beamtin ist grundsätzlich ihre Staatsbezogenheit maßgeblich.502 Gegen diese Gleichsetzung spricht aber, dass die Beamtin nicht völlig in ihrer Funktion aufgeht, sondern auch ein für alle Betroffenen sichtbarer individueller Mensch und eine Staatsbürgerin ist, für die gerade deshalb Grundrechte gelegentlich ihrer Dienstausübung gelten. Die Lehrerin handelt, indem sie das Kopftuch trägt, als Bürgerin und nur gelegentlich der Amtsführung. Das Kopftuchtragen ist deshalb grundrechtlich geschützt. Soweit die Lehrerin in Ausübung ihrer grundrechtlichen Freiheiten gelegentlich der Amtsführung handelt, ist ihr Handeln nicht staatsbezogen, sondern privat. Das muss auch für die Frage der Eingriffsqualität ihres Handelns gelten. Würde ihr Handeln auf der Schrankenebene dem Staat zugerechnet, würde der Grundrechtsschutz für Lehrerinnen im tripolaren Rechtsverhältnis Staat – Lehrerin – Schüler/Schülerin/Eltern503 letztlich auf Null zurückgedrängt.504 Die Garantie der Grundrechte im Beamtenverhältnis bedeutet aber, dass auch für Beamtinnen Grundrechte nicht zu Rechten ohne materiellen Rechtsgehalt verkommen dürfen.505 Das grundrechtsgeschützte Handeln gelegentlich der Amtsführung ist deshalb auch auf der Schrankenebene nicht dem Staat zuzurechnen.506 Zuzurechnen ist dem Staat aber die Duldung einer Lehrerin mit Kopftuch. Denn das Untätigsein gegenüber einer Lehrerin liegt ebenso wie ihre Ernennung in den Beamtendienst in der staatlichen Sphäre.507 Dieser Befund entspricht dem Schulgebetsbeschluss, in dem das BVerfG ein auf Initiative von Eltern, Schülerinnen und Schülern gesprochenes Schulgebet dem Staat zurechnete.508 Die Duldung der Lehrerin mit Kopftuch durch den Staat führt aber nicht grundsätzlich zu einem Eingriff in die Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler. Wenn der Staat das Kopftuch der Lehrerin duldet, lässt er damit lediglich zu, dass Informationen über die Religionszugehörigkeit einer bestimmten Lehrkraft in die Schule getragen werden, ohne dass er damit einen Ausschluss andersgläubiger Schüler und Schülerinnen bezweckt.509 Die obigen Aus501 Vgl. Scheerbarth/Höffken/Bauschke/Schmidt (1992), 73; Ronellenfitsch (1999), 430 insb. Fn. 18. 502 Vgl. Battis (2004), § 2 Rn. 18; BVerfGE 39, 334 (366 f.). 503 Zum tripolaren Rechtsverhältnis siehe oben S. 42. 504 Vgl. Häußler (1999), 32 (33). 505 Vgl. Krüper/Morlok (2003), 1021. 506 Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114); VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2903); VG Lüneburg, NJW 2001, 767 (769); Behrens (2001), § 5 Rn. 30; Böckenförde (2001), 726; Häußler (1999), 32 (34); Gasser (2005), 76; Lanzerath (2003), 190; Lübbe-Wolff (1998), Art. 33 Rn. 42; bzgl. Lehrern mit Bhagwankleidung: OVG Hamburg, NVwZ 1986, 406 (408). 507 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3116) rechnet dagegen eine Lehrerin mit Kopftuch dem Staat nicht zu. 508 Vgl. BVerfG, NJW 1980, 575 (576).
B. Schutz der Religionsfreiheit
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führungen haben gezeigt, dass die Religionsfreiheit Kinder nicht vor jeglicher Information über religiöse Sachverhalte in der Schule schützt.510 Die Duldung einer Lehrerin mit Kopftuch durch den Staat ist deshalb keine gleichheitswidrige Symbolverwendung. Allerdings kann – wie im Folgenden gezeigt wird – das Kopftuch der Lehrerin zu einem Eingriff in die Religionsfreiheit von Schülern und Schülerinnen führen, wenn zusätzliche Voraussetzungen bei der Lehrerin und/oder den Schülern und Schülerinnen vorliegen, die eine besondere Wirkung des Kopftuches verursachen. Wenn das Kopftuch die Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen beeinträchtigt, ist dies letztlich auch dem Staat als Eingriff zuzurechnen, weil er die Lehrerin mit Kopftuch eingestellt hat und nun die Kopfbedeckung duldet. Der Staat kann zum Schutz der Schulkinder diese Beeinträchtigung aber nur dann unterbinden, wenn bei einer Abwägung mit den Rechten der Lehrerin diese nicht vorgehen.511 Auch wenn das Kopftuch der Lehrerin nicht als staatliches Handeln gelten kann, könnte es sein, dass Schüler und Schülerinnen oder Eltern das Kopftuch für ein religiöses Handeln des Staates halten. Literatur und Rechtsprechung nehmen z. T. an, die Duldung einer Lehrerin mit Kopftuch werde als Identifikation des Staates mit dem islamischen Glauben angesehen.512 Um einer solchen Gefahr vorzubeugen, kann die Schule durch entsprechende Maßnahmen wie Erläuterungen auf Elternabenden und in Elternbriefen klarstellen, dass sie sich nicht mit der Überzeugung der Lehrerin identifiziert.513 Bei solchen Maßnahmen sollte auf den Unterschied zwischen dem Kruzifix und dem Kopftuch der Lehrerin hingewiesen werden. Festzuhalten ist, dass der Staat die Lehrerin nicht ebenso wie das Kruzifix als religiöses Symbol verwendet. Aus dem Kruzifixbeschluss sind demnach keine unmittelbaren Folgen für das Kopftuch der Lehrerin abzuleiten. 509 A. A. Langenfeld (2001), 584: In der Duldung der erkennbar muslimisch gekleideten Lehrerin könne ein Eingriff in die Rechte von Eltern, Schülerinnen und Schülern liegen. Kästner (1999), 365 f. sieht in dem Kopftuch eine Verletzung der Neutralitätspflicht, weil der andersgläubige Schüler der ständigen Konfrontation zwingend ausgesetzt sei, ohne sich abmelden zu können. 510 Siehe oben S. 114. 511 Zur Abwägung der Rechte der Lehrerin mit den Rechten der Schüler und Schülerinnen siehe unten S. 132. 512 Vgl. Sondervotum zum Kopftuch-Urteil, BVerfGE 108, 282; VG Stuttgart, NVwZ 2000, 959 (960); Bader (1998), 364; Jestaedt (1999), 267; Huster (2003), 217; Kästner (1999), 366; ders. (2003), 1180; Lohse (2004), 138; unklar Czermak (2004a), 944, der die Zurechnung von der „Gesamtwürdigung der Lehrerpersönlichkeit“ abhängig machen will; ebenso bzgl. Lehrern mit Bhagwankleidung: BayVGH, NVwZ 1986, 405; bzgl. der Anti-Atom-Kraft-Plakette eines Lehrers: BVerwG, NJW 1990, 2265 (2266); vgl. Biletzki (1998), 85, der die Vorschriften des § 54 S. 3 BBG und § 36 S. 3 BRRG auf dem Gedanken beruhend sieht, dass die Beamtinnen in der Öffentlichkeit mit dem Dienstherrn gleichgesetzt werden. 513 Vgl. Huster (2002), 241.
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
d) Schutz vor dem Kopftuch der Lehrerin durch die Glaubensbildungsfreiheit Auch wenn das Kopftuch der Lehrerin nicht dem Staat als Symbol zuzurechnen ist, könnte es doch die negative Glaubensfreiheit der Schüler und Schülerinnen beeinträchtigen. Die Lehrerin darf Schüler und Schülerinnen grundsätzlich mit Informationen über ihre religiöse Zugehörigkeit konfrontieren. Die verbeamtete Lehrerin ist zwar an die staatlichen Verhaltenspflichten gebunden. Von einer Lehrerin wird aber aus pädagogischen Gründen erwartet, dass sie ihr Amt persönlich ausfüllt, dass sie als Persönlichkeit sichtbar wird. Grund dafür ist, dass der Staat bei der Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrages im Wesentlichen von den Fähigkeiten seiner Lehrerinnen, mithin ihrer Individualität abhängt.514 Der Lehrerin steht deshalb eine pädagogische Freiheit zu, in deren Folge dem Dienstherrn im Hinblick auf ihre pädagogische Verantwortung nur ein eingeschränktes Weisungsrecht zusteht.515 Es stellt deshalb auch keine Verletzung der Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen dar, wenn das Kopftuch in einer Klasse vermehrt zum Gesprächsstoff wird, weil die Kopftuch tragende Lehrerin auf ihre Verhaltensweise angesprochen wird. Das Verhalten der Lehrerin darf aber nicht zu einer Fremdbestimmung im Glauben führen. Die Lehrerin darf nicht versuchen, ihre Schüler und Schülerinnen zu indoktrinieren. Indoktrination und Mission durch die Lehrerin liegt zum Beispiel vor, wenn sie auf Schüler und Schülerinnen psychischen Druck ausübt oder ihnen Vorteile verspricht, damit sie sich zum Islam bekehren, und sie mit schlechten Noten sanktioniert, wenn sie das nicht tun. Ebenso wenig darf die Lehrerin die Kinder dazu einladen, die Koranschule zu besuchen.516 Unzulässig wäre auch, wenn die Lehrerin ungefragt die ihrer Meinung nach bestehenden Vorzüge des Islam gegenüber anderen Religionen beschriebe. So entschied das BVerwG für ein dem Verhältnis Lehrerin – Schüler/Schülerin in Ansätzen vergleichbares Verhältnis, der Lehrherr dürfe gegenüber einem Lehrling Gespräche über Religionsdinge, in denen er seine eigene Überzeugung sachlich vertrete, sogar initiieren.517 Die Grenze des Zulässigen sei aber erreicht, wenn der Lehrherr durch eine bevorzugte Behandlung des der Werbung zugänglichen Lehrlings seiner Werbung Nachdruck verleihe. Insoweit nutze er das Abhängigkeits-
514 Vgl. OVG Hamburg, DVBl. 1985, 456 (457); Jestaedt (1999), 266; Böckenförde (2001), 726; Muckel (2001a), 64. 515 Vgl. BVerwG, NVwZ 1994, 583 f. Nach § 50 I 1 NSchG unterrichten und erziehen die Lehrerinnen nach eigener pädagogischer Verantwortung. 516 Zu Recht versetzte deshalb die Schulaufsichtsbehörde eine Schulleiterin, die als Gläubige des Zentrum des Lichts e. V. versucht haben soll, Schüler und Schülerinnen zur Teilnahme an Meditationskursen ihrer Religion zu bewegen, vgl. OVG Koblenz, NVwZ-RR 2005, 476 f. 517 BVerwGE 15, 134 (137); vgl. Häußler (1999), 34.
B. Schutz der Religionsfreiheit
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verhältnis für die religiöse Werbung aus und genieße nicht mehr den Schutz der Glaubensfreiheit.518 Nur weil eine muslimische Lehrerin ein Kopftuch trägt, kann nicht angenommen werden, dass sie versucht, zu missionieren.519 Ludin und Alzayed machten deutlich, dass sie im Unterricht auch im Zusammenhang mit dem Kopftuch nicht über den Islam reden wollten. Alzayed, die an einer Waldorfschule unterrichtete, habe, wenn jemand sie nach dem Kopftuch fragte, gesagt „So wie du eine Haarspange trägst, trage ich ein Kopftuch.“520 Von einer beabsichtigten Missionierung mit dem Kopftuch kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Lehrerin ausdrücklich erklärt, sie trage das Kopftuch im Unterricht, um die Schüler und Schülerinnen zum islamischen Glauben zu erziehen. Eine solche Aussage einer Kopftuchträgerin ist der Verfasserin aber nicht bekannt. Die Lehrerin ist außerdem als staatliche Funktionsträgerin dazu verpflichtet, den Gleichheitsaspekt der Glaubensbildungsfreiheit zu schützen. Sie darf mit ihrem Kopftuch als muslimischem Symbol nicht den symbolischen Ausschluss andersgläubiger Schüler und Schülerinnen beabsichtigen. Ein solches Verhalten wäre ein finaler Eingriff in die Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen. Die Beurteilung eines von der Lehrerin getragenen Symbols unterscheidet sich aber von der Beurteilung eines vom Staat verwendeten Symbols. Anders als bei religiösen Symbolen, die der Staat verwendet, kann bei einem religiösen Symbol der Lehrerin die exkludierende Absicht nicht vermutet werden. Ansonsten wäre der Lehrerin im Dienst jede religiöse Bekundung untersagt, da sie damit immer die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion zu erkennen gibt. Die Lehrerin führt also allein dadurch, dass sie ein Kopftuch trägt, nicht zwingend zu einem symbolischen Ausschluss andersgläubiger Schülerinnen und Schüler. (1) Faktischer Eingriff durch das Kopftuch: Werbewirkung des Kopftuchs Die Konfrontation mit dem Kopftuch-Symbol kann aber auch dann zu einem Eingriff in die Religionsfreiheit einer Schülerin führen, wenn die Lehrerin nicht die Intention hat, mit dem Kopftuch Schüler und Schülerinnen zum islamischen
518 BVerwGE 15, 134; vgl. BVerfGE 12, 1 für den unzulässigen Versuch eines Häftlings, mit Hilfe von Tabak einen anderen Häftling für seinen Glauben zu werben. 519 A. A. Bader (1998), 362 Fn. 23: Derjenige, der als Eiferer daherkomme, sei in der Regel auch einer. Der Vertreter des Oberschulamtes Stuttgart Reip sagte, Ludin werbe für den Islam, ob sie das wolle oder nicht, vgl. Südkurier 25.3.2000. 520 Gaugele (2000). VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2903) führte an, die Klägerin Ludin habe glaubhaft vorgetragen, dass sie im Unterricht nicht für ihre Überzeugung werben werde. Ebenso berichtete die Presse, es habe keinen Hinweis darauf gegeben, dass Ludin für ihre Religion werbe oder gar fundamentalistisch argumentiere, Wehaus (1998); Hilbk (1998).
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
Glauben zu bekehren oder sie symbolisch auszuschließen. Nach gegenwärtigem Eingriffsverständnis führt jedes staatliche Handeln zu einem Eingriff, „das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht, gleichgültig ob diese Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, rechtlich oder tatsächlich (faktisch, informal), mit oder ohne Befehl und Zwang erfolgt“.521
Das Kopftuch kann deshalb dann zu einem Eingriff in die Glaubensbildungsfreiheit der Schüler und Schülerinnen führen, wenn die Lehrerin allein durch das Tragen der religiösen Kleidung den Islam als vorzugswürdig anpreisen und sie dadurch dazu bewegen würde, sich dem Islam zuzuwenden. In diesem Fall käme ihr Verhalten einem verbalen Werben für den Islam gleich. Dadurch könnte sie es einem Schüler oder einer Schülerin faktisch ganz oder teilweise unmöglich machen, eine bestimmte religiöse Position zu bilden bzw. keine religiöse Position zu bilden. Dies hätte zur Folge, dass ein faktischer Eingriff in die Glaubensbildungsfreiheit dieses Schülers oder dieser Schülerin vorläge.522 Die Sachverständigen, die das BVerfG in der mündlichen Verhandlung in der Sache Ludin zur Wirkung des Kopftuches auf Schulkinder im Alter von 6–14 Jahren befragte, gingen allerdings nicht von einer möglichen Beeinflussung der Schüler durch das Kopftuch aus.523 Der Kieler Professor für Psychologie Bliesener führte aus, dass es aus entwicklungspsychologischer Sicht derzeit noch keine gesicherten Erkenntnisse gebe, die eine Beeinflussung von Kindern allein durch die tägliche Begegnung mit einer Lehrerin belegen könnten, die im Unterricht ein Kopftuch trägt. Er glaube, dass es für Grundschulkinder vor allem ein „ungewöhnliches Kleidungsstück“ sei – „so etwas trägt die Großmutter im Kasperletheater“ –, an das sie sich schnell gewöhnen. Wenn es zu Nachahmungen komme, dann wohl „ohne Sinnverständnis“. Auch die beiden anderen angehörten Sachverständigen, die Psychologiedirektorin Leinenbach sowie der Hamburger Professor für Psychologie Riedesser, sahen nicht die Gefahr der Indoktrination. Riedesser nahm an, wenn das Tuch überhaupt als religiöses Symbol wahrgenommen werde, dann könne es sogar zu sinnvollen Gesprächen über religiöse Traditionen und Bekenntnisse führen. Erst bei Hinzutreten von Konflikten zwischen Eltern und Lehrerinnen, die im Zusammenhang mit dem Kopftuch der Lehrerin entstehen können, seien belastende Auswirkungen insbesondere auf
521
Vgl. statt vieler Pieroth/Schlink (2005), Rn. 240. Vgl. Heinig/Morlok (2003), 784: Die sogenannte negative Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen umfasse je nach Selbstverständnis auch ein Recht auf Nichtkonfrontation mit anderen Religionen. 523 Vgl. zur Darstellung der mündlichen Sachverständigengutachten BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114); Müller (2003); ebenso gegen die Möglichkeit der Beeinflussung wohl Rux (2004), 16; Kaube (2002): Es liege nicht nahe, dass mittels Mode sich die konturenreichen Verhaltenserwartungen einer Hochreligion schweigend kommunizieren ließen. 522
B. Schutz der Religionsfreiheit
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jüngere Schülerinnen und Schüler zu erwarten. In diesem Sinne gehen einige Autoren davon aus, dass durch das bloße Betrachten des Kreuzes keine Religiosität verinnerlicht und keine Prozesse der religiösen Sozialisation bewirkt würden.524 Dagegen gingen die Verwaltungsgerichte und ein Großteil der Literatur bislang davon aus, dass die muslimische Lehrerin nur durch das Tragen des Kopftuches die Schüler und Schülerinnen religiös beeinflusse oder zumindest die Möglichkeit dazu bestehe.525 Es ist jedenfalls denkbar, dass das Kopftuch eine Werbewirkung entfaltet, die dazu führt, dass Kinder sich dem Islam zuwenden. Wie oben gezeigt, kann von religiösen Symbolen eine Werbewirkung ausgehen, die die Betrachtenden in ihrer Entscheidungsfindung manipuliert.526 Diese Werbung kann in der Schule durch deren besondere Situation und die besondere Rolle der Lehrerin zu einer Fremdbestimmung im Glauben werden: Gerade das Zusammenwirken von Symbol und Lehrerin kann (potentielle) Einflussnahme bewirken, da so das Symbol konkret fassbaren Inhalt und erlebte Emotion erfährt. Das Kopftuch der Lehrerin führt für die Schüler und Schülerinnen zu einer dauerhaften Konfrontation mit dem Kopftuch, weil sie gezwungen sind, während des Unterrichts die Lehrerin im Blick zu haben.527 Eine permanente Konfrontation mit dem Gegenstand kann die Symbolwirkung verstärken, sowohl im Bewusstsein als auch im Unterbewusstsein. Als Fernwirkung permanenter Symbolwahrnehmung kommt eine suggestive Beeinflussung der Willens- und Glaubensfreiheit in Betracht.528 Die Wirkung des Kopftuch-Symbols kann dadurch verstärkt werden, dass die Schülerinnen und Schüler aufgrund der allgemeinen Schulpflicht zur Anwesenheit im Klassenzimmer und zur Teilnahme am Unterricht verpflichtet sind.529 Der Zwang erschöpft sich zwar nur in der Pflicht zum Besuch einer staatlichen
524
Vgl. Heckmann (1996), 888; Würtenberger (1996), 402. Vgl. BVerwG, JZ 2004, 1178 (1181); BVerwG, ZBR 2003, 37 (39); VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2900, 2902); VG Stuttgart, DÖV 2000, 561 (562); BVerfG, NJW 2003, 3111 (3119) Mindermeinung im Ludin-Urteil; Baer/Wrase (2005), 248; Battis/Bultmann (2004), 36; Behrens (2001), § 5 Rn. 29, Jestaedt (1999), 266, wohl auch Hufen (2004), 576; Kästner (1999), 365 f.; wohl auch Kokott (2003), Art. 4 Rn. 56; Mückl (2001), 124; einschränkend Demel (2001), 64; Britz (2003), 96; gegen den Eingriffscharakter religiöser Symbole Zacharias (2003), 999. Eine religiöse Beeinflussung der Schüler und Schülerinnen durch Bhagwan-Kleidung nahmen OVG Hamburg, NVwZ 1986, 406 und BayVGH, NVwZ 1986, 405 an. 526 Siehe oben S. 107. 527 Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114); VG Stuttgart, NVwZ 2000, 959 (960); Kokott (2003), Art. 4 Rn. 56. 528 Heckmann (1996), 883. 529 Ein Grundrechtskonflikt wegen religiöser Kleidung kann insoweit in der Schule überhaupt nur dann entstehen, wenn der Unterrichtsbesuch zwingend ist. Das ist nicht der Fall, wenn religiös gekleidete Lehrerinnen an Pflichtschulen allein Religion unterrichten, denn zur Teilnahme am Religionsunterricht besteht laut Landesschulgesetzen keine Pflicht, vgl. Battis/Bultmann (2004), 14. 525
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
Schule.530 Das Lernen in Konfrontation mit religiösen Symbolen in der „Zwangssituation“ Schule kann aber die Appellwirkung dieser Symbole besonders verstärken.531 Schülerinnen und Schüler sind eine „gefangene Zuhörerschaft“.532 Sie können sich dem Einfluss eines Symbols in der öffentlichen Schule nicht entziehen. Zudem kann die besondere Rolle einer Lehrerin die Wirkung des Kopftuches verstärken.533 Zwischen einer Lehrerin und ihren Schülern und Schülerinnen kann ein Abhängigkeitsverhältnis bestehen.534 Eine Lehrerin besitzt i. d. R. gegenüber Schülern und Schülerinnen (Amts-)Autorität und persönliche Vorbildfunktion.535 Durch ihre Vorbildfunktion wird die Lehrerin in eine Lage versetzt, die es ihr erlaubt, in einer den Eltern vergleichbaren Weise Einfluss auf die Entwicklung der Kinder zu nehmen.536 Es kann dazu kommen, dass sich die Schulkinder aufgrund der gegebenen Neigung zur Nachahmung von Vorbildern die religiösen Vorstellungen der Kopftuchträgerin zu Eigen machen.537 Die auf diese Weise möglicherweise entstehende Werbewirkung des Kopftuches führt aber nicht für alle Schulkinder gleichermaßen zu einem Eingriff. Zum einen kann die Wirkung des Kopftuches auf sie abhängig von ihrem Alter sein. Jüngere Schulkinder werden i. d. R. selbst dann, wenn sie fähig sind, eigenständig Vorstellungen über religiöse Belange herauszubilden, in ihren Anschauungen weniger gefestigt sein. Bei ihnen ist die Nachahmungsgefahr größer als bei älteren Schülern und Schülerinnen. Bei Grundschulkindern kann deshalb eher die Gefahr bestehen, dass sie wegen der Lehrerin mit Kopftuch auch ein Kopftuch tragen wollen.538 Zum anderen sind unterschiedliche Schülergruppen denkbar: Bei den Schülern und Schülerinnen, die einen gefestigten nichtmuslimischen Glauben haben, wird das Kopftuch kaum vermögen, sie zum Islam zu bekehren. Bei denjenigen, die in ihrem muslimischen Glauben gefestigt sind, hat das Kopftuch-Symbol allenfalls eine bestärkende Wirkung. Möglicherweise veranlasst sie das Kopf530
Lanzerath (2003), 210. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114); BVerfGE 93, 1 (20); 52, 223 (249); vgl. Pieroth (1994), 950; Jestaedt (1999), 266. 532 Dieser Begriff entpricht dem im amerikanischen Verfassungsrecht relevanten Begriff „captive audience“, vgl. Fenchel (1997), 101 ff.; Heckmann (1996), 887. 533 Vgl. Stern (1994), 132 insb. Fn. 255; Heckmann (1996), 882 f.; Kästner (1999), 365 f.; Mückl (2001), 124; a. A. wohl Huster (2002), 143: Die Lehrerin nehme ihre religiöse Bekundung ersichtlich nicht in Ausübung ihres Amtes, sondern als Privatperson vor. 534 So jedenfalls Bader (1998), 362. 535 So u. a. Behrens (2001), § 5 Rn. 29; Battis (1998), 530; Bader (1998), 364. 536 Vgl. OVG Hamburg, DVBl. 1985, 457; Jestaedt (1999), 266; Behrens (2001), § 5 Rn. 29; a. A. wohl Alberts (1985), 95. Er geht von einem schwindenden Einfluss von Lehrpersonen aus. 537 Vgl. VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2904); Ronellenfitsch (1999), 440. 538 Vgl. BVerfGE 93, 1 (20); Heckmann (1996), 883; Heckel (1996), 478. 531
B. Schutz der Religionsfreiheit
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tuch dazu, strenger ihren muslimischen Glauben zu praktizieren. Nur bei Schulkindern, die in ihrer Haltung zu religiösen Auffassungen noch nicht gefestigt sind, kann die Werbewirkung zur Fremdbestimmung in der Glaubensbildung werden. (2) Relativierung der Werbewirkung Eine Fremdbestimmung durch das Kopftuch ist jedoch nicht zwingend anzunehmen. Die Symbolwirkung entfaltet das Kopftuch ja erst im Zusammenhang mit der Person, die es trägt, und mit deren sonstigem Verhalten.539 Die Lehrerin wirkt im Unterricht mit ihrer gesamten Persönlichkeit, so dass ihr Auftreten nicht auf das Tragen des Kopftuches reduziert ist.540 Es kann einer muslimischen Lehrerin deshalb gelingen, die religiöse Werbewirkung durch ihr Verhalten zu verhindern. Dafür sprechen Beispiele aus der Praxis. So erzählte Iyman Alzayed der Verfasserin, erst nachdem ihre Nichteinstellung wegen des Kopftuches in Niedersachsen durch die Presse publik geworden war, habe einer der Waldorf-Schüler zu ihr gesagt „Frau Alzayed, ich wusste gar nicht, dass Sie dieser Türkenreligion angehören.“ Und das „flott gebundene Tuch“ der muslimischen Lehrerin Graber in Baden-Württemberg hätten Eltern und Kinder immer eher als „modischen Gag“ betrachtet, religiöse Gründe seien nicht angenommen worden – so die Elternvertreterin der Schule.541 Es wird einer Lehrerin i. d. R. gelingen, die Werbewirkung ihres Kopftuches zu verhinden, wenn sie die durch ihr Kopftuch ausgedrückte Glaubensüberzeugung nicht durch weiteres „muslimisches“ Verhalten in der Schule unterstreicht542, z. B. wenn sie sich nicht offensichtlich zum Beten zurückzieht oder in der Klasse von Moscheebesuchen berichtet. Sie kann zudem ihre muslimische Glaubensüberzeugung in den Kontext religiöser Pluralität stellen, wenn sie in Gesprächen mit Schülern, Schülerinnen und Eltern überzeugend betont, dass ihre Glaubensüberzeugung nur eine unter vielen möglichen ist. Zudem kann eine permanente Konfrontation mit dem Symbol die Symbolwirkung auch abschwächen. Mit zunehmender Dauer der Konfrontation mit einem Symbol kann sich ein Abschleifungseffekt als Folge der Gewöhnung einstellen. So zweifelte der Sachverständige Bliesener im Fall Ludin eine Beeinflussung 539 Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114); Böckenförde (2001), 726; Häußler (1999), 34. 540 VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2904); vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114); Kokott (2003), Art. 4 Rn. 40. 541 Vgl. Badische Zeitung 30.3.2000; Hechtel (2000). Schavan erklärte der Presse nach dem Urteil des VG Stuttgart im Fall Ludin, Graber trage ihr Kopftuch ganz anders als Ludin und verhülle nur ihr Haar und ihre Stirn damit, vgl. Junge Welt 28.3. 2000. 542 Ähnlich wohl Morlok (2003), 382.
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
der Schulkinder durch das Kopftuch der Lehrerin u. a. deshalb an, weil diese sich an das Kopftuch gewöhnen könnten.543 Dementsprechend sagte ein achtjähriger Junge einer Zeitungsjournalistin zu dem Kopftuch der baden-württembergischen Lehrerin D. Graber, am Anfang habe er sich schon gewundert, aber jetzt sei das ganz normal.544 Zudem sind Kinder in der Schule vielfältigen Einflüssen von Mitschülern und -schülerinnen, anderen Lehrerinnen und Eltern ausgesetzt. Das kann den Einfluss einer Lehrerin relativieren bzw. in einen Kommunikationskontext einbetten. Das gilt insbesondere dann, wenn die Lehrerin mit Kopftuch nur eine von vielen Lehrerinnen in einer Schule ist. (3) Zwischenergebnis Festhalten lässt sich, dass ein Eingriff in die Glaubensbildungsfreiheit der Schüler und Schülerinnen durch die Konfrontation mit dem Kopftuch der Lehrerin zwar nicht wahrscheinlich, aber zumindest denkbar ist.545 Bei Kindern an der Grundschule ist denkbar, dass sie in Nachahmung der Lehrerin mit Kopftuch ebenso ein Kopftuch tragen. Bei Schülern und Schülerinnen weitergehender Schulen kann eine religiöse Werbewirkung des Kopftuches nur dann plausibel angenommen werden, wenn die Lehrerin auch durch ihr zusätzliches Verhalten ihre muslimische Glaubensüberzeugung deutlich hervorhebt. Liegt ein Eingriff in die Glaubensbildungsfreiheit der Schüler und Schülerinnen durch das Kopftuch der Lehrerin vor, kann dieser nicht als Bagatelleingriff für unbeachtlich erklärt werden.546 Die Berufung auf die Glaubensbildungsfreiheit ist aber unbeachtlich, wenn sie missbräuchlich oder unglaubwürdig ist. Ein eklatantes Beispiel für einen Missbrauch läge vor, wenn ein Schüler oder eine Schülerin mit der Drohung, sich auf seine/ihre Glaubensbildungsfreiheit zu berufen, versucht, von der Lehrerin gute Noten zu erpressen.
543
Siehe oben S. 124. Badische Zeitung 30.3.2000; vgl. VG Lüneburg, NJW 2001, 767 (770): Das Kopftuch liege im Rahmen des Üblichen, vergleichbar mit dem Kreuz an einer Halskette und der jüdischen Kippa; zustimmend Böckenförde (2001), 727. 545 Vgl. BVerwG, ZBR 2003, 37 (39); VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2903). Dagegen gehen einige Autoren davon aus, die Konfrontation mit religiösen Symbolen in der Schule könne grundsätzlich zu keinem Eingriff in die Religionsfreiheit führen, so Mückl (2001), 126; Kästner (1999), 366; ders. (1998), 981; Jestaedt (1999), 267 ff.; Isensee (1996), 10; vgl. auch Huster (2003), 217. 546 Ebenso BVerwG, ZBR 2003, 37 (39); a. A. Summer (2002), 337 f.; wohl auch Kokott (2003), Art. 4 Rn. 36; Heckmann (1996), 884. 544
B. Schutz der Religionsfreiheit
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e) Schutz der Schülerinnen vor der Konfrontation mit dem Kopftuch wegen der möglichen Vorbildwirkung der Lehrerin Eine Wirkung kann das Kopftuch auch auf muslimische Mädchen haben, die sich von ihrer Religion lösen oder jedenfalls ihren Glauben anders als durch die Befolgung strikter religiöser Kleidungsvorschriften leben möchten. Eine muslimische Lehrerin stellt für muslimische Eltern und Schülerinnen ein wichtiges Rollenmodell dar, vor allem wenn Eltern und Kinder Konflikte in religiösen Fragen austragen. Wenn die Lehrerin Kopftuch trägt, könnte dies Eltern, die ihre widerspenstigen Töchter drängen, ebenfalls ein Kopftuch zu tragen, in ihrer Haltung beeinflussen. Die Eltern könnten dazu veranlasst werden, nun ihre Töchter zum Kopftuch zu zwingen. Falls sie bereits bisher derartigen Zwang ausüben, könnten sie sich in dieser Haltung bestärkt sehen. Die Soziologin Neclá Kelek bestreitet noch darüber hinausgehend, dass junge Mädchen und Frauen überhaupt „freiwillig“ das Kopftuch nehmen könnten. Sie seien vielmehr in einem türkisch-muslimischen Common Sense gefangen. Die jungen Frauen und Mädchen trügen das Kopftuchtuch, weil ihnen dies in der Familie, der Gemeinde, der Koranschule vorgelebt werde und sie so am ehesten den Erwartungen der Umma genügen könnten.547 Eine Lehrerin mit Kopftuch könne die Erwartungen der Umma an die Mädchen noch verstärken und ihre freiwillige Entscheidung für oder gegen den muslimischen Glauben zumindest erschweren. Auf diesem Wege hätte das Kopftuch der Lehrerin zumindest mittelbar Auswirkungen auf die Religionsfreiheit dieser Schülerinnen. Versuchen sie, sich vom islamischen Glauben zu lösen, ist ihre Glaubensbildungsfreiheit beeinträchtigt. Wollen sie den Glauben zwar beibehalten, aber nicht durch das Tragen eines Kopftuches dokumentieren, ist ihre Glaubensäußerungsfreiheit betroffen. Auch vor einer derartigen mittelbaren Beeinträchtigung der Glaubensbildung schützt die Religionsfreiheit.548 Auf diese negative „Signalwirkung“ des Kopftuches gründete letztlich die baden-württembergische Kultusministerin Schavan ihre Entscheidung gegen die Einstellung von Fereshta Ludin.549
547
Kelek (2006), 65; ähnlich Ates (2004), 22. Der Schutz vor derartigen mittelbaren Beeinträchtigungen könnte auch im allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG angesiedelt werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht garantiert Schülerinnen und Schülern, dass der Unterricht einer harmonischen Persönlichkeitsentwicklung nicht widerspricht. A. A. Anger (2003), 275: Kein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Schüler und Schülerinnen durch das Kopftuch einer Lehrerin. 549 BW Kultusministerium (1998), 3; ebenso VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2905); Röper (2005), 87; zur Darstellung dieser Argumentation vgl. Alan/Steuten (1999), 210. 548
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
f) Schutz der Schüler und Schülerinnen vor der Konfrontation mit dem Kopftuch wegen der möglichen Beeinträchtigung der psychischen Integrität Die negative Religionsfreiheit schützt nicht vor der bloßen Konfrontation mit abgelehnten religiösen Symbolen, insoweit liegt nur eine Belästigung vor, die keinen Eingriffscharakter hat.550 Dies gilt auch, wenn Schüler und Schülerinnen mit dem Symbol am Kopf der Lehrerin konfrontiert werden, die sie im Rahmen der Unterrichtssituation ständig ansehen müssen. Das Kopftuch der Lehrerin als Zeichen ihrer privaten Reiligionsausübung ist insofern nicht anders zu werten als das Kopftuch einer Mitschülerin, deren Anblick sich Schüler und Schülerinnen, je nach Sitzordnung, auch nur bedingt entziehen können. Die Mitschülerin teilt sogar den gesamten Schulalltag mit ihnen, während die Lehrerin sie nur während bestimmter Schulstunden mit dem Kopftuch konfrontiert. Da aber kein Anspruch besteht, in der Schule nicht mit privaten Hinweisen auf die Zugehörigkeit zu bestimmten Religionen konfrontiert zu werden, gilt dies auch für das private Kopftuch der Lehrerin. Anders ist dies nur, wenn die Konfrontation mit einem religiösen Symbol für einen Schüler oder eine Schülerin aufgrund ihrer individuellen Lebensgeschichte bzw. der Lebensgeschichte ihrer Familie eine unzumutbare Belastung darstellt.551 Im Fall des Kreuzes im Gerichtssaal berücksichtigte das BVerfG die besonderen Empfindungen eines jüdischen Prozessbeteiligten gegenüber dem Kreuz aufgrund seines jüdischen Glaubens.552 Wenn ein Einzelner aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen ein Symbol unwillkürlich als Provokation oder Bedrohung empfinden muss553, liegt keine bloße Belästigung mehr vor, sondern ein Eingriff in die negative Religionsfreiheit. Denkbar ist zum Beispiel, dass iranische Schülerinnen, deren Mütter wegen des dortigen Kopftuchzwanges den Iran verlassen haben, ängstlich auf das Kopftuch reagieren. Außerdem könnte das Kopftuch alevitische Schüler und Schülerinnen an die Verfolgung von Aleviten aus Glaubensgründen in schiitisch oder sunnitisch geprägten Ländern erinnern mit der Folge, dass auch sie durch den Anblick des Kopftuchs emotional aufgewühlt werden.554 In diesen Fällen 550
Siehe oben S. 111. Vgl. Huster (2002), 148; differenziert Heckmann (1996), 888. Heckmann bejaht einen Eingriff nur dann, wenn im Einzelfall eine psychische Beeinträchtigung nachgewiesen wird, die z. B. Gesundheitsschäden befürchten lässt. 552 Vgl. BVerfGE 33, 366. 553 Vgl. BVerfGE 33, 366 (insb. 369); Huster (2002), 148; a. A. wohl Würtenberger (1996), 402 f.: „Einseitige, auf bloße Empfindlichkeiten abstellende Sinndeutungen von Symbolen können demgegenüber nicht zur Entscheidungsgrundlage gemacht werden.“ 554 Vgl. dazu Ceyhun (1998). Er fragte, wie sich alevitische Eltern, die nicht wollen, dass sunnitische Lehrer und Lehrerinnen ihre Kinder unterrichten, fühlen würden, 551
B. Schutz der Religionsfreiheit
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würde das Kopftuch der Lehrerin zu einem Eingriff in die Religionsfreiheit der betreffenden Schülerinnen und Schüler führen. g) Kein Schutz der Schüler und Schülerinnen vor der Konfrontation mit dem Kopftuch durch die Religionsausübungsfreiheit Die positive Religionsausübungsfreiheit schützt den Einzeln vor staatlichem Handeln, das ihn daran hindert, sein gesamtes Verhalten gemäß den Vorstellungen seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Überzeugung gemäß zu handeln.555 Die negative Seite der Religionsausübungsfreiheit verbietet – ebenso wie Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 IV WRV – Zwang zur Teilnahme an einer kirchlichen oder religiösen Handlung und religiösen Feierlichkeiten.556 Es erscheint nicht überzeugend, die Konfrontation mit dem Kopftuch der Lehrerin als Zwang zur Teilnahme an einer religiösen Handlung und damit als Eingriff in die negative Religionsausübungsfreiheit zu verstehen. Denkbar ist allenfalls ein Eingriff in die positive Religionsausübungsfreiheit. Die Konfrontation mit einem Glaubenssymbol kann einen Eingriff in die positive Religionsausübungsfreiheit bedeuten, wenn der Betrachter oder die Betrachterin einer Religion angehört, die es ihm oder ihr verbietet, sich im Einwirkungsbereich von Glaubenssymbolen eines anderen Bekenntnisses aufzuhalten.557 Derzeit ist in Deutschland aber keine Glaubensrichtung anzutreffen, zu deren Lehrsätzen das Verbot oder zumindest die Empfehlung zählt, sich nicht dem Anblick eines bestimmten religiösen Symbols wie einem Kopftuch auszusetzen.558 Ein Eingriff in die Religionsausübungsfreiheit eines Schülers oder einer Schülerin durch die Konfrontation mit dem Kopftuch ist deshalb zwar theoretisch denkbar, kann sich aber gegenwärtig praktisch nicht verwirklichen. h) Kein Schutz der Schüler und Schülerinnen vor der Konfrontation mit dem Kopftuch durch die negative Bekenntnisfreiheit Die negative Bekenntnisfreiheit schützt – ebenso wie Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 III WRV559 – den Einzelnen davor, seine religiöse oder weltanschauwenn in deutschen Schulen Lehrerinnen mit Kopftuch unterrichten. Vgl. zudem Akgün (2005), 61: „Vergessen wir nicht, dass [. . .] auch ca. 600.000 Menschen alevitisch islamischen Glaubens in Deutschland leben, für die ein religiös gebundenes Kopftuch per se ,nicht tragbar‘ ist.“ 555 Siehe oben S. 48. 556 Vgl. Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 99. 557 Vgl. Huster (2002), 127, 148; Lanzerath (2003), 209. 558 Vgl. Lanzerath (2003), 209. 559 Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 III WRV hat nur deklaratorischen Charakter, vgl. Kokott (2003), Art. 4 Rn. 26.
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
liche Überzeugung offenbaren zu müssen.560 Jedem wird das Recht gewährleistet, in religiösen Fragen zu schweigen, ihm darf keine öffentliche Stellungnahme abverlangt werden, die seine religiöse oder weltanschauliche Präferenz deutlich macht.561 Der Hessische Verfassungsgerichtshof ordnete ein Schulgebet als Eingriff in die negative Bekenntnisfreiheit eines Schülers ein, weil es das andersgläubige Kind zwinge, dem Schulgebet der Mitschüler und -schülerinnen fernzubleiben und dadurch die eigene abweichende Religionsauffassung zu offenbaren.562 Die bloße visuelle Konfrontation mit einem religiösen Symbol verlangt aber anders als das Schulgebet Schülern und Schülerinnen keine Entscheidung für oder gegen das Symbol ab. Sie müssen gegenüber einem religiösen Symbol weder Übereinstimmung noch Ablehnung oder Gleichgültigkeit zeigen.563 Die Konfrontation mit dem Kopftuch verlangt demnach kein Bekenntnis, so dass sie zu keinem Eingriff in die negative Bekenntnisfreiheit des Betrachters oder der Betrachterin führt.564 i) Abwägung Abzuwägen ist die Religionsfreiheit der Lehrerin mit der Religionsfreiheit einer Schülerin dann, wenn diese plausibel behauptet, in ihrer Glaubensbildungsfreiheit verletzt zu sein, weil sie durch das Kopftuch fremdbestimmt werde, wegen der Lehrerin in Konflikt mit ihren Eltern gerate oder in ihrer psychischen Integrität beeinträchtigt werde. Als Folge des Gesetzesvorbehalts muss der Gesetzgeber die Grenzen der kollidierenden Grundrechte nachzeichnen.565 Den Gesetzgeber trifft hier die Aufgabe, die Kollision der verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter nach dem Prinzip der Konkordanz unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aufzulösen.566 (1) Schranken-Schranken Bei der Abwägung der kollidierenden Rechtsgüter kann es unterschiedliche Gewichtungsmöglichkeiten geben, so dass mehrere Lösungen vertretbar sind.567 560
BVerfGE 65, 1 (39); 52, 223 (238); 49, 375 (376). Vgl. HessStGH, NJW 1966, 31 (35); Starck (2005), Art. 4 Rn. 24; Mager (2000), Art. 4 Rn. 38 f. 562 HessStGH, NJW 1966, 31 (31); a. A. BVerfG, NJW 1980, 575 (577). 563 Lanzerath (2003), 208. 564 Vgl. Lanzerath (2003), 207; Kokott (2003), Art. 4 Rn. 40; für den Sanyasin-Lehrer Alberts (1985), 95. 565 BVerfG, NJW 3111 (3121 – Mindermeinung). 566 Vgl. BVerfG, NJW (2003), 3111 (3116); BVerfGE 93, 1 (22 f.); 83, 130 (142); 52, 223 (251 f.); 41, 29 (50 f.); VG Lüneburg NJW 2001, 767 (768); Böckenförde (2001), 724; Debus (1999), 436; Kokott (2003), Art. 4 Rn. 27. 567 Vgl. Morlok (2003), 389 f. 561
B. Schutz der Religionsfreiheit
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Dem Gesetzgeber kann für die Abwägung kollidierender Grundrechte demnach ein Gestaltungsspielraum zustehen. Der Gesetzgeber ist bei der Abwägung jedoch an die Wertentscheidungen der Verfassung als Schranken-Schranken gebunden.568 Die für die Abwägung in diesem Fall maßgeblichen Wertentscheidungen sollen im Folgenden aufgezeigt werden. (a) Gewichtung der betroffenen Grundrechte Die Abwägung der Religionsfreiheit der Lehrerin mit der Religionsfreiheit der Schüler, Schülerinnen und dem Elternrecht ist abhänig davon, wie intensiv die Rechte durch den Eingriff – in die Religionsfreiheit der Lehrerin durch ein Kopftuchverbot und in die Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen durch das Kopftuch einer Lehrerin – jeweils betroffen sind. Die Intensität kann sich zwar im Einzelfall unterscheiden. Für die Ermittlung der Intensität des Eingriffs in ein Grundrecht kommt es auf das Selbstverständnis des Grundrechtsträgers an.569 Zu erwarten ist aber in den meisten Fällen, in denen eine Lehrerin ein Kopftuch trägt, folgende Gewichtung der Grundrechte: Für zumindest einige muslimische Kopftuchträgerinnen kommt es nicht in Frage, das Kopftuch abzunehmen. Das Kopftuch abzulegen, würde bedeuten, ihre Identität und damit ihre Persönlichkeit zu ändern.570 Die religiöse Identität ist für sie fundamental und nicht verhandelbar. So machte Fereshta Ludin geltend, ein Ablegen des Kopftuches in Anwesenheit von Männern komme für sie nur innerhalb des engsten Familienkreises in Betracht.571 Wenn sie gezwungen würde, das Kopftuch abzulegen, würde sie sich sehr schämen. Es käme für sie einer Entblößung gleich.572 Das Kopftuch könne sie nicht „wie ein Kleidungsstück an der Garderobe ablegen“.573 Die niedersächsische Lehramtsbewerberin Iyman Alzayed erhielt vom Land Niedersachsen in der Verhandlung vor dem BVerwG eine Stellenzusage, nachdem sie erklärt hatte, sie nehme das Kopftuch ab. Alzayed trat die Stelle jedoch nicht an, sondern zog stattdessen nach Österreich, wo sie mit Kopftuch unterrichten konnte. Sie habe es nicht übers Herz gebracht, das Kopftuch abzunehmen.574 Die Plausibilität der Aussagen von Ludin und Alzayed wird unterstützt von den Ergebnissen einiger empirischer Untersuchungen zur muslimischen Religiosität von (vor allem türkischen) Migrantinnen in Deutschland. So 568
Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3111). Morlok (1993), 428. 570 Vgl. Begründung des Widerspruches von Ludin, VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2899). 571 Klagebegründung von Ludin, VG Stuttgart, Urt. v. 24.3.2000, Az. 15 K 532/99, Amtl. Umdruck, S. 4. 572 Südkurier 25.3.2000. 573 Südkurier 25.3.2000. 574 Persönliche Mitteilung von Iyman Alzayed gegenüber der Verfasserin, 2004. 569
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
bezeichnen sich nach der Shell-Studie Jugend 2000 – einer quantitativen Erhebung zum Umfang der muslimischen Religiosität von türkischen Migrantenjugendlichen – mehr als 85% der türkischen Migrantenjugendlichen als Musliminnen und Muslime.575 Dagegen sei unter den deutschen Jugendlichen der Anteil, der sich als religiös ansehe, nur halb so groß.576 Ebenso zeigen qualitativempirische Untersuchungen zu „modernen Formen islamischer Lebensführung“ in Deutschland die Bedeutung des Islam für das Selbstverständnis gerade der jugendlichen Muslime und Musliminnen auf.577 Die durch den Glauben geprägte Identität wird von Art. 4 I und II GG578, zumindest aber durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG579 besonders geschützt. Für eine Kopftuch tragende Lehrerin kann im Fall eines Kopftuchverbotes deshalb nur die Möglichkeit bleiben, auf die Stelle als Lehrerin im öffentlichen Dienst zu verzichten. Aber auch auf dem privaten Arbeitsmarkt stoßen Musliminnen mit Kopftuch auf Ablehnung.580 Der Verzicht auf die Stelle im öffentlichen Dienst bedeutet für eine als Lehrerin ausgebildete Muslimin mit Kopftuch möglicherweise Arbeitslosigkeit. Wenn einer Kopftuch tragenden Muslimin verwehrt wird, im Lehramtsdienst ein Kopftuch zu tragen, steht sie vor der Wahl, auf ihre bisherige Identität zu verzichten und das Kopftuch abzunehmen oder auf die Lehramtsstelle zu verzichten und damit zu riskieren, arbeitslos zu sein bzw. zu werden. Die Grundrechtsposition der Lehrerin ist deshalb in der Abwägung i. d. R. besonders gewichtig. Für die Schülerinnen und Schüler besteht dagegen die Gefahr, dass das Kopftuch der Lehrerin sie daran hindert, ihren Glauben frei zu bilden. Das kann zugleich zu Konflikten im Elternhaus führen. Letztlich kann das Kopftuch der Lehrerin auch die Identität der muslimischen Schülerinnen, die sich vom „Kopftuchislam“ entgegen dem Willen der Eltern absetzen wollen, betreffen, 575
Fuchs-Heinritz (2000), 175. Fuchs-Heinritz (2000), 175. In der Zusammenfassung der 15. Shell Jugendstudie heißt es, dass „echte Religiosität“ bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund einen starken Rückhalt habe, 52 % der befragten ausländischen Jugendliche glaubten an einen persönlichen Gott, darunter besonders häufig islamische und christlich-orthodoxe Jugendliche, siehe Deutsche Shell Holding (2006), Zusammenfassung, S. 15. 577 Siehe die im Zusammenhang mit der geschlechtsspezifischen Bedeutung des Kopftuches zitierten Untersuchungen oben S. 90; siehe des Weiteren Frese (2002) zur Religiosität türkisch-muslimischer Jugendlicher in Bremen; Tietze (2001) zur muslimischen Religiosität junger Männer in Deutschland; Sandt (1996), passim zu den persönlichen religiösen Vorstellungen von muslimischen Schülerinnen und Schülern in Hamburg; Pilzer-Reyl (1995), passim zur Religiosität von türkisch-muslimischen Jugendlichen in einer mittelhessischen Kleinstadt. 578 So Lanzerath (2003), 153; Morlok (1993), 287; Pieroth/Schlink (2005), Rn. 515; vgl. allgemein zum Identitätsschutz durch Grundrechte Britz (2000), 70, 240, 266, 269, 306. 579 So BVerfG, EuGRZ 1999, 102 (104). 580 Vgl. BAG, NJW 2003, 1685 ff. zur Kündigung einer Verkäuferin wegen des Kopftuches. 576
B. Schutz der Religionsfreiheit
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wenn die Eltern wegen des Kopftuches der Lehrerin den Druck auf ihre Kinder erhöhen. Die Schülerinnen und Schüler sind i. d. R. noch minderjährig und in ihrer religiösen Entwicklung nicht gefestigt. Daher sind sie als Grundrechtsträgerinnen besonders verletztlich. Da sie sich nicht freiwillig, sondern aufgrund der staatlichen Schulpflicht in der konflikthaften Situation befinden, hat der Staat ihnen gegenüber eine besonders stark ausgeprägte Schutzpflicht. Kommt es also zu einem Konflikt wegen des Kopftuches der Lehrerin, so wird in der Regel einem gravierenden Eingriff in die Religionsfreiheit der Lehrerin ein gravierender Eingriff in die Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen durch das Kopftuch der Lehrerin gegenüberstehen. (b) Art. 33 III und 7 III GG als Tendenzentscheidung zugunsten der Lehrerin Für die Religionsfreiheit verlangt vor allem Art. 33 III GG, dass die Religionsfreiheit der Lehrerin im öffentlichen Dienst nicht grundsätzlich hinter den Rechten von Schülern, Schülerinnen und Eltern zurückstehen muss.581 Art. 33 III GG legt fest, dass auch für die Beamtin Religionsfreiheit gilt, obwohl sie in einem Dienst- und Treueverhältnis steht und sich ihr Rechtsverhältnis an den „hergebrachten Grundsätzen“ orientiert. Diese Regelung würde leerlaufen, wenn dienstlichen Belangen und den Grundrechten von Schülern, Schülerinnen und Eltern immer der Vorrang vor der Religionsfreiheit einer Beamtin eingeräumt würde.582 Für die Schule macht zudem Art. 7 III 3 GG deutlich, dass die Glaubensfreiheit der Lehrerin hinter den Anforderungen des Schulbetriebes und den Grundrechten der Schüler und Schülerinnen nicht grundsätzlich zurückstehen soll.583 Art. 7 III 3 GG schreibt vor, dass keine Lehrerin gegen ihren Willen verpflichtet werden darf, Religionsunterricht zu erteilen. Dem Schutzbereich des Art. 7 III 3 GG untersteht auch die Freiheit der Lehrerin, nicht an Schulgottesdiensten oder Schulgebeten teilzunehmen und nicht unter einem Schulkreuz zu unterrichten.584
581 Vgl. Krüper/Morlok (2003), 1021; Alberts (1985), 94; ebenso wohl auch Battis/ Bultmann (2004), 9; weniger deutlich Battis (2003), Art. 33 Rn. 43; Umbach/Clemens-Dollinger/Umbach (2002), Art. 33 Rn. 66. Dagegen aber VG Stuttgart, DÖV 2000, 561 (562): Der Staat sei zwar verpflichtet, religiösen Bekenntnissen einen Betätigungsraum zu sichern. Dies bedeute aber nicht, dass die religiöse Betätigung gerade als Lehrerin im Schuldienst zu ermöglichen sei. Der Klägerin sei es auch ohne Einstellung in den Schuldienst möglich, ihren Glauben zu leben. 582 So Alberts (1985), 94. 583 Vgl. Alberts (1985), 95. 584 Vgl. BayVGH, NVwZ 2002, 1000 (1004).
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
(c) Art. 33 IV und V GG als Tendenzentscheidung zu Lasten der Lehrerin Letztlich ausschlaggebend für die Abwägung ist die Funktion der Lehrerin als Beamtin. Im nicht anders lösbaren Konflikt mit den Grundrechten der Schüler und Schülerinnen muss ihre Religionsfreiheit zurücktreten.585 Dafür spricht die besondere, in Art. 33 IV und V GG skizzierte Rechtsstellung der Beamtin, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat steht. Zwar können die Grundrechte der Beamtin nicht allein deshalb beschränkt werden, weil sie freiwillig in das Dienstverhältnis getreten ist.586 Die These vom Grundrechtsverzicht als Folge des freiwilligen Eintritts ist spätestens seit der Strafgefangenen-Entscheidung des BVerfG nicht mehr haltbar.587 Die Grundrechte der Lehrerin können aber im Dienst deshalb stärker beschränkt werden, weil ihr gegenüber dem Staat Pflichten obliegen, die ein normales Staat-BürgerVerhältnis nicht kennt. Die Lehrerin hat kraft ihres Amtes eine besondere Verantwortung für die Achtung und Verwirklichung der Grundrechte in der Schule übernommen. Im Beamtendienstverhältnis sind stärkere Freiheitseinschränkungen gestattet als im normalen Staat-Bürger-Verhältnis, um die Existenz und Funktionsfähigkeit des Beamtentums im Interesse der Allgemeinheit zu erhalten.588 Die Einrichtungsgarantie aus Art. 33 IV GG verpflichtet den Staat, die für die Funktionsfähigkeit des Beamtentums unerlässlichen Grundrechtseinschränkungen vorzunehmen.589 Eine Lehrerin muss zu dieser Form der Notstandsinanspruchnahme bereit sein.590 Voraussetzung für die besondere Einschränkbarkeit der Grundrechte der Lehrerin ist, dass das grundrechtlich geschützte Verhalten Amtsbezug hat.591 Dies trifft auf das Kopftuch der Lehrerin, das sie gelegentlich der Amtshandlung Unterrichtserteilung trägt, zu.592 Der Amtsbezug des Kopftuches entsteht dadurch, dass die Lehrerin mit ihrer ganzen Persönlichkeit einschließlich ihrer religiösen Kleidung den Unterricht erteilt. In der Abwägung kommt den Grundrechten der Lehrerin daher funktionsbedingt geringeres Gewicht zu als den Grundrechten der Schüler und Schülerinnen.593 585 Vgl. Battis/Bultmann (2004), 36; a. A. wohl Alberts (1985), 95. Er geht für die Sanyasin-Lehrer davon aus, die Grundrechtskollision müsse zugunsten der Lehrer entschieden werden. 586 A. A. wohl Lanzerath (2003), 151 f. 587 Vgl. BVerfGE 33, 1 (11) und siehe oben S. 40. 588 Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3111); BVerwGE 42, 79 (82); 56, 227 (228); Huster (2003), 216; Morlok (2003), 387; Mückl (2001), 121. 589 Vgl. Lanzerath (2003), 156; Leuze (1998), 189. 590 Anger (2005), 61. 591 Vgl. Oebbecke (2000), 312. 592 Vgl. Lanzerath (2003), 78. 593 Zu weitgehend deshalb Alberts (1985), 94: Art. 33 III 2 GG würde leerlaufen, wenn in religiöser Kleidung einer Beamtin ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht gesehen würde.
B. Schutz der Religionsfreiheit
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(d) Kein generell-vorbeugendes Kopftuchverbot Die Mindermeinung des BVerfG ging im Ludin-Urteil von der grundsätzlichen Möglichkeit eines generell-präventiven Kopftuchverbotes aus: Die Mindermeinung nahm an, eine Lehrerin an einer Grund- und Hauptschule verstoße gegen Dienstpflichten, wenn sie im Unterricht mit ihrer Kleidung Symbole verwende, die objektiv geeignet seien, Hindernisse im Schulbetrieb oder gar grundrechtlich bedeutsame Konflikte im Schulverhältnis hervorzurufen.594 Auf eine „konkrete Gefährdung des Schulfriedens“ komme es nicht an.595 Die Mehrheitsmeinung nahm dagegen nicht so eindeutig die Möglichkeit eines generell-präventiven Kopftuchverbotes an. Sie entschied, dass die allgemeinen Beamtenrechte keine ausreichende Gesetzesgrundlage seien, um einer Lehrerin das Kopftuch allein wegen der Tatsache, dass Konflikte wegen der Lehrerin mit Kopftuch für die Zukunft in der Schule nicht auszuschließen seien, zu verbieten.596 Es fehle an einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage, die erlaube, dass bloße Möglichkeiten einer Gefährdung oder eines Konfliktes als Verletzung beamtenrechtlicher Pflichten bewertet werden.597 Aber die Mehrheitsmeinung gestattete dem Gesetzgeber, eine entsprechende Gesetzesgrundlage zu schaffen.598 Das legt ein Verständnis des Urteils nahe, dass die Mehrheitsmeinung des BVerfG ein Gesetz für verfassungsgemäß erachtete, nach dem der Staat das Kopftuch im Lehramtsdienst generell-präventiv verbietet. Allerdings ist das Urteil an diesem Punkt nicht ganz konsistent.599 Einerseits könnte die starke Betonung der Geltung der Grundrechte für die Lehrerin600 dafür sprechen, dass das BVerfG ein gesetzliches Verbot nur dann für zulässig hält, wenn dieses eine Einzelfallprüfung zulässt.601 Für diese Annahme spricht auch, dass das BVerfG hervorhebt, dass der Gesetzgeber einen Kompromiss zwischen den
594 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3118 f.); ebenso Battis (1998), 530; wohl auch Tangermann (2005), 122. 595 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3119); ebenso BVerwG, ZBR 2003, 37 (38); VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2900, 2902); VG Stuttgart, DÖV 2000, 561 (562); zustimmend Kästner (1999), 365; Mückl (2001), 124. 596 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3115); ebenso entschied das BAG, NJW 2003, 1685 (1687), die Kündigung einer Kopftuch tragenden muslimischen Verkäuferin könne nicht auf die bloße Befürchtung gestützt werden, es könne zu negativen Reaktionen der Kunden kommen. 597 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3115). Welchen Inhalt diese gesetzliche Dienstpflicht haben müsste, um nicht verfassungswidrig zu sein, lässt das BVerfG offen, vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3115); Battis/Bultmann (2004), 5. In den Augen der Mindermeinung lag diese Forderung so weit neben der tradierten Beamtenrechtsdogmatik, dass sie von einem Überraschungsurteil sprach, BVerfG, NJW 2003, 3111 (3121). 598 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3116). 599 Vgl. Böckenförde (2004a), 1183. 600 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3111 f.). 601 So jedenfalls Battis/Bultmann (2004).
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kollidierenden Rechten an der Schule finden müsse.602 Ein generell-präventives Verbot würde aber die Religionsfreiheit der Lehrerin ganz zurückdrängen. Zudem schreibt das BVerfG, dass die befürchteten Einflüsse des Kopftuches der Lehrerin auf die religiöse Orientierung ihrer Schüler und Schülerinnen sich nicht auf gesicherte empirische Grundlage stützen könnten.603 Das lässt die Erforderlichkeit eines generell-präventiven Verbotes bestreiten. Andererseits formuliert das BVerfG jedoch nicht ausdrücklich, dass ein gesetzliches Verbot eine Einzelfallprüfung zulassen müsse. Ausdrücklich gestattete das BVerfG dem Gesetzgeber aber, eine Regelung zu schaffen, nach der es zu den Dienstpflichten einer Lehrerin gehöre, im Unterricht auf das Tragen eines Kopftuchs zu verzichten. Im Ergebnis ist deshalb anzunehmen, dass die Mehrheitsmeinung im Ludin-Urteil einem generell-präventiven Verbot jedenfalls nicht entgegensteht. Ein generell-präventives Verbot des Kopftuches ist jedoch nicht zulässig. Der Staat steht zwar grundsätzlich in der Pflicht, die Grundrechte der Schüler und Schülerinnen bereits vor drohenden Beeinträchtigungen zu schützen.604 Ein Eingriff in ein Grundrecht, um vorbeugend den Schutz eines anderen Grundrechts zu gewährleisten, ist aber nur unter bestimmten Voraussetzungen verhältnismäßig. Für die Möglichkeit des Eintritts der von dem Kopftuch ausgehenden Gefahr müssen konkrete und gesicherte Anhaltspunkte vorliegen. Dabei sind an die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Gefahr um so geringere Anforderungen zu stellen, je bedeutender das Schutzgut ist, dem die Gefahr droht, und je stärker der Schaden ist, der sich bei Eintritt der Gefahr realisieren würde. Zu berücksichtigen ist des Weiteren, ob der Gefahr anders abzuhelfen ist.605 Der Staat muss das Kopftuch im Lehramtsdienst jedenfalls dann präventiv verbieten, wenn die Grundrechtsverletzung, die sich aus der Grundrechtsgefährdung zu entwickeln droht, unvermeidbar und irreparabel ist.606 Für ein vorbeugendes Verbot spricht, dass auf Seiten der Schülerinnen und Schüler die Religionsfreiheit als bedeutendes Schutzgut betroffen ist. Gerade jüngere Schüler und Schülerinnen sind in ihrer Religionsfreiheit besonders schutzbedürftig. Es kann insbesondere von ihnen nicht unbedingt erwartet werden, selbst zu erkennen, wann ihre Freiheit, den Glauben selbstbestimmt zu bilden, in Gefahr ist. Die suggestive Werbewirkung eines dauerhaft auf sie einwirkenden religiösen Symbols ist für sie vermutlich nur schwer zu erkennen. Jüngeren Schülern und Schülerinnen ist die Suggestivwirkung von Symbolen teilweise nicht einmal bekannt, was ihre Fähigkeit zu einem reflektierten Um602
BVerfG, NJW 2003, 3111 (3113). BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114). 604 Vgl. Ekardt (2005a), 256; Pieroth/Schlink (2005), Rn. 94 ff. 605 Vgl. Alberts (1985), 94; Böckenförde (2001), 728; Debus (2001), 1356 ff.; Goerlich (1995), 1185; Richli (1998), 231; Sachs (2003), vor Art. 1 Rn. 95; Zuck (1999), 2949; a. A. Kästner (1999), 363. 606 Vgl. Pieroth/Schlink (2005), Rn. 98. 603
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gang mit derartigen Symbolen deutlich reduziert. Außerdem muss ein Schüler oder eine Schülerin, der oder die sich gegen die Wirkungen wehren will und das in der Schule thematisiert, seine bzw. ihre religiöse Überzeugung offenbaren. So ist durch die Klage des Schülers und seiner Eltern gegen das Kreuz im bayerischen Klassenzimmer bekannt geworden, dass sie Anhänger der Lehre Rudolf Steiners sind. Hierin könnte ein Eingriff in die negative Bekenntnisfreiheit liegen. Auch dies könnte dafür sprechen, Kopftücher von Lehrerinnen generell und vorbeugend aus der Schule zu verbannen. Diese Gefahr, die von dem Kopftuch für die Religionsfreiheit der Schulkinder als bedeutendes Schutzgut ausgehen kann, kann es in der Tat rechtfertigen, dass die Schulbehörde einer Lehrerin das Kopftuch bereits dann verbietet, wenn sich Konflikte noch gar nicht verwirklicht haben. Dies kann aber nur im Einzelfall gelten. Die Schulbehörde müsste konkrete und sichere Anhaltspunkte dafür anführen, dass es zu Konflikten wegen des Kopftuches kommen kann.607 Ein Anhaltspunkt für aufkommende Konflikte wegen des Kopftuches könnte sein, dass sich in der von der Lehrerin unterrichteten Klasse einige muslimische Mädchen in einem schwierigen Abgrenzungsprozess von ihren Eltern befinden. Ein weiterer Anhaltspunkt könnte sein, dass an der Schule muslimische Jungen Mädchen ohne Kopftuch als unmoralisch attackieren und die Lehrerin mit Kopftuch die dadurch entstehenden Spannungen verschärfen könnte. Das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für aufkommende Konflikte reicht aber nicht aus, um ein vorbeugendes Kopftuchverbot zu rechtfertigen. Vielmehr muss der Dienstherr darlegen, dass die möglichen Konflikte nicht anders gelöst werden können als dadurch, dass die Lehrerin das Kopftuch abnimmt. Wenn der Dienstherr plausibel nachweist, dass z. B. Gespräche mit Eltern, Schülerinnen und Schülern und Erklärungen der Lehrerin über die Motive ihres Kopftuchtragens nicht ausreichen werden, um die wegen des Kopftuches aufkommenden Konflikte zu beseitigen, kann er das Kopftuch im Einzelfall auch vorbeugend verbieten. Die Einschränkung des Beurteilungsspielraums hat zur Folge, dass die Behörde die Argumentationslast für die Einschränkung der Bekenntnisfreiheit trägt. Für den Nachweis des nicht anders lösbaren Konflikts trägt der Dienstherr die Darlegungslast.608 Unverhältnismäßig wäre aber ein generell-vorbeugendes Kopftuchverbot.609 Ob es überhaupt zu einem Eingriff in die Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen durch das Kopftuch der Lehrerin kommt, ist von der konkreten Situation im Einzelfall abhängig. Eingriffe in die Religionsfreiheit der Schüle607 Vgl. Ekardt (2005), 256: „Der Staat darf, wenn die Freiheit nicht zur Farce werden soll, nicht einfach ,spekulieren‘.“ 608 Vgl. Böckenförde (2001), 724. 609 Im Ergebnis ebenso Böckenförde (2001), 728; ders. (2004a), 1183; Häußler (1999), 34; Lanzerath (2003), 106; Rux (2004), 21; a. A. Sydow (2004), 325.
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rinnen und Schüler sind nicht in vielen Fällen zu erwarten. Das zeigen die bisherigen Erfahrungen mit Kopftuch tragenden Lehrerinnen.610 Dass sich eine Schülerin oder ein Schüler als Folge der für sie manipulativen Wirkung des Kopftuches dauerhaft zum Islam hinwendet, dürfte wohl eine extrem seltene Ausnahme sein, bei der vermutlich eine Vielzahl von weiteren Gründen eine Rolle spielt. Auch die Nachahmungsgefahr durch Grundschülerinnen und -schüler ist nicht so groß, dass das Kopftuch generell verboten werden müsste.611 Ebenso selten wird ein Kopftuch wohl zu Eingriffen in die psychische Integrität führen. Wahrscheinlicher ist es, dass Schülerinnen wegen des Kopftuches der Lehrerin unter religiösen Druck durch ihre Eltern gelangen. Aber auch der Anteil muslimischer Mädchen mit einem traditionell eingestellten Elternhaus ist derzeit zu gering, um aus deren Situation landes- oder gar bundesweite Verbote abzuleiten. Die von dem Kopftuch der Lehrerin ausgehende Grundrechtsgefährdung führt zudem nicht zwingend zu einer Grundrechtsverletzung. Sofern es um Eingriffe in die negative Glaubensbildungsfreiheit oder Beeinträchtigung der psychischen Integrität geht, ist nicht zu erwarten, dass diese unerkannt bleiben. Schließlich haben fast alle Schüler und Schülerinnen eine Mutter und/oder einen Vater, der oder dem sie in der Regel wichtige Entwicklungen in ihrem Leben mitteilen. Zumindest leben Eltern in der Regel so eng mit ihren Kindern zusammen, dass sie auffällige Entwicklungen bemerken und darüber das Gespräch mit ihrem Kind und ggf. auch mit der Schule suchen können. Die Lehrerin mit Kopftuch steht unter den strengen Augen der Elternschaft. Auch das Lehrerkollegium und der Schuldirektor oder die -direktorin können auf Probleme wegen des Kopftuches der Lehrerin aufmerksam werden. Soweit es aber um den religiösen Druck geht, den Eltern u. U. wegen des Kopftuches der Lehrerin auf ihre Töchter ausüben könnten, kann es ratsam sein, dass an bestimmten Schulen mit hohem Anteil muslimischer Mädchen keine Lehrerinnen mit Kopftuch unterrichten dürfen. So können Konflikte an diesen Schulen präventiv vermieden werden. Lehrerinnen, die ein Kopftuch tragen, haben noch genügend andere Einsatzmöglichkeiten im jeweiligen Bundesland.
610 Im Fall von Bhagwan-Lehrern meldeten allerdings einige Eltern ihre Kinder von der Schule ab und der Klassenelternrat sprach sich dagegen aus, dass der Lehrer in Bhagwan-Kleidung die Klasse weiter unterrichtete, OVG Hamburg, NVwZ 1986, 406 (408). 611 Dagegen wird in der Literatur z. T. vorgeschlagen, den Einsatz der Lehrerin nach dem Alter der Schüler und Schülerinnen zu differenzieren, vgl. z. B. Mahlmann (2004a), 126; vgl. für eine Differenzierung nach Schultypen Rux (2004), 21.
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(2) Konfliktlösung durch den Dienstherrn im Einzelfall Innerhalb der von der Verfassung vorgegeben Grenzen, die der Gesetzgeber nachzeichnen muss, ist es im Einzelfall die Sache des Dienstherrn, eine Lösung für wegen des Kopftuches auftretende Probleme zu finden. Ihm obliegt die Feinjustierung der Abwägung.612 Diese Lösung darf nicht so aussehen, dass die Lehrerin ihr Kopftuch in jedem Fall abnehmen muss. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass der Dienstherr gegenüber der Lehrerin ein Kopftuchverbot nur dann durchsetzt, wenn dieses das geeignete, erforderliche und angemessene Mittel ist.613 Ein Kopftuchverbot wäre nur dann das erforderliche Mittel, wenn sich keine andere Lösung findet, die weniger in die Rechte der Lehrerin eingreift. Der Dienstherr muss deshalb zunächst nach konsensualen Lösungen des Konflikts suchen. Der Schule, die sich gerade dadurch auszeichnet, dass unterschiedlichste Glaubensvorstellungen, Meinungen und Interessen aufeinandertreffen, ist es eigen, einen schonenden Ausgleich614 zwischen unterschiedlichen Positionen zu versuchen. In der Schule müssen Konfliktlösungen vorrangig durch gegenseitige Rücksichtnahme, Kooperation und inhaltliche Auseinandersetzung gesucht werden.615 Gefragt ist dabei ein flexibler Umgang mit Konflikten.616 Entscheidungen trifft die Schulleitung u. U. in Zusammenarbeit mit der Schulkonferenz und abschließend die Schulaufsichtsbehörde.617 In Gesprächen kann die Lehrerin den Eltern die Bedeutung des Kopftuchs darlegen und ihre Bereitschaft und Fähigkeit demonstrieren, die Schüler und Schülerinnen frei von religiöser Beeinflussung zu erziehen.618 Sofern es um die psychische Integrität der Schüler geht, könnte die Lehrerin z. B. gegenüber den Schülern klarstellen, dass auch sie den religiösen Zwang im Iran ablehnt bzw. das Verfolgungsschicksal der Aleviten bedauert. Das Kopftuch könnte so in den Augen der jeweiligen Schüler den Charakter als Symbol für Unrechtsordnungen oder Verfolgungshandlungen verlieren. Sofern es um den Druck geht, den Eltern wegen des Kopftuches auf ihre Kinder ausüben, könnte die Lehrerin im Ge612
Vgl. Sachs (2003), vor Art. 1 Rn. 128. Vgl. allgemein zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Jarass/Pieroth (2004), Art. 20 Rn. 80 ff. 614 Vgl. z. B. BVerfGE 39, 1 (43). 615 VG Bremen, Bschl. v. 19.5.2005, Az 6 V 760/05; Amtl. Umdr., S. 13 = http:// www2.bremen.de/justizsenator/verwaltungsgericht/Kap4/05v760-b01.pdf, abgerufen am 23.5.2005; ebenso BVerwG, NVwZ 1994, 578 (580); Böckenförde (2001), 724 f.; Battis/Bultmann (2004), 35. 616 Vgl. Püttner (1976), 52; vgl. im Fall der Sanyasin-Lehrer Stock (1989), 658. 617 Vgl. Battis/Bultmann (2004), 39, 41. 618 Lanzerath (2003), 230. Die Kopftuch tragende Grundschullehrerin Thoenes geht im Gespräch mit Wetzel (1999) davon aus, dass Akzeptanz letztlich auch eine Frage der Gewöhnung sei. In christlich-islamischen Gesprächskreisen sei sie zunächst auf eisiges Schweigen gestoßen. Und dann hätten die Leute festgestellt, dass „ich normal bin und Wuppertaler Dialekt spreche“. 613
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spräch klarstellen, dass sie eine individuelle Entscheidung für das Tragen des Kopftuches getroffen hat. Insofern dürfte ihr Beispiel gerade nicht den von Eltern oder anderen Personen auf muslimische Schülerinnen ausgeübten Druck rechtfertigen. Wenn der Schulleitung bekannt wird, dass eine muslimische Schülerin dennoch von ihren Eltern mit dem Argument unter Druck gesetzt wird, ihre Lehrerin trage auch ein Kopftuch, muss die Schule im Gespräch auf die Eltern einwirken, sie sollten den Wunsch ihrer Tochter akzeptieren, kein Kopftuch zu tragen. Außerdem sind Maßnahmen denkbar, die die Einstellung einer Lehrerin mit Kopftuch „erleichtern“. Lehrerinnen mit Kopftuch könnten zunächst nur in Haupt-, Realschulen und Gymnasien eingesetzt werden, um auf die Bedenken der Eltern einzugehen.619 An Schulen mit hohem Ausländeranteil können ohnehin spezielle Maßnahmen angezeigt sein, die die Verständigung der Schüler, Schülerinnen und Eltern unterschiedlicher Nationalität und Herkunft fördern. Wenn alle diese Maßnahmen den Konflikt nicht lösen können, muss die Lehrerin die notwendigen Konsequenzen tragen. Sollte sich also in einer Schulklasse, die von einer Kopftuch tragenden Lehrerin unterrichtet wird, ein Schüler oder eine Schülerin in seiner bzw. ihrer negativen Glaubensfreiheit beeinträchtigt sehen und scheitern vermittelnde Gespräche, wäre es unzulässig, den Konflikt durch eine Versetzung des Schülers oder der Schülerin in eine andere Klasse aufzulösen. Vielmehr muss in diesem Fall die Lehrerin in eine andere Klasse oder notfalls an eine andere Schule versetzt werden.620 Denkbar ist auch, was Ludin in der mündlichen Verhandlung vor dem BVerfG anbot: Die Lehrerin trägt im Unterricht das Kopftuch als Schal, wenn männliche Lehrkräfte das Klassenzimmer betreten wollen, sollen sie vorher anklopfen, damit sie das Kopftuch wieder aufziehen kann.621 Dasselbe gilt, wenn eine Schülerin wegen des Kopftuches der Lehrerin unter Glaubensdruck durch ihre Eltern gerät. Denn in einer Atmosphäre des religiös bestimmten Konflikts ist die 619
Vgl. Mahrenholz (2004), 762. VG Lüneburg, NJW 2001, 767, (771); Böckenförde (2001), 727; Lanzerath (2003), 230. 621 Im Minderheitenvotum zu BVerfG, 2 BvR 1436/02 v. 3.6.2003, Abs.-Nr. 107, 128 gingen die Richter Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff allerdings davon aus, Ludin sei nur bereit, in Extremfällen wie unmittelbar drohender Gewalt ihr Tuch abzunehmen. Unklar ist, wann F. Ludin erstmalig dieses Angebot unterbreitet hat. Im Gespräch mit der Verfasserin im Juni 2003 äußerte F. Ludin, dem Oberschulamt habe sie bereits im Einstellungsgespräch angeboten, das Kopftuch im Unterricht als Schal zu tragen, das Oberschulamt sei darauf aber nicht eingegangen. Im ablehnenden Bescheid und im Widerspruchsbescheid geht das Oberschulamt jedenfalls auf ein solches Angebot nicht ein. Zur Begründung führt es vielmehr an, die Beschwerdeführerin sei nicht bereit, während des Unterrichts auf das Tragen eines Kopftuches zu verzichten, vgl. BVerfG, 2 BvR 1436/02 v. 3.6.2003, Abs.-Nr. 3. Das BVerwG ging nach den tatsächlichen Feststellungen des OVG Mannheim – an die es gebunden war, § 137 II VwGO – davon aus, F. Ludin wolle ausnahmslos auf das Kopftuch im Schulunterricht nicht verzichten, BVerwG, ZBR 2003, 37 (38). 620
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religiöse Selbstbestimmung einer Schülerin besonders gefährdet. Die Grundrechte der Kinder auf eine selbstbestimmte Glaubensbildung gehen dem durch das Elternrecht geschützten Interesse der Eltern an einer religiösen Erziehung ihrer Kinder vor.622 Das Wohl des Kindes steht nämlich im Mittelpunkt der sogenannten Elternverantwortung.623 Mit dem Beginn der Schulreife, also ab dem 6. Lebensjahr, kann ein Schüler oder eine Schülerin in der Lage sein, einen Glauben selbst zu bilden.624 Die erforderlichen Maßnahmen kann die Schulleitung gegenüber der Lehrerin im Rahmen des Disziplinarverfahrens durchsetzen.625 Die mit den möglichen Konfliktlösungen verbundenen schulorganisatorischen Schwierigkeiten muss die Schulleitung hinnehmen; das verlangt die Härte des mit einem Kopftuchverbot verbundenen Eingriffs. Zudem obliegt der Schulleitung eine Fürsorgepflicht gegenüber der Lehrerin.626 Unter Umständen kann die Kopftuch tragende Lehrerin jedoch nicht sinnvoll eingesetzt werden, weil auch in anderen Klassen und Schulen Schülerinnen und Schüler durch die Lehrerin in ihrer negativen Glaubensbildungsfreiheit beeinträchtigt werden. In diesem Fall kann der Dienstherr die Beamtin anweisen, ihr Kopftuch abzunehmen. Sollte sie sich weigern, muss sie aus dem Beamtendienst entlassen werden. j) Zwischenergebnis Die Lehrerin kann mit ihrem Kopftuch in die negative Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler eingreifen, • wenn ein Schüler oder eine Schülerin wegen seiner oder ihrer geistigen und emotionalen Konstitution durch das Kopftuch in seiner oder ihrer selbstbestimmten Glaubensbildungsfreiheit beeinträchtigt wird, • wenn das Kopftuch der Lehrerin Glaubenskonflikte muslimischer Schülerinnen mit ihrer traditionell gestimmten Umgebung auslöst oder verstärkt oder • wenn für eine Schülerin oder für einen Schüler das Kopftuch ein individuell unzumutbares religiöses Symbol ist.
622
Vgl. Volkmann (2000), 340. Jarass/Pieroth (2004), Art. 6 Rn. 31 f. 624 Siehe oben S. 110. 625 Die Gehorsamspflicht, §§ 77 I BBG, 45 I BRRG, schreibt einer Beamtin vor, die dienstlichen Anordnungen ihrer Vorgesetzten auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen. Für die Beamtin bedeutet die Nichteinhaltung der Pflichten ein Dienstvergehen, §§ 77 I BBG, 45 I BRRG, und kann zu Disziplinarmaßnahmen gegen sie führen, §§ 45 III BRRG, 77 III BBG, jeweils i. V. mit Bundesdisziplinargesetz. 626 Vgl. Böckenförde (2001), 728; Lanzerath (2003), 230; a. A. OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2002, 658 (661); Heinig/Morlok (2003), 785. 623
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Der Gesetzgeber muss aufzeigen, wie im Konfliktfall zwischen den kollidierenden Grundrechten der Lehrerin und denen der Schülerinnen und Schüler abzuwägen ist. Dabei ist er an die Vorgaben des Grundgesetzes gebunden. Danach kann er Lehrerinnen das Kopftuch nicht generell-präventiv verbieten. Er muss aber eine gesetzliche Regelung schaffen, nach der der Dienstherr das Kopftuch verbieten kann und muss627, wenn ein Schüler oder eine Schülerin die Verletzung seiner oder ihrer Religionsfreiheit plausibel macht und sich eine andere Lösung nicht findet. Diese Lösung entspricht der in Bayern für das Schulkreuz gewählten Widerspruchslösung.628 Dagegen hat das BVerfG im Ludin-Urteil dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum zugebilligt, um zu entscheiden, ob Lehrerinnen im öffentlichen Dienst ein Kopftuch tragen dürften. Die Zuweisung eines solchen Gestaltungsspielraums an den Gesetzgeber wurde in der Literatur ebenso befürwortet629 wie kritisiert.630 4. Elternrecht, Art. 6 II GG, als Schranke Die Religionsfreiheit der Lehrerin kann mit dem (religiösen) Erziehungsrecht der Eltern, Art. 6 II GG i. V. mit Art. 4 I und II GG, kollidieren.631 Art. 6 II 1 GG legt die Pflege der Kinder und deren Erziehung als Vermittlung von Wissen und wertbezogene Einwirkung in die Hand der Eltern. Gemäß Art. 6 II GG i. V. mit Art. 4 I und II GG umfasst das Elternrecht auch die religiöse Erziehung der Kinder.632 Dieses Recht ist in der Schule dem staatlichem Erziehungsauftrag gleichgeordnet.633 Die Eltern dürfen darüber entscheiden, welchen religiösen Einflüssen ihre Kinder in der Schule ausgesetzt werden sollen und welchen nicht. Sie allein bestimmen über die Teilnahme am Religionsunterricht (Art. 7 II GG), hinsichtlich der anderen Fächer können sie verlangen, dass der Staat die Kinder nicht religiös beeinflusst.634 Neben dieses Recht zur religiösen Erziehung der Kinder tritt das Recht der Eltern, gegenüber dem Staat die religiösen Belange ihrer Kinder wahrzunehmen, solange diese nicht grundrechtsmündig und damit nicht handlungsberech627 Vgl. zur gesetzgeberischen Pflicht, Eingriffe Dritter, die sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen lassen, zu verbieten, Murswiek (2003), Art. 2 Rn. 29. 628 Vgl. Heinig/Morlok (2003), 785; vgl. zur in Bayern gefundenen Widerspruchslösung BVerwG, NJW 1999, 3063 ff.; Nolte (2000), 891 ff. 629 Vgl. Morlok (2003), 389 f. 630 Vgl. Sacksofsky (2003), 3300. 631 Kokott (2003), Art. 4 Rn. 26. 632 BVerfGE 41, 88 (107); 41, 29 (47 f.); so wohl auch Mager (2000), Art. 4 Rn. 65; Kokott (2003), Art. 4 Rn. 7. 633 BVerfG, NJW (2003), 3111 (3113); BVerfGE 98, 218 (244 f.); 59, 360 (376); 52, 223 (236); 47, 46 (71 ff.); Battis/Bultmann (2004), 35; Heckmann (1996), 881. 634 BVerfGE 52, 223 (235 f.); 41, 29 (47 f.); 41, 88 (107).
