Herakles im griechischen Epos: Studien zur Narrativität und Poetizität eines Helden 9783515122061

Wie keine andere mythische Figur der Antike vereint Herakles diverse Charaktereigenschaften in sich, die oft in eklatant

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German Pages 184 [186] Year 2018

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Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
VORBEMERKUNGEN
A) DANKSAGUNG
B) VERWENDETE TEXTAUSGABEN UND LINK ZU DEN ÜBERSETZUNGEN
C) ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
TEIL I: ZUR EINFÜHRUNG
1 HERAKLES: GOTT, MENSCH, NATIONALHELD
2 MYTHOS IN DER LITERATUR: EINIGE PRÄMISSEN
3 NARRATOLOGISCHE FIGURENANALYSE: ZU DEN METHODEN UND ZIELSETZUNGEN DIESER STUDIE
TEIL II: HERAKLES IM GRIECHISCHEN EPOS VON HOMER BIS NONNOS
4 HOMER, ILIAS: HERAKLES ALS VORBOTE DER TROJANISCHEN KATASTROPHE
5 HOMER, ODYSSEE: DIE PROGRAMMATISCHE VERBANNUNG DES HERAKLES AUS DEM EPOS
6 (PS.-)HESIOD: HERAKLES IM DIENSTE DES GÖTTERVATERS UND DER AEMULATIO HOMERI
6.1 THEOGONIE
6.2 FRAUENKATALOGE
6.3 ASPIS; SYNTHESE
7 APOLLONIOS RHODIOS, ARGONAUTICA: DIE PROGRAMMATISCHE AMBIVALENZ DES HELDEN UND DAS VERHANDELN ALTERNATIVER ERZÄHLSTRATEGIEN
8 QUINTUS SMYRNAEUS, POSTHOMERICA: HERAKLES IM DIENSTE DER AEMULATIO HOMERI ET HESIODI
9 NONNOS VON PANOPOLIS, DIONYSIACA: HERAKLES ALS GEGENBILD (UND PARADIGMA?) FÜR DIONYSOS
TEIL III: SYNOPSIS UND AUSBLICK
10 SYNOPSIS: ZU HERAKLES’ NARRATIVITÄT UND POETIZITÄT IM GRIECHISCHEN EPOS
11 AUSBLICK: ANWENDUNG DER FRAGESTELLUNG AUF ANDERE BEREICHE UND GATTUNGEN
BIBLIOGRAPHIE
A) PRIMÄRLITERATUR
B) NACHSCHLAGEWERKE
C) SEKUNDÄRLITERATUR
REGISTER
STELLENREGISTER
NAMEN- UND SACHREGISTER
GRIECHISCHE BEGRIFFE
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Herakles im griechischen Epos: Studien zur Narrativität und Poetizität eines Helden
 9783515122061

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Silvio Bär

Herakles im griechischen Epos Studien zur Narrativität und Poetizität eines Helden Klassische Philologie Franz Steiner Verlag

Palingenesia 111

Silvio Bär Herakles im griechischen Epos

PALINGENESIA Schriftenreihe für Klassische Altertumswissenschaft Begründet von Rudolf Stark Herausgegeben von ChrIStoPh SChubErt Band 111

Silvio Bär

Herakles im griechischen Epos Studien zur Narrativität und Poetizität eines Helden

Franz Steiner Verlag

Coverabbildung: Phönix in einem Mosaik aus Antiochia am Orontes, jetzt im Louvre. Fondation Eugène Piot, Monuments et Mémoires, publ. par l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 36, 1938, 100. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2018 Druck: Memminger MedienCentrum, Memmingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12206-1 (Print) ISBN 978-3-515-12207-8 (E-Book)

INHALTSVERZEICHNIS Vorbemerkungen ............................................................................................ Danksagung ................................................................................. a) b) Verwendete Textausgaben und Link zu den Übersetzungen ...... c) Abkürzungsverzeichnis ...............................................................

7 7 8 8

Teil I: Zur Einführung ....................................................................................

9

1

Herakles: Gott, Mensch, Nationalheld ................................................... 11

2

Mythos in der Literatur: Einige Prämissen ............................................ 18

3

Narratologische Figurenanalyse: Zu den Methoden und Zielsetzungen dieser Studie ............................... 23

Teil II: Herakles im griechischen Epos von Homer bis Nonnos.................... 31 4

Homer, Ilias: Herakles als Vorbote der Trojanischen Katastrophe ....... 33

5

Homer, Odyssee: Die programmatische Verbannung des Herakles aus dem Epos ......................................................................................... 45

6

(Ps.-)Hesiod: Herakles im Dienste des Göttervaters und der aemulatio Homeri .................................................................................. 6.1 Theogonie .................................................................................... 6.2 Frauenkataloge ........................................................................... 6.3 Aspis; Synthese............................................................................

53 54 62 68

7

Apollonios Rhodios, Argonautica: Die programmatische Ambivalenz des Helden und das Verhandeln alternativer Erzählstrategien............... 73

8

Quintus Smyrnaeus, Posthomerica: Herakles im Dienste der aemulatio Homeri et Hesiodi ................................................................. 100

9

Nonnos von Panopolis, Dionysiaca: Herakles als Gegenbild (und Paradigma?) für Dionysos ...................................................................... 118

6

Inhaltsverzeichnis

Teil III: Synopsis und Ausblick ..................................................................... 137 10

Synopsis: Zu Herakles’ Narrativität und Poetizität im griechischen Epos........................................................................................................ 139

11

Ausblick: Anwendungsbereiche der Fragestellung auf andere Bereiche und Gattungen ......................................................................... 147

Bibliographie .................................................................................................. a) Primärliteratur ............................................................................. b) Nachschlagewerke....................................................................... c) Sekundärliteratur .........................................................................

149 149 150 151

Register .......................................................................................................... Stellenregister .............................................................................. a) b) Namen- und Sachregister ............................................................ Griechische Begriffe ................................................................... c)

169 169 176 184

VORBEMERKUNGEN A) DANKSAGUNG Die hier vorliegende Studie wurde während eines von der Universität Zürich finanzierten Postdoktorats im akademischen Jahr 2012/13 begonnen. Meine darauf erfolgte Berufung auf eine Professur an die Universität Oslo zwang mich, Herakles für längere Zeit ruhen zu lassen. Während eines von der Universität Oslo gewährten Forschungssemesters im Herbst 2017 war es mir möglich, ein ‚altes‘ Projekt wiederzubeleben und mich nach einer längeren Durststrecke wieder dafür zu begeistern. Teile jenes Forschungssemesters durfte ich im November 2017 als Visiting Scholar an der American Academy in Rom zubringen. Ihren letzten Schliff erhielt die Arbeit sodann während eines Aufenthalts in der Fondation Hardt in Vandœuvres im Mai 2018. Allen diesen Institutionen bzw. Geld- und Arbeitgebern (bzw. den Steuerzahlerinnen und -zahlern in der Schweiz und in Norwegen) sei hiermit recht herzlich gedankt. Christoph Riedweg hat mich immer wieder ermuntert, Herakles nicht zu vergessen. Han Lamers und Boris Maslov haben das Manuskript gelesen und mir nicht nur wertvolle Ideen und Anregungen geben können, sondern mich auch vor der einen oder anderen Blamage bewahrt. Ursina Füglister hat mich bei der Beschaffung schwer zugänglicher Literatur fleissig unterstützt. Einzelne Teile der Arbeit wurden von kritisch-wohlwollenden Publika in Bochum, London und (mehrfach) Oslo diskutiert; namentlich erwähnen möchte ich hier Arnold Bärtschi, Manuel Baumbach, Calum Maciver und Fabian Zogg. Ideen und Aspekte aus den Kapiteln zu Homer und zu Apollonios Rhodios sind (in stark geraffter bzw. modifizierter Form) bereits veröffentlicht bzw. im Erscheinen begriffen (= Bär [2016/17] und Bär [im Druck a]); hier habe ich von Anastasia Maravela und Sofia Heim wichtiges Feedback bekommen. Allen diesen Personen möchte ich hiermit sehr herzlich danken. Die Publikation wäre fernerhin nicht möglich gewesen ohne die umsichtige und freundliche Betreuung durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Franz Steiner Verlags: Hier möchte ich namentlich Albrecht Franz, Andrea Hoffmann, Susanne Henkel, Sarah-Vanessa Schaefer und besonders Katharina Stüdemann dankend erwähnen. Ferner gebührt Christoph Schubert Dank für die sorgsame Lektüre des Manuskripts und für die Aufnahme der Monographie in die Reihe Palingenesia. Widmen möchte ich das Buch dem Andenken an Frieda Zimmermann (26.02. 1920 – 08.07.2016) und Ruedi Hess (16.04.1942 – 10.04.2018). Ihr seid für immer in meinem Herzen. Silvio Bär (Universitetet i Oslo), im Juli 2018

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Vorbemerkungen

B) VERWENDETE TEXTAUSGABEN UND LINK ZU DEN ÜBERSETZUNGEN Verwendete Textausgaben: Homer, Ilias: van Thiel (1996) – Odyssee: van Thiel (1991). Hesiod, Theogonie und Aspis: Solmsen (31990) – Fragmente: Merkelbach/ West (1967) – Testimonien: Most (2006). Apollonios Rhodios, Argonautica: Vian/Delage (1974; 1980; 1981). Quintus Smyrnaeus, Posthomerica: Vian (1963a; 1966; 1969). Nonnos, Dionysiaca: Vian et al. (1976–2006) (für genauere Angaben zu den einzelnen Bänden vgl. die Bibliographie). Sämtliche Übersetzungen aus dem Griechischen stammen vom Verfasser. Da es aus Platzgründen nicht möglich war, alle relevanten epischen HeraklesPassagen in dem Buch abzudrucken, habe ich diese in einem separaten PDFDokument auf meiner Homepage zweisprachig zugänglich gemacht. Dieses Dokument ist für die Leserinnen und Leser meines Buches zur Begleitlektüre bestimmt; Verbreitung oder kommerzielle Nutzung sind verboten. Siehe http://www.hf.uio.no/ifikk/english/people/aca/classics/tenured/silviofb. Allfällige Fehlermeldungen nehme ich per E-Mail gerne entgegen: [email protected]. Forschungsliteratur, die nach 2017 erschienen ist, konnte leider nicht mehr berücksichtigt werden. Die Neue Deutsche Rechtschreibung konsequent anzuwenden, habe ich mich redlich bemüht; den einen oder anderen unbeabsichtigten Lapsus zurück in die Vorzeit möge man mir jedoch verzeihen: die Verwirrung, welche die Reformitis der letzten zwanzig Jahre gestiftet hat, ist schlichtweg zu gross. Als Schweizer schreibe ich konsequent „ss“ statt „ß“. C) ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AaTh = Aarne, Antti/Thompson, Stith: The Types of the Folktale. A Classification and Bibliography (Helsinki 21964). DNP = Cancik, Hubert/Schneider, Helmuth (Hrsg.): Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Altertum (Stuttgart/Weimar 1996–2002). EM = Brednich, Rolf Wilhelm et al. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung (Berlin/New York 1977–2015) [15 Bde.]. EpGF = Davies, Malcolm (Hrsg.): Epicorum Graecorum Fragmenta (Göttingen 1988). LfgrE = Snell, Bruno et al. (Hrsg.): Lexikon des frühgriechischen Epos (Göttingen 1955–2010). LIMC = Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae (Zürich/München 1981–2009). LSJ = Liddell, Henry George/Scott, Robert/Jones, Sir Henry Stuart: A Greek-English Lexicon […] With a revised supplement (Oxford 101996). PEG I = Bernabé, Albert (Hrsg.): Poetae epici Graeci. Testimonia et fragmenta (Stuttgart/Leipzig/ München 21996). Pf. = Pfeiffer, Rudolf (Hrsg.): Callimachus (Oxford 1949; 1953) [2 Bde.]. PMG = Page, Denys L. (Hrsg.): Poetae Melici Graeci (Oxford 1962). RE = Wissowa, Georg/Kroll, Wilhelm/Mittelhaus, Karl (Hrsg.): Paulys Real-Encyklopädie der classischen Altertumswissenschaft. Neue Bearbeitung (Stuttgart 1894–1980). SH = Lloyd-Jones, Hugh/Parsons, Peter J. (Hrsg.): Supplementum Hellenisticum (Berlin/New York 1983) [Texte und Kommentare 11]. SLG = Page, Denys L. (Hrsg.): Supplementum Lyricis Graecis (Oxford 1974).

TEIL I: ZUR EINFÜHRUNG

1 HERAKLES: GOTT, MENSCH, NATIONALHELD Vor über dreissig Jahren schrieb Walter Burkert in einem von Jan N. Bremmer herausgegebenen Sammelband mit dem Titel Interpretations of Greek Mythology Folgendes über die Rolle und Charakteristik des Herakles in der griechischen Mythologie und Kultur: Of all Greek mythological figures, Herakles is perhaps the most complicated and the most interesting. He is by far the most popular of Greek heroes, a fact reflected by the formidable mass of evidence. At the same time there is not one authoritative literary text to account for this character – in the way Homer’s Iliad accounts for Achilles – but rather a plethora of passing references; furthermore, no single place gives him a home and background, but rather the whole Mediterranean provides a changing complex of stories connected to quite different local cults. Yet there is an identity marked by his name and by a canon of iconography that was established at an early date. The attempts to understand the origins and the development of the Herakles figure as a series of literary ‘inventions’ are bound to fail.1

Zwei Aspekte stehen hier im Vordergrund, wobei diese einander sowohl gegenseitig bedingen bzw. ergänzen, gleichzeitig jedoch auch in Opposition zueinander sich verhalten. Erstens die Popularität der Heraklesfigur:2 Popularität darf hier mit Fug und Recht als zweideutiger Begriff verstanden werden: Zum einen ist Herakles eine populäre Figur in dem Sinne, dass er – wie Effe (1980) 148 es formuliert hat – trotz seiner göttlichen Abstammung ein „Held der unteren Schichten“ ist, der „seine Heldentaten aus einer untergeordneten […] Knechtposition heraus [vollbringt]“; er ist – um noch einmal Walter Burkert zu zitieren – „geprägt von einem Konglomerat volkstümlicher Erzählungen, in das die hohe Dichtung nur sekundär eingegriffen hat“.3 Diese im emphatischen Wortsinne populäre Funktion des Herakles zeigt sich etwa an den von Eurystheus auferlegten zwölf Arbeiten (dem sog. Dodekathlos), an bestimmten Heraklestypen wie z.B. dem Hercules 1 2

3

Burkert (1986) 14. Einen auch nur annähernd vollständigen Überblick über die Forschungsliteratur zu Herakles zu geben, kann und soll hier nicht geleistet werden. Stellvertretend seien hier eingangs nur einige der wichtigsten neueren Publikationen genannt, die die Heraklesthematik in globo abdecken: Zuvorderst ist die breit aufgestellte, alle Aspekte von Herakles in der Antike (sowie ausgewählte Rezeptionsphänomene) umfassende Übersichtsdarstellung von Stafford (2012) zu nennen. Für weitere übergreifende Studien vgl. etwa Friedländer (1907), Jourdain-Annequin (1989), Padilla (1998), Heinrich (2006 [1975/1976]), Blanshard (2005); die Sammelbände von Bonnet/Jourdain-Annequin (1992), Bonnet/Jourdain-Annequin/Pirenne-Delforge (1998) und Rawlings/Bowden (2005); ausserdem die Handbucheinträge von Boehm (1912); Zwicker (1912); Gruppe (1918); Prinz (1974); Graf (1998); Ley (1998). Für eine Zusammenstellung und Diskussion der antiken Quellen vgl. Gantz (1993) 374–463. In den folgenden Anmerkungen wird weitere ausgewählte Spezialliteratur zu den jeweiligen Aspekten der Heraklesforschung genannt. Burkert (22011) 319.

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Herakles: Gott, Mensch, Nationalheld

comicus oder dem Starke-Hans-Motiv, an Herakles’ Rolle im Volksmärchen, aber auch an der weit verbreiteten, volkstümlichen Verehrung des Herakles als lokalen Heros – und nicht zuletzt auch an der panhellenischen Vorbild- und Identifikationsfunktion, die mit Herakles wie mit wohl keiner anderen Figur der griechischen Mythologie einhergeht.4 Zum anderen (und damit verknüpft) lässt sich Herakles’ Popularität auch an seiner schieren Verbreitung ermessen, die praktisch alle Aspekte und Lebensbereiche der griechischen Kultur, Religion, Literatur, Ikonographie usw., aber auch des Alltags betrifft. Mit nur wenig Übertreibung lässt sich also in der Tat konstatieren, dass Herakles im Leben eines Griechen von der archaischen bis in die spätantike Zeit omnipräsent war wie vielleicht keine andere mythische Figur. Zweitens weist Burkert zu Recht auf das Fehlen einer autoritativen Quelle, eines autoritativen Textes zu Herakles und den mit ihm verbundenen Geschichten und Genealogien hin. Zwar existierten durchaus Texte, die das Leben und die Taten des Herakles umfassend zu behandeln suchten: In der systematischen bzw. systematisierenden Mythographie stellen Apollodor (2,57–180) und Diodor (4,8– 53) die wichtigsten (und auch die vollständigsten) Referenztexte für Herakles dar, während in der Epik besonders an Peisander von Rhodos (6. Jh. v. Chr.) und an Panyassis von Halikarnass (5. Jh. v. Chr.) zu denken ist, die beide je eine – heute nur noch in spärlichen Fragmenten fassbare – Herakleia verfassten.5 Dennoch ist Burkert doch wohl grundsätzlich darin Recht zu geben, dass von der Existenz eines kanonischen ‚Heraklestexts‘ nicht auszugehen ist. Das Fehlen eines solchen autoritativen Textes lässt sich unschwer an die Gegebenheiten und die strukturellen Eigenheiten einer polytheistischen Religion wie der griechischen rückbinden und dementsprechend unter sozioreligiösen Gesichtspunkten verstehen, womit etwa auch der Umstand zusammenhängt, dass die griechische Religion keinerlei Heilige Schrift oder dergleichen kennt.6 Aus literaturkritischer Sicht dürfte ferner auch das wirkmächtige Verdikt des Aristoteles eine Rolle gespielt haben, demgemäss sich die Einheit der Handlung einer Tragödie oder eines Epos nicht aus der Summe einzelner Handlungen ein- und derselben Hauptfigur ergibt, wofür als Negativbeispiele die Verfasser von Herakles- und Theseus-Epen herhalten müssen (Poetik 1451a 16–22): 4

5

6

Diese und andere Funktionen werden unten noch eingehend besprochen (zu Herakles im Volksmärchen [eine Funktion, auf die hier nicht weiter eingegangen wird] vgl. Heldmann [2000] 112–120). Darüber hinaus zeigt Herakles jedoch selbstverständlich auch nicht-populäre Funktionen. Zu den Spuren verlorener bzw. fragmentarisch erhaltener Herakles-Epen s.u. Kap. 3 a.E. Eine geraffte Übersicht zu den wichtigsten schriftlichen sowie ikonographischen Quellen zu Herakles in der Antike bietet Stafford (2012) 15–18 sowie passim; eine ausführliche Zusammenstellung und Diskussion aller Quellen bei Gantz (1993) 374–463. Vgl. Burkert (22011) 18–21 zu den schriftlichen Quellen und Referenztexten der griechischen Religion.

Herakles: Gott, Mensch, Nationalheld

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µῦθος δ᾿ ἐστὶν εἷς οὐχ ὥσπερ τινὲς οἴονται ἐὰν περὶ ἕνα ᾖ· πολλὰ γὰρ καὶ ἄπειρα τῷ ἑνὶ συµβαίνει, ἐξ ὧν ἐνίων οὐδέν ἐστιν ἕν· οὕτως δὲ καὶ πράξεις ἑνὸς πολλαί εἰσιν, ἐξ ὧν µία οὐδεµία γίνεται πρᾶξις. διὸ πάντες ἐοίκασιν ἁµαρτάνειν ὅσοι τῶν ποιητῶν Ἡρακληίδα καὶ Θησηίδα καὶ τὰ τοιαῦτα ποιήµατα πεποιήκασιν· οἴονται γάρ, ἐπεὶ εἷς ἦν ὁ Ἡρακλῆς, ἕνα καὶ τὸν µῦθον εἶναι προσήκειν.7

Gleichwohl lässt sich für die Heraklessage insofern ein autoritativer Kern benennen, als sich spätestens seit der Mitte des 5. Jhs. v. Chr. der Dodekathlos zu einem Kanon verdichtet hatte, um den herum sich die übrigen – mythenchronologisch früheren wie späteren – Taten und Abenteuer gruppierten. Zwar sind einzelne Arbeiten des Eurystheus in schriftlichen Quellen bereits in der Ilias fassbar (s.u. Kap. 4), und Figur und Mythos des Herakles als solche sind bedeutend älter,8 doch findet sich der Erstbeleg für den Dodekathlos in der bekannten Vollständigkeit und Reihenfolge nicht in einem Textzeugnis, sondern in einer ikonographischen Quelle, nämlich an den Metopen des Zeustempels in Olympia (ca. 460 v. Chr.), woselbst Herakles, der bereits in Pindars Olympie 10 als Gründer der Olympischen Spiele gefeiert wird, sowohl als Vorbild für die Athleten wie auch als panhellenische Identifikationsfigur (dazu s.u.) gelesen werden kann und muss.9 Ferner ist die Hypothese zu beachten, dergemäss „die kanonisch gewordene Zwölfzahl durch die räumliche Disposition des Zeustempels bewirkt worden“ sei, weil „die Zone über der Vorhalle (Pronaos) und über dem rückwärtigen Opisthodom […] jeweils Platz für sechs solcher Reliefplatten [bot]“.10 Wenn dem tatsächlich so ist, so wäre daraus zu deduzieren, dass die Autorität des Herakles als 7

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„Ein Plot ist nicht ein [zusammenhängendes Ganzes] – wie einige meinen –, wenn er sich um eine [Person] dreht. Denn viele, ja zahllose [Aspekte] kommen in einer [Person] zusammen, deren Einzelteile nichts Einheitliches sind. Und ebenso gibt es viele Handlungen von einer [Person], aus denen sich keine einheitliche Handlung ergibt. Darum scheinen alle von den Dichtern einen Fehler zu machen, die eine Herakleis, eine Theseis und solcherlei Gedichte verfasst haben: Sie meinen nämlich, nur weil Herakles eine [Person] war, sei davon auszugehen, dass auch der Plot einheitlich sei.“ – Vgl. dazu Lucas (1968) 116 (Anm. z.St.): „Epics on either of these heroes would be likely conspicuously to lack cohesion, since three separate cycles of legend were connected with Heracles, and Attic patriotism tended to assimilate to Theseus myths which belonged elsewhere.“ Figur und Mythos des Herakles als solche sind bedeutend älter; Kirk (1973) 286 nimmt mykenische, wenn nicht gar vormykenische Ursprünge an; zu den ‚Ursprüngen‘ vgl. ferner auch Burkert (1979) 78–83. Zu der heute als veraltet angesehenen These eines ‚dorischen Imports‘ der Heraklessage vgl. Stafford (2012) 11, 137–138, 246 (Anm. 5) mit älterer Literatur. Zur Erwähnung einzelner Arbeiten des Eurystheus in der Ilias s.u. Kap. 4 a.A. Zur kanonischen Ordnung des Dodekathlos vgl. Gruppe (1918) 1021–1022; Brommer (41979) 53–63; Bader (1985); Jourdain-Annequin (1989) 13; Boardman et al. (1989) 5–6; Calomino (1990) 825–826; Gantz (1993) 381–416; Padilla (1998) 2–3; Stafford (2012) 24–30. Zum Herakles-Programm auf den Metopen des Zeustempels vgl. Barringer (2008) 46–50. Zu Herakles als Gründer der Olympischen Spiele vgl. den Überblick bei Stafford (2012) 160–163, ferner Young (2004) 12–13 und Spivey (2004) 225–230; eine historisierende Deutung bietet Knauss (1998) und (2004). Zur Bedeutung der Heraklesfigur in der Dichtung Pindars vgl. Pike (1984) und Nieto Hernández (1993). Sinn (22004) 74. In diesem Sinne bereits Brommer (41979) 53–63; anders Pavese (1967) 83.

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Herakles: Gott, Mensch, Nationalheld

Modell und Identifikationsfigur in der Mitte des 5. Jhs. v. Chr. dergestalt gefestigt gewesen sein muss, dass sie von einer Mehrheit der aus den verschiedenen Poleis herbeigereisten Sportler und Besucher nicht nur universal verstanden, sondern auch umfassend akzeptiert wurde, und dass auf dieser Basis wiederum die autoritative und einheitsstiftende Funktion der Olympischen Spiele und der in diesem Kontext zentralen Bauwerke in Olympia so gross war, dass sich davon ausgehend der Dodekathlos als Kanon etablieren konnte. Das dem Herakles-Mythos offensichtlich innewohnende bzw. aus ihm heraus entwickelte Potential zur Teilkanonisierung wirkte somit zentripetal auf die olympische Kanonisierung der zwölf Arbeiten; selbige wirkte ihrerseits zentrifugal auf die Verbreitung und Festigung des Dodekathlos im panhellenischen kulturellen Gedächtnis und fand dementsprechend auch ihren Niederschlag in den Texten. Durch die Teilkanonisierung des Herakles-Mythos erhält dieser einen stabilen Kern; durch diese partielle Kernstabilität wird die Flexibilität des Gesamtmythos wiederum erst richtig möglich. Im darauffolgenden Kapitel wird zu zeigen sein, inwiefern diese Aspekte mit allgemeinen Charakteristika der griechischen Mythologie in Zusammenhang stehen, nämlich der Duktilität des Mythos und der von mir so zu benennenden Widerspruchsfähigkeit des Mythos. Im Hauptteil der Untersuchung wird sodann u.a. auch gezeigt werden, dass die Stabilisierung der Vorstellung von Herakles als ‚Zwölfarbeiter‘ bereits in Hesiods Theogonie angelegt ist und seit Apollonios Rhodios’ Argonautica zu einem festen Bestandteil der epischen Heraklesfigur wird – mit dem Effekt, dass ebendieser Kanon später, in der kaiserzeitlichen Epik, zu einem Emblem für die Antagonistik zwischen Schematik und destabilisierender Dekonstruktion werden kann. Die Pionierrolle des Herakles als Gründer der Olympischen Spiele – an den Metopen des Zeustempels in Olympia publikumswirksam zur Schau gestellt sowie literarisch galvanisiert in Pindars detailreicher Beschreibung in Olympie 10 – tritt nicht nur in Wechselwirkung mit der Kanonisierung des Dodekathlos, sondern sie steht auch sinnbildlich für die paradigmatische Rolle des Helden als panhellenischer Identifikationsfigur.11 Diese Rolle hat Herakles in erster Linie dem Umstand zu verdanken, dass er den griechischen Kulturraum durch- und erwandert und diesen somit (geographisch wie auch mental bzw. ideologisch) erweitert und expandiert. Damit verknüpft ist hinwiederum seine Funktion als Kulturbringer, als Aufräumer und als Retter, die sich an unzähligen Beispielen belegen lässt – nebst den offensichtlich kathartischen Taten des Dodekathlos ist etwa die bei Herodot greifbare Erzählung von der Tötung des ägyptischen Königs Busiris zu nennen, die zur Beendigung der Praxis von Menschenopfern führt (Hdt. 2,45).12 Fer 11

12

Zur panhellenischen Funktion des Herakles vgl. z.B. Vollkommer (1987) 11; Huttner (1997) passim; Kajava (1997) 59–61; Padilla (1998) 30–31; Mueller-Goldingen (2010) 31–32; zur panhellenischen Idee im Allgemeinen z.B. Brandt (1992); Mitchell (2007); Scott (2010); Vlassopoulos (2013). Zu Herakles als Kulturbringer vgl. etwa Burkert (1992) 113–116; zu Herakles und Busiris Durand/Lissarrague (1983).

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ner zu denken ist an die weit verbreiteten Epiklesen ἀλεξίκακος („Abwender des Bösen“) bzw., im lateinischen Bereich, adiutor („Helfer“) u.ä., sowie, ganz allgemein, an die Praxis der Anrufung des Herakles in einer schwierigen oder gefährlichen Situation (Ἡράκλεις bzw. Hercle/Mehercule) – wobei letztgenannte Praxis oft auch nachgerade apotropäischen Charakter einnehmen konnte.13 Dementsprechend ist die Heraklesgestalt in der ausführlichen Darstellung bei Diodor (4,8–53) der „Archetypus einer Positivgestalt“, „der den darbenden Menschen endlich die Kultur als Erlösung bringt“; er „eilt durch die gesamte Oikumene und vollbringt überall Gutes“; er ist „Wohltäter“ und „Lehrmeister (διδάσκαλος)“.14 Herakles ist, mit anderen Worten, ein Nationalheld avant la lettre: eine Identifikationsfigur für das panhellenische Selbstverständnis und das von einem griechischen Kern ausgehende Verständnis einer hellenisierten Ökumene. Wie noch zu zeigen sein wird, lässt sich eine entsprechende Figurenfunktion bereits für die Ilias postulieren, in welcher der Trojanische Krieg u.a. über eine Parallelisierung zwischen Herakles und Achilleus zu einer ‚nationalen Befreiungsaktion‘ stilisiert wird bzw. ex post (d.h. rezeptionsästhetisch) so gelesen werden kann (Kap. 4). Die beispiellose Popularität des Herakles geht allerdings gleichzeitig auch einher mit einer ebenso beispiellosen Figurenambivalenz: Als Halbgott ist Herakles zwar sterblich, verdient sich jedoch als Belohnung für seine Taten am Ende seines Lebens einen Platz im Olymp. Herakles’ Apotheose ist ikonographisch bereits für das 7. Jh. v. Chr. nachgewiesen,15 und gemäss Od. 11,602–604 vergnügt sich Herakles im Olymp unter den Unsterblichen, während in der Unterwelt lediglich sein Avatar (εἴδωλον) verblieben ist.16 Spätestens bei Pindar ist der belohnende Charakter der Vergöttlichung sodann expliziert (Isth. 4,55–60): υἱὸς Ἀλκµήνας· ὃς Οὔλυµπόνδ᾿ ἔβα, γαίας τε πάσας καὶ βαθύκρηµνον πολιᾶς ἁλὸς ἐξευρὼν θέναρ, ναυτιλίαισί τε πορθµὸν ἡµερώσαις. νῦν δὲ παρ᾿ Αἰγιόχῳ κάλλιστον ὄλβον ἀµφέπων ναίει, τετίµαταί τε πρὸς ἀθανάτων φίλος, Ἥβαν τ᾿ ὀπυίει, χρυσέων οἴκων ἄναξ καὶ γαµβρὸς Ἥρας.17

13

14 15 16 17

Vgl. dazu Kajava (1997) 59 (Anm. 2) mit weiterführender Literatur; ausserdem id. 60 (Anm. 5) für weitere Literatur und Stellensammlungen zu der allgemein positiven bzw. kulturstiftenden Funktion des Herakles in der gesamten Antike; zu Ἡρακλῆς ἀλεξίκακος ferner auch Woodford (1976). Rathmann (2016) 272. Vgl. LIMC V.1 s.v. Herakles, n. 3331; Anm. 9 in Kap. 5 mit weiterer Literatur. Die Echtheit der Verse war und ist allerdings philologisch umstritten: vgl. Anm. 9 in Kap. 5. „Der Sohn der Alkmene, der zum Olymp kam, nachdem er alle Länder | sowie die von jähen Klippen [ummauerte] Tiefe des grauen Meeres erforscht | und die Passage für die Schifffahrt gezähmt hatte. | Nun aber wohnt er neben dem Aigishalter, das grösste Glück | geniessend, und geehrt wird er als Freund von den Unsterblichen, und mit Hebe ist er verheiratet, | und er ist Herr eines goldenen Palastes und der Schwiegersohn Heras.“

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Herakles: Gott, Mensch, Nationalheld

Die ambivalente Stellung des Herakles zwischen Mensch und Gott, die etwa auch in der Pindar’schen Formel ἥρως θεός (Nem. 3,22) griffig zum Ausdruck kommt,18 zeigt sich u.a. auch an der Tatsache, dass Herakles trotz seiner unzweideutig panhellenischen Stellung als vergöttlichter Bewohner des Olymps – Diodor etwa spricht am Ende seiner ausführlichen Berichterstattung nurmehr noch von einem Gott, d.h., die Transformation ist abgeschlossen und Herakles’ frühere Sterblichkeit ist in keiner Weise mehr relevant19 – gleichzeitig vielerorts als Lokalheros verehrt wurde, wobei an verschiedenen Orten (insbesondere in Attika) auch Anspruch auf seine Grabesstätte erhoben wurde, wodurch wiederum dieselbe Dichotomie zwischen Tod/Sterblichkeit und Immortalität/Apotheose ersichtlich wird.20 Eine weitere Ambivalenz ergibt sich ferner aus der Spannung zwischen Herakles’ göttlicher Abstammung einerseits und seinen ‚niedrigen‘, von Eurystheus auferlegten Arbeiten andererseits.21 Von herausragendem Interesse für die hier vorliegende Studie sind jedoch die unterschiedlichen Funktionen bzw. Typisierungen des (menschlichen, d.h. noch nicht vergotteten) Herakles, die sich in der Literatur zeigen – wobei Literatur hier im weitesten Sinne verstanden wird und selbstverständlich auch Bereiche umfasst, die nach antikem Verständnis rein oder hauptsächlich performativer Natur waren (wie etwa das klassische Drama) und einem heutigen, verengten Literaturbegriff nicht standhalten würden – und somit in der Summe eine Vielfalt von Herakles-Typisierungen zeigen, die Feeney (1991) 95 (Anm. 134) treffend als „Heraclean paradoxes“ bezeichnet hat.22 So finden wir den tragischen Typus des jähzörnigen, zu Gewalt- und Wutausbrüchen neigenden Hercules furens in und seit der attischen Tragödie (vgl. Euripides’ 18 19 20

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Zu Pindars Verwendung und Verständnis von ἥρως vgl. Currie (2005) 60–70. Diod. 4,54,1: ἀλλὰ περὶ µὲν τοῦ θεοῦ τούτου τὰ µυθολογούµενα πάντα διήλθοµεν. (“Doch über diesen Gott haben wir nun alles erzählt, was es zu erzählen gab.“) Zu Herakles’ Stellung zwischen Gott, Mensch und Heros vgl. besonders Stafford (2005a), (2010) und (2012) 171–197; ferner Brelich (1958) 362–365; Kirk (1973); Shapiro (1983); Verbanck-Piérard (1989); Stafford (2010) 228 (Anm. 1) für weitere Literatur; Effe (2003) zur Apotheose des Herakles in der alexandrinischen Dichtung. Zu den Heraklesheiligtümern in Attika vgl. Woodford (1971); Verbanck-Piérard (1995). Silk (1985) 6 bezeichnet Herakles treffend als „interstitial figure“: „he occupies the no-man’s-land that is also no-god’s-land“. In diesem Sinne vgl. etwa auch Padilla (1998) 32: „On the one hand, Herakles is the most illustrious mortal son of Zeus and in this capacity was appropriated throughout antiquity as a symbol of royal power. […] On the other hand, Herakles does menial labor.“ Für einen Abriss vgl. Galinsky (1972) 1–39; Burkert (22011) 319–324; Feeney (1991) 95. – Die Begriffe „(Figuren-)Typ(us)“ bzw. „Typisierung(en)“ werden hier ganz bewusst verwendet, obschon sie in der narratologischen Figurenanalyse neueren Zuschnitts (s. dazu Kap. 3) zuweilen abgelehnt werden; vgl. z.B. Jannidis (2004a) 214: „Als ›Figurenmodell‹ soll im folgenden bezeichnet werden, was früher stark wertend ›Typus‹ genannt wurde, d.h. gestaltförmige Konfigurationen von Figureninformationen, z.B. der Melancholiker oder die Extrovertierte.“ Inwiefern der Begriff „Typus“ per se „stark wertend“ sein sollte, ist für mich nicht klar; hier wird m.E. lediglich ein diffuses Sendungsbewusstsein bezüglich politischer Korrektheit ersichtlich. Wie Jannidis a.a.O. (Anm. 33) selber konzediert, ist die narratologische Begriffsvielfalt sehr hoch. Ich gebrauche Fachbegriffe grundsätzlich immer wertfrei.

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Ἡρακλῆς µαινόµενος sowie Senecas Hercules furens)23 in direktem Nebeneinander zu dem dazu in harscher Opposition stehenden Hercules comicus, dem übergewichtigen Fresser und Säufer, der uns in der Komödie und im Satyrspiel begegnet,24 sowie – eng mit Letzterem verwandt – das stärker märchenhaft orientierte Motiv des ‚Starken Hans‘.25 Neben diesen emotional überschwänglichen ‚Heraklessen’ ist ferner auch der philosophische bzw. intellektuelle Herakles – in der Prodikos zugeschriebenen, bei Xenophon (Mem. 2,1,21–34) überlieferten Sage von Herakles am Scheideweg bis heute populär und im Typus des enthaltsamen Hercules Stoicus allegorisiert – von mindestens ebensolcher Bedeutung.26 Im Hauptteil der Untersuchung zu den einzelnen griechischen Epen werden diese Typen bzw. Typisierungen immer wieder zur Sprache kommen. In den folgenden beiden Kapiteln soll jedoch als erstes die Frage erörtert werden, inwiefern deren Neben- und Miteinander charakteristisch für die antike Mythologie ist und inwiefern sich für die unterschiedlichen Heraklesse, so sie im griechischen Epos Verwendung finden, eine narratologische Analyse aufdrängt.

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Zum Hercules furens bzw. Hercules tragicus vgl. z.B. Galinsky (1972) 40–80; Mikalson (1986); Nesselrath (1997); Papadimitropoulos (2008); Stafford (2012) 79–103; Lu (2013). Zum Hercules comicus vgl. Eur. Alk. 747–802; Aristoph. Frösche 62–63, 107, 549–560; Alexis, Linos fr. 140 PCG; Dion. Limos fr. 3a TrGF 76; weitere Passagen bei Hošek (1963) 125 und Lämmle (2013) 394–396. An Literatur zum Thema zu nennen sind etwa Hošek (1963) 123–126; Fränkel (1968) 144 (Anm. 328); Galinsky (1972) 81–100; Pike (1980); Lämmle a.a.O. Zum Starke-Hans-Motiv vgl. AaTh Nr. 650A; Lox (2007). Zum philosophisch-intellektuellen Herakles vgl. Malherbe (1988) 560–562; Stafford (2005b); ead. (2012) 104–136; zu Herakles am Scheideweg De Ruyt (1975); Kuntz (1994); Vollkommer (1997); Rochette (1998); Harbach (2010) 95–134; Davies (2013).

2 MYTHOS IN DER LITERATUR: EINIGE PRÄMISSEN Diese Studie ist keiner bestimmten ‚Mythenschule‘ verpflichtet, geschweige denn bietet sie eine neue, eigenständige ‚Mythentheorie‘. Auch ein systematischer Überblick über Geschichte und Entwicklung der Mythosforschung wird hier nicht angestrebt.1 Vielmehr sollen in einem knappen Abriss einige m.E. zentrale Kernthesen präsentiert werden, die zum Verständnis für die Funktionsweisen von Mythen in der Literatur beitragen und die im Folgenden – in Kombination mit der in Kap. 3 zu skizzierenden narratologischen Figurenanalyse – die methodologische Grundlage für die Analysen im Hauptteil dieser Studie darstellen. Als erstes ist – aus produktionsästhetischer Sicht – die poetische Souveränität des Dichters bzw. Erzählers bei der Gestaltung ererbter mythischer Stoffe zu nennen. Diese Prämisse geht von der Annahme bzw. Feststellung aus, dass ein Dichter grundsätzlich immer kreativ und eigenständig mit der ererbten und benutzten mythischen Tradition umgehen kann und von dieser Möglichkeit auch prinzipiell Gebrauch macht. Parameter wie Produktions- bzw. Aufführungsbedingungen oder Gattungskonventionen mögen diese Kreativität bzw. Eigenständigkeit je nachdem stärker fördern oder ggf. auch bis zu einem gewissen Grad einschränken, doch kann und darf von einer starren Handhabung ererbter mythischer Traditionen in keinem Fall ausgegangen werden. Diese Erkenntis mag für die griechische Literatur spätestens ab der klassischen Zeit als selbstverständlich, ja mitunter banal erscheinen – zu denken ist an den ‚Innovationszwang‘ der Tragiker –,2 doch ist sie es mit Blick auf die archaische Epik keineswegs – zumindest wenn von einem oralistischen (ggf. auch von einem neoanalytischen) Ansatz ausgegangen wird. Radke (2007), deren Arbeit der Begriff der ‚poetischen Souveränität‘ entlehnt ist, spricht m.E. zu Recht von einer „Variabilität, Offenheit und Pluralität ‚des‘ Mythos in Ilias und Odyssee“; was „in der Erforschung der Sprache und der sog. Formelhaftigkeit der epischen Diktion und Versifikation schon lange Thema ist“, lässt sich auch auf die Ebene der aus dem Mythos ererbten und gespeisten Motivik und narratio übertragen: „Das Formelmaterial ist der Stoff, den der Dichter zur Erleichterung der hexametrischen Formulierung bestimmter dichterischer Aussagen verwenden kann. Nicht nur die sog. epische Formelsprache aber scheint diese Freiheiten zu bieten. 1

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Verwiesen sei etwa auf die Übersichtsdarstellungen bei Dowden (1992) 22–38; Csapo (2005); Masciadri (2008) 354–377; Graf (2012) 15–57; ferner auch auf Lincoln (1999); nützlich auch der Abriss bei Burkhart (1999) 1093–1095. Eine brauchbare Zusammenstellung relevanter Grundlagenliteratur findet sich bei Radke (2007) 8–9 (Anm. 2–9) und Burkert (22011) 24 (Anm. 5). Für einen Überblick über die strukturalistische Mythendeutung ist Kirk (1970) 42– 83 (trotz seiner skeptischen Grundhaltung) nach wie vor brauchbar. Seidensticker (2005) 49–50 gebraucht für Euripides, den innovativsten der drei grossen Tragiker, die m.E. sehr treffende Bezeichnung „Mythoklast“.

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Auch ‚der‘ Mythos scheint noch im Hellenismus und schon bei Homer eine erstaunliche Variabilität und Pluralität zugelassen zu haben.“3 Eine solche produktionsästhetisch motivierte Variabilität ist allerdings nur möglich vor dem Hintergrund dessen, was Masciadri (2008) die Duktilität des Mythos genannt hat: Dem Mythos wohnt sozusagen immanent das Potential inne, stets neu geformt, neu erschaffen, neu variiert zu werden – die Möglichkeit zur Destabilisierung ist quasi ein Definitionskriterium des Mythos schlechthin. Mythen sind, so Vöhler/Seidensticker/Emmerich (2005) 2, „traditionelle Geschichten, die sich dadurch auszeichnen, daß sie immer wieder neu erzählt werden können. Sie existieren nicht, wie heilige Texte, in einer geschützten, unveränderbaren Form, sondern grundsätzlich im Modus der Variation“. Diese Einsicht lässt sich m.E. dahingehend erweitern, dass die Welt bzw. die ‚Logik‘ des Mythos oft derart frei und offen ist, dass logische (bzw. zuweilen auch chronologische) Widersprüche oder Inkonzinnitäten nicht als solche wahrgenommen werden – bzw., wenn sie wahrgenommen werden, nicht als störend, sondern als tolerierbar, wenn nicht gar als wünschenswert oder bereichernd empfunden werden. Als Beispiel möge der Topos von der Argo als erstem Schiff dienen, der zu anderen mythischen Erzählungen zwar in erkennbarem Widerspruch steht – so ist etwa das Schiff des Danaos mythenchronologisch klar älter –, dadurch jedoch prinzipiell nichts an seiner Wirkung und Gültigkeit einbüsst.4 Ein weiteres Beispiel ist die Generationszugehörigkeit des Herakles in der Ilias: Sowohl ein Sohn des Herakles (Tlepolemos, Il. 2,653–670) als auch zwei seiner Enkel (Pheidippos und Antiphos, Il. 2,676–680) nehmen am Kriegszug gegen Troja teil, wodurch streng genommen eine chronologische Inkonzinnität (bzw. eine Unklarheit bezüglich des zeitlichen Verhältnisses zwischen der erzählten Zeit der Ilias und der ‚herakleischen Vorzeit‘) geschaffen wird – was jedoch ganz offensichtlich nicht stört (s. dazu auch Kap. 4). Ich möchte zur Beschreibung dieses Phänomens darum an dieser Stelle den Begriff der Widerspruchsfähigkeit des Mythos einführen. Daraus ergibt sich wiederum die Möglichkeit von Doppelungen (oder gar Vervielfachungen) mythischer Varianten, die einander zwar logisch gesehen ausschliessen, jedoch mythosimmanent dennoch nebeneinander bestehen und einander ggf. gar komplementär zu ergänzen bzw. zu stützen vermögen. Ein passendes Beispiel hierfür bietet die Geschichte von Herakles’ Diebstahl der Äpfel der Hesperiden. Neben der kanonischen Vorstellung findet sich an mehreren Stellen auch eine Alternativversion, dergemäss es sich bei den von den Hesperiden bewachten und von Herakles gestohlenen Objekten gar nicht um Äpfel, sondern vielmehr um Schafe gehandelt habe – der Homonymie von µῆλον „Apfel“ ≠ µῆλον „Schaf“ geschuldet. Man mag, Stafford (2012) 47 folgend, diese Mythenvariante aufgrund der fehlenden 3

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Radke (2007) 10. Die Annahme eigenständiger (mythologischer) Erfindungen durch den Iliasdichter ist freilich nicht neu; vgl. z.B. Braswell (1971) und Willcock (1977); weitere Literatur bei Radke (2007) 11–12 (Anm. 14–20). Vgl. dazu Bär (2012).

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ikonographischen Zeugnisse für eine blosse intellektuelle Spielerei halten5 – entscheidend ist allerdings vielmehr, dass beide Vorstellungen co-existierten6 und dass der Mythos als System nicht dazu neigt, die eine Variante zugunsten der anderen zu verwerfen. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang der Bericht Diodors, der beide Varianten gleichberechtigt nebeneinander stellt und für beide rational nachvollziehbare Erklärungen bietet, es aber zum Schluss ausdrücklich dem Rezipienten überlässt, die eine oder die andere zu bevorzugen (4,26,2–3): τελευταῖον7 δ᾿ ἆθλον λαβὼν ἐνεγκεῖν τὰ τῶν Ἑσπερίδων χρυσᾶ µῆλα, πάλιν ἔπλευσεν εἰς τὴν Λιβύην. περὶ δὲ τῶν µήλων τούτων διαπεφωνήκασιν οἱ µυθογράφοι, καὶ τινὲς µέν φασιν ἔν τισι κήποις τῶν Ἑσπερίδων ὑπάρξαι κατὰ τὴν Λιβύην µῆλα χρυσᾶ, τηρούµενα συνεχῶς ὑπό τινος δράκοντος φοβερωτάτου, τινὲς δὲ λέγουσι ποίµνας προβάτων κάλλει διαφερούσας κεκτῆσθαι τὰς Ἑσπερίδας, χρυσᾶ δὲ µῆλα ἀπὸ τοῦ κάλλους ὠνοµάσθαι ποιητικῶς, ὥσπερ καὶ τὴν Ἀφροδίτην χρυσῆν καλεῖσθαι διὰ τὴν εὐπρέπειαν. ἔνιοι δὲ λέγουσιν τὰ πρόβατα τὴν χρόαν ἰδιάζουσαν ἔχοντα καὶ παρόµοιον χρυσῷ τετευχέναι ταύτης τῆς προσηγορίας, Δράκοντα δὲ τῶν ποιµνῶν ἐπιµελετὴν καθεσταµένον, καὶ ῥώµῃ σώµατος καὶ ἀλκῇ διαφέροντα, τηρεῖν τὰ πρόβατα καὶ τοὺς λῃστεύειν αὐτὰ τολµῶντας ἀποκτείνειν. ἀλλὰ περὶ µὲν τούτων ἐξέσται διαλαµβάνειν ὡς ἂν ἕκαστος ἑαυτὸν πείθῃ.8

In vergleichbarer Weise äussert sich Rüegger (2014) 172 zur Doppelung der Schöpfungsgeschichte im Alten Testament: „Wer immer die beiden Schöpfungsberichte am Anfang der Bibel zusammenstellte – es störte ihn offenbar nicht, dass sie ganz verschiedene Geschichten erzählen, die nicht zusammengehen, gar widersprüchlich sind. Ihre Rationalität folgt nicht der narrativen Vernunft eines historischen Berichts und schon gar nicht der argumentativen Logik einer wissen 5

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„[T]he absence of sheep from visual representations of the labour confirms that this is just an intellectual hypothesis rather than a genuine mythological tradition.“ Allerdings ist die Unterteilung in ‚echte‘ vs. ‚unechte‘ Mythentraditionen m.E. grundsätzlich verfehlt. Vgl. etwa Schol. Apoll. Rhod., Arg. 4,1396; für weitere Stellen Littlewood (1968) 164–165 (Anm. 35); s. auch u. Kap. 7 zur Bezeichnung der Hesperiden als „Schafehüterinnen“ (οἰοπόλοι) bei Apollonios Rhodios (Arg. 4,1413). Vgl. auch Bär (im Druck b). Üblicherweise ist die Hesperiden-Episode die zweitletzte Arbeit des Dodekathlos, gefolgt von der Einholung des Kerberos aus der Unterwelt; bei Diodor jedoch ist die Reihenfolge umgekehrt. „Für die letzte Arbeit, die er auf sich nahm – [nämlich] die goldenen mêla der Hesperiden zu holen –, segelte [Herakles] wieder nach Libyen. Über die mêla aber sind sich die Mythographen uneinig: Die einen behaupten, es habe sich um goldene Äpfel in den Gärten der Hesperiden in Libyen gehandelt, die ununterbrochen von einer enorm furchteinflössenden Schlange bewacht wurden; andere aber meinen, die Hesperiden hätten Schafherden besessen, die sich durch ihre Schönheit auszeichneten, und [diese] seien aufgrund ihrer Schönheit in dichterischer Weise als ‚goldene mêla‘ bezeichnet worden, so wie etwa auch Aphrodite aufgrund ihres Äusseren ‚golden‘ genannt wird. Wiederum andere behaupten, die Schafe hätten eine eigenartige, goldähnliche Farbe gehabt und hätten [aufgrund dessen] ebendiese Bezeichnung erhalten, und [ein Mann namens] ‚Drakon‘ (= ‚Schlange‘), der sich durch Körperkraft und Mut auszeichnete, habe die Oberaufsicht über die Herden gehabt [mit dem Auftrag], die Schafe zu bewachen und diejenigen, die versuchen wollten sie zu stehlen, zu töten. Doch über diese Punkte zu entscheiden, soll jedem einzelnen freistehen, so wie er es für sich für glaubhaft erachtet.“

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schaftlichen Theorie. […] Sowenig wir von einem Schiff erwarten, dass es flugtauglich ist, so wenig können wir von einem Mythos erwarten, dass seine Aussagen nach den raum-zeitlichen Kategorien der geistigen Vernunft wahr seien. Mythen sind anders.“ Die sich aus der Widerspruchsfähigkeit des Mythos ergebende Möglichkeit einer logisch zwar exklusiven, innerhalb des ‚Systems Mythos‘ jedoch gleichwohl als vereinbar, wenn nicht gar als wünschenswert erachteten Kombination von Erzählungen und Versionen möchte ich als Prinzip der additiven Argumentation bezeichnet wissen: Zwei Alternativversionen derselben Geschichte – handle es sich um den Schöpfungsakt oder den Diebstahl eines wertvollen Objekts oder was auch immer – verlangen innerhalb des ‚Systems Mythos‘ keine rational nachvollziehbare Auflösung, im Gegenteil: vielmehr bekräftigen sie einander noch gegenseitig. Vereinfacht gesagt: zwei unterschiedliche Versionen sind besser als nur eine. Stärker als die Duktilität bzw. Widerspruchsfähigkeit des Mythos ist dieses Prinzip jedoch nicht bloss mythosimmanent zu beschreiben – vielmehr muss von einem grundsätzlichen Verständnis und von einer grundsätzlichen Akzeptanz sowohl auf Seiten des Produzenten wie auch und v.a. des Rezipienten ausgegangen werden. Die hier genannten Aspekte sind selbstverständlich nicht als getrennte Bereiche zu begreifen; vielmehr durchdringen, bedingen und beeinflussen sie einander: Die Duktilität bzw. die Widerspruchsfähigkeit des Mythos resultiert u.a. auch daraus (bzw. wird dadurch verstärkt), dass das Publikum willens ist, divergierende (und/oder neue) Mythenversionen zu rezipieren, und der poetisch souveräne Dichter wiederum macht sich die Duktilität des Mythos und die Möglichkeit zu logischen (bzw. chronologischen) Widersprüchen für seine literarischen Zwecke zunutze. Ausserdem ist zu bedenken, dass das Neben- und Ineinander von Widersprüchen nicht auf den Bereich des (griechischen) Mythos beschränkt ist: Die griechische Religion etwa ist durchdrungen von inneren Widersprüchen und Rissen – beispielsweise steht der Glaube an eine göttliche Gerechtigkeit neben dem Glauben an die amoralische Willkür der Götter –,9 und auch Leben und Überzeugungen von uns ‚modernen‘ Menschen sind bekanntlich keineswegs frei, sondern vielmehr geprägt von Inkohärenzen und kognitiven Dissonanzen. Dennoch ist die Feststellung dieser Eigenschaft des Mythos nicht trivial. ‚Der Mythos‘ lässt sich als System von Geschichten und Erzählungen begreifen, die über den Kern des Narrativen eine „prärationale, verbindliche Welterklärung und Wirklichkeitsdeutung“10 bieten. So gesehen, liegt die Verankerung des Mythologischen im Bereich des Religiösen auf der Hand; damit aber ist die postulierte Widerspruchsfähigkeit des Mythos nicht nur typisch griechisch, sondern wohl – zu einem gewissen Grad – universell. Kaum eine Figur des griechischen Mythos ist aber wohl so duktil, so widerspruchsfähig wie Herakles – was wiederum sowohl die archetypische Natur des Herakles wie auch dessen Sitz nicht nur im Mythos, sondern auch im Religiö 9 10

Vgl. dazu besonders die Arbeiten von Versnel (1990; 1993), der quasi die Widerspruchsfähigkeit der antiken Religion postuliert. Bies (1999) 1095.

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sen (zu denken ist an die weit verbreitete Verehrung von Heraklesgräbern insbesondere in Attika)11 bekräftigt. Allerdings ist die hier vorliegende Studie, wie bereits eingangs betont, literaturwissenschaftlichen Charakters; zentral ist darum die Frage, nach welchen Kriterien und Möglichkeiten eine aus dem ‚System Mythos‘ übernommene, dergestalt duktile Figur wie Herakles als literarische Figur (hier beschränkt auf die Gattung des griechischen Epos) verwendet werden und funktionieren kann. Zu diesem Zweck werden im folgenden Kapitel die Kernaspekte der narratologischen Figurenanalyse skizziert, die die methodologische Basis für den Hauptteil der Studie stellen.

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S.o. Kap. 1 mit Anm. 20.

3 NARRATOLOGISCHE FIGURENANALYSE: ZU DEN METHODEN UND ZIELSETZUNGEN DIESER STUDIE In ihrer längst zum Klassiker avancierten Einführung in die Narratologie beginnt Mieke Bal den einleitenden Paragraphen ihres Figurenkapitels – überschrieben mit dem Untertitel „Why Characters Resist Us“ – folgendermassen: Characters resemble people. Literature is written by, for, and about people. That remains a truism, so banal that we often tend to forget it, and so problematic that we as often repress it with the same ease. On the other hand, the people with whom literature is concerned are not real people. They are fabricated creatures made up from fantasy, imitation, memory: paper people, without flesh and blood. That no satisfying, coherent theory of character is available is due to this anthropomorphic aspect. The character is not a human being, but it resembles one. It has no real psyche, personality, ideology, or competence to act, but it does possess characteristics that make readers assume it does, and makes psychological and ideological descriptions possible. Character is intuitively the most crucial category of narrative, and also most subject to projection and fallacies. It is fair to say that characters do not exist. Yet, narratives produce ‘character-effects.’ The character-effect occurs when the resemblance between human beings and fabricated figures is so great that we forget the fundamental difference: we even go so far as to identify with the character, to cry, to laugh, and to search for or with it, or even against it, when the character is a villain.1

Die hier treffend beschriebene Spannung zwischen der Konstruiertheit und Artifizialität literarischer Figuren einerseits und der Gefahr einer aufgrund ihrer Anthropomorphizität stets latent vorhandenen Verwechslung bzw. In-Eins-Setzung mit lebensechten (oder als lebensecht imaginierten) Personen andererseits begründet im Kern die Aufgabe einer narratologischen Figurenanalyse: d.h., einer wissenschaftlichen Herangehensweise an die Analyse und Interpretation literarischer Charaktere unter narratologischem Gesichtspunkt, so wie dies für andere narrative Parameter wie Erzählerinstanz, Fokalisierung, Zeit, Raum usw. längst üblich ist. Bereits im Jahre 1933 – also zu einer Zeit, als Narratologie als Disziplin erst gewissermassen implizit existierte und als man Figurenanalyse noch nicht der Erzählforschung zuordnete – machte sich Lionel Charles Knights mit seinem Essay „How Many Children Had Lady Macbeth?“ über die Tendenz von Literaturinterpreten lustig, literarische Figuren wie echte Menschen zu behandeln – wie etwa Lady Macbeth in William Shakespeare’s The Tragedy of Macbeth (1606), die auf ihre Rolle als Mutter zwar anspielt, ohne dass dieser Aspekt der Figur jedoch im weiteren Verlauf des Stücks von Bedeutung wäre.2 Beide hier zitierten Beispiele zeigen nebst der Notwendigkeit einer narratologischen Figurenanalyse auch das 1 2

Bal (32009) 113. „I have given suck, and know | how tender ’tis to love the babe that milks me“ (William Shakespeare, The Tragedy of Macbeth, 1. Akt, 7. Szene, 55–56).

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kognitive Dilemma, das jedwede Beschäftigung mit literarischen Figuren (unabhängig von deren Wissenschaftlichkeitsgrad) mit sich zu bringen scheint, nämlich der offensichtlich ureigene menschliche Drang, literarischen Figuren menschliche Eigenschaften zuzuschreiben und diese (scheinbare) Ähnlichkeit in eine Gleichsetzung zu überführen. Das Problem ist ähnlich gelagert wie die Tendenz der Gleichsetzung zwischen realem und implizitem Autor und der daraus resultierenden Tendenz, aus literarischen Texten die Wirkungsintention des Autors und/oder dessen Biographie zu rekonstruieren – in Analogie zu den zur Beschreibung dieser Phänomene etablierten Begriffen intentional fallacy und biographical fallacy möchte ich darum hier vorschlagen, für den Bereich der Figurenanalyse von real life fallacy zu sprechen.3 Gleichzeitig wird verständlich, weshalb die narratologische Figurenanalyse der vergangenen Jahre grossenteils einen kognitiven Ansatz verfolgt hat: Dieser ist nicht bloss dem allgemeinen Trend zur kognitiven Erzählforschung zuzuschreiben,4 sondern ist auch als Konsequenz aus der genannten, kognitiv motivierten real life fallacy zu verstehen. In erster Linie sind hier die wegweisenden Arbeiten von Fotis Jannidis zu nennen, der mit seiner Studie Figur und Person (2004) den Grundstein für eine narratologisch fundierte, kognitiv unterfütterte Figurenanalyse gelegt hat.5 Seinerseits basierend auf früheren Arbeiten wie etwa Thomas Dochertys Monographie Reading (Absent) Characters. Towards a Theory of Characterization in Fiction von 1983, Baruch Hochmans Studie Character in Literature von 1985, sowie den Arbeiten etwa von James Phelan oder den zahlreichen Aufsätzen Uri Margolins aus den 1980er- und 1990er-Jahren,6 hat 3 4

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Damit ist im Wesentlichen dasselbe gemeint (aber präziser gefasst), was Bal (32009) 113 mit „character-effect“ umschreibt. Zum kognitiven Trend in der Narratologie vgl. etwa die Überblicksdarstellungen von Eder (2003); Herman (2013); Wege (2017). Kognitive Ansätze in der Figurenanalyse finden sich freilich schon früher; vgl. z.B. Gerrig/Allbritton (1990). Jannidis (2004a); für nützliche Zusammenfassungen vgl. id. (2004b), (2005) und (2013). Ferner wichtig sind die Arbeiten von Schneider (2000) und (2001) sowie diejenige von Eder (2008) – Letztere bietet, u.a. basierend auf Jannidis’ Studien, eine Anwendung narratologischer Figurenanalyse auf den Film. Zu nennen sind ferner die Beiträge in dem Sammelband von Eder/Jannidis/Schneider (2010); vgl. darin besonders auch den Forschungsüberblick von Heidbrink (2010). – Die oben zitierte Aussage von Bal (32009) 113, dass „no satisfying, coherent theory of character is available“, ist somit gründlich verfehlt (Bal zitiert in ihrer Bibliographie fast ausschliesslich englischsprachige Literatur und scheint die deutschsprachige Forschung weitgehend ignoriert zu haben). Vgl. Phelan (1987) und (1989); für eine Zusammenstellung der wichtigsten Arbeiten Margolins vgl. De Temmerman/van Emde Boas (2017b) 14 (Anm. 47). – Jannidis (2004a) 152 (Anm. 2) betont allerdings zu Recht, dass bereits schon viel früher klar Position bezogen wurde gegen eine rein lebensweltliche Betrachtung literarischer Figuren und dass deshalb die Häme der Formalisten und Strukturalisten der 1960er-Jahre oft ein Stück weit ein Schattengefecht darstellte (vgl. Liddell [1947] 97 [von Jannidis a.a.O. zitiert]: „Yet for all their likeness to real people, fictional characters are not real people: they do not have to function in life, but in the novel, which is an art form. They function in plots […]“). Neu ist seit der Jahrtausendwende somit nicht die Erkenntnis als solche, sondern vielmehr die einsetzende Theoretisierung und die systematische Einbindung der Kategorie ‚Figur‘ in die Narratologie.

Narratologische Figurenanalyse: Methoden und Zielsetzungen

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Jannidis eine mit der Begrifflichkeit der Prototypensemantik fassbare, kognitiv begründete literarische Figurendefinition geprägt: Menschen gelten ohne weitere Indizien als Figur. D.h. sobald erschließbar wird, daß es sich bei etwas um einen Menschen handelt, wird dieses eine Figur. Dazu sind keine weiteren Zusatzinformationen notwendig, die das intentionale Handeln oder das Innenleben der Figur demonstrieren. Das gilt aber auch für bestimmte andere Wesen, z.B. Götter und Dämonen. Wenn diese Wesen in einer Kultur eines der beiden Merkmale zugeschrieben bekommen, dann genügt der direkte oder indirekte Hinweis, daß es sich um solche Wesen handelt, um sie als Figur zu identifizieren. Wahrscheinlich ist es am fruchtbarsten, wenn man annimmt, die Kategorie ›Figur‹ sei so organisiert, wie es die Prototypensemantik beschreibt. Der Prototyp einer Figur ist dann ohne Zweifel ein Mensch, aber zahlreiche weitere Wesen können aufgrund bestimmter ihrer Merkmale mehr oder weniger entfernt von diesem Prototypen und entsprechend leicht oder weniger leicht als Figur zu identifizieren sein. Durch intentionales Handeln, besonders durch Sprachverwendung, sowie durch die Zuschreibung von psychischen Zuständen wird eine große Nähe zum Prototypen und damit eine eindeutige Klassifizierung als Figur erreicht.7

Jannidis’ Ansatz hat den Vorteil, dass sie die rezeptionsästhetisch begründete Tendenz einer Anthropomorphisierung literarischer Figuren nicht ablehnt, sondern miteinbezieht und nachvollziehbar macht8 und gleichzeitig auch den Horizont für die Inklusion nicht-menschlicher, jedoch menschenähnlicher Figuren öffnet. Eine solche Definition ist, wie unschwerbar zu erkennen ist, für die antike Literatur mit ihren zahllosen anthropomorphen Figuren (Göttern, Halbgöttern, Dämonen, Fabelwesen, etc.) äusserst praktikabel und macht gerade auch eine derart hochgradig ambivalente Gestalt wie die des Herakles als literarische Figur greif- und analysierbar. Darüber hinaus erleichtert der prototypensemantische Ansatz auch das Verständnis für die hermeneutische Gefahr, die von der real life fallacy ausgeht, denn erst wenn man konzediert, dass literarische Figuren zwar in ihrem Kern menschlich bzw. menschenähnlich sind, davon jedoch bis zu einem gewissen, teils nicht unerheblichen Grad abweichen können – zu denken ist nur an die zahlreichen Monster, die uns etwa in Hesiods Theogonie begegnen, die jedoch trotz ihrer sprichwörtlichen ‚Ungeheuerlichkeit‘ über einen anthropomorphen Kern verfügen, oder an die Kreaturen in Ovids Metamorphosen, die nach der Transformation zuweilen immer noch zu Teilen menschliche Eigenschaften besit 7 8

Jannidis (2004a) 114–115. In diesem Sinne bereits das Postulat von Grabes (1978) 405–406: „Die eklatante Vernachlässigung der Illusionsmächtigkeit literarischer Figuren ist offensichtlich einer der Nachteile einer zu sehr auf das literarische ‚Werk‘ fixierten Literaturwissenschaft […]. Nicht nur, daß literarische Figuren sich verselbständigen, indem sie immer wieder zu Protagonisten neuer Werke werden […]; wichtiger ist, daß sie als durchaus eigenständige Vorstellungen von ‚Personen‘ […] im Bewußtsein derjenigen vorhanden sind, die sie als Zuschauer oder Leser der entsprechenden Dramen und Romane ‚kennengelernt‘ haben.“ Vgl. ferner auch Hillebrandt (2011) 62–128 zur Frage, inwieweit auf die fiktionale Welt von Erzähltexten bezogene Rezipientenemotionen literaturtheoretisch fruchtbar zu machen sind.

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zen und somit über eine wavering identity verfügen –,9 wird eine griffige Figurendefinition möglich, die umfassend ist, ohne in die Beliebigkeit abzudriften. Ein weiterer Aspekt, der hier anzusprechen ist, ist der der sog. ‚Transtextualität‘.10 Damit werden Figuren bezeichnet, die in mehreren literarischen Texten auftauchen, die sozusagen durch die Literaturgeschichte ‚wandern‘ und somit in ein intertextuelles Verhältnis zu sich selbst treten. Dieses Phänomen ist in der antiken Literatur evidentermassen allgegenwärtig, da selbige ihre literarischen Charaktere zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aus einem Repertoire bestehender Figuren rekrutiert, und zwar konkret aus dem Mythos und aus der Geschichte,11 und da ausserdem der Drang nach stofflicher Innovation ungleich geringer ist als in der neuzeitlichen Literatur, da in der Antike – vereinfacht gesagt – dieselben Geschichten (variierend) immer wieder erzählt und neu literarisch verarbeitet werden. Daraus entstehen Konsequenzen sowohl für die produktions- als auch für die rezeptionsästhetische Seite: Für den Produzenten/Autor ergeben sich nicht unerhebliche Einschränkungen bezüglich der kreativen Handhabung seiner Figuren, während der Leser aufgrund der über die literarische Tradition bestehenden Erwartungshaltungen an eine bestimmte Figur in seiner Rezeption bereits voreingenommen bzw. mit einem bestimmten Erwartungshorizont ausgestattet ist. Diese Einschränkungen treten in ein eigenartiges Spannungsfeld mit der im vorangegangenen Kapitel postulierten poetischen Souveränität des Dichters sowie der Duktilität bzw. Widerspruchsfähigkeit des Mythos: Dem ‚System Mythos‘ ist zwar inhärent, dass es Variationen und Widersprüche zulässt, wenn nicht gar willkommen heisst und fördert, doch kann dies evidentermassen nur innerhalb gewisser Grenzen geschehen, innerhalb deren sich ein Autor bewegen kann und muss. Jannidis spricht in seiner Figurenanalyse von frames, innerhalb deren die Rezeption einer Figur und ihrer Charakteristik gesteuert wird: Narratives can be viewed as a succession of scenes or situative frames, only one of which is active at any given moment. An active situative frame may contain numerous characters, but only some of them will be focused on by being explicitly referred to in the corresponding stretch of text. The first active frame in which a character occurs and is explicitly referred to constitutes its ‘introduction.’ After being introduced, a character may drop out of sight, not be referred to for several succeeding active frames, and then reappear. In general, whenever a character is encountered in an active frame, it is to be determined whether this is its first occurrence or whether it has already been introduced in an earlier active frame and is reappearing at a particular point. Determining that a character in the current active scene has already appeared in an earlier one is termed ‘identification.’12

Jannidis bezieht seinen frame-Begriff zwar nicht auf transtextuelle Figuren, sondern bespricht nur die Aktivierungen und Identifikationen in ein- und demselben Text (es ist zu bedenken, dass die Gattung ‚Roman‘ den Hauptreferenzpunkt für 9 10 11 12

Zum Begriff der wavering identity vgl. Fränkel (1945) 73. Zum Begriff vgl. Richardson (2010). Vgl. Temmerman/van Emde Boas (2017b) 4–5. Jannidis (2013) 28.

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Jannidis’ Untersuchung bildet), doch lässt sich das Konzept ohne Weiteres auch auf Figuren anwenden, die von einem Text zum nächsten ‚wandern‘. In der antiken Literatur kann das zugrunde liegende frame, das in einem neuen Text reaktiviert wird und eine Identifikation vonseiten des Rezipienten erfordert, durch einen oder mehrere Intertexte gebildet werden – man denke etwa an die homerischen Epen, durch die jegliche spätere Epik gefiltert wird –, aber auch bloss durch die herrschende Tradition bzw. Überlieferung vorgeprägt sein (auch hier könnte man – der terminologischen Präzision zuliebe – die Einführung entsprechender Begriffe vorschlagen: z.B. intertextual frame, mythical frame, traditional frame,13 oder inherited frame). Mythischen Figuren kommt dabei eine janusköpfige Rolle zu, insofern jedes Aufrufen einer mythischen Figur in einem literarischen Text eine potentielle Rekurrenz sowohl auf einen oder mehrere literarische Intertexte als auch auf das ‚System Mythos‘ in globo erlaubt – wobei eine strikte Trennung der beiden Bereiche kaum je möglich und sinnvoll ist. Dass transtextuelle Figuren in der griechischen Literatur bisher nicht unter diesem Aspekt untersucht wurden, hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass einerseits die narratologische Figurenanalyse in der Klassischen Philologie noch in den Kinderschuhen steckt14 und dass andererseits – und dies wiegt m.E. schwerer – die bestehenden theoretischen Ansätze in der Regel von Erzählforschern stammen, deren Horizont sich auf die neuzeitliche Literatur beschränkt. Nur so ist etwa – um lediglich ein Beispiel zu nennen – die Aussage von Crittenden (1982) 331 zu verstehen: „[A]n author just writes a story which includes certain characters and thus constitutes their being created.“ Hier wird die (naive) Annahme eines letztlich romantisch geprägten Autorbegriffs nahezu physisch greifbar: Der Autor ist – so der Unterton – derjenige, der ‚seine‘ Geschichte und somit ‚seine‘ Figuren aus sich heraus ‚erfindet‘ bzw. ‚erschafft‘; ein Bewusstsein für aus der – sei es literarischen, sei es mythischen – Tradition ererbte, nicht frei erfundene Figuren scheint hier völlig zu fehlen.15 Dass Herakles in der antiken Literatur eine hochgradig transtextuelle Figur darstellt, liegt ebenso auf der Hand wie der Umstand, dass es sich bei ihm nicht um ein Abbild einer lebensechten Menschenfigur handelt – wenngleich er gemäss der prototypensemantisch ausgerichteten Figurendefinition à la Jannidis die Bedingung der Menschenähnlichkeit selbstverständlich zur Genüge erfüllt. Und wie wahrscheinlich kaum eine andere Gestalt der antiken Mythologie ist Herakles bedingt durch seine anhaltende Popularität nicht nur eine der Figuren, die die 13

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Vgl. in diesem Zusammenhang auch den von Foley (1991) 7–8 mit Blick auf die Eigenheiten mündlicher Ependichtung geprägten Begriff der traditional referentiality (freundlicher Hinweis von Boris Maslov). Die Monographie von Temmerman (2014) sowie der Band von Temmerman/van Emde Boas (2017a) leisten diesbezüglich wertvolle Pionierarbeit. Dabei sind transtextuelle Figuren ja durchaus nicht auf die vorneuzeitliche Literatur beschränkt; man denke nur an so prominente moderne Beispiele wie James Joyces Ulysses (1922), Jean Rhys’ Wide Sargasso Sea (1966) oder Tom Stoppards Rosencrantz and Guildenstern are Dead (1967).