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tigt sind.635 Sobald das Kind also selbstständig in der Lage ist, Glaubenspositionen herauszubilden, tritt das Recht der Eltern zur treuhänderischen Wahrnehmung der Religionsfreiheit des Kindes zurück. Lediglich prozessual machen sie die Rechte ihrer Kinder bis zu deren Volljährigkeit noch geltend.636 Es kann angenommen werden, dass mit der Schulreife auch die Fähigkeit der Kinder beginnt, eigenständig Glaubenspositionen herauszubilden. Aufgrund der Wertung des Gesetzes über religiöse Kindererziehung sind sie spätestens ab dem 14. Lebensjahr religionsmündig.637 Mit zunehmender Selbstständigkeit der Heranwachsenden in religiösen Belangen tritt auch das Recht der Eltern zur religiösen Erziehung zurück. Die Religionsmündigkeit der Minderjährigen wird jedoch bis zum Eintritt der Volljährigkeit vom Erziehungsrecht der Eltern überlagert.638 Auch das religionsmündige Kind ist demnach nicht jeder Einflussnahme der Eltern entzogen. Zuvor ist gezeigt worden, dass denkbar ist, dass das Kopftuch der Lehrerin Schüler oder Schülerinnen bei der Glaubensbildung fremdbestimmen kann.639 Solange diese nicht grundrechtsmündig sind – also u. U. bis zum 14. Lebensjahr – können die Eltern sich gem. Art. 6 II i. V. mit Art. 4 I und II GG gegen einen solchen von dem Kopftuch ausgehenden Eingriff wehren.640 Solange kommt es auf ihre Sicht und nicht auf die Sicht der Kinder bezüglich des Kopftuches an. Mit Beginn der Grundrechtsmündigkeit, spätestens mit dem 14. Lebensjahr, können Schüler und Schülerinnen selbst einen in dem Kopftuch liegenden Eingriff in ihre Religionsfreiheit geltend machen.641 Jetzt ist ihre Sicht auf das Kopftuch entscheidend. Es ist also denkbar, dass eine Schülerin sich gegen den suggestiven Einfluss des Kopftuches der Lehrerin wehrt, obwohl ihre Eltern diesen Einfluss gerade begrüßen. Wenn Eltern geltend machen, dass das Kopftuch einer Lehrerin sie in ihrem Elternrecht beeinträchtigt, weil die für das Kind suggestive Werbewirkung des Kopftuches seine Glaubensbildungsfreiheit beeinträchtigt, muss das Recht der Eltern mit der Religionsfreiheit der Lehrerin abgewogen werden. Da die Eltern hier meist als Treuhänder ihrer Kinder auftreten, ist die Abwägung wie bei der Glaubensbildungsfreiheit der Schüler und Schülerinnen vorzunehmen.642 Im Konfliktfall sind also zunächst Gespräche zu führen, notfalls ist die Lehrerin zu versetzen. Allgemeine präventive Kopftuchverbote lassen sich nicht rechtfertigen. 635 636 637 638 639 640 641 642
Vgl. Kokott (2003), Art. 4 Rn. 7; Schmitt-Kammler (2003), Art. 6 Rn. 54. Vgl. Pieroth/Schlink (2005), Rn. 129. Siehe oben S. 110. Kokott (2003), Art. 4 Rn. 7. Siehe oben S. 123 ff. Vgl. Battis/Bultmann (2004), 36. Vgl. Mahlmann (2004a), 126. Siehe oben S. 132 ff.
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
5. Religiös-weltanschauliches Neutralitätsgebot als Schranke Die Religionsfreiheit der Lehrerin könnte durch ein an den Staat gerichtetes religiös-weltanschauliches Neutralitätsgebot beschränkt werden. Das setzt voraus, dass die Verfassung ein solches Gebot vorgibt und dieses Gebot verlangt, dass Lehrer in der Schule nicht ihre religiöse Überzeugung sichtbar machen dürfen. Ob ein solches Neutralitätsgebot existiert, soll im Folgenden untersucht werden. a) Meinungsspektrum zur Definition eines religiös-weltanschaulichen Neutralitätsgebotes Das Grundgesetz sieht ein religiös-weltanschauliches Neutralitätsgebot nicht ausdrücklich vor.643 Die Rechtsprechung geht dennoch einheitlich von der Existenz dieses Gebotes aus.644 In der Literatur wird überwiegend angenommen, dass das Grundgesetz ein Neutralitätsgebot vorgebe.645 Gestritten wird aber darüber, aus welchen Normen ein religiös-weltanschauliches Neutralitätsgebot herzuleiten ist, welchen dogmatischen Gehalt es hat und was sein Inhalt ist. Einigkeit besteht nur darüber, dass dieses Gebot regeln soll, wie der Staat sich gegenüber religiös-weltanschaulichen Angelegenheiten verhält.646 (1) Striktes Neutralitätsgebot Für die Vertreterinnen eines „strikten“, „ausgrenzenden“, „distanzierenden“647 oder „negativen“648 Neutralitätsverständnisses ist jede Form des Zusammenwirkens zwischen Staat und Religion verboten. Neutralität wird als radikale Trennung von Staat und Religion sowie als konsequente Verneinung alles Religiösen
643 In einigen Landesverfassungen ist das Neutralitätsgebot dagegen ausdrücklich vorgegeben oder zumindest umschrieben, u. a. in Art. 131 BayVerf.; Art. 26 BremVerf.; Art. 56 III HessVerf. 644 Vgl. z. B. BVerwGE 42, 346 (347). 645 Vgl. zuletzt für einen Erhalt des Neutralitätsgebotes Huster (2002), passim; Czermak (2003), 949 ff.; vgl. zur jüngsten Diskussion um die Ausgestaltung der staatlichen Neutralitätspflicht Papier (2007), 1123 ff.; Ladeur/Augsberg (2007), 12 ff. 646 Vgl. Huster (2002), 680, 10. These: Kernbereich der Neutralitätsproblematik sei das Verhältnis des Staates zu religiös-weltanschaulichen Sachverhalten. 647 BVerwG, NJW 1999, 3063 (3064) spricht von einer „distanzierenden Neutralität im Sinne der Nichtidentifikation mit Religionen und Weltanschauungen“. Diese Sichtweise ist insofern irreführend, da auch die Vertreter einer offenen Neutralität dem Staat verbieten, sich mit Religionen und Weltanschauungen zu identifizieren, siehe unten S. 149. Zur Kritik am Urteil des BVerwG s. Nolte (2000), 891 ff. 648 Vgl. zur Darstellung dieser Position Huster (2002), 38.
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im staatlichen Bereich konkretisiert.649 Der Staat dürfe Religion in keiner Weise fördern.650 Ein solches Verständnis staatlicher Neutralität geht insbesondere auf Herbert Krüger zurück. Nach Krüger ist der religiös-weltanschauliche Bereich für den Staat schlechthin „unerheblich“ und aus der staatlichen Existenz auszuklammern.651 Krüger forderte sogar eine personale Nichtidentifikation. Auch der Einzelne sei nur dann Staatsbürger, wenn er bei Eintritt in den staatlichen Bereich neutral werde. Religiöse Grundrechtsaktivitäten seien im Bereich des „allgemeinen“ Staates unzulässig, hier gebe es nur staatliche Hoheitsausübung und Kompetenzen.652 Er geht demnach von einer mehr oder weniger rigorosen Trennung von Staat und Gesellschaft aus.653 Ein solches striktes Neutralitätsgebot ähnelt der u. a. in Frankreich durch die Verfassung vorgegebenen Laizität.654 Eine konsequente organisatorische Trennung von Staat und Kirche wird gegenwärtig wegen der zunehmenden religiösen Pluralisierung von einem Teil der Lehre655 und dem BVerwG656 gefordert. Insbesondere in der Diskussion um das Kopftuchtragen im öffentlichen Dienst stellten das BVerwG und die Literatur diese Forderung auf. Bei fehlender oder abnehmender Homogenität religiöser oder weltanschaulicher Bindungen könne eine striktere Beachtung des Prinzips der Trennung von Kirche und Staat die Religionsfreiheit des Einzelnen besser schützen.657 Gefordert wird ein grundsätzliches Verbot religiöser Symbole in der Schule.658 Die Vertreter einer strengen Neutralität sprechen sich eindeutig für ein abstrakt-generelles Kopftuchverbot aus.659
649 So insbesondere Krüger (1964), 179, 184, 282 u. öfter, diese Sichtweise ist prägend für die Ausführungen von Fischer (1993), passim, insb. 92; mit ähnlicher Tendenz Renck (1989), 451 ff.; vgl. zur Diskussion über ein radikales Neutralitätsprinzip Schlaich (1972), 21 ff., 134 f., 220, 255 f. 650 Krüger (1964), 36; von Zezschwitz (1966), 340. 651 Vgl. Krüger (1964), 179. 652 Krüger (1964), 160; mit ähnlicher Tendenz Renck (1989), 454; deutlich dagegen Meyer-Teschendorf (1978), 216. 653 Krüger (1964), 160; ähnlich Fischer (1993), passim und 92 ff.; in diese Richtung auch von Zezschwitz (1966), 338 f.; zur Darstellung des Staatsverständnisses von Krüger vgl. Rathke (2005), 61. 654 Zur Laizität siehe u. S. 160. 655 Vgl. z. B. Janz/Rademacher (1999), 712 f. 656 Vgl. BVerwG, JZ 2004, 1178 (1179 f.); BVerwG, ZBR 2003, 37 (38 f.); dagegen noch BVerwG, NJW 1999, 3063 (3064): „In der Literatur und in der Rechtsprechung des BVerfG ist sei langem anerkannt, dass die Verpflichtung des Staates nicht gleichzusetzen ist mit einer strikten Trennung von Staat und Kirche.“ 657 Vgl. Kokott (2003), Art. 4 Rn. 42. 658 Vgl. Goerlich (1999), 2933; Janz/Rademacher (1999), 711. 659 Vgl. BVerwG, JZ 2004, 1178 (1179 f.); BVerwG, ZBR 2003, 37 (38 f.).
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(2) Offenes Neutralitätsgebot Das BVerfG hat dagegen ein sehr offenes Verständnis des weltanschaulichkonfessionellen Neutralitätsgebotes des Staates. Dieses verlange keine strikte Trennung von Staat und Kirche.660 Dementsprechend ließ das BVerfG sowohl christliche Gemeinschaftsschulen wie auch ein christliches Schulgebet zu.661 Mit dem Kruzifixbeschluss662 hielt das BVerfG weiterhin an einem offenen Neutralitätsgebot fest. Zwar ist der Beschluss in der Literatur daraufhin kritisiert worden, dass er einen Geist des Laizismus atme, der mehr der amerikanischen oder französischen als der deutschen Verfassungstradition entspreche.663 Ein solcher Laizismus haftet dem Beschluss aber nicht an. Das BVerfG erklärte ein Kreuz, das vom Staat angeordnet wurde und von dem sich ein Schüler unzumutbar beeinflusst fühlte, für unzulässig. Damit spricht sich das BVerfG nicht gegen jede Religionsausübung in der staatlichen Schule aus. Diese Haltung bestätigte das BVerfG zuletzt im Ludin-Urteil von 2003: Nach dem Verständnis des Verhältnisses von Staat und Religion, wie es in der Rechtsprechung des BVerfG seinen Niederschlag gefunden habe, sei die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität nicht als eine distanzierende Haltung im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche zu begreifen, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung zu verstehen. Der Staat dürfe lediglich keine gezielte Beeinflussung im Dienste einer bestimmten politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung betreiben oder sich durch von ihm ausgehende oder ihm zuzurechnende Maßnahmen ausdrücklich oder konkludent mit einem bestimmten Glauben oder einer bestimmten Weltanschauung identifizieren und dadurch den religiösen Frieden in der Gesellschaft von sich aus gefährden.664 Der (noch) überwiegende Teil der Lehre folgt dem BVerfG und bezeichnet das Verhältnis von Staat und Kirche als eines der „unvollständigen“ oder „hinkenden Trennung“665 oder „freundlichen Kooperation“.666 Institutionen, in denen Staat und Kirche zusammenwirken, gelten demnach als erlaubt, solange 660 Vgl. z. B. BVerfGE 52, 223 (238 ff.); ebenso im Urteil über die bayerische Widerspruchslösung zu Schulkreuzen noch das BVerwG, NJW 1999, 3063 (3064). 661 BVerfGE 52, 223 (238 ff., 240 ff.); 41, 29 (46 ff., 49). 662 BVerfGE 93, 1 ff. 663 Kokott (2003), Art. 4 Rn. 44; vgl. Müller-Volbehr (1995a), 1000. 664 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3113). 665 Diese Formulierung geht auf die Bezeichnung von Stutz (1926), 54 Fn. 2 für das staatskirchenrechtliche Gesamtsystem der Weimarer Verfassung zurück. 666 Vgl. u. a. Böckenförde (2001), 726; Debus (1998), 114; Ekardt (2005a), 253; Häußler (1999), 33; Isak (1994), 194 f.; Jeand’Heur/Korioth (2000), 37; Muckel (2001a), 62; Morlok (1993), 332; wohl auch Obermayer (1971), Art. 140 Rn. 78; Michael (2003), 257; vgl. zur Darstellung dieser Positionen Huster (2002), 37 f.
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keine Verbindung daraus wird, die die gegenseitige Unabhängigkeit beider Institutionen gefährdet.667 Die Grenze religiös motivierten Verhaltens des Staates liege dort, wo dieser sich mit den Glaubensvorstellungen seiner Bürger identifiziere.668 Ebenso dürfe der Staat grundsätzlich Religionsgemeinschaften fördern.669 Seine Neutralität wahre der Staat durch eine gleichmäßige Berücksichtigung aller Religionen und Weltanschauungen.670 Uneinheitlich bewerten die Vertreter einer offenen Neutralität die Folgen des Neutralitätsprinzips für die Lehrerin mit Kopftuch. Das VG Lüneburg sah den Staat keiner absoluten Neutralität verpflichtet und erlaubte deshalb einer Lehrerin, im Dienst das Kopftuch zu tragen.671 Diese Ansicht entspricht dem LudinUrteil des BVerfG. Danach kann Lehrerinnen das Kopftuchtragen nicht pauschal verboten werden, ohne dass es auf den konkreten Konflikt ankommt, soweit weiterhin – was aber für die Schule mit Blick auf die zunehmende religiöse Pluralität nicht zwingend vorgeschrieben wird – ein offenes Neutralitätskonzept verfolgt wird. Dagegen klassifizierten VG Stuttgart und VGH Mannheim die staatliche Neutralitätspflicht als übergreifende, offene, respektierende, vorsorgende Neutralität672 und kamen dennoch zu dem Ergebnis, dass der Lehrerin das Kopftuchtragen pauschal, ohne dass es auf den konkreten Konflikt ankomme, verboten werden könne.673 (3) Neutralitätsgebot als religionsfreundliche Trennung von Staat und Religion Eine eigene Auffassung des religiös-weltanschaulichen Neutralitätsgebotes, die letztlich zwischen striktem und offenem Neutralitätsgebot zu verorten ist, vertritt Czermak. Seiner Meinung nach ist das religionsrechtliche System des Grundgesetzes bestimmt von einem Trennungsprinzip im Sinn der grundsätzlichen organisatorischen Trennung von Staat und Religion. Hinzu komme ein Neutralitätsprinzip im Sinn der inhaltlichen Distanzierung des Staates von jedweder religiös-weltanschaulichen Ideologie. Das Trennungsprinzip werde im Grundgesetz nicht konsequent durchgeführt, sondern lasse institutionelle Ver667
Vgl. u. a. Britz (1996), 232; Isak (1994), 195 f. Vgl. zum an den Staat gerichteten Identifikationsverbot BVerfGE 105, 279 (295); Debus (1998), 114; Isak (1994), 195; Krüper (2005), 109; Morlok (2004), Art. 140 Rn. 35; Morlok (1993), 332; Obermayer (1971), Art. 140 Rn. 78; Püttner (1976), 17; Preuß (2001), Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 12; Schlaich (1972), 236. 669 Vgl. u. a. Häußler (1999), 36; Isak (1994), 199. 670 Vgl. Isak (1994), 197 f.; Meyer-Teschendorf (1978), 216 f.; Schlaich (1972), 242. 671 VG Lüneburg, NJW 2001, 767 (769). 672 VG Stuttgart, DÖV 2000, 561 (562). 673 VG Stuttgart, NVwZ 2000, 959 (961); ebenso Brenner (2000), 284; Kästner (1999), 365; Mückl (2001), 124; wohl auch Marré (2003), 567. 668
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bindungen zu. Diese Verbindungen lassen sich zwar nicht zu einem Verfassungsprinzip der Kooperation verdichten. Sie seien aber Ausdruck einer besonderen Offenheit der Verfassung für religiös-weltanschauliche Aktivitäten.674 (4) Neutralitätsgebot als Gebot der Begründungsneutralität Vorgestellt werden soll zuletzt das von Stefan Huster in seiner 2002 veröffentlichten Habilitationsschrift entwickelte Konzept der Begründungsneutralität.675 Huster hat nach der Monographie von Klaus Schlaich zum Neutralitätsgebot von 1972676 die jüngste große Monographie zu diesem Begriff geschrieben. Zudem unterscheidet sich sein Konzept des Neutralitätsgebot von der herrschenden Meinung, da er dieses Gebot nicht als Schranke sondern Schranken-Schranke entwickelt: Die Verfassung sei gegenüber der Alternative einer Integration religiös-weltanschaulicher Interessen oder einer strikteren Trennung von Staat und religiös-weltanschaulichen Sachverhalten indifferent.677 Huster versteht das Neutralitätsgebot als eine spezifisch politische Ordnungsvorstellung und stützt es auf eine egalitäre politisch-moralische Legitimitätsvorstellung. Nach Huster verpflichtet das politisch liberale Konzept staatlicher Neutralität den Staat zu strikter Gleichbehandlung seiner Bürger bei der Begründung seiner Maßnahmen. Das Neutralitätsgebot ergebe sich daraus, dass der Staat nicht allen Bürgern mit gleicher Achtung und gleichem Aspekt begegne, wenn die Begründungen seiner Maßnahmen auf ethische Überzeugungen zurückgreifen, die permanent und aus prinzipiellen Gründen umstritten seien.678 Das Neutralitätsgebot sei allein auf die Begründungen staatlichen Handelns, nicht aber auf dessen Wirkungen bezogen.679 Ein Gebot der Wirkungsneutralität sei weder realisierbar, noch mit den Grundprinzipien einer freiheitlichen Ordnung vereinbar, die einen Wettbewerb der unterschiedlichen Überzeugungen und Lebensformen zulasse.680 Husters Position bedeutet für das religiös motivierte Tragen eines Kopftuches durch eine Lehrerin: Es sei auf der einen Seite weder aus Sicht des Neutralitätsgebotes noch der Grundrechte der betroffenen Schüler, Schülerinnen und Eltern von vornherein unzulässig, dass sich ein Lehrer zu seiner religiös-weltanschau674
Czermak (2000), 235 und 246 f. Huster (2002), passim, insb. 43 ff. 676 Schlaich (1972), passim. 677 Huster (2002), 682. 678 Huster (2002), 679, 6. These. Von dem politischen Liberalismus sei der ethische Liberalismus zu unterscheiden, der das Neutralitätsgebot auf eine relativistische Epistemologie oder auf ethische Ideale der Individualität und Autonomie zurückführe, Huster (2002), 25 f., 679. 679 Huster (2002), 678 f. 680 Huster (2002), 678 f. 675
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lichen Überzeugung bekenne und diese Überzeugung auch in seiner Kleidung zum Ausdruck komme. Dieses Verhalten dürfe nur nicht auf eine Beeinflussung der Schüler und Schülerinnen angelegt und es müsse klargestellt sein, dass sich nicht die öffentliche Schule als solche mit dieser Überzeugung identifiziere. Auf der anderen Seite könnten gute Gründe dafür sprechen, die Lehrerinnen zu einer strikten Zurückhaltung in religiös-weltanschaulichen Fragen zu verpflichten. So möge die Schule bereits die Gefahr einer Beeinflussung der Schüler und Schülerinnen oder das Aufbrechen religiös-weltanschaulicher Konflikte verhindern wollen. Ob die religiös geprägte Kleidung einer Lehrerin einen Fremdkörper darstelle, hänge davon ab, ob und inwieweit sich die Schule generell dem religiös-weltanschaulichen Pluralismus öffne. Dies obliege wiederum weithin dem schulpolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der Lehrerinnen angesichts ihrer beamtenrechtlichen Pflichten auch den Verzicht auf eine religiös geprägte Bekleidung vorgeben dürfe.681 Dem Staat weist ein solches Neutralitätsgebot also einen weiten Handlungsspielraum zu. Grundrechtsdogmatisch ist es keine Schranke, sondern eine Schranken-Schranke.682 b) Kein striktes Neutralitätsgebot als Schranke Als Schranke für die Religionsfreiheit der Lehrerin kommt nur das strikt verstandene Neutralitätsgebot in Betracht. Soweit teilweise auch mit dem offenen Neutralitätsgebot Eingriffe in die Religionsfreiheit der Lehrerin gerechtfertigt werden683, handelt es sich faktisch um ähnliche Überlegungen wie beim strikten Neutralitätsgebot. Im Folgenden soll daher nur das strikte Neutralitätsgebot untersucht werden. (1) Herleitung und dogmatische Einordnung eines Neutralitätsgebotes Das BVerfG sprach erstmals 1960 von der „religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates“.684 In der Regel leitet das BVerfG und ihm folgend ein Großteil der Literatur das Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität aus einer Gesamtschau verschiedener Normen des Grundgesetzes ab. So erklärte das BVerfG 1965: „Das Grundgesetz legt durch Art. 4 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3, Art. 33 Abs. 3 GG sowie durch Art. 136 Abs. 1 und 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG dem Staat als Heimstatt aller Staatbürger ohne Ansehen der Person weltanschaulich-religiöse Neutralität auf. Es verwehrt die 681
Huster (2002), 241. Vgl. Huster (2002), 657; in diese Richtung gehend BVerfGE 30, 415 ff.; 19, 206 ff.; Geis (1998), 56 f. 683 Siehe oben S. 149. 684 BVerfGE 12, 1 (4). 682
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Einführung staatskirchlicher Rechtsformen und untersagt auch die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse.“685 Teilweise wird dem Neutralitätsgebot ein Gehalt zugesprochen, der über diejenigen Normen hinausgeht, aus denen es abgeleitet wird.686 Dem Neutralitätsgebot wird so eine eigenständige Rechtsqualität zugesprochen687 und es wird als Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe in die Religionsfreiheit des Einzelnen verwendet.688 Zuletzt ging das BVerfG im Ludin-Urteil von der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates als einem Gebot aus, mit dem die Religionsfreiheit der Lehrerin kollidieren könne.689 Einige Autoren bestreiten jedoch die Existenz eines religiös-weltanschaulichen Neutralitätsgebotes im Grundgesetz. Sie sehen die Gefahr, dass die Rechtsprechung selbstständig und schöpferisch den Inhalt eines solchen Gebotes prägt690 und damit über die Vorgaben der Verfassung hinausgeht, wenn das Neutralitätsgebot als eigenständiges Rechtsprinzip anerkannt würde, das einen über die Einzelgewährleistungen überschießenden Gehalt habe. Wenn ein solches Gebot aber nicht mehr Regelungsgehalt enthalte als die Summe der einzelnen Verfassungsvorschriften, die gewöhnlich zu seiner Herleitung zitiert werden, sei dieses Gebot schlicht überflüssig oder redundant. Da es sich bei diesem Gebot nur um eine unselbstständige „ex-post-Zusammenfassung“ der jeweiligen Einzelgewährleistungen handele, könnten die verfassungsrechtlichen Handlungsmaßstäbe ausschließlich diesen Einzelgewährleistungen entnommen werden.691 So forderte Holzke die formelhaft-unklare Redewendung staatlicher Neutralität zu verabschieden.692 „Neutralität“ sei, so Holzke, entweder ein „bloßes Wort“ ohne dazugehörigen Begriff oder aber „überflüssig und irreführend“ und solle daher aus dem Religionsverfassungsrecht verabschiedet werden. Der Begriff Neutralität laufe Gefahr, als leere, „beschwörende Formel“ verwendet zu werden.693 Zur Kritik an der Existenz eines religiös-weltanschaulichen Neutralitätsgebotes im Grundgesetz ist anzuführen, dass das Neutralitätsgebot keineswegs das 685 BVerfGE 19, 206 (216); ebenso BVerfGE 105, 279 (294); 102, 370 (383); 93, 1 (16 f.); zustimmend u. a. Magen (2003), 7. 686 Vgl. z. B. Magen (2003), 7; er sieht das Verbot symbolischer Identifikation als Eigengehalt des Neutralitätsgebotes. 687 So z. B. von Nolte (2000a), 111 ff. 688 So z. B. in den Kopftuchurteilen VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2902); VG Lüneburg, NJW 2001, 767 (768); eher kritisch gegenüber der Verwendung des Neutralitätsgebotes als Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe Häußler (1999), 34. 689 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3112). 690 Vgl. Schlaich (1972), 197. 691 Vgl. Eberl (1996), 108; kritisch gegenüber dem überschießenden Gehalt des Neutralitätsgebotes auch Hillgruber (2001), 1348; siehe zur Darstellung dieser Positionen Huster (2002), 41. 692 Holzke (2002), 903 ff. 693 Holzke (2002), 910.
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einzige Verfassungsgebot ist, das aus verschiedenen Einzelvorschriften des Grundgesetzes hergeleitet wird. So wird auch das Rechtsstaatsprinzip aus Einzelgewährleistungen des Grundgesetzes wie Art. 20 III und 19 IV GG hergeleitet. Dass das Neutralitätsgebot in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich verstanden wird, ist ebenfalls kein Grund, dieses Gebot aufzugeben. Es wohnt dem religiös-weltanschaulichen Neutralitätsgebot nicht zwingend inne, dass es nicht einheitlich ausgelegt werden kann. Vielmehr käme es nur darauf an, das Neutralitätsgebot richtig auszulegen. Für die Begründung eines Neutralitätsgebotes ist aber zu beachten, dass die zentrale Norm des Religionsverfassungsrechts die Religionsfreiheit ist. Die Religionsfreiheit verlangt grundsätzlich – das haben die obigen Ausführungen gezeigt –, dass Bürgerinnen auch im staatlichen Raum, wie dem Beamtentum, aktive religiöse Betätigungsmöglichkeiten eröffnet werden. Grundrechte als Abwehrrechte bedeuten die Möglichkeit des Einzelnen, in verschiedensten Bereichen zu tun und zu lassen, was er will. Freiheit muss in allen Bereichen gegen Verhaltenshindernisse geschützt werden.694 Die Grundrechte statuieren nicht nur individuelle Abwehransprüche der jeweiligen Grundrechtsträgerinnen. Sie verpflichten vielmehr auch die Träger öffentlicher Gewalt, das Mögliche zu tun, um den Grundrechtsträgern nach Maßgabe des jeweiligen Normbereichs einen möglichst ungestörten und effizienten Gebrauch ihrer Grundrechte zu gewährleisten.695 Staatliche Neutralität soll vor allem diese Religionsfreiheit schützen.696 Auch das BVerfG verwendete das Neutralitätsgebot zunächst zur Verstärkung der Religionsfreiheit.697 Erst später wurde das Neutralitätsgebot so dogmatisch verselbstständigt, dass es der Religionsfreiheit des Einzelnen als Schranke entgegengehalten werden kann. Eine offene Neutralität wird diesem zwingenden Verständnis der Religionsfreiheit ebenso gerecht698 wie das von Czermak vertretene Trennungs- und Neutralitätsprinzip. Die Forderung nach einer strikteren Trennung von Staat und Religion läuft dagegen auf eine Verkürzung des Grundrechtsschutzes hinaus und muss sich vor dem Hintergrund des zwingenden Schutzes der Religionsfreiheit rechtfertigen lassen.699 Das Grundrecht der Religionsfreiheit setzt dem Zurückdrängen der Religionsausübung in die private Sphäre eine hohe Hürde entge694
Vgl. Kästner (1999), 363; Robbers (1994), 876; Sachs (2003), vor Art. 1 Rn. 43. Vgl. Kästner (1999), 363; in diese Richtung gehend Robbers (1994), 876. 696 Vgl. Debus (1998), 194; Ekardt (2005), 226; ders. (2005a), 253 Fn. 13. 697 Vgl. BVerfGE 19, 1 (8): Die Neutralität des Staates schütze die (religiöse) Freiheit des Bürgers, denn „Indifferenz des Staates gegenüber sämtlichen besonderen Auffassungen sichert erst die Freiheit der Bürger, solche Auffassungen haben und ausleben zu dürfen“. 698 Mahlmann (2004), 124; ebenso u. a. Giegerich (2001), 270; Heinig/Morlok (2003), 784. 699 Vgl. Mückl (2001), 103, Fn. 65. 695
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gen.700 Keinesfalls legt allein der Begriff „Neutralität“ vom Wortsinn her die Vorstellung einer konsequenten organisatorischen Trennung von Staat und Kirche nahe.701 In welchem Sinne ein verfassungsrechtliches Neutralitätsgebot besteht, kann sich allein aus dem Grundgesetz ergeben.702 Von einem strikten Neutralitätsgebot kann nur dann ausgegangen werden, wenn die dem Neutralitätsgebot zugrunde liegende normative Grundlage ein solches Verständnis überzeugend erscheinen lässt.703 Denkbar ist auch, aus Verfassungsgewohnheitsrecht ein striktes Neutralitätsgebot herzuleiten. Zu untersuchen ist, ob die Herleitung einer strikten Neutralität gegenwärtig diesen Anforderungen genügen kann. (2) Kein striktes Neutralitätsgebot aus dem Verbot der Staatskirche Einige Autoren leiten ein Neutralitätsgebot, das eine konsequente strenge Trennung von Staat und Religion verlange, aus dem Verbot der Staatskirche ab.704 Das Verbot einer Staatskirche aus Art. 140 GG i.V. mit Art. 137 I WRV verbietet jedenfalls organisatorisch-institutionelles und inhaltliches Zusammenarbeiten von Staat und Religionsgemeinschaften dergestalt, dass Staat und Religionsgemeinschaften jeweils ihre Unabhängigkeit verlieren. Staatliche Angelegenheiten und Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften dürfen nicht so vermischt werden, dass sie untrennbar verbunden sind.705 Allgemein wird Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 I WRV deshalb als Trennungsprinzip bezeichnet.706 Andere Autoren verstehen dagegen Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 I WRV als Gebot moderater Trennung von Staat und Religion.707 Nicht ausgeschlossen sei die kooperative Aufgabenwahrnehmung. Zusammenarbeit von Staat und Religionsgemeinschaften auf den Ebenen des Erziehungswesens und der Krankenpflege z. B. sei erlaubt. Die Ausgestaltung von Religionsunterricht als Pflichtfach nach Art. 7 III GG oder die nach Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 V WRV den Religiongsgemeinschaften eingeräumte Möglichkeit, Körperschaft 700 Vgl. Hufen (2004), 575; Isak (1994), 197; Kokott (2005), 364; Mikat (1995), 1440 Rn. 16; dagegen gehen u. a. Janz/Rademacher (1999), 706 davon aus, es sei zulässig, Religionsausübung auf den privaten Bereich zu beschränken. Für Fischer (1993), 97 ist die Trennung von Staat und Kirche nicht die „Versetzung der Kirche in die Privatsphäre“, sondern ihre Ansiedlung im gesellschaftlichen Freiheitsraum. 701 So aber Janz/Rademacher (1999), 710; a. A. Huster (2002), 37. 702 Ebenso Huster (2002), 41; Isak (1994), 196. 703 Ebenso u. a. Geis (1998), 56. 704 Z. B. Fischer (1993), 18; Janz/Rademacher (1999), 707. 705 Vgl. BVerfGE 93, 1 (16); 19, 206 (216); Magen (2003), 7; Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 161; Morlok (2004), Art. 137 WRV, Rn. 16; Czermak (2003), 950 f.; Magen (2002), Art. 140 Rn. 56. 706 Statt vieler Debus (1998), 114; Heinig/Morlok (2003), 784; Czermak (2004), 7; Huster (2002), 37. 707 Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 166; wohl auch Magen (2002), Art. 140 Rn. 25; Czermak (2003), 949.
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des öffentlichen Rechts zu werden, widersprächen Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 I WRV nicht.708 Es ist nicht überzeugend, Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 I WRV so auszulegen, dass das Grundgesetz eine strenge Trennung von Staat und Religion verlange. Der Wortlaut gibt das jedenfalls nicht vor. Wenn der Staat z. B. eine Religionsgemeinschaft wie die christliche Kirche finanziell unterstützt, muss diese Unterstützung nicht zwingend zu einer organisatorisch-institutionellen Verbindung von Staat und christlicher Kirche führen, die die Unabhängigkeit dieser beiden Institutionen gefährdet. Und wenn der Staat z. B. in der Schule religiöse Symbole wie ein Kreuz oder Koransuren verwendet, entsteht daraus keine inhaltliche Verbindung dergestalt, dass die Angelegenheiten von Staat und Religionsgemeinschaften nicht mehr zu trennen wären. Vor allem aber stehen Art. 7 III und V GG und die übrigen inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung einer solchen Auslegung entgegen. Diese Vorschriften erlauben die beschränkte Zusammenarbeit von Staat und Religionsgemeinschaften bzw. sehen vor, dass der Staat in staatlichen Einrichtungen wie der Schule den Religionsgemeinschaften die Möglichkeit zum Tätigwerden in Form von Religionsunterricht geben muss. Die Vorschriften, die eine derartige Zusammenarbeit erlauben, sind kein verfassungswidriges Verfassungsrecht oder Ausnahmen vom Grundsatz der Neutralität.709 Würde Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 I WRV dagegen als ein Gebot strikter Trennung von Staat und Religion verstanden, müssten Art. 7 III und V GG und die übrigen inkorporierten Artikel der WRV zwingend als Ausnahmen verstanden werden. Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 I WRV muss also so verstanden werden, dass jedenfalls die im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehene Zusammenarbeit von Staat und Religionsgemeinschaften erlaubt ist. (3) Kein striktes Neutralitätsgebot aus Verfassungsgewohnheitsrecht Das BVerfG und die verfassungsrechtliche Literatur710 argumentieren zum Teil für ein religiös-weltanschauliches Neutralitätsgebot, als ob es sich dabei um Verfassungsgewohnheitsrecht handele. So schlussfolgern sie häufig aus der historischen Entwicklung der Trennung von Staat und Kirche, insbesondere aus den politischen Erfahrungen in den konfessionellen Bürgerkriegen der frühen Neuzeit, das Neutralitätsgebot ziele in erster Linie auf die Vermeidung religiöser Konflikte. Der Staat, in dem Anhänger unterschiedlicher oder gar gegensätzlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zusammenleben, könne 708
Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 161. Siehe oben S. 114 ff. 710 Z. B. Böckenförde (1976), 92 ff.; in die Richtung gehend Schlink (1997), 306 ff.; vgl. zur Darstellung dieser Positionen Huster (2002), 47 ff. 709
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die Koexistenz nur gewährleisten, wenn er selbst in Glaubensfragen Neutralität bewahre.711 Der Staat dürfe nicht von sich aus den religiösen Frieden in der Gesellschaft gefährden.712 Deshalb habe er sich im Umgang mit Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften besondere Zurückhaltung aufzuerlegen, deren konkretes Maß sich nach den Umständen des Einzelfalls bestimme.713 Die (religiös-konfessionelle) Neutralität sichere damit den (weltanschaulichen) Frieden des Gemeinwesens.714 Das Neutralitätsgebot ziele mithin in erster Linie auf die Vermeidung religiöser Konflikte.715 Nach der hier vertretenen Ansicht kann ein religiös-weltanschauliches Neutralitätsgebot nicht aus Verfassungsgewohnheitsrecht hergeleitet werden. Unter Gewohnheitsrecht wird ungeschriebenes Recht verstanden, das aufgrund langer tatsächlicher Beachtung allgemein als verbindlich anerkannt wird. Zwar ist die Existenz von Gewohnheitsrecht auf der Ebene der Verfassung denkbar.716 Die historische Herleitung der Trennung von Staat und Kirche erklärt aber weder den Gehalt noch den normativen Charakter des Neutralitätsgebotes befriedigend.717 Zwar ist der deutsche säkulare Staat das Produkt eines langen historischen Säkularisierungsprozesses und die jahrhundertlange Auseinandersetzung zwischen weltlicher und geistlicher Macht prägte die moderne Staatsordnung.718 Jedoch führten insbesondere die konfessionellen Bürgerkriege nicht zu einer Lösung, die dem heutigen Trennungsprinzip entspricht. In der vorstaatlichen mittelalterlichen Ordnung beanspruchte die Kirche die Führungsrolle in der Gesellschaft.719 Ab dem 13. Jh. verschoben sich die Machtzentren zugunsten der weltlichen Partei, der Könige und der Fürsten.720 Die mit Luthers Thesenanschlag 1517 eingeleitete Reformation führte zur Kirchenspaltung (Schisma)721 und den katholischen und evangelischen Reichsständen.722 Der Augsburger 711
BVerfGE 93, 1 (16). BVerfGE 105, 279 (294); 102, 370 (383); 93, 1 (16 f.); 19, 206 (216). 713 BVerfGE 105, 279 (294). 714 BVerfGE 93, 1 (16). 715 Magen (2003), 6; ebenso Häußler (2000), 256; Morlok (1993), 331 ff.; Mahlmann (2004), 1114; dagegen kritisch zum Verständnis des Neutralitätsgebotes als „Friedensgefährdungsverbot“ Holzke (2002), 905; wohl auch Huster (2002), 48 f. 716 Vgl. Sachs (2003) Einf. Rn. 11; Tomuschat (1972), passim. 717 Huster (2002), 679, 4. These. 718 Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 2; Schlaich (1972), 26 ff.; grundlegend Böckenförde (1976), 42 ff. Abweichend wohl Loschelder (1986), 149: „Die Unterscheidung von geistlichem und weltlichem ,Regiment‘, – ,Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist‘ – entspricht christlicher Anschauung von Anbeginn. Der Staat, der sich in den konfessionellen Bürgerkriegen des 16. und 17. Jahrhunderts bildet, treibt dies nur bis zur Separierung vor.“ 719 Grimm (1987), 54. 720 Grimm (1987), 55. 721 Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 11. 722 Vgl. Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 2. 712
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Religionsfrieden von 1555 räumte mit dem Prinzip des „cuius regio, eius religio“ den evangelischen und katholischen Reichsständen das Recht ein, den Bekenntnisstand und die Ordnung des Kirchenwesens in ihrem Gebiet zu bestimmen (ius reformandi). Andersgläubige Untertanen erhielten zumindest das Recht auf Auswanderung (ius emigrandi).723 Eine grundlegende Umwälzung der staatskirchenrechtlichen Verhältnisse leitete der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 ein, u. a. indem er die geistliche Territorialhoheit der katholischen Bischöfe beseitigte (Säkularisation).724 1870 versuchte Bismarck im bis 1878 dauernden Kulturkampf, die Autonomie und die in den staatlichen Bereich hineingreifende Macht der katholischen Kirche einzuschränken, indem er sie u. a. daran hinderte, politische Ordnungsaufgaben wie die Regelung der Ehe auszufüllen.725 Erst im 20. Jh. konstituierte die Weimarer Reichsverfassung einen tendenziell säkularen deutschen Staat.726 Das „Cuius regio, eius religio“-Modell, das auch die konfessionellen Kriege des 17. Jh. überdauerte, zeigt aber eine Lösung, nach der das Reich nur deshalb neutral bleiben konnte, weil es territorial in katholische und protestantische Fürstentümer aufgeteilt werden konnte. Dieses Modell hat mit der grundsätzlichen Trennung von Staat und Kirche, die das Grundgesetz vorschreibt, nicht viel gemein.727 Eher lässt sich – wenn überhaupt – an der französischen Antwort auf die Religionsspaltung die Entstehung des modernen säkularen Staates erkennen:728 In Frankreich führte die Glaubensspaltung politisch bereits im 16. Jh. zu einer zugespitzten Situation, weil das föderale Ventil fehlte. Stattdessen bildeten die „Politiques“, eine Gruppe von Theoretikern, eine dritte Partei neben den Katholiken und den reformierten Hugenotten. Sie plädierten dafür, dass der Staat sich über die Bürgerkriegsparteien erhebe und sie mit Gewalt zu friedlicher Koexistenz zwinge.729 Auch in Frankreich brach aber erst die Französische Revolution von 1789 mit dem Gottesgnadentum, mit dem Monarchen entfiel auch der Einfluss der katholischen (gallikanischen) Kirche. Erst 1905 wurde mit dem „Trennungsgesetz“ die Trennung von Staat und Kirche endgültig etabliert. Zudem war dem Einzelnen zum Zeitpunkt der Religionskriege weder in Deutschland noch in Frankreich individuelle Religionsfreiheit gewährt. Vielmehr waren die Bürger in ihrer Religionsausübung abhängig von der Toleranz der Herrschenden. In Deutschland erklärte der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg in dem Edikt von 1645, dass er sich über das Gewissen
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Isak (1994), 193; Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 15. Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 24; Weiß (2000), 104. Vgl. zum Kulturkampf Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 25. Isak (1994), 193; Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 29. Huster (2002), 52; vgl. Schlaich (1972), 31. Schlaich (1972), 31. Grimm (1987), 54 f.; Schlaich (1972), 32.
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seiner Untertanen keine Gewalt anmaßen wolle.730 Später sprach Friedrich der Große, die Religionen müssten alle toleriert werden. In Frankreich gewährte Heinrich IV 1598 mit dem Toleranzedikt von Nantes eine beschränkte Religions- und Kultusfreiheit.731 Die Toleranzedikte wurden von den Fürsten jedoch aus freien Stücken verfügt und wieder zurückgenommen, je nachdem wie es ihrem Machtstreben am besten entsprach.732 In Deutschland wurden erst mit den Kodifikationen des 19. Jh. – z. B. der Paulskirchenverfassung von 1848/49 – individuelle Religionsfreiheiten postuliert.733 Heute ist Religions- und Weltanschauungsfreiheit dagegen ein durch das Grundgesetz gewährtes Recht, das das staatliche Verhalten in religiös-weltanschaulichen Dingen maßgeblich prägt. Die historische Herleitung der Trennung von Staat und Kirche erklärt zwar, aufgrund welcher historischen Bedingungen es möglich war, dass Recht und Politik sich von religiös-weltanschaulichen Positionen emanzipieren konnten. Sie begründet aber nicht, dass es ein religiös-weltanschauliches Neutralitätsgebot als Verfassungsgewohnheitsrecht mit einem konkret benennbaren Inhalt gibt.734 Vor allem begründet die historische Herleitung der Trennung von Staat und Kirche in Deutschland kein striktes religiös-weltanschauliches Neutralitätsgebot. (4) Kein striktes Neutralitätsgebot als Folge religiöser Pluralität Die inhaltliche Bestimmung eines Neutralitätsgebotes wird von der Rechtsprechung und der Literatur in einen Zusammenhang mit der Integration verschiedener religiöser Gruppen in das staatliche Gemeinwesen gestellt.735 Das BVerfG berücksichtigte im Ludin-Urteil ausdrücklich den gesellschaftspolitischen Hintergrund einer in ethnisch-kultureller Hinsicht vielfältigen Gesellschaft. So fragte der Bundesverfassungsrichter Hassemer in der mündlichen Verhandlung im Fall Ludin: „Wieviel unterschiedliche Religion verträgt die Gesellschaft?“ Er wollte mit dem Ludin-Urteil das „Grundgesetz in die Zeit stel730
Vgl. Schnapp (1985), 858. Vgl. Schlaich (1972), 33; für weitere Toleranzedikte vgl. Püttner (1976), 11. 732 Vgl. Schnapp (1985), 858. 733 Jeand’Heur/Korioth (2000), Rn. 26 f. 734 Huster (2002), 51 f.; Müller (1982); skeptisch auch Schlaich (1972), 34: „Allerdings müßte näher gezeigt werden, was die Berufung auf diese Geschichte zur Legitimation eines Staatsverständnisses unter dem heutigen Grundgesetz als der Verfassung eines freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens beizutragen vermöchte.“ Dagegen aber Walter auf der Tagung der Bundesmigrationsbeauftragten – Islam einbürgern – am 25.4.2005 in Berlin: Der Interpret könne nur auf der Basis der historischen Prägung des Staatskirchenrechts das vorhandene Recht fortentwickeln und so eine zeitgerechte Rechtsanwendung erreichen. 735 Vgl. z. B. Anger (2005), 65; Häußler (1999), 35; wohl auch Kloepfer (2006), 54; Mahrenholz (2004), 762; Mann (2004), 143; Weber (2004), 54. 731
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len“.736 Des Weiteren heißt es im Urteil „Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel kann Anlass zu einer Neubestimmung des zulässigen Ausmaßes religiöser Bezüge in der Schule sein.“737 Das BVerwG forderte gerade wegen dieser zunehmenden religiösen Pluralität, die religiösweltanschauliche Neutralität des Staates als strikte Neutralität zu verstehen.738 Es ist fraglich, wie das Argument zunehmender religiöser Pluralität dogmatisch im Verfassungsrecht verankert werden kann. In der rechtlichen Diskussion um die Gestaltung des Verhältnisses von Staat und Religion wird zum Teil auf die sozialphilosophische Diskussion über Integration in der Demokratie Bezug genommen.739 In dieser Diskussion werden vor allem zwei Bezüge zwischen Religion und Integration hergestellt. Erstens geht es um die Identifikation der Mitglieder mit einer Gesellschaft, darum, welche gemeinsame Wertebasis eine Gesellschaft zusammenhält. Religion wird in diesem Bedeutungskontext als eine der möglichen Quellen, aus der sich dieser Wertekanon konstituiert, diskutiert.740 Zweitens geht es um die Einbindung von andersgläubigen Zuwanderern und religiösen Minderheiten in die Gesellschaft. Hier spielt eine wesentliche Rolle, inwieweit die religiöse Identität derer, die integriert werden sollen, geschützt werden muss, damit die Integration gelingen kann. Die Integration von Zuwanderern in die Gesellschaft wird als Voraussetzung für die gesamtgesellschaftliche Integration verstanden. Ohne die Integration des Einzelnen – so diese Diskussionslinie – kann die Integration des Gemeinwesens nicht bewirkt werden.741 Grundsätzlich ist es zulässig, die Verfassung unter Rückgriff auf sozialphilosophische Erkenntnisse auszulegen.742 Ebenso ist es zulässig, einen verfassungsrechtlichen Neutralitätsbegriff unter Rückgriff auf die sozialphiosophische Diskussion dieses Begriffes zu bestimmen.743 Dem Grundgesetz kann aber nicht allein durch eine sozialphilosophische Lesart der Verfassung ein aus der Sozial736
Vgl. auch Hassemer (2004), passim. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3115); zudem BVerfG ebd.: „Eine Regelung, die Lehrern untersagt, äußerlich dauernd sichtbar ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft oder Glaubensrichtung erkennen zu lassen, ist Teil der Bestimmung des Verhältnisses von Staat und Religion im Bereich der Schule.“ 738 BVerwG, ZBR 2003, 37 (38). 739 Vgl. z. B. Bielefeldt (2003), 37 ff.; Häußler (1999), 32 ff.; Huster (2002), passim und insb. 407 ff. 740 Vgl. z. B. Böckenförde (1976), 61. 741 Vgl. z. B. Langenfeld (2001), 575. 742 Vgl. zu Auswirkungen unterschiedlicher Grundrechtstheorien auf die Grundrechtsinterpretation Böckenförde (1974), 1529 ff.; vgl. für die „Offenheit der Verfassung“ Morlok (1988), 105 ff.; vgl. für die Einbeziehung der Rechtsphilosophie in die Verfassungsauslegung Hofmann (1997), 124; Huster (1995), 117 ff.; Frankenberg (1997), 105 ff.; vgl. für eine kommunitaristische Auslegung des Grundgesetzes Brugger (1999), 253 ff. 743 Vgl. Huster (2002), 43 f.; Volkmann (2000), 348 ff. 737
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philosophie gewonnener Neutralitätsbegriff unterlegt werden. Dieser müsste zwingend an den verfassungsrechtlichen Normenbestand angebunden sein. Dieser Normenbestand ist vor allem vom freiheitsschützenden Charakter des Grundgesetzes und dementsprechend dem großen Gewicht der Religionsfreiheit geprägt. Der Beleg dafür, dass wegen einer bestimmten sozialphilosophischen Lesart der Verfassung eine staatliche Reaktion auf die vorhandene religiöse Vielfalt erforderlich ist, die die Religionsfreiheit einschränken kann, ist bislang noch nicht erbracht. Die Folgen einer zunehmenden religiösen Pluralität können im Rahmen der Abwägung der Religionsfreiheit mit den gegenläufigen Verfassungswerten berücksichtigt werden. Zuvor ist gezeigt worden, dass die Religionsfreiheit der Kopftuch tragenden Lehrerin in der Abwägung mit den Grundrechten der Schüler und Eltern gegenwärtig grundsätzlich nicht pauschal zurückgedrängt werden kann. Das Verhältnis von positiver und negativer Religionsfreiheit ist aber ein dynamisches Verhältnis, das – anders als Laizität in Frankreich – immer wieder neu auszuhandeln ist. Denkbar ist, dass sich die gesellschaftliche Situation so verändert, dass religiöse Aktivitäten der Bürger im staatlichen Raum pauschal zugunsten entgegenstehender Verfassungswerte eingeschränkt werden können. Kommt es z. B. zu bürgerkriegsähnlichen religiösen Spannungen, so kann es gerechtfertigt sein, religiöse Aktivitäten zugunsten der Religionsfreiheit der anderen und des gesellschaftlichen Friedens auf den privaten Raum zu beschränken.744 Ob eine solche Situation vorliegt, kann nur bereichsspezifisch bestimmt werden.745 Für den hier zu beurteilenden Fall einer Lehrerin mit Kopftuch muss das für den Bereich der Schule bestimmt werden.746 Die mit zunehmender religiöser Pluralität verbundenen Spannungen könnten also zu einer pauschalierten Abwägung der Religionsfreiheit mit entgegenstehenden Verfassungswerten führen. Ein an den Staat gerichtetes religiös-weltanschauliches Neutralitätsgebot lässt sich daraus aber nicht ableiten. (5) Abgrenzung zur Laizität in Frankreich Die Begründung eines distanzierten Neutralitätsgebots dient letztlich dazu, die Verfassungslage in Deutschland in Richtung Laizität zu verschieben.747 Laizität bezeichnet die völlige Enthaltsamkeit des Staates in Weltanschauungsfragen. Der religiöse Bereich bleibt der privaten Sphäre überlassen und der Staat gewährleistet Religions- und Kirchenfreiheit. Diese Bestimmung stellt sich der
744
Vgl. Mahlmann (2004a), 124; ders. (2004), 1114. Zur bereichsspezifischen Neutralität vgl. Böckenförde (2001), 725; Holzke (2002), 905; Huster (2002), 31; Isak (1994), 196; Schlaich (1972), 7, 197, 226 ff. 746 Siehe unten S. 188. 747 Ebenso Michael (2003), 256. 745
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Offenheit für eine öffentliche Religions- und Bekenntnisausübung auch in staatlich getragenen Einrichtungen entgegen und sucht die Religionsfreiheit tendenziell auf den privaten, persönlichen Bereich zu begrenzen.748 Eine solche Laizität findet sich in Frankreich. Dort ist nicht nur Lehrerinnen das Tragen religiöser Kleidung verboten. Ebenso wird Schülern und Schülerinnen das Tragen auffälliger religöser Kleidung in der Schule durch das Gesetz vom 15. März 2004 untersagt.749 Dieses Gesetz war Folge einer erhitzten Debatte über das Kopftuchtragen an Schulen, die sich entzündete, als 2003 in einem Pariser Vorort zwei Schwestern plötzlich mit Kopftuch zur Schule kamen. Zu dem Zeitpunkt war die Praxis mit Kopftüchern von Schülern von einem Gutachten (avis) des Staatsrates (Conseil d’État) bestimmt.750 Dem Gutachten zufolge konnte es nur im Einzelfall zu einem Verbot und einer Schulverweisung kommen, wenn das Kopftuch einer Schülerin z. B. die Schulordnung störte. Der Staatsrat hatte das Gutachten erlassen, nachdem 1989 der Direktor einer Schule in Creil den Ausschluss von drei Mädchen im Unterricht wegen ihres Kopftuches verfügt hatte.751 Mit dem Gesetz von 2004 wollte der französische Staat vor dem Hintergrund der verstärkten Gegenwart von Musliminnen und Muslimen in Frankreich das Trennungsgesetz von 1905 bestätigen. Die französische Konstruktion kann aber die Richtung für eine Neubestimmung des Neutralitätsgebotes in Deutschland nicht weisen, weil die gewachsenen historischen Strukturen und rechtswissenschaftlichen Traditionen auf diesem Sektor hierzulande andere sind.752 Rechtsvergleichung könnte kulturwissenschaftlich einen Verfassungswandel nur dann belegen, wenn die rezipierte Rechtsnorm oder Rechtsprechung eine parallele Verfassungsentwicklung belegt, nicht aber, wenn die verglichenen Rechtsordnungen entgegengesetzten Rechtstraditionen entsprechen.753 Ein Vergleich mit Frankreich zeigt, dass in der deutschen – anders als in der französischen – Verfassung Laizität nicht als eigenständiges Rechtsprinzip angelegt ist, das aus sich heraus normative Bedeutung hat. Die seit 1958 geltende französische Verfassung legt in Art. 2 fest: „Frankreich ist eine unteilbare, laizistische, demokratische und soziale Republik.“ Die Festlegung von Laizität als staatliches Ordnungsprinzip hat in Frankreich Tradition. Das französische Trennungsmodell ist vor allem auf den Geist der fran748
Vgl. Böckenförde (2001), 726, Fn. 21; Kokott (2005), 346 f. Loi 2004-228 du 15 mars 2004 encadrant, en application du principe de laïcité, le port de signes ou de tenues manifestant une appartenance religieuse dans les écoles, collèges et lycées publics, JO du 17 mars 2004, S. 5190. 750 CE, Avis du 27 novembre 1989, RFDA 1990, 6, 8, zit. in Anger (2003), 155. 751 Zur Darstellung der „affaire foulard“ von 1989 vgl. Müller-Elschner (2003), 342 ff. 752 Vgl. Debus (1999), 440; Krüper (2005), 109; Michael (2003), 256; v. Campenhausen (1994), 68. 753 Michael (2003), 256. 749
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zösischen Revolution zurückzuführen.754 Der republikanischen Bewegung in Frankreich ging es wesentlich um die Befreiung des Staates von der Kirche, weshalb das französische Modell auch als antiklerikal bezeichnet wird.755 Laizität ist ein Gründungsbaustein der französischen Republik. Mit der Verordnung vom Februar 1795 schrieb die Regierung der Directoires zum ersten Mal rechtsverbindlich die Trennung von Staat und Kirche fest: „Die Republik entlohnt keinen Kult, besorgt kein Lokale dem Kult, erkennt keinen Kultleiter an.“ Napoleon setzte jedoch mit dem Erlass des Konkordats vom Juli 1801 den Katholizismus als Staatsreligion wieder ein. Mit dem sogenannten „Trennungsgesetz“ (loi de séparation) vom 9. Dezember 1905 erlangte schließlich die Verweltlichungsbewegung ihren Höhepunkt. Dieses Gesetz machte dem Konkordat ein Ende – nur in Elsass-Lothringen ist das Konkordat bis heute wegen des durch den Frankfurter Friedensvertrag von 1871 zwischenzeitlich erfolgten Anschlusses ans Deutsche Reich in Kraft.756 Gemäß Artikel 1 des Trennungsgesetzes wird die Weltanschauungsfreiheit durch die Republik gesichert und die freie Kultausübung gewährleistet. Artikel 2 lautet, ganz im Sinne der Verordnung von Februar 1795: „Kein Glaubensbekenntnis wird von der Republik anerkannt, entlohnt noch unterstützt“.757 Verfassungsrechtlich wurde die Laizität zum ersten Mal in Art. 1 der Verfassung vom 27. Oktober 1946 verankert.758 Zugleich wurde die Laizität des Schuldienstes in Art. 13 der Präambel dieser Verfassung betont: „Die Organisation eines öffentlichen und laizistischen Schulwesens ist eine Staatspflicht“.759 Für Lehrerinnen wurde diese Laizität ursprünglich festgelegt durch Artikel 17 des loi Goblet vom 30. Oktober 1886, das nichtlaizistische Lehrkräfte im Grundschulwesen verbietet und vom Conseil d’État auf das höhere Schulwesen übertragen wird. Dieses Trennungsmodell beschneidet tendenziell die positive Religionsausübungsfreiheit zugunsten der negativen Religionsfreiheit.760 Allerdings gibt es auch in Frankreich in der Alltagspraxis Kooperationsbeziehungen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften in unterschiedlichen Bereichen, wie etwa der Pflege und Unterhaltung kirchlicher Denkmäler.761
754
Vgl. Kokott (2005), 347. Vgl. Kokott (2005), 347. 756 Vgl. zur Geschichte der Laizität in Frankreich Basdevant-Gaudemet (2005), 172 ff. 757 Art. 2 des Gesetzes von 1905: „La République ne reconnaît, ne salarie ni ne subventionne aucun culte.“ 758 Art. 1 der Verfassung vom 27. Oktober 1946: „La France est une République indivisible, laïque, démocratique et sociale.“ 759 Artikel 13 der Präambel der Verfassung vom 27. Oktober 1946: „L’organisation de l’enseignement public gratuit et laïque à tous les degrés est un devoir de l’État“. 760 Vgl. Kokott (2005), 352. 761 Vgl. Gusy (2004), 157. 755
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In Deutschland ist dagegen Laizität im Grundgesetz gerade nicht als eigenständiges Verfassungsprinzip ausgestaltet.762 Auch historisch findet sich Laizität als Staatsgebot weder in der Weimarer Verfassung oder der Paulskirchenverfassung noch in einer der Länderverfassungen. Die Verfassung weist vielmehr in Art. 4 GG der positiven Religionsausübungsfreiheit einen hohen Wert zu und öffnet den Staat u. a. in Art. 7 III und V GG für die Religion. Wenn sich auch die Ergebnisse in der Zusammenarbeit von Staat und Religionsgemeinsschaften in Frankreich und Deutschland z. T. ähnlich sind, so sind doch die Ausgangspunkte überaus unterschiedlich.763 Diese Grundentscheidung gegen eine laizistische Verfassungsordnung darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass laizistische Grundsätze nun als vermeintliches Neutralitätsgebot ins Grundgesetz hineingelesen werden. c) Zwischenergebnis Aus dem Grundgesetz lässt sich nach der hier vertretenen Ansicht kein striktes Neutralitätsgebot herleiten, das der Religionsfreiheit der Lehrerin als Schranke entgegengehalten werden könnte.764 Die Religionsfreiheit setzt für die Herleitung eines solches Gebotes hohe Hürden. Ein solches Gebot ergibt sich weder aus Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 I WRV noch aus Verfassungsgewohnheitsrecht oder einer sozialphilosophischen Auslegung des Grundgesetzes. Nach der vom BVerfG im Ludin-Urteil vertretenen Meinung kann dagegen aus der Verfassung durchaus ein Neutralitätsgebot gelesen werden, das so interpretiert wird, dass es der Religionsfreiheit der Lehrerin entgegengehalten werden kann. 6. Toleranzgebot als Schranke Eine Mehrheit der Literatur entnimmt dem Grundgesetz ein Bekenntnis zur Toleranz, das sich aus einer Gesamtschau von Normen des Grundgesetzes ergebe.765 Zum Teil wird das Gebot religiöser Toleranz als Bestandteil des Neu762
So noch vor der Ludin-Rechtsprechung BVerwG, NJW 1999, 3063 (3064). Gusy (2004), 169. 764 Ebenso Huster (2002), 660. 765 Das Toleranzprinzip wird verortet von Janz/Rademacher (1999), 711 in Art. 1 I, 2 I, 3 III und 4 I GG; von Ronellenfitsch (1999), 430 in Art. 4, Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 WRV, Art. 3 III, 33 III und 140 GG i. V. mit Art. 136 WRV; von Grimm (2000) in Art. 1 (Gleichheitsaspekt der Menschenwürde), Art. 2 I i. V. mit 1 I (allgemeines Persönlichkeitsrecht), Art. 5 I, II, 8 und 9; von Püttner (1976), 21 in Art. 2, 4, 5, 6, 7, 9, 140 GG i. V. mit Art. 136 ff. WRV und den Grundbestimmungen über die Demokratie (Art. 20, 21, 38); von Schnapp (1985), 860 ff. in den Grundrechten als Minderheitenschutzrechte. Vgl. auch Wildhaber (1993), 41, der das Toleranzprinzip in Demokratien verortet sieht in den Rechten von Minderheitengruppen gegenüber der Mehrheit auf Erhaltung ihrer Kultur, Sprache, Autonomie und Zusammengehörigkeit (den Minderheits- und Selbstbestimmungsrechten); den vielfältigen Institutionen der Dezentralisierung und der Gewaltenteilung (z. B. Föderalismus, Gemeindeautonomie, 763
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tralitätsgebotes verstanden.766 Dem Grundgesetz ist aber kein Toleranzgebot im normtheoretischen Sinne zu entnehmen. Toleranz ist ein historisches Konzept, das in den unterschiedlichsten Toleranzedikten bis in das 18. Jh. hinein seinen Ausdruck fand.767 Der bundesdeutsche Verfassungsgeber hat aber das ethische und rationale Prinzip der Toleranz in ein funktionierendes rechtsnormatives System umgegossen.768 Vor allen Dingen die Religionsfreiheit hat den Gedanken der Toleranz weiterentwickelt und bedeutet zugleich gegenüber der vormodernen Toleranzpolitik einen grundlegend anderen Ansatz. Toleranz im Sinne von „Dulden, Zulassen, Gelten (obwohl etwas nicht den eigenen Wertvorstellungen entspricht)“769 gegenüber Andersgläubigen auszuüben, ist damit nicht mehr in staatliches Belieben gestellt, sondern die Religionsfreiheit verpflichtet den Staat dazu, dem Einzelnen die Freiheit von Religion, Weltanschauung und Gewissen zu gewähren.770 Rechtsprechung und Literatur gehen z. T. davon aus, das Toleranzgebot gebe ein Gebot des schonenden Grundrechtsausgleichs und damit eine Schranken-Schranke vor.771 Ob eine solche Schranken-Schranke existiert, kann an dieser Stelle dahingestellt sein. Auf jeden Fall existiert kein Toleranzgebot, das die Religionsfreiheit der Lehrerin beschränken könnte. 7. Gebot zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Art. 3 II und III GG, als Schranke Als Schranke für die Religionsfreiheit der Lehrerin kommt auch das staatliche Gebot, Gleichberechtigung durchzusetzen, in Betracht. Gleichberechtigung i. S. v. Art. 3 II und III 1 GG ist Erziehungsziel in der staatlichen Schule.772 Im Unterricht kommt den Lehrerinnen und Lehrern in Erfüllung ihrer Dienstpflichten die Aufgabe zu, das Erziehungsziel der Gleichberechtigung zu vertreten und zu vermitteln.773 Die Bundesländer, die Lehrerinnen das Tragen von Kopftüchern verbieten, argumentieren, dass eine Kopftuch tragende Lehrerin nicht in der Lage sei, die Gleichberechtigung von Frau und Mann glaubhaft zu vermitUnabhängigkeit der Gerichte, Referendum und Initiative) und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip als Verbot des Übermaßes und Gebot der Verhältnismäßigkeit. 766 Lanzerath (2003), 169. 767 Vgl. zur Darstellung der Toleranzedikte Schnapp (1985), 858; vgl. zu gegenwärtigen Vorstellungen der Toleranz als Ordnungsmodell in einer demokratischen Gesellschaft Walzer (1998), passim. 768 Vgl. Schnapp (1985), 860; Debus (1999), 436; Püttner (1976), 41. 769 Duden, Das Fremdwörterbuch, 1997. 770 Vgl. Schnapp (1985), 860; Kraushaar (2001), 208: Der Schutz der Glaubensfreiheit gehe weiter als das Gebot religiöser Toleranz. 771 Vgl. BVerwGE 15, 134 (137); Debus (1999), 436; dies. (1998), 131 ff.; Böckenförde (2001), 724; Schnapp (1985), 858. 772 Siehe zu Erziehungszielen unten S. 180. 773 Zur Dienstpflicht der Lehrerin, Erziehungsziele zu vermitteln, siehe unten S. 181.
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teln.774 Ob die Lehrerin diese Gleichberechtigung glaubhaft vermitteln kann, hängt zunächst davon ab, welche rechtlich relevante Bedeutung dem Kopftuch zugewiesen werden kann. Das ist zuvor bereits untersucht worden.775 Zudem hängt es davon ab, welches Verständnis der Gleichberechtigung in der Schule vermittelt werden muss, wie die rechtlich relevante Bedeutung des Kopftuches im Lichte von Art. 3 II und III 1 GG zu bewerten ist und welche mögliche Wirkung die Lehrerin auf Schülerinnen und Schüler haben kann. Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden. a) Inhalt des Erziehungszieles der Gleichberechtigung Art. 3 II 1 GG schreibt vor, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Art. 3 III 1 GG verbietet dem Staat, jemanden aufgrund des Geschlechts zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Art. 3 II 2 GG trägt dem Staat auf, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Der Gehalt von Art. 3 II und III GG ist bereichsspezifisch zu bestimmen. Vorliegend soll es darauf ankommen, welches Verständnis der Gleichberechtigung der Staat in der Schule vermitteln muss. (1) Meinungsspektrum zum Gewährleistungsgehalt von Art. 3 II und III GG Das BVerfG und der überwiegende Teil des Schrifttums verstehen Art. 3 II 1 und III 1 GG als Differenzierungs- bzw. Diskriminierungsverbot mit nahezu identischem Gehalt.776 Art. 3 II 2 GG versteht das BVerfG so, dass diese Vorschrift ein Gleichberechtigungsgebot aufstellt und dieses auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt.777 Bereits vor der Verfassungsänderung vom 27.10. 1994 erkannte das BVerfG an, dass Art. 3 II GG einen solchen Verfassungsauftrag enthält.778 Die Anfügung von Satz 2 in Art. 3 II GG – so das BVerfG – stelle diesen Auftrag ausdrücklich klar.779
774 Zuletzt der bayerische Landtag und die bayerische Staatsregierung im Verfahren vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof über die Klage der Islamischen Religionsgemeinschaft aus Berlin gegen das bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, vgl. FAZ 28.11.2006. 775 Siehe oben S. 89. 776 Vgl. Sacksofsky (1996), 305, 387. 777 Vgl. BVerfGE 92, 91 (109); BVerfG, NJW 2004, 146 (149), Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 262. 778 Vgl. BVerfGE 89, 276 (285); 85, 191 (207). 779 BVerfGE 92, 91 (109).
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Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind an das Geschlecht anknüpfende Regelungen mit Art. 3 II 1 und III 1 GG nur vereinbar, soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach entweder nur bei Männern oder nur bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind.780 Fehlt es an zwingenden Gründen für eine Ungleichbehandlung, lässt sich diese nur noch im Wege einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht legitimieren. Insoweit kommt vor allem das Gleichberechtigungsgebot in Art. 3 II GG in Betracht.781 Art. 3 II GG ziele auf die Angleichung der Lebensverhältnisse.782 Frauen müssten z. B. die gleichen Erwerbschancen haben wie Männer.783 Art. 3 II GG verbiete dem Staat, tradierte Rollenzuweisungen, die zu einer höheren Belastung oder sonstigen Nachteilen für Frauen führen, zu verfestigen.784 Faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, dürften wegen des Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 II GG durch begünstigende Regelungen ausgeglichen werden.785 Im Urteil zur ausschließlich von Männern erhobenen Feuerwehrabgabe ging das BVerfG noch weiter und entschied, der Staat müsse darauf hinarbeiten, überkommene Rollenverteilungen zu überwinden.786 Das BVerfG versteht Gleichheit also materiell, so dass Art. 3 II 1, III 1 GG darauf gerichtet ist, tatsächliche Gleichstellung787 zwischen Männern und Frauen zu erreichen. Ende der 1980er und in den 1990er Jahren haben sich in der rechtswissenschaftlichen Literatur neue Ansätze zur Interpretation von Art. 3 II, III GG entwickelt. Den neuen Ansätzen gemeinsam ist eine stärker gruppenbezogene, asymmetrische Perspektive, die Art. 3 II GG als Recht von Frauen von dem allgemeinen Differenzierungsverbot absetzte. Ziel ist es, der gesellschaftlichen Dominanz von Männern in den unterschiedlichen Lebensbereichen durch ein substanzielles Benachteiligungsverbot zu begegnen, mithin reale Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern herzustellen.788 Ute Sacksofsky versteht Art. 3 III 1 GG als Differenzierungsverbot und Art. 3 II 1 GG als Dominierungsverbot.789 Einer Gruppe, die in einem Gemeinwesen die wirtschaftliche und politische Macht habe, sei es verboten, unterprivilegierte 780
BVerfGE 85, 191 (207). BVerfGE 92, 91 (109); 85, 191 (209). 782 BVerfG 85, 191 (207). 783 BVerfGE 85, 191 (207). 784 BVerfGE 85, 191 (207); zuletzt BVerfG, Bschl. v. 25.10.2005 – 2 BvR 524/01. 785 BVerfGE 85, 191 (207). 786 BVerfGE 92, 91 (112). 787 Vgl. BVerfGE 85, 191 (207): „Angleichung der Lebensverhältnisse“. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang von „faktischer Gleichheit“, „Gleichstellung“ oder „tatsächlicher Chancengleichheit“ gesprochen, vgl. Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 282. 788 Wrase (2006), 83 f. 789 Sacksofsky (2002), Art. 3 II, III 1 Rn. 332 ff.; Sacksofsky (1996), 310 ff., 405 f. 781
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Gruppen zu benachteiligen, sprich zu „dominieren“. Auf den Schutz des Dominierungsverbots aus Art. 3 II 1 GG sollen sich derzeit nur Frauen, als Angehörige der benachteiligten Gruppe, berufen können. Art. 3 II 1 GG verbiete Benachteiligungen, die Frauen als Gruppe nachteilig betreffen und unverhältnismäßig sind.790 Dem Staat sei es untersagt, sowohl (1.) Frauen auf die traditionelle Rolle festzulegen oder diese zu perpetuieren als auch (2.) an die Wahrnehmung der traditionellen Rollen ungerechtfertigte Nachteile zu knüpfen:791 „Tatsächliche Gleichstellung besteht erst dann, wenn Frauen und Männern die Wahl eines Lebensentwurfes wirklich frei ist. Dafür müssen sie die Freiheit zu selbstbestimmter Wahl und Ausgestaltung unterschiedlicher Rollen haben.“792
Vera Slupik liest Art. 3 II 1 und III 1 GG als Gebot, einen potentiellen Rollentausch anzubieten.793 Potentieller Rollentausch heiße, für das diskriminierte Geschlecht, also die Frauen, Voraussetzungen zu schaffen, die tatsächlichen Vorteile des bevorzugten Geschlechts, also des männlichen, in Anspruch zu nehmen.794 Nur so könne das Ziel des Paritätsgrundsatzes, die Herstellung eines Gleichgewichts im gesellschaftlichen Kräfteverhältnis zwischen den Geschlechtern, erreicht werden.795 Da die existierenden Geschlechterrollen nicht äquivalent seien, müsse der Staat Voraussetzungen für ihre Austauschbarkeit schaffen.796 Slupik versteht Art. 3 II GG deshalb als kollektives Fördergebot für Frauen.797 Noch weiter als Sacksofsky und Slupik gehend, fordert Susanne Baer die Aufgabe des Rollenbegriffs.798 Sie zeigt auf, dass das Recht gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in einem untrennbaren Zusammenhang mit der sexualisierten Konstruktion von „Frauen“ und „Männern“ stehe. Die Rolle „Frau“ sei in einer geschlechtshierarchischen Gesellschaft zwingend mit Benachteiligung verbunden.799 Der Abschied von Rollenzwang und rollenbezogenem Nachteil habe den Abschied von der Rolle selbst zur Folge.800 Nur durch die Aufgabe des Rollenmodells könne der an Geschlecht anknüpfenden Diskriminierung be-
790
Sacksofsky (2002), Art. 3 II, III 1 Rn. 333. Sacksofsky (1996), 352. 792 Sacksofsky (2002), Art. 3 II, III 1, Rn. 355; ähnlich Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 260. 793 Slupik (1988), 85 ff. 794 Slupik (1988), 86. 795 Slupik (1988), 85. 796 Slupik (1988), 86. 797 Vgl. Wrase (2006), 84. 798 Baer (1995), 222 ff.; ebenso innerhalb der US-amerikanischen Diskussion Lorber (2005), passim; zu Lorber siehe oben S. 97. 799 Siehe oben S. 98. 800 Baer (1995), 226. 791
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gegnet werden.801 Sie kritisiert die Interpretation des BVerfG, weil diese mit einer oberflächlichen Analyse der Geschlechtsrollen und mit einem männlichen Maßstab arbeite und weil sie Menschen ausschließe, die nicht ohne weiteres in die dichotomisch fixierte Struktur Mann-Frau einzuordnen seien.802 Zum Aspekt des männlichen Maßstabes führt sie aus, wenn es dem BVerfG um „die Angleichung der Lebensverhältnisse“803 gehe, sei nicht die wechselseitige Angleichung nach sachlichen Kriterien, sondern die Angleichung der Frau „an die Mannesstellung“ gemeint.804 Das BVerfG wolle zwar die Nachteile der Aufgaben beseitigen, die „typischerweise“ Frauen erfüllten, die Männer-„rolle“ werde aber beibehalten.805 Aus ähnlichen Gründen kritisiert Baer auch Sacksofskys Interpretation des Art. 3 II GG als Dominierungsverbot. Auch dieses konzentriere sich auf Rollenzuweisungen.806 Ebenso lehnt sie Slupiks Verständnis von Art. 3 II 1, III 1 GG als Gebot des Rollentauschs ab, weil sich Geschlechtsrollen nicht von Geschlecht trennen ließen. Die Rolle, „nicht sexuell diskriminiert zu werden“, könne z. B. nicht gewählt werden.807 (2) Eigene Bestimmung des Inhalts Die Schule muss, um Voraussetzungen für faktische Gleichheit zwischen Männern und Frauen zu schaffen, die Schüler und Schülerinnen so erziehen, dass sie sich nicht dem jeweils anderen Geschlecht unterordnen, sondern gleichberechtigt ihre Rechte wahrnehmen. Da Frauen gegenwärtig das benachteiligte (biologische und soziale) Geschlecht sind808, muss der Staat vor allem Anstrengungen unternehmen, um die Nachteile von Mädchen an der Schule zu erkennen und zu beheben. Die Schule muss also die Schülerinnen ermutigen und in die Lage versetzen, die Chancen der rechtlichen Gleichberechtigung faktisch wahrzunehmen.809 Eine wichtige Rolle für das Erreichen dieser Ziele spielt die Darstellung von Männern und Frauen in Schulbüchern.810 Zudem muss die Schulbehörde bei der Gestaltung der Lehrpläne und Unterrichtsinhalte berücksichtigen, dass Jungen und Mädchen zu faktischer Gleichstellung erzogen werden sollen. Neben den regelmäßigen Unterrichtsinhalten kommen als Mittel für 801
Baer (1995), 224 ff., insb. 231. Baer (1995), 225. 803 BVerfGE 85, 191 (207). 804 Baer (1995), 226. 805 Baer (1995), 226 f. 806 Baer (1995), 227. 807 Baer (1995), 228. 808 Vgl. Sacksofsky (1996), 401. 809 Vgl. Berghahn (2000), 217; Albers (1994), 989; Enders-Dragässer (1995), 11 ff.; siehe aber zu Problemen von Jungen an der Schule, eine männliche Identität zu entwickeln, Michels (1995), 127 ff. 810 Vgl. zur feministischen Schulbuchdiskussion Fichera (1995), 89 ff. 802
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die Durchsetzung von Gleichberechtigung besondere schulische Aktivitäten wie die Unterstützung von Girl’s days in Betracht, bei denen Schülerinnen ihre Väter bei der Arbeit besuchen und so an eine männlich geprägte Berufsumwelt herangeführt werden. Um die Mädchen und Jungen so zu erziehen, dass sie die Chancen der faktischen Gleichstellung wahrnehmen können, darf die Schule ihnen keine Festlegung auf bestimmte gesellschaftliche „Rollen“ (Frau = Hausfrau und Mutter, Mann = Ernährer) nahelegen. Sie muss deshalb z. B. darauf achten zu vermitteln, dass Frauen und Männer sich die Hausarbeit teilen können und die typischen Doppelbelastungen von Frauen nicht selbstverständlich sind. Die Schule muss auch darüber hinaus versuchen, die gesellschaftstypischen Erwartungen an die jeweilige Rolle zu thematisieren und die Jungen und Mädchen stark zu machen, um den entsprechenden Erwartungen zu trotzen. Z. B. sollte thematisiert werden, dass Frauen nicht Kinder gebären müssen, um vollwertige Frauen zu sein. Im Unterricht und Schulalltag sollten Lehrer und Lehrerinnen darauf achten, dass Jungen nicht zwingend auf die Rolle einer durchsetzungsfähigen, starken und technikinteressierten Person festgelegt werden. Die Schule darf bei der Vermittlung der Gleichberechtigung aber an dem Begriff der Geschlechterrollen festhalten. Die soziale Kategorie „Geschlecht“ organisiert fast jeden Aspekt unseres Lebens. Sie bestimmt u. a. darüber, wie Menschen erzogen werden, welche Berufe sie ergreifen, wie sie bezahlt und wie familiäre Aufgaben verteilt werden.811 Es ist deshalb anzunehmen, dass für viele Schüler und Schülerinnen die gesellschaftliche Aufteilung in die sozialen Kategorien „Mann“ und „Frau“ selbstverständlich ist. Ein Konzept der Gleichberechtigung, nach dem die Aufgabe der Geschlechterrollen intendiert ist, ist für viele Schulkinder demgegenüber vermutlich avantgardistisch. Die Schule wird Gleichberechtigung umso besser lehren können, je mehr sie an die Lebenswirklichkeit von Schülern und Schülerinnen und ihren Wissenshorizont anknüpft. Allerdings legen die Untersuchungen und Thesen von Wissenschaftlerinnen wie Susanne Baer, Judith Lorber oder Catherine MacKinnon nahe, dass die Einteilung in Geschlechterrollen immer die Gefahr birgt, dass ein (soziales) Geschlecht dem anderen untergeordnet wird.812 Die Schule muss deshalb zumindest im Unterricht und im Rahmen sonstiger Aktivitäten thematisieren, dass eine Gesellschaft ohne die Kategorie „Geschlecht“ denkbar ist und möglicherweise nur in einer solchen Gesellschaft Gleichberechtigung von Menschen hergestellt werden kann. Zwingend aufzeigen muss zumindest die weiterführende Schule, dass nicht alle Menschen biologisch oder sozial klar in die Kategorien „Mann“ und „Frau“
811 812
Lorber (2005), S. xiii. Vgl. Lorber (2005), S. xi.
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eingeteilt werden können, dass es vielmehr sowohl unterschiedliche „Weiblichkeiten“ und „Männlichkeiten“ als auch Transsexuelle und Transgender-Menschen813 gibt. Die Einteilung in Männer und Frauen bewirkt einen Ausschluss all derjenigen Menschen, die sich in dieses binäre System nicht einordnen lassen können oder wollen, sei es, weil ihr Körper nicht zu der empfundenen Geschlechtszugehörigkeit passt814, sei es, weil sie Körper815 und/oder Geist weder dem einen noch dem anderen Geschlecht zuordnen können.816 Ein solcher Ausschluss widerspricht aber Art. 3 II und III GG. Im Ergebnis heißt das, dass die Schule zur Erfüllung des Erziehungszieles der Gleichberechtigung Jungen und Mädchen dazu erziehen muss, die Gleichberechtigung der Geschlechter zu achten und die Chancen der Gleichberechtigung wahrzunehmen. Deshalb darf sie ihnen keine Festlegung auf tradierte Geschlechterrollen nahelegen. Zugleich muss die Schule den Kindern vermitteln, dass es Menschen ohne klar zuordenbares Geschlecht gibt, und sie zumindest darauf aufmerksam machen, dass eine Gesellschaft ohne Einteilung in Geschlechterrollen denkbar ist. b) Kann die Lehrerin mit Kopftuch das Erziehungsziel der Gleichberechtigung vermitteln? Lehrerinnen müssen Gleichberechtigung mit dem zuvor gezeigten Inhalt vermitteln. Es kann aber nicht von ihnen erwartet werden, in ihrer eigenen Person die Vielfalt der Geschlechterzuordnungen aufzuzeigen. Es muss ihnen erlaubt sein, klassische Geschlechterrollen privat zu leben. Unter den Frauen und Männern, die sich gegenwärtig im Lehramtsdienst befinden, sind zum Beispiel sicherlich viele, die der Auffassung anhängen, dass eher Frauen als Männer nach der Geburt eines Kindes zu Hause bleiben sollten, und praktizieren dies auch in ihren Familien entsprechend.817 Das durch Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG geschützte und auch für Beamtinnen geltende Selbstbestimmungsrecht gibt Beamtinnen das Recht, unterschiedliche Geschlechterkonzepte zu vertreten und in ihrem privaten Leben zu praktizieren. Sofern ihr Geschlechterkonzept religiös geprägt ist, wird ihnen dieses Recht auch durch Art. 4 I und II GG zuteil.
813 Menschen, die ihre Geschlechtsidentität keiner medizinischen oder juristischen Definition unterordnen wollen, finden sich seit Anfang der 1990er Jahre unter dem Begriff „transgender“ zusammen, vgl. Adamietz (2006), 372. 814 Vgl. zur Transsexualität die Entscheidungen des BVerfG: BVerfGE 88, 87; 60, 123; 49, 286; NJW 1997, 1632 und JZ 2006, 513 und die Rechtsprechungsübersicht und kritische Bezugnahme bei Adamietz (2006), 369 ff. 815 Vgl. Plett (2003), 21 ff. 816 Vgl. Baer (1995), 227. 817 Ebenso Baer/Wrase (2006), 387.