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Literaturgeschichte quer durch alle Gattungen und Perioden konstant ‚durchwandert‘, sondern er stellt aufgrund seiner Vielschichtigkeit, seiner Ambivalenz und seiner Widerspruchsfähigkeit auch mehr als jede andere aus der antiken Mythologie entlehnte transtextuelle Figur ein Paradigma einer für die unterschiedlichsten Zwecke brauchbaren literarischen (bzw. literarisierbaren) Figur dar. Die hier vorliegende Studie untersucht daher die narratologische Funktion des Herakles im griechischen Epos, beginnend mit der archaischen Epik bei den Epen Homers und Hesiods, über das hellenistische Argonautenepos des Apollonios Rhodios und die zweitsophistische Homerfortsetzung des Quintus Smyrnaeus reichend bis zu den gigantischen Dionysiaca des Nonnos von Panopolis in der gräkoägyptischen Spätantike. Die Beschränkung auf ein- und dieselbe literarische Gattung drängt sich aufgrund der Notwendigkeit zur Vergleichbarkeit auf – so bringt etwa die Frage, inwiefern narratologische Fragestellungen z.B. auf performative Gattungen wie beispielsweise das Drama anwendbar sind (das sich für eine Untersuchung der Heraklesfigur per se natürlich anböte), massive methodologische Schwierigkeiten mit sich.16 Die Wahl der Gattung Epos bietet sich aus mindestens drei Gründen an: erstens aufgrund ihres dezidiert narrativen Charakters; zweitens wegen ihrer praktisch ungebrochenen Kontinuität durch die gesamte griechische Literaturgeschichte und der sich daraus ergebenden intertextuellen ‚Abhängigkeitskette‘; und drittens, wie zu zeigen sein wird, dank des Umstandes, dass die Figur des Herakles in allen vollständig überlieferten Epen von Homer bis Nonnos eine Rolle spielt bzw. Erwähnung findet, ohne dabei allerdings je eine tragende Rolle (und abgesehen von Apollonios Rhodios’ Argonautica nicht einmal die einer Nebenfigur) einzunehmen. Die Untersuchung geht chronologisch vor und nimmt die hier skizzierten Aspekte der narratologischen Figurenanalyse sowie die im vorangegangenen Kapitel dargelegten Prämissen zum Mythos in der Literatur als Ausgangspunkt. Ferner soll – ausgehend von der Tatsache, dass sich eine narratologische Analyse automatisch mit verschiedenen Ebenen und Parametern der Erzählung befasst und somit auch unweigerlich in den Bereich des ‚Redens über das Erzählen‘ eindringt – auch die potentielle metapoetische Funktion der Heraklesfigur miteinbezogen werden. Die Frage, die in jedem einzelnen Kapitel mutatis mutandis immer wieder neu zu stellen sein wird, lautet somit nicht nur, auf welchen Erzählebenen Herakles in die einzelnen Epen eindringt und ‚funktioniert‘, sondern auch ob – und falls ja, wo, wann und wie – Herakles auch für metapoetische Zwecke benutzt wird.17 Dabei wird von einem relativ breiten Begriff der Poetologie bzw. Metapoetizität ausgegangen, der nicht nur explizite Erzählerkommentare über das eigene Tun des Dichtens berücksichtigt, sondern grundsätzlich 16 17

Vgl. Temmerman/van Emde Boas (2017b) 4–5 für eine Diskussion dieses Problembereichs. Einen vergleichbaren Ansatz verfolgt beispielsweise auch Marks (2008) für die Rolle des Zeus in der Odyssee: Es wird zu zeigen gesucht, dass den Olympischen Göttern – und allen voran dem Göttervater – nicht nur eine handlungstragende und einheitsstiftende Funktion für das Gesamtepos zukommt, sondern dass ferner über Zeus auch eine ‚Panhellenisierung‘ der Haupthandlung zuungunsten divergierender epichorischer Traditionen etabliert wird.

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davon ausgeht, dass einem literarischen Text sozusagen jederzeit das Potential innewohnt, selbstreflexiv zu sein bzw. vom Rezipienten als selbstreflexiv wahrgenommen zu werden.18 Abschliessend sei an dieser Stelle nur ganz kurz darauf eingegangen, worum es im Folgenden dezidiert nicht gehen soll: nämlich um die Diskussion – geschweige denn die Rekonstruktion – verlorener bzw. nur fragmentarisch überlieferter Herakles-Epen. Die Existenz einer solchen Epik ist für die archaische bis in die klassische Zeit belegt – zu denken ist etwa an die Οἰχαλίας ἅλωσις des Kreophylos, an die Herakleia des Peisandros oder an die Herakleia des Panyassis –, und das Negativverdikt des Aristoteles über die mangelnde Einheit der Handlung bei Herakles- und Theseus-Epen (Poetik 1451a 16–22; s.o. Kap. 1) lässt auf eine entsprechend weitläufige und populäre Tradition schliessen. Abgesehen von der (ps.-)hesiodeischen Aspis sind davon allerdings nur Titel und Fragmente erhalten.19 Die neoanalytische Homerkritik hat aufgrund der Herakles-Referenzen in Ilias und Odyssee die Existenz einer ‚zyklischen‘ Herakles-Epik in Analogie zum Thebanischen und Trojanischen Sagenkreis (der üblicherweise unter dem [letztlich irreführenden] Sammelbegriff ‚Epischer Zyklus‘ zusammengefasst wird) postuliert.20 Solche Fragestellungen mögen für sich genommen relevant sein und auch durchaus zu valablen Ergebnissen (oder zumindest Mutmassungen) führen; sie sind jedoch für die hier vorliegenden, narratologisch und textimmanent ausgerichteten Fragestellungen nicht von Belang und werden deshalb (bis auf die eine oder andere Klammer- oder Fussnotenbemerkung) nicht diskutiert.

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Vgl. in diesem Sinne z.B. auch Bal (2000) 479: „[T]he literary text itself, in addition to being poetic, is doing poetics.“ – Die verwendete narratologische Terminologie ist zu weiten Teilen diejenige von Bal (32009) und De Jong (1997; 2001; 22004; 2014). Für einen Überblick vgl. Huxley (1969) 99–112; Krischer (1982) 55–57; West (2003) 19–24. Zur frühen literarischen (auch nicht-epischen) Herakles-Tradition vgl. auch Angeli Bernardini (2010) sowie die Synopsis bei Padilla (1998) 6–10. Vgl. z.B. Mayer (1887) 173–178; Friedländer (1907) 16–17; Kullmann (1956) 25–35; Schefold (1962); Huxley (1969) 99–112; Baurain (1992); Sbardella (1994); Burkert (1998) 56; Danek (1998) 247–250; West (2003) 19–24; West (2011) 30–31; skeptisch Andersen (2012).

TEIL II: HERAKLES IM GRIECHISCHEN EPOS VON HOMER BIS NONNOS

4 HOMER, ILIAS: HERAKLES ALS VORBOTE DER TROJANISCHEN KATASTROPHE Herakles ist kein Teilnehmer am Zug der Achaier gegen Troja, da er chronologisch einer früheren Heldengeneration angehört. Gleichwohl werden er und mit ihm in Verbindung stehende Taten und Begebenheiten an verschiedenen Stellen in der Ilias genannt, und zwar sowohl vonseiten des Erzählers (primary narrator) als auch in der Rede handelnder Figuren (secondary narrators). Herakles ist somit über die (teils direkte, teils indirekte) Überlieferung einer als innerfiktional noch relativ nah empfundenen Vergangenheit in die unmittelbare Gegenwart eingeschrieben.1 Die folgende Aufstellung zeigt die entsprechenden Passagen mit einem Abriss ihres Inhalts und Kontexts: Il. 2,653–670: Der Schiffskatalog erwähnt als Teilnehmer am panhellenischen Kriegszug gegen Troja den Rhodier Tlepolemos, einen Sohn des Herakles. In einer kurzen Digression werden die Erbeutung von dessen Mutter Astyocheia durch Herakles (659–660) sowie die Geschichte von Tlepolemos’ Ansiedlung in Rhodos (661–670) berichtet. Tlepolemos hatte seinen Grossonkel Likymnios getötet und war, statt Entsühnung von der Blutschuld zu suchen, vor den auf Rache sinnenden Verwandten nach Rhodos geflohen, wo er und sein Volk sich niederliessen und verbreiteten und von wo aus er den Achaiern im Trojanischen Kriege nun zu Hilfe kommt.2 Il. 2,676–680: Ebenfalls Teilnehmer am Kriegszug gegen Troja sind die Herakles-Enkel Pheidippos und Antiphos, die im weiteren Verlauf der Ilias nicht mehr erwähnt werden.3 Il. 5,381–404: Dione tröstet ihre Tochter Aphrodite, die von Diomedes im Kampf verwundet worden ist, indem sie ihr Geschichten von anderen Unsterblichen erzählt, die von Menschen

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Vgl. zu diesem homerischen Phänomen Grethlein (2012) 15: „Both the narrator and the characters frequently refer to what we could call the ‘epic plupast’, the past that preceded the main action of the song. The ‘epic plupast’ can be read as a mise en abyme, that is to say the embedded past of the heroes figures as a mirror to the heroic past presented in epic poetry.“ Zu der Passage vgl. ausführlich die Kommentare von Kirk (1985) 224–227 und Brügger/ Stoevesandt/Visser (2003) 212–216. Tlepolemos’ Mutter Astyocheia ist gemäss id. 214 eine „Figur ohne bes[onderes] Profil, ein im Mythos aufgrund seiner Bedeutung ‘Stadt(er)halterin’ […] öfter verwendeter sprechender Name für Mütter von Heroen“. Der Grund für die Tötung des Likymnios durch Tlepolemos wird nicht genannt; spätere Quellen sprechen teils von einem Streit (Pind. Ol. 7,20–31; Diod. 4,58,5–8), teils von einem Versehen (Zenon von Rhodos, FGrHist 523 F 2,102 = Diod. 5,59,5). Zur Sage von der Besiedelung der Insel Rhodos durch Tlepolemos vgl. Prinz (1979) 78–97. Antiphos taucht als Name an anderen Stellen in den homerischen Epen auch auf (Il. 2,864; 4,489; 11,101.104.109; 24,250; Od. 2,19; 17,68), doch handelt es sich dort um andere Figuren; vgl. Kirk (1985) 228 und Brügger/Stoevesandt/Visser (2003) 219.

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Homer, Ilias: Herakles als Vorbote der Trojanischen Katastrophe körperlich versehrt wurden: Ares, der von Otos und Ephialtes gefesselt und eingesperrt wurde, und Hera und Hades, die von Herakles angeschossen wurden.4 Il. 5,628–669: Die Szene lässt den Herakles-Sohn und Zeus-Enkel Tlepolemos (s.o., Il. 2,653–670) mit dem Zeussohn Sarpedon aufeinandertreffen. Tlepolemos wirft Sarpedon vor, seiner göttlichen Herkunft nicht zur Ehre zu gereichen, und stellt dessen Abstammung von Zeus in Frage (633–637), während er sich selber seiner Abstammung von Herakles rühmt (638–642).5 Sarpedon erwidert ihm, indem er ihm seinen unmittelbar bevorstehenden Tod durch seine Hand prophezeit (652–654), was auch tatsächlich eintrifft (657–659), während er selber von Tlepolemos nur verwundet wird (660–662). Beide Kämpfer spielen in ihren Invektiven auf die Zerstörung Trojas durch Herakles an (638–642.648–651): Laomedon, der frühere König Trojas und Vater des Priamos, hatte Herakles seine unsterblichen (und also besonders wertvollen) Pferde, die sein Grossvater Tros einst von Zeus als Kompensation für die Entführung des Ganymed erhalten hatte, als Gegenleistung für die Tötung des Monsters, das seine Tochter Hesione bedrohte, versprochen. Nachdem jedoch Herakles das Monster getötet hatte, betrog Laomedon ihn um seinen Lohn, weshalb Herakles zurückkehrte und Troja zerstörte.6 Il. 8,357–369: Athene äussert gegenüber Hera ihren Unmut über Zeus, weil dieser gegen ihren Willen die Achaier schwächt und augenscheinlich vergessen hat, wie sie jeweils seinem Sohn Herakles auf Zeus’ Bitten beigestanden hat, als dieser unter Eurystheus zu leiden hatte.7 Konkret genannt wird die letzte von Herakles’ zwölf Aufgaben, sein Gang in die Unterwelt zwecks Einholung des Kerberos (366–369).

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Zu der Passage vgl. Andersen (1978) 61–69; Bannert (1980); Currie (2016) 173–177. Die drei mythischen Exempla dürften eine Erfindung des Iliasdichters sein (vgl. Willcock [1964] 145– 146; Alden [2000] 21–22; Kirk [1990] 101 [zu Il. 5,385–387]). Die Vorstellung, dass Herakles einer früheren Heldengeneration angehörte, die es wagte, sogar gegen Götter anzutreten, tritt in Od. 8,224–225 wieder hervor. Herakles als Bogenschütze ebenda sowie auch in Od. 11,606–608 (dazu u.a. Grossardt [2009] 105–107; zu den beiden Stellen s. auch Kap. 5); ferner spricht Hes. fr. 33a,29 von den κλυτὰ τόξα des Herakles. Vgl. zu Tlepolemos’ Vorwurf Grethlein (2006a) 76–77. Die Geschichte ist hier und in Il. 14,250–251 nur in Umrissen angedeutet; vgl. ferner Il. 5,263–272 zu den unsterblichen Pferden und ihrer Herkunft und Il. 20,144–148 zu dem Monster, das Hesione bedroht und von Herakles gejagt und getötet wird; vgl. Alden (2000) 158–159 für philologische Details. Die ganze Geschichte ist chronologisch nacherzählt bei Hellanikos (FGrHist 4 F 26b); für einen Überblick vgl. auch Chuvin (1992) 298–301, Gantz (1993) 400–402 und Stafford (2012) 70–72; Ahlberg-Cornell (1984) zur Verbreitung des Hesione-und-Monster-Motivs in der Vasenmalerei; Andrews (1965) für eine historisierende Interpretation. Die verstreuten Anspielungen in der Ilias lassen darauf schliessen, dass es sich um eine weithin bekannte Sage handelte; ob sich allerdings daraus ein verlorenes HeraklesEpos rekonstruieren lässt (s.o. Kap. 3 a.E. mit Anm. 20), muss ebenso fraglich bleiben wie der Versuch Porters (2014), eine ursprüngliche Olympiomachie bzw. einen Ersten Trojanischen Krieg zu postulieren. Zu Athene als Helferin des Herakles vgl. Kunisch (1990) und Deacy (2005). Das Motiv ist bereits im frühen Epos wiederholt anzutreffen; vgl. etwa Il. 20,145–148; Od. 11,626; Hes. Th. 316–318; Aspis 124–127 und 325–344; vgl. auch Hes. fr. 33a,19–33. Zu erwähnen sind ferner auch die Heraklesmetopen am Zeustempel in Olympia, welche an mehreren Stellen Athene als Helferin des Herakles zeigen (s. auch Kap. 1 mit Anm. 9).

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Il. 11,690–693: Nestor erzählt Patroklos von seinen Kriegserlebnissen und Heldentaten als junger Mann. Dabei erwähnt er, wie seine elf Brüder von Herakles erschlagen wurden und er als einziger überlebte.8 Il. 14,242–269: Hypnos, der personifizierte Gott des Schlafes, äussert Bedenken gegenüber Heras Bitte, Zeus zum Einschlafen zu bringen, da er schon bei einer früheren Begebenheit Zeus’ Zorn auf sich gezogen hat: Nachdem Herakles die Mauern Trojas zerstört hatte und abgesegelt war, schläferte Hypnos auf Heras Wunsch Zeus ein, damit sie einen Sturm erregen und ihren Intimfeind nach Kos verschlagen konnte; als Zeus wieder erwachte, wurde er zornig (249–261). Hera entgegnet, dass Zeus um die Trojaner nicht derart besorgt sein werde wie um seinen leiblichen Sohn Herakles (265–266). Il. 14,312–316.323–325: Ein Katalog ausserehelicher Affären, den Zeus Hera gegenüber aufzählt; genannt wird auch Alkmene, die Mutter des Herakles, und zwar in direktem Nebeneinander mit seinem Halbbruder Dionysos (323–325). Il. 15,24–30: Zeus schilt Hera, nachdem er wieder erwacht ist, und erinnert sie an die frühere Begebenheit, als sie, während er schlief, Herakles nach Kos versetzte (s.o., Il. 14,242–269), von wo aus Zeus ihn anschliessend wieder nach Argos zurückbrachte. Il. 15,638–641: Hektor tötet Periphetes, einen Sohn des Kopreus. Kopreus war ein Bote des Eurystheus gewesen, der Herakles jeweils dessen neue Aufgaben mitzuteilen hatte.9 Il. 18,114–121: Achilleus kündigt an, Hektor töten zu wollen und so seinen eigenen Tod in Kauf zu nehmen.10 Er vergleicht sich mit Herakles, der – obwohl Sohn und Liebling des Zeus – auch sterben musste, „bezwungen durch das Schicksal und den schmerzenerregenden Zorn der Hera“ (ἀλλά ἑ µοῖρα δάµασσε καὶ ἀργαλέος χόλος Ἥρης, 119).11 Il. 19,91–138: Die Stelle steht im Kontext von Agamemnons Beilegung des Zwists mit Achilleus und der gleichzeitig erfolgenden Rechtfertigung seines früheren Handelns. Agamemnon sieht dieses als Folge einer Irreführung durch die Göttin der Verblendung, Ate, die früher sogar schon Zeus beirrt hatte. Diese Verblendung des Zeus wird illustriert mit der Geschichte von Hera, die Zeus den Schwur abrang, dem nächstgeborenen aus seinem Geschlechte Macht über die Menschen zu verleihen. Zeus – in der Meinung, es müsse sich um Herakles’ bevorstehende Geburt handeln – stimmte zu, doch Hera führte die verfrühte Geburt des auf Umwegen ebenfalls von Zeus abstammenden Eurystheus herbei, sodass dieser anstelle von Herakles in den Besitz grenzenloser Macht – auch über Herakles – kam. Agamemnon erzählt die Ge-

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Zur Szene vgl. Alden (2000) 94–95. Herakles’ Angriff auf Pylos wird zuweilen historisierend bzw. allegorisierend als Reflex dorischer Überfälle auf die Peloponnes gedeutet; vgl. z.B. Kirk (1962) 22; Hainsworth (1993) 300 (zu Il. 11,690). Vgl. Janko (1992) 298–299 (Anm. z.St.), ferner auch Baurain (1992) 98–99. Periphetes als anderweitig nicht belegter Sohn des Kopreus mag gemäss Janko a.a.O. hier eine ad hocErfindung sein; Kopreus selber war gemäss Apollod. 2,76 ein Sohn des Pelops und wurde von Eurystheus als Bote benutzt, weil dieser sich nicht getraute, Herakles dessen Aufgaben persönlich zu überbringen. Gemäss der Prophezeiung, dass Achilleus bald sterben müsse, nachdem er Hektor getötet hat – eine der häufigsten externen Prolepsen in der Ilias; vgl. Il. 9,410–416; 16,707–709; 18,95– 96; 18,329–332; 19,420–423; 21,109–113; 22,358–360; 23,80–81; 24,131–132; 24,538–542. Vgl. Edwards (1991) 162 (zu Il. 18,117–119): „‘Even Herakles died’ is an example of a topos familiar in the consolatio […]. Here it is used, poignantly, to console the speaker as well as the listener.“

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Homer, Ilias: Herakles als Vorbote der Trojanischen Katastrophe schichte ausführlich (96–133), um seine eigene Verblendung mit der des Zeus zu vergleichen und somit sein Handeln als unvermeidbar und dadurch entschuldbar darzustellen.12 Il. 20,144–148: Der primary narrator spielt anlässlich einer Erwähnung des Gottes Poseidon (der die erste Mauer Trojas zusammen mit Apollon erbaut und als Vergeltung für Laomedons Zahlungsverweigerung das Monster geschickt hatte, das dessen Tochter Hesione bedrohte) auf die von den Trojanern mit Athenes Hilfe erbaute zweite Mauer an, die Herakles Schutz bot, wenn er jeweils von dem Monster, das zu töten er beauftragt war, verfolgt wurde.13

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Herakles kein Teilnehmer an der Trojanischen Expedition ist und somit auch nicht in die erzählte Zeit der Ilias gehört, mag primär der Umstand seines dennoch offenkundig über das gesamte Werk verstreuten Erscheinens erstaunen bzw. sich als erklärungsbedürftig erweisen. Sind auch externe Analepsen, die nicht nur über das Werk als solches, sondern auch weit über dessen mythischen Gesamtbezugsrahmen (d.h. den gesamten Trojanischen Krieg mit seiner ganzen Vorgeschichte) hinausreichen und oft exemplarisch-paradigmatischen Charakter haben (z.B. im Sinne einer mise-en-abyme), keine Seltenheit in der Ilias – man denke beispielsweise an Glaukos’ Binnenerzählung über seinen Grossvater Bellerophontes (Il. 6,155–205) –,14 so ist doch die Häufigkeit bzw. Konstanz ihres Wiederauftauchens im Falle des Herakles auffällig und, wie es scheint, nachgerade singulär. Eine auf die historische Genese der Ilias und ihren entstehungsgeschichtlichen Kontext fokussierte Erklärung neoanalytischen Zuschnitts geht davon aus, dass sich aufgrund der HeraklesAnspielungen in der Ilias ein verlorenes Herakles-Epos (oder gar eine umfassende ‚zyklische‘ Herakles-Epik) rekonstruieren lasse.15 Wollen wir jedoch – ungeachtet der Validität der Ergebnisse, über die eine solche neoanalytische Herangehensweise für sich genommen und mit Blick auf die generisch-historische Einbettung der homerischen Grossepik in ihren weiteren Kontext u.U. durchaus verfügen mag – die Ilias als ein autonomes, in sich stimmiges literarisches Kunstwerk begreifen, so können wir uns mit einem solchen Ansatz allein nicht zufriedengeben und haben nach möglichen werkimmanenten Funktionen des Herakles zu fragen. Haubold (2005) 94 sieht im homerischen Herakles „the loner who suffers and inflicts 12

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Zu der Passage vgl. ausführlich die Kommentare von Edwards (1991) 245–252 und Coray (2009) 48–73; ausserdem Dodds (1951) 1–27, Lohmann (1970) 75–80, Davidson (1980) und Davies (1995). Vgl. Anm. 6. Vgl. die kommentierte Zusammenstellung bei Grethlein (2006a) 334–340; ferner Willcock (1964). Zum paradigmatischen Charakter der Binnenerzählung über Bellerophontes vgl. Alden (1996). Zur Konstruktion von Vergangenheit durch homerische Charaktere vgl. Andersen (1990). Zu diesem Themenkomplex vgl. Anm. 20 in Kap. 3. Mutatis mutandis gleich argumentieren mit Blick auf die Herakliden und deren marginale Rolle in der Ilias Brügger/Stoevesandt/ Visser (2003) 213, die in dem Umstand, dass nebst Tlepolemos, Pheidippos und Antiphos „[a]ndere Herakles-Abkömmlinge […] als handelnde Figuren in den hom[erischen] Epen nicht vor[kommen]“, einen möglichen Hinweis auf „eine Entstehung des Tlepolemos-Mythos in der nachmyk[enischen] Zeit“ sehen.

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suffering indiscriminately“ (ohne zwischen Herakles in der Ilias und in der Odyssee zu differenzieren) – dies im Kontrast zum Aufräumer und Kulturbringer, als der er später in der Theogonie erscheint.16 Damit ist jedoch bloss eine unterschiedliche Charakterisierung bzw. Fokussierung benannt (Haubold a.a.O. sieht diese primär generisch bedingt [Heldenepos vs. Weltentstehungsepos]), doch keine narrative Funktion festgemacht. Zu diesem Zweck drängt sich eine Gruppierung und Analyse der Passagen nach funktionalen Kriterien auf:17 Die Ersterwähnung im Schiffskatalog (Il. 2,653–670; 2,676–680) schreibt die Figur des Herakles in die Ilias sowohl ein als auch zugleich wieder aus ihr aus: Zum einen wird im Kontext der Aufzählung der achaiischen Truppenkontingente die Erinnerung an einen der ganz ‚grossen‘ griechischen Helden wachgerufen – der Gedanke an einen ‚Nationalhelden‘ ist im Kontext einer panhellenischen Militäraktion natürlich überaus passend (wobei die Frage, ob bzw. inwiefern Herakles bereits zu homerischer Zeit als panhellenischer ‚Nationalheld‘ angesehen wurde oder werden konnte, aus rezeptionsästhetischer Sicht nur bedingt relevant ist, da eine Stelle wie diese in dem Moment, wo Herakles diesen Status besitzt, entsprechend rezipiert werden kann).18 Zum anderen wird gleichzeitig klar gemacht, dass Herakles als solcher nicht in die erzählte Zeit des Trojanischen Krieges gehört, sondern eine bis zwei Generationen früher anzusiedeln ist, also nicht Bestandteil der Gegenwart, sondern der Vergangenheit ist. Mittels seiner Doppelerwähnung in zwei unterschiedlichen genealogischen Zusammenhängen werden beide dieser Aspekte noch zusätzlich bekräftigt: Dadurch, dass der homerische Erzähler die potentielle chronologische Inkonzinnität, dass Herakles eine oder auch zwei Generationen älter als die Trojageneration sein könne, gezielt aufruft, indem er kurz nacheinander sowohl Herakles’ Sohn als auch Herakles’ Enkel als ‚parallele‘ Kriegsgefährten in dieselbe erzählte Gegenwart versetzt, rekurriert er nachgerade ostentativ auf die Widerspruchsfähigkeit des Mythos, die ein solches Nebeneinander eben genau ermöglicht, ja u.U. gar noch befördert.19 Man mag darüber hinwegsehen oder aber in neoanalytischer Manier die Existenz zweier ursprünglich divergierender Sagenversionen dahinter vermuten; man mag darin jedoch auch eine bewusste Leserlenkung sehen, insofern als es an den besagten Stellen im Schiffskatalog nicht so sehr darum gehen soll, die korrekte zeitliche Verortung des Herakles in der Vergangenheit in den Vordergrund zu stellen, sondern vielmehr schlichtweg um den Umstand, dass Herakles in die Vergangenheit gehört. 16 17 18

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Zum Vergleich zwischen homerischem und hesiodeischem Herakles vgl. Galinsky (1972) 16– 18; Haubold (2005) 94–95; vgl. auch unten, Kap. 6, zu (Ps.-)Hesiod. Vgl. auch Sbardella (1994) 152–153, der jedoch ebenfalls den iliadischen und den odysseischen Herakles über einen Leisten schlägt. In diesem Zusammenhang ist möglicherweise auch die Ausführlichkeit der Beschreibung des Tlepolemos und seines Schicksals zu erklären, die für einen kleinen Helden im Kontext des Schiffskatalogs unüblich ist (vgl. dazu Visser [1997] 620–625). – Zur ethnischen Einheit der Achaier in der Ilias vgl. Stoevesandt (2004) 80–82, 348–349. Vgl. auch die Frage nach der Generationszugehörigkeit des Nestor und den scheinbaren Widerspruch zwischen Il. 1,250–252 und Od. 3,245–246; dazu Grethlein (2006b).

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Wie so oft, heben sich zwei einander streng genommen widersprechende Mythenversionen nicht gegenseitig auf und ‚stören‘ einander auch nicht, sondern üben im Gegenteil – nach dem Prinzip der additiven Argumentation – eine sogar noch wechselseitig verstärkende Wirkung aufeinander aus.20 Gleichzeitig aber wird hier zum ersten Mal in der Ilias ein Bemühen des Erzählers sichtbar, der Heraklesfigur eine über das rein Figürliche hinausgehende, allgemeinere Bedeutung einzuverleiben. Das ambivalente Nebeneinander von Präsenz der Heraklesfigur im Text einerseits und gleichzeitiger Nicht-Präsenz in der Handlung andererseits wird, wie in obiger Inhaltsaufstellung gezeigt, in wiederkehrenden, verschiedenartigen Analepsen über die ganze Ilias verteilt regelmässig aufgerufen. Herakles’ NichtPräsenz in der iliadischen Gegenwart ist insbesondere auch ein zentraler Aspekt bei der Interpretation der Begegnung zwischen Tlepolemos und Sarpedon im Kampf (Il. 5,628–669): Die Tötung des Tlepolemos durch Sarpedon lässt sich mit intratextueller Rekurrenz auf die entsprechende Nennung im Schiffskatalog als Wiedergutmachung begangener Blutschuld lesen, insofern als Tlepolemos, der seinen Grossonkel Likymnios getötet hatte und, statt Entsühnung zu suchen, nach Rhodos geflohen war (Il. 2,661–666), nun von einem anderen entfernten Blutsverwandten (seinem Stiefonkel Sarpedon) getötet wird.21 Somit ist einerseits die Blutschuld getilgt; andererseits scheidet dadurch Tlepolemos, der als Sohn und somit direkter Abkömmling des Herakles quasi dessen Stellvertreter im Trojanischen Krieg darstellt, relativ früh in der Ilias wieder aus der Handlung aus,22 womit die Nicht-Zugehörigkeit des Herakles zur Trojanischen Expedition, verkörpert durch seinen Sohn Tlepolemos, noch einmal bekräftigt wird.23 Spätestens an dieser Stelle besteht also keine unmittelbare Verbindung des Herakles bzw. der herakleischen Vergangenheit zum momentanen Kriegsgeschehen bzw. zur trojanischen Gegenwart mehr.24 Gleichwohl zieht das Ausscheiden des Herakles-Sohnes Tlepolemos aus der Handlung nicht automatisch das Ausscheiden des Herakles aus dem epischen Gedächtnis nach sich – im Gegenteil, die Erinnerung an Hera 20

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Zu den divergierenden Zeitansätzen für Herakles (eine oder zwei Generationen vor dem Trojanischen Krieg?) vgl. Prinz (1974) 173–175. Dessen Annahme, die „Existenz von zwei Versionen über die Lebenszeit des Herakles und dessen unterschiedliche Zeitgenossen“ bedinge, „daß eine Version die ältere sein“ müsse (174–175), scheint mir allerdings grundfalsch, sind doch Nebeneinander und Vereinbarkeit von (chrono-)logischen Inkonzinnitäten nachgerade ein Merkmal der griechischen Mythologie (s.o. Kap. 2). Vgl. auch Visser (1997) 625: „Ein möglicher Aspekt für die Auswahl gerade dieses Gegners [Sarpedon] wäre auch, daß Homer an den poetischen Möglichkeiten einer solchen Begegnung zweier Zeusnachkommen interessiert war […].“ Wohl ist zu konzedieren, dass die Ilias das zehnte Kriegsjahr schildert, Tlepolemos also neun lange Jahre mit dabei war. Textintern ist dies jedoch sekundär; was zählt, ist Tlepolemos’ frühes Ausscheiden im Werk. Tlepolemos wird zwischen seiner Nennung im Schiffskatalog und seinem Aufeinandertreffen mit Sarpedon in Ilias 5 kein weiteres Mal erwähnt. Vgl. Visser (1997) 619: Tlepolemos „ist als Heraklide vor Troia gewissermaßen ein Fremder“. S.o. mit Anm. 3 und 15.

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kles wird in der Folge in mehreren externen Analepsen konstant aufrecht erhalten; die Spannung zwischen Herakles’ Nicht-Zugehörigkeit zur Gegenwart einerseits und der Aufrechterhaltung seiner Erinnerung andererseits wird mit dem Tode seines Sohnes Tlepolemos vielmehr noch erhöht.25 Offenkundig soll die Heraklesfigur – in welcher konkreten Ausgestaltung auch immer – dem Rezipienten der Ilias wiederholt in Erinnerung gerufen und somit als Bestandteil des epischen Gedächtnisses, das den Rezeptionshorizont der Ilias konstituiert, trotz seiner fehlenden Zugehörigkeit zur erzählten Zeit des Epos, ja zur ganzen Trojanischen Unternehmung etabliert werden. Dass Herakles einer früheren Zeit angehört, wird auch innerfiktional auf der sekundären Erzählebene, d.h. in der Rede handelnder Figuren, mehrmals bestätigt: Wenn Dione ihre von Diomedes verwundete Tochter Aphrodite mit Erzählungen von Ares, der von Otos und Ephialtes gefesselt und eingesperrt wurde, und von Hera und Hades, die von Herakles angeschossen wurden, tröstet (Il. 5,381–404),26 so verweist sie auf eine Zeit, als sich Sterbliche noch mehr gegenüber den Göttern herausnehmen durften. Dabei ist zu beachten, dass die Tatsache, dass Diomedes in der Folge mit Athenes Hilfe auch Ares verwundet (Il. 5,855–863),27 als exzeptionell zu bezeichnen ist; ebenso exzeptionell ist allerdings auch, dass Ares kurz zuvor seinerseits einen Menschen auf dem Schlachtfeld getötet hat (Il. 5,842–848 [Periphas])28 und hernach versucht, auch Diomedes zu töten (Il. 5,852). So gesehen, sind sowohl das Verhalten des Diomedes als auch das des Ares als atypisch zu bezeichnen. Die Tatsache, dass ein Mensch auf einen Gott losgeht und ihn sogar verwundet, ist in der Epoche des Trojanischen Krieges ganz eindeutig nicht mehr normal, kann aber in Ausnahmefällen – wie Diomedes zeigt – vorkommen.29 Somit ist Herakles als mythisches Ausnahme- und Extrembeispiel für einen gegen Götter antretenden Helden bestens geeignet;30 sein Exemplum schafft gleichzeitig Nähe und Distanz. Wenn ausserdem der alte Nestor berichtet, wie seine elf Brüder in seiner Jugend von Herakles getötet wurden (Il. 11,690–693), so macht zum einen auch er klar, dass es sich dabei um eine Begebenheit aus der 25 26

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Vgl. Andersen (2012) 138: „Heracles as a father figure and a formidable hero looms large in the horizon.“ Zur Trostfunktion von Diones Rede vgl. Andersen (1978) 61: „Dadurch, dass der verwundeten Göttin Beispiele anderer Götter, die durch Menschen gelitten haben, vor die Augen geführt werden, soll es ihr leichter werden, das eigene Leid zu ertragen. Es muss aber sogleich gesagt werden, dass der Kontrast zwischen den Leiden der Götter in den drei Paradeigmata einerseits […] und der kleinen Verwundung Aphrodites andererseits dazu beiträgt, die Aphroditegestalt in wenig schmeichelhaftem Licht erscheinen zu lassen.“ Genau genommen ist Athene diejenige, die den Lanzenstoss ausführt (Vv. 856–857). Vgl. dazu Andersen (1978) 82–83. Vgl. dazu auch Bannert (1980) und Andersen (1981). Die göttliche Seite des Herakles ist in diesem Moment völlig ausgeblendet; vgl. Menkes (1978) 13. Das Motiv des gegen Götter gewaltsam auftretenden Herakles wird von Panyassis wieder aufgegriffen; vgl. fr. 6, 20, 21 Matthews (Kommentar: Matthews [1974] 52–57) = fr. 26 West.

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Vergangenheit handelt; zum anderen aber wird Herakles via Nestor gleichzeitig auch wieder in den Möglichkeitshorizont der Ilias zurückgeholt, denn genauso wie Nestor – der prototypisch ‚Alte‘, der zu schwach ist, um noch aktiv am Kriegsgeschehen mitzuwirken – trotz seines fortgeschrittenen Alters immer noch in die Ilias gehört,31 so könnte – zumindest theoretisch – auch Herakles noch Bestandteil der erzählten Zeit der Ilias sein. Er ist es aber nicht. Jedoch ist Nestor paradoxerweise ‚dank‘ Herakles noch am Leben, weil er damals von ihm verschont wurde. Auch hier wird also gleichzeitig Nähe und Distanz geschaffen, indem Herakles als Bestandteil einer nicht allzu fernen Vergangenheit ausgewiesen wird, der nach wie vor indirekt Einfluss auf die Gegenwart ausübt. Ebenfalls im Dunstkreis dieser Zwischenposition zwischen ‚damals‘ und ‚jetzt‘ können wir schliesslich Athenes Unmutsbezeugung über Zeus, der ihre Hilfestellungen an Herakles bei den Arbeiten des Eurystheus vergessen zu haben scheint (Il. 8,362–363), sehen. Auch wenn es Athene offensichtlich nicht darum geht, die Erinnerung an Herakles, sondern vielmehr die an ihre eigene, Zeus zuliebe vollbrachte Leistung zu bewahren, so trägt sie doch nolens volens auch zu der herakleischen Erinnerungskultur bei. Zugleich wird auch hier eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart geschlagen – insofern als Athene ihre weiland gegenüber Herakles geleistete Hilfe als Argument dafür dient, Zeus möchte ihrem Willen entgegenkommen und die Achaier im Kampf nun nicht weiter schwächen. Besteht also keine unmittelbare Verbindung des Herakles und seiner Vergangenheit zur erzählten Zeit der Ilias, so besteht doch an manchen Stellen eine mittelbare, indirekte Verknüpfung. Warum aber wird das epische Gedächtnis an Herakles überhaupt aufrechterhalten, und zwar sowohl auf der primären wie auch auf der sekundären Erzählebene? Die entscheidende Antwort liefert m.E. die Geschichte von der Zerstörung Trojas durch Herakles als Rache für Laomedons Betrug. Eine erste Anspielung auf diese Begebenheit erfolgt in den Invektiven des Tlepolemos und des Sarpedon (Il. 5,638–642.648–651), eine zweite in Hypnos’ Antwort auf Heras Bitte um Einschläferung des Zeus (Il. 14,250–251), eine dritte (indirekte) bei der Erwähnung der von den Trojanern mit Athenes Hilfe erbauten Mauer (Il. 20,144–148). Diese erste Zerstörung Trojas als Rache für begangenes Unrecht vonseiten des trojanischen Königs an seinem Wohltäter lässt sich unschwer mit der zweiten, bevorstehenden Zerstörung Trojas parallelisieren, welche ebenfalls einen Racheakt für begangenes Unrecht (Raub der Helena und Missbrauch des Gastrechts durch Paris) darstellt. Anders gesagt, nimmt die erste Zerstörung Trojas mit Blick auf die zweite die Funktion einer Prolepse ein. Somit erhalten die zahlreichen Erwähnungen des Herakles eine übergeordnete narrative Bedeutung, insofern als im Prinzip jedes Aufrufen der Figur die Assoziation mit der Zerstörung Trojas durch Herakles auszulösen vermag.32 Die Parallelisierung 31 32

Zur Frage nach der Generationszugehörigkeit von Nestor vgl. Grethlein (2006b); vgl. auch Anm. 19. Vor diesem Hintergrund besehen, mag man die Tötung des Tlepolemos durch Sarpedon als widersprüchlich ansehen; eher wäre zu erwarten, dass Tlepolemos, der Sohn des ersten Troja-

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zwischen erster und zweiter Zerstörung der Stadt lässt sich schematisch wie folgt darstellen: Betrüger Betrogener corpus delicti Rächer

Erste Trojaexpedition Laomedon Herakles Pferde Herakles

Zweite Trojaexpedition Paris Menelaos Helena Achilleus

Die Analogie zwischen den Pferden und Helena ist insofern zwar leicht unpräzise, als es sich bei den Pferden um ‚etwas Vorenthaltenes‘, bei Helena jedoch um ‚etwas Gestohlenes‘ handelt;33 der gemeinsame Nenner ist jedoch darin zu sehen, dass Helena genauso wie die Pferde als Ware gesehen und behandelt wird. Ausserdem weist Kirk (1990) 88 zu Recht darauf hin, dass der Erwerb von Pferden ebenso wie von Rüstungen dazu dient, das κλέος des Erwerbers zu erhöhen; entsprechend kommt die Verweigerung einer derartigen Prämie einer Negierung des κλέος gleich und bedeutet somit eine besondere Demütigung für Herakles, die sich durchaus mit der Demütigung eines Frauenraubs auf eine Stufe stellen lässt. Dass Betrogener und Rächer in der zweiten Trojaexpedition nicht identisch sind, ist letztlich Teil der iliadischen Tragik, insofern als Achilleus von den Atriden als Kampfmaschine instrumentalisiert wird. Von herausragender Bedeutung ist allerdings die Parallelisierung von Herakles und Achilleus.34 Achilleus ist, auch wenn er kurz nach Hektors Tod sterben und Troja nicht mit eigenen Händen einnehmen wird,35 der iliadische Hauptakteur auf dem Weg zur Einnahme Trojas, sintemal er als Protagonist der Ilias Hektor zur Strecke bringt und somit Trojas wichtigsten Helden beseitigt.36 In der Tat nimmt Achilleus die Parallelisierung an prominenter Stelle selber vor, nämlich in dem Moment seiner Entscheidung, Patroklos’ Tod zu rächen, d.h. Hektor zu töten und damit sich selber dem Tode zu weihen. Dabei tröstet er sich selber bzw. seine anwesende Mutter Thetis mit Rekurrenz auf den sog. „even Herakles died“-Topos37 und setzt sich somit mit dem Zeussohn gleich (Il. 18,117–121). Diese explizite Selbstgleichsetzung wird kurz darauf von Aga

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Zerstörers, Sarpedon tötete. Zu diesem Einwand vgl. jedoch Alden (2000) 160: „The idea that the city which fell before could fall again introduces the possibility that Sarpedon is fighting for a doomed cause. In the event, Sarpedon kills Tlepolemus […] but has the worst of their verbal exchange, for Sarpedon is provoked into revealing […] that Troy fell to Heracles because of the folly of Laomedon […].“ Vgl. dazu Alden (2000) 160–161. Vgl. dazu ausführlich Menkes (1978) 73–117, 148. Zu den zahlreichen iliadischen Prolepsen auf Achilleus’ bevorstehenden Tod vgl. Anm. 10. In den Homerscholien finden sich Reflexe eines antiken literaturkritischen Ansatzes, demgemäss die Ilias analog zur Odyssee eigentlich eher als Achilleia bezeichnet werden sollte; vgl. z.B. Schol. vet. bT Il. 1,1b (30–32): ζητεῖται, διὰ τί Ἀχιλλέως ὡς ἐπὶ τὸ πλεῖστον ἀριστεύοντος οὐκ Ἀχίλλειαν ὡς Ὀδύσσειαν ἐπέγραψε τὸ σωµάτιον. („Man fragt sich, weshalb [Homer] seinen Text nicht analog zur ‚Odysseia‘ als ‚Achilleia‘ bezeichnete, da Achilleus [darin] am meisten Heldentaten vollbringt.“) Begriff nach Edwards (1991) 162; vgl. Anm. 11.

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memon in dessen ausführlicher Erzählung über Herakles’ Geburt (Il. 19,96–133), die der Heerführer der Achaier als Analogon für seine Rechtfertigung benutzt, in welcher er, so Lohmann (1970) 78, „alle Register [zieht], um seine Rolle gegenüber Zeus ins rechte Licht zu rücken“, kontrastierend aufgegriffen und implizit bestätigt. Wie Davidson (1980) 200 überzeugend zeigt, erhält Agamemnons Rückgriff auf Herakles’ Geburt und die damit verbundene Genese der Vormachtstellung des Eurystheus insofern eine unfreiwillig ironische Note, als er damit eine Geschichte als Exemplum wählt, bei der ein sozial Höherstehender (Eurystheus) über einen punkto Kraft und Können mannshoch Überlegenen (Herakles) aus rein ‚formalen‘ Gründen Macht auszuüben imstande ist und diesen zwecks Kompensation seiner eigenen faktischen Unterlegenheit schikaniert. Genau dieselbe Konstellation liegt evidentermassen auch mit Blick auf Achilleus und Agamemnon vor;38 somit jedoch wird die Parallelisierung Herakles – Achilleus durch Agamemnons Vergleich ein weiteres Mal bekräftigt.39 Noch stärker implizit – d.h. rein sprachlich-intratextuell – ist ebendiese Gleichsetzung schon zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt, und zwar in Il. 5,639, als Tlepolemos seinen Vater Herakles als „kühn ausdauernd“ und „löwenmutig“ bezeichnet hat (ἐµὸν πατέρα θρασυµέµνονα θυµολέοντα). Das Adjektiv θυµολέων ist ein iliadisches dis legomenon, das bei seiner zweiten Verwendung auf Achilleus bezogen wird (Il. 7,228). Auch die Kontexte der beiden Stellen sind vergleichbar: Beim ersten Mal droht Tlepolemos seinem Gegner Sarpedon, indem er sich auf seine Abstammung von einem „löwenmutigen“ Vater beruft; beim zweiten Mal ist es Aias, der in einer Invektive gegen Hektor das Kommen des „löwenmutigen“ Achilleus androht.40 Schliesslich ist zu sagen, dass die beiden ‚Superhelden‘ Herakles und Achilleus figurenspezifisch insofern ein vergleichbares Schicksal teilen, als sie beide halb göttlicher, halb menschlicher Abstammung und also trotz göttlicher Abkunft dennoch sterblich sind,41 was ihren jeweils unsterblichen Elternteilen (Thetis bzw. Zeus) Ursache zur Klage ist.42 Zusammengefasst lässt sich darum 38 39

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Dass Achilleus „ein viel besserer Mann“ als Agamemnon sei, wird in der Ilias vom enfant terrible Thersites ausgesprochen (µέγ᾿ ἀµείνονα φῶτα, Il. 2,139). Zu dieser Interpretation vgl. auch Coray (2009) 56 mit weiterführenden Literaturangaben, ferner bereits Menkes (1978) 78–79. Bezeichnend ist ausserdem, dass die Gleichsetzung Herakles – Achilleus in ihrer jeweils spezifischen Ausformung in Ilias 18 und 19 auf engem Raum das ganze Leben des Herakles in inverser Ordnung (erst Tod, dann Geburt) in den Blick nimmt. Somit bekommt Herakles als Folie des Achilleus eine allgemeingültige Bedeutung. Die Phrase aus Il. 5,639 wird von Odysseus in Od. 11,267 Ἡρακλῆα θρασυµέµνονα θυµολέοντα aufgegriffen. An späterer Stelle wird Odysseus zweimal von Penelope als θυµολέων bezeichnet (Od. 4,724; 4,814). Zur Verschiebung der Gleichsetzung Achilleus – Herakles in der Ilias zu einer (scheinbaren) Gleichsetzung Odysseus – Herakles in der Odyssee s.u. Kap. 5. Die spätere Vergottung des Herakles, die bereits in der Odyssee greifbar ist (vgl. Od. 11,602– 604), ist in der Ilias noch kein Thema; vgl. Stoessl (1945) 11–14; Mühl (1958) 117–119; Menkes (1978) 1–22; Stafford (2005a) 393; Stafford (2012) 172–174. Zur Immortalisierung des Achilleus vgl. Kap. 8 mit Anm. 4. Vgl. Il. 18,118 φίλτατος […] Διὶ Κρονίωνι ἄνακτι (von Herakles) und 20,334 φίλτερος ἀθανάτοισιν (von Achilleus). Ferner parallelisiert Cyrino (1998) die beiden Helden auch mit

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postulieren, dass mittels der In-Analogie-Setzung von Herakles und Achilleus ersterem proleptische Funktion nicht nur mit Blick auf die bevorstehende Zerstörung Trojas, sondern auch auf den – noch unmittelbarer bevorstehenden – Tod des Achilleus zukommt. Gleichzeitig wird Achilleus in den Rang eines ‚zweiten Herakles‘ und somit eines ‚Nationalhelden‘ erhoben, womit letztlich die Trojanische Expedition als panhellenische Unternehmung im Sinne einer ‚nationalen Befreiungsaktion‘ gestärkt wird. Man möchte an diesem Punkt vielleicht einwenden, Herakles und Achilleus repräsentierten nicht nur unterschiedliche Heldengenerationen, sondern auch divergierende Heldenideale, so dass sich eine Parallelisierung gleichwohl nicht aufdränge. So sieht Bielohlavek (1957) in Herakles einen reinen Krieger und Abenteuerheld, in Achilleus dagegen den idealtypischen Vertreter einer archaischen Adelsethik. Daran anknüpfend, deutet Effe (1980) 148 die Heraklesfigur als „Held der unteren Schichten“, der „seine Heldentaten aus einer untergeordneten […] Knechtposition heraus [vollbringt]“ und sich somit „diametral vom Heldentypus des Homerisches Epos“ unterscheidet. In vergleichbarer Weise stellt Galinsky (1972) 9 den durch Herakles verkörperten Held dem homerischen Heros gegenüber und sieht die beiden Typen als konträr, ja miteinander unvereinbar an: Homer found Herakles basically unsuitable for his aims […]. The reason is that the heroic ideal and code of behaviour of Homer’s protagonists could be reconciled only with the greatest of difficulties to what Herakles stood for. The Iliadic hero is constantly striving for glory and honour […], and he is trying to outdo his peers at every turn. He is keenly aware, however, that he is a part of a community of heroes and he badly needs their recognition and applause, for without them, the glory of his deeds, klea andrōn, would not survive. Homer does not extol the ideal of lonely splendour and of a lifelong struggle to achieve equality with the gods by one’s own works rather than divine grace. The saviour ideal of Herakles is a world apart from chivalrous assistance in combat.

Galinsky ignoriert an diesem Punkt jedoch, dass einerseits die Apotheose des Herakles in der Ilias keine Bedeutung hat, dass also von „a lifelong struggle to achieve equality with the gods“ nicht unbedingt die Rede sein kann, und dass andererseits ja gerade der iliadische Achilleus ein ausgesprochener Einzelkämpfer und insbesondere ‚Einzelrächer‘, ja recht eigentlich ein Egozentriker ist, der auch nach der Aussöhnung mit Agamemnon und seinem Wiedereintritt ins Kampfgeschehen die Tötung Hektors im Alleingang vollzieht. So gesehen, bietet Herakles ein durchaus adäquates mythisches Exemplum für Achilleus.43

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Blick auf ihren Transvestismus, der Bestandteil beider Heroenleben ist, jedoch nicht in der Ilias vorkommt („Greek heroes of strictly canonical masculinity, the pan-Hellenic macho man, Herakles, and the greatest and best warrior of the Trojan War, Achilles, both of whom experience their episodes of transvestism in the context of social necessity: each hero is compelled to cross-dress by the will of a powerful […] woman“, 213). Vgl. auch Murray (1946 [1928]) 110: „The only possible rival to Heracles as ἄριστος ἀνδρῶν in the poetic tradition was really a warrior; I mean Achilles. Achilles was ἄριστος Ἀχαιῶν, he was the best in war, the most fierce and formidable in character, the fleetest of foot, and the

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Vor diesem Hintergrund besehen, lässt sich schliesslich auch das die Ilias konstituierende Zornmotiv an Herakles rückbinden: Zum einen verbindet es Herakles mit Troja, insofern als Heras Zorn sich sowohl gegen Herakles (aus Eifersucht gegenüber Alkmene) als auch gegen Troja (aus Eifersucht gegenüber Ganymed sowie aus Groll über die Vernachlässigung beim Parisurteil) richtet. Zum anderen verbindet es Herakles mit Achilleus, insofern als beide Helden gegen einen Groll anzukämpfen haben: Herakles gegen den der Hera, der auch in der Ilias mehrfach Erwähnung findet (vgl. Il. 14,253–256; 15,24–28; 18,119), Achilleus jedoch gegen seinen inneren Groll, den er – nach aussen gewendet gegen Agamemnon und Hektor – letzten Endes gegen sich selber richtet. So wie Herakles auf seiner Flucht vor Heras Zorn zahllose gefährliche Abenteuer mit steigendem Schwierigkeitsgrad zu bestehen und diverse Feinde zu beseitigen hat,44 so vermag Achilleus seinen eigenen Zorn nur in mehreren Stufen der Selbsterkenntis und Selbstüberwindung zu bändigen und endlich zu überwinden, wobei auch er auf diesem Weg eine lange Blutspur hinter sich zurücklässt.45 Die Überwindung der eigenen negativen Emotionen, des (selbst-)zerstörerischen Zornes, ist eine zentrale Wirkungsintention der Ilias; was Herakles gegen aussen glückt, indem er immer wieder vor Hera davonkommt, wird schliesslich – wenn auch nur unter grössten Anstrengungen und massivem seelischem Leiden – auch dem Protagonisten Achilleus in seinem Innern gelingen.



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most beautiful. But Achilles as a type of ἀρετή did not have much success. […] Heracles utterly outlasted him.“ Der steigende Schwierigkeitsgrad von Herakles’ Taten zeigt sich insbesondere im Dodekathlos, dessen erste Hälfte auf die Peloponnes beschränkt bleibt, um in der zweiten Hälfte den geographischen Raum der bekannten Welt zu verlassen und mit den beiden letzten Abenteuern (Hesperiden; Unterwelt) die Schwelle zum Jenseits zu überschreiten. Die Stationen von Achilleus’ Aussöhnung mit sich selber sind 1. die formelle/oberflächliche Beilegung des Streites mit Agamemnon (Ilias 19), 2. die grausame, blutige Rache an Hektor (Ilias 22), 3. die Leichenspiele zu Patroklos’ Ehren (Ilias 23) und 4. als Höhepunkt die Versöhnung mit Priamos, dem Vater seines Todfeindes, und somit erst die innere Aussöhnung mit sich selbst (Ilias 24).

5 HOMER, ODYSSEE: DIE PROGRAMMATISCHE VERBANNUNG DES HERAKLES AUS DEM EPOS Finden sich in der Ilias gesamthaft dreizehn (teils kürzere, teils längere) Passagen, die Herakles erwähnen oder thematisieren, so ist die Nennung des Helden in der Odyssee auf vier Stellen beschränkt: Od. 8,214–225: Odysseus preist sich vor den Phaiaken als herausragenden Athleten in allen Disziplinen; besser als er war nur Philoktet im Bogenschiessen (219). Dagegen vermag er sich „mit den Männern von früher nicht zu messen“ (ἀνδράσι δὲ προτέροισιν ἐριζέµεν οὐκ ἐθελήσω, 223); als Beispiele für solche dienen ihm Herakles sowie Eurytos aus Oichalia, die sogar mit den Göttern in Wettstreit traten (224–225).1 Od. 11,266–270: Odysseus erblickt in der Unterwelt Herakles’ Mutter Alkmene sowie eine von dessen Gattinnen, Megara.2 Od. 11,601–627: Die persönliche Begegnung zwischen Odysseus und Herakles in der Unterwelt: Anwesend ist nur Herakles’ Avatar (εἴδωλον, 602), während der ‚echte‘ Herakles, nunmehr vergottet, im Olymp mit seiner neuen Gattin Hebe die Unsterblichkeit geniesst (602– 604). Herakles wird als garstiger und furchterregender Bogenschütze beschrieben (605–608); es folgt eine kurze Ekphrasis seines Wehrgehenks, welches Herakles’ Charakter als wilden Krieger spiegelt (609–614). Als Herakles Odysseus erblickt, klagt er ihm über seine zahlreichen Mühen, die er als Lebender zu erdulden hatte, und nennt konkret seinen Gang in die Unterwelt zwecks Einholung des Kerberos, ehe er wieder entschwindet (615–627).3 Od. 21,11–41: Die Geschichte von Odysseus’ Bogen und dessen Herkunft, in der Herakles eine Rolle spielt, in Form einer Analepse vonseiten des primary narrator: Odysseus hatte Iphitos, den Sohn des Eurytos (zu Letzterem s.o., Od. 8,224), in Messene kennengelernt. Iphitos befand sich dort, um seine Pferde zurückzuholen. Odysseus und Iphitos beschlossen, Gastfreunde zu werden, und tauschten Geschenke aus; der Bogen war ein Geschenk des Iphitos an Odysseus. Doch ehe die beiden die versprochene Gastfreundschaft gegenseitig einlösen

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Vgl. die Kommentare von Heubeck/West/Hainsworth (1988) 359 und Garvie (1994) 282 (Anm. z.St.); ausserdem Danek (1998) 151–153 und Andersen (2012) 138–144. Über die Figur des Eurytos ist sonst nur wenig bekannt. Er wird erwähnt in Il. 2,596 und 2,730 und ist gemäss Od. 21,14.32–33.37 der Vater des Iphitos, der von diesem den Bogen erbt, mit dem später Odysseus die Freier tötet, und der auf der Suche nach seinen Pferden von Herakles getötet wird (Od. 21,11–14; s.u. zur Diskussion ebendieser Stelle). Eurytos war wohl ein Hauptakteur in dem verlorenen Epos Οἰχαλίας ἅλωσις des Kreophylos (vgl. Burkert [1972] 81–82). Die Lokalisierung der Stadt Oichalia ist unklar; zu den Testimonien und Hypothesen vgl. Burkert (1972) 81 (Anm. 31). Zu Herakles und Eurytos vgl. auch Wolf (1993) 42–45, 167–169. Zu der Passage vgl. Alden (2017) 105–106. Vgl. den Kommentar zur Szene bei Danek (1998) 247–250; zu den philologischen Problemen (‚Echtheitsfrage‘ der Vv. 602–604) vgl. Anm. 9.

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Homer, Odyssee: Die programmatische Verbannung des Herakles konnten, wurde Iphitos von Herakles, mit dem ihn ebenfalls eine institutionalisierte Gastfreundschaft verband, getötet und die Pferde wurden ihm entwendet.4

Die im vorausgegangenen Kapitel diskutierte Funktion des iliadischen Herakles als eine zwar der mythischen Vergangenheit angehörige, aber in der gegenwärtigen epischen Erinnerungskultur präsente und wachgehaltene Parallelfigur zu Achilleus zwecks doppelter Prolepse sowohl auf Achilleus’ Tod als auch auf den bevorstehenden Untergang Trojas ist in der Odyssee evidentermassen kein Thema mehr. Da die Odyssee selber prominent auf den Untergang Trojas und somit auch programmatisch auf die Ilias zurückblickt (vgl. insbesondere den Sänger Demodokos am Hofe der Phaiaken und v.a. dessen Iliupersis en miniature [Od. 8,499– 520]),5 ihrerseits jedoch die Kriegsthematik hinter sich lässt und die Heimkehr des Odysseus und seine Wiedereinsetzung als Herrscher von Ithaka in den Vordergrund stellt, besteht für eine Heraklesfigur iliadischer Prägung kein Bedarf mehr. Dementsprechend gibt es, anders als in der Ilias, innerhalb des Bezugsrahmens der Odyssee keinen Anlass zur konstanten Aufrechterhaltung seines Gedächtnisses. Umso mehr stellt sich die Frage, wie die vorhandenen odysseischen HeraklesPassagen zu deuten seien. Wie sich unschwer ersehen lässt, besteht die signifikanteste Neuerung der Odyssee gegenüber dem iliadischen Herakles in der persönlichen Begegnung zwischen Odysseus und Herakles (bzw. dessen Avatar [εἴδωλον]) in der Unterwelt. Vergleicht sich Achilles, der Protagonist der Ilias, nur mit Herakles (Il. 18,117– 121; s.o. Kap. 4), so begegnet der eponyme Held der Odyssee ihm persönlich. Die iliadische In-Analogie-Setzung zwischen Achilleus und Herakles wird, so gesehen, unter neuen Bedingungen in eine Annäherung zwischen Odysseus und Herakles überführt. Die Anknüpfung des odysseischen Herakles an den iliadischen Herakles geschieht auf sprachlicher Ebene mittels intertextueller Referenz auf die Versschlussphrase θρασυµέµνονα θυµολέοντα, die in Il. 5,639 von Tlepolemos auf seinen Vater Herakles appliziert und von Odysseus in Od. 11,267 tel quel aufgegriffen und ebenfalls auf Herakles bezogen wird.6 Strukturell jedoch wird Herakles’ Nicht-Zugehörigkeit zur epischen Gegenwart in der Odyssee anders als in 4 5

6

Vgl. zu der Stelle Galinsky (1972) 11–12; Strauss Clay (1983) 90–96; Crissy (1997); Danek (1998) 403–406; Schein (2002); Liapis (2006) 49–50; zur Interpretation s. auch u. Grad und Ausmass der Intertextualität zwischen Ilias und Odyssee ist nach wie vor Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion; vgl. jüngst Currie (2016). Ich teile grundsätzlich die Auffassung von Rengakos (2002a) 174, demgemäss „die Übernahme der Iliasreminiszenzen“ in der Odyssee als „so spezifisch“ anzusehen ist, „daß man davon auszugehen hat, daß das ältere Epos bereits schriftlich fixiert in der uns bekannten Form dem jüngeren Dichter vorgelegen hat“ und dass demzufolge „zwischen beiden Epen ein durchaus als ‚intertextuell‘ zu bezeichnendes Verhältnis besteht“. Das Adjektiv θρασυµέµνων ist ein tris legomenon, das homerisch nur an diesen beiden Stellen vorkommt (ausserdem noch Bakchyl. 5,69). Das Adjektiv θυµολέων ist nebst den beiden genannten Stellen noch Epitheton für Achilleus in Il. 7,228 (imitiert bei Hes. Th. 1007) sowie für Odysseus in Od. 4,724 und 4,814, wird also bei Homer ausschliesslich auf Herakles, Achilleus und Odysseus appliziert (vgl. auch Kap. 4 mit Anm. 40).

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der Ilias nicht über die Zeit, sondern über den Raum geleistet: Wird in der Ilias stets betont, dass Herakles einer früheren Epoche angehörte und nicht Bestandteil der erzählten Zeit ist (diese allerdings nach wie vor mittelbar beeinflusst), so begegnet Odysseus dem – wiewohl toten – Herakles in seiner eigenen Gegenwart. Was die beiden trennt, ist vielmehr der Raum, denn Odysseus ist als Lebender in der Unterwelt nur ein vorübergehend geduldeter Gast, muss also diesen Raum wieder verlassen und in seinen Jetzt-Raum – die Oberwelt – zurückkehren. Gleichzeitig wird jedoch aufgrund der Tatsache, dass Odysseus in die Unterwelt hinabsteigen kann bzw. muss und daselbst mit Herakles zusammentrifft, der selber als Lebender auch schon dort gewesen war und seine eigene damalige Unterweltsfahrt jetzt – bei seiner Begegnung mit Odysseus – thematisiert (Od. 11,623–626) und dabei einen konkreten Vergleich zwischen sich und Odysseus ausspricht (ἆ δείλ’, ἦ τινὰ καὶ σὺ κακὸν µόρον ἡγηλάζεις, | ὅν περ ἐγὼν ὀχέεσκον ὑπ’ αὐγὰς ἠελίοιο, Od. 11,619–620),7 eine Annäherung zwischen den beiden Figuren implementiert, welche die Parallelisierung zwischen Achilleus und Herakles aus der Ilias ablöst. Dabei besteht ein wichtiger Berührungspunkt zwischen den beiden Figuren in deren Arbeiten bzw. ‚Mühen‘, die beide zu erdulden hatten, was in dem von Herakles verwendeten Wort ἄεθλος (Od. 11,624) zum Ausdruck kommt.8 Es scheint naheliegend, diese Translation der Figurenparallelen poetologisch als Ablösung einer alten Ästhetik des Kriegsepos – verkörpert durch die Ilias – durch eine neue des Heimkehrgedichts – der Odyssee – zu lesen. Somit aber wird (der Neuparallelisierung von Odysseus und Herakles zum Trotz) deutlich, dass Herakles als Kriegsheld in der Odyssee nur noch von vergleichsweise geringer Bedeutung ist – ganz im Gegensatz zur Situation in der Ilias, wo seine Präsenz sowohl den Tod des Achilleus als auch den Untergang Trojas proleptisch vorauszudeuten vermag. Diese Differenz wird m.E. durch Herakles’ ‚Verbannung‘ in die Unterwelt ebenso angezeigt wie durch die Alternative seiner Apotheose und seines Aufenthalts als Gottheit im Olymp, ist doch diesen beiden Örtlichkeiten bei allen Unterschieden gemein, dass sie beide nicht auf das hic et nunc referieren, d.h., dass, simpel gesprochen, Herakles theoretisch nunmehr überall sein mag, nur nicht mehr auf der Erde.9 Darüber hinaus wird durch die Tatsache, 7 8

9



„Ach Unseliger! Wohl trägst auch du irgendein schlimmes Los [mit dir herum], | [So eines,] das [auch] ich [lange] litt unter den Strahlen der Sonne.“ Vgl. Heubeck/Hoekstra (1989) 116 (zu Od. 11,623–624): „The descent into Hades is deliberately mentioned as an example of the ἄεθλοι; it is a deed which both heroes have in common and the most dangerous enterprise undertaken by either.“ Vgl. dazu auch Finkelberg (1995) 2–5 und Schein (2002) 92; Letzterer betont auch die Nähe zwischen Odysseus und Herakles in anderen Bereichen (91–93). Die Verse 602–604 galten der analytischen Homerphilologie seit der Antike als spätere Interpolation, zu einer Zeit eingefügt, als die Vorstellung von der Vergottung des Herakles Standard geworden war und deshalb die Anwesenheit des Herakles in der Unterwelt erklärungsbedürftig machte; vgl. Rohde (1895) 625–627; von der Mühll (1938) 8–9; Page (1955) 25– 26; Clay Strauss (1983) 93 (Anm. 73); Heubeck/Hoekstra (1989) 114 (zu Od. 11,114, mit weiteren Literaturangaben); Matijević (2015) 26–27 (Anm. 2, mit Literatur); Alden (2017) 61

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dass das in der Unterwelt befindliche, grausige Herakles-Avatar derart harsch mit dem in ewiger Freude und Jugend lebenden Herakles-Gott im Olymp kontrastiert, auch betont, dass es eben dezidiert die kriegerische, furchterregende Seite des Herakles ist, die ins Totenreich verbannt ist. Metapoetisch gelesen, ist damit das Kriegsepos – die Ilias – in die Unterwelt transferiert, und Herakles wird, salopp gesagt, nicht mehr gebraucht. Herakles wird also nur vordergründig als Odysseus-Parallele in die Odyssee eingeschrieben; in der Tat ist sein Erscheinen vielmehr als Ausschreiben der Ilias aus der Odyssee zu lesen. Folgende Aspekte vermögen diese Hypothese zusätzlich zu stützen: Erstens ist zu sagen, dass von allen Personen, mit denen Odysseus in der Unterwelt spricht, Herakles nebst Teiresias (Od. 11,90–151) der einzige ist, den er im Leben nicht persönlich gekannt hat. In der Tat wird sowohl die Begegnung mit Teiresias als auch diejenige mit Herakles vonseiten des embedded narrator Odysseus mit der Bemerkung eingeleitet, dass sie ihn erkannten (ἐµὲ δ᾿ ἔγνω καὶ προσέειπε, 91 [von Teiresias], ἔγνω δ’ αἶψ’ ἐµὲ κεῖνος, 615 [von Herakles]). Die anderen Personen, die Odysseus in der Unterwelt nicht nur sieht, sondern mit denen er auch spricht, sind sein verstorbener Gefährte Elpenor (51–83), seine Mutter Antikleia (152–225), Agamemnon (387–466), Achilleus (467–540), Aias (543–564 [wobei dieser das Gespräch aus Groll verweigert]); dass Teiresias Odysseus erkennt, ist von ihm als Seher nicht anders zu erwarten.10 Somit ist das Wort, das Herakles an Odysseus richtet, nicht persönlich motiviert wie etwa die Gespräche zwischen Odysseus und seiner Mutter oder seinen früheren Kriegsgefährten, sondern kann ‚funktionalisiert‘ in dem oben genannten metapoetischen Sinne gelesen werden. Zweitens ist die Beschreibung von Herakles’ Wehrgehenk (Od. 11,609–614) – gemäss Alden (2017) 62 dürfte es sich um eine ad hocErfindung vonseiten des Odysseedichters handeln, „invented for its context“ – von poetologischer Bedeutung, insofern als diese Mini-Ekphrasis die ausgedehnte

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(Anm. 195, mit Literatur). Burkert (2005) 403 weist jedoch darauf hin, dass „ein Bildzeugnis für den vergöttlichten Herakles, mit Hebe der ‘Jugend’ als Gemahlin, immerhin aus dem 7. Jh. v. Chr.“ schon nachgewiesen ist (vgl. LIMC V.1 s.v. Herakles, n. 3331; ferner auch Boardman [1986] zum Übergang von einem sterblichen zu einem unsterblichen Herakles v.a. in der Ikonographie, Holt [1992] zu Herakles’ Apotheose in verlorenen Werken der griechischen Kunst und Literatur, für einen Überblick ausserdem auch Winiarczyk [2000], für die Möglichkeit einer frühen Vergottung auch Doronzio [2013]). Auch wurde angenommen, hinter der Herakles-Szene stehe ursprünglich die Katabasis des Herakles in einem Herakles-Epos, und Homer ‚zitiere‘ mit der Herakles-Referenz am Ende der Unterweltsszene seine ‚Quelle‘; vgl. Erbse (1972) 31–33 und Heubeck/Hoekstra a.a.O. Allerdings ist die Echtheitsfrage, die sich produktionsästhetisch betrachtet wohl nie abschliessend beantworten lässt, aus rezeptionsästhetischer Sicht nur wenig relevant. – Die Vorstellung einer Dualität von Herakles’ Seele war im Neoplatonismus und im Neopythagoreismus akzeptiert (vgl. Galinsky [1972] 22 [Anm. 8]); eine poetologische Deutung ebendieser Dualität der herakleischen Seele in der Odyssee schlägt auch Schein (2002) 93 vor, der die Wandlungsfähigkeit des Herakles mit der proteushaften Gestalt des Odysseus in Bezug setzt. Auch die Geschichte von Odysseus’ Bogen, in der Herakles eine Rolle spielt (Od. 21,11–41; s.u.) impliziert keine persönliche Begegnung zwischen Herakles und Odysseus zu Lebzeiten.

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Beschreibung von Achilleus’ Schild in der Ilias (Il. 18,478–608) in nuce aufgreift, welche ihrerseits bekanntermassen poetologisch stark aufgeladen ist, insofern als sie den durch Hephaistos ausgeführten Schöpfungsakt des Schildes zu einer miseen-abyme der Ilias werden lässt.11 Inhaltlich knüpfen die Verse 611–612 an die zahlreichen Tiergleichnisse der Ilias wie auch an die Stadt im Krieg auf Achilleus’ Schild (Il. 18,509–540) an. Mit letzterem Motiv wird eine assoziative Verbindung des Wehrgehenks zur Kriegsthematik hergestellt, während für ersteres insbesondere die Erwähnung von Löwen am Ende von Vers 611 bedeutsam scheint, werden doch in der Ilias die wichtigsten Helden (v.a. Achilleus, Hektor und Diomedes) oft mit Löwen verglichen.12 Ferner mag auch die Assoziation mit Herakles als prototypischem Löwentöter anklingen.13 Allerdings wird die eigentliche Ekphrasis im Keim erstickt, weil Odysseus nach den beiden Versen die Beschreibung abbricht und stattdessen seinem Wunsch, der Hersteller dieses Wehrgehenks möge niemals mehr ein Kunstwerk erschaffen (613–614), Ausdruck verleiht. Dieser Wunsch vonseiten des Odysseus ist m.E. eine recusatio nicht so sehr der Handwerkskunst oder deren ekphrastischer Ausgestaltungspraxis, sondern vielmehr der dargestellten Inhalte – also dessen, wofür das Kriegsepos steht. Somit wird am Ende der Nekyia die Ilias in der Figur des Herakles und dessen Wehrgehenk gewissermassen gebündelt und in der Unterwelt eingeschlossen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang ferner auch der Umstand, dass die Odyssee nirgends eine ordentliche Ekphrasis bietet, wie man sie mit Blick auf die Ilias als intertextuelles Vorbild erwarten könnte (z.B. im Kontext von Penelopes Leichentuch für Laertes). Das Fehlen einer grossangelegten Ekphrasis enttäuscht den iliadisch geschulten Leser und stellt somit für sich genommen bereits eine recusatio ex nihilo dar. Die ‚mickrige‘ Ekphrasis von Herakles’ Wehrgehenk und Odysseus’ negative Rezeption derselben kann als Benennung dieser recusatio betrachtet und als Hinweis darauf gelesen werden, dass in der Odyssee auch in der Folge keine Ekphrasis im iliadischen Stil zu erwarten ist. Ein dritter Punkt betrifft schliesslich die beiden anderen Passagen ausserhalb der Unterwelt, an denen analeptisch von Herakles die Rede ist: An beiden dieser Stellen wird nicht nur die Zugehörigkeit des Herakles zu einer früheren Epoche und Heldengeneration herausgestellt, sondern es wird auch seine negative Seite 11

12 13

Zur Poetizität der iliadischen Schildbeschreibung vgl. beispielsweise Atchity (1978); Hardie (1985); Becker (1990); Heffernan (1993) 10–22; Alden (2000) 48–73; De Jong (2011). Ferner vgl. die Beiträge im Sammelband von d’Acunto/Palmisciano (2010), darin insbesondere Arpaia (2010) für einen Forschungsüberblick für die Jahre 1945–2008. Vgl. Wilson (2002) (mit 231 [Anm. 7] für weitere Literatur) und Bär (2009) 152–154. Literarischer Erstbeleg für den Löwenkampf ist Hes. Th. 326–332; ikonographischer Erstbeleg sind ein tönerner Dreifuss aus Athen (Kerameikos 407) und eine Bronzefibel aus Böotien (London 3204), beide ins späte 8. Jh. zu datieren, vgl. Stafford (2012) 31. Zum Löwenkampf des Herakles in der griechischen Ikonographie umfassend Rakatsanis (1977), zu den Darstellungen des Herakles als (ruhender) Löwenfellträger Hillert (2001/2002). Der Löwenbändigermythos dürfte demnach schon zur Entstehungszeit der Ilias bekannt oder gar topisch gewesen sein. – Zur Stadt im Krieg auf Achilleus’ Schild vgl. Edwards (1991) 218–221.

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betont: einerseits sein agonistisches Verhalten gegenüber den Göttern (Od. 8,224– 225), das im besseren Falle als Hinweis auf seine Nähe zu den Göttern, im schlechteren jedoch als ein Akt der Hybris gelesen werden kann; andererseits die Ermordung des Iphitos und die damit einhergehende grobe Verletzung des Gastrechts (Od. 21,24–30.36–38) – ein Vorfall, den Galinsky (1972) 12 zu Recht als „one of the most devastating indictments of Herakles in literature“ bezeichnet.14 Iphitos’ Tötung durch Herakles und deren Erzählung im Kontext des Berichts von der Herkunft von Odysseus’ Bogen (Od. 21,11–41) ist unterschiedlich gedeutet worden. Wenig befriedigend ist m.E. die Auffassung von Prinz (1974) 190, in der gesamten Vorgeschichte „nichts weiter als das Bemühen, dem Bogen des Odysseus Berühmtheit zu verschaffen“, zu sehen.15 Problematisch ist auch Crissys (1997) Hypothese, Herakles und Odysseus als Parallelfiguren und Herakles’ Funktion darin zu sehen, die negativen und ethisch rückwärtsgewandten Seiten des Odysseus hervortreten zu lassen.16 Man mag zwar durchaus konzedieren, dass Odysseus’ Verhalten nicht immer heutigen Massstäben von Recht und Humanität entspricht (z.B. bei der Blendung Polyphems oder der Tötung der Freier).17 Gleichwohl bleibt die Tatsache bestehen, dass Odysseus’ Handeln – auch wenn es punktuell hart an die Grenzen des ethisch Verantwortbaren gehen mag – immer als Reaktion auf bereits bestehendes bzw. begangenes Unrecht erfolgt. Dem steht ein Herakles gegenüber, dessen ethisch verwerfliches Handeln durch nichts gerechtfertigt, sondern lediglich seiner Raffgier geschuldet ist. Anschliessen möchte 14 15

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Vgl. auch Parker (1983) 382; Higbie (1995) 202. Vgl. Prinz a.a.O. weiter: „Als Bogen des Iphitos, der ihn von seinem Vater, dem gewaltigen Bogenschützen Eurytos[,] geerbt hat, wird der Bogen nicht nur der, mit dem die Freier getötet werden, sondern der Bogen par excellence. Daß hier nur zweckbestimmte Sagenklitterung vorliegen kann, lehrt das Zusammentreffen von Iphitos, Odysseus und Herakles in einer Generationsebene. Herakles gehört mindestens eine, wenn nicht zwei Generationen […] vor den trojanischen Krieg und dessen Teilnehmer Odysseus. Iphitos scheint vom Odysseedichter oder seinen Vorgängern in der Sagenbildung wohl nur um des Bogens willen verwendet, wenn nicht sogar erfunden zu sein.“ Zum zeitlichen Zusammentreffen von Odysseus und Herakles ist zu sagen, dass der Odysseedichter den Generationenunterschied insofern durchaus berücksichtigt, als er betont, dass Herakles zum Zeitpunkt der Reise nach Messene „noch ganz jung gewesen“ sei (παιδνὸς ἐών, Od. 21,21). (Zu den divergierenden Zeitansätzen für Herakles s.o. Kap. 4 mit Anm. 20.) Vgl. Crissy (1997) 53: „[I]n Book 21 […] Herakles steps out of the past and becomes contemporary with Odysseus. His anachronistic presence helps to emphasize the fact that Odysseus is part of an older age that is fading and already becoming legend. Odysseus, too, steps out of the past, as it were, to confront the suitors as his undisguised self. But details in the representation of Herakles do still more. The killing of the visitor in one’s house, the emphasis on the guest table, the element of surprise, the prominence of the bow, possibly even the motive of revenge over a bride, distinctly suggest the suitors’ demise. Thus the story of the bow links Herakles and Odysseus in such a way as to serve as a reminder of the negative side of Odysseus’ triumph. Through retrospect it projects the tone and nature of the oncoming attack. Past and future stories of the two heroes are joined in this formidable likeness to help impart a resonance to the instrument of Odysseus’ victory.“ Vgl. dazu z.B. Bradley (1968) und Grethlein (2017) 213–227.

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ich mich dagegen der Deutung Galinskys (1972) 12, demgemäss die Tötung des Iphitos durch Herakles und die damit einhergehende grobe Missachtung des Gastrechts auf die Freier Penelopes und deren Missachtung des Gastrechts vorausweist. Wichtig ist ferner auch die Beobachtung Daneks (1998) 405, dass dem Bogen des Herakles mit Blick auf dessen bevorstehende Verwendung durch Odysseus eine invers-proleptische Funktion zukommt: Der Bogen als Symbol der ξενία dient […] dazu, den Gegensatz zwischen Odysseus und Herakles zu definieren: Gerade dadurch, daß er nicht das Instrument der Rache des Herakles an Iphitos war, macht er das Unrecht, das in der Ermordung des Iphitos liegt, noch deutlicher sichtbar. Wenn hingegen Odysseus den Bogen gegen die Freier richtet, so verbleibt er streng im Rahmen des Gastrechts, das der Bogen repräsentiert. Odysseus hebt sich also gerade durch die Verwendung ein und desselben Bogens von der Figur des Herakles ab: Während Herakles Gewalt und Unrecht repräsentiert, steht Odysseus für Recht und Bewahrung der Gastfreundschaft.

Dem anzufügen wäre m.E. noch Folgendes: Der Hauptberührungspunkt zwischen dem Verhalten des Herakles und dem der Freier besteht darin, dass sich letztere auf eine nach Massgabe der aktuellen Verhältnisse nicht mehr angemessene (sprich: unzivilisierte) Art und Weise verhalten. Eine derartige Missachtung des Gastrechts mag für einen ‚Ausnahmehelden‘ wie Herakles zu seiner Zeit noch möglich gewesen sein, doch ist sie es nicht mehr zur Zeit des Odysseus am Hofe Ithakas. Herakles dient somit als prototypischer Repräsentant einer barbarischen Entwicklungsstufe, deren definitives Ende Odysseus mit seiner Erschiessung der Freier besiegelt – parallel zum Kyklopen Polyphem, der gemeinhin als Verkörperung einer präagrarischen, ‚wilden‘ Zivilisationsstufe gelesen wird, wofür sein Anthropophagismus ebenso wie seine grobe Missachtung des Gastrechts zeugen.18 In diesem Sinne wird aber auch das an Iphitos begangene und ungesühnt gebliebene Unrecht zumindest in indirekter Weise wieder gut gemacht, indem zwar nicht Herakles, dafür jedoch stellvertretend für diesen die ebenfalls das Gastrecht verletzenden Freier büssen (sprich: sterben) müssen. Mit alledem wird nicht nur die zeitliche, sondern auch und v.a. die kulturelle Entfernung zwischen Herakles und Odysseus überdeutlich.19 Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch die Bemerkung von Schein (2002), dass die vom primary narrator wiedergegebene Erzählung von Odysseus’ Bogen in Od. 21,11–41 durch Penelope foka 18

19

Vgl. dazu z.B. Calame (1973); Heubeck/Hoekstra (1989) 19–20 (zu Od. 9,105–566); Nieto Hernández (2000); Aronen (2002) 97–99 (mit Anm. 22–24 für weiterführende Literatur); Bremmer (2002); anders Grethlein (2017) 127–130, der betont, dass Polyphem mehr als nur ein primitiver Barbar sei. Vgl. auch Porod/Porod (2007) zu den „typologischen Durchlässigkeiten“ zwischen Herakles und Polyphem in Komödie und Satyrspiel sowie in der bildenden Kunst. Vgl. in diesem Sinne z.B. auch Galinsky (1972) 10: „The discrepancy between the world of Herakles and that of the Odyssey was even greater. The Odyssey belongs to a more advanced stage of civilization than the Iliad; it extols the intellectual achievement of its hero and the virtues of the finishing school – social refinement, polite speech, decorum, courtesy, ‘good breeding’ – rather than the battlefield. To that world Herakles, at worst, seemed like a barbarous caveman […].“

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lisiert sei.20 Diese weibliche Fokalisierung koinzidiert m.E. nicht ohne Zufall mit der garstigen Beschreibung des Herakles: Herakles und das mit ihm verbundene archaische Männerbild werden von Penelope perhorresziert, womit die Verschiedenheit ihres Gatten Odysseus von Herakles noch deutlicher zutage tritt. Anders als in der Ilias, wo Achilleus und Herakles als Parallelfiguren gelesen werden können, weil der Unterschied zwischen dem Ethos der beiden Figuren so gross nicht ist, stellt Herakles in der Odyssee eine negative Gegenfigur, einen Gegenpol zu Odysseus dar, da das von Odysseus verkörperte Wertesystem von Herakles zu verschieden ist, als dass eine Parallelisierung der beiden Figuren möglich wäre.21 Dieser Befund lässt sich nunmehr gewinnbringend auch an die Begegnungsszene zwischen Odysseus und Herakles in der Nekyia rückbinden: Während Achilleus in der Ilias sich und sein Schicksal explizit mit Herakles verglichen hatte (Il. 18,117–121; s.o. Kap. 4), ist es hier Herakles, der den Vergleich anstrengt und sich mit Odysseus identifiziert bzw. solidarisiert, indem er zu ihm sagt: ἦ τινὰ καὶ σὺ κακὸν µόρον ἡγηλάζεις (Od. 11,618). Odysseus jedoch – und das ist das Entscheidende – geht darauf nicht ein, ja er antwortet Herakles überhaupt nicht, sondern lässt ihn nach Beendigung seiner kurzen Klagerede wieder „ins Haus des Hades“ zurückgehen (Od. 11,627). Die persönliche Begegnung zwischen Odysseus und Herakles bedeutet demnach nur vordergründig eine gegenüber dem Paar Achilleus – Herakles verstärkte Annäherung; im Gegenteil: Odysseus’ Schweigen steht für seine Ablehnung des Herakles und somit für seine dezidierte Nicht-Identifizierung mit diesem.22

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Schein (2002) 87: „is told as Penelope remembers it, when she goes to get the bow from the palace storeroom“; 88: „reflects her memory of Odysseus as well as her consciousness of the possibility of a new husband“. Aus narratologischer Sicht liegt eine embedded focalization vor, d.h. ein auktorialer Erzählerbericht, der durch eine handelnde Figur des Texts fokalisiert wird (zu embedded focalization in den homerischen Epen vgl. De Jong [1997] 313–315; [2001] xiii; [22004] 101–148; zum Konzept ferner auch Bal [32009] 162–163, die von ambiguous focalization bzw. – in Anlehnung an die Form der free indirect speech – von free indirect focalization spricht). In diesem Sinne interpretiert Liapis (2006) 49 auch die Beschreibung des Herakles als Bogenschütze in der Unterwelt (Od. 11,606–608) im Sinne einer ex negativo-Prolepse auf die Erschiessung der Freier: „One wonders if this description of Heracles might look ahead to Odysseus’ shooting of the suitors – the crucial difference being, of course, that Odysseus, unlike Heracles, will be spared the frustration of never actually managing to shoot. We might tentatively argue that, in the Odyssey passage, Heracles provides a negative mirror-image for Odysseus: his perpetual failure to shoot with his bow will be counterbalanced by Odysseus’ successful killing of the suitors with his own bow.“ In diesem Sinne auch Page (1955) 39; anders Galinsky (1972) 17–18.

6 (PS.-)HESIOD: HERAKLES IM DIENSTE DES GÖTTERVATERS UND DER AEMULATIO HOMERI In den hesiodeischen bzw. ps.-hesiodeischen Epen kommt der Figur des Herakles eine wichtige Rolle zu. Erwähnungen und Anspielungen finden sich sowohl in der Theogonie als auch in den fragmentarisch erhaltenen Frauenkatalogen, während die Aspis bekanntlich ganz unserem Helden gewidmet ist. In der Folge soll die Rolle der Heraklesfigur in diesen drei Werken diskutiert werden, ehe eine Synthese der gewonnenen Einzelerkenntnisse bezüglich der Bedeutung des Herakles für das (ps.-)hesiodeische Gesamtwerk angestrebt wird. Da in der Antike nebst Theogonie und Erga in der Regel auch Aspis und Frauenkataloge als echt hesiodeisch galten, so dass die Wahrnehmung und Rezeption des hesiodeischen Œuvres diese beiden Werke gemeinhin inkludierte, ist für die vorliegende Untersuchung die faktische ‚Echtheit‘ der beiden fraglichen Werke nur bedingt relevant.1 Und da sich – wie 1



Bei der Frage nach der Echtheit der Aspis und der Frauenkataloge ist zwischen den Urteilen der Antike einerseits und denen der modernen Philologie andererseits zu unterscheiden. Gemäss Pausanias 9,31,4–5 existierten in der Antike zwei divergierende Traditionen der Werkzuschreibung: eine lokale böotische, dergemäss Hesiod einzig Autor der Erga gewesen sei (und sogar die Theogonie unecht sei), und eine andere, „dass Hesiod eine grosse Zahl von Epen verfasst habe“ (ὡς πολύν τινα ἐπῶν ὁ Ἡσίοδος ἀριθµὸν ποιήσειεν), wozu namentlich auch die Frauenkataloge gezählt werden. In ähnlich umfassender Weise listet auch das Werkverzeichnis der Suda (n. 583 Adler, s.v. Ἡσίοδος) Theogonie, Erga, Aspis, Frauenkataloge sowie weitere Werke als hesiodeisch auf. Seit römischer Zeit galten vornehmlich Theogonie, Erga und Aspis als hesiodeische Werktrilogie, was u.a. durch papyrologische Evidenz sowie durch den Umstand, dass genau diese drei Werke Eingang in die handschriftliche Überlieferung gefunden haben, erhärtet wird (vgl. z.B. West [1966] 51–52; Cingano [2009] 104; Montanari [2009] 325: „the Aspis remained solidly included in the Hesiodic corpus“). Generell lässt sich also konstatieren, dass in der Antike die Echtheitsfrage bezüglich der Aspis wie auch der Frauenkataloge Gegenstand philologischer Diskussionen war, dass jedoch in der Tendenz die Werke eher als echt denn als unecht galten (weitere Angaben zu den antiken Urteilen z.B. bei West [1985] 127; Montanari [2009] 323–325). Dahingegen spricht die moderne Forschung der Aspis die Echtheit praktisch einmütig, den Frauenkatalogen mehrheitlich ab; vgl. z.B. Schwartz (1960) 13–46; West (1985) 125–137; Most (2006) xlvii–lix; Ercolani/ Rossi (2011) 95, 99; kurze Übersicht auch bei Arrighetti (1998); zur Aspis insbesondere auch Janko (1986) 38–40 sowie Bing (2012) 178–179 mit Anm. 6–8 für einen Überblick (dagegen ausdrücklich pro Echtheit Andersen [1969] und Vara Donado [1972]); zu den Frauenkatalogen auch Cohen (1986), Hirschberger (2004) 42–51 sowie Janko (2007) 253 mit Anm. 5–8 für einen Überblick, ferner Janko (2012) 41–43 pro Echtheit. Zu bedenken ist bei alledem jedoch auch, dass in der heutigen Forschung auch gewisse Teile der Theogonie und der Erga zuweilen als unecht/nachhesiodeisch angesehen werden; vgl. z.B. West (1966) 49: „Either Hesiod wrote the Catalogue as well as the Theogony, and wrote them all as one poem; or the

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(Ps.-)Hesiod: Herakles im Dienste des Göttervaters

noch zu zeigen sein wird – ein Grundtenor in der Behandlung der Heraklesfigur für alle fraglichen (ps.-)hesiodeischen Werke festmachen lässt (wohingegen sich, wie oben gezeigt, Ilias und Odyssee in ihrem Heraklesbild fundamental unterscheiden [s. Kap. 4–5]), ist eine gemeinsame Betrachtung der drei Werke sinnvoll. Nebst der Analyse insbesondere der narrativen Funktion der Heraklesfigur innerhalb der einzelnen (ps.-)hesiodeischen Werke wird die Frage nach der Intertextualität mit den homerischen Gedichten ebenfalls von zentraler Bedeutung sein.2 6.1 THEOGONIE Strukturell den homerischen Epen (insbesondere der Ilias) vergleichbar, finden sich in der Theogonie Anspielungen auf Herakles an verschiedenen Stellen, ohne dass dieser jedoch im Fokus des Werkes stünde: Th. 287–294: Diese wie auch die zwei (bzw. drei) folgenden Erwähnungen des Herakles stehen im Kontext des Katalogs der Nachkommen des Pontos (Th. 233–336) – bzw., präziser, der Nachkommen von dessen Sohn Phorkys und Tochter Keto (Th. 270–336), die allesamt furchterregende Monster und Mischwesen sind.3 Die vorliegende Stelle nennt die Beseitigung des dreiköpfigen Monsters Geryon durch Herakles (im Kanon des Dodekathlos die zehnte Arbeit). Geryon ist ein Sohn von Chrysaor und Kallirhoe (Th. 287–288), Enkel der Medusa (Th. 280–281), Urenkel von Phorkys und Keto (Th. 270; 276) und Ururenkel des Pontos (Th. 237–238).4



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end of the Theogony as we have it is spurious.“; 50: „It would be unrealistic to deny the possibility that the Theogony suffered other alterations and interpolations in the archaic period […].“ Zum hesiodeischen Œuvre aus antik-rezeptionsästhetischer Sicht vgl. auch Graziosi/ Haubold (2005) 35–38. Die Priorität der homerischen Epen vor den hesiodeischen kann als communis opinio gelten; vgl. Janko (1982), insbesondere 188–199, sowie Janko (2012); für einen Überblick Rosen (1997) 464–473. Die Gegenposition (Hesiod älter als Homer) wurde prominent (allerdings singulär) vertreten von West (2012). Vgl. West (1966) 243: „The progeny of Phorkys and Keto are without exception monstruous.“ Zu der hesiodeischen ‚Monsterpassage‘ vgl. ausführlich Strauss Clay (1993). Es fällt auf und ist bestimmt kein Zufall, dass hybride Kreaturen/Mischwesen in der griechischen Kunst vom 8. bis zum 6. Jh. v. Chr. weit verbreitet und offensichtlich überaus beliebt waren (vgl. Winkler-Horaček [2006]), was mit einer Passage wie dieser zeitlich wie thematisch kongruent ist. Die vorliegende Stelle ist der literarische Erstbeleg für Geryon(eus) und seine Tötung durch Herakles. Der Mythos war jedoch wohl bereits zuvor „Gegenstand von griech[ischer] oral poetry (was nicht zuletzt die Namensvarianten nahelegen)“ (Visser [1998] 981); er wurde in Stesichoros’ nur fragmentarisch erhaltener Geryoneis (fr. 7–87 SLG; vgl. Burkert [1973]; Gentili [1973]; Page [1973]; Bornmann [1978]; Davies [1988b]; Padilla [1998] 7–8; Barrett [2007a] und [2007b]; Stafford [2012] 42–45) und möglicherweise auch in Peisandros’ Herakleia ausführlicher behandelt. Ikonographischer Erstbeleg ist eine protokorinthische Pyxis, ca. 670 v. Chr. (London A487); in der attischen Vasenmalerei ist der Mythos aufgrund seines hohen Wiedererkennungseffekts enorm beliebt (vgl. Brommer [41979] 39–42; Stafford a.a.O.; Brize [1980] zur Interaktion zwischen Stesichoros’ Gedicht und den künstlerischen Darstel-

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Th. 313–318: Die Stelle nennt die Tötung der von Hera aufgezogenen Lernäischen Hydra durch Herakles mithilfe seines Neffen Iolaos (im Kanon des Dodekathlos die zweite Arbeit).5 Die Hydra ist das dritte Kind von Typhaon und Echidna (Th. 306–307; 313–314); Echidna ist ebenfalls ein Abkömmling von Phorkys und Keto (Th. 295–300). Th. 326–332: Kurz nach der Hydra wird als drittes ‚Aufräumabenteuer‘ des Herakles auch noch vom Nemeischen Löwen berichtet, der – von Keto geboren (Th. 326–327) und von Hera aufgezogen (Th. 328) – ebenfalls von Herakles beseitigt wird (im Kanon des Dodekathlos die erste Arbeit).6 Th. 333–335: Der Katalog der Pontos-Nachkommen wird mit einer Anspielung auf die Äpfel der Hesperiden (der elften oder zwölften Arbeit im Kanon des Dodekathlos) beschlossen, wobei jedoch weder die Hesperiden namentlich genannt werden noch Herakles erwähnt wird.7 Gemäss Th. 334 wurden die Äpfel von einer ebenfalls von Keto geborenen „gewaltigen Schlange“ (δεινὸν ὄφιν) bewacht. Th. 526–534: Diese Erwähnung des Herakles steht im Kontext der Erzählung von Prometheus (Th. 507–616), die dessen Opferbetrug und Feuerdiebstahl und darauf die Erschaffung Pandoras durch Zeus umfasst, und die ihrerseits den Abschluss der Titanengeschlechter bildet (Th. 337–616). Herakles erschiesst den Adler, der täglich von Prometheus’ Leber frisst, und erlöst diesen somit von seinen Qualen; dies geschieht auf Zeus’ ausdrückliche Genehmigung zwecks Mehrung seines Ruhmes durch seinen Sohn (Th. 529–531).8



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lungen der Figur). Erschöpfende Quellenangaben bei Gruppe (1918) 1061–1067 und Gantz (1993) 402–408. Ferner vgl. auch Leigh (2000) zum Geryonmythos als identitätsstiftendem Referenzpunkt für die griechischen Kolonisten auf Sizilien. Zu den Quellen vgl. Gruppe (1918) 1033–1037; Brommer (41979) 12–17; Gantz (1993) 384– 386; Stafford (2012) 33–34. Zu den Quellen vgl. Gruppe (1918) 1028–1033; Brommer (41979) 7–11; Gantz (1993) 383– 384; Stafford (2012) 30–33. Zu den Quellen vgl. Gruppe (1918) 1067–1077; Brommer (41979) 47–52; Gantz (1993) 410– 413; Stafford (2012) 46–47. – Herakles’ Hesperidenabenteuer wird oft im Zusammenhang mit des Helden Suche nach Unsterblichkeit in Verbindung gebracht (< Baum des Lebens; Apfel als Symbol ewigen Lebens; Reise ans Ende der Welt); vgl. Farnell (1921) 171; Schweitzer (1922) 134–141; Caldwell (1989) 160–161; West (2007) 159; Stafford (2012) 47; anders Hanson (1972); zur Apfelsymbolik in der Antike vgl. erschöpfend Littlewood (1968); zu den Hesperiden vgl. ferner auch die neuere Arbeit von Angeli Bernardini (2011). Die Stelle steht in scheinbarem Widerspruch zu Th. 614–616, wonach Prometheus noch immer an den Kaukasus gefesselt ist: οὐδὲ γὰρ Ἰαπετιονίδης ἀκάκητα Προµηθεὺς | τοῖό γ᾿ ὑπεξήλυξε βαρὺν χόλον, ἀλλ᾿ ὑπ᾿ ἀνάγκης | καὶ πολύιδριν ἐόντα µέγας κατὰ δεσµὸς ἐρύκει. („Denn auch der Sohn des Iapetos, der Helfer Prometheus, | entwischte nicht dessen [= Zeus’] schwerem Zorn, sondern unter Zwang | hält ihn die grosse Fessel [immer noch?] hernieder, auch wenn er vielwissend ist.“) Allerdings muss das Präsens ἐρύκει in V. 616 aufgrund des gnomischen Charakters der Stelle, die zur Illustration von Zeus’ Zorn und (vermeintlicher) Allwissenheit dient, nicht zwingend als Hinweis darauf gelesen werden, dass Prometheus immer noch an den Felsen gefesselt sei; die beiden Passagen müssen sich also nicht widersprechen. Doch selbst wenn man davon ausgehen will, dass Prometheus gemäss den Vv. 614– 616 tatsächlich noch gefesselt sei, können die beiden Stellen miteinander in Einklang gebracht werden, ist doch in den Vv. 526–534 nur von der Tötung des Adlers, nicht aber von Prometheus’ Befreiung durch Herakles als solcher die Rede. Zur Sinnhaftigkeit einer solchen Interpretation vgl. West (1966) 313 (Anm. z.St.): „Zeus allows Heracles to shoot the bird be-

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(Ps.-)Hesiod: Herakles im Dienste des Göttervaters Th. 943–944: Diese und die beiden folgenden Nennungen des Herakles erfolgen im Zusammenhang mit dem Katalog zahlreicher Zeusnachkommen (Th. 886–1022), der das Ende der Theogonie bildet. Herakles wird hier als einer von Zeus’ Söhnen genannt, und zwar in direktem Anschluss an die Nennung seines bereits unsterblich geborenen Halbbruders Dionysos (Th. 940–942). Th. 950–955: Die Passage berichtet von Herakles’ Apotheose und seiner Heirat mit Hebe, der Tochter des Zeus und der Hera, wobei betont wird, dass seine Aufnahme unter die Götter die Belohnung für seine zahlreichen Mühen auf Erden darstellt (Th. 951; 954).9 Th. 979–983: Die letzte Nennung des Herakles greift Geryon, den in Th. 287–294 bereits genannten Sohn des Chrysaor und der Kallirhoe, und dessen Tötung durch Herakles noch einmal in verkürzter Form auf.10

In Bezug auf die homerischen Epen haben wir festgestellt, wie zentral die Distanz zwischen Herakles als Bestandteil einer zeitlich zurückliegenden Vergangenheit und der erzählten Gegenwart der epischen Handlung ist, und inwiefern die Heraklesfigur als in diesem Spannungsverhältnis stehende Entität fassbar wird und in Ilias und Odyssee in jeweils unterschiedlicher, aber in beiden Fällen sehr spezifischer Weise narrativ funktionalisiert wird (s.o. Kap. 4–5). Was die Theogonie angeht, so liegt – grundsätzlich gesehen – nunmehr ein ähnliches Spannungsverhältnis vor, jedoch mit umgekehrten Vorzeichen: In den homerischen Epen sind Herakles und seine Taten bereits Geschichte; entsprechende Erwähnungen und Anspielungen auf ihn sind somit externe Analepsen (mit Ausnahme der Begegnung zwischen Odysseus und dem herakleischen Avatar in der Nekyia). Die Theogonie dagegen berichtet bekanntlich von der Entstehung der Welt von den allerersten Ursprüngen bis zur Etablierung der herrschenden kosmischen Ordnung, d.h. der Götterherrschaft des Zeus – wodurch die oben genannten Erwähnungen des Herakles und seiner Taten zu externen Prolepsen, d.h. zu Vorausdeutungen

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cause he wants his son to win glory […]. Killing a pestilential monster is a heroic deed, and it is by this that Heracles’ glory is increased; there is nothing heroic in untying someone with Zeus’ full permission. And it is not said that Zeus forgave Prometheus, only in the interests of his son’s glory he relaxed that fierce χόλος which was only satisfied by the eagle-torture: Prometheus must still be punished.“ Vgl. auch Mueller (2016). In V. 951 ist pluralisch von „seufzerreichen Arbeiten“ (στονόεντας ἀέθλους) die Rede, in V. 954 singularisch von einem „grossen Werk unter den Unsterblichen“ (µέγα ἔργον ἐν ἀθανάτοισιν). Möglicherweise liegt in V. 954 eine Anspielung auf Herakles’ Hilfe im Kampf der Götter gegen die Giganten vor, der andernorts als Grund für seine Apotheose angegeben wird (z.B. bei Pind. Nem. 1,60–71; vgl. Farnell [1921] 171; West [1966] 419 [Anm. z.St.]). Meines Erachtens ist diese Erklärung jedoch nicht zwingend; µέγα ἔργον kann auch als kollektive Zusammenfassung von Herakles’ gesamter Lebensleistung gesehen werden, und die Phrase ἐν ἀθανάτοισιν lässt sich auch als eine Art Hysteron Proteron verstehen, insofern als Herakles mit Blick auf seine Leistungen, die er als Mensch vollbracht hat, im Nachhinein bereits als quasi-vergöttlicht zu betrachten ist; Herakles’ ganzes Menschenleben wäre somit bereits teleologisch auf seine spätere Vergottung ausgerichtet. West (1966) 425 (Anm. z.St.) sieht in der Doppelung der Geryon-Geschichte einen Hinweis für die Unechtheit der Vv. 979–983; vgl. aber meine Bemerkungen dazu unten.

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auf eine jenseits des Werkendes liegende Zukunft werden.11 Damit nimmt die Theogonie, was die Verwendung der Heraklesfigur aus narrativer Sicht bzw. mit Blick auf die Mythenchronologie anbelangt, eine Inversion der narrativchronologischen Situation der homerischen Epen vor. Unter Miteinbezug der Inhaltsperspektive aber grenzt sich der Herakles der Theogonie hauptsächlich von seinem dezidiert negativ gezeichneten Pendant in der Odyssee ab (s.o. Kap. 5), während die Absetzung vom iliadischen Herakles weniger explizit ist: Zwar ist eine Verschiebung des Fokus zum Abenteurer, der in der Ilias nur eine marginale Rolle spielt, unübersehbar, doch besteht ein entscheidender Berührungspunkt zwischen den beiden Werken darin, dass das positive Heraklesbild der Ilias, welches sich in der Parallelisierung Achilleus – Herakles manifestiert (s.o. Kap. 4), auch in der Theogonie durch deren Fokus auf Herakles als Aufräumer und Retter vor bedrohlichen Monstern und Mischwesen (Th. 287–294; 313–318; 326–332; 979– 983) sowie als Mehrer von Zeus’ Ruhm (Th. 529–531; s. dazu auch unten) prävalent ist. Auch im Vergleich einzelner Passagen lässt sich zumindest punktuell ein Dialog des theogonischen Herakles mit dem der homerischen Epen nachzeichnen: So legt etwa die Theogonie einen Fokus auf Herakles’ Geburt (Th. 943–944) und seine Apotheose (Th. 950–955; eine Andeutung liegt möglicherweise bereits in Th. 333–335 bei der Anspielung auf die Äpfel der Hesperiden vor), wobei die Nähe dieser beiden Passagen eine teleologische Ausrichtung von Herakles’ Leben auf seine Vergottung hin zumindest implementiert, während Ilias und Odyssee des Helden Sterblichkeit und Tod in den Mittelpunkt stellen, wobei die Ilias die Idee eines unter die Götter aufgenommenen Herakles noch gar nicht, die Odyssee nur bedingt – über die Vorstellung, dass sich Herakles sowohl in der Unterwelt als auch im Himmel aufhalte (Od. 11,602–604) – kennt. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf den auf Hebe applizierten Iteratvers παῖδα Διὸς µεγάλοιο καὶ Ἥρης χρυσοπεδίλου („eine Tochter des grossen Zeus und der goldbeschuhten Hera“, Od. 11,604 = Th. 952), welcher die beiden Passagen, die von Herakles’ Heirat mit der Göttin der Jugend berichten (Od. 11,602–604; Th. 950– 955), miteinander in einen Dialog treten lässt: Liegt in der Odyssee der Fokus noch auf Herakles in der Unterwelt – also auf einem sterblichen Herakles – und wird seine Vergottung nur als Alternative sozusagen ‚nebenbei‘ erwähnt, so existiert in der Theogonie nun keine Alternative zu seiner Apotheose mehr.12 In die 11

12



Zu den Anachronien in der Theogonie im Allgemeinen vgl. Stoddard (2004) 126–161, zu den Prolepsen im Speziellen 145–153 (jedoch ohne Diskussion der Herakles-Passagen). Zu den narrativen Eigenheiten der Theogonie (insbesondere in Kontrast zu den homerischen Epen) vgl. ferner Lowe (2000) 82–83; Rengakos (2009); zum ‚archaischen Erzähler‘ in einem übergreifenden Sinne Morrison (2007) 36–102. Zu konzedieren ist hierbei, dass die Verse 602–604 möglicherweise eine spätere, u.U. nachhesiodeische Interpolation in der Nekyia darstellen (vgl. Anm. 9 in Kap. 5). Zumindest aus rezeptionsästhetischer Sicht tut dies dem durch den Iteratvers initiierten Dialog zwischen den beiden Werken jedoch keinen Abbruch. (Derselbe Vers ist ein weiteres Mal in Hes. fr. 25,29 – ebenfalls mit Bezug auf Hebe als Gattin des Herakles – bezeugt und mit grosser Wahr-

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sem Kontrast auf der Inhaltsebene spiegelt sich die oben genannte Inversion der narrativ-chronologischen Situation: Sterblichkeit und Tod entsprechen der Rückschau auf die Vergangenheit in den homerischen Epen; Geburt und Vergottung verhalten sich parallel zum Vorausblick auf die Zukunft, die Hesiod bietet. Ein vergleichbar invers-dialogisches Element findet sich auch in der kontrastierenden Rolle Heras, die sich aus einem Vergleich zwischen Ilias und Theogonie ergibt (in der Odyssee findet Hera als Antagonistin des Herakles keine Erwähnung): Liegt in der Ilias der Fokus auf Hera als Gegnerin und Bezwingerin des – sterblichen – Herakles,13 so ist es in der Theogonie nunmehr Herakles, der als erfolgreicher Bezwinger der von Hera genährten und ausgesandten Monster auftritt und am Ende gar zu einem Gott wird. Somit hat Hera ihr Ziel – nämlich Herakles’ Vernichtung – nicht nur nicht erreicht, sondern sie muss vielmehr auch noch seine Anwesenheit im Olymp sowie seine Ehe mit ihrer leiblichen Tochter Hebe (vgl. Th. 952) erdulden. Auch hier lässt sich der entsprechende intertextuelle Dialog an einem bestimmten Vers festmachen: In Il. 18,114–121 kündigt Achilleus an, sein eigenes baldiges Ableben als Folge von Hektors Tod in Kauf nehmen zu wollen, und vergleicht sich in diesem Zusammenhang mit Herakles, den „das Schicksal und der schmerzenerregende Zorn der Hera bezwangen“ (ἀλλά ἑ µοῖρα δάµασσε καὶ ἀργαλέος χόλος Ἥρης, Il. 18,119; s.o. Kap. 4). Durch das Aufrufen des „even Herakles died“-Topos14 wird nicht nur die Assoziation Achilleus – Herakles gefestigt, sondern auch die Sterblichkeit des Letzteren in Erinnerung gerufen. Den genannten iliadischen Vers greift nun Th. 332 im Kontext der Erzählung von der Tötung des Nemeischen Löwen auf: ἀλλά ἑ ἲς ἐδάµασσε βίης Ἡρακληείης.15 Der Zitatcharakter, der sich durch den Rückgriff auf die Wendung ἀλλά ἑ […] (ἐ)δάµασσε sprachlich unmissverständlich zeigt,16 setzt die beiden Passagen in Bezug zueinander und unterstreicht somit die Inversion der Machtverhältnisse und die Stärkung des Herakles, die von der Ilias zur Theogonie stattgefunden haben: Der theogonische Herakles hat nicht nur den von Hera genährten und ausgesetzten



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scheinlichkeit auch in Hes. fr. 229,9 zu ergänzen; s. dazu auch u. Kap. 6.2 zu den Frauenkatalogen.) Heras Zorn gegen Herakles wird in der Ilias mehrfach thematisiert: Il. 14,253–256; 15,24–28; 18,119; s.o. Kap. 4. Zu dem Topos vgl. Anm. 11 in Kap. 4. „Doch es bezwang ihn die Stärke des gewaltigen Herakles.“ Der Versanfang ἁλλά ἑ ist in der archaischen Hexameterdichtung auf diese beiden Stellen (sowie Hom. Hym. Apoll. 319) begrenzt, was den Zitatcharakter bestätigt (im Versinnern ausserdem noch Il. 5,613 und 13,414). Ferner weist West (1966) 258 in seinem Kommentar zu Th. 332 auf die Phrase ἲς […] βίης Ἡρακληείης als „a curious conflation of ἲς Ἡρακλῆος (951) with βίη Ἡρακληείη“ hin. Diese Singularität ist m.E. ein weiteres Indiz für den Zitatcharakter des Verses, da es sich offensichtlich nicht um eine fixe Wendung, sondern um eine ad hoc kreierte Phrase handelt.

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Löwen17 besiegt, sondern auch Hera selber, insofern als seine Vergottung Einzug in den Mythos gehalten bzw. sich etabliert hat und die Frau des Zeus nunmehr den unehelichen Sohn ihres Gatten an ihrer Seite im Olymp tolerieren muss.18 Ein Dialog Homer – Hesiod wird schliesslich auch über das Bild des Herakles als Bogenschützen initiiert: Ist Herakles als Bogenschütze in der Iphitosszene der Odyssee (Od. 21,11–41) ausgesprochen negativ besetzt, indem er den unschuldigen Jüngling Iphitos aus purer Habgier tötet und dadurch auch das heilige Gastrecht grob verletzt (s.o. Kap. 5), so erscheint derselbe Bogenschütze hier als Erlöser des Prometheus – also als Wohltäter, der durch seine Tat überdies auch den Ruhm seines Vaters Zeus mehrt. Anders gesagt, erscheint die theogonische Prometheusszene als Inversion der odysseischen Iphitosszene, als Wendung eines verabscheuungswürdigen Tuns ins Positive unter Einsatz desselben Mittels. Zusammengefasst lässt also der theogonische Herakles vor dem Hintergrund seiner homerischen Vorläufer drei Hauptunterschiede hervortreten: 1. den Fokus auf der Funktion des Helden als Aufräumer und Retter; 2. (damit verbunden) das allgemein durchweg positive Heraklesbild (dies insbesondere in Absetzung von der Odyssee); 3. die Unsterblichkeit des Herakles als Höhepunkt eines entbehrungsreichen und arbeitsamen Lebens. Mit dem genannten Fokus auf einem Herakles, welcher mit seinen Befreiungsschlägen und Tötungsaktionen die Welt von gefährlichen Monstern befreit und säubert und somit ein Stück sicherer und zivilisierter macht, wird hier zum ersten Mal eine Rolle des Herakles sichtbar, die später zu den herausragendsten und regelmässig wiederkehrenden Charakteristika unseres Helden zählen wird, nämlich die des prototypischen Kulturbringers und Zivilisators.19 Haubold (2005) sieht in der selektiven tour de force durch die ‚Karriere‘ des Helden, an dessen Ende ewiges Leben (verkörpert durch seine Aufnahme in den Olymp) und ewige Jugend (verkörpert durch seine Heirat mit Hebe, der Göttin der Jugend) als Belohnung für die geleisteten Mühen stehen, eine Art miseen-abyme der narrativen Entwicklung der Theogonie vom Chaos der ersten Welturgründe bis zur Etablierung und Konsolidierung der Zeusherrschaft und der damit einhergehenden Ordnung und Zivilisation: Heracles tidies up any messy bits left over from the process of cosmogony. […] The Heracles of the Theogony could not be the same as that of Homeric epic because these texts do not cover the same phase in cosmic history and therefore do not share the same narrative outlook. In the Theogony, Heracles is seen in light of his cosmogonic function; by contrast, the Heracles of the Homeric poems is seen from the much later vantage point of heroic epic.

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Vgl. Th. 328–329: τόν ῥ’ Ἥρη θρέψασα Διὸς κυδρὴ παράκοιτις | γουνοῖσιν κατένασσε Νεµείης, πῆµ’ ἀνθρώποις. („Den zog Hera auf, die ruhmvolle Lagergenossin des Zeus, | und in den Hügeln von Nemea siedelte sie ihn an, ein Übel für die Menschen.“) Zu Heras Toleranz gegenüber Herakles im Götterhimmel vgl. auch West (1966) 253 (zu Th. 314): „It was Hera who sent the snakes against Heracles as an infant. Her malice against the man who was Zeus’ son and not hers could only last so long as he was a man; now that he is a god, she is reconciled to him […].“ So etwa Galinsky (1972) 16: „In the Theogony, we catch the first glimpse of Herakles as an ethical ideal and culture hero.“

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(Ps.-)Hesiod: Herakles im Dienste des Göttervaters [T]he Theogony […] not only focuses on Heracles as a champion of the cosmic order but also sees his career as running roughly parallel to the overall narrative trajectory.20

Stellt die etablierte und konsolidierte Zeusherrschaft das ultimative τέλος der Kosmogonie und ihrer evolutionären Vorläufer – etwa der Herrschaft der Kroniden und der Usurpationsversuche der Titanen – dar, besteht also, anders gesprochen, die Werkintention der Theogonie letztlich in der Rechtfertigung und Lobpreisung von Zeus als regierendem Göttervater,21 so rückt nun parallel dazu Herakles in seiner Eigenschaft als Sohn des Zeus in den Blickpunkt. Die Prolepsen auf Herakles’ Taten sind somit nicht bloss, wie oben gezeigt, als poetologisch bzw. aemulativ motivierte Inversionen der iliadischen Herakles-Analepsen zu verstehen, sondern sie stehen auch in einem konkreten Zusammenhang mit der Werkintention der Theogonie, insofern als die zahlreichen Ausblicke auf die Säuberungs- und Befreiungsaktionen des Sohnes sowohl den Ruhm des Vaters mehren wie auch den Weiterbestand seiner Herrschaft in der Zukunft sichern und festigen. Dieser Befund lässt sich mit Blick auf die Anordnung und Strukturierung der theogonischen Herakles-Erwähnungen, die sich in drei Blöcke unterteilen lassen, noch stärken: 1. Block:

Arbeiten des Herakles im Zusammenhang mit der Beseitigung verschiedener, von Phorkys und Keto abstammender Monster (Th. 287–294; 313–318; 326–335) [Machtergreifung des Zeus (Th. 468–506)]

2. Block:

Herakles’ Rolle bei der Erlösung des Prometheus (Th. 526–534)

3. Block:

Erwähnungen des Herakles im Kontext der Zeusnachkommen (Th. 943–944; Th. 950–955; Th. 979–983).

Der erste Block umfasst die Beseitigung verschiedener Untiere, die allesamt Abkömmlinge von Phorkys und Keto sind, die ihrerseits Sohn und Tochter des protogonen Pontos sind. Dadurch tritt der Zeussohn Herakles in eine antagonistische Auseinandersetzung mit den grauenerregenden Sprösslingen eines Geschwisterehepaares, das – theoretisch – eine Konkurrenz zum späteren Herrscherpaar Zeus – Hera darstellen könnte; die externen Prolepsen auf deren Beseitigung weisen somit auf die werkintern zu etablierende Weltordnung unter Zeus (Machtergreifung in Th. 468–506) voraus. Strukturell von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Reihenfolge der getöteten Untiere: das erste, Geryon, ist ein Urenkel von Phorkys und Keto; das zweite, die Lernäische Hydra, ist deren Enkel; das dritte und vierte, der Nemeische Löwe wie auch die die Äpfel der Hesperiden bewachende Echidna, sind deren Kinder. Durch diese genealogische Annäherung der zu besiegenden Monster an deren Ursprünge/Eltern findet eine strukturelle Engführung des Motivs ‚Herakles tötet Monster‘ statt, die mit dem Nemeischen Löwen ihren Höhepunkt findet und zu dem für Herakles als prototypischem 20 21

Haubold (2005) 94, 96. Vgl. auch Galinsky (1972) 16–18; Most (2006) lvi–lvii. Zu dieser Werkintention der Theogonie vgl. beispielsweise Strauss Clay (1993) 105: „The Theogony constitutes an attempt to understand the cosmos as the product of a genealogical evolution and a process of individuation which ultimately achieves its telos under the tutelage of Zeus.“

(Ps.-)Hesiod: Herakles im Dienste des Göttervaters

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Löwentöter charakteristischsten Hauptfeind hinführt,22 während die Anspielung auf die Einholung der Äpfel der Hesperiden möglicherweise bereits einen Ausblick auf die zu erwartende Unsterblichkeit des Helden bietet.23 Gleichzeitig bedeutet die Annäherung an die Eltern der Untiere eine Intensivierung der Gefährlichkeit, dient also dramaturgisch gesehen der Spannungssteigerung. Der zweite Block, welcher Herakles’ Rolle bei der Erlösung des Prometheus gewidmet ist, bildet sodann das Zentrum der herakleischen Prolepsen und stellt somit rein strukturell gesehen die Funktion des Herakles als Mehrer von Zeus’ Ruhm, dessen Weltherrschaft werkintern nunmehr etabliert ist (Th. 468–506), unzweideutig in den Mittelpunkt. Die Tatsache, dass an ebendieser Stelle nur von Herakles’ heroischer Tat an sich, nämlich der Tötung des Adlers, berichtet wird, nicht jedoch von der eigentlichen Befreiung des Prometheus (die als solche, so West [1966] 313, keine besondere Heldentat darstellt),24 stellt die entsprechende Funktion der Passage zusätzlich in den Vordergrund. Schliesslich folgt der dritte und letzte Block, der an den zweiten insofern anknüpft, als er mit dem Katalog der Zeusnachkommen wiederum die Rolle des Herakles als Amplifikator des väterlichen Ruhmes fokussiert. Auffallend sind in diesem Zusammenhang zwei Aspekte: zum einen die Verzahnung der beiden Halbbrüder Dionysos und Herakles in der narrativen Abfolge: Geburt des Dionysos (Th. 940–942) – Geburt des Herakles (Th. 943– 944) – Heirat und Apotheose des Dionysos (Th. 947–949) – Heirat und Apotheose des Herakles (Th. 950–955). Hier wird erstmals ein Motiv greifbar, das später in verschiedenen Kontexten von grosser Bedeutung werden wird: die Assoziation von Dionysos und Herakles, die als Zeussöhne von menschlichen Müttern beide um ihre Akzeptanz im olympischen ‚Establishment‘ kämpfen (und zu diesem Zweck die Erde durchwandern und zahllose Taten vollbringen) müssen, gleichzeitig jedoch konträr zueinander stehen, insofern als Dionysos anders als Herakles nicht als Sterblicher geboren und später immortalisiert wird, sondern von Anbeginn seiner Geburt trotz seiner bloss halbgöttlichen Abkunft unsterblich ist.25 Zum 22

23 24 25



Zum herakleischen Löwenbändigermythos vgl. auch Anm. 13 in Kap. 5. Strauss Clay (2003) 158 merkt in diesem Zusammenhang an, dass mit der Tötung des Nemeischen Löwen auch „the appropriate hierarchical order whereby men rule over beasts and not vice versa“ wiederhergestellt werde, nachdem der Löwe recht eigentlich als ‚Tyrann‘ „geherrscht“ hatte (Th. 331 κοιρανέων Τρητοῖο Νεµείης ἠδ’ Ἀπέσαντος [vgl. LfgrE s.v. κοιρανέω: „gebieten, teilw. pej. ‘sich als Herr aufspielen’ – wahrsch. urspr. milit. Bed. […] ‘kommandieren’ […] auch von polit. Herrsch., offenbar meist archaisierend verwendet“]). Ein Herakles aber, der die ‚richtige‘ Ordnung zwischen Mensch und Tier restituiert, indem er einen Löwen beseitigt, der das ‚Kommando‘ über sein Umland usurpiert hat, ist bestens geeignet, den Ruhm seines Vaters zu mehren, dessen Weltherrschaft ebenfalls als die ‚richtige‘ Ordnung anzusehen ist. Vgl. Anm. 7. Es ist unklar, ob wir uns an dieser Stelle die eigentliche Befreiung/Entkettung des Prometheus durch Herakles überhaupt dazuzudenken haben; vgl. Anm. 8. Hes. Th. 942 ist der Erstbeleg für die Vorstellung von Dionysos als einem unsterblich geborenen Halbgott, wohingegen die Erwähnung seiner Geburt in Il. 14,325 diesbezüglich noch unspezifisch ist (irreführend Schlesier [2007] 313 [Anm. 26]); vgl. allerdings auch Hes. [?] fr. 103,9–10 Hirschberger = 162,9–10 Most, das von einer Aufnahme des Dionysos in den

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(Ps.-)Hesiod: Herakles im Dienste des Göttervaters

anderen zu nennen ist die Doppelung der Geryon-Geschichte (Th. 287–294; 979– 983), wodurch diese Anfang und Ende der herakleischen Referenzen in der Theogonie bildet, infolgedessen eine Ringkomposition entsteht, welche einerseits den Fokus des Texts auf Herakles als Monsterbezwinger noch einmal heraushebt und andererseits die drei oben diskutierten Blöcke zusammenhält und so die innere Kohärenz der nur auf den ersten Blick wahllos verstreut erscheinenden HeraklesErwähnungen gewährleistet. Aus narratologischer Sicht handelt es sich hierbei um ein repetitives Erzählen (d.h. doppeltes/mehrfaches Erzählen desselben Sachverhalts), welches im epischen Erzählen bekanntlich überaus häufig ist.26 Der Text der Theogonie in der uns vorliegenden Form bietet somit gegen sein Ende hin einen Indikator, welcher den Rezipienten mittels des nochmaligen Aufrufens der Geryon-Episode dazu einlädt, die gegebenfalls als ungeordnet oder unzusammenhängend empfundenen Herakles-Referenzen einer nochmaligen Betrachtung im Gesamtkontext des ganzen Epos zu unterziehen und deren Zusammenhang zu erkennen. 6.2 FRAUENKATALOGE Die (ps.-)hesiodeischen Frauenkataloge setzen die Theogonie in direktem Anschluss fort (Th. 1021–1022 = Kat. fr. 1,1–2: νῦν δὲ γυναικῶν φῦλον ἀείσατε, ἡδυέπειαι | Μοῦσαι Ὀλυµπιάδες, κοῦραι Διὸς αἰγιόχοιο)27 und berichten – soweit die vorhandenen Fragmente eine Rekonstruktion des narrativen Ablaufs zulassen – in fünf Büchern von Abkömmlingen unsterblicher Väter und sterblicher Mütter, beginnend mit den Nachkommen des Prometheus-Sohnes Deukalion (fr. 2–6) und

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Olymp berichtet (vgl. Anm. 44). Für einen Überblick über Dionysos’ Geburt in der gesamten antiken Überlieferung vgl. Laager (1957) 112–150; zu Geburt und Kindheit des Dionysos v.a. in der Ikonographie vgl. Stark (2012) 58–103. Zur Assoziation von Herakles und Dionysos vgl. insbesondere Kap. 9. Vgl. De Jong (22004) 179–192 und Bal (32009) 90–91, 109–110. West (1966) sieht sich aufgrund der Doppelung der Geschichte dazu veranlasst, die Verse 979–983 als un- bzw nachhesiodeisch zu betrachten; vgl. id. 49: „Either Hesiod wrote the Catalogue as well as the Theogony, and wrote them all as one poem; or the end of the Theogony as we have it is spurious.“ Vgl. auch Most (2006) xlviii–il mit Anm. 14 für einen kurzen Abriss der Problemstellung sowie Dräger (1997a) 1–26. Ferner vgl. ein weiteres Argument bei West (1966) 425: „As an example of a marriage between a goddess and a mortal man, the myth of the union of Chrysaor and Kallirhoe is somewhat recherché; it was not propagated by any parochial tradition like most of the marriages in this section.“ Dieses Argument scheint mir jedoch nicht stichhaltig, geht es doch hauptsächlich nicht um die Nennung der ehelichen Verbindung zwischen Chrysaor und Kallirhoe per se, sondern um die nochmalige Nennung der Geryon-Geschichte zwecks Herstellung der oben genannten Ringkomposition; deren Einbettung aber erfolgt ‚notgedrungen‘ über die Nennung ebendieser ehelichen Verbindung im Kontext einer Reihe von Aufzählungen von Verbindungen zwischen Menschen und Göttern. „Nun aber singt vom Stamm der Frauen, ihr süsssprechenden | Musen vom Olymp, ihr Töchter des aigishaltenden Zeus!“

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endend mit Helenas Freiern und Zeus’ Plänen zur Zerstörung Trojas (fr. 196– 204).28 Folgende Fragmente enthalten Herakles-Referenzen:29 Kat. fr. 1: Das Proömium mit dem Aufruf an die Musen, von den Geschlechtern zu erzählen, die aus der Verbindung sterblicher Mütter und unsterblicher Väter entstanden sind. Ganz am Ende des Fragments (V. 22) ist wahrscheinlich die epische Heraklesformel βίη Ἡ[ρακλῆος zu ergänzen.30 Kat. fr. 25: Das Fragment hat die Nachkommen von Althaia, der Tochter des Thestios, zum Thema. Eine erste Erwähnung des Herakles findet sich in V. 3, der vermutlich so zu deuten ist, dass Herakles der einzige ist, der Meleager, Althaias Sohn, im Speerkampf übertraf. Vers 17 nennt Deianeira, eine Tochter Althaias; darauf folgend werden die eheliche Verbindung zwischen Herakles und Deianeira und ihre gemeinsamen Kinder (Vv. 18–19), die Episode mit dem Liebestrank (Vv. 20–23), Herakles’ Tod und Gang in den Hades (Vv. 24–25), unmittelbar gefolgt von seiner Apotheose, seiner Aufnahme in den Olymp, der ehelichen Verbindung mit Hebe und seiner Versöhnung mit Hera (Vv. 26–33), genannt.31 Kat. fr. 26: In V. 33 ist – wohl im Zusammenhang mit Herakles’ Eroberung der Stadt Oichalia (vgl. V. 32 τ[ῆς ἕ]νεκ᾿ Οἰχ[αλ]ί̣η̣[ν) – das Patronymikon Ἀµφι]τρυωνιάδης̣[ zu erkennen.32 Kat. fr. 33a: Das Fragment hat die Nachkommen von Neleus und Chloris zum Thema. Zu diesen zählt auch der shapeshifter Periklymenos, der es wagt, gegen Herakles anzutreten und deshalb von diesem getötet wird – wobei Athene als treibende Kraft im Hintergrund eine wichtige Rolle spielt (Vv. 22–33).33 Kat. fr. 35: Anschliessend an die Erzählung vom Tode des Periklymenos, bis zu dessen Tod Pylos uneinnehmbar gewesen war (Vv. 1–4), erfolgt die Erzählung von Pylos’ Eroberung durch Herakles und dem Tod von Nestors elf Brüdern (Vv. 5–14), von dem Nestor auch in der Ilias berichtet (Il. 11,690–693).34

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Grundlegend zu den Frauenkatalogen ist die Monographie von West (1985); vgl. ferner die Studie von Dräger (1997a), die kommentierte Ausgabe von Hirschberger (2004) und den Sammelband von Hunter (2005); für einen gerafften Überblick auch Most (2006) xlvii–lv. Herakles ist ferner in folgenden Hesiod-Fragmenten genannt, die nicht den Frauenkatalogen zugeordnet werden: fr. 248 (Grosse Ehoiai); 250 (dito); 251b (dito); 253 (dito); 263 (Hochzeit des Keyx); 264* (dito); 265 (unsichere Werkzuordnung). – Im Folgenden bezeichnet Fettdruck Fragmente, in denen Herakles in einem ersichtlichen Zusammenhang erscheint, wohingegen Normaldruck mögliche bzw. ergänzte Nennungen des Herakles kennzeichnet, ohne dass ein konkreter Kontext in dem betreffenden Fragment rekonstruierbar wäre. Vgl. den Kommentar bei Hirschberger (2004) 163–171; zu Herakles ead. 170–171: „Herakles zeugt seine Kinder während seines irdischen Lebens vor seiner Apotheose und Verbindung mit Hebe. Von seiner Gattin Deïaneira hat er die Söhne Hyllos, Glenos, Ktesippos und Oneites (F 16 [25], 19). Auge gebiert ihm Telephos (F 72 [165], 8-9). Er könnte der Stammvater von Aithiopen, Libyern und Skythen gewesen sein […].“ Vgl. den Kommentar bei Hirschberger (2004) 216–223. Vgl. den Kommentar bei Hirschberger (2004) 223–229. Vgl. den Kommentar bei Hirschberger (2004) 241–246. Vgl. den Kommentar bei Hirschberger (2004) 246–248.

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(Ps.-)Hesiod: Herakles im Dienste des Göttervaters Kat. fr. 165: Das Fragment berichtet von Telephos, dem Sohne der Auge und des Herakles (V. 9) und späterem König der Myser, und enthält ebenfalls einen Bericht von Herakles’ Zug gegen Laomedons Troja (V. 10; genauer Kontext unklar).35 Kat. fr. 190: In dem Fragment, das u.a. von Astydameia, einer Tochter Hippodameias, handelt, findet sich wahrscheinlich die epische Heraklesformel βίη Ἡρακλ]ηεί̣η̣[.] (V.11) sowie eine Erwähnung von Herakles’ „Arbeiten“ (V. 12 ἐπ]έτελλεν̣ ἀ̣έ̣θ̣λο̣[υς) und möglicherweise auch des Eurystheus (V. 9).36 Kat. fr. 195: Die sog. „Alkmene-Ehoie“: das Fragment enthält die Verse 1–56 der Aspis, die von Alkmenes Empfängnis und Herakles’ Geburt berichten.37 Kat. fr. 229 (unsichere werkinterne Zuordnung): Das Fragment berichtet von Herakles’ Aufenthalt als Gott im Olymp, seiner ehelichen Verbindung mit Hebe und seiner Aussöhnung mit Hera, wobei die Vv. 8–13 identisch mit den Vv. 28–33 von fr. 25 (s.o.) sind.38

Auch wenn aufgrund der fragmentarischen Überlieferung eine übergreifende Gesamtdeutung problematisch ist, so scheinen die genannten Passagen doch darauf hinzudeuten, dass Erwähnungen des Herakles und seiner Abenteuer in den Frauenkatalogen verbreitet und in ähnlicher Weise wie in der Theogonie über das Gesamtwerk verteilt gewesen sein müssen. Wie lassen sich diese Referenzen – bei aller gebotenen Vorsicht – insbesondere mit Blick auf ihre Narrativität und Metapoetizität verstehen? Folgende Deutungsansätze bieten sich an: Rein strukturell betrachtet, vermögen die verstreuten Herakles-Referenzen die Frauenkataloge als Nachfolgewerk der Theogonie zu kennzeichnen. Dadurch, dass eine analoge Technik – nämlich die Präsentation der herakleischen Vita sozusagen in regelmässig wiederkehrenden Versatzstücken – angewendet wird, vermag sich das Werk als Sequel der Theogonie zu etablieren. Ob die Frauenkataloge an irgendeinem Punkt eine zusammenhängende Herakleserzählung enthalten haben, lässt sich aufgrund des fragmentarischen Überlieferungszustandes nicht entscheiden, scheint jedoch in Anbetracht der vorhandenen Einzelreferenzen doch eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher dünkt mich, dass die HeraklesReferenzen in den uns überlieferten Fragmenten nur einen Bruchteil des ursprünglichen Ganzen ausmachen und dass möglicherweise die Summe der über das Werk verstreuten Versatzstücke eine mehr oder weniger kohärente Heraklesvita ergeben haben könnte.39 Nebst dem programmatisch-strukturellen Anschluss an 35

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Zur Zerstörung Trojas durch Herakles als Rache für Laomedons Betrug vgl. Il. 5,263–272; 5,638–651; 14,250–251; 20,144–148; s.o. Kap. 4 mit Anm. 6. Die Verbindung der Telephosgeschichte mit der Trojalegende ist gemäss West (1985) 155 einer späteren epischen ‚Schicht‘ zuzuordnen („is parasitic on the Troy saga, and I should be surprised if it existed as early as 700“). Vgl. auch den Kommentar bei Hirschberger (2004) 338–341. Vgl. den Kommentar bei Hirschberger (2004) 354–356. Vgl. zur Aspis Kap. 6.3; vgl. auch den Kommentar bei Hirschberger (2004) 361–371. Vgl. den Kommentar bei Hirschberger (2004) 372–375. Vgl. z.B. Boardman/Palagia/Woodford (1988) 730: „Hesiod offers a very full range of accounts of H[erakles]’s life and deeds and a full text of his poems would resolve many doubts about the antiquity of various details or whole stories.“

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die Theogonie kommt der Heraklesfigur in den Frauenkatalogen jedoch noch eine zweite, eminent wichtige Funktion zu: Herakles ist als sterblicher Halbgott, der am Ende seines entbehrungsreichen und dienstbaren Lebens mit der Aufnahme in den Götterhimmel belohnt wird, ein Vorbild für alle seinesgleichen – salopp gesagt: Wohl jeder, der das Pech hat, nur zur Hälfte göttlicher Abstammung und deshalb trotz der guten Herkunft eben sterblich zu sein, möchte einmal erreichen, was Herakles zuteil wurde. Somit aber wird mittels der verstreuten, sprich regelmässig wiederkehrenden und somit permanent ins Gedächtnis gerufenen Präsenz des Herakles ebendiese Vorbildfunktion des vergotteten Heros stetig vor Augen geführt, ja Herakles nimmt mit Blick auf die Werkintention der Frauenkataloge, die als Nachfolgewerk der kosmogonischen Theogonie nun auch noch eine Genealogie der Heroen zu bieten suchen,40 nachgerade die Funktion einer mise-enabyme für das Gesamtwerk schlechthin ein. Mit Blick auf den letztgenannten Aspekt ist es darum bestimmt auch kein Zufall, dass dem Aufenthalt des Herakles im Olymp, seiner ehelichen Verbindung mit Hebe sowie insbesondere auch seiner Aussöhnung mit Hera eine zentrale Stellung in den Frauenkatalogen zukommt (fr. 25 und fr. 229) – Elemente, die ihrerseits auf das Ende der Theogonie (Th. 950–955; s.o. Kap. 6.1) zurückgreifen, jene aber quantitativ ausbauen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass in fr. 25 Herakles im Hades (Vv. 24–25) und Herakles im Olymp (Vv. 26–33) einander direkt gegenübergestellt werden – vergleichbar der Juxtaposition der beiden Heraklesse in der Nekyia (Od. 11,602–604).41 Auffallend ist dabei jedoch, dass die Verse fr. 25,26–33 in P. Oxy. 2075 mit Obeloi versehen sind und dass die Verse fr. 25,28–33 sich tel quel in fr. 229,8–13 wiederfinden.42 Somit liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei fr. 25,26–33 um eine spätere Interpolation handeln könnte. Möglicherweise liegt jedoch auch das Bemühen vor, an den ‚doppelten Herakles‘ der Nekyia anzuknüpfen und/oder mit einem früh zu Werkbeginn eingefügten Hinweis auf Herakles’ Aufenthalt im Olymp auf die analoge Stelle gegen Werkende in Th. 950–955 zu rekurrieren. Unter letztgenanntem Gesichtspunkt käme den Versen in fr. 25,26–33 auch eine gewisse poetologische Funktion zu, insofern als sie das Ende der Theogonie programmatisch aufgreifen und rekapitulieren und das eigentliche τέλος aller Halbgötter, nämlich es Herakles gleichzutun und ebenfalls in den Olymp aufgenommen zu werden, an den Werkbeginn setzen – um dieselbe Kernstelle an späterer Stelle zwecks Emphase in fr. 229 40

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Vgl. zu dieser Werkintention z.B. Most (2006) liii: „The Hesiodic Catalogue provides a human counterpart to Hesiod’s Theogony: a general classification of all the major heroes and heroines of Greek mythology, organized genealogically from a definite beginning to a definite end and with all-encompassing pan-Hellenic ambitions. The whole rich panoply of Greek local legend is reduced to a very small number of starting-points, and from these are developed lines of descent that bind all the characters and events into a single history […].“ Vgl. auch West (1985) 29–30 zum Bemühen des Frauenkatalogdichters, verschiedene, beziehungslose Mythenkreise zu einem zusammenhängenden genealogischen System zu vereinen. S.o. Kap. 5 (mit Anm. 9) zu den damit verbundenen philologischen Problemen. Zu sagen ist freilich, dass fr. 229 stark beschädigt ist.

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(dessen werkinterne Zuordnung unsicher ist) noch einmal zu wiederholen. Die Hypothese, dass bei der Doppelung von Herakles’ Apotheose tatsächlich ein intendiertes, emphatisch repetitives Erzählen vorliegt, mag noch durch die Tatsache gestützt werden, dass der Iteratvers παῖδα Διὸς µεγάλοιο καὶ Ἥρης χρυσοπεδίλου („eine Tochter des grossen Zeus und der goldbeschuhten Hera“) aus Th. 952 (der daselbst seinerseits schon poetologisch aufgeladen ist, indem er an Od. 11,604 anknüpft [s.o. Kap. 5]), in den Frauenkatalogen in fr. 25,29 wieder verwendet wird und also mit grosser Wahrscheinlichkeit auch in fr. 229,9 zu ergänzen ist.43 Somit ‚wandert‘ das Motiv der herakleischen Apotheose von der Odyssee über die Theogonie in die Frauenkataloge (und wird dort möglicherweise noch iteriert). Unabhängig davon, ob wir die Echtheit der Verse fr. 25,26–33 anzweifeln wollen oder nicht – Tatsache ist, dass Herakles’ Unsterblichkeit zu Beginn der Textfragmente in der uns vorliegenden Form lediglich eine Option darstellt, an späterer Stelle jedoch als ultimatives und einziges τέλος dasteht – dass also, mit anderen Worten, im Werkverlauf eine Engführung des Unsterblichkeitsmotivs stattfindet. Somit schreiben sich die Frauenkataloge in einen bereits bestehenden Dialog zwischen den homerischen Epen und der Theogonie über die Frage nach Herakles’ (Un-)Sterblichkeit ein; gleichzeitig etablieren sie Herakles’ Unsterblichkeit als Ziel aller Halbgötter,44 wodurch Herakles als Prototyp des ‚erfolgreichen Halbgottes‘, der zu einem vollgültigen Gott erhoben wurde, nobilitiert wird. Ein weiterer Deutungsaspekt ergibt sich aus der Funktion des Herakles in der Theogonie, den Ruhm seines Vaters Zeus zu mehren (s.o. Kap. 6.1): Eine ähnliche Aufgabe mag auch dem Herakles in den Frauenkatalogen zugeschrieben werden, wenn man sich deren zweite Werkintention vor Augen führt: Nebst der oben genannten Funktion der Frauenkataloge, an die Theogonie anknüpfend und diese fortführend eine systematisch zusammenhängende Heroengenealogie zu bieten, die das komplexe Geflecht griechischer Lokalsagen auf überschaubare, gemeinsame Ursprünge zurückführt, sucht dasselbe Werk auch den Anschluss an die Trojasage, d.h. an die homerischen und/bzw. zyklischen Epen,45 indem es mit Helenas Freiern und Zeus’ Plänen zur Zerstörung des Heroengeschlechts, das den Ausschlag (bzw. Vorwand) für die Anzettelung des Trojanischen Krieges bietet, endet 43 44

45

Zu weiteren sprachlichen Berührungspunkten zwischen den Frauenkatalogen und der Nekyia vgl. Hirschberger (2004) 59–62. In der Tat finden sich in den Fragmenten der Frauenkataloge eine Reihe weiterer Apotheosen; die an den Anfang gesetzte Apotheose des Herakles initiiert somit ein Leitmotiv des Werkes (vgl. Hirschberger [2004] 79). Im Besonderen zu nennen ist ein Fragment, das eine Apotheose des Dionysos nennt (fr. 103,9–10 Hirschberger = 162,9–10 Most; nicht enthalten bei Merkelbach/West; gemäss Most [2006] 245 [Anm. 66 z.St.] ist die Zugehörigkeit des Fragments zu den Frauenkatalogen allerdings unsicher, möglicherweise ist es auch hellenistisch; vgl. auch den ausführlichen Kommentar bei Hirschberger [2004] 393–397). Eine Vielzahl der Epen des Epischen Zyklus wurde in der Antike auch Homer zugeschrieben; vgl. z.B. Graziosi (2002) 184–193 zur Auseinandersetzung zwischen Homer und den kleineren Dichtern um die Autorschaft einzelner Kleinepen.

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(5. Buch, fr. 196–204).46 Somit aber kommt Zeus als uneingeschränkter Weltenherrscher, als der er in der Theogonie etabliert worden war, wieder ins Spiel. Auf der narrativen Ebene konsolidiert (und testet) er mit seinen Zerstörungsplänen seine erworbene Macht; metapoetisch gesehen jedoch bilden die Frauenkataloge, unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, ein Bindeglied zwischen Hesiods Theogonie und dem (grossenteils Homer zugeschriebenen) Trojazyklus – sie sind sozusagen gleichzeitig ein Sequel zur Theogonie und ein Prequel zu den homerischen bzw. zyklischen Epen.47 Dadurch aber wird Herakles’ Rolle als Mehrer von Zeus’ Ruhm reaktiviert: mittels der stetig wiederkehrenden Herakles-Referenzen und insbesondere auch mittels der Betonung von Herakles’ Unsterblichkeit wird das Gedächtnis seines Vaters Zeus zumindest implizit aufrechterhalten, und das Finale des 5. Buches wird über das ganze Werk hinweg vorbereitet. Schliesslich fällt auf, dass bezüglich der Taten des Herakles keinerlei Übereinstimmungen zwischen der Theogonie und den uns überlieferten Fragmenten der Frauenkataloge bestehen. Dies mag ein Zufall der Überlieferung sein – oder aber die Differenz mag auch bloss dem Bemühen um variatio geschuldet sein. Gleichwohl fällt auf, dass, wo die Theogonie Herakles als Aufräumer und Retter vor bedrohlichen Monstern und Mischwesen zeigt (s.o. Kap. 6.1) und entsprechend auf den Dodekathlos zurückgreift, die Frauenkataloge Letzteren fast vollständig zu ignorieren scheinen und stattdessen Herakles als Eroberer, Kämpfer und Städtezerstörer stärker in den Mittelpunkt stellen, ihn also eher als epischen Helden denn als Zivilisator und Kulturbringer in Erscheinung treten lassen.48 Dieser Umstand, der mit dem Faktum koinzidiert, dass Figuren des gesamten Trojanischen Sagenkreises über alle Genealogien der Frauenkataloge hinweg anzutreffen sind,49 mag damit zusammenhängen, dass die Frauenkataloge zugleich ein Sequel 46 47

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Zum Freierkatalog in fr. 196–204 vgl. Cingano (2005). Vgl. zu dieser Werkintention z.B. Most (2006) liv: „[T]he Catalogue of Women seems to be driven diachronically by a single long-term narrative which corresponds on a different level to the complementary stories of the triumph of the justice of Zeus, which provides the backbone to the Theogony, and of the administration of that justice, which structures the Works and Days. In the Catalogue this narrative provides a vast preamble to the Trojan War, interpreting the heroic age as a long period of frequent and intimate intercourse (in all senses) between gods and men to which Zeus decides to put an end […].“; id. lv: „[I]t is clear that, for the author of this Hesiodic poem, the Trojan legends that inspired Homer were the most fitting possible telos at which to aim his own composition. After the Catalogue come the Iliad and Odyssey and other epic poems; and a long time after them comes the world of ordinary men and women.“ So z.B. fr. 25,3 (Herakles als exzellenter Speerkämpfer); fr. 26 (Herakles als Eroberer der Stadt Oichalia); fr. 35,5–14 (Tötung von Nestors elf Brüdern durch Herakles; vgl. auch Il. 11,690–693); fr. 165,10 (Herakles’ Zug gegen Laomedons Troja). Vgl. auch das epitheton ornans πτολίπορθος („Städtezerstörer“) auf Herakles appliziert in fr. 25,23 (ergänzt, aber plausibel) und fr. 229,17 (ergänzt, aber so gut wie sicher). Dagegen wird der Dodekathlos nur in fr. 190,12 erwähnt. Eher Abenteurer und Aufräumer ist Herakles auch bei der Beseitigung des shapeshifters Periklymenos (fr. 33a). Vgl. Hirschberger (2004) 54–55.