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Zu klären ist, ob unter diesen Voraussetzungen eine Lehrerin mit Kopftuch generell das Erziehungsziel der Gleichberechtigung vermitteln kann (1), ob ihr das speziell gegenüber muslimischen Schülerinnen möglich ist (2) und wie im Kollisionsfall zwischen ihrer Religionsfreiheit und dem Erziehungsziel der Geschlechtergleichberechtigung abzuwägen ist (3). (1) Kann die Lehrerin mit Kopftuch generell das Erziehungsziel der Gleichberechtigung vermitteln? Würde die Lehrerin im Unterricht vertreten, dass sie von einer Überordnung des Mannes über die Frau ausgeht, stünde ihr Verhalten in eklatantem Widerspruch zum Grundgesetz. Das Kopftuch der Lehrerin kann aber nicht, so ist zuvor gezeigt worden818, als Zeichen dafür verstanden werden, dass die Trägerin sich einem Mann unterordnet. Die Lehrerin mit dem Kopftuch kann deshalb grundsätzlich Gleichberechtigung in der Schule vermitteln. Anders wäre es, wenn die Lehrerin auf andere Weise deutlich zum Ausdruck brächte, dass sie von einer Hierarchie zwischen Männern und Frauen ausgeht. Das trifft z. B. zu, wenn sie sich weigert, Männern die Hand zu geben, sie anzusehen oder mit ihnen zu sprechen. Das gilt ebenso, wenn sie im Unterricht die Auffassung äußert, der Mann habe in Beziehungs- und familiären Fragen das letzte Wort. Solche Verhaltensweisen hinderten die Lehrerin daran, ihren Erziehungsaufgaben im Sinne des Grundgesetzes nachzukommen mit der Folge, dass der Schulleiter sie anweisen muss, sich anders zu verhalten. Allerdings wird es einer Lehrerin mit Kopftuch wahrscheinlich nicht vollständig gelingen, Gleichberechtigung im Sinne des Grundgesetzes in der Schule zu vermitteln: Sie trägt mit dem Kopftuch im Klassenraum ein Symbol, das – so ist zuvor gezeigt worden819 – als Symbol für Geschlechterdifferenz, die in muslimisch geprägten Gesellschaften männliche Dominanz bedeutet, verstanden werden kann. Sie trägt das Kopftuch demnach als Ausdruck einer klassischen Einteilung in Geschlechterrollen. Damit unterscheidet sie sich zwar auf den ersten Blick nicht von Lehrerinnen, die zum Beispiel Röcke tragen, ein Kleidungsstück, das in Deutschland üblicherweise nur von Frauen getragen wird.820 Ein Unterschied liegt aber darin, dass das Tragen des Rockes gesellschaftliche Gewohnheit ist, die jede Frau, ohne Sanktionen befürchten zu müssen, ablegen kann. Das Tragen des Kopftuches ist demgegenüber in einer islamisch geprägten Ordnung eine religiös geprägte Pflicht821, von der Frauen sich zum Teil nur
818
Siehe oben S. 94. Siehe oben S. 98. 820 Zum Zusammenhang zwischen dem Kopftuch und geschlechtsspezifischen Kleidercodes vgl. Lutz (1999), 48 f. 821 Zur aus dem Koran gelesenen Pflicht, ein Kopftuch zu tragen, siehe oben S. 72. 819
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unter Schwierigkeiten lösen können.822 Das ist ein Nachteil zu Lasten der Frauen. Selbst wenn darauf abgestellt wird, dass erst das Kopftuch gläubigen Frauen ermöglicht, in die öffentliche Sphäre einzutreten und damit der unterdrückenden Beschränkung auf die private Sphäre zu entgehen, bleibt das Kopftuch ein Nachteil zu Lasten der Frauen. Die Frau kann nur dann z. B. einen Beruf ergreifen, wenn sie das Kopftuch trägt und damit die männlichen Erwartungen an die weibliche Rolle erfüllt. Das Kopftuch verweist deshalb viel deutlicher als zum Beispiel ein Rock auf eine Gesellschaftsordnung, die an einer Geschlechtertrennung festhält und das Durchbrechen der festgelegten Rollen sanktioniert. Der Symbolgehalt des Kopftuches widerspricht deshalb einem Verständnis von Art. 3 II und III GG, wonach dem Staat verboten ist, tradierte Rollen zum Nachteil von Frauen festzuschreiben.823 Die Lehrerin trägt demnach mit dem Kopftuch ein Symbol in die Schule, das mit dem durch Art. 3 II und III vorgegebenen Konzept der Gleichberechtigung nicht vollständig übereinstimmt. Die Lehrerin kann mit dem Kopftuch zwar dennoch grundsätzlich den Erziehungsauftrag der Gleichberechtigung erfüllen. Durch ihre Persönlichkeit kann sie zeigen, dass sie selbst als Frau Rechte wahrnimmt. Sie ergreift einen akademischen Beruf, tritt in die Berufswelt ein und nimmt damit eine traditionell männliche Rolle wahr. Sie beschränkt sich nicht auf das Prinzip gleichwertiger Geschlechterrollen mit der Frau als hochrespektierter Mutter und Hausfrau und dem Mann als erwerbsarbeitendem Geldverdiener. Die Lehrerin mit Kopftuch kann Schülerinnen dazu erziehen, ihre Bildungschancen wahrzunehmen und einen Beruf zu ergreifen. Fereshta Ludin trug z. B. vor, sie wolle nicht die Botschaft vermitteln, dass sie sich als Muslimin mit dem Kopftuch von westlichen Werten, wie individuelle Selbstbestimmung und Emanzipation der Frau, abgrenze.824 Der Lehrerin wird es aber nicht gelingen, den Erziehungsauftrag vollständig im Sinne des Grundgesetzes zu erfüllen. Als Symbolgehalt des Kopftuches schwingt immer mit, dass das Wahrnehmen gleicher Rechte nur möglich ist, solange die Muslimin durch das Tragen des Kopftuches ihre weibliche Pflicht erfüllt. (2) Kann die Lehrerin mit Kopftuch gegenüber muslimischen Schülerinnen das Erziehungsziel der Gleichberechtigung vermitteln? Eine besondere Bedeutung könnte die Lehrerin gerade wegen ihres Kopftuches für muslimische Schülerinnen entwickeln. Gegenüber muslimischen Schü822
Siehe dazu die Ausführungen von Kelek oben S. 89. Im Ergebnis ebenso Bader (1998), 363; VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2905); Kokott (2000), 356; Muckel (2001a), 62; a. A. VG Lüneburg, NJW 2001, 767 (771); Britz (2003), 98. 824 Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114); BVerwG, JZ 2004, 1178 (1179). 823
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lerinnen stößt die Vermittlung des Erziehungszieles der Gleichberechtigung teilweise auf Grenzen: Einige muslimische Schülerinnen oder ihre Eltern streben keine Emanzipation nach Maßstäben des Grundgesetzes an. Unter Berufung auf ihre Religionsfreiheit fordern muslimische Schülerinnen bzw. ihre Eltern geradezu ein Recht auf Ungleichbehandlung ein. Das zeigen z. B. die Anträge auf Befreiung vom koedukativen Sportunterricht825 oder vom Sexualkundeunterricht826 wegen des muslimischen Glaubens. Die Vermittlung der Geschlechtergleichberechtigung ist in diesem Fall schwierig: Zwar ist der Staat ist durch Art. 3 II 2 GG auch gegenüber Musliminnen und Muslimen zur Durchsetzung tatsächlicher Gleichstellung verpflichtet und muss auch gegenüber muslimischen Schülerinnen seinen Auftrag aus Art. 3 II 2 GG auf Durchsetzung der Gleichberechtigung wahrnehmen. Die Religionsfreiheit schafft insoweit keine Ausnahmen für Muslime und Musliminnen827, denn Religionsfreiheit geht dem Gleichheitsrecht nicht vor. Vielmehr gilt, wo Freiheit geschützt wird, muss sie gleichheitsgerecht geschützt werden.828 Unterdrückung muslimischer Frauen muss der Staat auch dann bekämpfen, wenn sie religiös begründet werden kann829 und in der Privatsphäre von Musliminnen und Muslimen stattfindet.830 Etwas anderes ergibt sich nicht durch das Privileg, das Kirchen und sonstigen weltanschaulichen Organisationen in der Europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie zugestanden wird.831 Die Richtlinie verbietet Privaten die Diskriminierung aufgrund unterschiedlicher Merkmale, u. a. der Religion. Den Kirchen und anderen religiös-weltanschaulichen Organisationen gestattet sie aber, bei der Einstellung von Personal die jeweilige Religionszugehörigkeit zu berücksichtigen und damit Menschen aufgrund des Glaubens ungleich zu behandeln. Die Richtlinie beschränkt diese Ausnahme aber auf die Einstellungspraxis religiöser Organisationen und trifft keinesfalls die Aussage, die Religionsfreiheit gehe prinzipiell dem Gleichheitsgrundsatz oder gar insgesamt staatlichen Normen vor. Zugleich kann der Staat aber muslimische Mädchen nicht zur Emanzipation nach westlicher Vorstellung zwingen. Ein dementsprechender Zwang würde ge-
825
Siehe oben S. 189. Siehe oben S. 188. 827 Vgl. zum Zusammenhang zwischen dem Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nach Art. 14 EMRK und der Religionsfreiheit nach Art. 9 EMRK Loenen (2002), 430. 828 Osterloh (2003) Art. 3 Rn. 67; ähnlich Gusy (1982), 36. 829 Ebenso Ekardt (2005a), 251. 830 Vgl. zu Problemen der Trennung von öffentlicher und privater Sphäre im Zusammenhang mit ethnisch-kulturellen Minderheiten Benhabib (2000), 60 f. 831 Vgl. Art. 4 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. 826
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gen das Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG verstoßen und wäre auch faktisch unmöglich.832 Es ist keiner Schülerin verwehrt, sich für die Einnahme einer traditionellen Frauenrolle zu entscheiden.833 Der Staat kann Schülerinnen auch nicht aus Gründen der Gleichberechtigung daran hindern, ein Kopftuch zu tragen. Art. 3 II 1 GG und Art. 3 III 1 GG stehen zur Disposition der Trägerinnen dieses Grundrechts. Zwar ist umstritten, ob und inwieweit Grundrechtsträgerinnen auf ihre Grundrechte verzichten können. Überzeugend ist es aber, von der grundsätzlichen Möglichkeit zum Grundrechtsverzicht auszugehen. Diese Möglichkeit entspricht der durch Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG gewährleisteten freien Selbstbestimmung des Individuums. Sofern ein Grundrecht auch für Gemeinschaftsinteressen von Bedeutung ist, beschränkt dies die Möglichkeit zum Verzicht auf das Grundrecht.834 Art. 3 II und III 1 GG dient zunächst dem persönlichen Schutz des und der Einzelnen vor Ungleichbehandlung. Zudem fordern diese Grundrechtsvorschriften die Etablierung einer Gesellschaftsordnung ohne männliche Dominanz und verwirklichen damit Gemeinschaftsinteressen. Der persönlichkeitsrechtliche Aspekt von Art. 3 II 1 und III 1 GG überwiegt aber, so dass die Möglichkeit zum Verzicht gegeben ist.835 Allerdings könnte gefragt werden, ob eine muslimische Schülerin, die vorgibt, aus freien Stücken das Kopftuch zu tragen, sich nicht tatsächlich dem Druck des Vaters oder ihrer muslimischen Gemeinschaft beugt. Im Zweifel muss der Staat den Grundrechtsträger aber als authentischen Sprecher seiner Interessen und Bedürfnisse wahrnehmen836, soweit es nicht im Einzelfall tatsächliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass dessen Äußerungen von anderen erzwungen wurden.837 In diesem schwierigen Umfeld ist zum einen denkbar, dass die Lehrerin allein dadurch, dass sie ein Kopftuch trägt, muslimischen Schülerinnen erschwert, ihren Lebensentwurf frei von den Vorstellungen ihrer Väter und Brüder zu wählen.838 So könnte muslimischen Schülerinnen und vor allem ihren Brüdern und Vätern vermittelt werden, dass das Kopftuch erwünschter Teil des Erscheinungsbildes einer Muslimin ist, und dadurch könnte den Mädchen die Emanzipation von derartigen Vorstellungen erschwert werden.839 Die Lehrerin kann mit ihrem Kopftuch Schülerinnen erschweren, sich vom Druck solcher Familien zu lösen, in denen Männer ihre Frauen, Töchter und Schwestern dazu zwingen, ein 832 Ebenso gegen ein „transitives Verständnis“ von Emanzipation Albers (1994), 989; Britz (2003), 99. 833 Vgl. Britz (2003), 99. 834 Vgl. Mann (2004), 85 ff.; Pieroth/Schlink (2005), Rn. 131 ff. 835 Im Ergebnis so auch Mann (2004), 87. 836 Morlok (1993), 308 f., insb. Fn. 112. 837 Zur Berücksichtigung einer Zwangslage für die Möglichkeit des Grundrechtsverzichts vgl. Pieroth/Schlink (2005), Rn. 139. 838 Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114). 839 Siehe oben S. 129.
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Kopftuch zu tragen. Schavan begründete das Kopftuchverbot damit, dass Ludin die öffentliche Wirkung ihres Kopftuches vor dem Hintergrund bedenken müsse, dass offenkundig Mädchen in muslimischen Familien, in denen bislang kein Kopftuch getragen wurde, zum Tragen des Kopftuches gezwungen werden.840 Zum anderen ist aber denkbar, dass eine muslimische Lehrerin mit Kopftuch gerade muslimische Mädchen zu einem eigenständigen Leben erziehen kann. Sie zeigt, dass eine islamische Identität sich mit einer beruflichen Karriere gut vereinbaren lässt. Dadurch kann sie muslimischen Mädchen gerade Mut machen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. So könnte die schwierige Situation der muslimischen Mädchen, die zwischen Elternhaus und Schule von konfligierenden Interessen betroffen sind, erleichtert werden.841 Wenn eine Lehrerin mit Kopftuch in ihrer Klasse auch muslimische Mädchen unterrichtet, ist also denkbar, dass sie einzelnen muslimischen Schülerinnen erschwert, sich zu emanzipieren, weil die Lehrerin mit dem Kopftuch den Druck, den deren Familien auf sie ausüben, verstärkt. Dadurch würde sie die Durchsetzung von Gleichberechtigung erschweren. (3) Abwägung Die Religionsfreiheit der Lehrerin kann mit ihrer verfassungsrechtlich verankerten Pflicht, das Erziehungsziel der Gleichberechtigung von Mann und Frau zu vermitteln, und damit auch mit dem Verfassungsauftrag zur Herstellung tatsächlicher Gleichstellung kollidieren.842 Zwischen diesen Verfassungsgütern ist abzuwägen.843 Die Religionsfreiheit der Lehrerin kollidiert mit dem Gebot der Gleichberechtigung zunächst insofern, als es ihr zumindest nicht vollständig gelingen wird, Gleichberechtigung im Sinne des Grundgesetzes in der Schule zu vermit840 Vgl. Begründung des Ablehnungsbescheides des Oberschulamtes Stuttgart, zit. in BVerfG, 2 BvR 1436/02 v. 3.6.2003, Abs.-Nr. 5, http://www.bverfg.de/entscheidun gen/rs20030603_2bvr143602.html; BW Kultusministerium, Pressemitteilung (1998), 3. 841 Sacksofsky (2003), 3298; Bundesverfassungsrichter a. D. Sommer während eines Vortrags am 26.5.2004 am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin; vgl. zur Darstellung dieser Argumentation, nach der eine emanzipierte Lehrerin mit Kopftuch ein Vorbild sein kann, Alan/Steuten (1999), 210. 842 Sacksofsky (2002), Art. 3 II, III 1 Rn. 350 hält es dagegen terminologisch für nicht sehr glücklich, „den Auftrag zur Herstellung tatsächlicher Gleichberechtigung unter dem Oberbegriff ,kollidierendes Verfassungsrecht‘ in die Rechtfertigungsprüfung einzuführen“. Streng genommen liege eine Kollision nur vor, wenn Art. 3 II 2 GG eine bestimmte, an das Merkmal Geschlecht anknüpfende Regelung zwingend gebiete. Dem widerspreche aber, dass Art. 3 II 2 GG dem Gesetzgeber Spielraum lasse. 843 Siehe zur Abwägung nach dem Prinzip praktischer Konkordanz unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsmaßstabs oben S. 132.
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
teln. Zugunsten der Lehrerin mit Kopftuch wird in der öffentlichen Diskussion z. T. kritisiert, dass der Muslimin überhaupt das Verfassungsgebot der Gleichberechtigung entgegengehalten wird. Das muslimische Geschlechterverhältnis könne nicht den Ausschluss der Lehrerin rechtfertigen, weil auch die Gleichberechtigungsideale des „Westens“ noch keineswegs erfüllt seien. Erwerbsarbeit von Frauen führe z. B. zu deren Doppel- und Dreifachbelastung und die Idealisierung von Erwerbsarbeit entwerte die Erziehungsarbeit.844 Dem ist entgegenzuhalten, dass aus einer noch nicht vollständig realisierten Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland nicht abgeleitet werden kann, dass das Kopftuchtragen einer Lehrerin nicht unter Aspekten der Gleichberechtigung geprüft werden muss. Verfassungsrecht formuliert Idealvorstellungen. Es gilt selbst dann, wenn es in der Praxis verletzt wird. Der Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Gleichberechtigung leitet sich schließlich gerade daraus ab, dass diese bisher nicht vollständig erreicht werden konnte. Als Schranken-Schranke ist zugunsten der Lehrerin das Gleichbehandlungsgebot aber in anderer Hinsicht zu berücksichtigen. Der Staat scheint auch hinsichtlich der Ausübung des christlichen oder jüdischen Glaubens in der Schule zu akzeptieren, dass damit auf eine diesen Religionen innewohnende Geschlechtertrennung verwiesen wird. So zeigen Theologinnen und Wissenschaftlerinnen auf, dass die Bibel Produkt und Abbild einer patriarchalen Gesellschaftsordnung ist.845 Diese mit dem Christentum verbundene Geschlechterhierarchie wird zumindest im Katholizismus auch gegenwärtig dadurch praktiziert, dass Frauen vom Priestertum ausgeschlossen sind. Ebenso kennt die jüdische Religion eine klare Aufgabenteilung von Frauen und Männern. Danach liegt die Hauptaufgabe der Frauen darin, einen religiösen Haushalt zu führen.846 Nur wenn der Staat, der in der Schule ein christliches Schulgebet, christlichen Religionsunterricht oder das Begehen christlicher und jüdischer Feiern zulässt, sich von dieser religiös bedingten Geschlechtertrennung ausdrücklich distanzieren würde, könnte ihm die Akzeptanz dieses Geschlechterverhältnisses nicht vorgehalten werden. Eine solche Distanzierung erfolgt aber gegenwärtig nicht. Zugunsten der Lehrerin mit Kopftuch ist deshalb anzuerkennen, dass öffentliche Schulen, die Religionsausübung zulassen, i.d.R. den mit der Religionsausübung verbundenen Verweis auf religiös bedingte Geschlechtertrennung und -hierar844
Vgl. z. B. Britz (2003), 95 (100); Rommelspacher (2003), 126 f.; dies. (1999). Siehe Bauer/Kahl/Sölle (1999), 325; Beispiele für Bibelstellen, die männliche Dominanz aufzeigen, sind Epheser 5, 22 f. („Die Weiber seien untertan ihren Männern als dem Herrn. Denn der Mann ist des Weibes Haupt, gleichwie auch Christus das Haupt ist der Gemeinde [. . .] Aber wie nun die Gemeinde ist Christo untertan, also auch die Weiber ihren Männern in allen Dingen.“); 1 Korinther 7, 4 (Das Weib ist ihres Leibes nicht mächtig, sondern der Mann); 11, 3 (der Mann aber ist des Weibes Haupt); 14, 34 (Schweigen in der Gemeinde) und schon 1 Mose 3, 16 (dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, und er soll dein Herr sein). 846 Vgl. Jacobs (2000). 845
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chie akzeptieren. Zugunsten einer Kopftuch tragenden Lehrerin ist weiterhin zu berücksichtigen, dass auch sie sich auf den Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Gleichberechtigung berufen kann.847 Indem der Staat Musliminnen ermöglicht, mit ihrem Kopftuch in einem akademischen Beruf zu arbeiten, fördert er sie zugleich in ihrer Emanzipation und schafft so positive Vorbilder für Mädchen aus traditionell-muslimischen Familien. Eine Lehrerin kann also trotz ihrer Dienstpflicht zur Vermittlung der Gleichberechtigung grundsätzlich mit Kopftuch unterrichten. Ein generell-präventives Verbot wird durch Art. 3 II, III GG nicht gerechtfertigt. Der Schulleiter muss aber im Auge behalten, dass das Kopftuch der Lehrerin die Vermittlung von Gleichberechtigung in der Schule zumindest gefährden kann. Zudem muss er berücksichtigen, dass die Lehrerin mit Kopftuch bei Schülerinnen und Eltern durchaus den Anschein erwecken kann, sie stehe für eine klare Schlechterstellung von Frauen. Diesen „bösen Schein“848 des Kopftuches kann die Lehrerin aber durch ihre Persönlichkeit widerlegen. Der Schulleiter sollte die Lehrerin mit Kopftuch deshalb dazu verpflichten, ihren Schülern und Schülerinnen darzulegen, dass das Kopftuch für sie mit weiblicher Emanzipation vereinbar ist. Sie sollte ihnen zudem deutlich machen, dass sie andere (Selbst-)Verständnisse von Geschlecht achtet und die Schüler und Schülerinnen nach bestem Gewissen auf einem selbstbestimmten Weg unterstützt. In dieser Weise sollte sie auch die Eltern auf Elternabenden informieren. Die Pflicht dazu hat keinen diskriminierenden Charakter, da die Lehrerin dadurch, dass sie mit dem Kopftuch ein Symbol für Geschlechtertrennung trägt, hierfür selbst den Grund legt. Zudem könnte das Thema der Gleichberechtigung an der betreffenden Schule breiter thematisiert werden, z. B. im Rahmen von Aktionstagen. Die Religionsfreiheit der Lehrerin kann mit dem Gebot der Gleichberechtigung auch dann kollidieren, wenn die Lehrerin mit dem Kopftuch dazu beiträgt, dass muslimische Schülerinnen von ihren Familien gezwungen werden, ein Kopftuch aufzusetzen. Wenn der Schulleiter eine solche Situation feststellt, muss er Maßnahmen ergreifen. Er kann das Gespräch mit den Familien suchen und die Lehrerin dazu verpflichten, auf die betreffenden Familien einzuwirken, dass sie ihre Tochter sich frei entfalten lassen. Stellt der Dienstherr aber fest, dass es trotz dieser Maßnahmen einer Lehrerin mit Kopftuch nicht möglich ist, in der Klasse eine Atmosphäre herzustellen, in der auch die muslimischen Mädchen sich frei entfalten können, so muss er die Lehrerin versetzen. Sind die schulorganisatorischen Maßnahmen für eine solche Versetzung aber zu hoch, weil sich keine geeignete Klasse oder Schule finden lässt, muss er die Lehrerin
847 Siehe zudem unten S. 236 zur mit einem Kopftuchverbot verbundenen mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. 848 Vgl. Battis/Bultmann (2004), 21.
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anweisen, ihr Kopftuch abzunehmen. Weigert sie sich, das zu tun, kann er sie entlassen. c) Zwischenergebnis Lehrerinnen mit Kopftuch können Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Sinne des Grundgesetzes nicht vollständig vermitteln. Das kann aber nicht zu einem Kopftuchverbot führen. Ein solches Verbot würde Kopftuch tragende Musliminnen gerade daran hindern, einen Beruf zu ergreifen und sich so zu emanzipieren. Denkbar ist zudem, dass eine Lehrerin mit Kopftuch im Einzelfall muslimische Schülerinnen daran hindert, sich gemäß ihren Vorstellungen zu emanzipieren. Sollte ein solcher Fall eintreten, kann der Dienstherr als Ultima Ratio eine Lehrerin anweisen, ihr Kopftuch abzunehmen. 8. Schutz der Schüler und Schülerinnen vor geschlechtsspezifischer Diskriminierung in der Schule, Art. 3 II 1 und III 1 GG als Schranke Die Schülerinnen und Schüler können sich nicht unmittelbar auf Art. 3 II 2 GG berufen. Der Verfassungsauftrag aus Art. 3 II 2 GG besteht nur auf objektiv-rechtlicher Grundlage. Ein zu Art. 3 II 2 GG korrespondierendes subjektives Recht des Einzelnen besteht nicht.849 Allerdings können sich die Schülerinnen und Schüler auf ihr Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 II 1 und III 1 GG berufen, wenn die Lehrerin sie wegen ihres Geschlechts benachteiligt.850 Eine solche Benachteiligung liegt z. B. vor, wenn die Lehrerin nur mit Schülerinnen spricht und Schülern die Hand nicht gibt. Eine Ungleichbehandlung läge auch dann vor, wenn das Kopftuch zu einem symbolischen Ausschluss eines bestimmten Geschlechts führte.851 Das Kopftuch steht zwar für Geschlechterdifferenz852, es ist jedoch nicht plausibel, grundsätzlich anzunehmen, dass eine Lehrerin mit Kopftuch ein bestimmtes Geschlecht abwertet. Schülerinnen und Schüler können sich demnach gegen das Kopftuch einer Lehrerin nicht auf ihren Schutz aus Art. 3 II 1 und III 1 GG berufen.
849
Sacksofsky (2002), Art. 3 II, III 1 Rn. 358; Sacksofsky (1996), 401. Dabei kommt es entgegen Lang (2004), 83 ff. nicht darauf an, ob sich für den Staat aus Art. 3 II 1 GG und Art. 3 III 1 GG Schutzpflichten gegenüber den Schülerinnen und Schülern ableiten lassen. Der Staat kann im Rahmen der Dienstaufsicht die Lehrerin verpflichten, kein Kopftuch zu tragen, wenn ein solcher Eingriff in ihre Grundrechte gerechtfertigt ist. Führt das Kopftuch zu einer Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts, so würden Art. 3 II 1 und III 1 GG den Eingriff rechtfertigen. 851 Siehe zur Ungleichbehandlung durch Symbole oben S. 116. 852 Siehe oben S. 98. 850
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9. Staatlicher Schulauftrag, Art. 7 I GG, als Schranke Der Staat könnte unter Berufung auf den staatlichen Schulauftrag aus Art. 7 I GG, den ich unter a) vorstelle, Lehrerinnen das Tragen religiöser Kleidung verbieten, wenn diese wegen ihrer religiösen Kleidung diesen Schulauftrag nicht erfüllen können. Das wäre der Fall, wenn b) eine Lehrerin mit Kopftuch den Erziehungs- und Bildungsauftrag generell nicht erfüllen kann, wenn c) eine Lehrerin mit Kopftuch im Einzelfall zu Störungen des Schulfriedens führt oder wenn d) der staatliche Schulauftrag erfordert, jegliche religiösen Bezüge an der Schule zu verbieten. a) Staatlicher Erziehungs- und Bildungsauftrag Art. 7 I GG verleiht dem Staat die Schulhoheit und damit die Befugnisse zur Organisation, Leitung und Beaufsichtigung des Schulwesens.853 Damit einhergehend rechtfertigt Art. 7 I GG, dass Kinder ab einem bestimmten Alter schulpflichtig sind.854 Aus der Schulhoheit erwächst dem Staat die Pflicht, ein Bildungssystem zu gewährleisten, das dem und der Einzelnen die Möglichkeit eröffnet, Zugang zu Wissen und Bildung und damit auch zur persönlichen Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeit zu erhalten.855 Dem Staat ist damit in der Schule die Wahrung des Kindeswohles anvertraut.856 Schule hat zudem die Funktion, für den Zusammenhalt der Gesellschaft, mit anderen Worten für die Integration der Gesellschaft, zu sorgen. Diese Integrationsaufgabe ist maßgeblicher Grund für den staatlichen Erziehungsauftrag.857 Die Schule muss junge Menschen in die Gesellschafts- und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland integrieren.858 Die Schule muss demnach ein gewisses Maß an gemeinsamen Grundauffassungen der Bürger über Art und Ordnung ihres Zusammenlebens, mit anderen Worten den Verfassungskonsens, vermitteln, weil ein solches Maß notwendig zum Funktionieren einer Demokratie ist.859 Schule ist zugleich der Ort, an dem „die kulturellen Grundlagen der Gesellschaft vornehmlich tradiert und erneuert werden.“860 Schule muss die Schüler in die be853 BVerfGE 34, 165 (182); 47, 46 (80); Mahrenholz (1998), 294; Lecheler (1996), Art. 7 Rn. 22. 854 BVerwG, NVwZ 1992, 370. Die Schulpflicht ist in allen Ländern durch förmliches Gesetz, zum Teil auch durch die Landesverfassungen festgelegt, vgl. Niehues (2000), Rn. 313. 855 Vgl. Debus (1999), 445; Langenfeld (1998), 376; Gröschner (2004), Art. 7 Rn. 10, 47; Mahrenholz (1998), 294. 856 Langenfeld (1998), 391. 857 Vgl. Gröschner (2004), Art. 7 Rn. 11; Langenfeld (1998), 386; dies. (2001), 384; Mahrenholz (1998), 295. 858 Vgl. Lecheler (1996), Art. 7 Rn. 13; Häußler (1999), 36. 859 Vgl. Langenfeld (2001), 217. 860 BVerfGE 93, 1 (22).
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stehende Gesellschaft integrieren, und das ist eine in religiöser und kultureller Hinsicht vielfältige Gesellschaft. Irreführend ist insofern, wenn Böckenförde davon spricht, in der Schule müsse die „Einheit des Volksganzen, die [. . .] sich auch in geistig-ethischen Grundanschauungen ausdrückt“, „in die heranwachsende Generation hinein pflegend übermittelt“ werden861, oder Rolf Gröschner von Schule als „Schule der Nation“ spricht.862 Denn das Konzept deutscher Nation ist mit Homogenitätsvorstellungen belastet. Schule hat aber die Pflicht, für die Integration von Zuwandererkindern zu sorgen.863 Unter Berufung auf das „Vollrecht“ über die staatliche Schule aus Art. 7 I GG nimmt der Staat einen eigenen Erziehungs- und Bildungsauftrag – ein mit Verfassungsrang ausgestattetes Gemeinschaftsinteresse – in Anspruch.864 Unabhängig von den Eltern kann der Staat eigene Erziehungs- und Unterrichtsziele verfolgen, inhaltlich bestimmen und festlegen.865 Der Schulauftrag erfasst die Vermittlung von beruflich oder unmittelbar verwertbarem Wissen und Fertigkeiten.866 Darüber hinaus darf der Staat auch Werte vermitteln. Gestritten wird allein über die Auswahl dieser Werte.867 In den Landesverfassungen werden im Gegensatz zum Grundgesetz ausdrücklich Bildungsziele festgelegt, die im Wesentlichen vorschreiben, die Schule solle „dem Schüler helfen, seine Fähigkeiten und Neigungen zu entwickeln, selbstständig zu denken, zu urteilen und zu handeln sowie sein Leben in eigener Verantwortung zugleich Staat und Gesellschaft verpflichtet zu führen“.868 Als Werte werden „Gerechtigkeit“869, „Menschlichkeit“870, „Ehrfurcht und Nächstenliebe“871, „Achtung und Duldsamkeit“872, „Rechtlichkeit und Wahrhaftigkeit“873 und „Geist der Demokra861
So aber Böckenförde (1980), 84. Gröschner (2004), Art. 7 Rn. 11; zustimmend Langenfeld (2001), 218; einschränkend Mahrenholz (1998), 295: Die Schule dürfe insofern Schule der Nation sein, als sie auch die Funktionsfähigkeit der Demokratie und die Integration der Bevölkerung fördern müsse. 863 Häußler (1999), 36; vgl. umfassend zu diesem Thema Langenfeld (2001), passim. 864 Vgl. BVerfGE 52, 223 (236); BVerwGE 94, 82 (86); Spies (1993), 639. 865 Vgl. BVerfGE 93, 1, 21; 52, 223 (236); 47, 46 (72); 41, 29 (44); 34, 165 (183); Pieroth (1994), 950; Mahrenholz (1998), 294; Schmitt-Kammler (2003a), Art. 7 Rn. 22 f. 866 Vgl. Debus (1999), 445. 867 Vgl. BVerfGE 90, 107 (115, 122); 90, 128 (140); Heckel (1996), 458 ff.; Pieroth (1994), 952; Püttner (1976), 49; Schmitt-Kammler (2003a), Art. 7 Rn. 23. 868 § 2 I HambSchulG. 869 Z. B. Art. 101 I SaVerf., Art. 28 BRBVerf. 870 Z. B. Art. 7 II NRW Verf. 871 Z. B. Art. 56 IV HV; Art. 101 I SaVerf. 872 Z. B. Art. 33 RPVerf.; vgl. zum Erziehungsziel der Toleranz Debus (1999), 436; Füssel (1994), 504. 873 Z. B. Art. 56 IV HV, Art. 33 RPVerf. 862
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tie“874 genannt. Diese Erziehungswerte sind zulässig, solange sie im Grundgesetz enthalten sind.875 Der Staat darf und muss sich mit den Werten des Grundgesetzes identifizieren und sich in der Schule werbend für sie einsetzen.876 Der Staat darf aber keine „eigenen“ Werte jenseits der Verfassung haben und in der Schule vermitteln.877 Damit der Staat die Erziehungs- und Bildungsziele erfüllen kann, muss er in der Schule eine Atmosphäre schaffen, in der Schüler und Schülerinnen auch tatsächlich lernen können. Konflikte und Unruhe beeinträchtigen das Lernvermögen. Der Staat muss deshalb einen geordneten Unterricht und Schulfrieden garantieren.878 Schulfrieden bedeutet ein friedvolles und harmonisches Miteinander der Schulgemeinschaft.879 Zudem hat der Staat, um gemäß Art. 7 I GG die Einrichtung der Schule zu garantieren, für die Funktionsfähigkeit des Schulwesens zu sorgen.880 Die Funktionsfähigkeit der Schule kann gefährdet sein, wenn wegen Lehrermangels gar kein Unterricht angeboten wird oder sich die Schulgebäude mehrheitlich in derart desolatem Zustand befinden, dass kein geordneter Unterricht mehr möglich ist. b) Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrags durch die Lehrerin mit Kopftuch Die Lehrerin muss den staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag durch Gestaltung und Erteilung des Unterrichts erfüllen.881 Diese Aufgabe ist verfassungsrechtlich verankert in dem Dienst- und Treueverhältnis nach Art. 33 IV GG i. V. mit Art. 7 I GG. Um den Erziehungs- und Bildungsauftrag zu erfüllen, muss die Lehrerin erstens Wissen und Fertigkeiten vermitteln. Eine Lehrerin wird kaum den Unterrichtsstoff vermitteln können, wenn sie ihr Gesicht mit einem Schleier bedeckt. Denn Erziehung ist ein personaler Prozess, der direkt von Lehrer zu Schüler/Schülerin, von Angesicht zu Angesicht erfolgt.882 Deshalb kann ein Gesichtsschleier nicht zulässig sein.883 Abwegig erscheint dage-
874
Z. B. Art. 131 II BayVerf. Vgl. Langenfeld (2001), 572; a. A. wohl Lecheler (1996), Art. 7 Rn. 25. 876 Bader (1998), 363; Bothe (1995), 30; Schlaich (1972), 92. 877 Vgl. Lecheler (1996), Art. 7 Rn. 26; Schmitt-Kammler (2003a), Art. 7 Rn. 26. 878 Vgl. § 55 I 2 SchulG RhPf, § 52 I 2 ThürSchulG; Langenfeld (2001), 551. 879 Anger (2005), 52. 880 Vgl. zur Pflicht des Staates, ein Bildungssystem zu garantieren, Gröschner (2004), Art. 7 Rn. 10; Badura (2006), Art. 7 Rn. 5; Mahrenholz (1998), 294. 881 Vgl. Debus (1999), 437; Häußler (1999), 34. 882 Vgl. Pieroth (1994), 949. 883 Ebenso Britz (2003), 97 Fn. 15; Giegerich (2001), 270; Bundesverfassungsrichter a. D. Sommer während eines Vortrags am 26.5.2004 am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. 875
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gen, dass das Lehr- bzw. Lernvermögen durch ein Kopftuch, das das Gesicht freilässt, eingeschränkt werden könnte.884 Eine erforderliche vielseitige Wissensvermittlung steht dann in Gefahr, wenn die muslimische Lehrerin sich z. B. weigert, wegen des muslimischen Bilderverbotes im Sexualkundeunterricht Bilder nackter Menschen zu zeigen.885 Allein dadurch, dass die Lehrerin ein Kopftuch trägt, ist aber nicht festgelegt, dass sie im Sexualkundeunterricht, ihrem muslimischen Glauben folgend, bestimmtes Wissen nicht vermitteln möchte.886 Da einige Musliminnen und Muslime aber aus dem Koran Verhaltensvorschriften lesen, nach denen sie auch im Sexualkundeunterricht keine Bilder nackter Menschen sehen dürfen, ist es gerechtfertigt, dass die Schulleitung die muslimische Lehrerin im Einstellungsgespräch danach fragt, ob sie bereit ist, Sexualkundeunterricht gemäß dem deutschen Curriculum zu erteilen. Zu erwarten ist, dass eine Lehrerin mit Kopftuch den ganzen Körper mit langen Kleidern bedeckt, so dass es ihr schwer fallen könnte, Sport- und Schwimmunterricht zu erteilen. Nicht jede Lehrerin – auch nicht jede Grundschullehrerin – muss aber fähig sein, Sport- und Schwimmunterricht zu erteilen. Zweitens muss die Lehrerin die Werte des Grundgesetzes und der Landesverfassungen vermitteln. Sie muss Werte wie Gerechtigkeit, Toleranz und freiheitlich-demokratische Gesinnung vermitteln. Es spricht nichts dafür, dass eine Lehrerin mit Kopftuch diese Werte nicht überzeugend vermitteln kann. Es ist nicht plausibel anzunehmen, dass das Kopftuch auf eine fundamentalistische und damit antidemokratische Haltung der Trägerin verweist.887 Gerade die Vermittlung von Toleranz kann auch durchaus erleichtert werden, wenn die Lehrerin auch äußerlich sichtbar einen religiös-weltanschaulich geprägten Standpunkt hat, von dem aus sie anderen Positionen gegenüber tolerant ist. Ein Lehrerinnenkollegium kann möglicherweise dann die Schüler und Schülerinnen besser zur Akzeptanz der Vielfalt erziehen, wenn die Lehrerinnen selbst sichtbar unterschiedlich religiös und kulturell geprägt sind.888 Eine bekennende Muslimin ist ebenso grundsätzlich geeignet, Werte des Grundgesetzes zu vermitteln, die kulturhistorisch wesentlich von christlichen Werten mitgeprägt sind.889 Erziehungsziele wie „Ehrfurcht vor Gott“890 haben sowieso nur dann vor dem Gebot der Gleichbehandlung aller Religionsgemein884 Ebenso Anger (2005), 60; a. A. hinsichtlich eines Kruzifixes, das eine Lehrerin an einer Kette trägt, Menzel/Schumacher (1997), 327. 885 Siehe unten S. 188 zu Anträgen muslimischer Schüler auf Befreiung vom Sexualkundeunterricht. 886 A. A. Röper (2005), 32. 887 Siehe oben S. 104. 888 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3115 f.) sieht Vielfalt als Mittel zum Einüben von Toleranz; in diese Richtung Petersohn (2007), 56. 889 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3115); Michael (2003), 258; Demel (2001), 64; wohl auch Langenfeld (2001), 584; a. A. VG Stuttgart, DÖV 2000, 560 (562).
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schaften Bestand, wenn sie nicht ausschließlich im religiös-christlichen Sinne ausgelegt werden.891 Und in diesem Sinne kann eine Muslimin sie auch vermitteln. Dasselbe gilt für Erziehungsziele, die sich an bestimmte kulturelle Vorstellungen anlehnen, wie z. B. „Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk“ (Art. 131 III BayVerf). Auch dieses Ziel kann nur in einer Auslegung Bestand haben, nach der Angehörige mit Migrationshintergrund nicht diskriminiert werden.892 Gerade eine muslimische Lehrerin kann die Integration muslimischer Schüler und Schülerinnen fördern, weil sie Identifikationsfigur sein kann.893 Sie kann zudem einen Schutzfaktor für andere muslimische Kinder gegen intolerantes Mobbing sein.894 Die Lehrerin mit Kopftuch kann also grundsätzlich den Erziehungs- und Bildungsauftrag erfüllen. Allerdings kann sie nicht vollständig Gleichberechtigung im Sinne eines an den Staat gerichteten Auftrages, keine tradierten Rollen zu Lasten von Frauen festzuschreiben, vermitteln.895 Zudem besteht im Einzelfall die Gefahr, dass die Lehrerin mit Kopftuch muslimische Schülerinnen daran hindert, sich von männlich geprägten muslimischen Vorstellungen der Familie oder auch ihrer Klassenkameraden und -kameradinnen zu emanzipieren. Wenn sich diese Gefahr verwirklicht, muss der Dienstherr u. U. der Lehrerin untersagen, das Kopftuch zu tragen.896 Darüber hinaus können staatliche Eingriffe in die Religionsfreiheit der Lehrerin nicht auf das Argument des Schulauftrages gestützt werden. c) Mögliche Gefährdung des Schulfriedens durch eine Lehrerin mit Kopftuch Der Schulfrieden kann gestört sein, wenn Schüler, Schülerinnen und Eltern gegen die Lehrerin mit Kopftuch agieren, protestieren und mobilisieren, weil sie keine Erziehung durch religiös gekleidete Lehrerinnen wünschen. So könnten Schülerinnen und Schüler sich weigern, am Unterricht einer religiös geklei-
890 Siehe Art. 141 II und Art. 131 BayVerf; Art. 33 RPVerf.; Art. 7 NRWVerf.; § 2 I 1 NSchG. 891 BVerfGE 93, 1 (22); BVerfGE 41, 29 (52); Huster (2002), 241 Fn. 408; Lecheler (1996), Art. 7 Rn. 26 ff.; Schmitt-Kammler (2003a), Art. 7 Rn. 27; Art. 7 Rn. 26; Pieroth (1994), 948. 892 A. A. wohl Schmitt Glaeser (1995), 581. 893 Vgl. zur Rolle von türkischen Sozialarbeiterinnen, Lehrerinnen, Erzieherinnen als Bezugs- und Identifikationspersonen für die türkische Bevölkerung Zentrum f. Türkeistudien (1995), 11. 894 Debus (1999), 447; im Ergebnis ebenso VG Lüneburg, NJW 2001, 767 (771); Britz (2003), 98 ff. 895 Siehe oben S. 178. 896 Siehe oben S. 129 und 174.
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deten Lehrerin teilzunehmen.897 Eltern könnten von der Schulleitung verlangen, dass sie die Lehrin anweist, das Tuch abzunehmen. Solche Aktionen werden vermutlich Thema im Schulunterricht sein und können den geordneten Ablauf des Unterrichts erschweren. Derartige Konflikte sind bisher allerdings nicht die Regel. Der Fall der baden-württembergischen Lehrerin G. Graber ist bisher der einzige in der Presse bekannt gewordene Fall, bei dem das Kopftuch einer Lehrerin auf Ablehnung der Eltern stieß. In diesem Fall hielten Elternbeiräte mehrheitlich die Lehrerin mit Kopftuch für nicht tragbar und den Schulfrieden für gestört. Einige Eltern hätten darüber nachgedacht, ihre Kinder nicht mehr in den Unterricht zu schicken. Die Elternbeiräte waren davon überzeugt, dass G. Graber das Kopftuch trage, um sich von der westlichen Kultur und deren Werten abzugrenzen. Man werde es aber nicht zulassen, dass sie die Schule als Plattform nutze, um ihre Überzeugungen zu verbreiten.898 Dagegen waren während der Referendarsausbildung von Ludin – so die Verwaltungsgerichte – keine Unzuträglichkeiten wegen des Kopftuchtragens aufgetreten.899 Allerdings sei es erforderlich gewesen, wegen des Ableistens ihres Referendardienstes eine Schule zu suchen, die Bedenken wegen etwaiger Konflikte zurückgestellt habe.900 Ebenso konnte – so Presseberichte – Iyman Alzayed Eltern und Kollegium an einer Waldorfschule davon überzeugen, dass man ihr trotz des Kopftuches die Erziehung der Kinder anvertrauen könne.901 In Niedersachsen demonstrierten Eltern, Schülerinnen und Schüler dafür, dass Frau Alzayed an der vorgesehenen Schule unterrichten könne.902 Es ist allerdings keineswegs gesichert, dass weiterhin Proteste gegen Lehrerinnen mit Kopftuch eher die Ausnahme sein werden. Im Fall Ludin gingen die Verwaltungsgerichte davon aus, dass bei einer Einstellung von Ludin als Lehrerin Proteste von Eltern, Schülerinnen und Schülern nicht ausblieben.903 Allge897 Vgl. VG Schleswig, Urt. v. 21.1.1998 – 9 A 274/97 (91) für den Fall eines Lehrers, der Scientology angehörte. Als seine Mitgliedschaft bekannt wurde, nahm die Mehrzahl der Schüler und Schülerinnen nicht mehr an seinem Unterricht teil. 898 Beck (2004); Szuttor (2004). 899 VG Stuttgart, DÖV 2000, 560 (562); so auch Ludin in der mündlichen Verhandlung vor dem BVerfG; dagegen Schmoll (1998): Die wütenden Proteste der Eltern gegen die Frau mit dem Kopftuch hätten bis ins Kulturministerium gereicht. 900 VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2904); VG Stuttgart, DÖV 2000, 560 (562). 901 Vgl. Info3 Februar 2000, http://www.info3.de/archiv/info3/artikel/2000-02/ 0200ute1.html, abgerufen am 31.10.2002, 14.00 Uhr; Gaugele (2000). Ebenso wenig sollen die rund 15 Lehrerinnen, die mit Kopftuch in Nordrhein-Westfalen unterrichteten, Probleme mit Eltern, Schülerinnen und Schülern gehabt haben, vgl. Rath (2003). 902 Vgl. Mahrenholz (2004), 762. Selbst im Fall der Schulleiterin in RheinlandPfalz, die der Religion „Zentrum des Lichts“ angehörte und versucht haben soll, Schülerinnen für Meditationskurse ihrer Religion zu werben, soll sich laut Presseberichten bei einer Vertrauensabstimmung die Mehrheit der Eltern für die Lehrerin ausgesprochen haben, vgl. FAZ 27.4.2004; Esslinger (2004). 903 VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2904); VG Stuttgart, DÖV 2000, 560 (562); so wohl auch BVerwG, JZ 2004, 1178 (1180).
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mein protestieren gegen das Kopftuch verstärkt Migrantinnen, insbesondere türkische Organisationen, so dass zu befürchten ist, dass gerade das Zusammentreffen einer Lehrerin mit Kopftuch mit Schülern, Schülerinnen und deren Eltern aus muslimisch geprägten Staaten zu Konflikten in der Schule führt.904 Namo Aziz schreibt z. B. in „DIE ZEIT“, 1.10.2003: „Ich als Muslim [. . .] würde mein Kind nicht von einer Kopftuchträgerin unterrichten lassen.“ Umstritten ist, wem die Störung des Schulfriedens anzulasten ist. In der Literatur wird zum Teil vertreten, dass bei Unruhen in der Schule wegen des Kopftuches der Lehrerin nicht die Lehrerin die Störerin sei, sondern es seien die protestierenden Schüler, Schülerinnen und Eltern.905 Dagegen verlangen die nach dem Kopftuchurteil des BVerfG reformierten Landesschul- und Beamtengesetze überwiegend, dass Lehrerinnen in der Schule sich so verhalten, dass sie nicht den „politischen, religiösen oder weltanschaulichen (Schul-)Frieden“ gefährden.906 Die Gesetzgeber gehen offensichtlich davon aus, dass eine Gefährdung des Schulfriedens der Lehrerin anzulasten ist. Zur Lösung des Problems ist der Begriff des „Störers“ wenig hilfreich. Dieser Begriff ist aus dem Polizeirecht entliehen. Im Sinne des Polizeirechts ist ein Störer, wer eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar verursacht. Eine mittelbare Verursachung begründet die Störereigenschaft nur dann, wenn der Verursachende die unmittelbare Störung durch Dritte objektiv bezweckt. Man unterscheidet Handlungsstörer, die durch aktives Tun eine Gefahr oder Beeinträchtigung verursachen, und Zustandsstörer, die für eine Sache verantwortlich sind, die eine Gefahr oder Beeinträchtigung verursacht. Anordnungen und Maßnahmen der Polizei dürfen sich nur gegen Störer richten. In Ausnahmefällen dürfen sie sich aber auch gegen Nichtstörer richten, wenn eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwehren ist. Die Lehrerin wird nur durch ihr Kopftuch nicht zur Handlungsstörerin, solange sie nicht durch aktives Verhalten für den Islam oder deutliche Mißbilligung anderer Religionen Gegenreaktionen von Schülern und Schülerinnen sowie Eltern geradezu herausfordert. Sie könnte aber Zustandsstörerin sein, weil sie zumindest für das Kopftuch verantwortlich ist. Zudem könnte die Schulbehörde gegen sie als Nichtstörerin vorgehen, wenn sich der Schulfrieden anders nicht wiederherstellen lässt. Entscheidend ist dabei aber, inwieweit die Schulbehörde die Religionsfreiheit überhaupt beschränken darf und ob die 904 Vgl. Aufruf von 60 Akademikerinnen mit Migrationshintergrund für ein Kopftuchverbot „Für Neutralität in der Schule“, vgl. taz 14.2.2004. Auf einer Diskussionsveranstaltung der PDS-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus am 5.3.2004 sprachen sich Safter Cinar, der Sprecher des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg, Evrim Baba, die türkischstämmige PDS-Abgeordnete, und der Türkische Frauenverein Berlin e.V für ein Kopftuchverbot aus. Die in Ankara geborene Sanem Kleff, die den Bundesausschuss für multikulturelle Angelegenheiten in der GEW leitet, sprach sich für eine Säkularisierung der Schule aus, Oestreich (2004), 98 f., Kleff (2003). 905 Vgl. Anger (2005), 58; Lanzerath (2003), 227. 906 Vgl. § 38 II BWSchG; § 86 III HSchulG; § 1 IIa SLSchoG.
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Gründe, aus denen Schüler, Schülerinnen und Eltern gegen die Lehrerin mit Kopftuch agieren, protestieren und mobilisieren, schützenswert sind. Das VG Schleswig hatte z. B. den Fall zu entscheiden, dass eine Klasse von einem Scientologen unterrichtet wurde. Der betreffende Lehrer bekannte sich offen zu einer Mitgliedschaft in der Scientology-Organisation. Diese Mitgliedschaft führte zu Auseinandersetzungen mit Schülern, Schülerinnen und Eltern mit der Folge, dass die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler nicht mehr am Unterricht dieses Lehrers teilnahm.907 Der Lehrer hat in diesem Fall aber nicht mehr getan, als einen religiösen Glauben zu haben und sich zu ihm zu bekennen. Das religiöse Bekenntnis zählt zum forum internum der Religionsfreiheit und damit zu deren unantastbarem Wesensgehalt.908 Das religiöse Bekenntnis eines Scientology angehörenden Lehrers kann demnach nicht deshalb beschränkt werden, weil Schüler, Schülerinnen und Eltern an ihm Anstoß nehmen.909 Ähnlich verhält es sich bei der Lehrerin mit Kopftuch: Schülerinnen, Schüler und Eltern könnten an ihr nur deshalb Anstoß nehmen, weil ihre islamische Religionszugehörigkeit bekannt wird und sie den Islam nicht mögen oder keine ausländischen Lehrerinnen wollen. Das wären keine schützenswerten Gründe. Der Dienstherr darf ein Kopftuchverbot nicht ausschließlich mit Ängsten der Eltern vor dem Islam begründen, ebenso wenig wie er ein Berufsverbot für einen offensichtlich homosexuellen Lehrer mit den Ängsten konservativer Eltern vor „Verführung“ der Schüler begründen darf.910 Mit dem Kopftuchtragen geht die Lehrerin aber über das bloße Bekenntnis zu ihrer Religion hinaus. Sie trägt ein sichtbares Zeichen ihrer Religionszugehörigkeit, das zu Eingriffen in die Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen sowie in das Elternrecht führen kann. Schülerinnen und Eltern können an der Lehrerin mit Kopftuch Anstoß nehmen, weil sie die religiöse Kleidung als einen Eingriff in die negative Religionsfreiheit bzw. das Elternrecht empfinden.911 Das sind schützenswerte Gründe. Ebenso könnten Schüler, Schülerinnen und Eltern gegen die Lehrerin mit Kopftuch protestieren, weil sie davon ausgehen, dass sie Gleichberechtigung als Erziehungsziel nicht ausreichend vermitteln kann. Sie müssen aber plausibel darlegen können, dass die Lehrerin mit 907
VG Schleswig, Urt. v. 21.1.1998 – 9 A 274/997 (91). Vgl. zum Wesensgehalt von Grundrechten Dreier (2004), Art. 19 II Rn. 7 ff.; Dürig (1958), Art. 1 Rn. 29 m. Fn. s1. 909 Ebenso VG Schleswig, Urt. v. 21.1.1998 – 9 A 274/997 (91). 910 Vgl. Anger (2005), 61; BVerwGE 30, 29 (32) wonach einem Polizisten die außerdienstliche Werbung für die Zeugen Jehovas nicht allein wegen der unangemessenen Reaktion der Beworbenen untersagt werden kann. 911 Die Gerichte hielten bislang dann, wenn sie eine Gefährdung der negativen Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen bzw. des religiös-weltanschaulichen Neutralitätsgebots annahmen, auch eine Gefährdung des Schulfriedens für möglich BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114); BVerwG, JZ 2004, 1178 (1180); OVG Hamburg, NVwZ 1986, 406 (408); vgl. aus der Literatur Battis/Bultmann (2004), 35 f. 908
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Kopftuch in ihre Religionsfreiheit bzw. ihr religiöses Erziehungsrecht eingreifen oder Gleichberechtigung als Erziehungsziel nicht ausreichend vermitteln könnte. Die Schulbehörde darf nicht lediglich darauf abstellen, dass Eltern die Befürchtung haben, die Lehrerin sei befangen.912 Dagegen sieht das BVerwG im zweiten Ludin-Urteil bereits eine relevante Bedrohung des Schulfriedens, wenn die Eltern besorgt sind, dass es zu einer religiösen Beeinflussung der Kinder kommt.913 Eine solche Sorge allein kann aber keine Grundrechtsbeschränkung für die Lehrerin rechtfertigen. Die Religionsfreiheit einer Lehrerin würde zu einem beliebig einschränkbaren Gut, müsste sie schon darauf verzichten, wenn jemand nur denkt, sie sei eine missionierende Lehrerin. Schülern, Schülerinnen und Eltern wird es u. a. dann gelingen, plausibel nachzuweisen, dass die Lehrerin mit Kopftuch in ihre Religionsfreiheit oder ihr religiöses Erziehungsrecht eingreifen könnte, wenn die Lehrerin auch durch ihr übriges Verhalten ihre muslimische Glaubenszugehörigkeit stark in den Vordergrund stellt und zumindest einzelne Schulkinder als besonders stark religiös beeinflussbar gelten oder in der betreffenden Klasse Konflikte in muslimischen Familien bekannt sind, in denen es auch darum geht, ob eine Schülerin ein Kopftuch trägt.914 In diesen Fällen ist der Schutz des Schulfriedens zu Lasten der Lehrerin geltend zu machen, ohne dass im Einzelfall ein Eingriff in die Religionsfreiheit der betreffenden Schüler bzw. Schülerinnen nachgewiesen werden muss. Kommt es zu einer Beeinträchtigung des Schulfriedens, muss der Dienstherr in jedem Fall zunächst eine Konfliktlösung wählen, die einerseits geeignet ist, den Schulfrieden und einen geordneten Unterricht zu sichern, andererseits aber auch die Religionsfreiheit der Lehrerin berücksichtigt. Er muss zunächst versuchen, den Konflikt durch Gespräche zu entschärfen, zum Beispiel indem die Eltern die Lehrerin kennenlernen und diese ihr pädagogisches Konzept erläutert. Als weitergehende Maßnahme käme eine Umsetzung der Lehrerin in eine andere Klasse in Betracht. Entsteht der Konflikt erst in der Mitte des Schuljahres, würde dadurch aber die pädagogische Beziehung der Lehrerin zu ihrer Klasse unterbrochen, was zu Lernschwierigkeiten bei einzelnen Schulkindern führen könnte.915 Das Klassenlehrerprinzip an Grundschulen soll solchen Problemen gerade entgegenwirken. Nur wenn Schüler, Schülerinnen und Eltern aus schützenswerten Gründen gegen die Lehrerin mit Kopftuch protestieren und soweit
912 Ähnlich VG Lüneburg, NJW 2001, 767 (770); Böckenförde (2001), 728; Sacksofsky (2003), 3300. 913 BVerwG, JZ 2004, 1178 (1180); ähnlich VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2900); wohl auch Goerlich (1999), 2931. 914 Siehe oben S. 129. 915 Vgl. VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2904); OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2002, 658 (661); VG Stuttgart, NVwZ 2000, 959 (961).
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
eine Konfliktlösung nicht möglich ist, kann der Staat die Lehrerin disziplinarrechtlich zum Abnehmen des Kopftuches zwingen. Im Zweifel hat der Schulfriede das höhere Gewicht. Für die Lehrerin ergibt sich die Pflicht, den Schulfrieden zu wahren, aus dem eingegangenen Dienst- und Treueverhältnis aus Art. 33 IV GG i. V. mit Art. 7 I GG. Die Kinder müssen dagegen nicht hinnehmen, dass die wegen des Kopftuches erforderlichen Maßnahmen zu ihren Lasten gehen.916 Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass die disziplinarrechtliche Einwirkung auf die Lehrerin u. U. gerade nicht dem Schulfrieden dient, weil nun diejenigen Eltern, die um die Weiterbeschäftigung der Lehrerin fürchten, protestieren könnten.917 d) Generelles Zurückdrängen der Religion aus der Schule im Interesse des Schulfriedens Der Schulfriede kann auch dadurch gestört sein, dass eine Lehrerin mit Kopftuch religiös bedingte Spannungen verstärkt. Die zunehmende Pluralisierung der Gesellschaft in ethnischer, kultureller und religiöser Hinsicht führt dazu, dass an Schulen unausweichlich die unterschiedlichsten religiösen und weltanschaulichen Auffassungen aufeinandertreffen.918 Diese Situation stellt den Staat vor Schwierigkeiten. Zum einen muss die Akzeptanz der Vielfalt als Teil des verfassungsrechtlich verbrieften Grundkonsenses919 in der Schule gelehrt werden. Zum anderen entstehen Schwierigkeiten bei der Ausbildung von Kindern mit unterschiedlichen sprachlichen Fähigkeiten und unterschiedlichem kulturellem Hintergrund.920 Die Schulen müssen sich u. a. damit auseinandersetzen, dass Schülerinnen und Schüler während religiöser Rituale921 oder aus religiösen Gründen922 vom 916 A. A. Lanzerath (2003), 230: „Die damit verbundenen Probleme sind Schülern und Eltern jedoch zuzumuten, denn schließlich ist Anlass für die Umsetzung ihre Haltung gegenüber fremden Religionen, nicht aber ein Fehlverhalten der Lehrerin.“ 917 An einem Gymnasium in NRW kündigten z. B. alle Lehrerinnen an, für ihre Kollegin, die ein Kopftuch trug, protestieren zu wollen. Ihr drohte nach der Änderung des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes ein Kopftuchverbot, vgl. Wiesmann (2006). 918 Zur Verdeutlichung: Laut Kelek (2002), 14 gab es 2002 450.000 muslimische Schüler und Schülerinnen an deutschen Schulen. 919 Zum Erziehungsziel der „Multikulturalität“ vgl. Bothe (1995), 40. 920 Vgl. zu den Schwierigkeiten ausländischer Schüler und Schülerinnen im Bildungssektor Langenfeld (1998), 383. 921 Vgl. BVerwGE 42, 128 – Schulbefreiung jüdischer Schüler am Sabbat; zur Schulbefreiung muslimischer Schüler und Schülerinnen während des 4-tägigen Opferfestes, des 3-tägigen Festes des Fastenbrechens und des Freitagsgebets, vgl. BT-Drs. 14/4530, 17. 922 Vgl. zur Befreiung vom Sexualkundeunterricht aus religiösen Gründen BVerfGE 47, 46 (69 ff.); BVerwGE 57, 360 (370); VG Hamburg, Urt. v. 19.1.2004, vgl. taz 21.1.2004; Langenfeld (1998), 390; Niehues (2000), Rn. 352 und 572–576; Rohe (2001), 151.
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Schulunterricht befreit werden wollen, muslimische Mädchen aus religiösen Gründen nicht an Klassenfahrten mit Übernachtung teilnehmen dürfen,923 Kopftuch tragen oder nicht bereit sind, mit männlichem Lehrpersonal zu kommunizieren.924 Die Schulleiterin einer Hauptschule in Berlin erklärt: „Ungefähr dreißig Mädchen tragen an unserer Schule ein Kopftuch. In den Augen der Jungen gibt es dadurch zwei Sorten Mädchen: die Schlampen ohne und die anständigen Mädchen mit Kopftuch. In der Regel werden die von den muslimischen Jungen in Ruhe gelassen. Wenn es zu sexuellen Belästigungen kommt, dann immer gegen Mädchen ohne Kopftuch.“925
An Berliner Schulen soll es, seitdem die Islamische Föderation Religionsunterricht erteilt926, vorkommen, dass türkische Jungen zu Lehrerinnen sagen, sie seien unrein und von ihnen ließen sie sich nichts sagen. Es wird vermutet, dass Islamlehrerinnen sie zu einem solchen Verhalten aufstacheln.927 Auch durch solches Verhalten wird der Schulfrieden beeinträchtigt. Es ist zumindest denkbar, dass eine muslimische Lehrerin mit Kopftuch solche Spannungen verstärkt.
Vgl. zur Befreiung vom Sport- und Schwimmunterricht aus religiösen Gründen BVerwG, DVBl. 1994, 163 und BVerwG, Urt. v. 25.8.1993, Az. 6 C 30.92 – Befreiung einer muslimischen Schülerin vom koedukativen Sport- und Schwimmunterricht; BVerwG, DVBl. 1994, 168 – Befreiung einer christlichen Schülerin vom Schwimmunterricht OVG NRW, InfAuslR 1992, 47; OVG Bremen, InfAuslR 92, 269; OVG Lüneburg, DVBl. 1991, 772; VG Freiburg, InfAuslR 1994, 297; VG Köln, KirchE 30, 320; aus der Literatur Rohe (2001), 153. 923 Vgl. OVG Münster, NJW 2003, 1754 f. vgl. zur Kritik an dem Urteil Rixen (2003), 1712 ff.; vgl. zu den religiösen Gründen für die Befreiung von Klassenfahrten Spuler-Stegemann (1998), 203. 924 Siehe Mahrenholz (1998), 287 ff. zum Fall einer pakistanischen Schülerin mit Nikab an einem Gymnasium in Niedersachsen. Die Schule beschrieb u. a., dass nach der Verschleierung eine pädagogische Interaktion nicht mehr möglich war. Lehrern gegenüber habe die Schülerin die Ansprache zunehmend verweigert. Die Mitschülerinnen und Mitschüler hätten erschrocken auf die Verschleierung reagiert, so dass die Kommunikation dadurch eingeschränkt wurde und bestehende freundschaftliche Beziehungen zu den nichtislamischen Mitschülerinnen sich auflösten. Die Schülerin habe sich abfällig über deren Kleidung und deren Verhalten (zwischen den Geschlechtern) geäußert. Theaterbesuche u. ä. lehnte sie ab. 925 Vgl. Bergemann (2004). Bergemann befragte vier Lehrerinnen an Berliner Schulen mit hohem Ausländeranteil zu Problemen mit Islam an der Schule, insbesondere Befreiung von Sport-, Sexualkundeunterricht, Klassenfahrten und Schülerinnen mit Kopftuch. Drei der Lehrerinnen forderten ein Kopftuchverbot, weil es ihnen „das Leben leichter machen“ würde. Vgl. auch den Bericht einer ehemaligen Lehrerin von der Rütli-Hauptschule in Berlin in Keller (2006): „Die Mädchen, auch muslimische Schülerinnen aus den liberaleren Familien, werden als Dirnen angesehen, weil sie kein Kopftuch tragen.“ 926 Die Islamische Föderation darf in Berlin seit dem Urteil des BVerwG vom 23.2.2000 islamischen Religionsunterricht erteilen, vgl. BVerwG, NVwZ 2000, 922. 927 Das berichtete der Bundesverfassungsrichter a. D. Sommer während eines Vortrags am 26.5.2004 am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin.
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Das BVerwG nahm im Fall Ludin an, dass nur eine distanzierende Neutralität in Zeiten wachsender kultureller und religiöser Vielfalt an der Schule für Ordnung sorgen könne.928 Lehrkräfte dürften deshalb keine religiös geprägte Kleidung in der Schule tragen. Das BverfG plädierte in seinem Ludin-Urteil zunächst für eine Offenheit der Schule für religiös-weltanschauliche Inhalte.929 Es sah aber dann in dem mit der zunehmenden religiösen Pluralität verbundenen gesellschaftlichen Wandel einen Anlass zu einer Neubestimmung des zulässigen Ausmaßes religiöser Bezüge in der Schule.930 Die Entscheidung über das Ob und Wie einer Neubestimmung überließ das BVerfG dem Willen des Landesgesetzgebers931, ohne zu erkennen zu geben, ob es eine solche Neubestimmung favorisiere oder nicht.932 Die Neubestimmung des zulässigen Ausmaßes religiöser Bezüge an der Schule kann aber nicht in das Belieben des Gesetzgebers gestellt werden.933 Das Grundrecht der Religionsfreiheit setzt dem Zurückdrängen der Religionsausübung in die private Sphäre eine hohe Hürde entgegen.934 Auch im Fall zunehmender religiöser Konflikte ist deshalb die Religionsfreiheit, insbesondere die der Kopftuch tragenden Lehrerin, mit dem Schulauftrag des Staates abzuwägen. Der Gesetzgeber kann Religionsausübung in der Schule grundsätzlich nur dann beschränken, wenn der Staat wegen religiöser Spannungen an der Schule seinem Erziehungs- und Bildungsauftrag nicht nachkommen kann. Das ist z. B. der Fall, wenn die Kollision unterschiedlicher religiöser Überzeugungen an der Schule zu permanenten Konflikten führt, die nicht anders zu lösen sind.935 Der Gesetzgeber hat für die Einschätzung der tatsächlichen Konfliktlage einen Spielraum. Derart schwerwiegende Konflikte lägen etwa dann vor, wenn muslimische Schüler Mädchen ohne Kopftuch regelmäßig als „Schlampen“ bezeichnen.936 Auch Befreiungen muslimischer Schülerinnen und Schüler von Schulveranstal-
928 BVerwG, ZBR 2003, 37 (38 f.). Der Prozessvertreter Baden-Württembergs, Kirchhof, forderte in der mündlichen Verhandlung vor dem BVerfG, je offener die Gesellschaft sei, desto strikter müsse die Neutralität des Staates beachtet werden, vgl. Müller, FAZ 4.6.2003. 929 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3113). 930 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3115). 931 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3115 f.). 932 Battis/Bultmann (2004) sehen eine Präferenz des BVerfG für die Möglichkeit der strengeren Neutralität; dagegen sieht Steiger (2003) eine Präferenz des BVerfG für die offene Neutralität, ebenso wohl Sacksofsky (2003), 3298. 933 Vgl. Hassemer (2004), passim und insb. 47 f. 934 Siehe oben S. 153; zuletzt gegen eine Trennung von Religion und Schule Zypries (2006), 12. 935 Vgl. Mahlmann (2004a), 124; ders. (2004), 1114. 936 Siehe oben S. 189.
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tungen können u. U. den Schulbetrieb negativ beeinflussen.937 So gab es an einer Berliner Hauptschule wegen der vielen Befreiungsanträge 2004 keine Klassenfahrten mehr, weil es zusätzlich desintegrierend wirke, wenn die Hälfte der Klasse nicht mitfahren könne.938 Zu Problemen, einen koedukativen Sport- und Schwimmunterricht zu organisieren, führen sicherlich auch die an manchen Schulen zahlreichen Befreiungsanträge muslimischer Mädchen.939 Nach den hier vorliegenden Erkenntnissen ist die gegenwärtige Situation der Schule allerdings nicht eindeutig so, dass religiös-kulturell bedingte Konflikte und Beeinträchtigungen des Schulauftrags nur gelöst werden können, wenn Schulkinder, Eltern und Lehrerinnenn darin beschränkt werden, ihren religiösen Überzeugungen an der Schule Ausdruck zu verleihen. So empfahl die Kultusministerkonferenz der Bundesländer den Schulen 1996, nicht Religionsausübung an der Schule einzuschränken, sondern der kulturell-religiösen Vielfalt mit dem Konzept der „Interkulturellen Bildung und Erziehung in der Schule“ zu begegnen: „In der Auseinandersetzung zwischen Fremdem und Vertrautem ist der Perspektivwechsel, der die eigene Wahrnehmung erweitert und den Blickwinkel der anderen einzunehmen versucht, ein Schlüssel zu Selbstvertrauen und reflektierter Fremdwahrnehmung. Die durch Perspektivwechsel erlangte Wahrnehmung der Differenz im Spiegel des anderen fördert die Herausbildung einer stabilen Ich-Identität und trägt zur gesellschaftlichen Integration bei. Eine auf dieser Grundlage gewonnene Toleranz akzeptiert auch lebensweltliche Orientierungen, die mit den eigenen unvereinbar erscheinen, sofern sie Menschenwürde und -rechte sowie demokratische Grundregeln achten.“940 Dabei können gerade Lehrerinnen mit Kopftuch auch kulturell bedingte Spannungen beheben. So stammten in der Klasse der Kopftuch tragenden Lehrerin D. Graber in BadenWürttemberg 90 % der Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund, das Zusammenleben aber funktionierte dank der Muslimin gut – so die Aussagen einer Mutter in der Presse.941 Ganz sicher ist ein Zurückdrängen religiöser Bezüge aus der Schule gerechtfertigt, wenn es in der gesamten Gesellschaft zu massiven religiös motivierten 937 In Rechtsprechung und Literatur wird wohl auch deshalb dafür plädiert, dass Befreiungen vom Unterricht aus religiösen Gründen Ausnahmen bleiben müssen, vgl. BVerwG, Urt. v. 25.8.1993, 6 C 30.92, Amtl. Umdr. S. 10. 938 Bergemann (2004). 939 An einer einzigen Schule in Bremen stellten 1993 68 muslimische Eltern Anträge auf Befreiung ihrer Töchter vom Sportunterricht. Allein an dieser Schule durften 109 Mädchen aus religiösen Gründen nicht an Klassenfahrten teilnehmen, vgl. Gaserow (1993). In Berlin kursierten 2004 Vordrucke einer Moschee, mit denen Eltern einen Befreiungsantrag stellen können, vgl. Bergemann (2004). 940 Kultusministerkonferenz (1996). Zur Gefahr der Segregation durch Gründung privater konfessioneller Schulen bei Nichtgelingen der interkulturellen Erziehung siehe Füssel (1994), 505. 941 Höfle (2004).
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Konflikten kommt.942 Wenn der Gesetzgeber Religionsausübung in der Schule wegen des Konfliktpotentials beschränken will, muss er jedoch folgende zwei Maßgaben beachten: (1) Der Staat darf nicht die Ausübung nur einer bestimmten Religion in der Schule beschränken. Zumindest muss der Gesetzgeber bei der Bewertung des Konfliktpotentials von Religionsausübung strenge Gleichheit anwenden. (2) Wenn der Gesetzgeber zu dem Ergebnis kommt, dass nur das Zurückdrängen religiöser Bezüge in der Schule Schulfrieden garantieren könne, so erscheint es wenig überzeugend, wenn nur das religiöse Erscheinungsbild der Lehrerin reduziert wird943, Schülerinnen und Schüler sich aber weiterhin religiös kleiden dürfen. In der Regel müssten Kopftuchverbote dann für Lehrerinnen und Schülerinnen gelten. e) Zwischenergebnis Die Lehrerin mit Kopftuch kann grundsätzlich den Erziehungs- und Bildungsauftrag erfüllen. Es besteht aber die Gefahr, dass das Auftreten einer Lehrerin mit Kopftuch Störungen des Schulfriedens auslöst. Wenn der Konflikt nicht anders lösbar ist und die Gründe der Proteste von Schülern, Schülerinnen und Eltern anerkennenswert sind, hat die Religionsfreiheit der Lehrerin zurückzutreten. Die Gründe sind anerkennenswert, wenn Schüler und Eltern plausibel darlegen, dass die Lehrerin in ihre Religionsfreiheit bzw. ihr religiöses Erziehungsrecht eingreife oder das Erziehungsziel der Gleichberechtigung nicht ausreichend vermitteln könne. Der Gesetzgeber kann, um schwere Beeinträchtigungen für den Erziehungs- und Bildungsauftrag zu vermeiden, die Religionsausübung an der Schule generell beschränken, wenn keine andere Lösung möglich ist. Dabei muss der Gesetzgeber aber beachten, dass er bei der Beurteilung des Konfliktpotentials von Religion strikte Gleichheit walten lassen muss und ein Zurückdrängen nur vereinzelter religiöser Bezüge wenig plausibel erscheint. 10. Art. 33 V GG und die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums als Schranke Der Staat kann unter Berufung auf Art. 33 V GG und die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums Lehrerinnen verbieten, im öffentlichen 942
Vgl. Mahlmann (2004a), 124. Dagegen nahm das BVerwG, ZBR 2003, 37 (38 f.) zwar an, nur mit einer distanzierenden Neutralität könne den zunehmend wegen der kulturellen Vielfalt an der Schule auftretenden Konflikten begegnet werden. Daraus zog es aber nur für das religiöse Erscheinungsbild der Lehrerin Schlussfolgerungen: Der Staat müsse eine religiös-weltanschauliche Einflussnahme durch die Lehrerinnen „soweit wie irgend möglich ausschalten“. 943
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Schuldienst ein Kopftuch zu tragen, wenn das Kopftuchtragen gegen diese Grundsätze verstößt. a) Funktionsvorbehalt und hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums Art. 33 V GG schreibt vor, dass das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln ist. Damit enthält die Norm einen an den Gesetzgeber gerichteten Regelungsauftrag sowie eine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums. Art. 33 V GG ergänzt insofern die bereits in Art. 33 IV GG enthaltene Einrichtungsgarantie des Berufsbeamtentums.944 Diese Einrichtungsgarantie verpflichtet den Staat, das Beamtentum und seine Funktionsfähigkeit im Interesse der Allgemeinheit zu erhalten.945 Dem Erhalt der Funktionsfähigkeit dienen u. a. die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, auf die der Art. 33 V GG Bezug nimmt. Sie sind Strukturprinzipien des Beamtenrechts, die allgemein und während eines längeren Zeitraumes, mindestens unter der Weimarer Reichsverfassung, als verbindlich anerkannt worden sind.946 Wegen der Möglichkeit zur Konkretisierung und Fortentwicklung kann der Kreis der hergebrachten Grundsätze nicht exakt und abschließend festgelegt werden.947 Die Institution des Beamtentums und die hergebrachten Grundsätze aus Art. 33 V GG sind mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte und können als solche die Grundrechte der Beamten beschränken.948 b) Verstößt eine Lehrerin mit Kopftuch gegen den hergebrachten Grundsatz der Verfassungstreuepflicht? Die muslimische Lehrerin mit Kopftuch könnte gegen den hergebrachten Grundsatz der Verfassungstreuepflicht verstoßen. Zu untersuchen ist, wie die Verfassungstreuepflicht hergeleitet wird (1), welches Verhalten die Verfassungstreuepflicht von der Lehrerin verlangt (2), wie der Dienstherr feststellt, ob sie
944 Vgl. Battis (2003), Art. 33 Rn. 45; Isensee (1995), § 32 Rn. 50; Rieckhoff (1993), 24. Die Annahme, Art. 33 IV GG begründe eine Einrichtungsgarantie, ist aber umstritten, vgl. BVerwGE 34, 126; 49, 141 (Lehrtätigkeit); 47, 314 (Leistungsverwaltung); Battis (2003), Art. 33 Rn. 55; Rieckhoff (1993), 28 f. 945 Jarass/Pieroth (2004), Art. 33 Rn. 32. 946 BVerfGE 8, 143; 9, 268, 286; 15, 195; 25, 148; 32, 246; 43, 278; 58, 76. 947 Battis (2003), Art. 33 Rn. 70; Rieckhoff (1993), 223. 948 Vgl. BVerfGE 58, 358 (367); 47, 46 (78 ff.); 39, 334 (346, 368); 33, 1 (11); 28, 243 (261); Röger (1995), 474; Langenfeld (2001), 553; Sacksofsky (2002), Art. 3 II, III 1, Rn. 304, 314; Battis (2003), Art. 33 Rn. 67; wohl auch Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 198; Britz (2003), 98.
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diese Pflicht erfüllt (3) und ob eine Lehrerin mit Kopftuch diese Pflicht erfüllen kann (4). (1) Herleitung der Verfassungstreuepflicht Die Pflicht zur Verfassungstreue wird für Beamtinnen verfassungsrechtlich begründet durch die Bestimmung des Beamtenverhältnisses als öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis zum Staat in Art. 33 IV GG und die Treuepflicht als hergebrachtem Grundsatz des Beamtentums in Art. 33 V GG.949 Hergebracht ist die Treuepflicht insofern, als sie „während eines längeren, Tradition bildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden“ ist.950 Zur Treue verpflichtet sind Beamtinnen nämlich nahezu seit der Entstehung des Beamtentums ab dem ausgehenden 16. Jahrhundert.951 Geändert hat sich im Laufe der Jahrhunderte nur das Objekt der Treue. War die Treue zunächst dem Fürsten952, in Preußen dem König953, in der Weimarer Republik der Verfassung954, dann Hitler als dem Führer geschuldet955, so gilt sie heute jedenfalls der Verfassung. Ob darüber hinaus eine umfassendere politische Treuepflicht besteht, ist stark umstritten.956 Einfachgesetzlich verpflichten §§ 7 I Nr. 2 BBG, 4 I Nr. 2 BRRG957 und §§ 52 II BBG, 35 I 2 BRRG958 die Beamtin zur Verfassungstreue.959 Nach §§ 52 II BBG, 35 I 2 BRRG muss sie sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Ordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für 949 Vgl. Battis (2003), Art. 33 Rn. 32; Battis (2004), § 7 Rn. 8; Schnellenbach (2005), Rn. 15. 950 Vgl. BVerfGE 43, 167; 35, 146; Battis (2003), Art. 33 Rn. 71; Battis/Bultmann (2004), 8. 951 Vgl. Rieckhoff (1993), 17; Battis (2004), Einleitung Rn. 1 ff.; Bieback/Kutscha (1984), 18. 952 Vgl. Scheerbarth/Höffken/Bauschke/Schmidt (1992), 43. 953 Siehe ALR II 10 § 2: „Sie sind, ausser den allgemeinen Unterthanenpflichten, dem Oberhaupte des Staates besondre Treue und Gehorsam schuldig.“; vgl. Rieckhoff (1993), 17. 954 Vgl. Rieckhoff (1993), 19. 955 Vgl. Battis (2004), Einleitung Rn. 4. 956 Siehe unten S. 195. 957 Ebenso die Landesbeamtengesetze, siehe BaWü § 6; Bay Art. 9; Bln § 9; Bbg § 9; Bre § 8; Hbg § 6; Hess § 7; MV § 8; Nds § 9; NRW § 6; RP § 9; SA §§ 7, 8; Sachs §§ 6, 9; LSA § 7; SchlH § 9; Thür § 6. 958 Zu den entsprechenden Vorschriften in den Landesbeamtengesetzen siehe unten Fn. 1456. 959 Auch die Amtsführungs- (§ 52 I BBG), die Mäßigungs- und Zurückhaltungs(§ 35 II BBRG) und Gehorsamspflicht (§ 55 BBG) sowie die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 36 BRRG) und zur Verantwortung der Beamtin für die Rechtmäßigkeit ihres Handelns (§ 38 BRRG) konkretisieren die Treuepflicht, vgl. BVerfGE 9, 268 (284 f.); Battis (2004), § 2 Rn. 4; Schlink (1976), 358.
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deren Einhaltung eintreten. Nach § 7 I Nr. 2 BBG, § 4 I Nr. 2 BRRG kann nur in das Beamtenverhältnis berufen werden, wer die Gewähr künftiger Verfassungstreue bietet.960 (2) Inhalt der Verfassungstreuepflicht Während die Herleitung der Verfassungstreuepflicht und ihre gesetzliche Verankerung unbestritten sind, ist die Konkretisierung ihres Inhalts über einen gewissen Mindestbestand hinaus problematisch. Strittig ist, ob die Beamtin über die Treue zur Verfassung hinaus zu politischer Treue verpflichtet ist, wie amtsund aufgabenspezifisch die Treuepflicht wirkt und ob bei der Eignungsprüfung auf die Mitgliedschaft eines Bewerbers in einer verfassungsfeindlichen, aber nicht verbotenen Organisation abgestellt werden kann.961 Das BVerfG begründete 1977 im Extremistenbeschluss eine politische Treuepflicht, die verlangt, sich mit der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren.962 Mit diesem Beschluss erklärte es die Nicht-Ernennung eines geprüften Rechtskandidaten zum Referendar u. a. wegen dessen Mitgliedschaft in der Roten Zelle Jura an der Universität Kiel für rechtmäßig. Die politische Treuepflicht sei Pflicht zur Staats- und Verfassungstreue.963 Diese Pflicht gebiete den Beamtinnen nicht nur, die Verfassung und das einfache Recht zu beachten, sondern darüber hinaus den Staat und seine Verfassung als „hohen positiven Wert anzuerkennen“. Dafür müsse die Beamtin sich eindeutig von verfassungsfeindlichen Gruppen und Bestrebungen distanzieren.964 Diese Treuepflicht bestehe unabhängig von Art und Funktion des Beamtenverhältnisses.965 Ein solch weitgehendes Verständnis der Verfassungstreuepflicht kann aber nicht überzeugen.966 So begründete das BVerfG die politische Treuepflicht mit 960
BVerwGE 61, 176 (184 ff.). Umfassend zu diesen Fragen u. a. Schlink (1976), passim; Cremer/Kelm (1997), 565 ff. 962 BVerfGE 39, 334; ebenso BVerwG, NVwZ 1999, 299 (Mitgliedschaft von Soldaten in der Partei „Die Republikaner“); BVerwG, NJW 2000, 231 (private politische Betätigung); BVerwGE 47, 330 (344 ff.); 52, 313 (327 f.); BVerwG, ZBR 1981, 249; VGH Kassel, NVwZ 1999, 904 ( Mitgliedschaft in der Partei „Die Republikaner“), in diese Richtung EGMR, NVwZ 2000, 421; zustimmend z. B. Wiese (1978), 12; Thiele (1990), 49 ff.; a. A. BAG, NJW 1990, 1196 (1197); EGMR, NJW 1996, 375. 963 BVerfGE 39, 334 (Tenor S. 1). 964 BVerfGE 39, 334 (Tenor S. 2.). 965 BVerfGE 39, 334 (355); ebenso u. a. BVerwG, NJW 1982, 784 (785). 966 Zur Kritik am Extremistenbeschluss vgl. u. a. Battis (2003), Art. 33 Rn. 35; Battis (2004), § 7 Rn. 10; Schlink (1976), 335 ff.; Böckenförde (1981), 9 ff.; Rottmann (1981), 192 ff. u. 222 ff.; für weitere Nachweise siehe Lübbe-Wolff (1998), Art. 33 Rn. 43, Fn. 213. 961
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dem aus den Art. 9 II, 18, 21 II GG hergeleiteten Prinzip der streitbaren und wehrhaften Demokratie. Diese Artikel knüpfen aber an ein aktives verfassungsfeindliches, kämpferisch aggressives Verhalten an. Angriffe dieser Intensität sind in den praktisch wichtigen Fällen des Bekenntnisses zu und der bloßen Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen Partei nicht gegeben.967 Zudem ist eine politische Treuepflicht nur dann unproblematisch mit Art. 5 I und II und Art. 3 III GG vereinbar, wenn sie unabhängig von der politischen Couleur der Beamtin gilt. Das ist jedoch kaum gewährleistet, wenn die Verfassungstreue schon bei politischen Meinungsäußerungen von Angehörigen bestimmter Parteien oder Religionsgemeinschaften in Frage gestellt wird.968 Gefordert werden kann von einer Beamtin demnach „nur“, dass sie die freiheitliche demokratische Grundordnung achtet. Zu den grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählen „die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzesmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition“.969 Eine Bewerberin darf demnach dann nicht in das Beamtenverhältnis berufen werden, wenn sie sich ausdrücklich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung erklärt, z. B. die Beseitigung des Parlaments fordert.970 Zu fragen ist, inwieweit eine Beamtin auch gehalten ist, mit ihrem Verhalten nicht ausdrücklich den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten zu widersprechen. So zählt auch die Geschlechtergleichberechtigung mit ihrem unabdingbaren Menschenwürdekern zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung.971 Würde von einer Beamtin verlangt, sich mit ihrem Verhalten im Dienst nicht ausdrücklich in Widerspruch zur Verfassung zu stellen, so könnte ihre Verfassungstreue z. B. in Frage stehen, wenn sie im Dienst äußert, dass sie Frauen für minderwertige Wesen hält. Es würde aber die Verfassungstreuepflicht überfordern, wenn deren Einhalten bereits dann in Frage stünde, sobald die Beamtin Ansichten äußert, die dem Grundgesetz in Einzelpunkten widersprechen. Überzeugender ist es, das Maß der erforderlichen Verfassungstreue amts- und aufgabenspezifisch zu bestimmen.972 So muss eine Lehrerin in der Schule die
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Battis (2004), § 7 Rn. 10. Schlink (1976), 358 f. 969 BVerfGE 5, 85 (140); 2, 1 (12 f.); vgl. Krüger (2003), Art. 18 Rn. 12. 970 Battis (2004), § 7 Rn. 15. 971 Vgl. Muckel (2001a), 63. 972 Vgl. BVerwGE 81, 212; 47, 334; Battis (2003), Art. 33 Rn. 35; Lübbe-Wolff (1998), Art. 33 Rn. 43. 968
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Werte des Grundgesetzes vermitteln. Von ihr ist im Dienst deshalb ein Verhalten zu erwarten, mit dem sie sich nicht ausdrücklich in Widerspruch zum Grundgesetz setzt. Die Pflicht zur Verfassungstreue verlangt weiterhin, dass sich die Beamtin im Dienst vom Primat des Rechts und nicht von ihren eigenen politischen, weltanschaulichen, ethischen und anderen Überzeugungen leiten lässt.973 Eine Bewerberin für den Beamtendienst lässt die Wahrung der Gesetze und die Erfüllung der Amtspflichten dann nicht erwarten, wenn für sie Gesetze und Amtspflichten nur verbindlich sind, wenn sie mit ihrem Interesse oder ihrem Gewissen vereinbar sind.974 Auch Religionszugehörigkeit entbindet eine Beamtin nicht von der Treue zum Grundgesetz.975 (3) Überprüfung der Verfassungstreuepflicht Religiös motiviertes Verhalten kann in die Prüfung der Verfassungstreue einer Beamtin mit einbezogen werden.976 Für die Mitgliedschaft in religiösen Vereinen bzw. in Religionsgemeinschaften können die Grundsätze der Mitgliedschaft in politischen Parteien übernommen werden. Für die Prüfung, ob eine Beamtin ihrer Pflicht zur Verfassungstreue genügt, kann der Dienstherr auf deren Mitgliedschaft in einer Partei abstellen, die das BVerfG nach Art. 21 II GG als verfassungswidrig verboten hat. Typischerweise lässt eine Beamtin, die Mitglied in einer solchen Partei ist, nicht die erforderliche Verfassungstreue erwarten. Eine solche Mitgliedschaft führt demnach i. d. R. zum Ausschluss aus dem öffentlichen Dienst.977 Mitgliedschaften in als verfassungsfeindlich eingestuften Parteien können nur Indiz für fehlende Verfassungstreue sein.978 Zu beachten ist, dass auch die Bewertung einer Partei als verfassungsfeindlich daran geknüpft sein muss, ob sie die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdet. Es reicht nicht aus, dass die Partei die „öffentliche Ordnung“ im Sinne des Polizeirechts oder die „allgemeinen Gesetze“ verletzt.979 Letztlich entscheidend
973
Rottmann (1981), 225. Schlink (1976), 350. 975 Giegerich (2001), 268 f. 976 Vgl. OVG RP, ZBR 1986, 271 (Mitgliedschaft in der Deutschen Friedensunion); VG Freiburg, NJW 1981, 2829 f.; AG Bonn bestätigte die Kündigung eines Lehrers wegen einer an der Bonner König-Fahd-Akademie gehaltenen islamistischen Rede, vgl. dpa-Meldung, taz 4.3.2004; a. A. Fertig (1981), 2830. 977 Battis (2004), § 7 Rn. 16. 978 Vgl. BVerfGE 39, 334 (LS 8 und S. 359); BVerwGE 47, 330 (355); 52, 313 (328 ff.); Battis (2004), § 7 Rn. 17. 979 So hinsichtlich der Anforderungen an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die mangels Organisation als Verein nicht nach § 3 I VereinsG verboten werden können Müller-Volbehr (1985), 131. 974
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für die Feststellung der Verfassungstreue einer Beamtin müssen aber die Erkenntnisse der Einzelfallprüfung sein. Nach diesen Grundsätzen muss die Mitgliedschaft in einem nach Art. 9 II GG, § 3 I 1 VereinsG verbotenen religiösen Verein deshalb i. d. R. zum Ausschluss aus dem Beamtendienst führen.980 Die Mitgliedschaft in einer zwar für verfassungsfeindlich erachteten, aber nicht verbotenen Religionsgemeinschaft ist dagegen nur ein Indiz für die fehlende Verfassungstreue.981 Im Übrigen kommt es auf die Überprüfung der Verfassungstreue im Einzelfall an. Die Prüfung der Verfassungstreue im Hinblick auf die Mitgliedschaft in verfassungsfeindlichen religiösen Vereinen verlangt von einer Beamtin u. U., ihre Religionszugehörigkeit offen zu legen. Art. 4 I und II schützt aber ebenso wie Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 III 1 WRV das Recht, seine religiöse Überzeugung zu verschweigen. Der mit einer Offenlegungspflicht verbundene Eingriff kann jedoch durch die Schranke des Art. 33 V bzw. Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 III 2 WRV gerechtfertigt werden.982 (4) Verletzt eine Lehrerin mit Kopftuch ihre Verfassungstreuepflicht? Eine Lehrerin, die im Dienst ein Kopftuch trägt, verstieße gegen ihre Pflicht zur Verfassungstreue, wenn das Kopftuch ein verfassungsfeindliches Symbol darstellt. Zum einen könnte das Kopftuch ein Symbol für den islamischen Fundamentalismus sein, also für Bestrebungen, eine Theokratie zu errichten, bei der sich die politische und rechtliche Ordnung den religiösen Geboten unterzuordnen hat. Solche Bestrebungen sind mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar. Wie oben gezeigt983, ist die Annahme allerdings nicht plausibel, dass das Kopftuch einer Lehrerin ein islamistisches Symbol darstellt, weil es keine Anzeichen dafür gibt, dass die Mehrzahl der Lehrerinnen, die ein solches Kopftuch tragen, islamistische Bestrebungen verfolgt.
980 Vgl. Battis (2004), § 7 Rn. 16; vgl. zur Debatte um Verbote von religiösen Vereinigungen und deren Beobachtung durch einschlägige Sicherheitsorgane u. a. Heinig/ Morlok (2003), 785; Michael (2002), 482 ff. 981 Der Ausschluss aus dem öffentlichen Dienst kann deshalb z. B. nicht nur auf die Scientology-Mitgliedschaft gestützt werden; ebenso Zuck (1997), 698; Battis (2004), § 7 Rn. 11; allgemeiner in Bezug auf Mitgliedschaft in neueren Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften Cremer/Kelm (1997a), 832 ff.; dies., NJ (1997). A. A. der Beschluss der Bayerischen Landesregierung zur Nichteignung von Mitgliedern der Scientology Church vom 29.10.1996, zit. in Battis (2004), § 7 Rn. 11. 982 A. A. wohl Ronellenfitsch (1999), 444 Fn. 93. Insoweit durfte die Bayerische Landesregierung 1996 zu Recht verlangen, dass Bewerber für den Staatsdienst ihre Scientology-Mitgliedschaft offen legen müssen. 983 Siehe oben S. 102.
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Zum anderen könnte das Kopftuch ein Symbol für Frauenunterdrückung sein, weil es in weiten Teilen der islamischen Welt von Frauen gezwungenermaßen getragen werden muss, in diesen Ländern Frauen auch zahlreiche weitere Einschränkungen ihrer Freiheitsrechte hinzunehmen haben und insofern gegenüber Männern faktisch als minderwertig gelten. Eine Haltung, die eine auf die Minderwertigkeit der Frau gegründete Geschlechterordnung gutheißt, verstößt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Wie oben gezeigt984, ist diese Symbolbedeutung aber bei Lehrerinnen, die an deutschen Schulen ein Kopftuch tragen, nicht plausibel. Sie haben ihre Bildungschancen wahrgenommen, einen akademischen Beruf ergriffen und sich damit offensichtlich aus einer traditionellen Frauenrolle, die Frauen solche Tätigkeiten vorenthält, emanzipiert. Plausibel ist dagegen ein Verweis des Kopftuches auf Geschlechterdifferenz im Islam.985 Dass eine Muslimin sich durch ihr Kopftuch gegen Geschlechtergleichberechtigung im Sinne des Grundgesetzes äußert, kann aber nicht ihre Verfassungstreue in Frage stellen. An den Mangel der Verfassungstreue sind wegen der gravierenden Folge – des Ausschlusses aus dem öffentlichen Dienst – hohe Anforderungen zu stellen. Diese Anforderungen sind nur erfüllt, wenn die Beamtin sich ausdrücklich und erheblich in Widerspruch zum Grundgesetz setzt. Das Kopftuch ist also kein Symbol, das bereits an sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verstößt. Das Tragen eines Kopftuches durch eine Lehrerin ist auch kein Indiz für eine verfassungsfeindliche Haltung der Trägerin, denn es verweist in der Regel nur auf den islamischen Glauben der Trägerin. Da aber der muslimische Glaube noch kein Indiz für eine verfassungsfeindliche Einstellung ist986, kann auch das auf den Glauben verweisende Kopftuch nicht als solches Indiz gewertet werden.987 Es wäre daher unzulässig, Kopftuchträgerinnen generell einer intensiveren Prüfung ihrer Verfassungstreue zu unterwerfen als sonstige Lehrerinnen. Anderes gilt nur, wenn der Dienstherr bereits andere Indizien für eine fundamentalistische Haltung einer Lehrerin hat. Denkbar ist, dass sie extremistischen Vereinen angehört, in extremistischen Zeitschriften publiziert oder sich extremistisch geäußert hat. Dann könnte auch das Kopftuch als zusätzliches Indiz für eine verfassungsfeindliche Haltung gewertet werden. Denn auch wenn es nicht plausibel ist, dass alle Kopftuchträgerinnen eine islamistische Haltung haben, so ist es doch plausibel, dass eine Islamistin ein Kopftuch trägt. Insofern ist die vom Gesetzgeber festzustellende plausible Bedeutung eines Kopftuches, dass es nicht auf eine verfassungsfeindliche Haltung der Trägerin verweist, von der Schulbehörde im Einzelfall widerlegbar.988 Auch in dem Fall, dass die Kopf984 985 986 987 988
Siehe oben S. 94. Siehe oben S. 98. Siehe oben S. 100. Ebenso z. B. Renner (2004), 135. Siehe oben S. 104.
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
tuchträgerin sich insgesamt islamistisch verhält, wirkt allerdings das bloße Tragen des Kopftuches noch nicht als Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue, sondern kann nur – gemeinsam mit den anderen Indizien – als Anlaß dienen, die Verfassungstreue der Lehrerin näher zu untersuchen. (5) Zwischenergebnis Die Verfassungstreuepflicht verlangt von der Lehrerin, sich nicht ausdrücklich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu erklären. Zudem wird von ihr ein ausdrückliches Bekenntnis zu den im Grundgesetz verankerten Menschenrechten verlangt. Weder durch ihre muslimische Religionszugehörigkeit noch durch ihr Kopftuch setzt sich eine Lehrerin ausdrücklich in Widerspruch zum Grundgesetz. Das Kopftuch kann lediglich in bestimmten Einzelfällen als ein Indiz unter anderen Indizien für eine verfassungsfeindliche Haltung der Lehrerin gelten. c) Verstößt eine Lehrerin mit Kopftuch gegen den hergebrachten Grundsatz der Neutralität? Als hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums sind die Pflichten zu unparteiischer Amtsführung989 und zu parteipolitischer Neutralität990 anerkannt. Verlangt wird von einer Beamtin, dass sie jeder verfassungsmäßigen Regierung zur Verfügung stehen muss.991 Zudem ist sie zur Unparteilichkeit gegenüber den verschiedenen Interessen und ihren Vertretungen verpflichtet.992 Die Pflicht zur Unparteilichkeit gebietet der Beamtin ein unbefangenes und uneigennütziges Verhalten, d.h. ein Verhalten, das möglichst unbeeinflusst von ihren persönlichen Interessen ist.993 Die Neutralität des Berufsbeamtentums gilt nicht nur gegenüber den Parteien, sondern ist gemeinwohlorientiert und gilt gegenüber allen gesellschaftlichen Interessengruppen.994
989 990
Vgl. BVerfGE 9, 268 (286); Jarass/Pieroth (2004), Art. 33 Rn. 39. Vgl. BVerfGE 39, 346; 9, 345; BVerwGE 90, 104 (110); Battis (2004), § 52
Rn. 6. 991
Battis (2004), § 52 Rn. 6. Battis (2004), § 52 Rn. 6. 993 Vgl. Battis (2004), § 52 Rn. 9; Hilg (1990), § 26 III; vgl. zur Neutralität der Verwaltung Püttner (1976), 42, 45; Ronellenfitsch (1999), 430; Schlaich (1972), 20; Schlink (1976), 358. 994 Battis (2004), § 52 Rn. 6. 992
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(1) Verletzt eine Lehrerin ihre Dienstpflicht zu religiös-weltanschaulicher Neutralität? Die Pflicht zur Unparteilichkeit gebietet der Beamtin, alle Schulkinder ohne Ansehen ihrer religösen Überzeugungen gleich zu behandeln.995 Insofern verlangt diese Pflicht inhaltlich nicht mehr als die Beachtung der Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler, denn eine ungleiche Behandlung wegen des religiösen Bekenntnisses müsste als Eingriff in deren Religionsfreiheit gewertet werden.996 Darüber hinaus gehen Literatur und Rechtsprechung z. T. davon aus, dass die Neutralitätspflicht durch die Lehrerin auch dann verletzt werden könne, wenn ein Eingriff in die Religionsfreiheit von Schülern, Schülerinnen und Eltern weder vorliege noch bevorstehe. Die Lehrerin müsse auch das Vertrauen der Bürger in die Neutralität und Funktionsfähigkeit der Schule aufrechterhalten.997 Dieses Vertrauen sei notwendige Bedingung einer effektiven und sachgerechten Aufgabenerfüllung.998 Dafür müsse bereits die Besorgnis der Befangenheit vermieden werden999; deshalb sei jeder Amtsträger und jede Amtsträgerin verpflichtet, schon den Anschein der Parteilichkeit zu verhindern.1000 Nur so könnten den Dienstbetrieb störende Auseinandersetzungen vermieden werden und damit könnte die Funktionsfähigkeit des Beamtentums gewährleistet werden.1001 Dieser Ansicht entsprechend ging die Mindermeinung im Ludin-Urteil des Bundesverfassungsgerichts davon aus, eine Lehrerin an einer Grund- und Hauptschule verstoße gegen ihre Dienstpflichten, wenn sie im Unterricht mit ihrer Kleidung Symbole verwende, die objektiv geeignet seien, Hindernisse im Schulbetrieb oder gar grundrechtlich bedeutsame Konflikte im Schulverhältnis hervorzurufen.1002 Das BVerwG ging in seinem 2. Ludin-Urteil davon aus, die neutrale Amtsführung sei schon dann gefährdet, wenn Schüler und Eltern befürchten, hier könnte eine befangene Lehrerin agieren.1003 Die Dienstpflicht einer Lehrerin zu religiöser Neutralität wird also zum Teil als Pflicht zu strikter Neutralität verstanden. Dieses Verständnis entspricht der üblichen Auffassung der Neutralitätspflicht einer Beamtin. Auch die Religions995
Vgl. Lanzerath (2003), 199. Siehe oben S. 118. 997 Vgl. Lanzerath (2003), 200; Battis (2004), § 53 Rn. 3. 998 Vgl. BVerwG, BayVBl. 1999, 377 (378); BVerwG, NJW 1990, 2265 (2265 f.); Pieroth/Schlink (2005), Rn. 607. 999 Schlink (1976), 358; Wiese (1978), 33. 1000 BVerwG, ZBR 1968, 279; Battis (2004), § 52 Rn. 9; Lanzerath (2003), 195. 1001 Vgl. Battis/Bultmann (2004), 12. 1002 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3118 f.), Hervorhebung durch die Verfasserin. 1003 Vgl. BVerwG, NJW 2004, 3581 (3583); ähnlich die Mindermeinung des BVerfG im Ludin-Urteil, NJW 2003, 3111 (3119 f.). 996
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freiheit der sich in den roten Farben der Sanyasin kleidenden Lehrerinnen musste hinter dem Neutralitätsgebot zurückstehen.1004 Insoweit wird hinsichtlich des Beamtenverhältnisses durch die Kopftuchrechtsprechung und -gesetzgebung jedenfalls kein neues Verständnis des Neutralitätsgebotes vorgegeben.1005 Für ein Verständnis der Dienstpflicht zur Neutralität als Pflicht zu strikter Neutralität spricht die tradierte Herleitung der Neutralitätspflicht als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums. Die an das Beamtentum gerichtete Neutralitätserwartung war von der Entstehung des Beamtentums im ausgehenden 16. Jh. bis in die Anfänge der Bundesrepublik Deutschland davon geprägt, dass der Beamte seine ganze Persönlichkeit in den Dienst zu stellen habe und daher in seinem dienstlichen und außerdienstlichen Verhalten dem Vertrauen und der Achtung, die sein Beruf erforderte, gerecht werden müsse.1006 Das In-denDienst-Stellen der ganzen Persönlichkeit führte dazu, dass Beamte im Dienst sich nicht – jedenfalls nicht nach außen – als Individuen mit bestimmten religiösen und politischen Eigenschaften zu erkennen geben durften:1007 Die Landesherren, die zu Beginn des 17. Jh. Bedienstete aufgrund eines privatrechtlich geschlossenen Vertrages einsetzten, verpflichteten diese zur persönlichen Hingabe an den Dienst.1008 Mit der Ausweitung der Staatstätigkeit im Absolutismus durch die Einrichtung eines stehenden Heeres und eines fest besoldeten Behördenapparates erwuchs aus dem Diener des Landesherrn der Staatsdiener.1009 Die absoluten Fürsten verlangten von ihren Bediensteten Untertanengeist, strengen Gehorsam, Treue und absolute Hingabe an den Dienst. Die Beamten besaßen als Teile eines herausgehobenen „allgemeinen Standes“ höchstes Ansehen.1010 Sie waren der verlängerte Arm des Fürsten1011 und hatten eine vermittelnde Rolle zwischen Bürgern und Staat.1012 In Preußen war die Beam-
1004 Die diesbezügliche Rechtsprechungslage ist indifferent: BVerfGE 79, 69 (75 ff.) und VG Freiburg, ZBR 1974, 360 räumen der Glaubens- und Gewissensfreiheit vor der beamtenrechtlichen Eidespflicht den Vorrang ein. Dagegen gestattet zwar BVerwGE 30, 27 = NJW 1968, 2395 – Glaubenswerbung von Zeugen Jehovas – einem Polizeibeamten die Werbung für Zeugen Jehovas außerhalb des Dienstes und ohne Uniform, ordnet aber im obiter dictum (29) dienstliche Belange grundsätzlich der Religionsfreiheit vor. OVG Berlin, NJW 1990, 2269 – Reformationstag und BayVGH, NJW 1991, 1319 gewähren keinen Anspruch auf Dienstbefreiung wegen Religionsausübung. Weitere Rechtsprechungsnachweise bei Becker, ZBR 1982, 263. 1005 A. A. wohl Anger (2005), 63. 1006 Vgl. Rieckhoff (1993), 18. 1007 Zur Kritik an einem solchen vorkonstitutionellen Beamtenbild vgl. Alberts (1985), 93. 1008 Vgl. Scheerbarth/Höffken/Bauschke/Schmidt (1992), 41; Battis (2004), Einl. Rn. 1. 1009 Vgl. Battis (2004), Einl. Rn. 1; Rieckhoff (1993), 17. 1010 Vgl. Scheerbarth/Höffken/Bauschke/Schmidt (1992), 59. 1011 Scheerbarth/Höffken/Bauschke/Schmidt (1992), 59. 1012 Scheerbarth/Höffken/Bauschke/Schmidt (1992), 59.
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tenschaft durch einen Amtsethos, d.h. besondere Ehr- und Moralvorstellungen, geprägt.1013 In der Weimarer Republik wurde dem Beamten zwar in Art. 130 II WRV die Freiheit der Gesinnung und der Vereinigung eingeräumt. Aber auch der Beamte in der Weimarer Republik war vom preußischen Beamtenideal geprägt. Der Beamtenstatus war, einem traditionellen obrigkeitsstaatlichen Denken folgend, vom Staatsbürgerstatus abgetrennt. Diese statusrechtliche Denkweise orientierte sich am überkommenen Leitbild der Einheitlichkeit und Geschlossenheit der hierarchisch strukturierten Verwaltung des Anstaltsstaates. Die Pflichten des Beamten richteten sich inhaltlich am traditionellen Leitbild der Eingriffsverwaltung aus: Der Beamte hatte die Pflicht, alles zu vermeiden, was das Ansehen der Verwaltung schädigen konnte, ebenso wie er im außeramtlichen Bereich Meinungen nur zurückhaltend äußern durfte. Es sollten keine Zweifel an der Einheitlichkeit und Geschlossenheit dieser staatlichen Gewalt in der Öffentlichkeit aufkommen.1014 Die Dienstpflicht zur Neutralität verlangt nach diesem tradierten Verständnis letztlich, dass der Beamte als gesamte Person über die konkrete Amtsführung hinaus eine neutrale Person ist. Einem solchen tradierten Verständnis folgend, begründeten Gerichte in älterer Rechtsprechung auch, dass Polizisten weder Ohrring noch längeres Haar tragen dürfen. Es müsse verhindert werden, dass Bürger sich aus Abneigung gegen das Erscheinungsbild eines Polizisten dessen Anordnungen widersetzen.1015 Ein Verständnis der Dienstpflicht zu religiöser Neutralität, demzufolge die Beamtin über die konkrete Amtsführung hinaus eine neutrale Person sein muss, kann aber heute nicht mehr überzeugen. Die Dienstpflicht zur Neutralität muss vielmehr im Kontext der gegenwärtigen Rechtsordnung bestimmt werden. Das Grundgesetz belässt in Art. 33 V GG dem Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum, um die Beamtengesetzgebung den Erfordernissen des freiheitlichen demokratischen Staates und seiner fortschrittlichen Entwicklung anpassen zu können.1016 So sind die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums laut Art. 33 V GG lediglich zu „berücksichtigen“, für den Gesetzgeber also keines1013
Vgl. Rieckhoff (1993), 18. Rottmann (1981), 213 f. 1015 Vgl. BVerwG, BayVBl. 1999, 377; OVG Koblenz, NJW 2003, 2793; OVG Koblenz, NJW 1987, 340; a. A. BVerwG, Urt. v. 2.3.2006, Az. 2 C 3.05: „Anordnung ,Haare in Hemdkragenlänge‘ für Polizisten unverhältnismäßig“; BayVGH, BayVBl. 2003, 212; VGH Kassel, NJW 1996, 1164; vgl. zu Haar- und Barterlässen für Soldaten BVerwG, NJW 1994, 2632; BVerwG, ZBR 1980, 291; BVerwGE 76, 60; 46, 1; vgl. zum Ohrringverbot für Zollbeamte BVerfG, NJW 1991, 1477 f.; BVerwG, NJW 1990, 2266 ff.; VGH Mannheim, ZBR 1986, 335 ff.; vgl. zum Barterlass gegenüber einem Feuerwehrbeamten VG Berlin, NJW 1989, 1821 f.; vgl. zum Ohrringverbot für Justizvollzugsbeamte OVG Münster, NJW 1989, 2770. 1016 Vgl. BVerfGE 43, 154, (168); 31, 58 (73); 11, 203 (210, 215); 6, 55 (72); 8, 1 (11, 16); 9, 268 (286); 3, 58 (137); Battis (2003), Art. 33 Rn. 65, 67, 70; Rottmann (1981), 260; Schlüter (2000), 212; Wiese (1978), 6. 1014
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wegs verbindlich.1017 Im Übrigen müssen sich die durch Auslegung gewonnenen Konkretisierungen des Inhalts des hergebrachten Grundsatzes selbst keineswegs als hergebracht erweisen.1018 Gegen das tradierte Verständnis der Dienstpflicht zur Neutralität spricht die Grundrechtsträgerschaft der Beamtinnen im Dienst. Bei durch religiöse Kleidung deutlich erkennbarer Religionszugehörigkeit lässt sich wohl nie vermeiden, dass einzelne Eltern oder Schulkinder befürchten, die Lehrerin werde Schülerinnen und Schüler ihres eigenen Glaubens bevorzugen. Vor diesem Hintergrund würde die Lehrerin ihre Pflicht zu religiöser Neutralität schon dadurch verletzen, dass sie sich mit dem Kopftuch religiös kleidet.1019 Die Geltung der Grundrechte setzt aber voraus, dass die Beamtin jedenfalls grundsätzlich von ihnen Gebrauch machen kann. Damit wäre jedoch eine Auslegung der Neutralitätspflicht unvereinbar, nach der die Beamtin weder eine Meinung äußern noch eine Religionszugehörigkeit zeigen dürfte, weil sie dann bereits als befangen gälte. Als Grundrechtsträgerin wird die Beamtin zugleich auch als individuelle Persönlichkeit rechtlich akzeptiert. An die Beamtin kann deshalb nicht mehr die Erwartung gerichtet werden, dass sie mit Eintritt in den öffentlichen Dienst zum faktischen Neutrum wird.1020 Das erforderliche Vertrauen der Bürger in die Unparteilichkeit der Beamtenschaft könnte sogar eine politisch-religiöse Heterogenität der Beamtinnen, die sich auch im Erscheinungsbild ausdrückt, verlangen.1021 Denn gerade ein religiös gebundener Korpsgeist der Beamtinnen widerspräche ja der Neutralitätspflicht der Verwaltung.1022 Solange Beamtinnen fast ausschließlich aus der noch christlichen Mehrheitsgesellschaft stammen, könnte zumindest für Musliminnen und Muslime der Eindruck entstehen, das Beamtentum sei überwiegend christlich geprägt und deshalb parteiisch. Dieser Eindruck könnte aber verhindert werden, wenn auch Musliminnen sichtbar im Beamtentum vertreten sind.1023
1017
Jarass/Pieroth (2004), Art. 33 Rn. 36. Battis (2003), Art. 33 Rn. 68. 1019 So nimmt BayVGH, NVwZ 1986, 405 im Bhagwanfall an, dass die Neutralitätspflicht ihrerseits schon das Produkt einer Ausgleichsentscheidung zwischen kollidierenden Grundrechten sei. Der Lehrerin obliege deshalb ein absolutes Neutralitätsgebot. 1020 Für eine solche personale Neutralität aber Krüger (1964), 160; Kästner (1999), 365, 369; a. A. Isak (1994), 197; Meyer-Teschendorf (1979), 172 ff. 1021 So die Auffassung Ludins in ihrem Verfahren vor dem BVerwG 2002, siehe BVerwG, NJW 2002, 3344 (3345); zustimmend Britz (2003), 97. 1022 Vgl. Püttner (1976), 43, 45; Rottmann (1981), 219 ff. 1023 Vgl. dazu auch Lang (2004), 143: „Die Akzeptanz Kopftuch tragender Lehrerinnen an öffentlichen Schulen dient der Zielsetzung der Art. 33 Abs. 2 und 3, die im weitesten Sinne eine Integration aller Bürgergruppen in den Staat und in die Gesellschaft bezweckt.“ 1018
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Die Pflicht zu religiöser Neutralität gebietet einer Lehrerin also nicht, bereits den Anschein der Parteilichkeit zu vermeiden.1024 Sie verletzt ihre Pflicht jedoch dann, wenn sie tatsächlich muslimische Schüler und Schülerinnen bevorzugt und deshalb parteiisch ist oder wenn sie faktisch durch ihre religiöse Kleidung Schulkinder in ihrer religiösen Willensbildung beeinflusst. Eine Pflichtverletzung liegt auch dann vor, wenn zumindest der begründete Anlass besteht, von einer solchen Parteilichkeit auszugehen, etwa wenn eine Lehrerin ausschließlich Schüler und Schülerinnen der eigenen Glaubensrichtung zu sich nach Hause einlädt. Das Kopftuch alleine bietet allerdings keinen begründeten Anlass dafür, von einer Parteilichkeit der Lehrerin auszugehen.1025 (2) Verletzt eine Lehrerin mit Kopftuch ihre Dienstpflicht zu politischer Neutralität? Die nach dem Kopftuchurteil des BVerfG reformierten Landesschul- und Beamtengesetze stellen ausdrücklich darauf ab, dass Lehrerinnen in der Schule nicht solche Kleidung oder Symbole tragen dürfen, die gegen die politische Neutralität verstoßen.1026 Die Landesgesetzgeber stellen damit in Frage, ob eine Lehrerin mit Kopftuch ihrer Pflicht zu politischer Neutralität genügen kann. Untersucht werden soll, welche Anforderungen die politische Neutralitätspflicht an eine Lehrerin stellt (a) und ob die Lehrerin durch das Tragen des Kopftuches gegen diese Pflicht verstößt (b). (a) Definition einer Dienstpflicht zu politischer Neutralität Die Pflicht zur Unparteilichkeit gebietet der Lehrerin, sich nicht von Voreingenommenheiten durch politische Überzeugungen leiten zu lassen.1027 Bei politischen Äußerungen hat sie die amtsangemessene Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren.1028 Bei der Vornahme von Amtshandlungen hat sich die Beamtin grundsätzlich einer politischen Meinungsäußerung ganz zu enthalten.1029 Für die Lehrerin kann diese Pflicht aber nur eingeschränkt gelten: Da die Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrages davon abhängt, dass die Lehrerin sich als Person einbringen kann1030, muss der Lehrerin erlaubt sein, in allgemein-
1024
Vgl. Alberts (1985), 94; Häußler (1999), 34 f.; wohl auch Lanzerath (2003),
277. 1025 1026 1027 1028 1029 1030
Siehe oben S. 123 ff. Vgl. § 86 III HSchulG; § 68 II HBG; § 1 IIa SLSchoG. Vgl. BVerwGE 90, 104 (110); Häußler (1999), 34. Battis (2004), § 53 Rn. 3. Battis (2004), § 53 Rn. 4. Siehe oben S. 122 ff.
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politischen Fragen Meinungen zu vertreten.1031 Dies gilt zumindest dann, wenn diese Fragen Unterrichtsbezug haben. Zulässig müssen Meinungen sein, die sich im Meinungsspektrum der freiheitlichen demokratischen Grundordnung halten.1032 Unzulässig ist die Meinungsäußerung aber dann, wenn die Lehrerin versucht, gezielt bei den Schülern und Schülerinnen für ihre Meinung zu werben.1033 Sie darf z. B., sofern es nicht zum notwendigen Unterrichtsmaterial gehört, keine politischen Schriften verteilen. Zudem ist ihre Meinungsäußerung unzulässig, wenn sie behauptet, es gebe keine anderen vertretbaren Auffassungen als die ihre. In der öffentlichen Schule muss die Lehrerin eine sachlichargumentative, diskursive Auseinandersetzung mit strittigen politischen und weltanschaulichen Fragen ermöglichen1034 und darf diese Auseinandersetzung nicht durch einseitige Information behindern.1035 Das Tragen von Symbolen kann eine Meinungsäußerung sein.1036 Für die durch Symbole geäußerten Meinungen einer Lehrerin gelten dieselben Maßstäbe wie für sonstige Meinungsäußerungen: Die Lehrerin darf mit dem Symbol nicht für ihre Meinung werben. Im Fall der Anti-Atomkraft-Plakette, die ein Lehrer im Unterricht trug, nahm das BVerwG an, das Tragen der Plakette habe neben der bloßen Kundgabe der politischen Meinung die Bedeutung, für das angestrebte politische Ziel zu werben. Das demonstrative, ständige Herausstellen dieser Meinung und die damit verbundene Werbung komme in ihrer beabsichtigten Wirkung einer gezielten Ansprache oder dem Verteilen von Schriften gleich.1037 Das Urteil kann – mit Einschränkungen – überzeugen: Zunächst ist nicht zwingend davon auszugehen, dass von der Plakette eine Werbewirkung auf Schülerinnen und Schüler ausgeht. Die Ausführungen zur Wirkung eines religiösen Symbols haben zwar ergeben, dass eine Werbewirkung eines Symbols denkbar ist. Ob eine Lehrerin tatsächlich mit einem Symbol erfolgreich bei einem Schüler oder einer Schülerin für ihre Auffassung werben kann, hängt aber davon ab, ob sie durch ihr sonstiges Verhalten die Aussage des Symbols verstärkt und ob das betreffende Kind oder der bzw. die betreffende Jugendliche für die Werbebotschaft „empfänglich“ ist.1038 Die Lehrerin darf jedenfalls 1031
Vgl. Lecheler (1992), 475. VG Berlin, NJW 1979, 2629 (2630). 1033 Siehe oben S. 113 ff. 1034 Vgl. BVerwG, NJW 1990, 2265 (2266). 1035 Vgl. VG Berlin, NJW 1979, 2629 (2630). 1036 Siehe oben S. 64. 1037 Vgl. BVerwG, NJW 1990, 2265 (2265); ebenso BAG, NJW 1982, 2888 (2890); BAG, NJW 1984, 1142; VG Hamburg, NJW 1979, 2164; zustimmend Battis (1998), 530; Häußler (1999), 35; a. A. VG Berlin, NJW 1979, 2629; ArbG Hamburg, NJW 1979, 2638; vgl. auch BVerwG, DVBl. 1981, 1066 – Anti-Atomkraft-Plakette als Autoaufkleber. 1038 Gegen die Möglichkeit einer Indoktrination durch die Plakette Lecheler (1992), 475. 1032
B. Schutz der Religionsfreiheit
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eine solche Werbewirkung nicht beabsichtigen. Bei einer Plakette mit einer eindeutigen politischen Botschaft erscheint es plausibel, dass eine Lehrerin versuchen will, ihr Gegenüber – also ein Schulkind – von dieser Botschaft zu überzeugen. Im Einzelfall muss es der Lehrerin aber möglich sein nachzuweisen, dass sie keine politische Beeinflussung beabsichtigt, z. B. indem sie auch andere Ansichten zum Atomstrom präsentiert. Zusammenfassend verlangt die Pflicht zu politischer Neutralität demnach von der Lehrperson, sich in politischen Dingen nicht parteiisch zu zeigen, Schülerinnen oder Schüler wegen ihrer politischen Meinung weder zu bevorzugen noch zu benachteiligen und ihre eigenen politischen Ansichten nicht absolut zu setzen. (b) Verletzung dieser Dienstpflicht durch eine Lehrerin mit Kopftuch Eine Lehrerin mit Kopftuch verstößt dann gegen ihre Pflicht zu politischer Neutralität, wenn ihr Kopftuch ein einseitiges Bekenntnis zu einer bestimmten gesellschaftspolitischen Position verkörpert. Zuvor ist gezeigt worden, dass es nicht plausibel ist, ein Kopftuch als politisches Symbol zu verstehen.1039 Es ist aber denkbar, dass im Einzelfall eine Trägerin aus politischen Gründen das Kopftuch trägt und dieses vom Betrachter auch als politisches Symbol verstanden wird. So ist z. B. denkbar, dass eine Lehrerin durch zusätzliche verbale Äußerungen über die deutsche Gesellschaft zu erkennen gibt, dass sie sich in diese nicht integrieren will und das Kopftuch als Zeichen bewusster Nicht-Integration trägt. In diesem Fall wäre auch das Kopftuch als einseitige gesellschaftspolitische Aussage zu verstehen und deshalb unzulässig. Die Lehrerin verletzt nicht dadurch ihre Pflicht zu politischer Neutralität, dass sie mit dem Kopftuch ein politisch umstrittenes Symbol in der Schule trägt. Dagegen kann die ehemalige baden-württembergische Kultusministerin Schavan so verstanden werden, als ob sie gerade darin eine Pflichtverletzung sehe. So begründet sie die Ablehnung von Fereshta Ludin vor allem mit den politischen Implikationen des Kopftuches: Ludin berücksichtige nicht, dass das Kopftuch in der innerislamischen Diskussion auch als Symbol für kulturelle Abgrenzung und als politisches Symbol gewertet werde. Sie schätze die politische Dimension ihrer Entscheidung nicht richtig ein.1040 Dass das Kopftuch umstritten ist, kann aber nicht der Lehrerin zugerechnet werden. Denn sie trägt das Kopftuch nicht, um dadurch politischen Streit hervorzurufen oder um in diesem Streit Stellung zu beziehen. Vielmehr begreift sie das Tragen des Kopftuches als religiöse Pflicht. Es kann von ihr aber nicht verlangt werden, zulässiges reli1039
Siehe oben S. 104. BW Kultusministerium, Pressemitteilung (1998); ebenso Schavan in einem Interview in: DIE ZEIT 16.7.1998. 1040
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giöses Verhalten nur deshalb zu unterlassen, weil andere Personen daran Anstoß nehmen könnten. Ebensowenig kann ihr zugerechnet werden, dass das Kopftuch in der öffentlichen Diskussion als politisches Symbol für kulturelle Abgrenzung gewertet wird. Wie gezeigt, ist es gerade bei Kopftuch tragenden Lehrerinnen nicht plausibel, ihnen kulturelle Abgrenzung zu unterstellen.1041 Sie beherrschen die deutsche Sprache in der Regel perfekt, haben Bildungsgänge an deutschen Universitäten durchlaufen und wollen in deutschen Bildungsinstitutionen arbeiten. Soweit das Kopftuch auch bei ihnen als Symbol kultureller Abgrenzung verstanden wird, dürfte dem eher eine überzogene Konformitätserwartung zugrundeliegen, die ihrerseits ein Zeichen kultureller Abgrenzung gegenüber Migrantinnen und ihren Religionen sein könnte. d) Zwischenergebnis Aus dem hergebrachten Grundsatz zur Neutralität wurde traditionell eine Dienstpflicht zu distanzierter Neutralität gelesen. Eine solche Lesart ist aber nicht mehr haltbar, weil die Religionsfreiheit der Beamtinnen unzumutbar zurückgedrängt würde. Eine Lehrerin verletzt demnach nicht dadurch, dass sie ein Kopftuch trägt, zwangsläufig ihre Dienstpflicht zu religiöser Neutralität. Ebensowenig verletzt sie durch das Kopftuchtragen zwangsläufig ihre Dienstpflicht zu politischer Neutralität. Zwar kann eine Lehrerin aus politischen Motiven ein Kopftuch tragen. Das Kopftuch bedeutet aber nicht zwingend eine unzulässige, einseitige Parteinahme für eine gesellschaftspolitische Position. Nach der hier vertretenen Auffassung kann der hergebrachte Grundsatz der Neutralität einer Kopftuch tragenden Lehrerin demnach nicht als Schranke entgegengehalten werden. Dagegen hält das BVerfG im Ludin-Urteil zumindest für möglich, dass der hergebrachte Grundsatz der Neutralität im Sinne einer distanzierten Neutralität verstanden wird.
C. Schutz anderer Freiheitsrechte Trägt die Beamtin das Kopftuch (auch) aus nichtreligiösen Gründen, kann sie sich (auch) auf andere Grundrechte berufen. I. Schutz der Gewissensfreiheit, Art. 4 I GG 1. Schutzbereich Das Tragen des Kopftuches könnte durch die Gewissensfreiheit aus Art. 4 I GG geschützt sein. Die Gewissensfreiheit schützt den Einzelnen darin, sich ge1041
Siehe oben S. 94 und 99.
C. Schutz anderer Freiheitsrechte
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mäß einer für ihn unbedingt verbindlichen sittlichen Entscheidung zu verhalten. Gewissensrelevant ist jedes Verhalten, das die Integrität und Identität der Persönlichkeit betrifft.1042 Das Tragen des Kopftuches kann sich für die Trägerin als gewissensrelevant darstellen, wenn sie damit die Integrität ihrer Persönlichkeit wahren will. Das wäre z. B. dann der Fall, wenn sie es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren kann, dass sie sich den aus ihrer Sicht begehrlichen Blicken ihrer Umwelt unbedeckt aussetzt.1043 Einige Autoren und Autorinnen gehen davon aus, dass die Gewissensfreiheit nur dann einschlägig sei, wenn von staatlicher Seite ein Gewissenskonflikt aufgezwungen werde, nicht aber, wenn der Einzelne sich aus freiem Entschluss in einen Widerspruch zu staatlichen Anforderungen bringe.1044 Daraus wird geschlossen, dass eine Lehrerin dem Gewissensruf durch das bloße Unterlassen des Eintritts in den staatlichen Schuldienst genügen könne. Im Gegensatz zur Schülerin, die der allgemeinen Schulpflicht unterliege und sich dementsprechend dem öffentlichen Raum Schule nicht entziehen könne, stehe es der Lehrerin frei, in den staatlichen Schuldienst einzutreten. Auch wenn der Privatschulsektor in der Bundesrepublik Deutschland vergleichsweise klein sei, bestünden doch hinreichende alternative Arbeitsmöglichkeiten für weibliche Lehrkräfte, die auf das Kopftuch als Zeichen ihrer religiösen Zugehörigkeit auch während des Unterrichts nicht verzichten möchten. Für die Kopftuchträgerin scheide insofern eine Berufung auf die Gewissensfreiheit aus.1045 Dem ist entgegenzuhalten, dass die Gewissensfreiheit auch im Beamtendienst gilt.1046 Mit der These von der Freiwilligkeit des Eintritts in das Beamtenverhältnis wurde vor allem die Annahme begründet, dass Grundrechte nicht für Beamtinnen gelten.1047 Diese Annahme ist aber überholt. Grundrechte gelten auch im Beamtenverhältnis. Es kann deshalb nicht überzeugen, dass die Geltung der Gewissensfreiheit für die Kopftuch tragende Lehrerin mit dem Verweis auf die Freiwilligkeit des Beamtenverhältnisses verneint wird. Trägt eine verbeamtete Lehrerin das Kopftuch aus sittlich-moralischen Gründen, so ist ihr Verhalten von der Gewissensfreiheit geschützt. 2. Spezialität der Religionsfreiheit Die Trägerin wird i. d. R., wenn sie das Kopftuch zur Wahrung ihrer Integrität als Frau trägt, zugleich religiöse Motive für das Tragen haben. Ihre Gewissens1042
Zum Schutzbereich der Gewissensfreiheit siehe oben S. 66. Vgl. Battis (1998), 529; Mückl (2001), 120; Loschelder (1986), 157; siehe oben S. 133 zur Bedeutung des Kopftuches für die muslimische Identität. 1044 So z. B. Mager (2000), Art. 4 Rn. 25; ähnlich Muckel (1997), 157 f. 1045 Vgl. Langenfeld (2001), 530 f.; Lanzerath (2003), 51. 1046 Vgl. BVerwG, NJW 2000, 88 ff. 1047 Siehe oben S. 41. 1043
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entscheidung wäre damit religiös motiviert. Strittig ist, ob religiös fundierte Gewissensentscheidungen in den Schutzbereich der Gewissensfreiheit fallen1048 oder ob die Religionsfreiheit lex specialis ist.1049 Praktische Auswirkungen hat dies nicht, da beide Grundrechte im Grundgesetz vorbehaltlos gewährleistet werden. Überzeugender ist es anzunehmen, dass die Religionsfreiheit insoweit lex specialis ist, als ein Großteil der Gewissenskonflikte religiöse Gründe hat. Die Gewissensfreiheit ist dann ein Auffanggrundrecht für Gewissensfragen nichtreligiöser Art. Eine Frau ist also von der Gewissensfreiheit geschützt, wenn sie ein Kopftuch aus persönlich-sittlichen, aber nicht religiösen Gründen trägt. 3. Schranken und Abwägung Auf die Gewissensfreiheit kann sich die Lehrerin aber nicht unbeschränkt berufen. Die Gewissensfreiheit steht ebenso wie die Religionsfreiheit nicht unter Gesetzesvorbehalt und kann deshalb nur durch kollidierende Verfassungswerte beschränkt werden. Die Lehrerin muss sich u. U. auch dann vom Dienstherrn eine religiöse Bedeutung ihres Kopftuches entgegenhalten lassen, wenn sie für ihr Kopftuchtragen zwar sittlich-moralische, aber nicht religiöse Gründe behauptet. Hier gilt das im Zusammenhang mit den Schranken der Religionsfreiheit Gesagte: Für die Bedeutung des Kopftuches auf der Schrankenebene kommt es zunächst nicht maßgeblich auf das Selbstverständnis der Trägerin an. Vielmehr kann der Gesetzgeber grundsätzlich entscheiden, dass es plausibel ist, dem Kopftuch eine religiöse Bedeutung beizumessen.1050 Die Lehrerin kann diese Annahme jedoch im Einzelfall widerlegen, etwa indem sie nachweist, dass sie keine religiösen Bindungen hat und das Kopftuch ausschließlich aus individuellen Schamgründen trägt. Gelingt ihr dies, sind Eingriffe in die Glaubensbildungsfreiheit der Schulkinder ausgeschlossen. Einem Tuch, das nicht auf die Religionszugehörigkeit seiner Trägerin verweist, darf keine religiöse Werbewirkung zugerechnet werden. Sollte es dennoch zu Missverständnissen kommen, ist die Lehrerin freilich auch gegenüber den Schülerinnen und Schülern zur Klarstellung verpflichtet. Ebenso wenig darf der Lehrerin, die aus nichtreligiösen Gründen das Kopftuch trägt, ausnahmslos eine Vorbildwirkung für muslimische Schülerinnen und insbesondere traditionell orientierte muslimische Eltern zugerechnet werden. Auch hier muss es ihr möglich sein, die Annahme, das Kopftuch habe eine religiöse Bedeutung, zu widerlegen. Die Lehrerin ist aber verpflichtet, Missverständnisse gegebenenfalls aufzuklären.
1048 1049 1050
So z. B. Mager (2000), Art. 4 Rn. 30. So z. B. Jarass/Pieroth (2004), Art. 4 Rn. 44. Siehe oben S. 83.
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Das Gleiche gilt bei Konflikten mit Schülern, bei denen das Kopftuch als religiöses Symbol traumatische Erinnerungen wachruft. Hier könnte die Lehrerin jedoch im Einzelfall zur Rücksichtnahme verpflichtet sein. Eine traumatische Erinnerung lässt sich nicht unbedingt dadurch vermeiden, dass die Lehrerin erklärt, es handle sich beim konkreten Kopftuch nicht um ein religiöses Symbol. Ist dieser Konflikt nicht anders zu lösen, muss die Lehrerin wegen ihrer Verantwortung als Beamtin gem. Art. 33 IV, V GG ihr Kopftuch abnehmen. Probleme mit dem Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Gleichberechtigung und dem Schulauftrag dürften bei einem aus nichtreligiösen Gründen getragenen Kopftuch ebenfalls durch Erläuterung vermeidbar sein. 4. Zwischenergebnis Trägt eine verbeamtete Lehrerin das Kopftuch aus sittlich-moralischen Gründen, so ist ihr Verhalten von der Gewissensfreiheit aus Art. 4 I GG geschützt. Dem steht nicht entgegen, dass sie aus eigener Entscheidung Beamtin geworden ist. Die Religionsfreiheit ist lex specialis zur Gewissensfreiheit, so dass die Lehrerin sich nur auf die Religionsfreiheit berufen kann, wenn ihre sittlich-moralische Bindung ihrem religiösen Glauben entspricht. Die Gewissensfreiheit kann durch die Religionsfreiheit der Schulkinder, das Elternrecht, den Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung und den Schulauftrag eingeschränkt werden. Die Lehrerin, die ihr Kopftuch aus nichtreligiösen Gründen trägt, muss sich u. U. eine religiöse Bedeutung ihres Kopftuches zurechnen lassen. Sie kann diese religiöse Bedeutung aber widerlegen, indem sie im Gespräch auf die tatsächlichen Motive für ihr Kopftuchtragen hinweist. Sollten sich dennoch Konflikte wegen des Kopftuches nicht vermeiden und nicht lösen lassen, muss die Lehrerin wegen ihrer Verpflichtung als Beamtin aus Art. 33 IV und V GG auf das Kopftuch verzichten. II. Schutz der Meinungsfreiheit, Art. 5 I GG 1. Schutzbereich Das Tragen des Kopftuches kann durch die Meinungsfreiheit aus Art. 5 I 1 HS 1 GG geschützt sein, wenn die Trägerin plausibel darlegt, dass sie mit dem Kopftuch eine bestimmte Meinung äußern will. Da die Aufzählung der in Art. 5 I GG genannten Formen der Meinungsäußerung nur beispielhaften Charakter hat, kommt auch ein Symbol als ein Medium der Meinungsäußerung in Betracht.1051 Die Meinungsäußerung kann zunächst einen religiösen Sinn haben. 1051
Vgl. Mückl (2001), 119 f. und siehe oben S. 98.
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So kann die Trägerin mit dem Kopftuch zum Ausdruck bringen wollen, dass sie strenggläubig ist und eine muslimische Kopftuchpflicht befürwortet. Die Meinungsäußerung kann auch einen politischen Sinn haben. Die Trägerin kann mit dem Kopftuch z. B. zum Ausdruck bringen wollen, dass sie für ein bestimmtes Verhältnis von Staat und Religion eintritt. 2. Spezialität der Religionsfreiheit Wenn die Trägerin mit dem Kopftuch zum Ausdruck bringt, dass sie eine Auslegung des Korans befürwortet, nach der ein Kopftuch für Frauen verpflichtend ist, so ist das Kopftuch damit wohl zugleich Ausdruck ihrer Religionsüberzeugung. Deshalb ist sie zugleich von der Religionsfreiheit geschützt. Die Religionsfreiheit verdrängt insoweit die Meinungsfreiheit als lex specialis. Anders könnte es sich verhalten, wenn die Beamtin mit dem Kopftuch zum Ausdruck bringen will, dass sie z. B. die Einführung einer Theokratie befürwortet. Diese Meinungsäußerung hat primär einen politischen und nicht einen religiösen Inhalt. Zwar wird das Kopftuch auch in diesem Fall i. d. R. ein Bekenntnis zur muslimischen Religion sein, der Schwerpunkt der Meinungsäußerung ist aber politisch, denn sie zielt auf eine grundlegende Veränderung der bundesdeutschen Verfassungsordnung. Die bundesdeutsche säkulare Staatsordnung setzt eine Trennung von Religion und Politik zumindest insoweit voraus, als beide Sphären eigenständig (wenn auch mit Verschränkungen) nebeneinanderstehen und die Religion nicht den Vorrang hat.1052 Fraglich ist, welches Grundrecht das Kopftuchtragen schützt, wenn die Trägerin sowohl politische als auch religiöse Gründe für das Tragen hat. Im Schächturteil hat das BVerfG für die Eröffnung des Schutzbereiches auf den Schwerpunkt der Handlung abgestellt.1053 Dieser Ansatz ist praktikabel und sachnah. Er gilt auch für das Tragen eines Kopftuches mit folgender Modifikation: Für die Bestimmung des Schwerpunkts des Handelns kann es allein auf das Selbstverständnis der Trägerin ankommen.1054 Wenn die Trägerin demnach überwiegend politische Gründe für das Tragen des Kopftuches plausibel behauptet, so wird ihr Verhalten nur von der Meinungsfreiheit geschützt.1055 3. Schranken und Abwägung Die Meinungsfreiheit kann gemäß Art. 5 II GG u. a. durch die Vorschriften der allgemeinen Gesetze beschränkt werden. Allgemeine Gesetze sind Normen, 1052 1053 1054 1055
Vgl. Lanzerath (2003), 53. Vgl. BVerfG, NJW 2002, 663 (663); zum Schächturteil siehe oben S. 132. Ebenso Lanzerath (2003), 64. Vgl. Lanzerath (2003), 53; Muckel (1999), 244.
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„die sich weder gegen die Meinungsfreiheit an sich, noch gegen bestimmte Meinungen richten, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsgutes dienen“.1056
Gesetze im Sinne dieses qualifizierten Gesetzesvorbehalts sind z. B. die Beamtengesetze des Bundes und der Länder.1057 Die allgemeinen Gesetze können die Meinungsfreiheit nicht beliebig einschränken. Notwendig ist eine fallbezogene Güterabwägung zwischen der beeinträchtigten Meinungsfreiheit und den Interessen, die mit dem allgemeinen Gesetz verfolgt werden.1058 Wenn das Kopftuchtragen aufgrund der Schul- oder Beamtengesetze verboten werden soll, so ist die Meinungsfreiheit der Lehrerin mit dem Zweck des Verbotes, dem Schutz der Religionsfreiheit der Schulkinder, dem Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung und dem Schulauftrag, abzuwägen. Soweit die Lehrerin sich mit ihrem Kopftuch zu theokratischen Zielen bekennt, kann sie in der Regel nicht die plausible Annahme widerlegen, dass das Kopftuch Rückschlüsse auf die muslimische Religionszugehörigkeit der Trägerin zulässt; denn fast alle Frauen, die ein Kopftuch tragen und die Einführung einer Theokratie fordern, sind zugleich muslimischen Glaubens. Ihre Meinungsfreiheit kann deshalb mit der Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler sowie dem Elternrecht kollidieren. Bei der Abwägung ist die Bedeutung der Meinungsfreiheit im freiheitlichen demokratischen Staat zu beachten.1059 Allerdings schützt die Meinungsfreiheit nicht in demselben Maße wie die Religionsfreiheit die Identität der Betroffenen; deshalb muss in einem Konflikt zwischen der Meinungsfreiheit der Lehrerin und der Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler i. d. R. die Meinungsfreiheit der Lehrerin zurückstehen. Sollte die Lehrerin mit Kopftuch nachweislich keine Muslimin sein, können ihr die allgemeinen Beamtengesetze entgegengehalten werden, die einseitige und verfassungswidrige politische Aussagen im Dienst verbieten. 4. Zwischenergebnis Trägt die verbeamtete Lehrerin das Kopftuch, um eine politische Meinung – z. B. über das Verhältnis von Staat und Religion – kundzutun, so ist sie von der Meinungsfreiheit aus Art. 5 I 1 HS 1 GG geschützt. Sofern die Meinung vor allem ein Ausdruck ihres religiösen Glaubens ist, ist sie nur von der Religionsfreiheit geschützt, die die Meinungsfreiheit als lex specialis verdrängt. Die Meinungsfreiheit kann durch Schul- und Beamtengesetze als allgemeine Gesetze eingeschränkt werden. Im Einzelfall eines Verbotes ist die Meinungsfreiheit der 1056 1057 1058 1059
BVerfGE 97, 125 (146); 62, 230 (244). Vgl. Lanzerath (2003), 164. Jarass/Pieroth (2004), Art. 5 Rn. 57. Jarass/Pieroth (2004), Art. 5 Rn. 57.
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Lehrerin mit dem Zweck des Verbotes, dem Schutz der Religionsfreiheit der Schulkinder, dem Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung und dem Schulauftrag, abzuwägen. Die Meinungsfreiheit schützt nicht in demselben Maße wie die Religionsfreiheit die Identität der Betroffenen; deshalb muss in einem Konflikt zwischen der Meinungsfreiheit der Lehrerin und der Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen i. d. R. die Meinungsfreiheit der Lehrerin zurückstehen. III. Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG 1. Schutzbereich und Spezialität anderer Freiheitsrechte Eine Kopftuchträgerin kann sich auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG berufen, wenn sie plausibel darlegt, dass sie das Kopftuch als Teil ihrer persönlichen Integrität empfindet. Schutzgegenstand des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist die Integrität der Persönlichkeit.1060 Dazu zählt auch die religiös-weltanschaulich geprägte Identität.1061 Das Recht auf eigenverantwortliche Gestaltung des äußeren Erscheinungsbildes wird geschützt, wenn dieses wesentlich zur Bildung der eigenen Identität beiträgt.1062 Das Kopftuch wird i. d. R. dann Bestandteil der eigenen Persönlichkeit sein, wenn die Trägerin das öffentliche Ablegen des Kopftuches als Entwürdigung empfindet.1063 Sofern die Gestaltung des äußeren Erscheinungsbildes religiös bestimmt ist, verdrängt die Religionsfreiheit als lex specialis das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Ebenso verdrängt die Gewissensfreiheit als lex specialis das allgemeine Persönlichkeitsrecht, wenn das Kopftuch aufgrund einer sittlich-moralischen Verpflichtung getragen wird. Musliminnen können das Kopftuch aber auch tragen, um sich von der Mehrheitsgesellschaft abzugrenzen. Dann kann das Kopftuch Teil einer kulturell bestimmten Migrantinnenidentität sein. In diesem Fall wäre das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschlägig, ohne dass es von einem anderen Grundrecht verdrängt würde. Dagegen nimmt Sonja Lanzerath an, eine bestimmte Art, sich zu kleiden, werde nicht von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt. Schutzobjekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei ein eher passiver Status des Grundrechtsträgers. Die aktive Entfaltung der Persönlichkeit hingegen, ihr Wirken in die Gesellschaft hinein, werde von der allge1060 Vgl. Murswiek (2003), Art. 2 Rn. 59, 66; Langenfeld (2001), 531; vgl. zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Beamtin Leuze (1998), 187 ff. 1061 Vgl. BVerfG, EuGRZ 1999, 102 (104). 1062 Vgl. BVerfG, NJW 1991, 1477; BVerwGE 46, 1 (2 f.); 76, 60 (60); Murswiek (2003), Art. 2 Rn. 132; Langenfeld (2001), 531; Quambusch (2003), 224. 1063 Vgl. Michael (2003), 257.
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meinen Handlungsfreiheit oder von spezielleren Grundrechten geschützt.1064 Dem kann nicht zugestimmt werden. Ein aktiver und ein passiver Status der Persönlichkeit kann kaum unterschieden werden, zumal die Persönlichkeit immer aktiv gebildet werden muss. Die Beamtin kann sich demnach auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen, wenn sie das Kopftuch als Teil ihrer persönlichen Identität trägt. 2. Schranken und Abwägung Das allgemeine Persönlichkeitsrecht steht unter dem einfachen Gesetzesvorbehalt aus Art. 2 I GG. Gesetze zum Schutz der Religionsfreiheit der Schulkinder, des Verfassungsauftrags zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung und des Schulauftrags können auf diesen Gesetzesvorbehalt gestützt werden. Wieder kommt es darauf an, ob die Lehrerin die plausible Annahme des Gesetzgebers, das Kopftuch verweise auf eine Religionszugehörigkeit, widerlegen kann. Bei einer Lehrerin, die ihr Tuch als Teil ihrer persönlichen Migrantinnenidentität versteht, dürfte dies in der Regel nicht möglich sein, weil die muslimische Religionszugehörigkeit Teil ihrer Identität als Migrantin ist. Für sie persönlich mag dann zwar der Schwerpunkt ihrer grundrechtlichen Argumentation auf dem Persönlichkeitsrecht liegen. Die Annahme, dass das Kopftuch auf eine muslimische Religionszugehörigkeit verweist, verletzt sie jedoch nicht in ihrem Persönlichkeitsrecht, weil sie ja tatsächlich dieser Religion angehört. Wenn in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Lehrerin eingegriffen werden soll, so ist ihr Recht mit dem Zweck des Eingriffs abzuwägen. In der Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Lehrerin mit der Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen lässt sich im Einzelfall i. d. R. kein überwiegendes Grundrecht ausmachen, weil sowohl bei der Lehrerin als auch bei den Schulkindern durch das Tragen des Kopftuches bzw. die Konfrontation mit dem Kopftuch die Identität betroffen sein kann. Wenn sich der möglicherweise entstehende Konflikt durch andere Maßnahmen nicht lösen lässt, muss die Lehrerin wegen ihrer Verantwortung als Beamtin gem. Art. 33 IV, V GG ihr Kopftuch abnehmen. 3. Zwischenergebnis Eine Kopftuchträgerin kann sich auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG berufen, wenn sie das Kopftuch als Teil ihrer persönlichen Integrität empfindet. Sofern die Lehrerin das Kopftuch aus religiösen oder sittlich-moralischen Gründen trägt, verdrängen die Religi1064
Lanzerath (2003), 54.
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ons- und die Gewissensfreiheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht hat aber eigenständige Bedeutung, wenn die Lehrerin das Kopftuch als Teil einer kulturell bestimmten Migrantinnenidentität trägt. Wenn die Lehrerin nicht die plausible Annahme des Gesetzgebers, dass ihr Kopftuch auf ihre Religionszugehörigkeit verweist, widerlegen kann, so ist ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht mit der Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler abzuwägen. In der Abwägung ist das hohe Gewicht ihres Identitätsschutzes zu beachten. Ist der Konflikt nicht anders zu lösen, muss die Lehrerin aber wegen ihrer Verpflichtung aus Art. 33 IV, V GG das Kopftuch abnehmen. IV. Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 I GG 1. Schutzbereich und Spezialität anderer Freiheitsrechte Die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG schützt jedes menschliche Verhalten, jedes Tun oder Unterlassen ohne Rücksicht auf seine Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung. Zur allgemeinen Handlungsfreiheit zählt auch die Befugnis, sein Äußeres nach eigenem Gutdünken zu gestalten. Die Lehrerin kann das Kopftuch z. B. allein als modisches Accessoire oder um krankheitsbedingten Haarsausfall zu verdecken tragen. In diesem Fall hätte es i. d. R. keine persönlichkeitsbildende Bedeutung. Die Beamtin könnte deshalb den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG in Anspruch nehmen.1065 Sollte ihr Kopftuch zugleich eine religiöse oder eine persönlichkeitsbildende Bedeutung haben, würde die allgemeine Handlungsfreiheit von der Religionsfreiheit oder dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verdrängt. Die allgemeine Handlungsfreiheit ist gegenüber allen anderen Freiheitsrechten subsidiär. 2. Schranken und Abwägung Die allgemeine Handlungsfreiheit steht gemäß Art. 2 I GG unter einfachem Gesetzesvorbehalt. Auch wenn die Lehrerin das Kopftuch lediglich als Accessoire versteht, kann ihm auf der Schrankenebene eine religiöse Bedeutung zugeschrieben werden. Dagegen kann sie sich wiederum wehren, indem sie gegenüber der Schulbehörde nachweist, dass sie das Kopftuch nicht aus religiösen Gründen trägt, z. B. weil sie gar keine Muslimin ist. Um Missverständnisse zu vermeiden, muss sie dies eventuell auch gegenüber Schulkindern und Eltern klarstellen. Zu erwarten ist aber, dass eine Beamtin, die ihr Kopftuch nur aus modischen Gründen oder krankheitsbedingt trägt, bereits durch die Art des Tra1065
Vgl. Huster (2002), 388.
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gens die grundsätzliche Erwartung, das Kopftuch habe eine religiöse Bedeutung, verändern kann. I.d.R. wird die Beamtin nämlich ihre Haare bzw. ihren Kopf mit dem Tuch nicht ganz verdecken. Kopftücher, die ersichtlich nur aus modischen Gründen getragen werden, können mit einem Gesetz, das dem Schutz der Religionsfreiheit, des Schulfriedens und der Durchsetzung der Gleichberechtigung dient, nicht verboten werden. 3. Zwischenergebnis Wenn die Lehrerin das Kopftuch z. B. allein als modisches Accessoire oder um krankheitsbedingten Haarsausfall zu verdecken trägt, so kann sie sich auf den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG berufen. Trägt sie das Kopftuch aus ersichtlich nichtreligiösen Gründen, so können ihr die Religionsfreiheit der Schulkinder, der Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung und der Schulauftrag nicht entgegengehalten werden. V. Schutz der Berufsausübungsfreiheit, Art. 12 I GG Die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 I GG gewährleistet die gesamte berufliche Tätigkeit, insbesondere Form, Mittel und Umfang sowie Inhalt der Betätigung. Sie ist daher immer dann beeinträchtigt, wenn Art und Weise der beruflichen Tätigkeit verbindlich vorgegeben werden.1066 Zur Art und Weise der beruflichen Tätigkeit zählt auch die Gestaltung des äußeren Erscheinungsbildes bei der Berufsausübung. So hat das BVerfG die Verpflichtung des Rechtsanwalts, vor Gericht in Amtstracht aufzutreten, als eine Regelung der Berufsausübung angesehen.1067 Umstritten ist, ob Beamtinnen sich für ihre Tätigkeit im öffentlichen Dienst auf die Berufsausübungsfreiheit berufen können. Einige Autoren wollen Berufe, die vorwiegend oder ausschließlich im öffentlichen Dienst ausgeübt werden, nicht dem Art. 12 GG, sondern nur dem Art. 33 GG unterstellen.1068 Andere Autoren sehen Art. 33 II–V GG als Grundrechtsschranke des Art. 12 I GG.1069 Dagegen sieht das BVerfG, gefolgt von einem Großteil der Literatur, die Garantie der Berufsfreiheit durch die Sonderregelungen des Art. 33 II–V GG überlagert und modifiziert.1070 Diese Ansicht läuft im Ergeb1066
Vgl. Lanzerath (2003), 59; Jarass/Pieroth (2004), Art. 12 Rn. 11. BVerfG, NJW 1970, 851 ff.; vgl. Lanzerath (2003), 59. 1068 Scholz (2006), Art. 12 Rn. 206. 1069 Jarass/Pieroth (2004), Art. 12 Rn. 59; wohl auch Tettinger (2003), Art. 12 Rn. 42 ff. 1070 BVerfGE 73, 301 (315); 39, 334 (369); 33, 303 (331); 16, 6 (21 f.); 11, 30 (39); 7, 377 (398); im Ergebnis ebenso Lanzerath (2003), 60 f.; Battis/Bultmann (2004), 9 Fn. 20; Wiese (1978), 33. 1067
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nis auf eine Verkürzung des Schutzbereiches des Art. 12 GG hinaus.1071 Die Annahme, Art. 33 GG modifiziere Art. 12 I GG, kann überzeugen. Gegen die Annahme, sogenannte staatliche Berufe seien nur dem Art. 33 II–V GG und nicht dem Art. 12 I GG zu unterstellen, spricht, dass nur über Art. 12 I GG der Gesetzesvorbehalt des Art. 12 I 2 GG zur Anwendung gelangt. Das schließt Vorgaben für staatliche Berufe allein auf der Basis von Verwaltungsvorschriften aus.1072 Ebenso wenig ist Art. 33 II–V GG nur Grundrechtsschranke des Art. 12 I GG. Zuvor ist gezeigt worden, dass Beamtinnen für die Amtswaltertätigkeit keinen Grundrechtsschutz genießen. Die Amtswaltertätigkeit ist demnach nicht von der Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG geschützt, sondern aus dem Schutzbereich ausgeklammert. Das führt zu einer Verkürzung des Schutzbereiches, mithin zu einer inhaltlichen Modifikation. Für privates Verhalten gelegentlich der Amtsführung gilt jedoch die Berufsausübungsfreiheit;1073 denn die Berufsausübungsfreiheit schützt das Handeln des Bürgers in der beruflichen Sphäre umfassend. Die Berufsausübungsfreiheit schützt demnach auch die Lehrerin darin, eine bestimmte Kleidung zu tragen. Im Ergebnis ist deshalb von einer Geltung der Berufsausübungsfreiheit der Lehrerin aus Art. 12 I GG auszugehen, wobei Art. 12 I GG eine eigenständige Bedeutung nur über den Gesetzesvorbehalt des Art. 12 I 2 GG entwickelt. Die Berufsausübungsfreiheit wird auch dann nicht von der Religionsfreiheit als lex specialis verdrängt, wenn die Lehrerin das Kopftuch aus religiösen Gründen trägt. Art. 12 GG hat nämlich eine andere Schutzrichtung als Art. 4 I und II GG , weil Art. 12 GG das äußere Erscheinungsbild unabhängig von den jeweiligen Motiven als Berufsausübung schützt. Dasselbe gilt, sofern die Lehrerin das Kopftuch nicht aus religiösen Gründen trägt, für die Gewissensfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht. In die Berufsausübungsfreiheit kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden. Kommt es wegen des Kopftuches der Lehrerin im Einzelfall zum Konflikt, der nicht anders lösbar ist, so muss sie einen Eingriff in Art. 12 I GG hinnehmen und das Kopftuch abnehmen. Die Lehrerin kann sich also für das Tragen des Kopftuches auf die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 I GG berufen. Die Berufsausübungsfreiheit gilt auch für staatliche Berufe, wird aber durch Art. 33 II–V GG modifiziert. Sie schützt privates Verhalten gelegentlich der Berufsausübung. Der Schutz aus Art. 12 I GG tritt neben den Schutz der speziellen Freiheitsrechte. Kommt es wegen des Kopftuches der Lehrerin zum Konflikt, der nicht anders lösbar ist,
1071 Vgl. BVerfGE 84, 133 (147); 80, 257 (263, 265); 73, 280 (292); 16, 6 (21); Tettinger (2003), Art. 12 Rn. 42. 1072 BVerfGE 80, 257 (265); 73, 280 (294 f.); Tettinger (2003), Art. 12 Rn. 44. 1073 A. A. Lanzerath (2003), 59.
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so muss sie einen Eingriff in Art. 12 I GG hinnehmen und das Kopftuch abnehmen. VI. Zwischenergebnis Die Lehrerin kann sich für das Tragen des Kopftuches auf den Schutz anderer Freiheitsrechte berufen, wenn sie nichtreligiöse Gründe für das Tragen des Kopftuches geltend macht. Wenn sie zugleich religiöse Gründe für das Tragen des Tuches geltend macht und sich auf den Schutz der Religionsfreiheit beruft, verdrängt die Religionsfreiheit als lex specialis sonstige Freiheitsrechte. Der Schutz der Berufsausübungsfreiheit bleibt allerdings neben den anderen Freiheitsrechten bestehen. Wenn die Lehrerin das Kopftuch ausschließlich aus nichtreligiösen Gründen trägt, muss sie sich u. U. dennoch eine religiöse Bedeutung des Kopftuches zurechnen lassen. Sie muss aber die Möglichkeit haben, in Gesprächen mit der Schulleitung, mit Schulkindern und Eltern den Eindruck einer religiösen Bedeutung des Tuches zu zerschlagen. Dies dürfte ihr i. d. R. immer gelingen, wenn sie das Kopftuch lediglich als Accessoire oder krankheitsbedingt trägt. Sofern die Lehrerin, die das Kopftuch aus nichtreligiösen Gründen trägt, sich aber dennoch eine religiöse Bedeutung zurechnen lassen muss, kollidieren ihre Gewissensfreiheit, ihre Meinungsfreiheit, ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht und ihre Handlungsfreiheit mit der Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler, dem Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung und der staatlichen Verpflichtung zur Garantie des Schulfriedens. Bei der Abwägung der kollidierenden Rechte kommen der Gewissensfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Lehrerin dasselbe Gewicht zu wie der Religionsfreiheit der Schulkinder. Die Meinungsfreiheit und die allgemeine Handlungsfreiheit der Lehrerin müssen dagegen i. d. R. hinter der Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler zurückstehen. Im nicht anders lösbaren Konfliktfall muss die Lehrerin wegen ihrer Verpflichtung aus Art. 33 IV, V GG auf das Kopftuch verzichten.
D. Schutz der Gleichheitsrechte, Art. 33 II–III 1, Art. 3 I–III 1 GG, Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 II WRV Eine staatliche Ausleseentscheidung darf nicht an die Gesichtspunkte Geschlecht, Abstammung, Rasse, Glaube, religiöse oder politische Anschauungen, Herkunft oder Beziehungen anknüpfen – das legen die Gleichheitsgebote Art. 33 II–III 1, Art. 3 I–III 1 GG, Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 II WRV fest. Im Folgenden soll geprüft werden, ob ein Kopftuchverbot eine Ungleichbehandlung aus Gründen der Religion, des Geschlechts, der politischen Aussage oder der ethnischen Herkunft bedeutet.
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I. Verbot der Ungleichbehandlung wegen der Religionszugehörigkeit, Art. 33 II–III GG, Art. 3 III GG und Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 II WRV 1. Anwendungsbereich und Konkurrenzen Eine Beamtin wird durch Art. 33 II, III GG, Art. 3 III GG und Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 II WRV vor Diskriminierung wegen der Religionszugehörigkeit geschützt. Nach Art. 33 III GG sind die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienst erworbenen Rechte unabhängig von dem religiösen Bekenntnis (S. 1, 2. Alt.). Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen (S. 2). Art. 33 III 1 und 2 GG haben einen gemeinsamen Schutzbereich. Art. 33 III 1 GG schützt den Zugang zu öffentlichen Ämtern und die im öffentlichen Dienst erworbenen Rechte. Art. 33 III 2 GG enthält ein Benachteiligungsverbot für den öffentlichen Dienst. Art. 33 III GG schützt ebenso wie Art. 4 I und II GG nicht nur die Religionszugehörigkeit, sondern auch die Religionsausübung.1074 Zwar sollte Art. 33 III GG historisch deutlich das Verbot konfessioneller Patronage und konfessionellen Proporzes im öffentlichen Dienst herausstellen.1075 Bekenntnis i. S. des Art. 33 III GG meint aber – ebenso wie Glaube und religiöse Anschauung i. S. des Art. 3 III 1 GG – dennoch nicht lediglich die Zugehörigkeit zu einer organisierten Religionsgemeinschaft. Vielmehr schützt die Regelung auch die Religionsausübung gemäß dieser Zugehörigkeit.1076 Art. 3 III 1 GG verlangt, dass niemand wegen seines Glaubens oder seiner religiösen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt wird. Jeder ist damit sowohl hinsichtlich seiner religiösen Überzeugung als auch hinsichtlich dadurch bedingter Verhaltensweisen und Tätigkeiten vor Ungleichbehandlungen geschützt. Nach Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 II WRV sind der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte sowie die Zulassung zu öffentlichen Ämtern unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Diese Vorschrift schützt ebenso wie Art. 33 III und Art. 3 III GG vor Ungleichbehandlungen wegen des Habens oder des Ausübens einer religiösen Auffassung.
1074 Vgl. Battis (2003), Art. 33 Rn. 43; Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 302; vgl. für Art. 3 III 1 GG Pieroth/Schlink (2005), Rn. 446, 457; Sachs (1984), 135; BVerfG, NJW 2003, 3111 (3112): Art. 33 III richte sich in erster Linie gegen eine Ungleichbehandlung, die unmittelbar an eine bestimmte Religion anknüpfe, verbiete darüber hinaus aber, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern aus Gründen zu verwehren, die gegen Art. 4 I und II GG verstoßen. 1075 So z. B. Battis (2003), Art. 33 Rn. 43; Pieroth/Schlink (2005), Rn. 477. 1076 Vgl. BVerfGE 79, 68 (75); Sachs (1994), 135; Lanzerath (2003), 46, 57; Böckenförde (2001), 724; Alberts (1985), 94; a. A. Kunig (2001), Art. 33 Rn. 35; Anger (2003), 250 ff.; wohl auch Lübbe-Wolff (1998), Art. 33 Rn. 52; anders hinsichtlich der politischen Anschauung auch BVerfGE 39, 334 (368).
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a) Verbot unmittelbarer und mittelbarer Ungleichbehandlung wegen der Religionszugehörigkeit Art. 3 III und Art. 33 III GG erfassen zunächst unmittelbare Diskriminierungen. Diese liegen vor, wenn eine staatliche Maßnahme unmittelbar an die verpönten Diskriminierungsmerkmale anknüpft.1077 Noch nicht abschließend geklärt ist, ob Art. 3 III und Art. 33 III GG auch mittelbare Diskriminierungen erfassen. Solche liegen vor, wenn eine Regelung oder Maßnahme an andere Merkmale anknüpft, die aber typischerweise zu einer unterschiedlichen Behandlung der in Art. 3 III 1 und Art. 33 III GG genannten Merkmalsträger führen.1078 Bei der mittelbaren Diskriminierung kommt es darauf an, ob ein Gesetz oder eine staatliche Praxis diskriminierende Wirkung hat, und nicht ausschließlich darauf, ob eine Benachteiligung beabsichtigt oder bewusst vorgenommen wurde.1079 Einige Autoren schließen aus dem Wort „wegen“, dass nur Regelungen, die eine Diskriminierung hinsichtlich eines Merkmals nach Art. 3 III 1 GG intendieren, Art. 3 III 1 GG beeinträchtigen.1080 Wenn Regelungen nicht final auf eine Diskriminierung hinsichtlich eines Merkmals i. S. des Art. 3 III GG angelegt seien, sondern andere Ziele verfolgten, sollen sie stattdessen unbeanstandet bleiben.1081 In ähnlicher Weise wird vertreten, Art. 33 III 1 und Art. 3 III GG verböten eine Ungleichbehandlung, die nur durch den Hinweis auf die Unterschiede der Religion begründbar sei.1082 Sei die Geeignetheit und Notwendig1077 Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 255; vgl. auch die Definition der unmittelbaren Diskriminierung nach Art. 2 II a) RL 2000/78/EG. Danach liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen der Religion oder Weltanschauung „in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde“. 1078 Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 255; vgl. auch die Definition der mittelbaren Diskriminierung nach Art. 2 II b) der Richtlinie 2000/78/EG. Danach liegt eine mittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder Weltanschauung vor, „wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung [. . .] gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können“; ebenso hinsichtlich Rasse und ethnischer Herkunft Art. 1 i. V. mit Art. 2 RL 2000/43/EG. 1079 Nickel (1999), 72; kritisch gegenüber der Anerkennung mittelbarer Diskriminierung Huster (2002), 417 insb. Fn. 672. 1080 Obwohl der Streit um den Anwendungsbereich der Diskriminierungsverbote maßgeblich an die Benachteiligung „wegen“ der religiösen Anschauungen in Art. 3 III 1 GG anknüpft und Art. 33 III GG insoweit anders lautet (Zulassung zu öffentlichen Ämtern „unabhängig“ vom Bekenntnis und kein Nachteil „aus seiner“ Zugehörigkeit), betrifft der Streit Art. 3 III 1 GG und Art. 33 III GG gleichermaßen. 1081 So (noch) BVerfGE 75, 40 (70) – bevorzugte Subventionierung konfessioneller Privatschulen; BVerfGE 39, 334 (368) – Bevorzugung einer weiblichen Direktorin als Leiterin einer Mädchenschule; zustimmend Schlink (1976), 349 f.; neuerdings noch BVerwG, NJW 1994, 2632; zustimmend Battis (2003), Art. 33 Rn. 37; wohl auch Starck (2005), Art. 3 Rn. 379; Kästner (1999), 370 Fn. 40; Schlink (1976), 349 f. 1082 Vgl. Schlink (1976), 350; wohl auch Cremer/Kelm (1997a), 836.