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zur Theogonie und ein Prequel zu den homerischen/zyklischen Heldenepen sein wollen, also in gewisser Weise zwischen diesen beiden Welten zu vermitteln und die unterschiedlichen Weltbilder bzw. narrativen Foki zu vereinen suchen. Dies mag nun durchaus u.a. über die Figur des Herakles geschehen, der ja in beiden Epen in regelmässig wiederkehrenden Abständen vorkommt. Dadurch, dass die Apotheose des Herakles so prominent im Vordergrund steht und dass Herakles als Mehrer von Zeus’ Ruhm in Erscheinung tritt, wird der Anschluss an die Theogonie geleistet; da aber der inhaltliche Fokus eher auf Herakles den Krieger und Städtezerstörer denn auf den Abenteurer und Kulturbringer gelegt wird, und indem z.B. Episoden wie die Tötung von Nestors Brüdern, die auch in der Ilias vorkommt (Il. 11,690–693), berichtet werden, wird zugleich der Anschluss an die homerisch-zyklische Trojaepik gesucht und gewährleistet.50 6.3 ASPIS; SYNTHESE Das (ps.-)hesiodeische Kurzepos Aspis ist das einzige überlieferte Hexametergedicht der Antike, das als Gesamtes der Heraklesfigur gewidmet ist. Ungeachtet der Echtheitsfrage51 nimmt das Werk, das aufgrund seiner Kürze (480 Verse) zuweilen auch als Epyllion oder Proto-Epyllion bezeichnet wird,52 deshalb eine 50

51 52

Vgl. auch Haubold (2005) 94: „[W]hat […] happens to Heracles in the Catalogue of Women is […] a gradual shift of persona, from one akin to the Theogony to one akin to heroic epic.“ Verfehlt scheint mir jedoch der Versuch, die Frauenkataloge sub specie Heraclei als ‚Übergang‘ vom Weltbild der Theogonie zu den Erga zu sehen, insbesondere da die Erga als einziges der grösseren (ps.-)hesiodeischen Werke Herakles ja nicht ‚verwenden‘ (id. 96): „Like Heracles himself, the Catalogue of Women is suspended between two stages of world history, and two associated narrative perspectives. On the one hand, it is a sequel of the Theogony with its focus on the gods and its overarching teleological optimism. On the other hand, it leads into the world of the Works and Days, with its human outlook and equally pronounced pessimism.“ Ebenfalls verfehlt scheint mir Haubolds Versuch, in den Herakles-Referenzen der Frauenkataloge eine Inversion der herakleischen Lebensstationen zu sehen (85–86) und diese Inversion als Indikator für den genannten „shift of persona“ des Herakles (s.o.) zu deuten: Einerseits blendet Haubold bei seiner Annahme, die überlieferten Fragmente begännen mit Herakles’ Tod und Apotheose (fr. 25) und hörten mit seiner Geburt auf (fr. 195), das ebenfalls die Apotheose referierende, werkintern nicht zuzuordnende fr. 229 (s.o.) aus, das irgendwo im Werk gestanden haben mag. Andererseits basiert seine Annahme einer Inversion der Lebenschronologie v.a. auf einem Vergleich mit Apollodor; die Tatsache, dass die Herakles-Referenzen der Frauenkataloge in der Bibliotheke in umgekehrter Reihenfolge stehen, kann jedoch genausogut Zufall sein, zumal wenn man bedenkt (was Haubold andernorts [88] selber konzediert), dass Herakles’ Abenteuer und Taten ausserhalb des Dodekathlos keiner fixen, kanonischen Ordnung folgen (zur kanonischen Ordnung des Dodekathlos s.o. Kap. 1 mit Anm. 9). Vgl. Anm. 1. Der Begriff „Epyllion“, der seit der zweiten Hälfte des 19. Jhs. in der Regel auf hellenistische und nachhellenistische Kurzepen verengt gebraucht wird, wurde bei seiner Prägung um 1800 ursprünglich auch (und v.a.) auf vorhellenistische Kurzepen appliziert (vgl. Tilg [2012]; tat-

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Sonderstellung sowohl im (ps.-)hesiodeischen Œuvre als auch im Gesamtkomplex der uns überlieferten archaischen Epenproduktion (bzw., weiter gefasst, in der gesamten antiken Ependichtung) ein. Eine umfassende Analyse und Würdigung des Werkes als solches ist an dieser Stelle nicht möglich;53 die folgenden Ausführungen müssen sich auf die Frage beschränken, wie die Heraklesfigur in der Aspis auftritt und verwendet wird und insbesondere wie sich Auftritt und Verwendung der Figur in Relation sowohl zu den anderen (ps.-)hesiodeischen Werken (s.o. Kap. 6.1–2) als auch zu den homerischen Epen (s.o. Kap. 4–5) verhalten. Die Tatsache, dass die ersten 56 Verse der Aspis auch in den Frauenkatalogen enthalten sind (4. Buch, fr. 195, sog. „Alkmene-Ehoie“), hat – so die Hypothesis A (Arg. Scuti I = test. 52 Most) – bereits Aristophanes von Byzanz dazu verleitet, die hesiodeische Autorschaft der Aspis in Zweifel zu ziehen, während Stesichoros von ihrer Echtheit überzeugt gewesen sein soll.54 Diese Echtheitsdiskussion, die im Wesentlichen auch die moderne Forschung dominiert,55 verstellt allerdings m.E. die Sicht auf die wesentlichen Fragen. Ob der Autor der Frauenkataloge mit dem Autor der Apsis identisch gewesen ist oder nicht, ist letztlich nur von bedingter Relevanz – dies zumindest mit Blick auf die möglichen Werkintentionen und auf die zu prüfenden intertextuellen Verknüpfungen der Texte untereinander (aus rein philologischer oder literaturhistorischer Sicht mag der Fokus auf die Echtheitsfrage durchaus gerechtfertigt sein). Ferner resultiert aus der verbreiteten Geisteshaltung, einem als ‚unecht‘ erachteten Werk implicite auch einen tieferen literarischen Status bzw. Wert zuzuschreiben,56 auch eine Auffassung wie die, man habe – so die zusammenfassenden Worte von Ercolani/Rossi (2011) 98 – „den Schild als ein mehr oder weniger gelungenes Werk eines Rhapsoden zu betrachten, der homerische und hesiodeische Stoffe ausgeweitet und miteinander verbunden hat“.57 Richtig an dieser Aussage ist zweifellos, dass die Aspis sowohl

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sächlich betrifft eine der frühesten Begriffsverwendungen die Aspis, verwendet von Friedrich August Wolf; vgl. Most [1982] und Tilg [2012] 30–31, 41–42). Zur Aspis als ‚ProtoEpyllion‘ im emphatischen Sinne vgl. z.B. Hollis (22009) 25; Bing (2012). An Literatur zur Aspis sind etwa zu nennen: Wilamowitz (1905); Myres (1941); Guillon (1963); Andersen (1969); Shapiro (1984); Janko (1986); Effe (1988); Becker (1992); Martin (2005); Zardini (2009); Bing (2012); weitere Angaben bei Ercolani/Rossi (2011) 99 (Anm. 78 und 80). Immer noch wichtig ist auch der Kommentar von Russo (21965). Zur Kontroverse um Stesichoros’ Auseinandersetzung mit der Aspis vgl. Davison (1955) 137–138; Janko (1986) 41–42; Zardini (2009) 12–15; zu den Fragen betreffend Datierung und Echtheit auch Janko (1986) 38–44 und Zardini (2009) 7–19. Vgl. z.B. Bing (2012) 179 (mit Anm. 6–8) für einen knappen Überblick. Zum Unbehagen der klassischen Altertumswissenschaft mit ‚unechten‘ und/oder fragmentarischen Texten vgl. Hunter (2002) 91: „The authorless text […] has […] received a cold reception from classicists; for reasons which lie deep in the heart of the history of the subject, classicists have […] never been very comfortable with the anonymous, and this anxiety may […] surface in ‘aesthetic condemnation’.“ Die Auffassung, die Aspis sei das Produkt eines produktiven Rhapsoden oder aber zumindest von Rhapsodeninterpolationen massiv durchsetzt, ist im Wesentlichen communis opinio; vgl. z.B. Wilamowitz (1905); Russo (21965) 35; Janko (1986) 39–40; Bing (2012) 179–190.

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auf die homerische wie auch auf die hesiodeische Epik blickt. Diese Janusköpfigkeit ergibt sich jedoch m.E. nicht primär aus dem Inhalt, sondern aus ebendieser Genese, welche die genannten Echtheitsdiskussionen bis heute nährt: Das Kurzepos ist letztlich nichts anderes als ein spin-off aus einer Ehoie der Frauenkataloge – entweder als Einzelgedicht, als separater ‚Ableger‘ aus Letzteren, oder aber möglicherweise auch als deren werkinterne Erweiterung und Ausarbeitung gedacht. Mit Blick auf Letzteres liesse sich ggf. postulieren, dass der Aspisdichter die Frauenkataloge durch die Erweiterung um eine Schildbeschreibung noch stärker ‚homerisieren‘, sprich in den Stand eines Heldenepos erheben wollte. Dass die Aspis als werkinterne Erweiterung gedacht gewesen sein könnte, deutet die Übergangsformel in V. 57 (ὃς καὶ Κύκνον ἔπεφνεν) an: mit καί wird die Erzählung vom Zweikampf mit Kyknos als etwas Zusätzliches eingeführt, was jetzt auch noch berichtet (= angefügt) wird.58 Wie oben (Kap. 6.2) gezeigt, suchen die Frauenkataloge die Theogonie fortzusetzen und gleichzeitig auf die homerisch-zyklische Heldenepik vorzubereiten; sie verstehen sich also gewissermassen als Bindeglied zwischen diesen beiden epischen Welten, und in diesem Zusammenhang spielt, wie ebenfalls gezeigt, die Heraklesfigur eine zentrale Rolle. Indem nun diejenige Ehoie, die von Alkmenes Empfängnis und Herakles’ Geburt berichtet, zur Komposition eines ‚homerisch-hesiodeischen‘ Kurzepos über Herakles genutzt wird, wird auch und v.a. das Potential der Heraklesfigur mit ihren in den verschiedenen Epen so spezifischen narrativen und metapoetischen Funktionen genutzt und weiterverarbeitet. Dass Herakles als Zweikämpfer und sein von Hephaistos geschaffener und ausladend bebilderter Schild (Aspis 139–317) auf den iliadischen Achilleus und dessen ebenfalls göttlich gewirkten Schild mitsamt seiner hochberühmten Ekphrasis (Il. 18,478–608) zurückverweisen, ist nur der offensichtlichste Bezugspunkt;59 dass damit die Analogie zwischen Achilleus und Herakles, die in der Ilias von so zentraler Bedeutung ist (s.o. Kap. 4), aufgerufen und erneuert wird, ergibt sich als logische Konsequenz daraus. Somit ist die Aspis, um die Worte Galinskys (1972) 17 aufzugreifen, nicht bloss „[an] extensive post-Homeric interpretatio Homerica of Herakles“ – das Werk arbeitet vielmehr aus und zu Ende, was in den Frauenkatalogen angelegt und angedacht ist: die Verbindung hesiodeisch-theogonischer und homerisch-zyklisch-trojanischer Epik – eine Verbindung, die u.a. stark über die Heraklesfigur erfolgt. Mit Blick auf die Motivik der Schildbeschreibung weist Galinsky (1972) 18 zu Recht darauf hin, dass in der Ekphrasis der Aspis im Vergleich zu derjenigen in Ilias 18 blutige Schlachten und ‚böse Monster‘ stärker dominieren (vgl. etwa die verschiedenen garstigen Personifikationen wie Phobos, Eris, usw. [Vv. 144–160]; 58 59

„Dieser (= Herakles) tötete auch Kyknos.“ Vgl. dazu auch Russo (21965) 86 (Anm. z.St.). Versuche, die Aspis als von der iliadischen/homerischen/zyklischen Tradition unabhängig zu erweisen und somit eine intertextuelle Abhängigkeit der Aspis von der iliadischen Schildbeschreibung auszuschliessen (vgl. besonders Pavese [1972; 1974; 1998]), müssen aller philologischen Akribie zum Trotz als verfehlt betrachtet werden – vgl. z.B. Most (2006) lvi–lvii; Zardini (2009) 8.

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die „zwölf Köpfe schrecklicher, unbeschreiblicher Schlangen“ [κεφαλαὶ δεινῶν […] οὔ τι φατεινῶν | δώδεκα, Vv. 161–162], die Herakles beschützen [Vv. 161– 167]; die grimmigen Eber und Löwen [Vv. 168–177]; das Gorgonenhaupt und die Gorgonen [Vv. 223–234]).60 Damit wird m.E. jedoch nicht primär (wie von Galinsky a.a.O. angenommen) auf die Kurzbeschreibung von Herakles’ Wehrgehenk in der Nekyia (Od. 11,609–614) rekurriert, sondern vielmehr – übergreifend – der Bogen zur Theogonie und ihrer Thematik geschlagen. Vereinfacht gesagt, ist auf Herakles’ Schild zu weiten Teilen die Welt der Theogonie dargestellt, die von furchteinflössenden Monstern bevölkert ist und noch nicht unter der stabilisierenden Weltherrschaft des Göttervaters Zeus steht, wohingegen der ausserhalb der Schildbeschreibung im Zweikampf gegen Kyknos agierende Herakles der Welt des Heldenepos angehört. Diese Zweiteilung lässt sich durchaus auch poetologisch lesen – und zwar in dem oben genannten Sinne, dass die Aspis (als spinoff der Frauenkataloge) von der Welt der Theogonie weg- und zu der der Heldenepik hinführt; ja, es lässt sich m.E. gar postulieren, dass die Welt der Untiere, der Monster und der Mischwesen, wie sie in der Theogonie etwa in der ‚Monsterpassage‘ (Th. 270–336, die Nachkommen des Phorkys und der Keto) in grosser Zahl zu finden sind und in hoher Kadenz von Herakles erlegt werden, in der Aspis, die ja ihrerseits aus den bereits Richtung Heldenepik tendierenden Frauenkatalogen herausgesponnen ist, nun keinen Platz auf der diegetischen Ebene mehr haben und deshalb – im Sinne einer externen Analepse auf eine vergangene Epoche bzw. ein früheres Werk, nämlich die Theogonie – auf den Schild des Herakles verbannt sind. In vergleichbarer Weise kann auch der Hinweis auf die Adlerfedern, die Herakles’ Pfeile schmücken, gelesen werden (Aspis 133–134, αὐτὰρ ὄπισθε | µόρφνοιο φλεγύαο καλυπτόµενοι πτερύγεσσι),61 insofern als die fraglichen Verse an Herakles’ Tötung des Prometheusadlers in Th. 526–534 zurückdenken lassen – die Federn ebendieses Adlers trägt Herakles nunmehr analog zum Fell des Nemeischen Löwen als Trophäe mit und auf sich. Mittels dieser intertextuellen Anspielung wird einerseits die Theogonie als Prä- und Intertext aufgerufen, andererseits jedoch wird die Prometheus-Episode auch klar einer früheren Epoche zugeordnet – ein wichtiges diegetisches Element der Theogonie wird zu einem Erinnerungsstück, einem Ornament ausserhalb der eigentlichen narratio der Aspis.62 Zusammenfassend lässt sich also konstatieren, dass die Heraklesfigur in den (ps.-)hesiodeischen Epen eine Veränderung durchläuft, indem sie in der Theogonie mit einer dezidierten Absetzung von der homerischen Heldenepik beginnt, sich in der Folge jedoch über die Frauenkataloge und deren spin-off, die Aspis, 60 61 62

In diesem Sinne vgl. auch Heffernan (1993) 22: „Unlike the shield of Achilles, the shield of Hercules is designed to be terrifying.“ „Doch hinten | waren sie mit den Federn eines dunkelfarbigen Adlervogels bedeckt.“ Aspis 134 ist sprachlich besonders markiert: Das Adjektiv µόρφνος ist ein seltenes Wort (in der archaischen Dichtung nur hier und in Il. 24,316), das Substantiv φλεγύας ist ein hapax legomenon (vgl. LfgrE s.v.).

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ebendieser wieder annähert: Die Theogonie fokussiert Herakles als Aufräumer und Kulturbringer, während die Frauenkataloge in ihm eher den Eroberer und Städtezerstörer sehen, ehe die Aspis die iliadische Analogie zwischen Achilleus und Herakles klar erkennbar aufruft und die Welt des theogonischen Monsterbezwingers programmatisch auf die Schildbeschreibung verbannt. Zugleich führen die Theogonie und die Frauenkataloge zwei Aspekte ein, welche den homerischen Epen noch fast gänzlich fremd sind: Herakles’ Apotheose und seine ehrenhalber verliehene Unsterblichkeit zum einen; seine Funktion im Dienste seines Vaters Zeus zwecks Mehrung von dessen Ruhm zum anderen. Diese beiden Aspekte stehen in der Aspis – ganz im Sinne von deren Annäherung an das homerische Heldenideal und der damit verbundenen programmatischen Verbannung der theogonischen Welt in die Metadiegese – nicht explizit im Vordergrund, treten jedoch implizit hervor, wenn wir die Aspis als werkinterne Erweiterung der Frauenkataloge verstehen wollen:63 Zum einen lässt sich Herakles’ ruhmreicher Sieg über Kyknos als foreshadowing von seines Vaters Zeus’ Erfolg bei der Anzettelung des Trojanischen Krieges zu Werkende (5. Buch, fr. 196–204) deuten; zum anderen wird Herakles’ Unsterblichkeit, die in einer repetitiven Erzählung doppelt referiert wurde (einmal zu Werkbeginn [fr. 25] und ein zweites Mal möglicherweise gegen Werkende [fr. 229]), mittels einer grossangelegten Erzählung seiner Aristie im Kampf gegen Kyknos, die vielleicht ungefähr in der Werkmitte (fr. 195) gestanden haben mag, zusätzlich bekräftigt.

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S.o. mit Anm. 58.

7 APOLLONIOS RHODIOS, ARGONAUTICA: DIE PROGRAMMATISCHE AMBIVALENZ DES HELDEN UND DAS VERHANDELN ALTERNATIVER ERZÄHLSTRATEGIEN Die Argonautica des Apollonios Rhodios führen Herakles, der chronologisch zur Argonautengeneration gehört (die ihrerseits ein bis zwei Generationen vor die Generation der Trojakämpfer anzusiedeln ist), in ihre Handlung ein, indem sie ihn am Argonautenzug teilnehmen lassen – doch lassen sie ihn bereits gegen Ende des ersten Buches wieder aus der Handlung ausscheiden, als Herakles auf der Suche nach seinem ἐρώµενος Hylas verloren geht und zurückgelassen wird. In der Folge jedoch wird die Erinnerung an den verlorenen Helden in verschiedenen narrativen Ausformungen mehrmals und in regelmässigen Abständen aufgerufen – d.h. der ‚Verbannung‘ der Figur aus der Diegese folgt eine Wiedereinschreibung in die Metadiegese –, ehe zu Ende des vierten Buches eine kurze Quasi-Wiederbegegnung zwischen einem der Argonauten und Herakles stattfindet. Die folgende Aufstellung zeigt die Herakles-Referenzen in den Argonautica unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Präsenzgrade der Figur: 1. Buch: Einführung der Heraklesfigur in die Diegese und Ausscheiden aus derselben: Arg. 1,122–132: Zu den gesamthaft 56 Argonauten, die die Argo besteigen (18–233: Bau der Argo und Katalog der Argonauten), gehört auch Herakles – er „eröffnet (Nr. 28 von 55) […] pointiert die zweite Katalog-Hälfte“:1 Er hat „die Kunde über die sich versammelnden Helden gehört“ (124) und unterbricht zu diesem Zweck seinen Dodekathlos (soeben hat er den Erymanthischen Eber [Arbeit Nr. 4] erlegt, den er noch lebend auf seinen Schultern trägt, 126–129), und zwar „gegen die Absicht des Eurystheus“ (130). Sein Begleiter ist der jugendliche Pfeil- und Bogenträger Hylas (131–132). Arg. 1,195–198: Im Zusammenhang mit der Nennung des jungen Meleager (Argonaut Nr. 46) wird noch einmal Herakles genannt: Herakles wäre, so heisst es, der einzige gewesen, der es mit Meleager hätte aufnehmen können, wäre dieser nicht noch so jung gewesen.2

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Dräger (2001a) 94; vgl. id. für einen Vergleich von Apollonios’ Heldenkatalog mit demjenigen bei Pind. Pyth. 4,171–183, wo Herakles an erster Stelle eines zehn (bzw. elf) Helden umfassenden Katalogs steht. Zu Apollonios’ Argonautenkatalog vgl. ferner auch Clauss (1991). Die Stelle ist so gemeint: Meleager war bei seiner Ankunft als Argonaut noch sehr jung und darum noch nicht zu voller Manneskraft herangereift. Wenn er jedoch bloss noch ein einziges Jahr länger in seiner Heimat Aitolien geblieben und dort noch mehr herangereift wäre (αὖθι µένων λυκάβαντα µετετράφη Αἰτωλοῖσιν, 198), wäre er von allen Argonauten der Stärkste gewesen (und hätte allen Angst eingejagt), so dass niemand sonst überhaupt gekommen wäre – ausser (vielleicht) Herakles, der es mit Meleager (gerade noch) hätte aufnehmen können. Vgl. zu der Stelle Glei/Natzel-Glei (1996), Bd. 1, 152; Dräger (2001a) 96–99; Grossardt (2001) 127–129; Dräger (2002) 440. Gemäss Dräger (2001a) 99 macht Apollonios Meleager

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Apollonios Rhodios, Argonautica: Die programmatische Ambivalenz Arg. 1,332–349: Im Anschluss an alle Reisevorbereitungen fordert Jason die Argonauten auf, „ohne Schonung [d.h. ohne Rücksicht auf irgendjemandes Wünsche etc.] den Besten zum Anführer zu wählen“ (τὸν ἄριστον ἀφειδήσαντες ἕλεσθε | ὄρχαµον, 338–339), worauf diskussionslos und einstimmig Herakles ernannt wird (341–343). Dieser aber lehnt die Wahl ab und befiehlt stattdessen, Jason selber und niemand anderer solle der Anführer der Argonauten sein (343–347), was wiederum von allen widerspruchslos gutgeheissen wird (348–349).3 Arg. 1,394–400: Den Argonauten werden die Ruderbänke auf der Argo per Los zugeteilt; nur Herakles sowie sein „Doppelgänger“4 Ankaios werden ohne das Los, sondern „einfach so“ (αὔτως, 400) in der Schiffsmitte platziert – weil sie aufgrund ihres Körpergewichts sonst das Schiff aus dem Gleichgewicht bringen würden (vgl. auch die folgenden Vv. 531–533).5 Arg. 1,425–431: Die beiden Haudegen Herakles und Ankaios schlachten im Anschluss an Jasons Bittgebet an Apollon (411–424) zwei Rinder. Die Schlachtung wird detailreich und unzimperlich beschrieben. Arg. 1,531–533: Im Kontext der Abfahrt der Argo (519–558) wird auf die zuvor vorgenommene Zuteilung der Ruderplätze (394–400; s.o. mit Anm. 5) Bezug genommen: Herakles und Ankaios sitzen wie zugewiesen in der Schiffsmitte. Das burleske Detail, dass Herakles seine Keule direkt neben sich abgelegt hat, fehlt dabei ebenso wenig wie die Rekurrenz auf Herakles’ Gewicht, das den Schiffskiel eintauchen lässt.



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absichtlich jünger, als er mythenchronologisch eigentlich wäre, um sich der Notwendigkeit zu begeben, ihm als Ares-Sohn (vgl. Hes. fr. 25,4) den Status eines ‚grossen‘ Helden zuerkennen zu müssen – ein Status, der in den Argonautica nach Dräger a.a.O. „ausschließlich ZeusNachkommen vorbehalten“ ist. Zum ‚demokratischen‘ „Heldentum der Gruppe“ (Glei/Natzel-Glei [1996], Bd. 1, 153), das sich an dieser Stelle (scheinbar) manifestiert, vgl. u.a. Carspecken (1952) 99–125 („a poem without a hero“, 125); Fränkel (1968) 66–67; Natzel (1992) 181–200; Clauss (1993) 61–66; Williams (1996) 24 (die darin einen stoischen Zug zu erkennen glaubt); für weitere Literatur vgl. Glei/Natzel-Glei a.a.O. Gegen die Auffassung, es fände eine tatsächliche ‚demokratische‘ Wahl statt, spricht freilich, dass Herakles Jason nicht zur Wahl vorschlägt, sondern ihn recht eigentlich zu dem Amt ‚verdonnert‘, indes aber auch keine weiteren Wahlvorschläge zulässt – was von den übrigen Argonauten alles widerspruchslos gutgeheissen wird. Alternative Sagenversionen, nach denen tatsächlich Herakles der Anführer des Argonautenzuges gewesen sei, existierten in der Antike (vgl. z.B. Dionysios Skytobrachion fr. 15a, p. 146.8 Rusten; Diod. 4,41,3; vgl. auch Adamietz [1970] 29) und klingen an dieser Stelle an; vgl. aber auch unten zur narrativen bzw. metapoetischen Bedeutung von Herakles’ (Nicht-)Wahl. Dräger (2002) 443. Zur Figur des Ankaios vgl. Graf (1997). Das Gewicht der beiden Helden bleibt dabei unausgesprochen, die Stelle ist jedoch eindeutig so zu verstehen. Apollonios spielt dabei einerseits auf eine in verschiedenen Quellen fassbare Mythenversion an, dergemäss Herakles bei der Einschiffung von der sprechenden Argo aufgrund seines Übergewichts zurückgewiesen und zum Verlassen des Schiffes aufgefordert worden sei (vgl. u.a. Schol. Arg. 1,1289–1291a, p. 116.14–18 Wendel; Antimachos fr. 58 Wyss = fr. 69 Matthews; Pherekydes FGrHist 3 F 111 [= Apollod. 1,188]; vgl. dazu Schwartz [1960] 204–205; Vian/Delage [1974] 44 [Anm. 2]; id. 251; Gantz [1993] 343–344; Matthews [1996] 212–214 [Kommentar zu Antimachos]). Andererseits klingt hier auch der Topos des verfressenen und deswegen übergewichtigen Hercules comicus an. Schliesslich bedeutet die ‚Einmittung‘ der beiden Helden aber auch eine besondere Ehrerbietung (so Vian/Delage [1974] 251 [Anm. z.St.]) und mag dementsprechend auch als Reflex alternativer Mythenversionen, denen gemäss Herakles der Anführer des Argonautenzuges war (vgl. Anm. 3), gesehen werden.

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Arg. 1,850–878: Aufenthalt der Argonauten auf Lemnos (609–909): Jason und die meisten der Argonauten haben sich auf Lemnos gemütlich eingerichtet und vergnügen sich mit den Lemnierinnen (Jason mit Hypsipyle, 853.872–874), die nach der Ermordung ihrer Männer wieder auf neue Fortpflanzungsmöglichkeiten angewiesen sind.6 Alle feiern und vergnügen sich, so dass sich die Weiterreise immer länger verzögert; nur Herakles und ein paar wenige andere sind beim Schiff zurückgeblieben. Da versammelt Herakles die Argonauten und ermahnt sie in einer flammenden und mit sarkastischen Spitzen gegen Jason versetzten Rede zur Weiterfahrt (865–874), worauf ihm alle ohne Widerspruch gehorchen und sich zur Weiterfahrt aufmachen (875–878).7 Arg. 1,989–997: Im Kampf der Argonauten gegen die Erdgeborenen in Kyzikos streckt Herakles zahlreiche Feinde mit Pfeil und Bogen nieder – wobei Hera die Erdgeborenen „als Mühsal für Herakles“ (997) absichtlich stärkt.8 Arg. 1,1040–1041: Im nächtlichen Kampf der Argonauten gegen die Dolionen, welche die Argonauten in der Dunkelheit nur versehentlich für Feinde halten und deswegen ungewollt niedermetzeln, erschlägt Herakles zwei Gegner. Arg. 1,1159–1357: Die Hylas-Episode und die Zurücklassung des Herakles:9 1159–1206: Der Ruderbruch: Auf der Weiterfahrt nach Mysien ermüden alle Argonauten mit Ausnahme des Herakles; dieser jedoch rudert umso emsiger weiter und zerbricht

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Zum Mythos der männermordenden Lemnierinnen, ihrer Darstellung bei Apollonios sowie dessen möglichen Quellen und weiteren Parallelversionen vgl. Dumézil (1924); Vian/Delage (1974) 19–28; Gantz (1993) 343–345; Dräger (1999a); Masciadri (2008) 164–201 (mit 164 Anm. 228 für weitere Literatur). Zum beissenden Sarkasmus der Vv. 873–874 vgl. Vian/Delage (1974) 91 (Anm. 2 z.St.); zu den homerischen Vorbildern von Herakles’ Invektive (Il. 2,235–242: Thersites gegen Agamemnon; Od. 10,472–474: Odysseus’ Gefährten gegen Odysseus) vgl. Dräger (2002) 451 (Anm. z.St.). Fränkel (1957; 1968) 115 sieht im zur Weiterfahrt mahnenden Herakles ein Abbild des Hercules Stoicus (s. dazu auch unten), Heerink (2015) 23–24 dagegen den an Frauen nicht interessierten Päderasten (mit 168, Anm. 7 für weiterführende Literatur). Die Passage ist wohl eine Eigenerfindung des Apollonios; vgl. Fränkel (1968) 126 (Anm. z.St.); Adamietz (1970) 33 [Anm. 14]: „Die Episode besitzt keinerlei Bedeutung für die übrige Handlung und weist stark märchenhafte Züge auf.“; Dräger (2002) 453 [Anm. z.St.]: „Der Zeus-Sohn Herakles wird durch eine Erfindung des Apollonios noch kurz vor seinem Ausscheiden durch eine Heldentat herausgehoben.“ Dieselbe Episode ist bekanntlich auch Gegenstand von Theokrits Idyll 13; die Frage nach der Priorität der beiden Hylas-Episoden war und ist deshalb seit Jahrzehnten Gegenstand „endlose[r] Diskussion […], ohne daß Einigkeit erzielt worden wäre“ (Glei/Natzel-Glei [1996], Bd. 1, 158); vgl. beispielsweise Tränkle (1963); Köhnken (1965) 32–83; Tränkle (1967) (= Rezension von Köhnken [1965]); Fuchs (1969); Levin (1971a) 110–128; Pulbrook (1983); Effe (1992); Bernsdorff (1994); Stanzel (1995) 229–235; Köhnken (1996); Mauerhofer (2004) 103–112; Köhnken (22008) 83–93; Acosta-Hughes (2012) 255–256. Für einen Überblick über den neueren Forschungsstand vgl. Mauerhofer a.a.O. sowie den knappen Abriss bei Glei (22008) 22–23. Die Prioritätsfrage, die sich mutatis mutandis auch für das Verhältnis zwischen Arg. 2,1–97 und Theok. Id. 22,27–134 stellt (die sog. Amykos-Episode; vgl. dazu etwa Köhnken [1965] 84–121 oder Sens [1997] 24–33, mit weiterer Literatur), ist für unsere Fragestellung irrelevant.

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Apollonios Rhodios, Argonautica: Die programmatische Ambivalenz dabei sein Ruder (1159–1171).10 An ihrem Ziel angekommen, werden die Argonauten von den Mysern gastfreundlich aufgenommen und bewirtet (1172–1186); Herakles jedoch verzichtet auf das gemeinsame Mahl und die Nachtruhe, um stattdessen einen passenden Baum für ein neues Ruder im Wald zu suchen (1187–1206: umfassende Beschreibung, wie Herakles mit blosser Körperkraft einen ganzen Baum aus der Erde reisst). 1207–1272: Hylas’ Entführung: In der Zwischenzeit ist Hylas auf der Suche nach einer Quelle, um für Herakles frisches Wasser zu beschaffen. In die Schilderung seines Wassergangs ist eine kurze Erzählung über Hylas’ Vater Theiodamas eingeflochten, den Herakles in einem Streit um einen Pflugstier einst getötet hatte (1211–1220); diese kleine Binnenerzählung wird jedoch vorzeitig vom primary narrator wieder abgebrochen, weil „dies [alles] mich wohl [zu] weit vom [Thema meines] Gesanges abirren lassen dürfte“ (ἀλλὰ τὰ µὲν τηλοῦ κεν ἀποπλάγξειεν ἀοιδῆς, 1220). Hylas findet eine Quelle; an dieser tummeln sich zahlreiche Nymphen, von denen sich eine sofort in den schönen Jüngling verliebt, weshalb sie ihn, als er den Schöpfkrug ins Wasser hält, am Arm packt und zu sich hinunterzieht (1221–1239). Polyphemos hört als einziger Hylas’ Schreien und eilt ihm sogleich zu Hilfe, doch kann er ihn nicht finden (1240–1252). Er trifft Herakles und berichtet ihm von dem Geschehenen (1253–1260), worauf Herakles in Zorn gerät, seinen Baum zu Boden wirft und sich, wild geworden, auf die Suche nach seinem ἐρώµενος macht (1261–1272). 1273–1357: Just in dem Moment kommt eine Brise auf, und Tiphys, der von dem Geschehenen nichts mitbekommen hat, gemahnt zur Weiterfahrt; die Argonauten brechen auf und bemerken Herakles’ Fehlen erst am anderen Morgen (1273–1283). Da bricht ein heftiger Streit aus, wobei Jason in seiner für ihn charakteristischen „Hilflosigkeit“ (ἀµηχανίη, 1286) nichts sagt. Telamon schilt Jason deswegen und beleidigt ihn (1290– 1295); dann geht er auf Tiphys los, wird aber von den beiden Boreaden zurückgehalten (1296–1309). Da erscheint – sozusagen als deus ex mari – der Meeresgott Glaukos, „der vielverständige Prophet des göttlichen Nereus“ (1311), und verkündet den Argonauten, dass es sowohl Herakles als auch Polyphemos und Hylas nicht bestimmt sei, an der weiteren Fahrt teilzunehmen (1310–1325).11 Telamon bereut darauf seine harschen Worte gegen Jason und entschuldigt sich bei diesem (1329–1335);12 dieser akzeptiert die Entschuldigung (1336–1344). Die Passage, die auch das gesamte 1. Buch beschliesst, endet mit einem αἴτιον, das erklärt, weshalb die Kianer bis heute – einem Befehl des Herakles folgend – nach Hylas suchen (1345–1357). 2.–4. Buch: Aufrufen der Heraklesfigur in der Metadiegese:13 Arg. 2,144–154: Nach der siegreichen Schlacht gegen die Bebryker (98–163) denken die Argonauten an Herakles zurück: Wäre er noch hier gewesen, so hätte er den Faustkampf zwi-

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Die Vv. 1159–1171 greifen wohl eine bei Arist. Polit. 1284a 22–25 greifbare Mythenfassung auf, dergemäss Herakles von der sprechenden Argo nicht wegen seines Übergewichts (vgl. Arg. 1,394–400; 1,531–533; meine Anm. 5), sondern vielmehr wegen seiner überbordenden Körperkraft abgewiesen wurde (vgl. dazu Vian/Delage [1974] 44 [Anm. 2]; id. 105 [Anm. 3 z.St.]). Zum ‚Auftauchen‘ des prophetischen Glaukos vgl. Hunter (1986) 52; Feeney (1991) 71; zur Figur des Glaukos Scherf (1998). Zu Jasons Versöhnungsrede an Telamon (Vv. 1337–1343) vgl. Fränkel (1968) 153. Zu den Herakles-Referenzen in Argonautica Buch 2 vgl. Philbrick (2011), die eine Typisierung in vier Kategorien vornimmt: „explicit mention“, „verbal echo“, „extrapolative allusion“ und „geographic reference“.

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schen Amykos und Polydeukes (1–97) nicht zugelassen, sondern er hätte Ersterem „mit der Keule klargemacht, | seinen Hochmut mitsamt seinen Gesetzen zu vergessen“ (149–150).14 Arg. 2,762–771: Jason erzählt Lykos, bei dem er und die Argonauten gastliche Aufnahme gefunden haben, ihre bisherigen Erlebnisse.15 Diese an die Binnenerzählung des Odysseus bei den Phaiaken (Odyssee 9–12) angelehnte Rekapitulation der Geschehnisse wird vom primary narrator in einer knappen, in indirekter Rede referierten Zusammenfassung wiedergegeben.16 Dabei wird auch die Zurücklassung des Herakles genannt (766–767). Arg. 2,771–795: Lykos wird von der Erzählung über Herakles’ Zurücklassung besonders ergriffen, was ihn veranlasst, seinerseits – in einer Art Mini-Herakleis – seine früheren Erlebnisse mit Herakles zu erzählen: Herakles kam kürzlich bei Lykos vorbei, als er auf dem Weg war, den Gürtel der Amazone Hippolyte (Arbeit Nr. 9 im Dodekathlos) zu holen:17 Herakles besiegte die Myser, die Mygdoner und die Bithyner, die allesamt Lykos bedrängten; seit Herakles jedoch wieder gegangen ist, wird er von Amykos und den Bebrykern – die die Argonauten soeben erst besiegt haben (s.o.) – gepeinigt. Lykos bemitleidet die Argonauten, dass sie „eines solchen Mannes Beistands verlustig geworden“ sind (774). Arg. 2,911–914: Bei ihrer Weiterfahrt nach dem Aufenthalt bei Lykos kommen die Argonauten beim Grab des Sthenelos vorbei, der mit Herakles am Amazonenkrieg teilgenommen hatte und gefallen war.18 Arg. 2,955–971: Die Argonauten treffen auf die drei Söhne des Deimachos, die wie Sthenelos (s.o., 911–914) Begleiter des Herakles in dessen Zug gegen die Amazonen gewesen waren und später von ihm getrennt wurden. Die Argonauten nehmen die drei Männer auf ihre Reise mit.19 Mit der Mitnahme der drei (sowie bereits kurz zuvor des Daskylos, Arg. 2,802–803) werden die erlittenen Verluste (Herakles, Hylas und Polyphemos; ausserdem Idmon und Tiphys [2,815–857]) kompensiert.20 Auf der anschliessenden Fahrt kommen sie am Kap der Amazonen (965) vorbei, wodurch erneut die Erinnerung an Herakles und den Amazonenkrieg aufgerufen wird (966–969). Arg. 2,1047–1059: Die Argonauten müssen auf der Insel Aretias die mit tödlichen Pfeilfedern ausgestatteten Vögel des Ares bezwingen (1030–1089). Amphidamas schlägt vor, die Vögel

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Zu der Passage vgl. den Kommentar von Cuypers (1997) 169–173. Es ist grammatikalisch nicht eindeutig, ob in den Vv. 149–150 Ἡρακλῆα als Subjektsakkusativ (zu deduzieren aus Ἡρακλῆα in V. 146) dazuzudenken ist; vgl. Cuypers (1997) 172–173. „Jason [trägt] seinem Gastfreund sozusagen die Argonautika des Apollonios vor, bis zu dem jetzt erreichten Punkt […]“ (Fränkel [1968] 230 [Anm. zu Arg. 2,761–772]). Narratologisch gesprochen, liegt hier eine Form extremer compression vor; vgl. Levin (1971a) 185: „In effect, lines 762-771 of Arg. II constitute a sort of outline of the topics successively covered in what must have been a very lengthy narrative, corresponding to those portions of the epic already set forth by the poet himself.“ Die Begegnung zwischen Lykos und Herakles muss in der Zeit zwischen Herakles’ Zurücklassung durch die Argonauten und der Ankunft Letzterer bei Lykos stattgefunden haben, denn Herakles hatte bei Beginn der Argonautenfahrt seine 4. Arbeit (Erymanthischer Eber) soeben beendet und war bei seinem Zusammentreffen mit Lykos gerade auf dem Weg zur 9. Arbeit (Hippolyte). Zur Figur des Sthenelos vgl. Eiben (2001). Vgl. den Kommentar bei Fränkel (1968) 250–251 zur Gestaltung der Episode; Vian/Delage (1974) 280–281 zu den Parallelüberlieferungen; ferner auch Palombi (1993). Vgl. Glei/Natzel-Glei (1996), Bd. 1, 167 und Dräger (2002) 472–473 (Anm. z.St.).

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Apollonios Rhodios, Argonautica: Die programmatische Ambivalenz mit künstlich erzeugtem Lärm zu verschrecken – als Vorbild dient ihm Herakles, der die Stymphalischen Vögel (Arbeit Nr. 6 im Dodekathlos) auf Phineus’ Geheiss erst mit bronzenen Kastagnetten aufscheuchte, ehe er sie mit seinen Pfeilen niederstreckte.21 Arg. 3,1231–1234: Die Wappnung des Aietes (1225–1245), die die typische Szene einer homerischen Panhoplie anreisst, diese jedoch nicht vollständig durchführt,22 inkludiert auch eine auktoriale Bemerkung, dass lediglich Herakles – so er von den Argonauten nicht zurückgelassen worden wäre – der Lanze des Aietes hätte standhalten können. Arg. 4,537–543: Nachdem die Argonauten die Kolcher in die Flucht geschlagen haben, halten sie sich beim Stamm der Hylleer auf (492–551), die sich auf Hyllos, einen Sohn von Herakles und Melite, zurückführen. Die Stelle ruft die Erinnerung an die erste Begegnung zwischen Herakles und Melite auf.23 Arg. 4,1393–1482: Während ihrer Landreise durch Libyen (1223–1622) begegnen die Argonauten auch den Hesperiden und machen sich von da aus – nun endlich – auf die Suche nach Herakles:24 Auf der Suche nach Wasser kommen die Argonauten zu den Hesperiden, die eben erst von Herakles ihrer goldenen Äpfel beraubt worden sind, und die Wächterschlange Ladon – von Herakles’ vergifteten Pfeilen getötet – liegt noch zuckend am Boden (1393–1407). Als sich die Argonauten nähern, zerfallen die klagenden Hesperiden sofort zu Staub, was Orpheus als Zeichen für deren Apotheose deutet, woraufhin er sie bittet, zu erscheinen und ihnen den Weg zu Wasser zu weisen (1408–1421).25 Sogleich erscheinen die Hesperiden in Form von Bäumen (1422–1430).26 Eine von ihnen – Aigle – erzählt mit einer Mischung aus Zorn, Verbitterung und Sarkasmus, wie Herakles, „der ach so hündische“ (ὁ κύντατος, 1433), ihnen nur Kummer gebracht und anschliessend aus einem Felsen in der Nähe eine Quelle gehauen hat (1431–1449). Darauf stürmen die Argonauten sogleich zu ebendieser Quelle, wo sie sich satttrinken und sodann aus Dankbarkeit den Beschluss fassen, Herakles nun doch noch zu suchen

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Der See Stymphalos ist in Arkadien lokalisiert; „Amphidamas kann als Augenzeuge […] sprechen, da er aus Tegea in Arkadien stammt (1,162)“ (Dräger [2002] 474 [Anm. z.St.]). Zur homerischen Panhoplie vgl. die grundlegenden Arbeiten von Arend (1933) 92–97 und Armstrong (1958). Zu der in dieser Form sonst nicht bezeugten Sagenversion von Herakles’ Sohn Hyllos vgl. die Kommentare bei Livrea (1973) 167–168 und Dräger (2002) 528. Zu Hyllos ferner auch Prinz (1979) 245–250; Burkert (1997) 97–98. Zu der Episode vgl. die Kommentare bei Livrea (1973) 393–416; Dräger (2002) 551–552; Hunter (2015) 268–281; ferner Levin (1971b) 22–24; Beye (1982) 149; Kyriakou (1995) 260–261; Kouremenos (1996) 242–248. Zur vieldiskutierten Rolle des Orpheus in den Argonautica vgl. etwa Busch (1993); Köhnken (1996) 22–27; Cuypers (2004) 58–60 (mit 60 Anm. 30 für weitere Literatur); Scherer (2006) 115–124 (mit 115 Anm. 387 für weitere Literatur); Mori (2008) 74–82; Karanika (2010) (mit 392 Anm. 5 für weitere Literatur); Klooster (2011) 75–87. Zu Orpheus’ Prophezeiung in Arg. 4,1411–1421 vgl. Karanika (2010) 404–405. Zu der im Zeitraffer erfolgenden Metamorphose der Hesperiden vgl. Fränkel (1968) 600: „Die gutherzigen Wesen waren willig die erbetene Auskunft zu spenden, aber als ‚Staub und Erde‘ (1408) konnten sie nicht reden; erst mußten sie wieder Menschengestalt annehmen. Unmittelbar war das aber nach Märchenlogik nicht möglich; vorher mußten sie die drei Bäume werden die ihren drei Naturen entsprachen, und auch das nicht mit einem Schlag sondern stufenweise: im Zeitraffertempo durchliefen sie die regelrechten Wandlungen kraft deren sich stattliche Bäume aus Erde bilden. Wenn auch die Argonauten zu durstig gewesen sein werden um das erbauliche Schauspiel gebührend zu genießen, so hat doch der Leser seine reine Freude daran.“

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(1450–1462). Verschiedene Argonauten werden zu diesem Zweck ausgesandt; allein Lynkeus (der „Luchsäugige“ [zu λύγξ „Luchs“])27erblickt Herakles weit in der Ferne, so dass sie ihn nicht mehr einholen können (1477–1482).

In der Apolloniosforschung herrscht im Kern Einigkeit über die (vermeintliche) Funktion des Herakles in den Argonautica: Herakles stelle – so nimmt die Mehrheit der Interpreten an – eine Kontrastfigur, ein Gegenbild, einen positiv konnotierten sidekick zu Jason dar, der seinerseits in seiner sprichwörtlichen ἀµηχανίη – seiner Unentschlossenheit, seiner Handlungsunfähigkeit, seiner Führungsschwäche – dem traditionellen epischen Heldenbild nicht entspreche bzw. sich diesem entziehe und/oder sich ihm (mehr oder weniger aktiv) verweigere.28 Tatsächlich qualifiziert der Erzähler der Argonautica Jason an mehreren Stellen als ἀµήχανος (Arg. 1,460; 1,1286; 2,410; 2,885; 3,423; 3,432); der Stamm ἀµηχαν- findet sich darüber hinaus an gesamthaft 26 weiteren Stellen in den Argonautica, womit die Ratlosigkeit, das Unvermögen oder die Handlungsunfähigkeit auch anderer Personen oder Personengruppen charakterisiert werden. Herakles dagegen repräsentiere einen Helden vom ‚alten Schlag‘, vor dessen Hintergrund der durch Jason verkörperte ‚neue‘ (Anti-)Heldentypus umso deutlicher zur Geltung komme. Hierin wird auch der hauptsächliche Grund für Herakles’ vorzeitiges Ausscheiden aus der Handlung gesehen: Seine antithetische Funktion, mit der er in gewisser – indirekter – Weise auch die Funktion eines Mentors gegenüber Jason einnimmt, sei mit Ende des 1. Buches erfüllt; von nun an sei Jason, allen seinen Schwächen zum Trotz, selber in der Lage, die Mission zu Ende zu bringen.29 Dementsprechend 27

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Zu Lynkeus’ funktionalisiertem, sprechendem Namen vgl. Dräger (2002) 439. Die Behauptung von Natzel (1992) 197 (Anm. 68), Lynkeus’ im Argonautenkatalog geschilderte überragende Sehkraft (Arg. 1,153–155) sei mit Blick auf den weiteren Handlungsverlauf „völlig funktionslos“, d.h. sie werde im Katalog nur um ihrer selbst willen genannt und nachher nicht mehr ‚gebraucht‘, ist somit als verfehlt zu bezeichnen. In der Tat ist es bezeichnend, dass nur ein Mensch mit übermenschlicher Sehkraft nunmehr noch in der Lage ist, den bald zu vergottenden und somit nicht mehr erreichbaren Herakles – auf die bevorstehende Apotheose deutet die Einholung der Äpfel der Hesperiden schon klar voraus (vgl. Anm. 7 in Kap. 6.1) – überhaupt noch zu erblicken. Zu Jasons ἀµηχανίη und seiner damit verbundenen Zeichnung als Antiheld bzw. als Mensch mit menschlichen Schwächen vgl. beispielsweise Hadas (1936); Vian (1963b) 26–27; Lawall (1966); Vian (1978); Klein (1983) (der in Jasons ἀµηχανίη einen skeptischen Zug sieht); Hunter (1988); Jackson (1992); Oliver (2015) 134–139; für weitere Literaturangaben vgl. Carspecken (1952) 99–100; Levin (1971a) 57 (Anm. 4); Pietsch (1999) 100 (Anm. 3). In diesem Sinne z.B. Lawall (1966) 131: „By the end of Book 1 [Heracles] has served his main function as a foil to the Argonauts and to Jason […]. He is removed from the stage so that Apollonius can explore the potential and limitations of more contemporary and more strictly human character types.“; Clauss (1993) 13: „[I]t is at the conclusion of Book 1 that Apollonius identifies Jason as the hero of the epic in contradistinction to the quintessential archaic hero, Heracles.“; Mori (2008) 60: „The diplomatic Jason and the violent Heracles represent different heroic types […], and initially appear to be political rivals. However, Heracles is soon revealed as supportive of Jason, at least to a limited extent, and his impulsive temperament serves as a counterweight rather than a threat.“ Zu weiteren möglichen Erklä-

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fasst Papadimitropoulous (2006) 42 die communis opinio der Apolloniosforschung bezüglich Herakles wie folgt zusammen: Most of the critics agree that Heracles mainly serves as a foil to Jason and that he defines his special nature by contrast. That remark up to a certain degree is also valid for the rest of the Argonauts as a whole. In order that this function be achieved Heracles is presented as distinctively disruptive, never fully assimilated into the crew.

In ähnlicher Weise resümiert Pietsch (1999) 99–100 diese allgemeine Forschungstendenz folgendermassen: Die Forschung geht in der Frage nach der Konzeption seiner (= Jasons) Persönlichkeit überwiegend davon aus, daß Apollonios gezielt einen Bruch mit der epischen Tradition habe herbeiführen wollen, denn Iason entspreche dem traditionellen, übermenschlichen Heldenideal nicht. Im Gegenteil sei er gerade bewußt als Anti-Heros, zumindest aber im Zuge des alexandrinischen Dranges nach realistischer Darstellung unheroisch, alltäglich und aus dem Wissen um Schwäche und Verletzlichkeit des Menschen gestaltet. Er sei so recht das Gegenteil des nach dem Vorbild traditioneller epischer Charaktere gestalteten Herakles, der daher auch in diesem unepischen Epos konsequenterweise keinen Platz finde und frühzeitig ausscheiden müsse.30

Zuweilen hat man in der neueren Forschung sodann auch versucht, Jasons ramponierten Ruf wiederherzustellen: Natzel (1992) 195 versucht das apollonische Jasonbild dahingehend zu differenzieren, dass Jason ein „positiver Held im Umgang mit Männern“, jedoch ein „negativer Held im Umgang mit Frauen“ sei. Pietsch (1999) 125–158 wägt die positiven Eigenschaften Jasons gegen die negativen auf und kommt zum Schluss, dass „Iasons Charakter […] dem Erfordernis der aristotelischen µέση ἕξις“ entspreche (262). Heerink (2015) 22 konzediert Jasons negative Qualitäten, attestiert ihm aber auch positive Seiten „such as his beauty and his intelligence“. Einige Interpreten nehmen auch eine durchgehend oder zumindest mehrheitlich positive Bewertung von Jasons Führungsrolle und/oder Charakter vor.31 Wie auch immer man jedoch das apollonische Jasonbild modifizieren bzw. einzelne Aspekte von Jasons Charakterzeichnung gewichten will – es bleibt dabei, dass sich ein antithetisches Verhältnis zwischen Jason und Herakles im ersten Buch der Argonautica sehr klar erkennen lässt. Geradezu überdeutlich ist dies bei deren erstem Zusammentreffen im Kontext der Wahl eines Anführers der Fall (Arg. 1,332–349). Die Tatsache, dass Herakles von den

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rungen für die Notwendigkeit von Herakles’ Ausscheiden am Ende des 1. Buches vgl. die Übersicht bei Mauerhofer (2004) 67–68 (mit Anm. 1–4). Zu Deutungen des apollonischen Herakles in dieser und ähnlicher Weise vgl. etwa auch Carspecken (1952) 118–121; Lawall (1966) 123–131; Galinsky (1972) 108–110; Beye (1982) 93–98; Clauss (1993) 196–197; DeForest (1994) 47–69; Papadimitropoulous (2006) 42–52; anderer Ansicht beispielsweise Hunter (1993) 32–36. Weitere Literaturangaben bei Carspecken (1952) 120; Pietsch (1999) 100 (Anm. 3 und 4); vgl. ferner auch den Forschungsüberblick bei Glei (22008) 6–12. Vgl. z.B. Williams (1996), die in Jason einen ‚Stoiker‘ sieht; Mori 2008); Lu (2013) 215– 255; Cuypers (1997) 6, der Jason Qualitäten zuschreibt „associated with civilisation, and which enable one to function within society“.

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anwesenden Argonauten ohne vorhergehende Diskussion zum Anführer gewählt wird, wie auch dass ebenjene nach seiner Ablehnung der Wahl sich dessen Weisung, stattdessen Jason und keinen anderen zu ernennen, ebenso widerspruchslos fügen, zeigt die nachgerade uneingeschränkte und von den Argonauten nicht in Frage gestellte Autorität des Herakles. Dass sich Herakles selber dieser Autorität vollumfänglich bewusst ist, zeigt sich, wenn er sagt, dass er die mögliche Kandidatur eines jeden anderen Argonauten verhindern werde (Arg. 1,346). Jason wird also nicht ernannt, weil er etwa aufgrund seiner Führungsqualitäten als dazu geeignet erschiene oder aber weil er als Nutzniesser der ganzen Expedition als deren Anführer ja durchaus prädestiniert wäre, sondern schlichtweg darum, weil Herakles ihn dazu ‚verdonnert‘ – er wird, so Köhnken (2003) 21, „zum Anführer der Argonautenexpedition von Herakles’ Gnaden“. Dass Herakles Jason nicht wegen allfälliger Führungsqualitäten, sondern trotz seiner ἀµηχανίη vorschlägt, wird aus dem Ton seiner Worte, die eine klare Antipathie gegen Jason verraten, sehr klar deutlich (Arg. 1,347): αὐτὸς ὅ τις ξυνάγειρε καὶ ἀρχεύοι ὁµάδοιο.32 Der negative Unterton in Herakles’ Worten kommt insbesondere durch das Wort ὅµαδος zustande, welches im archaischen Epos sowohl „Lärm, Tumult“ als auch „Getümmel, Haufen“ bedeutet (so LfgrE s.v.), also mit Unruhe und Durcheinander assoziiert ist; mit dieser Wortwahl suggeriert Herakles, dass er die Argonautenschar als zusammengewürfelten Haufen und dementsprechend Jason als einen ihrer würdigen Anführer betrachtet.33 Herakles’ Abneigung gegen Jason kommt ferner auch dadurch zum Ausdruck, dass er seine Worte im Sitzen spricht (Arg. 1,343 αὐτόθεν ἔνθα περ ἧστο), was der guten epischen Praxis, Worte, die an die Heeresversammlung gerichtet werden, im Stehen zu sprechen,34 entgegenläuft; gleichzeitig jedoch bekräftigt dieses Verhalten abermals Herakles’ Autorität innerhalb der Argonautenmannschaft: als einziger scheint er es nicht einmal nötig zu haben, zum Sprechen seines Machtworts sich zu erheben – eine Armbewegung (Arg. 1,344 δεξιτερὴν ἀνὰ χεῖρα τανύσσατο) ist in seinem Fall hierfür genügend. Die figürliche Antithese zwischen Jason und Herakles wird hier beim ersten konkreten Aufeinandertreffen also deutlich herausgestellt und auf zwei Ebenen etabliert: einerseits durch Herakles’ unverhohlene Antipathie gegenüber Jason; andererseits durch den Umstand, dass der zum Führungsamt Befähigte und Gewählte ebendieses Amt demjenigen aufs Auge drückt, der dazu denkbar ungeeignet erscheint und von den Argonauten bloss gewählt wird, weil der eigentlich Gewählte dies so verordnet.35 32 33

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„Er, der [uns hier] zusammengesammelt hat, soll persönlich auch den Haufen anführen.“ In den Argonautica findet sich das Wort ὅµαδος ausserdem in 1,1051 (von den Dolionen, die „in einem [wirren] Durcheinander“ vor den Argonauten fliehen); 2,1077–1078 (vom „Lärm aus der Meute von Männern, die sich nähern“); 3,270 (vom emsigen Treiben einer „Schar“ von Dienern); 4,198 (von der „[Kriegs-]Schar“ des Aietes). Vgl. z.B. Il. 1,57–58; 1,68–69; 2,76–77; 9,52; 19,54–55. Vgl. Beye (1982) 31: „Heracles’ perhaps coy insistence that they choose Jason is of course the perfect ironic revelation of his own authority and Jason’s lack of it.“

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Die Antithese zwischen Herakles und Jason, die sich u.a. stark in der Antipathie des Ersteren gegenüber Letzterem manifestiert, zeigt sich im folgenden Handlungsverlauf ein zweites Mal eklatant im Kontext der Lemnierinnen-Episode (Arg. 1,609–909), als Herakles die Argonauten wegen ihres Schlendrian tadelt und sie zur sofortigen Weiterfahrt ermahnt (Arg. 1,865–874), wobei er Jason mit beissendem Spott und Hohn begiesst (Arg. 1,872–874): τὸν δ᾿ ἐνὶ λέκτροις | Ὑψιπύλης εἰᾶτε πανήµερον, εἰσόκε Λῆµνον | παισὶν ἐπανδρώσῃ µεγάλη τέ ἑ βάξις ἔχῃσιν.36 Dabei ist v.a. der Sarkasmus mit Bezug auf Jasons zweifelhaften „Ruhm“ (βάξις) „in Hypsipyles Bett“ von Belang, ist doch bereits in der Ilias der Vorwurf, „weibstoll“ (γυναιµανής) zu sein, eine schwere Beleidigung und das Gegenteil dessen, was von einem nach echtem κλέος strebenden Helden zu erwarten ist.37 Alles in allem zeigt sich also hier die innere Haltung, ja die Verachtung des Herakles gegenüber Jason und dessen ἀµηχανίη so deutlich wie nirgendwo sonst. Zugleich wird evident, dass Herakles’ mahnende Worte ausreichen, um die Argonauten (inkl. Jason) zum sofortigen Umdenken zu bringen und somit zur Weiterfahrt zu bewegen. Herakles’ uneingeschränkte Autorität scheint hier auf ihrem Höhepunkt zu sein, wenn es vonseiten des Erzählers heisst, dass „keiner sich getraute, die Augen zu erheben oder ihn anzureden“ (ἐναντία δ᾿ οὔ νύ τις ἔτλη | ὄµµατ᾿ ἀνασχεθέειν οὐδὲ προτιµυθήσασθαι, Arg. 1,875–876). Typologisch gesehen, inkludiert die Passage in der Lemnierinnen-Episode einerseits die Vorstellung von der Figur des Hercules Stoicus, der auf alle Vergnügungen verzichtet und zur Weiterfahrt mahnt;38 andererseits klingt jedoch auch das tragische Motiv des Hercules furens an, der in seinem Jähzorn zu folgenschweren Wut- und Gewaltausbrüchen neigt (wovon wir wenig später eine ‚Kostprobe‘ bekommen, als Herakles aus Wut über den entführten Hylas den kurz vorher ausgerissenen Baum zu Boden wirft)39 – so dass die Argonauten ihm ohne Widerspruch sogleich gehorchen, ja nicht einmal den Blick zu heben wagen. An diesem Punkt wird auf einer Metaebene die bei der (Nicht-)Wahl des Herakles ins Spiel gebrachte Frage nach dem geeigneten Anführer noch einmal differenzierter diskutiert: War die ursprüngliche Wahl der Argonauten klar auf Herakles als „den 36 37

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„Den aber (= Jason) | lasst [von mir aus] den ganzen Tag in Hypsipyles Bett, bis er [ganz] Lemnos | mit männlichen Kindern bevölkert und grossen Ruhm er hat.“ An zwei Stellen in der Ilias schilt Hektor seinen Bruder Paris so (Il. 3,39 = Il. 13,769). Ebenfalls aufgerufen wird Thersites’ Scheltrede gegen Agamemnon in Il. 2,225–242, der für seine Raffgier und sein überbordendes Interesse an Frauen getadelt und verspottet wird (vgl. auch meine Anm. 7). Zum Streben der apollonischen Helden nach κλέος vgl. Pietsch (1999) 90–93. Vgl. Fränkel (1968) 115. – Eine spätere epische Wiederaufnahme des Hercules Stoicus findet sich möglicherweise in Panyassis’ Herakleia, fr. 20–21 Matthews; vgl. West (2003) 207 (Anm. 21) (anders Matthews [1974] 77 [Anm. z.St.]). Arg. 1,1263: χωόµενος δ᾿ ἐλάτην χαµάδις βάλεν. („Und vor Zorn warf er die Tanne zu Boden.“) Vgl. auch Lawall (1966) 127; Natzel (1992) 199. Das nachfolgende Gleichnis (Arg. 1,1265–1272), in welchem Herakles mit einem von einem Bremsenstich wildgewordenen Stier verglichen wird, illustriert das aufbrausende Temperament des Helden überaus anschaulich; vgl. dazu auch Reitz (1996) 32–37.

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Besten“ (τὸν ἄριστον, Arg. 1,338) gefallen,40 hatten also die Argonauten aus freien Stücken Herakles als den zur Führung Fähigsten angesehen und nur infolge dessen Ablehnung des Amtes auf seine Führerschaft verzichten müssen, so drängt sich nun unweigerlich die Frage auf, ob Herakles tatsächlich die bessere Option gewesen wäre, denn einerseits besitzt er zweifellos die Fähigkeit, seinen Willen und das nach seiner Meinung Richtige durchzusetzen, doch sind auf der anderen Seite sein aufbrausendes Temperament und seine ‚Einschüchterungspolitik‘ eindeutige Negativpunkte, die in dieser Passage deutlich in den Vordergrund gestellt werden. Anders gesagt: Auch Herakles’ Führerschaft weist Aspekte von ἀµηχανίη auf – wenn auch ganz anders geartete als die des Jason. Die Frage, ob Herakles der bessere Anführer der Argonauten gewesen wäre als Jason, wird somit m.E. nicht abschliessend beantwortet, sondern vielmehr nur noch einmal aufgeworfen; dem Rezipienten soll signalisiert werden, dass es eine eindeutige Antwort darauf nicht geben kann.41 Infolgedessen ist die generalisierende Aussage, dass sich die Figuren des Herakles und des Jason antithetisch zueinander verhalten, dahingehend zu präzisieren, dass die Antithese letztlich nicht darin besteht, dass der eine von ihnen einen ‚alten‘ (und durchweg positiv besetzten), der andere einen ‚neuen‘ (und ausschliesslich negativ konnotierten) Heldentypus verkörpere, sondern dass vielmehr via die beiden gegensätzlichen Figuren zwei gegensätzliche Führungsstile einander gegenübergestellt und auf einer Metaebene verhandelt werden.42 Jasons Führungsstil ist fürwahr nicht perfekt, doch derjenige des Herakles ist es ebenso wenig.43 40

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Herakles wird noch ein weiteres Mal als ἄριστος bezeichnet, und zwar in Form eines Erzählerkommentars zur Einleitung des Streits, der ausbricht, als die Argonauten bemerken, dass sie Herakles vergessen haben (Arg. 1,1284–1286): ἐν δέ σφιν κρατερὸν νεῖκος πέσεν, ἐν δὲ κολῳὸς | ἄσπετος, εἰ τὸν ἄριστον ἀποπρολιπόντες ἔβησαν | σφωιτέρων ἑτάρων. („Und da fiel ein heftiger Streit über sie herein, und ein Gezänk, | ein unsägliches, ob sie [an Bord] gegangen waren und [ausgerechnet] den Besten | ihrer Gefährten zurückgelassen hatten.“) Vgl. dazu auch die von Pietsch (1999) 99–158 in seiner Analyse der Jasonfigur herausgestellte Schlussfolgerung, dass sich Jasons ἀµηχανίη nur auf bestimmte Bereiche erstrecke, dass der Anführer der Argonauten jedoch durchaus auch über positive Eigenschaften verfüge und somit dem am µεσότης-Ideal orientierten aristotelischen Heldenbegriff gerecht werde (vgl. allerdings die m.E. berechtigte Grundsatzkritik an dieser These bei Dräger [2001b] 265 und Rengakos [2002b] 640–641). In diesem Sinne bereits Hunter (1993) 36: „Apollonius’ poem proves to be a meditation upon the problems of ‘epic’ leadership, within the parameters bequeathed by Homer.“ Ähnlich auch Klooster (2017) 89. In diesem Sinne auch Carspecken (1952) 121: „That Heracles possesses many heroic qualities is undeniable; it is less certain that his qualities are essential to the successful completion of the voyage and the quest, or even very useful.“ Knight (1995) 131 unterstellt dem apollonischen Herakles gar „Cyclopean traits“. Vgl. ferner auch Mori (2008) 54: „The Argonauts’ political movements are […] composite in nature, much like the portrayal of individual characters, reflecting many different types of polity (Homeric, Athenian, Macedonian, and Ptolemaic) while precisely corresponding to none.“

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Erschöpft sich also die Antithese zwischen Herakles und Jason nicht in einem Gegensatz zwischen zwei vermeintlich abgerundeten Heldenkonzeptionen, die sich mit den Begriffen ‚alt‘ vs. ‚neu‘ (bzw. ‚positiv‘ vs. ‚negativ‘) nur inadäquat erfassen lassen, so ist auch die Annahme einer antithetischen Funktion der Heraklesfigur per se ungenügend. Damit verbunden ist die grundsätzlich problematische Frage nach der Einheit der Charakterzeichnung, die auf der narrativen Ebene mit der ebenso problematischen Frage nach der einheitlichen Konzeption des Inhalts bzw. des erzählerischen Ablaufs korrespondiert – ein Problem, das die Apolloniosforschung seit jeher umgetrieben hat.44 Tatsächlich zeigt sich bei näherem Besehen, dass Apollonios nicht „bemüht [ist], uns ein möglichst inhaltsreiches, geschlossenes Bild des Helden zu geben“, wie es Hübscher (1940) 42 formuliert hat,45 sondern dass im Gegenteil der apollonische Herakles in nachgerade programmatischer Weise uneinheitlich, ja widersprüchlich konzipiert und dargestellt ist. Wie im Folgenden zu zeigen ist, arbeitet Apollonios in der Tat sehr gezielt mit der Ambivalenz, der Inkohärenz und der Widerspruchsfähigkeit der Heraklesfigur.46 44

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Einige knappe Hinweise auf die wichtigsten Forschungstendenzen der jüngeren Zeit müssen an dieser Stelle genügen (für einen weitergehenden Forschungsüberblick vgl. Glei [22008] 15–19): Dräger (2001a) versucht den Zorn des Zeus auf die Aioliden als handlungs- und einheitsstiftendes Movens der Argonautenexpedition zu erweisen und somit die Argonautica im Anschluss an die Ilias als zweites Zornepos der Antike zu deuten (so bereits schon id. [1993a] 305–319, 365–368; [1998a] 193–201; [1998b] 18–21; [1999b] 5; beinahe autoenkomiastisch [2001b] 264–265: „Rez. bemüht sich […] seit längerem mit stets […] erweiterter Argumentationsbasis, […] den Zorn des Zeus über die kürzlich an einem Griechen vollzogene barbarische Fell- bzw. Baumbestattungssitte […] als das die Fahrt auslösende Moment offenzulegen, ohne vorläufig für seine ‘neue’ (im Sinne von ‘unerhörte’) These auf ‚Gegenliebe‘ zu stoßen, obwohl sie mit einem (Befreiungs-)Schlage dem Epos des AR äußere und innere Einheit verschaffen würde“); zu Kritik an Drägers These vgl. etwa Pietsch (1999) 32–49 oder Scherer (2003); Zustimmung dagegen bei Rengakos (2002b) 640. Pietsch (1999) wiederum ist bemüht, die organische ‚Einheit‘ der Argonautica unter Rückgriff auf aristotelische Kategorien und Normen und mit Blick auf die (vermeintliche) Konsistenz von Thematik, Charakterzeichnung und Götterbild zu erweisen (m.E. berechtigte Kritik an Pietschs Thesen üben etwa Dräger [2001b] und Rengakos [2002b] in ihren Rezensionen; der Hauptkritikpunkt betrifft dabei die grundsätzlich problematische Anwendung aristotelischer Kategorien und Normen auf einen hellenistischen Text). Dahingegen fügt sich Gummert (1992) in die Reihe derjenigen Interpreten ein, die die (vermeintlich) fehlende ‚Einheit‘ zu einem gewissen Grade nachgerade als Charakteristikum des apollonischen Epos betrachten und darin einen grundsätzlichen Unterschied zwischen archaischer und hellenistischer Epik ersehen (für eine kritische Auseinandersetzung mit Gummert vgl. die Rezension von Dräger [1997b]). In diesem Sinne z.B. auch Galinsky (1972) 108: „[Apollonius] presents us with a more consistently archaic Herakles than even Homer had portrayed.“ Dies betont zu Recht auch Feeney (1991) 95–98. Ähnlich urteilt auch Natzel (1992) 200, die – in Anlehnung an Effe (1980) – in der „literarhistorischen Entwicklung des Heraklesbildes“ eine „Entwicklungslinie […] von der admirativen Identifikation in archaischer Zeit (‚Aspis‘, Pindar) über die sympathetische bzw. kathartische Identifikation (Sophokles bzw. Euripides) bis hin zur ironischen Identifikation (Theokrit)“ sieht, wobei Apollonios mit seiner sowohl Admiration als auch Ironie inkludierenden Herakleszeichnung „Anfangs- und Endpunkt die-

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Die nach verbreiteter Forschungsmeinung nach dem Muster traditioneller epischer Charaktere konstruierte Heraklesfigur findet sich bei genauerer Betrachtung nur äussert marginal innerhalb der Herakles-Referenzen der Argonautica – was insofern wenig erstaunt, als Herakles zumindest in den uns überlieferten archaischen Epen ja kein traditioneller epischer Held ist: Dem Trojanischen Sagenkreis ist er nicht zugehörig, und in der Ilias wird er mittels regelmässig wiederkehrender Analepsen, die auf die ein bis zwei Generationen zurückliegende Vergangenheit zurückverweisen, in einer klar abgegrenzten, früheren Epoche verortet (s.o. Kap. 4).47 Mit der Wahl des Wortes ὄρχαµος für den zu berufenden Anführer (Arg. 1,339) wird zwar ein dezidierter Homerismus angewendet, der den Gewählten zumindest sprachlich für einen Moment in die Nähe eines epischen Helden zu rücken vermag.48 Ferner mag man die oben diskutierte Entschlusskraft des Helden, sein Durchsetzungsvermögen und seine Autorität wohl durchaus im Sinne eines traditionell epischen Charakters deuten – doch wäre in diesem Falle zumindest die Frage zu stellen, ob, wie bereits ausgeführt, eine epische Führerfigur, deren Autorität primär auf der Angst ihrer Untergebenen basiert, tatsächlich dem traditionellen epischen Heldentypus in idealer Weise entspricht (das aufbrausende Wesen des Herakles rückt diesen charakterlich in die Nähe des Achilleus).49 Die m.E. einzige Passage in den Argonautica, die Herakles unzweifelhaft als epischen Helden zeigt, ist dessen Auftritt im Kontext der Dolionenschlacht (Arg. 1,1015– 1077), wo Herakles zwei Gegner erschlägt (Arg. 1,1040–1041). Allerdings wird ebendieser epische Heraklesauftritt in zweierlei Hinsicht relativiert bzw. ironisch sublimiert: Zum einen ist Herakles an dieser Stelle – anders als in allen anderen Passagen in den Argonautica – nicht als Individuum herausgehoben, sondern ins Kollektiv der die Feinde massenhaft erschlagenden und dadurch ad hoc ‚episierten‘ Argonauten eingebunden. Betont wird somit nicht spezifisch das epische Kolorit des Herakles, sondern das der Argonauten in globo.50 Zum anderen besteht die Tragikomik der ganzen Dolionenschlacht ja genau darin, dass Argonauten und Dolionen gar keine Feinde sind, sondern einander in der Dunkelheit nur versehentlich für solche halten.51 Somit endet die nach homerisch-archaischem Muster

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ser Entwicklungslinie verknüpft“ habe. In hohem Masse problematisch an diesem Urteil ist m.E. die Auffassung einer quasi-teleologischen ‚Entwicklung‘ des Heraklesbildes. Auch wenn Herakles in der Ilias als Parallelfigur zu Achilleus gelesen werden kann (s. meine Ausführungen dazu in Kap. 4), so scheint es mir gleichwohl wenig naheliegend, den apollonischen Herakles eins zu eins als Repräsentant eines archaischen Heldentypus lesen zu wollen, den er im archaischen Epos gar nicht darstellt. Zu ὄρχαµος vgl. LfgrE s.v.; homerisch ist das Wort in die Versschlussformel ὄρχαµος/-ον/-ε ἀνδρῶν/λαῶν eingebunden (7x Ilias, 19x Odyssee); von Apollonios wird es in den Rang eines hapax legomenon erhoben. Zur Analogie zwischen Achilleus und Herakles in der Ilias vgl. Kap. 4. Die Dolionenschlacht ist von stark homerisierendem Kolorit durchsetzt, insofern als sukzessive geschildert wird, wer wen tötet; vgl. dazu Levin (1971a) 102–103; Knight (1995) 89–91. Vgl. dazu etwa Natzel (1992) 185–186; Glei/Natzel-Glei (1996), Bd. 1, 157: „Apollonios’ ganz im homerischen Stil gehaltene Schlachtschilderung führt das Epos traditioneller Machart

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gestaltete Szene in einem Fiasko, und der epische Auftritt der Argonauten – und somit auch der des Herakles – werden in ironischer Brechung ad absurdum geführt. Schliesslich ist im Zusammenhang mit Herakles’ vermeintlicher apollonischer ‚Epizität‘ anzumerken, dass die in den Argonautica zahlreich vorhandenen Referenzen auf Taten, die dem Dodekathlos zugehören, keinen epischen Helden aufrufen, sondern im Gegenteil vielmehr einen dezidiert unepischen Herakles inszenieren, ist doch die Natur des Dodekathlos mit seinem Fokus auf der Bezwingung von grausigen Tieren, Monstern und Mischwesen – die zwölf Arbeiten inkludieren nicht einen einzigen normalen Menschen bzw. Heros als Gegner des Herakles – genuin unepisch.52 Zusammenfassend lässt sich somit konstatieren, dass Herakles in keiner Weise „the poem’s most obvious symbol of conventional heroism“ darstellt, wie Farrell (1995) in seiner Rezension von Clauss (1993) resümierend schreibt, noch „the archetypal hero, possessed of heroic-epic qualities that are constantly associated with Homeric heroism“, wie Heerink (2015) 25 apodiktisch behauptet, sondern dass die homerisch-epische Seite des Herakles höchstens einen von mehreren seiner Charakteraspekte darstellt – wobei dieser Aspekt nicht bloss marginal im Vergleich zu den übrigen Herakles-Referenzen in den Argonautica erscheint, sondern überdies ebendiese wenigen Referenzen das traditionelle homerische Heldenbild in eine ironische Perspektive rücken bzw. unterschwellig in Frage stellen. Wird also das Bild des Hercules epicus in den Argonautica marginalisiert wie auch relativiert, ja ironisiert, so steht, wie bereits angetönt, Herakles als Ausführender der ihm von Eurystheus auferlegten zwölf Arbeiten stark im Zentrum der apollonischen Herakles-Referenzen. So beginnt Herakles’ erster Auftritt im Katalog der Argonauten damit, dass er direkt von seiner vierten Arbeit kommt und den erbeuteten Erymanthischen Eber noch lebend auf seinen Schultern trägt (Arg. 1,122–132), während die letzte Heraklesszene des Epos seine um nur einen Tag verpasste Beinahe-Wiederbegegnung mit den Argonauten nach der Einholung der Äpfel der Hesperiden (Arbeit Nr. 11) schildert (Arg. 4,1393–1482). Dazwischen eingebettet sind mehrere weitere Taten des Dodekathlos – beispielsweise nennt Lykos in seiner Mini-Herakleis (Arg. 2,771–795) den Raub des Amazonengürtels (Arbeit Nr. 9), und Amphidamas nimmt sich bei seinem Vorschlag, wie die Vögel des Ares zu vertreiben seien, die Bezwingung der Stymphalischen Vögel (Arbeit Nr. 6) zum Vorbild.53 Ferner zu nennen ist auch Herakles’ Kampf gegen die Erdgeborenen in Kyzikos (Arg. 1,989–997), der insofern dadurch zu einer zusätzli

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ad absurdum, weil Argonauten und Dolionen in tragischer Verblendung […] gegeneinander kämpfen.“ Dementsprechend sind die iliadischen Referenzen auf den Dodekathlos vergleichsweise gering (s.o. Kap. 4), stehen dafür jedoch in der Theogonie, die (wohl in gezielter Absetzung von der Ilias) Herakles als Zivilisator und Aufräumer inszeniert, im Vordergrund (s.o. Kap. 6.1). Zur Frage nach Zeitpunkt und Umfang der Kanonisierung des Dodekathlos s.o. Kap. 1. Für die apollonischen Herakles-Referenzen vgl. auch die obenstehenden Inhaltsparaphrasen sowie den kurzen Gesamtüberblick bei Dräger (2002) 457; auch Rostropowicz (1990).