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keit der Differenzierung begründbar, ohne dass auf die genannten Merkmale als Kriterien zugegriffen werden müsse, so sei die Differenzierung zulässig.1083 Gegen eine solche Interpretation spricht jedoch, dass die in Art. 3 III GG genannten Unterscheidungsmerkmale durch im Grunde beliebige (auch nur vorgeschobene) Sachgründe relativiert werden könnten.1084 Eine Interpretation der besonderen Gleichheitssätze als Begründungsverbote greift zu kurz, da Zwecke und Gründe einer Regelung oder Maßnahme insoweit austauschbar sind.1085 Auch das BVerfG hat in seiner Nachtarbeitsentscheidung dieser restriktiven Auslegung des Diskriminierungsverbots eine klare Absage erteilt. Das BVerfG stellte in dieser Entscheidung – zunächst nur mit Blick auf Frauen und Männer – klar, dass die in Art. 3 III GG genannten Merkmale nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden dürfen. „Das gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine nach Art. 3 III GG verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie andere Ziele verfolgt.“1086 Das BVerfG interpretiert die Diskriminierungsverbote seit der Nachtarbeitsentscheidung als „grundsätzliche Anknüpfungsverbote“.1087 Bezüglich des Diskriminierungsmerkmals „Geschlecht“ in Art. 3 III GG hat das BVerfG, wenn auch nur per obiter dictum – der Rechtsprechung des BAG1088 und des EuGH1089 folgend –, die Möglichkeit einer mittelbaren Diskriminierung anerkannt. Danach liegt eine „mittelbare Ungleichbehandlung“ vor, wenn sie auf einer geschlechtsneutral formulierten Regelung beruht, die „überwiegend Frauen betrifft und dies auf natürliche und gesellschaftliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern zurückzuführen ist.“1090 Das BVerfG hat sich in diesem Urteil nicht, wie in der Literatur vorgeschlagen,1091 auf Abs. 2, sondern auf Abs. 3 des Art. 3 GG berufen. Das spricht für einen generellen Schutz vor faktischen Diskriminierungen, der für alle in Art. 3 III 1 GG genannten Merkmale greift.1092 Art. 3 III und Art. 33 III GG schützen demnach auch vor mittelbarer Diskriminierung. 1083
Z. B. Schlink (1976), 335 (349 f.); Pieroth/Schlink (2005), Rn. 453. Vgl. Sachs (2000), § 126 Rn. 74; ders. (1995), 350; Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 252. 1085 Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 252; zustimmend Wrase (2005), 211, Fn. 88. 1086 BVerfGE 85, 191 (206); zustimmend u. a. Sachs (1994), 133; Lübbe-Wolff (1998), Art. 33 Rn. 42. 1087 BVerfGE 85, 191 (206); vgl. Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 248 ff. 1088 BAG, NJW 1993, 3091; BAG, NJW 1992, 1125. 1089 EuGH, Slg. 1997, I-5252 („Gerster“); EuGH, Slg. 1997, I-5289 („Kording“). 1090 BVerfGE 97, 35 (43); ebenso BVerfGE 104, 373 (396). 1091 Sacksofsky (2002), Art. 3 II, III Rn. 313 ff. 1092 Vgl. Wrase (2005), 210; ebenso Laskowski/Dietrich (2002), 277; in diese Richtung Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 256, Jarass/Pieroth (2004), Art. 3 Rn. 108; bzgl. Diskriminierung aufgrund der Religion oder Weltanschauung Giegerich (2001), 266; dagegen aber BVerfGE 63, 135 (156 f.): kein verfassungsunmittelbarer Anspruch der 1084
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Insoweit ist die Entscheidung des VGH Mannheim im Fall Ludin falsch. Das Gericht verneinte die Anwendbarkeit des Art. 33 III GG, weil es an der Kausalität zwischen Zugangsverweigerung und Religionszugehörigkeit der Bewerberin fehle. Grund für die Ablehnung sei allein die Weigerung der Bewerberin gewesen, die beamtenrechtlichen Anforderungen an ihr Auftreten im Unterricht einzuhalten und damit ihre fehlende Eignung.1093 Die Bewerberin werde nicht abgewiesen wegen ihrer Religion oder Weltanschauung, sondern wegen fehlender Distanz und Neutralität.1094 Hier zeigt sich, dass das Differenzierungsverbot nach Art. 3 III GG umgangen werden kann, indem der tatsächliche Anknüpfungspunkt begrifflich verschleiert wird. Die Ablehnung der Kopftuch tragenden Bewerberin mag zwar wegen ihrer mangelnden Neutralität ergehen. Damit knüpft die ablehnende Entscheidung aber an den religiösen Gehalt der Kleidung und damit an die Religionsausübung der Staatsdienerin an. b) Verhältnis der einschlägigen Gleichheitsrechte zueinander Wenn das Kopftuchtragen der Beamtin religiös motiviert ist, entsteht ein echtes Konkurrenzverhältnis zwischen den religiösen Gleichbehandlungsgeboten des Grundgesetzes. Das Verhältnis von Art. 33 II–III GG, Art. 3 III GG und Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 II WRV ist bislang nicht abschließend geklärt.1095 Einigkeit besteht lediglich dahingehend, dass Art. 140 GG i. V. mit Art. 136 II WRV keine eigenständige Bedeutung neben Art. 33 III GG hat.1096 Umstritten ist hingegen das Verhältnis von Art. 3 III GG zu Art. 33 III GG. Einige Stimmen gehen von einer parallelen Anwendbarkeit dieser beiden Gleichheitssätze aus1097, während andere Art. 33 III GG als lex specialis zu Art. 3 III GG sehen. Dabei ist unklar, ob Art. 33 III GG generell im Bereich des öffentlichen Dienstes der Vorrang einzuräumen ist1098 oder ob er Art. 3 III GG nur im Wege der Einzelfallspezialität verdrängt.1099
fremdsprachigen, anwaltlich vertretenen Prozesspartei auf Übersetzung des schriftlichen Gerichtsurteils, denn „zum Ausgleich sprachbedingter Erschwernisse, die im Tatsächlichen auftreten, verpflichtet das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG nicht“; Sacksofsky (2002), Art. 3 II, III 1 Rn. 315. 1093 VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2900). 1094 Zustimmend Goerlich (1999), 2930; Halfmann (2000), 867 unter Bezugnahme auf OVG Hamburg, NVwZ 1986, 406 (408). 1095 Vgl. Sacksofsky (2002), Art. 3 Rn. 330. 1096 Vgl. Lanzerath (2003), 64. 1097 Vgl. BVerwGE 47, 330 (353); Kunig (2001), Art. 33 Rn. 36. 1098 So z. B. Alberts (1985), 94; Pieroth/Schlink (2005), Rn. 477; wohl auch Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 197; 301. 1099 So z. B. Anger (2003), 250; Battis (2003), Art. 33 Rn. 42; Sachs (1994), 135; ebenso bzgl. Art. 3 I GG BVerfGE 61, 43 (62).
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Einer parallelen Anwendbarkeit steht der gegenüber Art. 3 III GG speziellere Wortlaut des Art. 33 III GG entgegen.1100 Art. 33 III GG kann den Art. 3 III GG aber auch nicht generell verdrängen. Der Anwendungsbereich des Art. 33 III GG ist erst betroffen, wenn es um eine Veränderung des Dienstverhältnisses, d.h. eine Einstellung oder Beförderung geht. In diesen Fällen kann Art. 33 III GG den Art. 3 III GG verdrängen. Eigenständigen Schutz könnte Art. 3 III 1 GG im öffentlichen Dienst dagegen bei Maßnahmen jenseits der Zulassung zu öffentlichen Ämtern und der im öffentlichen Recht erworbenen Rechte entfalten.1101 Das betrifft z. B. die Gewährung von Sonderurlaub, weil auf diese kein Anspruch besteht. Für eine Beamtin mit Kopftuch heisst das, dass ihre Nichtbeförderung oder Entlassung wegen des Kopftuches an Art. 33 III GG zu prüfen ist. Sofern sie aber z. B. wegen des Kopftuches umgesetzt wird, ist diese Maßnahme an Art. 3 III GG zu messen, denn es gehört nicht zu den „erworbenen Rechten“ einer Beamtin, ihren Dienstort selbst zu wählen. c) Verhältnis der Gleichheitsrechte zur Religionsfreiheit Ein Konkurrenzverhältnis zwischen den religiösen Gleichheitsrechten und der Religionsfreiheit entsteht, wenn das Tragen des Kopftuches religiös motiviert ist. Strittig ist, in welchem Verhältnis Art. 33 III und Art. 3 III GG zu Art. 4 I und II GG stehen. Einige Autoren nehmen an, Art. 33 III GG sei hinsichtlich der gleichheitsrechtlichen Dimension des Art. 4 I und II GG für den öffentlichen Dienst verdrängendes lex specialis.1102 Andere Autoren wiederum erklären, dass Art. 33 III GG neben Art. 4 I und II GG keine praktische Bedeutung habe.1103 Das BVerfG prüft häufig allein Art. 4 I und II GG, ohne auf einen Schutz durch die religiösen Gleichbehandlungsgebote einzugehen.1104 Dies beruht auf der Annahme, dass der Diskriminierungsschutz in dem religiösen Freiheitsrecht mit enthalten ist. Überzeugender ist es dagegen, die Gleichheitsrechte neben der Religionsfreiheit anzuwenden. Gegen die Annahme, Art. 33 III GG sei lex specialis, spricht, dass nicht anzunehmen ist, dass Art. 4 als die zentrale Norm des Grundgesetzes für den Schutz individueller Religionsausübung für Beamtinnen nicht gelten soll. Umgekehrt nennen Art. 33 III und 3 III GG explizit Aspekte religiöser Gleichbehandlung, so dass es schon vom Wortlaut her nicht naheliegt, Art. 4 1100
Ebenso Lanzerath (2003), 65. Vgl. Cremer/Kelm (1997a), 835; Lanzerath (2003), 65; Sachs (1994), 136. 1102 So Röger (1995), 473; Battis/Bultmann (2004), 9 Fn. 22; unklar Pieroth/ Schlink (2005), Rn. 477: „einschlägige Fälle und Probleme“ seien in erster Linie an Art. 33 III GG zu prüfen; wohl auch Jarass/Pieroth (2004), Art. 4 Rn. 6. 1103 So Lübbe-Wolff (1998), Art. 33 Rn. 52; Battis (2003), Art. 33 Rn. 42 hält die Bedeutung der Vorschrift in der Praxis für gering. 1104 Vgl. die Nachweise bei Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 301. 1101
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GG hier als lex specialis zu betrachten. Der religiöse Gleichheitsschutz in Art. 33 III GG tritt daher neben die Freiheitsverbürgung des Art. 4 I und II GG.1105 2. Kopftuchverbot als Ungleichbehandlung wegen der Religionszugehörigkeit Eine Ungleichbehandlung wegen des Kopftuchtragens liegt vor, wenn das Kopftuch einer muslimischen Lehrerin anders behandelt wird als andere religiös motivierte Kleidungsstücke und Symbole. Zu den in Deutschland bekannten und praktizierten religiösen Symbolen und Kleidungsstücken zählen gegenwärtig neben den christlichen Symbolen – Kopftuch, Kreuz, Habit katholischer Ordensschwestern und -brüder, Tracht evangelischer Diakonissinnen, Ornat katholischer Amtsträger – jüdische Kleidungsstücke und Symbole – Kippa, Perücke, Davidstern und Peies, die Schläfenlocken – sowie der Turban der Sikhs, Mala und rote Kleidung der Sanyasins und weitere muslimische Kleidungsstücke und Zeichen – Fes, Bart und die Hand der Fatima. Im Zusammenhang mit der Regelung religiös motivierter Kleidung von Lehrerinnen können unterschiedliche Diskriminierungstatbestände in Frage kommen. Verbietet ein Gesetz nur das Kopftuchtragen im Dienst, erlaubt aber, andere religiöse Kleidungsstücke wie Habit und Kippa zu tragen, so behandelt es Menschen aufgrund der Religionszugehörigkeit ungleich und führt somit zu einer unmittelbaren Diskriminierung.1106 Das gilt auch dann, wenn eine gesetzliche Regelung religiöser Kleidung im Lehramtsdienst für Einzelfallentscheidungen offen ist und die Schulbehörden nur Kopftücher verbieten. So ist die – zum Zeitpunkt des Abschlusses der Arbeit noch bestehende – baden-württembergische Praxis der Schulbehörden, nur das Kopftuch zu untersagen, obwohl zugleich Lehrerinnen im Habit unterrichten,1107 eine Ungleichbehandlung wegen der Religionszugehörigkeit. Auch die gegenüber Sanyasins von den Dienstherren ausgesprochenen Bekleidungsverbote in den 1980erJahren waren im Hinblick auf Art. 3 III GG problematisch, da zur selben Zeit Personen anderer Glaubensrichtungen in entsprechenden Trachten lehrten.1108 Das Urteil des BVerfG im Fall Ludin richtet sich gerade gegen diese unzulässige Einzelfallpraxis: Das Gebot strikter Gleichbehandlung der Angehörigen unterschiedlicher Religionsgemeinschaften könne nicht ausreichend gewährleistet werden, wenn
1105 So BVerfG, NJW 2003, 3111 (3112); ebenso wohl Mager (2000), Art. 4 Rn. 65; a. A. Mückl (2001), 126. 1106 Ebenso Sacksofsky (2003), 3300; Häußler (2004), 13; Rux (2004), 21; Baer/ Wrase (2003), 1166; a. A. Weber (2004), 60; Quambusch (2003), 225. 1107 Ebenso VG Stuttgart, ZBR 2007, 135. 1108 Sachs (1994), 137; Lanzerath (2003), 47.
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es den Behörden und Gerichten überlassen bliebe, über das Bestehen einer solchen Dienstpflicht im Einzelfall zu entscheiden.1109 Verbietet ein Gesetz grundsätzlich das Tragen religiöser Kleidung, behandelt es zwar formal alle Religionen gleich. Religiös bestimmte Menschen behandelt es aber anders als solche, die nicht religiös bestimmt sind. Auch eine solche staatliche Maßnahme führt zu einer unmittelbaren Ungleichbehandlung, weil das Gesetz unmittelbar an die Religionsausübung „Tragen religiöser Kleidung“ anknüpft. Ein grundsätzliches Verbot religiöser Kleidung im Lehramtsdienst kann des Weiteren zu einer mittelbaren Diskriminierung führen. Ein solches Verbot kann unterschiedliche Gläubige unterschiedlich belasten mit der Folge, dass eine mittelbare Diskriminierung wegen der Religionsausübung vorliegt.1110 Erstens kann ein Verbot, religiöse Kleidung im öffentlichen Dienst zu tragen, zu einer mittelbaren Diskriminierung führen, weil ein solches Verbot Religionen mit religiösen Kleidungsvorschriften anders trifft als solche, die keine dementsprechenden Vorschriften kennen. Im Ludin-Urteil bezeichnete das BVerfG eine Regelung, nach der es zu den Dienstpflichten einer Lehrerin gehört, auf religiöse Erkennungsmerkmale zu verzichten, als wesentlich im Sinne der Wesentlichkeitstheorie, weshalb eine gesetzliche Regelung erforderlich sei. Das gelte auch deshalb, weil ein Kopftuchverbot Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit unterschiedlich betreffe, je nachdem ob sie die Befolgung bestimmter Bekleidungssitten als zur Ausübung ihrer Religion gehörig ansehen oder nicht.1111 Das BVerfG geht also offensichtlich von der Möglichkeit einer indirekten Diskriminierung durch das Kopftuchverbot aus, ohne diese als solche ausdrücklich zu benennen. Zweitens kann ein grundsätzliches Verbot religiöser Kleidung im öffentlichen Dienst religiös gebundene Menschen unterschiedlich treffen, weil für sie die spezifisch religiöse Kleidung eine unterschiedliche Wichtigkeit hat. Während die Kopftuch tragenden Musliminnen nämlich angeben, das Abnehmen des Kopftuches bedeute für sie das Erleben von Scham, haben Christinnen nichts Vergleichbares zum Ablegen eines Kreuzes als Kettenanhänger und Sanyasins auch nicht zum Ändern der Farbe ihrer Kleidung vorgetragen.1112 Drittens kann eine mittelbare Diskriminierung vorliegen, weil ein Verbot religiöser Kleidung im öffentlichen Dienst gegenwärtig faktisch fast nur muslimische Kopftuchträgerinnen trifft. Christinnen tragen selten religiös motivierte Kleidung, die sie für sich als verbindlich ansehen. Sanyasins sind kaum noch prä1109
BVerfG, NJW 2003, 3111 (3116). Eine mittelbare Diskriminierung durch ein Verbot religiöser Kleidung im öffentlichen Dienst nehmen an Britz (2003), 96; Giegerich (2001), 267, 269 f.; VG Lüneburg, NJW 2001, 767 (768) und Langenfeld (2001), 553 lassen offen, ob sie von unmittelbarer oder mittelbarer Diskriminierung ausgehen. 1111 Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3116). 1112 Vgl. Oestreich (2004), 113. 1110
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sent.1113 Lediglich bei Sikhs und Juden besteht die Möglichkeit, dass sie religiös gekleidet unterrichten wollen.1114 Die Vermutung der mittelbaren Diskriminierung wegen des Kopftuchtragens würde sich allerdings ändern, wenn mehrfach Turban- oder Kippaträger wegen ihrer religiösen Kleidung nicht eingestellt werden. 3. Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung Die speziellen Gleichbehandlungsgebote der Art. 3 III und 33 III GG weisen keinen Gesetzesvorbehalt auf. Zu klären ist, ob und unter welchen Voraussetzungen sie beschränkt werden können. Unstrittig gilt, dass Gesetzgeber oder Dienstherr Dienstpflichten begründen dürfen, die die Religionsausübung der Beamtin beschränken, sofern diese durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt werden können.1115 Die der Religionsfreiheit entgegenstehenden Verfassungsgüter1116 kommen demnach auch zur Rechtfertigung der religiösen Ungleichbehandlung in Betracht. Eine staatliche Maßnahme kann also an die Religionsausübung einer Beamtin anknüpfen, wenn dies z. B. zum Schutz der Religionsfreiheit der Schulkinder geschieht. Eine solche Rechtfertigungsmöglichkeit gilt jedenfalls dann, wenn eine staatliche Maßnahme an die Tatsache anknüpft, dass eine Beamtin religiöse Kleidung trägt, unabhängig davon, welcher Religion sie angehört. Das entspricht dem Ludin-Urteil des BVerfG: Art. 33 III GG schließe nicht die Begründung von Dienstpflichten, die in die Glaubensfreiheit von Amtsinhabern und -inhaberinnen und Bewerbern und Bewerberinnen um öffentliche Ämter eingreifen und damit für glaubensgebundene Bewerber und Bewerberinnen den Zugang zum öffentlichen Dienst erschweren oder ausschließen, aus, unterwerfe sie aber den strengen Rechtfertigungsanforderungen, die für Einschränkungen der vorbehaltslos gewährleisteten Glaubensfreiheit gelten.1117 Strittig ist, ob der Staat wegen einer bestimmten Religionszugehörigkeit differenzieren, Beamtinnen mit unterschiedlicher Religionszugehörigkeit also ungleich behandeln darf. Einige Autoren nehmen an, die speziellen Gleichheitsgebote begründeten absolute Differenzierungs- bzw. strikte Unterscheidungsver1113 Zum einen sind die Sanyasins eine Bewegung, die zwar in den 1980er Jahren verstärkt auftrat, seitdem aber keine nennenswerte Mitgliederzahl mehr hat. Zum anderen hob Rajneesh 1985 den Brauch des Tragens von roter Kleidung auf, 1987 legten die Sanyasins auch die Mala ab, Langel in Klöcker, Handbuch der Religionen, Abschnitt VIII 8, zit. in Lanzerath (2003), 14. 1114 Vgl. den Fall eines Lehrers mit Kippa, der an der vom Bund getragenen Marineoperationsschule unterrichtete, vgl. Rhode (2002). 1115 Vgl. Jarass/Pieroth (2004), Art. 3 Rn. 92; Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 254; Sacksofsky (2002), Art. 3 II, III 1 Rn. 314. 1116 Siehe oben S. 74 ff. 1117 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3112); ebenso Jarass/Pieroth (2004), Art. 33 Rn. 27.
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bote. Vertreter einer solchen Interpretation gehen davon aus, dass jede Anknüpfung z. B. an das „religionsbezogene Merkmal“ unzulässig sei.1118 Ein derartiges Verständnis des Art. 3 III 1 GG solle dem Interesse größtmöglicher Effektivität des Schutzzwecks der speziellen Gleichheitssätze des Art. 3 III GG dienen. Es müsse ein Mindeststandard unzulässiger Differenzierung fixiert werden.1119 Eine Ausnahme von diesem absoluten Differenzierungsverbot soll nur bei konfessionsgebundenen Staatsämtern bestehen. Hier dürfe die Religionszugehörigkeit einer Beamtin für deren Eignung ausnahmsweise eine Rolle spielen.1120 Eine solche Ansicht. heißt im Ergebnis, dass eine staatliche Maßnahme nicht an einen bestimmten Glauben anknüpfen darf. Der Staat darf also nicht Kopftücher verbieten, während er Kippa und Habit erlaubt, weil er damit an einen bestimmten Glauben anknüpft. Andere Autoren nehmen aber an, dass Art. 3 III 1 GG nicht jede Verwendung der grundsätzlich unzulässigen Differenzierungskriterien verbiete.1121 Diese Annahme wird damit begründet, dass Art. 3 III GG auch den Schutz erfahrungsgemäß gefährdeter Minderheiten bedeute.1122 Vor allem die Merkmale „Religion“ und „politische Anschauung“ berührten den freiheitsgrundrechtlichen Schutz von Minderheiten. Es müsse z. B. grundsätzlich möglich sein, zugunsten einer benachteiligten Minderheit an eines der in Art. 3 III GG genannten Merkmale anzuknüpfen; z. B. einen Dispens von allgemeinen Verboten einzuräumen, wenn die allgemeinen Verbote mit schutzwürdigen religiösen Geboten einer Glaubensgemeinschaft kollidierten.1123 Die Interpretation des Art. 3 III GG als strikt formales Anknüpfungs- bzw. Unterscheidungsverbot sei vor dem Hintergrund des Minderheitenschutzes nicht haltbar.1124 Diese Ansicht überzeugt. Eine differenzblinde ausschließliche Gewährung von Rechtsgleichheit kann dem Problem eines notwendigen freiheitswahrenden Integrations- und Identitätsschutzes nicht gerecht werden.1125 Die Konstruktion von Art. 3 III GG als absolutes Anknüpfungsverbot greift demnach jedenfalls dann zu kurz, wenn es um die Belange gesellschaftlicher Minderheiten geht. 1118 Vgl. Sachs (2000), § 126 Rn. 52 ff., insbesondere Rn. 59, 65 ff., 129, 216; ders. (1994), 135; wohl auch Jachmann (2005), Art. 33 Rn. 26; vgl. darstellend Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 239 ff. 1119 So zusammenfassend Sachs (2000), § 126 Rn. 74. 1120 Vgl. BVerfGE 39, 334 (368); BVerwGE 81, 22; Alberts (1985), 94; Anger (2003), 254; Gusy (1982), 32; Sachs (1984), 133. 1121 Vgl. Jarass/Pieroth (2004), Art. 3 Rn. 121; wohl auch Pieroth/Schlink (2005), Rn. 450 ff. und die ältere Rechtsprechung des BVerfG BVerfGE 57, 335 (342 f.); 3, 225 (241) und hinsichtlich Diskriminierungen wegen des Geschlechts BVerfGE 85, 191 (207). 1122 Vgl. Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 245; Nickel (1999), 216; BVerfGE 88, 87 ff. 1123 Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 246. 1124 Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 247. 1125 Vgl. Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 245.
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Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, ob auch zu Lasten einer Minderheit an das Merkmal einer bestimmten Religion angeknüpft werden kann, ob also das Kopftuch verboten werden kann, während Habit und Kippa erlaubt werden. Hinsichtlich der unzulässigen Differenzierung wegen des Geschlechts hat das BVerfG in der Nachtarbeitsentscheidung entschieden, dass das Geschlecht „grundsätzlich – ebenso wie die anderen in Abs. 3 genannten Merkmale – nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden“ dürfe.1126 Die Verwendung des Geschlechts als Diskriminierungsmerkmal sei aber nur ausnahmsweise zugelassen, „soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder Frauen auftreten können, zwingend erforderlich“1127 sei. Das führt im Ergebnis zu sehr strengen Anforderungen an eine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts. Außerhalb der mit Schwangerschaft, Geburt oder Stillzeit zusammenhängenden Regelungen ist eine Rechtfertigung durch dieses Kriterium kaum mehr vorstellbar.1128 Es erscheint überzeugend, auch hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „Glauben“ eine solche hohe bis unüberwindbare Beweislast zu verlangen, wenn eine staatliche Maßnahme nach unterschiedlicher Religionszugehörigkeit differenziert. In ähnlicher Weise verlangen einige Autoren, dass Ungleichbehandlungen nur dann gerechtfertigt werden können, wenn sie zur Verfolgung überragend wichtiger Gemeinwohlinteressen zwingend erforderlich sind.1129 Dem entspricht das Urteil des BVerfG im Fall Ludin: Das Gebot strikter Gleichbehandlung der verschiedenen Glaubensrichtungen sei sowohl bei der Begründung als auch bei der Durchsetzung von Dienstpflichten, die in die Glaubensfreiheit von Amtsinhabern eingreifen, zu beachten.1130 Eine Maßnahme, die verschiedene Religionen ungleich behandelt, muss also einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten. a) Keine Rechtfertigung einer Privilegierung christlicher Religionsausübung Einige Autoren behaupten, dass es dem Staat erlaubt sei, das Kopftuch zu verbieten, christlich-religiöse Symbole und Kleidung aber zuzulassen. Der Grund für diese zulässige Ungleichbehandlung liege in der christlichen Prägung des Staates.1131 Das Kreuz sei hier eine normierte Selbstverständlichkeit und 1126
Siehe oben S. 222. Grdl. BVerfGE 85, 191 (207); siehe auch BVerfGE 92, 91 (109). 1128 Vgl. Sacksofsky (2002), Art. 3 II, III 1, Rn. 348; Wrase (2005), 211. 1129 Vgl. Sacksofsky (2002), Art. 3 II, III, Rn. 313; Wrase (2005), 211. 1130 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3112, 3116). 1131 So z. B. Bader (1998), 361; Hillgruber (1999), 540, 546 f.; Isensee (2004); Kirchhof (2004); ebenso sprach Kirchhof sich für christliche Privilegien anlässlich der Essener Gespräche 2004 zum Thema Staat und Kirche aus, vgl. Decker (2004). 1127
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das Christentum habe eine besondere Bedeutung für „unser Gemeinwesen“.1132 Eine solche Ungleichbehandlung unterschiedlicher Religionsausübung kann nur zulässig sein, wenn sie gerechtfertigt ist. Zuvor ist gezeigt worden, dass es dem Staat in Einzelfällen erlaubt sein kann, bei seinen Maßnahmen unmittelbar an eine bestimmte Religion anzuknüpfen. Diese Beeinträchtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann aber nur dann gerechtfertigt werden, wenn die Gleichbehandlung mit einem Verfassungswert kollidiert und die Beeinträchtigung einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält. Die Grundannahme des Grundgesetzes ist das an den Staat gerichtete Gebot strikter Gleichbehandlung aller Religionen und Weltanschauungen. Dieses Gebot begründen Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 V 2 WRV, das Unterscheidungsverbot in Art. 3 III 1 und Art. 33 III GG, die Gewährleistung gleicher Freiheitsrechte in Art. 4 I und II GG und das Verbot der Staatskirche in Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 I WRV.1133 Das Grundgesetz durchbricht diesen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht ausdrücklich zugunsten des Christentums. Nach der Präambel hat sich das deutsche Volk zwar das GG im Bewusstsein „seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ gegeben. Es ist aber nicht die Rede von Gott nach dem christlichen oder jüdischen Verständnis. Folglich ergibt sich aus der Präambel keine prochristliche Auslegungsmaxime für das Grundgesetz.1134 Fraglich ist, ob sich dem Grundgesetz ein ungeschriebener Verfassungswert entnehmen lässt, der eine Ungleichbehandlung unterschiedlicher Religionen zugunsten des Christentums rechtfertigt. In der Literatur wird eine Privilegierung des Christentums vor allem mit dem Argument notwendiger christlicher Integration in der Demokratie begründet. Nach dieser Ansicht ist die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes auf eine das öffentliche Bewusstsein prägende christliche Orientierung ihrer Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Dieser Umstand rechtfertige es, dem Christentum im staatlichen Recht und in staatlichen Institutionen – insbesondere in der Schule – einen privilegierten Status zu gewähren.1135 Zumindest in die Richtung dieser Argumentation geht auch die von Böckenförde geäußerte vielzitierte Forderung: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann [. . .]. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Andererseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den 1132 Vgl. Bader (1998), 365; Britz (1996), 232; Heckmann (1996), 888; Müller-Volbehr (1995), 997, 999. 1133 Vgl. BVerfGE 93, 1 (16); 30, 415 (422); Brenner (2000), 271; Heckel (1996), 472; Weiß (2000), 107, Isak (1994), 198, 205; Huster (1998), 120. 1134 Statt vieler Rühmann (2002), Präambel Rn. 22; Battis/Bultmann (2004), 15; Czermak (2004), 7. 1135 Vgl. zur Darstellung dieser Position Huster (2002), 200.
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Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots, zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben.“1136
Zwar appelliert Böckenförde hier an die christlichen Bürgerinnen und Bürger, den weltlichen Staat als Chance ihrer Freiheit zu erhalten und zu realisieren.1137 Böckenfördes These ermöglicht aber auch eine Förderung des Christentums unter Berufung auf die religiösen Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Jedenfalls solange die deutsche Bevölkerung noch mehrheitlich christlich geprägt ist, könnte deshalb die Forderung, das Christentum zu bevorzugen, auf diese Prämisse gestützt werde. Gegen diesen Ansatz ist jedoch zweierlei einzuwenden: Es ist bereits zweifelhaft, ob eine ethisch-sittliche Integration in der bundesdeutschen Demokratie erforderlich ist und ob das Christentum diese Integration gewährleisten kann. Demokratie setzt zwar einen bestimmten Zusammenhalt, mit anderen Worten eine gesellschaftliche Integration, notwendigerweise voraus.1138 Dieser Zusammenhalt verlangt aber nicht zwingend eine bestimmte moralisch-ethische Einstellung der bundesdeutschen Bürger und Bürgerinnen und damit letztlich eine gewisse gesellschaftliche Homogenität.1139 Eher ist anzunehmen, dass der notwendige gesellschaftliche Zusammenhalt durch die Anerkennung einer gemeinsamen Rechtsordnung gewährt wird.1140 Jedenfalls handelt es sich bei solchen Überlegungen bestenfalls um verfassungstheoretische Überlegungen, nicht jedoch um normative Grundsätze, die eine Durchbrechung des Gleichheitsgrundsatzes rechtfertigen könnten. Der Verfassung lässt sich nun gerade nicht entnehmen, dass die politische Ordnung in verfassungsrechtlicher Hinsicht auf einer spezifisch christlichen Integrationsgrundlage beruht.1141 Das zeigt vor allem die unterschiedslose Gewährleistung der Religionsfreiheit in Art. 4 GG. Die Annahme eines Christentumvorbehalts der Verfassung bedeutete eine Beeinträchtigung des Gleichbehandlungsgebots und damit letztlich auch einen Eingriff in die Religionsfreiheit – soweit sie gleiche Freiheit gewährt. Eine solche Beeinträchtigung muss gerechtfertigt sein. Die Vertreter eines Christentumvorbehalts 1136 Böckenförde (1976), 60; ähnlich Josef von Eichendorff 1832 auf dem Hambacher Fest: „Keine Verfassung garantiert sich selbst.“, vgl. Kirchhof (2004). 1137 Böckenförde (1976), 61; vgl. Huster (2002), 201 f. Böckenförde relativiert inzwischen möglicherweise seine Forderung. Im Kopftuchstreit fordert er jedenfalls die gleiche Behandlung aller Religionen und damit keine unterschiedliche Behandlung von Kreuz und Kopftuch, vgl. Böckenförde (2001), 723 ff. 1138 Vgl. Britz (2000), 220; Langenfeld (2001), 370; Häberle (1975), 297 (303); Wallrabenstein (1999), 141. 1139 So aber wohl z. B. Böckenförde (1987), § 22 Rn. 63 f.; in diese Richtung Dreier (2006), Art. 20 Rn. 67; Obermayer (1971), Art. 140 Rn. 79; vgl. zur Darstellung dieser Positionen Britz (2000), 221; Huster (2002), 199; gegen Homogenitätsforderungen u. a. Habermas (1998), 113; Oberndörfer (1989), 3 ff. 1140 So Britz (2000), 220; Lucke (1996), 221 ff.; vgl. zur Notwendigkeit der Rechtsakzeptanz für die Geltung des Rechts Kötter (2003), 36 f. 1141 Huster (2002), 217.
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der Verfassung tragen die Beweislast. Ein Hinweis auf die christlichen Wurzeln der deutschen Verfassung genügt dieser Beweislast nicht.1142 Eine Durchbrechung des Gleichheitsgrundsatzes zugunsten des Christentums lässt das Grundgesetz also nicht zu.1143 Eine Privilegierung des Christentums kann auch nicht auf entsprechende Vorschriften der Landesverfassungen gestützt werden.1144 Dagegen begründete der baden-württembergische Gesetzgeber die Ausnahme christlicher Darstellungen von dem Verbot religiöser Bekundungen durch Lehrerinnen an öffentlichen Schulen in § 38 II BWSchG mit dem Verweis auf die baden-württembergische Landesverfassung:1145 Art. 12 I bw LV legt fest, dass die Jugend u. a. in Ehrfurcht vor Gott und im Geiste christlicher Nächstenliebe zu erziehen ist. Art. 15 I bw LV schreibt vor, dass die öffentlichen Volksschulen die Schulform der christlichen Gemeinschaftsschule haben. Art. 16 I bw LV führt aus, dass in christlichen Gemeinschaftsschulen die Kinder auf der Grundlage christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte erzogen werden. Die Länderverfassungen sind aber gemäß Art. 31 GG am Maßstab des Grundgesetzes auszulegen mit der Folge, dass die christlichen Bezüge der Länderverfassungen nur als Bezüge zum „Kulturchristentum“ ausgelegt werden können.1146 Christliche Traditionen und Wertüberlieferungen dürfen demnach in der Schule nur insoweit besonders berücksichtigt werden, als sie sich in Kultur „objektiviert“ haben.1147 b) Keine Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung wegen einer besonderen Konfliktträchtigkeit des Kopftuches Ein Verbot nur des Kopftuches, während andere religiöse Symbole erlaubt sind, kann gerechtfertigt sein, wenn nur das Kopftuch – anders als andere religiöse Symbole – Verfassungswerte beeinträchtigt. Zuvor ist gezeigt worden, dass eine Lehrerin durch ihr Kopftuch in Einzelfällen in die Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler eingreifen, den Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung nicht verwirklichen und den Schulfrieden gefährden kann. Ein Kopftuchverbot kann also zum Schutz dieser Verfassungsgüter gerechtfertigt sein. 1142
Huster (2002), 218. Ebenso u. a. HessStGH, NJW 1966, 31 (36); Häußler (1999), 32 und ders. (2000), 259 f.; Huster (1998), 120; ders. (2002), 16; 680, 13. These; Isak (1994), 205 f. 1144 So aber z. B. Engelken (2003), 1540. 1145 Vgl. BW LT-Drs. 13/2793, 7. 1146 Ebenso Sacksofsky (2003), 3301; Stock (2005), 97; missverständlich insoweit leider BVerfG, NJW 2003, 3111 (3114). 1147 Vgl. BVerfGE 41, 29 (52); kritisch gegenüber dieser Uminterpretation christlicher Verfassungsgehalte Debus (1998), 182 f. 1143
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Bisweilen wird behauptet, dass das Kopftuch größeres Konfliktpotential als christliche Symbole habe und deshalb ein ausschließliches Verbot des muslimisch motivierten Kopftuches gerechtfertigt sein könne.1148 So wertete die damalige baden-württembergische Kultusministerin Schavan Kreuz und Kippa nicht als Symbole kultureller Abgrenzung „weil niemand auf die Idee komme, einen Mann oder eine Frau zu zwingen, ein Kreuz oder eine Kippa zu tragen“.1149 Nachdem das VG Stuttgart im Juli 2006 entschieden hatte, dass die Schulbehörde einer Lehrerin in Baden-Württemberg nicht verbieten könne, mit Kopftuch zu unterrichten, weil in demselben Land Nonnen mit Habit unterrichten,1150 erklärte die nun als Bundesbildungsministerin amtierende Schavan, das Kopftuch sei nicht als religiöses Kleidungsstück, sondern aufgrund seiner politischen Symbolik verboten worden.1151 Grundsätzlich ist zwar denkbar, dass das Kopftuch als Symbol konfliktträchtiger ist als ein Kreuz oder eine Kippa. Das ist allerdings keineswegs gewiss, denn der Streit um das Kreuz im Klassenraum zeigt, dass auch christliche Symbole durchaus nennenswerte Konflikte hervorrufen können.1152 Jedenfalls müssen die staatlichen Entscheidungsträger bei der Bewertung des Konfliktpotentials unterschiedlicher Religionsausübung strenge Gleichheit walten lassen. Auch hinsichtlich christlicher und jüdischer Symbole ist im Einzelfall zu prüfen, welche Verfassungswerte sie beeinträchtigen können. Zuvor ist gezeigt worden, dass von einem Kopftuch eine Werbewirkung ausgehen kann, die zu einer Fremdbestimmung bei der Glaubensbildung eines Schulkindes führen kann. Dieselbe Wirkung kann auch von einem Habit, einer Kippa oder anderen religiösen Symbolen ausgehen. Der staatliche Entscheidungsträger kann nicht dem Kopftuch die Bedeutung eines religiösen Symboles mit möglicher Werbewirkung zuschreiben, Habit und Kippa aber eine solche religiöse Bedeutung und Wirkung pauschal absprechen. Das Habit ist nicht nur historische Arbeitskleidung der Nonnen.1153 Nach der hier vertretenen Auffassung können Behörden
1148 Vgl. Engelken (2003), 1540; Isensee (2004), 11; Röper (2005), 85; Thüsing (2006), 228; in diese Richtung Kokott (2000), 356; einschränkend Kokott (2005), 357; Battis/Bultmann (2004). 1149 Vgl. Interview mit Schavan in: DIE ZEIT 16.7.1998; Füller (2004). 1150 VG Stuttgart, ZBR 2007, 135; siehe dazu Wißmann (2007), 137 ff.; Bader (2006), 1333 ff. und Frenz (2007), 690 ff. 1151 Vgl. Interview mit Schavan in: Spiegel 10.7.2006; ebenso im Verfahren vor dem bayerischen Verfassungsgerichtshof aufgrund der Popularklage gegen Art. 59 II BayEUG die Regierungsvertreterin Ingeborg Berggreen-Merkel. Sie sagte, Bayern gehe es nicht um die religiöse Abstinenz des Staates, sondern nur um den Schutz vor einem vermeintlich fundamentalistischen Symbol, vgl. Rath (2006). 1152 Sydow (2004), 329. 1153 Das aber vertrat immer wieder die ehemalige baden-württembergische Bildungsministerin Annette Schavan, vgl. z. B. Hipp (2006); ebenso u. a. Röper (2005), 85.
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oder Gesetzgeber ein einseitiges Verbot des Kopftuches also nicht auf dessen behauptete besondere Konfliktträchtigkeit stützen. Sollten staatliche Entscheidungsträger dagegen das Kopftuch nicht wegen des religiösen Gehaltes, sondern wegen des politischen Gehaltes verbieten, so gilt Folgendes: Zuvor ist gezeigt worden, dass es nicht plausibel ist, das Kopftuch pauschal als Zeichen für Fundamentalismus und Abgrenzung zu verstehen.1154 Auf eine solche angenommene Bedeutung kann also ein Kopftuchverbot nicht gestützt werden. Wenn der Staat aber entgegen der hier vertretenen Ansicht das Kopftuch als politisches Symbol erachtet, dann muss er auch den politischen Gehalt des Habits prüfen. Die Ordenstracht könnte „als Ausdruck einer Haltung verstanden werden, die durch ein Leben in völliger Unterordnung unter das Regime einer totalen Institution, durch einen prononcierten Verzicht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und durch Abstinenz von jeglicher selbstbestimmten Partizipation am demokratischen Willenbildungsprozess gekennzeichnet ist“1155.
Demnach ist zumindest nicht auf den ersten Blick überzeugend, dass der jeweilige politische Gehalt von Kopftuch und Habit deren unterschiedliche Behandlung rechtfertigt. Ähnlich verhält es sich hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Aussage von Kopftuch und Habit. Zwar kann das Kopftuch als Zeichen für ein muslimisches Geschlechterverhältnis mit unterschiedlich zugewiesenen Rollen verstanden werden.1156 Dieser Aussagegehalt kann nach der hier vertretenen Ansicht jedoch kein Grund für eine generell-vorbeugende Ablehnung von Lehrerinnen mit Kopftuch sein.1157 Stützen Gesetzgeber oder Behörden dennoch ein Verbot des Kopftuches auf dessen geschlechtsspezifischen Aussagegehalt, so müssen sie auch den geschlechtsspezifischen Gehalt anderer religiöser Symbole wie Habit und Kreuz prüfen. Zuvor ist gezeigt worden, dass auch mit der christlichen Religion Geschlechtertrennung und männliche Dominanz verbunden ist.1158 Der frauendiskriminierende Gehalt christlicher Religion könnte auch dem Kreuz als Symbol zugeschrieben werden, da dieses als Zeichen für einen männlichen Erlöser gesehen wird. Ebenso könnte dieser frauendiskriminierende Gehalt dem Habit von Ordensfrauen als Symbol zugeschrieben werden, da die Verhüllung von Haaren und Hals bei Nonnen weitaus üblicher ist als bei Mönchen. Es 1154
Siehe oben S. 104. Kühling (2004), 139; dagegen aber Brummer (2004), 44: Das muslimisch motivierte Kopftuch habe – anders als das christlich motivierte Kopftuch – als politisches Symbol eine Geschichte. Von christlichen Nonnen sei nicht bekannt, dass sie je den Schleier als Attribut der Überlegenheit ihrer Religion gegenüber dem Staat betrachtet hätten. 1156 Siehe oben S. 98. 1157 Siehe oben S. 178. 1158 Siehe oben S. 176. 1155
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zeigt sich, dass zumindest nicht auf den ersten Blick überzeugend ist, dass der jeweilige geschlechtsspezifische Gehalt eine unterschiedliche Behandlung von Kopftuch einerseits und Habit und Kreuz andererseits rechtfertigen soll. Allen religiösen Symbolen und Kleidungsstücken wohnt demnach zumindest die Möglichkeit inne, in die Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen eingreifen zu können. Ein einseitiges Verbot nur eines bestimmten religiösen Symboles ist nicht gerechtfertigt. Sollte der Gesetzgeber dagegen nicht auf den religiösen, sondern den politischen und geschlechtsspezifischen Gehalt der religiös motivierten Symbole und Kleidungsstücke abstellen, so ist ein einseitiges Verbot des Kopftuches zwar denkbar. Es müsste aber sorgfältig begründet werden, dass christliche Symbole keinen Gehalt haben, der z. B. den Verfassungswert der Geschlechtergleichberechtigung in Frage stellt. Die Begründung in den reformierten Landesgesetzen rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung christlicher und muslimischer Symbole jedenfalls nicht.1159 Zu beachten ist zudem, dass ein einseitiges Verbot muslimischer Symbole rechtspolitisch nicht wünschenswert ist, weil es Gefahren für den gesellschaftlichen Frieden auslöst. Muslime und Musliminnen können es als ausgrenzend und diskriminierend empfinden.1160 Denkbar ist allenfalls, dass ein kleines als Kettenanhänger getragenes Kreuz, ebenso wie die als Kettenanhänger getragene Hand der Fatima, zu keiner religiösen Beeinflussung führen kann und ein Verbot auch im Einzelfall mithin unzulässig ist. II. Verbot der Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts, Art. 3 II 1 und III 1 GG 1. Anwendungsbereich Art. 3 II 1 und III 1 GG verbieten dem Staat, aufgrund des Geschlechts zu differenzieren bzw. zu diskriminieren.1161 Art. 3 II und III 1 GG statuieren demnach, dass Bewerberinnen für den Staatsdienst oder Beamtinnen wegen ihres Geschlechts hinsichtlich Zugang, Aufstieg und Arbeitsbedingungen kein Nachteil erwachsen darf. Art. 3 II GG erfasst unstrittig auch den Schutz vor mittelbaren Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts.1162 Der Staat darf durch seine Maßnahmen nicht höhere Belastungen von Frauen oder überkom1159
Siehe unten S. 282 zu Art. 59 II BayEUG und dessen Begründung. Vgl. Anger (2005), 65. 1161 Der dogmatische Gehalt von Art. 3 II und III 1 GG ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten; siehe oben S. 165 zu dem unterschiedlichen Verständnis von Art. 3 II und III 1 GG. 1162 BVerfGE 87, 234 (258); 85, 191 (207); 1 (42); Sacksofsky (1996), 387; Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 260. 1160
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mene Rollenverteilungen zu ihrem Nachteil festschreiben.1163 Das BVerfG hat auch aus Art. 3 III GG ein Verbot der mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gelesen. In der Literatur ist dagegen noch umstritten, ob Art. 3 III GG ein solches Verbot enthält.1164 2. Kopftuchverbot als Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts Verbietet der Staat seinen Staatsdienern nur das Tragen des Kopftuches – gesetzlich oder in der Verwaltungspraxis –, erlaubt aber das Tragen anderer religiöser Kleidung, behandelt er Männer und Frauen wegen ihres Geschlechtes ungleich. Diese Ungleichbehandlung ist mittelbar. Ein Kopftuchverbot trifft zwar auch Männer, de facto tragen aber nur Frauen aus religiösen Gründen Kopftücher. Ebenso könnte eine mittelbare Ungleichbehandlung vorliegen, wenn ein Gesetz Staatsdienern das Tragen jeglicher religiöser Kleidungsstücke im Dienst verbietet. Formal würde ein solches Gesetz zwar Männer und Frauen gleich betreffen. In der Wirkung könnte ein solches Gesetz aber Frauen häufiger betreffen. Das wäre der Fall, wenn Frauen viel häufiger als Männer von religiösen Vorschriften betroffen sind, die ihnen eine deutlich sichtbare religiös motivierte Erscheinung abverlangen. Hinsichtlich der weltweit existierenden Religionen lässt sich diese Voraussetzung empirisch nicht belegen. Zwar wird im Islam nur den Frauen ein Kleidungsstück, nämlich das Kopftuch, vorgeschrieben. Der Fes oder der Bart ist für muslimische Männer nicht verpflichtend. Auch bei Christen müssen Nonnen sich deutlich erkennbarer verhüllt zeigen als Mönche. Dagegen ist bei den Sikhs nur den Männern das Tragen des Turbans vorgeschrieben. Allerdings wirkt sich ein Verbot, im Dienst religiöse Kleidung zu tragen, gegenwärtig in Deutschland tatsächlich fast ausschließlich auf muslimische Frauen aus. Ein scheinbar neutral formuliertes Verbot, religiöse Kleidung zu tragen, würde deshalb faktisch Frauen weitaus häufiger als Männer treffen. Deshalb führt ein solches Verbot derzeit zu einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.1165
1163 Vgl. BVerfGE 85, 191 (207); 87, 1 (42); Sacksofsky (2002), Art. 3 II, III 1 Rn. 253. 1164 Zum Schutz vor mittelbarer Diskriminierung durch Art. 3 II, III GG siehe oben S. 222. 1165 Ebenso Britz (2003), 97 f.; Baer/Wrase (2003), 1163; Öztürk (2006), 294; unklar Michael (2003), 257. In Hessen hat die Landesanwältin Sacksofsky Klage gegen das reformierte Landesbeamtengesetz, das Beamtinnen verbietet, Kleidung zu tragen, die das Vertrauen in die Neutralität ihrer Amtsführung beeinträchtigt, vor dem hessischen Staatsgerichtshof erhoben. Sie stützt ihre Klage u. a. darauf, dass das Gesetz gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Mann und Frau verstoße, vgl. Hess-
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Ein Verbot, im öffentlichen Dienst religiöse Kleidung zu tragen, führt also zu einer mittelbaren Diskriminierung des Geschlechts, weil ein solches Verbot gegenwärtig weitaus mehr Frauen als Männer trifft. Der Schutz vor Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts tritt neben den Schutz vor Ungleichbehandlungen wegen der Religionszugehörigkeit. 3. Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung Eine an das Geschlecht anknüpfende differenzierende Regelung kann gerechtfertigt werden, wenn sie zur Lösung von Problemen zwingend erforderlich ist, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können.1166 Ebenso kann sie durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt werden. „Wesentliche Unterschiede in den zu regelnden Lebenssachverhalten“1167 sind jedoch kein Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung nach Art. 3 II und III 1 GG. Demnach wird das traditionelle Rollenverständnis auch dadurch, dass es vielfach noch gelebt wird, nicht zum hinreichend geschlechtsspezifischen Merkmal, das eine zwischen den Geschlechtern differenzierende Regelung rechtfertigen kann.1168 Das muss bei staatlichen Entscheidungen über Kleidung und Haartracht der Beamtinnen auch hinsichtlich geschlechtsspezifischer Kleidung gelten. Dagegen sah das BVerwG keinen Verstoß gegen Art. 3 II und III 1 GG darin, dass Sanitätssoldatinnen, nicht aber Sanitätssoldaten lange Haare tragen durften. Diese Regelung sei im „Sinne des Gleichheitssatzes, orientiert am Gerechtigkeitsgedanken“ nicht „schlechterdings unvertretbar“, weil „Frauen das Tragen langer Haare als besonderen Ausdruck von Weiblichkeit empfänden“.1169 Diese Entscheidung kann nicht überzeugen. Die freie Wahl der Kleidung ist ein Aspekt der Freiheit, eine Rolle unabhängig vom Geschlecht zu wählen.1170 StGH, Urt. v. 10.12.2007, Az. P.St. 2016. A. A. Battis/Bultmann (2004), 10 Fn. 24; Heinig/Morlok (2003), 784 Fn. 79. 1166 BVerfGE 92, 91 (109); 85, 191 (207). 1167 BVerfGE 85, 191 (208 ff.). 1168 Sacksofsky (1996), 389. 1169 BVerwG, NJW 1994, 2632 (2633). Ebenso sahen BVerfG, BayVBl. 1991, 271 (272) und BVerwG, NJW 1990, 2266 (2267 f.) – vor der Nachtarbeitsentscheidung des BVerfG – in dem Ohrringverbot für männliche Zollbeamte nur eine vergleichsweise unbeträchtliche Differenzierung in Hinblick auf Art. 3 II, III GG, weil bei Männern und Frauen die Gewohnheit, Schmuck zu tragen, unterschiedlich ausgeprägt sei. Diesen Entscheidungen gegenüber kritisch Sachs (1984), 139; ders. (2000), § 126 Rn. 57. Zu Recht sah dagegen der BayVGH, NVwZ 1986, 405 (406) in dem an männliche Lehrer gerichteten Verbot, rote Sanyasin-Kleidung zu tragen, keine Verletzung des Gleichheitsgebotes: Das Verbot könne auch gegenüber Frauen ergehen. Zwar sei bei diesen farbige Kleidung wesentlich verbreiteter als bei Männer. Aber auch Frauen würden, wenn sie ausschließlich in Rottönen gekleidet sind, als Sanyasin gekennzeichnet. 1170 Wohl einschränkend Sacksofsky (1996), 416. Sie nimmt an, dass es nicht den unabdingbaren Menschenwürdekern des Gleichheitsrechts betreffe, wenn bei Toiletten
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§ 3 Zulässigkeit einer verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
Eine in einem Kopftuchverbot liegende mittelbare Diskriminierung kann demnach nicht mit dem Verweis gerechtfertigt werden, dass aus dem Koran nur Kopftuchpflichten für Frauen zu lesen sind oder dass nur Frauen das Kopftuch tragen.1171 Gerechtfertigt werden kann eine in dem Kopftuchverbot liegende mittelbare Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts nur, wenn die Lehrerin im Einzelfall mit dem Tragen eines Kopftuches die Emanzipation muslimischer Schülerinnen behindert,1172 den staatlichen Schulauftrag gefährdet1173 oder in die Religionsfreiheit der Schulkinder eingreift.1174 III. Verbot der Ungleichbehandlung wegen der politischen Aussage, Art. 3 III 1 GG 1. Anwendungsbereich und Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung Das Verbot der Ungleichbehandlung wegen der politischen Aussage aus Art. 3 III 1 GG richtete sich historisch maßgeblich gegen Parteienpatronage.1175 Das BVerfG lässt das Haben einer politischen Anschauung von Art. 3 III 1 GG, das Äußern und Betätigen dagegen von den einzelnen Freiheitsrechten geschützt sein. Die Freiheitsrechte hätten nämlich eigene Schranken, die nicht aufrechterhalten und vom Gesetzgeber realisiert werden könnten, wenn Art. 3 III GG einoder Bekleidungsvorschriften nach dem Geschlecht differenziert werde. So sei „oben ohne“ in der Öffentlichkeit nur Männern gestattet. Der unabdingbare Menschenwürdekern sei erst dann betroffen, wenn eine Differenzierung nach dem Geschlecht Menschen abwerte, ausgrenze oder stigmatisiere. 1171 So aber letztlich Quambusch (2003), 225 mit folgender Begründung: „Zwingend erforderlich ist hier die Ungleichbehandlung der Geschlechter schon deshalb, weil der Weg, sexuelle Attraktivität über die Betonung körperlicher Schlüsselreize zu suchen, von Männern nicht oder doch nicht mit annähernd vergleichbarer Effizienz bestritten wird.“; auch der BayVGH, Bschl. v. 23.3.2000, Amtl. Umdr., S. 14, sah in dem Fall des Kopftuchzwangs auf Passbildern für iranische Asylbewerberinnen keine Verletzung von Art. 3 II 1 und III 1 GG: Diese Vorschriften seien nicht dadurch verletzt, dass das Anlegen des Kopftuches nur von Frauen und nicht von Männern verlangt werde. Die Stadt Nürnberg differenziere mit ihrer Maßnahme nicht diskriminierend zwischen Männern und Frauen, sondern knüpfe lediglich an die Tatsache an, dass der Iran von Frauen, aber nicht von Männern ein Passbild mit Kopftuch verlange. 1172 Siehe oben S. 178. Vgl. zu Art. 3 II 2 GG als Rechtfertigungsgrund für Ungleichbehandlungen aufgrund des Geschlechts auch BVerfGE 92, 91 (109); 85, 191 (209); Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 265 f. 1173 Siehe oben S. 183. 1174 In diesem Sinne verneinte der EGMR, NJW 2001, 2871 (2873) im Fall Dahlab, dass ein Verbot, das Kopftuch im Schuldienst zu tragen, einen Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts, Art. 14 EMRK, bedeute. Das Verbot, bei der beruflichen Tätigkeit ein Kopftuch zu tragen, ziele nicht auf die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht, sondern verfolge das berechtigte Ziel der Achtung der Neutralität des Grundschulunterrichts. 1175 Vgl. Sachs (1994), 137.
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schlägig wäre.1176 Eine solche Begrenzung des Merkmals „politische Anschauung“ kann aber nicht überzeugen. Das Diskriminierungsverbot kann nur wirksam werden, wenn es nicht nur die innerliche Einstellung, sondern gerade auch deren Äußerung erfasst.1177 Eine Ungleichbehandlung kann durch kollidierende Verfassungswerte gerechtfertigt werden. 2. Kopftuchverbot als Ungleichbehandlung wegen der politischen Aussage Wenn die Lehrerin das Kopftuch ausschließlich oder überwiegend aus politischen Gründen, z. B. als Symbol für die Forderung nach einer Theokratie, trägt, so kann ein Kopftuchverbot in diesem Fall zu einer Ungleichbehandlung wegen der politischen Aussage führen. Diese Ungleichbehandlung könnte aber durch Art. 33 V GG i. V. mit dem hergebrachten Grundsatz der Treuepflicht gerechtfertigt werden. IV. Verbot der Ungleichbehandlung wegen der ethnischen Herkunft, Art. 3 III 1 GG 1. Anwendungsbereich und Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung Art. 3 III 1 GG schützt vor der Ungleichbehandlung wegen der Abstammung, Rasse und Herkunft. Abstammung i. S. des Art. 3 III 1 GG meint die „natürliche biologische Beziehung eines Menschen zu seinen Vorfahren“1178, also den Umstand, dass jemand Abkömmling einer bestimmten Vorfahrenreihe ist. Ein Beispiel für den Anwendungsbereich dieses Diskriminierungsverbots ist „Sippenhaft“.1179 Das Merkmal der „Rasse“ bezieht sich auf Gruppen mit bestimmten, wirklich oder vermeintlich biologisch vererbbaren Merkmalen. Erfasst ist der Diskriminierungsschutz wegen der „Rassenzugehörigkeit“ z. B. von Farbigen, Mischlingen, Juden, Sinti und Roma.1180 Bei der Normierung der Merk1176
BVerfGE 39, 334 (368). Sondervotum Simon, BVerfGE 63, 266 (304) – die Mehrheitsmeinung behandelt diesen Punkt nicht; Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 303; Sachs (2000), § 126 Rn. 50 m. Fn. 141; Sacksofsky (2002), Art. 3 II, III 1 Rn. 329; Jarass/Pieroth (2004), Art. 3 Rn. 115. 1178 BVerfGE 9, 124 (128). 1179 Vgl. Starck (2005), Art. 3 Rn. 385. 1180 Jarass/Pieroth (2004), Art. 3 Rn. 110. Zum Teil wird der Diskriminierungsschutz wegen dieser Zugehörigkeiten auch an das Merkmal Abstammung angeknüpft, vgl. Jarass/Pieroth (2004), Art. 3 Rn. 110. Das Merkmal Rasse wurde vom BVerfG bisher nur einmal im Hinblick auf die Ausbürgerung von Juden während des nationalsozialistischen Regimes angewandt, BVerfGE 23, 98 (106); Sacksofsky (2002), Art. 3 II, III 1 Rn. 320. 1177
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male Herkunft und Heimat wurde an die soziale Herkunft und besonders an die Vertriebenen gedacht. Entsprechend versteht das BVerfG unter Herkunft die „ständisch soziale Abstammung und Verwurzelung“1181, unter Heimat die emotionale Beziehung zu einem räumlich prägenden Ort bzw. die „örtliche Herkunft nach Geburt oder Ansässigkeit“.1182 Entscheidend ist die persönlichkeitsprägende Bedeutung der örtlichen Umgebung während Kindheit und Jugend, die zur diskriminierungsträchtigen „Fremdheit“ in anderer Umgebung führt.1183 Die Merkmale Abstammung, Rasse, Heimat und Herkunft schützen demnach auch vor Diskriminierung wegen nichtdeutscher, also ethnischer Herkunft. Der Begriff der „ethnischen Herkunft“ ist dem Begriff der „Rasse“ aufgrund dessen problematischer Verwendung während des Nationalsozialismus vorzuziehen.1184 Der Begriff der „ethnischen Herkunft“ soll – wegen der ohnehin in diesem Bereich vorhandenen Überlagerung des Verfassungsrechts durch EG-Recht – EGrechtlich ausgelegt werden. Er umfasst damit die Kriterien Rasse, Hautfarbe, Abstammung, nationaler Ursprung und Volkstum i. S. des ethnischen Ursprungs.1185 Ungleichbehandlungen wegen der ethnischen Herkunft können durch kollidierende Verfassungsgüter gerechtfertigt werden. 2. Kopftuchverbot als Ungleichbehandlung wegen der ethnischen Herkunft Das Verbot, religiöse Kleidung zu tragen, trifft vor allem Frauen, die eine nichtdeutsche, also ethnische Herkunft haben.1186 Das Kopftuchverbot führt nicht zu einer unmittelbaren Ungleichbehandlung, weil es nicht unmittelbar an die nichtdeutsche Herkunft anknüpft.1187 Eine mittelbare Betroffenheit der genannten Merkmale – die von Art. 3 III GG erfasst ist1188 – könnte angenommen werden, wenn sich nachweisen ließe, dass Personen mit einem Migrationshintergrund besonders häufig von religiös-weltanschaulichen Bekleidungsverboten betroffen sind. Die Rechtsprechung hat diesbezüglich in den Kopftuchfällen bislang keinen Unterschied gemacht. Iyman Alzayed und Doris Graber, die in 1181
BVerfGE 48, 281 (287 f.); 5, 17 (22). BVerfGE 5, 17 (22); 17, 199 (203); 23, 258 (262). 1183 Osterloh (2003), Art. 3 Rn. 295. 1184 Vgl. BT-Drs. 16/1780, 30 f. 1185 Vgl. BT-Drs. 16/1780, 31 f. 1186 Zum Begriff der ethnischen Herkunft vgl. die Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/43/EG und BT-Drs. 16/1780, 31. 1187 Die Tatsache, dass nur Deutsche und EU-Bürgerinnen Beamtinnen werden können, begründet keinen Diskriminierungstatbestand. Staatsangehörigkeit wird nicht von den Begriffen „Heimat“ und „Herkunft“ erfasst, vgl. BVerfGE 51, 1 (30). 1188 Siehe oben S. 222. 1182
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Niedersachsen und Baden-Württemberg von einem Kopftuchverbot betroffenen Lehrinnen, sind z. B. konvertierte Musliminnen deutscher Herkunft. Allerdings ist die Zahl der Musliminnen, die in die Bundesrepublik migriert sind, wesentlich höher als die Zahl der zum Islam konvertierten Deutschen, so dass eine mittelbare Betroffenheit des Merkmals „ethnische Herkunft“ angenommen werden kann.1189 Diese mittelbare Diskriminierung kann aber durch die hier aufgezeigten Schranken – u. a. die Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler sowie durch den Schulfrieden – gerechtfertigt werden. V. Zwischenergebnis Die Diskriminierungsverbote des Art. 3 II, III 1 und Art. 33 III GG schützen vor unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung. Sie statuieren keine strikten Anknüpfungsverbote. Verbietet der Staat grundsätzlich das Tragen religiöser Kleidung im Lehramtsdienst, knüpft er unmittelbar an die Religionsausübung „Tragen religiöser Kleidung“ an. Darin liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung der religiös geprägten Lehrerinnen. Ein grundsätzliches Verbot, religiöse Kleidung im Lehramtsdienst zu tragen, führt zugleich zu einer mittelbaren Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts, weil ein solches Verbot gegenwärtig weitaus mehr Frauen als Männer trifft. Eine mittelbare Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft liegt vor, weil das Verbot vor allem Personen mit Migrationshintergrund betrifft. Eine Ungleichbehandlung der Lehrerin wegen der Religion, des Geschlechts oder der ethnischen Herkunft kann durch die kollidierenden Verfassungswerte Religionsfreiheit der Schulkinder, Elternrecht, Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung und Schulfrieden gerechtfertigt werden. Verbietet der Staat verbeamteten Lehrerinnen nur das Tragen des Kopftuches, erlaubt ihnen aber, andere religiöse Kleidungsstücke und Symbole zu tragen, diskriminiert er muslimische Lehrerinnen unmittelbar wegen der Religionszugehörigkeit. Diese Maßnahme kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält. Das Grundgesetz lässt keine Durchbrechung des Gleichheitsgrundsatzes zugunsten des Christentums zu. Die unterschiedliche Behandlung unterschiedlicher religiöser Kleidungsstücke und Symbole könnte zwar gerechtfertigt sein, wenn nur bestimmte religiöse Symbole Verfassungsgüter verletzen. Da aber jedem religiösen Symbol, das eine Lehrkraft trägt, zumindest die Möglichkeit innewohnt, auf Schüler und Schüle1189 Unter den in Deutschland mit Kopftuch unterrichtenden Lehrerinnen sind einige Konvertitinnen, z. B. Doris Graber in Baden-Württemberg, Ulrike Thoenes in Nordrhein-Westfalen. Laskowski/Dietrich (2002), 277 nehmen eine Ungleichbehandlung wegen der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe an.
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rinnen eine unzulässige religiöse Werbewirkung auszuüben, kann es immer zumindest zu einem Eingriff in die Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler führen. Der Gleichheitsschutz, den die Lehrerin wegen des Kopftuchtragens in Anspruch nehmen kann, tritt neben den Schutz, den ihr die Religionsfreiheit gewährt.
§ 4 Verfassungsrechtliche Bewertung der Zulässigkeit einer (noch) nicht verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch A. Bewerberin für das verbeamtete Lehramt Für die Einstellung einer Frau in das verbeamtete Lehramt gelten im Wesentlichen dieselben rechtlichen Maßstäbe wie für die Beurteilung, ob eine verbeamtete Lehrerin mit Kopftuch unterrichten darf. Einige Vorschriften und rechtliche Fragen erlangen allerdings für die Einstellung einer Bewerberin in das verbeamtete Lehramt besondere Bedeutung. So regeln Art. 33 II GG und die Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG den Zugang zum Lehramtsdienst. Zu klären ist, ob die übrigen Grundrechte für die Beamtendienstbewerberinnen unmittelbar gelten und ob der Dienstherr das Kopftuch im Einzelfall präventiv verbieten kann. Diesen Aspekten soll im Folgenden nachgegangen werden. I. Schutz des Rechts auf gleichen Zugang zum öffentlichen Dienst 1. Schutzbereich Eine Frau mit Kopftuch, die sich für den Lehramtsdienst bewirbt, kann sich auf Art. 33 II GG berufen. Art. 33 II GG gewährleistet jedem und jeder Deutschen1 das Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt – je nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Art. 33 II GG ist ein grundrechtsgleiches Recht. Die Vorschrift gewährt gleichen und freien Zugang zu allen öffentlichen Ämtern.2 2. Schranken Art. 33 II GG enthält zugleich ein objektives Verfassungsprinzip, das Schranke des Grundrechts der Bewerberin aus Art. 33 II GG ist.3 Um das öffentliche Interesse an einer dem Leistungsprinzip verpflichteten funktionstüchtigen Verwaltung zu schützen, stellt Art. 33 II GG Anforderungen an Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerberin. Ein Kopftuch stellt die Be1
Zum Zugang von EG-Ausländern zum Beamtendienst vgl. Rieckhoff (1993), 138. Vgl. Battis (2003), Art. 33 Rn. 19. 3 Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3111); Battis (2003), Art. 33 Rn. 19; Lanzerath (2003), 219. 2
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fähigung und fachliche Leistung der Bewerberin für das Lehramt nicht in Frage. In Frage gestellt wird durch das Kopftuch jedoch u. U. die Eignung im engeren Sinne für den Lehramtsdienst. Eignung im engeren Sinn meint u. a. die berechtigte Erwartung, die Bewerberin werde alle dienstlichen und außerdienstlichen Pflichten aus dem Beamtenverhältnis erfüllen.4 Für die Bestimmung dieser Pflichten kommt es auf das konkrete Amt an. Die Pflichten einer verbeamteten Lehrerin ergeben sich aus den Grundrechten der Schülerinnen und Schüler, aus dem Gebot zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung, dem Schulauftrag und den hergebrachten Grundsätzen des Beamtentums. Insoweit können Art. 33 II i. V. mit Art. 4, Art. 3 II 2 GG, Art. 7 und Art. 33 IV und V GG Schranke von Art. 33 II GG sein. Bei der Überprüfung der Eignung ist der Dienstherr an die Differenzierungsverbote des Art. 3 II, III und Art. 33 III GG gebunden. Art. 33 III GG ist bzgl. der Beachtung des religiösen Bekenntnisses bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst spezieller als Art. 33 II GG, ohne diesen aber zu verdrängen.5 Art. 3 II und III GG ist neben Art. 33 II GG anwendbar.6 Das religiöse Bekenntnis darf kein Eignungsmerkmal sein. Sofern der Dienstherr eine Frau wegen ihres Kopftuches nicht in den Lehramtsdienst einstellt, knüpft er damit an die Religionsausübung der Lehrerin an. Dieses Vorgehen ist deshalb an Art. 33 III GG zu messen. Ein solches Anknüpfen kann aber im Rekurs auf die Grundrechte der Schulkinder, das Gebot zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung, den Schulauftrag und die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gerechtfertigt werden.7 3. Vorbeugendes Kopftuchverbot im Einzelfall Der Dienstherr kann die Lehramtsbewerberin wegen des Kopftuches ablehnen, wenn er die berechtigte Erwartung hat, die Bewerberin werde ihre dienstlichen und außerdienstlichen Pflichten aus dem Beamtenverhältnis nicht erfüllen.8 Ihm steht insoweit eine Entscheidungsprognose zu, die von den Gerichten nur begrenzt überprüfbar ist.9 Die Nachprüfung der subjektiven Sicht des Dienstherrn durch die Fachgerichte soll sich im Wesentlichen darauf beschränken zu prüfen, ob der Dienstherr von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei, den beamten- und verfassungsrechtlichen Rahmen verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt 4 5
Vgl. BVerwGE 81, 369; Battis (2003), Art. 33 Rn. 28. Battis (2003), Art. 33 Rn. 42; Pieroth/Schlink (2005), Rn. 477; Sachs (1994),
135. 6 7 8 9
A. A. Isensee (1995), 1545 Rn. 40: Ausschluss von Art. 3 III durch Art. 33 II GG. Siehe oben S. 227. Vgl. Battis (2003), Art. 33 Rn. 28; ders./Bultmann (2004), 8. Vgl. VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2900).
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habe.10 Demgegenüber ist einzuwenden, dass die Geltung der Grundrechte im Beamtenverhältnis eine Einschränkung des Einschätzungsspielraums verlangt.11 Es reicht nicht aus, dass die Schulbehörde einen drohenden Pflichtverstoß in nachvollziehbarer Weise annimmt12, vielmehr muss der Dienstherr konkrete und sichere Anhaltspunkte für den angenommenen Pflichtverstoß anführen. Grundlage für die Beurteilung der Eignung ist vor allem das Vorstellungsgespräch. In diesem Gespräch muss der Dienstherr zunächst überprüfen, ob das Kopftuch der Bewerberin überhaupt auf die muslimische Religionszugehörigkeit der Trägerin verweist. Von der grundsätzlichen Annahme, das Kopftuch habe eine religiöse Bedeutung, kann der Dienstherr abweichen, wenn die Frau das Kopftuch offensichtlich nur trägt, um z. B. einen krankheitsbedingten Haarausfall zu verhüllen.13 Wenn der Dienstherr mangels entgegenstehender Umstände von der religiösen Bedeutung des Kopftuches ausgehen kann, muss er sodann nachweisen, dass Konflikte wegen des Kopftuches mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind.14 Weist er darüber hinaus nach, dass sich ihm keine andere Möglichkeit bietet, den Konflikt zu lösen, außer die Lehrerin anzuweisen, das Kopftuch abzunehmen, und gibt die Bewerberin im Vorstellungsgespräch an, das Kopftuch unter keinen Umständen abnehmen zu wollen, kann er die Bewerberin wegen des Kopftuches ablehnen.15 In diesem Fall fehlt der Bewerberin die Eignung für das Lehramt. II. Schutz der Berufswahlfreiheit Die Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 I GG schützt das Recht, einen angestrebten Beruf frei wählen zu können.16 Wird einer Muslimin wegen ihres Kopftuches die Berufsaufnahme verwehrt, so ist sie in ihrer freien Berufswahl beschränkt. Zuvor ist gezeigt worden, dass Art. 12 I GG auch für staatliche Berufe gilt, jedoch inhaltlich von Art. 33 II GG modizifiert wird. So verändert sich die freie Berufswahl in einen Anspruch auf gleichberechtigten Zugang zu den infolge staatlicher Organisationsgewalt nur beschränkt vorhandenen öffent10 Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3119); BVerfGE 39, 334 (354); BVerwGE 86, 244 (246); 68, 109 (110); 61, 176 (186); 21, 127; Battis (1998), 530. 11 In dem vergleichbaren Fall des Beurteilungsspielraums bei Prüfungsentscheidungen schränkte das BVerfG den Beurteilungsspielraum der Prüfungsbehörde zugunsten der Geltung von Art. 12 I GG ein, vgl. BVerfGE 84, 34 und 59 (juristische und medizinische Staatsprüfung); BVerwGE 99, 74 (juristische Staatsprüfung). Vgl. zur Kritik an dem Einschätzungsspielraum des Dienstherrn bei der Prüfung der Verfassungstreue des Bewerbers Schlink (1976), 365. 12 So aber die Mindermeinung im Ludin-Urteil – BVerfG, NJW 2003, 3111 (3119). 13 Siehe oben S. 104. 14 Siehe oben S. 139. 15 Ebenso Heinig/Morlok (2003), 785. 16 Vgl. Jarass/Pieroth (2004), Art. 12 Rn. 8.
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lichen Ämtern nach Maßgabe des Art. 33 II GG.17 Die Berufswahlfreiheit steht nach Art. 12 I 2 GG unter einfachem Gesetzesvorbehalt. Welche Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes zu stellen sind, richtet sich nach der Stufentheorie. Die an die Bewerberin gerichtete Erwartung, dass sie ihre Dienstpflichten erfüllen muss, ist subjektive Zulassungsschranke i. S. der Stufentheorie.18 Subjektive Berufswahlbeschränkungen sind zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter zulässig.19 Zum Schutz der Grundrechte der Schulkinder und Eltern ist es deshalb zulässig, bei der Einstellungsentscheidung für den verbeamteten Lehrdienst auf die Erwartung abzustellen, ob die Bewerberin ihre Dienstpflichten erfüllen wird. III. Schutz der Religionsfreiheit und sonstiger Grundrechte Für bereits ernannte Beamtinnen gelten die Grundrechte unmittelbar. Für die Beamtendienstbewerberinnen ist dagegen umstritten, ob die Grundrechte unmittelbar20 oder nur im Rahmen von Art. 33 II GG gelten.21 Das BVerfG bleibt im Ludin-Urteil bzgl. des Verhältnisses von Art. 33 II und Art. 4 I und II GG unklar:22 Der Zweite Senat des BVerfG ging im Ludin-Urteil zunächst von einem Verstoß „gegen Art. 33 II i. V. mit Art. 4 I und II GG “ aus.23 Er klassifizierte aber zugleich die Pflicht, als „Lehrer die eigene Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft in Schule und Unterricht nicht durch das Befolgen von religiös begründeten Bekleidungsregeln sichtbar werden zu lassen“, als Eingriff in Art. 4 I und II GG. Sie stelle den Betroffenen vor die Wahl, entweder das angestrebte öffentliche Amt auszuüben oder dem von ihm als verpflichtend angesehenen religiösen Bekleidungsgebot Folge zu leisten.24 Für eine Geltung des Art. 4 GG „im Rahmen“ von Art. 33 II GG spricht, dass Art. 4 GG anders als Art. 33 II GG keinen Anspruch auf gleichen Zugang zum Beamtendienst gewährt. Vielmehr muss der Staat „im Rahmen“ des Beamtentums auch die Grundrechte der Beamten beachten. Überzeugender ist es aber, eine unmittelbare Geltung von 17 BVerfGE 7, 377 (397 f.); vgl. auch Cremer/Kelm (1997a), 834; dies., NJ (1997), 566; Pieroth/Schlink (2005), 817; Tettinger (2003), Art. 12 Rn. 44. 18 Vgl. Cremer/Klein, NJ (1997), 566; Tettinger (2003), Art. 12 Rn. 44. 19 BVerfGE 73, 301 (316 ff.); 69, 209 (218); 59, 302 (316); 13, 97 (107). 20 So Lanzerath (2003), 219 ff.; Debus (1999), 432; Cremer/Kelm (1997a), 836; Röger (1995), 473. 21 So F. Kirchhof als Prozessvertreter BW in der mündlichen Verhandlung im Fall Ludin vor dem BVerfG. Er sah Art. 4 I und II GG in Art. 33 II GG „eingekeilt“. 22 Häußler (2004), 7 liest dagegen aus dem Urteil eine Prüfung von Art. 4 GG im Rahmen von Art. 33 II GG. Insofern verfahre der zweite Senat genauso wie der erste Senat im Schächturteil, der die Religionsfreiheit des türkisch-muslimischen Beschwerdeführers in Art. 2 I GG (der Berufswahlfreiheit des Ausländers) geprüft hatte. 23 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3111); vgl. Rux 2004, 15. 24 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3112).
A. Bewerberin für das verbeamtete Lehramt
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Art. 4 GG für Beamtendienstbewerberinnen anzunehmen. Art. 4 GG gewährt die Ausübung der Religionsfreiheit auch im staatlichen Bereich und die Anforderungen des Art. 33 II GG können den Grundrechtsträger in seiner Religionsausübung beschränken. Für einen direkten Rekurs auf Art. 4 I und II GG spricht zudem die dadurch mögliche Klarstellung, dass Religionsfreiheit für Beamte und Beamtinnen, Beamtenbewerber und –bewerberinnen gilt. Das übersieht z. B. die Mindermeinung im Fall Ludin, die davon ausgeht, dass eine Eignungsbeurteilung im Rahmen der Begründung eines Beamtenverhältnisses nicht mit einem Eingriff in die Freiheitssphäre des Art. 4 I GG verwechselt werden dürfe.25 Irreführend ist auch, wenn Ferdinand Kirchhof als Vertreter Baden-Württembergs in der mündlichen Verhandlung vor dem BVerfG sagt, Ludin „bediene“ sich der Schule, um ihre Religionsfreiheit durchzusetzen.26 Die Religionsfreiheit gilt für den Zugang zum Beamtendienst in zweifacher Weise: Erstens darf der Zugang zum öffentlichen Dienst nicht von einem religiösen Bekenntnis abhängig gemacht werden (Art. 33 III GG). Zweitens muss bei der Eignungsprüfung, innerhalb derer darauf abgestellt wird, ob die Bewerberin erwarten lässt, die ihr obliegenden dienstlichen Pflichten zu erfüllen, berücksichtigt werden, dass eben die Erfüllung dieser Pflichten die Religionsfreiheit der sich im Dienst befindlichen Staatsdienerin nicht verletzen darf.27 Abschließend lässt sich festhalten, dass die Religionsfreiheit sowie andere Grundrechte für Beamtendienstbewerberinnen unmittelbar gelten. IV. Zwischenergebnis Eine Frau mit Kopftuch, die sich für den Lehramtsdienst bewirbt, kann sich auf Art. 33 II GG, die Berufswahlfreiheit aus Art. 12 I GG, die Religionsfreiheit und ggf. andere Freiheitsrechte berufen. Die Religionsfreiheit sowie andere Grundrechte gelten für die Lehramtsbewerberin unmittelbar. Ihr Recht aus Art. 33 II GG ist nur in den Schranken des Art. 33 II GG gewährt. Ihr Kopftuch kann die Eignung der Bewerberin für den Lehramtsdienst in Frage stellen. Die Pflichten einer verbeamteten Lehrerin ergeben sich aus den Grundrechten der Schüler und Schülerinnen, aus dem Gebot zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung, dem Schulauftrag und den hergebrachten Grundsätzen des Beamtentums. Die Eignung der Bewerberin steht demnach in Frage, wenn ihr Kopftuch eine religiöse Bedeutung hat, Konflikte wegen des Kopftuches, die nicht zu lösen sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind und die Bewerberin im Vorstellungsgespräch angibt, unter keinen Umständen das Kopftuch abnehmen zu wollen. Ebenso können die Berufswahlfreiheit, die Religionsfrei25 26 27
Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3117 f.). Vgl. Müller (2003). Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3112).
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§ 4 Zulässigkeit einer nicht verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
heit und ggf. andere Freiheitsrechte der Lehramtsbewerberin eingeschränkt werden, wenn sie nicht die Erwartung erfüllt, dass sie ihre Dienstpflichten erfüllen wird.
B. Angestellte Lehrerin im öffentlichen Dienst Lehrerinnen können sowohl im Beamten- als auch im Angestelltenverhältnis im öffentlichen Dienst tätig sein.28 Das BVerfG hat sich in seinem KopftuchUrteil 2003 aber nur mit dem Beamtenrecht beschäftigt, so dass die Bindungswirkung der Entscheidung gemäß § 31 BVerfG das Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes nicht erfasst.29 Die rechtliche Beurteilung einer angestellten Lehrerin mit Kopftuch im öffentlichen Dienst entspricht aber überwiegend der Beurteilung einer verbeamteten Lehrerin. Unterschiede ergeben sich vor allem daraus, dass die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums für angestellte Lehrerinnen nicht gelten. Die sich daraus im Einzelnen ergebenen Auswirkungen sollen im Folgenden aufgezeigt werden. I. Grundrechtsschutz Angestellte im öffentlichen Dienst können sich nur mittelbar auf die Grundrechte berufen. Die Begründung des Arbeitsverhältnisses erfolgt durch privatrechtlichen Vertrag und ist kein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis. Durch die Drittwirkung der Grundrechte im Arbeitsrecht wirken diese aber auf das zwischen dem Staat und seinen Angestellten bestehende Arbeitsverhältnis ein.30 Eine Frau mit Kopftuch, die sich für eine Lehramtsstelle im Angestelltenverhältnis bewirbt, kann sich aber unmittelbar auf Art. 33 II GG berufen. Der Begriff des öffentlichen Amtes in Art. 33 II GG umfasst auch die Angestellten im öffentlichen Dienst.31 II. Schranken der Grundrechte und Abwägung Angestellte Lehrerinnen sind ebenso wie verbeamtete Lehrerinnen verpflichtet, bei der Ausübung ihres Dienstes die Grundrechte der Schulkinder und Eltern zu schützen, den Schulauftrag zu erfüllen und Geschlechtergleichberechti28 Vgl. zum Streit darüber, ob Art. 33 IV GG eine Verbeamtungspflicht für Lehrerinnen vorsieht, vgl. BVerwGE 47, 330 (343); Rieckhoff (1993), 41; Summer (1993), 98 Anm. 8; Schnellenbach (2005), Rn. 32; vgl. auch EuGH Rs. 66/85 v. 3.7.1986; Slg. 1986, S. 2121 (Lawrie Blum). 29 Vgl. Adam (2004), 453; Engelken, BayVBl. 2004, 97 (98 Fn. 8). 30 Minz/Conze (1993), Rn. 265; Wind/Schimana/Wichmann/Langer (2002), Rn. 427 f.; vgl. zum Freiheits- und Gleichheitsschutz im Arbeitsverhältnis Wege (2007), passim. 31 Vgl. Battis (2003), Art. 33 Rn. 50; Jarass/Pieroth (2004), Art. 33 Rn. 9.
B. Angestellte Lehrerin im öffentlichen Dienst
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gung zu vermitteln. Insoweit unterliegen ihre Grundrechte denselben Schranken wie die Grundrechte der verbeamteten Lehrerinnen. Für angestellte Lehrerinnen gelten aber nicht Art. 33 IV und V GG, weil Angestellte keine Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Sinne dieser Vorschrift sind.32 Insofern setzen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentum der Verfassungstreue und der Neutralität den Grundrechten der Angestellten keine Schranken. Die Treue- und Gehorsamspflicht ist für Angestellte im öffentlichen Dienst aber in abgeschwächter Form in Art. 33 II GG verankert.33 Dasselbe muss für die Pflicht zu politischer und religiöser Neutralität gelten. Wenn das Kopftuch einer angestellten Lehrerin im Einzelfall in die Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen oder das Elternrecht eingreift oder gegen den Schulauftrag aus Art. 7 I GG verstößt, so sind ihre Grundrechte mit den kollidierenden Verfassungswerten abzuwägen. Bei der Abwägung gilt nicht die Tendenzentscheidung der Art. 33 IV, V GG zu Lasten der Lehrerin.34 Im Ausgangspunkt sind die Religionsfreiheit der angestellten Lehrerin und die Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler sowie ihrer Erziehungsberechtigten gleichrangig.35 Maßgeblich muss aber letztlich der staatliche Schulauftrag sein, der den Staat gegenüber Schülern, Schülerinnen und Eltern zu mehr Schutz verpflichtet als gegenüber der Lehrerin. Das führt zu folgender Abwägung: Wenn konsensuale Lösungsversuche der Schulbehörde den Konflikt wegen des Kopftuches nicht beseitigen können, muss die Schulbehörde die Lehrerin anweisen, das Kopftuch abzunehmen. Weigert die Lehrerin sich, das zu tun, so kann ihr gekündigt werden. Diese Kündigung kann, wenn die Lehrerin unbefristet eingestellt ist, nur bei schwerwiegendem Pflichtverstoß erfolgen. Insoweit besteht kein Unterschied zu der Entlassung einer Beamtin bei schwerwiegendem Pflichtverstoß auf der Grundlage des Disziplinarrechts.36 III. Zwischenergebnis Ob eine Lehrerin an einer öffentlichen Schule ein Kopftuch tragen kann, hängt nicht davon ab, ob sie verbeamtet oder angestellt ist.37 Dieses Ergebnis entspricht der Beobachtung in der Literatur, dass durch wechselseitige Beein32
Vgl. Jarass/Pieroth (2004), Art. 33 Rn. 34. Vgl. BAGE 28, 62 (68 f. u. Leits. 2); 33, 43 ff.; 34, 1 ff.; 51, 246 ff.; Cremer/ Kelm (1997a), 836. 34 Zur Tendenzentscheidung des Art. 33 IV, V GG siehe oben S. 136. 35 Vgl. Battis/Bultmann (2004), 46. 36 Vgl. Regierungskommission „Zukunft des öffentlichen Dienstes“ (2003), 53. 37 Auch hinsichtlich Bhagwankleidung und Plaketten unterschied die Rechtsprechung nicht zwischen verbeamteten und angestellten Lehrern; vgl. zu angestellten Lehrern mit Plaketten BAG, NJW 1982, 2888; ArbG Hamburg, NJW 1979, 2638 f. und zu angestellten Lehrern mit Bhagwankleidung LAG Düsseldorf, DB 1985, 391. 33
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§ 4 Zulässigkeit einer nicht verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
flussung von Beamtenrecht und Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes materiell eine weitgehende Angleichung stattgefunden hat.38 Im Einzelnen ergibt sich Folgendes: Eine Frau mit Kopftuch, die sich für eine Lehramtsstelle im Angestelltenverhältnis bewirbt, kann sich unmittelbar auf Art. 33 II GG berufen. Weitere Grundrechte wirken nur im Rahmen der Drittwirkung der Grundrechte im Arbeitsrecht auf das zwischen dem Staat und der angestellten Lehrerin wirkende Arbeitsverhältnis ein. Die Kündigung der angestellten Lehrerin kann, wenn sie unbefristet eingestellt ist, nur bei schwerwiegendem Pflichtverstoß erfolgen. Ein solcher Pflichtverstoß liegt vor, wenn konsensuale Lösungsversuche der Schulbehörde den Konflikt wegen des Kopftuches nicht beseitigen können, die Schulbehörde die Lehrerin anweist, das Kopftuch abzunehmen, und sie sich weigert, das zu tun.
C. Referendarin und Referendariatsbewerberin Eine Lehramtsreferendarin genießt nahezu denselben Grundrechtsschutz wie eine Lehrerin als Beamtin oder Angestellte im öffentlichen Dienst. Ein Unterschied besteht aber insofern, als das Lehramtsreferendariat notwendiger Teil einer Ausbildung ist, die nicht nur für den staatlichen Lehramtsdienst, sondern auch für die Arbeit an privaten Schulen ausbildet und für die der Staat ein Ausbildungsmonopol hat. Die Folgen dieses Unterschiedes für die rechtliche Bewertung einer Lehramtsreferendarin sollen im Folgenden herausgearbeitet werden. I. Grundrechtsschutz Referendarinnen und Referendariatsbewerberinnen mit Kopftuch können die allgemeinen Grundrechte, insbesondere die Religionsfreiheit, ebenso wie Lehrerinnen im öffentlichen Dienst oder Lehramtsbewerberinnen unmittelbar für sich in Anspruch nehmen. Ein Unterschied zu den Lehrerinnen im öffentlichen Dienst besteht aber hinsichtlich des Schutzes des Zugangs zum öffentlichen Dienst. 1. Schutz des Rechts auf gleichen Zugang zum öffentlichen Dienst Lehramtsreferendarinnen können sowohl Beamtinnen auf Widerruf als auch Angestellte im öffentlichen Dienst sein. Es liegt deshalb nahe, dass der Begriff des öffentlichen Amtes in Art. 33 II GG auch den Lehramtsdienst umfasst mit der Folge, dass der Zugang zum Referendariatsdienst von Art. 33 II GG ge38 Vgl. Battis (2004), § 4 Rn. 10; Regierungskommission „Zukunft des öffentlichen Dienstes“ (2003), 52 ff.
C. Referendarin und Referendariatsbewerberin
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schützt wird. Dagegen spricht jedoch, dass die Anwendung des Art. 33 II GG dazu führen würde, dass der Staat bei der Auswahl zum Referendariatsdienst zur Bestenauslese verpflichtet wäre, obwohl er die Lehrerinnen auch für den privaten Arbeitsmarkt ausbildet. Der private Arbeitsmarkt hat aber eigene Auswahlkriterien, die nicht notwendigerweise der staatlichen Bestenauslese entsprechen müssen. Staatliche Ausbildungsplätze, die nicht ausschließlich auf den öffentlichen Dienst vorbereiten, sind deshalb kein „öffentliches Amt“ i. S. des Art. 33 II GG.39 Dazu zählt der Vorbereitungsdienst für Studienreferendare und -referendarinnen, da er auch Voraussetzung für die Ausübung freier Berufe, etwa als Lehrerin an einer Privatschule, ist.40 2. Schutz der Berufsausbildungsfreiheit Der Zugang zum Vorbereitungsdienst für Studienreferendare wie auch die im Rahmen der Ausbildung notwendigen Tätigkeiten werden von der Berufsausbildungsfreiheit aus Art. 12 I GG geschützt. Im Bereich der beruflichen Ausbildung wirkt sich die unterschiedliche Geltung von Art. 12 I GG und Art. 33 II GG für Bewerberinnen mit religiös-weltanschaulich geprägtem Erscheinungsbild gravierend aus: Wegen des Ausbildungsmonopols des Staates gewährt Art. 12 I GG einen grundsätzlichen Zulassungs- und nicht nur einen Bewerbungsverfahrensanspruch. Dieser Anspruch wird nicht durch ein Auswahlermessen des Dienstherrn gem. Art. 12 I GG41 oder eine Pflicht des Dienstherrn zur Bestenauslese42 eingeschränkt. Bewerberinnen, die die subjektiven Voraussetzungen für die Aufnahme in einen Vorbereitungsdienst erfüllen, kann die Zulassung zum Vorbereitungsdienst grundsätzlich nur aus Kapazitätsgründen versagt werden.43 II. Schranken der Grundrechte und Abwägung Die für Referendarinnen und Referendariatsbewerberinnen geltenden Grundrechte können eingeschränkt werden. Auch Referendarinnen obliegen die Dienstpflichten, die Rechte der Schüler, Schülerinnen und Eltern zu schützen, den Schulauftrag zu verwirklichen und den Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung umzusetzen. 39 Vgl. Battis (2003), Art. 33 Rn. 25; Lanzerath (2003), 61; a. A. wohl Ridder (1989), Art. 33 I–III Rn. 53. 40 Vgl. BVerfGE 73, 280 (294 f.); 46, 43 (52 ff.); 39, 334 (372 ff.); Kunig (2001), Art. 33 Rn. 24; Lanzerath (2003), 57; Lübbe-Wolff (1998), Art. 33 Rn. 40. 41 So VG Bremen, Bschl. v. 19.5.2005, Az. 6 V 760/05; wohl auch Lanzerath (2003), 234 ff. und 253 LS 21. 42 Battis (2003), Art. 33 Rn. 25. 43 Vgl. BVerfG, NJW 1975, 1641 (1641 Ls k).
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§ 4 Zulässigkeit einer nicht verbeamteten Lehrerin mit Kopftuch
Das Kopftuch einer Referendarin kann ebenso wie das Kopftuch einer Lehrerin im staatlichen Schuldienst zu einem Eingriff in die Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler sowie in das Elternrecht führen. Allerdings wird ein solcher Eingriff durch das Kopftuch einer Referendarin selten sein. Die Referendarin tritt nicht im gleichen Maße wie eine Lehrerin als Autoritätsperson vor den Schülern und Schülerinnen auf, so dass sie ihnen vermutlich weniger als Vorbild gilt. Deshalb ist kaum anzunehmen, dass ihr Kopftuch Schülerinnen zur Nachahmung anregt und somit zur Fremdbestimmung im Glauben führt. Eher unwahrscheinlich ist auch, dass sie mittelbar muslimische Eltern unterstützt, die ihre Tochter davon überzeugen wollen, ein Kopftuch zu tragen. Hinzu kommt, dass die Referendarin nur teilweise alleine den Unterricht gestaltet. Sie wird i. d. R. von einer Lehrerin begleitet, die – wenn sie selbst kein Kopftuch trägt – das Kopftuch der Referendarin relativieren kann. Die Referendarin ist ebenso wie die Lehrerin gehalten, die Erziehungs- und Bildungsziele in der Schule umzusetzen. So muss sie versuchen, Geschlechtergleichberechtigung zu vermitteln. Ihr Kopftuch erschwert es ihr zwar, überzeugend zu vermitteln, dass Geschlechtergleichberechtigung im Sinne des Grundgesetzes als an den Staat gerichtetes Gebot, keine tradierten Rollen zu Lasten von Frauen festzuschreiben, zu verstehen ist.44 Aber auch insoweit können die die Referendarin in der Ausbildung begleitenden Lehrerinnen eine mögliche negative Wirkung des Kopftuches relativieren. Ähnliches gilt für die mögliche Gefährdung des Schulfriedens durch eine Referendarin mit Kopftuch. Sie kann durch ihre zur Schau gestellte Religiosität an der Schule ohnehin vorhandene religiöse Spannungen verstärken oder Proteste von Eltern hervorrufen, die eine religiöse Beeinflussung ihrer Kinder befürchten. Die die Referendarin begleitenden Lehrerinnen und Lehrer können aber eine solche Wirkung abmildern, indem sie im Gespräch mit Schulkindern und Eltern klarstellen, dass sie selbst im Unterricht darauf achten, dass die religiöse Pluralität an der Schule gewahrt wird. Sollte es aber zu einem Eingriff in Grundrechte von Schülern, Schülerinnen und Eltern oder zu einem Verstoß gegen Verfassungswerte kommen, so sind die Grundrechte der Referendarin mit den kollidierenden Verfassungswerten abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass der Staat bei der Lehrerinnenausbildung ein Monopol hat. Dieses Monopol muss bei der Abwägung zugunsten der Referendarin berücksichtigt werden. Er muss demnach auch einen hohen organisatorischen Aufwand in Kauf nehmen, um für die Referendarin eine Schule zu finden, an der ihr Kopftuch zu keinen Problemen führt. Nur wenn der Dienstherr trotz Ausschöpfen seiner organisatorischen Möglichkeiten keine Lösung findet, kann er die Referendarin anweisen, das Kopftuch abzulegen, und sie im Fall einer Weigerung entlassen. 44
Siehe oben S. 178.
C. Referendarin und Referendariatsbewerberin
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Für Bewerberinnen für einen Referendariatsplatz folgt hieraus, dass sie grundsätzlich wegen des Kopftuches nicht abgelehnt werden können. Auch dann nicht, wenn sie im Einstellungsgespräch angeben, das Kopftuch unter keinen Umständen ablegen zu wollen. Vielmehr ist der Dienstherr gehalten, für die Bewerberin eine Schule als Ausbildungsplatz zu finden, an der keine Konflikte wegen des Kopftuches zu erwarten sind. Dementsprechend stellte das Land Baden-Württemberg Fereshta Ludin trotz des Kopftuches in den Schulreferendariatsdienst ein.45 Zwar geht die Rechtsprechung z. T. davon aus, dass Bewerberinnen im Einzelfall abgelehnt werden könnten, deren Nichteignung für den gewählten Beruf von vornherein feststehe oder die aufgrund individueller Umstände nach der Ernennung wieder zu entlassen seien. Das sei etwa der Fall, wenn feststehe, dass sie dauerhaft ihre Pflichten aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf verletzten.46 Diese Ansicht kann aber nicht überzeugen. Das staatliche Ausbildungsmonopol verpflichtet den Staat, Lehrerinnen auch dann auszubilden, wenn er diese für den staatlichen Lehramtsdienst für nicht geeignet hält. Darüber, ob sie für die Lehrtätigkeit an einer privaten Schule geeignet sind, kann er nämlich keine abschließende Aussage treffen. III. Zwischenergebnis Der Zugang zum Lehramtsreferendariat ist nicht durch Art. 33 II GG, sondern durch Art. 12 I GG geschützt. Wenn die Religionsfreiheit der Referendarin mit den Grundrechten der Schülerinnen und Schüler kollidiert, ist in der Abwägung zugunsten der Referendarin das Ausbildungsmonopol des Staates zu berücksichtigen. Das führt dazu, dass der Dienstherr auch im Einzelfall die Referendariatsbewerberin nicht präventiv wegen des Kopftuches ablehnen darf. Im Dienst darf der Dienstherr der Referendarin nur dann anordnen, das Kopftuch abzunehmen, wenn er die wegen des Kopftuches entstehenden Probleme weder durch konsensuale Mittel, wie Gespräche mit den Eltern, noch durch verwaltungsorganisatorische, wie etwa die Versetzung der Referendarin an eine andere Schule, lösen kann.
45 Ebenso wurde in Niedersachsen im Oktober 2001 – vgl. Ergin (2003) – und in Schleswig-Holstein im Februar 2006 – vgl. taz 7.2.2006 – eine Schulreferendarin mit Kopftuch eingestellt. Vgl. für eine Ausnahmeregelung für den Vorbereitungsdienst § 38 IV BWSchG; § 51 III NSchG; § 86 III 4 HSchG; § 59 II 5 BayEUG; Battis/ Bultmann (2004a), 588. 46 So VG Bremen, Bschl. v. 19.5.2005, Az. 6 V 760/05 im Fall einer Referendarin mit Kopftuch; BVerfGE 39, 334 schloss einen geprüften Rechtskandidaten wegen der Mitgliedschaft in einer politischen Gruppierung vom Referendariat aus; vgl. aus der Literatur Schnellenbach (2005), Rn. 9.
§ 5 Europa- und völkerrechtliche Bewertung der Zulässigkeit einer Lehrerin mit Kopftuch A. Schutz durch das Recht der Europäischen Union Eine deutsche Lehrerin mit Kopftuch kann sich gegen ein Kopftuchverbot nicht auf Grundrechte nach dem Recht der Europäischen Union berufen. Zwar achtet die Union nach Art. 6 II EUV die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. Der EuGH hat die Religionsfreiheit ausdrücklich als Gemeinschaftsgrundrecht anerkannt.1 Dieser Grundrechtsschutz gilt aber nur gegenüber den Organen und Rechtsakten der Europäischen Union. Daran würde sich auch nach Verabschiedung der bisher nur im Entwurf vorliegenden Europäischen Verfassung2, deren Grundrechtsteil im Wesentlichen der am 7.12.2000 unterzeichneten Charta der Europäischen Grundrechte entspricht3, nichts ändern. Eine Lehrerin im öffentlichen Dienst kann sich auch nicht auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 EGV berufen. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt nicht für die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung (Art. 39 IV EGV). Allerdings fällt die Tätigkeit einer Studienreferendarin nach der Rechtsprechung des EuGH nicht unter die Ausnahme des Art. 39 IV EGV.4 Die Arbeitnehmerfreizügigkeit der Studienreferendarin kann aber nach Art. 39 III EGV aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit eingeschränkt werden. Das Gebot des Schulfriedens und die Grundrechte der Schulkinder und Eltern sind Teil der öffentlichen Ordnung. Bei der Abwägung zwischen der Arbeitnehmerfreizügigkeit der Studienreferendarin und den Gründen der öffentlichen Ordnung ist als Schranken-Schranke ihre Religionsfreiheit als Gemeinschaftsgrund1
Vgl. dazu u. a. EuGH Rs 130/75, Slg. 1976, 1589 – Prais./.Rat. Vgl. RK 2003/2004 – Vorläufige konsolidierte Fassung des Vertrages über eine Verfassung für Europa vom 25.6.2004. 3 Thematisch im Zusammenhang mit dem Kopftuchtragen stehende Artikel in der Grundrechtecharta sind insb. Art. 10 (= Art. II-70 VVE); Art. 22 (= Art. II-82 VVE), Art. 14 III HS 2 (= Art. II-74 III Hs 2 VVE), Art. 21 I (= Art. II-81 I VVE); siehe dazu Gartner (2005), 85 ff. 4 EuGH Slg. 1986, 2121 ff. (2146 f. Rn. 23 ff.) – Lawrie-Blum; vgl. Bausback (2000), 261. 2
A. Schutz durch das Recht der Europäischen Union
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recht zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind europäische Grundrechte nämlich im Rahmen von Ausnahmeklauseln des Primärrechts als „Schranken-Schranken“ zu berücksichtigen.5 Die Berücksichtigung der Religionsfreiheit der Schulreferendarin führt zu dem Ergebnis, dass sie nicht präventiv wegen des Kopftuches abgelehnt werden darf. Nur wenn es zu schwerwiegenden Konflikten im Einzelfall kommt, kann ihr aufgegeben werden, das Kopftuch abzulegen. Eine Lehrerin mit Kopftuch ist allerdings durch europäische Richtlinien vor Diskriminierung geschützt.6 Diskriminierungsschutz in Bezug auf das Geschlecht gewährleistet Art. 2 der Gleichbehandlungsrichtlinie 2002/73/EG7, in Bezug auf die Religionszugehörigkeit Art. 1 i. V. mit Art. 2 der Richtlinie 2000/ 78/EG8, in Bezug auf die ethnische Herkunft Art. 1 i. V. mit Art. 2 der Richtlinie 2000/43/EG.9 Verboten ist jeweils die unmittelbare10 und die mittelbare11 Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung, beim beruflichen Aufstieg und bei den Arbeitsbedingungen. Diese Richtlinien sind im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vom 29.6.2006 umgesetzt worden.12 Allerdings sehen auch die betreffenden Richtlinien die Möglichkeit vor, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden kann. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Art. 1 RL 2000/78/EG genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, „wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt“ (Art. 1 i. V. mit Art. 2, Art. 3 I a RL 2000/78/EG und Art. 4 RL 2000/43/EG). Ein Kopftuchverbot könnte also nach den Antidis5
Vgl. EuGH, EuGRZ 1997, 335 (345) – Familiapress. Vgl. zum Schutz der Lehrerin nach den gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverboten Laskowski (2003), 438 ff.; Laskowski/Dietrich (2002), 276 ff. 7 Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, ABl. EG L 269, S. 15, in Kraft seit 5.10.2002. 8 Richtlinie des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABl. EG L 303 S. 16, in Kraft seit 2.12.2000. 9 Richtlinie des Rates vom 29.6.2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft, Abl. EG L 180 S. 22, in Kraft seit 19.7.2000. 10 Vgl. Art. 2 II a) RL 2000/78/EG. 11 Vgl. Art. 1 i. V. mit Art. 2 RL 2000/43/EG. 12 BT-Drs. 16/1780 v. 8.6.2006. Zur Anwendung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes siehe unten S. 274. 6
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§ 5 Europa- und völkerrechtliche Bewertung der Zulässigkeit
kriminierungsrichtlinien gerechtfertigt sein, wenn es ergeht, um einen Eingriff in die Religionsfreiheit der Schulkinder, einen Verstoß gegen den Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung oder eine Gefährdung des Schulauftrags zu verhindern.13 Nach den europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien ist die unterschiedliche Behandlung zudem nur gerechtfertigt, wenn das Mittel zur Zweckerreichung angemessen und erforderlich ist (Art. 4 I RL 2000/78/EG). Hier gilt nichts anderes als für die Verhältnismäßigkeit beim Grundrechtseingriff.14 Ein Kopftuchverbot wäre demnach nur dann verhältnismäßig, wenn es nicht pauschal, sondern nur im Einzelfall ergeht. Durch die europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien wird eine muslimische Lehrerin demnach nicht weiter reichend vor einem Kopftuchverbot geschützt als durch die verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsätze.15
B. Schutz durch die Europäische Menschenrechtskonvention Eine Lehrerin mit Kopftuch kann sich auf den Schutz ihrer Religionsfreiheit nach Art. 9 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) berufen. Art. 9 EMRK lautet: „(1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen. (2) Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekennen, darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die öffentliche Sicherheit, zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.“
Nach Art. 14 EMRK ist ihr die Religionsfreiheit ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe [. . .] zu gewährleisten. Die EMRK ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der durch ein Vertragsgesetz gem. Art. 59 II GG in deutsches Bundesrecht umgesetzt wurde. Der Status als Bundesgesetz führt dazu, dass die Konvention entgegenstehendes Landesrecht gemäß Art. 31 GG bricht.16 Obwohl die Konvention innerstaatlich „nur“ den Rang eines einfachen Bundesgesetzes hat, sind die nationalen Gerichte gehalten, die Grundrechte im Einklang mit der EMRK in der Auslegung, die diese in der Straßburger Rechtsprechung gefunden hat, völkerrechtskonform zu interpre13 14 15 16
Im Ergebnis ebenso Thüsing (2006), 228 f. Thüsing (2006), 228 f. Im Ergebnis ebenso Thüsing (2006), 228 f. Schöbener (2003), 187.
B. Schutz durch die Europäische Menschenrechtskonvention
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tieren.17 Zudem könnte eine sanktionierte Lehrerin nach Erschöpfung des nationalen Rechtsweges ihr Recht auf Religionsfreiheit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einklagen (Art. 35 EMRK). Der EGMR hat allerdings das in einem vergleichbaren Fall ergangene Kopftuchverbot gegenüber einer Genfer Lehrerin nicht als Verletzung von Art. 9 EMRK angesehen.18 Klägerin in diesem Fall war die mit einem Algerier verheiratete Schweizer Lehrerin Lucia Dahlab. Sie war ursprünglich katholisch, konvertierte jedoch 1991 zum Islam. Ab diesem Zeitpunkt unterrichtete sie mit Kopftuch, was nach einigen Jahren von der Schulbehörde unterbunden wurde, obwohl es keine Beschwerden von Schülern oder Eltern gegeben hatte. Die Klage der Lehrerin beim Schweizer Bundesgericht hatte keinen Erfolg. Das Kopftuchverbot wahre den konfessionellen Frieden in den Schulen und schütze das Interesse der Schulkinder und Eltern, dass in der Schule religiöse Überzeugungen nicht beeinflusst oder verletzt werden.19 Der EGMR sah in der Entscheidung des Bundesgerichts keine Verletzung der EMRK. Zwar liege ein Eingriff in die Bekenntnisfreiheit vor, die einer der Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft sei. Diesen Eingriff hielt der Gerichtshof allerdings für gerechtfertigt. Zum einen verfolge der Eingriff auf gesetzlicher Grundlage ein berechtigtes Ziel, nämlich den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, der öffentlichen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung. Zum anderen durfte das Bundesgericht den Eingriff auch für „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ halten, es habe seinen diesbezüglichen Beurteilungsspielraum nicht überschritten, zumal die Lehrerin Kinder im Grundschulalter unterrichtete.20 Gegen die Übertragbarkeit dieser Entscheidung auf die Situation in Deutschland wird eingewandt, dass die Trennung von Staat und Kirche im Kanton Genf deutlich strenger sei als in Deutschland.21 Allerdings spielt der spezifische Genfer Säkularismus in der Entscheidung des EGMR keine tragende Rolle.22 Anders liegt die Argumentation des EGMR im Fall der türkischen Studentin Leyla Sahin. Hier rechtfertigte der Gerichtshof das Kopftuchverbot an türkischen Universitäten ausdrücklich mit dem türkischen Säkularismus und dessen Funktion für den Schutz des demokratischen Systems und die Rechte der Frauen.23 Diese 17 Vgl. BVerfGE 74, 358 (370), bestätigt durch BVerfGE 82, 106 (114 ff.); Wittinger (2001), 425 f. 18 EGMR, NJW 2001, 2871 ff. 19 Schweizerisches Bundesgericht, Urt. v. 12.11.1997, BGE 123 I, 296. 20 EGMR, NJW 2001, 2871 (2873). 21 Vgl. Debus (2001), 1355; Michael (2003), 256. 22 Schöbener (2003), 190. 23 EGMR (4. Kammer), EuGRZ 2005, 31; bestätigt durch EGMR (Große Kammer), EuGRZ 2006, 28; zustimmend Weber (2006), 173 ff.; vgl. zu den Urteilen Pabel (2006), 3 ff.; zur rechtlichen Regelung des Tragens von religiösen Symbolen in der
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§ 5 Europa- und völkerrechtliche Bewertung der Zulässigkeit
Entscheidung bringt deshalb für die Diskussion in Deutschland wenig.24 Leitentscheidung für deutsche Kopftuchfälle ist daher das Dahlab-Urteil des EGMR. Wie der EGMR in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, ist der Beurteilungsspielraum der Nationalstaaten besonders hoch, wenn das Verhältnis von Kirche und Staat in Frage steht.25 Grund dafür ist die Tatsache, dass die EMRK bei Ihrem Inkrafttreten bereits sehr unterschiedliche staatskirchenrechtliche Systeme – von der Staatskirche bis zum Säkularismus – vorgefunden hat.26 Die Entscheidung eines deutschen Landesgesetzgebers, das Kopftuch an Schulen zu verbieten, wäre daher ebenfalls nur daraufhin zu überprüfen, ob es sich innerhalb des den mitgliedsstaatlichen Behörden und Gerichten zustehenden Beurteilungsspielraums hält. Das wäre insbesondere dann anzunehmen, wenn die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der Gleichbehandlung der Religionen eingehalten sind.27 Allenfalls könnte eingewandt werden, dass die EMRK Kopftuchverbote nur dann als gerechtfertigt ansieht, wenn es um den Unterricht jüngerer Kinder geht.28 Der EGMR hat in der Dahlab-Entscheidung nämlich das Alter der Kinder als maßgebliches Kriterium hervorgehoben.29 Übersehen würde dabei allerdings, dass bei Schülern und Schülerinnen in der Sekundarstufe andere Rechtfertigungsgründe in den Vordergrund rücken dürften, insbesondere die Wahrung des Schulfriedens. Auch diese dürften sich innerhalb des nationalen Beurteilungsspielraums halten. Kopftuchverbote verstoßen daher grundsätzlich nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.
C. Schutz durch sonstiges Völkerrecht Deutsche Behörden sowie die Landesgesetzgeber sind verpflichtet, völkerrechtliche Verträge zu beachten, die von Deutschland ratifiziert wurden. In Betracht kommen dabei der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte30 sowie das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau. Nach Art. 18 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR) kann die Lehrerin Religionsfreiheit in Anspruch nehmen. Art. 18 lautet: Türkei vgl. Öztürk (2007), 993 ff.; zur Bedeutung der EMRK für den Grundrechtsschutz in der Türkei vgl. Aras (2007), 219 ff. 24 Vgl. Battis (2005), 1098; Pabel (2006), 16. 25 Vgl. EGMR, EuGRZ 2005, 31 (39) m.w. N.; Müller-Elschner (2003), 344. 26 Goerlich (2001), 2862; Pabel (2006), 14 f. 27 Pabel (2006), 17. 28 So Widmaier (2002), 258. 29 Vgl. Müller-Elschner (2003), 344. 30 BGBl. 1973 II 1553.
C. Schutz durch sonstiges Völkerrecht
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„(1) Jedermann hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekunden. (2) Niemand darf einem Zwang ausgesetzt werden, der seine Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung seiner Wahl zu haben oder anzunehmen, beeinträchtigen würde. (3) Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekunden, darf nur den gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, Sittlichkeit oder der Grundrechte und -freiheiten anderer erforderlich sind. (4) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die Freiheit der Eltern und gegebenenfalls des Vormunds oder Pflegers zu achten, die religiöse und sittliche Erziehung ihrer Kinder in Übereinstimmung mit ihren eigenen Überzeugungen sicherzustellen.“
Nach Art. 26 des Paktes genießt sie Schutz vor Diskriminierung. Art. 26 lautet: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Diskriminierung Anspruch auf den gleichen Schutz durch das Gesetz. In dieser Hinsicht hat das Gesetz jede Diskriminierung zu verbieten und allen Menschen gegen jede Diskriminierung, wie insbesondere wegen der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion [. . .] gleichen und wirksamen Schutz zu gewährleisten.“
Als Mitglied einer religiösen Minderheit könnte sich die Lehrerin zudem nach Art. 27 des Paktes kollektiven Schutz für ihre Religionsfreiheit in Anspruch nehmen. Art. 27 lautet: „In Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten darf Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen.“
Nach dem Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau von 1979 ist Deutschland verpflichtet, Diskriminierungen von Frauen zu beseitigen. Nach dem Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung von 196631 ist Deutschland verpflichtet, eine Politik der Beseitigung der Rassendiskriminierung in jeder Form und der Förderung des Verständnisses unter allen Rassen zu verfolgen. Auch diese internationalen Verträge erlauben, dass die Religionsfreiheit zugunsten entgegenstehender Rechte anderer eingeschränkt wird.32 Art. 18 III IPbürgR führt ausdrücklich aus, dass die Freiheit, seine Religion zu bekunden, 31 32
BGBl. 1969 II, 961. Vgl. Kokott (2005), 356 f.
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§ 5 Europa- und völkerrechtliche Bewertung der Zulässigkeit
den gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden darf, die zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, Sittlichkeit oder der Grundrechte und -freiheiten anderer erforderlich sind. Art. 2f) und Art. 5a) Übereinkommen zur Beseitigung zur Diskriminierung der Frau besagen, dass kulturelle Praktiken und Gebräuche nicht zu einer Diskriminierung der Frau führen dürfen. Diese Artikel rechtfertigen demnach, dass die Religionsfreiheit der Lehrerin mit Kopftuch eingeschränkt wird, wenn sie im Einzelfall das Erziehungsziel Geschlechtergleichberechtigung nicht ausreichend vermitteln kann. Im Hinblick auf die Rechte einer Lehrerin mit Kopftuch gehen diese Verträge nicht über die Gewährleistungen durch deutsche Grundrechte hinaus. Zu fragen ist deshalb nur, ob die Lehrerin, sollten ihre Rechte in Deutschland missachtet werden, auf internationaler Ebene Schutz erhalten kann. Deutschland hat das Fakultativprotokoll zu dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte unterzeichnet.33 Gemäß Art. 1 des Protokolls ist Deutschland verpflichtet, die Zuständigkeit des Ausschusses für die Entgegennahme und Prüfung von Mitteilungen seiner Herrschaftsgewalt unterstehender Einzelpersonen anzuerkennen, die behaupten, Opfer einer Verletzung eines in dem Pakt niedergelegten Rechts durch diesen Vertragsstaat zu sein. Die Lehrerin kann gemäß Art. 2 des Fakultativprotokolls dem Ausschuss eine schriftliche Mitteilung zur Prüfung einreichen, wenn sie behauptet, in ihrer in dem Pakt niedergelegten Religionsfreiheit verletzt zu sein. Voraussetzung für diese Behauptung ist, dass sie alle zur Verfügung stehenden innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft hat. Ebenso hat Deutschland das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau unterzeichnet. Nach Art. 1 des Protokolls erkennt Deutschland die Zuständigkeit des Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau („Ausschuss“) für die Entgegennahme und Prüfung von nach Art. 2 eingereichten Mitteilungen an. Nach Art. 2 kann die Lehrerin mit Kopftuch eine Mitteilung an den Ausschuss einreichen mit der Behauptung, Opfer einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geworden zu sein. Voraussetzung für diese Mitteilung ist gemäß Art. 4 des Fakultativprotokolls, dass sie die innerstaatlichen Rechtsbehelfe ausgeschöpft hat. Als UNO-Mitglied ist Deutschland gehalten, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zu beachten. Art. 18 dieser Erklärung lautet: „Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.“
Der Menschenrechtsausschuss der UNO überwacht die Einhaltung dieser Erklärung. Er äußerte in seinem Bericht 2003 Besorgnis darüber, dass die Aus33
BGBl. 1992 II S. 1247.
D. Zwischenergebnis
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übung von Religionsfreiheit in Deutschland Frauen vom öffentlichen Dienst abhalte.34 Im Ergebnis gewährt Völkerrecht der Lehrerin materiell keinen weitergehenden Schutz ihrer Religionsfreiheit als Art. 4 I, II und 3 II, III GG. Ihr steht aber die Möglichkeit zu, vor den entsprechenden Ausschüssen auf etwaige Verstöße gegen das Völkerrecht hinzuweisen.35
D. Zwischenergebnis Eine Lehrerin im öffentlichen Dienst kann sich zum Schutz vor einem Kopftuchverbot nicht auf „Grundrechte“ nach dem Recht der Europäischen Union berufen. Eine Referendarin kann sich aber auf ihr Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 EGV berufen. Eine Lehrerin genießt Diskriminierungsschutz nach den Richtlinien 2000/78/EG, 2000/73/EG und 2000/43/EG. Allerdings erlauben auch die Richtlinien die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung. Die Lehrerin mit Kopftuch genießt also nach den Richtlinien keinen weitergehenden Diskriminierungsschutz als nach nationalem Recht. Die Lehrerin mit Kopftuch wird durch Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention in ihrer Religionsfreiheit geschützt. In einem vergleichbaren Fall einer Genfer Lehrerin hat der Europäische Menschenrechtsgerichtshof entschieden, dass ein Kopftuchverbot nicht Art. 9 verletzt. Es ist nicht zu erwarten, dass der Europäische Menschenrechtsgerichtshof im Fall eines deutschen Kopftuchverbotes anders entscheiden würde; denn der EGMR gewährt den Nationalstaaten einen großen Beurteilungsspielraum, wenn das Verhältnis von Kirche und Staat in Frage steht. Es ist anzunehmen, dass ein Kopftuchverbot innerhalb dieses Beurteilungsspielraums liegt, wenn die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der Gleichbehandlung der Religionen eingehalten sind. Die Lehrerin wird durch Art. 18 und 27 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte in ihrer Religionsfreiheit geschützt. Durch das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau wird sie vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes geschützt. Das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung schützt sie vor Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft. Diese Völkerrechtsabkommen gewähren ihr aber keinen weitergehenden Schutz als die Grundrechte. Sie kann jedoch – wenn sie den deutschen Rechtsweg durchlaufen hat – an den jeweiligen Ausschuss zur Überwachung des Abkommens eine Mitteilung mit der Behauptung einreichen, dass sie in ihren Rechten verletzt sei. 34 Das sagte Prof. Doris König während eines Vortrages zu Frauenrechten bei den Vereinten Nationen im Deutschen Institut für Menschenrechte in Berlin am 19.5.2004. 35 Vgl. weitergehend zum europa- und völkerrechtlichen Schutz der Religionsfreiheit Frowein (2001), 73 ff.; Grote (2001), 3 ff.; Richter (2001), 89 ff.; Walter (2003), 93 ff., Wolfrum (2001), 53 ff.
§ 6 Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot A. Anforderungen an eine einfachgesetzliche Regelung Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass der Gesetzgeber nach Maßgabe der Verfassung eine Lösung finden muss, die folgenden Anforderungen genügt: – Grundsätzlich darf eine Lehrerin im öffentlichen Dienst ein Kopftuch tragen. – Der Dienstherr muss ihr das Kopftuch aber dann verbieten können, wenn es im Einzelfall zu Konflikten kommt. – Ein solches Verbot muss er im Einzelfall auch präventiv erlassen können. – Bei der Regelung religiöser Kleidung im öffentlichen Dienst müssen alle Religionen gleichbehandelt werden. – Für Lehramtsreferendarinnen und Referendariatsbewerberinnen muss die Regelung so gestaltet sein, dass ihnen gegenüber auch im Einzelfall kein präventives Kopftuchverbot ergehen kann. – Die Lösung muss für verbeamtete Lehrerinnen ebenso gelten wie für angestellte Lehrerinnen. Zu untersuchen ist, wie eine einfachgesetzliche Regelung gestaltet sein muss, die diese Anforderungen umsetzt. I. Geltung des Gesetzesvorbehaltes im Beamtenverhältnis Die Religionsfreiheit einer Lehrerin darf nach dem Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes nur aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Dieser Grundsatz wird im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnt, wird aber aus der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gem. Art. 20 III GG, dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip aus Art. 20 I und 28 I GG und den Grundrechten hergeleitet.1 Eine formellgesetzliche Grundlage für staatliche Eingriffe ist auch bei Grundrechten ohne Gesetzesvorbehalt erforderlich.2 Wenn schon die Einschränkung von Grundrechten mit Gesetzesvorbehalt einer hinreichend bestimmten gesetz-
1 2
Vgl. Maurer (2006), § 6 Rn. 4 ff. Vgl. u. a. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3116); BVerfGE 83, 130 (142).
A. Anforderungen an eine einfachgesetzliche Regelung
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lichen Grundlage bedarf, dann erst recht die Beschränkung vorbehaltloser Grundrechte.3 Der Gesetzesvorbehalt gilt auch im Beamtenverhältnis. In seinem traditionellen Verständnis bezog sich der allgemeine Eingriffsvorbehalt zwar nicht auf die sogenannten besonderen Gewaltverhältnisse.4 Mit der Strafgefangenenentscheidung dehnte das BVerfG aber den Gesetzesvorbehalt in den Bereich der Sonderstatusverhältnisse aus.5 Dennoch schränkte das BVerfG den Gesetzesvorbehalt in öffentlichen Dienstverhältnissen in älterer Rechtsprechung ein. So gestattete das BVerfG dem Dienstherrn in mehreren Entscheidungen, grundrechtseinschränkende Dienstpflichten im Rückgriff auf Art. 33 V GG zu bestimmen, ohne dass eine gesetzliche Konkretisierung vorliegen müsse. Die Grundrechtsbeschränkung müsse jedoch vom Sinn und Zweck des konkreten Dienst- und Treueverhältnisses gefordert werden.6 In Anknüpfung an diese ältere Rechtsprechung des BVerfG hielt die Mindermeinung im Ludin-Urteil eine einfachgesetzliche Regelung der Rechte und Pflichten der Beamtin verfassungsrechtlich nicht für erforderlich.7 Eine solche Einschränkung der Geltung des Gesetzesvorbehalts im Beamtenverhältnis kann aber nicht überzeugen. Der Beamtenstatus als solcher ist keine ausreichend gesetzliche Grundlage für einen Eingriff in die Grundrechte der Beamtin.8 Art. 33 V GG enthält einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber und verlangt somit, dass die Grundrechtsschranken der hergebrachten Grundsätze gesetzlich legitimiert sind.9 Gegen eine unmittelbare Begrenzung der Grundrechte der Beamtin durch Art. 33 V GG spricht weiterhin, dass dann vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte der Beamtinnen unter geringeren formellen Anforderungen eingeschränkt werden als Grundrechte mit Gesetzesvorbehalt. Das aber läuft dem Willen des Grundgesetzgebers zuwider.10 II. Erstarken des Gesetzesvorbehaltes zum Parlamentsvorbehalt Der Gesetzgeber muss nicht jegliche Voraussetzung eines Eingriffs selbst ausregeln. Vielmehr kann er dem Gesetzesvorbehalt sowohl durch eine Rege3
Morlok (2003), 389 f.; Sacksofsky (2003), 3300 f. Siehe oben S. 40. 5 BVerfGE 33, 1 (11); zustimmend Lanzerath (2003), 84; Battis (2003), Art. 33 Rn. 74. 6 Vgl. BVerfGE 43, 154 (169 f.); 19, 303 (322). 7 BVerfG, NJW (2003), 3111 (3118). 8 Behrens (2001), § 5 Rn. 31; Bieback/Kutscha (1984), 62; Lanzerath (2003), 83 ff.; Mückl 2001, 125; Rux (2002), 366. 9 Vgl. Lanzerath (2003), 85. 10 Vgl. Lanzerath (2003), 85. 4
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§ 6 Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot
lung unmittelbar durch Gesetz wie auch aufgrund eines formellen Gesetzes genügen. Der Schutz der Religionsfreiheit der Kopftuch tragenden Lehrerin ist abhängig davon, ob der Gesetzgeber selbst die wesentlichen Voraussetzungen eines Kopftuchverbotes festlegen muss oder ob vielmehr der Dienstherr eine weitgehende Entscheidungsbefugnis hat. Der Streit darüber, wem die Entscheidungsbefugnis im Wesentlichen zusteht, führte u. a. zu dem Unterschied zwischen der Mehrheits- und der Minderheitsmeinung des BVerfG im Fall Ludin: Die Mindermeinung nahm an, es sei Sache des Dienstherrn einzuschätzen, welche Wirkung Symbole der Lehrerin hätten.11 Somit obliege diese Entscheidung letztlich der parlamentarischen und politischen Verantwortung des zuständigen Landesministers. Dessen Einschätzung könne von Gerichten nur in eingeschränktem Umfang auf Plausibilität überprüft werden. Die Konkretisierung der Dienstpflichten sei traditionell eine Domäne des Dienstherrn.12 Dagegen hielt die Mehrheitsmeinung eine gesetzliche Grundlage für erforderlich, die es erlaube, bloße Möglichkeiten einer Gefährdung oder eines Konfliktes als einen die Berufung in das Beamtenverhältnis hindernden Mangel der Eignung zu bewerten.13 Nur der Gesetzgeber habe die für die Beurteilung der tatsächlichen Entwicklung erforderliche Einschätzungsprärogative und könne entscheiden, mit welchen Verhaltensregeln in Bezug auf Kleidung und sonstiges Auftreten der Lehrerinnen auf die gewandelten Verhältnisse geantwortet werden könne.14 Hinsichtlich der Frage, was der parlamentarische Gesetzgeber in einem förmlichen Gesetz regeln muss, sind zwei Aspekte zu unterscheiden. Erstens ist zu entscheiden, was in einem allgemeinen Gesetz festgelegt werden und was der Dienstherr im Einzelfall entscheiden muss. Zweitens ist, sofern etwas in einem allgemeinen Gesetz festzulegen ist, zu entscheiden, ob es für die Regelung eines förmlichen Gesetzes bedarf oder ob eine Rechtsverordnung ausreichend ist. 1. Detaillierte Regelung des Kopftuchtragens im Lehramtsdienst im Gesetz Grundsätzlicher Maßstab für die Frage, wie detailliert der Gesetzgeber die Voraussetzungen eines Eingriffs festlegen muss, ist die Intensität des Eingriffs. Die wesentlichen Voraussetzungen eines Grundrechtseingriffs müssen in einem Gesetz festgelegt werden. Das gilt umso mehr, je intensiver der Grundrechtseingriff ist. Dieser Maßstab entspricht der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG.15 11 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3119); ebenso VGH Mannheim, NJW 2001, 2899 (2900); zustimmend Battis (1998), 530. 12 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3119). 13 BVerfG, NJW 2004, 3111 (3115 f.); zustimmend Summer (2006), 254. 14 BVerfG, NJW 2004, 3111 (3115 f.). 15 Vgl. u. a. BVerfGE 88, 103 (116); 58, 257 (268 ff.); 33, 1 (10); zustimmend wohl Erichsen (1995); Jarass/Pieroth (2004), Art. 20 Rn. 46; Pieroth/Schlink (2005),
A. Anforderungen an eine einfachgesetzliche Regelung
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Derzufolge muss der parlamentarische Gesetzgeber „das Wesentliche“ regeln und darf seine Rechtssetzungsgewalt nicht auf die Exekutive übertragen. Die Wesentlichkeit einer Regelung soll sich aus der Berührung grundrechtlich geschützter Lebensbereiche und der Intensität der Grundrechtsbetroffenheit ableiten.16 Zwar hat das BVerfG die Wesentlichkeitstheorie primär entwickelt, um zu bestimmen, ob das Parlament einen Gegenstand in einem förmlichen Gesetz regeln muss oder die Exekutive den Gegenstand in einer Rechtsverordnung, einem materiellen Gesetz, regeln darf. Bei wesentlichen Entscheidungen soll der Gesetzesvorbehalt demzufolge zum Parlamentsvorbehalt erstarken. Nach dem Wesentlichkeitsmaßstab muss aber auch bestimmt werden, ob ein Gegenstand überhaupt in einem – materiellen oder förmlichen – Gesetz geregelt werden muss oder ob die Exekutive über den Gegenstand Einzelfallentscheidungen treffen kann. Vor allem der Gleichheitsaspekt der Grundrechte verlangt eine gesetzliche Regelung der wesentlichen Aspekte eines intensiven Eingriffs in ein Grundrecht. Nur so kann verhindert werden, dass die Exekutive im Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt. Sofern der Gesetzgeber einen Gegenstand detailliert selbst regeln muss, reichen Generalklauseln, die der Exekutive im Einzelfall eine erhebliche Konkretisierungs- und Entscheidungsmacht verleihen, nicht aus.17 Zwar wird das Kriterium der Eingriffsintensität z. T. als zu wenig trennscharf und deshalb untauglich abgelehnt.18 Dem ist aber zu entgegen, dass sich durchaus allgemeine Anforderungen an die Eingriffsintensität aufstellen lassen. So liegt ein intensiver Eingriff dann vor, wenn ein besonders hochrangiges Grundrecht betroffen ist, wenn der Eingriff besonders lange dauert oder die Grundrechtsausübung nicht nur beschränkt, sondern nahezu unmöglich macht.19 Ungleich gravierender ist dagegen der von der Rechtsprechung und Lehre20 z. T. geführte Einwand, dass für den öffentlichen Dienst kein Parlamentsvorbehalt gelten solle. Eine in einfachgesetzlichen beamtenrechtlichen Regelungen enthaltene Generalklausel, deren Auslegung der Exekutive einen Handlungs-
Rn. 266; vgl. zur Kritik an der Wesentlichkeitstheorie Eberle (1984), 487; Frankenberg (2001), Art. 20 Abs. 1–3 IV Rn. 41; Lanzerath (2003), 154; Sachs (2003), Art. 20 Rn. 116. 16 Vgl. BVerfGE 98, 218 (251); 62, 169 (182); 41, 251 (260); 34, 165 (192); 33, 125 (160); zustimmend wohl Jarass/Pieroth (2004), Art. 20 Rn. 46; Sachs (2003), Art. 20 Rn. 117; Pieroth/Schlink (2005), Rn. 266. 17 Vgl. Lanzerath (2003), 150. 18 Vgl. Lanzerath (2003), 153 f. 19 Vgl. allgemein zu den Voraussetzungen eines intensiven Eingriffs i. S. der Wesentlichkeitstheorie Pieroth/Schlink (2005), Rn. 267. 20 Vgl. Lanzerath (2003), 156 f.; Ronellenfitsch (1981), 939; wohl auch Eberle (1984), 491; vgl. zum Schulwesen Niehues (1980), 468 f.; a. A. Kutscha (1988), 531 f.; Bäumler (1989), 508 f.
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§ 6 Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot
spielraum zugestehe, genüge dem Gesetzesvorbehalt.21 Dem Dienstherrn stehe bei der Prüfung, ob eine Beamtin ihre Dienstpflichten erfüllt, ein breiter Prognose- bzw. Beurteilungsspielraum zu.22 Die Rechtsprechung ging demzufolge bislang davon aus, es liege innerhalb des Einschätzungsspielraumes des Dienstherrn zu entscheiden, ob ein bestimmtes äußeres Erscheinungsbild einer Beamtin mit deren Dienstpflichten übereinstimme.23 Für einen solch weitreichenden Beurteilungsspielraum des Dienstherrn sprechen zwar die Kriterien der „funktionsgerechten Organstruktur“. Nach diesen Kriterien werden die Kompetenzen zwischen Parlament und Exekutive sowie zwischen Parlament und Rechtsprechung abgegrenzt.24 Danach ist es Ziel staatlicher Kompetenzzuweisungen, dass staatliche Entscheidungen „möglichst richtig, d.h. von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen.“25 Staatliche Maßnahmen im Bereich des Berufsbeamtentums müssen zudem so beschaffen sein, dass sie dessen Funktionsfähigkeit aufrechterhalten.26 Das erfordert die Garantie des Berufsbeamtentums in Art. 33 IV GG. Maßnahmen, die das Beamtentum betreffen, erfordern deshalb eine gewisse Flexibilität und Sachnähe. Die Einschätzungsprognose des Dienstherrn findet ihre Berechtigung sowohl in der größeren Sachnähe zur Auswahl und Führung seines Personalkörpers als auch in der Unvertretbarkeit der einzelnen in Personalangelegenheiten abzugebenden wertenden Urteile.27 Zudem werden die Maßnahmen regelmäßig durch Zweck und Aufgaben des Beamtentums bestimmt.28 Dadurch sind einige Entscheidungen inhaltlich bereits vorstrukturiert. In der Literatur wird deshalb vertreten, dass eine Konkretisierung der beamtenrechtlichen Pflichten ebenso gut durch die Exekutive erfolgen könne.29 21 Vgl. BVerfG, NVwZ (1988), 1119; BVerfG, NVwZ 1985, 410; BVerwG, NJW 1990, 2266 (2267); BVerwGE 84, 287 (290); OVG Kassel, NJW 1987, 340 (340); vgl. zur Zulässigkeit von Generalklauseln bei Eingriffen in die Grundrechte von Strafgefangenen BVerfGE 33, 1 (11). 22 Vgl. BVerfG, NJW 1991, 1477; BVerwGE 61, 176 (186); BVerwGE 68, 109 (110); vgl. allgemein zum Beurteilungsspielraum der Exekutive Bachof (1955), 97 ff.; Maurer (2006), § 7 Rn. 31 f. 23 Vgl. zu Ohrring und Lagerfeldzopf von Polizisten, Soldaten und Zollbeamten BVerfG, NJW 1991, 1477; BVerwG, BayVBl. 1999, 377 (378); VGH Kassel, NJW 1996, 1164 (1165); Battis (1999) 394; einschränkend BVerwG, Urt. v. 2.3.2006, Az. 2 C 3.05: Anordnung „Haare in Hemdkragenlänge“ für Polizisten unverhältnismäßig. 24 Vgl. BVerfGE 84, 34 (50); 68, 1 (85 ff.); Lanzerath (2003), 154; Ossenbühl (2002), § 10 Rn. 30. 25 BVerfGE 68, 1 (86); vgl. auch BVerfGE 98, 218 (252). 26 Vgl. Lanzerath (2003), 156. 27 Vgl. BVerwGE 61, 176 (186). 28 Vgl. Eberle (1984), 491; Lanzerath (2003), 157. 29 Vgl. Lanzerath (2003), 157; Eberle (1984), 491. Die Bedeutung der Sachstrukturen für den Gesetzesvorbehalt betonen auch BVerfGE 40, 237 (249); 49, 89 (127); 51, 268 (287 ff.).
A. Anforderungen an eine einfachgesetzliche Regelung
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Die grundsätzliche Einschränkung des Parlamentsvorbehalts für das Beamtenverhältnis kann aber nicht überzeugen: Für einen Parlamentsvorbehalt in Beamtenverhältnissen spricht zunächst das Gebot der Rechtssicherheit. Auch Beamte müssen voraussehen können, welches Verhalten ihnen verboten ist und welches von ihnen verlangt wird. Die Dogmatik der Grundrechtsbegrenzungen trägt diesem Erfordernis nicht ausreichend Rechnung.30 Auch für Beschränkungen der Grundrechte einer Beamtin bedarf es einer tatbestandlich bestimmten Grundlage, aus der sich Voraussetzungen und Umfang der Beschränkung des jeweiligen Rechts klar ergeben.31 Zudem haben viele Entscheidungen, die das Beamtentum betreffen, eine weitreichende gesellschaftspolitische Bedeutung.32 Der Staat ist mit 4,8 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst bundesweit der größte Arbeitgeber.33 Maßnahmen wie z. B. ein Verbot, religöse Kleidung im öffentlichen Dienst zu tragen, schließen einige Bürger vom öffentlichen Dienst aus und versperren ihnen damit ein großes Berufsfeld. Beamtinnen sind der ausführende Teil der Exekutive und haben Regelungsbefugnisse innerhalb des ihnen zugewiesenen Aufgabenbereichs. Es ist anzunehmen, dass die Zusammensetzung des Beamtentums auch über die Struktur der Verwaltungsentscheidungen bestimmt. Auch das Beamtenverhältnis verlangt demnach grundsätzlich detaillierte Regelungen des Gesetzgebers. Regelungen, die das Erscheinungsbild der Lehrerin betreffen, sind im Übrigen maßgeblich vom Schulrecht geprägt. Der Bereich der Schule steht nach der Rechtsprechung des BVerfG unter einem strengen Parlamentsvorbehalt.34 Ein schulisches Gesamtkonzept kann nur dann überzeugen, wenn auch die Berufsrolle der Lehrenden mit einbezogen wird.35 Auch im öffentlichen Dienst muss demnach der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen eines intensiven Grundrechtsrechtseingriffs selbst treffen. Ein Kopftuchverbot ist ein intensiver Eingriff im Sinne der Wesentlichkeitstheorie. Ein Kopftuchverbot beeinträchtigt eine Lehrerin, die ein Kopftuch aus
30 Kritisch gegenüber der Grundrechtsdogmatik im Beamtenverhältnis Lecheler (1992), 473; a. A. Battis (1999), Art. 33 Rn. 76: Die Dogmatik auf diesem Gebiet habe sich in zahlreichen Urteilen gefestigt (in Battis (2003), Art. 33 fehlt dieser Hinweis). 31 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 22.2.2006, Az. 2 BvR 1657/05; Bäumler (1989), 509; Kutscha (1988), 531 f.; vgl. allgemein zum Bestimmtheitsgebot BVerfGE 78, 205 (212); 62, 169 (183). 32 Vgl. zur gesellschaftspolitischen Rolle der Verwaltung Bieback/Kutscha (1984), 50. 33 Vgl. Fenske (2004): Rechne man die 1,2 Millionen Personen mit ein, die in Unternehmen arbeiten, die Bund, Ländern, Gemeinden oder anderen Gebietskörperschaften zu mehr als 50% gehören, arbeiteten im öffentlichen Dienst mehr als 6 Millionen Beschäftigte, das sei jeder sechste Erwerbstätige. 34 Vgl. BVerfGE 58, 257 (268); 47, 46 (78 ff.); 40, 237 (249); BVerwGE 57, 360; Morlok (2003), 390. 35 Morlok (2003), 389 f.
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§ 6 Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot
religiösen Gründen trägt, in ihrer Religionsfreiheit und damit in einem aufgrund seiner Verbindung zur Menschenwürde besonders hochrangigen Grundrecht.36 Der Eingriff betrifft zumindest die Lehrerinnen besonders stark, für die das Kopftuch Ausdruck ihrer religiösen und nicht verhandelbaren Identität ist.37 Da das Kopftuchverbot sich auf die gesamte Dienstzeit erstreckt, behindert es ihre Grundrechtsausübung auch besonders lange. Zwar kann das Kopftuchverbot auch Frauen betreffen, die ihr Kopftuch nicht aus überwiegend religiösen Gründen, sondern als modisches Accessoire tragen. Diese trifft das Verbot demnach „nur“ in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit und damit in Grundrechten, die nicht denselben hohen Rang wie die Religionsfreiheit haben. Der in einem Kopftuchverbot liegende Eingriff hätte demnach nur eine geringe Intensität. Die Eingriffsintensität ist aber am Maßstab der Grundrechtsträgerinnen zu beurteilen, die typischerweise von einer Regelung betroffen sind. Nach bisherigen empirischen Erkenntnissen wollen vor allem Lehrerinnen aus Gründen ihres muslimischen Glaubens im öffentlichen Dienst ein Kopftuch tragen. Für diese Frauen ist ein Kopftuchverbot ein intensiver Eingriff. Auch das Gleichheitsgebot verlangt zwingend eine detaillierte gesetzliche Regelung des Kopftuchtragens im Lehramtsdienst: Ein Verbot des Kopftuches im öffentlichen Dienst wird voraussichtlich mehrere Frauen betreffen. Es wäre nach den Maßstäben der Religionsfreiheit i. V. mit dem Gleichheitsgebot unzulässig, wenn das jeweilige Bundesland diese Frauen unterschiedlich behandelt würde, weil der Dienstherr ein aus religiösen Gründen getragenes Kopftuch im einen Fall als religiöses Symbol, im anderen Fall aber „nur“ als Ausdruck einer persönlich bestimmten Kleiderwahl betrachten würde. Unter Gleichheitsgesichtspunkten spricht ein weiterer Grund dafür, dass die rechtlich relevante Bedeutung des Kopftuches gesetzlich festgelegt wird:38 Das Kopftuchtragen im öffentlichen Lehramtsdienst kann nur im Rahmen einer allgemeinen Regel über religiös motivierte Kleidung und Symbole im Lehramtsdienst geregelt werden. Zwingend erforderlich ist eine Gleichbehandlung aller religiös motivierten Kleidung und Symbole.39 Unzulässig wäre es demnach, das muslimisch motivierte Kopftuch als religiöses Symbol, das Habit der katholischen Ordensschwestern dagegen „nur“ als Berufskleidung40 zu verstehen. Der Gesetzgeber muss demnach die wesentlichen Voraussetzungen eines Kopftuchverbotes selbst treffen.
36
Siehe oben S. 78. Siehe oben S. 133. 38 Vgl. zur Erforderlichkeit des Parlamentsvorbehalts aus Gründen des Gleichheitsgebotes BVerfG, NJW 2003, 3111 (3116). 39 Siehe oben S. 229 ff. 40 So aber die ehemalige baden-württembergische Kultusministerin; ebenso Röper (2005), 32. 37
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2. Grundsätzliche Erforderlichkeit der detaillierten Regelung im parlamentarischen Gesetz Die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Festlegung verlangt aber nicht notwendigerweise ein förmliches Gesetz. Auch die Exekutive kann durch Rechtsverordnungen Recht setzen. Der Gesetzgeber hat in Ausübung seiner Delegationsbefugnis grundsätzlich die Möglichkeit, die in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden Rechtssetzungsbefugnisse durch förmliches Gesetz auf die vollziehende Gewalt zu übertragen.41 Diese Möglichkeit steht ihm jedoch nur dann zu, wenn die Regelung des Grundrechtseingriffs nicht des parlamentarischen Verfahrens bedarf.42 Das parlamentarische Verfahren ist insbesondere dann erforderlich, wenn die Maßnahme einer besonderen demokratischen Legitimation bedarf. Dies begründet sich aus den Besonderheiten des parlamentarischen Verfahrens, das eine hohe Akzeptanz der Entscheidung fördern kann: Im Gegensatz zum internen Entscheidungsverfahren der Exekutive ist das Gesetzgebungsverfahren ein Beratungs- und Abstimmungsverfahren, dem ein hohes Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit und Diskussion zukommt. Durch die Mitwirkung von Regierungsparteien, Opposition und Öffentlichkeit kann ein Ausgleich der divergierenden Interessen und die Berücksichtigung aller für die Entscheidung relevanten Gesichtspunkte erreicht werden.43 Darüber hinaus ermöglicht die größere Transparenz des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens gegenüber dem Verordnungsverfahren der Regierung eine stärkere Partizipation gesellschaftlicher Kräfte und ausführlichere Berichterstattung durch die Medien, was den allgemeinen Bekanntheitsgrad und damit die Legitimation der Regelung erhöht. Je belastender die staatliche Maßnahme ist, umso höher sind die Anforderungen an die Allgemeininteressen, die sie rechtfertigen, und umso mehr bedarf es für die gebotene Interessenabwägung des parlamentarischen Verfahrens.44 Ein parlamentarisches Verfahren ist zudem dann erforderlich, wenn eine Regelung eine weitreichende gesellschaftspolitische Bedeutung hat und u. U. zur Neuordnung eines bestimmten Bereiches führen kann. Ein Indiz für die Erforderlichkeit des parlamentarischen Verfahrens ist die politische Umstrittenheit einer Regelung.45 Allerdings ist die politische Kontroverse keine hinreichende Bedingung für einen Parlamentsvorbehalt. Die Umstrittenheit einer Entscheidung ist in der heutigen Mediengesellschaft zu leicht manipulierbar, als dass sie alleine ein taugliches Abgrenzungskriterium darstellen könnte.46
41
Vgl. Lanzerath (2003), 150; Pieroth/Schlink (2005), Rn. 262 f. Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3116); BVerfGE 85, 386 (403); 33, 135 (159); 40, 237 (249); 41, 251 (260); 95, 267 (307 f.); Lanzerath (2003), 154 f.; Morlok (2003), 389 f. 43 Vgl. Eberle (1984), 489. 44 Vgl. Eberle (1984), 490. 45 Vgl. Eberle (1984), 487. 42
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§ 6 Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot
Für die Regelung der Zulässigkeit des Kopftuches im Lehramtsdienst ergibt sich nach diesen Kriterien die Erforderlichkeit eines parlamentarischen Verfahrens. Ein Kopftuchverbot führt zu einem gravierenden Grundrechtseingriff. Die Zulässigkeit berührt Fragen über den angemessenen Umgang mit der muslimischen Minderheit und über Wege zu ihrer Integration. Diese Fragen sind von weitreichender rechtlicher und gesellschaftspolitischer Bedeutung. Zudem ist das Kopftuchverbot stark umstritten und wird in Medien und Politik ausführlich diskutiert. Ein öffentlicher Ausgleich der divergierenden Interessen und Ansichten unter Mitwirkung der verschiedenen Interessensgruppen im Gesetzgebungsverfahren ist daher geboten. Der parlamentarische Gesetzgeber kann aber nicht alle diesbezüglichen Fragen im förmlichen Gesetz regeln. Rechtsvorschriften sind nur so genau zu fassen, „wie das nach Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist“.47 Vom Erfordernis der detaillierten Regelung eines Sachverhaltes im parlamentarischen Gesetz kann der Gesetzgeber dann abweichen, wenn er durch eine parlamentarische Leitentscheidung bereits ausreichende Vorgaben zur Regelung des Sachverhalts gemacht hat. Unter einer parlamentarischen Leitentscheidung wird eine gesetzliche Regelung verstanden, die zwar einen Sachverhalt nicht abschließend normiert, aber der Exekutive Leitlinien vorgibt, anhand derer sie ihre Entscheidungen treffen kann und muss.48 Insbesondere technische Details oder Regelungsinhalte, die eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung verlangen, können in eine Rechtsverordnung ausgelagert werden. III. Gesetzliche Festlegung der Bedeutung religiös und politisch motivierter Kleidungsstücke Die rechtlich relevante Bedeutung des Kopftuches muss im Gesetz festgelegt werden. Die Diskussion über die Zulässigkeit von Kopftüchern im Lehramtsdienst entzündet sich gerade an der Frage, was das Kopftuch bedeutet. Zudem hängt die Zulässigkeit des Kopftuches im Lehramtsdienst primär davon ab, wie das Kopftuch verstanden wird. Diese Frage ist deshalb wesentlich. Die Entscheidung darüber, wie ein religiös motiviertes Kleidungsstück zu bewerten ist, kann der Gesetzgeber daher nicht dem Dienstherrn im Einzelfall überlassen.49 Zu groß ist die Gefahr, dass die Schulbehörden zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen und das Kopftuch einer Lehrerin z. B. immer, das Habit aber nie 46 Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3116); Eberle (1984), 487; Lanzerath (2003), 156; a. A. wohl Kisker (1977), 1314. 47 BVerfGE 93, 213 (238); 87, 234 (263); 59, 104 (114). 48 Vgl. BVerfGE 58, 257 (271); 47, 46 (83); 34, 52 (59); BVerwGE 65, 323 (325); 64, 308 (311 ff.); Lanzerath (2003), 158 f. 49 A. A. aber BVerfG, Bschl. v. 22.6.2006, Az. 2 BvR 1657/05.
A. Anforderungen an eine einfachgesetzliche Regelung
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als Gefährdung des Schulfriedens ansehen. Zudem kann die Schulbehörde als Dienstherr angesichts der Fülle unterschiedlicher Bedeutungen des Kopftuches nicht im Einzelfall erkennen, welche Bedeutung jeweils plausibel ist. Aufgrund der erhitzten Debatte in den Medien über Kopftücher besteht etwa die Gefahr, dass Schulbehörden Kopftücher grundsätzlich als Ausdruck von Frauenunterdrückung verstehen. Dem muss der Gesetzgeber durch eine entsprechende gesetzgeberische Klarstellung entgegentreten. Angesichts der uneinheitlichen öffentlichen Diskussion über das Kopftuch verlangt auch das Gebot der Rechtssicherheit, den Trägerinnen des Kopftuches im Gesetz deutlich zu zeigen, mit welcher rechtlichen Bewertung des Kopftuches sie im öffentlichen Lehramtsdienst konfrontiert sind.50 Eine abschließende Festlegung der Bedeutung des Kopftuches im parlamentarischen Gesetz ist aber nicht möglich, da sie den Anforderungen des dynamischen Grundrechtsschutzes nicht gerecht würde:51 Zuvor ist gezeigt worden, dass die Bedeutung von Symbolen kontextabhängig ist und sich mithin ändern kann.52 Auf solche wandelbaren Umstände muss der Gesetzgeber flexibel reagieren können. Eine Festschreibung der Bedeutung des Kopftuches im Parlamentsgesetz könnte die Möglichkeit einer flexiblen Anpassung der Rechtslage an gewandelte Umstände einschränken oder verhindern. Zudem kann der Gesetzgeber das Kopftuchtragen im öffentlichen Dienst nur regeln, wenn er zugleich eine Regelung für andere religiös motivierte Kleidung und Symbole trifft. Theoretisch kann aber jeder Gegenstand zum religiösen Symbol werden. In Niedersachsen trug z. B. eine muslimische Lehrerin eine Mütze im Unterricht, um ihr Haar zu bedecken,53 und in Berlin entwarf eine Muslimin Kopfbedeckungen, die wie Hüte aussehen.54 Auch in Hinsicht auf andere aus religiösen Gründen getragene Kleidungs- und Schmuckstücke wie Kippa, Sikh-Turban, und Kreuz ist es denkbar, dass sich deren religiöse und politische Bedeutung im Laufe der Zeit ändert. Der Gesetzgeber muss eine Regelung schaffen, nach der der Dienstherr auf alle religiös motivierten Kleidungsstücke gleich reagieren kann. Auch insofern ist also eine Flexibilität erforderlich, die der parlamentarische Gesetzgeber nicht ausreichend leisten kann. Für den Gesetzgeber empfiehlt sich zudem die Schaffung einer Regelung, die religiös und politisch motivierte Kleidungsstücke und Zeichen gleichermaßen erfasst.55 Zwar ist die Gleichbehandlung religiös und politisch motivierter Klei50 Ebenso hob Bundesverfassungsrichter a. D. Sommer, während eines Vortrags am 26.5.2004 am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin hervor, dass die Entscheidung über die Bedeutung des Kopftuches eine politische sei. 51 Vgl. BVerfGE 49, 89 (137); Eberle (1984), 492. 52 Siehe oben S. 99. 53 Rühle (2004). 54 Röhrs (2004). 55 Vgl. Baer/Wrase (2005), 246, Fn. 4: Das Ludin-Urteil lege es nahe, auch für das Verbot politischer Zeichen eine gesetzliche Grundlage zu fordern.
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§ 6 Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot
dungsstücke und Symbole nicht zwingend geboten, da unterschiedliche Grundrechte betroffen sind. Ob ein Kleidungsstück aus religiös-weltanschaulichen oder politischen Gründen getragen wird, lässt sich aber häufig nicht trennscharf feststellen, wie gerade das Kopftuch zeigt. Zudem sind politisch motivierte Kleidungsstücke und Zeichen, wie z. B. Springerstiefel, Palästinensertücher und „Atom-nein danke“-Plaketten, ähnlich konfliktträchtig wie religiös motivierte Kleidungsstücke und auch für politisch motivierte Kleidungsstücke und Symbole gilt, dass sie ihre Bedeutung ändern können. Die gesetzliche Festschreibung der Bedeutung religiös und politisch motivierter Kleidungsstücke und Symbole muss deshalb durch abstrakt-generelle Rechtsetzung der Exekutive erfolgen.56 Die Exekutive sollte die jeweils gängigen konfliktträchtigen Kleidungsstücke in der Regelung nennen. Gegenwärtig sind das neben dem Kopftuch Kreuz, Kippa, Habit, Ornat, Mala und Turban als religiöse, Springerstiefel und Palästinensertuch als politische Symbole. Zudem muss festgeschrieben werden, dass es dem Dienstherrn möglich ist, im Einzelfall zu entscheiden, dass das Kopftuch entgegen der gesetzgeberischen Wertung keine religiöse Bedeutung hat, sondern die Lehrerin es z. B. aus modischen Gründen trägt. In Frage kommt die Rechtsetzung durch Rechtsverordnung oder Verwaltungsvorschrift. Bessere Gründe sprechen für die Regelung in einer Rechtsverordnung, weil diese das herkömmliche Regelungsinstrument der Exekutive zur Setzung von Außenrecht ist.57 Der parlamentarische Gesetzgeber muss gemäß Art. 80 I 2 GG Inhalt, Zweck und Ausmaß der Rechtsverordnung im förmlichen Gesetz festlegen. Denkbar ist insoweit folgende Formulierung: „Lehrkräften steht die Gestaltung ihres Erscheinungsbildes frei. Sie müssen aber auf Kleidungsstücke, Zeichen und sonstige Bekundungen dann verzichten, wenn diese die Grundrechte der Schülerinnen und Schüler sowie von deren Eltern beeinträchtigen, die Verwirklichung des Schulauftrages verhindern oder gegen Verfassungswerte verstoßen. Der zuständige Landesminister legt durch Rechtsverordnung fest, welche Kleidungsstücke und Zeichen als grundsätzlich konfliktträchtig gelten können.“
IV. Gesetzliche Festlegung der Abwägung im Einzelfall Auch die Abwägung zwischen den Grundrechten der Lehrerin und den kollidierenden Verfassungswerten muss detailliert im Gesetz erfolgen. Eine detaillierte Regelung des Gesetzgebers ist erforderlich, weil der Bereich der Schule
56 Vgl. für eine generelle Regelung der unzulässigen Kleidung im Lehramtsdienst durch die Exekutive Oebbecke (2000), 315. 57 Vgl. gegen eine Konkretisierung von Grundrechtseingriffen durch Verwaltungsvorschriften Ronellenfitsch (1984), 785; a. A. hinsichtlich der Bestimmungen über Dienstkleidung durch Verwaltungvorschrift BVerwG, NJW 1990, 2266 (2267); Lanzerath (2003), 161 ff.
A. Anforderungen an eine einfachgesetzliche Regelung
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unter einem strengen Parlamentsvorbehalt steht.58 Der Gesetzgeber muss nach Art. 7 I GG die schulpolitische Konzeption bestimmen. Innerhalb dieser Konzeption muss er u. a. vorgeben, welche Haltung die Schule gegenüber der Religion einnimmt.59 Zuvor ist gezeigt worden, dass die Verfassung den Dienstherrn ermächtigt, ein Kopftuchverbot gegenüber einer Lehrerin auszusprechen, wenn das Tragen des Kopftuches im Einzellfall einen Verstoß gegen Verfassungswerte darstellt, der nur dadurch verhindert werden kann, dass die Lehrerin ihr Kopftuch abnimmt. Ein generelles Kopftuchverbot lässt die Verfassung dagegen nicht zu. Diese Verfassungsvorgaben sollte der Gesetzgeber aus Gründen der Klarstellung im förmlichen Gesetz nachzeichnen.60 Dort sollte auch die Pflicht des Schulleiters, eine gütliche Einigung zu finden, festgeschrieben sein. Dagegen kann der parlamentarische Gesetzgeber es der Exekutive überlassen, in Rechtsverordnungen festzulegen, wie der Dienstherr in Konfliktfällen zunächst konsensuale Möglichkeiten sucht. Denkbar ist in Fortsetzung der oben angeführten Regelung folgende Formulierung: „Werden durch die religiöse Bekundung der Lehrperson Rechte von Schülerinnen, Schülern oder Eltern oder sonstige Verfassungswerte beeinträchtigt oder wird der Schulfrieden gestört, so versucht der Schulleiter eine gütliche Einigung. Können die Konflikte weder durch gütliche Einigung noch durch sonstige organisatorische Maßnahmen behoben werden, so kann er die Lehrperson anhalten, die religiöse Bekundung zu unterlassen.“61
V. Gesetzesvorbehalt im Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes Strittig ist, ob es dem Gesetzgeber überlassen ist, die gesetzliche Grundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall zu legen, oder ob dies vielmehr nur den Tarifparteien zusteht. Es ist grundsätzlich Sache der Tarifvertragsparteien, im Rahmen der Garantie des Art. 9 III GG Dienstpflichten für Angestellte festzulegen. Art. 9 III GG verleiht den Tarifvertragsparteien aber kein Normsetzungsmonopol. Eine gesetzliche Regelung ist jedenfalls dann möglich, wenn Grundrechte Dritter oder andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechte betroffen sind.62 Insoweit fehlt eine Regelungskompetenz der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände.63 Für eine gesetzliche Regelung spricht hier, dass Grundrechte
58 Vgl. BVerfGE 58, 257 (268); 47, 46 (78 ff.); 40, 237 (249); BVerwGE 57, 360; Morlok (2003), 390. 59 Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3116). 60 Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3116): Der Gesetzgeber müsse die erforderlichen Leitlinien selbst bestimmen. 61 Vgl. die Widerspruchslösung hinsichtlich des Schulkreuzes in Art. 7 III BayEUG und Neureither (2003), 468. 62 Vgl. BVerfGE 94, 268 (284). 63 Vgl. Henssler (1998), 21; demgegenüber kritisch Adam (2004), 454.
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§ 6 Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot
der Schulkinder und der Eltern sowie der Schulauftrag nach Art. 7 I GG betroffen sein können.64 VI. Übereinstimmung mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz Eine landesgesetzliche Regelung eines Kopftuchverbotes muß das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beachten, das der Bundestag am 29.6.2006 verabschiedet hat. Nach § 2 i. V. mit § 3 AGG ist eine Benachteiligung u. a. aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts und der Religion oder Weltanschauung grundsätzlich unzulässig. Erfasst sind gem. § 3 AGG unmittelbare (Abs. 1) und mittelbare (Abs. 2) Diskriminierungen. Der Schutz erstreckt sich nach § 6 AGG auf Angestellte des Bundes und der Länder und nach § 24 AGG auch auf Beamtinnen und Richterinnen des Bundes und der Länder. Werden durch ein Gesetz oder in der Verwaltungspraxis nur das Kopftuch, nicht aber andere religiöse Kleidungsstücke verboten, so liegt eine unmittelbare Benachteiligung aus Gründen der Religion vor.65 Ein Gesetz, das das Tragen jeglicher religiöser Symbole im öffentlichen Dienst gleichermaßen verbietet, führt zu einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts, weil ein solches Verbot gegenwärtig vor allem muslimische Frauen trifft.66 Zudem führt es zu einer mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft, weil die Zahl der Kopftuchträgerinnen ethnischer Herkunft in Deutschland weitaus höher ist als die Zahl der zum Islam konvertierten Frauen deutscher Herkunft.67 Nach § 8 I AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals aber dann zulässig, wenn dieses Merkmal wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Nach § 24 AGG ist bei Beamtinnen außerdem ihre besondere Rechtsstellung zu berücksichtigen. Wenn einer Lehrerin verboten wird, ein Kopftuch zu tragen, weil sie im Einzelfall in die Grundrechte der Schüler und Schülerinnen eingreift, den Schulfrieden gefährdet oder gegen den Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung verstößt, so wird ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 8 I AGG vorliegen.68 Ein derart begründetes Kopftuchverbot im Einzelfall wäre deshalb keine Diskriminierung wegen der Religion, des Ge64 65 66 67 68
A. A. Adam (2004), 454. Siehe oben S. 225. Siehe oben S. 236. Siehe oben S. 240. Siehe oben S. 227 und 238.
A. Anforderungen an eine einfachgesetzliche Regelung
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schlechts oder der Herkunft. Voraussetzung wäre aber auch hier, dass religiös motivierte Kleidungsstücke verschiedener Religionen gleich behandelt werden. Dagegen bestehen gegenwärtig im Schuldienst keine beruflichen Anforderungen, die ein generell-präventives Verbot des Kopftuchtragens im Schuldienst verlangen.69 Eine in einem solchen Verbot liegende mittelbare Diskriminierung wäre deshalb nicht gerechtfertigt. Für verbeamtete Lehrerinnen mit Kopftuch unterstreicht das AGG damit den ohnehin bereits nach dem BBG und den Beamtengesetzen der Länder gegebenen Diskriminierungsschutz. § 8 I BBG, § 7 BRRG legen fest, dass Bewerber und Bewerberinnen für den Beamtendienst ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse, Glauben, religiöse oder politische Anschauungen, Herkunft oder Beziehungen auszuwählen seien.70 Das Bundesgleichstellungsgesetz71 und die Gleichstellungsgesetze der Länder schützen zudem vor einer Diskriminierung wegen des Geschlechts bei der Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Für angestellte Lehrerinnen war ein solches Diskriminierungsverbot einfachgesetzlich vor Erlass des AGG nur hinsichtlich des Geschlechts ausdrücklich festgeschrieben. Nach den auch für Angestellte im öffentlichen Dienst geltenden Gleichstellungsgesetzen des Bundes und der Länder72 ist eine Benachteiligung wegen des Geschlechts am Arbeitsplatz verboten. Bis zum Erlass des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes war die geschlechtsbezogene Benachteiligung auch durch § 611a BGB a. F. verboten. Einen abgeschwächten Diskriminierungsschutz bietet zudem § 67 I 1 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG). § 67 I 1 BPersVG schreibt Dienststelle und Personalrat vor, darauf zu achten, dass bei allen Angehörigen der Dienststelle jede unterschiedliche Behandlung von Personen wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts unterbleibt. Für angestellte Lehrerinnen führt das AGG damit zu einem verbesserten einfachgesetzlichem Diskriminierungsschutz.73
69
Siehe oben S. 138. Siehe unten S. 287 Fn. 118 zu den entsprechenden Vorschriften der Ländergesetze. 71 Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes vom 30.11.2001 (BGBl. I S. 3234). 72 Vgl. für das Land Berlin z. B. das Landesgleichstellungsgesetz i. d. F. v. 19.6. 2006, GVBl. S. 575. 73 So wohl Thüsing (2006), 229. 70
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§ 6 Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot
B. Reformierte Schul- und Beamtengesetze als Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall Zu untersuchen ist, ob die bestehenden beamten- und schulrechtlichen Vorschriften Anforderungen an eine einfachgesetzliche Regelung ausreichend umsetzen, so dass sie ein Kopftuchverbot im Einzelfall rechtfertigen können. I. § 38 BWSchG § 38 II BWSchG legt fest, dass Lehrkräfte in der Schule keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnlichen „äußeren Bekundungen“ abgeben dürfen, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schulkindern und Eltern in Frage zu stellen oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören. Insbesondere sei ein „äußeres Verhalten“ unzulässig, welches bei Schulkindern oder Eltern den Eindruck hervorrufen könne, dass eine Lehrkraft gegen Menschenwürde, Gleichberechtigung der Menschen nach Artikel 3 GG, Freiheitsgrundrechte oder die freiheitliche demokratische Grundordnung auftrete. Baden-Württemberg hat die für die Regelung des Kopftuches erforderliche Kompetenz. Zwar steht auch dem Bund insoweit eine Gesetzgebungskompetenz zu, weil er nach Art. 74 Nr. 27 GG die Statusrechte und Pflichten der Beamten der Länder regeln darf.74 Dazu zählen die statusprägenden Pflichten.75 Die Pflicht zu einem bestimmten Erscheinungsbild im Beamtendienst ist eine solche Pflicht. Der Gesetzgebungskompetenz des Bundes steht nicht entgegen, dass das BVerfG im Ludin-Urteil ausdrücklich die Landesgesetzgeber ermächtigt hat, eine einfachgesetzliche Regelung für das Kopftuchtragen von Lehrerinnen zu finden;76 denn die Regelung des Erscheinungsbildes von Lehrerinnen liegt am Schnittpunkt von beamten- und schulrechtlichen Fragen. Der Bund hat von seiner Regelungskompetenz aber keinen Gebrauch gemacht. Im Folgenden sollen die weiteren Voraussetzungen für die Verfassungskonformität von § 38 BWSchG geprüft werden.
74 Vgl. – allerdings zur Rechtslage vor der Föderalismusreform – Battis/Bultmann (2004), 26. 75 Vgl. Begründung des Gesetzesentwurfes zur Grundgesetzänderung, BT-Drs. 16/ 813, 14. 76 BVerfG, NJW 2003, 3111 (3116).
B. Reformierte Schul- und Beamtengesetze im Einzelfall
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1. Keine Festlegung der Bedeutung religiös und politisch motivierter Kleidungsstücke Der parlamentarische Gesetzgeber untersagt in § 38 II BWSchG Lehrerinnen bestimmte Bekundungen und Verhaltensweisen, die mit Verfassungswerten kollidieren. § 38 BWSchG sagt nichts darüber aus, ob das Kopftuch ein Kleidungsstück ist, das geeignet ist, die Neutralität des Landes gegenüber Schulkindern und Eltern oder den Schulfrieden zu gefährden oder den Eindruck zu erwecken, dass die Lehrerin gegen Verfassungswerte verstößt. Weder trifft der parlamentarische Gesetzgeber selbst Aussagen über die Bedeutung des Kopftuches, noch ermächtigt er den zuständigen Landesminister, das zu tun. Die Entscheidung darüber, was überhaupt eine „äußere Bekundung“ bzw. ein „äußeres Verhalten“ im Sinne des Gesetzes ist und welche Bekundung geeignet ist, die Neutralität des Landes bzw. den Schulfrieden zu gefährden, ist vielmehr dem Dienstherrn im Einzelfall überlassen. Die Regelung ist insoweit nicht hinreichend bestimmt.77 Dem steht nicht entgegen, dass der parlamentarische Gesetzgeber in der gesetzlichen Begründung anführt, ein Teil der Befürworter des Kopftuches verbinde mit ihm sowohl eine mindere Stellung der Frau in Gesellschaft, Staat und Familie, die mit Art. 1 l und 3 II und III GG unvereinbar sei, als auch eine fundamentalistische, kämpferische Stellungnahme für ein theokratisches Staatswesen entgegen den Grundwerten des Artikel 20 GG.78 Deshalb sei das Kopftuch auf der Grundlage von § 38 II 2 BWSchG unzulässig. Ausführungen des parlamentarischen Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung sind nur Auslegungshilfe.79 Da sie den Rechtsanwender nicht binden, können sie nicht alleine die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes erfüllen. Der Bestimmtheitsgrundsatz gebietet nämlich, dass das Handeln der Verwaltung messbar und in gewissem Ausmaß für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar wird.80 Eine Gesetzesbegründung ist aber für den Staatsbürger nicht unmittelbar einsehbar und macht das Handeln der Verwaltung demnach nicht deutlich voraussehbar. Hinzu kommt, dass die Gesetzesbegründung rechtsfehlerhaft ist: Erstens weist sie dem Kopftuch ausnahmslos Bedeutungen zu, die Verfassungswerten widersprechen. Zweitens nennt sie nur das Kopftuch als konfliktträchtiges Symbol, ohne z. B. Kippa oder Habit zu erwähnen.