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chen eurystheischen Arbeit (sozusagen zu Nr. 13 im Dodekathlos) stilisiert wird, als der auktoriale Kommentar bezüglich Heras Zorn als Motiv für die Stärkung der Erdgeborenen zwecks Schwächung des Herakles (V. 997) darauf anspielt, dass der Dodekathlos eine Konsequenz von Heras Zorn auf Herakles ist.54 Mit diesem Fokus auf dem Dodekathlos wird vordergründig der Topos von Herakles als Aufräumer, Zivilisator und Retter der Menschheit aufgerufen, wie er in der Theogonie im Vordergrund steht, wo Herakles’ Aufräumarbeiten dazu dienen, den Ruhm seines Vaters Zeus zu mehren und somit dessen Weltherrschaft zu konsolidieren (s.o. Kap. 6.1). Bei genauerem Besehen zeigt sich jedoch, dass Apollonios die paradigmatisch-topische Funktion des herakleischen Dodekathlos und der damit verbundenen Rolle des Herakles in ähnlicher Weise bricht, spiegelt und streckenweise auch ironisiert, wie er mit dem oben diskutierten Hercules epicus verfährt. In erster Linie ist dabei an die zahlreichen komisch-burlesken Züge zu denken, die dem apollonischen Herakles anhaften: Bereits sein erster Auftritt, wie er schnaubend mit dem noch lebenden Erymanthischen Eber auf der Schulter in letzter Minute eintrifft, diesen „von seinem breiten Rücken schüttelt“ (µεγάλων ἀπεσείσατο νώτων, Arg. 1,129) und gleich darauf „losstürmt“ (ὡρµήθη, Arg. 1,131), führt ihn in komödienhafter Manier als Typus des zwar wohlmeinenden und voller Tatendrang steckenden, jedoch intellektuell etwas beschränkten Kraftprotzes ein. Dabei ist zu beachten, dass – wie bereits Hübscher (1940) 38 bemerkt hat – der erste Vers (Arg. 1,122), der Herakles in die Handlung der Argonautica einführt, mit der Rekurrenz auf die altererbte Heraklesformel βίη Ἡρακληείη/-ῆος dessen Körperkraft exemplarisch in den Vordergrund stellt.55 Dieses Starke-HansMotiv dominiert im Folgenden an vielen Stellen das apollonische Heraklesbild. So kommt die unbezwingbare Körperkraft im Zusammenhang mit der Nennung des jungen Meleager, dem in fortgeschrittenerem Alter gemäss Erzählerkommentar nur Herakles noch hätte Paroli bieten können (Arg. 1,195–198), oder bei der von Herakles und Ankaios vollzogenen Schlachtung der Opferrinder (Arg. 1,425– 431) zum Tragen. Herakles’ Übereifer beim Rudern, der dazu führt, dass das Ruder zerbricht (Arg. 1,1159–1171), und die Art und Weise, wie er, daran anschliessend, zwecks Beschaffung eines neuen Ruders einen geeigneten (sprich: genug 54

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So z.B. gemäss Il. 19,114–133. Glei/Natzel-Glei (1996), Bd. 1, 157 sehen in der Szene einen „spöttische[n] Seitenhieb auf den Dodekathlos, der hier durch eine 13. Arbeit ergänzt wird“. Ergänzend liesse sich dem hinzufügen, dass in einem gewissen Sinne Herakles’ Teilnahme am Argonautenzug an sich bereits eine zusätzliche, von Eurystheus nicht ‚genehmigte‘ (s. Arg. 1,130) Arbeit darstellt, da Herakles ja zwecks Argonautenfahrt seinen Dodekathlos unterbricht (s. Arg. 1,126–129). Allerdings übernimmt Apollonios jene Wendung nicht eins zu eins, sondern variiert sie (βίην κρατερόφρονος Ἡρακλῆος). Dadurch wird die Starre der altepischen Formel aufgebrochen, was als Hinweis darauf gelesen werden kann, dass auch die Starre der Figur aufzubrechen ist. – Die humoristische Note von V. 129 liegt u.a. im Verb ἀπεσείσατο; jedoch ist zu konzedieren, dass diese Lesart nicht zwingend die richtige ist, da die meisten Handschriften ἀπεθήκατο bzw. ἀποκάτθετο („stellte ab“) lesen (freundlicher Hinweis von Boris Maslov). Zur Verteidigung von ἀπεσείσατο vgl. Vian (1974) 56 (Anm. 4 z.St.).

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grossen) Baum mit blossen Händen aus seiner Verwurzelung reisst (Arg. 1,1187– 1206), sind von ironisch-burlesken Details durchsetzt: so etwa seine Reaktion, als er das Ruder zerbricht und dabei gar nicht bemerkt, wie ihm geschieht, sondern nur „suchend [man mag versucht sein zu ergänzen: blöde] umherblickt“ (παπταίνων, Arg. 1,1171),56 oder die Art und Weise, wie er die Tanne im Wald „breitbeinig dastehend“ (εὖ διαβάς, Arg. 1,1199) aus dem Boden reisst. Das Bild des vor Körperkraft strotzenden Herakles wird auch nach dem Ausscheiden des Helden aus der Handlung wieder aufgerufen: so in der Aussage der Argonauten in einer Kollektivrede, dass Herakles, wäre er noch hier, Amykos mit der Keule klargemacht hätte, was Sache ist (Arg. 2,144–154) – die Emphase auf Herakles’ Keule als dessen ‚Allzweckwaffe‘, die auch andernorts genannt wird (Arg. 1,427; 1,532; 1,1196; 1,1206; 4,1439), macht einmal mehr deutlich, dass er kein epischer Held ist und auch nicht von den Argonauten als solcher wahrgenommen wird, denn eine Keule ist keine eines homerischen Helden würdige Waffe –, oder in dem im Kontext von Aietes’ Wappnung erfolgenden Erzählerkommentar, dass einzig Herakles der gewaltigen Lanze des Aietes hätte standhalten können (Arg. 3,1231–1234). Zuletzt findet sich das Starke-Hans-Motiv auch in der Erzählung der Hesperide Aigle reflektiert, die von ihrer wenig erfreulichen Begegnung mit Herakles berichtet, der mittels reiner Körperkraft eine Quelle aus einem Felsen zu schlagen imstande war (Arg. 4,1444–1446; s.u.). Dem Starke-Hans-Motiv nahestehend ist auch das in der klassischen attischen Komödie sowie im Satyrspiel weit verbreitete, topische Motiv des Herakles als übergewichtigen Fressers und Säufers, des sog. Hercules comicus, welches Apollonios indirekt ebenfalls bemüht: Der bei Pherekydes und in anderen Parallelüberlieferungen des Argonautenmythos fassbaren Version, dergemäss Herakles zu schwer für die Argo gewesen sei und diese deshalb auf deren Geheiss wieder habe verlassen müssen,57 folgt Apollonios zwar nicht, doch spielt er darauf an, indem er Herakles’ Körpergewicht zum Thema macht – nämlich als Herakles und sein ‚Doppelgänger‘ Ankaios den Platz in der Mitte des Schiffes zwecks Vermeidung von Ungleichgewicht zugewiesen bekommen (Arg. 1,396–401), sowie als nach Einnahme der Plätze der Schiffskiel infolge von Herakles’ Gewicht ins Wasser sinkt (Arg. 1,531–533). Man mag mit etwas Phantasie und Goodwill eine symbolische Versenkung der archaischen Epik in die letztgenannte Passage hineinlesen, wie dies einige Gelehrte getan haben58 – mindestens ebenso entscheidend ist 56

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Die Verwendung des Partizips παπταίνων an dieser Stelle kann als Persiflage von Od. 11,608 (δεινὸν παπταίνων, “grausig blickend”) verstanden werden; vgl. Pike (1980) 44 (Anm. 10) zu den Nuancen. S.o. Anm. 5. Zum Alternativmotiv, dass Herakles die Argo vielmehr wegen seiner gigantischen Körperkräfte wieder verlassen musste (was freilich mit dem Übergewichtsmotiv partiell koinzidiert, zumal Muskelmasse schwerer als Fettmasse ist), s.o. Anm. 10. So z.B. DeForest (1994) 99: „The Argo symbolizes the poem when it sinks under Heracles’ feet or when it slips through the Symplegades likened to a book-roll.“; Heerink (2012) 46 = (2015) 25: „Heracles not only literally but also metapoetically overburdens the Argo […].“ Vgl. id. (2015) 169 (Anm. 13) für weitere Literatur.

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jedoch m.E. die Übereinanderschichtung verschiedener Heraklestypen: Zum einen werden das Hercules comicus-Motiv und das Starke-Hans-Motiv explizit miteinander verbunden, wenn vonseiten des primary narrator in neckischer Liebe zum Detail darauf hingewiesen wird, dass Herakles seine ‚über alles geliebte‘ Keule direkt neben sich deponiert hatte (ἄγχι δέ οἱ ῥόπαλον, V. 532). Zum anderen lagert sich – zumindest assoziativ – über das komödienhafte Motiv des verfressenen Herakles auch noch die antike Vorstellung, dass Götter per se physisch schwerer seien als Menschen, wodurch in gewisser Weise auch die Göttlichkeit des Herakles avant la lettre bzw. seine spätere Immortalisierung zum Ausdruck kommt.59 Ferner klingt das Hercules comicus-Motiv in nochmaliger ironischer Brechung auch am Ende von Aigles Erzählung an, als diese berichtet, wie der durstige Herakles in liegender Position sich an der Quelle sattgetrunken habe, „bis er die Tiefe | seines Magens, einer weidenden [Kuh] gleich, nach vorne gebeugt gesättigt hatte“ (ὄφρα βαθεῖαν | νηδύν, φορβάδι ἶσος, ἐπιπροπεσὼν ἐκορέσθη, 4,1448–1449).60 Zum einen wird hier unzweideutig auf das Komödienmotiv des Säufers Herakles angespielt, zum anderen wird dieses jedoch gleich wieder ironisch sublimiert, insofern als sich der ‚Naturbursche‘ Herakles nur an Wasser, nicht an Wein satttrinkt.61 Dergestalt aber findet auch eine intratextuelle Rückbindung an die Hylas-Episode statt, die damit beginnt, dass Herakles in für einen Vielfrass völlig untypischer Manier auf das gemeinsame Abendmahl mit den anderen Argonauten verzichtet, um zuerst einen Baum für ein neues Ruder zu finden (Arg. 1,1187–1189), dieweil er Hylas ausschickt, Wasser für das gemeinsame Abendmahl zu beschaffen (Arg. 1,1207–1210). Hermann Fränkel hat in dem auf das Essen verzichtenden und nur Wasser konsumierenden Herakles wohl nicht zu Unrecht einen Reflex des enthaltsamen Hercules Stoicus gesehen;62 indem aber der sich am Quellwasser ‚berauschende‘ Herakles die gegensätzlichen Typen des Hercules Stoicus und des Hercules comicus in sich vereint, werden die Ambivalenz und die potentielle Widersprüchlichkeit der Heraklesfigur am Ende von Aigles Rede enggeführt, indem unterschiedliche Typisierungen der Figur nunmehr nicht sukzessive, sondern simultan erscheinen. Das Heraklesbild wird in der Hesperiden-Episode allerdings noch in ganz anderer Art und Weise gebrochen, indem des Helden grausame, unbarmherzige und 59

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Die Vorstellung von den schweren Göttern wird auffallend häufig auf das ‚Mannweib‘ Athene appliziert; vgl. z.B. Il. 5,837–839; Hom. Hym. 28,9–10; Arg. 2,537–539. Letztgenannte Stelle enthält insofern eine ironische Spitze, als Athene, die Erbauerin der Argo, den übergewichtigen Herakles nicht mitfahren lässt (vgl. Anm. 5), ihrerseits aber selber zuviel auf den Rippen hat. Zu dem Motiv vgl. Matthews (1996) 212–213 und Kovacs (1998) 554–555 für weitere Stellen und Diskussion. Das hier verwendete Wort νηδύς bezeichnet öfters auch den Mutterleib einer schwangeren Frau (vgl. LSJ s.v. [I.]4). Somit wird das immense Fassungsvermögen von Herakles’ Magen in den Vordergrund gestellt. Zur Vorstellung, dass auch der übermässige Konsum von Wasser zu einem rauschähnlichen Zustand führen könne, vgl. Diod. 3,17,5. Vgl. Fränkel (1957) 7 (Anm. 5), 14; (1968) 115, 143.

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rücksichtslose Seite in den Vordergrund gestellt wird, wie sie dem epischen Leser mutatis mutandis bereits aus der Odyssee, im Zusammenhang mit der bestialischen Ermordung des Iphitos (Od. 21,24–30.36–38), bekannt ist (s. dazu Kap. 5), und die auch in der Erzählung von der Tötung des Theiodamas, mit der der Erzähler die Hylas-Episode einleitet (sie jedoch mittels einer Abbruchformel vorzeitig wieder beendet), aufscheint (Arg. 1,1211–1220; zur metapoetischen Signifikanz dieser Passage s.u.). Diese Negativzeichnung des Herakles erfolgt in einem ersten Schritt über eine detailgetreue Schilderung der Situation, wie sie sich den bei den Hesperiden eintreffenden Argonauten bietet: Diese haben Herakles nur um einen Tag verpasst (vgl. Arg. 4,1436: χθιζός τις ἀνὴρ), und die Spuren von Herakles’ unzimperlicher Aktion sind noch deutlich sichtbar: die von seinen Giftpfeilen getötete Schlange Ladon, deren Schwanz noch immer zuckt und auf deren Wunden Fliegen vertrocknen, lassen auf einen qualvollen Tod schliessen, dieweil die drei Hersperiden mit ihrem schrillen Wehklagen das Ableben des Wächters beklagen (Arg. 4,1400–1407). In einem zweiten Schritt wird das negative Heraklesbild durch Aigles Worte fokalisiert. In dieser Rede wird das an anderer Stelle bereits angeklungene Motiv des Hercules furens (s.o.) mit erschütternder Intensität reaktiviert: Herakles, der „ach so hündische“ (ὁ κύντατος, 4,1433) und „erbarmungslose“ (νηλής, 4,1438), hat mit der Tötung des Ladon und dem Raub der Äpfel den Hesperiden „[nur] verhassten Schmerz hinterlassen“ (στυγερὸν δ᾿ ἄχος ἄµµι λέλειπται, 4,1435), während er den Argonauten indirekt (d.h. dank dessen, dass er sie mit der Quelle, die er tags zuvor aus dem Felsen geschlagen hat, vor dem Verdursten gerettet hat) „ein ganz grosser Nutz[bringer]“ (µέγα πάµπαν […] ὄνειαρ, 4,1432) war. Herakles als Ausführender der ihm von Eurystheus aufgetragenen Arbeiten ist also einerseits der Lebensretter (σωτήρ) der Argonauten,63 andererseits jedoch bedeutet seine Ankunft und sein ‚Wüten‘ bei den Hesperiden für ebendiese das Ende: für Aigle ist er somit nur ein Barbar sowie – ein Stück weit – auch der komödienhafte Säufer (Arg. 4,1448–1449; s.o.). Worum es hier im Kern geht, ist die Pluriperspektivität, das Eröffnen neuer und ungewohnter Sichtweisen und Denkräume: Herakles bedeutet in diesem Moment für Aigle das pure Gegenteil dessen, was er für die Argonauten darstellt; die Widersprüchlichkeit der Figur, die sich bisher in sukzessiver Weise durch ein Nacheinander unterschiedlicher Figurencharakteristika und Topoi manifestiert hat, wird an diesem Punkt enggeführt, indem sie simultan erscheint, jedoch durch unterschiedliche Personen 63

Vgl. Arg. 4,1458–1459 (Kollektivrede der Argonauten): ἦ καὶ νόσφιν ἐὼν ἐσάωσεν ἑταίρους | Ηρακλέης δίψῃ κεκµηότας. („Auch wenn er von uns getrennt ist, hat er uns Gefährten gerettet, | Herakles – [uns, die wir] vor Durst ermattet waren.“); vgl. auch Orpheus’ Worte in seinem Bittgebet an die Hesperiden (Arg. 4,1418–1419) εἰ δέ κεν αὖτις | δή ποτ᾿ Ἀχαιίδα γαῖαν ἱκώµεθα ναυτιλίῃσι („falls wir | irgendwann wieder einmal ins Achaierland kommen auf unserer Schifffahrt“), woraus klar hervorgeht, dass die Argonauten damit rechnen, den Marsch durch Libyen nicht zu überleben, so sie kein Wasser finden. Rostropowicz (1990) 34 merkt zu Herakles’ σωτήρ-Rolle an, dass „[n]ach der im Hellenismus weit verbreiteten Anschauung […] einem σωτήρ die göttliche Verehrung zu[stehe]“; somit wird also die bevorstehende Apotheose des Herakles in der Hesperiden-Episode implizit schon vorweggenommen.

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fokalisiert wird. Indem nicht nur die Hesperiden, sondern selbst die Wächterschlange namentlich genannt und somit personalisiert werden,64 und indem der Dichter mit Aigles Rede einer der Hesperiden gar eine Stimme verleiht, wird ein noch nie dagewesener Blick auf die Abenteuer des Herakles geworfen. Mit dieser durch die Hesperiden fokalisierten, vom ‚Mainstream‘ divergierenden Wahrnehmung bzw. Wirkung des Herakles koinzidiert schliesslich auch der Umstand, dass Aigle – ihren Worten nach zu urteilen – offensichtlich gar nicht weiss, bei wem es sich bei dem Übeltäter überhaupt handelt (vgl. insbesondere Arg. 4,1436: ἤλυθε γὰρ χθιζός τις ἀνὴρ), was der φήµη, die Herakles ansonsten vorausgeht, diametral entgegenläuft.65 Das Eröffnen neuer bzw. alternativer Sichtweisen und Denkräume ist m.E. der Kernpunkt dessen, was man als Herakles’ übergreifende Funktion in Apollonios’ Argonautica bezeichnen könnte. Wir haben gesehen, dass Apollonios gezielt mit der Ambivalenz, der Inkohärenz und der Widerspruchsfähigkeit der Heraklesfigur arbeitet, dass also eine einheitliche Figurenkonzeption in keiner Weise intendiert scheint und infolgedessen interpretatorische Bemühungen in diese Richtung als verfehlt zu betrachten sind.66 Die figürliche Mehrdimensionalität und Widersprüchlichkeit der Heraklesfigur, die in der konträren Opposition der Wahrnehmungen zwischen Aigle und den Argonauten kulminiert, lässt sich nun – ganz im Sinne der hier angewendeten narratologischen Figurenanalyse – auch auf die im Zusammenhang mit Herakles zu beobachtenden Erzählmuster und -strategien 64

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Die Namen der drei Hesperiden (Aigle, Hespere, Erytheis) sind (in teils leicht modifizierter Form) bereits bei Hes. fr. 360 belegt. Dagegen ist die Riesenschlange, die die Äpfel der Hesperiden bewacht, andernorts immer namenlos (vgl. z.B. Hes. Th. 333–335; dazu Kap. 6.1), der Name „Ladon“ dürfte darum eine Erfindung des Apollonios sein; vgl. dazu Boardman et al. (1989) 100; Graf (1999); ferner auch Hunter (1993) 31. Dieses programmatische Nicht-Wissen Aigles wird bereits in V. 1397 durch den Erzählerbericht vorbereitet: εἰσέτι που χθιζὸν παγχρύσεα ῥύετο µῆλα („wohl noch bis gestern hatte [Ladon] die allgoldenen Äpfel bewacht“); narratologisch gesehen handelt es sich dabei um eine Form der embedded focalization (dazu vgl. Anm. 20 in Kap. 5), da das Unwissen einer Figur in den Erzählerbericht des übergeordneten (und darum an und für sich ‚allwissenden‘) primary narrator ‚eindringt‘; dazu auch Cuypers (2005) 45: „Apollonius takes the authority paradox which he has created to an absurd conclusion: the narrator is overruled by one of his own (divine) characters.“ Man hat zuweilen (mehr schlecht als recht) versucht, die unterschiedlichen Charaktereigenschaften unter einen Hut zu bringen, um in der Summe doch von einem ‚abgerundeten‘ oder ‚einheitlichen‘ Heraklesbild sprechen zu können; vgl. beispielsweise Hübscher (1940) 42: „Apollonios mußte zwar darauf verzichten, Herakles eigens hervortreten und die ganze Fahrt mitmachen zu lassen. Er hat sich aber dennoch bemüht, uns ein möglichst inhaltsreiches, geschlossenes Bild des Helden zu geben. In diesem Bild steht überlieferungsgetreu der tatkräftige, allen überlegene « Heros » […] im Vordergrunde. Daneben treten auch die Züge von Herakles’ Sinnlichkeit hervor (Hylas). Und endlich fehlt die Andeutung seines derben, ungeschlachten Wesens nicht (Aigle). An einem Widerspruch, der eigentlich in dieser Aufteilung liegt, brauchte sich unser Dichter so wenig zu stoßen wie die Tragiker.“; Pike (1980) 44 (Anm. 11): „Apollonius’ Heracles […] is somewhat like the proverbial bull in a china-shop – slightly comic and incongruous but basically dangerous and destructive.“

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übertragen. Für Herakles stellt der Argonautenzug letztlich nur ein Intermezzo dar, welches seine eigentliche Hauptaufgabe, die Erledigung des Dodekathlos, für kurze Zeit unterbricht: Er trifft kurz nach Arbeit Nr. 4 bei den Argonauten ein, um wenige Zeit später auf der Suche nach Hylas bereits wieder aus der Argonautenhandlung auszuscheiden. Die nun folgenden ἆθλοι laufen als Parallelhandlung gewissermassen im Off weiter, wobei allerdings wiederkehrende Anspielungen und Erwähnungen sicherstellen, dass die Erinnerung an Herakles sowohl innerwie auch ausserfiktional (d.h. sowohl für die Argonauten als auch für den Leser) aufrechterhalten wird, ehe nach der nur um einen Tag verpassten QuasiWiederbegegnung zwischen Herakles und den Argonauten die nunmehr elfte Arbeit bereits beendet ist und nur noch die letzte, die Einholung des Kerberos aus der Unterwelt, bevorsteht. Sieben der insgesamt zwölf eurystheischen Arbeiten werden demnach parallel zur erzählten Zeit der Argonautenhandlung ausgeführt; Tonspuren davon sind in regelmässigen Abständen aus der narratio der Argonautica herauszuhören.67 Eine virtuelle Herakleis schreibt sich somit in Form eines narrativen Palimpsests in bzw. ‚hinter‘ die eigentliche Argonautica ein und erlaubt an verschiedenen Stellen kürzere, zuweilen auch etwas längere Einblicke in ebendiese Parallelhandlung, in welcher Herakles, der für die Argonautenexpedition die Führung abgelehnt hatte, nun tatsächlich der Protagonist ist.68 Wie lässt sich das Vorhandensein und das offensichtlich gezielte wiederkehrende Aufrufen dieser herakleischen Parallelhandlung verstehen? Verschiedene Deutungsansätze bieten sich an: Eine quasi-neoanalytische Interpretation wird die Herakles-Referenzen als Reflexe eines Herakles-Epos deuten, das tatsächlich existiert und dem Dichter als Bezugstext vorgelegen haben mag. Dass eine vermutlich relativ breite, uns nur noch in Spuren erhaltene bzw. rekonstruierbare HeraklesEpik seit der archaischen Zeit existiert haben muss und dass zumindest Teile davon durchaus auch noch den alexandrinischen Dichtern und Gelehrten bekannt gewesen sein können, scheint unbestritten.69 Allerdings ist mit einer Feststellung in diese Richtung wenig bis gar nichts ausgesagt bezüglich der möglichen Wirkungsintentionen solcher „Schlaglichter“ – die Annahme, die Anspielungen seien blosse antiquarische Zitate oder dergleichen, vermag als Erklärung kaum abschliessend zu überzeugen. Eine mögliche Wirkungsintention lässt sich innerfiktional begreifen: Ähnlich wie das Ausscheiden des Herakles am Ende des 1. Buches in der Regel auch innerfiktional gedeutet wird, nämlich als Notwendigkeit zwecks 67

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Vgl. auch Kyriakou (1995) 261: „[N]arrated by Apollonius or one of his characters, or merely evoked as the Argonauts sail past famous locales, Herakles’ labors permeate the whole of the epic and are an on-going ‘journey’ that exceeds the temporal boundaries of the Argonautic journey. Herakles had performed labors before the Argonautic expedition, whose member he was, and continued to perform labors after the expedition was completed.“ Zu Parallelhandlungen in den Argonautica vgl. auch Danek (2009), der Herakles allerdings nur streift (288). Vgl. z.B. Glei/Natzel-Glei (1996), Bd. 1, 165: „Apollonios wirft ab und zu Schlaglichter auf die überlieferten Heraklessagen, als ob er sie seinem Epos einverleiben wollte: Vielleicht zitiert er eine verlorene ›Herakleis‹.“

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Jasons Emanzipation und seiner freien Entfaltung als Held der Argonautenunternehmung,70 so lassen sich die Herakles-Referenzen in den Büchern 2–4 in einem psychologisierenden Sinne als Ausdruck des schlechten Gewissens, ja der Schuldgefühle der Argonauten nach der Zurücklassung ihres grössten Helden interpretieren. So erinnern sich die Argonauten anlässlich der Bebryker-Episode an den Heldenmut des Zurückgelassenen (Arg. 2,144–154 [Kollektivrede]); gleichzeitig betont etwa Jason gegenüber Lykos in seiner Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse die vermeintliche Unabsichtlichkeit von Herakles’ Zurücklassung (Arg. 2,267: ἀέκοντι νόῳ) – als ob er sich gegenüber seinem Gesprächspartner einem (echten oder gefühlten) Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sähe.71 Vor allen Dingen jedoch werden die Argonauten wiederholt unfreiwillig und in den unterschiedlichsten Brechungen an Herakles erinnert: So hakt Lykos nach Jasons Tatenbericht ausgerechnet bei dem Punkt ein, den Jason und die übrigen Argonauten wohl lieber übergangen hätten, als ihn „Kummer um den zurückgelassenen Herakles ergreift“ (Arg. 2,772–773: ἄχος δ᾿ ἕλεν Ἡρακλῆι | λειποµένῳ), worauf er sich zu seiner eigenen Mini-Herakleis inspirieren lässt. Des Weiteren an Herakles erinnert werden die Argonauten beim Besuch des Grabes des ehemaligen Heraklesgefährten Sthenelos (Arg. 2,911–914); bei der Mitnahme der Söhne des früheren Heraklesgefährten Deimachos (Arg. 2,955–961); am Kap der Amazonen, das sie an den von Herakles geführten Amazonenkrieg denken lässt (Arg. 2,962–971); bei Amphidamas’ Vorschlag, die Vögel des Ares nach dem Vorbild des Herakles zu vertreiben (Arg. 2,1047–1059); bei ihrer Begegnung mit dem Volk der von Hyllos, einem Herakles-Sohn, abstammenden Hylleer (Arg. 4,537–543) – der Name des Hyllos ruft assoziativ auch den ähnlich klingenden Namen des Hylas und somit indirekt auch den Verlust des Herakles in Erinnerung, was die Rückbindung der Begegnung mit den Hylleern an Herakles verstärkt –, ehe sie bei den Hesperiden erkennen müssen, dass Herakles als ihr σωτήρ ihnen allen nun sogar das Leben gerettet hat,72 so dass sie sich endlich doch noch zu einer Suchaktion durchringen, die jedoch erfolglos bleibt (Arg. 4,1461–1482). Diesem innerfiktional motivierten, psychologisierenden Ansatz lässt sich nun jedoch auch eine ausserfiktionale, narratologisch ausgerichtete Deutung gegenüberstellen. So wie auf der Figurenebene die Ambivalenz und die Widersprüchlichkeit des Herakles dem Rezipienten unterschiedliche Denkwelten zugänglich machen, so lässt sich auch die zur Haupthandlung der Argonautica parallel verlaufende, palimpsestartige Herakleis in ähnlicher Weise verstehen: Über die Figur des Herakles und deren Abenteuer, auf die die Argonautenhandlung wiederholt 70 71

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S.o. mit Anm. 29. Nicht zu übersehen ist in diesem Zusammenhang auch die von Jason vorgenommene Geschichtsklitterung: Er behauptet, sie hätten Herakles gegen ihren Willen zurückgelassen, was einen relativ breiten Intepretationsspielraum eröffnet – in Tat und Wahrheit haben sie ihn jedoch schlichtweg vergessen, was mindestens Herakles’ Banknachbarn Ankaios hätte auffallen müssen. S.o. mit Anm. 63.

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Schlaglichter wirft, werden die Möglichkeiten alternativer Inhalte und Erzählstrategien vorgeführt und metatextuell diskutiert. Vereinfacht gesagt: Das Verfassen eines Argonautenepos ist nur eine Möglichkeit, ein Epos zu dichten, der Apollonios gefolgt ist; ebenso jedoch hätte der Dichter beispielsweise auch ein vollgültiges Herakles-Epos verfassen können – genauso wie er etwa auch eine odysseisch inspirierte, ausführliche Binnenerzählung des Protagonisten Jason hätte einflechten können, worauf er mit einer knappen Zusammenfassung (Arg. 2,762–771) jedoch nur kurz referiert, um die reine Möglichkeit ebendieser narrativen Alternative aufzuzeigen.73 Dass Apollonios zur Demonstration und Diskussion alternativer Inhalte und Erzählstrategien gerade Herakles wählen sollte, ist kein Zufall, sondern aus der inhärenten Widersprüchlichkeit und Ambivalenz der Figur zu verstehen. In der Tat stellen die apollonischen Herakles-Referenzen nicht nur ‚Fenster‘ auf eine innerhalb der fiktiven Realität der Argonautenexpedition tatsächlich ablaufende Parallelhandlung dar, sondern sie bieten darüber hinaus auch eine Fülle von Indikatoren, die die genannte metapoetische Deutung nahelegen, indem via Herakles die Thematik der potentiellen Alternativerzählung in unterschiedlichen Brechungen aufgezeigt wird bzw. anklingt. Augenfällig wird dies anhand von Herakles’ Wahl zum Argonautenführer und deren sofortiger Ummünzung in eine Nicht-Wahl wie auch anhand des vorzeitigen Ausscheidens des Helden aus der Argonautenhandlung deutlich: Damit wird Apollonios allen denkbaren Alternativversionen des Argonautenmythos gerecht – sowohl derjenigen, dergemäss Herakles tatsächlich der Anführer des Argonautenzuges gewesen sein soll, als auch derjenigen, die besagt, Herakles habe die Argo schon zu Beginn der Ausfahrt wieder verlassen müssen oder aber sei gar nie als intendierter Teilnehmer vor Ort eingetroffen.74 Auf diese Weise wird jedoch nicht bloss der alexandrinischen Anspielungslust gefrönt, sondern es wird auf einer metatextuellen Ebene verhandelt, wie die Geschichte mit und ohne Herakles in verschiedenen Brechungen und Ausprägungen ausgesehen haben und ausgegangen sein könnte. Herakles wird somit zu einem metapoetischen Mittel, über welches verschiedene Erzählstrategien bzw. verschiedene Varianten desselben Plots zur Diskussion gestellt werden. Nebst diesen beiden herausragenden Eckpunkten der narrativen Entwicklung zeigen die Argonautica jedoch noch eine Reihe weiterer Indikatoren, die in diese oder eine ähnliche Richtung weisen: Zu denken ist etwa an die bereits diskutierte Erfindung eines 13. Dodekathlos im Zusammenhang mit Herakles’ Kampf 73

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Vgl. dazu Cuypers (2004) 57: „It is attractive to think that Jason is here robbed of a chance to act the role of Homer’s Odysseus, who is allowed to narrate his own adventures at length, and that Apollonius is hinting at the possibility of an Argonautica focalized by its main hero.“ S.o. mit Anm. 3 (zur Sagenversion, dergemäss Herakles Anführer der Argonauten gewesen und geblieben sei) und Anm. 5 und 10 (zur Sagenversion, dergemäss Herakles wegen seines Übergewichts oder wegen seiner übermässigen Körperkraft von der Argo abgewiesen worden sei). Ferner soll Herakles gemäss Herodoros „damals von Beginn weg gar nicht [mit]gesegelt sein, sondern bei Omphale als Sklave gedient haben“ (οὐδὲ τὴν ἀρχήν φησι πλεῦσαι τότε, ἀλλὰ παρ᾿ Ὀµφάλῃ δουλεύειν, Apollod. 1,118). Für weitere Alternativfassungen und Belege vgl. Grossardt (2009) 83.

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gegen die Erdgeborenen in Kyzikos (Arg. 1,989–997), womit auf einer metanarrativen Ebene letztlich nichts anderes ausgesagt ist, als dass sich die Heraklessage theoretisch unendlich weiterspinnen liesse. Von Belang scheint auch die Tatsache, dass bei der Abfahrt der Argonauten aus Mysien nicht einmal Herakles’ Banknachbar Ankaios dessen Fehlen bemerkt: Dies ist dem Dichter nicht als Schwäche in der Komposition der Handlung anzukreiden, sondern vielmehr dahingehend zu lesen, dass Herakles eben aus poetologischen Gründen aus der Handlung ausscheiden muss. Ein überaus subtiler Fingerzeig in eine ähnliche Richtung findet sich ferner auch im Kontext der bereits ausführlich diskutierten HesperidenEpisode: In seinem Gebet an die zu Staub und Erde zerfallenen Hesperiden spricht Orpheus diese u.a. als „Schafehüterinnen“ (οἰοπόλοι, Arg. 4,1413) an. Gemäss Dräger (2002) 551 erfolgt damit ein impliziter Rückverweis auf Arg. 4,1322, wo sich die libyschen Heroinen gegenüber den Argonauten als οἰοπόλοι […] χθόνιαι θεαί („schafehütende Landesgöttinnen“) bezeichnet haben. Möglicherweise liegt hier jedoch auch eine Anspielung auf die der Homonymie von µῆλον „Apfel“ ≠ µῆλον „Schaf“ geschuldeten Mythenvariante vor, dergemäss es sich bei den von den Hesperiden bewachten und von Herakles gestohlenen Objekten um Schafe gehandelt habe. Wollen wir eine Anspielung auf eine solche Alternativtradition an dieser Stelle annehmen, so würde dies wiederum gut in den Zusammenhang des von Apollonios bemühten Aufzeigens alternativer Erzählstrategien im Zusammenhang mit der Heraklesfigur passen.75 Eine letzte metapoetisch aufgeladene Herakles-Episode, die ich hier ausführlicher diskutieren möchte, ist der Theiodamas-Exkurs (Arg. 1,1211–1220), mit dem der primary narrator die Hylas-Episode einleitet, nur um ihn nach ein paar kurzen Pinselstrichen mittels einer Abbruchformel wieder zu verlassen, weil „dies [alles] mich wohl [zu] weit vom [Thema meines] Gesanges abirren lassen dürfte“ (τὰ µὲν τηλοῦ κεν ἀποπλάγξειεν ἀοιδῆς, Arg. 1,1220). Man hat diesen Exkurs seit jeher mit Kallimachos’ nur fragmentarisch erhaltener Behandlung derselben Episode in den Aitien (fr. 24–25 Pf. = 25–26 Asper) in Verbindung gebracht. Zuletzt hat Heerink (2012) ~ (2015) 49–52 eine poetologische Interpretation vorgeschlagen, dergemäss Kallimachos mit seiner vergleichsweise positiven Zeichnung des Helden diesen in seine ‚kallimacheische‘ Poetik integriere, wohingegen es Apollonios bei der Negativzeichnung belasse und Herakles deshalb vorzeitig wieder aus seinem Epos ausführe.76 Abgesehen von der Tatsache, dass Kallimachos’ Ver 75

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Die Tatsache, dass ausgerechnet Orpheus die Hesperiden οἰοπόλοι nennt, mag die vorgeschlagene Deutung insofern bestätigen, als die Figur des Sängers und Sehers Orpheus eine innerfiktionale Spiegelfigur des epischen Erzählers darstellt; vgl. dazu insbesondere Busch (1993). Eine alternative Deutung von οἰοπόλοι als „solitary, living in the loneliness“ schlägt Hunter (2015) 260 vor; eine gezielte Ambiguität der Wortwahl dürfte intendiert sein (so Hunter a.a.O.: „Ambiguity would certainly suit the riddling style in which the heroines speak“). – Zu den beiden Alternativen als Beispiel für die Widerspruchsfähigkeit des Mythos s. auch o. Kap. 2. Vgl. Heerink (2012) 54: „Heracles’ behaviour in the Argonautica is consistently depicted in an unfavourable light, and Apollonius refuses to deal with the possible civilizing and Callimachean aspects of Heracles, leaving that, as it were, to Callimachus. […] Although

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sion der Theiodamasgeschichte nur unvollständig überliefert ist und somit ein Vergleich der beiden Texte nur beschränkt möglich ist, liegt m.E. der entscheidende Punkt nicht in dem möglichen – wie auch immer zu bewertenden – intertextuellen Dialog zwischen Apollonios und Kallimachos,77 sondern vielmehr in dem Umstand an sich, dass Apollonios seine Erzählung der Hylas-Episode, die ja letztlich zu Herakles’ Ausscheiden aus der Argonautenhandlung führt, mit einem Hylas’ Präsenz erklärenden αἴτιον beginnt, welches er nach wenigen Versen wieder abbricht, um nicht von der eigentlichen Erzählung abzuweichen. Hierin liegt der eigentliche metapoetische Kernpunkt der apollonischen Theiodamas-Episode, den man wiederum in zwei verschiedene Richtungen interpretieren kann: Einerseits mag man im vorzeitigen Abbruch der Erzählung eine Verknüpfung zu der althergebrachten Frage nach der Einheit der Argonautica-Handlung sehen78 und die Bemerkung des Erzählers als impliziten Kommentar pro Einheit der Handlung lesen (eine Bemerkung, die jedoch – so gelesen – durch zahllose Abschweifungen und Digressionen andernorts wieder konterkariert wird). Andererseits lässt sich die vorzeitig beendete Digression jedoch auch als Kommentar hinsichtlich alternativer Inhalte und Erzählstrategien deuten: Der Erzähler öffnet hier ein weiteres Fenster zu einem Strang der Herakleserzählung, den er durchaus verfolgen könnte, hier aber – sei es um der Einheit der Haupthandlung willen, sei es aus anderen Gründen – nun doch nicht weiter vertieft. In diesem Kontext ist folgende Beobachtung von Heerink (2012) 44–45 von Belang: Das in der Abbruchformel vom Erzähler verwendete verbum aberrandi ἀποπλάζειν (Arg. 1,1220) wird an vier weiteren Stellen in den Argonautica noch einmal verwendet – davon dreimal im Zusammenhang mit der Zurücklassung des Herakles.79 Somit lässt sich ohne

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Apollonius and Callimachus agree on their evaluation of the traditionally heroic Heracles and the type of poetry he represents, their approaches towards the hero thus differ significantly. Whereas Callimachus gradually changes and appropriates the old hero to symbolize his own poetics and his gradually maturing attitude towards the heroic-epic literary tradition, Apollonius’ Heracles stays consistently in his traditional and un-Callimachean role as a symbol of outdated heroic-epic poetry, forced to leave the Callimachean epic to re-enter his own poetic world.“ Für frühere Interpretationen vgl. Ardizzoni (1935); Fränkel (1968) 144–145; Barigazzi (1976); Heerink (2012) 44 (Anm. 1) für weitere Literatur. Dasselbe Problem stellt sich bekannterweise mutatis mutandis auch bei der Frage nach dem zeitlichen und intertextuellen Verhältnis zwischen Arg. 1,1159–1357 und Theok. Id. 13 (Hylas) sowie zwischen Arg. 2,1–97 und Theok. Id. 22,27–134 (Amykos); vgl. dazu meine Anm. 9. Dass Kallimachos Apollonios an verschiedenen Stellen beeinflusst hat und als zeitlich prioritär anzusehen ist, gilt als communis opinio in der Forschung; vgl. Köhnken (22008) 77–80; zur Gegenposition (Apollonios vor Kallimachos oder aber zirkuläre intertextuelle Beeinflussung unter den beiden) vgl. id. 79–80 (Anm. 29). Zu diesem gewichtigen Thema der Apolloniosforschung s.o. Anm. 44. Arg. 1,1325 οἷό περ οὕνεκ᾿ ἀποπλαγχθέντες ἔλειφθεν („um dessentwillen [Herakles und Polyphemos] sich ja verirrten und zurückgelassen wurden“); 2,957 τῆµος ἔθ᾿ Ἡρακλῆος ἀποπλαγχθέντες ἔναιον („nachdem sie von Herakles getrennt worden waren“); 2,774–775 οἵου φωτὸς ἀποπλαγχθέντες ἀρωγῆς | πείρετ᾿ ἐς Αἰήτην τόσσον πλόον („was für eines Mannes Beistands verlustig geworden, | legt ihr eine so lange Fahrt zu Aietes zurück“).

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Zweifel mit Recht postulieren, dass „Apollonius strongly associates the verb with separation from Heracles“, wie Heerink (2012) 45 es formuliert. Nach meinem Dafürhalten lässt sich diese Deutung jedoch noch einen Schritt weiterziehen: Über das Verb ἀποπλάζειν werden das Ausscheiden des Herakles aus den Argonautica und die vom Erzähler gezielt vollzogene, explizit kommentierte und somit eindeutig poetologisch konnotierte Abbruchformel des Theiodamas-Exkurses in Analogie zueinander gesetzt. Daraus folgt nichts anderes, als dass Herakles’ Ausscheiden aus den Argonautica in ebensolcher Weise poetologisch zu lesen ist; gleichzeitig aber summieren sich die einzelnen Herakles-Referenzen zu einem ‚BeinaheHerakles-Epos‘, das Apollonios hätte komponieren können (es aber nicht getan hat, sondern es stattdessen bei verstreuten Anspielungen belassen hat), genauso wie er auch den Theiodamas-Exkurs hätte zu Ende führen können (diesen jedoch stattdessen vorzeitig wieder abgebrochen hat). Der Ambivalenz der Heraklesfigur, die Apollonios gezielt ausnutzt, indem er in ‚seinem‘ Herakles verschiedene, widersprüchliche und somit an und für sich miteinander unvereinbare Eigenschaften ineinander verwebt, entspricht auf der Erzählebene das Nebeneinander verschiedener möglicher Erzählstränge, die über Herakles eingeführt und auf einer metatextuellen Ebene diskutiert werden. Figurenpluriperspektivität und Erzählpluriperspektivität verhalten sich somit analog zueinander – so man die Heraklesfigur und deren Analyse unter einem narratologischen Gesichtspunkt betrachtet bzw. die Figur qua Figur als narratologischen Parameter ansieht. Die Summe der Herakles-Referenzen aber werden, so besehen, zu einer Art grossangelegter Beinahe-Episode – zu einer ‚Beinahe-Herakleis‘, die sich als narrativer Palimpsest ‚hinter‘ die Haupthandlung der Argonautica einschreibt. Mit Blick auf die diachrone Dimension der vorliegenden Untersuchung gilt es diese innertextlichen Überlegungen und Erkenntnisse nun noch um eine intertextuelle Dimension zu ergänzen: Apollonios’ Argonautica stehen zu den homerischen Epen in einem janusköpfigen Verhältnis, da sie einerseits – als hellenistisches Epos zeitlich auf die Epik der Archaik folgend – intertextuell auf Ilias und Odyssee rekurrieren, indem sie die Grossepik der archaischen Zeit unter alexandrinischen Bedingungen wiederbeleben und umformen,80 andererseits aber 80



In diesem Zusammenhang kommt die alte Streitfrage nach dem Verhältnis der Argonautica zum hellenistischen Dichtungsideal und insbesondere zur kallimacheischen ‚Kleinform‘ ins Spiel; vgl. den Topos vom ‚grossen Buch‘ als einem ‚grossen Übel‘ (fr. 465 Pf. = fr. 511 Asper): Καλλίµαχος ὁ γραµµατικὸς τὸ µέγα βιβλίον ἶσον ἔλεγεν εἶναι τῷ µεγάλῳ κακῷ. („Der Grammatiker Kallimachos sagte, ‚das grosse Buch‘ sei dasselbe wie ‚das grosse Übel‘.“) Zur angeblich personalisierten Kontroverse zwischen Apollonios und Kallimachos vgl. z.B. Rostropowicz (1979); Rengakos (1992) 55–67; Cameron (1995) 263–267; Lefkowitz (22008) 55– 69; Kurzüberblick bei Glei (22008) 4–5; vgl. ferner auch Ziegler (21966) und seine Hypothese einer apollonischen Schule historischer Grossepik. Die ganze Kontroverse kann und soll hier nicht diskutiert werden; m.E. abschliessend richtig Rengakos (1992) 65: „Die Zeugnisse zum Streit sind […] alles andere als auf echtem Wissen beruhende, womöglich sogar noch zu Lebzeiten des Apollonios und des Kallimachos entstandene Nachrichten; sie stellen nur das Echo der spätalexandrinischen Interpretation der Werke dieser beiden Dichter dar und haben nicht

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mythenchronologisch vor die Zeit ebendieser Epen zurückreichen, indem sie einen Stoff behandeln, der zeitlich vor die Ereignisse um Troja gehört. Anders gesagt: die Argonautica sind zwar literarchronologisch gesehen nach-, aus mythenchronologischer Sicht jedoch vorhomerisch.81 Mit Blick auf die Figur des Herakles ist dieser Umstand von besonderer Bedeutung, da Herakles in den homerischen Epen lediglich analeptisch als Angehöriger einer mythischen Vergangenheit in Erscheinung tritt und nicht Bestandteil der erzählten Zeit ist (s.o. Kap. 4–5). Vergleichbares gilt mutatis mutandis auch für die (ps.-)hesiodeischen Epen, in denen Herakles proleptisch auftritt, d.h. auf eine aus der Sicht der (ps.-)hesiodeischen Werke in der Zukunft liegende Zeitebene vorausverweist, also analog zu den homerischen Ebenen nicht in die eigentliche erzählte Zeit gehört (s.o. Kap. 6). Unter diesen Prämissen weckt ein Epos wie die Argonautica, welches sich intertextuell so stark aus der homerischen Tradition speist, gleichzeitig jedoch mit der Argonautenfahrt ein Thema behandelt, das durch und durch unhomerisch ist,82 nolens volens Erwartungshaltungen an Vorkommen und Verwendung der Heraklesfigur bzw. wirft entsprechende Fragen auf. Mit Blick auf die Frage, inwiefern Herakles überhaupt Teil der traditionellen Argonautensage an sich sei (d.h. was der mythenkontextuelle Hintergrund der Argonautica ist und erwarten lässt), haben wir gesehen, dass in der Antike divergierende Traditionen existierten, die das gesamte mögliche Spektrum von absoluter Zugehörigkeit bis zu absoluter Nicht-Zugehörigkeit abdeckten; Apollonios aber beschreitet einen Mittelweg bzw. inkludiert alle Traditionen, indem er Herakles in die Handlung einführt, ihn jedoch nur bis zum Ende des 1. Buches daran teilhaben lässt. Die nach seinem Ausscheiden erfolgenden

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mehr und nicht weniger Wert als die verschiedenen Erklärungen moderner klassischer Philologen.“ Dasselbe gilt in abgeschwächter Form freilich auch für das Verhältnis Homer – (Ps.-)Hesiod (s.o. Kap. 6 passim); allerdings stehen die (ps.-)hesiodeischen Werke den homerischen literarchronologisch/zeitlich näher als das hellenistische Epos des Apollonios. Für die erfrischende, aber m.E. nicht haltbare These einer Priorität des Hesiod vor Homer s.o. Anm. 2 in Kap. 6. Die Argonautenfahrt und die Suche nach dem Goldenen Vlies sind, so Fantuzzi/Hunter (2004) 90, „a story which Homer has ‘avoided’“. Die Argo wird in der Ilias nicht genannt (vgl. aber Il. 7,468–469, wo mit Euneos ein Sohn Jasons und Hypsipyles erwähnt wird), in der Odyssee nur kurz gestreift (Od. 12,69–72; vgl. dazu Dräger [1993a] 13–18). Zur Rekonstruktion eines vorhomerischen Argonautenepos, das sich insbesondere aufgrund der odysseischen Phrase Ἀργὼ πασιµέλουσα („die vielbesungene Argo“, Od. 12,70) erschliessen lässt, vgl. Dräger (2001a) 7–15. Nach Meuli (1921) 82–118 dürfte sich die Odyssee motivisch und narrativ stark aus ebendieser vorhomerischen Argonautenepik speisen (vgl. Baudy [2013] 22 [Anm. 22] für weitere Literatur); vgl. auch die Anspielung auf frühere Argonautenepen in Arg. 1,18–19: νῆα µὲν οὖν οἱ πρόσθεν ἔτι κλείουσιν ἀοιδοὶ | Ἄργον Ἀθηναίης καµέειν ὑποθηµοσύνῃσι. („Das Schiff nun preisen noch [immer] die Sänger von früher – | Argos habe es gemäss Athenes Anweisungen unter Mühen erbaut.“) Die Odyssee als prototypische quest story bildet ihrerseits einen klar erkennbaren narrativen Rahmen für Apollonios’ Argonautica; vgl. dazu Dufner (1988); Knight (1995) 122–266; Hunter (2015) 14–21. Für eine detaillierte Übersicht über die Behandlung des Argonautenmythos vor, bei und nach Apollonios vgl. Dräger (1993a); Dräger (1993b); Dräger (2001a) 7–58; Scherer (2006) 9–56.

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flashbacks auf Herakles erhalten nun jedoch unter dem genannten diachronen Gesichtspunkt noch eine zusätzliche Dimension, die über die festgestellte innertextliche Funktion eines alternative Erzählstrategien und Inhalte verhandelnden Beinahe-Herakles-Epos hinausgehen, insofern als sie die homerisch-hesiodeische Forderung nach einem in der Metadiegese befindlichen Herakles erfüllen. Besonders zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die Mini-Herakleis des Lykos (Arg. 2,771–795), die an die in der Form externer Analepsen präsentierten Herakles-Referenzen der Ilias anknüpft. Ebenso lässt sich der Umstand, dass sich ausgerechnet im 3. Buch der Argonautica – also im eigentlichen Höhe- und Zielpunkt der ganzen Argonautenunternehmung – keine Herakles-Referenzen finden (mit Ausnahme von Arg. 3,1231–1234: eine Passage, die im Zusammenhang mit der homerisierenden Wappnung des Aietes steht), verstehen, insofern als sich das 3. Buch mit seiner dezidiert ‚unepischen‘ Thematik am stärksten von der archaischen Epik entfernt hat und somit auf herakleische Tonspuren am ehesten verzichten darf.

8 QUINTUS SMYRNAEUS, POSTHOMERICA: HERAKLES IM DIENSTE DER AEMULATIO HOMERI ET HESIODI Mit ihrer direkten Kontinuation der homerischen Ilias bewegen sich die ins 3. Jh. n. Chr. zu datierenden Posthomerica des Quintus Smyrnaeus sowohl inhaltlich wie erzählchronologisch innerhalb des Bezugsrahmens der homerischen Ilias bzw. setzen diesen unmittelbar fort.1 So gesehen, kann auch hier Herakles kein am erzählten Geschehen konkret beteiligter Akteur sein. In Analogie zur Praxis der Ilias finden sich eine Reihe von auf die mythische Vergangenheit zurückverweisenden Herakles-Referenzen auch in den Posthomerica: Q.S. 1,497–507: Nach dem Eintreffen Penthesileias und der Amazonen vor Troja ist der Krieg wieder entbrannt und in vollem Gange. Aias hört das Kriegsgeschrei und fordert Achilleus auf, gemeinsam ins Kriegsgeschehen einzugreifen. Dabei verweist er auf ihre Verantwortung, die ihnen als Abkömmlingen des Zeus zukommt; als solche aber sind sie auch mit Herakles verwandt, der zusammen mit ihren Vätern Peleus und Telamon für die erste Eroberung Trojas verantwortlich war.2 Q.S. 2,268–276: Nestor fordert seinen Sohn Thrasymedes auf, die Leiche seines soeben getöteten anderen Sohnes Antilochos vor den Trojanern zu schützen. Dabei verweist er auf seinen eigenen Bruder Periklymenos, „der sogar dem Herakles entgegenzutreten wagte“ (274), als Vorbild für die Familienehre.3

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Zur Datierung der Posthomerica vgl. James/Lee (2000) 4–9; James (2004) xvii–xxi; Baumbach/Bär (2007b) 1–8; Bär (2009) 14–23. Es ist zu beachten, dass die Posthomerica nicht generell „posthomerisch“, sondern vielmehr „postiliadisch“ sind – der intertextuelle Hauptbezugspunkt ist die Ilias, nicht die Odyssee. Angespielt wird hierbei auf den bereits in Il. 5,638–642.648–651 und 14,250–251 umrissenen Mythos, demgemäss Herakles Troja eroberte und zerstörte, nachdem Laomedon ihm den versprochenen Lohn für die Tötung eines Seemonsters vorenthalten hatte (s.o. Anm. 6 in Kap. 4; Vian [1963a] 32–33 [Anm. 2 z.St.]; weitere Anspielung in Q.S. 4,450–451). Achilleus (Sohn des Peleus) und Aias (Sohn des Telamon) sind über ihren gemeinsamen Grossvater Aiakos Cousins (was in den Posthomerica mehrfach betont wird [vgl. Q.S. 1,578–579; 3,295; 3,428; 5,236], jedoch unhomerisch ist); über ihren gemeinsamen Urgrossvater Zeus sind sie wiederum auch mit Herakles verwandt. Während Telamons Teilnahme an der Ersteroberung Trojas kanonisch ist (vgl. Gantz [1993] 442–443), ist diejenige des Peleus nur schwach bezeugt (Vian [1963a] 32 [Anm. 1], der eine Anspielung auf einen auf den Epischen Zyklus zurückgehenden Traditionsstrang vermutet, was jedoch nicht zu beweisen ist). Von Periklymenos’ Kampf gegen Herakles und dessen Tod berichten die (ps.-)hesiodeischen Frauenkataloge (fr. 33a und 35). Bereits in der Ilias erzählt Nestor, wie seine elf Brüder, darunter Periklymenos, von Herakles erschlagen wurden und er als einziger überlebte (Il. 11,690–693; für weitere Textzeugnisse vgl. Vian [1963a] 66 [Anm. 3 z.St.]). Vgl. auch die Kommentare z.St. bei Ferreccio (2010) 159–160 und Campagnolo (2010/11) 204–210.

Quintus Smyrnaeus, Posthomerica: aemulatio Homeri et Hesiodi

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Q.S. 3,770–780: Poseidon tröstet Thetis, die um ihren toten Sohn Achilleus trauert, indem er ihr versichert, dass er nicht lange im Hades verweilen, sondern bald auf eine Insel im Schwarzen Meer gelangen werde, wo er von den umliegenden Völkern wie ein Gott verehrt werden wird.4 Als Beispiele für Halbsterbliche, die unter die Götter aufgenommen wurden, dienen ihm Herakles und Dionysos. Q.S. 4,443–456: Aias beweist bei den Leichenspielen für Achilleus seine Körperkraft, indem er einen Speer wirft, den sonst nur zwei Männer gemeinsam überhaupt zu heben vermögen.5 Der Speer gehörte früher Antaios, der „von den starken Händen des Herakles bezwungen wurde“ (447);6 später gab ihn Herakles während der ersten Trojaexpedition an seinen Gefährten Telamon, Aias’ Vater, weiter. Q.S. 5,639–651: Die Verbrennung von Aias’ Leiche wird zum einen mit dem Giganten Enkelados verglichen, der von Zeus’ Blitz getroffen und getötet wurde (641–643),7 zum anderen mit Herakles, der – vom Gift des Kentauren Nessos verzehrt – auf dem Scheiterhaufen verbrannt und anschliessend ‚über die Luft‘ unter die Götter aufgenommen wurde (644–649).8 Q.S. 6,119–123: Die Ankunft des Eurypylos vor Troja wird mit einem Hinweis auf dessen Grossvater Herakles eingeleitet. Q.S. 6,133–142: Anlässlich von Eurypylos’ Empfang durch Paris in Troja wird die gemeinsame genealogische Abstammung der beiden berichtet: Paris (Sohn des Priamos und der

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Zu den antiken Lokalisierungen der Insel (= Leuke) und den damit verbundenen Traditionen vgl. Vian (1963a) 174 (Anm. 7 z.St.). Die Tatsache, dass Achilleus gemäss Q.S. 14,224 nach seinem Tod nicht auf die Insel Leuke, sondern vielmehr auf die Elysischen Gefilde (= die Insel der Seligen) versetzt wird (zu dieser Tradition vgl. Vian [1969] 185 [Anm. 2 z.St.]), steht dazu in nur geringem Widerspruch – entscheidend ist, dass er in jedem Fall nicht in den Hades kommt, sondern vergottet wird und zu einem locus amoenus gelangt. (Zur Apotheose des Achilleus und seiner Versetzung auf die Insel Leuke und/oder auf die Insel der Seligen vgl. z.B. auch PMG 894 [= carm. conv. 11]; Luk. Ver. hist. 2,19; Dion Chr. 36,9.14; zur partiellen Identifikation der Elysischen Gefilde mit der Insel Leuke vgl. von Möllendorff [2000] 342–343 und Sourvinou Inwood [1997] 1004.) Hier klingt die Vorstellung an, dass Aias direkt nach Achilleus der beste und stärkste unter allen Achaiern sei; diese ist bereits homerisch (vgl. z.B. Il. 2,768–769) und wird in den Posthomerica mehrfach aufgegriffen (Q.S. 1,331–332; 3,246–247; 4,38; 4,498–499). Zum Motiv vgl. auch James (2004) 292 (Anm. z.St.): „A hero’s ability to throw something that two ordinary men could hardly lift is a repeated theme in the Iliad […].“ Antaios war ein Sohn des Poseidon, der in Libyen Fremde zwang, gegen ihn zu kämpfen, ehe er schliesslich auf Herakles traf und von diesem besiegt wurde. Die Begegnung zwischen Herakles und Antaios, die auch auf dem Schild des Eurypylos festgehalten ist (Q.S. 6,285– 288), findet gemäss Apollod. 2,115 während Herakles’ Reise zu den Hesperiden, gemäss Diod. 4,17,4 auf dessen Weg zu Geryon statt. Zum Mythos vgl. Brommer (1984) 38–42; Chuvin (1992) 274–276; Gantz (1993) 416–418; Stafford (2012) 55–56. Zur Tötung des Enkelados durch Zeus vgl. Batr. 283; anderen Mythenversionen zufolge wurde Enkelados von Athene mit der Insel Sizilien erschlagen und zugedeckt (z.B. Apollod. 1,37; weitere Passagen bei Bloch [1997]; zur Figur des Enkelados vgl. auch Vian [1952] 199–202, 221–222, 226–228, 265–266). Die Verknüpfung der Nessos-Episode mit Herakles’ Tod findet sich literarisch erstmals bei Soph. Trach. 553–581 und Bakchyl. 16; in den Posthomerica ebenfalls auf dem Schild des Eurypylos (Q.S. 6,283–285). Zu Figur und Mythos vgl. Brommer (1984) 48–53; Gantz (1993) 431–434, 458–459; Stafford (2012) 76–77.

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Quintus Smyrnaeus, Posthomerica: aemulatio Homeri et Hesiodi Hekabe) und Eurypylos (Sohn des Telephos und der Astyoche) sind Cousins, da Priamos und Astyoche Geschwister sind. Telephos selber ist ein Sohn des Herakles und der Auge, der nach der Geburt ausgesetzt und von einem Reh aufgezogen wurde, „denn es hätte sich nicht geziemt, | wenn ein Abkömmling des Herakles elendiglich zugrunde gegangen wäre“ (141– 142).9 Q.S. 6,198–293: Die Ekphrasis von Eurypylos’ Schild, auf der insgesamt achtzehn Taten seines Grossvaters Herakles geschildert sind, wobei der kanonische Dodekathlos eingerahmt wird von Herakles’ Schlangenabenteuer als Baby einerseits und fünf weiteren, nichtkanonischen Taten andererseits:10 200–207: Schlangenabenteuer als Baby 208–268: Dodekathlos: 208–211: Nemeischer Löwe 212–219: Lernäische Hydra 220–222: Erymanthischer Eber 223–226: Kerynthische Hirschkuh 227–231: Stymphalische Vögel 232–236: Säuberung des Augiasstalles 236–240: Kretischer Stier 240–245: Gürtel der Hippolyte 245–248: Stuten des Diomedes 249–255: Rinder des Geryoneus; Orthros und Eurytion 256–259: Äpfel der Hesperiden 260–268: Einholung des Kerberos aus der Unterwelt 268–272: Befreiung des Prometheus 273–282: Kampf der Kentauren bei Pholos 283–285: Tötung des Nessos 285–288: Tötung des Antaios 289–291: Befreiung der Hesione Q.S. 6,298–307: Paris setzt alle seine Hoffnungen auf Eurypylos; er vergleicht diesen punkto Aussehen und Stärke mit seinem Grossvater Herakles und fordert ihn auf, sich diesen für den Kampf gegen die Achaier zum Vorbild zu nehmen. Q.S. 6,368–371: Zeus verleiht Eurypylos „unsägliche Kraft“ (άσπετον […] κάρτος, 370) im Kampf gegen die Achaier. Damit „zeigte er sich [auch] dem vielgepriesenen Herakles gefällig“ (371).

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Zu Herakles und Auge bzw. Telephos und Astyoche vgl. die Anmerkungen z.St. bei Vian (1966) 72 (Anm. 4–5); James (2004) 303; Gärtner (2010), Bd. 1, 307. Vian a.a.O. nimmt an, dass die genannte genealogische Verbindung zwischen Paris und Eurypylos bereits zyklisch gewesen sei. Zu Eurypylos’ Schild vgl. ausführlich Baumbach (2007) 128–141 sowie die Anmerkungen z.St. bei Vian (1966) 75–79 und James (2004) 303–304; zu meiner Interpretation s.u.

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Q.S. 7,106–113: Der im Kampf gegen die Argeier wütende Eurypylos wird vom primary narrator mit Herakles in dessen Kampf gegen die Kentauren im Pholoe-Gebirge verglichen.11 Q.S. 7,128–131: Der Erzähler berichtet, dass den Achaiern die Kraft fehlt, gegen Eurypylos zu kämpfen, weil Herakles persönlich – offenbar aus vergöttlichter Perspektive (vgl. Q.S. 3,771–772; 5,647–649) gesehen – seinem Enkel die Kräfte stärkt. Q.S. 9,392–397: Die ausführliche Beschreibung des von Schmerzen gequälten Philoktet, die sich Diomedes und Odysseus, die diesen zu holen nach Lemnos aufgebrochen sind, bietet (Q.S. 9,353–397), wird beschlossen von einer kurzen Erwähnung und Beschreibung des von Herakles gefertigten Bogens, in dessen Besitz Philoktet nunmehr ist und der einen nicht zu überspringenden ‚Etappensieg‘ bei der Eroberung Trojas zu leisten hat.12 Q.S. 10,178–205: Nach den beiden grossen Ekphraseis (Achilleus’ Schild, Q.S. 5,6–101; Eurypylos’ Schild, Q.S. 6,198–293) bieten die Posthomerica noch eine dritte, kleinere Ekphrasis, die Darstellungen auf Philoktets Wehrgehenk (180–187) und auf seinem Köcher (188–202) beschreiben: wilde, garstige Tiere, die miteinander kämpfen, auf Ersterem; verschiedene brutale Szenen aus dem Bereich des Mythos (Tötung des Argos durch Hermes [189–191]; Phaethons Sturz vom Sonnenwagen [192–194]; Tötung der Medusa durch Perseus [195–198]; Qualen des Prometheus [199–202]) auf Letzterem. Die Gerätschaften waren von Hephaistos für Herakles angefertigt und von diesem an Philoktet weitergegeben worden (179–180.203– 205).13

Die Frage, wie die posthomerischen14 Herakles-Referenzen einzuordnen und zu interpretieren sind, ist eng verknüpft mit der Frage nach dem Verhältnis von Quintus’ Posthomerica zur homerischen Ilias. Wie wohl kein anderes Werk der gesamten Antike stellen die Posthomerica ein Sequel in einem emphatischen Sinne dar,15 insofern als das Werk des Quintus (zumindest scheinbar) vorgibt, eine ‚echte‘ Fortsetzung der Ilias – unter Wiederbelebung einer oberflächlich täuschend echten, d.h. formelhaft erscheinenden, homerisierenden Kunstsprache, und mittels konstanter Verwendung charakteristisch homerischer Erzählmuster, typischer 11

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13 14

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Zu Herakles’ Kampf gegen die Kentauren in dem nach dem Kentauren Pholos benannten Pholoe-Gebirge, welcher auch in der Ekphrasis von Eurypylos’ Schild geschildert ist (Q.S. 6,273–282), vgl. Stes. Ger. fr. 19 SLG = fr. 181 PMG; Diod. 4,12,3–8; Apollod. 2,83–87; Brommer (1984) 54–58; Gantz (1993) 390–392; Stafford (2012) 68–70. Dass Philoktet wegen einer von einer Giftschlange beigebrachten, stinkenden Wunde auf der Insel Lemnos ausgesetzt wird, ist bereits in den Kyprien fassbar (PEG I p. 41,50–51 = EpGF p. 32,64–66; dazu Masciadri [2008] 71–74); seine Zurückholung und Heilung war Bestandteil der Ilias parva (PEG I p. 74,7–8 = EpGF p. 52,7–9). Nach Soph. Phil. 670.799–803 erhält Philoktet „vom todgeweihten Herakles die Waffen als Dank dafür, dass er den Scheiterhaufen entzündet“ (Gärtner [2010], Bd. 2, 238); diese Vorstellung dürfte mythisches Gemeingut gewesen bzw. geworden sein und auch hier in Q.S. 9,397 im Hintergrund stehen. Zu weiteren Quellen des Mythos vgl. Stenger (2000); Ozbek (2007) 166–173; Masciadri (2008) 38–111; Gärtner (2010), Bd. 2, 236 (Anm. z.St.). Zur Weitergabe von Herakles’ Kriegsgerät an Philoktet s. die vorhergehende Anmerkung. Der Begriff „posthomerisch“ wird hier spezifisch mit Bezug auf Quintus’ Posthomerica verwendet, während zur unspezifischen Bezeichnung der Begriff „nachhomerisch“ (= später als Homer) bzw. „nachiliadisch“ (= [literar-]chronologisch auf die Ilias folgend) gebraucht wird. Vgl. jedoch auch meine Bemerkungen zu den (ps.-)hesiodeischen Frauenkatalogen als Sequel zur Theogonie und zur Rolle der Herakles-Referenzen in diesem Prozess der Weiterschreibung.

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Szenen, Gleichnisse usw. – zu sein.16 So gesehen, ist a priori ein an die iliadische Praxis angelehnter Umgang mit der Heraklesfigur auch für die Posthomerica zu erwarten. Wie in Kap. 4 gezeigt wurde, kommt den in der Ilias über das Gesamtwerk eingestreuten Herakles-Referenzen aus narrativer Sicht eine proleptische Funktion mit Blick auf die bevorstehende Zerstörung Trojas zu, insofern als die Erinnerung an Herakles die durch ihn in der Vergangenheit getätigte – erfolgreiche – Erstzerstörung der Stadt aufruft, während Herakles als Figur eine paradigmatische Vorbildfunktion für Achilleus, den ‚tragischen‘ Hauptakteur der Ilias, einnimmt – wobei dieser Figurenparallelismus insofern dadurch ein Stück weit unterminiert wird, als Achilleus im Gegensatz zu Herakles kein finaler Erfolg bei der Eroberung Trojas beschieden ist, da es ihm bestimmt ist, unmittelbar nach Hektors Tod selber zu sterben. An diese proleptische Funktion des iliadischen Herakles knüpfen die Posthomerica in zweierlei Hinsicht an: zum einen über die Figur des Philoktet, dessen von Herakles ererbter Bogen eine condicio sine qua non für die Eroberung Trojas darstellt, und zum anderen über den iliadischen Parallelismus Herakles – Achilleus, der in den Posthomerica einerseits noch zusätzlich gefestigt und andererseits nach Achilleus’ Tod auf dessen Nachfolger Aias17 übertragen wird. Beginnen wir mit dem zweitgenannten Punkt: Die posthomerische Ersterwähnung des Herakles ist Aias in den Mund gelegt, als dieser Achilleus auffordert, in das wieder aufgeflammte Kriegsgeschehen einzugreifen, wobei er explizit sowohl auf die Erstzerstörung Trojas durch Herakles als auch auf ihrer beider Verwandtschaft mit ebendiesem (zurückzuführen auf die allen dreien gemeinsame Abstammung von Zeus) rekurriert (Q.S. 1,497–507). Damit wird nicht nur die auf die Ilias zurückzuführende proleptische Funktion des Herakles und dessen Analogie zur Achilleusfigur aufgegriffen, sondern es findet gleichzeitig eine Erweiterung dieses Parallelismus um die Figur des Aias statt. Diese ‚Dreiecksbeziehung‘ wird von Quintus mittels Rückgriff sowohl auf eine unhomerische Genealogie (Achilleus und Aias sind bei Homer noch keine Cousins) wie auch auf die ebenfalls erst nachhomerische (und überhaupt nur schwach bezeugte) Teilnahme von Achilleus’ Vater Peleus an Herakles’ Trojaexpedition etabliert, ja recht eigentlich konstruiert.18 Durch diese Er 16

17 18

Auf einer metapoetischen Ebene wird der direkte Anschluss der Posthomerica an die Ilias im Wesentlichen an drei Punkten geleistet (vgl. den Überblick bei Bär [2009] 69–78): erstens über den Verzicht auf ein in der Gattungstradition an und für sich zwingendes Initialproömium mit Musenanruf zu Werkbeginn (dazu Bär [2007] 32–40), zweitens über den Rückgriff auf die iliadische Beschreibung von Achilleus’ Schild und dessen Komplettierung durch Quintus (Q.S. 5,6–101; dazu Baumbach [2007] 112–128; Maciver [2012] 39–86), sowie drittens über das Binnenproömium vor dem Katalog der das Hölzerne Pferd besteigenden Helden, worin sich der Erzähler als aus Smyrna, dem topischen Geburtsort Homers, stammender Dichter ‚enttarnt‘, wodurch wiederum als impliziter Autor der Posthomerica Homer in persona inszeniert wird (Q.S. 12,306–313; dazu Bär [2007] 40–64; s. dazu auch u.). Zu Achilleus und Aias als Cousins s.o. Anm. 2; zu Aias als zweitbestem Achaier nach Achilleus s.o. Anm. 5. S.o. Anm. 2.