77
A. A. BVerwG, JZ 2004, 1178 (1180); Böckenförde (2004), 1183. Vgl. BW LT-Drs. 13/2793, 7. 79 Vgl. BVerfG, Bschl. v. 22.2.2006, Az. 2 BvR 1657/05. Das BVerfG schreibt hier hinsichtlich des reformierten § 59b IV BremSchulG ausdrücklich, dass es auf die Begründung nicht ankomme, weil diese keinen Eingang in den Wortlaut der Norm und in den Sinnzusammenhang, in den sie gestellt wurde, gefunden habe. 80 Vgl. BVerfGE 80, 103 (107); 62, 169 (183); 59, 104 (114). 78
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§ 6 Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot
2. Keine Einzelfallregelung § 38 II BWSchG ist nur dann verfassungskonform, wenn die Vorschrift den Dienstherrn nur im Einzelfall ermächtigt, einer Lehrerin das Tragen des Kopftuches zu untersagen. Dem Wortlaut des § 38 II BWSchG nach dürfen Lehrkräfte an öffentlichen Schulen in der Schule keine Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes oder den Schulfrieden zu gefährden. Ebenso ist dem Wortlaut nach ein äußeres Verhalten unzulässig, welches bei Schülern und Schülerinnen oder Eltern den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Lehrkraft gegen bestimmte Verfassungswerte auftrete. Die Worte geeignet, gefährden und Eindruck hervorrufen können legen nahe, dass es nicht auf die Verwirklichung einer Gefahr ankommen soll. Eine Betrachtung der konkreten Verhältnisse an einzelnen Schulen sieht das Gesetz nicht vor.81 Die Vorschrift lässt demnach ein allgemein-präventives Verbot von bestimmten Kleidungsstücken und Symbolen zu. In diesem Sinne hat auch das BVerwG im 2. Ludin-Urteil § 38 BWSchG verstanden.82 § 38 II BWSchG könnte aber trotz der scheinbaren Verfassungswidrigkeit so ausgelegt werden, dass es einen verfassungskonformen Aussagegehalt erhält. Die verfassungskonforme Auslegung einer Vorschrift entgegen ihrem scheinbaren Aussagegehalt ist grundsätzlich möglich. Sie findet aber dort ihre Grenzen, wo der erkennbare Wille des Gesetzgebers in sein Gegenteil verkehrt wird.83 Dem Wortlaut nach lässt § 38 II BWSchG zwar zu, dass der Gesetzgeber im einzelnen Konfliktfall das Kopftuchtragen verbietet. Wenn der Dienstherr das Kopftuch bereits bei abstrakter Gefahr verbieten darf, darf er es erst recht bei einer konkreten Gefahr verbieten. Die Formulierungen des § 38 II BWSchG legen aber nahe, dass dem Dienstherrn diese Entscheidung im Einzelfall nicht zusteht. Die Vorschrift spricht nicht davon, dass der Dienstherr ein Kleidungsstück, das bestimmte Voraussetzungen erfüllt, verbieten kann, sondern dass ein solches Kleidungsstück unzulässig ist. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 38 II BWSchG ist bereits dem Wortlaut nach nur schwer möglich.84 Erst recht würde der erkennbare Wille des Gesetzgebers in sein Gegenteil verkehrt, wenn § 38 II BWSchG hinsichtlich der zulässigen Einzelfallentscheidungen verfassungskonform ausgelegt würde. Wie oben bereits erwähnt, legt der Gesetzgeber in seiner Begründung fest, dass das Tragen eines Kopftuches generell unzulässig sei, und zwar weil zumindest ein Teil seiner Befürworter und Befürworterinnen mit dem Kopftuch sowohl eine minderwertige Stellung der Frau in Gesellschaft, Staat und Familie als auch eine
81
Vgl. BVerwG, JZ 2004, 1178 (1179); demgegenüber kritisch Battis (2005a), 117. BVerwG, JZ 2004, 1178 (1179, 1181). 83 Vgl. BVerfGE 90, 263 (275); 88, 203 (330). 84 So auch Baer/Wrase (2005), 248; vgl. allgemein zum Wortlaut als Hinderungsgrund einer verfassungskonformen Auslegung BVerfGE 90, 263 (275), 85, 36 (69). 82
B. Reformierte Schul- und Beamtengesetze im Einzelfall
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kämpferische Stellungnahme für ein theokratisches Staatswesen verbinde.85 Damit spricht der Gesetzgeber ein grundsätzliches Verbot eines Kopftuches für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen aus. § 38 II BWSchG kann demnach nicht in dem Sinne verfassungskonform ausgelegt werden, dass der Dienstherr einer Lehrerin nur dann das Tragen eines Kopftuches im Dienst untersagen kann, wenn es im Einzelfall zu Konflikten kommt, die sich nicht anders lösen lassen. Die Vorschrift ermächtigt insoweit zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit von Lehrerinnen und Lehramtsbewerberinnen und ist deshalb verfassungswidrig.86 3. Keine Gleichbehandlung aller Religionen § 38 II BWSchG ist nur dann verfassungskonform, wenn die Vorschrift alle Religionen gleich behandelt. § 38 II 3 BWSchG legt fest, dass die Wahrnehmung des Erziehungsauftrages gem. Art. 12 I, 15 I und 16 I der Verfassung des Landes Baden-Württemberg (BWLV) und die dem Erziehungsauftrag entsprechende Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen nicht gegen das Gebot verstößt, keine neutralitätswidrigen, schulfriedengefährdenden oder gegen die Gleichberechtigung verstoßenden Bekundungen abzugeben. Dem Wortlaut nach ist die Darstellung christlicher Bildungs- und Kulturwerte demnach nicht untersagt, wenn sie der Erziehung im Geiste der christlichen Nächstenliebe (Art. 12 I BWLV) und – in Grund- und Hauptschulen87 – der Erziehung „auf der Grundlage christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte“ dient (Art. 15 I, 16 I BWLV). § 38 II 3 BWSchG spricht von „Darstellung“ und nicht von „Bekundung“, so dass § 38 II 3 BWSchG nicht zwingend so zu verstehen ist, dass christlich-motivierte Kleidung und Symbole von Lehrerinnen keinen Beschränkungen unterliegen sollen. Denkbar ist, dass mit „Darstellung“ die Verwendung christlich-religiöser Gegenstände durch die Lehrerin als Unterrichtsmaterial gemeint ist. In diesem Sinne verstand das BVerwG den § 38 II 3 BWSchG. Der in § 38 II 3 BWSchG verwendete Begriff des Christlichen bezeichne eine von Glaubensinhalten losgelöste, aus der Tradition der christlich-abendländischen Kultur hervorgegangene Wertewelt.88 Die Darstellung christlicher Bildungs- und Kulturwerte sei etwas anderes als die Bekundung eines individuellen Bekenntnisses. Bei der Darstel85
Vgl. BW LT-Drs. 13/2793, 7. A. A. Traulsen (2006), 130. 87 Art. 15 I, 16 I bw LV schreibt die Erziehung auf der Grundlage christlicher Werte nur für die Grund- und Hauptschule vor. Rux (2004), 21 kritisiert deshalb, dass die Regelung des § 38 II ff. BWSchG nicht zwischen den verschiedenen Schulformen differenziert. 88 BVerwG, JZ 2004, 1178 (1181); vgl. zur Kritik an dieser Auslegung Baer/Wrase (2005), 249 f.; Mahrenholz im Interview im Deutschlandfunk am 25.6.2004. 86
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lung gehe es nicht um persönliche innere Verbindlichkeiten, die der Darstellende für sich anerkennen müsse.89 Gegen ein solches Verständnis von § 38 II 3 BWSchG spricht aber die historische Auslegung dieser Vorschrift. Laut der Gesetzesbegründung fallen unter das Verbot des § 38 I 1 BWSchG nicht „entsprechende Darstellungen durch Lehrkräfte, die derartige kulturelle Traditionen und Bildungswerte bekunden“.90 „Bekundung“ deutet mehr als das Wort „Darstellung“ darauf hin, dass die Lehrkraft christliche Symbole und Kleidung als persönliche Äußerung und nicht nur als Anschauungsmaterial im Unterricht verwenden darf. Deutlich zeigen die Beratungen der Landtagsausschüsse und die abschließende Plenardebatte, dass der Landesgesetzgeber eine Ermächtigung zur Privilegierung christlicher und jüdischer Bekenntnisbekundungen schaffen wollte.91 In den Beratungen wurde ausführlich die Frage einer Ausnahme für christliche Symbole anhand des von den Nonnen an der staatlichen Grundschule im Unterricht getragenen Nonnenhabits erörtert. Die Vertreterin der Landesregierung äußerte dabei, auf Grund der Schulrechtstraditionen im Land dürften Ordensleute selbstverständlich im Habit in einer öffentlichen Schule lehren und die Landesregierung sehe keine Veranlassung, die Nonnen im Kloster aufzufordern, in der Schule, die lange in der Trägerschaft des Ordens gestanden habe, ohne ihr Habit zu unterrichten.92 Ein weiterer Hinweis im Rahmen der historischen Auslegung sind die in der Presse veröffentlichten Aussagen der damaligen baden-württembergischen Kultusministerin Annette Schavan, denn das reformierte Schulgesetz wurde aufgrund eines Gesetzesentwurfes der Landesregierung verabschiedet. Schavan ging davon aus, dass eine Ordenstracht keine nach dem Landesgesetz verbotene „Bekundung“ eines bestimmten Glaubens, sondern „Berufskleidung im religiösen Kontext“ sei.93 Zumindest ein Indiz im Rahmen der historischen Auslegung sind auch die Äußerungen des Prozessvertreters Baden-Württembergs, Ferdinand Kirchhof, in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht: Die Ausnahme für die Darstellung christlicher Inhalte meine zwar nur, dass z. B. ein Mönch im Wappen der Stadt München gezeigt werden könne, und nicht, dass Nonnen im Habit grundsätzlich unterrichten dürften. Er hielt es aber für möglich, dass eine Nonne, die in einer Schule im Schwarzwald unterrichte, weder gegen das Neutralitätsgebot verstoße noch den Schulfrieden gefährde. Die historische Ausle89
BVerwG, JZ 2004, 1178 (1180); ebenso VG Stuttgart, ZBR 2007, 135 (137). LT BW, Drs. 13/2793, 7. 91 Ebenso VG Stuttgart, ZBR 2007, 135 (137). 92 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Schule, Jugend und Sport, LT BW, Drs. 13/3071 v. 14.4.2004, 3 und LT BW, PlenProt 13/67 v. 1.4.2004, 4719. 93 Vgl. FAZ 2.10.2003; Tagesspiegel 26.6.2004; ein solches Verständnis ablehnend Böckenförde in SZ-Interview v. 13.10.2004: „Wer das Ordenskleid zur Berufskleidung umdeutet, ihm also den Charakter des religiösen Bekenntnisses nehmen will, tut allen Nonnen einen Tort an und beleidigt sie.“ 90
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gung spricht insofern dafür, dass der Gesetzgeber mit § 38 II BWSchG eine Privilegierung christlicher Kleidung und Symbole festschreiben wollte.94 Dieser gesetzgeberische Wille steht einer verfassungskonformen Auslegung entgegen. § 38 II 3 BWSchG kann demnach nicht verfassungskonform ausgelegt werden. Diese Regelung ist vielmehr so zu verstehen, dass christlich motivierte Kleidung und Symbole von Lehrerinnen keinen Beschränkungen unterliegen sollen. Damit schreibt die Norm eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor.95 4. Ausnahmen für Lehramtsreferendarinnen und Referendariatsbewerberinnen § 38 BWSchG ist nur dann verfassungskonform, wenn die Vorschrift klarstellt, dass Bewerberinnen für den Lehramtsreferendariatsdienst nicht aufgrund eines Kopftuches abgelehnt werden können. Eine solche Ablehnung darf auch dann nicht erfolgen, wenn der Dienstherr im Einzelfall plausibel darlegt, dass es wegen des Kopftuches der Referendariatsbewerberin in der Schule zu Problemen kommen kann. Referendarinnen darf das Kopftuch nur dann verboten werden, wenn der Dienstherr die wegen des Kopftuches entstehenden Probleme weder durch konsensuale Mittel, wie Gespräche mit den Eltern, noch durch verwaltungsorganisatorische Maßnahmen, wie die Versetzung der Referendarin an eine andere Schule, lösen kann.96 Nach § 38 IV BWSchG können für die Ableistung des Vorbereitungsdienstes für ein Lehramt auf Antrag Ausnahmen von den Verhaltensgeboten in Abs. 2 und 3 im Einzelfall gemacht werden, soweit die Ausübung der Grundrechte der Referendarin diese zwingend erfordern und keine zwingenden öffentlichen Interessen an der Wahrung der amtlichen Neutralität und des Schulfriedens entgegenstehen. Die Vorschrift räumt dem Dienstherrn ein Ermessen für die Beurteilung der religiösen Kleidung und Symbole von Referendarinnen ein. Dieses Ermessen erlaubt ihm, Referendarinnen auch mit Kopftuch einzustellen und ihnen nur dann das Kopftuch zu verbieten, wenn sich daraus Konflikte ergeben, für die sich keine andere Lösung finden lässt. § 38 BWSchG ist somit hinsichtlich des Umgangs mit dem Kopftuch von Referendarinnen und Referendariatsbewerberinnen verfassungskonform. 94 So verstand auch ein Teil der Presse und der wissenschaftlichen Literatur § 38 II BWSchG, vgl. Bergmann (2004), 141; Böckenförde (2004); Häußler (2004), 13; Kühling (2004), 132. „Weshalb vermeiden alle drei Gesetzgeber, das klar zu sagen, was sie meinen? Es wäre so einfach: „Lehrerinnen dürfen im Unterricht kein Kopftuch tragen. Christliche und jüdische Trachten sind zulässig.“ 95 In diese Richtung u. a. Traulsen (2006), 130. Das VG Stuttgart, ZBR 2007, 135 ff. hält ein auf § 38 BWSchG gestütztes Kopftuchverbot für unzulässig, weil zeitgleich Ordensschwestern in ihrer Tracht an einer staatlichen Schule unterrichteten. 96 Siehe oben S. 253.
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§ 6 Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot
5. Gleichstellung von verbeamteten und angestellten Lehrerinnen § 38 BWSchG ist nur dann verfassungskonform, wenn verbeamtete und angestellte Lehrerinnen gleich behandelt werden. § 38 V BWSchG sieht vor, dass die Absätze 2 bis 4 und damit die Verhaltensgebote hinsichtlich religiös motivierter Bekundungen und religiös motivierten Verhaltens entsprechend für Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis gelten. Eine Gleichstellung von verbeamteten und angestellten Lehrinnen ist damit gegeben. II. Art. 59 II BayEUG Nach Art. 59 II BayEUG dürfen Lehrerinnen keine religiösen und weltanschaulichen Symbole tragen, die als Ausdruck einer Haltung verstanden werden können, die mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung (einschließlich der christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerte) nicht zu vereinbaren ist. Diese Vorschrift stellt im Unterschied zu § 38 BWSchG nicht darauf ab, ob die Symbole geeignet sind, die Neutralität des Landes zu gefährden. Das Kopftuch kann also nicht allein deshalb verboten werden, weil es ein religiöses Symbol ist. Das hat in dem Verfahren vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof um die Verfassungsmäßigkeit von Art. 59 II BayEUG die Regierungsvertreterin, Ingeborg Berggreen-Merkel, ausdrücklich erklärt.97 Das Kopftuch könnte aber verboten werden, wenn seine Bedeutung im Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung steht. Hinsichtlich dieses Aspektes behandelt das Gesetz nicht alle Religionen gleich, weil es mehr Ausschlussgründe für nichtchristliche Symbole schafft: Art. 59 II BayEUG nimmt zwar anders als § 38 BWSchG die Darstellung christlicher Traditionen nicht ausdrücklich von dem Verbot, bestimmte Symbole und Kleidungsstücke zu tragen, aus. Allerdings schreibt Art. 59 II BayEUG vor, dass Symbole und Kleidungsstücke u. a. dann nicht getragen werden können, wenn sie von Schülern und Schülerinnen oder Eltern so verstanden werden können, dass die Trägerin nicht mit den christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerten übereinstimmt. Zwar sagt die Vorschrift nicht ausdrücklich, dass nichtchristlich motivierte Kleidungsstücke und Symbole immer als nicht vereinbar mit christlich-abendländischen Kulturwerten angesehen werden. Die Regierungsvertreterin argumentierte deshalb in dem Verfahren vor dem bayerischen Verfassungsgerichtshof, dass Musliminnen andere religiöse Symbole als das Kopftuch tragen könnten.98 Art. 59 II BayEUG legt dem Dienstherrn aber nahe, nichtchristlich motivierte Symbole eher als christlich motivierte Symbole als verfassungsfeindlich zu erkennen. Selbst wenn der Begriff der „christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerte“ „die von konkreten 97 98
Vgl. Rath (2006). Vgl. Rath (2006).
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Glaubensinhalten losgelöste, in der Bayerischen Verfassung verankerte Wertewelt“ umschreibt99, werden christlich motivierte Kleidungsstücke und Symbole wohl immer mit christlich-abendländischen Werten übereinstimmen. Sie können deshalb nur dann verboten werden, wenn sie mit den sonstigen Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung nicht übereinstimmen. Darauf deutet auch die Gesetzesbegründung hin. Dort schreibt der bayerische Gesetzgeber, dass die Tracht von Ordensschwestern zulässig bleibe, weil dieses Kleidungsstück die christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerte widerspiegele und im Rahmen der christlichen Gemeinschaftsschule lediglich als äußeres Zeichen des zulässigen Schulcharakters einer nichtmissionierenden Schule auf der Grundlage christlich-abendländischer Kulturtradition zu verstehen sei.100 Zwar ist theoretisch denkbar, dass nur das Kopftuch und nicht das Habit in seiner Symbolaussage der Verfassung widerspricht. Entgegen der hier vertretenen Auffassung besteht jedenfalls die Möglichkeit, dass das Kopftuch als Symbol für Frauenunterdrückung oder Fundamentalismus gelten könnte, während einem Habit eine solche Bedeutung plausiblerweise nicht zugeschrieben werden kann.101 Ein solcher Bedeutungsunterschied, der eine unterschiedliche Behandlung der beiden Symbole rechtfertigt, müsste aber sorgfältig nachgewiesen werden.102 Art. 59 II BayEUG legt demgegenüber nahe, dass dem Habit pauschal zugute gehalten wird, dass es christliche Bildungswerte widerspiegelt. Weil die Vorschrift eine solche pauschale ungleiche Beurteilung von Symbolen und Kleidungsstücken unterschiedlicher Religionen ermöglicht und für nichtchristlich motivierte Symbole und Kleidungsstücke mehr Ausschlussgründe als für christlich motivierte schafft, verletzt sie das religiöse Gleichbehandlungsgebot.103 Hinzu kommt, dass Art. 59 II BayEUG zu unbestimmt ist, weil Symbole und Kleidungsstücke, die ihrer Bedeutung nach gegenwärtig mit der Verfassung nicht übereinstimmen, nicht benannt werden.104 Zudem lässt die Vorschrift unverhältnismäßige Eingriffe zu, weil sie es dem Dienstherrn erlaubt, Kleidungsstücke und Symbole pauschal zu verbieten, ohne deren gefährdende Wirkung im Einzelfall zu untersuchen.105 Eine verfassungskonforme Auslegung von Art. 59 II BayEUG ist demnach nicht möglich. Ein Kopftuchverbot kann nach der hier vertretenen Auffassung auch im Einzelfall nicht auf Art. 59 II BayEUG gestützt werden. 99
So der BayVerfGH, BayVBl. 2007, 235 ff. Vgl. LT Bay, Drs. 15/368, 8. 101 Siehe oben S. 99 zur Kontextbezogenheit der Symbolbedeutung. Siehe oben S. 232 zur Ungleichbehandlung muslimischer und christlicher Symbole wegen deren (vermeintlicher) unterschiedlicher Konfliktträchtigkeit. 102 Siehe oben S. 214. 103 A. A. BayVerfGH, BayVBl. 2007, 235 ff. 104 Siehe oben S. 277. 105 Siehe oben S. 278. 100
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§ 6 Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot
III. §§ 2 ff. Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin Nach § 2 des Gesetzes zu Art. 29 der Verfassung von Berlin (BlnLV) dürfen Lehrkräfte in den öffentlichen Schulen innerhalb des Dienstes keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen. Weder in der Vorschrift selbst noch in der Gesetzesbegründung106 ist eine Ausnahme für christliche Kleidung und Symbole vorgesehen. § 2 des Gesetzes zu Art. 29 der Verfassung von Berlin unterscheidet sich von § 38 BWSchG insoweit, als nur religiös geprägte Symbole und Kleidungsstücke verboten sind. Politisch geprägte Symbole oder Kleidungsstücke werden dagegen nicht erfasst. Zudem ist eine Gleichbehandlung aller religiösen Symbole und Kleidungsstücke vorgesehen. Das Kopftuch kann als auffallend religiös geprägtes Kleidungsstück verstanden und demnach unter die Vorschrift subsumiert werden. Ebenso wie § 38 BWSchG erlaubt § 2 des Gesetzes zu Art. 29 BlnLV, Lehrerinnen das Kopftuchtragen grundsätzlich zu verbieten. Damit erlaubt es unverhältnismäßige Eingriffe. Ein Kopftuchverbot kann demnach auch im Einzelfall nach der hier vertretenen Auffassung nicht auf § 2 des Gesetzes zu Art. 29 BlnLV gestützt werden. IV. § 59b IV BremSchulG Nach § 59b IV BremSchulG darf das äußere Erscheinungsbild der Lehrkräfte und des betreuenden Personals in der Schule nicht dazu geeignet sein, „die religiösen und weltanschaulichen Empfindungen der Schülerinnen und Schüler und der Erziehungsberechtigten zu stören oder Spannungen, die den Schulfrieden durch Verletzung der religiösen und weltanschaulichen Neutralität gefährden, in die Schule zu tragen.“
Eine Ausnahme für die Darstellung christlicher oder abendländischer Bildungs- und Kulturwerte sehen weder der gesetzliche Wortlaut noch die Gesetzesbegründung107 vor. Die Vorschrift berücksichtigt demnach das Gleichbehandlungsgebot. § 59b IV BremSchulG ist aber nicht bestimmt genug, weil es der Schulbehörde im Einzelfall überlassen ist festzulegen, wann das Erscheinungsbild einer Lehrkraft die religiös-weltanschauliche Neutralität gefährdet.108 Zudem gestattet § 59 IV BremSchulG unverhältnismäßige Eingriffe, weil es zulässt, Lehrerinnen bereits wegen einer abstrakten Gefährdung ein bestimmtes 106
Siehe Abgh. Bln, Drs. 15/3249. LT Brem, Drs. 16/662, 2. 108 A. A. BVerfG, Bschl. v. 22.6.2006, Az. 2 BvR 1657/05; zur erforderlichen Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage siehe oben S. 270. 107
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äußeres Erscheinungsbild zu verbieten, ohne dass es auf eine Prüfung im Einzelfall ankommt.109 Zuletzt sieht § 59b V BremSchulG zwar vor, dass die Verbotsregelung für Referendarinnen nur gilt, soweit sie Unterricht erteilen. Diese Ausnahmeregelung ist aber nicht ausreichend, um dem Ausbildungsmonopol des Staates zu genügen. Referendarinnen müsste es vielmehr grundsätzlich erlaubt sein, mit Kopftuch zu unterrichten.110 Eine verfassungskonforme Auslegung von § 59b IV BremSchulG ist nicht möglich. Ein Kopftuchverbot kann nach der hier vertretenen Auffassung also auch im Einzelfall nicht auf § 59b IV BremSchulG gestützt werden.111 V. § 86 III HSchG, § 57 IV NRW-SchulG, § 1 IIa SLSchoG § 57 IV NRW-SchulG entspricht nahezu wörtlich § 38 BWSchG. § 86 III HSchG und § 1 IIa SLSchoG ähneln dieser Vorschrift. In diesen Vorschriften werden religiöse oder weltanschauliche „Bekundungen“ (§§ 57 IV NRWSchulG, 1 IIa SLSchoG), „Symbole“ bzw. „Kleidungsstücke“ (§ 86 III HSchG) im Schuldienst verboten, wenn und soweit diese „geeignet sind“, die „Neutralität des Landes“ oder den „Schulfrieden“ (§§ 57 IV NRW-SchulG, 86 III HSchG, 1 IIa SLSchoG) zu gefährden. Die drei Gesetze sehen mehr oder weniger deutlich eine Privilegierung christlicher Glaubensbekundungen vor. So nimmt § 57 IV S. 3 NRW-SchulG die Darstellung von „christlichen und abendländischen Bildungs- und Kulturwerten“ oder „Traditionen“ ausdrücklich von dem Verbot aus. § 86 III HessSchG legt fest, dass bei der Entscheidung, ob die Voraussetzungen für ein Verbot von religiös motivierten Symbolen vorliegen „der christlich und humanistisch geprägten abendländischen Tradition des Landes Hessen angemessen Rechnung zu tragen“ ist. In § 1 IIa SLSchoG ist dem Verbot bestimmter Symbole der Satz vorgeschaltet „Die Schule unterrichtet und erzieht die Schüler [. . .] auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte.“ In den Gesetzesbegründungen wird diese Ausnahme zum Teil explizit auf christlich motivierte Kleidungsstücke bezogen.112 In den Begründungen wird zudem das Kopftuch als verfassungswidriges Symbol bezeichnet.113 Auf diese Vorschriften kann nach der hier vertretenen, im Zusammenhang mit § 38 109 So liest auch das BVerfG § 59b IV BremSchulG, BVerfG, Bschl. v. 22.6.2006, Az. 2 BvR 1657/05. Allerdings hält das BVerfG die Vorschrift dennoch für verfassungsgemäß. 110 BVerfG, Bschl. v. 22.6.2006, Az. 2 BvR 1657/05 hat verlangt, dass sich das OVG im Hauptsacheverfahren mit den fehlenden Ausnahmeregelungen auseinandersetze. Zum staatlichen Ausbildungsmonopol siehe oben S. 253, zu den erforderlichen Ausnahmeregelungen siehe oben S. 281. 111 A. A. BVerfG, Bschl. v. 22.6.2006, Az. 2 BvR 1657/05. 112 Vgl. LT Hess, Drs. 16/1897, 4; LT NRW, Drs. 14/569, 8 f.; LT SL, Drs. 12/ 1072, 4. 113 Vgl. LT Hess, Drs. 16/1897, 4; LT NRW, Drs. 14/569, 8; LT SL, Drs. 12/1072, 4.
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§ 6 Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot
BWSchG erarbeiteten Auffassung ein Kopftuchverbot auch im Einzelfall nicht gestützt werden. VI. § 51 II NSchG Nach § 51 II NSchG darf das „äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften [. . .] keine Zweifel an der Eignung der Lehrkraft begründen, den Bildungsauftrag der Schule überzeugend erfüllen zu können“. Eine Ausnahme für die Darstellung christlicher oder abendländischer Bildungs- und Kulturwerte sieht der gesetzliche Wortlaut nicht vor. Die Gesetzesbegründung des Regierungsentwurfes sieht zwar eine Ausnahme für jüdische und christliche Symbole vor.114 Allerdings folgt der Gesetzesbeschluss der Empfehlung des Kulturausschusses. Diese weicht insoweit ausdrücklich vom Regierungsentwurf ab, als sie keine Ausnahme für die Bekundung christlicher oder abendländischer Bildungs- und Kulturwerte vorsieht.115 Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die Begründung des Gesetzesentwurfes der Regierung für das tatsächlich verabschiedete Gesetz gelten soll. § 51 II NSchG unterscheidet sich von § 38 BWSchG insofern, als hier nicht Bekundungen verboten werden, die die Neutralität oder den Schulfrieden gefährden oder den Eindruck entstehen lassen, die Lehrerin trete gegen bestimmte Grundrechte auf. Vielmehr verbietet § 51 II NSchG das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften, das Zweifel an deren Eignung begründet, den Bildungsauftrag der Schule überzeugend erfüllen zu können. Sofern der Dienstherr das Kopftuch als äußeres Erscheinungsbild versteht, das solche Zweifel begründet, erlaubt § 51 II NSchG dem Dienstherrn, Lehrerinnen grundsätzlich das Kopftuchtragen zu verbieten. Insofern erlaubt § 51 II NSchG ebenso wie § 38 BWSchG unverhältnismäßige Eingriffe. Nach der Gesetzesbegründung soll ein Kopftuch für Lehrerinnen unzulässig sein.116 Eine verfassungskonforme Auslegung steht demnach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers entgegen und ist nicht möglich. Nach der hier vertretenen Auffassung können Kopftuchverbote somit auch im Einzelfall nicht auf § 51 II NSchG gestützt werden.
C. Rechtslage in den Bundesländern, die ihre Schulund Beamtengesetze nicht reformiert haben Die Bundesländer, die nach dem Kopftuch-Urteil des BVerfG ihre Schul- und Beamtengesetze nicht reformiert haben, können ein Kopftuchverbot im Einzelfall nur auf die allgemeinen Vorschriften des öffentlichen Dienstrechts stützen. 114 115 116
Nds LT-Drs. 15/720, 8. Nds LT-Drs. 15/970. Nds LT-Drs. 15/720, 8.
C. Rechtslage in den Bundesländern ohne reformierte Gesetze
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I. Allgemeine Dienstpflichten der Beamtin als Ermächtigungsgrundlage Die Landesbeamtengesetze legen in Umsetzung der entsprechenden Vorschriften des BRRG allgemeine Vorschriften für das dienstliche und außerdienstliche Verhalten der Beamtinnen fest. Nach § 2 I BRRG steht die Beamtin zu ihrem Dienstherrn in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis.117 Nach § 7 BRRG erfolgt die Ernennung der Beamtin nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse, Glauben, religiöse oder politische Anschauungen, Herkunft oder Beziehungen.118 Nach § 35 I 1 BRRG dient die Beamtin dem ganzen Volk, nicht einer Partei. § 35 I 2 BRRG verlangt, dass sie ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht erfüllt und bei ihrer Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht nimmt.119 Ergänzend dazu verlangt § 35 II BRRG Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung120 und § 36 BRRG völlige Hingabe an den Beruf, Uneigennützigkeit und achtungs- und vertrauenswürdiges Verhalten.121 § 35 I 3 BRRG122 verpflichtet die Beamtin, sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten. Zusammengefasst begründen diese Vorschriften eine Pflicht der Beamtin zu Mäßigung und Zurückhaltung.123 Die Mehrheitsmeinung des BVerfG sah im Ludin-Urteil das bloße Tragen eines religiös motivierten Kopftuches von keiner der allgemeinen Dienstpflich117 Ebenso § 2 BWLBG; Art. 2 BayBG; § 2 BlnLBG; § 2 BbgLBG; § 2 BremBG; § 2 HmbgBG; § 2 HBG; § 2 MVLBG; §§ 2 II, 4 NBG; § 2 NRWLBG; §§ 3, 5 RPLBG; § 2 SächBG; § 2 BG LSA; § 2 SH LBG; § 2 ThürBG. 118 Ebenso § 11 I BWLBG, Art. 12 II BayBG; § 12 S. 2 BlnLBG; §§ 12, 13 BbgLBG; §§ 9, 9a BremBG; § 7 HmbgBG; § 8 HBG; § 9 MVLBG; § 8 NBG; § 7 NRWLBG; § 10 RPLBG; § 9 SBG; § 12 SächBG; § 8 BG LSA; § 10 SH LBG; § 8 ThürBG. 119 Ebenso § 70 I BWLBG; Art. 62 I 2 BayBG; § 18 I BlnLBG; § 18 I, II BbgLBG; § 53 BremBG; § 57 HmbgBG, § 67 HBG; § 57 I, II MVLBG; § 61 I, II NBG; § 55 NRWLBG; § 63 I RPLBG, § 67 I u. II SBG; § 69 SächBG; § 52 BG LSA; § 65 I, II SH LBG; § 56 I ThürBG. 120 Ebenso § 72 BWLBG; Art. 63 I BayBG; § 19 BlnLBG; § 18 III BbgLBG; § 54 BremBG; § 58 HmbgBG; § 68 HBG; § 57 III MVLBG; § 61 III NBG; § 56 NRWLBG; § 63 II RPLBG; § 67 III SBG; § 71 SächBG; § 53 BG LSA; § 65 III SH LBG; § 56 II ThürBG. 121 Ebenso § 73 BWLBG; Art. 64 I BayBG; § 20 BlnLBG; § 19 BbgLBG; § 55 BremBG; § 59 HmbgBG; § 69 HBG; § 58 MVLBG; § 62 NBG; § 57 NRWLBG; § 64 RPLBG; § 68 SBG; § 72 SächBG; § 54 BG LSA; § 66 SH LBG; § 57 ThürBG. 122 Ebenso § 70 II BWLBG; Art. 62 II BayBG; § 18 II BlnLBG; § 18 II BbgLBG; § 53 II BremBG; § 57 II HmbBG; § 67 HBG; § 57 I MVLBG; § 61 II NBG; § 55 II NRWLBG; § 63 I 2 RPLBG; § 67 II SBG; § 69 I 2 SächBG; § 52 II BG LSA; § 65 II SH LBG; § 56 I 3 ThürBG. 123 Vgl. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3115).
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§ 6 Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot
ten erfasst.124 Dabei ließ das BVerfG aber offen, ob ein Kopftuchverbot auf die allgemeinen Dienstpflichten gestützt werden könnte, wenn wegen des Kopftuches Konflikte auftreten.125 In der Literatur wird z. T. vertreten, dass ein Kopftuchverbot im Einzelfall auf die allgemeinen Beamtenpflichten gestützt werden kann.126 Diese Ansicht kann jedoch nur wenig überzeugen. Der allgemeine Pflichtenkatalog trifft keinerlei Aussage darüber, was eine verbeamtete Lehrerin bei der Gestaltung ihres Erscheinungsbildes zu beachten hat. Er enthält nicht einmal eine ausdrückliche Regelung der Pflicht der Beamtin zu religiöser Neutralität. Ausdrücklich wird in § 35 I 1 und II BBG nur eine Pflicht zu politischer Neutralität verankert.127 Zwar könnte dem Pflichtenkatalog durch Auslegung auch eine Pflicht der Beamtin zu religiöser Neutralität entnommen werden.128 Bereits das ist aber hinsichtlich der erforderlichen Rechtssicherheit für Beamtinnen fraglich. Die gesetzlichen Pflichten enthalten nämlich sehr allgemeine Formulierungen wie „Wohl der Allgemeinheit“ und „achtungs- und vertrauenswürdiges Verhalten“. Keinesfalls kann den §§ 35 ff. BRRG aber eine gesetzgeberische Aussage darüber entnommen werden, wie zwischen den Grundrechten der Lehrerin und den kollidierenden Verfassungsgütern abzuwägen ist.129 Die Geltung des Bestimmtheitsgebotes auch im Beamtenrecht verlangt, dass im Gesetz zumindest deutlich gemacht wird, dass die Beamtin durch ihr Erscheinungsbild ihre Verpflichtung zu amtsangemessenem Verhalten verletzen kann. Der Dienstherr kann ein Kopftuchverbot demnach nicht auf eine Vorschrift des allgemeinen beamtenrechtlichen Pflichtenkatalogs stützen.
124
BVerfG, NJW 2003, 3111 (3115). Dagegen ging der Berichterstatter des Ludin-Urteils, BVerfRichter a. D. Sommer, während eines Vortrags am 26.5.2004 am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin von den allgemeinen Beamtenpflichten als Ermächtigungsgrundlage im Einzelfall aus. 126 Vgl. Anger (2005), 61; Lanzerath (2003), 159. 127 Vgl. Battis (2004), § 52 Rn. 6. 128 In Literatur und Rechtsprechung wird z. T. angenommen, dass §§ 35 ff. BRRG auch die Pflicht zu Neutralität in religiösen und weltanschaulichen Dingen erfassen. Vgl. zur Verankerung dieser Pflicht in § 35 I 2 BRRG Behrens (2001), § 1 Rn. 28, § 5 Rn. 29; Häußler (1999), 34; Lanzerath (2003), 195 Fn. 833; BayVGH, NVwZ 1986, 405 stützte sein Verbot bhagwan-typischer Kleidung auf den zu § 35 I 2 BRRG äquivalenten Art. 62 I 2 BayBG; zur Verankerung dieser Pflicht in §§ 35 II, 36 S. 3 BRRG Mückl (2001), 125. Dagegen sah BVerfG, NJW 2003, 3111 (3115) im LudinUrteil in § 72 BWLBG, dem Äquivalent zu § 35 II BRRG, keine gesetzliche Grundlage für ein Kopftuchverbot. Vgl. zur Verankerung dieser Pflicht in § 36 BRRG OVG Hamburg, NVwZ 1986, 406 (407). Das Gericht begründete sein Verbot bhagwan-typischer Kleidung mit einem Verstoß gegen § 59 HmbgBG, dem Äquivalent zu § 36 BRRG. 129 A. A. Lanzerath (2003), 158: „Sowohl die §§ 52 ff. BBG, 36 ff. BRRG, 55 ff. LBG NRW wie auch die §§ 76 BBG, 82 LBG NRW enthalten eine parlamentarische Leitentscheidung der Bekleidungsfrage im öffentlichen Dienst.“ 125
D. Kopftuchverbot im Konfliktfall in der Übergangszeit
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Zudem ermächtigen die Landesbeamtengesetze die Landesregierung, Bestimmungen über Dienstkleidung, die bei Ausübung des Amtes üblich oder erforderlich ist, zu erlassen.130 Aber auch diese Vorschrift ist keine Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot. Zwar liegt dieser Vorschrift die gesetzgeberische Entscheidung zugrunde, dass die Kleidung von Beamtinnen nicht gleichgültig für die Erfüllung dienstrechtlicher Pflichten ist. Herkömmlich tragen aber nur bestimmte Beamtengruppen – Polizistinnen, Soldatinnen und Zollbeamtinnen – eine Uniform. Die Ländervorschriften über die Dienstkleidungen können nicht so verstanden werden, dass die Landesregierung auch für alle übrigen Beamtengruppen befugt ist, das Erscheinungsbild zu regeln. II. Allgemeine Vorschriften des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst als Ermächtigungsgrundlage Ebensowenig können die allgemeinen Vorschriften des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst ein Kopftuchverbot im Einzelfall rechtfertigen: Das Recht der Angestellten im öffentlichen Dienst wird von den §§ 611–63 BGB und dem Kündigungsschutzgesetz i. V. mit dem Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) bestimmt. BGB und TVöD regeln weder ausdrücklich eine Pflicht der Angestellten zu religiöser Neutralität, noch legen sie bestimmte Bekleidungspflichten für Angestellte fest. Die allgemeinen Vorschriften des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst können demnach nicht Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall sein.
D. Kopftuchverbot im Konfliktfall in der Übergangszeit Gegenwärtig besteht nach der hier vertretenen Ansicht in keinem Bundesland eine ausreichende gesetzliche Grundlage, um einer Lehrerin im Einzelfall das Kopftuch zu verbieten.131 Es kann dennoch notwendig sein, dass ein Land ohne die erforderliche gesetzliche Grundlage einer Lehrerin verbietet, ihr Kopftuch zu tragen. Zu dieser Notwendigkeit kommt es dann, wenn die Lehrerin durch ihr Kopftuch in Grundrechte der Schülerinnen und Schüler eingreift oder den Schulfrieden erheblich stört und der Dienstherr keine andere Lösung findet, als der Lehrerin das Kopftuch zu verbieten. In dieser Situation sind die Grundrechte der Schulkinder und die Bewahrung des Schulfriedens höher zu gewich130 Vgl. die Landesbeamtengesetze: § 94 BWLBG; Art. 83 BayBG; § 39 BlnLBG; § 42 BbgLBG; § 75 BremBG; § 80 HmbgBG; § 89 HBG; § 84 MVLBG; § 84 NBG; § 82 2NRWLBG i. V. mit der Anordnung der Landesregierung über den Erlass von Bestimmungen über die Dienstkleidung der Beamten; §§ 84, 182 RPLBG; § 91 SBG; § 95 SächBG; § 76 BG LSA; § 92 SH LBG; § 80 ThürBG; vgl. für Bundesbeamten § 76 BBG, § 70 BBesG. 131 A. A. BVerwG, JZ 2004, 1178 ff.
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§ 6 Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot
ten als die Rechte der Lehrerin. Für eine Übergangszeit muss daher hingenommen werden, dass sich ein Dienstherr im Konfliktfall auf allgemeine beamtenoder arbeitsrechtliche Vorschriften stützt. Die Säumigkeit des Gesetzgebers darf nicht zu Lasten der Grundrechte der Schüler und Schülerinnen gehen. Die Landesgesetzgeber sind jedoch gehalten, alsbald eine gesetzliche Lösung zu finden, die sowohl die Grundrechte der Lehrerin als auch die Grundrechte der Schulkinder und Eltern ausreichend schützt.
E. Ermächtigungsgrundlagen für ein Kopftuchverbot nach den Maßstäben von BVerfG und BVerwG Nach den hier vertretenen verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot kann der Dienstherr ein Kopftuchverbot nicht einmal im Einzelfall auf eines der reformierten Schulund Beamtengesetze stützen. Die Vorschriften legen alle nicht in hinreichend bestimmter Weise fest, welche religiös und politisch motivierten Kleidungsstücke und Zeichen als konfliktträchtig im Sinne der Vorschrift gelten. Zudem lassen die Vorschriften jeweils abstrakt-generelle Verbote religiöser Symbole und Kleidungsstücke zu, ohne dass es auf die Prüfung im Einzelfall ankommt. Sie lassen damit unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe zu. Einige der reformierten Ländergesetze schreiben zudem eine Privilegierung christlich motivierter Bekundungen fest.132 Eine verfassungskonforme Auslegung ist jeweils nicht möglich. Dagegen hat das BVerwG § 38 BWSchG im zweiten Ludin-Urteil als Ermächtigungsgrundlage für ein abstrakt-generelles Kopftuchverbot gesehen.133 Anzunehmen ist, dass auch das BVerfG ein auf § 38 BWSchG gestütztes Kopftuchverbot für rechtmäßig erachten würde, wenn es der Auslegung durch das BVerwG folgt. Im Ludin-Urteil räumt das BVerfG den Landesgesetzgebern die Möglichkeit ein, eine gesetzliche Pflicht zu verankern, nach der Lehrerinnen auf das Kopftuchtragen verzichten müssen.134 Eine gesetzlich vorgesehene Einzelfallprüfung verlangt das BVerfG nicht ausdrücklich.135 Zwar liest sich die Begründung stellenweise so, als ob das BVerfG eine Einzelfallprüfung für erforderlich hielte.136 Im Nichtannahmebeschluss zu der Bremer Referendarin mit Kopftuch lässt das BVerfG aber ausdrücklich zu, dass der Gesetzgeber nur auf die abstrakte Gefährdung des Symbols abstellt.137 Das BVerfG hat § 59b IV BremSchulG in diesem Beschluss grundsätzlich für verfassungsgemäß erachtet. 132 133 134 135 136
Siehe § 38 BWSchG, § 86 HSchG, § 57 IV NRW-SchulG, § 1 IIa SLSchoG. Zustimmend u. a. Kloepfer (2006), 50. Siehe oben S. 137. Siehe oben S. 137. Siehe oben S. 137.
E. Kopftuchverbot nach den Maßstäben von BVerfG und BVerwG
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Anzunehmen ist deshalb, dass das BVerfG und das BVerwG auch ein gegenüber Lehrerinnen ausgesprochenes Kopftuchverbot in Berlin, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Saarland für rechtmäßig erachten würden, ohne dass es auf die Prüfung im Einzelfall ankommt, sofern die Schulbehörden auf die abstrakte Gefährdung der staatlichen Neutralität abstellen. Ein Kopftuchverbot im Einzelfall könnte dann erst recht auf diese Ermächtigungsgrundlagen gestützt werden. Nach dem Ludin-Urteil des BVerfG hätte ein Verbot des Kopftuches, sofern auf dessen religiöse Bedeutung abgestellt wird, aber zwingend zur Folge, dass – entgegen der gesetzgeberischen Intention – in der Schule auch Mönchskutte und Ordenstracht unzulässig sind.138 In Bayern ist dagegen ein Verbot des Kopftuches nur dann zulässig, wenn es auf den politischen Gehalt des Kopftuches abstellt. Über die Zulässigkeit eines derart begründeten Verbotes hatten BVerwG und BVerfG bislang noch nicht zu entscheiden. Das BVerwG hat aber im zweiten Ludin-Urteil seine Entscheidung, das Kopftuchverbot für zulässig zu erklären, auch darauf gestützt, dass das Kopftuch als politische Bekundung zu sehen ist, die geeignet ist, den politischen Schulfrieden zu stören.139 Anzunehmen ist deshalb, dass das BVerwG auch ein Kopftuchverbot für zulässig erklären würde, das ausschließlich mit einem politischen Gehalt des Kopftuches begründet wird. Dagegen muss offen bleiben, ob das BVerfG ein solches Kopftuchverbot für zulässig hielte. Im Ludin-Urteil sah das BVerfG Fereshta Ludin jedenfalls durch das Kopftuch nicht daran gehindert, sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zu bekennen. Ebenso wenig sah das BVerfG in dem Kopftuch einen Verstoß gegen das politische Mäßigungsgebot.140 Auf § 51 II NSchG kann wohl auch nach den Maßstäben des BVerfG und des BVerwG ein Kopftuchverbot nicht gestützt werden. Die Vorschrift ist hinsichtlich des Erscheinungsbildes, das verboten werden kann, zu unbestimmt. Selbst wenn von der hier vertretenen strengen Erwartung an die gesetzliche Festlegung der Bedeutung religöser Kleidung abgesehen wird, kann die Vorschrift nicht den allgemeinen Bestimmtheitsanforderungen genügen. Es ist für eine Lehramtsbewerberin oder Lehrerin kaum prognostizierbar, ob ihre Kleidung der Erfüllung des Bildungsauftrages entgegensteht. In den Bundesländern, die keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot geschaffen haben, könnten Kopftuchverbote nach Ansicht des BVerwG wohl im Einzellfall auf die allgemeinen Beamtenpflichten gestützt werden.141 Offen bleibt, ob die Mehrheitsmeinung des BVerfG in den allgemei137 138 139 140 141
BVerfG, Bschl. v. 22. 6.2006, Az. 2 BvR 1657/05. Ebenso VG Stuttgart, ZBR 2007, 135. BVerwG, JZ 2004, 1178 (1179). BVerfG, NJW 2003, 3111 (3115). Vgl. BVerwG, ZBR 2003, 37 ff.
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§ 6 Einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot
nen gesetzlich verankerten Beamtenpflichten eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall sieht.142 Die Mindermeinung des BVerfG im Ludin-Urteil sieht jedenfalls bereits in den allgemeinen gesetzlich verankerten Beamtenpflichten eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für ein generell-präventives Kopftuchverbot143 und demnach auch für ein Kopftuchverbot im Einzelfall.
142 143
Siehe oben S. 287. BVerfG, NJW 2003, 3111 (3118).
§ 7 Sonstige Staatsbedienstete mit Kopftuch Ein Kopftuch kann auch für Kindergärtnerinnen, Polizistinnen, Richterinnen und andere im öffentlichen Dienst Beschäftige zu Problemen führen. Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit die für Lehrerinnen mit Kopftuch im öffentlichen Dienst gefundene Lösung auf vergleichbare Probleme übertragbar ist. Ob Staatsbedienstete ein Kopftuch tragen dürfen, hängt grundsätzlich davon ab, welches Amt sie ausfüllen. Zuvor ist gezeigt worden, dass die Verfassung kein Gebot strikter religiös-weltanschaulicher Neutralität vorgibt, das in der staatlichen Sphäre von dem oder der Einzelnen personale Nichtidentifikation verlangt.1 Nur ein derart verstandenes Neutralitätsgebot – wie es z. B. Krüger annimmt2 – würde aber rechtfertigen, allen Staatsbediensteten unabhängig von ihrem jeweiligen Amt das Tragen religiöser Kleidung zu verbieten. Einer Staatsbediensteten muss das Tragen eines Kopftuches demnach grundsätzlich erlaubt sein, solange ihr nicht andere Verfassungswerte entgegengehalten werden können. Andere Verfassungswerte können durch das Tragen des Kopftuches verletzt werden, wenn die Staatsbedienstete Publikumskontakt hat. Kontakte zur Außenwelt stehen unter einer besonderen Pflichtengeltung, weil die Gefahr besteht, dass Grundrechte der Bürger – durch das Kopftuch etwa deren negative Religionsfreiheit aus Art. 4 I, II GG – verletzt werden könnten. Bei Amtstätigkeiten, die die Staatsbediensteten weitgehend isoliert ausüben – wie die Arbeit in der Materialverwaltung oder im Archiv einer kleinen Behörde –, sind dagegen kaum Verfassungswerte ersichtlich, die Beamtinnen durch ihr Verhalten verletzen können.3 Ein Verstoß gegen Verfassungswerte durch das Kopftuch einer Staatsbediensteten ist zudem umso eher denkbar, je mehr Hoheitsfunktion die Staatsbedienstete hat oder gegenüber den Bürgern Autorität ausübt. So kann die Staatsbedienstete eher zum Vorbild werden. Problematisch erscheint deshalb insbesondere das Kopftuch von staatlichen Erzieherinnen, Polizistinnen und Richterinnen. Im Folgenden soll deshalb nur für diese Staatsbediensteten untersucht werden, ob sie im Dienst ein Kopftuch tragen dürfen.
1 2 3
Siehe oben S. 163. Siehe oben S. 147. Battis/Bultmann (2004), 12.
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§ 7 Sonstige Staatsbedienstete mit Kopftuch
A. Erzieherinnen mit Kopftuch I. Gesetzeslage und Verwaltungspraxis Die Stadt Ebersbach, Baden-Württemberg, entließ 2005 eine muslimische Kinderpflegerin wegen ihres Kopftuches. In einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht entschied sich die Kinderpflegerin, gegen eine Abfindung von 8.000 Euro ihre Arbeitsstelle aufzugeben.4 Die CDU-/FDP-Koalition nahm dies zum Anlass, ein Gesetz zu beschließen, das Kindergärtnerinnen ausnahmslos das Kopftuch verbietet.5 Die SPD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag hatte hingegen eine Lösung favorisiert, die den Kommunen eine am Einzelfall orientierte Entscheidung, d.h. ein Zulassen des Kopftuches unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht hätte.6 1999 weigerte sich die Stadt Heidelberg, einer in einer städtischen Kindertagesstätte tätigen türkischen Anerkennungspraktikantin muslimischen Glaubens das Tragen eines Kopftuches im Dienst zu verbieten. Die Eltern eines in der Tagesstätte betreuten Kindes hatten einen entsprechenden Antrag gestellt. Die gegen die Weigerung gerichtete Verfassungsbeschwerde nahm das BVerfG nicht zur Entscheidung an.7 In Berlin wurde eine Praktikantin 2003 in einem Hort an einer Grundschule wegen ihres Kopftuches versetzt.8 Im Januar 2005 wurde das Berliner Kindertagesbetreuungsgesetz so reformiert, dass Erzieherinnen das Kopftuch dann ablegen müssen, wenn Eltern sich auf die negative Religionsfreiheit berufen und sich im Gespräch keine Lösung herstellen lässt. Die Stadt Bergkamen, Nordrhein-Westfalen, entließ im August 2002 eine Erzieherin wegen ihres Kopftuches. Das Arbeitsgericht hob die Kündigung im Januar 2003 jedoch wieder auf.9 1. Baden-Württemberg § 7 Abs. 6–8 Gesetz über die Betreuung und Förderung von Kindern in Kindergärten, anderen Tageseinrichtungen und der Kindertagespflege (BWKiTaG) n. F. lautet:
4
ArbG Stuttgart, 28.11.2005, Az.: 27 Ca 373/05. Vgl. Artikel 1 Nr. 6c des Gesetzes zur Änderung des KGaG BW v. 14.2.2006; vgl. zur Entwicklung und Diskussion LT-Drs. 13/4658 v. 21.9.2005 (Antrag der Fraktion Die Grünen und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport); Leins (2005); Renz (2006). 6 Dazu Pressemitteilung v. 28.9.2005 und Gesetzentwurf (neuer § 7a KGaG B-W), abrufbar unter www.spd.landtag-bw.de (Stand 1.11.2005). 7 BVerfG, Bschl. v. 22.6.1999, Az. 1 BvR 961/99. 8 Vgl. Miller (2003); Abgh. Bln, Drs. 15/11218. 9 ArbG Dortmund, Az.: 6 CA 5736/02, Urt. v. 16.1.2003. Die Stadt zog die Berufung gegen die Entscheidung zurück. 5
A. Erzieherinnen
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„(6) Fachkräfte im Sinne der Absätze 1 und 2 und andere Betreuungs- und Erziehungspersonen dürfen in Einrichtungen, auf die dieses Gesetz Anwendung findet und die in Trägerschaft des Landes, eines Landkreises, einer Gemeinde, einer Verwaltungsgemeinschaft, eines Zweck- oder Regionalverbandes stehen, keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußeren Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Trägers gegenüber Kindern und Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden in Einrichtungen, auf die dieser Absatz Anwendung findet, zu gefährden oder zu stören. Insbesondere ist ein äußeres Verhalten unzulässig, welches bei Kindern oder Eltern den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Fachkraft oder eine andere Betreuungs- und Erziehungsperson gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung der Menschen nach Artikel 3 des Grundgesetzes, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftritt. Die Wahrnehmung des Auftrags nach Artikel 12 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg zur Erziehung der Jugend im Geiste der christlichen Nächstenliebe und zur Brüderlichkeit aller Menschen und die entsprechende Darstellung derartiger Traditionen widerspricht nicht dem Verhaltensgebot nach Satz 1. (7) Die Einstellung einer Fachkraft im Sinne der Absätze 1 und 2 oder einer anderen Betreuungs- und Erziehungsperson in Einrichtungen nach Absatz 6 Satz 1 setzt als persönliches Eignungsmerkmal voraus, dass sie die Gewähr für die Einhaltung des Absatzes 6 während der gesamten Dauer ihres Arbeitsverhältnisses bietet. (8) Für die Ableistung eines Praktikums zur Ausbildung als Fachkraft kann im Einzelfall auf Antrag eine Ausnahme von Absatz 6 vorgesehen werden, soweit die Ausübung der Grundrechte es zwingend erfordert und zwingende öffentliche Interessen an der Wahrung der amtlichen Neutralität und des Friedens in der Einrichtung nicht entgegenstehen.“
2. Berlin § 7 V Gesetz zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflege (BlnKitaG) n. F. lautet: „Das Personal von Tageseinrichtungen in öffentlicher Trägerschaft soll bei Erfüllung seiner Aufgaben nach § 3 Abs. 1 auf die weltanschaulich-religiöse Neutralität achten.“
§ 7 VI KitaG schreibt fest: „Wenn die Erziehungsberechtigten eines Kindes unter ernsthafter Berufung auf ihre negative Glaubensfreiheit ausdrücklich wünschen, dass das für die Betreuung dieses Kindes zuständige Betreuungspersonal einer Tageseinrichtung in öffentlicher Trägerschaft keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, oder keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke trägt, findet zunächst ein Vermittlungsgespräch zwischen den Erziehungsberechtigten und dem Betreuungspersonal statt. Sollten die Erziehungsberechtigten ihren Wunsch nach dem Vermittlungsgespräch aufrechterhalten, ist dem zu entsprechen. Dies kann auch durch organisatori-
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§ 7 Sonstige Staatsbedienstete mit Kopftuch
sche Veränderungen in der Tageseinrichtung oder im Bereich des öffentlichen Trägers geschehen.“
II. Verfassungsrechtliche Bewertung Erzieherinnen können in Krippen, Kindergärten und Horten eingesetzt werden. Sofern sie für Tageseinrichtungen in öffentlicher Trägerschaft arbeiten, sind sie i. d. R. Angestellte im öffentlichen Dienst. Ebenso wie für Lehrerinnen im öffentlichen Angestelltenverhältnis gelten auch für Erzieherinnen im öffentlichen Angestelltenverhältnis die Grundrechte aufgrund von deren Drittwirkung im Arbeitsrecht.10 Eine Frau mit Kopftuch, die sich als Erzieherin im öffentlichen Dienst bewirbt, kann sich unmittelbar auf Art. 33 II GG berufen.11 Der Staat hat zwar keinen dem Schulauftrag aus Art. 7 I GG entsprechenden Auftrag zur Erziehung der Kinder, bevor sie das Schulalter erreicht haben.12 Eltern überlassen ihre Kinder vielmehr freiwillig einer staatlichen Erziehungseinrichtung. Kindergärten sollen die Eltern bei der Erziehung der Kinder unterstützen.13 Zugleich nehmen sie fürsorgerische Aufgaben wahr.14 Aus diesen Aufgaben erwächst aber kein dem Schulauftrag vergleichbarer verfassungsrechtlicher Erziehungsauftrag. Insofern wird die Religionsfreiheit der Erzieherinnen im staatlichen Dienst jedenfalls nicht durch den staatlichen Schulauftrag beschränkt. Der Staat ist aber auch in diesen staatlichen Erziehungseinrichtungen auf den Schutz der Grundrechte von Kindern und ihrer Eltern verpflichtet. Dagegen nahm das Arbeitsgericht Dortmund im Fall der Erzieherin aus Bergkamen an, es käme im Kindergarten zu keiner Kollision zwischen den Grundrechten der Erzieherin und der Kinder und Eltern, da mangels Kindergartenpflicht den Eltern ausreichend Ausweichmöglichkeiten blieben: Kindergärten dürfen auch von privaten Trägern eingerichtet werden, so dass Eltern die Wahl der Einrichtung oder im kommunalen Kindergarten die Wahl einer anderen Gruppe ohne Erzieherin mit Kopftuch bliebe.15 Diese Ansicht kann aber nicht überzeugen. Der Staat ist, wenn er eine staatliche Erziehungseinrichtung anbietet, auf den Schutz der betroffenen Kinder und Eltern verpflichtet. Er ist sogar in der Pflicht, für jedes Kind ab dem vollendeten dritten Lebensjahr einen Kindergartenplatz be-
10
Siehe oben S. 248. Siehe oben S. 248. 12 Kindergärten gelten auch nicht als Schulen i. S. des Art. 7 GG, vgl. Jarass/Pieroth (2004), Art. 7 Rn. 2. 13 Vgl. § 2 I S. 1 KGaG BW. 14 Vgl. BVerfG, NJW 1998, 2128 (2129 f.). 15 Vgl. ArbG Dortmund, 6 CA 5736/02, Urt. v. 16.1.2003; demgegenüber kritisch Wittinger (2006), 170. 11
A. Erzieherinnen
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reitzustellen.16 Kindergärten für Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr sind damit Teil einer kommunalen Vorsorgepflicht. Kindergärten gelten zudem als wesentliche Bestandteile des staatlichen Bildungssystems.17 Es handelt sich bei Kindergärten demnach nicht um freie gesellschaftliche Selbstorganisation.18 Hinzu kommt, dass die Möglichkeit zum Ausweichen auf andere Erziehungseinrichtungen u. U. nicht besteht, sei es weil es in kleinen Kommunen keine weiteren Angebote gibt oder weil durch die Nähe zur Wohnung nur ein bestimmter Kindergarten in Frage kommt.19 In den Kindergärten ist der Staat des Weiteren an das Gleichbehandlungsgebot gebunden und muss den Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung umsetzen. Die Grundrechte von Erzieherinnen in Tageseinrichtungen in öffentlicher Trägerschaft können deshalb durch die kollidierenden Grundrechte der Kinder in diesen Einrichtungen und ihrer Eltern sowie durch den Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung beschränkt werden. Hinsichtlich eines möglichen Eingriffs in die Religionsfreiheit der Kinder ist je nach der Tageseinrichtung zu differenzieren, in der die Erzieherin eingesetzt wird. Während in Kinderkrippen und -gärten Kinder vom 3. Monat bis zum Beginn der Schulpflicht aufgenommen werden, werden in Horten schulpflichtige Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres betreut.20 Sofern die Erzieherin zur Betreuung von Kindern bis zur Beginn der Schulpflicht eingesetzt wird, führt das Kopftuch i. d. R. nicht zu einem Eingriff in die Grundrechte der Kinder. Kinder bis zum Beginn der Schulpflicht, also bis zum 6. oder 7. Lebensjahr, sind mangels Grundrechtsmündigkeit i. d. R. nicht Träger der Religionsfreiheit.21 Möglicherweise ahmen die Kinder das religiöse Verhalten der Erzieherin blind nach, ohne dass sie sich unter dem Einfluss der Kindergärtnerin eine eigene religiöse Position bilden. In diesem Fall ist aber nicht die Religionsfreiheit des Kindes, sondern das religiöse Erziehungsrecht der Eltern betroffen.22 Aber auch zu einem Eingriff in das religiöse durch das Kopftuch einer Erzieherin wird es eher rinnen mit Kopftuch ist aufgezeigt worden, dass kung des Kopftuches vor allem deshalb denkbar 16
Erziehungsrecht der Eltern selten kommen. Für Lehreeine unzulässige Werbewirist, weil die Kinder in der
§§ 24, 69 SGB VIII i. d. F. v. 1.1.2005. Vgl. BVerfG, NJW 1998, 2128 (2129 f.). 18 Wittinger (2006), 170. 19 Vgl. Wittinger (2006), 170. 20 Vgl. z. B. zu den unterschiedlichen Typen von Tageseinrichtungen in NRW § 1 Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (GTK). 21 Siehe oben S. 110. 22 Siehe oben S. 110; a. A. wohl Wittinger (2006), 171. 17
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§ 7 Sonstige Staatsbedienstete mit Kopftuch
Zwangssituation Schule mit dem Kopftuch konfrontiert werden. Dagegen ist der Besuch einer Kindertageseinrichtung nicht verpflichtend. Etwas anderes ergibt sich auch nicht dadurch, dass ab dem 3. Lebensjahr des Kindes nach § 24 SGB VIII ein Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens besteht. Ein solcher Anspruch ist einer Besuchspflicht nicht gleichzusetzen. Für die mögliche Beeinflussung der Schüler und Schülerinnen durch das Kopftuch spielte zudem eine Rolle, dass die Lehrerin gegenüber ihren Schützlingen i. d. R. (Amts-)Autorität und persönliche Vorbildfunktion besitzt.23 Auch im Kindergarten kann die Erzieherin eine vergleichbare Autoritäts- und Vorbildperson sein. Allerdings wird diese Funktion sicherlich dadurch relativiert, dass es im Kindergarten um Spiel und nicht um Notenvergabe geht. Des Weiteren spielte für die Beurteilung des Kopftuches in der Schule eine Rolle, dass die Schüler und Schülerinnen mit dem Kopftuch dauerhaft konfrontiert sind. Eine solche dauerhafte Konfrontation mit dem Kopftuch der Erzieherin ist aber im Kindergarten nicht anzunehmen. Die Kinder müssen die Erzieherin anders als im Unterricht nicht anblicken. Zudem bringen Eltern ihre Kinder z. T. nur stundenweise in der Tageseinrichtung unter. In Horten stellt sich die Situation der möglichen Grundrechtsbetroffenheit insofern anders dar, als eher anzunehmen ist, dass die Kinder grundrechtsmündig sind und damit selbst in ihrer Religionsfreiheit beeinflusst werden können. Aber auch hier ist mangels Besuchspflicht und Notenvergabe durch die Erzieherinnen unwahrscheinlich, dass sie durch ihr Kopftuch die Hortkinder in ihrer Religionsfreiheit beeinträchtigen können. Das Grundgesetz gibt kein striktes Neutralitätsgebot vor, so dass auch der staatliche Kindergarten nicht zwingend religionsfrei ausgestaltet sein muss. Das hat das BVerfG zuletzt bestätigt in seinem Kammerbeschluss vom Oktober 2003, in dem es ein Tischgebet im Kindergarten grundsätzlich für zulässig hielt.24 Sofern es zum Eingriff durch das Kopftuch kommt, muss der Träger der Tageseinrichtung versuchen, gemeinsam mit der Erzieherin und den Eltern eine Lösung zu finden. Im Bereich der Kindertageseinrichtungen stehen die Chancen für eine Konsenslösung gut: Kindergärten, -krippen und -horte werden i. d. R. von mehreren unterschiedlichen Trägern angeboten, so dass für Eltern und Erzieherinnen gute Ausweichmöglichkeiten bestehen.25 Auch ein Gruppenwechsel ist für Kinder leichter zu vollziehen als ein Klassenwechsel in der Schule. Sollte dennoch keine Konsenslösung gefunden werden, müssen die Rechte der 23
Siehe oben S. 126. BVerfG, NJW 2003, 3468 ff. 25 So auch Matthias Jestaedt im von der Fraktion Grüne in Baden-Württemberg organisierten Fachgespräch zum geplanten Kopftuchverbot an Kindergärten, vgl. Leins (2005). 24
A. Erzieherinnen
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Erzieherin zurückweichen. Zwar gilt nicht die Tendenzentscheidung der Art. 33 IV, V GG. Aber es überwiegt der Erziehungszweck der staatlichen Einrichtung. Ein pauschales Kopftuchverbot für Erzieherinnen ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zulässig, weil es unverhältnismäßig wäre. Dass es überhaupt z. B. zu einem Eingriff in das religiöse Erziehungsrecht der Eltern kommt, ist nämlich von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängig und eher unwahrscheinlich. III. Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall 1. Anforderungen an eine einfachgesetzliche Regelung Die Kommunen als Träger der staatlichen Erziehungseinrichtungen können demnach ein Kopftuchverbot im Einzelfall erlassen, wenn das Tragen des Kopftuches im Einzelfall einen Verstoß gegen Verfassungswerte darstellt, der nur dadurch verhindert werden kann, dass die Erzieherin ihr Kopftuch abnimmt. Für ein solches Kopftuchverbot bedarf es wegen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des Gesetzesvorbehaltes einer einfachgesetzlichen Grundlage.26 Der Gesetzgeber muss festlegen, dass Erzieherinnen in staatlichen Einrichtungen auf religiös und politisch motivierte Kleidungsstücke verzichten müssen, wenn diese Grundrechte der Kinder und Eltern beeinträchtigen oder gegen Verfassungswerte verstoßen. Zugleich muss der Gesetzgeber festschreiben, dass die Kommune die Erzieherin nur dann anweisen kann, das Kopftuch abzunehmen, wenn eine gütliche Einigung nicht möglich war. Jegliche Regelung religiös motivierter Kleidungsstücke von Erzieherinnen muss alle Religionen gleich erfassen. Die Anforderungen an eine gesetzliche Regelung eines Verbotes religiös und politisch motivierter Kleidung und Symbole in staatlichen Erziehungseinrichtungen gleichen also den Anforderungen an ein solches Verbot in Schulen. Die Verbandskompetenz für eine solche gesetzliche Regelung haben sowohl der Bund als auch die Länder. Nach Art. 74 I Nr. 7 GG hat der Bund die Kompetenz zur Regelung von Kindergärten aufgrund deren fürsorgender Funktion. Von dieser Kompetenz hat er mit der Regelung der Kindergartenbetreuung ab dem 3. Lebensjahr im 8. Buch Sozialgesetzbuch Gebrauch gemacht.27 Der Bund dürfte deshalb auch religiöse Kleidung der Erzieherinnen regeln. Von dieser Regelungskompetenz hat der Bund aber keinen Gebrauch gemacht. Gemäß § 26 SGB VIII ist der Landesgesetzgeber ermächtigt, Vorschriften über Anforderungen an das Fachkräftepersonal zu treffen. 26
Vgl. Wittinger (2006), 173. Vgl. zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für Kindergärten BVerfG, NJW 1998, 2128 ff. und speziell für die Regelung eines Kopftuchverbotes Wittinger (2006), 172. 27
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§ 7 Sonstige Staatsbedienstete mit Kopftuch
2. Reformierte Kindergartengesetze als Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall Der reformierte § 7 BWKiTaG genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Er schreibt eine Privilegierung christlich motivierter Bekundungen fest und verstößt damit gegen das Gleichbehandlungsgebot. Zudem legt die Vorschrift ein abstrakt-generelles Kopftuchverbot fest und begründet damit einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit der Erzieherin. Auf den reformierten § 7 BlnKitaG kann dagegen ein Kopftuchverbot im Einzelfall gestützt werden. Das Gesetz legt fest, dass Erzieherinnen sich grundsätzlich religiös kleiden dürfen und nur nach Widerspruch der Eltern und/oder der Kinder das Kopftuch abnehmen müssen, sofern sich keine Einigung im Gespräch finden lässt.
IV. Zwischenergebnis Erzieherinnen dürfen grundsätzlich ein Kopftuch tragen. Es ist denkbar, wenn auch unwahrscheinlich, dass durch das Kopftuch Grundrechte von Kindern und Eltern verletzt werden oder der Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung beeinträchtigt wird. In diesen Fällen kann der Erzieherin, wenn sich keine andere Lösung finden lässt, vorgeschrieben werden, das Kopftuch abzunehmen. Für ein solches Vorgehen der Kommune als Trägerin der staatlichen Erziehungseinrichtung ist aber eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich. Das reformierte baden-württembergische Kindergartenbetreuungsgesetz kann keine Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall sein, weil es den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt. Demgegenüber kann das reformierte Berliner Kindertagesbetreuungsgesetz eine Ermächtigungsgrundlage sein. In den übrigen Ländern, die ihre entsprechenden Kinderbetreuungsgesetze nicht reformiert haben, besteht keine gesetzliche Grundlage für ein an Erzieherinnen gerichtetes Kopftuchverbot im Einzelfall.
B. Richterinnen mit Kopftuch I. Gesetzeslage Rechte und Pflichten der Richterinnen werden auf Bundesebene durch das Gerichtsverfassungs- und das Deutsche Richtergesetz (DRiG), z. T. in Verbindung mit dem Bundesbeamtengesetz (BBG) geregelt. Für die Bundesrichterinnen hat der Bundespräsident gem. § 76 BBG i. V. mit § 46 DRiG Anordnungen
B. Richterinnen
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über die Amtstracht beim Bundesverwaltungsgericht28, beim Bundesarbeitsgericht und -sozialgericht29, beim Wehrdienstgericht30, beim Bundesdisziplinargericht31 und beim Bundespatentgericht32 erlassen. Die Anordnungen zum Tragen der Amtstracht verpflichten die Richterin zum Tragen einer Robe33 und eines Baretts34, die in Form und Farbe genau festgelegt sind. Das Tragen religiöser Kleidungsstücke wird nicht ausdrücklich geregelt. Auf Landesebene werden Rechte und Pflichten von Richterinnen durch die Landesrichtergesetze, z. T. in Verbindung mit den Landesbeamtengesetzen, geregelt. Diese Gesetze enthalten – anders als die reformierten Schulgesetze der Mehrzahl der Bundesländer – überwiegend kein ausdrückliches Kopftuchverbot für Richterinnen. Anders verhält es sich in Hessen und Berlin. In Hessen dürfen Richterinnen nach § 2 Hessisches Richtergesetz i. V. mit § 68 II HBG keine Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale tragen oder verwenden, „die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die Neutralität ihrer Amtsführung zu beeinträchtigen oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden zu gefährden.“ In der Gesetzesbegründung ist dieses Verbot ausdrücklich auf Kopftücher bezogen.35 In Berlin gelten nach § 7 Berliner Richtergesetz ebenso wie in Hessen die Vorschriften, die für Landesbeamte gelten, entsprechend. Das hat zur Folge, dass nach Art. 1 des Gesetzes zu Art. 29 Berliner Landesverfassung Richterinnen „innerhalb des Dienstes keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen“ dürfen. Zudem gilt in Berlin und Hessen ebenso wie in allen anderen Bundesländern, dass Richterinnen durch Anordnungen der zuständigen Landesminister auf der Grundlage des Landesbeamten- mit dem Landesrichtergesetz – z. B. § 82 NRWLBG i. V. mit § 4 LRiG – zum Tragen einer Robe verpflichtet sind.36 In der Literatur werden diese Anordnungen 28
Anordnung v. 11.6.1953, BGBl. I S. 382. Anordnung v. 7.5.1954, BGBl. I S. 119. 30 Anordnung v. 19.6.1957, BGBl. I S. 641. 31 Anordnung v. 19.6.1957, BGBl. I S. 122, 642. 32 Anordnung v. 5.5.1961, BGBl. I S. 596. 33 Vgl. BVerwGE 67, 222. 34 Anordnung des Bundespräsidenten über die Amtstracht bei dem Bundespatentgericht v. 5.5.1961. 35 Hessischer Landtag, Drucksache 16/1897 neu, S. 3. Das durch § 68 II HessLBG vorgegebene Verbot, religiöse Symbole im hessischen Beamtengesetz zu tragen, hat der Hessische Staatsgerichtshof mit Urteil vom 10.12.2007, Az. P. St. 2016 für im Einklang mit der hessischen Verfassung erklärt. 36 Vgl. z. B. für Nordrhein-Westfalen die Anordnung des Ministerpräsidenten über die Amtstracht bei den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 31.7.1964, MBl. NRW S. 1134; die Anordnung des Justizministers über die Amts29
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über die Amtstracht zum Teil so verstanden, dass sie das Tragen religiös motivierter Kleidung sowohl anstatt der Robe als auch in Kombination mit der Robe verbieten.37 Eine solche Auslegung ist jedoch vom Wortlaut her nicht zwingend. II. Verwaltungspraxis und Rechtsprechung In Berlin38, Hessen39, Niedersachsen40 und Nordrhein-Westfalen41 dürfen Rechtsreferendarinnen mit Kopftuch nicht die Sitzungsvertretungen im Rahmen der Staatsanwaltschaft übernehmen und nicht mit am Richtertisch sitzen.42 In Berlin stellte im März 2004 ein Verteidiger einen Befangenheitsantrag gegen eine Schöffin mit Kopftuch.43 Der Befangenheitsantrag wurde zurückgewiesen, u. a. weil der Fall keinen Zusammenhang zum muslimischen Glauben hatte.44 In Dortmund hat das Landgericht im November 2006 eine Schöffin wegen ihres Kopftuches von der Hauptverhandlung ausgeschlossen.45 Ebenso hinderte am Landgericht Bielefeld eine Richterin im Januar 2006 eine Schöffin wegen ihres Kopftuches, an der Verhandlung teilzunehmen.46 Die 2. Große tracht bei den ordentlichen Gerichten v. 5.2.1963, JMBl. NRW S. 49, geändert durch die Allgemeinen Verfügungen v. 24.11.1969, JMBl. NRW S. 280 und v. 6.2.1973 JMBl. NRW S. 50; die Anordnung des Finanzministers über die Amtstracht bei den Finanzgerichten v. 16.7.1957, GV NRW S. 227, zuletzt geändert durch die Anordnung v. 13.1.1970, GV NRW S. 42; den Erlass des Arbeits- und Sozialministers über die Amtstracht bei der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit v. 19.2.1964, MBl. NRW S. 1133 f. 37 Vgl. Lanzerath 2003, 20 ff.; wohl auch Röger, DRiZ 1995, 476. 38 Lantermann (2001), 38. 39 Der Spiegel (27/2007) v. 2.7.2007, S. 18. 40 taz 14.11.2003. 41 Vgl. Erlass des Justizministeriums v. 19.6.1998, Az.: 2000 – I A. 413. Die gegen die ablehnende Entscheidung beantragte einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO auf Einteilung zum Sitzungsdienst mit Kopftuch lehnte das VG Köln mit Beschluss v. 25.6.1998 ab (Az.: 19 L 1992/98 – unveröffentlicht), vgl. Jestaedt (1999), 262. Vgl. die Empfehlung des Richterrates Köln, der Interessenvertretung der Amtsrichterinnen, im Mai 2004: Muslimische Rechtsreferendarinnen mit Kopftuch sollten räumlich getrennt vom Gericht in der ersten Reihe der Zeugen- oder Zuschauerbänke sitzen, FR 26.5.2004. 42 Gemäß § 142 III GVG werden den Referendarinnen mindestens drei Sitzungsvertretungen übertragen. 43 Der Prozess wurde zunächst ausgesetzt, Krause (2004). Gegen Schöffinnen mit Kopftuch wendet sich auch der Richterrat Köln, vgl. FR 26.5.2004. 44 Vgl. Rath (2006a). 45 Vgl. LG Dortmund, Bschl. v. 7.11.2006, Az. 14 (III) Gen Str. K, 14 (VIII) Gen.Str.K. = NJW 2007, 3013. 46 Da die Schöffin von sich aus den Gerichtssaal verließ, kam es nicht zu einem Gerichtsbeschluss, s. http://www.wdr.de/themen/politik/nrw02/integration/kopftuch/ index.jhtml, abgerufen am 19.2.2008; s. auch Groh, NVwZ 2006, 1023, die allerdings schreibt, am AG Bielefeld sei eine Schöffin mit Kopftuch nicht zur Verhandlung zuge-
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Strafkammer des LG Bielefeld lehnte aber eine Streichung der Schöffin von der Schöffenliste ab.47 Dagegen entschied das LG Dortmund im Februar 2007, dass eine Schöffin von der Hilfsschöffenliste gestrichen werden solle, da sie ein Kopftuch trug und nicht in der Lage sei, Männer und Frauen gleich zu behandeln.48 Ein Jugendrichter wies in Berlin 2004 während einer Verhandlung vor dem Kriminalgericht Moabit eine Zuschauerin aus dem Saal, weil diese ein Kopftuch trug und es trotz seiner Aufforderung nicht abnehmen wollte.49 2006 entschied das BVerfG, dass diese sitzungspolizeiliche Maßnahme die muslimische Zuschauerin in ihrer Religionsfreiheit verletze.50 In Nordrhein-Westfalen wies der Justizminister 2001 die zuständigen Behörden per Erlass an, Kopftuchträgerinnen die Einstellung in den Justizdienst zu verweigern. Anlass war der Fall einer Justizfachangestellten im Bezirk des Oberlandesgerichts Düsseldorf, die während ihrer Tätigkeit als Protokollführerin im Gerichtssaal ein Kopftuch tragen wollte. Der Justizminister ordnete das Tragen des Kopftuches als Verstoß gegen die beruflichen Pflichten der Justizfachangestellten ein. Zur Ausbildung als Justizfachangestellte seien hingegen auch Kopftuchträgerinnen zugelassen. Die Auszubildenden könnten aus dem Zuschauerraum heraus ein Protokoll führen.51 Dagegen durfte in Berlin in 2008 am Amtsgericht eine Protokollführerin mit Kopftuch arbeiten. Die Frau arbeite unter Anleitung eines Richters und sei nicht hoheitlich tätig – so die Justizsenatorin von der Aue.52 III. Verfassungsrechtliche Bewertung 1. Grundrechtsschutz Richterinnen mit Kopftuch können sich ebenso wie Lehrerinnen auf den Schutz der Religionsfreiheit berufen. Auch das Richteramt ist öffentliches Amt i S. des Art. 33 II GG.53 Zudem können Richterinnen sich auf das Recht auf lassen worden. Die Schöffin wurde nicht von der Schöffenliste gestrichen, LG Bielefeld, Bschl. v. 16.3.2006, Az. 3221 b EH 68 = NJW 2007, 3014. 47 Vgl. LG Bielefeld v. 16.3.2006; Az. 3221/6 EH 68; vgl. dazu Groh (2006), 1023 ff. und Bader (2007), 2964 ff. 48 LG Dortmund, Bschl. v. 12.2.2007, Az. 14 Gen Str K 2/06. 49 Vgl. Abgh. Bln., Drs. 15/11435, 50 BVerfG, Bschl. v. 27.6.2006, Az. 2 BvR 677/05; vgl. dazu Schütz (2006), 420 f. und den Übungsfall „Berliner Kopftücher“ von Korioth/Heimann (2005), 9 ff. 51 Erlass des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen v. 20.2.2001, Az.: 2000-IB 419 zur religiösen Kleidung von Justizfachangestellten. 52 Berliner Zeitung 16.1.2008. 53 Jarass/Pieroth (2004), Art. 33 Rn. 9.
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richterliche Unabhängigkeit berufen. Das für Richterinnen geltende Unabhängigkeitsgebot ergibt sich insbesondere aus Art. 97 I GG. Die Neutralität der Rechtsprechung und damit der Richterinnen kommt auch in ihrer institutionellen Unabhängigkeit und Eigenständigkeit zum Ausdruck.54 Art. 92 GG sowie Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG gewährleisten die Judikative als eigenständige dritte Staatsgewalt.55 Art. 97 I GG garantiert für die Richterin Unabhängigkeit von Exekutive, Legislative und Judikative sowie Schutz vor privater und gesellschaftlicher Einflussnahme.56 Die richterliche Unabhängigkeit ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums57 und verleiht der Richterin ein grundrechtsgleiches Recht.58 Fraglich ist aber, ob die richterliche Unabhängigkeit der Richterin das Recht verleiht, frei über ihr äußeres Erscheinungsbild zu entscheiden. Zum durch Art. 97 I GG geschützten Tätigkeitsfeld der Rechtsprechung zählen nicht nur Entscheidungsausspruch, sondern auch verfahrensleitende und verfahrensbegleitende Anordnungen, wie z. B. Terminanberaumung, Fristsetzung und Geschäftsverteilung. Auf diese Bereiche darf die Exekutive durch Einzelweisungen oder Verwaltungsvorschriften keinen Einfluss nehmen. Das Dienstgericht des Bundes hat entschieden, dass bestimmte richterliche Tätigkeiten dem Kernbereich der Unabhängigkeit so weit entrückt sind, dass sie von der Garantie des Art. 97 I GG nicht geschützt sind.59 Dabei handele es sich um den Bereich der äußeren Ordnung. Zu diesem Bereich zählt die Rechtsprechung auch das Tragen der Amtstracht.60 Daraus könnte geschlossen werden, dass auch das Tragen eines Kopftuches Teil der äußeren Ordnung ist und nicht von der richterlichen Unabhängigkeit aus Art. 97 I GG erfasst wird. Demgegenüber entschied das OLG Frankfurt, dass die Pflicht zum Tragen einer Amtstracht auch in den Kernbereich der richterlichen Tätigkeit fallen könnte. Das gelte z. B. dann, wenn ein Richter, der in der Beweisaufnahme ein Kind zu vernehmen habe, dazu die Robe ausziehe und hierdurch die Sitzordnung im Verhandlungssaal auflockere. Wegen der Möglichkeit der sachlichen Auswirkung auf die Entscheidung müsse in diesem Fall die Gestaltung der Verhandlungsführung dem Richter vorbehalten bleiben.61 Diese Maßstäbe sind auf das Tragen eines Kopftuches im Verhandlungssaal aber nicht übertragbar. Es kann nicht erwartet wer54
Vgl. Schlaich (1972), 59; Lanzerath (2003), 183. Vgl. Jarass/Pieroth (2004), Art. 20 Rn. 27. 56 Vgl. Jarass/Pieroth (2004), Art. 97 Rn. 3 ff. 57 Zur Geltung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums für Richter Battis (2003), Art. 33 Rn. 69. 58 Vgl. Jarass/Pieroth (2004), Art. 97 Rn. 1. 59 Vgl. z. B. BGHZ, NJW 1978, 824 (825); BGHZ, NJW 1977, 437. 60 Vgl. auch BVerwGE 67, 222. 61 OLG Frankfurt, NJW 1987, 1208 (1208); demgegenüber kritisch SchmidtRäntsch (1995), § 26 Rn. 25a. 55
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den, dass das Tragen oder Nicht-Tragen eines Kopftuches sachlichen Einfluss auf die Entscheidung hat. Das Kopftuch einer Richterin ist demnach allein dem Bereich der äußeren Ordnung zuzurechnen mit der Folge, dass es nicht von Art. 97 I GG geschützt ist. 2. Schranken und Abwägung a) Kein striktes Neutralitätsgebot als Folge staatlicher Hoheitsgewalt Einige Autoren und Autorinnen nehmen an, dass für die Rechtsprechung ein striktes Neutralitätsgebot gelte. Hier trete der Staat den Bürgern als Hoheitsträger gegenüber und mache von seinem Gewaltmonopol Gebrauch. Jede staatliche Bezugnahme auf die Religion lasse auf eine religiöse Hoheitsausübung schließen und verletze das Vertrauen der Bürger in die Gerichtsbarkeit als „Heimstatt aller Bürger“62. Bei der Rechtsprechung handele es sich nicht wie bei der Schule um einen ursprünglich gesellschaftlichen Bereich, den der Staat in seine Obhut genommen habe. Hier sollten staatlicher und weltanschaulich-religiöser Bereich deshalb strikt voneinander getrennt sein. Religiöse Bezüge seien aus der Rechtsprechung auszugrenzen.63 Für die Rechtsprechung halten diese Autoren demnach Krügers staatstheoretisches Verständnis für gültig: Nach Krüger ist der religiös-weltanschauliche Bereich für den Staat schlechthin „unerheblich“ und aus der staatlichen Existenz auszuklammern.64 Im Ergebnis hieße diese Argumentation, dass der Staat eine Richterin mit Kopftuch in der Rechtsprechung nicht dulden darf. Ein solcherart striktes Neutralitätsgebot könnte ihr vielmehr als Schranke entgegengehalten werden. Diese Ansicht kann aber nicht überzeugen: Auch die Begründung eines für die Gerichtsbarkeit geltenden Neutralitätsgebotes muss sich zwingend an der Religionsfreiheit aus Art. 4 GG messen lassen. Ein striktes Neutralitätsgebot kann einer Richterin mit Kopftuch nur dann entgegengehalten werden, wenn ein solches Gebot überzeugend aus den Artikeln des Grundgesetzes hergeleitet werden kann. Das Grundgesetz gibt eine strikte Trennung von Staat und Gesellschaft aber nicht ausdrücklich vor.65 Grundrechte als Abwehrrechte bedeuten die Möglichkeit des bzw. der Einzelnen, in verschiedensten Bereichen zu tun und zu lassen, was er bzw. sie will. Freiheit muss gegen Verhaltenshindernisse geschützt werden.66 Das gilt auch für die Rechtsprechung. Die Religionsfreiheit 62
Lanzerath (2003), 188; gegen Schöffinnen mit Kopftuch Kretschmer (2007), pas-
sim. 63 64 65 66
Vgl. Böckenförde (1975), 132; Renck (1989), 453. Krüger (1964), 179 und siehe oben S. 147 zu Krügers Neutralitätsverständnis. Siehe oben S. 163. Siehe oben S. 153.
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darf demnach grundsätzlich auch im Bereich der Rechtsprechung ausgeübt werden. b) Richterliches Unparteilichkeitsgebot als Schranke Die Religionsfreiheit der Richterin könnte aber durch das richterliche Unparteilichkeitsgebot beschränkt werden. (1) Verstoß gegen das richterliche Unparteilichkeitsgebot durch das Kopftuch Art. 20 III, 92, 97 I und 101 GG garantieren der Richterin nicht nur Unabhängigkeit, sie verlangen von ihr auch innere Unabhängigkeit. Die Richterin muss den Verfahrensbeteiligten gegenüber neutral eingestellt sein und die Streitsache objektiv behandeln.67 Auch diese Funktion richterlicher Unabhängigkeit ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums und kann die Grundrechte der Richterin beschränken.68 Eine Verletzung der erforderlichen Unparteilichkeit läge vor, wenn die Richterin aus religiösen und nicht aus sachlichen Gründen zu einem bestimmten Urteil kommt. Das wäre z. B. der Fall, wenn sie im Zivilprozess zugunsten einer christlichen Partei ein Urteil fällt, weil sie den christlichen Glauben favorisiert, oder wenn sie im Strafprozess im Rahmen des zulässigen Strafrahmens ein hohes Strafmaß wählt, weil sie die muslimische Glaubenszugehörigkeit des Angeklagten ablehnt. Zudem verlangt die Unterwerfung unter das Gesetz nach Art. 97 I 2 GG, dass die Richterin das in Deutschland geltende Recht anwendet. Sie darf das Urteil nicht nach religiösen Regeln, z. B. der Scharia, ausrichten. Allein wegen der Religionszugehörigkeit einer Richterin kann deren Parteilichkeit aber nicht vermutet werden.69 Etwas anderes kann auch dann nicht gelten, wenn die sichtbar religiös geprägte Richterin über einen Sachverhalt mit religiösem Bezug zu entscheiden hat, z. B. eine Anwohnerklage gegen den Ruf eines Muezzins. Es muss auch einer muslimischen Richterin mit Kopftuch, die eine deutsche Juristinnenausbildung durchlaufen hat, zunächst unterstellt werden, dass sie unparteiisch entscheiden wird. Bislang wurde auch nicht beanstandet, dass Verfahren mit muslimischem Bezug i. d. R. von Richterinnen entschieden wurden, die christlich geprägt sind.
67
Vgl. Lanzerath (2003), 186. Vgl. BVerfG, NJW 1989, 93 f.; Laskowski/Dietrich (2002), 274; Röger (1995), 474; Lanzerath (2003), 201; a. A. und demnach widersprüchlich, aber wohl Lanzerath (2003), 202. 69 Vgl. BayVerfGH, NJW 1997, 3162. 68
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Fraglich ist aber, ob Art. 97 I GG die Richterin bereits verpflichtet, den Anschein der Parteilichkeit zu vermeiden. Es liegt nahe, dass bei einem Sachverhalt mit muslimischem Bezug – z. B. ein Baurechtsstreit über den Bau einer Moschee – die nichtmuslimische Partei fürchtet, die Richterin mit Kopftuch werde parteiisch sein. Z. T. wird argumentiert, es komme nicht allein darauf an, ob eine Richterin oder ein Richter tatsächlich in der Lage sei, ein unbeeinflusstes Urteil zu treffen. Entscheidend sei bereits, ob der äußere Anschein geeignet sei, bei den Verfahrensbeteiligten Missdeutungen und Misstrauen hervorzurufen. Eine funktionstüchtige Rechtsprechung basiere auf der Akzeptanz ihrer Kontrollgewalt bei den Rechtsuchenden und setze daher deren Vertrauen in die Rechtsprechung voraus. Diese würden aber nur dann gerichtliche Entscheidungen anerkennen, wenn auch nach ihrem subjektiven Empfinden die materiellen Entscheidungen frei von Fremdeinflüssen seien.70 Die Richterin sei Amtswalterin, die, nur der Sache verpflichtet, unter gerechter Abwägung aller Rechte und Belange der Betroffenen und auch der Allgemeinheit verbindlich zu entscheiden habe, eine Aufgabe, die in ihrer Person Unabhängigkeit, Neutralität und Distanz voraussetze.71 Es sei ein bestimmtes Maß an Zurückhaltung vor allem dort erforderlich, wo das persönliche Bekenntnis mit dem Ansehen des Amtes in Konflikt geraten könnte. Die Überzeugungskraft richterlicher Entscheidungen beruhe nicht nur auf der juristischen Qualität ihrer Gründe. Sie stütze sich in hohem Maße auch auf das Vertrauen, das den Richterinnen von der Bevölkerung entgegengebracht werde. Dieses Vertrauen fuße nicht zuletzt auf der äußeren und inneren Unabhängigkeit der Richterin, ihrer Neutralität und erkennbaren Distanz.72 Für religiöse Kleidungsstücke wird deshalb angenommen, dass eine Rechtsprechung unter religiösen Vorzeichen in den Augen der Prozessbeteiligten auf eine mangelnde Distanz der den Staat repräsentierenden Personen zu religiösen Einflüssen hindeuten könne. Aus Sicht der Beteiligten erscheine eine unerwünschte religiös motivierte Einflussnahme auf die Rechtsprechung dann durchaus möglich, so dass Zweifel an einer unabhängigen und neutralen Justiz entstehen könnten.73
70
Laskowski/Dietrich (2002), 274; wohl auch Lanzerath (2003), 189. Vgl. Böckenförde (2001), 726; BVerfRichter a. D. Sommer während eines Vortrags am 26.5.2004 am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. 72 BVerfG, NJW 1989, 93 f. Dieser Auffassung folgend entschied das BVerfG 1988, dass sich Richter in einer Tageszeitung nicht unter der Überschrift „35 Richter und Staatsanwälte des Landgerichtsbezirks Lübeck gegen die Raketenstationierung“ äußern dürfen, vgl. BVerfG ebd. Vgl. dagegen zur Kritik an der Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung Fangmann (1988), 167 ff. 73 Laskowski/Dietrich (2002), 274; Röger (1995), 477 f.; wohl auch Lanzerath (2003), 189. 71
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Dem ist aber entgegenzuhalten, dass das Grundgesetz nicht zwingend ein Unparteilichkeitsgebot vorgibt, das der Richterin auferlegt, schon den Anschein der Parteilichkeit zu vermeiden. Das Grundgesetz sieht in der Richterin nicht den vielfach apostrophierten „Rechtsprechungsautomaten“, der, ohne menschliche Regungen zu zeigen, Recht spricht. Es sieht sie als Staatsdienerin und Staatsbürgerin zugleich.74 Zwar muss eine Richterin sich im Gerichtsprozess gegenüber den Prozessparteien sicherlich mehr als Person zurücknehmen als eine Lehrerin. Während eine Lehrerin in einen aktiven wechselseitigen Kommunikationsprozess mit den Schülern und Schülerinnen tritt, innerhalb dessen sie sich auch persönlich erklären kann, folgt die Richterin einem streng geregelten Verfahren. Innerhalb dieses Verfahrens kann die Richterin nicht gegenüber den Parteien die Gründe für das Kopftuchtragen erläutern und dadurch einen eventuell falschen Anschein relativieren. Aber auch die Richterin ist im Gerichtsprozess in Maßen als Persönlichkeit gefragt. So wirken Richterinnen z. B. im Strafprozess nicht nur durch ihr Urteil, sondern auch durch ihr gesamtes Verhalten erzieherisch auf den Angeklagten ein. Zudem spricht gegen eine richterliche Pflicht, keine religiös geprägte Kleidung zu tragen, die Geltung der Grundrechte für Richterinnen auch im Dienst. Die Geltung der Grundrechte setzt voraus, dass sie grundsätzlich auch von ihnen Gebrauch machen können. Damit wäre jedoch eine Auslegung des Unparteilichkeitsgebotes unvereinbar, nach der eine Richterin bereits als befangen gilt, wenn sie durch ihre Kleidung die Religionszugehörigkeit zeigt.75 Das richterliche Unparteilichkeitsgebot verlangt auch nicht zwingend, dass alle Richterinnen einheitlich gekleidet sind. Zwar wird durch Verwaltungsvorschriften für alle Richterinnen festgelegt, dass sie eine Robe tragen müssen. Das OLG Braunschweig führt zu dieser Pflicht aus: „Durch die Amtstracht sollen Richter wie Rechtsanwälte als Organ der Rechtspflege kenntlich gemacht werden. In signifikanter Weise beleben sie damit das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, Art. 20 III: Die Person tritt hinter den Dienst an Recht und Gesetz zurück. Dies ständig zu verdeutlichen, ist ein verfassungskonformes Anliegen.“76
Die Pflicht zum Tragen einer Robe hat aber keinen Verfassungsrang. Zwar ist durchaus denkbar, dass erst das Tragen der Robe die Objektivität der Richterin deutlich hervorhebt und damit die erforderliche Akzeptanz der Rechtsprechung bei den Rechtsuchenden schafft. Diese Annahme ist aber nicht zwingend.77 Das 74
Schmidt-Räntsch (1995), § 39 Rn. 6. Vgl. oben S. 204. 76 OLG Braunschweig, NJW 1995, 2113 (2114); ähnlich OLG Frankfurt, NJW 1987, 1208 (1209); Battis/Bultmann (2004), 31 Fn. 85; zur Amtstracht des Rechtsanwaltes BVerfG, NJW 1970, 851 (852). 77 Zu Zweifeln an dem Zweck der Robe vgl. auch Schmidt-Räntsch (1995), § 39 Rn. 27. 75
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OLG Frankfurt entschied 1985, dass es einem Jugendrichter gestattet sei, im Einzelfall im Verfahren keine Robe zu tragen. Das Gericht erkannte an, dass die Robe Befangenheit und Aversion auslösen und die Kommunikationssituation in der Verhandlung erschweren könne. Es liege deshalb im Rahmen der richterlichen Unabhängigkeit, in Einzelfällen auf die Robe zu verzichten.78 Denkbar ist aber, dass eine Richterin mit dem Kopftuch einen Anlass begründet anzunehmen, sie sei parteilich. Die Annahme kann nur dann begründet sein, wenn zusätzliche Anhaltspunkte in ihrem Verhalten bestehen. Das wäre z. B. der Fall, wenn sie sich öffentlich abwertend über das Christentum äußert oder wenn sie öffentlich vertritt, dass Frauen Männern religionsbedingt untergeordnet seien, und sie dann als Strafrichterin in einem türkischen Ehrenmordverfahren zu entscheiden hat. (2) Abwägung und Konfliktlösung Die Pflicht, eine Robe zu tragen, kann einer Richterin nur insoweit entgegengehalten werden, wie ihr durch diese Pflicht die Ausübung der Religionsfreiheit nicht gänzlich unmöglich gemacht wird. Es muss ihr deshalb grundsätzlich erlaubt sein, zur Robe ein Kopftuch zu tragen. Da die Bevölkerung an die einheitliche Kleidung aller Richterinnen gewöhnt ist, wäre es aber denkbar, Richterinnen zu verpflichten, das Kopftuch in der Farbe der Robe zu tragen. Richterinnen anderer Religionszugehörigkeiten wie z. B. Sanyasins könnten verpflichtet werden, die Robe über ihrer roten Kleidung anzuziehen. Sollte die Richterin aus religiösen Gründen parteilich sein oder einen begründeten Anlass zur Annahme geben, sie sei parteilich, verstößt sie gegen das Unparteilichkeitsgebot. In diesem Fall ist ihre Religionsfreiheit mit dem Unparteilichkeitsgebot abzuwägen. Für die Abwägung zeigt Art. 33 III GG auf, dass die Religionsfreiheit der Richterin nicht grundsätzlich hinter dem Unparteilichkeitsgebot zurückzustehen hat. Zu Lasten der Richterin geht demgegenüber die Tendenzentscheidung der Art. 33 IV, V GG.79 Auch Richterinnen werden vom Begriff des öffentlichen Dienstes in Art. 33 IV GG umfasst.80 Einen Verstoß gegen das Unparteilichkeitsgebot können sowohl die Prozessparteien durch einen Befangenheitsantrag als auch die Dienstaufsichtsstelle im Wege der Dienstaufsicht geltend machen.81 Sollte die Richterin sich in einem Verfahren aus religiösen Gründen parteilich verhalten, so kann sie das Verfahren nicht weiterführen. Eine parteiliche Richterin lässt das Grundgesetz nicht 78 OLG Frankfurt, NJW 1987, 1208 (1209); demgegenüber kritisch SchmidtRäntsch (1995), § 26 Rn. 25a. 79 Siehe oben S. 136. 80 Battis (2003), Art. 33 Rn. 50. 81 Dazu siehe unten S. 313.
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zu. Die Richterin könnte auch – wie oben ausgeführt wurde – den Parteien einen begründeten Anlass dafür geben, dass sie annehmen, sie sei parteilich. In diesem Fall kann der Richterin nicht zugebilligt werden, den „bösen Schein“ zu zerschlagen.82 Ein Gericht bietet nicht in demselben Maß wie die Schule die Möglichkeit, durch Gespräche mit den Parteien, Aufklärungsabende etc. zu einer Konsenslösung zu kommen. Der Gerichtsprozess ist ein stark formalisiertes Verfahren, das anders als die Schule weniger Raum für kreative und tolerante Lösungen bietet. Die Richterin muss also immer auf das Kopftuch verzichten, wenn sie durch das Kopftuch die Annahme begründet, sie sei parteilich. Ein generell-vorbeugendes Kopftuchverbot für Richterinnen, gestützt auf einen Verstoß gegen das Unparteilichkeitsgebot, ist aber unverhältnismäßig. Die in einigen Fällen vom Kopftuch einer Richterin möglicherweise ausgehende Gefahr rechtfertigt nicht, die Religionsfreiheit aller Richterinnen präventiv zu beschränken.83 c) Grundrechte der Prozessbeteiligten als Schranke Die Religionsfreiheit der Richterin mit Kopftuch kann mit dem Justizgewährleistungsanspruch und der Religionsfreiheit der Verfahrensbeteiligten kollidieren. (1) Justizgewährleistungsanspruch der Prozessparteien als Schranke Das Kopftuch der Richterin wäre ein Eingriff in den Justizgewährleistungsanspruch der Parteien aus Art. 101 I 2 GG, wenn das Kopftuch die Unabhängigkeit der Richterin gefährdete. Art. 101 I 2 GG schreibt vor, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Gesetzlicher Richter, gesetzliche Richterin ist nur der- bzw. diejenige, der oder die in jeder Hinsicht den Anforderungen des Grundgesetzes entspricht.84 Der Richter oder die Richterin muss insbesondere dem richterlichen Unparteilichkeitsgebot genügen.85 Sollte die Richterin also parteilich sein oder sollte sich der begründete Anschein der Parteilichkeit ergeben, so ist eine Prozesspartei in ihrem Justizgewährleistungsanspruch betroffen. Für die Abwägung der Religionsfreiheit der Richterin mit dem Justizgewährleistungsanspruch der Prozessparteien gilt das zum richterlichen Unparteilichkeitsgebot Gesagte. 82
Vgl. oben S. 175. Siehe oben S. 138 zur Unzulässigkeit eines generell-präventiven Kopftuchverbotes gegenüber Lehrerinnen. 84 BVerfGE 82, 286 (298); 60, 175 (214). 85 Vgl. Jarass/Pieroth (2004), Art. 101 Rn. 4. 83
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(2) Religionsfreiheit der Prozessbeteiligten als Schranke Auch vor Gericht hat der bzw. die Einzelne keinen Anspruch darauf, überhaupt nicht mit religiösen Bezügen konfrontiert zu werden.86 Die Religionsfreiheit der Prozessbeteiligten wäre aber betroffen, wenn eine Richterin mit Kopftuch aus religiösen Gründen parteilich wäre.87 Insoweit würde die Religionsfreiheit neben den Justizgewährleistungsanspruch treten. Die Religionsfreiheit der Prozessparteien wäre auch dann betroffen, wenn die Richterin diese durch das Kopftuch im Glauben fremdbestimmen würde. Eine solche Wirkung des Kopftuches der Richterin, die beim Kopftuch einer Lehrerin zumindest denkbar ist88, ist aber äußerst unwahrscheinlich. Die Richterin begegnet i. d. R. erwachsenen Personen, und zwar nur für die Dauer eines Prozesses und ohne dass sie diese Personen unmittelbar erziehen soll. Es ist deshalb kaum davon auszugehen, dass die von dem Kopftuch möglicherweise ausgehende Werbewirkung zur Fremdbestimmung im Glauben für die Prozessparteien wird. Denkbar ist allerdings, dass Prozessparteien, die aus Ländern mit islamisch geprägter Staatsgewalt und fehlender Glaubensfreiheit, wie Iran oder Saudi-Arabien, stammen, das Kopftuch einer Richterin als Bedrohung empfinden. So könnte es einer Iranerin, die der Frauen unterdrückenden Situation im Iran entflohen ist, sich von dem Kopftuch einer Verwaltungsrichterin im Asylprozess sehr beunruhigt fühlen. Diese Situation wäre vergleichbar der Situation des jüdischen Prozessvertreters, der aufgrund seiner Erfahrungen nicht unter dem Kreuz verhandeln wollte.89 Wenn für Prozessparteien das Kopftuch eine derartige Belastung darstellt, liegt ein Eingriff in die negative Religionsfreiheit vor.90 Sollte es zu einem Eingriff in die Religionsfreiheit der Prozessparteien durch das Kopftuch der Richterin kommen, so ist deren Religionsfreiheit mit der Religionsfreiheit der Richterin abzuwägen. Funktionsbedingt kommt dabei der Religionsfreiheit der Richterin das geringere Gewicht zu.91
86 Siehe oben S. 111; a. A. wohl Laskowski/Dietrich (2002), 274: Bei dem Kopftuch einer Richterin handele es sich um eine von staatlicher Seite bewirkte unausweichliche Konfrontation des Einzelnen mit einem religiösen Symbol. 87 Zum an den Staat gerichteten Gebot, alle Religionen gleich zu behandeln, siehe oben S. 116 und 118. 88 Siehe oben S. 125. 89 Vgl. BVerfGE 35, 366. 90 Siehe oben S. 130 zum möglichen Eingriff in die psychische Integrität von Schülern und Schülerinnen durch das Kopftuch. 91 Zur Tendenzentscheidung des Art. 33 IV und V GG siehe oben S. 136.
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IV. Einfachgesetzliche Regelung 1. Befangenheitsantrag nach §§ 42 ZPO, 24 StPO Wenn die Richterin mit dem Kopftuch sich in der Verhandlung tatsächlich parteilich verhält oder wenn sie einen begründeten Anlass gibt, an ihrer Unparteilichkeit zu zweifeln, so kann die Partei, zu deren Lasten die Parteilichkeit geht, gem. §§ 42 ff. ZPO, 24 StPO ein Gesuch auf Ablehnung der Richterin stellen. § 42 ZPO verlangt, dass eine Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wird, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen ihre Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Sofern es sich um eine Amtsrichterin handelt, kann diese selbst das Ablehnungsgesuch für begründet halten, § 45 II 2 ZPO. Ansonsten entscheidet das Gericht, dem die Abgelehnte angehört, und ggf. das im Rechtszug nächst höhere Gericht über das Ablehnungsgesuch, § 45 I ZPO. Wird dem Ablehnungsgesuch stattgegeben, so kann die Richterin in dem konkreten Verfahren nicht tätig werden. Unklar ist, inwieweit eine Prozesspartei ihren Befangenheitsantrag gegen eine Richterin darauf stützen kann, dass sie sich durch das Kopftuch in ihrer Religionsfreiheit beeinträchtigt fühlt. § 42 ZPO ist als Ausnahmenorm eng auszulegen.92 Ein Befangenheitsantrag ist jedenfalls dann begründet, wenn die Richterin z. B. mit einem Prozessbeteiligten verheiratet ist oder sie die Einlassung eines Prozessbeteiligten als „dummdreiste Lüge“ bezeichnet.93 Beide Konstellationen lassen jeweils eine unsachliche innere Einstellung der Richterin zu den Beteiligten oder zum Gegenstand des konkreten Verfahrens befürchten. Anders verhält es sich, wenn eine Prozesspartei geltend macht, aufgrund ihrer persönlichen Erfahrung sich durch das Kopftuch verängstigt oder bedroht zu fühlen. Hier ist keine unsachliche innere Einstellung der Richterin zu befürchten. In der Literatur wird z. T. angeführt, dass § 42 ZPO und § 39 DRiG strikt voneinander zu trennende Funktionen hätten, die einer einheitlichen Auslegung entgegenstünden.94 § 39 DRiG erfasse die richterliche Neutralitätspflicht, die nicht zwingend eine Besorgnis der Befangenheit begründe.95 Das legt den Schluss nahe, §§ 42 ZPO, 24 II StPO erfassten nur die Besorgnis der Befangenheit und nicht Eingriffe in die Religionsfreiheit. Eine solche künstliche Trennung widerspricht aber dem Richterbild des Grundgesetzes, zu dem Neutralität und Unparteilichkeit gehören.96 §§ 42 ZPO und § 39 DRiG sind demnach einheitlich auszulegen mit der Folge, dass eine Prozesspartei in einem Befangenheitsantrag nach § 42 ZPO auch geltend machen kann, dass die Richterin in 92 93 94 95 96
Feiber (2000), § 42 Rn. 6. Vgl. Feiber (2000), § 42 Rn. 25. Hager (1988), 1694 (1696); Lanzerath (2003), 92; Röger (1995), 473. Röger (1995), 473. Feiber (2000), § 42 Rn. 21.
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ihre Religionsfreiheit eingreift. Sofern sie die Gründe für die Provokation plausibel darlegen kann, ist ihrem Befangenheitsantrag stattzugeben mit der Folge, dass die Richterin in dem konkreten Verfahren nicht tätig werden kann. 2. Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall Von der Ablehnung einer Richterin mit Kopftuch in einem konkreten Verfahren ist ein an die Richterin gerichtetes Kopftuchverbot zu unterscheiden. Für ein solches Verbot bedarf es einer einfachgesetzlichen Grundlage. Im Zusammenhang mit dem an Lehrerinnen gerichteten Verbot, ein Kopftuch zu tragen, ist gezeigt worden, dass der Gesetzgeber ein Kopftuchverbot sehr weitreichend selbst regeln muss. Der Gesetzgeber muss im parlamentarischen Gesetz festlegen, dass Lehrkräften die Gestaltung ihres Erscheinungsbildes grundsätzlich frei steht, sie aber auf Kleidungsstücke und Zeichen verzichten müssen, wenn diese gegen Verfassungswerte verstoßen. Den zuständigen Landesminister kann der Gesetzgeber ermächtigen, durch Rechtsverordnung festzulegen, welche Kleidungsstücke und Zeichen als grundsätzlich konfliktträchtig gelten können. Diese Anforderungen sind auch an die einfachgesetzliche Regelung eines Kopftuchverbotes für Richterinnen zu stellen. Das Tragen religiöser Kleidungsstücke und Symbole ist für Richterinnen nicht ausdrücklich geregelt worden. Denkbar ist, dass die allgemeinen einfachgesetzlich festgelegten Pflichten für Richterinnen Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot sind. Die Dienstaufsichtsstelle – bei den ordentlichen Gerichten in unterer Instanz die Gerichtspräsidenten – kann nach § 26 DRiG auch das Einhalten der allgemeinen Pflichten einfordern, sofern dadurch ihre Unabhängigkeit nicht gefährdet wird. Zuvor ist gezeigt worden, dass es nicht gegen die richterliche Unabhängigkeit verstößt, wenn die Dienstaufsichtsstelle Anweisungen zur Kleidung der Richterin gibt97, so dass grundsätzlich ein Vorgehen im Rahmen der Dienstaufsicht wegen des Kopftuches zulässig ist. Falls die Dienstaufsichtstelle zu Recht das Abnehmen des Kopftuches verlangt und die Richterin dies verweigert, kann die Dienstaufsichtsstelle zum Durchsetzen dieser Pflicht ein Disziplinarverfahren einleiten, im Rahmen dessen die Richterin nach § 30 DRiG in ein anderes Amt versetzt oder des Amtes enthoben werden kann. 3. § 39 DRiG als Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall Zu den allgemeinen Pflichten der Richterin zählt nach § 39 DRiG die Pflicht, sich innerhalb und außerhalb ihres Amtes so zu verhalten, dass das Vertrauen in 97
Siehe oben S. 304.
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ihre Unabhängigkeit nicht gefährdet wird. Diese Pflicht ist jedenfalls verletzt, wenn die Richterin befangen ist.98 Fraglich ist, ob die Dienstaufsichtsstelle auch ein Kopftuchverbot auf § 39 DRiG stützen kann. Hinsichtlich der allgemeinen in §§ 35 und 36 BRRG festgelegten beamtenrechtlichen Pflichten zu unparteiischem und maßvollem Verhalten ist gezeigt worden, dass die Vorschriften zu unbestimmt gefasst sind, als dass sie Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot sein könnten.99 Auch durch § 39 DRiG wird nicht deutlich gemacht, dass eine Richterin durch ihr Kopftuch das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit gefährden könnte. Diese Vorschrift kann demnach keine Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall sein. 4. § 46 DRiG i. V. mit § 76 BBG als Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall Nach § 46 DRiG i. V. mit § 76 BBG ist der Bundespräsident ermächtigt, die Bestimmungen über amtsübliche Dienstkleidung zu erlassen. Entsprechend gelten in den Ländern die Normen über die Dienstkleidung für Beamtinnen auch für Richterinnen.100 So ist z. B. nach § 82 NRWLBG i. V. mit der Anordnung der Landesregierung v. 7.10.1959 der Justizminister oder die Justizministerin als Fachminister oder Fachministerin berechtigt, Bestimmungen über die Amtstracht der Richterin zu erlassen. Diese bundes- bzw. landesrechtlichen Vorschriften ermächtigen den Dienstherrn zunächst nur dazu, das Tragen bestimmter Dienstkleidung vorzuschreiben. Fraglich ist, ob der Dienstherr auf der Grundlage dieser Vorschrift auch das Tragen bestimmter Kleidungsstücke verbieten kann. Dafür, § 46 DriG i. V. mit § 76 BBG als Ermächtigungsgrundlage für das Verbot bestimmter Kleidungsstücke und Accessoires zu sehen,101 spricht zunächst, dass diesen Vorschriften die gesetzgeberische Wertung zugrunde liegt, dass das äußere Erscheinungsbild für das Vertrauen der Prozessbeteiligten eine Rolle spielen kann und eine sachgerechte Aufgabenerfüllung mithin von einer gewissen einheitlichen Erscheinung abhängig ist.102 Die Vorschriften zeigen den Richterinnen an, dass sie ihr äußeres Erscheinungsbild im Gerichtssaal nicht beliebig bestimmen können. In ähnlicher Weise haben die Gerichte z. T. in den vergleichbaren „Ohrschmuck-Fällen“ den Dienstherren das Recht zugestanden, 98 Vgl. Hager (1988), 1696; Sendler (1984), 689 Fn. 3; Schmidt-Jortzig (1984), 2062 Fn. 40. 99 Siehe oben S. 288. 100 Siehe oben S. 289 zu den Regelungen in den Ländergesetzen. In Baden-Württemberg ist die Pflicht zum Tragen einer Amtstracht in § 21 Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz geregelt. 101 So z. B. Lanzerath (2003), 140 f. 102 Vgl. Lanzerath (2003), 138.
B. Richterinnen
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auf der Grundlage des § 76 BBG und der entsprechenden Ländervorschriften zu bestimmen, welche Accessoires Polizisten und Polizistinnen im Dienst nicht tragen dürfen. Das Recht zur Bestimmung der Dienstkleidung beinhalte die Befugnis – so die Gerichte –, im Zusammenhang mit der Dienstkleidung weitere Fragen des äußeren Erscheinungsbildes zu regeln.103 Gegen § 46 DRiG i. V. mit § 76 BBG als Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall spricht aber, dass die hinter diesen Vorschriften stehende gesetzgeberische Wertung nicht mit der Verfassung übereinstimmt. Richterinnen kann zwar grundsätzlich angeordnet werden, eine Dienstkleidung zu tragen, ihnen kann aber nicht beliebig verboten werden, religiöse Kleidung oder Symbole zu tragen. Allerdings kann ihnen angeordnet werden, dass sie ihre religiösen Symbole auf die Diensttracht abstimmen müssen, z. B. ein Kopftuch in der Farbe der Robe oder eine Kippa in der Farbe des Baretts tragen müssen. § 46 DRiG i. V. mit § 76 BBG gestattet dem Bundespräsidenten dagegen zu weitgehend, über die Kleidung, die die Richterin bei Ausübung ihres Amtes zu tragen hat, zu bestimmen. Der Gesetzgeber müsste klarstellen, dass Richterinnen grundsätzlich religiöse Kleidung und Symbole tragen dürfen und dass ihnen das nur im Einzelfall bei Verstoß gegen das richterliche Unparteilichkeitsgebot untersagt werden kann. Wie Robe und Barett im Einzelfall mit der religiösen Kleidung kombiniert werden können, das zu regeln, kann der Gesetzgeber an den Bundespräsidenten delegieren. Denkbar wäre es, § 76 BBG folgendermaßen zu formulieren: „Der Bundespräsident erlässt die Bestimmungen über Dienstkleidung, die bei Ausübung des Amtes üblich oder erforderlich ist. Beamtinnen dürfen auch religiös und weltanschaulich motivierte Kleidungsstücke und Symbole tragen. Der Bundespräsident kann bestimmen, dass diese Kleidungsstücke und Symbole der Dienstkleidung angepasst werden müssen. Beamtinnen müssen auf religiös oder weltanschaulich motivierte Kleidungsstücke und Symbole verzichten, wenn diese gegen Verfassungswerte verstoßen. Der Bundespräsident kann die Ausübung seiner Befugnis auf andere Stellen übertragen.“
Die Landesbeamtengesetze müssten entsprechend umformuliert werden. V. Zwischenergebnis Eine Richterin kann grundsätzlich Gerichtsverhandlungen auch mit Kopftuch führen. Das richterliche Unparteilichkeitsgebot erfordert nicht, dass eine Richterin bereits den Anschein der Parteilichkeit vermeidet. Sie kann aber gemäß §§ 42 ZPO, 24 StPO auf Antrag der Parteien hin abgelehnt werden, wenn sie tatsächlich parteilich ist oder durch ihr Kopftuch in Verbindung mit anderen Tatsachen – weil sie z. B. verbal zu erkennen gibt, dass sie Muslime und Musli103
Siehe oben S. 203.
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§ 7 Sonstige Staatsbedienstete mit Kopftuch
minnen bevorzugen würde – einen begründeten Anlass gibt, ihre Unparteilichkeit in Frage zu stellen. Wenn sich die Beschwerden über eine Richterin mit Kopftuch häufen, dass sie durch ihre Gesamterscheinung als Muslimin in Verbindung mit ihrem sonstigen Verhalten parteilich erscheint, kann die Dienstaufsichtsstelle grundsätzlich der Richterin das Kopftuchtragen untersagen. Allerdings fehlt es gegenwärtig noch an einer ausreichenden einfachgesetzlichen Grundlage hierfür. Dennoch kann es notwendig sein, dass ein Land ohne die erforderliche gesetzliche Grundlage einer Richterin verbietet, ein Kopftuch zu tragen. Zu dieser Notwendigkeit kann es z. B. dann kommen, wenn sich beim Gerichtspräsidenten Beschwerden über eine Richterin mit Kopftuch wegen ihrer in Frage stehenden Unparteilichkeit ebenso wie Ablehnungsgesuche gegen diese Richterin häufen. In diesem Fall kann der Gerichtspräsident das Kopftuchverbot auf die jeweilige Bestimmung im Landesbeamtengesetz zum Erlass von Dienstkleidungsvorschriften stützen.
C. Polizistinnen mit Kopftuch I. Gesetzeslage und Verwaltungspraxis Den Beamtinnen des Polizeivollzugsdienstes ist in allen Ländern durch Erlass des Innenministers das Tragen einer Uniform als Dienstkleidung vorgeschrieben.104 Rechtsgrundlage für die Anordnung ist jeweils das Landesbeamtengesetz.105 In der Literatur werden die Dienstkleidungsanordnungen zum Teil so verstanden, dass sie den Dienstherrn dazu ermächtigen, über die vorgeschriebe Uniform hinaus Art und Weise des Aussehens zu bestimmen.106 Fälle, in denen die Dienstherrn einzelne religiöse Kleidungsstücke verboten haben, sind bislang nicht bekannt. Verboten haben Dienstherrn allerdings Lagerfeld-Zöpfe und Ohrringe von Polizisten.107
104 Vgl. z. B. Dienstkleidungsordnung der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen, Runderlass des Innenministeriums vom 8.1.2000, MBl. NRW, S. 126; die „Anzugsbestimmungen für die Beamten der bayerischen Polizei“ vom 1.8.1977 des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und „Leitlinien zum Erscheinungsbild von Polizeibeamten“ des Polizeipräsidiums München vom 1.5.1995, zit. in BVerwG, BayVBl. 1999, 377. 105 Siehe z. B. § 142 BWLBG und oben S. 289 zu den Ermächtigungsgrundlagen in den Ländergesetzen. 106 Vgl. Lanzerath (2003), 26. 107 Siehe oben S. 203.
C. Polizistinnen
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II. Verfassungsrechtliche Bewertung Polizistinnen mit Kopftuch können ebenso wie Lehrerinnen mit Kopftuch Religionsfreiheit für sich in Anspruch nehmen.108 Diese Religionsfreiheit unterliegt den Schranken entgegenstehender Verfassungswerte. In der Literatur wird zum Teil angenommen, für die Polizei gelte das Gebot strikter religiös-weltanschaulicher Neutralität. Im Bereich der Polizei trete der Staat dem Bürger primär in seiner Funktion als Hoheitsträger gegenüber. Die Polizistin übe das staatliche Gewaltmonopol aus.109 Die Herleitung einer solchen strikten Neutralität für Bereiche staatlicher Hoheitsgewalt kann aber ebenso wenig wie im Bereich der Rechtsprechung überzeugen.110 Denkbar ist aber, dass die Religionsfreiheit einer Polizistin mit der Religionsfreiheit der betroffenen Bürger kollidiert. Kaum vorstellbar ist, dass eine Polizistin mit dem Kopftuch Bürgerinnen, mit denen sie dienstlich zu tun hat, religiös beeinflusst. Anders als die Lehrerin begegnet eine Polizistin Bürgerinnen i. d. R. nur kurz, ohne dass sich ein Autoritätsverhältnis ergibt, innerhalb dessen die Polizistin nachhaltig erzieherisch auf die Bürger einwirken könnte.111 Eher ist möglich, dass die Polizistin mit dem Kopftuch bei einem intensiveren Kontakt, wie der Zeugenprotokollaufnahme, die betroffene Bürgerin psychisch beeinträchtigen könnte, z. B. weil es sich um eine Iranerin handelt, die bereits im Iran Pressalien ausgesetzt war, weil sie sich über die religiös geprägten Kleidungsvorschriften hinweggesetzt hat.112 Die Religionsfreiheit einer Polizistin mit Kopftuch kann zudem mit dem hergebrachten berufsbeamtenrechtlichen Grundsatz der religiösen und politischen Neutralität kollidieren.113 Zuvor ist gezeigt worden, dass an eine Beamtin grundsätzlich nicht die Erwartung gerichtet werden kann, dass sie über die konkrete Amtsführung hinaus eine neutrale Person ist.114 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der besonderen Funktion des Polizeidienstes. Es gibt keinen empirischen Nachweis dafür anzunehmen, das Ansehen der Polizei würde geschädigt, wenn Polizistinnen Kopftücher tragen. Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass Polizistinnen durchaus ordnungsgemäß ihren Dienst versehen können, wenn sie ihre religiöse Zugehörigkeit durch ihre Kleidung sichtbar machen. In Kanada trägt z. B. ein Sikh als Polizist einen Dienstturban.115 Eine Verletzung 108
Zur Religionsfreiheit einer Lehrerin mit Kopftuch siehe oben S. 71. Lanzerath (2003), 189 f. 110 Siehe oben S. 305. 111 Zur möglichen Werbewirkung des Kopftuches einer Lehrerin siehe oben S. 123 ff. 112 Zur möglichen Beeinträchtigung der psychischen Integrität der Schulkinder durch das Kopftuch einer Lehrerin siehe oben S. 130. 113 Zum hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums „Neutralität“ siehe oben S. 200. 114 Siehe oben S. 204. 115 Vgl. Brummer (2004), 44. 109
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§ 7 Sonstige Staatsbedienstete mit Kopftuch
der erforderlichen Neutralität läge aber vor, wenn die Polizistin sich parteilich verhält, z. B. bei einem Verkehrsunfall nur die Aussagen einer Zeugin, die ebenfalls Kopftuch trägt, aufnimmt, die der übrigen Zeugen aber vernachlässigt. Allein wegen des Kopftuches einer Polizistin kann deren Parteilichkeit aber nicht vermutet werden. Etwas anderes ergibt sich dann, wenn zusätzlich zu dem Kopftuch andere Verhaltensweisen auftreten, die begründeten Anlass geben, von ihrer Parteilichkeit auszugehen, wenn sie sich z. B. im Gespräch mit Bürgerinnen abwertend über Christen äußert. In dem Fall kann das Tragen ihres Kopftuches den Anschein, sie verhalte sich parteilich, verstärken. Kommt es im Einzelfall zu einem Eingriff in die Religionsfreiheit von Bürgern durch das Kopftuch oder zu einem Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz, so ist die Religionsfreiheit der Polizistin mit diesen Verfassungswerten abzuwägen. Parteiliches Verhalten kann und muss der Dienstherr verbieten. Wenn die Polizistin mit dem Kopftuch neben anderen Verhaltensweisen den Anschein begründet, parteilich zu sein, muss sie das Kopftuch abnehmen. Ein generellpräventives Kopftuchverbot ist unverhältnismäßig. Denkbar ist aber, dass Polizistinnen das Tragen religiöser Kleidung nur in den Farben der Uniform erlaubt werden kann, weil die Bevölkerung sich an die einheitliche Uniform von Polizistinnen gewöhnt hat. III. Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall Für Polizistinnen gelten die Verhaltenspflichten des BRRG und der Landesbeamtengesetze. Wie zuvor gezeigt wurde, sind diese zu unbestimmt, um ein Verbot im Einzelfall zu rechtfertigen.116 Ebenso wenig kann die jeweilige Vorschrift des Landesbeamtengesetzes, die den zuständigen Landesminister zum Erlass von Bestimmungen über die Dienstkleidung ermächtigt, Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall sein.117 Gegenwärtig besteht demnach keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, die ein Kopftuchverbot im Einzelfall rechtfertigen könnte. Für eine Übergangszeit kann dennoch hingenommen werden, dass der Dienstherr im Einzelfall ein Kopftuchverbot auf die jeweiligen Dienstkleidungsvorschriften stützt. Die Landesgesetzgeber sind aber gehalten, alsbald eine gesetzliche Lösung zu finden, die einen Ausgleich zwischen der Religionsfreiheit der Polizistinnen einerseits und ihrer Pflicht zu Neutralität und der Religionsfreiheit der Bürger andererseits findet.
116 117
Siehe oben S. 288. Siehe oben S. 315.
C. Polizistinnen
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IV. Zwischenergebnis Polizistinnen können im Dienst ein Kopftuch tragen. Für sie gilt kein Gebot strikter Neutralität, das das Tragen jeglicher religiöser Kleidung untersagt. Ihnen kann im Einzelfall das Tragen eines Kopftuches untersagt werden, wenn zum Tragen des Kopftuches andere Verhaltensweisen hinzutreten, die in Frage stellen, dass die Polizistin allen Bürgern gleich begegnet. Gegenwärtig fehlt eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall. Für eine Übergangszeit kann ein Kopftuchverbot aber auf die Dienstkleidungsvorschriften gestützt werden.
§ 8 Fazit und Thesen A. Fazit Auf die zu Beginn gestellte Frage, ob muslimische Lehrerinnen an öffentlichen Schulen in Deutschland Kopftücher tragen dürfen, lautet die Antwort dieser Arbeit: Ja, solange dies nicht im Einzelfall zu Konflikten an der Schule führt, die es zwingend erforderlich machen, dass eine Lehrerin ihr Kopftuch abnimmt. Ein generell-präventives Verbot von Kopftüchern im Schuldienst ist nicht zulässig, weil aus dem Grundgesetz gegenwärtig kein Neutralitätsgebot gelesen werden kann, das als Gebot distanzierter Neutralität Religionsausübung im öffentlichen Dienst oder an der Schule grundsätzlich beschränken könnte. Der hohe Wert der Religionsfreiheit steht einer derartig distanzierten Neutralität entgegen. Das Tragen des Kopftuches im Schuldienst ist aber nicht problemlos. Der Staat muss das Kopftuch als Symbol verstehen, für das er eine rechtlich relevante Bedeutung festlegt. Für diese rechtlich relevante Bedeutung kann das Verständnis der Trägerinnen von ihrem Tuch nicht allein maßgeblich sein, vielmehr muss der Staat unter Berücksichtigung der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion zum Kopftuch eine plausible Bedeutung des Kopftuches festlegen. Gegenwärtig ist es nicht plausibel, das Kopftuch als Zeichen für eine fundamentalistische Haltung der Trägerin oder die Unterdrückung von Frauen zu verstehen. Das Kopftuch ist aber als Zeichen für Geschlechterdifferenz und damit verbundene männliche Dominanz zu verstehen. Das Kopftuch hindert eine Lehrerin deshalb daran, Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der Schule überzeugend zu vermitteln. Dennoch rechtfertigt auch das Verfassungsgebot der Gleichberechtigung kein generell-präventives Verbot des Kopftuches. Einem solchen Verbot steht entgegen, dass der Staat auch bei der Ausübung anderer Religionen an der Schule hinnimmt, dass religiös bedingte Geschlechterdifferenz und männliche Dominanz ein Teil ihrer Lehre sind. Zudem würde ein solches Verbot Musliminnen mit Kopftuch in ihrer beruflichen Emanzipation hindern. Die geschlechtsspezifische Bedeutung des Kopftuches kann aber in Einzelfällen zu solchen Problemen führen, dass der Dienstherr das Kopftuchtragen verbieten muss. So ist denkbar, dass die Lehrerin wegen der Vorbildwirkung ihres Kopftuches muslimische Schülerinnen in ihrer Loslösung vom traditionellen Elternhaus behindert. Damit der Dienstherr in solchen Fällen das Kopftuch verbieten kann, bedarf es einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. Die Beamten- und Schulgesetze enthalten gegenwärtig – auch soweit sie nach dem Ludin-Urteil des BVerfG reformiert wurden – eine solche Ermächtigungsgrundlage nicht.
A. Fazit
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Entgegen dieser Lösung hat das Bundesverfassungsgericht im Fall Ludin den Landesgesetzgebern gestattet, gesetzliche Lösungen zu schaffen, nach denen Lehrerinnen pauschal verboten werden kann, religiöse Kleidung im Schuldienst zu tragen. Acht Bundesländer haben nach dem Urteil ihre Beamten- und Schulgesetze verändert. Soweit sie dabei Ausnahmen für christliche Symbole vorsehen, verletzen sie das religiöse Gleichbehandlungsgebot, das das Bundesverfassungsgericht im Ludin-Urteil ausdrücklich hervorgehoben hat. Christliche Kleidungsstücke wie das Habit zuzulassen, während das Kopftuch verboten ist, kann mit dem Verweis auf den geschlechtsspezifischen Gehalt des Kopftuches kaum gerechtfertigt werden, weil auch das Christentum ein Geschlechterverhältnis geprägt hat, das dem Verständnis des Grundgesetzes von Gleichberechtigung nicht entspricht. Diese Arbeit hat gezeigt, dass das „Kopftuch-Problem“ mit einer Konzeption der Religionsfreiheit gelöst werden muss, nach der die Religionsfreiheit entsprechend der Rechtsprechungstradition des Bundesverfassungsgerichts weit ausgelegt wird und nur durch kollidierende Verfassungswerte eingeschränkt werden kann. Diese Konzeption der Religionsfreiheit muss auch für verbeamtete und angestellte Lehrerinnen gelten. Das Grundgesetz steht der Annahme einer reduzierten Grundrechtsgeltung für Beamtinnen entgegen. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht im Ludin-Urteil mit der Mehrheitsmeinung deutlich hervorgehoben. Der in der Diskussion um die Neugestaltung des Religionsverfassungsrechts zum Teil geäußerten Behauptung, in Zeiten religiöser Pluralisierung müsse der Staat in staatlichen Institutionen, insbesondere der Schule, Religionsausübung beschränken, hält diese Arbeit entgegen, dass eine solche Notwendigkeit empirisch gegenwärtig nicht ausreichend nachgewiesen ist. Grundsätzlich ist zwar denkbar, dass zum Schutz entgegenstehender Rechtsgüter die Religionsfreiheit pauschal beschränkt wird. Gerade an der öffentlichen Schule könnte es erforderlich sein, die Möglichkeit zur Religionsausübung und Rücksichtnahme auf religiöse Belange insgesamt zu beschränken. Hier können u. a. religiös motivierte Anträge auf Befreiung von bestimmten Unterrichtsfächern und Klassenfahrten sowie Streitigkeiten unter Schülern und Schülerinnen über die richtige Glaubenszugehörigkeit oder die richtige Handhabung des jeweiligen Glaubens die Gewährleistung eines geordneten Schulalltages erheblich erschweren. Die gegenwärtige Situation an öffentlichen Schulen in Deutschland stellt sich aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht so dar, dass ein Zurückdrängen der Religionsausübung zwingend erforderlich ist. Zur Diskussion um das gesellschaftspolitisch und staatstheoretisch gebotene Konzept, den Zusammenhalt der bundesdeutschen Gesellschaft zu gewährleisten und andersgläubige Zuwanderer und religiöse Minderheiten in diese Gesellschaft zu integrieren, bezieht diese Arbeit ausdrücklich keine eigene Stellung.
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§ 8 Fazit und Thesen
Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen aber das Folgende vermuten: Unser liberales Grundgesetz bietet mit der Gewährleistung gleicher Grundrechte für alle eine gute Grundlage für die Gestaltung der bundesdeutschen Gesellschaft unter Einbeziehung von andersgläubigen Zuwanderern. Eine weitreichende Gewährung der Religionsfreiheit unter dem Vorbehalt einer möglichen Einschränkung im Falle eines Konfliktes ermöglicht allen Beteiligten, sich im Rahmen einer selbst mitgesteuerten und gleichberechtigten Konfliktaustragung in diese Gesellschaft zu integrieren. Wenn die zunehmende religiöse Vielfalt der deutschen Gesellschaft also überhaupt eine Veränderung der Religionsfreiheit erforderlich macht, dann verlangt sie nicht, die Reichweite der Religionsfreiheit zurückzudrängen, sondern im Gegenteil die Geltung der Religionsfreiheit zu verstärken. Die Landesgesetzgeber, die nach dem Ludin-Urteil des Bundesverfassungsgerichts tätig geworden sind, haben leider diese Chance, die Religionsfreiheit für Lehrerinnen integrationsfreundlich zu gestalten, nicht ergriffen.
B. Zusammenfassung in Thesen 1. Grundrechte gelten unmittelbar auch für Beamtinnen. Grundrechtsschutz wird aber nur für privates Verhalten gelegentlich der Amtsführung, nicht für die Amtsführung selbst gewährt. Das religiös determinierte Kopftuchtragen ist i. d. R. ein privates Verhalten gelegentlich der Amtstätigkeit „Unterrichtserteilung“. 2. Für die Bestimmung des Schutzbereiches der Religionsfreiheit muss das Selbstverständnis der Grundrechtsträgerinnen maßgeblich sein. Dieses Selbstverständnis muss aber jeweils einer Plausibilitätskontrolle standhalten. Die Einzelne kann ihren Glauben auch dann plausibel machen, wenn er nicht von einer Gruppe geteilt wird. Nach dieser Konzeption kann eine Grundrechtsträgerin für ihre Kleidung den Schutz des Art. 4 I und II GG beanspruchen, wenn sie sich darauf beruft, dass das Tragen der Kleidung religiös motiviert und diese Behauptung plausibel ist. 3. Eine Muslimin kann plausibel darlegen, dass für sie das Kopftuchtragen religiös motiviert ist, so dass sie dafür den Schutz der Religionsfreiheit in Anspruch nehmen kann. Ein Verbot des Kopftuchtragens im öffentlichen Dienst führt zu einem Eingriff in die Religionsfreiheit einer Lehrerin. 4. Art. 4 I und II GG können nur durch kollidierende Verfassungswerte beschränkt werden. Die Herleitung eines einfachen Gesetzesvorbehaltes für die Religionsfreiheit kann nicht überzeugen. 5. Das Kopftuch kann ein Symbol sein. Auf der Schrankenebene muss der staatliche Entscheidungsträger die rechtlich relevante Bedeutung des Kopftuches nach Plausibilitätskriterien bestimmen. Es ist plausibel, dass das Kopftuch als Symbol auf die muslimische Glaubenszugehörigkeit der Trä-
B. Zusammenfassung in Thesen
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gerin und auf Geschlechtertrennung und damit verbundene männliche Dominanz verweist. Dagegen ist es nicht plausibel, in dem Kopftuch ein Zeichen für die unmittelbare Unterdrückung muslimischer Frauen zu sehen. Ebenso wenig ist es plausibel anzunehmen, dass das Kopftuch auf eine fundamentalistische Haltung der Trägerin oder ihren mangelnden Integrationswillen verweist. Im Einzelfall muss die Lehrerin die plausible Bedeutung des Kopftuches widerlegen können. 6. Es ist plausibel, dass das Kopftuch durch seine suggestive Wirkung die Willensbildung und das Verhalten der Schüler und Schülerinnen beeinflussen kann. Welche Wirkung das Kopftuch auf eine Schülerin oder einen Schüler im Einzelfall hat, hängt von deren oder dessen persönlichen geistigen und emotionalen Voraussetzungen und vom konkreten Verhalten der Kopftuch tragenden Lehrerin ab. 7. Die Lehrerin kann mit ihrem Kopftuch in die negative Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen eingreifen, • wenn ein Schüler oder eine Schülerin wegen seiner oder ihrer geistigen und emotionalen Konstitution durch das Kopftuch in seiner oder ihrer selbstbestimmten Glaubensbildungsfreiheit beeinträchtigt wird, • wenn das Kopftuch der Lehrerin Glaubenskonflikte muslimischer Schülerinnen mit ihrer traditionell gestimmten Umgebung auslöst oder verstärkt oder • wenn das Kopftuch für eine Schülerin oder einen Schüler ein individuell unzumutbares religiöses Symbol ist Für den möglichen Konfliktfall muss der Gesetzgeber eine Regelung schaffen, der zufolge der jeweilige Dienstherr das Kopftuch verbieten kann und muss, wenn ein Schüler oder eine Schülerin die Verletzung seiner oder ihrer Religionsfreiheit plausibel macht und sich eine andere Lösung als ein Kopftuchverbot nicht finden lässt. Lehrerinnen kann das Tragen des Kopftuches aber nicht generell-präventiv verboten werden. 8. Die Lehrerin kann mit ihrem Kopftuch in das Elternrecht aus Art. 6 II i. V. mit Art. 4 I und II GG eingreifen. Solange die Schüler und Schülerinnen nicht grundrechtsmündig sind, können sich Eltern gegen einen solchen Eingriff wehren. Ab Erlangen der Grundrechtsmündigkeit können die Schülerinnen und Schüler selbst einen in dem Kopftuch liegenden Eingriff in ihre Religionsfreiheit geltend machen. 9. Aus dem Grundgesetz lässt sich kein striktes Neutralitätsgebot herleiten, das der Religionsfreiheit der Lehrerin als Schranke entgegengehalten werden könnte. Die Religionsfreiheit setzt für die Herleitung eines solchen Ge-
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§ 8 Fazit und Thesen
botes hohe Hürden. Ein solches Gebot ergibt sich weder aus Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 I WRV noch aus Verfassungsgewohnheitsrecht oder einer sozialphilosophischen Auslegung des Grundgesetzes. 10. Dem Grundgesetz ist kein Toleranzgebot zu entnehmen, das der Lehrerin als Schranke entgegengehalten werden könnte. 11. Der Staat ist durch Art. 3 II und III GG gehalten, in der Schule Gleichberechtigung von Frauen und Männern als Erziehungsziel zu vermitteln. In Erfüllung des Erziehungszieles muss die Schule Jungen und Mädchen dazu erziehen, die Gleichberechtigung der Geschlechter zu achten und die Chancen der Gleichberechtigung wahrzunehmen. Die Schule darf ihnen eine Festlegung auf tradierte Geschlechterrollen nicht nahelegen. Zugleich muss die Schule den Kindern vermitteln, dass es Menschen ohne klar zuordenbares Geschlecht gibt, und sie zumindest darauf aufmerksam machen, dass eine Gesellschaft ohne Einteilung in Geschlechterrollen denkbar ist. 12. Lehrerinnen mit Kopftuch können Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Sinne des Grundgesetzes nicht vollständig vermitteln. Das Kopftuch verweist auf Geschlechtertrennung und damit verbundene männliche Dominanz. Ein generell-präventives Kopftuchverbot ist dennoch nicht zulässig. Ein solches Verbot würde Kopftuch tragende Musliminnen gerade daran hindern, einen Beruf zu ergreifen und sich so zu emanzipieren. Denkbar ist aber, dass eine Lehrerin mit Kopftuch im Einzelfall muslimische Schülerinnen daran hindern könnte, sich gemäß ihren Vorstellungen zu emanzipieren. Sollte ein solcher Fall eintreten, kann der Dienstherr als Ultima Ratio eine Lehrerin anweisen, ihr Kopftuch abzunehmen. 13. Schülerinnen und Schüler können sich gegen das Kopftuch einer Lehrerin nicht auf ihren Schutz aus Art. 3 II 1 und III 1 GG berufen. 14. Die Lehrerin mit Kopftuch kann grundsätzlich den Erziehungs- und Bildungsauftrag erfüllen. Im Einzelfall besteht die Gefahr, dass das Auftreten einer Lehrerin mit Kopftuch Störungen des Schulfriedens auslöst. Wenn in diesem Fall der Konflikt nicht anders lösbar ist und die Gründe der Proteste von Eltern, Schülern und Schülerinnen anerkennenswert sind, hat die Religionsfreiheit der Lehrerin zurückzutreten. 15. Der Gesetzgeber kann, um schwere Beeinträchtigungen für den Erziehungsund Bildungsauftrag zu vermeiden, die Religionsausübung an der Schule generell beschränken, wenn keine andere Lösung möglich ist. Bei der Beurteilung des Konfliktpotentials von Religion muss er aber strikte Gleichheit walten lassen. 16. Die Verfassungstreuepflicht verlangt von der Lehrerin, sich nicht ausdrücklich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu erklären. Zudem wird von ihr ein ausdrückliches Bekenntnis zu den im Grundgesetz
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verankerten Menschenrechten verlangt. Weder durch ihre muslimische Religionszugehörigkeit noch durch ihr Kopftuch setzt sich eine Lehrerin ausdrücklich in Widerspruch zum Grundgesetz. Das Kopftuch kann lediglich in bestimmten Einzelfällen als ein Indiz unter anderen Indizien für eine verfassungsfeindliche Haltung der Lehrerin gelten. 17. Die Dienstpflicht zu religiös-weltanschaulicher Neutralität gebietet einer Lehrerin, alle Schüler und Schülerinnen ohne Ansehen ihrer religiösen Überzeugungen gleich zu behandeln. Eine Lehrerin verletzt dadurch, dass sie ein Kopftuch trägt, nicht zwangsläufig ihre Dienstpflicht zu religiösweltanschaulicher Neutralität. 18. Die Dienstpflicht zu politischer Neutralität verlangt von der Lehrerin, sich in politischen Dingen nicht parteiisch zu zeigen und ihre eigenen Ansichten nicht absolut zu setzen. Durch das Kopftuchtragen verletzt eine Lehrerin nicht zwangsläufig diese Dienstpflicht, weil das Kopftuch nicht zwingend eine unzulässige einseitige Parteinahme für eine gesellschaftspolitische Position bedeutet. 19. Trägt die Lehrerin das Kopftuch nicht aus religiösen Gründen, so kann sie sich auf den Schutz der Gewissensfreiheit, der Meinungsfreiheit, des allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder der allgemeinen Handlungsfreiheit berufen. Wenn sie zugleich religiöse Gründe für das Tragen des Tuches geltend macht und sich auf den Schutz der Religionsfreiheit beruft, verdrängt die Religionsfreiheit als lex specialis sonstige Freiheitsrechte. Wenn die Lehrerin das Kopftuch ausschließlich aus nichtreligiösen Gründen trägt, muss sie sich u. U. dennoch eine religiöse Bedeutung des Kopftuches zurechnen lassen. Sie muss aber die Möglichkeit haben, in Gesprächen mit der Schulleitung, mit Schülern, Schülerinnen und Eltern den Eindruck einer religiösen Bedeutung des Tuches zu zerschlagen. Sofern die Lehrerin das Kopftuch aus nichtreligiösen Gründen trägt und sich dennoch eine religiöse Bedeutung zurechnen lassen muss, können ihre Gewissensfreiheit, ihre Meinungsfreiheit, ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht und ihre Handlungsfreiheit mit der Religionsfreiheit der Schüler und Schülerinnen, dem Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Geschlechtergleichberechtigung und der staatlichen Verpflichtung zur Garantie des Schulfriedens kollidieren. Im Einzelnen ergeben sich für den Schutz anderer Freiheitsrechte folgende Ergebnisse: a) Trägt eine verbeamtete Lehrerin das Kopftuch aus sittlich-moralischen Gründen, so ist ihr Verhalten von der Gewissensfreiheit aus Art. 4 I GG geschützt. Die Religionsfreiheit ist lex specialis zur Gewissensfreiheit,
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so dass die Lehrerin sich auf die Religionsfreiheit nur dann berufen kann, wenn ihre sittlich-moralische Bindung ihrem religiösen Glauben entspricht. b) Trägt die verbeamtete Lehrerin das Kopftuch, um eine politische Meinung kundzutun, so ist sie von der Meinungsfreiheit aus Art. 5 I 1 HS 1 GG geschützt. c) Eine Kopftuchträgerin kann sich auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG berufen, wenn sie das Kopftuch als Teil ihrer persönlichen Integrität empfindet. Sofern die Lehrerin das Kopftuch aus sittlich-moralischen Gründen trägt, verdrängt die Gewissensfreiheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht hat aber eine eigenständige Bedeutung, wenn die Lehrerin das Kopftuch als Teil einer kulturell bestimmten Migrantinnenidentität trägt. d) Wenn die Lehrerin das Kopftuch lediglich als modisches Accessoire trägt oder etwa um einen krankheitsbedingten Haarsausfall zu verdecken, kann sie sich auf den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG berufen. e) Die Lehrerin kann sich für das Tragen des Kopftuches auf die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 I GG berufen. Die Berufsausübungsfreiheit gilt auch für staatliche Berufe, wird aber durch Art. 33 II–V GG modifiziert. Sie schützt privates Verhalten gelegentlich der Berufsausübung. Der Schutz aus Art. 12 I GG tritt neben den Schutz der speziellen Freiheitsrechte. 20. Neben den Schutz der Freiheitsrechte für ihr Kopftuchtragen tritt der Schutz der Gleichheitsrechte: Die Diskriminierungsverbote des Art. 3 II, III 1 und des Art. 33 III GG schützen vor unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung. Sie statuieren keine strikten Anknüpfungsverbote. Verbietet der Staat grundsätzlich das Tragen religiöser Kleidung im Lehramtsdienst, knüpft er unmittelbar an die Religionsausübung „Tragen religiöser Kleidung“ an. Darin liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung der religiös geprägten Lehrerinnen. Ein grundsätzliches Verbot, religiöse Kleidung im Lehramtsdienst zu tragen, führt zugleich zu einer mittelbaren Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts, weil ein solches Verbot gegenwärtig weitaus mehr Frauen als Männer trifft. Eine mittelbare Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft liegt vor, weil das Verbot vor allem Personen mit Migrationshintergrund betrifft. Eine Ungleichbehandlung der Lehrerin wegen der Religion, des Geschlechts oder der ethnischen Herkunft kann durch die kollidierenden Verfassungswerte – Religionsfreiheit der
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Schüler und Schülerinnen, Elternrecht, Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der Gleichberechtigung und Schulfrieden – gerechtfertigt werden. Verbietet der Staat verbeamteten Lehrerinnen nur das Tragen des Kopftuches, erlaubt ihnen aber, andere religiöse Kleidungsstücke und Symbole zu tragen, diskriminiert er religiöse Lehrerinnen unmittelbar aufgrund ihrer muslimischen Religionszugehörigkeit. Diese Maßnahme kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält. Allein die christliche Prägung von Symbolen und Kleidungsstücken rechtfertigt eine Ungleichbehandlung nicht. Das Grundgesetz lässt keine Durchbrechung des Gleichheitsgrundsatzes zugunsten des Christentums zu. Denkbar ist, eine Ungleichbehandlung von Kopftuch und anderen Symbolen durch den Nachweis der besonderen Konfliktträchtigkeit des Kopftuches zu rechtfertigen. Dieser Nachweis müsste aber sehr sorgfältig begründet werden. 21. Eine Frau mit Kopftuch, die sich für den Lehramtsdienst bewirbt, kann sich auf das Recht auf gleichen Zugang zum öffentlichen Dienst aus Art. 33 II GG, die Berufswahlfreiheit aus Art. 12 I GG, die Religionsfreiheit und ggf. andere Freiheitsrechte berufen. Die Religionsfreiheit sowie andere Grundrechte gelten für die Lehramtsbewerberin unmittelbar. Die Eignung einer Bewerberin mit Kopftuch kann in Frage stehen, wenn ihr Kopftuch eine religiöse Bedeutung hat, Konflikte wegen des Kopftuches, die nicht zu lösen sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind und die Bewerberin im Vorstellungsgespräch angibt, unter keinen Umständen das Kopftuch abnehmen zu wollen. 22. Eine Frau mit Kopftuch, die sich für eine Lehramtsstelle im Angestelltenverhältnis bewirbt, kann sich unmittelbar auf Art. 33 II GG berufen. Weitere Grundrechte wirken nur im Rahmen der Drittwirkung der Grundrechte im Arbeitsrecht auf das zwischen dem Staat und der angestellten Lehrerin wirkende Arbeitsverhältnis ein. Die Kündigung der angestellten Lehrerin kann, wenn sie unbefristet angestellt wurde, nur bei schwerwiegendem Pflichtverstoß erfolgen. Ein solcher Pflichtverstoß liegt vor, wenn konsensuale Lösungsversuche der Schulbehörde den Konflikt wegen des Kopftuches nicht beseitigen können, die Schulbehörde die Lehrerin anweist, das Kopftuch abzunehmen und diese sich weigert, das zu tun. 23. Der Zugang zum Lehramtsreferendariat ist nicht durch Art. 33 II GG, sondern durch Art. 12 I GG geschützt. Wenn die Religionsfreiheit der Referendarin mit den Grundrechten der Schüler und Schülerinnen kollidiert, ist in der Abwägung zugunsten der Referendarin das Ausbildungsmonopol des Staates zu berücksichtigen. Das führt dazu, dass der Dienstherr auch im Einzelfall die Referendariatsbewerberin wegen des Kopftuches nicht präventiv ablehnen darf. Im Dienst darf der Dienstherr der Referendarin nur
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§ 8 Fazit und Thesen
dann anordnen, das Kopftuch abzunehmen, wenn er die wegen des Kopftuches entstehenden Probleme weder durch konsensuale Mittel, wie Gespräche mit den Eltern, noch verwaltungsorganisatorische, wie die Versetzung der Referendarin an eine andere Schule, lösen kann. 24. Eine Lehrerin im öffentlichen Dienst kann sich zum Schutz vor einem Kopftuchverbot nicht auf Grundrechte nach dem Recht der Europäischen Union berufen. Eine Referendarin kann sich aber auf ihr Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 EGV berufen. Eine Lehrerin genießt Diskriminierungsschutz nach den Richtlinien 2000/78/EG, 2000/73/EG und 2000/43/EG. Allerdings erlauben auch diese Richtlinien die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung und gewähren der Lehrerin keinen weiter gehenden Diskriminierungsschutz als nationales Recht. 25. Die Lehrerin mit Kopftuch wird durch Art. 9 und Art. 14 EMRK in ihrer Religionsfreiheit geschützt. In einem vergleichbaren Fall einer Genfer Lehrerin hat der EGMR entschieden, dass ein Kopftuchverbot nicht Art. 9 EMRK der Lehrerin verletzt. Es ist nicht zu erwarten, dass der EGMR im Fall eines deutschen Kopftuchverbotes anders entscheiden würde, wenn die Vorgaben des BVerfG bezüglich der Gleichbehandlung der Religionen eingehalten sind. 26. Die Lehrerin wird durch Art. 18, 26 und 27 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte in ihrer Religionsfreiheit geschützt. Durch das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau wird sie vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes geschützt. Das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung schützt sie vor Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft. Diese Völkerrechtsabkommen gewähren ihr aber materiell keinen weiter gehenden Schutz als die Grundrechte. Sie kann jedoch – wenn sie den deutschen Rechtsweg durchlaufen hat – an den jeweiligen Ausschuss zur Überwachung des Abkommens eine Mitteilung mit der Behauptung einreichen, dass sie in ihren Rechten verletzt sei. 27. Der Dienstherr kann ein Kopftuchverbot nicht auf § 38 BWSchG stützen: Die Vorschrift legt bereits nicht in hinreichend bestimmter Weise fest, welche religiös und politisch motivierten Kleidungsstücke und Zeichen als konfliktträchtig im Sinne der Vorschrift gelten. Zudem lässt § 38 BWSchG ein abstrakt-generelles Kopftuchverbot und damit einen unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff zu. Des Weiteren schreibt die Vorschrift eine Privilegierung christlich motivierter Bekundungen fest. 28. Ebenso wenig kann der Dienstherr auf Art. 59 II BayEUG, § 2 des Gesetzes zu Art. 29 BlnLV, § 59b IV BremSchulG; § 86 III HSchG, § 51 II NSchG; § 57 IV, VI NRW-SchulG und § 1 IIa SLSchoG ein Kopftuchverbot im Einzelfall stützen: Art. 59 II BayEUG, § 86 III HSchG und § 1 IIa
B. Zusammenfassung in Thesen
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SLSchoG, § 59b IV BremSchulG und § 2 des Gesetzes zu Art. 29 BlnLV gestatten es dem Dienstherrn, das Kopftuchtragen im Lehramtsdienst grundsätzlich zu verbieten und erlauben demnach unverhältnismäßige Eingriffe. Art. 59 II BayEUG, § 86 III HSchG und § 1 II SLSchoG sehen zudem eine Privilegierung christlicher Bekundungen vor. § 51 II NSchG ist hinsichtlich des Erscheinungsbildes, das verboten werden kann, zu unbestimmt. 29. Der allgemeine Pflichtenkatalog für Beamtinnen, wie er in den §§ 36 ff. BRRG und den entsprechenden Ländervorschriften niedergelegt ist, kann keine Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall sein. Die Vorschriften sind zu unbestimmt. 30. Gegenwärtig besteht nach der hier vertretenen Ansicht in keinem Bundesland eine ausreichende gesetzliche Grundlage, um einer Lehrerin im Einzelfall das Kopftuch zu verbieten. Wenn die Lehrerin durch ihr Kopftuch in Grundrechte der Schüler und Schülerinnen eingreift oder den Schulfrieden erheblich stört und der Dienstherr keine andere Lösung findet, als der Lehrerin das Kopftuch zu verbieten, muss er dies auch ohne gesetzliche Grundlage tun. Für eine Übergangszeit muss daher hingenommen werden, dass sich ein Dienstherr im Konfliktfall auf allgemeine beamten- oder arbeitsrechtliche Vorschriften stützt. Die Landesgesetzgeber sind jedoch gehalten, alsbald eine gesetzliche Lösung zu finden, die sowohl die Grundrechte der Lehrerin als auch die Grundrechte der Schülerinnen und Schüler und der Eltern schützt. 31. Das BVerwG hat § 38 BWSchG im zweiten Ludin-Urteil als Ermächtigungsgrundlage für ein abstrakt-generelles Kopftuchverbot gesehen. Folgt man der Auslegung des § 38 BWSchG durch das BVerwG, so genügt diese Vorschrift den Maßstäben, die das BVerfG im Ludin-Urteil gesetzt hat. Offen bleibt, ob das BVerfG ein auf § 59 II BayEUG gestütztes Kopftuchverbot für zulässig halten würde, da es nur mit dem politischen Gehalt des Kopftuches gerechtfertigt werden kann. Auf § 51 II NSchG kann auch nach den Maßstäben des BVerfG ein Kopftuchverbot nicht gestützt werden, da die Vorschrift hinsichtlich des Erscheinungsbildes, das verboten werden kann, zu unbestimmt ist. Offen bleibt, ob nach den vom BVerfG im LudinUrteil gesetzten Maßstäben ein Kopftuchverbot im Einzelfall auf die allgemeinen Beamtenpflichten gestützt werden kann. 32. Eine Erzieherin darf grundsätzlich ein Kopftuch tragen. Sie muss das Kopftuch aber abnehmen, wenn das Kopftuch im Einzelfall zur Fremdbestimmung im Glauben für Schüler oder Schülerinnen führt oder sie die Kinder nicht ausreichend zur Geschlechtergleichberechtigung im Sinne des Grundgesetzes erziehen kann und sich keine andere Lösung finden lässt. Für eine entsprechende Anordnung der Kommune als Trägerin der staatlichen Erziehungseinrichtung ist eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich.
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§ 8 Fazit und Thesen
Der reformierte § 7 BWKiTaG kann keine Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall sein, weil er eine Privilegierung christlich motivierter Bekundungen und ein abstrakt-generelles Kopftuchverbot festschreibt. Demgegenüber kann der reformierte § 7 BlnKitaG eine Ermächtigungsgrundlage sein. In den übrigen Ländern, die ihre entsprechenden Kinderbetreuungsgesetze nicht reformiert haben, besteht keine gesetzliche Grundlage für ein an Erzieherinnen gerichtetes Kopftuchverbot im Einzelfall. 33. Eine Richterin kann grundsätzlich Gerichtsverhandlungen auch mit Kopftuch führen. Das richterliche Unparteilichkeitsgebot erfordert nicht, dass eine Richterin bereits den Anschein der Parteilichkeit vermeidet. Sie kann aber gemäß §§ 42 ZPO, 24 StPO auf Antrag der Parteien hin abgelehnt werden, wenn sie tatsächlich parteilich ist oder durch ihr Kopftuch in Verbindung mit anderen Tatsachen – weil sie z. B. verbal zu erkennen gibt, dass sie Musliminnen und Muslime bevorzugen würde – einen begründeten Anlass gibt, ihre Unparteilichkeit in Frage zu stellen. Wenn sich die Beschwerden über eine Richterin mit Kopftuch häufen, dass sie durch ihre Gesamterscheinung als Muslimin in Verbindung mit ihrem sonstigen Verhalten parteilich erscheint, kann die Dienstaufsichtsstelle grundsätzlich der Richterin das Kopftuchtragen untersagen. Allerdings fehlt es gegenwärtig noch an einer ausreichenden einfachgesetzlichen Grundlage hierfür. Dennoch kann es notwendig sein, das Kopftuch im Einzelfall zu verbieten, wenn sich beim Gerichtspräsidenten Beschwerden über eine Richterin mit Kopftuch wegen ihrer in Frage stehenden Unparteilichkeit ebenso wie Ablehnungsgesuche gegen diese Richterin häufen. Für eine Übergangszeit ist hinzunehmen, dass der Gerichtspräsident in diesen Fällen das Kopftuchverbot auf die jeweilige Bestimmung im Landesbeamtengesetz zum Erlass von Dienstkleidungsvorschriften stützt. Die Landesgesetzgeber sind jedoch gehalten, alsbald eine ausreichende gesetzliche Lösung zu finden. 34. Polizistinnen können im Dienst ein Kopftuch tragen. Für sie gilt kein Gebot strikter Neutralität, das das Tragen jeglicher religiöser Kleidung untersagt. Ihnen kann im Einzelfall das Tragen eines Kopftuches untersagt werden, wenn zum Tragen des Kopftuches andere Verhaltensweisen hinzutreten, die in Frage stellen, dass die Polizistin allen Bürgern gleich begegnet. Gegenwärtig fehlt eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Kopftuchverbot im Einzelfall. Für eine Übergangszeit kann ein Kopftuchverbot aber auf die Dienstkleidungsvorschriften gestützt werden.
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Sachwortverzeichnis Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 260 allgemeine Handlungsfreiheit 215, 216, 217, 268, 325, 326 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 255, 274 allgemeines Persönlichkeitsrecht 214, 215, 326 Baden-Württemberg 26, 28, 31, 35, 36, 37, 91, 127, 191, 233, 241, 253, 276, 279, 294, 295, 298, 314 Bart 225, 236 Baskenmütze 39 Bayern 26, 28, 31, 32, 144, 233, 291 Berlin 22, 25, 26, 28, 29, 31, 32, 42, 70, 73, 86, 89, 96, 103, 106, 108, 115, 158, 165, 175, 181, 185, 189, 191, 202, 203, 206, 260, 271, 275, 284, 288, 291, 294, 295, 302, 307, 332 Berufsausübungsfreiheit 217, 218, 219, 326 Berufsbeamtentum – Dienst- und Treueverhältnis 40, 41, 135, 136, 181, 188, 194, 287 – Funktionsvorbehalt des Berufsbeamtentums 44, 136, 180, 181, 193, 201, 266 – Grundrechtsgeltung für Beamtinnen 40, 41, 42, 321 – hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums 192, 193, 200, 203, 244, 248, 304 – Neutralitätspflicht siehe Dienstpflicht – richterliche Unabhängigkeit 304, 306 – Verfassungstreue siehe Dienstpflicht Beurteilungsspielraum 139, 245, 258, 261
Bildungs- und Erziehungsauftrag, staatlicher 32, 115 Brandenburg 27, 29, 103, 115, 157, 185 Bremen 26, 28, 29, 31, 33, 37, 38, 73, 134, 141, 189, 191, 251, 253, 291 Burka 25, 89 Christentum 56, 60, 62, 81, 115, 176, 230, 231, 309, 321 – Christin 25, 88, 226 Davidstern 225 Diakonissin, evangelische 225 – Tracht 225 Dienstherr 26, 88, 105, 139, 141, 143, 144, 177, 178, 183, 186, 187, 193, 197, 199, 227, 243, 244, 245, 252, 253, 262, 264, 268, 271, 273, 278, 279, 281, 282, 286, 288, 289, 290, 314, 318, 320, 323, 324, 327, 328, 329 – Einschätzungsspielraum des Dienstherrn 245 Dienstpflicht 41, 137, 138, 164, 201, 226, 227, 229, 246, 248, 251, 263, 264, 266, 273, 287, 288 – Neutralitätspflicht 200, 201, 203, 205, 207 – Treuepflicht 194, 195, 196, 239 – Verfassungstreuepflicht 193, 194, 195, 196, 197, 198, 200, 324 Diskriminierung 177, 260, 328 – Antidiskriminierungsrichtlinien 173, 240, 255 – Diskriminierung durch ein Kopftuchverbot 225, 226 – Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft 239, 240, 241, 261, 274, 326
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Sachwortverzeichnis
– Diskriminierung wegen der Religion 220, 221, 222, 241, 274, 326 – Diskriminierung wegen des Geschlechts 74, 165, 167, 173, 177, 178, 222, 229, 235, 236, 237, 238, 241, 260, 274, 275, 326 – mittelbare Diskriminierung 221, 222, 226, 236, 241, 275, 326 – unmittelbare Diskriminierung 221, 225, 226, 240 – Verbot der Diskriminierung 77, 165, 221, 222, 223, 239, 241, 275, 326 Erzieherin 21, 24, 46, 183, 293, 294, 296, 297, 298, 299, 300, 329, 330 ethnische Herkunft 240 Europäische Menschenrechtskonvention 261 Europäischer Menschenrechtsgerichtshof 261 Fatima 94, 225, 235 Fes 225, 236 gefangene Zuhörerschaft 126 Gesetzesvorbehalt 40, 50, 74, 75, 76, 77, 78, 210, 215, 216, 218, 227, 246, 262, 263, 265, 266, 273, 337 Gewaltverhältnis, besonderes 119 Gewissensfreiheit 32, 65, 77, 202, 208, 209, 210, 211, 214, 216, 218, 219, 325, 326 Graber, Doris 36, 37, 127, 128, 184, 191, 240, 241 Hessen 28, 29, 31, 34, 57, 236, 285, 291 Hort 294, 349 Identität 22, 23, 44, 57, 65, 91, 92, 99, 133, 134, 159, 168, 175, 191, 209, 213, 214, 215, 268 Integration 21, 22, 23, 81, 108, 109, 150, 158, 159, 179, 180, 183, 191, 204, 207, 230, 231, 270, 331, 332 Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte 258, 261, 328
Islam 26, 36, 38, 50, 56, 57, 59, 63, 71, 79, 81, 82, 83, 88, 90, 92, 94, 95, 96, 97, 98, 100, 101, 103, 122, 123, 124, 125, 126, 134, 140, 158, 185, 186, 189, 199, 236, 241, 257, 274, 331, 334, 342, 343, 344, 350 Kindergarten 17, 294, 296, 297, 298, 299 Kindergärtnerin 111, 297 Kippa 128, 225, 227, 228, 229, 233, 271, 272, 277, 315 Kreuz 47, 62, 65, 107, 108, 109, 111, 112, 113, 115, 117, 119, 125, 128, 130, 139, 148, 155, 225, 226, 229, 231, 233, 234, 235, 271, 272, 311 Kruzifix 83, 115, 118, 119, 121, 182 Kruzifixbeschluss 43, 83, 107, 112, 115, 118, 119, 121, 148 Laizität 147, 160, 161, 162, 163 Ludin, Fereshta 21, 24, 26, 28, 35, 36, 37, 38, 42, 50, 51, 65, 85, 86, 91, 103, 104, 105, 108, 123, 124, 125, 127, 129, 133, 137, 138, 142, 144, 148, 149, 152, 158, 163, 172, 175, 184, 187, 190, 201, 207, 208, 223, 225, 226, 227, 229, 245, 246, 247, 253, 263, 264, 271, 276, 278, 287, 288, 290, 291, 320, 321, 329, 348, 358 – Ludin-Urteil 35, 291, 292, 322, 329 Mala 225, 227, 272 Mecklenburg-Vorpommern 27 Meinungsfreiheit 51, 68, 211, 212, 213, 219, 325, 326 Neo-Muslima 91, 95, 96 Neutralität 22, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 58, 62, 83, 103, 115, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 155, 156, 159, 160, 185, 190, 192, 200, 201, 204, 205, 207, 208, 223, 236, 238, 249, 276, 277, 278, 281, 282, 284, 285, 286, 288, 289, 291, 293, 295, 304, 307, 312, 317, 318, 319, 320, 325, 330, 332, 334, 336, 338, 339, 342, 345
Sachwortverzeichnis Niedersachsen 27, 28, 29, 31, 34, 38, 39, 106, 127, 133, 184, 189, 241, 253, 271, 302 Nikab 25, 189 Nonne 37, 225, 268, 280, 281, 283 – Habit 225, 228, 229, 233, 234, 235, 268, 270, 272, 277, 280, 283, 321 Nordrhein-Westfalen 27, 30, 31, 34, 39, 57, 184, 241, 291, 294, 301, 302, 303, 316, 333 Ornat 225, 272 Peies 225 Perücke 39, 225 Piratentuch 88 Polizistin 21, 24, 289, 293, 315, 316, 317, 318, 319, 330 Praktikantin 294, 349 Rechtsverordnung 264, 265, 270, 272, 313 Referendarin 29, 37, 250, 252, 253, 261, 281, 290, 327, 328 Religionsfreiheit 24, 40, 43, 47, 48, 50, 51, 52, 53, 54, 56, 57, 59, 60, 61, 62, 63, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 81, 82, 104, 109, 110, 111, 112, 114, 116, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 135, 136, 138, 139, 143, 144, 145, 146, 147, 151, 152, 153, 157, 160, 161, 162, 163, 164, 171, 173, 175, 177, 183, 185, 186, 187, 190, 192, 201, 202, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 215, 216, 217, 218, 219, 224, 227, 231, 232, 235, 238, 241, 242, 246, 247, 248, 249, 250, 252, 253, 254, 256, 257, 258, 259, 260, 261, 262, 264, 268, 279, 293, 294, 296, 297, 298, 300, 303, 305, 306, 309, 310, 311, 312, 317, 318, 320, 321, 322, 323, 324, 325, 326, 327, 328, 334, 335, 336, 340, 342, 343, 345, 350, 352
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Rheinland-Pfalz 27, 28, 30, 184 Richterin 21, 24, 274, 293, 300, 303, 304, 306, 307, 308, 309, 310, 313, 314, 315, 330 Saarland 27, 28, 31, 35, 89, 291 Sachsen-Anhalt 27 Sanyasin 225, 226, 227, 309 Schläfenlocken siehe Peies Schleier 26 Schleswig-Holstein 27, 30, 253 Sikh 225, 227, 236 Sonderstatusverhältnis 263 Staatsangehörigkeit 240 Symbol 21, 52, 65, 74, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 88, 89, 94, 98, 99, 100, 104, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 113, 117, 119, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 130, 132, 141, 143, 171, 172, 177, 198, 199, 206, 207, 211, 233, 234, 239, 241, 268, 271, 277, 282, 285, 311, 320, 322, 323, 340 Thüringen 27 Toleranz 100, 115, 157, 163, 164, 180, 182, 191, 332, 352 Tschador 25, 26, 89 Turban 225, 227, 271, 272 Übereinkommen – zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung 259 – zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau 258, 259, 261 – zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung 328 Werbewirkung des Kopftuchs 123, 125, 126, 127, 128, 138, 145, 206, 207, 210, 233, 242, 297, 311, 317 Wesentlichkeitstheorie 226, 264, 265, 267