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weiterung des Beziehungsgeflechts wird im Kern dreierlei erreicht: Erstens wird der bevorstehende Untergang Trojas auf der aus der Ilias übernommenen Schiene der Herakles-Prolepse weitergeführt, womit letztlich der Anschlusscharakter der Posthomerica an die Ilias herausgestellt sowie die Zerstörung Trojas als τέλος der ganzen Trojaexpedition gestärkt werden. Zweitens wird Achilleus’ ‚Ablösung‘ durch Aias vorbereitet, da Achilleus’ Tod im dritten Buch der Posthomerica unmittelbar bevorsteht (Q.S. 3,60–66). Drittens, und untrennbar mit letztgenanntem Punkt verknüpft, wird über die Dreierparallele Herakles – Achilleus – Aias auch auf den nicht minder imminenten tragischen Tod des Aias im fünften Buch vorausgedeutet, denn Aias ist ebenso wie Achilleus das Schicksal beschieden, vor dem endgültigen Untergang Trojas zu sterben. Sowohl die Analogie Herakles – Achilleus als auch die Analogie Herakles – Aias werden in der Folge iteriert: Zuerst wird Achilleus nach seinem Tod – sprich: nach seinem Ausscheiden aus der posthomerischen narratio – von Poseidon mit Herakles und dessen Bruder Dionysos verglichen, insofern ihm dasselbe Schicksal wie den beiden Zeussöhnen bestimmt ist, nämlich nach seinem Tod unsterblich gemacht, auf die Insel Leuke bzw. die Elysischen Gefilde/die Insel der Seligen versetzt und wie ein Gott verehrt zu werden (Q.S. 3,770–780). Damit wird zwar ein dezidierter Widerspruch zur homerischen Tradition eröffnet (bzw., positiv gesprochen, eine Korrektur derselben angeboten), dergemäss Achilleus ein betrübliches Dasein in der Unterwelt fristet (Od. 11,467–540; insbesondere 11,488–491)19 – gleichzeitig jedoch ermöglicht der Vergleich mit Herakles auch eine mögliche Lösung dieses Widerspruchs, denn bekanntlich ist niemand anderer als Herakles gemäss Od. 11,602–604 sowohl als Unsterblicher im Olymp wie auch als εἴδωλον in der Unterwelt.20 Somit lässt sich der Heraklesvergleich an dieser Stelle implizit als affirmativer intertextueller Kommentar zu der inhärent widersprüchlich erscheinenden Vorstellung eines auf Himmel und Unterwelt ‚aufgeteilten‘ Herakles verstehen, denn wenn Achilleus, wie Poseidon versichert, im Widerspruch zu der genannten Aussage in der Nekyia auf die Insel Leuke (bzw. gemäss Q.S. 14,224 auf die Elysischen Gefilde)21 versetzt werden kann, so ist auch eine ‚Aufteilung‘ des Herakles zwischen Olymp und Hades denkbar. Nach Achilleus’ Ableben und seinem Ausscheiden aus der Handlung der Posthomerica nimmt, wie ausgeführt, sein Nachfolger Aias seinen Platz ein – nur um, der mythischen Tradition folgend, bald darauf durch seine eigene Hand ebenfalls zu sterben (Q.S. 5,482–486). An zwei Stellen wird nun Aias ebenfalls mit Herakles verglichen: Einmal, als er bei den Leichenspielen für Achilleus den Speer des Antaios zu heben vermag, der ihm über seinen Vater von Herakles, der seinerseits Antaios besiegt hatte, vererbt wurde; zum zweiten Mal – wie zuvor Achilleus – anlässlich seines Todes, als die Verbrennung seiner Leiche mit der 19 20 21

Vgl. dazu Bär (2016) 228 und Maciver (2017) 127. Zu der Stelle vgl. Kap. 5 (mit Anm. 9) für die mit der Passage verbundenen (für die vorliegende narratologische Studie irrelevanten) philologischen Probleme. Vgl. dazu Anm. 4.

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Verbrennung des vom Gift des Nessos verzehrten Herakles in Analogie gesetzt wird (Q.S. 5,644–649). Der Vergleich des auf dem Scheiterhaufen verbrennenden Aias mit dem ebenda verbrennenden Herakles setzt eine Kette möglicher Assoziationen frei: Zum einen wird dem Rezipienten über den Vergleich mit dem nach seinem Tode immortalisierten Herakles wie auch durch die über den gemeinsamen Nenner des Heraklesvergleichs ermöglichte Rückbindung der Szene an Achilleus’ von Poseidon prophezeiter Apotheose (Q.S. 3,770–780; s.o.) die Möglichkeit gegeben, in Betracht zu ziehen, dass auch Aias nach seinem Tode vergottet werden könnte, obschon diese Option im Text der Posthomerica nicht expliziert, sondern nur impliziert wird: Eine Immortalisierung des Aias nach dessen Tod ist zwar nirgends belegt, doch existieren anderweitig Zeugnisse bezüglich der Vorstellung eines Aias, der als Baby von Herakles mit dessen Löwenfell unsterblich gemacht wurde und nur an der Stelle des Körpers, wo er von dessen Köcher berührt wurde, sterblich blieb.22 Diese Geschichte ‚kopiert‘ evidentermassen die bekannte Sage von Achilleus’, dessen Körper von Aphrodite mit Ausnahme seiner Ferse immortalisiert wurde, wodurch die empfundene Verwandtschaft zwischen Achilleus und Aias ersichtlich wird. Gleichzeitig schafft sie aber auch zwischen Aias und Herakles Nähe – möglicherweise liegt in Q.S. 5,639–651 eine versteckte Anspielung auf ebendiese Mythentradition vor.23 Zum anderen lässt sich die unrühmliche Todesart des Aias (Suizid statt Heldentod) relativieren, denn genauso wie Herakles trotz seines für einen Halbgott und grossen Helden wenig ruhmreichen Todes unter die Götter versetzt wurde, so besteht auch für Aias theoretisch dieselbe Möglichkeit. Doch wirkt sich der sterbende Herakles als Paradigma für den sterbenden Aias nicht ausschliesslich positiv auf die Rezeption des Letzteren aus,24 denn Herakles und Aias sind, wie Baumbach (2007) 136–138 zeigt, über das Motiv der µανία auch in negativer Weise miteinander gleichgesetzt: So wird im Kontext der Schilderung von Aias’ Wahnsinn die Junktur ποτὶ Στυγὸς αἰνὰ ῥέεθρα („zu den schrecklichen Strömen der Styx“, Q.S. 5,453) verwendet, die auf Eurypylos’ Schild (dazu s.u.) im Zusammenhang mit der Einholung des Kerberos durch Herakles in variierter Form wieder aufgegriffen wird (παρὰ Στυγὸς αἰπὰ ῥέεθρα, Q.S. 6,266). Somit wird „eine Gleichsetzung der beiden Helden Ajax und Herakles über […] das Motiv des Wahnsinns […] [ermöglicht], das sich von Ajax auf Hera 22 23

24

Vgl. Lykophr. Alex. 453–461; Schol. Pind. Isth. 6,53 = Hes. fr. 250, dazu Hirschberger (2004) 448. Zum nachiliadischen Schicksal des Aias vgl. zusammenfassend Gantz (1993) 629–635. In den Posthomerica ist von der Immortalisierung einiger weiterer Sterblicher die Rede, so von Memnon (Q.S. 2,650–652), Neoptolemos (Q.S. 3,760–762), Machaon (Q.S. 7,41–43) und Ganymed (Q.S. 8,431); vgl. dazu Vian (1963a) xvii–xviii und Maciver (2017) 133–135. Zum Nebeneinander widersprüchlicher Jenseitsvorstellungen in den Posthomerica allg. vgl. Bär (2016) 227–229 und Maciver (2017) 127–133. Die nachfolgend präsentierte Idee stammt aus einer unpublizierten Arbeit von Arnold Bärtschi, die an einem Workshop in London (14.–15.06.2013) vorgestellt und diskutiert wurde. Ich danke Arnold Bärtschi für die Erlaubnis, diesen Gedanken hier in meine Untersuchung einfliessen zu lassen.

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kles übertragen lässt, obwohl die Episode seines Wahnsinns bei der heroisierenden Darstellung auf dem Schild bzw. dessen Ekphrasis natürlich prima facie ausgepart wird“, so dass „eine differenzierte Deutung des Schildes [ermöglicht wird], die […] auch auf die Ambiguität des Helden Herakles verweist“.25 Genauso wie jedoch die negative Konnotation von Aias’ Wahnsinn via die variierte Wiederholung der genannten Junktur Assoziationen an den Hercules furens zu wecken und somit die Rezeption der Heraklesfigur negativ einzufärben vermag, so lässt sich die Negativassoziation der beiden Helden ex posteriori auch an die InAnalogie-Setzung von Herakles’ und Aias’ Tod in Q.S. 5,644–649 rückbinden. Ferner dürfte die Tatsache, dass der sterbende Aias unmittelbar vor dem Heraklesvergleich auch noch mit dem Giganten Enkelados verglichen wird (Q.S. 5,641–643) – sprich: mit einer für die herrschende Weltordnung (Zeusherrschaft) bedrohlichen und somit grundsätzlich problematischen Figur –, die negative Färbung der Aiasfigur an dieser Stelle noch verstärken.26 Zusammengefasst lässt sich somit konstatieren, dass die Analogie zwischen Herakles und Aias nicht bloss die aus der Ilias übernommene Analogie zwischen Herakles und Achilleus nach dem Tode des Letzteren fortsetzt, sondern dass die erstgenannte Analogie noch dadurch verstärkt wird, dass mit Herakles und Aias zwei Figuren miteinander parallelisiert werden, die über ihren Wahnsinn eng miteinander ‚verwandt‘, sprich ähnlich ambivalent und somit in der Summe weder eindeutig positiv noch eindeutig negativ zu bewerten sind. Auf diese Weise kann sich der Rezipient dazu aufgefordert fühlen, auch die auf die Zerstörung Trojas vorausweisende proleptische Funktion des Herakles ambivalent zu sehen, sprich dem Kriegsunternehmen als solchem bzw. dem Verhalten der Achaier bei der Einnahme Trojas kritisch gegenüberzutreten, insofern als sich auch dieses als µανία lesen lässt (mehr dazu s.u.). Wie bereits angetönt, wird die auf den Untergang Trojas vorausdeutende Funktion der Heraklesfigur in den Posthomerica noch auf einem zweiten Strang fortgeführt, nämlich über die Figur des Philoktet, der – im Besitze von Herakles’ Bogen und anderen Kriegsgerätschaften – von der Insel Lemnos, wo er wegen einer ihm von einer Schlange beigebrachten, stinkenden Wunde einst ausgesetzt wurde, wieder zurückgeholt werden muss, da seine Präsenz vor Troja eine nicht auszulassende Etappe auf dem endgültigen Sieg der Achaier darstellt. Die zweite Hälfte des neunten Buches der Posthomerica schildert die auf den Rat des Kalchas erfolgende Einholung Philoktets durch Diomedes und Odysseus (Q.S. 9,323– 546), die zwingend notwendig ist, da „es nicht bestimmt ward, dass Ilions Stadt bezwungen würde, | ehe der gewaltige Philoktet zur Schar der Achaier | gelangte“ (οὐ γὰρ δὴ πέπρωτο δαµήµεναι Ἰλίου ἄστυ, | πρίν γε Φιλοκτήταο βίην ἐς ὅµιλον Ἀχαιῶν | ἐλθέµεναι, Q.S. 9,327–329). Daran anschliessend, leistet Philoktet seinen unverzichtbaren Beitrag zur Eroberung Trojas dadurch, dass er Paris mit 25 26

Baumbach (2007) 136. Freundlicher Hinweis von Arnold Bärtschi.

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einem seiner Giftpfeile verwundet (Q.S. 10,231–241), was schliesslich zu dessen qualvollen Tod führt (Q.S. 10,253–368). Philoktets Zurücklassung und Einholung sowie die Prophezeiung seiner notwendigen Anwesenheit vor Troja ist eine aus der bestehenden epischen Tradition ererbte und nachweislich bereits auf den Epischen Zyklus zurückgehende Handlungskomponente der nachiliadischen Trojasage.27 Mit Blick auf die narrative Funktion der Heraklesfigur ist jedoch m.E. auch hier das proleptische Element bzw. die Verknüpfung der Vergangenheit mit der Gegenwart entscheidend: Herakles hatte seine Waffen im Moment seines Todes an Philoktet verschenkt – dies gemäss kanonischer Erklärung als Dank dafür, dass Philoktet als einziger sich bereit erklärt hatte, den Scheiterhaufen anzuzünden (vgl. Soph. Phil. 670.799–803). Hinzu kommt, dass Herakles und Philoktet über ihre herausragenden Fähigkeiten als Bogenschützen bereits in der Odyssee miteinander assoziiert sind (vgl. Od. 8,219–225). Herakles hat als Held einer früheren Generation – mit Blick auf Philoktet ist er nur eine Generation älter als die Trojakämpfer28 – Troja schon einmal angegriffen und besiegt und ist somit ein wichtiges Vorbild für die panhellenische Trojaexpedition unter Agamemnon und Menelaos; darüber hinaus jedoch ist er via Philoktet mit seinen eigenen Waffen nun sogar in gewisser Weise selber daran beteiligt und somit indirekt präsent (ebenso wie er in der Erinnerung der Achaier und in den Analepsen des Erzählers wiederholt präsent ist bzw. präsent gemacht wird), und die Tatsache, dass Philoktets Pfeilschuss auf Paris einen unabdingbaren Etappensieg hin zur finalen Eroberung Trojas darstellt, zeigt letztlich die Unverzichtbarkeit der Heraklesfigur für den Sieg der Achaier gegen Troja. Anders gesagt, wird Herakles über die Philoktetfigur sozusagen post mortem in die erzählte Zeit der Trojasage hineingeholt, so dass auch der Rückholung des Philoktet aus Lemnos eine poetologische Bedeutung zukommt: Ebenso wie es ein Fehler war, Philoktet auf Lemnos auszusetzen, wäre es ein Fehler, Herakles aus dem Trojanischen Kriegsgeschehen völlig auszublenden; indem der an Philoktet begangene Fehler in letzter Minute korrigiert wird, wird indirekt auch die notwendige Einschreibung des Herakles in die Trojageschichte vorgenommen.29 Strukturell gesehen, mag man in dieser Doch-noch-Wieder 27

28 29



Vgl. dazu meine Anm. 12. Zur Prophezeiung (die hier durch Helenos erfolgt) vgl. Vian (1966) 174 (Anm. 1); Gärtner (2010), Bd. 2, 236; ferner Stenger (2000) 833. Zu beachten ist zudem, dass die Reihenfolge der Ereignisse in der Ilias parva anders verläuft als in den Posthomerica: In Ersterer erfolgen Philoktets Einholung und Paris’ Tod vor Neoptolemos’ und Eurypylos’ Ankunft (PEG I p. 74,6–13 = EpGF p. 52,6–15), während in den Posthomerica Philoktets Einholung (Buch 9) und Paris’ Tod (Buch 10) erst auf Eurypylos’ Tod (Buch 8) folgen (vgl. dazu Vian [1963a] xxviii–xxix; Vian [1966] 49; James [2004] 301–302; Baumbach/Bär [2015] 610–611). Zu Herakles’ Generationszugehörigkeit vgl. Anm. 20 in Kap. 4. In diesem Sinne z.B. auch Vian (1966) 220 (Anm. 5): „D’après la légende, Héraclès s’était emparé de Troie sous le règne de Laomédon ; c’est pourquoi il était nécessaire que Philoctète, qui détenait l’arc du héros […], participait à l’ultime assaut contre la ville.“ Dass es sich bei dem Motiv um ein episches Erbe und keine Erfindung des Quintus handelt, tut dessen metapoetischer Wirkung in den Posthomerica keinen Abbruch; ausserdem ist die Neubelebung des

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einschreibung ferner auch eine Parallele zu Herakles in den Argonautica des Apollonios sehen: Auch dort wird die Erinnerung an Herakles nach seinem Ausscheiden aus der Handlung konstant aufrecht erhalten, ehe sich die Argonauten zuletzt doch noch auf die Suche nach ihm machen, dabei allerdings erfolglos bleiben (s.o. Kap. 7). Prominent herausgehoben wird die poetologische Dimension der posthomerischen Philoktet-Episode ferner mittels der Ekphrasis von Philoktets Wehrgehenk und Köcher (Q.S. 10,178–205). Wiewohl diese Ekphrasis im Gegensatz zum Schild des Eurypylos (dazu s.u.) keine Taten des Herakles zeigt, also das Wirken des Herakles nicht unmittelbar ostentativ als Präfiguration von Philoktets bevorstehenden Taten vor Troja herausstellt, kommen den dargestellten Szenen auf den beiden Gegenständen eine sowohl analeptisch auf Herakles zurück- wie auch proleptisch auf Philoktet und sein Wirken vorausweisende Funktion zu. Zum einen ist – unabhängig vom Inhalt des Dargestellten an sich – entscheidend, dass die bildlichen Darstellungen auf den Gegenständen per se die Enge der Verbindung zwischen Herakles und Philoktet zu stärken vermögen, da sie beiden Betrachtern – d.h. dem früheren Besitzer (dem Herakles der Vergangenheit) und dem jetzigen Besitzer (dem Philoktet der erzählten Gegenwart) – ein- und dieselben Bilder vor Augen führen, wobei dem Rezipienten im Moment der Betrachtung bzw. der Lektüre die Funktion eines Bindeglieds zukommt, insofern als er als Leser/Betrachter der Ekphrasis genau dieselben Zeichen dechiffriert, die sowohl Herakles als auch Philoktet in der ihnen jeweils eigenen Zeit entziffert haben. Zum anderen lassen sich die dargestellten Szenen mit Blick auf ihren Inhalt unschwer als Vorausverweis auf die unmittelbar bevorstehenden Ereignisse kurz vor der Zerstörung Trojas lesen: Die kämpfenden Wildtiere auf dem Wehrgehenk sind allesamt mit Attributen versehen, welche sich im semantischen Feld von Schrecken, Grauen und Blutvergiessen bewegen,30 und deuten somit auf die letzte Feldschlacht (Buch 11) und sowie auf die Iliupersis und das grausame Wüten der Achaier (Buch 13) hin,31 dieweil die Schilderungen auf dem Köcher durchweg brutale, teils tödlich endende Szenen aus dem Bereich des Mythos enthalten, wobei insbesondere den nicht enden wollenden Qualen des Prometheus (Q.S. 10,199–202) eine proleptische Funktion auf die sich in die Länge ziehende Agonie des Paris (Buch 10) zukommt. Gleichzeitig jedoch unterscheiden sich Prometheus’ Qualen in ihrer individuell divergierenden Semiotik für Herakles und für Philoktet fundamental: Für

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Motivs durch die Umstellung vonseiten des Quintus (vgl. meine Anm. 27) in Rechnung zu stellen. ἄρκτοι […] βλοσυραὶ καὶ ἀναιδέες V. 181; θῶες | σµερδαλέοι Vv. 181–182; λυγρὸν ὑπ᾿ ὀφρύσι µειδιόωσαι | πορδάλιες Vv. 182–183; λύκοι […] ὀβριµόθυµοι V. 183; σύες ἀργιόδοντες V. 184; ἐυσθενέες […] λέοντες V. 184. In der Tat erschöpft sich die Schilderung nicht in der Darstellung wilder, blutig kämpfender Tiere, sondern es werden auch Schlachten (von Menschen) gezeigt; vgl. Vv. 185–186: ἀµφὶ δὲ πάντῃ | ὑσµῖναι ἐνέκειντο µετ᾿ ἀργαλέοιο φόνοιο. („Und überall ringsherum | waren Schlachten mit schrecklichem Morden darauf dargestellt.“)

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Herakles steht die Befreiung des Prometheus noch bevor, die Darstellung der Szene hat also für ihn proleptische Funktion; für Philoktet hingegen sind das Leiden des Prometheus wie auch die übrigen Szenen (Hermes und Argos; Phaethon; Medusa und Perseus) Analepsen auf Taten und Ereignisse vergangener Tage. Hinzu kommt, dass Herakles Prometheus erlösen wird bzw. bereits erlöst hat, also die ihm oft zugeschriebene Funktion eines σωτήρ einnimmt (die Erlösung ist auch auf dem Schild des Eurypylos dargestellt [Q.S. 6,268–272; dazu s.u.]), während Philoktet dem Paris ‚Prometheus-Qualen‘ zufügen und ihn damit schliesslich, nach langem Leiden, ums Leben bringen wird. Somit wird, in der Summe, durch die unterschiedliche Perspektivierung des Prometheus-Mythos das vergangene Wirken des Herakles mit dem bevorstehenden Wirken des Philoktet zwar einerseits eng verwoben – gleichzeitig wird jedoch andererseits auch darauf hingewiesen, dass Herakles’ Vergangenheit und Philoktets Gegenwart aller gegenseitigen Nähe zum Trotz zwei unterschiedliche Welten darstellen. Die Ekphrasis in Posthomerica 10 verfügt schliesslich m.E. auch noch über eine intertextuelle Dimension, insofern als damit auf die Mini-Ekphrasis von Herakles’ Wehrgehenk in der Nekyia (Od. 11,609–612) verwiesen wird. Wie in Kap. 5 ausgeführt, wird mit Letzterer an die Kriegsthematik der Ilias erinnert; die Abbruchformel vonseiten des Erzählers und dessen Wunsch, der Künstler möge nie mehr ein vergleichbares Werk herstellen (Od. 11,613–614), lassen sich als für die Odyssee charakteristische recusatio der Kriegsthematik lesen, was mit der ‚Einschliessung‘ des Herakles in der Unterwelt korrespondiert, der als mythisches Paradigma eines Superhelden in der erzählten Zeit der unkriegerischen Odyssee keinen Platz mehr hat. Wenn nun Quintus ebendiese Ekphrasis wieder aufgreift und zu Ende führt, so erreicht er damit zweierlei: Zum einen wird die in der Odyssee obsolete und darum in die Unterwelt verbannte Kriegsthematik wieder in die (für die Posthomerica relevante) quasi-iliadische Gegenwart zurückgeholt, insofern als Philoktet als neuer Besitzer von Herakles’ Gerätschaften diese nun refunktionalisiert; zum anderen wird das in der Odyssee prominente Fehlen einer vollgültigen Ekphrasis32 zumindest in Ansätzen nachgeholt, indem Quintus in Analogie zu seiner grossangelegten Komplettierung der iliadischen Schildbeschreibung (Q.S. 5,6–101) nun auch noch eine Vervollständigung dieser odysseischen Mini-Ekphrasis nachliefert.33 Schliesslich bietet, so Baumbach (2007) 142, Quintus’ Ekphrasis in Posthomerica 10 strukturell gesehen auch einen 32 33

Zum Fehlen einer vollständig durchgeführten Ekphrasis in der Odyssee als dezidierte Absetzung von der Ilias (im Sinne einer recusatio ex nihilo) vgl. Kap. 5. Dass es sich um dasselbe Wehrgehenk handeln soll (so auch James [2004] 320 [Anm. zu Q.S. 10,180–187]), zeigt der strukturell parallele Aufbau: die Beschreibung wilder Tiere, gefolgt von einem Hinweis auf Schlachten zwischen Menschen. Die in der odysseischen Ekphrasis genannten drei Tierarten (Bären; Wildschweine; Löwen) finden sich auch in Posthomerica 10, hinzu kommen noch drei weitere Tiere (Schakale; Leoparden; Wölfe). Ferner ist der Verweis auf die Schlachtszenen in Q.S. 10,186 (ὑσµῖναι ἐνέκειντο µετ᾿ ἀργαλέοιο φόνοιο) evidentermassen dem analogen Vers Od. 11,612 (ὑσµῖναί τε µάχαι τε φόνοι τ’ ἀνδροκτασίαι τε) nachempfunden.

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Anknüpfungspunkt an die (ps.-)hesiodeische Aspis, insofern als dort mit dem Schild des Herakles nur ein Teil von dessen Kriegsgerät beschrieben wird, während mit der hier vorliegenden Beschreibung von Wehrgehenk und Köcher nun auch noch die übrigen Teile seiner Ausrüstung in ekphrastischer Form vorliegen.34 Zusammenfassend lässt sich also konstatieren, dass sich Herakles sowohl über Achilleus und Aias als auch über Philoktet in jeweils unterschiedlicher Weise und Ausprägung in die posthomerische narratio einschreibt und somit seine auf die Ilias zurückzuführende proleptische Funktion zwecks foreshadowing der Trojanischen Katastrophe wiederbelebt und erweitert. So betrachtet, ist die posthomerische Verwendung der Heraklesfigur – zumindest unter dem Aspekt narratologischer Figurenanalyse – durchweg (wie an und für sich zu erwarten) homerisch (bzw., präziser gesagt, iliadisch). Nun wird jedoch mit der Ankunft des Eurypylos in Troja ein zusätzlicher, im Kontrast zur Ilias völlig neuer Deutungshorizont für die Heraklesfigur in die Posthomerica eingeführt: Dadurch, dass Eurypylos sowohl ein Cousin des Paris als auch ein Enkel des Herakles ist, wird über diese neue, handlungstragende Figur ein neuer Konnex zwischen Herakles und der Gegenseite der Achaier, den Trojanern, konstruiert, dessen Funktion und Bedeutung im Folgenden zu untersuchen sein wird. Verwandtschaft und enge Bindung zwischen Eurypylos und Herakles werden mehrfach genannt und herausgehoben (Q.S. 6,119–123; 6,298–307; 6,368–371; 7,106–113; 7,128–131), und anlässlich von Eurypylos’ Empfang durch Paris in Troja wird ihrer beider gemeinsame genealogische Herkunft ausführlich berichtet (Q.S. 6,133–142). Die auffälligste Verknüpfung zwischen Eurypylos und Herakles findet jedoch über den Schild des Eurypylos statt, der mit gesamthaft achtzehn Taten des Herakles ausgeschmückt ist und dessen Ekphrasis mit einem Umfang von knapp hundert Hexametern (Q.S. 6,198–293) quantitativ exakt mit der posthomerischen Beschreibung von Achilleus’ Schild (Q.S. 5,6–101) korrespondiert.35 Grundsätzlich lässt sich dieser zweiten grossen Schildbeschreibung in den Posthomerica eine doppelte Funktion zuschreiben: eine metapoetische sowie eine paradigmatische. Die metapoetische Funktion lässt sich darin ersehen, dass Quintus nach der Komplettierung der Beschreibung des bereits aus der Ilias ‚ererbten‘ Achilleus-Schildes nun auch noch eine genuin eigene Schildekphrasis bietet. Somit wird er seinem doppelten Anspruch gerecht, die homerische Ilias sowohl fortzusetzen und zu vervollständigen wie auch innerhalb dieses gesetzten Rahmens etwas Eigenes, Originelles zu schaffen – selbst wenn man die Wahl des Heraklesthemas auf den ersten Blick als abgedroschen empfinden und/oder in der suk 34

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Wie Baumbach (2007) 142 (Anm. 56) zu Recht anmerkt, wird dieser Bezug intertextuell insbesondere über die Perseus-Medusa-Szene in Q.S. 10,195–198 geleistet, welche Aspis 216–237 (Perseus von den Gorgonen verfolgt) thematisch aufgreift. – Zur Hesiodizität der Posthomerica vgl. auch die nachstehenden Ausführungen zur Metapoetizität des EurypylosSchildes. Zu Eurypylos’ Schild vgl. in extenso Baumbach (2007) 128–141, zur parallelen Ausgestaltung der beiden grossen posthomerischen Schildbeschreibungen id. 128–130.

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zessiven Herzählung der verschiedenen Taten eine gewisse Monotonie erkennen mag.36 Dabei ist allerdings erstens nicht zu vergessen, dass Katalogdichtung zum Standardinventar der epischen Dichtung der Antike gehört und zu jener Zeit keineswegs als unpoetisch oder monoton, sondern vielmehr als Ausdruck formvollendeter Ästhetik empfunden wurde (vgl. z.B. Dion. Hal. Comp. 102). Zweitens – und entscheidend – ist ferner, unter poetologischem Gesichtspunkt betrachtet, die Tatsache, dass Quintus mit der Erfindung eines Eurypylos-Schildes etwas Eigenes – d.h. nicht aus der epischen Tradition Ererbtes – generiert, womit er gleichzeitig ein Analogon wie auch einen Kontrapunkt zum traditions- und wirkmächtigen Schild des Achilleus schafft. Die Singularität des Eurypylos-Schildes wird darüber hinaus dadurch betont, dass sein Urheber bzw. Künstler nicht genannt wird, während Achilleus’ Schild, Philoktets von Herakles ererbtes Kriegsgerät wie auch Memnons Schild jedesmal ausdrücklich Hephaistos zugeschrieben werden (Q.S. 5,97–98; 10,203; 2,455).37 Ferner wird bei beiden Schildbeschreibungen in zwei sprachlich parallel gestalteten Abbruchformeln vonseiten des Erzählers darauf hingewiesen, dass sich noch weitere, in der Ekphrasis nicht beschriebene Gegenstände auf den jeweiligen Schilden befanden (ἄλλα δὲ µυρία κεῖτο κατ᾿ ἀσπίδα τεχνήεντως | χερσὶν ὑπ᾿ ἀθανάτῃς πυκινόφρονος Ἡφαίστοιο, Q.S. 5,97–98; ἄλλα δ᾿ ἄρ᾿ Ἀλκείδαο θρασύφρονος ἄσπετα ἔργα | ἄµπεχεν Εὐρυπύλοιο διοτρεφέος σάκος εὐρύ, 6,292–293).38 Muss die zur Beendigung der achilleischen Schildbeschreibung dienende Abbruchformel in erster Linie mit Blick auf den iliadischen Prototyp gelesen werden, insofern als man ἄλλα […] µυρία auf die bestehenden Beschreibungen in Ilias 18 beziehen kann und soll, so dürfte die Abbruchformel beim Eurypylos-Schild in erster Linie dazu dienen, die poetische Kunst und Souveränität des posthomerischen Dichters herauszustellen, dessen Können und Erfindungsgabe sich nicht in der Beschreibung der achtzehn Heraklestaten erschöpft, sondern der theoretisch unendlich weiterdichten und -beschreiben könnte. Anders gesagt, inszeniert und etabliert sich der posthomerische Dichter eigentlich erst mit seiner zweiten grossen Schildbeschreibung als wirklich unabhängiger Dichter mit echter poetischer Eigenständigkeit. Ferner lässt sich die posthomerische Beschreibung der Heraklestaten mit Blick auf ein mögliches intertextuelles Vorbild bis zu einem gewissen Grad als eine Art Komplettierung, als ein ‚Zusatzprogramm‘ zur Beschreibung von Hera 36 37

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So etwa James/Lee (2000) 38: „Q[uintus’] description of the shield of Eurypylus […] has a rather monotonous effect […].“ Hephaistos wird auch als Urheber mehrerer nachiliadischer Kunstwerke ausgewiesen; vgl. Hes. Th. 578–584 (Stirnband der Pandora); Mosch. Eur. 37–62 (Körbchen der Europa); Nonn. Dion. 5,142–189 (Halsband der Harmonia). „Und noch zehntausende weitere [Darstellungen] befanden sich auf dem Schild, kunstverständig | [geschaffen] von den unsterblichen Händen des kluggesinnten Hephaistos.“ – „Und noch weitere unsagbare Taten des kühngesinnten Alkaios-Enkels | umfasste da rings der breite Schild des zeusentstammten Eurypylos.“

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kles’ Schild auf der (ps.-)hesiodeischen Aspis lesen. Baumbach (2007) 139 beschreibt das Verhältnis dieser beiden Schildbeschreibungen wie folgt: [I]n ähnlicher Weise, wie in der pseudo-hesiodeischen Aspis eine literarische Auseinandersetzung mit Homer über die Kunst der Ekphrasis gesucht wird, tritt Quintus’ Schild des Eurypylos in einen literarischen Agon mit seinem an Homer geformten Schild des Achill. So gesehen, bilden die Posthomerica den Schilderstreit der beiden archaischen Epen in einem kaiserzeitlichen Werk ab und überführen ihn in eine eigene Poetik der Ekphrasis.

In Ergänzung zu der hier postulierten Analogie zwischen dem Verhältnis [posthomerischer Eurypylos-Schild] : [posthomerischer Achilleus-Schild] = [Schildbeschreibung in der Aspis] : [Schildbeschreibung in der Ilias] lässt sich m.E. noch Folgendes beifügen: Beide posthomerischen Schildbeschreibungen komplettieren jeweils eine bereits bestehende Schildbeschreibung der archaischen Epik, doch findet diese Komplettierung in ganz unterschiedlicher Ausprägung statt: Während im Falle des Achilleus-Schildes dieselbe bestehende, homerische Schildbeschreibung wieder aufgenommen und vervollständigt wird, findet im Falle des Eurypylos-Schildes eine Inversion der Verhältnisse statt. Denn während die Aspis eine Beschreibung von Herakles’ Schild mit Darstellungen nicht-herakleischer Taten bietet (die allerdings zweifelsohne – zumindest partiell – herakleische Taten zu spiegeln vermögen), zeigt der Schild des Eurypylos herakleische Taten, gehört jedoch nicht Herakles, sondern dessen Enkel.39 Der hesiodeische Charakter des Eurypylos-Schildes wird ferner dadurch gestärkt, dass die achtzehn dargestellten Taten des Herakles diesen praktisch ausnahmslos als Aufräumer und Retter vor bedrohlichen Monstern und Mischwesen zeigen, nicht jedoch als epischen Krieger und Helden – was charakteristisch ist für den (ps.-)hesiodeischen Herakles in Theogonie und Aspis (s.o. Kap. 6.1–2) und diesen von einem typischen Kriegshelden und Trojakämpfer wesenhaft unterscheidet, der nicht gegen Monster und wilde Tiere, sondern nur gegen seinesgleichen antritt. Die hesiodeische Einfärbung der Posthomerica findet somit – nebst der strukturell an die Aspis anknüpfenden Ekphrasis in Buch 10 (s.o.) – ganz wesentlich über die Ekphrasis des Eurypylos-Schildes statt, und darin besteht m.E. im Kern dessen hauptsächlicher metapoetischer Gehalt. Die Hesiodizität des EurypylosSchildes korrespondiert mit Quintus’ Anspruch, nicht nur an Homer, sondern – sozusagen auf einem ‚Nebengleis‘ – auch an Hesiod anzuknüpfen – ein Anspruch, der vom epischen Erzähler im Binnenproömium in Buch 12 geäussert wird, welches den Katalog der Achaierhelden, die das Hölzerne Pferd besteigen, einleitet (Q.S. 12,306–313). Darin wird mit der Dichterweihe des epischen ‚Ichs‘ mit Smyrna als topischem Geburtsort Homers die Homerizität der Posthomerica zwar in den Vordergrund gestellt, gleichzeitig wird jedoch mit der Aussage, ebenjene Dichterweihe habe sich beim Schafeweiden ereignet, auch die Musenweihe 39

Für weitere strukturelle und intertextuelle Bezüge zwischen dem Eurypylos-Schild und der Aspis vgl. die Anmerkungen z.St. bei Vian (1966) 75–79 und James (2004) 303–304; Baumbach (2007) 139–141.

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Hesiods am Helikon (Th. 22–28) aufgerufen.40 Quintus geriert sich somit als eine Art Homer und Hesiod in Personalunion, wobei dem homerischen Element aufgrund der Thematik der Posthomerica als Sequel der Ilias naturgemäss die Vorrangstellung eingeräumt wird; dass das hesiodeische Element nicht gleichberechtigt neben dem homerischen steht, sondern diesem untergeordnet ist, zeigt sich darin, dass Ersteres nicht in den Erzählverlauf als solchen eingebunden ist, sondern auf das Deskriptive reduziert und in die Metadiegese des Schildes verbannt ist. In Ergänzung der geschilderten Metapoetizität verfügt der Eurypylos-Schild ferner auch über eine paradigmatische Funktion, insofern als man die darauf dargestellten und vom Erzähler beschriebenen Taten des Herakles unschwer als Prolepsen, als mise-en-abyme der unmittelbar bevorstehenden Heldentaten von dessen Enkel Eurypylos lesen kann. Wir erfahren zwar nicht, wer den Schild erschaffen hat, noch wie er in Eurypylos’ Besitz kam – die Vorstellung, dass es sich um ein Erbstück handeln könnte, liegt nahe, wird allerdings nicht expliziert –, doch wird die Tatsache, dass Eurypylos Herakles’ Enkel ist und seinem Grossvater an Aussehen und Stärke gleicht, ausserhalb der Schildbeschreibung so oft hervorgehoben (s.o.), dass sich die entsprechende paradigmatische Funktion der Heraklestaten automatisch aufdrängt. Hinzu kommt, dass eine der beschriebenen achtzehn Taten auf dem Schild, nämlich Herakles’ Kampf gegen die Kentauren im PholoeGebirge (Q.S. 6,273–282), vom primary narrator in einem Vergleich während der Schlacht wieder aufgegriffen und auf Eurypylos in dessen siegreichen Kampf gegen den Achaier Peneleos appliziert wird (Q.S. 7,106–113), so dass über diese eine Szene eine direkte Verbindungslinie von Herakles’ Taten auf dem Schild zu Eurypylos’ blutigem Wirken im Krieg hergestellt wird.41 Darüber hinaus ist generell festzustellen, dass das überaus blutige und grausame Morden des Eurypylos (Q.S. 6,316–651; 7,98–168)42 mit den mehrfachen Erwähnungen von Blut, Grau 40

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Q.S. 12,308–310: ὑµεῖς γὰρ πᾶσάν µοι ἐνὶ φρεσὶ θήκατ᾿ ἀοιδήν, | πρίν µοι ἔτ᾿ ἀµφὶ παρειὰ κατασκίδνασθαι ἴουλον, | Σµύρνης ἐν δαπέδοισι περικλυτὰ µῆλα νέµοντι. („Denn ihr habt mir die ganze Sangeskunst in den Sinn gelegt, | noch bevor mir meine Wange ringsum den Bartflaum wachsen liess, | als ich in Smyrnas Landen das vielberühmte Vieh weidete.“) Mit dem Adjektiv περικλυτά wird (im Sinne einer alexandrinischen Fussnote) deutlich auf den intertextuellen Gehalt des Viehs hingewiesen: das Vieh ist berühmt, weil es das des Hesiod ist. Zu Hesiods Musenweihe als Subtext in Quintus’ Binnenproömium vgl. Bär (2007) 45–47. Der Bezug wird sprachlich durch die Wendung ἀνὰ δῆριν ἀµείλιχον („in der erbarmungslosen Schlacht“) noch verstärkt: sowohl für Herakles’ Kampf gegen die Kentauren (Q.S. 6,280) als auch für Eurypylos’ Kampf gegen Peneleos (Q.S. 7,105) wird diese Junktur verwendet, die sonst nur noch ein weiteres Mal in den Posthomerica vorkommt (Q.S. 9,205; vgl. ferner 2,420; 4,233; 9,97; vgl. Baumbach [2007] 138). Vgl. insbesondere den Erzählerkommentar in Q.S. 6,619–621: ἐκ δ᾿ ἄρα πληθύος εἷλεν άσπετα φῦλ᾿ ἀνθρώπων | ὅσσά µοι οὐ σθένος ἐστὶ λιλαιοµένῳ περ ἀεῖσαι, | οὐδ᾿ εἴ µοι στέρνοισι σιδήρεον ἦτορ ἐνείη. („Aus der Menge also ergriff [und tötete] er unsagbar [viele] Völkerschaften, | welche [alle] zu besingen mir die Kraft fehlt, selbst wenn ich es wollte – | auch nicht, wenn mir ein eisernes Herz in der Brust wäre.“) Der Kommentar greift erkennbar das dem Schiffskatalog in Ilias 2 vorausgehende Binnenproömium auf (Il. 2,488–490): πληθὺν δ᾿ οὐκ ἂν ἐγὼ µυθήσοµαι οὐδ᾿ ὀνοµήνω, | οὐδ᾿ εἴ µοι δέκα µὲν γλῶσσαι, δέκα δὲ

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samkeit und Schmerzen im Zusammenhang mit Herakles’ Taten auf dem Schild deutlich korrespondiert.43 Die Frage, die sich nunmehr stellt, ist, was für eine Wirkungsintention wir in dieser völlig uniliadischen Erweiterung von Herakles’ paradigmatischer Funktion auf die Gegenseite, d.h. auf die Trojaner, erblicken können und wollen. Wie zuvor gezeigt wurde, lässt sich aus der im ersten Werkdrittel implementierten Erweiterung der Analogie Achilleus – Herakles um die Figur des aufgrund seiner µανία und seines Suizids zwiespältigen Aias eine gewisse implizite Aussageintention hinsichtlich einer ambivalenten Bewertung der blutigen Eroberung und Zerstörung Trojas durch die Achaier ersehen. Wird nun diese Betrachtungsweise nur noch verstärkt, wenn der per se ambivalente Herakles nicht nur für die Achaier, sondern auch für die Trojaner eine Vorbildfunktion einnehmen kann, sprich, wenn eine ambivalente mythische Figur das Vorbild für eine in ihrer Brutalität durchaus fragwürdige kriegerische Unternehmung auf beiden Seiten darstellt? Die Frage, ob der Erzähler der Ilias in seiner Bewertung der kriegsführenden Parteien eine pro-achaiische, eine neutrale oder aber gar eine pro-trojanische Haltung einnehme, ist in der Homerforschung bekanntlich umstritten und kann hier nicht diskutiert werden.44 Die analoge Frage, ob der Erzähler der Posthomerica pro-achaiisch, neutral oder pro-trojanisch eingestellt sei und inwiefern seine Einstellung mit der des Iliaserzählers übereinstimmt oder davon abweicht, wäre somit mutatis mutandis ebenfalls zu stellen; auch dies kann hier nicht geleistet werden.45 Wie im Fol

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στόµατ᾿ εἶεν, | φωνὴ δ᾿ ἄρρηκτρος, χάλκεον δέ µοι ἦτορ ἐνείη. („Denn die [ganze] Menge könnte ich wohl nicht erzählen und nennen, | auch wenn ich zehn Zungen, zehn Münder hätte | und eine unzerreissbare Stimme, und [auch wenn] mir ein ehernes Herz innewohnte.“) Der visuelle Effekt des Blutes wird an mehreren Stellen auf der Schildbeschreibung hervorgehoben (αἱµατόεις ἀφρὸς V. 211; κάρη […] | αἱµατόεντα Vv. 250–251; µεµορυγµένος αἵµατι πολλῷ V. 255; πάντων δὲ καρήατα δεύετο λύθρῳ V. 279; οἴνῳ δ᾿ αἷµα µέµικτο V. 281). Dieser Effekt wird noch gesteigert durch zahlreiche vergegenwärtigende ‚Echtheitsformeln‘, welche die Darstellung vergangener Ereignisse in die Gegenwart des Erzählers wie auch des Rezipienten hineinholen (ἐοικότες V. 201; ἐῴκει V. 211; ὡς ἐτεόν περ V. 221; ἐοικώς V. 231; ὡς ἐτεόν περ V. 280). Es handelt sich hierbei um einen hesiodeischen Zug, denn während der iliadischen Schildbeschreibung derartige Erzählerkommentare fremd sind, finden sich solche auf der Aspis fünfmal (ὡς εἰ ζωοί περ ἐόντες V. 189; ὡς εἰ ζωοὺς ἐναρίζων V. 194; τῇ ἰκέλη ὡς εἴ τε µάχην ἐθέλουσα κορύσσειν V. 198; ἐοικώς V. 215; ζωῇσιν ἴκελαι V. 244). Vgl. den Forschungsüberblick bei Stoevesandt (2004) 45–47, 351–355. Grundsätzlich bin ich geneigt, Stoevesandt (2004) 348 in ihrer Gesamtbilanz zuzustimmen: „Die Troianer der Ilias entsprechen in kaum einer Hinsicht dem späteren Barbarenklischee. Was politische Institutionen, Religion und Wertvorstellungen betrifft, zeichnet der Dichter ein einheitliches Bild von der ‘heroischen Gesellschaft’, der die Troer und ihre Bundesgenossen ebenso angehören wie die Achaier.“ Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Arbeit von Spinoula (2000), die nachzuweisen sucht, dass die Posthomerica über ihre Gleichnisse eine düster-melancholische Grundstimmung und, damit verbunden, eine Atmosphäre der Sympathie und des Mitfühlens für die Kriegsverlierer evozieren. Zu vergleichen ist ferner Carvounis (2007), die zeigt, inwieweit in Posthomerica 14 nicht bloss das Ende des Trojanischen Krieges, sondern auch das Ende einer ganzen Ära angezeigt wird; dies geschieht u.a. dadurch, dass das finale Wüten der

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genden jedoch zu zeigen sein wird, lässt sich Folgendes konstatieren: Der Posthomerica-Dichter macht sich die Ambivalenz der Heraklesfigur zunutze, um über verschiedene Figuren bei beiden Kriegsparteien (Achilleus, Aias, Philoktet: Achaier – Eurypylos: Trojaner) die Frage nach Sinn und Berechtigung des Krieges in den Raum zu stellen; zugleich allerdings zeigt sich, dass Herakles’ Funktion als Paradigma für Eurypylos über das reine foreshadowing von des Letzteren bevorstehender Aristie hinausgeht. Wie bereits gezeigt wurde, dient die Kentauren-Episode auf dem EurypylosSchild dazu, das Wüten des Eurypylos in der anschliessenden Schlacht vorauszudeuten, insofern als dieselbe Episode in einem Gleichnis in Buch 7 noch einmal vorkommt, so dass die Möglichkeit einer Rückbindung von Eurypylos’ Taten an die Taten des Herakles auf dem Schild verstärkt wird. In ähnlicher Weise spiegelt sich auch das brutale Wüten des Eurypylos und das von ihm angerichtete Blutbad unter den Achaiern auf dem Schild des Herakles, insofern als Herakles’ Taten mit einer auffallend hohen Kadenz als blutig und grausam gekennzeichnet sind.46 Darüber hinaus finden sich auch Anhaltspunkte, die eine Deutung des Schildes als Vorausverweis auf Eurypylos’ Tod bzw. den Untergang Trojas erlauben: Ein erster Aspekt ist die bereits diskutierte Negativfärbung des Herakles durch die sprachliche Assoziation mit Aias’ µανία (ποτὶ Στυγὸς αἰνὰ ῥέεθρα, Q.S. 5,453 ~ παρὰ Στυγὸς αἰπὰ ῥέεθρα, Q.S. 6,266; s.o.), die sich unschwer auch auf das Wirken von Herakles’ Enkel im Krieg übertragen lässt. Tatsächlich wird Eurypylos’ Wüten an einer Stelle als µαίνεσθαι bezeichnet: Im Kampf gegen Machaon, der Eurypylos an der Schulter verletzt hat, heisst es, dass dieser wie ein Löwe oder Eber „in der Mitte raste, um seinen Angreifer zu bezwingen“ (µαίνετ᾿ ἐνὶ µέσσοισιν, ἕως κ᾿ ἐπιόντα δαµάσσῃ, Q.S. 6,397). Eurypylos’ Wüten in der Schlacht wird somit als Form von µανία markiert, die über das tolerierbare Mass an kriegerischer Grausamkeit deutlich hinausgeht. Ein zweiter Punkt ist die auf dem Schild dargestellte Tötung des Nessos durch Herakles (Q.S. 6,283–285), die sich assoziativ an den Nessos-Vergleich bei der Verbrennung von Aias’ Leiche rückbinden lässt (Q.S. 5,639–651; s.o.), wo der Tod des Herakles als direkte Folge von Nessos’ Pfeilgift ausdrücklich benannt wird. Herakles’ Tod ist somit auf dem Schild zwar nicht explizit benannt, lässt sich jedoch mittels einer assoziativen intratextuellen Analepse anlässlich der Tötung des Nessos gleichwohl mitlesen – dies, zumal die Reihenfolge der Aufzählung, die mit dem Schlangenabenteuer als Baby (Q.S. 6,200–207) beginnt und anschliessend den Dodekathlos in seiner

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Achaier als besonders grausam dargestellt wird, infolgedessen ihre Bestrafung dementsprechend hart ausfällt (vgl. insbesondere den episch ‚aufgeblasenen‘ Tod des Kleinen Aias [Q.S. 14,548–589] sowie die Klage Athenes gegenüber Zeus, in deren Verlauf die Göttin in hyperbolischer Weise gar droht, den Olymp für immer zu verlassen [Q.S. 14,419–448]). In diesem Zusammenhang wäre ggf. zu fragen, ob sich darin nicht auch eine dezidiert pro-trojanische bzw. anti-achaiische Stellungnahme vonseiten des Posthomerica-Erzählers erkennen lässt. S.o. mit Anm. 42 und 43.

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kanonischen Reihenfolge ‚abschreitet‘,47eine (grobe) chronologische Aufzählung erwarten lässt, an deren Ende naturgemäss der Tod des Helden stehen müsste –,48 so dass Eurypylos’ Tod ‚zwischen den Zeilen‘ dennoch auch auf dem Schild eingeschrieben zu sein bzw. zumindest anzuklingen scheint.49 Drittens ist schliesslich die Schlussepisode auf dem Schild, Hesiones Befreiung durch Herakles (Q.S. 6,289–291), von Bedeutung: Dieses Ereignis hat bekanntermassen, wie bereits die Ilias zu berichten weiss, zur Erstzerstörung Trojas durch Herakles geführt;50 somit verfügt diese Episode über das Potential, das intertextuelle Gedächtnis des Rezipienten entsprechend zu aktivieren und also nolens volens nicht nur den imminenten Tod des Eurypylos, sondern auch die wenig später bevorstehende finale Zerstörung Trojas mit-vorauszudeuten.51

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Zur kanonischen Ordnung des Dodekathlos s.o. Kap. 1 mit Anm. 9. Vgl. in diesem Sinne bereits Baumbach (2007) 138. Eurypylos’ Tod durch die Hand des Neoptolemos ist ferner auch vorweggenommen durch die Erzählung über seinen Vater Telephos und dessen Tod durch Achilleus’ Hand im Nestorlied (Q.S. 4,146–168: 151–152). Dies ist eine Abweichung von der kanonischen Version, dergemäss Telephos von Achilleus nicht getötet, sondern nur verwundet und später sogar von ihm wieder geheilt wurde (vgl. z.B. Gantz [1993] 579 für einen Überblick) und auf die der Erzähler der Posthomerica unmittelbar anschliessend an das Nestorlied selber rekurriert (Q.S. 4,172–177; vgl. James [2004] 290 [Anm. z.St.]). Aus narratologischer Sicht stellt sich die Frage, ob Nestor und/oder der posthomerische Erzähler als unreliable narrator(s) zu klassifizieren seien. Vgl. Il. 5,263–272; 5,638–651; 14,250–251; 20,144–148; s.o. Kap. 4 mit Anm. 6. Vgl. in diesem Sinne bereits Baumbach (2007) 133–134.

9 NONNOS VON PANOPOLIS, DIONYSIACA: HERAKLES ALS GEGENBILD (UND PARADIGMA?) FÜR DIONYSOS Nonnos von Panopolis (5. Jh. n. Chr.) markiert mit seinen 48 Bücher und ca. 21'000 Hexameter umfassenden Dionysiaca sowohl einen quantitativen Höhe- als auch einen zeitlichen Endpunkt einer jahrhundertealten Entwicklungslinie epischer Grossdichtung.1 Das in Umfang und Anspruch Ilias und Odyssee in sich vereinende und mittels Verkettung von Gross- und Kleinepik die Subgattungen der Hexameterdichtung potenzierende Riesenepos schildert Leben und Taten des Zeussohnes Dionysos: von dessen Geburt, Kindheit und Erziehung über seinen Kriegs- und Siegeszug nach Indien und seine triumphale Rückkehr in die Heimat bis hin zu seiner finalen Aufnahme in den Götterhimmel.2 In der „Abfolge [des] Geschehens […] bunt und reich an Abwechslung“, in der „Darstellung der Ereignisse oft sprunghaft und überraschend“,3 bieten die Dionysiaca ausladend Raum für unzählige Digressionen, Binnenerzählungen, narrative Verschachtelungen, Vergleiche usw.4 Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das vielzitierte und -diskutierte poetologische Programm des Nonnos, die ποικιλία, die sich aus der programmatischen Anrufung des shapeshifters Proteus und dessen ποικίλον εἶδος im Initialproömium ersehen lässt (Dion. 1,14–15: στήσατέ µοι Πρωτῆα πολύτροπον, ὄφρα φανείη | ποικίλον εἶδος ἔχων, ὅτι ποικίλον ὕµνον ἀράσσω).5 Häufig wird auch auf Mythen und Geschichten zurückgegriffen, die 1 2

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Zu Nonnos’ Datierung vgl. Vian (1976) xvii; Miguélez Cavero (2008) 16–18. Für eine Handlungsübersicht vgl. Vian (1976) xviii–xxix; Shorrock (2001) 7–11; Shorrock (2005) 375–376; Bannert (2008) 48–49; Miguélez Cavero (2008) 19–21; Verhelst (2017) 301–307. Für eine Gesamtübersicht des Dionysos-Mythos vgl. Gantz (1993) 112–119. Bannert (2008) 49. Vgl. z.B. Shorrock (2001) 22 (der auch einen Überblick [10–20] über verschiedene frühere Versuche zur generischen Klassifizierung und strukturellen Beschreibung der Dionysiaca bietet): „Nonnus’ epic is neither clearly structured, nor clearly unstructured; rather, it is a coordination of different narratives and structures. The story of Dionysus is not a single story; it is constructed out of a series of different frames (epyllionic, astrological, encomiastic etc.), which all intersect, and overlie one another. The Dionysiaca does not offer one, but a multiplicity of viewing points, a multiplicity of ways ‘into’ the text.“ „Bringt mir Proteus her, den vielgewandten, damit er erscheine | mit seiner buntschillernden Gestalt, weil ich meinen Gesang buntschillernd ertönen lasse.“ Zur ποικιλία der Dionysiaca vgl. beispielsweise D’Ippolito (1964) 37–57; String (1966) 33–70; Vian (1976) xxix–xli; Fauth (1981) passim; Gonzalez-Senmartî (1981); Hopkinson (1994b) 10–11, 22–24; Vian (1994); Tissoni (1998) 79–85; Shorrock (2001) 10–23; Miguélez Cavero (2008) 139–145, 162–168; Lasek (2009) 131–143; Verhelst (2017) 7, 13–15. Vgl. ferner auch Fayant (1998) zu Hermes als Verkörperung des ποικιλία-Prinzips in den Dionysiaca; Buxton (2009) 143–

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thematisch ausserhalb der Dionysos-Sage und/oder sagenchronologisch erst nach ebendieser liegen; Letzteres gilt prominent für Referenzen auf den Trojanischen Krieg, der chronologisch nach Dionysos’ Indienfeldzug liegt.6 In diesen letztgenannten Dunstkreis gehören aber auch die gesamthaft elf Passagen, an denen auf die Heraklesfigur zurückgegriffen wird:7 Dion. 10,373–377: Dionysos lässt seinen Geliebten, den Satyrn Ampelos, bei einem erotischen Ringkampf absichtlich gewinnen, obwohl er eigentlich der Stärkere ist (10,339–372). Der Erzähler vergleicht dieses Verhalten mit einem Ringkampf zwischen Zeus und Herakles, der anlässlich der Gründung der Olympischen Spiele zwischen Vater und Sohn stattfand, da niemand anderer gegen Herakles anzutreten wagte; Zeus liess Herakles gewinnen, obwohl er – natürlich – stärker gewesen wäre.8 Dion. 11,224–231: Ein Satyr erblickt den tödlich verunfallten Ampelos und überbringt Dionysos die Schreckensnachricht, worauf dieser losrennt, „den Lüften gleich“ (εἴκελος αὔραις, V. 226), um Ampelos zu suchen. Den dahinstürmenden Bakchos vergleicht der Erzähler ex negativo mit Herakles, der bei der Nachricht von der Entführung seines Geliebten Hylas weniger schnell losrannte als Dionysos.9 Dion. 17,46–58: Dionysos ist bei dem Bauern Brongos zu Gast und wird von diesem bewirtet, doch lehnt er die Schlachtung eines Schafes zu seinen Ehren ab und besteht stattdessen auf



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153 zur Metamorphose als narrativer Triebkraft der Dionysiaca. Das Adjektiv ποικίλος ist in den Dionysiaca 38x belegt, das Verb ποικίλλω 19x, ferner finden sich mehrere Komposita mit dem Vorderglied ποικιλο- (ποικιλόβοτρυς, ποικιλόδακρυς, ποικιλόδωρος, ποικιλόµητις, ποικιλόµορφος, ποικιλόµυθος, ποικιλόνωτος; vgl. Peek s.v.); s. auch u. zur mehrfachen Verwendung von ποικίλος im Zusammenhang mit Herakles Astrochiton. Vgl. z.B. Dion. 13,104–121 (die Versammlung der Trojaner bei Aulis und Iphigenies Opferung); 28,62 (der Grosse Aias); 35,27–29 (Achilleus und Penthesileia). Zu Ilias und Trojanischem Krieg als strukturellem Modell für die Dionysiaca vgl. Shorrock (2001) 59–95; für eine intertextuelle Fallstudie vgl. z.B. Frangoulis (1995). Fauth (1981) 169 spricht treffend vom „Bemühen des Dichters, auch themenfremde, dem Dionysos-Zyklus fernstehende Mythen heranzuholen und einzubauen, damit die um den Weg des Gottes von seiner Geburt bis zu seiner olympischen Glorifizierung errichtete Kulisse kosmischer Fatalität und überzeitlicher Bedeutsamkeit noch reichhaltiger werde“. Danebst nennt Vian (1990) 24 (mit Anm. 3–6) einige Passagen mit Anspielungen auf Herakles ohne Namensnennung, die jedoch für die hier vorliegende narratologische Untersuchung zu marginal sind (Dion. 1,470; 4,18–19; 4,47–48: 4,121; 7,126; 8,240; 13,351–354; 31,161– 164; 44,174). Vgl. auch Lykophr. Alex. 40–42; für weitere Zeugnisse vgl. den Kommentar zu Nonnos bei Chrétien (1985) 155 (Anm. z.St.). Zur Vorstellung von Herakles als Gründer der Olympischen Spiele vgl. Anm. 9 in Kap. 1. Nach Apoll. Rhod., Arg. 1,1265 rannte Herakles wie „ein Stier von einer Bremse gestochen“ (µύωπι τετυµµένος […] ταῦρος) los, als ihm die Nachricht vom Verschwinden seines ἐρώµενος Hylas überbracht wurde; nach Theok. Id. 13,65 „durchmass er ein grosses Gebiet“ (πολὺν δ᾿ ἐπελάµβανε χῶρον) auf der Suche nach dem Knaben. Zur umstrittenen Prioritätsfrage zwischen den beiden Darstellungen von Hylas’ Entführung bei Apollonios (Arg. 1,1159–1357) und bei Theokrit (Idyll 13) vgl. Anm. 9 in Kap. 7. Gemäss Vian (1995) 168 verknüpfen Dion. 11,227–230 Elemente beider hellenistischer Darstellungen.

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Nonnos von Panopolis, Dionysiaca: Herakles als Gegenbild für Dionysos einer vegetarischen Mahlzeit.10 Dionysos wird an diesem Punkt mit Herakles verglichen, der einst von dem armen Bauern Molorkos/Molorchos bewirtet wurde und die Schlachtung von dessen einzigem Schaf ebenfalls ausschlug.11 Dion. 17,232–242: Orontes, der Onkel des Inderkönigs Deriades, schlägt und trifft Dionysos auf dessen Horn, doch da dieses unverwundbar (da göttlich) ist, bleibt Dionysos unverletzt. Dionysos’ Horn wird ex negativo mit dem Horn des Flussgottes Acheloos verglichen, welches Herakles diesem im Kampf um Deianeira abschlug.12 Dion. 25,174–252: Die vorliegende Passage ist Teil des ausladenden Binnenproömiums (25,1–270), mit dem die zweite, ‚iliadische‘ Hälfte der Dionysiaca eingeleitet wird; sein Grobaufbau lässt sich wie folgt nachzeichnen:13 Vv. 1–30: erster Musenanruf, verbunden mit dem poetologischen Programm, den Inderkrieg erst ab dem 7. Kriegsjahr besingen zu wollen; Homer (V. 8) und Pindar (V. 21) als Vorbilder. Vv. 31–252: Synkrisis mit drei anderen, ebenfalls von Zeus und einer sterblichen Mutter abstammenden mythischen Gestalten, denen Dionysos an Können und Leistung überlegen ist, zwecks enkomiastischer Überhöhung und Preisung des Dionysos:14 Vv. 31–147: Dionysos vs. Perseus Vv. 148–174: Dionysos vs. Minos Vv. 174–252: Dionysos vs. Herakles Vv. 253–270: zweiter Musenanruf, verbunden mit einer Anrufung Homers und Bitte um homerische Inspiration; gleichzeitig recusatio des Trojanischen Krieges als epischen Themas.15

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Zur Brongos-Episode (Dion. 17,32–86) vgl. Vian (1991); Gerlaud (1994) 129–134. Man hat in Dionysos’ Verzicht auf eine Fleischmahlzeit zuweilen Anspielungen auf einen religiös motivierten Vegetarismus gesehen (vgl. dazu Vian [1991] 591–592; Gerlaud [1994] 132 [mit Anm. 3–4 für weiterführende Quellen und Literatur]), doch soll hier wohl vielmehr der Topos des armen Bauern, der einen hohen Gast freundlich aufnimmt und im Rahmen seiner Möglichkeiten bewirtet, hervorgehoben werden (zum Topos vgl. insb Hekale fr. 80 und 82, mit Hollis [22009] 264–268 [Anm. z.St.]; ferner auch Vian a.a.O; Gerlaud a.a.O.). Die Geschichte des Molorchos/Molorkos als Gastgeber des Herakles leitete das 3. Buch von Kallimachos’ Aitien ein; vgl. Kallim. Aet. 3, fr. 54–59 Pf.; fr. 58–72 Asper; SH 256–268C. Die Geschichte wird zuweilen als Erfindung des Kallimachos betrachtet (vgl. Parsons [1977] 43; Thomas [1983] 94; dagegen Morgan [1992] 538). Für weitere (nach-kallimacheische) Quellen vgl. Parsons (1977) 1–4; ferner Morgan (1992) zu den unterschiedlichen Namensformen (Μόλορχος – Μόλορκος). Zum Kampf zwischen Herakles und Acheloos um Deianeira (und zu Deianeiras Präferenz für Herakles) vgl. Soph. Trach. 9–26.503–530; zu Acheloos’ Verlust eines Hornes in dem Kampf vgl. u.a. Ov. Met. 9,85–86; allegorische Interpretation des Hornbruchs bei Strab. 10,219 und Diod. 4,35,3–4; zur Gestalt des Acheloos in Kürze Bömer (1977) 277–278 und Stafford (2012) 74–76; Kommentar zur vorliegenden Nonnos-Passage bei Gerlaud (1994) 253. Vgl. Fauth (1981) 32–34; Vian (1990) 15–30, 250–254 (Anm. z.St.); Hopkinson (1994b) 12– 13; Shorrock (2001) 170–174; Bannert (2008) 60–66. Zu diesem rhetorisch-enkomiastischen Modus der Gegenüberstellung und Hervorhebung vgl. Arist. Rhet. 1368a 19–29 (αὔξησις); Volkmann (21885) 266–270; Focke (1923); Lausberg (42008) 393–395 (§ 799) und 542–543 (§ 1130). Zur dezidiert enkomiastischen Funktion der Synkrisis vgl. Miguélez Cavero (2008) 363 (mit Anm. 501–502); ead. (2010) 38–39.

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Dion. 29,237–242: Die die Schlachtenreihen durchbrechende, laut lärmende und damit das Inderheer vertreibende Mänade Terpsichore16 wird ex negativo mit Herakles verglichen, der bei der Vertreibung der Stymphalischen Vögel weniger Lärm machte.17 Dion. 34,180–192: Deriades’ Schwiegersohn Morrheus wird, nachdem er seinem Schwiegervater ein verspätetes Brautgeschenk – elf in der Schlacht gefangen genommene Bakchantinnen – übergeben hat (34,162–179), ausführlich beschrieben: Er gleicht nicht gewöhnlichen Menschen, sondern eher Giganten und der „Kraft der erdgeborenen Inder“ (Ἰνδῶν Γηγενέων […] ἀλκήν, 182), ja stammt möglicherweise gar von Typhon/Typhaon ab.18 Die Beschreibung von Morrheus’ Aussehen geht über in eine Beschreibung seiner früheren Kriegstaten, mit denen er das damals fehlende Brautgeschenk an Deriades kompensierte, nämlich die Unterwerfung Assyriens und Kilikiens. Die Passage endet mit der Notiz, dass Morrheus in Kilikien bis heute Herakles Sandes genannt wird, was einer Apotheose gleichkommt.19 Dion. 35,314–335: Zeus ist aus dem Schlaf, in den ihn Hera versetzt hatte, um Dionysos mit Wahnsinn schlagen zu können (Bücher 31–32), wieder erwacht; er macht Hera deswegen Vorwürfe und befiehlt ihr, Dionysos mit ihrer göttlichen Muttermilch wieder vom Wahnsinn zu heilen (Dion. 35,262–313). Hera gehorcht: sie salbt und nährt Dionysos, und dieser wird von seiner Raserei befreit (314–321); dabei entwickelt Hera erotisches Begehren für Dionysos (322–332) und wünscht sich, er könnte der Gatte ihrer Tochter Hebe werden, wäre diese nicht schon Herakles versprochen (333–335).20 Dion. 40,366–580: Nach Deriades’ Tod tritt Dionysos mit seinen Satyrn und Bakchen den Rückzug in seine Heimat an. Dabei kommt er in die Stadt Tyros, die er staunend durchwan-

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Zum janusköpfigen Verhältnis zwischen dem Nonnianischen Erzähler und Homer vgl. Hopkinson (1994b) 12: „This second proem veers, like the first, between admiration and emulation, between breathless respect for and ironical denigration of the Homeric epics. Nonnus will imitate Homer in singing only the final year of the war; Homer’s venerable βίβλος is respectfully addressed (254); and Homer and his Muse are invoked to aid Nonnus in singing the Indian War. On the other hand, Homer’s subject matter was unworthy, and failed to match his genius (255–60). There at least may be found scope for improvement.“ Nicht identisch mit der Muse gleichen Namens; vgl. Rouse/Rose (1940), Bd. 2, 386 (Anm. z.St.); ferner auch Vian (1990) 345 (Anm. z.St.). Der von Herakles erzeugte Krach bei der Vertreibung der Stymphalischen Vögel war topisch; vgl. z.B. Apoll. Rhod., Arg. 2,1052–1057. Die Abstammung von den Giganten ist in den Dionysiaca topisch für die ganze männliche Verwandtschaft des Deriades; vgl. Gerlaud (2005) 210 (Anm. z.St.). Die Annahme einer Abstammung von Typhon/Typhaon hängt vom syntaktischen Verständnis von V. 183 (ἠλιβάτου Τυφῶνος ἔχων αὐτόχθονα φύτλην) ab, woraus sich möglicherweise eine genealogische Verbindung, möglicherweise aber auch nur eine Ähnlichkeit/ein Vergleich herleiten lässt (vgl. die Übersetzungsalternativen bei Gerlaud [2005]: „lui qui tirait son origine autochthone du colossal Typhon“ oder aber „ayant même origine autochthone que le colossal Typhon“; ausserdem den Kommentar bei Gerlaud a.a.O., mit weiterführenden Überlegungen und Literaturangaben). Zur Geographie vgl. Chuvin (1991) 174–196; Chuvin (1994) 173 und 176 (mit Anm. 20); Gerlaud (2005) 211–212 (Anm. z.St.). Zu dem im vorderasiatischen Raum weit verbreiteten Kult des Sandon/Sandas/Sandes und seiner von hellenischer Seite vorgenommenen Identifikation mit Herakles vgl. Höfer (1909–1915); Dostálová (1967) 39–41; Chuvin (1981) 319– 326; Chuvin (1991) 175–176; Müller (2001). Zu Hebe als Herakles’ göttlicher Gattin vgl. Od. 11,603; Hes. Th. 950; (Ps.-)Hes. Frauenkataloge fr. 25,28 und 229,8; vgl. auch Anm. 9 in Kap. 5.

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Nonnos von Panopolis, Dionysiaca: Herakles als Gegenbild für Dionysos dert und betrachtet. Anschliessend besucht er den Tempel des tyrischen Stadt- und Sonnengottes Melqart, der in der interpretatio Graeca mit Herakles gleichgesetzt wurde und bei Nonnos „Sternengewandeter“ (Ἀστροχίτων) heisst. In einem hymnischem Gebet ruft Dionysos diesen an und preist ihn, den Sonnengott, als Lebensspender und Wohltäter der Menschenheit (369–410). Darauf erscheint Herakles Astrochiton urplötzlich, mit feuerglühendem Antlitz,21 in einer Götterepiphanie und verköstigt Dionysos mit einer aus Nektar und Ambrosia bestehenden Göttermahlzeit (411–421). Dionysos fragt ihn nach den Ursprüngen der Stadt Tyros (422–427), worauf ihm Herakles Astrochiton deren Gründungslegende in extenso erzählt (428–573). Anschliessend tauschen die beiden Gastgeschenke, und Dionysos zieht weiter (574–580).22 Dion. 43,9–15: Dionysos und Poseidon rüsten sich zum Wettkampf um die Hand der Nymphe Beroë (wobei Dionysos aufgrund eines Vogelzeichens bereits weiss, dass er verlieren wird; vgl. Dion. 42,534–540). Beroë ekelt vor Poseidon und insbesondere vor der „feuchten Brautkammer der ‚Unterwasserliebe‘“ (11); sie wird vom Erzähler mit Deianeira verglichen, der beim Brautwettkampf zwischen Herakles und dem Flussgott Acheloos in ähnlicher Weise vor Letzterem graute. Dion. 43,246–249: Poseidon wird in seinem Wettkampf gegen Dionysos u.a. vom Seegott und shapeshifter Proteus unterstützt, der sich, mit Dionysos ringend, in die verschiedensten Gestalten verwandelt (43,225–252). Dabei wird Proteus mit Periklymenos verglichen, der – ebenfalls ein shapeshifter – von Herakles getötet wurde, als er sich in eine Biene verwandelte.23

Strukturell betrachtet, orientiert sich Nonnos durch die Art und Weise, wie er die Heraklesfigur in sein Epos integriert, insofern an seinen epischen Vorgängern, als er sich ebenfalls der Praxis verstreuter Referenzen und wiederkehrenden Aufrufens der Figur und ihrer Taten innerhalb einer anderen Themen gewidmeten narratio anschliesst. Man mag freilich einwenden, dass, rein quantitativ gesehen, ein Total von elf Passagen in einem ca. 21'000 Hexameter umfassenden Riesenepos im Vergleich zu dreizehn Passagen in der ca. 15'000 Verse starken Ilias eine geringere ratio ergebe – entscheidend jedoch ist und bleibt m.E. die strukturelle Analogie wiederkehrender Referenzen auf einer Metaebene als solche. Ferner zeigt ein simpler Blick in den Namensindex von Rouse/Rose (1940), dass abgesehen von Gottheiten keine andere Gestalt, die nicht der eigentlichen Diegese der Dionysiaca angehört, auch nur annähernd so häufig erscheint bzw. genannt wird wie Herakles – nicht einmal Perseus, der im Synkrisis-Teil des Binnenproömiums (Dion. 25,31–252) eine wichtige Parallelfigur zu Herakles und Kontrastfigur zu Dionysos darstellt. Somit lässt sich rein quantitativ bzw. formal gesehen ein Anschlusscharakter der Dionysiaca an ihre ‚grossen‘ Vorgängerepen von Homer bis 21 22

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Zum Feuermotiv in den Dionysiaca vgl. Newbold (2006). Vgl. Simon (1999) 287–307 (Anm. z.St.), für die philologischen Details zu der ganzen Passage. Zu Dionysos’ Hymnos auf Herakles Astrochiton vgl. Braun (1915) 9–29; Fauth (1981) 172– 174; Bonnet (1988) 31–33, 72–74; Fauth (1995) 165–183; Shorrock (2001) 192 (mit Anm. 284); Lasek (2009) 23–35; Shorrock (2011) 120; Otlewska-Jung (2014) 80–83. Zur hellenischen Identifikation des tyrischen Stadt- und Sonnengottes Melqart mit Herakles vgl. erschöpfend Bonnet (1988); ferner van Berchem (1967); Jourdain-Annequin (1992) 119–166; Fuchs (2003) 48–56; Lightfoot (2003) 295 (mit Anm. 4 für weiterführende Literatur). Vgl. (Ps.-)Hes. Frauenkataloge fr. 33a,8–36.

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Quintus klar erkennen. Als Grund für die vergleichsweise häufige Referenz auf die Heraklesfigur lässt sich – provisorisch – die strukturelle Nähe der beiden Figuren zueinander vermuten: Herakles und Dionysos sind – bei aller Verschiedenheit – beide Zeussöhne von menschlichen Müttern und somit Halbbrüder und Halbgötter. Beide müssen um ihre Akzeptanz im olympischen Götterhimmel kämpfen, werden vom unerbittlichen Zorn ihrer eifersüchtigen Stiefmutter Hera verfolgt und durchwandern infolgedessen rastlos, tatenvollbringend und immer wieder neuen Gefahren und Herausforderungen ausgesetzt die ganze Erde bis ans Ende der Welt. Mit anderen Worten: beide müssen sich ihre Unsterblichkeit, die ihnen als Halbgötter a priori nicht zugesichert ist, verdienen – was somit ex posteriori auch für Dionysos gilt, obschon dieser anders als Herakles bereits als Unsterblicher geboren wurde.24 Eine weitere, nicht-triviale Gemeinsamkeit zwischen den beiden Figuren besteht in ihrer Nähe zu shapeshifter-Gestalten, die sich im Falle des Dionysos zum einen durch dessen Doppel- und Schenkelgeburt,25 zum anderen durch seine in den Dionysiaca hervorgehobene strukturelle Nähe zu Proteus äussert,26 die in Dionysos’ eigener Verwandlung in zahlreiche Tiere und Pflanzen im Kampf gegen Deriades kulminiert (Dion. 36,293–353), während für Herakles einerseits dessen generelle Ambivalenz und Widerspruchsfähigkeit entscheidend ist, andererseits eine Affinität zu shapeshifter-Gestalten in seinem Ringen mit Gestaltwandlern wie Periklymenos, Acheloos und Nereus gesehen werden kann. Die programmatische Nähe zwischen Dionysos und Herakles und deren Etablierung über shapeshifter-Gestalten zeigt sich besonders in Dion. 43,246–249, wo der mit Proteus ringende Dionysos mit dem mit Periklymenos kämpfenden Herakles verglichen wird; ferner kommt selbige indirekt auch in dem Vergleich Dionysos/Poseidon – Herakles/Acheloos in Dion. 43,9–15 zum Ausdruck (zu den beiden Passagen s. auch u.).27 In der folgenden Analyse soll ein Schwerpunkt darauf liegen, wie der dionysische28 Herakles mit seinem Halbbruder Dionysos in Verbindung gebracht wird und was für ein Verhältnis zwischen den beiden Figuren im Text aufgebaut wird.29 24 25

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Zu Dionysos als unsterblich geborenem Halbgott vgl. Anm. 25 in Kap. 6.1. Vgl. die Ereignisse in den Büchern 6–9 der Dionysiaca: Buch 6: Zeugung des Zeussohnes Zagreus und dessen Ermordung durch die Titanen – Buch 7: Zeugung des Zeussohnes Dionysos als ‚Ersatz‘ für Zagreus – Buch 8: (unbeabsichtigte) Tötung Semeles durch Zeus und Rettung des ungeborenen Dionysos – Buch 9: Vollendung der Schwangerschaft in Zeus’ Schenkel und anschliessende Schenkelgeburt. Zu Proteus als ‚Programmgott‘ der Dionysiaca vgl. Anm. 4. Zu Herakles und Periklymenos vgl. (Ps.-)Hesiod Frauenkataloge fr. 33a und 35; zu Herakles und Acheloos Soph. Trach. 9–26.503–530 (vgl. auch meine Anm. 12); zu Herakles und Nereus Pherekydes FGrHist 3 F 16 und Apollod. 2,115 (vgl. auch Brommer [1983]). Zu shapeshifter-Gestalten in der antiken Mythologie vgl. auch Forbes Irving (1990) 171–194. Der Begriff „dionysisch“ wird hier spezifisch mit Bezug auf Nonnos’ Dionysiaca gebraucht. Zur verbreiteten Parallelisierung von Dionysos und Herakles vgl. auch Bowersock (1994) 157: „For some seven centuries at least, from the third century B.C. to the fourth century A.D., Dionysus is one of the two great representatives and ambassadors of international Hel-

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Aus typologischer Sicht sind die Mehrzahl der dionysischen HeraklesReferenzen auktorialen Erzählervergleichen zuzuschreiben. Ausnahmen bilden die Szene, in der Hera Dionysos nährt und dabei von erotischem Verlangen ergriffen wird (Dion. 35,314–335), der Bericht über die Benennung des Morrheus als Herakles Sandes (Dion. 34,180–192), sowie die persönliche Begegnung zwischen Herakles Astrochiton und Dionysos, die verbunden ist mit Dionysos’ Gebet an Herakles sowie dessen Binnenerzählung über die Entstehung der Stadt Tyros (Dion. 40,366–580; s.u.). Einen Spezialfall stellt ausserdem aufgrund ihres Umfangs die sowohl narrative als auch kommentierende Elemente umfassende, ausladende Herakles-Dionysos-Synkrisis (Dion. 25,174–252) dar – rein typologisch gesehen liegt allerdings auch hier ein Vergleich vor. Betrachten wir also die dionysischen Heraklesvergleiche, so lassen sich folgende Muster bzw. Auffälligkeiten festhalten: Mit Blick auf das Verhältnis der beiden Halbbrüder Dionysos und Herakles stellen wir fest, dass in vier der gesamthaft sieben expliziten Heraklesvergleiche Dionysos mit Herakles parallelisiert wird, d.h., dass Dionysos das agierende primum comparandum, Herakles das ebenfalls agierende secundum comparatum darstellt: Dionysos sucht rennend nach Ampelos so wie Herakles nach Hylas, nur schneller (Dion. 11,224–231); Dionysos isst vegetarisch bei Brongos so wie Herakles bei Molorchos (Dion. 17,46–58); Dionysos kämpft gegen Poseidon um Beroë so wie Herakles gegen Acheloos um Deianeira (Dion. 43,9–15); Dionysos ringt mit Proteus so wie Herakles mit Periklymenos (Dion. 43,246–249). In drei weiteren Vergleichen jedoch findet keine Assoziation zwischen Dionysos und Herakles statt: Dionysos lässt Ampelos gewinnen so wie Zeus Herakles (Dion. 10,373–377) – d.h., Dionysos wird mit seinem Vater Zeus, Herakles mit dessen Lover Ampelos in Analogie gesetzt; Dionysos bleibt von Orontes’ Schlag unverletzt, im Gegensatz zu Acheloos, dem Herakles das Horn abschlägt (Dion. 17,232–242) – d.h., Dionysos wird mit Acheloos, Herakles mit Orontes in Analogie gesetzt; Terpsichore vertreibt das Inderheer mit mehr Lärm als Herakles die Stymphalischen Vögel (Dion. 29,237–242) – d.h., Dionysos ist an dieser Stelle gar nicht Bestandteil des Verglichenen. Was die Bewertung des Herakles bzw. das insinuierte Verhältnis zwischen ihm und Dionysos angeht, so ist zum einen zu konstatieren, dass Herakles in zwei Vergleichen als lenism. The other is that renowned traveller, Heracles; and it is significant that Heracles and Dionysus are frequently brought together, often over a bowl of wine, in the literature and the iconography of the period. Arguably Dionysus was even more generally popular than his labour-weary colleague, although the reputation of both had suffered damage because of the conspicuous emulation of them by two of Rome’s most disreputable emperors: Dionysus flourished when Commodus took up Heracles, but Dionysus himself was momentarily compromised by the enthusiasm of Elagabalus. In any case, the story of Dionysus’ travels put his legendary career into direct contact with the local legends of the places through which he travelled. It is the fruitful interaction – or, as literary historians would say, contamination – of the career of Dionysus with the local legends of city and country all the way from Asia Minor to India that gives his mythography and iconography such astonishing richness in the later centuries of antiquity.“

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Negativ-Exempel dient: er rennt nicht so schnell wie Dionysos (Dion. 11,224– 231), und er erzeugt weniger furchteinflössenden Lärm als die Bakchantin Terpsichore (Dion. 29,237–242). Zum anderen lässt sich nebst diesen beiden expliziten ex negativo-Vergleichen eine implizit negative Wertung bzw. Färbung auch bei dem Vergleich Dionysos/Ampelos – Zeus/Herakles ersehen, wo Herakles auf eine Stufe mit Dionysos’ Geliebtem Ampelos, d.h. mit dem schwächeren und im Liebesverhältnis ‚verweiblichten‘, da passiven Part, zu stehen kommt (während Dionysos mit seinem Vater Zeus in Analogie gesetzt wird), sowie auch, wie Chuvin/ Fayant (2006) zu Recht anmerken, bei der Tötung des Periklymenos, wo das für Herakles’ Heldenmut und Körperkraft wenig schmeichelhafte Detail hervorgehoben wird, dass er seinen Gegner in Form einer Biene zwischen zwei Fingern zerdrückte.30 Nur vermeintlich positiv konnotiert sind sodann die Vergleiche Orontes/Dionysos – Herakles/Acheloos bzw. Dionysos/Poseidon/Beroë – Herakles/ Acheloos/Deianeira: Zwar ist Herakles hier jeweils ein secundum comparatum, dem etwas glückt (nämlich Acheloos das Horn abzuschlagen und somit Deianeira als Braut zu gewinnen), doch fällt auch hier die implizierte Wertung in beiden Fällen letztlich zu Dionysos’ Gunsten aus: Beim ersten Acheloos-Vergleich geht es m.E. primär darum, Orontes als Gegner des Dionysos abzuwerten: was Herakles, dem impliziten Rivalen des Dionysos, bei Acheloos gelang, gelingt Orontes bei Dionysos nicht; zugleich wird durch den Vergleich auch Dionysos’ Göttlichkeit hervorgehoben – sein Horn ist unsterblich, das des Acheloos dagegen ist ein ‚gewöhnliches‘ Horn –, was wiederum Orontes’ Hybris, die bereits durch seine Charakterisierung als ὑπέροπλος (Dion. 17,233) insinuiert wird, betont und somit implizit auch dessen bevorstehendes Ende (Dion. 17,262–289) vorausdeutet.31 Beim zweiten Acheloos-Vergleich sodann soll in erster Linie Beroës Ekel vor Poseidon und ihre Zuneigung zu Dionysos illustriert werden. Darüber hinaus wird mit dem Hinweis auf Herakles’ bevorstehende eheliche Verbindung mit Deianeira indirekt auch auf dessen Ende hingewiesen (da Deianeira Herakles ungewollt mit Nessos’ Blut den Tod bringen wird); durch dieses Gegenbild aber wird Dionysos’ Misserfolg beim Kampf um Beroë indirekt wieder ins Positive gewendet: er gewinnt zwar die gewünschte Nymphe nicht zur Frau, doch ist dafür seine ‚Karriere‘ 30

31

Chuvin/Fayant (2006) 200 (Anm. z.St.): „Selon les auteurs, la méthode d’Héraclès pour le tuer varie, mais Nonnos est le seul à mentionner le simple écrasement entre les doigts, sans doute pour dévaloriser Héraclès.“ ὑπέροπλος ist schon im archaischen Epos ein dezidiert negativer Terminus (vgl. LSJ s.v. [I.]: „insolent, presumptuous“; LfgrE s.v.: „übermütig, trotzig“; Beekes s.v.: „presumptuous, arrogant, excessive, immense“) und wird von Nonnos praktisch ausschliesslich auf die Feinde des Dionysos appliziert (vgl. Gerlaud [1994] 253). Die Hybris des Orontes wird ferner auch und v.a. dadurch hervorgehoben, dass er als Sterblicher gegen einen Gott kämpft (zum Topos ‚Mensch kämpft [nicht oder nur in Ausnahmefällen] gegen Gott‘ vgl. Bannert [1980]); Dionysos’ Göttlichkeit kommt in diesem Moment primär durch sein unsterbliches und darum unverwundbares Horn zum Ausdruck (V. 233 κρατὸς ἀνουτήτοιο; V. 235 ἀδηλήτοιο καρήνου; V. 241 δαιµονίης ἄρρηκτον […] βλάστηµα κεραίης).

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noch lange nicht vorbei (vgl. insbesondere seinen triumphalen Einzug in Athen [Buch 47] und in Thrakien [Buch 48]).32 Aufs Gesamte besehen, lässt sich somit konstatieren, dass die Heraklesfigur keineswegs – wie auf den ersten Blick aufgrund der Nähe zwischen den beiden Halbbrüdern Herakles und Dionysos allenfalls zu erwarten wäre – eine durchgehend positiv-paradigmatische Funktion für Dionysos einnimmt; im Gegenteil findet oft ein (impliziter oder expliziter) downgrade des Herakles zwecks upgrade des Dionysos statt.33 Dies zeigt sich indirekt nicht zuletzt auch daran, dass der Dodekathlos, das unbestrittene ‚Meisterstück‘ des Herakles, in den Vergleichen bis auf eine Ausnahme (Dion. 29,237–242: Stymphalische Vögel) zugunsten weniger kanonischer, z.T. eher unbekannterer Taten ausgeblendet wird. Stattdessen figuriert der herakleische Dodekathlos prominent in demjenigen Teil des Binnenproömiums, in welchem der Erzähler aus einer ostentativ kommentierenden und wertenden Perspektive die zwölf Taten des Herakles systematisch schlechtmacht und diese dem Können des seiner Meinung nach weit überlegenen Dionysos kontrastierend gegenüberstellt (Dion. 25,174–252). Ein scharfer Gegensatz zwischen den beiden Halbbrüdern wird gleich zu Beginn dieser Synkrisis insinuiert: Mit der Phrase Ἴναχον Ἡρακλῆος (Dion. 25,175) wird Herakles als zum argivischen Fluss Inachos und somit zur Landschaft Argos zugehörig markiert,34 was in der Folge mit der inakkuraten Lokalisierung des Inachos am Hafenbecken des Lerna-Sees (Dion. 25,209) noch einmal herausgehoben wird. Wie Vian (1990) treffend anmerkt, wird dadurch die bereits auf die archaische Epik zurückreichende Tradition von Herakles’ thebanischer Abkunft (vgl. z.B. Il. 14,317; Il. 19,99; Hes. Th. 530; Aspis 48–50) e silentio ausgeblendet – infolgedessen Theben als Geburtsort für Dionysos reserviert bleibt.35 Dieser über die Geographie etablierte scharfe Gegensatz zwischen den beiden Halbbrüdern und Rivalen wird im Folgenden vonseiten des primary narrator über die Arbeiten des Herakles systematisch durchexerziert und gefestigt. Dabei zeigt die Synkrisis folgenden zweigliedrigen Grobaufbau: 32 33 34

35

Ausserdem werden ihm von Eros gleich drei andere Bräute in Aussicht gestellt (Ariadne, Aura und Pallene; vgl. Dion. 43,422–436). Zu kurz greift m.E. Vian (1990) 25: „Héraclès se présente […] comme un modèle, même quand le parallèle avec Dionysos est introduit par une formule restrictive du type οὐ τόσον […].“ Stilistisch gesehen handelt es sich hierbei um eine subordinierte Synonymenverbindung (vgl. dazu Schwyzer [1950] 703–704; Landfester [1997] 107–108), die jedoch in der Sache nur koordiniert verstanden werden kann und auch so übersetzt werden muss („Inachos und Herakles“). Durch die subordinierende Verschränkung wird die Verflechtung des Herakles mit seiner Heimat Argos bzw. seine Abhängigkeit von ebendieser sprachlich herausgehoben. Vian (1990) 250 (Anm. zu Dion. 25,175). Die thebanische Abkunft des Dionysos wird in den Dionysiaca insbesondere durch den Rückgriff auf Pindar als mit Homer auf einer Stufe stehendes Vorbild für Nonnos nobilitiert und gefestigt (vgl. v.a. den programmatischen Rückgriff auf Pindar und Theben im Binnenproömium, Dion. 25,10–11, 18–21; dazu Hopkinson [1994b] 13 sowie 35 [Anm. 39]; ferner Vian [1976] xxvi; zu Dionysos, Theben und Pindar vgl. auch Olivieri [2011a] 119–160; Olivieri [2011b]). Zur thebanischen Abkunft des Herakles vgl. die Übersicht und Diskussion bei Prinz (1974) 162–165; zu Herakles, Theben und Pindar Olivieri (2011a) 89–118; zu Theben und den Herakliden Prinz (1979) 242–243.

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Erster Durchgang (Vv. 176–241, expansion): Vv. 176–193: Nemeischer Löwe Vv. 194–195: Erymanthischer Eber Vv. 196–222: Lernäische Hydra Vv. 223–226: Kerynthische Hirschkuh Vv. 227–235: Kretischer Stier Vv. 236–241: Vieh des Geryon Zweiter Durchgang (Vv. 242–251, compression): Kerynthische Hirschkuh – Vieh des Geryon – Erymanthischer Eber – Kerberos – Kretischer Stier – Äpfel der Hesperiden – Stall des Augias – Stymphalische Vögel – Stuten des Diomedes – Gürtel der Hippolyte.

Auffallend ist die formale Komposition der Synkrisis in zweierlei Hinsicht: Zum einen sticht die Doppelung ins Auge: Auf einen ersten Durchgang, in dem einzelne Taten des Herakles benannt und analogen, jedoch qualitativ überlegenen Taten des Dionysos gegenübergestellt werden, die ihrerseits eine z.T. ausführliche Schilderung erfahren, folgt ein zweiter, nunmehr rein katalogartiger Schnelldurchlauf. Aus narratologischer Sicht lässt sich im ersten Fall von expansion, im zweiten Fall von compression sprechen36 – nach einer ersten ‚Durchführung‘ mit mannigfaltigen Ausschmückungen und Variationen wird in einem zweiten Teil das ‚Thema‘ in einer komprimierten ‚Reprise‘ noch einmal wiederholt. Zum anderen ist die Auswahl der genannten und besprochenen Taten weder vollständig – der erste Durchgang nennt deren fünf, der zweite deren zehn, doch erst in der Summe beider Durchgänge werden tatsächlich alle zwölf erwähnt – noch chronologisch in der kanonischen Reihenfolge gehalten, noch wird die kanonische Zwölfzahl überhaupt explizit genannt, und der Dodekathlos als Ganzes wird nur singularisch als πόνος (im Sinne von „Leistungsausweis“) klassifiziert (Dion. 25,175).37 Die einzige Konzession an den Kanon ist die Nennung des Nemeischen Löwen an erster Stelle. Mit alledem wird der Eindruck einer unsystematisch zusammengewürfelten, losen Abfolge von – aus Sicht des dionysischen Erzählers zweifelhaften – Heldentaten erzeugt, der in keiner Weise kongruent ist mit dem sonst verbreiteten Bild einer in sich zusammenhängenden Abfolge von Abenteuern und Grosstaten, die durch eine mehr oder weniger fixierte Reihenfolge kanonischen Status geniessen. Damit tritt Nonnos in Opposition gegen die streng chronologische und formal bzw. quantitativ ausgewogene Darstellung der zwölf Heraklestaten auf dem Schild des Eurypylos in Quintus’ Posthomerica (6,208–268; s.o. Kap. 8); gegen diese klassische Darstellung scheint Nonnos mit seiner exzentrischen Schilderung bewusst anzuschreiben. Allerdings wird dieser Eindruck von fehlender Systematik und somit auch von Ziel- und Orientierungslosigkeit vonseiten des Herakles konterkariert durch die programmatische Ankündigung des Erzählers, Herakles’ „gesamten Leistungsausweis persönlich zu prüfen“ (ὅλον πόνον αὐτὸς ἐλέγξω, V. 175), was auf den ersten Blick vielmehr eine systematische und unpar 36 37

Zu diesen beiden konträren narrativen Modi vgl. Schmid (2010) 199–204. An anderer Stelle jedoch wird Herakles als „Zwölfarbeiter“ bezeichnet (Ἡρακλῆα δυωδεκάεθλον, Dion. 35,335; s. dazu u.).

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teiische, objektive Evaluation erwarten lässt. Der Erzählerkommentar entpuppt sich somit im Nachhinein als Ironiesignal. Diese Ironie wird durch die Wahl des Verbs ἐλέγχειν in zweierlei Hinsicht noch verstärkt: Zum einen wird ἐλέγχειν in den Dionysiaca nämlich häufig in einer dezidiert negativen Bedeutung („beschimpfen; beschämen“ u.ä.) verwendet;38 somit wird die Ankündigung des Erzählers durch die potentiell dysphemische Konnotation des Verbs ἐλέγχειν zu einem Schlechtmachen umgemünzt. Zum anderen klingt mit ebendieser Wortwahl unüberhörbar die rhetorisch-philosophische Argumentationstechnik des ἔλεγχος an, d.h. der logisch fundierten Widerlegung einer nur vermeintlich korrekten Annahme. Auf dieser Ebene gelesen, wirkt die Ankündigung des Erzählers wiederum in doppelter Hinsicht: Einerseits deutet sie an, dass die Annahme von Herakles’ Verdiensten nur eine Scheinannahme sei, die es im Folgenden zu widerlegen gelte; andererseits führt sie jedoch auch diese durch das Verb ἐλέγχειν implementierte Erwartungshaltung wieder ad absurdum, insofern als der Erzähler evidentermassen eine alles andere als objektive, sondern vielmehr eine durch und durch parteiische Haltung zu Gunsten des Dionysos und zum Nachteil des Herakles einnimmt. Zusammenfassend gesagt, findet also bereits auf rein kompositorischer Ebene eine Abwertung der Heraklesfigur und ihrer Taten statt. Ist diese Negativbewertung auf der Formebene eher implizit zu verstehen, so zeigt sie sich auf der Inhaltsebene geradezu eklatant, indem der Erzähler Herakles’ Taten mit verschiedenen rhetorischen Strategien systematisch abwertet. So schreibt sich das Erzählersubjekt an mehreren Stellen kommentierend in der Ich-Form in die Synkrisis ein, spricht den narratee als impliziten „contradicteur fictif“39 mehrmals metaleptisch an (εἰ δὲ γεραίρεις, V. 174; µὴ […] µιµνήσκεο, V. 225; ἔα πόνον, V. 227; κάλλιπε, V. 236) und gibt seinem Mangel an Bewunderung für die Heraklestaten ostentativ Ausdruck (οὐκ ἄγαµαι καὶ τοῦτο, V. 180; ἐγὼ δ᾿ οὐκ οἶδα γεραίρειν, V. 203; οὐκ ἄγαµαί τινα ταῦρον, V. 228).40 Letztere werden abgemindert, indem die bezwungenen Untiere als klein und unbedeutend dargestellt werden: so ist der Lerna-See bloss „irgendso ein kleines Schlangengewässer“ (τινα πηγὴν | […] ὀλίγην ὀφιώδεα, Vv. 197–198), die Lernäische Hydra eine „nichtsnutzige Natter“ (οὐτιδανῇ […] ἐχίδνῃ, V. 204; vgl. auch Vv. 213–214: οὐ Νεµέην ἐλάχειαν ἐµὸς πρόµος, οὔ τινα Λέρνην | Βάκχος ἀνεζώγρησε). In vergleichbarer Weise ist auch der Kretische Stier nur „irgendso ein Stier“ (τινα ταῦρον, V. 228) mit einem „kleinen Horn“ (ὀλίγην […] κεραίην, V. 229); in der Summe ist somit der ganze 38

39 40

Vgl. Peek s.v.; vgl. z.B. Dion. 44,215 ἐλεγχοµένου […] Λυαίου („Lyaios wird geringgeschätzt“): Dionysos über sich selbst wegen seiner Ablehnung durch Pentheus; vgl. Tissoni (1998) 152 (Anm. z.St.). Vian (1990) 22. Das Ich-sagende Erzählersubjekt ist ferner präsent in V. 175 αὐτὸς ἐλέγξω; V. 176 οἶδα µέν; V. 194 οἶδα; V. 203 ἐγὼ δ᾿ οὐκ οἶδα; V. 223–224 ὅττι καλέσσω | […] µιῆς ἐλάφοιο; V. 237 ἐµὸς Διόνυσος. Ausserdem zu nennen ist die direkte, virtuelle Ansprache an Iolaos in V. 211 ἱλήκοις, Ἰόλαε.

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Dodekathlos des Herakles ein oὐτιδανὸς πόνος, eine „nutzlose Leistung“ (V. 244). Alsdann findet auch eine Abwertung durch Gegenüberstellung mit ähnlichen, jedoch qualitativ herausragenderen Taten des Dionysos statt: So sind dessen Leistungen beim Bezwingen von Schlangen unvergleichlich grösser als die des Herakles: Dionysos hat nicht wie Herakles bloss eine „nichtsnutzige Natter“ (s.o.) besiegt (und dabei – wie vom Erzähler in genüsslicher Breite ausgeführt wird – sogar noch die Hilfe des Iolaos in Anspruch genommen [vgl. Vv. 200–205.211– 212]), sondern die „Schlangensöhne der Erd[göttin]“ (ὀφιώδεας υἷας Ἀρούρης, V. 206), d.h. die Giganten, was keinen Vergleich mit Herakles’ Leistung darstellt (ὕδρης Ἰναχίης πολὺ µείζονες, V. 209). Damit wird implizit auf den in Buch 48 geschilderten Kampf des Dionysos gegen die Giganten vorausverwiesen; unerwähnt bleibt dabei jedoch – bezeichnenderweise – die Tatsache, dass Dionysos den Kampf vorzeitig abbricht, da den Giganten erst ein späterer Tod durch die Blitze des Zeus bestimmt ist (Dion. 48,31–89), so dass also die endgültige Bezwingung der Schlangensöhne durch Dionysos im Endeffekt gar nicht stattfindet.41 Mehrfach betont wird ferner, dass Leistungen des erwachsenen Herakles von Dionysos in äquivalenter Weise bereits im Kindesalter spielend erbracht wurden: So hat Letzterer bereits als kleiner Junge (ἔτι κοῦρος, V. 184; νηπιάχοις παλάµῃσιν, V. 193) Löwen, Panther und Bären gefangen und gezähmt, doch war für ihn das Ganze damals nur ein Spiel (ἀθύρων, V. 184; παίγνια κουρίζοντι, 195) und nicht männlicher Ernst wie für den erwachsenen Herakles. Ebenso verfügt Dionysos seit seiner Schenkelgeburt über Schlangenhaare auf dem Kopf (Vv. 219–222)42 – ausgeblendet wird bei alledem allerdings mit Bedacht Herakles’ Schlangenabenteuer als Baby, was Letzteren mit seinem Halbbruder wieder auf eine Stufe stellen würde. Ähnliches gilt auch für die Kerynthische Hirschkuh, deren Zähmung selbst für Dionysos’ Begleiterinnen, die Bakchantinnen, ein Kinderspiel (βαιὸν ἄθυρµα, V. 226) darstellte, sowie für Kyrene, die – obwohl eine Frau – ebenfalls einen (männlichen) Löwen besiegt hat (vgl. Vv. 180–183).43 Die Abwertung von Herakles’ Taten erfolgt also durch eine Gegenüberstellung von vergleichbaren Taten von Frauen und Kindern; somit wird Herakles’ Mannhaftigkeit in Frage gestellt bzw. ins Lächerliche gezogen. Rhetorisch ins Lächerliche gezogen werden die Taten sodann noch einmal in verdichteter Form in der Reprise:44 Kerberos ist bloss ein gewöhnlicher „Hund“ (κύων, V. 247); der Stall des Augias 41 42

43 44

Vgl. die Anmerkungen bei Vian (1990) 251–252 und (2003) 140; zur Rolle des Dionysos in der Gigantomachie vgl. Vian (1952) 83–90, 206–207. Die Passage nimmt Bezug auf Dion. 9,11–15, wo geschildert wird, wie Dionysos unmittelbar nach seiner Geburt aus Zeus’ Schenkel von den „Geburtshoren“ (λεχωίδες […] Ὧραι, V. 12) einen Schlangenkranz auf den Kopf gesetzt bekommt (vgl. dazu Chrétien [1985] 100 [Anm. z.St.]). Der siegreiche Kampf der Nymphe Kyrene gegen einen Löwen ist bei Pind. Pyth. 9,5–70 überliefert. Zur Figur der Kyrene vgl. Gantz (1993) 93, 192. Vian (1990) 23 sieht in der Reprise eine strukturelle Nähe zu Epigrammen wie beispielsweise Anth. Gr. 16,91–93, die die Arbeiten des Herakles in katalogartiger Kürze aufzählen.

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– dessen Säuberung die für Herakles erniedrigendste Arbeit ohnehin darstellt – wird metonymisch als „Kothaufen“ (κόπρος, V. 248) qualifiziert;45 die Stymphalischen Vögel werden singularisch zu einem „unsteten Wandervogel | mit einer bescheuerten, eisenlosen Flügelspitze“ (Vv. 248–249) degradiert; ebenso singularisiert und ridikulisiert sind die Stuten des Diomedes („ein Pferdemaul, das Fremde tötet“, V. 250); der Gürtel der Hippolyte ist bloss „mickrig“ (ἐλάχεια, V. 251). Dem steht emphatisch am Ende der Synkrisis „des Dionysos Sieg [über den] | unermesslichen Deriades und [den] zwanzig Ellen grossen Orontes“ (Vv. 251– 252) gegenüber. Nonnos’ ausladende Herakles-Dionysos-Synkrisis stellt somit sowohl quantitativ als auch qualitativ den Höhepunkt einer enkomiastisch motivierten Verunglimpfung des Herakles und seiner Taten dar. Herakles erscheint also, aufs Gesamte besehen, als ein Gegenbild, ein Negativ-Paradigma für Dionysos; seine topische Funktion als panhellenische Identifikationsfigur, ja als Nationalheld wird dazu genutzt, die überragende Stellung des Dionysos in geradezu hyperbolischer Manier herauszuheben. Der Vergleich zwischen Dionysos und Herakles erfolgt am Ende einer dreigliedrigen Synkrisis-Kette, an deren Anfang Perseus (Vv. 31– 147) und Minos (Vv. 148–174) stehen. Wie bereits angetönt, besteht der hauptsächliche gemeinsame Nenner dieser vier Figuren darin, dass sie alle Abkömmlinge des Zeus und einer sterblichen Mutter sind.46 Ferner wird Perseus an weiteren Stellen in den Dionysiaca als potentieller Konkurrent des Dionysos gehandelt und tritt auch direkt mit ihm in Opposition.47 Herakles und Perseus sind darüber hinaus auch über ihre Rolle als Gründer und Schutzpatrone der kilikischen Stadt Tarsos miteinander assoziiert,48 während Minos und Dionysos nebst ihrer Verwandtschaft auch via Minos’ Tochter Ariadne, die gemäss Od. 11,321–325 eine Geliebte des Dionysos war, miteinander verbunden sind.49 Dass Herakles am Ende der Synkrisis-Kette erscheint, lässt sich unschwer als Klimax lesen, ist er doch sowohl aufgrund seines Status als Nationalheld wie auch durch seine strukturelle Nähe zu Dionysos (s.o.) dessen härtester Rivale und Konkurrent. Diese klimaktische Funktion wird u.a. auch durch die oben genannten, mehrfachen Ansprachen 45

46

47

48 49

An dieser Stelle ist zu konzedieren, dass es sich um eine Emendation handelt (Graefe). Überliefert ist κάπρος (L), wodurch eine Doppelung des Erymanthischen Ebers (vgl. V. 246 λάσιος σῦς) entstünde; die Emendation scheint mir darum plausibel. „La confrontation entre les quatre grands demi-dieux est un theme traditionell“, so Vian (1990) 16 (mit Anm. 3 für Belege); vgl. ferner Gigli Piccardi (1981) 177–178. Zu ergänzen ist Lukrez 5,13–54, wo Epikur mit Demeter, Dionysos und Herakles verglichen wird; dazu Ackermann (1979) 172–178. Vgl. Dion. 18,289–305; 30,263–277; 31,8–25; 47,496–741; dazu Fauth (1981) 174–177; Gigli Piccardi (1981); Hopkinson (1994b) 35 (Anm. 32); Vian (1990) 17–21; Fayant (2000) 61–92, insbesondere 88–90. Vgl. Dion Chr. 33,1.45.47; Chuvin (1981) 315–326; Chuvin (1991) 179–182. Vgl. Schlesier (1997) 659: „Die Minos-Tochter Ariadne, bei Homer von Artemis getötete Geliebte des D[ionysos] (Od. 11,321–325) und durch ihn, Hesiod zufolge, unsterblich gemacht (theog. 947–949), dient als Vorbild für später bezeugte dionysische Frauen […].“

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vonseiten des narrators an den narratee noch verstärkt: Finden sich in der Herakles-Dionysos-Synkrisis ganze drei solcher Ansprachen, so gibt es nur eine solche in der Perseus-Dionysos-Synkrisis (ἀλλ᾿ ἐρέεις, V. 80) und gar keine in der Minos-Dionysos-Synkrisis. Dem Rezipienten werden also mittels dieser Metalepsen die zentrale Stellung des Vergleichs bzw. die Notwendigkeit, mit dem Erzähler in der Be- bzw. Abwertung des Herakles übereinzustimmen, nachgerade eingetrichtert. Zugleich lässt sich jedoch auch ein ironischer Zug in dem ganzen hyperbolischen Vergleich unschwer verkennen, insofern als die Art und die Häufung, wie Herakles repetitiv schlechtgemacht und Dionysos ebenso repetitiv über den grünen Klee gelobt wird, in der Summe unweigerlich ins Überzogene, ins Lachhafte kippt. In diesem Zusammenhang weist Lasky (1978) 373–374 auf eine ironische Note hin, die sich erst im Kontrast der Herakles-Dionysos-Synkrisis mit dem andernorts vonseiten des Erzählers gezeichneten Bild des Dionysos manifestiert, welches, so Lasky, von einer zeitweiligen Effeminierung und Entheroisierung geprägt ist.50 Wenn nun aber der Erzähler an dieser Stelle Dionysos’ Stärke, seinen Mut und seine Männlichkeit mit klar erkennbarer Überzeichnung derart hervorhebt und iteriert und gleichzeitig seinen Rivalen Herakles mittels herabsetzenden Frauenvergleichen (Kyrene; Bakchantinnen) in eine effeminierte Rolle drängt,51 so resultiert aus diesem sich intratextuell ergebenden Kontrast unweigerlich auch ein gewisser komischer Effekt.52 Mittels dieser dezidiert ironischen Färbung der ganzen Passage wird also der Rezipient dazu aufgefordert, den Vergleich zwischen den beiden Halbbrüdern in seiner ganzen rhetorischen Schärfe nicht allzu sehr für bare Münze zu nehmen. Anders gesagt: Was auf semantischer Ebene eine extreme Abwertung der Heraklesfigur zwecks enkomiastischer Überhöhung des Dionysos bedeutet, kommt auf pragmatischer Ebene in gewisser Weise einer Aufforderung an den Leser zur Distanzierung von der Wortebene des Textes gleich. Durch ebendiese Möglichkeit einer uneigentlichen bzw. distanzierten Rezeption wird nunmehr aber auch die Option einer metapoetischen Lesart eröffnet. Herakles stellt nämlich in zweierlei Hinsicht eine ernstzunehmende Konkurrenz für Dionysos dar: Einerseits ist er der 50

51 52

Lasky a.a.O. nennt als Beispiel Dion. 16,265–269, wo geschildert wird, wie sich der verliebte Dionysos an sein schlafendes Objekt der Gebierde, die Nymphe Nikaia, verstohlen heranschleicht (73): „[T]he conquest of the maiden represents a playing down, or deflating, of the earlier victory over the Indians. Thus, in describing the god as he comes creeping upon the sleeping form of Nicaea, Nonnus deliberately lends a burlesque quality to his hero […]. […] Nonnus’s deflating of his hero in this instance suggests the poet’s want of seriousness toward his own hero and raises the question of how this attitude lends itself to the theme of praise. Elsewhere, however, rather than deflate the subject of his encomium, Nonnus will resort to inflating his hero beyond proportion with equally humorous results.“ So auch in dem Vergleich Dionysos/Ampelos – Zeus/Herakles (Dion. 11,224–231); s.o. In ähnlicher Weise sieht Gigli Piccardi (1981) auch in der Perseus-Dionysos-Synkrisis eine humoristische Note, insofern als Nonnos in seiner Zeichnung des Perseus eine auf das Satyrspiel zurückgehende burleske Tradition aufgreift und damit den ernsten, enkomiastischen Ton der Synkrisis ironisch sublimiert.

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härteste Konkurrent im Wettkampf der besten Zeussöhne – als solcher kommt ihm insbesondere in der hesiodeischen Theogonie die ehrenvolle Rolle zu, den Ruhm seines Vaters mehr als irgend jemand anderer zu mehren (s.o. Kap. 6.1) –; andererseits ist er ein Konkurrent für den Erzähler bzw. den Autor, der zwar ein Dionysos-Epos verfasst, implizit aber sich rechtfertigen muss, warum er nicht vielmehr ein Herakles-Epos schreibt – ist doch die Heraklesfigur emblematisch in die gesamte vornonnianische Epik von Homer bis Quintus eingeschrieben. Die ironisch durchsetzte recusatio von Herakles und der Qualität seiner Taten kommt somit auf einer poetologischen Ebene einer recusatio der (faktisch nicht [mehr] existenten, aber seit Jahrhunderten quasi in der Luft schwebenden) Herakles-Epik gleich. Anders gesagt, rechtfertigt sich der Erzähler (bzw. der Autor) via den Vergleich von Dionysos und Herakles dafür, dass er nicht – wie man ggf. von ihm erwarten dürfte – ein Herakles-Epos, sondern vielmehr ein Dionysos-Epos schreibt. Diese poetologische Deutung drängt sich insofern besonders darum auf, weil die Synkrisis-Kette Bestandteil des ausladenden Binnenproömiums zu Beginn des 25. Buches ist, eingebettet in einen doppelten Musenanruf, der die Vorbildhaftigkeit Homers als Dichtervater mit gleichzeitiger recusatio des Trojanischen Krieges als Thema in janusköpfiger Weise verbindet (s.o.). In ebenso janusköpfiger Manier wird Herakles als potentielles Thema des vorliegenden Epos zwar zurückgewiesen – gleichzeitig jedoch integriert ihn der Erzähler durch den breiten Raum, den er ihm in seiner recusatio zumisst, nolens volens doch wieder in die Dionysiaca, ehe er ihm in der Gestalt des Herakles Astrochiton gar eine Stimme verleiht, als er ihn als Binnenerzähler eines eigenen kleinen Epyllions selber auftreten lässt (Dion. 40,428–573; Diskussion s.u.). Diese metapoetische Lesart wird m.E. durch die Doppelung eines bestimmten Signalwortes noch bekräftigt: Dionysos wird vom Erzähler nämlich kurz hintereinander zweimal als πρόµος („Vorkämpfer“) bezeichnet – einmal als Διὸς πρόµος (V. 207), einmal als ἐµὸς πρόµος (V. 213).53 Somit implementiert der primary narrator eine Parallele zwischen der innerfiktionalen Vorkämpferfunktion des Dionysos (d.i., seines Vaters Zeus Ruhm zu mehren) und seiner ausserfiktionalen bzw. metapoetischen Funktion, nämlich die Mehrung des Dichterruhms. Herakles ist somit sowohl ein innerfiktionaler wie auch ein ausserfiktionaler Konkurrent für Dionysos. Eine gesonderte Betrachtung erfordern zum Schluss zwei Passagen, an welchen Herakles nicht als Vergleichsobjekt auf der auktorialen Ebene des Erzählers fungiert, sondern einem anderen Zwecke dient. Als erstes ist hier die Szene zu nennen, in welcher Hera von Zeus gezwungen wird, den von ihr mit Wahnsinn geschlagenen Dionysos mit ihrer göttlichen Muttermilch zu nähren und so von der Raserei zu befreien (Dion. 35,314–335). Heras Widerwille wandelt sich rasch in erotische Anziehung; sie geniesst es, wie der schöne Gott an ihrer Brust saugt, und verspürt Neid und Eifersucht, da sie weiss, dass Dionysos nicht ihr Liebhaber 53

Die Parallelität der beiden Ausdrücke wird durch die identische sedes im Vers noch hervorgehoben.

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sein kann und wird. Ihr unüberwindbarer Zorn gegen den unehelichen Sohn ihres Gatten scheint hier für einen Moment suspendiert bzw. ins Erotische sublimiert zu sein (wiewohl er im weiteren Gang der Ereignisse wieder heftig aufflammen wird). Heras Sehnsucht nach Dionysos geht so weit, dass sie sich insgeheim wünscht, er könnte an Herakles’ Stelle der Gatte der Hebe und somit ihr Schwiegersohn werden (um ihr somit, so lässt sich zwischen den Zeilen herauslesen, wenigstens nahe zu sein). Erzähltechnisch gesehen, liegt in dieser Szene ein Fall von embedded focalization vor: ein durch eine handelnde Figur der Diegese fokalisierter Erzählerbericht, der das Fühlen und Denken der Figur wiedergibt – mit anderen Worten: der auf der Ebene des character-text lokalisierte ‚Informationsgehalt‘ wird auf die Ebene des narrator-text transferiert.54 Dadurch findet eine Verschmelzung der beiden Erzählebenen und somit in gewisser Weise auch eine Verschmelzung der Figur mit dem Erzählersubjekt statt. Auf der Figurenebene lesen wir die Passage dahingehend, dass sich Hera vorübergehend mit Dionysos versöhnt, ihren Zorn gegen ihn scheinbar urplötzlich vergisst, dafür jedoch ihren ‚alten‘ Zorn gegen Herakles gewissermassen reaktiviert; auf der Ebene des Erzählers jedoch werden Herakles und Dionysos über Hera gegeneinander ausgespielt. In diesem Zusammenhang ist die Qualifikation des Herakles als „Zwölfarbeiter“ (Ἡρακλῆα δυωδεκάεθλον) vonseiten des Erzählers in V. 335 von besonderer Relevanz, denn damit wird auf die Herakles-Dionysos-Synkrisis in Buch 25 zurückgewiesen, in welcher der herakleische Dodekathlos systematisch schlechtgemacht wird (s.o.). Die Bezeichnung – es handelt sich bei dem Adjektiv um ein absolutes hapax legomenon – wird somit unter intratextuellem Gesichtspunkt zu einem Ironiesignal, infolgedessen sich auch diese Szene in die oben diskutierten dionysischen Heraklesvergleiche einreiht, deren Hauptstossrichtung in der Erhöhung des Dionysos durch die Erniederung des Herakles liegt. Hera paktiert gewissermassen mit dem Dionysiaca-Erzähler, insofern als beide für Dionysos und deshalb ‚automatisch‘ gegen Herakles sind. Zum zweiten ist die persönliche Begegnung zwischen Dionysos und Herakles Astrochiton von Belang (Dion. 40,366–580), in welche der Gründungsmythos von Tyros eingebettet ist (Vv. 428–573). Dabei handelt es sich um eine von drei in den Dionysiaca berichteten Stadtgründungen, wobei dies die einzige ist, an der Dionysos selber nicht beteiligt ist.55 Diese Begegnungsszene unterscheidet sich fundamental von sämtlichen anderen Herakles-Passagen in den Dionysiaca: Erstens findet hier zum ersten und einzigen Mal eine persönliche Begegnung zwischen Dionysos und seinem Halbbruder statt; zweitens kommt Herakles zum ersten und einzigen Mal in den Dionysiaca (doch dafür umso ausführlicher) direkt zu Wort – in der Tat handelt es sich bei seiner Erzählung um die viertlängste, zusammenhängende direkte Rede im gesamten Werk –;56 und drittens ist die oben gezeigte, 54 55 56

Zum narratologischen Konzept der embedded focalization vgl. auch Anm. 20 in Kap. 5. Dionysos ist an der Gründung von Nikäa (Dion. 16,403–405) und von Beroë (Bücher 41–43) beteiligt; vgl. Geisz (2016) 190. Vgl. Verhelst (2017) 90 (Anm. 23).

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konstant wiederkehrende Abwertung und Lächerlichmachung der Heraklesfigur zwecks Aufwertung des Dionysos hier in ihr pures Gegenteil verkehrt: Dionysos ruft Herakles nachgerade hymnisch an und preist ihn als Sonnengott, als Lebensspender, ja als Euergeten der gesamten Menschheit (Vv. 369–410). Zum hymnischen Charakter von Herakles’ Anrufung durch Dionysos äussert sich Fauth (1995) 165 wie folgt: [B]ei der hymnisierenden Ansprache des Dionysos an den göttlichen Herrn der phönizischen Stadt Tyros […] [handelt es sich] weder um ein religiöses Gedicht oder ein magisches Dokument noch um ein literarisches Produkt philosophischer Mystik oder solarmonotheistischer Weltanschauung, sondern um ein Erzeugnis spätantiker Poesie, Teil eines riesigen Epos, das allerdings auch religiöse, mystische, magische, astronomische bzw. astrologische und philosophisch-kosmologische Momente auf seine Weise einbringt und verarbeitet.

Ferner zeigt Otlewska-Jung (2014) 80–83, dass Dionysos’ Herakles-Hymnos nicht nur über sämtliche typischen Hymnenelemente verfügt, sondern dass er auch an manchen Stellen Berührungspunkte zu den Orphischen Hymnen aufweist. Dionysos dagegen charakterisiert seine eigene Rede als ἔπος (V. 411) – wodurch jedoch die Qualifikation des Hymnos als solche nicht unterminiert wird, im Gegenteil: Die Nebeneinanderstellung von überdeutlich erkennbarer Hymnik mit der expliziten Eigendeklaration als ἔπος initiiert erst eine mögliche Reflexion über die Gattungszugehörigkeit und fordert somit den Leser in einem weiteren Schritt dazu auf, vertieft über die Szene als solche nachzudenken.57 Insbesondere lässt sich der Begriff ἔπος aber auch gewinnbringend an Herakles’ Binnenerzählung von der Gründung der Stadt Tyros anknüpfen, welche ihrerseits als ‚Epyllion des Herakles‘ gelesen werden kann; eine solche Lesart wiederum lässt sich an die mutatis mutandis auch für Apollonios’ Argonautica geltend zu machende Vorstellung eines über die Heraklesfigur in den Haupterzählstrang eingeschriebenen narrativen Palimpsests rückbinden (s.o. Kap. 7). Im vorliegenden Falle findet eine solche Einschreibung jedoch nicht wie in den Argonautica über verstreute Einzelreferenzen statt, welche ihrerseits die Umrisse einer zusammenhängenden Alternativerzählung durchscheinen lassen, sondern über einen in sich geschlossenen, als eigenständige Erzählung lesbaren Bericht eines secondary narrator, der zwar auf die Ebene der Metadiegese beschränkt bleibt, jedoch die Möglichkeit einer vollgültigen Herakleserzählung als Alternative zur Dionysosgeschichte (zumindest assoziativ) dennoch aufblitzen lässt. Was die Frage angeht, wie die im Vergleich zu den meisten anderen HeraklesReferenzen herausstechende Positivbewertung des Herakles durch Dionysos zu beurteilen sei, so lassen sich im Wesentlichen drei Punkte anführen: Erstens ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass es sich hier um Herakles Astrochiton handelt, der nach gängiger interpretatio Graeca als Pendant zu Melqart, dem Stadtgott von Tyros, galt.58 Diese Gleichsetzung ist zu Nonnos’ Zeiten bereits uralt: Sie 57 58

Für weitere Literatur zur Gattungszuordnung des Herakles-Hymnos vgl. meine Anm. 22. Für Literatur zu dem Thema vgl. meine Anm. 22.

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ist zum ersten Mal bei Herodot fassbar, wo eine ausdrückliche Identifikation mit dem griechischen Herakles erfolgt (πυνθανόµενος αὐτόθι εἶναι ἱρὸν Ἡρακλέος, 2,44),59 während in Lukians De dea Syria ebenso ausdrücklich zwischen den beiden Figuren unterschieden wird.60 Somit liesse sich argumentieren, dass eine entsprechende Differenzierung auch hier vorzunehmen sei – zumal Dionysos in seiner Ansprache in keiner Weise andeutet, dass es sich bei dem von ihm verehrten Gott um seinen Halbbruder handele.61 Dennoch mag eine derart nüchterne Erklärung nicht zu befriedigen, da über die Gleichsetzung der beiden Figuren eine automatische Assoziation des rein griechischen Herakles mit dem mit Melqart gleichgesetzten Herakles Astrochiton unvermeidlich ist. Dies wird insbesondere auch daran deutlich, dass sowohl auf der primären wie auch auf der sekundären Erzählebene beide Bezeichnungen verwendet werden: Der Erzähler spricht an drei Stellen von Astrochiton (Vv. 367, 412, 422), an drei Stellen von Herakles (Vv. 428, 576, 577) und an einer Stelle von „Herakles, dem Herrscher des Himmels“ (Ἡρακλέης πρόµος αἰθέρος, V. 574); Dionysos verwendet in seiner Ansprache zweimal die Anrede Ἀστροχίτων (Vv. 408, 423) und einmal die vollständige Bezeichnung Ἀστροχίτων Ἥρακλες (V. 369). Demnach ergibt sich beinahe zwangsläufig ein assoziatives In- und Nebeneinander von griechischem Herakles einerseits und Herakles Astrochiton (= Melqart) andererseits. Dies zeigt sich besonders auch daran, dass das Konzept der ποικιλία, welches das poetologische Programm der Dionysiaca konstituiert, mittels der dreifachen Verwendung des Adjektivs ποικίλος wiederholt aufgerufen wird: Dionysos spricht in seinem Hymnos von der „leuchtenden, bunten [Himmels-]Wiese“ (ποικίλος […] λειµών, V. 385), und er nennt Herakles Astrochiton den „Äther, den buntschillerenden, den Sternengewandten“ (Αἰθήρ | ποικίλος Ἀστροχίτων, Vv. 407–408); daran anknüpfend, heisst es sodann im Erzählerbericht, dass Herakles Astrochiton „ein buntschillerndes Gewand nach dem Vorbild des Himmels trug, ein Abbild des Universums“ (ποικίλον εἷµα φέρων, τύπον αἰθέρος, εἰκόνα κόσµου, V. 416).62 Eine metapoetische Gesamtdeutung drängt sich darum auf: Meines Erachtens steht das Oszillieren zwischen den beiden Heraklessen in enger Verknüpfung mit dem poetologi 59 60

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„nachdem ich vernommen hatte, dass sich dort ein Heiligtum des Herakles befände“. De dea Syria 3: καὶ ἔστιν ἱρὰ καὶ ἐν Συρίῃ οὐ παρὰ πολὺ τοῖς Αἰγυπτίοισιν ἰσοχρονέοντα, τῶν ἐγὼ πλεῖστα ὄπωπα, τό γε τοῦ Ἡρακλέος τὸ ἐν Τύρῳ, οὐ τούτου τοῦ Ἡρακλέος τὸν Ἕλληνες ἀείδουσιν, ἀλλὰ τὸν ἐγὼ λέγω πολλὸν ἀρχαιότερος καὶ Τύριος ἥρως ἐστίν. („Und auch in Syrien gibt es Tempel, die mehr oder weniger gleich alt sind wie die in Ägypten; ich habe die meisten von ihnen gesehen, [auch] denjenigen des Herakles in Tyros – [d.h.] nicht des Herakles, den die Griechen preisen; sondern der, den ich meine, ist viel älter und ist ein Halbgott aus Tyros.“) Die Passage greift Hdt. 2,44 erkennbar auf, wendet sich jedoch gegen dessen interpretatio Graeca (vgl. Lightfoot [2003] 294–296 [Anm. z.St.]). Vgl. in diesem Sinne z.B. auch Vian (1990) 25: „Le fils d’Alcmène n’est qu’un avatar secondaire du grand Héraclès Astrochitôn de Tyr, dieu primordial et suprême aux multiples dénominations […].“ Zur ποικιλία der Dionysiaca s.o. Anm. 5. Eine eingehende Analyse des im Herakles-Hymnos verwendeten Vokabulars bietet Lasek (2009) 23–32.

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schen Programm des ‚Schillerns‘, welches die Dionysiaca durchzieht; der Rezipient ist somit nachgerade dazu aufgefordert, sich an der Überlappung der beiden Figuren zu stossen und den intratextuellen Widerspruch zur Charakterisierung des Herakles in den übrigen Passagen nicht einfach hinzunehmen, sondern diesen zu reflektieren und interpretativ fruchtbar zu machen. Auf der Basis dieser Einsicht ergeben sich ein zweiter und ein dritter Aspekt, nämlich die Frage nach der Zuverlässigkeit des Erzählers und der Dionysosfigur einerseits sowie das Problem der chronologischen Inkonzinnität andererseits. Wie oben gezeigt, findet die anderweitig erfolgende Abwertung und Lächerlichmachung der Heraklesfigur durch den primary narrator statt – mit diesem jedoch tritt Dionysos erkennbar in Opposition, wenn er ‚seinen‘ Herakles dergestalt aufwertet und vergöttert. Anders gesagt, liegt hier ein erzähltechnisch äusserst spannender Fall vor, insofern als Erzähler und Figuren gegeneinander arbeiten; der Erzähler liesse sich demzufolge als unreliable narrator charakterisieren, doch ebenso gut könnte man Dionysos an diesem Punkt auch als unreliable character bezeichnen, insofern als sein Verhalten gegenüber seinem Halbbruder und Konkurrenten Herakles ganz offensichtlich nicht den Erwartungen entspricht, die der Erzähler andernorts aufgebaut hat, so dass der Rezipient an dieser Stelle eine kognitive Dissonanz zwischen der Haltung des Erzählers und derjenigen des Dionysos empfindet.63 Ebenso unerwartet ist die mythenchronologische Umkehr der Verhältnisse, d.h. die Tatsache, dass Herakles plötzlich als bereits immortalisiert erscheint, während Dionysos immer noch auf Erden wandelt. Wie oben bereits angetönt, scheut sich Nonnos grundsätzlich nicht vor solchen Inkonzinnitäten,64 und in dem vorliegenden Falle lässt sich der Widerspruch mit Verweis auf die Nicht-Identität (bzw. nur partielle Identität) des griechischen Herakles mit Herakles Astrochiton ‚wegerklären‘. Gleichwohl kann auch dieses Spiel mit dem Erwartungshorizont des Lesers als Rückbindung an die Grundsatzfrage nach der Rolle des Herakles in den Dionysiaca bzw. dem Verhältnis zwischen den beiden ungleichen Halbbrüdern verstanden werden. Die Widerspruchsfähigkeit des Mythos ist hier zu einer Widerspruchsfähigkeit der Charakterisierung sowie der temporalen Verhältnisse umgemünzt; die Rolle des Herakles mäandriert zwischen einer auktorial implementierten Gegenbildfunktion für Dionysos und einer von ebendiesem auf der Figurenebene konterkarierten Vorbildfunktion. 63

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Zur Rolle des Rezipienten im Falle eines unzuverlässigen Erzählers und/oder einer unzuverlässigen Figur vgl. Jannidis (2004a) 202: „Auslöser für die Feststellung, ein Erzähler oder eine Figur seien unzuverlässig, ist die Wahrnehmung von Inkonsistenzen. Es kann sich dabei um Widersprüche und Diskrepanzen zwischen verschiedenen intratextuellen Informationen oder zwischen intratextuellen und extratextuellen Informationen handeln. Die Wahrnehmung von Inkonsistenzen alleine wird aber die Feststellung von Unzuverlässigkeit noch nicht auslösen, vielmehr muß der auktoriale Leser sie als intendierte Widersprüche wahrnehmen.“ Ferner von Belang im Zusammenhang mit der Frage nach der Reliabilität eines Charakters ist auch der Aspekt der Vorhersagbarkeit (predictability); vgl. dazu Bal (32009) 120–126. S.o. mit Anm. 6.

TEIL III: SYNOPSIS UND AUSBLICK

10 SYNOPSIS: ZU HERAKLES’ NARRATIVITÄT UND POETIZITÄT IM GRIECHISCHEN EPOS Die vorliegende Studie ging von dem Umstand aus, dass Herakles in allen vollständig überlieferten Grossepen der griechischen Antike – von Homer und Hesiod über Apollonios Rhodios zu Quintus Smyrnaeus und Nonnos von Panopolis – regelmässig Erwähnung findet, ohne dabei allerdings (partiell abgesehen von Apollonios’ Argonautica) jemals eine Rolle innerhalb der Diegese zugesprochen zu bekommen. Basierend auf der Tatsache, dass Herakles nicht nur die vermutlich populärste, so gut wie alle Aspekte und Bereiche der Kultur, Religion, Literatur und Ikonographie berührende Figur aus der griechischen Mythos darstellt, sondern dass er darüber hinaus auch von einer nicht zu vergleichenden Vielschichtigkeit, Ambivalenz und Widersprüchlichkeit geprägt ist, wurde eine dezidiert narratologische Figurenanalyse angesetzt, die – von einem kognitiven Ansatz ausgehend – die Menschenähnlichkeit literarischer Figuren postuliert, dabei aber die Inklusion nicht-menschlicher (bzw. nur zu Teilen menschlicher oder menschenähnlicher) Figuren ermöglicht. Dieser Ansatz wurde abgestützt durch die Beobachtung, dass das ‚System Mythos‘ einer eigenen Logik folgt, die oft keine rational nachvollziehbaren Erklärungen bietet oder zulässt, sondern vielmehr von inneren Widersprüchen und Inkonzinnitäten geprägt ist – zur Beschreibung dieses Phänomens wurde der Begriff Widerspruchsfähigkeit des Mythos vorgeschlagen. Bedingt durch seine Popularität sowie seine Vielschichtigkeit, ja Widersprüchlichkeit bzw. Widerspruchsfähigkeit, ist Herakles nicht nur eine die antike Literaturgeschichte in allen Gattungen und Perioden konstant ‚durchwandernde‘ Figur, sondern er stellt auch mehr als jeder andere aus der Mythologie entlehnte transtextuelle Charakter ein Paradigma einer in der Literatur für die unterschiedlichsten Zwecke funktionalisierbaren Figur dar. Das Augenmerk der Analyse lag darum dezidiert auf der narrativen Funktion bzw. Funktionalität der Heraklesfigur in den jeweiligen griechischen Grossepen, wobei sowt-nohl die intertextuelle Dimension wie auch und besonders der Aspekt der Poetologie – d.h. die Frage, wie bzw. inwiefern Herakles für metapoetische Zwecke funktionalisiert wird – im Fokus stand. Im Folgenden seien die wichtigsten Resultate aus dem Hauptteil der Studie (Kap. 4–9) zusammengefasst. Herakles im griechischen Epos beginnt naheliegenderweise mit Homer. In Relation zu der an der Trojaexpedition aktiv beteiligten Generation ist Herakles eine bis zwei Generationen älter und gehört somit nicht in die erzählte Zeit von Ilias und Odyssee. Gleichwohl finden sich in beiden homerischen Epen Erwähnungen und Anspielungen auf Herakles und dessen Taten in Form externer Analepsen sowohl aus dem Munde des Erzählers (primary narrator) als auch in der

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Rede handelnder Figuren (secondary narrators). In der Ilias gibt es gesamthaft dreizehn teils längere, teils kürzere solcher Passagen, die über das ganze Epos verteilt sind (Bücher 2, 5, 8, 11, 14, 15, 18, 19 und 20), womit die Erinnerung an den Heros und dessen Taten sowohl inner- wie auch ausserfiktional in regelmässigen Abständen wachgerufen wird. Im Schiffskatalog (Buch 2) wird Herakles über drei seiner Abkömmlinge – einen Sohn und zwei Enkel – in die ‚epische Vorvergangenheit‘ eingeschrieben, und gleichzeitig wird damit seine Wichtigkeit als Angehöriger einer Vorgängergeneration angedeutet, der zwar selber nicht mehr physisch präsent ist, aber indirekt nach wie vor Einfluss nimmt. Diese Spannung zwischen Nähe und Distanz wird in unterschiedlichen Brechungen und Ausformungen auch in der Rede mehrerer handelnder Figuren bestätigt – so etwa im Munde Diones, die Herakles als Vertreter einer früheren Heldengeneration anführt, welche es noch wagte, gegen die Götter anzutreten (Buch 5), oder durch den alten Nestor, der von der Tötung seiner elf Brüder durch Herakles in seiner Jugendzeit erzählt (Buch 11): Nestor ist somit nicht nur Bindeglied zwischen Gegenwart und Vergangenheit, sondern er bestätigt indirekt auch, dass er Herakles (bedingt durch die Schonung) sein Leben ‚verdankt‘. Eine mit Herakles verflochtene Begebenheit, auf die mehrfach angespielt wird, ist sodann die Zerstörung Trojas durch Herakles als Rache für Laomedons Betrug (Bücher 5, 14 und 20). Über die wiederholte Anspielung auf Teile dieser Geschichte wird Herakles zu einem Emblem der Trojazerstörung schlechthin, und die Anspielungen können ihrerseits als Prolepsen auf die bevorstehende (ausserhalb des iliadischen Erzählrahmens liegende) zweite (und endgültige) Zerstörung Trojas gelesen werden, die ebenfalls einen Racheakt für begangenes Unrecht (Raub der Helena) darstellt. Diese proleptische Funktion wird über eine an zwei Stellen prominent vorgenommene Parallelisierung zwischen Herakles und Achilleus bekräftigt: Zum einen durch Achilleus selber, der seinen Entschluss, Hektor zu töten und somit die Prophezeiung seines eigenen baldigen Todes in Kauf zu nehmen, mit einem Verweis auf Herakles, der ebenfalls sterben musste, unterstreicht (sog. „even Herakles died“-Topos; Buch 18); zum anderen im Kontext von Agamemnons Rechtfertigungsrede zwecks Aussöhnung mit Achilleus, in welcher dieser sich (mit unfreiwillig ironischem Unterton) in die Position des Eurystheus begibt und somit eine indirekte Gleichsetzung zwischen Herakles und Achilleus insinuiert (Buch 19). Die Analogie zwischen Achilleus und Herakles, die durch die Gemeinsamkeit des Zornmotivs noch verstärkt wird (Herakles ist Opfer von Heras Zorn, während Achilleus gegen seinen eigenen Zorn zu kämpfen hat – für beide Helden ist Zorn eine Triebfeder ihres Handelns), hebt nicht nur Herakles’ proleptische Funktion hinsichtlich der Trojanischen Katastrophe hervor, sondern auch hinsichtlich des bevorstehenden Todes des Achilleus, auf den in der Ilias an zahlreichen Stellen vorausgedeutet wird. Im Gegenzug wird Achilleus dadurch letztlich auch – wie Herakles – in den Rang eines panhellenischen Nationalhelden avant la lettre erhoben. Die Odyssee knüpft an die iliadische Funktion des Herakles an und wendet diese in ihr Gegenteil, indem sie Herakles als einen Angehörigen einer Vorgängergeneration ausweist, der – anders als in der Ilias – keine Bedeutung für die Ge-

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genwart mehr hat, da sowohl Achilleus’ Tod wie auch der Untergang Trojas nunmehr Vergangenheit sind und somit die entsprechenden proleptischen Funktionen obsolet geworden sind. Da die Odyssee ihrerseits zwar programmatisch auf die Ilias zurückblickt, deren Welt- und Heldenbild jedoch transzendiert und die Kriegsthematik hinter sich lässt, besteht für eine Heraklesfigur iliadischer Prägung kein Bedarf mehr. Die Ausschreibung des Herakles aus der epischen Erinnerungskultur wird in erster Linie über die Begegnung zwischen Odysseus und Herakles’ Avatar (εἴδωλον) in der Unterwelt geleistet (Buch 11, Nekyia). Paradoxerweise ist es ausgerechnet die persönliche Begegnung zwischen den beiden Helden, welche die Distanz zwischen den beiden deutlich werden lässt: Erstens ist die Tatsache zu nennen, dass Odysseus als Lebender in der Unterwelt nur Gast ist, während Herakles sowohl im Totenreich wie auch – inzwischen vergottet – im Olymp weilt (die Apotheose des Herakles, die in der Ilias noch keine Rolle spielt, ist hier eingeführt, und die Odyssee erwähnt ausdrücklich diese Doppelung). Die ‚Verbannung‘ des Herakles aus der Gegenwart heraus sowohl ‚nach unten‘ als auch ‚nach oben‘ kann entsprechend poetologisch als Verbannung der alten (d.h. iliadischen) Kriegsepik gelesen werden. Zweitens lässt sich diese Deutung durch die Beobachtung stützen, dass Odysseus die Beschreibung von Herakles’ Wehrgehenk vorzeitig abbricht und also eine recusatio der darauf dargestellten blutigen Szenen, die ihrerseits stellvertretend für die alte Kriegsepik stehen, insinuiert. Somit wird am Ende der Nekyia die Ilias in der Figur des Herakles und dessen Wehrgehenk gebündelt und in der Unterwelt eingeschlossen. Ferner ist an zwei weiteren Stellen in der Odyssee von Herakles’ Fähigkeiten als Bogenschütze die Rede. Bedeutsam ist die Erwähnung in Buch 21 im Zusammenhang mit der Erzählung von der Herkunft von Odysseus’ Bogen, der einst dem von Herakles aus Habgier getöteten Iphitos gehörte. Die Tötung des Iphitos durch Herakles und die damit einhergehende grobe Missachtung des Gastrechts spiegelt das Verhalten der Freier Penelopes und kündigt gleichzeitig – in invers-proleptischer Weise – Odysseus’ Wiedergutmachung des an ihm begangenen Unrechts unter Verwendung desselben Bogens, mit dem Herakles einst gewaltiges Unrecht beging, an. Dadurch wird das von Herakles an Iphitos begangene Unrecht symbolisch wiedergutgemacht, und Herakles wird endgültig als einer früheren, ‚barbarischen‘, nicht mehr in die Welt der Odyssee passenden Generation zugehörig erwiesen. Der Praxis der homerischen Epen folgend, spielen in den (ps.-)hesiodeischen Epen verstreute, jedoch regelmässig wiederkehrende Herakles-Referenzen sowohl in der Theogonie als auch in den (nur fragmentarisch erhaltenen) Frauenkatalogen eine Rolle, während die Aspis bekanntlich das einzige überlieferte griechische Hexameterwerk darstellt, das vollumfänglich der Heraklesthematik gewidmet ist. Anders als die homerischen Epen, in denen Herakles und dessen Taten bereits Geschichte sind, liegt der zeitliche Rahmen der Theogonie mit ihrem Bericht von den Ursprüngen der Welt bis zur Etablierung und Konsolidierung von Zeus’ Herrschaft vor der Zeit des Herakles; somit sind die Herakles-Referenzen in der Theogonie allesamt externe Prolepsen auf eine spätere Epoche jenseits des Werkendes. Damit nimmt die Theogonie mit ihrer Verwendung der Heraklesfigur eine Inversion der narrativ-chronologischen Situation der homerischen Epen vor. Inhaltlich

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liegt der Fokus der insgesamt acht theogonischen Herakles-Referenzen auf Herakles’ Rolle als Zivilisator, Aufräumer und Kulturbringer (diese Rolle ist hier zum ersten Mal schriftlich greifbar und wird später topisch). Darin liegt zwar einerseits ein erkennbarer Unterschied zu den homerischen Epen, doch wird andererseits in gewisser Weise auch an das grundsätzlich positive Heraklesbild der Ilias angeknüpft. Ein intertextueller Dialog mit den homerischen Epen lässt sich überdies auch an einzelnen Stellen bzw. über einzelne Motive (z.B. das von Herakles als Bogenschützen) feststellen, womit im Wesentlichen zwei Ziele erreicht erreicht: Zum einen wird (insbesondere in Absetzung von der Odyssee) ein positives Heraklesbild in den Vordergrund gestellt, zum anderen wird (in Anknüpfung an den doppelten Herakles in Odyssee Buch 11, doch in Absetzung von der Ilias) die Unsterblichkeit des Herakles als Höhepunkt eines entbehrungsreichen und mühevollen Wanderlebens etabliert. Mit Blick auf die Werkintention der Theogonie, die in der enkomiastischen Darstellung und Rechtfertigung von Zeus’ Weltherrschaft liegt, lässt sich dieser neue Herakles unschwer als Emblem für den Ruhm seines Vaters und dessen Herrschaft lesen. Dieser Befund lässt sich formal dadurch stützen, dass sich die über die Theogonie verstreuten Herakles-Referenzen in drei klar abgrenzbare Blöcke einteilen lassen (Aufräumarbeiten; Erlösung des Prometheus; Herakles und Zeusnachkommen) und dass über die Doppelung der Geryon-Episode ausserdem eine Ringkomposition entsteht. Ist Herakles in der Theogonie grossenteils unhomerischer Natur, was als dezidierte Absetzung von der homerischen Heldenepik verstanden werden kann, so nähert er sich in den Frauenkatalogen und in der Aspis – Erstere stellen eine Fortsetzung der Theogonie dar, während Letztere über die „Alkmene-Ehoie“ als spin-off der Frauenkataloge zu verstehen ist – seinem homerischen Pendant wieder stärker an. Auch wenn für die Frauenkataloge aufgrund des fragmentarischen Überlieferungszustandes Vorsicht hinsichtlich generalisierender Aussagen geboten ist, so lassen die erhaltenen Textbestandteile dennoch klar erkennen, dass die bekannte Technik verstreuter Herakles-Referenzen auch hier fortgesetzt wird, womit der Nachfolgecharakter der Frauenkataloge mit Blick auf die Theogonie ebenso gefestigt wird wie deren Brückenfunktion zu den homerischen Epen (die Frauenkataloge enden mit Zeus’ Plänen zur Zerstörung des Heroengeschlechts, die Anlass zum Trojanischen Krieg geben). Inhaltlich zeigt sich die Annäherung an die homerische Epik darin, dass die Frauenkataloge den Dodekathlos völlig zu ignorieren scheinen und nunmehr wieder stärker homerisierend auf Herakles den Eroberer und Städtezerstörer fokussieren, wobei der Anschluss an die Ilias intertextuell ganz klar gesucht zu sein scheint (z.B. über die Episode von der Tötung von Nestors Brüdern durch Herakles, die auch in der Ilias erwähnt wird). Auf der anderen Seite stehen aber auch hier wieder die Apotheose des Herakles und sein Aufenthalt im Olymp prominent im Vordergrund, wodurch wiederum der Anschluss an die Theogonie gewährleistet wird. Diesbezüglich lässt sich unser Heros auch hier emblematisch lesen: Der Werkintention der Frauenkataloge folgend, die von den Abkömmlingen unsterblicher Väter und sterblicher Mütter berichten, steht Herakles – der sterbliche Halbgott, der zum Gott ehrenhalber ernannt wurde – als Vorbild für alle Halbgötter, da diese definitionsgemäss sterblich sind.

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Die Aspis sodann knüpft an die in den Frauenkatalogen initiierte ‚Rückführung‘ der Heraklesfigur an das homerische Vorbild an und spinnt diese weiter. Die Schildbeschreibung, die den Hauptteil der Aspis einnimmt und entsprechend namengebend für das Kurzepos wurde, stellt die von furchteinflössenden Monstern bevölkerte und von blutigen Schlachten gebeutelte Welt der Theogonie dar, die noch nicht unter der stabilisierenden Herrschaft des Zeus steht, wogegen der ausserhalb der Schildbeschreibung agierende Herakles in seinem Kampf gegen Kyknos der Welt des Heldenepos zugehörig ist. Diese Zweiteilung der beiden Welten in eine diegetische und eine metadiegetische (d.h. hier: ekphrastische) Ebene lässt sich entsprechend poetologisch als recusatio des theogonischen Monsterbezwingers deuten. Die Annäherung an die homerische Epik wird ferner auch daraus ersichtlich, dass über den von Hephaistos geschaffenen und dadurch an den iliadischen Schild des Achilleus (Buch 18) gemahnenden Schild des Herakles die iliadische Analogie zwischen Achilleus und Herakles aufgerufen wird. Auch die hellenistischen Argonautica des Apollonios Rhodios führen die in der homerischen und in der (ps.-)hesiodeischen Epik etablierte Praxis, Herakles in die epische Erzählung einzubetten, fort. Allerdings unterscheiden sich die Argonautica von allen anderen überlieferten griechischen Grossepen in dem zentralen Punkt, dass sie Herakles tatsächlich in die Diegese einführen und ihn nicht (bzw. nicht von Beginn weg) auf die Ebene der Metadiegese verbannen. Herakles nimmt also in den Argonautica einen ungleich breiteren Raum als in sämtlichen anderen Epen ein. Da Herakles mythenchronologisch zur Argonautengeneration gehört, liegt eine entsprechende Handhabung der Heraklesfigur auf der Hand bzw. ist aus der Tradition zu verstehen, die – wie fragmentarisch bezeugte Paralleltraditionen kenntlich machen – Herakles in unterschiedlichen Ausformungen und Intensitätsgraden an der Argonautenexpedition teilhaben lässt. Allerdings scheidet der Heros gegen Ende von Buch 1 wieder aus der Handlung aus, da er auf der Suche nach seinem von einer Nymphe entführten Geliebten Hylas von den anderen Argonauten vergessen und zurückgelassen wird, worauf er seinen Dodekathlos, den er zwecks Teilnahme an der Argonautenfahrt unterbrochen hatte, fortsetzt. In der Folge wird allerdings die Erinnerung an den verlorenen Helden in regelmässigen Abständen aufgerufen und wachgehalten: Die Argonauten müssen bei verschiedenen Gelegenheiten an Herakles zurückdenken, sie treffen immer wieder auf Spuren seiner Taten (insbesondere des ‚laufenden‘ Dodekathlos), oder sie begegnen anderen Menschen, die ihrerseits Herakles gekannt oder mit ihm zusammengetroffen sind und von ihm erzählen – ehe sich zu Ende des Epos die Argonauten und Herakles beinahe noch einmal begegnen. Die handlungstragende Funktion des Herakles in Buch 1 lässt sich wie folgt zusammenfassen: Herakles wird von den versammelten Argonauten zu ihrem Anführer gewählt, doch er lehnt die Wahl ab und schlägt stattdessen Jason vor, der sodann gewählt wird. Im weiteren Verlauf des ersten Buches kommt Herakles eine Mentorfunktion für den jungen, unerfahrenen und vom Erzählter mehrfach als „unfähig“ (ἀµήχανος) qualifizierten Jason zu. Dabei kristallisiert sich ein antithetisches Verhältnis zwischen den beiden genauso heraus wie Herakles’ unverhohlene Antipathie gegenüber Jason – etwa als er ihn anlässlich ihres Aufenthalts bei den Frauen von Lemnos als Weichling und

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Frauenheld verhöhnt. Ebenso offensichtlich ist die uneingeschränkte Autorität des Herakles bei den übrigen Argonauten, die sich beispielsweise bei der Wahl des Anführers oder bei der genannten Lemnosepisode zeigt: In beiden Fällen ist Herakles’ Wort Befehl, alle fürchten ihn, und niemand wagt ihm zu widersprechen. Was die Funktion der zahlreichen Herakles-Referenzen angeht, so bieten sich verschiedene Deutungsansätze an. In einem psychologisierenden Sinne lassen sie sich als Ausdruck des schlechten Gewissens und der Schuldgefühle vonseiten der Argonauten nach der Zurücklassung ihres Kameraden interpretieren. Daneben ist jedoch auch eine narratologische bzw. metapoetische Lesart möglich, die davon ausgeht, dass die Summe der Herakles-Referenzen eine zur Haupthandlung der Argonautica parallel verlaufende Herakleis suggeriert: Über die Figur des Herakles und deren Abenteuer, auf welche die Argonautenhandlung wiederholt Schlaglichter wirft, werden die Möglichkeiten alternativer Inhalte und Erzählstrategien vorgeführt und metatextuell diskutiert. Das Verfassen eines Argonautenepos ist nur eine Möglichkeit, ein Epos zu dichten, der Apollonios gefolgt ist; ebenso hätte der Dichter allerdings auch ein vollständiges Herakles-Epos verfassen können. Diese metapoetische Funktion des Herakles wird, zusammenfassend gesprochen, durch zwei zentrale Aspekte noch gestützt: Erstens ist zu bemerken, dass der apollonische Herakles in seiner Charakterisierung hochgradig vielschichtig und zu Teilen auch widersprüchlich komponiert ist: So finden sich Züge des trunk- und fresssüchtigen Hercules comicus (oft in Verbindung mit dem Starke-Hans-Motiv) ebenso wie die des aufbrausenden Hercules furens und des enthaltsampflichtbewussten Hercules Stoicus. Diese unterschiedlichen Typisierungen stehen nebeneinander und werden zu Werkende zusammen- bzw. enggeführt, indem Herakles von den Argonauten und von der Hesperide Aigle völlig unterschiedlich wahrgenommen und fokalisiert wird. Mit diesem Nebeneinander wird Herakles als Kunstfigur in den Vordergrund gestellt, was wiederum seinem metapoetischen Zweck dienlich ist. Zweitens wird Apollonios verschiedenen Alternativversionen des Argonautenmythos gerecht, indem er Herakles in die Handlung einführt, ihn aber frühzeitig wieder aus ebendieser entlässt und ihm somit einen Wandel von einer Haupt- zu einer Nebenfigur (bzw. ‚Palimpsestfigur‘) angedeihen lässt: Zum einen existierte nämlich eine Tradition, die Herakles tatsächlich als Anführer des Argonautenzuges auswies, zum anderen jedoch gab es auch verschiedene Überlieferungen, denen gemäss Herakles von Beginn weg aus der Handlung ausschied, weil er zu schwer für die Argo war (der apollonische Erzähler spielt auf diese Tradition mittels mehrerer ironischer Bemerkungen bezüglich Herakles’ Übergewicht an). Auf diese Weise wird auf einer metatextuellen Ebene verhandelt, wie die Argonautenfahrt mit und ohne Herakles in verschiedenen Ausprägungen ausgesehen haben bzw. ausgegangen sein könnte. Herakles wird somit zu einem metapoetischen Mittel, über welches verschiedene Erzählstrategien bzw. verschiedene Varianten desselben Plots zur Diskussion gestellt werden. Quintus Smyrnaeus setzt mit seinen Posthomerica die Ilias in der Maske Homers fort und greift dementsprechend die iliadische Praxis auf, HeraklesReferenzen über das Gesamtwerk einzuflechten. Es finden sich über das ganze Epos verteilt dreizehn solcher Passagen (Bücher 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 9, 10); hinzu

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kommt die Ekphrasis von Eurypylos’ Schild (Buch 6) mit Darstellungen von Taten des Herakles. Die Posthomerica knüpfen an die auf die Trojanische Katastrophe vorausweisende proleptische Funktion des iliadischen Herakles sowie an den damit einhergehenden Figurenparallelismus zwischen Herakles und Achilleus an, indem sie Letzteren um den Grossen Aias – den zweitbesten Helden der Achaier und Achilleus’ ‚Nachfolger‘ nach dessen Tod – erweitern. Damit wird Achilleus’ ‚Ablösung‘ durch Aias vorbereitet, da Achilleus’ Tod unmittelbar bevorsteht (Buch 3), und es wird gleichzeitig auch auf Aias’ eigenen Tod (Buch 5) vorausgedeutet. Beide Analogien werden nach dem Tod der beiden Helden mit einem Herakles-Vergleich noch einmal hervorgehoben: Achilleus bevorstehende Versetzung auf die Insel der Seligen wird mit Herakles’ Apotheose, die Kremation des Aias mit der Verbrennung des Herakles auf dem Scheiterhaufen verglichen – wobei letztgenannter Vergleich eine mögliche bevorstehende Vergottung auch des Aias insinuiert, zugleich aber auch das Motiv des Wahnsinns, das die beiden verbindet, in den Vordergrund stellt. Ferner von Bedeutung ist die Figur des Philoktet, dessen von Herakles ererbter Bogen für die Eroberung Trojas unabdingbar ist: damit wird Herakles post mortem zu einem ‚Doch-Noch‘-Akteur bei der Eroberung Trojas stilisiert. Die poetologische Dimension der Philoktet-Episode wird hauptsächlich aus der Ekphrasis von Philoktets Wehrgehenk und Köcher (Buch 10) ersichtlich, deren Darstellungen von blutigen Tierkämpfen und mythischen Qualen proleptisch auf Paris’ Tod und auf die Iliupersis vorausverweisen. Ist also die posthomerische Verwendung der Heraklesfigur grundsätzlich iliadisch geprägt bzw. verstärkt die iliadischen Funktionen und weitet diese aus, so entsteht mit der Einführung des Herakles-Enkels Eurypylos in die Diegesis (Bücher 6–7) ein neuer Deutungshorizont, insofern als damit – in völlig uniliadischer Manier – auch eine Verknüpfung zwischen Herakles und den Trojanern implementiert wird. Mit der Ekphrasis von Eurypylos’ Schild (Buch 6), auf der insgesamt achtzehn Taten des Herakles geschildert sind, inszeniert und etabliert sich der posthomerische Dichter in seiner Unabhängigkeit, nachdem er zuvor ‚lediglich‘ die Schildbeschreibung der Ilias komplettiert hatte (Buch 5), und bietet ausserdem ein ‚Zusatzprogramm‘ zur Beschreibung von Herakles’ Schild auf der (ps.-)hesiodeischen Aspis. Über den letztgenannten intertextuellen Bezug findet eine hesiodeische Einfärbung der Posthomerica statt, die mit Quintus’ poetologischem Programm (Buch 12) korrespondiert. Ergänzend verfügt der Schild des Eurypylos auch über eine paradigmatische Funktion, insofern als sich die darauf dargestellten Taten des Herakles als Prolepsen auf die bevorstehenden Bluttaten des Eurypylos lesen lassen. Damit macht sich der Posthomerica-Dichter die Ambivalenz der Heraklesfigur zunutze, um über verschiedene Figuren beider Kriegsparteien (Achilleus, Aias, Philoktet: Achaier – Eurypylos: Trojaner) die Frage nach Sinn und Gerechtigkeit des Krieges zu diskutieren. Auch Nonnos von Panopolis schliesst sich in seinen Dionysiaca an die etablierte epische Technik der über das Gesamtwerk verteilten Herakles-Referenzen an. Dabei ist zu beachten, dass Herakles hier mythenchronologisch weder der Vergangenheit (wie bei Homer und Quintus Smyrnaeus) noch der Gegenwart (wie bei Apollonios), sondern vielmehr der Zukunft (wie bei Hesiod) angehört. An

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insgesamt acht Stellen (Bücher 10, 11, 17, 29, 34, 43) ist Herakles Bestandteil eines Vergleiches, wobei es sich mehrheitlich um auktoriale Erzählervergleiche handelt. Viermal wird Herakles explizit mit Dionysos parallelisiert, wobei jeweils Dionysos das agierende primum comparandum, Herakles das ebenfalls agierende secundum comparatum darstellt; dreimal sind beide Halbbrüder Bestandteil des Vergleiches, ohne dass jedoch eine direkte Parallelisierung stattfindet. Vielen dieser Vergleiche ist gemein, dass Herakles teils implizit, teils explizit schlechtgemacht wird – etwa, wenn betont wird, dass Herakles nicht so schnell rennt wie Dionysos (Buch 11), oder dass er weniger Lärm erzeugt als die Bakchantin Terpsichore (Buch 29). Diese negativ-paradigmatische Funktion des Herakles zwecks Aufwertung des Dionysos ist aus dem antagonistischen Verhältnis der beiden Halbbrüder zu verstehen und wird potenziert in der Synkrisis-Kette, die – als Bestandteil des ausladenden Binnenproömiums (Buch 25) – ausgedehnte Vergleiche zwischen Dionysos und Minos, Dionysos und Perseus sowie – als Höhe- und Schlusspunkt – Dionysos und Herakles umfasst. Die Herakles-Dionysos-Synkrisis besteht aus einer achtzig Verse umfassenden, hochgradig ironischen und von zahlreichen Erzählerkommentaren durchzogenen, die kanonische Ordnung bewusst durcheinanderbringenden Nebeneinanderstellung von Herakles’ Dodekathlos mit Taten des Dionysos. Dabei werden verschiedene rhetorische Strategien eingesetzt, welche Herakles’ Leistungen ab- und diejenigen des Dionysos kontrastierend aufwerten. Herakles’ topische Funktion als panhellenische Identifikationsfigur wird hier genutzt, um die überragende Stellung des Dionysos hyperbolisch herauszuheben. In eklatantem Widerspruch zu dieser Passage steht die Begegnungsszene zwischen Dionysos und Herakles Astrochiton, in welche Dionysos’ hymnische Anrufung des Herakles, dessen darauffolgende Epiphanie sowie Herakles’ Binnenerzählung von der Gründung der Stadt Tyros eingebettet sind. Herakles Astrochiton gilt gemäss gängiger interpretatio Graeca als Pendant zu Melqart, dem Stadtgott von Tyros, womit eine partielle (aber nicht zwingend vollständige) Assoziation mit dem griechischen Herakles insinuiert wird. Dieses Mit- und Ineinander lässt sich mit dem poetologischen Programm des ‚Schillerns‘ (ποικιλία), das für die Dionysiaca prägend ist, in Verbindung bringen. Der Rezipient wird dazu aufgefordert, sich an der Überlappung der beiden Figuren zu stossen und den intratextuellen Widerspruch zur Charakterisierung des Herakles in den übrigen Passagen zu reflektieren und interpretativ fruchtbar zu machen. Somit treten Dionysos und der Erzähler der Dionysiaca zueinander in Opposition: Letztlich wird der Erzähler zu einem potentiellen unreliable narrator bzw. Dionysos wird zu einem potentiellen unreliable character.

11 AUSBLICK: ANWENDUNG DER FRAGESTELLUNG AUF ANDERE BEREICHE UND GATTUNGEN Keine Gestalt der antiken Mythologie ist in wahrscheinlich ausnahmslos allen Gattungen der griechischen und römischen Literatur dermassen präsent wie Herakles. Dementsprechend ist die Diskussion der ‚Herakles-Frage‘ grundsätzlich für alle Bereiche der antiken Literatur vorstellbar. Innerhalb der Hexameterdichtung wäre zum einen an eine Ausweitung der in dieser Studie auf die Grossepik begrenzten Fragestellung auf die Dichtung des Theokrit (Idyllen 13, 17, 24, 25) zu denken, was wiederum einen stärkeren Miteinbezug der hier ausgesparten politischen Dimension des Herakles sowie der Herakliden in der Ptolemäerzeit bedingen würde. Zum anderen böte sich selbstverständlich auch eine analoge Untersuchung für die lateinische Grossepik an – in der Tat ist Hercules mit und seit Vergils Aeneis in den wichtigen lateinischen Grossepen präsent (Ovid, Metamorphosen; Lucan, Pharsalia; Valerius Flaccus, Argonautica; Silius Italicus, Punica; Statius, Thebais), und die Praxis der verstreuten Herakles-Referenzen ist auch da konsequent übernommen. In diesem Bereich wäre etwa zu fragen, inwiefern sich der römische Hercules epicus vom griechischen unterscheidet und welche Rolle dabei die historische bzw. politische Dimension des römischen Grossepos spielt – zu nennen wären hier nebst der Aeneis als Ausgangspunkt hauptsächlich die Pharsalia und die Punica. Nebst dieser Ausweitung innerhalb der Hexameterdichtung stellt sich auch die Frage, welche anderen, nicht-epischen Gattungen für eine analoge Studie geeignet sein könnten – beispielsweise das attische Drama oder die Epinikien des Pindar und Bakchylides. Eine solche Ausweitung bringt allerdings u.a. das gewichtige Problem mit sich, ob bzw. inwieweit narratologische Fragestellungen auf nicht-narrative, besonders performative (und darüber hinaus institutionsgebundene) Gattungen anwendbar sind (wobei anzufügen ist, dass etwa die Epinikien Pindars zahlreiche narrative Passagen enthalten und dass Herakles auffällig häufig in diesen figuriert, womit wiederum die Narrativität des Helden bestätigt wird). Andererseits dürfte der metapoetische Charakter der Heraklesfigur, der sich an manchen Stellen in den meisten der hier untersuchten griechischen Grossepen gezeigt hat, auch in anderen literarischen Gattungen manifest sein – zu denken wäre etwa an die Rolle des Herakles in den Fröschen des Aristophanes als sidekick des Dionysos. In diesem Zusammenhang erscheint sodann auch die Beziehung zwischen den beiden ungleich-gleichen Halbbrüdern Dionysos und Herakles von Bedeutung: Die poetologische Inanspruchnahme des Herakles zwecks Aufwertung der Dionysosfigur in Nonnos’ Dionysiaca (Kap. 9) dürfte keineswegs einen Sonderfall darstellen, sondern vielmehr Teil eines jahrhundertealten, gattungsübergreifenden Traditionsstranges sein, der seinerseits eine eigenständige Unter-

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Ausblick

suchung wert sein könnte. In einem weiteren Kontext (und unter Berücksichtigung all der hier angerissenen Forschungsfelder und Problembereiche) müsste fernerhin auch eine Rückbindung der Herakles-Frage an die Literaturgeschichtsschreibung per se erfolgen. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Stimmen laut, die eine ‚alternative‘ gräzistische Literaturgeschichtsschreibung auf den Plan rufen – so hat etwa Martin Hose in einem jüngst erschienenen Positionspapier mit dem Titel „Nekrophilie? Zur Literaturgeschichtsschreibung nach dem ‚Tod des Autors‘“ (2017) eine breitere Inklusion der „Ermöglichungszusammenhänge der Literatur“ gefordert.1 Eine solche Erweiterung könnte, ja müsste m.E. letztlich auch eine gattungsübergreifende (synchrone oder diachrone) Beschreibung und Analyse von hochgradig transtextuellen Figuren wie der des Herakles inkludieren. Zu guter Letzt liesse sich möglicherweise auch die Relevanz einer narratologisch ausgerichteten Herakles-Studie für die über den antiken Bezugsrahmen hinausgehende Rezeptionsforschung und die damit verbundene (bzw. in diesem Zusammenhang besonders virulente) Transmedialität erwägen.2 Die Heraklesfigur zieht nicht bloss transtextuell (d.h. diachron) durch die Literaturgeschichte, sondern sie ‚wandert‘ auch (bereits in der Antike, jedoch vermehrt noch in der späteren, nachantiken Rezeption) transmedial durch verschiedene Kunstformen und Medien, wodurch wiederum die hauptsächlich diachrone Perspektive der Literaturgeschichte aufgeweicht und um eine stärkere Synchronizität erweitert wird.

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Hose (2017) 55. Diese Forderung ist zu Teilen bereits eingelöst in dem von Martin Hose und David Schenker herausgegebenen Companion to Greek Literature (Hose/Schenker 2016). Ich danke Han Lamers für die Anregung zu diesem Gedanken. Zu dem relativ neuen Begriff und Konzept der Transmedialität vgl. Jenkins (2006). – Seit einigen Jahren wird die HeraklesRezeption in dem von Emma Stafford geleiteten Hercules Project systematisch erforscht (vgl. https://herculesproject.leeds.ac.uk).

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REGISTER STELLENREGISTER Alexis, Linos 17 A.24 fr. 140 PCG Anthologia Graeca 129 A.44 16,91–93 Antimachos fr. 58 Wyss 74 A.5 = fr. 69 Matthews Apollodor, Bibliotheke 101 A.7 1,37 1,118 94 A.74 1,188 74 A.5 2,57–180 12 2,83–87 103 A.11 2,115 101 A.6 Apollonios Rhodios, Argonautica 1,18–19 98 A.82 1,122–132 73+A.1 86–87+A.55 1,126–129 87 A.54 1,132–349 74+A.3 1,153–155 79 A.27 1,195–198 73+A.1 87 1,332–349 80–81 1,338 82–83 1,339 85 1,394–400 74+A.4–5 76 A.10 1,396–401 88–89 1,425–431 74 87 1,427 88 79 1,460 74 1,519–558 1,531–533 74 76 A.10 88–89 1,532 88 1,609–909 75 82 1,850–878 75+A.6–7 1,865–876 82 1,989–997 75 A.8

1,1015–1077 1,1040–1041 1,1051 1,1159–1171 1,1159–1357

1,1171 1,1187–1189 1,1187–1206 1,1196 1,1199 1,1206 1,1207–1210 1,1211–1220 1,1220 1,1263–1272 1,1265 1,1284–1286 1,1286 1,1325 2,1–97 2,144–154

2,267 2,410 2,537–539 2,762–771 2,762–795 2,771–795 2,772–773 2,774–775 2,802–803 2,815–857 2,885

86–87 95 85 75 85 81 A.33 76 A.10 87 75–76+A.9–12 96 A.77 119 A.9 88 89 87–88 88 88 88 89 90 95 96–97 82 A.39 119 A.9 83 A.40 79 96 A.79 75 A.9 96 A.77 76–77+A.14 88 93 93 79 89 A.59 94 77+A.15–17 86 99 93 96 A.79 77 77 79

170

Register 2,911–914 2,955–961 2,955–971 2,957 2,962–971 2,1030–1089 2,1047–1059 2,1052–1057 2,1077–1078 3,423 3,432 3,1225–1245 3,1231–1234

4,492–551 4,537–543 4,1223–1622 4,1322 4,1393–1482 4,1397 4,1400–1407 4,1413 4,1418–1419 4,1432–1438 4,1436 4,1439 4,1444–1446 4,1448–1449 4,1458–1459 4,1461–1482 Aristophanes, Frösche 62–63 107 549–560 Aristoteles, Poetik 1451a 16–22 Aristoteles, Politik 1284a 22–25 Aristoteles, Rhetorik 1368a 19–29 Bakchylides 5,69 16 Carmina convivalia PMG 894

77+A.18 93 93 77+A.19–20 96 A.79 93 77 77–78 93 121 A.17 81 A.33 79 79 78 78 88 99 78 78 93 78 95 78–79+A.24–27 86 91 A.65 90 20 A.6 95 90 A.63 90 91 88 88 89–90 90 A.63 93 17 A.24 17 A.24 17 A.24 12–13+A.7 29 76 A.10 120 A.14 46 A.6 101 A.8 101 A.4

Diodor, Bibliotheke 3,17,5 4,8–53

89 A.61 12 15 103 A.11 101 A.6 20+A.8 120 A.12 74 A.3 16 A.19 33 A.2 33 A.2

4,12,3–8 4,17,4 4,26,2–3 4,35,3–4 4,41,3 4,54,1 4,58,5–8 5,59,5 Dion Chrysostomos 33,1,45–47 130 A.48 101 A.4 36,9,14 Dionysios Skytobrachion fr. 15a, p. 146.8 Rusten 74 A.3 Dionysios von Halikarnass, De compositione verborum 102 112 Dionysios von Syrakus, Limos fr. 3a TrGF 76 17 A.24 Epischer Zyklus, Ilias parva PEG I p. 74,6–13 108 A.27 = EpGF p. 52,6–15 PEG I p. 74,7–8 103 A.12 = EpGF p. 52,7–9 Epischer Zyklus, Kyprien PEG I p. 41,50–51 = EpGF p. 32,64–66 103 A.12 Euripides, Alkestis 17 A.24 747–802 Hellanikos 34 A.6 FGrHist 4 F 26b Herodot, Historien 134–135+A.60 2,44 14 2,45 Hesiod, Aspis 69 1–56 48–50 126 57 70 124–127 34 A.7 133–134 71 139–317 70 144–160 70 161–162 71 216–237 111 A.34 223–234 71 325–344 34 A.7 Arg. Scuti I = test. 52 Most 69 Hesiod, Frauenkataloge fr. 1 63+A.30

171

Register fr. 1,1–2 fr. 2–6 fr. 25

fr. 25,3 fr. 25,23 fr. 25,24–33 fr. 25,28 fr. 25,29 fr. 26 fr. 33a

fr. 33a,8–36 fr. 33a,19–33 fr. 33a,29 fr. 35

fr. 35,5–14 fr. 165 fr. 165,10 fr. 190 fr. 190,12 fr. 195

fr. 196–204

fr. 229

fr. 229,8 fr. 229,8–13 fr. 229,9 fr. 229,17 Hesiod, Theogonie 22–28 233–336 237–238 270 270–336 276 280–281 287–294

62 62 63 68 A.50 72 67 A.48 67 A.48 65–66 121 A.20 57 A.12 66 63 67 A.48 63 67 A.48 100 A.3 123 A.27 122 A.23 34 A. 34 A.4 63 100 A.3 123 A.27 67 A.48 64 67 A.48 64 67 A.48 64 68 A.50 69 72 63 67 72 64–66 68 A.50 72 121 A.20 65 58 A.12 66 67 A.48 113–114 54 54 54 71 54 54 54

295–300 306–307 313–318

314 316–318 326–332

326–335 328–329 331 332 333–335

337–616 468–506 507–616 526–534

529–531 530 578–584 614–616 886–1022 940–944 942 947–949 950 950–955

951 952 979–983

1007 1021–1022 Hesiod, Fragmente (M/W) 248 250

56–57 60 62 55 55 55 57 60 59 A.18 34 A.7 49 A.13 55+A.6 57 60 59 A.17 61 A.22 58+A.16 55+A.7 57 91 A.64 55 60–61 55 55+A.8 60 71+A.61–62 57 126 112 A.37 55 A.8 56 56–57 60–61 61 A.25 61 130 A.49 121 A.20 56+A.9 57 60–61 65 58 A.16 66 56+A.10 57 60 62+A.26 46 A.6 62 63 A.29 63 A.29

172

Register

251b 253 263 264* 265 360 103,9–10 Hirschberger = 162,9–10 Most Homer, Ilias 1,57–58 1,68–69 1,250–252 2,76–77 2,139 2,225–242 2,235–242 2,488–490 2,596 2,653–670

2,661–666 2,676–680

2,730 2,768–769 2,864 3,39 4,489 5,263–272

5,381–404 5,613 5,628–669 5,638–642 5,638–651 5,639 5,648–651 5,837–839 5,842–848 5,852 5,855–863

106 A.22 63 A.29 63 A.29 63 A.29 63 A.29 63 A.29 91 A.64 61 A.25 66 A.44

81 A.34 81 A.34 37 A.19 81 A.34 42 A.38 82 A.37 75 A.7 114–115 A.42 45 A.1 19 33+A.2 34 37–38 38 19 33+A.3 37–38 45 A.1 101 A.5 33 A.3 82 A.37 33 A.3 34 A.6 64 A.35 117 A.50 33–34+A.4 58 A.16 34+A.6 38–39 40 100 A.2 64 A.35 117 A.50 42–43+A.40 46 40 100 A.2 89 A.59 39 39 39+A.27

6,155–205 7,228 7,468–469 8,357–369 8,362–363 9,52 9,410–416 11,101 11,104 11,109 11,690–693

13,414 13,769 14,242–269 14,250–251

14,253–256 14,312–316 14,317 14,323–325 14,325 15,24–30

15,638–641 16,707–709 18,95–96 18,114–121 18,117–121 18,118 18,119 18,329–332 18,114–121 18,117–121 18,478–608 18,509–540 19,54–55 19,91–138 19,99

36 42–43 46 A.6 98 A.82 34 40 81 A.34 35 A.10 33 A.3 33 A.3 33 A.3 35+A.8 39–40 63 67 A.48 68 100 A.3 58 A.16 82 A.37 35 34 A.6 40 64 A.35 100 A.2 117 A.50 44 58 A.13 35 126 35 61 A.25 35 44 58 A.13 35+A.9 35 A.10 35 A.10 58 46 42 A.42 44 58+A.13 35 A.10 35+A.10–11 41 52 49 70 49 81 A.34 35–36+A.12 126

173

Register 19,114–133 19,420–423 20,144–148

20,334 21,109–113 22,358–360 23,80–81 24,131–132 24,250 24,316 24,538–542 Homer, Odyssee 2,19 3,245–246 4,724 4,814 8,214–225 8,219–225 8,224–225 8,499–520 10,472–474 11,51–83 11,90–225 11,266–270 11,267 11,321–325 11,387–564 11,467–540 11,601–627 11,602–604

11,603 11,604 11,606–608 11,608 11,609–614

11,612 11,615

87 A.54 35 A.10 34 A.6–7 36 40 64 A.35 117 A.50 42 A.42 35 A.10 35 A.10 35 A.10 35 A.10 33 A.3 71 A.62 35 A.10 33 A.3 37 A.19 42 A.40 46 A.6 42 A.40 46 A.6 45+A.1 108 34 A.4 50 46 75 A.7 48 48 45 42 A.40 46 130+A.49 48 105 45+A.3 15 42 A.41 57 65 105 121 A.20 66 34 A.4 52 A.21 88 A.56 48–49 71 110 110 A.33 48

52 47 47 34 A.7 52 98 A.82 33 A.3 45 48 A.10 50–52 59 21,14 45 A.1 50 A.15 21,21 21,24–30 50 90 21,32–33 45 A.1 21,36–38 50 90 45 A.1 21,37 Homerische Hymnen, Apollonhymnus 319 58 A.16 Homerische Hymnen, Kleine Hymnen 89 A.59 28,9–10 Kallimachos, Aitien fr. 24–25 Pf. 95 = fr. 25–26 Asper fr. 54–59 Pf. 120 A.11 = fr. 58–72 Asper Kallimachos, Hekale 120 A.10 fr. 80 120 A.10 fr. 82 Kallimachos, Fragmenta incerta fr. 465 Pf. 97 A.80 = fr. 511 Asper Lukian, De dea Syria 135+A.60 3 Lukian, Verae historiae 101 A.4 2,19 Lukrez, De rerum natura 5,13–54 130 A.46 Lykophron, Alexandra 40–42 119 A.8 453–461 106 A.22 Moschos, Europa 37–62 112 A.37 Nonnos von Panopolis, Dionysiaca 1,14–15 118 1,470 119 A.7 4,18–19 119 A.7 4,47–48 119 A.7 4,121 119 A.7 5,142–189 112 A.37 11,618 11,619–620 11,623–626 11,626 11,627 12,69–72 17,68 21,11–41

174

Register 7,126 8,240 9,11–15 10,373–377 11,224–231

13,104–121 13,351–354 16,265–269 16,403–405 17,32–86 17,46–58 17,232–242 17,233 17,235 17,241 17,262–289 18,289–305 25,1–270 25,10–11 25,18–21 25,31–147 25,31–252 25,80 25,148–174 25,174 25,174–252

25,175 25,176 25,176–251 25,180 25,180–183 25,184 25,193 25,194 25,195 25,200–206 25,203–204 25,207 25,209 25,211 25,211–212 25,213 25,213–214

119 A.7 119 A.7 129 A.42 119+A.8 124 119+A.9 124–125 131 A.51 119 A.6 119 A.7 131 A.50 133 A.55 120 A.10 119–120+A.10–11 124 120+A.12 124 125+A.31 125 A.31 125 A.31 125 130 A.47 120 126 A.35 126 A.35 130 122 131 130 128 120–121+A.13–15 124 126 126–127+A.34–35 128 A.40 128 A.40 127 128 129 129 129 128 A.40 129 129 128+A.40 132 126 129 128 A.40 129 132 128

25,219–222 25,223–224 25,225–229 25,226 25,236 25,237 25,244 25,246 25,247 25,248–252 25,254–260 28,62 29,237–242 30,263–277 31,8–25 31,161–164 34,180–192 34,183 35,27–29 35,314–335

35,335 36,293–353 40,366–580

40,367 40,369 40,369–411 40,385 40,407–408 40,412 40,416 40,422–423 40,428 40,428–573 40,574–577 42,534–540 43,9–15 43,225–252 43,246–249 43,422–436 44,174 44,215 47,496–741 48,31–89

129+A.42 128 A.40 128 129+A.43 128 128 A.40 129 130 A.45 129 130 121 A.15 119 A.6 121 124–126 130 A.47 130 A.47 119 A.7 121+A.18–19 124 121 A.18 119 A.6 121 124 132–133 127 A.37 133 123 121–122+A.22 124 133–136 135 135 134 135 135 135 135 135 135 122 132–133 135 122 122–124 122 122–124 126 A.32 119 A.7 128 A.38 130 A.47 129

175

Register Ovid, Metamorphosen 9,85–86 Panyassis, Herakleia fr. 6 Matthews fr. 20 Matthews fr. 21 Matthews

120 A.12 39 A.30 39 A.30 82 A.38 39 A.30 82 A.38 39 A.30

fr. 26 West Papyri Oxyrhynchus 65 2075 Pausanias, Beschreibung Griechenlands 53 A.1 9,31,4–5 Pindar, Isthmien 15+A.17 4,55–60 4,171–183 73 A.1 Pindar, Nemeen 1,60–71 56 A.9 3,22 16 Pindar, Olympien 7,20–31 33 A.2 Pindar, Pythien 129 A.43 9,5–70 Ps.-Hesiod: s. Hesiod Ps.-Homer, Batrachomyomachie 101 A.7 283 Quintus Smyrnaeus, Posthomerica 101 A.5 1,331–332 100+A.2 1,497–507 104 100 A.2 1,578–579 100+A.3 2,268–276 114 A.41 2,420 112 2,455 106 A.23 2,650–652 105 3,60–66 101 A.5 3,246–247 100 A.2 3,295 100 A.2 3,428 3,760–762 106 A.23 3,770–780 101+A.4 105–106 3,771–772 103 4,38 101 A.5 4,146–168 117 A.49 4,151–152 117 A.49 4,172–177 117 A.49 4,233 114 A.41 4,443–456 101+A.5–6 4,498–499 101 A.5 5,6–101 103 104 A.16

5,97–98 5,236 5,453 5,482–486 5,639–651

5,641–643 5,644–649 5,647–649 6,119–123 6,133–142 6,189 6,194 6,198 6,198–293 6,200–207 6,208–268 6,201 6,211 6,215 6,221 6,231 6,244 6,250–251 6,255 6,266 6,268–272 6,273–282 6,279–281 6,283–285 6,285–288 6,289–291 6,292–293 6,298–307 6,316–651 6,368–371 6,397 6,619–621 7,41–43 7,98–168 7,106–113

7,128–131

110–111 112 100 A.2 106 116 105 101+A. 7–8 106 116 107 105–107 103 101 111 101–102+A.9 111 115 Am.43 115 Am.43 115 Am.43 102–103 116 127 115 Am.43 115 Am.43 115 Am.43 115 Am.43 115 Am.43 115 Am.43 115 Am.43 115 Am.43 106 116 110 103 A.11 114 115 Am.43 101 A.8 116 101 A.6 117 112+A.38 111 114–115 111 116 114 A.42 106 A.23 114–115 103+A.11 111 114+A.41 103

176

Register

8,431 9,97 9,205 9,323–546 9,327–329 9,353–397 9,392–397 9,397 10,178–205 10,182–186 10,186 10,195–198 10,199–202 10,203 10,231–241 10,253–368 12,306–313 14,224

111 106 A.23 114 A.41 114 A.41 107 107 103 103+A.12 103 A.12 103 109 109 A.30–31 110 A.33 111 A.34 109 112 107–108 108 104 A.16 113–114+A.40 101 A.4 105 116 A.45 116 A.45

14,419–448 14,548–589 Scholia vetera zur Ilias 41 A.36 bT 1,1b (30–32) Scholien zu Apoll. Rhod., Arg. (Wendel) 74 A.5 1,1289–1291a 20 A.6 4,1396 Scholien zu Pindar 106 A.22 Isth. 6,53

Shakespeare, William, The Tragedy of Macbeth 23+A.2 1. Akt, 7. Szene, 55–56 Sophokles, Philoktet 103 A.12 670 108 103 A.12 799–803 108 Sophokles, Trachinierinnen 120 A.12 9–26 123 A.27 503–530 120 A.12 123 A.27 101 A.8 553–581 Stesichoros, Geryoneus fr. 7–87 SLG 54 A.4 fr. 19 SLG = fr. 181 PMG 103 A.11 Strabon, Geographika 10,219 120 A.12 Suda (Adler) 583 s.v. Ἡσίοδος 53 A.1 Supplementum Hellenisticum (SH) 120 A.11 256–268C Theokrit, Idyllen 119 A.9 13,65 75 A.9 22,27–134 96 A.77 Xenophon, Memorabilia 17 2,1,21–34 Zenon von Rhodos 33 A.2 FGrHist 523 F 2,102

NAMEN- UND SACHREGISTER Nicht aufgenommen sind Autoren bzw. Werke/Passagen, die über das Stellenregister gefunden werden können, sowie Namen und Begriffe, die sehr häufig (Faustregel: mehr als 25x) vorkommen. Zugehörigkeitsadjektive sind immer mitverzeichnet (d.h. z.B. inkludiert der Eintrag zu „Panhellenismus“ auch „panhellenisch“, der Eintrag zu „Märchen“ auch „märchenhaft“, usw.). Abbruchformel: 90; 95–97; 110; 112 Acheloos: 120+A.12; 122–125+A.27 Adler des Prometheus: 55–56+A.8; 61; 71 Agamemnon: 35–36; 42–44+A.38;45; 48; 75 A.7; 82 A.37; 108; 140 Ägypten: 14; 28; 135 A.60 Aiakos: 100 A.2 Aietes: 78; 81 A.33; 88; 99 Aigle: 78; 88–91+A.64–66; 144 Aioliden: 84 A.44 Aitolien: 73 A.2

Alexandriner: 16 A.20; 80; 92; 94; 97–98+A.80; 114 A.40 Alexandrinische Fussnote: 114 A.40 Alkmene: 15+A.17; 35; 44–45; 64; 69–70; 135 A.61; 142 Alltag: 12 Alternativerzählung: 94; 134 Alternativversion: 19–20; 21; 37; 74 A.3; 78 A.23; 94–95+A.74; 144 Altes Testament: 20–21 Althaia: 63

Register Amazonen: 77; 100 Amazonenkrieg: 77; 93 ambiguous focalization: 52 A.20 Ambivalenz: 15–16; 25; 28; 38; 73; 84–86; 89; 91; 93–94; 97; 107; 115–116; 123; 139; 145 Ambrosia: 122 Ampelos: 119; 124–125 Amphidamas: 77–78+A.21; 86; 93 Amykos: 75 A.9; 77; 88; 96 A.77 Anachronie: 50 A.16; 57 A.11 Analepse: 36; 38–39; 45; 49–50; 56; 60; 71; 85; 98–99; 108–110; 116; 139–140 Ankaios: 74; 87–88; 93 A.71; 95 Antaios: 101–102+A.6; 105–106 Anthropomorphizität: 23–26 Anthropophagismus: 51 Antiheld: 79–80+A.28 Antikleia: 48 Antilochos: 100 Antipathie: 81–82; 143–144 Antiphos: 19; 33+A.3; 36 A.15 Antithese: 79–84; 143–144 Äpfel der Hesperiden: s. Hesperiden Aphrodite: 20+A.8; 33–34; 39+A.26; 106 Apollon: 36; 74 Apotheose: 15–16+A.20; 42 A.41; 43; 47–48+A.9; 56–59+A.9; 61; 63+A.30; 66+A.44; 68+A.50; 72; 78–79+A.27; 90 A.63; 101 A.4; 103; 106; 121; 141–142; 145 Apotropäisch: 15 Arbeiten, zwölf: s. Dodekathlos Archaik: 12; 18; 28–29; 43; 52; 54 A.1; 57 A.11; 58 A.16; 61 A.21; 69; 79 A.29; 81; 84–86; 88; 92; 97; 99; 113; 126 Archaischer Erzähler: 57 A.11 Archetypus: 15; 21; 86 Ares: 34; 39; 73–74 A.2; 77; 86; 93 Aretias: 77 Argeier: 103 Argo (Schiff): 19; 73–74; 76 A.10 Argos (Erbauer der Argo): 98 A.82 Argos (Stadt): 35; 126+A.34 Argos (Wächter der Io): 103; 110 Ariadne: 126 A.32; 130+A.49 Aristie: 72; 116 Aristophanes (Komödiendichter): 147 Aristophanes von Byzanz: 69 Aristoteles: 80; 83 A.41; 84 A.44

177 Arkadien: 78 A.21 Assyrien: 121 Astrochiton: s. Herakles Astrochiton Astrologie: 118 A.4; 134 Astydameia: 64 Astyoche(ia): 33+A.2; 102 Ate: 35 Athen: 49 A.13; 83 A.43; 126 Athene: 34+A.7; 36; 39–40+A.27; 63; 89 A.59; 98 A.82; 101 A.7; 116 A.45 Äthiopien: 63 A.30 Attika: 16+A.20; 22 Aufführungsbedingungen: 18 Aufräumarbeiten: s. Dodekathlos Aufräumer (Herakles als): 14; 37; 57; 59; 67+A48; 72; 86A.52; 87; 113; 142 Auge (Telephos’ Mutter): 63 A.30; 64; 102 Augias(stall): 102; 127; 129–130 Aulis: 119 A.6 Aura (Braut des Dionysos): 126 A.32 Autorität: 13–14; 81–82; 85; 144 Avatar: 15; 45–48; 56; 105; 135 Α.61; 141 Bakchantinnen, Bakchen: 121; 125; 129; 131; 146 Bakchylides: 147 Bär: 110 A.33; 129 Barbar: 51+A.18–19; 84 A.44; 90; 115 A.44; 141 Baum des Lebens: 55 A.7 Baumbestattung: 84 A.44 Bebryker: 76–77; 93 Bellerophontes: 36+A.14 Beroë (Nymphe): 122; 124–126 Beroë (Stadt): 133 A.55 Beyoncé: 84 A.44 Bibel: 20–21 Biene: 122; 125 Binnenerzählung: 36+A.14; 76–77; 94; 118; 124; 134; 146 Binnenproömium: 104 A.16; 113; 114–115 A.40;42; 120; 122–123; 126 +A.35; 132; 146 biographical fallacy: 24 Bithyner: 77 Blutschuld: 33; 38 Bogenschütze (Herakles als): 34+A.2; 45 +A.1; 48 A.10; 50–52+A.15;21; 59; 75; 103–104; 107–108; 141– 142; 145 Böötien: 49 A.13; 53 A.1 Boreaden: 76

178 Brautgeschenk: 121 Bremse (Insekt): 82 A.39; 119 A.9 Brongos: 119–120+A.10; 124 Bronzefibel: 49 A.13 Burlesk: 74; 87–88; 131 A.52 Busiris: 14 character effect: 23–24+A.3 Chloris: 63 Chrysaor: 54; 56; 62 A.26 Commodus: 123–124 A.29 communis opinio: 54 A.2; 69 A.57; 80; 96 A.77 compression: 77 A.16; 127 consolatio: 35 A.11 contradicteur fictif: 128 Danaos: 19 Daskylos: 77 Deianeira: 63; 120+A.12; 122; 124–125 Deimachos: 77; 93 Demodokos: 46 Demokratie: 74 A.3 Deriades: 120–123+A.18; 130 Deukalion: 62 Diachronie: 67 A.47; 97–99; 148 Dichterweihe: s. Musenweihe Diegese: 71; 73; 122; 133; 139; 143; 145 Digression: 33; 96; 118+A.4 Diomedes: 33–34; 39; 49; 102–103; 107; 127; 130 Dione: 33–34; 39+A.26; 140 dis legomenon: 42 Dodekathlos: 11; 13–14+A.9; 16; 20+A.7–8; 40; 44 A.44; 54–55; 64; 67+A.48; 68A.50; 73; 77–78+A17; 86–87 +A.52;54; 90; 92; 94–95; 102; 116–117; 126–130; 133; 142–143; 146 Dolionen(schlacht): 75; 81 A.33; 85–86+A.50–51 Doppelgänger: 74; 88 Dorisch: 13 A.8; 35 A.8 Drakon (Wächterschlange): 20+A.8 Dreifuss: 49 A.13 Dualität der Seele: 48 A.9 Duktilität des Mythos: 14; 19; 21; 26 Eber: 116 Echidna: 55; 60 Echtheit(sfrage): 53–54+A.1; 66; 68–70 Effeminierung: 131 Ekphrasis: 45; 48–49; 70–71; 102–103 +A.11;16; 107; 109–113 +A.32;33; 144–145

Register Elagabal: 123–124 A.29 Elpenor: 48 Elysische Gefilde: 101 A.4; 105 Emanzipation: 92–93 embedded focalization: 52 A.20; 91 A.65; 133 embedded narrator: 48 Emblem: 14; 132; 140; 142 Enkelados: 101+A.7; 107 Enkomion: 118 A.4; 120+A.14; 130–131 +A.50;52; 142 Entheroisierung: 131 Ephialtes: 34; 39 epic plupast: 33 A.1; 140 Epigramm: 129 A.44 Epiklese: 14–15 Epinikion: 147 Epiphanie: 122; 146 Epische Vorvergangenheit: s. epic plupast Epischer Zyklus: 29; 66–68+A.45; 70+A.59; 102 A.9 Epitheton: 46 A.6; 67 A.48 Epyllion: 47–48 A.9; 68–69+A.52; 118 A.4; 132; 134 Erdgeborene: 75+A.8; 86–87+A.54; 95; 121 Erinnerungskultur: 40; 46; 141 Erster Trojanischer Krieg: 34 A.6; 101; 104; 117 Erymanthischer Eber: 73; 77 A.17; 86–87; 102; 127; 130 A.45 Erzählerkommentar: 28; 83 A.40; 87–88; 114–115 A.42–43; 128; 146 Euerget: 134 Euneos: 98 A.82 Euripides: 16–17; 18 A.2; 84 A.46 Europa (mythische Gestalt): 112 A.37 Eurystheus: 11; 13; 16; 34–35+A.9; 40; 42; 64; 73; 86–87+A.54; 90; 92; 140 Eurytion: 102 Eurytos: 45+A.1; 50 A.15 even Herakles died-Topos: 35 A.11; 41; 58; 140 Exemplum: 34 A.4; 36; 39; 42–43; 124–125 Exkurs: 95–97 expansion: 127 Familienehre: 100 Fellbestattung: 84 A.44 Ferse des Achilleus: 106 Fettmasse: 88 A.57 Feuerdiebstahl des Prometheus: 55 Figurenparallele: s. Parallelfigur Figurentypisierung: s. Typisierung

Register flashback: 98–99 Fokalisierung: 23; 51–52 foreshadowing: 72; 111; 116 Formalismus: 24 A.6 Fortsetzung: s. Sequel frames (Figurenanalyse): 26–27 free indirect focalization: 52 A.20 Freier der Helena: 62–63; 66–67 Freier der Penelope: 45 A.1; 50–51+A.15–16; 52 A.21; 141 Ganymed: 34; 44; 106 A.23 Gastfreundschaft: 45–46; 51; 76; 77 A.15 Gastgeschenk: 122 Gastrecht: 40; 50–51; 59; 141 Gattungskonvention: 18–19; 21; 26; 112 Gebet: 74; 90 A.63; 95; 122; 124 Genealogie: 12; 37; 60+A.21; 65–67+A.40; 101–102+A.9; 104; 111; 121 A.18 Generation(szugehörigkeit): 19; 33–34+A.4; 37–38+A.19–20; 49–50+A.15; 73; 85; 139–141; 143 Geryon(eus): 54–55+A.4; 56+A.10; 60–62+A.26; 101 A.6; 102; 127; 142 Geschichtsklitterung: 93 A.71 Giftpfeil: 90; 107–108 Giftschlange: 103 A.12 Giganten: 56 A.9; 101; 107; 121+A.18; 129+A.41 Glaukos (Enkel des Bellerophontes): 36 Glaukos (Meeresgott): 76 Gleichnis: 49; 82 A.39; 103–104; 115–116+A.45 Glenos: 63 A.30 Goldenes Vlies: 98 A.82 Götterhimmel: s. Olympische Götter Grab: 16; 22; 77; 93 Gründungslegende: 122 Gürtel der Hippolyte: 77; 86; 102; 127; 130 Hades: 34; 39; 47 A.8; 52; 63; 65; 101–102 +A.4; 105 Halbgott: 15; 25; 61–62 A.25; 65–66; 101; 123; 106; 135 A.60; 142 Halbsterbliche: s. Halbgott hapax legomenon: 71 A.62; 85 A.48; 133 Harmonia: 112 A.37 Hebe: 15+A.17; 45; 48 A.9; 56–59+A.12; 63–65+A.30; 121+A.20; 133 Hekabe: 101–102 Hektor: 35+A.10; 41–44+A.45; 49; 58; 82 A.37; 104; 140 Helena: 40–41; 62–63; 66–67; 140

179 Helenos: 108 A.29 Hellenistisches Dichtungsideal: 97 A.80 Hephaistos: 49; 70; 103; 112+A.37–38; 143 Herakleis: 77; 86; 92–94; 99; 144 Herakles Astrochiton: 122+A.22; 124; 132–136; 146 Herakles Melqart: 122+A.22; 134–135; 146 Herakles Sandes (-as, -on): 121+A.19; 124 Heraklesgrab: s. Grab Herakliden: 19; 33–34; 36 A.15; 38–39+A.23; 41 A.32; 63 A.30; 63 A.30; 93; 102; 126 A.35; 147 Hercules comicus: 11–12; 17 A.24; 74 A.5; 88–89; 144 Hercules epicus: 14; 85–87; 147 Hercules furens: 16–17+A.23; 82–83; 90; 107; 144 Hercules Stoicus: 17; 75 A.7; 82+A.38; 89; 144 Hercules tragicus: s. Hercules furens Hermes: 103; 110; 118–119 A.5 Hesiod, Erga: 53–54 A.1; 68 A.50 Hesiod, Grosse Ehoiai: 63 A.29 Hesiod, Keyx: 63 A.29 Hesione: 34+A.6; 36; 102; 117 Hesperiden: 19–20+A.6–8; 44 A.44; 55 +A.7; 57; 60–61; 78–79+A.26–27; 86; 89–91+A.63–64; 93; 95+Α.75; 101 Α.6; 102; 127 Hippodameia: 64 Hippolyte: s. Gürtel der Hippolyte Hölzernes Pferd: s. Trojanisches Pferd Homerismus: 85 Homonymie: 19–20; 95 Hybris: 50; 125+A.31 Hylas: 73; 75–77+A.9; 82; 89–90; 91 A.66; 92–93; 95–96; 119+A.9; 124; 143 Hylleer: 78+A.23; 93 Hyllos: 63 A.30; 78; 93 Hymnos: 122+A.22; 134–135; 146 Hyperbole: 116 A.45; 130–131; 146 Hypnos: 35; 40 Hypsipyle: 75; 82+A.36; 98 A.82 hysteron proteron: 56 A. 9 Iapetos: 55 A.8 Identifikationsfigur: 12–15; 130; 146 Idmon: 77 Ikonographie: 11–13; 15; 19–20; 48 A.9; 49 A.13; 54 A.4; 62 A.25; 123–124 A.29; 139 Iliupersis: 46; 109; 145 Immortalisierung: s. Immortalität

180 Immortalität: 16; 42 A.41; 61+A.25; 89; 106 +A.25; 136 Impliziter Autor: 24; 104 A.16 Inachos: 126+A.34 Inderheer: 121; 124 Inderkrieg: 124 Initialproömium: 104 A.16; 118+A.5 Inkonzinnität: 19; 37–38+A.20; 136; 139 Insel der Seligen: 101 A.4; 105; 145 intentional fallacy: 24 Interpolation: 47 A.9; 53–54 A.1; 57–58 A.12; 65; 69 A.57 interpretatio Graeca: 122+A.22; 134–135 +A.60; 146 interpretatio Homerica: 70 Invektive: 34; 40; 42; 75 A.7; 82 A.37 Iolaos: 55; 128 A.40; 129 Iphigenie: 119 A.6 Iphitos: 45–46+A.1; 50–51+A.15; 59; 90; 141 Iteratvers: 57+A.12; 66 Ithaka: 46; 51 Joyce, James: 27 A.15 Kallimachos: 95–96+A.76–77; 97 A.80 Kallirhoe: 54; 56; 62 A.26 Kanon(isierung): 11–14+A.9; 19; 54–55; 100 A.2; 102; 108; 116–117 +A.49; 126–127; 146 Kap der Amazonen: 77; 93 Kastagnetten: 78 Katalogdichtung: 33; 35; 37–38+A.18;22; 54–56; 61; 73 A.1; 112–113; 114– 115 A.42; 127; 140 Katharsis: 14; 84 A.46 Kaukasus: 55 A.8 Kentaur: 101–103+A.8;11; 114+A.41; 116 Kerberos: 20 A.7; 34; 44 A.44; 45; 52 A.21; 92; 102; 106; 127; 129 Kerynthische Hirschkuh: 102; 127; 129 Keto: 54–55+A.3; 60; 71 Keule des Herakles: 74; 77; 88–89 Kilikien: 121; 130 Klagerede: 52 Kleinasien: 123–124 A.29 Klimax: 130–131 Köcher des Philoktet: 103; 109; 111; 145 Kognitive Dissonanz: 21; 136 Kognitive Erzählforschung: 24+A.4 Kognitives Dilemma: 23–24 Kolcher: 78 Kollektivrede: 88; 90 A.63; 93 Komödie: 17; 51 A.18; 87–90; 131

Register Kopreus: 35+A.9 Kos: 35 Kosmogonie: 59–60; 65 Kreophylos: 29; 45 A.1 Kretischer Stier: 102; 127–128 Kroniden: 60 Ktesippos: 63 A.30 Kuh: 89 Kulturbringer (Herakles als): 14+A.12; 37 59; 67–68; 72; 142 Kulturelles Gedächtnis: 14 Kurzepos: 68; 70; 143 Kyklop: 83 A.43 Kyknos: 70–72; 143 Kyrene (Nymphe): 129+A.43; 131 Kyzikos: 75; 86–87; 95 Ladon (Schlange): 78; 90–91+A.64–65 Lady Macbeth: 23 Laertes: 49 Laomedon: 34; 36; 40–41+A.32; 64+A.35; 67 A.48; 100 A.2; 108 A.29; 140 Lebensspender: 122; 134 Leichenspiele: 44 A.45; 101; 105 Lemnos, Lemnierinnen: 75+A.6; 82+A.36 103+A.12; 107–108; 143–144 Leopard: 110 A.33 Lerna-See: 126; 128 Lernäische Hydra: 55; 60; 102; 127–128 Leuke: 101 A.4; 105 Libyen: 20+A.8; 63 A.30; 78; 90 A.63; 95; 101 A.6 Libysche Heroinen: 95+A.75 Liebestrank: 63 Likymnios: 33+A.2; 38 Literaturgeschichte: 26–28; 139; 148 locus amoenus: 101 A.4 Lokalheld: 12; 16 Lokalsage: 65 A.40; 66 Löwe: 42+A.40; 49+A.13; 55; 58–61+A.22; 71; 102; 106; 110 A.33; 116; 127; 129+A.43 Löwenfell: 49 A.13; 106 Lucan, Pharsalia: 147 Luchs: 79+A.27 Lykos: 77+A.17; 86; 93; 99 Lynkeus: 79+A.27 Macbeth: 23 Machaon: 106 A.23; 116 Mänaden: s. Bakchantinnen, Bakchen Märchen: 12; 17; 75 A.8; 78 A.26 Medusa: 54; 103; 110; 111 A.34 Megara: 45

Register Melancholiker: 16 A.22 Meleager: 63; 73+A.2; 87 Melite: 78 Melqart: s. Herakles Melqart Memnon: 106 A.23; 112 Menelaos: 41; 108 Menschenopfer: 14 Messene: 45; 50 A.15 Metadiegese: 72–73; 76–79; 99; 114; 134; 143 Metalepse: 128; 131 Metamorphose: 16; 25–26; 78 A.26; 118– 119 A.5; 123 Metatext: 94; 97; 144 Metonymie: 130 Metope: 13–14+A.9; 34 A.7 Mischwesen: 54+A.3; 57; 67; 71; 86; 113 mise-en-abyme: 33 A.1; 36; 49; 59; 65; 114 Mittelmeerraum: 11 Molorchos/Molorkos: 120+A.11; 124 Monster, das Hesione bedroht: 34; 36+A.6; 100 A.2 Morrheus: 121; 124 Musen: 62–63+A.27 Musenanruf: 120–121+A.15; 132; 104 A.16 Musenweihe: 113–114+A.40 Muskelmasse: 88 A.57 Muttermilch: 121; 132 Mygdoner: 77 Mykenisch: 13 A.8 Myser, Mysien: 64; 75–77; 95 Mystik: 134 Mythenvariante: s. Alternativversion Mythoklast: 18 A.2 narratee: 128; 130–131 Narrativer Palimpsest: 92–94; 97; 134 Nationalheld: 15; 37; 43; 130; 140 Nebenfigur: 28; 144 Nektar: 122 Nekyia: 49; 52; 56–57+A.12; 65–66; 71; 105; 110; 141 Neleus: 63 Nemeischer Löwe: 49+A.13; 55; 58–61 +A.22; 71; 102; 127 Neoanalyse: 18; 29; 36–37; 92 Neoplatonismus: 48 A.9 Neoptolemos: 106 A.23; 108A.27; 117A.49 Neopythagoreismus: 48 A.9 Nereus: 76; 123+A.27 Nessos: 101–102+A.8; 105–106; 116; 125 Nestor: 35; 37 A.19; 39–40; 63; 67 A.48; 68; 100+A.3; 117 A.49; 140; 142

181 Nestorlied: 117 A.49 Nikäa (Stadt): 133 A.55 Nikaia (Nymphe): 131 A.50 Nymphe: 76; 122; 125–126; 129 A.43; 131 A.50; 143 Obeloi: 65 Oichalia: 45+A.1; 63; 67 A.48 Ökumene: 15 Olymp: 15–16+A.17; 45; 47–48; 58–59; 61–62 A.25;27; 63–65; 105; 116 A.45; 118; 123; 141–142 Olympia: 13–14; 34 A.7 Olympiomachie: 34 A.6 Olympische Götter: 28 A.17; 59 A.18; 65; 118; 123 Olympische Spiele: 13–14+A.9; 119 Omphale: 94 A.74 Oneites: 63 A.30 Opferbetrug des Prometheus: 55 Opisthodom: 13 oral poetry: 18; 54 A.4 Orontes: 120; 124–125+A.31; 130 Orpheus: 78+A.25; 90 A.63; 95+A.75 Orphische Hymnen: 134 Orthros: 102 Otos: 34; 39 Ovid, Metamorphosen: 25–26; 147 Päderast: 75 A.7 Palimpsest: s. Narrativer Palimpsest Palimpsestfigur: 144 Pallene: 126 A.32 Pandora: 55; 112 A.37 Panhellenismus: 12–16+A.11; 28 A.17; 33; 37; 42–43+A.42; 65 A.40; 108; 130; 140; 146 Panhoplie: 78+A.22 Panther: 129 Panyassis von Halikarnass: 12; 29 Papyrologie: 53 A.1 Paradigma: 14; 28; 36; 39 A.26; 87; 104; 106–107; 110–111; 114–116; 126; 130; 139; 145–146 Parallelfigur: 46–47; 50; 52; 85 A.47; 104; 122; 145 Parallelhandlung: 92; 94 Parallelisierung (von Figuren): 15; 40–43; 47–48; 52; 57; 140; 146 Parallelüberlieferung: 77 A.19; 88 Paris: 40–41; 82 A.37; 101–102+A.9; 107–111+A.27; 145 Parisurteil: 44 Patroklos: 35; 41; 44 A.45

182 Peisander von Rhodos: 12 Peleus: 100+A.2; 104 Pelops: 35 A.9 Peneleos: 114+A.41 Penelope: 42 A.40; 49; 51–52+A.20; 141 Penthesileia: 100; 119 A.6 Pentheus: 128 A.38 Performanz: 16; 28; 147 Periklymenos: 63; 67 A.48; 100+A.3; 122–125+A.27 Periphas: 39 Periphetes: 35+A.9 Perseus: 103; 110; 111 A.34; 120; 122; 130–131+A.52; 146 Phaethon: 103; 110 Phaiaken: 45–46; 77 Pheidippos: 19; 33; 36 A.15 Pherekydes: 88 Philoktet: 45; 103–104+A.12; 107–112 +A.27; 116; 145 Phineus: 78 Pholoe-Gebirge: 103+A.11; 114 Pholos: 102–103+A.11 Phorkys: 54–55+A.3; 60; 71 Pindar: 13–14+A.9; 84 A.46; 120; 126 A.35; 147 Plot: 13+A.7; 24 A.6; 94; 114 Pluriperspektivität: 90; 97 Polis: 14 Polydeukes: 77 Polyphem (Kyklop): 50–51+A.18; 76–77 Polyphemos (Argonaut): 76–77; 96 A.79 Polytheismus: 12 Pontos: 54–55; 60 Popularität: 11–13; 17; 27; 29; 124 A.29; 139 Poseidon: 36; 101+A.6; 105–106; 122–125 Prequel: 67–68+A.47 Priamos: 34; 44 A.45; 101–102 primary narrator: 33; 36; 45; 51–52; 76–77; 89; 91 A.65; 95; 103; 114; 126; 132; 136; 139 primum comparandum: 124; 146 Prinzip der additiven Argumentation: 21; 38 Prodikos: 17 Produktionsästhetik: 18–19; 48 A.9 Prolepse: 35 A.10; 40–43; 46–47; 51; 52 A.21; 56–57+A.11; 60–61; 98; 104–105; 107–111; 114; 140–141; 145 Prometheus: 55–56+A.8; 59–62; 71; 102– 103; 109–110; 142

Register Pronaos: 13 Proömium: 63; 104 A.16; 113; 114–115 A.40;42; 118+A.5; 120–121 +A.15; 122–123; 126+A.35; 132; 146 Prophezeiung: 34–35+A.10; 78 A.25; 106; 108+A.27; 140 Protagonist: 25 A.8; 41; 43–44; 46; 92; 94 Proteus: 48 A.9; 118+A.5; 122–124 Proto-Epyllion: 68–69+A.52 Protokorinthischer Stil: 54 A.4 Prototyp(ensemantik): 25–27; 40; 49; 51; 59–61; 66; 98 A.82; 112 Ptolemäerzeit: 147 Pylos: 35 A.8; 63 Pyxis: 54 A.4 quest story: 98 A.82 Rationalität: 20–21; 139 real life fallacy: 24–25 recusatio: 49; 110; 120; 132; 141; 143 Relief: 13 Religion: 12; 21–22; 115 A.44; 120 A.10; 134; 139 Repetitives Erzählen: 62+A.26; 66 Reprise: 127; 129–130+A.44 Retter: 14; 57; 59; 67; 87; 90; 113 Rezeption(sästhetik): 15; 25–26; 37; 48 A.9; 53–54+A.1; 148 Rezeptionshorizont: 39 Rhapsode: 69+A.57 Rhodos: 12; 33+A.2; 38 Rhys, Jean: 27 A.15 Ringkampf: 119 Ringkomposition: 62+A.26; 142 Rom: 123–124 A.29 Roman: 25 A.8 Sagenklitterung: 50 A.15 Sandes: s. Herakles Sandes (-as, -on) Sarkasmus: 75+A.7; 78; 82 Sarpedon: 34; 38+A.21–22; 40–42+A.32 Satyr: 119; 121 Satyrspiel: 17; 51 A.18; 88; 131 A.52 Schaf: 19–20+A.6;8; 95; 113–114; 119 Schakal: 110 A.33 Scheideweg (Herakles am): 17 Scheiterhaufen: 101+A.8; 103 A.12; 106; 108; 145 Scheltrede: s. Invektive Schenkelgeburt des Dionysos: 123+A.25; 129+A.42 Schiffskatalog (Ilias 2): 33; 37–38+A.18;22; 114–115 A.42; 140

Register Schildbeschreibung (Schild des Achilleus): 49 A.11; 70–72+A.59; 110–115 +A.43; 143; 145 Schlange: 20+A.8; 55; 71; 78; 90–91+A.64; 102; 103 A.12; 107; 116; 128–129 +A.42 Schlangenabenteuer: 102; 116–117; 129 Schlangensöhne: s. Giganten Schöpfungsgeschichte: 20–21 Schwarzes Meer: 101 secondary narrator: 33; 134; 139–140 sedes (im Hexameter): 132 A.53 Semele: 123 A.25 Seneca: 17 Sequel: 28; 64; 67–68+A.50; 103–104; 114; 142 Shakespeare, William: 23 shapeshifter: 63; 67 A.48; 118+A.5; 122– 123+A.27 sidekick: 79; 147 Silius Italicus, Punica: 147 Sizilien: 55 A.4; 101 A.7 Skythien: 63 A.30 Smyrna: 113–114+A.40; 104 A.16 Sonnengott: 122+A.22; 134 Sonnenwagen: 103 Sophokles: 84 A.46 Spätantike: 12; 28; 134 Speerkampf: 63; 67 A.48 spin-off: 70–72; 142 Starker Hans: 12; 17; 87–89; 144 Statius, Thebais: 147 Stesichoros: 54 A.4; 69+A.54 Sthenelos: 77; 93 Stoiker: 74 A.3; 80 A.31 Stoppard, Tom: 27 A.15 Strukturalismus: 18 A.1; 24 A.6 Stuten des Diomedes: 102; 127; 130 Stymphalische Vögel: 78+A.21; 86; 102; 121+A.17; 124; 126–127; 130 Stymphalos: 78 A.21 Styx: 106; 116 Suizid des Aias: 105–107; 115 Symplegaden: 88 A.58 Synchronie: 148 Synkrisis: 120+A.14; 122; 124; 126–128; 130–133+A.52; 146 Syrien: 135 A.60 Tarsos: 130 Taten, zwölf: s. Dodekathlos Tegea: 78 A.21 Teiresias: 48

183 Telamon: 76; 100–101+A.2 Teleologie: 56 A.9; 57; 68 A.50; 84–85 A.46 Telephos: 63 A.30; 64+A.35; 102+A.9; 117 A.49 Tempel: 122; 135+A.59–60 Terpsichore (Mänade): 121; 124–125; 146 Thebanischer Sagenkreis: 29 Theben: 126+A.35 Theiodamas: 76; 90; 95–97 Theokrit: 75 A.9; 84–85 A.46; 147 Thersites: 42 A.38; 75 A.7; 82 A.37 Theseus: 12–13+A.7; 29 Thestios: 63 Thetis: 41–42; 101 Thrakien: 126 Thrasymedes: 100 Tierkämpfe: 145 Tiphys: 76–77 Titanen: 55; 60; 123 A.25 Tlepolemos: 19; 33–34+A.2; 38–40 +A.22;32; 42; 46 Totenreich: s. Unterwelt traditional referentiality: 27 A.13 Tragödie: 12; 16–18; 82; 86 A.51; 104 Transformation: s. Metamorphose Transmedialität: 148+A.2 Transtextualität: 26–28+A.15; 139; 148 Transvestismus: 42–43 A.42 tris legomenon: 46 A.6 Trojanischer Sagenkreis: 29; 67–68; 85 Trojanisches Pferd: 104 A.16; 113 Tros: 34 Typh(a)on: 55; 121+A.18 Typisierung: 11–12; 16–17+A.22; 43; 51 A.18; 76 A.13; 79 A.29; 88–89; 144 Tyros: 121–122; 124; 133–135+A.60–61; 146 Übergewicht des Herakles: 17; 74+A.5; 76 A.10; 88+A.57; 89 A.59; 94 A.74; 144 unreliable character: 136+A.63; 146 unreliable narrator: 117 A.49; 136+A.63; 146 Unsterblichkeit: s. Immortalität Unterschicht: 11; 43 Unterwelt: 15; 34; 45–50+A.9; 57–58; 92; 102; 105; 110; 141 Valerius Flaccus, Argonautica: 147 Variation (variatio): 19; 26; 67; 127 Vasenmalerei: 34 A.6; 54 A.4 Vegetarismus: 120+A.10

184

Register

Vergöttlichung: s. Apotheose Vergottung: s. Apotheose Verwandlung: s. Metamorphose Vlies: s. Goldenes Vlies Vögel des Ares: 77–78; 86; 93 Volksmärchen: s. Märchen Volkstümlich: s. Popularität Vormykenisch: 13 A.8 Wahnsinn des Aias: 106–107; 145 Wahnsinn des Dionysos: 121; 132 Wappnung: 78; 88; 99 wavering identity: 26 Wehrgehenk des Herakles: 45; 48–49; 71; 141 Wehrgehenk des Philoktet: 103; 109–111

+A.33; 145 Wein: 89; 123–124 A.29 Weltherrschaft des Zeus: 61+A.22; 71; 87; 142 Widerspruchsfähigkeit des Mythos: 14; 19–22; 26; 28; 37; 84+A.46; 91; 95 A.75; 123; 136; 139 Wildschwein: 110 A.33 Wirkungsintention: 24; 44; 92–93; 115 Wolf: 110 A.33 Zagreus: 123 A.25 Zeitraffer: 78 A.26 Zeustempel (Olympia): 13–14+A.9; 34 A.7 Zivilisator (Herakles als): 59; 67; 87; 142 Zwölf Arbeiten/Taten: s. Dodekathlos

GRIECHISCHE BEGRIFFE ἄεθλος, ἆθλος: 47+A.8; 92 αἴτιον: 76; 96 ἀλεξίκακος: 15+A.13 ἀµηχανίη, ἀµήχανος: 76; 79+Α.28; 81–83 +Α.41; 143 ἀποπλάζειν: 95–97+A.79 Ἀργὼ πασιµέλουσα: 98 A.82 ἀρετή: 43–44 A.43 ἄριστος: 43–44 A.43; 74+A.3; 82–83+A.40 Ἀστροχίτων: 122; 135 αὔξησις: 120 A.14 βάξις: 82 βίβλος: 121 Α.15 βίη Ἡρακληείη/-ῆος: 58+A.16; 63–64; 87+A.55 γυναιµανής: 82+A.37 διδάσκαλος: 15 εἴδωλον: 15; 45–48; 56; 105; 135 Α.61; 141 ἐλέγχειν, ἔλεγχος: 128+A.38 ἔπος: 134 ἐρώµενος: 73; 76; 119 A.9 ἥρως θεός: 16 θρασυµέµνων: 42+A.40; 46+A.6 θυµολέων: 42+A.40; 46+A.6

κάπρος: 130 A.45 κλέα ἀνδρῶν: 43 κλέος: 41; 82+A.37 κόπρος: 130 λύγξ: 79+A.27 µανία: 106–107; 115–116 µέση ἕξις: 80 µῆλον: 19–20; 95+Α.75 µόρφνος: 71 A.62 νηδύς: 89+A.60 ξενία: 51 οἰοπόλος: 20 A.6; 95+A.75 Οἰχαλίας ἅλωσις: 29; 45 A.1 ὅµαδος: 81+A.33 ὄρχαµος: 85+A.48 ποικιλία, ποικίλος: 118–119+A.5; 135; 145 πόνος: 127–129 πρόµος: 132 σωτήρ: 90+A.63; 93; 110 τέλος: 60+A.21; 65–66; 105 ὑπέροπλος: 125+A.31 φλεγύας: 71 A.62 χόλος: 56 A.8; 58

Wie keine andere mythische Figur der Antike vereint Herakles diverse Charaktereigenschaften in sich, die oft in eklatantem Widerspruch zueinander stehen. Silvio Bär untersucht, wie Herakles als literarische Figur in der altgriechischen Epik von Homer bis Nonnos verwendet wird und wie seine inhärente Widersprüchlichkeit funktionalisiert wird. Obwohl Herakles im altgriechischen Epos nie als Protagonist auftritt, ist er dennoch von herausragender Bedeutung, insofern als seine Präsenz oft in eine Wechselwirkung mit der Haupthandlung tritt oder für metapoeti-

sche Zwecke (das „Reden über das Erzählen“) benutzt wird. Methodologisch orientiert sich die Studie an der in der Klassischen Philologie bisher kaum angewendeten Methode der narratologischen Figurenanalyse. Ferner postuliert Bär die „Widerspruchsfähigkeit des Mythos“: Das „System Mythos“ folgt demnach einer eigenen Logik, Widersprüche und Ungereimtheiten müssen nicht aufgelöst oder erklärt werden, sondern ergänzen und verstärken einander gegenseitig – eine Eigenschaft des Mythos, für die Herakles beispielhaft steht.

www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag

ISBN 978-3-515-12206-1

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7 83 5 1 5 1 2 206 1